Die Kulturpolitik des Bundes: Strukturelle und inhaltliche Neuorientierung zur Jahrtausendwende? [1 ed.] 9783428514939, 9783428114931

Alexander Endreß setzt sich erstmalig auf umfangreiche theoretische und empirische Weise mit dem Feld der Kulturpolitik

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Die Kulturpolitik des Bundes: Strukturelle und inhaltliche Neuorientierung zur Jahrtausendwende? [1 ed.]
 9783428514939, 9783428114931

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Soziologische Schriften Band 78

Die Kulturpolitik des Bundes Strukturelle und inhaltliche Neuorientierung zur Jahrtausendwende?

Von

Alexander Endreß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Alexander Endreß · Die Kulturpolitik des Bundes

Soziologische Schriften Band 78

Die Kulturpolitik des Bundes Strukturelle und inhaltliche Neuorientierung zur Jahrtausendwende?

Von

Alexander Endreß

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

n2 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0584-6064 ISBN 3-428-11493-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern Rolf und Gisela Endreß zum 61. Geburtstag

Vorwort Bei der Überlegung, wem man im Rahmen eines Vorwortes Dank aussprechen möchte, überdenkt man automatisch auch den Zeitraum, in dem die Arbeit angefertigt wurde. Man denkt an die Menschen, die einen über diesen Zeitraum begleitet haben, die man kennen lernen durfte und vor allem an die Freundschaften, die man in diesem Zeitraum schließen konnte. Je größer dieser Zeitraum ist, desto länger wird – im Idealfall – die Liste derer, die in diese Gruppen fallen. Ich hatte und habe das unglaubliche Glück, viele Menschen um mich zu haben, die mir in den letzten Jahren in allen Bereichen meines Lebens die notwendige Aufmerksamkeit und Zuneigung zukommen ließen, so dass diese Arbeit überhaupt erst möglich wurde. Und so möchte ich zuallererst meinen Eltern, Rolf und Gisela Endreß danken, denen ich diese Arbeit zu ihrem 61. Geburtstag widme. Aber auch meine Schwester, Juliane Klug, und mein Schwager Christian Klug haben großen Anteil an diesem Gelingen. Ihnen gilt mein herzlichster Dank für ihre bedingungslose Unterstützung! Im Zusammenhang mit der Entstehung dieser Arbeit spielte Prof. Dr. Henrik Kreutz eine besonders wichtige Rolle. Er hat diese Arbeit betreut und durch seine Anregungen maßgeblich mitgeprägt. Aber nicht nur für die Unterstützung bei dieser Arbeit will ich ihm danken. Auch für die lehrreichen Jahre, in denen ich als Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl tätig sein konnte, und vor allem für seine Geduld in den letzten Monaten. Es ist durchaus keine Selbstverständlichkeit für mich, dass meine wissenschaftlichen Ideen und Interessen derartig berücksichtigt wurden und werden. In den letzten Zügen der Arbeit haben mich meine Kollegen Dr. Jan Wessel, Martin Hollaus und Alexander Gärtner hinsichtlich der alltäglichen Arbeiten hervorragend unterstützt und motiviert. Hierfür möchte ich mich ebenfalls herzlich bedanken. Ein ganz besonderer Dank gilt denjenigen Freunden, die buchstäblich Musik in mein Leben zurückgebracht haben und mir nicht zuletzt dadurch über viele denkwürdige Momente und Stunden hinweg geholfen haben: Rami Ali und Robert Reber. Für ihre Geduld mit mir, für ihren Glauben in mich, für die Motivation und die schönsten Momente, die ich auf der Bühne erleben durfte, möchte ich mich herzlich bedanken. Des Weiteren gibt es einige Menschen, denen ich für ihren Respekt, ihre Freundschaft und ihre Unterstützung in vielerlei Hinsicht danken möchte: Jörg

8

Vorwort

Schleehaus, Dr. Armin Baiker, Oliver Rückle, Wolfgang Rödel, Michael Hauenstein, Dr. Oliver Quiring, Dr. Peter-Christian Beigel sowie Michael Bauer. Außerdem möchte ich allen Kolleginnen und Kollegen danken, mit denen ich in der Vergangenheit zusammenarbeiten durfte, sowie allen Studierenden, die zur Freude an meiner Arbeit maßgeblich beitragen.

Nürnberg im Juni 2004

Alexander Endreß

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung..........................................................................................................

19

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur..................

23

I. Begriffsbildung und die Entwicklung des gesellschaftswissenschaftlichen Zugangs......................................................................

23

II.

Die Wichtigkeit einer wissenschaftlichen Begriffsbildung.......................

25

III.

Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“ ....................................................................................................

27

1. Begriffsdefinitionen in Lexika und in der Fachliteratur.......................

27

2. Eine sozialanthropologische Sichtweise und die Verbindung von Natur und Kultur...........................................................................

30

3. Die Rolle von Emotionen und Affekten im evolutionären Prozess der Entstehung von Kulturen ..................................................

32

4. Kultur und Zivilisation – Terminologische Verwirrung oder zwei Seiten einer Medaille?.........................................................

45

a) Herkunft des Begriffes .................................................................

45

b) Die Unkultur – die negative Achse der Kultur .............................

46

c) Der Zivilisationsprozess nach Norbert Elias und seine Abgrenzung zur wissenschaftlichen Verwendung des Begriffs Kultur .............................................................................

47

d) Funktionalität und Dysfunktionalität – Kultur und Unkultur .......................................................................................

48

5. Verschiedene soziologische Zugänge ..................................................

49

Inhaltsverzeichnis

10

6. Die systemtheoretische Modellierung von Kultur................................

54

a) Struktur und Funktion...................................................................

56

b) Grundzüge der strukturell-funktionalen Theorie von Talcott Parsons .............................................................................

57

c) Handlung, Funktion und Struktur – die Begriffsexplikationen von Parsons...................................................................................

58

d) Das funktionalistische AGIL-Paradigma......................................

62

e) Grenzen dieses theoretischen Ansatzes ........................................

68

Resümee zum zweiten Kapitel..................................................................

72

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse ..................................

75

I. Hinführung: Allgemeine Aspekte .............................................................

75

IV.

II.

Das Forschungsdesign...............................................................................

77

III.

Vorgehen bei der Strukturanalyse .............................................................

79

IV.

Vorgehen bei der funktionalen Analyse....................................................

86

1. Die Inhaltsanalyse als Grundlage der Untersuchung............................

87

2. Zwischen Objektiver Hermeneutik und Grounded Theory – ergänzende Grundlagen der funktionalen Analyse...............................

90

3. Vorgehen bei der Auswertung der Daten und Überprüfung der Gütekriterien .............................................................................................95 Exkurs I:

Das technische Vorgehen – computergestützte Analyse mit MAXQDA® ....................................................................................

99

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland....................................................................................................... 103 I. Rechtliche Rahmenbedingungen nach 1945 Ŧ Was darf der Bund? ... oder: Die Kulturhoheit der Länder........................................................ 105 II. Kulturpolitische Konzepte: Modelle auf der Basis verschiedener Erfordernisse und Vorstellungen................................................................ 111

Inhaltsverzeichnis

11

1. Was bedeutet Kulturpolitik und in welcher Tradition ist sie zu sehen?.............................................................................................. 111 2. Die konzeptionelle Entwicklung nach 1945 ........................................ 112 3. Aktuelle Konzeptionen und Diskussionen um die bundesdeutsche Kulturpolitik .............................................................. 120 III.

Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung ................................................................................................ 127 1. Kulturpolitische Aufgabenteilung auf der Bundesebene vor dem Regierungswechsel von 1998 ................................................ 128 2. Aufgabenbereiche und Ziele des bzw. der BKM ................................. 130 3. Die Behörde des bzw. der BKM .......................................................... 133 4. Die Förderpraxis des Bundes im Inland............................................... 137 a) Förderbudgets und deren Entwicklung......................................... 137 b) Förderrichtlinien und Orientierungspunkte .................................. 152 c) Filmförderung als Beispiel der Kulturförderung durch den Bund ...................................................................................... 155 d) Partizipation des Bundes am Aufbauprogramm „Kultur in den neuen Ländern“ ................................................................. 162 5. Ordnungspolitik ................................................................................... 165 6. Medienpolitik....................................................................................... 168 7. Auswärtige Kulturpolitik ..................................................................... 170

IV.

Der Blick über die Grenzen – externer Vergleich mit anderen Nationen.................................................................................................... 178 1. Die kulturpolitische Situation in Österreich......................................... 179 2. Französische Kulturpolitik – Sozialintegrative Intentionen und zentrale Steuerung......................................................................... 181 3. Großbritannien – Intermediäre Institutionen als wesentliche Stütze des kulturpolitischen Systems................................................... 182 4. Kulturpolitik in den USA – Zwischen Liberalismus und Gleichgültigkeit ................................................................................... 184

Inhaltsverzeichnis

12

5. Die Möglichkeiten eines Vergleichs zwischen verschiedenen Nationen............................................................................................... 185 V. Die Kulturpolitik der Europäischen Union ............................................... 186 VI.

Resümee zum vierten Kapitel ................................................................... 192

Exkurs II: Ökonomische Einflussfaktoren auf das kulturpolitische Handeln.................................................................................................. 195 E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik ............................................ 199 I. Die Inhaltsanalyse von Pressemitteilungen............................................... 199 1. Aspekte der Validität, Reliabilität und Objektivität im Zusammenhang mit der Struktur des Rohdatenmaterials..................... 199 2. Struktur und Erscheinungsbild der Pressemitteilungen........................ 200 3. Das Kategorienschema, die Codiervorgänge und der Auswertungsplan.................................................................................. 202 II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse .................................................................... 207 1. Frequenzanalyse................................................................................... 208 2. Kontingenzanalyse............................................................................... 220 a) „Kultur in den Neuen Ländern“ und „Hauptstadtkulturförderung“ ........................................................ 221 b) „Internationale kulturelle Aufgaben im Inland“ ........................... 224 c) „Film“........................................................................................... 226 3. Valenz- und Intensitätsanalyse............................................................. 228 III. Resümee zum fünften Kapitel...................................................................... 231 F. Kulturpolitik in der Krise oder kein Grund zur Schwarzmalerei? Eine abschließende, zusammenfassende Betrachtung anhand der Ergebnisse der Studie....................................................................................... 233 Anhang .................................................................................................................... 239

Inhaltsverzeichnis

13

Interview mit Ministerialdirektor Dr. Knut Nevermann, Leiter der Abteilung Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, am 3. Juni 2003 im Bundeskanzleramt in Berlin............................................................................ 239 Literatur- und Quellenverzeichnis........................................................................ 249 Sachregister............................................................................................................. 261

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Verluste wissenschaftlicher Bibliotheken und deren Bestände durch den zweiten Weltkrieg in Deutschland ........................................................ 114 Tabelle 2: Ausgaben des bzw. der BKM in 2000 und 2002 (Soll-Werte)..................... 140 Tabelle 3: Ausgaben des Bundes in 1998, 2000 und 2002 auf verschiedenen Kultursektoren in % und in 1000 € (Soll-Werte) ......................................... 143 Tabelle 4: Ausgaben des BKM für Förderung der Kultur gemäß den Haushaltslisten (nach Titelgruppen in 1000 €)...................................................................... 148 Tabelle 5: Relative Anteile der einzelnen Titelgruppen pro Haushaltsjahr (in %)........ 151 Tabelle 6: Mit monetärer Förderung verbundene Projekte beim Deutschen Filmpreis ...................................................................................................... 160 Tabelle 7: Anzahl der Maßnahmen und Förderbeträge im Rahmen des Programms „Kultur in den neuen Ländern“ – Beteiligung des Bundes in den Jahren 1999 Ŧ 2002 ................................................................................................. 165 Tabelle 8: Ausgaben des Auswärtigen Amtes für Pflege kultureller Beziehungen im Ausland (1000 € ) ................................................................................... 173 Tabelle 9: Anzahl der Pressemitteilungen und deren Verteilung auf den Erhebungszeitraum (N = 224)...................................................................... 209 Tabelle 10: Verteilung der Meldungen aus den Junimonaten auf die Politikbereiche.... 209 Tabelle 11: Akteure, über deren Tätigkeit berichtet wird ............................................... 210 Tabelle 12: Häufigkeitsverteilungen des Merkmals „Politikbereich“ ............................ 212 Tabelle 13: Häufigkeiten und Verteilung des Merkmals „Politische Partizipation“....... 216 Tabelle 14: Häufigkeiten und Verteilung der Merkmale „Informationsgehalt“ und „Informationen über Mittelverteilung“ ........................................................ 218 Tabelle 15: Internetverweise innerhalb der Meldungen.................................................. 222 Tabelle 16: Kategorien der wörtlichen Zitate in den Pressemitteilungen ....................... 229 Tabelle 17: Akteure, von denen die Zitate stammen....................................................... 230

Verzeichnis der Abbildungen und Graphiken Abbildung 1: Stufen des Evolutionsprozesses und beteiligte Mechanismen nach Franz M. Wuketits .................................................................................31 Abbildung 2: Der „Emotionale Prozess“ nach Frijda und Mequita.............................34 Abbildung 3: Modifiziertes Modell von Wuketits.......................................................38 Abbildung 4: Symbolate als Bindeglied zwischen somatischen und extra-somatischen Zusammenhängen ....................................................40 Abbildung 5: Wörter als Symbolate (nach Leslie A. White).......................................41 Abbildung 6: Symbolate im psychosomatischen Zusammenhang...............................42 Abbildung 7: Unterscheidung verschiedener Blickrichtungen zur Analyse der Beziehungsstruktur von Gesellschaft und Kultur ..................................53 Abbildung 8: Verschiedene Ebenen der Systembildung, die in der menschlichen Lebenswelt vorkommen ........................................................................60 Abbildung 9: Vier Organisationsmodi von Handlungssystemen nach Parsons ...........60 Abbildung 10: Die vier Subsysteme und ihre Grundfunktionen....................................61 Abbildung 11: Das Parsons’sche AGIL-Paradigma ......................................................62 Abbildung 12: Das Allgemeine Handlungssystem in Zusammenhang mit seinen Subsystemen ..........................................................................................65 Abbildung 13: Bühls Mehrebenen-Einteilung der Kultur..............................................70 Abbildung 14: Darstellung von Kultur und Sinnproduktion als offenes System von Kreutz .............................................................................................72 Abbildung 15: Aufgabenstruktur des kulturellen Systems im Rahmen sozialer Systeme ....................................................................................74 Abbildung 16: Konkrete methodische Zugänge zur Rekonstruktion von Handlungslogik......................................................................................78 Abbildung 17: Auswahl von Daten und Untersuchungsdimensionen bei der Strukturanalyse ......................................................................................84 Abbildung 18: Codierparadigma für sozialwissenschaftliche Fragestellungen .............95 Abbildung 19: Screenshot von der Hauptarbeitsmaske des Programms MAXQDA® ........................................................................................101 Abbildung 20: Kulturpolitische Konzepte im zeitlichen Abriss ..................................113 Abbildung 21: Kultureller Trägerpluralismus in der Gesellschaft der BRD................123 Abbildung 22: Rollenstruktur der kulturpolitischen Akteure ......................................124 Abbildung 23: Kulturpolitische Aufgabenfelder des Bundes ......................................132 Abbildung 24: Organisation und Aufgabenteilung der Behörde der BKM 2003 ........134

Verzeichnis der Abbildungen und Graphiken

16 Abbildung 25: Abbildung 26: Abbildung 27: Abbildung 28: Abbildung 29: Graphik 1: Graphik 2: Graphik 3:

Gegenüberstellung des SKA- und des BLK-Konzepts ........................139 Übergeordnete Funktionen der Auswärtigen Kulturpolitik..................170 Struktur der Pressemitteilungen...........................................................201 Erste Teilkategorien bei der Inhaltsanalyse der Pressemitteilungen ....203 Teilkategorien zur intensiven Auswertung ..........................................204

Ausgaben des Bundes in 1998, 2000 und 2002 in % auf verschiedenen Kultursektoren (Soll-Werte)............................................144 Förderausgaben des BKM jährlich im Zeitvergleich (Soll-Werte) .........146 Entwicklung der Ausgaben des Auswärtigen Amtes für Pflege kultureller Beziehungen im Ausland (in 1000 € ) ...................................177

Abkürzungsverzeichnis Abs. Art. BKM BLK bspw. bzw. CDU CSU DDR d. h. et al. etc. EU e.V. f. ff. FFA FFG FTE GEMA GESIS GG ggf. GmbH GVL http KMK LAGS MAXQDA® m. E. MS Nr. o. a. o. Ä. o. V. PDF PISA SAKUSDAT SKA sog.

Absatz Artikel Beauftragte(r) der Bundesregierung für Kultur und Medien Bund-Länder-Kommission beispielsweise beziehungsweise Christlich Demokratische Union Christlich-Soziale Union Deutsche Demokratische Republik das heißt et alter (und andere) et cetera Europäische Union eingetragener Verein folgende fortfolgende Filmförderanstalt Filmfördergesetz Forschung und technologische Entwicklung Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V. Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH Hypertext Transfer Protocol Kulturministerkonferenz Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur Max qualitative Datenanalyse meines Erachtens Microsoft ® Nummer oben angeführt(e) oder Ähnliche(s) ohne Verfasser Portable Document File Programme for International Student Assessment Sächsische Kulturstatistik Datenbank Staatlich-kommunale Abgrenzung so genannte

18 SPD SPSS® u. a. u. Ä. UNESCO UNIDROIT usf. usw. uvm. vgl. vs. www ZA z. B. ZUMA

Abkürzungsverzeichnis Sozialdemokratische Partei Deutschlands Statistical Package for the Social Sciences und andere bzw. unter anderem und Ähnliche, und Ähnliches United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation International Institute for the Unification of Private Law und so fort und so weiter und viele mehr vergleiche versus world wide web Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung zum Beispiel Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen

A. Einleitung Die Kulturpolitik des Bundes ist innerhalb der Bundesrepublik Deutschland kein politisches Feld, in dem eine besondere Brisanz steckt, Defizite offensichtlich sind, Reformmaßnahmen offen ausgesprochen als notwendig erachtet werden oder bei politischen Entscheidungsträgern eine gesteigerte Aufmerksamkeit genießt. Natürlich ist damit nicht gesagt, dass sie ignoriert wird. Sie ist zwar ein politisches Thema, aber eben zumeist nur am Rande. Aufgrund eines vergleichsweise bescheidenen Budgets und des Sachverhalts, dass Kulturpolitik immer nur in Verbindung mit anderen Politikbereichen funktioniert, gestaltet sie sich in der praktischen Ausführung meist zu komplex, als dass es sich lohnen würde, bei einem relativ geringen zu erwartenden Ertrag, sich mit ihr als Politiker auseinander zu setzen. Dieser Trend setzt sich leider hinsichtlich der wissenschaftlichen Auseinandersetzung fort. Aber auch im Kenntnisstand der Bürgerinnen und Bürger lassen sich Wissensdefizite vermuten. Beim Versuch einer Umfrage im Bekanntenkreis, was denn tatsächlich Inhalte der Kulturpolitik des Bundes sind, wie viel Etat hierfür vorgesehen ist und wie viele Personen auf der Bundesebene für die 1998 gegründete Behörde der bzw. des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien arbeiten, stößt man leicht auf fragende Gesichtszüge. Ob die vorliegende Studie dazu taugt, diesen Umstand zu ändern, bleibt abzuwarten. Sie ist allerdings nicht als Handbuch, sondern als eine soziologische Politikanalyse zu verstehen und beinhaltet deshalb Aspekte, die dem einen oder anderen beim Lesen dieser Arbeit fragwürdig vorkommen könnten. Darum ist dieses einleitende Kapitel dafür gedacht, den Begriff der soziologischen Politikanalyse genauer zu beschreiben und den „roten Faden“ durch die Arbeit zu erläutern. Was steckt also hinter dem Begriff der soziologischen Politikanalyse? Zunächst unterscheidet sie sich nicht von einer herkömmlichen Politikanalyse: Ein politischer Sektor wird mit samt seinen Akteuren und anhand der gegebenen Rahmenbedingungen beschrieben und erklärt. Die Analyse hat, in Anlehnung an Max Webers Auffassung von soziologischer Forschung, aber zudem die Ausgangsfrage „Wie gestaltet sich ein gesellschaftlicher Umstand und wie ist zu erklären, dass er sich so gestaltet?“, die Frage nach den Ursachen des So-Geworden-Seins also. Um diese Fragestellung auf das Thema „Kulturpolitik“ anzuwenden, ist es notwendig, verschiedene Aspekte zu einer ganzheitlichen Erklärung zu synthetisieren.

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A. Einleitung

Kulturpolitik und verschiedene kulturpolitische Konzepte sind entscheidend von der begrifflichen Auffassung des Terminus Kultur geprägt. Deshalb besteht der erste Schritt in der Erklärung theoretischer Grundüberlegungen hierzu. Wichtig ist hierbei auch die Prüfung dieser Erklärungsansätze hinsichtlich ihrer Relevanz für die realen politischen Aktivitäten. Im Rahmen des zweiten Kapitels wird demnach zunächst versucht, die zumeist in der Philosophie vorgenommene Trennung zwischen Kultur und Natur durch die Einbindung neuer Erkenntnisse zu überwinden, um zu einem sozialanthropologischen Ansatz zu gelangen, der Kultur als Teil oder Ausfluss der menschlichen Natur behandelt. Dieser Ansatz dient vor allem zur Erläuterung, warum die soziologische Forschung hier ansetzen muss. Kultur dient, in ihrer Funktion als Handlungssystem, der Erhaltung des gesellschaftlichen Gesamtsystems. Sie hat also spezifische Grundfunktionen, die interdependent zu anderen gesellschaftlichen Teilsystemen sind und einen wichtigen Beitrag, vor allem zur transgenerativen Wissensübermittlung, leisten. Die Schwierigkeit, diese Grundfunktionen – von Talcott Parsons als Aspekte der latenten Strukturerhaltung beschrieben – zu operationalisieren, also konkrete kulturelle Handlungen zu entwickeln, Handlungen als kulturell bedeutend zu identifizieren und zu klassifizieren sowie Handlungen zum Schutz und zur Erhaltung von Kulturen zu überdenken und adäquat zu implementieren, überträgt sich quasi eins zu eins auf die Kulturpolitik. Und dies ist gewissermaßen der zweite Aspekt, der diese Studie zu einer soziologischen Politikanalyse macht; anhand der realen politischen Ereignisse in der Vergangenheit, aber vor allem in der Gegenwart, soll sowohl die Entstehung der Struktur der Kulturpolitik auf der Bundesebene als auch deren Inhalte erklärt werden. Hierzu ist die Beachtung einiger wichtiger Punkte notwendig: Zunächst ist politisches Handeln zu großen Stücken durch die rechtlichen Rahmenbedingungen determiniert. Innerhalb der Kulturpolitik gestalten sich diese rechtlichen Rahmenbedingungen aufgrund der Ereignisse im dritten Reich relativ komplex. Dem Bund sind hinsichtlich seiner kulturpolitischen Kompetenz recht enge Grenzen gesetzt, so dass das Bund-Länder-Verhältnis aufgrund der „Kulturhoheit der Länder“ als äußerst entscheidend für die Gestaltung der kulturpolitischen Praxis erscheint. Hinzu kommt, dass die Kompetenzen zwar ausgesprochen sind, die Handhabe aber keiner spezifischen und bindenden gesetzlichen Richtlinie unterworfen ist. Kein Wunder, dass es bei jedem Überdenken und Neustrukturieren der Bundeskulturpolitik Diskussionen über die verfassungsmäßige Rechtmäßigkeit gab. Gerade das Fehlen dieser Richtlinien macht es deshalb in der Folge auch wichtig, sich mit den Aufgabenbereichen und Zielvektoren, die die Politik selbst definiert, näher auseinander zu setzen. Dies deshalb, weil nur auf diese Weise, anhand dieser Fakten, später geprüft werden kann, ob diese Zielsetzungen (a) den normativen Grundfunktionen, die im zweiten Kapitel theoretisch hergeleitet werden, entsprechen und (b) ob und vor allem wie sie tatsächlich in der Praxis erfüllt wurden. Zu einer Strukturanalyse gehört es aber auch, die weiteren Bedingungen der Möglichkeiten zu berücksichtigen. So z. B. die personelle und finanzielle Ausstattung, auf die die Kulturpolitiker auf der Bundesebene zurückgreifen können.

A. Einleitung

21

Genauso gehört der Blick über die Grenzen zu einer solchen Analyse. Dies zum einen, um das Wissen über andere Länder aufzufrischen und zum anderen, um hinsichtlich einer europäischen Kulturpolitik eine Einschätzung darüber abzugeben, inwiefern die nationale Kulturpolitik internationalen Standards gewachsen ist. Was leider in diesem besonderen Überschneidungsbereich zwischen Politikund Kulturforschung allgemein viel zu kurz kommt, ist die empirische Überprüfung der eigenen Überlegungen, der Statements von Politikern und der Logik des politischen Handelns. Dieses Defizit soll durch die vorliegende Arbeit etwas beseitigt werden. Im dritten Kapitel sind deshalb Überlegungen zu einer Methodologie der soziologischen Politikanalyse zu finden, die in einem Forschungsdesign Anwendung finden und das konkrete Vorgehen innerhalb der Arbeit deutlich machen sollen. Die Untersuchung von politischem Handeln erfordert einen Methodenmix, um den allgemeinen Qualitäts- und Gütekriterien sozialwissenschaftlicher Forschung gerecht zu werden. Die Ursache ist darin zu sehen, dass in kaum einem anderen Forschungsfeld die Lücke zwischen normativem Anspruch politischer Arbeit und tatsächlichem Output so wenig untersucht wird. Aussagen von Politikern sind zumeist reaktiv oder – aufgrund fehlender Konkretisierungen – schlichtweg nichts sagend. Deshalb sind den normativen Ansprüchen in zumindest exemplarischer, empirischer Weise die tatsächlichen Verhältnisse gegenübergestellt, um zu einer Sensibilisierung bezüglich der Folgen und der Ausprägungen konkreten politischen Handelns zu gelangen. Sehr gut lässt sich dies anhand verschiedener Beispiele aus der Kulturförderpraxis des Bundes verdeutlichen. Hierbei sind mehrere Schwerpunkte zu erkennen und entsprechend analysierbar. Das Vorgehen ist dabei aber nicht darauf aus, in einer Art Anklageschrift zu enden. Es geht lediglich darum, zu einer erhöhten Transparenz des politischen Systems beizutragen. Um möglichst viele Informationen zusammenzutragen und diese hinsichtlich ihrer Gültigkeit abzusichern, wurden Dokumente zur Kulturpolitik, Aussagen von Kulturpolitikern und Experten, Struktur- und Budgetdaten sowie Pressemitteilungen analysiert. Des Weiteren wurde ein Experteninterview mit Dr. Knut Nevermann, Ministerialdirektor der Abteilung Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, geführt, um einige subjektive Eindrücke zu überprüfen und um mehr über die Struktur der Bundeskulturpolitik in ihrer jetzigen Form und hinsichtlich ihrer Entstehung zu erfahren. Es wurde also insgesamt sowohl eine Struktur- als auch eine Funktionsanalyse der Bundeskulturpolitik angestrebt und m. E. zu großen Teilen auch geleistet. Im Laufe der Arbeit stellten sich aber auch einige Schwierigkeiten ein, die das letztendliche Resultat geprägt haben. Die Kulturpolitik setzt sich aus vielen kleinen „Mosaiksteinen“ zusammen. Es ist nahezu unmöglich, ein Gesamturteil in evaluativer Weise abzugeben. Die Aktivitäten sind so weitreichend und breit gefächert, dass man, um diesem Ziel gerecht zu werden, ganze Bände schreiben könnte. Vielleicht ist dies auch der Grund dafür, dass in diesem Bereich kaum empirisch gearbeitet wird. Insofern ist diese Studie als explorativer Versuch anzusehen, dieses

22

A. Einleitung

Politikfeld zu beschreiben und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie man empirisch ansetzen kann, die politische Arbeit in realistischer Weise darzustellen und hinsichtlich ihrer Effizienz zu prüfen. Insofern soll sie zu einem Diskurs einladen und dazu ermutigen, sich mit diesem überaus interessanten Forschungsfeld auseinander zu setzen. Am Ende der Arbeit wird in einem zusammenfassenden Schlusskapitel wieder Bezug zu den Erkenntnissen aus dem zweiten Kapitel genommen. In einer Gegenüberstellung empirischer Erkenntnisse mit den normativen Ansprüchen, die an die Kulturpolitik aufgrund des theoretischen Ansatzes gestellt werden können, soll eine Einschätzung vorgenommen werden, ob die aktive Politik diesen Erfordernissen gerecht werden kann. Die theoretischen Grundlagen sind sicherlich Ansätze, über die gestritten werden kann. Aber zur Beurteilung der Fakten ist ein Maßstab notwendig. Auch wenn dieser Maßstab nicht als allgemeingültig anerkannt wird, so bleiben dennoch die Analyseergebnisse, anhand derer sich ein eigener Eindruck über die Kulturpolitik des Bundes gewinnen lässt.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

I. Begriffsbildung und die Entwicklung des gesellschaftswissenschaftlichen Zugangs „Der Begriff ist der Anschauung entgegengesetzt, denn er ist eine allgemeine Vorstellung dessen, was mehreren Objekten gemein ist.“ Immanuel Kant1

Den Begriff Kultur zu definieren kommt salopp gesagt dem Versuch gleich, „einen Pudding an die Wand zu nageln“. Dies liegt vor allem an der Interdisziplinarität des Forschungs- und Arbeitsfeldes. So ist dieser Begriff ein zentraler Bestandteil in den Naturwissenschaften wie auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften, wie etwa der Sozialanthropologie. Die Übertragung in die praktischen Anwendungsfelder lässt uns den Begriff in der Raum-, Regionalund Stadtplanung, in Verwaltungen, in Institutionen der Kunst und vor allem im Rahmen der Bildungsinstanzen wieder finden.2 Es gibt hierbei zwar Faktoren, die die Rahmenbedingungen von Kultur als Handlungsfeld determinieren und die so den Anschein erwecken, es handle sich um ein einheitliches Phänomen. Tatsächlich ist die Synthese der verschiedenen Ansätze und Theorien selten möglich. Die fachkundigen Leser mögen verzeihen, dass die Diskussion um den Kulturbegriff an dieser Stelle kurz charakterisiert wird, denn – um es vorweg zu nehmen – die zahlreichen Fachdiskussionen, die nicht selten im Rahmen spezifischer Veranstaltungen, wie z. B. Symposien, Workshops oder auch Ringvorlesungen stattfinden, führten bisher zu keiner befriedigenden Lösung der beschriebenen Problematik.3 Aber genau dieser Befund ist hier Anlass, die Thematik näher zu beschreiben.

__________ 1

Immanuel Kant, Logik des Denkens, §1, 2. Zitiert in: Was ist ein Begriff?, Internet: http://www2.hu-berlin.de/visuelle/ralf/begriff.htm. 2 Vgl. Morr, 1999, S. 12 – 13. 3 Vgl. z. B. Klaus P. Hansen (Hg.): Kulturbegriff und Methode – Der stille Paradigmenwechsel in den Geisteswissenschaften. Eine Passauer Ringvorlesung, 1993, Tübingen; oder auch Current Anthropology: Special Issue: Culture – A second chance? Volume 40, Supplement, February 1999, Chicago, The University of Chicago Press.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

24

Warum erscheint es also so wichtig, den Begriff der Kultur näher zu beleuchten? Nun, Kultur kann, natürlich stark vereinfacht und sehr plakativ ausgedrückt, als Milieu verstanden werden. Als eine Art Verhaltenssicherheit spendender Rahmen, in dem man sich nischenartig eingruppieren kann. Und hier wird bereits deutlich, wie Kultur in gesellschaftswissenschaftlicher Sichtweise zu verstehen ist: Als ein dynamisches Handlungssystem. Die Dynamik dieses Systems ergibt sich unter anderem durch die mannigfaltigen Handlungen und Interaktionen auf jeglichen gesellschaftlichen Ebenen. So entsteht häufig neben der Kultur eine Gegenkultur, wobei das Verhältnis zueinander meist offen bleibt. Ebenso können externe Faktoren (demographische Entwicklungen, technischer Fortschritt etc.) auf die Beschaffenheit der Umwelt einwirken und die kulturellen Strömungen verändern.4 Der Austausch sozialer Energie innerhalb dieses Systems – hierbei sei vor allem an die negativen wie auch positiven Folgen gedacht – verlangt nach einem Normensystem, bei dem das Spannungsfeld zwischen innovativem Denken und traditionalem Handeln, in dem sich Kulturen prinzipiell befinden, in adäquater Weise entkräftet wird. Das Verständnis über den jeweiligen Begriff von Kultur ist im entsprechenden Kontext dabei die Basis jeglichen Handelns. Dieses Verständnis wird m. E. bei der Bewertung des Handelns hinsichtlich der Funktionalität des Systems meist außer Acht gelassen. Das Erfassen sämtlicher Dimensionen, die mit dem wissenschaftlichen Feld der Kultur untrennbar verbunden sind, ist – wie bereits schon angedeutet – ein unmögliches Unterfangen. Zumindest das Berücksichtigen jeglicher dieser Dimensionen in einer Arbeit wie dieser, die andere Intentionen verfolgt, erscheint unmöglich. Vielleicht ist dies – wie im Folgenden gezeigt werden soll – u. a. auch der Grund dafür, dass der Begriff Kultur inflationär und überaus pauschal für die unterschiedlichsten Ausprägungen gesellschaftlicher Semiose – um die Richtung, in die Definitionen oder vielmehr Operationalisierungen zumeist gehen, vorwegzunehmen – verwendet wird. Aus den meisten Publikationen soziologischer Kulturwissenschaft geht allerdings nur schwerlich hervor, auf welchen Bereichen der Fokus der Arbeit liegt. Markus Morr charakterisiert diese Problematik sehr deutlich, indem er 1.500 unterschiedliche Begriffe, in denen der Terminus Kultur enthalten ist und in unterschiedlichen Kontexten verwendet wird definiert.5 Er weist darauf hin, dass es hierbei zu einer offensichtlichen Instrumentalisierung des Begriffes kommt. Positives wie Negatives, z. B. Esskultur oder Streitkultur, erhält dadurch eine Charakteristik, die letztlich auf ein komplexes Beziehungsgeflecht mit verschiedenen Komponenten hinweist. Kultur als Terminus wird also wei-

__________ 4 5

Vgl. Bühl, 1987, S. 8. Vgl. Morr, 1999, S. 19.

II. Die Wichtigkeit einer wissenschaftlichen Begriffsbildung

25

testgehend dazu verwendet, um Sachverhalte vereinfacht darzustellen. Das Resultat dessen ist allerdings kontraproduktiv im Sinne der Absicht, Information durch Begriffsdefinitionen zu erhalten. Es entstehen nicht selten Missverständnisse, die – in Übertragung auf die Handlungsfelder – zu schlechten bzw. gar keinen Resultaten führen. Ferner wird hierdurch das „Schönfärben“ von Tatbeständen praktiziert oder trivial ausgedrückt: Meinungsbildung betrieben. Eine solche Praxis entspricht also einer völlig unwissenschaftlichen Herangehensweise. Auf dieser Basis kann weder eine Diagnose eines gesellschaftlichen Tatbestandes, noch dessen Analyse vollzogen werden. Im Gegenteil: Hier wird ein komplexer Sachverhalt so vereinfacht dargestellt, dass unbeantwortbare Fragen aufgeworfen werden – bezogen auf den Schwerpunkt dieser Arbeit z. B.: „Ist diese Form kulturpolitischer Aktivität auf der Basis funktionaler Gesichtspunkte adäquat?“ Eine soziologische Analyse des politischen Handlungsfeldes Kultur – dies ist ein erklärtes Ziel dieser Arbeit – verlangt nach einer Operationalisierung und zwar aufgrund der Frage „Was bedeutet Kultur für eine Gesellschaft und deren Mitglieder und welche Funktionen erfüllt sie oder muss sie erfüllen?“

II. Die Wichtigkeit einer wissenschaftlichen Begriffsbildung Am ehesten kommt man bei der Frage „Was ist ein Begriff?“ zu der Antwort, wenn man die Funktion der Begriffsbildung hinterfragt. Nach Sokrates und Platon soll der Begriff die Frage nach der Natur dessen beantworten, was jeden Tag in der sprachlich-begrifflichen Kommunikation innerhalb sozialer Systeme verwendet wird. D. h. Begriffe sind Ausdrücke mehrerer Dinge derselben Art. Dabei sollen diese Ausdrücke invariant sein und vom subjektiven Denken und Sprechen unabhängige Gegenstände oder Ideen sowie Vorstellungen im Geist oder aber die Dinge selber sein.6 Diese Ansicht ist für sich allein stehend eine recht naive Auffassung, da durch die Objektivierung subjektiver Blickwinkel grundsätzlich Verzerrungen der Realität entstehen. Und spätestens seit der „Glorifizierung“ des „Prinzips des Utilitarismus“, dem ein naiver, utopischer und gefährlicher Charakter zu eigen ist, und seinen vermeintlich nicht bedachten und somit nicht-intendierten Folgen7 sollte jeder Sozialwissenschaftler sich der Resultate der Dynamik sozialer Prozesse, die hierdurch ausgelöst werden können, bewusst sein.

__________ 6

Vgl. o. V., 2000, Was ist ein Begriff? http://www2.hu-berlin.de/visuelle/ralf/begriff. htm, 24.03.2000. 7 Vgl. hierzu Henrik Kreutz: Skriptum zur Einführung in die Grundzüge der Soziologie, Lieferung Nr. 6, Wintersemester 1999 / 2000. Kreutz beschreibt hierin den Utilita-

26

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

Aus diesem Grund beschreibt Platon den begrifflichen Zugang zu Ideen, sich also sprachlich mitzuteilen, auch als die höchste Form der Erkenntnis.8 In ähnlicher Argumentationsweise unterscheidet Aristoteles dann in einem nächsten Schritt die wissenschaftliche Diskussion von der Diskussion im Rahmen der Alltagssprache. Er beschreibt einen Begriff nur dann als wissenschaftlich, wenn er durch eine Definition bestimmbar ist. Aber: Ohne Sprache und deren Reziprozität hinsichtlich ihrer Verständlichkeit kann es in der Wissenschaft weder zu einer Begriffsbildung kommen, noch – in Folge dessen – der Gegenstand der Wissenschaft durchdacht und diskutiert werden. Und genau diese Feststellung macht die Präzision in den Sozialwissenschaften, insbesondere aber in der Kulturwissenschaft, so ungemein kompliziert: Begriffe müssen trennscharfe Vereinbarungen darstellen, ohne dass hierdurch die Flexibilität aufgegeben wird.9 Ohne nun völlig an die Wurzeln der Wissenschaft gehen zu wollen, ist es notwendig, sich zunächst einmal Gedanken über die Bezeichnung von Objekten, Zuständen, Ideen oder Gedanken, also über die Begriffsbildung an sich, zu machen. Dies deshalb, weil in den nachfolgenden Ausführungen die Benennung von Objekten und Handlungen ein zentraler Bestandteil der hier vollzogenen Operationalisierung von Kultur ist. Begriffe werden in der Alltagssprache nur sehr wenig hinterfragt. Sie werden als allgemeiner Konsens hingenommen, und äußerst selten wird die Sinnbedeutung des Begriffes im jeweiligen Zusammenhang deutlich gemacht. Wie irreführend solch eine Unachtsamkeit sein kann, wird deutlich, wenn man beispielsweise den Begriff der „Menschlichkeit“ betrachtet. Interpretiert man „Menschlichkeit“ als eine Verhaltensweise, so wird dieser Begriff nahezu immer mit einer positiv geprägten Aktion oder Reaktion in Verbindung gebracht. Als eine Art Verdrängungsform wird das überwiegend Negative, das mit der „menschlichen Verhaltensweise“ unweigerlich verbunden ist10, ausgeblendet. So wird durch die Begriffsprägung eine positive Attribuierung der eigenen Daseinsform geschaffen und jeglichem In-Frage-Stellen der Verhaltensweise vorgebeugt. Auf dieser Wissensbasis ist ein analytisches Vorgehen undenkbar. Ähnliches kann man im Fall des Begriffs der Kultur verzeichnen. Kultur ist ein an sich positiv gefärbter Begriff. Ein Phänomen, mit dem man positive Aspekte

__________ rismus als Wolkenkuckucksheim, als Idee, die einer Utopie folgt und mit dem gefährlichen Resultat einer Ideologie, die die Plattform für totalitäre Staaten bilden kann. 8 Vgl. o. V.: Was ist ein Begriff? http://www2.hu-berlin.de/visuelle/ralf/begriff. htm, 24.03.2000. 9 Burmeister, 1998, S. 5. 10 Dies mutet nun vielleicht etwas menschenfeindlich und (ab)wertend an; genau genommen kann man aber die Folgen destruktiven Verhaltens wie Krieg, Umweltzerstörung oder Vernichtung natürlicher Ressourcen nicht verleugnen.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

27

des Lebens, wie z. B. Freizeit, Kunst, Entspannung verbindet. Selten werden die Folgen und die Absichten der Erhaltung und Schaffung einer Kultur bzw. kultureller Produkte mit dem Begriff in Verbindung gebracht. So wird beispielsweise die Schädigung der Natur und die Produktion riesiger Müllberge bei Veranstaltungen wie der jährlich stattfindenden Loveparade in Berlin weniger von den Gästen, die sich in der Überzahl befinden, als mehr von ihren Kritikern thematisiert. Ohne absichtliches Dazutun seitens der Wissenschaft unterstellen zu wollen, setzt sich dieser Trend auch in der Wissenschaftssprache fort. Die genaue Operationalisierung der wissenschaftlichen Gegenstände und deren wertungsfreie Analyse sind oftmals nicht leicht, und sie sind mit einem entsprechenden Mehraufwand verbunden. Allerdings wird durch das Unterlassen dieser eigentlichen Notwendigkeit die jeweilige Basis der Diskussion wissenschaftlicher Erkenntnisse je nach Sinnbedeutung und Sinnerfassung flexibel und man kann den „erkenntnisschaffenden“ Wissenschaftler nicht mehr festlegen.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“ Die Sprache ist also ausschlaggebender Faktor für die wissenschaftliche Diskutierbarkeit der Ideen bzw. der Objekte des Erkenntnisinteresses. Im Folgenden soll nun anhand einiger Beispiele der Umgang mit dem Begriff der Kultur beschrieben werden, um die Problematik stärker zu verdeutlichen.

1. Begriffsdefinitionen in Lexika und in der Fachliteratur Es ist natürlich grundsätzlich sinnvoll, die vermeintliche Auffassung in der Alltagssprache zunächst zu analysieren, um festzustellen, inwieweit die Wissenschaft die Bedeutungen einfach übernimmt bzw. inwiefern dieses unmodifizierte Übernehmen von Begriffsbedeutungen überhaupt angemessen ist. Im Lexikon „Brockhaus“ wird Kultur anhand dreier Unterpunkte charakterisiert:11

__________ 11

Zitiert in: Schabert, 2000, S. 1.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

28

1. Die Gesamtheit der Lebensäußerungen der menschlichen Gesellschaft in Sprache, Religion, Wissenschaft, Kunst und anderem. 2. allgemein: Pflege, Veredelung, Vervollkommnung – vor allem der menschlichen Gesittung, Lebensführung und der Umwelt des Menschen. 3. Urbarmachen des Bodens; Anbau und Pflege von Nahrungspflanzen.

In ähnlicher Weise wird der Ursprung des Wortes Kultur aus dem lateinischen Wort cultus erklärt. Im wohl anerkanntesten lateinisch-deutschen Wörterbuch „Der kleine Stowasser“, wird cultus folgendermaßen übersetzt:12 1. Pflege, Bearbeitung, Anbau, Kultur: patrii / nach Art der Ahnen 2. Pflege, Wartung a.) Bildung, geistige Erziehung b.) Verehrung 3. Kleidung, Tracht, Schmuck 4. Lebensweise, -einrichtung

Mit diesen Definitionen ist nun Folgendes ausgedrückt: Zunächst wird hier die Gesamtheit der geistigen und künstlerischen Lebensäußerung einer Gemeinschaft behandelt. In einem weiteren Schritt wird Kultur hierbei als Gestaltung des sozialen Lebens im Alltag bezeichnet. Das bedeutet, dass Kultur hier eigentlich nur den Output des menschlichen Handelns und Verhaltens umfasst. Diese Auffassung des Begriffes ist nicht nur Ausdruck menschlicher Arroganz, denn Kultur wird hierbei als „Gegenstück zur Natur“ als „Alles vom Menschen Geschaffene“ bezeichnet,13 sondern ist auch entsprechend folgenreich für die bereits einleitend angesprochene Entkräftung des Spannungsfeldes zwischen der Erhaltung des komplexen Ganzen in seiner historischen Ausprägung, der stetigen Beobachtung neuer kultureller Strömungen und der Handhabung der Kulturprodukte im ökonomischen Kontext. Die sozialanthropologische Sichtweise spiegeln die Definitionsversuche von E. B. Tylor14 sowie W. E. Mühlmann15 wider. Auch diese Definitionen behandeln Kulturen als Ausdruck menschlichen Daseins ohne die Dynamik zu berücksichtigen, mit der Kulturen versehen sind. Quasi als ein statisches Konstrukt, ein Raster, an dem sich Menschen innerhalb von Gesellschaften als Folge ihrer Sozialisation und Enkulturation anzupassen haben. So definiert Tylor Kultur als „jenes komplexes Ganzes, das Wissen, Glauben, Kunst, Moral, Recht, Sitte, Brauch und alle anderen Fähigkeiten umfaßt, die der Mensch als Mitglied in einer Gesellschaft erworben hat“. Mühlmann

__________ 12

Vgl. Stowasser / Petschenig / Skutsch, 1980, S. 117. Vgl. Schabert, 2000, S. 2. 14 Heinrichs / Klein, 1996, S. 134. 15 Heinrichs / Klein, 1996, S. 134. 13

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

29

bezeichnet Kultur als die „Gesamtheit der typischen Lebensformen einer Bevölkerung, einschließlich der sie tragenden Geistesverfassung, insbesondere der Wert-Einstellung“. Es wird folglich hierbei bereits deutlich, wie einerseits weit gefasst der Begriff gehalten wird und wie man sich trotzdem dadurch der Chance auf eine umfangreiche Untersuchung des Gegenstandes beraubt, da umfangreichere Verknüpfungen, vor allem interdisziplinärer Art, nur auf Umwegen in die Betrachtung mit aufgenommen werden. Nun darf man allerdings hierbei nicht den Fehlschluss ziehen, dass die Auseinandersetzung mit diesem äußerst diskussionswürdigen Phänomen der Begriffsbestimmung nur zu solch oberflächlichen Ergebnissen geführt hat. Im Gegenteil! Genau genommen wurde bereits sehr gute theoretische Arbeit geleistet, um den wissenschaftlichen Gegenstand der Kultur stärker für empirische Analysen zugänglich zu machen. Die Frage, ob die Erkenntnisse nun – einem allgemeingültigen Gesetz gleich – so unreflektiert in Studien übernommen werden bzw. übernommen werden dürfen, soll im Anschluss an diesen Abschnitt geklärt werden. Doch zunächst gilt es, das bereits Angekündigte zu diskutieren: Kultur umschreibt – oberflächlich betrachtet – die traditionalen Ausprägungen, die man mit ihr in Verbindung bringt. Also eine Orientierung an eine gesellschaftliche Entwicklung im historischen Abriss, die Anerkennung und Durchsetzung von Lebensformen und Ausdrucksinteressen.16 Die Indikatoren einer solchen Entwicklung17 unterliegen bzw. unterlagen aber einer solchen Dynamik, dass die Grenzen sich verschoben haben und im Laufe der Zeit Grauzonen entstanden sind. Eine echte Neudefinition dessen, was weitestgehend als Verhältnis zwischen Kultur und Gesellschaft bezeichnet wird, wurde m. E. nur sehr unpräzise geleistet. Lediglich die Schwerpunkte haben sich hierbei verschoben. Berking kritisiert in seinem Artikel „Kultur – Soziologie: Mode und Methode“, dass Kulturen oftmals als Ausfluss historischer Gesellschaften formuliert werden. So wird aus vergangenen Lebensstilen oftmals ein „Kulturgut“, ohne dass dieses in irgendeiner Form noch aktiv ist und seinen Einfluss auf Sozialisation und Enkulturation geltend machen kann. In der Folge macht es dabei sicherlich Sinn, die Überlegungen von Ernst Cassirer in einer Neudefinition des Begriffs der Kultur zu berücksichtigen:18 „Der Mensch lebt in einem symbolischen und nicht mehr in einem bloß natürlichen Universum. Statt mit den Dingen selbst umzugehen, unterhält sich der Mensch in

__________ 16

Vgl. Berking, 1989, S. 15. Neben den schriftlich und mündlich überlieferten Zeugnissen auch die bildende Kunst, Musik und Literatur, also die ästhetischen und intellektuellen Produkte. 18 Cassirer, 1960, S. 39. 17

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

30

gewissem Sinn dauernd mit sich selbst. Er lebt so sehr in sprachlichen Formen, in Kunstwerken, in mythischen Symbolen oder religiösen Riten, daß er nichts erfahren oder erblicken kann, außer durch Zwischenschaltung dieser künstlichen Medien“

Allmählich wird die Vielschichtigkeit des Phänomens Kultur deutlich. Cassirer spricht hier den Kern der Kultur an. M. E. erkennt er, dass nicht das eigentliche Ergebnis menschlichen Handelns und Verhaltens – er drückt dies mit den künstlichen Medien aus – Kern der Kultur ist, sondern die Intention, die hinter dieser gesamten Sinnproduktion und -reproduktion steckt. Er bezieht sich also indirekt bereits auf die Funktionalität der Kultur, die unter der Oberfläche dessen liegt, was nun bereits ausführlich als sehr weit gefasster Begriff der „Kultur“19 dargestellt wurde. Dabei entsprechen bei Cassirer die Natur der Sphäre des Materiellen und die Kultur der Sphäre des Symbolischen.20

2. Eine sozialanthropologische Sichtweise und die Verbindung von Natur und Kultur Der im vorigen Abschnitt erläuterten Idee von Ernst Cassirer steht auch Tamás Meleghy in seiner Abhandlung über kulturelle Phänomene sehr nahe.21 Darin zitiert und beschreibt er unter anderem den biologischen Kulturbegriff, durch den die Dichotomie von Mensch und Tier erklärt wird, und der durch die Erklärung der grundlegenden Unterschiede zwischen menschlicher und tierischer Natur die Definitionen, die Kultur und Natur als zwei unterschiedliche Phänomene beschreiben entkräftet. Expliziert wird diese Dichotomie anhand von Kriterien wie z. B. Instinktverhalten, Kommunikation, Selbstbewusstsein oder auch anhand der Fähigkeit zur Selbstreflexion.22 So kann Kultur in Abgrenzung zur Natur aber nicht beschrieben werden. Vielmehr handelt es sich bei der Kultur des Menschen bzw. bei dessen Inhalten um ein natürliches Phänomen im Evolutionsprozess, der kein phylogenetisch erworbenes, genetisch fixiertes23 oder angeborenes Wissen oder Verhalten voraussetzt. Genau dieses ist aber nicht das Kriterium, welches den Menschen von anderen Lebewesen abgrenzt. Denn das individuelle Lernen, Imitation und Lehren sind Mechanismen, die ohne weiteres auch in der Tierwelt anzutreffen sind.24

__________ 19

Vgl. die wiedergegebenen Definitionen aus den Lexika. Nöth, 2002, S. 53. 21 Vgl. Meleghy, 2001, S. 374 – 417. 22 Vgl. Meleghy, 2001, S. 375. 23 Wobei dies ein m. E. strittiger Punkt ist. Hauptsächlich deshalb, weil Aussagen über genetische Verankerungen des Verhaltens von Menschen erst bedingt getroffen werden können. Dies ist aber sicherlich eine Diskussion, die an dieser Stelle nicht weiter geführt werden kann. 24 Meleghy, 2001, S. 383. 20

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

31

Wie kann – so die hier berechtigte Fragestellung – das Problem der Abgrenzung also gelöst werden? Meleghy macht in Anlehnung an Franz M. Wuketits die Unterscheidung und damit auch Charakterisierung der menschlichen Kultur, wie auch Natur, anhand von fünf Stufen der Evolution fest, in denen sich die transgenerative Weitergabe von Wissen jeweils unterschiedlich bzw. ergänzend auswirkt:25 Stufen des Evolutionsprozesses Akulturell I Akulturell II Protokulturell I Protokulturell II Eukulturell

Beteiligte Mechanismen Lernen

Imitation

+ + + +

+ + +

Lehren Symbolismus

+ +

+

Abbildung 1: Stufen des Evolutionsprozesses und beteiligte Mechanismen nach Franz M. Wuketits

Als protokulturelle Phänomene werden hierbei solche bezeichnet, bei denen freie oder echte Symbole keine Rolle spielen. Dies stellt aber keine Besonderheit des Menschen dar. Als Stichwort müssen hier nur Namen von Verhaltensforschern wie beispielsweise Konrad Lorenz genannt werden, den Meleghy in seiner Analyse unter anderem zitiert.26 Kultur im engeren Sinne, also in Hinsicht auf das spezifisch menschliche in „unserer“ Kultur, beginnt mit der „Entstehung von Symbolen, mit deren Hilfe die gemeinten Dinge und Prozesse bezeichnet werden können.“27 Hierbei ist vor allem die zweifache Festlegung von Kultur von unmittelbarer Bedeutung: Sie besteht zum einen in der Festlegung der Funktion eines Objektes sowie in dessen Benennung, und zum anderen in der zweifachen Entscheidung, die sich aus der Entscheidung über einen bestimmten Zweck und der Entscheidung über den entsprechenden Namen des Mittels zusammensetzt. Hierdurch wird die Möglichkeit garantiert, generationenübergreifende Wissensübermittlung zu vollziehen.28 Demnach ist dies also die Garantie der Möglichkeit zur Reproduktion von Handlungen, Gütern etc. über einen längeren Zeitraum hinweg. Voraussetzungen hierfür sind natürlich die Entstehung sozialer Einheiten und die Herausbildung der individuellen Lernfähigkeit.

__________ 25

Meleghy, 2001, S. 383. Vgl. Meleghy, 2001, S. 382. 27 Meleghy, 2001, S. 389. 28 Meleghy, 2001, S. 390 f und S. 416. 26

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

32

Nun ist dieser überaus sinnvolle Ansatz jedoch noch um spezifische Aspekte erweiterbar, die hinsichtlich ihrer Wichtigkeit im Rahmen der Kulturwissenschaften seither unterschätzt wurden. Diese Aspekte zielen weitestgehend auf die Rolle von Affekten und Emotionen und deren Rolle in sozialen Systemen ab. Die Ausgangsfrage, die im Kontext der vorliegenden Arbeit gestellt werden muss, lautet: „Kann man beim Umgang mit Emotionen und Affekten von einer Kulturleistung sprechen?“ Um diese Frage zu beantworten muss zunächst geklärt werden, was Emotionen und Affekte im Rahmen sozialer Interaktionen, vor allem auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Handlungsebene kollektiver Akteure, überhaupt sind.

3. Die Rolle von Emotionen und Affekten im evolutionären Prozess der Entstehung von Kulturen Einige psychologische Arbeiten aus den 1990er Jahren haben emotionale Grundlagen des Denkens und Handelns in den Mittelpunkt gestellt. Diese Arbeiten versuchen nicht nur die Frage zu klären, was Emotionen, Affekte, Gefühle oder Stimmungen im biologischen und psychologischen Sinne überhaupt sind. Sie gehen auch der Frage nach, ob es eine Verbindung zwischen sozialem Interagieren und Emotionen in dem Sinne gibt, dass man geradezu von Fühl-, Denk- oder Verhaltensprogrammen in verschiedensten Größenordungen und Wertigkeiten sprechen kann. Was ist nun unter Begriffen wie Affekt, Gefühl, Emotion oder Stimmung zu verstehen? Allen gemeinsam ist zunächst die Tatsache, dass sie sich gleichzeitig sowohl auf einer zentralnervösen wie auf einer peripher körperlichvegetativen, senso-motorisch, ausdruckspsychologischen und zumeist subjektiven Ebene manifestieren.29 Laut einer Definition von Ciompi sind Affekte von inneren und äußeren Reizen ausgelöste, ganzheitliche psycho-physische Gestimmtheiten von unterschiedlicher Qualität, Dauer und Bewusstseinsstärke.30 Der zentrale Kern ist in der Tatsache zu sehen, dass es sich bei Affekten um umfassende körperlichpsychische Gestimmtheiten oder Befindlichkeiten handelt. Diese Definition bzw. dieses Konzept wird von Ciompi aber selbst hinsichtlich seiner Vor- und Nachteile diskutiert.31 Sicherlich wird diese Definition dem komplexen Phä-

__________ 29

Ciompi, 1997, S. 63. Ciompi, 1997, S. 67. 31 Vgl. Ciompi, 1997, S. 67 – 68. 30

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

33

nomen nur in Ansätzen gerecht, allerdings schafft sie einen – so Ciompi – handlichen, klaren Oberbegriff, der sämtliche in der Literatur oder Umgangssprache genannten Charakteristika von affektiven Erscheinungen umfasst. Den Begriff Kognition definiert Ciompi folgendermaßen:32 „Unter Kognition ist das Erfassen und weitere neuronale Verarbeiten von sensorischen Unterschieden und Gemeinsamkeiten bzw. von Varianzen und Invarianzen zu verstehen.“

Mit anderen Worten dreht sich hierbei alles um die Informationsverarbeitung, explizit um die Wahrnehmung von Unterschieden bzw. Gleichheiten.33 In den hier vorliegenden Ausführungen ist dieser Begriff deshalb zentral gestellt, weil die Kognition wesentlicher Bestandteil der so genannten Affektlogik, die er beschreibt, ist. Wobei er Logik als eine Art und Weise bezeichnet, wie kognitive Inhalte miteinander verknüpft werden.34 Die Definitionen der angeführten Begriffe bilden die Ausgangsbasis der Vorstellung, dass es eine Anzahl von Grund- oder Primärgefühlen gibt, die als Antrieb oder besser Motivatoren für menschliches Handeln fungieren. Diese Grund- oder Primärbedürfnisse sind: Interesse, Wut, Angst, Trauer, Freude. 35 Die Primärgefühle werden zwar von Verhaltensforschern nahe gelegt, aufgrund der großen Anzahl von Kombinationsmöglichkeiten, und dementsprechend aufgrund der Schwierigkeit ihrer gegenseitige Abgrenzung und Klassifizierung, ist dieses Konzept allerdings umstritten.36 Eigentliche Kernaussage der beschriebenen Theorie, und gleichzeitig Bezugspunkt zum hier zu behandelnden Thema, ist die empirische Konfrontation. Die Tatsache, dass situative Verhaltensformen in unendlicher und schwer zu prognostizierenden Art und Weise existieren, deutet darauf hin, dass es einen oder mehrere Faktoren geben muss, der bzw. die diese Verhaltensvariationen produzieren. Betrachten wir deshalb den von Frijda und Mesquita beschriebenen Emotion process, der die Schritte im Prozess der Wahrnehmung eines Ereignisses bis zur Entfaltung entsprechender Emotionen beschreibt:37

__________ 32

Ciompi, 1997, S. 72. Ciompi, 1997, S. 72. 34 Ciompi, 1997, S. 78. 35 Vgl. Ciompi, 1997, S. 81. 36 Vgl. Ciompi, 1997, S. 81. 37 Vgl. Frijda / Mesquita, 1997, S. 53. 33

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

34

event

concerns

regulation processes

event coding

appraisal

action readiness

psychological changes

behavior

Abbildung 2: Der „Emotionale Prozess“ nach Frijda und Mequita

Hierbei wird der Verarbeitungsprozess auf der Ebene des Individuums oder auch der Mikroebene beschrieben, welcher sich zwischen Wahrnehmung eines Ereignisses und individueller Reaktion bzw. individuellem Verhalten vollzieht. Der Emotionale Prozess beginnt, wenn ein Ereignis als relevant für die individuellen Belange abgeschätzt wurde. Event markiert hier das stattfindende Ereignis, mit dem das Individuum konfrontiert ist. Das so genannte Event coding ist nun für den Bezug zu dieser Arbeit von größter Wichtigkeit. Hierbei handelt es sich um kulturell determinierte Kategorien von Ereignissen. Kulturell determiniert bedeutet in diesem Zusammenhang, dass es eine spezifische, traditional geprägte Übereinkunft bezüglich Bedeutung und Beurteilung des Ereignisses gibt. So können Verhaltensweisen, die in einer Region alltäglich sind und äußerst oberflächlich betrachtet werden, in anderen kulturellen Kontexten Schamgefühl, Beleidigungen oder Ähnliches auslösen. Die Stufe appraisal im skizzierten Prozess ist am besten mit einem Abgleichen oder Einschätzen des Ereignisses hinsichtlich seiner Relevanz der individuellen Belange zu beschreiben. Letztlich ist dies die entscheidende Stufe hinsichtlich des konkreten Verhaltens oder der psychischen Befindlichkeit auf der Basis der empfundenen Emotionen.38

__________ 38

Vgl. Frijda / Mesquita, 1997, S. 52 – 59.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

35

Geoffrey M. White beschreibt diesen Prozess vom Verlauf her nahezu identisch:39 allgemeines Schema: Event

Emotion (Affect)

Action Response

erweitertes Schema: Event

Event Coding

Appraisal

Action Tendency, Somatic Experience

Management

Zur Verdeutlichung, dass auf ein Ereignis eine emotionale Reaktion folgt, die aber gesteuert und letztlich nicht affektiv bleibt, verwendet er die Begriffe Action Tendency, Somatic Experience sowie Management und weist damit darauf hin, dass eine mehr oder minder ausgeprägte rationale Basis vorhanden ist. Bevor nun näher auf den Bezug zu der im vorigen Abschnitt beschriebenen sozialanthropologischen Sichtweise zur Abgrenzung und Entstehung menschlicher Kulturen eingegangen wird, ist es notwendig die Verbindung zwischen natürlichen und kulturellen Phänomenen, die – wie bereits ausführlich erläutert – häufig übergangen wird, über die Erklärung der biologischen Grundlagen der Emotionen und ihrem Zusammenhang mit der Ratio des Handelns von Individuen zu erläutern. Eine Abhandlung, welche diesbezüglich Mitte der 1990er Jahre auf breiter Ebene für Aufsehen sorgte, ist in dem Werk „Emotionale Intelligenz“ von Daniel Goleman zu sehen. Goleman beschreibt unter anderem die physiologischen Grundlagen der Emotionen, insbesondere die Bedeutung des so genannten Mandelkerns, und erläutert, dass Emotionen als hauptsächlicher Handlungsantrieb zu werten sind.40 Dies bedeutet in der Konsequenz, dass Gefühle für rationales Handeln unerlässlich sind. Physiologisch erläutert Go-

__________ 39

Vgl. White, Geoffrey M., 1997, S. 228 – 229. Vgl. Goleman, 1997, S. 29 – 33; Goleman bemerkt, dass am Mandelkern jegliche persönliche Leidenschaft hängt. Er beschreibt Fallbeispiele, durch die bzw. anhand derer sich dies nachweisen lässt. Gleichzeitig verweist er auf die Bedeutung des Mandelkerns für die unterschiedlichen sozialen Konstellationen, da sich diese durch Wettbewerb, Konkurrenz oder Kooperation ergeben, zu deren Antrieb der Mandelkern die physiologische Grundlage bildet. Im Vergleich zu Primaten ist dieser Mandelkern beim Menschen unverhältnismäßig groß. Dies kann als ein Hinweis auf einen möglichen Faktor gesehen werden, der die Unterschiede zwischen Menschen und Tieren bezüglich der Existenz persönlicher Sinngehalte und komplexer sozialer Strukturen und Rollensysteme ausmacht. 40

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

36

leman dies anhand von Studien an Neurologie-Patienten, bei denen ein bestimmter Bereich des so genannten präfrontalen Kortex, dem Sitz des Mandelkerns, beschädigt ist.41 So sind der Verstand und die Fähigkeit, persönliche Entscheidungen zu treffen hierbei nicht voneinander abhängig. Es wurde festgestellt, dass das rationale Denken sich nicht nur auf den Neokortex – auf das denkende Gehirn –, sondern auch auf ältere Hirnbereiche, wie den Mandelkern und andere, mit ihm verbundene tiefere Regionen, auf das fühlende Gehirn also, stützt. Für die rationale Handlungsweise ist somit eine Abstimmung zwischen den beiden unterschiedlichen physiologischen „Entscheidungsinstanzen“ notwendig. Emotionale Reaktionen, wie sie in den vorangegangenen Abbildungen beschrieben sind, bzw. ihre Konsequenzen für die entsprechenden Situationen, sind also abhängig von der emotionalen Reaktion, die im Mandelkern des Individuums gespeichert ist. Wobei stets eine Assoziation zwischen bewusst erlebten Ereignissen oder Tatsachen und Gefühlen gespeichert werden. Wir sind in der Lage, unsere Handlungen anhand einer individuellen Präferenzordnung auszurichten. Es erscheint plausibel, dass wir diese Präferenzen anhand unserer emotionalen Lage anstreben. Beispielsweise stellen Personen mit ausgeprägter ökonomischer Existenzangst den Kauf eines Produktes anders in Frage, als Personen, die von diesen Befürchtungen gänzlich emotional unberührt bleiben. In seinen weiteren Ausführungen stellt Goleman fest, dass man von der Existenz einer Emotionalen Intelligenz sprechen kann, die in praktischen Fragen von unterschiedlicher Wertigkeit sein kann.42 Vor allem hinsichtlich der Ausprägungen der sozialen Kompetenz oder – anders ausgedrückt – hinsichtlich der sozialen Geschicklichkeit ist diese Emotionale Intelligenz und ihre praktische Anwendung relevant. So bezieht sie sich nicht nur auf den Umgang mit den eigenen, persönlichen Gefühlen, sondern schließt auch die Fähigkeit mit ein, in emotionsgeladenen, interpersonalen Situationen adäquat zu reagieren, indem die Emotionen der an der Situation beteiligten Personen entsprechend einer Steuerung der Situation antizipiert werden.43 Anhand dieser Erkenntnisse lassen sich nun einige Fakten ableiten, die uns bei der Modellierung von Kultur weiterhelfen: Zunächst sind Emotionen für die Menschen ein Medium, durch das sie Personen, ihre Handlungen und Ereignisse prozessual miteinander verbinden und

__________ 41

Vgl. Goleman, 1997, S. 48 – 49. Vgl. Goleman, 1997, S. 49. 43 Vgl. Goleman, 1997, S. 145 – 167; insbesondere die von ihm beschriebenen Elemente der interpersonalen Intelligenz (Gruppen organisieren, Lösungen aushandeln, persönlichen Verbindungen herstellen, Soziale Analysen; vgl. S. 153 – 154) deuten auf die praktische Relevanz seiner Ausführungen hin. 42

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

37

bewerten können. Dies bedeutet, dass sie prinzipiell sozial bedingt sind und somit eine praktische Konsequenz auf die Interaktionen zwischen verschiedenen Akteuren haben.44 So sind sie beispielsweise für die Veränderungen zwischenmenschlicher Interaktionen, wie z. B. das Knüpfen oder das Brechen von Kontakten, die Initiierung von Akzeptanz, die Regulierung von Machtbalancen etc. mit spezifischen Mitteln, wie z. B. der Androhung oder gar Anwendung von körperlicher Gewalt, Vergeltung, Sanktionen usf., oder das Festlegen allgemeiner sozialer Interaktionsmuster verantwortlich.45 Natürlich handelt es sich bei Emotionen immer noch teilweise um angeborene Fühl-, Denk-, und Verhaltensprogramme von unterschiedlicher zeitlicher Hierarchie bezüglich ihrer Wichtigkeit und Komplexität. Im Vergleich zu Tieren, bzw. tierischen Gesellschaften, sind diese aber einmal durch die beschriebenen physiologischen Unterschiede und, ergänzend dazu, zum anderen durch den sich daraus ergebenen Evolutionsverlauf weitaus komplexer. Was bedeuten diese Ausführungen nun im Zusammenhang mit dem Themengebiet der Kultur? Es muss eine Reziprozität zwischen biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren in der Form festgestellt werden, dass der jeweilige kulturelle Hintergrund sich auf Emotionen auswirkt, dass diese aber gleichzeitig auch eine entsprechende Wirkung auf die Interaktionen der Beteiligten haben.46 So gesehen sind Emotionen bzw. die Handhabung, das Ausleben oder das Unterdrücken dieser, stark abhängig von Sozialisation und Enkulturation. Wir haben es hierbei also mit einer spezifisch menschlichen Kulturleistung zu tun. Goleman stellt die These auf, dass Gesetze und ethische, moralische Grundsätze, wie beispielsweise die zehn Gebote, nichts anderes darstellen, als einen Mechanismus, um ein friedliches gesellschaftliches Zusammenleben durch die „Bändigung“ individueller Emotionen zu gewährleisten. Wenn wir uns nun Abbildung 1 nochmals vor Augen führen, so fällt auf, dass dem Modell auf der Grundlage des vorher Erörterten sowohl eine Stufe im Evolutionsprozess als auch ein entsprechender Mechanismus hinzugefügt werden muss. Die Kulturleistung besteht nämlich darin, durch die Steuerung emotionaler Prozesse gesellschaftliches Zusammenleben zu gewährleisten. Beispiele, wie unterschiedlich dies gehandhabt werden kann, sind allzu häufig aus dem tagesaktuellen Geschehen ablesbar. Denken wir an die Reaktionen, die weltweit durch die Attentate am 11. September 2001 ausgelöst wurden. Die Art und Weise der Trauerbewältigung ganzer Nationen und Kulturkreise, die Wahl der Mittel zur Kompensation der kollektiv vorhandenen Wut, die Form der Erklä-

__________ 44

Vgl. White, Geofrey M., 1997, S. 235 – 237. Vgl. Frijda / Mesquita, 1997, S. 82 – 83. 46 Vgl. Ciompi, 1997, S. 91. 45

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

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rung des militärischen Vorgehens sind alles praktische Beispiele dafür, wie Emotionen gehandhabt werden können:47 Stufen des Evolutionsprozesses

Akulturell I Akulturell II Protokulturell I Protokulturell II Eukulturell I Eukulturell II

Beteiligte Mechanismen Lernen

Imitation

Lehren

+ + + + +

+ + + +

+ + +

Symbolismus

+ +

Steuerung emotionaler Prozesse

+

Abbildung 3: Modifiziertes Modell von Wuketits

Hier kann man nun die Frage stellen, ob der Mechanismus Steuerung emotionaler Prozesse tatsächlich ein Spezifikum der Stufe Eukulturell II ist, oder ob er nicht vielleicht sogar dort anzusiedeln ist, wo man die Entstehung von Emotionen, als Produkt der Evolution, datiert. Der Prozess der Entstehung von Emotionen durch Umwandlung von Affekten ist sicherlich deutlich älter als die Entstehung des Symbolismus. Evolutionär betrachtet ist allerdings die Steuerung emotionaler Prozesse, auch auf der Ebene und auf der Basis des Symbolismus, als spezifische, äußerst junge und eigene Kulturleistung anzusehen. Dies sei an unserem Beispiel weiter expliziert: In Folge der anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen islamischen und christlichen Staaten wird versucht, durch eine konsequente Politik der Reduktion von Symbolen die Lage zu entschärfen, was sich m. E. als äußerst schwierig und vielfach kontraproduktiv erweisen kann. Eines der aktuellsten Beispiele ist die Diskussion um das Tragen von Kopftüchern muslimischer Frauen und Mädchen in Schulen. In Frankreich führte diese Diskussion bereits zu einem Verbot der religiösen Kopfverhüllung in Schulen. Dass dies ein verzweifelter Versuch ist, durch plakative Maßnahmen Beruhigungseffekte der inländischen Bevölkerung zu erzielen, steht außer Frage. Kontraproduktiv ist dies deshalb, weil kein Dialog zwischen den Kulturen stattfindet und somit die negativen Emotionen von Menschen muslimischer Glaubensrichtung, sowohl im In- als auch im Ausland, angeschürt werden.48

__________ 47 48

Eigene Darstellung in Anlehnung an Meleghy, 2001, S. 383. Vgl. Wiegel, 2004, S. 3.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

39

Anhand dieses Beispiels wird deutlich, wie überaus groß die Bedeutung der Steuerung emotionaler Prozesse ist, da sie untrennbar mit allen beteiligten Mechanismen der Wissensübermittlung im Evolutionsprozess verbunden ist. Der spezifisch menschliche Aspekt im Zusammenhang mit Kultur ist gemäß dieser Sichtweise also einerseits die transgenerative Wissensübermittlung auf der Ebene der Symbole und andererseits die Handhabung von Affekten und Emotionen. Die Streitfrage, ob Kultur nur geistig existentiell ist oder ob sie sich in wahrnehmbaren Dingen widerspiegelt, stellt sich durch die Verbindung, die im Vorangestellten beschrieben wurde, hier also nicht weiter. Kultur und menschliches Verhalten bedingen sich gegenseitig und stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Piddington beschreibt Kultur in diesem Zusammenhang als adaptiven Mechanismus, weil die Befriedigung von (menschlichen) Bedürfnissen erreicht wird. Dies sind sowohl Bedürfnisse, die der Mensch mit anderen Wesen gemeinsam hat, also Primärbedürfnisse wie Ernährung, Selbsterhaltung, Vermehrung, Schlaf, als auch Bedürfnisse, die aus und mit der Entwicklung des menschlichen Organismus entstanden sind, wie z. B. die Entwicklung der Sprache als Instrument der Wissensübertragung und zur Befriedigung des Verständigungsbedürfnisses.49 Kulturelle Ausprägungen sind Ergebnis menschlicher Handlungen zur Befriedigung der Bedürfnisse, zur Erhaltung der jeweiligen Standards und sie sind gleichzeitig Voraussetzung für die Weiterentwicklung dieser Erhaltungsstrategie. Einen äußerst interessanten Zugang zu diesem Phänomen leistet Leslie A. White, der die Fragestellung, wie Kultur begrifflich zu fassen sei, 1963 aufgriff. Er spricht bei seinem Zugang von einem zweistufigen wissenschaftlichen Verfahren, das zunächst in der Beobachtung besteht. Dieses Beobachten dient dem Wissenschaftler dazu, die Sinnempfindungen der äußeren Welt erfahren bzw. erleben zu können. Die zweite Stufe besteht in der Übersetzung der Gegenstände in Begriffe und in der Klassifizierung der Dinge und Erlebnisse der äußeren Welt.50 In der Kulturwissenschaft haben wir es weitestgehend mit Sonderklassen von Phänomenen zu tun, die eben nicht oder noch nicht benannt sind und in direkter Abhängigkeit zu Symbolen stehen. Hier ergibt sich nun allerdings eine offensichtliche Differenzierung zwischen einerseits Dingen und Ereignissen, die auf Symbolen beruhen und in Bezug auf ihr Verhältnis zu menschlichen Organismen, d. h. in einem somatischen Zusammenhang betrachtet und interpretiert werden, und die man im eigentlichen Sinne als menschliches Verhalten bezeichnen kann, und andererseits symbolabhängigen Dingen und Ereignissen, die in einem extra-somatischen Zusammenhang, also

__________ 49 50

Vgl. Piddington, 1963, S. 138 – 156. Vgl. White, Leslie A., 1963, S. 362 – 363.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

40

eher in Bezug auf ihre Verbindung miteinander als im Verhältnis zu menschlichen Organismen stehen.51 Zur Verdeutlichung dient folgende Abbildung:52

SOMATISCHER ZUSAMMENHANG

SYMBOLATE (auf Symbolen beruhende Dinge und Ereignisse)

EXTRASOMATISCHER ZUSAMMENHANG

menschliches Verhalten

Kulturzüge

Zuordnung: Wissenschaft der Psychologie

Zuordnung: Wissenschaft der Kultur

Abbildung 4: Symbolate als Bindeglied zwischen somatischen und extra-somatischen Zusammenhängen

Als Symbolate bezeichnet White Dinge und Ereignisse, die eine bestimmte Klasse von Phänomenen im Bereich der Natur bilden, die bisher keinen Namen gehabt haben und prägt damit einen neuen Terminus.53 Er begründet dies folgendermaßen:54 „Beim Prägen unseres Wortes haben wir einen feststehenden Präzedenzfall befolgt: Wenn ein Isolat etwas ist, das sich vom Vorgang oder der Einwirkung des Isolierens ergibt, dann kann etwas, das sich vom Vorgang oder der Einwirkung des Symbolisierens ergibt, auch Symbolat genannt werden.“

Dies bedeutet: Werden Symbolate in Bezug auf ihr Verhältnis zum menschlichen Organismus behandelt, d. h., wenn sie in einem organischen oder somatischen Zusammenhang stehen, dann werden diese Dinge und Ereignisse von White als menschliches Verhalten bezeichnet und der wissenschaftlichen Disziplin der Psychologie zugeordnet.55 Wenn Symbolate aber in Bezug auf ihr Verhältnis mit- und untereinander behandelt werden, ganz abseits von ihrem Verhältnis zu menschlichen Organismen, d. h. in einem extra-somatischen

__________ 51

White, Leslie A., 1963, S. 364. Eigene Darstellung in Anlehnung an White, Leslie A., 1963. 53 White, Leslie A., 1963, S. 364 – 365. 54 White, Leslie A., 1963, S. 365. 55 White, Leslie A., 1963, S. 368. 52

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

41

Zusammenhang, dann werden die Dinge und Ereignisse Kultur!56 Dies bedeutet im Weiteren, dass hier der gleiche Gegenstand von zwei unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen in der Form behandelt wird, dass sie das Phänomen in einen jeweils anderen Zusammenhang stellen. Als Beispiel dient White unsere sprachliche Kommunikation. So sind gesprochene Worte sowohl Symbole, die in einem extra-somatischen, wie auch in einem somatischen Zusammenhang stehen. Das tatsächliche Sprechen stellt hierbei den Vorgang der Herstellung der Wörter, den somatischen Zusammenhang dar. Phonetik, Syntaktik und Grammatik, Bestandteile der Linguistik also, stellen den extrasomatischen Zusammenhang dar.57

WÖRTER Sprachformat = Extra-somatischer Zusammenhang í Grammatik í Syntaktik í Lexikon í Phonetik

Sprachverhalten = Somatischer Zusammenhang í Wahrnehmung í Begreifen í Vorstellungskraft í Aussprache

Abbildung 5: Wörter als Symbolate (nach Leslie A. White)

Nun ergibt sich hier eine Unstimmigkeit zu den vorherig beschriebenen Aspekten der Kultur. Zwar sind die Ausführungen von White plausibel, jedoch muss ein weiterer Zusammenhang der Symbolate hergestellt werden, der sowohl der Wissenschaft der Kultur als auch der Psychologie zugeordnet werden muss, und dadurch gleichzeitig die Verbindung zwischen Natur und Kultur fundiert. M. E. kann man diesen Zusammenhang als einen psychosomatischen definieren (vgl. Abbildung 6).58 Dies mutet zunächst vielleicht etwas seltsam an. Deshalb ist die Erklärung zunächst am Beispiel, das White wählte wohl am ehesten sinnvoll: Im asiatischen Sprachraum lässt sich die in Abbildung 5 dargestellte Trennung von Sprachverhalten und Sprachformat nicht so eindeutig vollziehen. So sind bestimmte Begriffe mehrdeutig und werden durch die angeschlagene Tonhöhe der Aussprache sinnhaft voneinander getrennt. Die Körperlichkeit determiniert also den Sinncharakter.

__________ 56

White, Leslie A., 1963, S. 368. Vgl. White, Leslie A., 1963, S. 368 – 369. 58 Eigene Darstellung in Anlehnung an White, Leslie A., 1963. 57

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

42

SOMATISCHER ZUSAMMENHANG

SYMBOLATE

EXTRASOMATISCHER ZUSAMMENHANG

PSYCHOSOMATISCHER ZUSAMMENHANG z. B.: Körperliche Befindlichkeit auf der Basis von Emotionen oder auch Symbolproduktion auf der Basis von Körperlichkeiten Zuordnung: Wissenschaft der Psychologie sowie der Kultur Abbildung 6: Symbolate im psychosomatischen Zusammenhang

Ein viel umfassenderes Beispiel zur Verdeutlichung somatischer und extrasomatischer Zusammenhänge kann man anhand eines sozialen Phänomens in Japan anführen: Dort wurde in den 1990er Jahren der so genannte Karoshi – der Tod durch Überarbeitung – in den Blickpunkt der sozialwissenschaftlichen Forschung gestellt. Dabei wurde festgestellt, dass eine geringere Lebenserwartung bei Männern unter anderem dadurch zustande kommt, dass diese unter dem enormen beruflichen Erfolgsdruck körperliche Schädigungen erleiden, die zu einem frühen Tod führen. Der Berufsalltag ist eine kulturell determinierte Variable, die sich natürlich auf das individuelle Verhalten auswirkt. Eine entsprechende Verknüpfung zu den somatischen Zusammenhängen über die Psychosomatik ist heutzutage hinreichend empirisch belegt.59 M. E. muss eine moderne Kulturwissenschaft diese Interdependenzen berücksichtigen, so dass eine Herstellung von Zusammenhängen, wie sie in der oben stehenden Abbildung dargestellt sind, mehr als plausibel erscheint. Anhand ähnlicher Beispiele beschreibt Terry Eagelton die so genannte Dialektik von Natur und Kultur. Im Grunde ist die Intensität der Leidenschaft für eine bestimmte Sache mitverantwortlich für das Maß an beispielsweise

__________ 59

Vgl. hierzu Nishiyama / Johnson, 1997, S. 1 – 14 wie auch Kato, 2002, S. 1 – 13.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

43

Schmerz, das der Akteur bei der Ausübung einer Tätigkeit (z. B. Sport o.ä.) empfindet.60 Im vorherigen Beispiel werden so Anzeichen für physische Schwächungen durch Überarbeitung ignoriert bzw. die Wahrnehmung so blockiert, dass es zum Kollaps kommt. Hierunter fallen auch kulturelle Prägungen, die aus dem Standpunkt rationaler Überlegungen völlig absurd erscheinen, sich aber in der Gesamtbetrachtung des Zustands eines sozialen Systems hinsichtlich der Ultrastabilität auswirken. So z. B. das Suchtverhalten; ein Handlungstypus, der soziologisch, auf der Weber’schen Handlungstheorie aufbauend, erstmals von Henrik Kreutz als ein Typus bezeichnen wurde, der sich in der Logik von Handlungen innerhalb sozialer Systeme einreiht und deshalb fortan beachtet werden muss.61 Besonders relevant ist hierbei die Unterscheidung von stofflicher und nicht-stofflicher Sucht. Berücksichtigt man genau diesen Aspekt, so wird deutlich, dass die Rückkoppelung gesellschaftlicher oder gar kultureller Erwartungen an individuelle Akteure direkte Rückwirkungen auf die natürliche Befindlichkeit eines Gesellschaftsmitgliedes hat. Ein ebenfalls hervorragend geeignetes Beispiel zur Verdeutlichung des Zusammenhangs von Natur und Kultur und gleichzeitig ein Argument für die Aufhebung des Dualismus zeigt Sighard Neckel auf, indem er eine genaue Deskription von emotionalen Vorgängen und ihrem sozialen Charakter aufzeigt. So tut er dies am Beispiel Wut, aber auch Neid:62 „Im Unterschied zur anomischen Destruktionskraft der Wut ist Neid noch als vergleichsweise integratives Gefühl zu bezeichnen. In ihm drücken sich trotz aller Gegensätze doch auch gemeinsame Wertsetzungen aus, die gleichermaßen den Neider wie den Kontrahenten antreiben.“

Wut hingegen – so Neckel – dokumentiert, „daß unter dem Druck sozialer Randständigkeit die Last einer Affektkontrolle nicht mehr aufgebracht werden will, und richtet sich gegen alle, die von Normen noch profitieren“.63 Fassen wir das vorher Beschriebenen noch einmal kurz zusammen: Kultur darf nicht von Natur isoliert betrachtet werden, sofern man Kultur im (transgenerativen) Wissenstransfer verortet. Die menschliche Kultur unterscheidet sich von der Kultur anderer Wesen darin, dass sie Wissen auch durch Symbole, also auf einer Symbolebene, vermittelt. Oder wie White dies ausdrückt: „Das menschliche Verhalten ist eine Antwort auf oder eine Funktion ihrer Kultur. Die Kultur ist das Unabhängige, das Verhalten das Abhängige, das Variable; und wenn sich die Kultur wandelt, dann wandelt sich auch das Verhalten.“64

__________ 60

Vgl. Eagelton, 2001, S. 123 – 156. Vgl. Kreutz, 2001 (b), S. 35 – 47. 62 Neckel, 2000, S. 130. 63 Neckel, 2000, S. 130. 64 White, Leslie A., 1963, S. 379. 61

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

44

Versuchen wir dies nun auf den Handlungsinhalt von Politik, insbesondere Kulturpolitik zu beziehen. Politik sollte allgemein den Rahmen für menschliche Interaktionen herstellen, erhalten, anpassen und garantieren sowie menschliches Verhalten kanalisieren. Im Falle der Kulturpolitik müssen die Inhalte bzw. die Handlungsgegenstände demnach zunächst operationalisiert werden. Eine solche Ableitung gestaltet sich aber deshalb so schwierig, weil eine genaue Definition dessen, was Kultur eigentlich ist, ständig in der wissenschaftlichen Diskussion steht. Der Zugang, den Leslie A. White geleistet hat, um den Gegenstand der Kulturwissenschaften zu beschreiben, ist hierbei durchaus sinnvoll. Man kann durch ihn die Handlungsinhalte von Kulturpolitik ableiten:65 In Anlehnung an White sollte eine Einheit – ein Begriff oder eine Glaubensvorstellung, eine Handlung oder ein Objekt – dann als Kulturelement betrachtet werden, wenn sie 1. auf Symboleigenschaften beruht und 2. in einem extra-somatischen bzw. psycho-somatischen Zusammenhang und in Verbindung mit einem kulturellen Symbol steht. Diese von White beschriebenen Symbolate sind deshalb für eine weitere Analyse der Kulturpolitik notwendig, weil der Umgang mit ihnen einen entscheidenden Handlungsinhalt darstellt. Wenn wir Kultur – in Anlehnung an die Ausführungen von Meleghy und White – als eine spezifische Einheit von Handeln und Verhalten auf der Basis kultureller Wertmuster verstehen, dann kann man hier nun konstatieren, dass kulturelles Handeln sich auf jeglichen gesellschaftlichen Ebenen vollzieht. Als solches haben wir es hierbei also mit einem ganzen Handlungsgeflecht, einem System, zu tun. Es empfiehlt sich deshalb in einem nächsten, ergänzenden Schritt eine systemtheoretische Betrachtung. Dies auch deshalb, weil die Motivation der ontologischen Wissensüberlieferung heute nicht mehr nur der Selbsterhaltung oder der Weiterentwicklung dient, sondern v. a. auch der Befriedigung über die Grundbedürfnisse des Menschen – in der hier betrachteten Gesellschaft – hinaus. Man kann also die Interdependenz zu anderen gesellschaftlichen Teilsystemen, z. B. dem Wirtschaftssystem, feststellen und anhand des ökonomischen Umgangs mit Kulturgütern analysieren.

__________ 65

Vgl. White, Leslie A., 1963, S. 383.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

45

4. Kultur und Zivilisation – Terminologische Verwirrung oder zwei Seiten einer Medaille?

a) Herkunft des Begriffes Die vorangestellten Ausführungen über die Fähigkeit des Menschen, in gewissem Maße Affektkontrolle auszuüben, diese sogar kulturell zu determinieren, machen es notwendig, sich auch mit dem Begriff der Zivilisation bzw. mit dem Zivilisationsprozess auseinander zu setzen. Dies deshalb, weil der Begriff Zivilisation ein mehrdeutig verwendeter Begriff ist, der im deutschen Sprachraum häufig als Gegensatz zum Begriff der Kultur gesetzt wird, während er im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch gleichbedeutende mit Kultur verwendet wird.66 Als Konkurrenzbegriff zu Kultur hat der Begriff seinen Ursprung im lateinischen Wort civitas. Der lateinische Begriff civitas bezeichnet sowohl die Organisationsform des römischen Staates, als auch die Unterscheidung von Menschen in naturgewollt Bessere und Schlechtere. Er wurde also dazu instrumentalisiert, Differenzierungen zwischen Menschen hinsichtlich einer vorherrschenden Wertehierarchie zu vollziehen.67 Die Entwicklung dieses Begriffs hin zum Terminus civilitas ging einher mit der zunehmenden sozialen Akzentuierung. Civilitas diente als Schlagwort und Ausdruck von konsolidierten bürgerlichen Ständen für gemeinschaftliche Gesinnungen und emanzipatorischen Gestaltungswillen.68 Civilité stand schließlich dann für sozial verbindliches Betragen, ein Ausdruck also für sozialkonformes Verhalten zur Erlangung eines Höchstmaßes an Prestige und als Ausdruck der Wertschätzung von Mitmenschen.69 Neben den Kriterien Differenzierung, emanzipatorischer Gestaltungswille und Verbesserung zwischenmenschlicher Umgangsformen kennzeichnet den heutigen Begriff noch eine spezifische Lokalbindung, die auf der Basis der neuzeitlichen Entwicklung des städtischen Lebensraumes entstanden ist.70 Neben den menschlichen Verhaltensformen beinhaltet der Zivilisationsbegriff aber auch mehr technisch bestimmte Kulturgüter. Hierin ist auch der wesentliche Unterschied zur Verwendung des Begriffs Kultur im angloamerikanischen Sprachgebrauch zu sehen. In diesem vereinigt der Kulturbe-

__________ 66

Reinhold, 1992, S. 675. Vgl. Thurn, 2001, S. 43. 68 Vgl. Thurn, 2001, S. 43. 69 Vgl. Thurn, 2001, S. 44. 70 Vgl. Thurn, 2001, S. 45. 67

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

46

griff auch alle Techniken und Fähigkeiten, die im Laufe der Menschheitsgeschichte entwickelt wurden.71 Norbert Elias unterstreicht ebenfalls die unterschiedlichen Begriffsauffassungen. Gemäß seinen Ausführungen meint Zivilisation innerhalb des angelsächsischen und französischen Denkens alle Errungenschaften, die das Selbstbewusstsein des Abendlandes auf einen Begriff bringt. Dies beinhaltet also nicht lediglich künstlerische, philosophische oder sittliche Leistungen, sondern die gesamte Haltung des individuellen Menschen, aber auch der politischen, technologischen und militärischen Entwicklung.72 Samuel P. Huntington versteht unter civilization die höchsten sinnstiftenden und kulturellen Einheiten, denen Menschen aus verschiedenen Dörfern, Städten, Regionen oder auch Menschen unterschiedlicher Nationalität zugehören.73 Ortega y Gasset bringt die Diskussion folgendermaßen auf den Punkt:74 „Zivilisation ist in erster Linie Wille zur Gemeinschaft. Man ist unzivilisiert und barbarisch, wie man rücksichtslos gegen seinen nächsten ist. Die Barbarei ist die Neigung zur Auflösung der Gemeinschaft.“

Damit wird das gleiche terminologische Problem aufgeworfen, wie es im Falle der Definition und Deskription von Kultur bereits diskutiert wurde: Die oftmals unkontrollierte, ideologische Wertung sozialer Phänomene. So wird bei der Verwendung beider Termini stets eine positive Attribuierung ausgelöst. Systemimmanente Verhaltensweisen, die innerhalb einer zivilisierten Gemeinschaft vorherrschen und dennoch hinsichtlich ihrer Ergebnisse als barbarisch bezeichnet werden müssen, werden dadurch ausgeblendet. Um dies noch stärker zu verdeutlichen, soll im nächsten Abschnitt die negative Achse der Kultur, die Unkultur, erläutert werden.

b) Die Unkultur – die negative Achse der Kultur Es muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass es eine negative Achse der Kultur – die so genannte Unkultur – gibt. Dies bedeutet, dass die Handlungsweisen von kollektiven Akteuren oder Individuen den moralischen Zielvorgaben im Grunde nicht gerecht werden. Dass es dennoch zu diesem geradezu devianten Verhalten kommt, liegt an den strikten Zielvorgaben und Anforde-

__________ 71

Reinhold, 1992, S. 675. Vgl. Elias, 1969, S. 1 – 7. 73 Lange, 2000, S. 293 – 294. 74 Ortega y Gasset, 1930, zitiert in: Kreutz, 2001 (a), S. 8. 72

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

47

rungen sowie an der vorherrschenden Handlungslogik, die durch diese impliziert wurde. In Anlehnung an Max Weber ist diese zweckrationale Verhaltensweise zwar gesellschaftlich legitimiert, durchaus aber nicht systemdienlich. Henrik Kreutz beschreibt in einem Beispiel den Hinweis auf eine vorherrschende Unkultur anhand eines Verhaltens im Rahmen der europäischen Agrarwirtschaft. Das Kriterium „Sicherung der Lebensmittelversorgung zu billigen Preisen“ bewirkte innerhalb der EU eine „groteske Form der Preis- und Mengenregulierung“,75 die die Maximierung der Quantität über die Sicherung der Qualität stellt. Als Folge davon haben wir eine rücksichtslose Massentierhaltung und eine bedenkliche Praxis innerhalb der Lebensmittelproduktion, die uns – betrachtet man die Skandale der letzten Jahre – noch nicht absehbare Folgen bescheren.76 Das Verhalten dieser Art wird innerhalb unserer Gesellschaft, trotz einer expliziten Moralvorstellung und eigenständigem Normensystem, nur selten in Frage gestellt und so gut wie nie boykottiert. Dennoch bezeichnen wir unsere Lebenswelt und Gesellschaft als zivilisiert, unsere Kultur bzw. kulturellen Wertvorstellungen als verbindliche Handlungs- und Verhaltensvorgaben.

c) Der Zivilisationsprozess nach Norbert Elias und seine Abgrenzung zur wissenschaftlichen Verwendung des Begriffs Kultur Die gedankliche Verbindung zwischen den beiden Polen Kultur und Unkultur entfacht eine Diskussion über die Verwendung des Begriffs der Zivilisation, und gewinnt an Brisanz, sobald man sich Norbert Elias’ Definition des Zivilisationsprozesses vor Augen führt: Laut ihm ist jener Prozess begleitet von einer zunehmenden Affektkontrolle des Menschen. Er untersuchte in diesem Zusammenhang Verhaltensweisen, die als typisch für den modernen, zivilisierten Menschen angesehen werden, wie z. B. die im Laufe der Zeit stattgefundene Veränderung des Scham- oder Peinlichkeitsempfindens.77 Elias sieht diesen Prozess als einen Akt der kollektiven wie auch individuellen Selbstzähmung an. Es ergeben sich im Rahmen der historischen Entwicklung einer Gesellschaft spezifische Essgepflogenheiten, Kleiderordnungen und andere Verhaltensvorschriften, die menschliches Zusammenleben berechenbar machen und imaginäre Schranken zur Eindämmung von gemeinschaftsschädlichem, abweichendem Verhalten setzt.78 Diesen von Elias als „kontinuierliche

__________ 75

Kreutz, 2001(a), S. 9. Vgl. Kreutz, 2001(a), S. 9. 77 Vgl. Reinhold, 1992, S. 675 – 676. 78 Vgl. Thurn, 2001, S. 71. 76

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

48

Disziplinierung von Individuen und Pazifisierung von Kollektiven“ bezeichneten Prozess79 setzt er dem statischen Konstrukt der Zivilisation voraus und plädiert für eine an diesem Begriff orientierte Theorie des menschlichen Verhaltens, dem die Kategorie der Kultur nicht gerecht werden könne, da sie zu sehr auf geistige Bildung und künstlerische Phänomene gerichtet sei. Durch diese – seines Erachtens – einseitige Sichtweise verschwindet jedoch gerade das konkrete soziale, wirtschaftliche, politische Geschehen, auch das unmittelbare Tun und Lassen der Gesellschaftsmitglieder im täglichen Leben, sehr aus dem Blick.80 Elias selbst sieht als Aufgabe der Zivilisationstheorie, „das Problem langfristiger Wandlungen von Gesellschafts- und Persönlichkeitsstrukturen ohne vorwegnehmende Dogmatik auf einer neuen Stufe wieder ins Zentrum der menschenwissenschaftlichen Diskussion zu rücken.“81 Dies ist aber ohne Berücksichtigung der kulturell determinierten Einflussfaktoren, die wie erläutert auch Verhaltensweisen beinhalten, nur schwerlich möglich. Hans Peter Thurn kritisiert Elias folgendermaßen:82 „Norbert Elias indes bevorzugte eine Sicht, die den zivilisatorischen ‚Fortschritt‘ hervorhob. Sie erweist sich darin als Erbin der alteuropäischen, melioristischen Kulturvision, ohne dieser nominell und konzeptionell genügend Tribut zu zollen. Dadurch entgeht seinem Denken nicht bloß die parallele Mehrphasigkeit des Gesamtlebens, sondern auch der Umstand, daß Natur, Kultur, Zivilisation und Sozialität im menschlichen Dasein mindestens so oft paradoxal wie harmonisch aufeinander treffen.“

Wie in Abschnitt B. III. 4. a) erklärt wurde, handelt es sich also bei dem, was Elias als Zivilisationsprozess bezeichnet, um einen Mechanismus zum Erhalt von Kultur (oder provokativ: Unkultur), ein Kriterium zur Abgrenzung der menschlichen von tierischen Gesellschaften im Evolutionsprozess. Für das weitere Vorgehen im Rahmen dieser Arbeit greift dieser Begriff also zu kurz, da von ihm die Phänomene Kultur wie auch Unkultur nicht einwandfrei getrennt werden. In Folge dessen stellt sich nun aber die Frage, wie man beide Phänomene getrennt voneinander identifizieren kann.

d) Funktionalität und Dysfunktionalität – Kultur und Unkultur Gehen wir also nun nicht weiter der Frage nach, was Kultur bzw. Unkultur im Hinblick auf eine verallgemeinerungsfähige Definition ist, sondern wenden

__________ 79

Vgl. Thurn, 2001, S. 71 – 72. Thurn, 2001, S. 68 – 69. 81 Elias, 1977, S. 133. 82 Thurn, 2001, S. 75. 80

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

49

uns vielmehr der Frage zu, was Kultur eigentlich für menschliche Gemeinschaften bedeutet, welche Funktion sie also erfüllt. Betrachtet man Kultur auf der Basis der Mechanismen zur Erhaltung der menschlichen Gemeinschaften, so sieht man die in den vorangestellten Ausführungen beschriebenen Mechanismen zur transgenerativen Wissensübertragung unter starkem Einfluss der jeweils vorherrschenden Kultur. Kultur hat also die Funktion der Erhaltung des historisch komplexen Ganzen, muss aber auch als Mediator zwischen den verschiedenen Lebensbereichen innerhalb einer Gesellschaft und vor allem auch zwischen verschiedenen Gesellschaften fungieren. Sind die Kulturelemente in Form beispielsweise von Verhaltensregeln oder Handlungslogiken dazu nicht in der Lage, so sind sie als dysfunktional anzusehen und können demgemäß einer vorherrschenden Unkultur zugeschrieben werden. Damit ist aber keine ästhetische Wertung gemeint. Hierbei kommt es m. E. häufig zu Verwechslungen. Wenn Kunst als Kulturelement, wie beispielsweise ein Mahnmal, seine Funktion erfüllt – also eindrucksvoll an ein Ereignis erinnert, das den Menschen ins Gedächtnis gerufen werden soll –, so ist die individuelle Wertung des ästhetischen Eindrucks diesbezüglich obsolet. Oder, um auf das Beispiel von Kreutz zurückzukommen, wenn eine Gesellschaft unter den beschriebenen Umständen zu seiner unmittelbaren Erhaltung nur auf die beschriebene Weise in der Lage ist, die Grundnahrungsmittel bereitzustellen, so muss eine langfristige Dysfunktionalität in Kauf genommen werden, die sich entsprechend negativ auf die Stabilität bzw. auf die Erhaltung dieser Gesellschaft auswirkt. Als Beispiel hierfür braucht man nur an die Lebensmittelskandale der letzten Jahre denken, die – unter Berücksichtigung des schlimmsten anzunehmenden Falls – erstaunlich glimpfliche Folgen für die Gesundheit der Bevölkerungen hatten, soweit man dies heute schon absehen kann.

5. Verschiedene soziologische Zugänge Bevor der Schwerpunkt auf die Erläuterung des systemtheoretischen Zugangs gelegt wird, sollen einige soziologische Zugänge zum wissenschaftlichen Feld Kultur kurz gewürdigt werden. Dies auch deshalb, weil hierdurch deutlich wird, warum im Nachfolgenden der Fokus auf Systemtheorien gelegt wird. Es sind unterschiedliche Ausführungen von Sozialphilosophen und Soziologen zu verzeichnen, die verschiedene Blickwinkel einnehmen und so zu unterschiedlichen Interpretationen der Beziehung zwischen Gesellschaft und Kultur kamen. Bei diesen Interpretationen handelt es sich weitestgehend um Analysen der Beziehungsstruktur der beiden Phänomene Gesellschaft und Kultur, die zu

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

50

enger gefassten Begriffsbildungen geführt und die die Kulturwissenschaft entsprechend vorangetrieben haben. Die Entstehung der Kultursoziologie geht auf eine philosophische Idee des 18. Jahrhunderts zurück, die darin bestand, die Einheit von menschlicher Natur und Geschichte so auf den Begriff zu bringen, dass die Kultur „als eine dem Menschen gemäße eigene Sphäre seiner Wesensbestimmung ausgewiesen wird.“83 Im 19. Jahrhundert wurde diese Idee weiterentwickelt bzw. dahingehend modifiziert, dass sie einen Versuch darstellt, den Geistesbegriff in den Kulturbegriff zu übersetzen.84 Verschiedenste Vertreter der Soziologie setzten sich mit dem Phänomen Kultur bzw. dem konkreten gedanklichen Erfassen dieser auseinander. So stellten sich Max Weber oder auch Georg Simmel die Ausgangsfrage nach der spezifischen Kulturbedeutung der Moderne. Max Weber deutete dies als ein historisches Kulturmuster. Ganz in der Tradition seiner wissenschaftlichen Arbeit versuchte er das So-Beschaffen-Sein der Gesellschaft hinsichtlich der zugrunde liegenden Kausalität und auch hinsichtlich einer vermeintlichen Handlungslogik zu erklären. Im Vordergrund seiner Analyse stand die Erfassung eines kulturellen Sinns, der sich – unter der Berücksichtigung von sozialem Handeln als Träger und Erzeuger von Sinn dadurch bestimmen lässt, dass man auf die Gesellschaft manifeste Handlungsstrukturen rekurriert. Weber bezeichnet Kultur vorrangig als einen Wertbegriff. Daraus lässt sich wiederum ableiten, dass Kultur als Ausdruck ideeller Wertideen zu sehen ist.85 Dies steht keinesfalls im Widerspruch zu den sozialanthropologischen Zugängen, die im vorigen Abschnitt beschrieben wurden. Wertideen sind hierbei die Grundhaltungen zur Erhaltung des komplexen Ganzen, oder anders formuliert: Zunächst zur Erhaltung der vorherrschenden Struktur über die Weiterleitung von Wissen über Symbole. Die Frage, ob Kultur darauf bzw. auf historisch vorzufindende Kulturformen reduziert werden kann, blieb freilich nicht undiskutiert. Alfred Weber stellte die Forderung nach einem soziologischen Kulturbegriff, um der Kultursoziologie als eigenständige fundierte Disziplin eine Basis zu verschaffen. Dieser soziologische Kulturbegriff sollte „Wesen, Charakter, Physiognomie und Ablauf großer Kultureinheiten auf der Grundlage ihrer geschichtssoziologischen Bedingtheit (...) im Gesamtverlauf der Geschichte herausarbeiten.“86

__________ 83

Jung / Müller-Dohm, 1994, S. 474. Vgl. Jung / Müller-Dohm, 1994, S. 476. 85 Vgl. Jung / Müller-Dohm, 1994, S. 477. 86 Jung / Müller-Dohm, 1994, S. 479. 84

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

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In seinem 1951 verfassten Werk „Prinzipien der Geschichts- und Kultursoziologie“ beschreibt Alfred Weber die Aufgabe der Kultursoziologie als Geschichtsphilosophie folgendermaßen:87 „(...) das empirisch Feststellbare an inneren und äußeren Bedingungen für das Hervorbrechen dieser Phänomene durch eine innere strukturelle Analyse des geschichtlichen Totals zu klären.“

Es ging ihm also vorrangig darum, die strukturelle Innengliederung der Gesellschaft anhand des geschichtlichen Gesamtverlaufs zu erklären und nicht den Sinn dieses geschichtlichen Gesamtverlaufs. Über einige verschiedene weitere Blickrichtungen zur Analyse der Beziehungsstruktur von Gesellschaft und Kultur bzw. über ihre Schwerpunkte, Grundannahmen und Hauptvertreter gibt nachfolgende Abbildung 7 Aufschluss.88 Es wird hierbei eine enorme Dichotomisierung zwischen Gesellschaft und Kultur deutlich, die insbesondere in der Soziologie so nicht aufrechterhalten werden kann. Dennoch sind die Grundüberlegungen, materielle und immaterielle Aspekte im Rahmen der Kulturforschung oder besser im Rahmen der Erforschung des Wandels der Kulturen getrennt zu berücksichtigen, von unbedingter Notwendigkeit. Denn Änderungen von Vergesellschaftungsformen sind eng an die jeweiligen Lebenslagen in Abhängigkeit zur materiellen Ausstattung geknüpft. Und jene Änderungen werden nicht selten als kulturelle Wandlungsprozesse wahrgenommen. Hierbei spielt natürlich die Wertewandlungsforschung eine wichtige Rolle. In der Gegenwart wird ein Kulturwandel sehr häufig mit der Verdrängung von „Wünschen nach materieller Sicherheit“ durch postmaterialistische Werte wie z. B. „Selbstverwirklichung, Partizipation und Solidarität“ erklärt.89 In einem kleinen Exkurs soll noch ein Schritt weiter gegangen und die Möglichkeit der Verknüpfung dieser beiden nur auf den ersten Blick gegensätzlichen Handlungsziele erläutert werden: Das Börsenfieber – man denke hierbei nur an die 20-fache Überzeichnung der t-online-Aktie im Jahr 2000 – entsteht nicht unbedingt aus dem Wunsch heraus, materielle Sicherheit zu erlangen; zumindest nicht auf dem allgemein praktizierten Weg der Erwerbstätigkeit. Vielmehr sind hier zwei Ausgangssituationen denkbar: Zunächst der Wunsch der Partizipation: Einfach aufgrund der in unserer Gesellschaft immer stärker

__________ 87

Weber, Alfred, 1951, S. 35. Vgl. Mintzel, 1993; Abbildung: Eigene Darstellung. 89 Vgl. Berking, 1989, S. 21. 88

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

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zunehmenden Drift.90 Die bereits erlangte existentielle Sicherheit wird hierbei buchstäblich aufs Spiel gesetzt. Dass diese zumindest finanzielle Sicherheit vorhanden sein muss, ist für die Praxis Grundvoraussetzung. Für die zweite Ausgangsposition muss man die Tatsache bedenken, dass materielle Sicherheit immer in Relation dessen gesehen werden muss, was dem Akteur in seinem Fortbestehen als unsicher gelten kann. Je mehr Besitztümer eine Person hat, desto höher ist der Aufwand der Erhaltung. Damit ist aber nicht gesagt, dass seine Erträge höher und gleich stabil sind. Um nun wieder auf die eigentliche Diskussion zurückzukommen, kann man sich Simmels Ausführungen zum dynamischen Verhältnis zwischen absolutem und relativem Glück vor Augen führen und dabei feststellen, dass der Fokus immer auf dem liegt, was der eigenen Genugtuung am ehesten entspricht.91 Es wird allerdings deutlich, dass nicht unbedingt ein Wertewandel vollzogen wurde. Es handelt sich hierbei eher um einen momentanen Werteausbau, einhergehend mit einer enormen, zumeist allerdings destruktiven Kreativität bei der Produktion von Instrumenten und Mitteln, um die Zielerreichung zu gewährleisten. Es versteht sich hieraus, dass eine Trennung von bzw. ein Dualismus zwischen Gesellschaft und Kultur nicht adäquat ist, da diese nicht nur komplementär sind, sondern, wie in den vorherigen Abschnitten bereits erwähnt ein Abhängigkeitsverhältnis entsteht. Gleichzeitig muss ein Wandel der Gesellschaft nicht im selben Ausmaß wie ein Wandel der Kultur stattfinden.

__________ 90 91

Kreutz, 1998 (b), S. 3 – 16. Vgl. hierzu Kreutz, 1999 / 2000.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

Gesellschaft als bedingtes Moment

Das Geistige als bestimmte Wirkkraft

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Gesellschaft und Kultur als wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis gleich gewichteter Faktoren

Schwerpunkt

Materieller Gesellschaftsprozess bestimmt die „Kulturelle Sphäre“.

Ideen, Werte und Sinndeutungsmuster durchformen und prägen die Gesellschaft bis herab in ihrer Materialität.

Idee einer wechselseitigen Beziehung zwischen Kultur und Gesellschaft in einem Austauschverhältnis.

Grundannahme

Die Produktionsverhältnisse bestimmen den „sozialen, politischen und geistigen Lebensprozess“.

Soziale Wirklichkeit mitsamt den materiellen Verhältnisse lässt sich nur im Lichte der jeweiligen Rationalität wahrnehmen und erklären.

Es existiert ein Gleichgewicht zwischen Gesellschaft und Kultur. D. h. die beiden stehen in einer Beziehung der gegenseitigen Durchdringung und interpenetrativer Wechselwirkung.

Alfred Weber: Stellt das in dem Menschen arbeitende Transzendente als das Schöpferische heraus, das die „kulturellen Dinge“ hervorbringt.

Max Scheler: Existenz von Idealfaktoren (geistige Tätigkeit, Produktion von Ideen), die Ausdruck des kulturellen Bereichs sind und Realfaktoren (soziobiologische, ökonomische und politische Faktoren), die Ausdruck des gesellschaftlichen Bereichs sind. Beide Faktorenarten sind hierbei kompatibel.

„Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein“ Hauptvertreter

Karl Marx: Kultur ist die abgeleitete Funktion, die von gesellschaftlichen Interessen und Machtlagen determiniert wird.

Abbildung 7: Unterscheidung verschiedener Blickrichtungen zur Analyse der Beziehungsstruktur von Gesellschaft und Kultur

Eine Überwindung dieses starken Dualismus leistete Karl Mannheim, der Kultur und Gesellschaft als zwei Seiten ein und derselben Medaille ansah und

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

54

damit nichts anderes ausdrückte, als dass Gesellschaft, also soziale Strukturen, damit verbundene Lebensformen und Vergesellschaftungsprozesse, nichts anderes als Kulturobjektivationen darstellen und – im Gegenzug – Kultur als Subsystem einer Gesellschaft in seiner Funktion als Äußerung expliziter und impliziter Leitvorstellungen für das Leben, die zumeist von allen oder von besonders berufenen Mitgliedern einer Gruppe geteilt werden.92 Mittlerweile betrachtet die Soziologie die Komponenten Kultur und „Gesellschaft“ nicht mehr als Daseinsformen, die bipolar gegeneinander ausgespielt werden können. Man kommt weg von der normativen Festlegung dessen, was Kultur ist oder zu sein hat.93 Es findet zunehmend eine Hinwendung zu einer systemtheoretischen Betrachtungsweise des Begriffs der Kultur statt. Diese Vorgehensweise ist zwar sehr schematisch und abstrakt, sie bezieht allerdings das bisher unbeachtete Mehrebenenproblem sowie die Analyse der Basis der Entstehung von Kulturen, nämlich ihre Funktionalität, mit ein.

6. Die systemtheoretische Modellierung von Kultur Wenn Kultur im vorangegangenen Abschnitt überhaupt als System beschrieben wurde, dann lediglich als ein ideenbildendes und gedankliches System, dessen Funktion sich zwar aus dem Verhältnis zwischen Gesellschaft und Kultur ergibt, diese aber letztendlich auf die materielle Grundversorgung reduziert. Dies ist eine allzu einfache Form, mit Kultur als System gedanklich umzugehen. Es gestaltet sich natürlich weitaus komplexer, vereinigt in sich die Gesamtheit des Lebensweisen, Artefakte, Institutionen, Ideologien und die gesamte Vielfalt gebräuchlicher Verhaltensweisen, also auch der vermeintlich „unökonomischen“, irrationalen Verhaltensweisen, mit denen eine Gesellschaft ausgestattet ist, um sich an die Systemumwelt anzupassen. Jegliches traditionelles politisches Geschehen wird hierdurch in einen umfassenden Kontext der jeweilig vorausgegangenen Lebenswelt gestellt.94 Entscheidend bei der Analyse kultureller Systeme ist also nicht nur die Beschaffenheit zum jeweiligen Zeitpunkt, sondern die Anforderung, die an das kulturelle System gestellt wird, die Funktionalität, derer es gerecht werden muss. Wie bereits in den vorherigen Abschnitten kenntlich gemacht, werden die Sozialwissenschaften im Rahmen der Kulturforschung mit einem relativen

__________ 92

Vgl. Mintzel, 1993, S. 176. Mintzel, 1993, S. 183. 94 Vgl. Csáky, 1998, S. 246. 93

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

55

Chaos möglicher Ereignisse und deren Interpretation konfrontiert. Die Entscheidungen darüber, was letztendlich sachlich unter Kulturforschung subsumiert wird, liegen zumeist im Ermessen des jeweiligen Wissenschaftlers. Man muss sich deshalb eines wissenschaftlichen Instrumentariums bedienen, das eine Filterwirkung mit sich bringt.95 Systemtheoretische Konzepte versuchen eine idealtypische Allgemeingültigkeit zu erreichen, die in einem nächsten Schritt auf spezifische Forschungsgegenstände übertragen werden kann.96 In den nachfolgenden Abschnitten werden hierzu noch Beispiele genannt, die dies verdeutlichen. Systemtheorien eröffnen vor allem dann ein weites Erkenntnisfeld, wenn eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit abstrakten Sachverhalten unabdingbar ist. Wobei der Begriff System ein abstraktes Konstrukt darstellt, das bei der Bildung einer Vorstellung über eine vorhandene gesellschaftliche Ordnung unterstützend wirkt und gleichzeitig unterstellt, dass es sich beim Phänomen der Gesellschaft nicht lediglich um die bloße Aggregation von Menschen handelt. Jost Halfmann differenziert exemplarisch verschiedene Typen und Formen von Systemen. So kommt er zu folgender Typologie: 97 í í í í

Maschinen, Organismen, Soziale Systeme, Psychische Systeme.

In diesem Zusammenhang interessieren natürlich lediglich die Sozialen Systeme sowie die Psychischen Systeme. Soziale Systeme gliedert Halfmann weiter auf in í í í í

Interaktionssysteme, Organisationssystem, Funktionssysteme, Gesellschaftssysteme.

Inwieweit man eine solche Reihung vollziehen, bzw. die einzelnen Teilbereiche voneinander trennen kann, ist sicherlich diskussionswürdig, da es auf jeden Fall gilt, die Interdependenzen zwischen den Bereichen zu kennen und in einer spezifischen Analyse zu berücksichtigen. Das Beispiel soll an dieser

__________ 95

Vgl. Wilke, 1993, S. 9. Ebert, 2001, S. 130. 97 Vgl. Halfmann, 1996, S. 128. 96

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

56

Stelle nur verdeutlichen, wie soziale Phänomene auf einer deskriptiven Ebene zugeordnet werden können. Innerhalb dieser Systeme sind integrale Bestandteile identifizierbar. So stehen sich spezielle Strukturkomponenten gegenüber und bedingen sich gegenseitig:98 Stabilität Offenheit Positive Rückkoppelung

Instabilität Geschlossenheit Negative Rückkoppelung

Ausgehend von dieser ersten groben strukturellen Vorstellung muss es nun also möglich sein, Funktionen der einzelnen Systemabläufe zu konkretisieren und hinsichtlich Stabilität / Instabilität, Offenheit / Geschlossenheit, negative / positive Rückkoppelungen normative Handlungsvorgaben abzuleiten.

a) Struktur und Funktion Durch Systemtheorien wird versucht, die starke Komplexität sozialer Prozesse zu durchdringen sowie transparent und nachvollziehbar zu machen. Nur unter Berücksichtigung der Vorstellung einer Struktur können Systemelemente identifiziert und differenziert werden. Gleichzeitig wird es möglich, die Systemzusammenhänge in Form funktionaler Interdependenzen zwischen den Systemelementen deutlich zu machen. Die Schwierigkeit hierbei besteht in der Trennung zwischen den funktionalen Beziehungen in Hinblick auf den Bestand einer Struktur und den intentionalen Zielvorstellungen handelnder Personen im Rahmen dieser Systeme.99 Dies bedeutet, dass bei der Modellierung sozialer Systeme nicht die Vorstellung einer notwendigen Manifestation des Funktionsbezugs des individuellen Akteurs, der versucht seine Zielvorstellungen zu verwirklichen, vorherrschen darf. Bernhard Gießen führt exemplarisch folgende Analogie an:100 „Ähnlich wie der Stoffwechsel funktional für die Struktur eines Organismus ist (oder sein soll), ohne daß er die Funktion absichtsvoll und bewußt erfüllt, können auch soziale Handlungen funktional (oder dysfunktional) für den Bestand einer Struktur sein, obwohl Akteure mit diesen Handlungen ganz andere Ziele verfolgen.“

__________ 98

Vgl. Ebert, 2001, S. 130. Vgl. Gießen, 1991, S. 519. 100 Gießen, 1991, S. 519. 99

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

57

Die strukturell-funktionale Theorie beschäftigt sich mit den Funktionsbeziehungen zwischen den strukturellen Elementen in sozialen Systemen. Sie geht dabei von einem bestimmten Grad notwendiger sozialer Integration aus und analysiert eine soziale Realität sowohl aus den strukturellen Zusammenhängen ihrer Elemente (vor allem das soziale Umfeld), wie auch aus deren funktionaler (stabilisierender) Bedeutung für das System.101 Diese Kernstruktur, die sich aus den Interaktionsmustern der Mitglieder der sozialen Systeme ergibt, basiert auf einer normativen Ordnung, die wiederum kulturell determiniert ist. Diese normative Ordnung ist demgemäß Ausdruck der jeweiligen Kultur und stellt somit den Bezugspunkt der funktionalen Analyse dar.102 Funktionalität und Dysfunktionalität lässt sich demnach am Kriterium der „Strukturerhaltung“ messen, die an verschiedensten neuralgischen Punkten festgemacht werden kann. Sowohl praktischer Bezug, als auch die empirische Analyse zu diesen verschiedenen Punkten werden im fortlaufenden Kapitel hergestellt bzw. durchgeführt.

b) Grundzüge der strukturell-funktionalen Theorie von Talcott Parsons Talcott Parsons gilt als Begründer und Hauptvertreter der strukturfunktionalistischen Handlungstheorie. Das Ziel seiner Arbeit war die Schaffung einer einheitlichen Theorie des Handelns. Er vertrat die Ansicht, dass die sehr verschieden konzipierten Theorien innerhalb der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, aber auch der Sozialpsychologie, Gemeinsamkeiten aufweisen, und dass auf der Basis dieser Gemeinsamkeiten eine Zusammenfassung zu einer „General Theory of Action“ möglich wäre.103 Dem klassischen Problem der Gesellschaftswissenschaft – wie soziale Ordnung a) möglich ist und b) stabil bleibt – gibt Parsons eine spezifische Fassung: Handlungssysteme haben ihren Ursprung in einem initiierenden Akteur, der in einer Situation handelt, an der er sich orientiert. Wobei ein Akteur ein intentional handelndes Individuum oder ein Kollektiv als korporativer Akteur ist.104 Parsons theoretischer Ansatz basiert auf der oben charakterisierten systemischen Absicht. Für ihn vollzieht sich die Analyse menschlichen Verhaltens

__________ 101

Reinhold, 1992, S. 593. Vgl. Gießen, 1991, S. 520. 103 Vgl. Staubmann, 1993, S. 148. 104 Münch, 1982, S. 65. 102

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

58

anhand der Analyse der vorweg differenzierten Handlungssysteme.105 Diese, anhand funktionaler Gesichtspunkte, vollzogene Differenzierung des Gesamtsystems in mehrere Subsysteme, hat die gedankliche Vorstellung, dass das Gesamtsystem aufgrund der Differenzierung eine verbesserte Anpassungsfähigkeit bekommt. Grundlage hierfür ist die Spezialisierung der Systemsegmente oder Subsysteme auf spezielle Anpassungsaufgaben.106 Solche Subsysteme sind in modernen Gesellschaften beispielsweise Wirtschaft, Politik oder auch Kultur, um einen zunächst eher oberflächlichen Richtungshinweis zu geben. Sie unterscheiden sich dabei weniger durch die Grenzen zwischen Personengruppen oder Berufen, sondern vielmehr durch die funktionalen Bezüge zum Gesamtsystem. Dies beinhaltet in der Folge unterschiedliche normative Orientierungen für Handlungen.107 Handlungen sind demnach als Resultat der Systemzusammenhänge zu sehen, aber auch als Ursache für die jeweilige Systembeschaffenheit. Die Ausgangsfrage, die jeder strukturell-funktionalen Analyse zugrunde liegt, lautet also: „Welchen strukturellen Wert hat eine Handlung bzw. welchen funktionalen Beitrag bezogen auf das Gesamtsystem leistet die der Analyse zugrunde liegende Handlung?“108

c) Handlung, Funktion und Struktur – die Begriffsexplikationen von Parsons Nachfolgend werden die zentralen Begriffe, deren Definitionen und Deskriptionen für das Verständnis des Gesamtzusammenhanges von unbedingter Notwendigkeit sind, kurz charakterisiert: Handlung: Jede Analyse von Handlungen muss bestimmte strukturelle Komponenten berücksichtigen: 1. Bedingungen des Handelns, 2. Mittel des Handelns als strukturelle Komponente der Situation eines Akteurs, 3. die subjektiven Ziele des Akteurs, 4. Normen als Bezugsrahmen des Handelns.

__________ 105

Vgl. Wenzel, 1990, S. 12 – 13 und S. 22. Vgl. Gießen, 1991, S. 522. 107 Vgl. Gießen, 1991, S. 523. 108 Vgl. Ebert, 2001, S. 180. 106

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

59

Gemäß Parsons liegt eine Handlung dann vor, wenn ein Verhalten durch diese 4 Termini analysiert werden kann.109 Funktion: Als Funktion bezeichnet Parsons den Beitrag, den soziale Phänomene in Hinblick auf ihren Beitrag zum Bestand der Gesellschaft leisten. Hierbei unterscheidet er latente (unbewusste, objektive) von manifesten (bewussten) Funktionen von Handlungen.110 Struktur: Der Begriff Struktur leitet direkt in die Systemtheorie über: Die abstrakte Vorstellung von einem System ist an die Abgrenzung zu einer Umwelt geknüpft. Damit diese Abgrenzung vollzogen werden kann, müssen Systeme Strukturen aufbauen. Die Struktur ergibt sich aus der Zusammensetzung konstanter Systemelemente, die von kurzfristigen Schwankungen im Verhältnis System – Umwelt unabhängig sind.111 Parsons kategorisiert Systeme nach unterschiedlichen Stufen der Evolution, die untereinander durch die Hierarchie von kybernetischen Kontrollbeziehungen bzw. in umgekehrter Richtung durch Stufen von konditionalen Voraussetzungen gekennzeichnet sind.112 Dies bedeutet, dass menschliches Verhalten weder physikalisch-chemisch, noch biologisch hinreichend determiniert ist und dies die Existenzgrundlage für Handlungssysteme ergibt. Die menschliche Sinnwelt ist vielmehr abhängig von komplementären und in Interaktion stehenden materiellen und immateriellen Systemen. Aufgrund dieses Interaktionsverhältnisses ist es einleuchtend, dass eine Dynamik vorherrscht und das Bestehen eines Fließgleichgewichtes demnach zu gewährleisten ist. Das Handlungssystem ist hierbei am flexibelsten, da es unter direktem Einfluss menschlichen Verhaltens gebildet wird.

__________ 109

Vgl. Staubmann, 1993, S. 150. Vgl. Staubmann, 1993, S. 150. 111 Vgl. Staubmann, 1993, S. 150 – 151. 112 Staubmann, 1991, S. 151. 110

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

60

telischer Bereich nicht-empirische, übernatürliche Realität

Aus Sicht des Handelnden stellen telische Systeme eine nicht- oder über-empirische Realität dar, die die Frage nach dem „Warum“ von Handlungen aufwirft und Gegenstand metaphysischer Überlegungen werden kann.

Handlungswelt Soziale Einheiten von Menschen generieren Handlungssysteme

Menschliches Verhalten kennzeichnet sich durch das Fehlen von ausreichenden angeborenen Steuerungsfunktionen aus. Dies macht die Herausbildung von Handlungssystemen notwendig.

Die Welt der anorganischen Systeme (siehe unterste Ebene) Biosphäre biologische Systeme oder wird überlagert durch die Entstehung des Lebens, also durch die Herausbildung biologischer Systeme angeborener lebende Organismen Verhaltensabläufe. physikalisch-chemische Systeme: anorganische Systeme

Unterste Ebene von Systembildung, die in der menschlichen Lebenswelt vorkommt.

Abbildung 8: Verschiedene Ebenen der Systembildung, die in der menschlichen Lebenswelt vorkommen

Innerhalb dieses Handlungssystems differenziert Parsons vier Organisationsmodi von Handlungssystemen und vollzieht so die zweite entscheidende Systematisierung:113 Soziale Systeme

Systeme motivierten Handelns, die um die Beziehungen der Akteure zueinander organisiert sind.

Persönlichkeiten

Systeme motivierten Handelns, die um den lebenden Organismus herum organisiert sind. Handlungsmuster, welche man auch als einzelne Charaktere bezeichnen kann.

Kultursysteme

Systeme symbolischer Muster, die Handlungen auf der Basis von Symbolen charakterisieren.

Verhaltenssysteme

Systeme der Anpassung. Ort der primären menschlichen Fähigkeiten, die den anderen Systemen zugrunde liegen. Es beinhaltet neben den Bedingungen, denen sich das Handeln anpassen muss, den primären Mechanismus der Wechselbeziehungen zur physikalischen Umwelt. Abbildung 9: Vier Organisationsmodi von Handlungssystemen nach Parsons

__________ 113

Vgl. Wenzel, 1990, S. 383 – 384.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

61

Diese beschriebenen Subsysteme lassen sich nun nach bestimmten Gesichtspunkten weiter untergliedern. Parsons tut dies anhand seines VierFunktionen-Schemas, auch AGIL-Schema genannt. Parsons differenziert allerdings zunächst Handlungssysteme und soziale Systeme, wobei Handlungssysteme die kulturellen Systeme, Persönlichkeitssysteme und Verhaltensorganismen darstellen und Elemente sind, die im Verhältnis zum konkreten sozialen Interaktionsverhalten durch Abstraktion definiert werden.114 Handlungssysteme sind also, wie folgende Abbildung verdeutlichen soll, Bestandteil der Umwelt des sozialen Subsystems. Hieraus wird deutlich, dass das kulturelle System die Aufgabe der Normenerhaltung oder auch latenten Strukturerhaltung, also die Aufrechterhaltung der Grundstruktur gesellschaftlicher, kultureller Wertvorstellungen hat. Parsons beschreibt weiter, dass die Grenzen zwischen jeweils zwei Handlungssystemen eine Zone strukturierter Bestandteile oder Muster umfassen, die theoretisch als zu beiden zugehörig, also nicht bloß dem einen oder anderen System zugeordnet, behandelt werden muss. Hierdurch werden Austauschprozesse zwischen den Systemen möglich, wobei die Basis dieser Austauschprozesse die Kommunikation auf der Symbolebene darstellt, die sich anhand der den Individuen zu eigenen Codes gestaltet. So z. B. die Sprache, ästhetische Erscheinungsbilder, non-verbale Kommunikation über bildende Kunst und Musik.115 Allgemeines Handlungssystem Soziales Subsystem „Integration“ Kulturelles Subsystem „Normenerhaltung“

Persönlichkeitssubsystem „Zielverwirklichung“

Verhaltensorganismus Subsystem „Anpassung“

Abbildung 10: Die vier Subsysteme und ihre Grundfunktionen

__________ 114 115

Parsons, 2000, S. 12. Vgl. Parsons, 2000, S. 13.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

62

Gesellschaft stellt im Sinne von Parsons einen Typ eines sozialen Systems dar, wobei jede Gesellschaft hinsichtlich ihrer Erhaltung als System auf die Eingabe aus dem Austausch mit Systemen ihrer Umgebung angewiesen ist. Nur aufgrund dieser Struktur lässt sich eine Funktionsfähigkeit der Gesellschaft erreichen, die in sich systemstabilisierend wirkt.116

d) Das funktionalistische AGIL-Paradigma Im Rahmen des zuvor geschilderten Ansatzes formuliert Parsons – wie bereits schon angedeutet – das funktionalistische AGIL-Paradigma, ein Schema zur analytischen Betrachtung sozialer Systeme, bei dem die vier Anfangsbuchstaben für die vier Grundfunktionen stehen, die jedes soziale System zu erfüllen hat, um seine Erhaltung zu gewährleisten. Die verschiedenen Funktionen sind nicht zu jedem Zeitpunkt gleich wichtig, es besteht jedoch eine zyklische Abfolge in der Wichtigkeit. D. h., dass die Reihenfolge der Wichtigkeit zwar festgelegt ist, der Ansatz sich aber nach der historischen Phase, in der sich die Gesellschaft gerade befindet, richten muss:117

Intern

Extern

Instrumentell

Konsumatorisch (Expressiv)

L

I

Latency (Latente Strukturerhaltung)

Integration

A

G

Adaption (Anpassung)

Goal-Attainment (Zielerreichung)

Abbildung 11: Das Parsons’sche AGIL-Paradigma

Die Grundfunktionen gewinnt Parsons durch die Überkreuzung zweier Dimensionen, die beide für Systembildungen im Allgemeinen gelten.

__________ 116

Parsons, 2000, S. 16 – 17. Reinhold, 1992, S. 9 sowie Kreutz, 1999 / 2000, Skriptum zur Einführung in die Grundzüge der Soziologie, Lieferung Nr. 8, Wintersemester 1999 / 2000. 117

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

63

Es entsteht zum einen die intern-extern-Dimension. Diese erlaubt es, Prozesse einem System selbst, seiner Umwelt sowie intern oder extern motivierten input-output-Beziehungen zuzuordnen.118 Hierdurch werden die jeweiligen Einflüsse auf das System deutlich. In Hinsicht auf ein analytisches Vorgehen ist diese Differenzierung deshalb so wichtig, weil sich Prozesse auf diese Weise genau verorten lassen. Die zweite Dimension, nach denen die Grundfunktionen differenziert werden, ist die so genannte konsumatorisch-instrumentelle-Dimension. Die Benennung von Systemkomponenten nach dieser Dimension macht die Ziel / MittelBeziehung der einzelnen Komponenten deutlich. So hat beispielsweise ein Fußballmatch zwischen zwei Teams eine konsumatorische Funktion, während dem Training auf dieses Match hin eine instrumentelle Funktion zu Eigen ist.119 Kommen wir nun aber zur Charakterisierung der von Parsons benannten vier Grundfunktionen, deren Erfüllung für den Fortbestand des Systems von unbedingter Notwendigkeit ist. a) Adaption (Anpassung) Mit diesem Terminus ist der Vorgang der Anpassung des Systems an seine Umwelt gemeint. Handlungssysteme sind durch die Knappheit von Ressourcen und Handlungsmitteln für die Zielerreichung gekennzeichnet. Die Aufgabe der Anpassung schreibt Parsons dem wirtschaftlichen Subsystem zu.120 b) Goal-attainment(Zielerreichung) Zunächst ist hiermit die Festlegung der Systemziele gemeint. Dies stellt allerdings nur den Anfang des Prozesses dar, der zur Erfüllung dieser Grundfunktion notwendig ist. Es müssen Verfahren gefunden und Einigungen getroffen werden, um 1. kollektive Ziele zu ermitteln, 2. sie in eine Rangfolge der Zielerreichung zu bringen und um 3. entsprechende Mittel den Zielen zuzuordnen. Diese Aufgaben werden dem politischen System zuteil, welches grundsätzlich das Allgemeinwohl und die spezifischen Ziele für das Gesamtsystem im Auge haben muss.121 c) Integration Mit Integration ist die Herstellung einer gemeinschaftlichen Grundlage und wechselseitigen Attraktion gemeint.122 Dies ist der zentrale Kern von Systemen überhaupt. Es dreht sich hierbei alles um die interne Koordination der ver-

__________ 118

Staubmann, 1993, S. 157. Vgl. Staubmann, 1993, S. 157. 120 Vgl. Gießen, 1991, S. 524. 121 Vgl. Gießen, 1991, S. 525. 122 Gießen, 1991, S. 525. 119

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

64

schiedenen Systemfunktionen.123 Dies bedeutet die konkrete Umsetzung der Anpassungsprozesse und Zielvorgaben durch das gemeinschaftliche System, insbesondere durch soziale Kontrolle und durch das Rechtssystem sowie durch die einzelnen Mitglieder des Systems selbst.124 Das Handeln ist an die jeweiligen Umweltbedingungen des Systems angepasst und auf systematisch determinierte Zielvorgaben bzw. Zieleinheiten ausgerichtet. Diese Zielvorgaben basieren auf dem zugrunde liegenden kulturellen Muster, das sich aus traditionalem Wissen, Sitten und Gebräuchen zusammensetzt. d) Latency (Latente Strukturerhaltung) Die Funktion der Strukturerhaltung stellt die Erhaltung der Gemeinsamkeit normativer Orientierungen durch die Verankerungen allgemeiner Wertüberzeugungen ins Zentrum des Blickfeldes. Parsons schreibt diese Aufgabe dem kulturellen Treuhandsystem zu. Die kulturellen Institutionen stellen die normative Struktur von Gesellschaften auf Dauer her und vermitteln ihr einen übergeordneten Bezug in Gestalt der symbolischen Kultur. 125 Hier lässt sich nun eine Parallele bzw. eine Übereinstimmung zu dem in den vorherigen Abschnitten beschriebenen sozialanthropologischen Ansatz auf der Grundlage der Arbeiten von White und Meleghy herstellen. Kultur hat die Aufgabe der transgenerativen Wissensübermittlung, die sich insbesondere auf der Ebene der Symbolik realisieren lässt. Auf der Grundlage der Erhaltung der latenten Struktur trägt Kultur somit zur Erhaltung des Gesamtsystems bei.126 Eine latente Struktur ist eine Tiefenstruktur, die dem alltäglichen Handeln zugrunde liegt. Z. B. in Form eines Werte- oder Normensystems, aus dem die unterschiedlichsten Handlungsakte generiert werden können. So ist beispielsweise die latente Struktur der Sprache im Okzidental die Grammatik, auf deren Grundlage die unterschiedlichsten Sprechakte ausgeführt werden können.127 Diese vier Funktionen kann man nun in Form eines Schemas in Verbindung mit den Handlungssystemen bringen. Damit ergibt sich ein Analyseinstrument, das eine Gesellschaft in vier primäre Subsysteme teilbar macht.128 Den Gesamtzusammenhang zwischen Handlungssystem, sozialem System, Subsystemen und Zuordnung der einzelnen Grundfunktionen gibt folgende Abbildung wieder:129

__________ 123

Wenzel, 1990, S. 27. Vgl. Ebert, 2001, S. 183. 125 Vgl. Gießen, 1991, 525. 126 Im Resümee zu diesem Kapitel wird auf diesen Sachverhalt bzw. auf den Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen noch genauer eingegangen. 127 Münch, 1982, S. 88. 128 Parsons, 2000, S. 20. 129 Vgl. Staubmann, 1993, S. 30. 124

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“ Handlungssystem

Soziales System

I

L Kulturelles System

Behaviorales System

A

65

Soziales System

Psychisches System

G

L

I Kulturelles Treuhandsystem Medium: Wertbindung

Kommunales System

Wirtschaftliches System

Politisches System

Medium: Geld

Medium: Macht

A

Medium: Einfluss

G

Abbildung 12: Das Allgemeine Handlungssystem im Zusammenhang mit seinen Subsystemen

Wie hieraus ersichtlich wird, liegt ein Vorteil dieser analytischen Differenzierung nun darin, dass sie immer weiter getrieben werden kann, bis zur Verortung eines spezifischen, analytisch heraus getrennten Aspekts der Realität im gesamten Systemaufbau. D. h., dass jedes der genannten Systeme sich anhand der vier Grundfunktionen A-G-I-L weiter ausdifferenzieren lässt.130 Zum anderen liegt ein weiterer Vorteil darin, dass jegliche soziale Systeme anhand dieser Differenzierung betrachtet und untersucht werden können.131 Münch beschreibt zwei unterschiedliche Weisen, wie das Modell angewendet werden kann, und die ihrerseits wiederum miteinander kombiniert werden können.132 1. Man kann das Modell zur Erklärung des Handelns eines individuellen oder korporativen Akteurs gebrauchen: Konkretes Handeln wird in diesem Fall als Resultat der Dynamik zwischen den beschriebenen Systemen angesehen. So wird es natürlich in einer Analyse auch notwendig, eine ganzheitliche Systembetrachtung vorzunehmen.

__________ 130

Vgl. Ebert, 2001, S.183. Münch, 1982, S. 93. 132 Vgl. im Folgenden Münch, 1982, S. 96. 131

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

66

2. Je mehr Handlungssysteme empirisch ausdifferenziert sind, um so mehr ist die Wirkung der Kräfte auf das konkrete Handeln auch abhängig von den Beziehungen der Subsysteme selbst untereinander und zu ihrer Umwelt. Dies bedeutet, dass konkrete empirische Sachverhalte quasi als Bausteine zur Erklärung des Gesamtzusammenhangs herangezogen werden können, sofern sie vorab in Zusammenhang mit den Subsystemen, bzw. in Zusammenhang mit den Interdependenzen dieser einzelnen Subsysteme, gebracht worden sind. Des Weiteren – und dies ist wahrscheinlich als noch wertvoller zu erachten – lassen sich durch die Zuordnung konkreter, beobachtbarer Sachverhalte auch systemhafte Prozesse untersuchen. Operationalisiert man die Grundfunktionen beispielsweise anhand konkreter Handlungen, so lassen sich – wie Parsons es vorsieht – konkrete Abfolgen beobachten. So z. B.:133 (1.) Problem Æ (2.) Anpassung (Adaption) Æ (3.) Zieldefinition (Goal Attainment) Æ (4.) Soziale Integration / Reintegration (Integration) Æ (5.) Wiederherstellung des inneren Gleichgewichts (Latency) Æ (6.) = (1.) Störung des Gleichgewichts / Neues Problem … Während die Klassifikation lediglich die Voraussetzung darstellt, bezieht sich die eigentliche Analyse auf diesen systemhaften Prozess. Latency bedeutet also nicht lediglich „Latente Strukturerhaltung“, sondern ist auch als aktiver „Prozess der Restrukturierung“ zu verstehen. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass eine minutiöse Deskription der Parsons’schen Handlungs- bzw. Systemtheorie den Rahmen dieser Arbeit erheblich überschreiten würde. Die für das Verständnis der weiteren Arbeit wichtigen Aspekte – vor allem die Funktionalität kultureller Systeme – wurden beschrieben. Verzichtet wurde auf die Deskription und Explikation der Parsons’schen pattern variables, die er anhand seiner Arbeiten zur Sozialisation generiert hat. Die pattern variables sind in einem analytischen Schema enthalten, wobei die Variablen in ihren Ausprägungen jeweils idealtypisch dichotomisiert sind und zur Klassifikation von Handlungsorientierungen dienen. Unter der Annahme, dass jedem sozialen Handeln eine Interpretation der Handlungssituation vorausgeht, benennt das Modell fünf polare Orientierungsmuster. Der Handelnde muss sich in jeder Situation auf allen fünf Ebenen (in strikter Reihenfolge) entscheiden, weshalb die pattern variables in Kombination auftreten und bestimmte Handlungen mehrdimensional charakterisieren. Drei der fünf pattern variables stellen Orientierungsvariablen dar, die die grundlegende Handlungsorientierung von der Motivationsseite her unterschei-

__________ 133

Kreutz, 1999 / 2000, S. 14.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

67

den. Diese drei Handlungsorientierungen stellen Entscheidungen dar, die vom Akteur gefällt werden müssen, bevor er überhaupt handeln kann: 134 1. affektiv œ affektiv neutral Handle ich impulsiv, emotional oder diszipliniert, sachlich? 2. selbstorientiert œ kollektivorientiert Handle ich in Bezug auf meine eigenen Interessen, ohne Rücksicht auf die Außenwelt oder in Bezug auf die Interessen eines Kollektivs, zu dem ich gehöre? 3. partikularistisch œ universalistisch Handle ich im Sonderinteresse der jeweiligen Gruppe (oder auch Person), der ich mich verbunden fühle oder in einer für alle verbindliche Weise im Sinne des Allgemeinwohls? Erst nach diesen Entscheidungen erfolgt die Berücksichtigung der Anforderung der äußeren Situation, in der die Handlung erfolgt. Es erfolgt eine Unterscheidung zweier Dichotomien:135 4. Leistung œ Askription (Zuschreibung) Ist der Leistungsaspekt (selbsterbrachte Leistung) oder der Qualitätsaspekt (z. B. Geschlecht, Hautfarbe,...) relevant? 5. spezifisch œ diffus Ist das Objekt in einem konkreten, eindeutigen Interessen- und Zweckzusammenhang zu sehen? Dieses analytische Schema bietet sich besonders für die Rekonstruktion von Handlungslogik auf der Mikro-Ebene an. Entscheidungsabläufe individueller Akteure können so nachvollzogen werden. Der Vollständigkeit halber und aufgrund des Umstandes, dass in Abbildung 12 die Interaktions- oder auch Tauschmedien Erwähnung finden, soll an dieser Stelle der Zusammenhang kurz erläutert werden. Die dem Sozialen System zugeordneten Symbolischen Interaktionsmedien (Geld, Macht, Einfluss und Loyalität) sind als funktionsspezifische Codes zu verstehen, die viele Subsysteme bilden, umgekehrt das Soziale System aber nicht erschöpfen. Durch gegenseitige Austauschprozesse ermöglichen sie die

__________ 134 135

Kreutz, 1988, S. 269. Kreutz, 1988, S. 269.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

68

Interaktionen zwischen den Teilsystemen des Sozialen Systems und somit auch eine entsprechende Kommunikation. Das wohl geläufigste Interaktions- oder auch Tauschmedium ist Geld. Im Rahmen von ökonomischen Systemen stellt es die allgemeinen Tauschchancen bzw. die Bemessungsgrundlage für den Tausch von Gütern und Leistungen dar. Dadurch wird ein präziser Vergleich mehrerer Tauschangebote und die schnelle Abwicklung von Tauschgeschäften ermöglicht.136 Macht definiert Parsons – um noch ein weiteres Beispiel anzuführen – als „generalisierte Kapazität, gemeinsame Leistungspflichten von Mitgliedseinheiten zu aktivieren – und zwar im Interesse einer Durchsetzung von zielgerichteten Entscheidungen, die das betreffende Kollektiv binden“.137 Die Austauschprozesse gewährleisten also den immanenten Zusammenhalt der Systeme, wie auch den Gesamtzusammenhalt und repräsentieren die stetig vorherrschende Dynamik innerhalb sozialer Systeme. Da in der weiteren Analyse weder Handlungsorientierungen, expliziert anhand der pattern variables, noch eine Festlegung oder der Nachweis von Tauschprozessen vollzogen werden, soll an dieser Stelle auf die im Quellenverzeichnis aufgeführten Schriften von Parsons (1980), Münch (1982), Kreutz (1988), Wenzel (1990), Gießen (1991), Staubmann (1993) und Ebert (2001) verwiesen werden.

e) Grenzen dieses theoretischen Ansatzes Diese besondere Form der systemtheoretischen Betrachtungsweise und die Einbindung von Kultur als Handlungssystem blieben aber nicht unkritisiert. Obgleich eine Betrachtung im systemtheoretischen Zusammenhang, d. h. das Hervorheben der funktionalen Beziehungsmuster, als überaus sinnvoll erscheint, so gehen die Ausführungen Parsons’ nicht weit genug. Beispielsweise kann das AGIL-Paradigma die Wirklichkeit nicht vollständig abbilden. Es beschreibt die Systemelemente allgemein und berücksichtigt nur sehr eingeschränkt externe und interne Störfaktoren. Ebenso ist eine empirische Überprüfbarkeit der Annahmen nur sehr schwer möglich. Die Frage ist hierbei aber, ob Parsons überhaupt diesen Anspruch erhoben hat. Schließlich soll hierdurch die wissenschaftliche Diskussion durch die Schaffung eines Zugangs, der die Zuordnung der beobachtbaren Wirklichkeit zur gedanklichen, modellhaften

__________ 136 137

Vgl. Gießen, 1991, S. 329. Parsons, 1980, S. 187.

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

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Vorstellung ermöglichen soll, erleichtert werden. Anders sieht dies Bühl in seiner Schrift „Kulturwandel: Für eine dynamische Kultursoziologie“:138 „Das größte Hindernis, die Dynamik des Kulturwandels zu begreifen, ist die gerade in ihrer perfekten Systematik so plausibel und doch so irreführende Darstellung des Kulturaufbaus von Talcott Parsons.“

Er wirft Parsons vor, Kultur als ein monostabiles und fein säuberlich geordnetes System zu beschreiben. Lediglich ein scholastisches Kategorienschema, das nicht mit einer Beschreibung empirischer Kultursysteme gleichgesetzt werden darf. Das Problem, das sich infolge dessen ergibt, besteht darin, die eigentlichen Faktoren, die einen Kulturwandel ausmachen und somit die Dynamik dieses Handlungssystems nachvollziehbar machen, unberücksichtigt zu lassen.139 Er schlägt deshalb anstatt eines hierarchischen Systems ein MehrebenenSystem vor (vgl. Abbildung 13). Diese Mehrebenen können anhand ihrer unterschiedlichen Organisationsmuster und Arbeitsweisen unterschieden werden. Anhand dieser Vorgehensweise klassifiziert Bühl insgesamt vier Kultursysteme.140 Die hier beschriebene Dynamik ist abhängig von Entscheidungs- oder Kulturträgern, die zum Teil miteinander konkurrieren, zum Teil ohne Kenntnisse voneinander oder Verständnis füreinander parallel agieren, also unabhängig voneinander sind. Diese Prozesse sind natürlich an externe und interne Einflüsse, Oszillationen, Kompensationen und Ambivalenzen gekoppelt, die die Dynamik verstärken. Bühls Kritik widerspricht allerdings letztlich nicht den Ausführungen von Parsons. Und selbst wenn die Parsons’sche Theorie derart kritikwürdig wäre, so würden die Ausführungen Bühls zu kurz greifen. Was er durch seine Differenzierung vollzieht, ist ganz im Sinne von Parsons, denn all diese verschiedenartigen Ausprägungen von Kultur, die er anhand der Kategorien Trivial-, Lebens-, Hoch- und Weltkultur beschreibt, weisen die selbe Funktionalität auf, die Parsons der Kultur als Handlungssystem unterstellt.141

__________ 138

Bühl, 1987, S. 59 – 60. Bühl, 1987, S. 61. 140 Bühl, 1987, S. 66 – 67. 141 Bühl, 1987, S. 69. 139

70

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur Trivialkultur Kulturschicht oder Gruppe von Sinndeutungen, die die Wahrnehmung, den Gebrauch und die Wertschätzung des zivilisatorischen Grundbestandes regelt, welcher den Arbeitsalltag, die Körperhygiene, das Verkehrswesen und die anspruchslose Massenunterhaltung beherrscht. Kennzeichen: í wert- und emotionsfrei í international leicht transferierbar í ähnlich bei Gesellschaften mit gleichen technischen Standards Lebenskultur Steht zwischen der Trivial- und der Hochkultur und kommt in der Lebensgestaltung meist regional (durch Landschaft, Religion und Sitte), aber auch funktional geprägter Gruppen (Bauerntum, gewerblicher Mittelstand, akademisch leitender Angestellter) zum Ausdruck. Kennzeichen: í betrifft die kulturell geprägten Lebensfunktionen (Esskultur, Geschmack in Kleidung und Schmuck, Umgangsformen, das Verhältnis der Geschlechter zueinander) Hochkultur Hochstilisiert und in der Regel national: Indem durch literarische und philosophische, durch bildnerische und musikalische Werke ein bestimmter Kunststil oder kognitiver Stil geprägt und in einer kristallisierten Werkkultur ein überzeitlicher Anspruch zur Geltung gebracht wird. Kennzeichen: í „Feierkultur“ í „Dekor des Alltäglichen“ í „Konsum, der der seelischen Erhebung dient“ í ebenfalls trivialisierbar Weltkultur Macht sich nicht auf allen Ebenen in gleicher Weise bemerkbar. Auffallend ist sie erstens vor allem auf der unteren Ebene der Massenkommunikation und der massenmedialen Popularkultur, und zweitens auf der obersten Ebene in einem wichtigen Ausschnitt der wissenschaftlichen Reflexionskultur. Abbildung 13: Bühls Mehrebenen-Einteilung der Kultur

III. Verschiedenste Möglichkeiten der Auffassung des Begriffs der „Kultur“

71

Allerdings ist hierzu ein Zitat von Bronislaw Malinowski am ehesten angebracht, um die Kritik von Bühl weiter zu entkräften:142 „Wir wollen es als ein Axiom hinnehmen, daß menschliche Wesen ernährt werden, daß sie sich fortpflanzen müssen, daß sie Obdach, persönliche Annehmlichkeiten, Elemente der Reinlichkeit und eine geeignete Temperatur brauchen. Die anthropologische Theorie muß auf biologischen Tatsachen aufbauen, denn schließlich sind die Menschen animalische Wesen. Damit die Rasse Bestand habe, der Einzelmensch am Leben und der Organismus arbeitsfähig erhalten bleibe, muß er sich den elementaren Bedingungen, die er vorfindet anpassen.“

Malinowski stellt hier ebenfalls die Verbindung zwischen Kultur und Natur dar, hinsichtlich seiner Ausdrucksweise aus heutiger Sicht leider etwas unglücklich, was aber sicherlich an der Übersetzung seiner Schrift in Deutsche liegt. Wir können also in einem Zwischenresümee konstatieren, dass Kultur als Handlungssystem immanente Grundfunktionen zur Stabilisierung sozialer Systeme zu Eigen ist. Gleichzeitig muss aber, den Ausführungen Bühls zufolge, die Mehrebenen-Problematik berücksichtigt werden, um die Dynamik dieses Handlungssystems nachvollziehen zu können. Ein bisher allerdings unberücksichtigtes Problem kommt hierbei noch hinzu: Wenn man versucht, Kultur in verschiedenartige, funktional unterschiedliche Handlungssysteme zu unterscheiden, so muss man auch die Prozesse auf den unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen berücksichtigen. Kreutz gelingt eine solche Unterteilung anhand seiner Explikation der Weber’schen Verstehenden Soziologie. Durch die Unterscheidung des subjektiven vom objektiven Sinns von Handlungen, lässt sich die Kultur einer Gesellschaft als ein offenes, dynamisches System darstellen, das seine Dynamik aus der Sinnproduktion erfährt, die ihrerseits aus der Transformation von subjektivem zu objektivem Sinn gespeist wird. Kreutz expliziert in Anlehnung an Max Weber, dass ein subjektiv gemeinter Sinn, den jeder Einzelne mit seinem Tun verbindet, neben dem objektiven Sinn des menschlichen Handelns existiert. Dieser subjektive Sinn beinhaltet die persönlichen Handlungsantriebe. Die Möglichkeit, neue kollektive Ziele und somit neue objektive Sinngehalte zu formulieren ergibt sich dann, wenn es Übereinstimmungen in den subjektiven Sinngehalten mehrere Personen gibt. Diese Übereinstimmungen bilden nun die Grundlage für Koalitionen und Gruppenbildungen, die ausschlaggebend für Sinnzirkulationen sind und gemeinsam mit den externen Einflüssen, wie beispielsweise der Einfluss fremder Kulturkomponenten, für Modifikationen von Sinngehalten – also für die Dynamik des Systems – verantwortlich sind. Deutlich wird hierbei das Zusammenspiel der Prozesse auf der Mikro-, Meso- und Makroebene. Wobei

__________ 142

Malinowski, 1951, S. 92.

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur

72

die Individuen der Mikro-, die legitimierten Repräsentanten der Meso- und die Kollektive der Makroebene zugeordnet werden. 143

Verlust von Kulturgütern, Traditionsbruch

Speichern in externen Speichern

Objektiver Sinn, (traditionale) Kollektive p legitimierte Repräsentanten und Organisationen p Individuelle Mitglieder

Subjektiver Sinn (sich neu formierende Kollektive) n ~ ~ Interessengruppen n ~ ~ Individuen als Subjekte

Individuelles Vergessen und Verdrängen

Einfluss fremder Kulturen

„irrationale“ Handlungsimpulse (verdrängte Affekte etc.)

Abbildung 14: Darstellung von Kultur und Sinnproduktion als offenes System von Kreutz

In Abschnitt IV. soll das Essentielle aus dem vorab Beschriebenen noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden. Dadurch soll deutlich werden, auf welche Gesichtspunkte hin Kulturpolitik in der nachfolgenden Untersuchung analysiert werden soll.

IV. Resümee zum zweiten Kapitel In der Fachliteratur werden Kultur oder damit in Zusammenhang stehendes Handeln geradezu inflationär benutzt, ohne dass sie hinreichend definiert und operationalisiert werden. Die Ausführungen in Kapitel B zeigen, dass man, in Auseinandersetzung mit dem Phänomen und dem Terminus Kultur als Ansatz und Zugang für bzw. zu einer pragmatischen Analyse, viele kontroverse Diskussionen führen kann, die letztlich zu keinem befriedigenden Ergebnis führen. Es ist zwar grundsätzlich möglich, diese zumeist philosophische und oftmals auch dogmatische Diskussion komplett außen vor zu lassen und sich lediglich mit der eigentlichen Analyse des Untersuchungsgegenstandes Kultur – z. B. in Form von Kunst, Architektur, Geschichte etc. – auseinander zu setzen. Kaum ein Leser würde angesichts der terminologischen Vieldeutigkeit Kritik an die-

__________ 143

Vgl. Kreutz, 1999 / 2000, S. 5 – 7.

IV. Resümee zum zweiten Kapitel

73

sem Vorhaben üben. Zumal es m. E. enorme Anstrengungen kostet, sich als interessierter Leser auf die verschiedenartigen Aspekte gedanklich einzulassen. So entstehen aber Schriften, die von etwas handeln, das dem Rezipienten oft undeutlich bleibt. Eine Bewertung dieser Werke obliegt der Willkür und kann im Gegenzug ebenso willkürlich verteidigt werden. Dies ist bei der vorliegenden Arbeit aber deshalb nicht möglich, weil der Anspruch erhoben wird, Erkenntnisse zu gewinnen, um Vorschläge zur Optimierung von Handlungsprozessen im Bereich der Kulturpolitik abzuleiten. Deshalb sei gerade der systemtheoretische Bezug, insbesondere der Bezug zu den Arbeiten und Leistungen von Talcott Parsons, hier noch einmal – quasi als Überleitung zum empirischen Teil der Arbeit – in besonderem Maße betont. Es ist wichtig, darauf aufmerksam zu machen, dass es sich bei Kultur um ein dynamisches Handlungssystem handelt, welches Bestandteil des Gesamtsystems Gesellschaft ist und dem spezifische Funktionen zuteil sind, die zur Stabilität des Systems beitragen sollen. Um den Untersuchungsgegenstand Kultur hinsichtlich seiner Beschaffenheit und Ausprägungen zu beschreiben, wurde im Vorangestellten ein sozialanthropologischer Zugang gewählt. Dies deshalb, um die m. E. überholte Ansicht, Kultur muss von Natur getrennt betrachtet werden, empirisch zu widerlegen. Als das spezifisch Menschliche der Kultur wurden zum einen die transgenerative Weitergabe von Wissen auf der Ebene der Symbole, zum anderen die Steuerung der emotionalen Prozesse identifiziert. Unter der Berücksichtigung dieser beiden Aspekte, die gleichermaßen hinsichtlich der Erhaltung und Stabilisierung sozialer Systeme funktional sind, kann eine Operationalisierung dessen vollzogen werden, was im Zentrum kulturellen Handelns stehen soll. In Anlehnung an White werden diese Handlungsgegenstände Symbolate – auf Symbole beruhende Dinge und Ereignisse – genannt. Unter Berücksichtigung verschiedener soziologischer Zugänge wird als weitere Basiskomponente der Analyse eine struktur-funktionale Konzeption gewählt, wobei das Parsons’sche AGILParadigma als Grundlage der weiterführenden Untersuchung herangezogen wird. Dieses Paradigma eignet sich hervorragend für die Grundvorstellung der Beschaffenheit der Realität und lässt sich durch den beschriebenen sozialanthropologischen Ansatz ergänzen. Das kulturelle Subsystem hat die besondere Aufgabe der latenten Strukturerhaltung bzw. der Normerhaltung. Dies ist für den Erhalt und für die Stabilität sozialer Systeme eine Notwendigkeit. Latente Strukturerhaltung als Grundfunktion des kulturellen Subsystems als Teil des sozialen Systems, lässt sich in Form des transgenerativen Wissenstransfers und in Form der Steuerung emotionaler Prozesse ausdrücken, so dass wir ein Aufgabenkonglomerat vor uns haben, das sich wie folgt darstellen lässt. Es stellt sich nun natürlich die berechtigte Frage, wie diese allgemeinen Aufgaben operationalisiert werden können.

74

B. Theoretische Grundüberlegungen zum Gegenstand der Kultur Latente Strukturerhaltung

Übergeordnete Aufgabe:

Transgenerativer Wissenstransfer

Teilaufgaben:

Konkrete Ausprägungen/ Symbolate:

í í í í í í í

Schulbildung, Berufsausbildung, Wissenschaft und Forschung, Kunst, Musik und Architektur, Repräsentation und Kulturdialog, Kulturgeschichte, etc.

Steuerung emotionaler Prozesse í í í í í

í

Unterhaltung, Information und Transparenz, Riten, z. B. Begräbnisse, Hochzeiten, Mythen: Absicherung gegen Verunsicherung, Gesellschaftliche Typisierung von Gefühlen, z. B. romantische Klischees, etc.

Abbildung 15: Aufgabenstruktur des kulturellen Systems im Rahmen sozialer Systeme

Die konkreten Ausprägungen sind hier lediglich exemplarisch zu sehen, da viele Bereiche natürlich Überschneidungen aufweisen. So vereinen Kunst und Musik neben ihrem hohen Bildungswert auch einen entsprechend hohen Unterhaltungswert auf sich. In einem nächsten Schritt ist zu überprüfen, wie die aktive Kulturpolitik diese Operationalisierung vollzieht bzw. ob die kulturpolitischen Akteure sich dieser Aufgaben und der damit verbundenen Verantwortung überhaupt bewusst sind. Eine anschließende Bewertung dieses Zustandes steht nicht im Zeichen eines Anprangerns von Kulturpolitik, sondern soll – wie bereits angedeutet – eine Hilfestellung für systemstabilisierendes Handeln und Verhalten in Organisationen und Institutionen sein, die Vermittlung von Handlungskompetenzen also. Obgleich dieser Anspruch im Vorfeld einer solchen Analyse zu implizieren scheint, dass die kulturpolitischen Aktivitäten in der Bundesrepublik nicht adäquat sind. Dieser Eindruck soll hier nicht entstehen.

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse I. Hinführung: Allgemeine Aspekte Die Grundüberlegung zu diesem empirischen Teil der Arbeit entstand im Herbst 1998. Zu diesem Zeitpunkt wurde die alte Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl nach 16jähriger Amtszeit durch die von Gerhard Schröder geführte SPD-Bündnis 90 / Die Grünen-Regierung abgelöst, was gleichzeitig mit einer Neuorientierung im Bereich der Kulturpolitik in Verbindung stand. Konkret wurde dies mit der Neugründung des auf Bundesebene angesiedelten Staatsministeriums für Kultur zunächst unter der Leitung des „Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien“144 Michael Naumann und der Bildung eines Ausschusses des Bundestages für Kultur und Medien sichtbar. Die Rechtfertigung, welche hierbei ventiliert wurde, bezog sich damals zunächst auf die Repräsentation deutscher Kultur im Zuge der Öffnung der Grenzen hin zu einem gemeinsamen Europa und – in einem nächsten Schritt – im Zuge der wachsenden Globalisierung. Die Sozialwissenschaften haben in einem solchen Kontext eine doppelte Aufgabe zu erfüllen: Der erste Teil dieser Aufgabe besteht darin, Prozesse des menschlichen Verhaltens und insbesondere die Dauer bzw. die Veränderungen dieses Verhaltens zu analysieren. Als weiteres besteht die Aufgabe, Ideen aus den Erkenntnissen zu unterbreiten und zwar in der Form, dass Handlungsalternativen und -optionen sichtbar und zugänglich gemacht werden.145 Im zweiten Kapitel wurde dafür plädiert, dies anhand einer strukturfunktionalen Analyse zu realisieren. Wie aus dieser Bezeichnung zu schließen, werden hierbei sozialstrukturelle Elemente als Voraussetzung für Erkenntnisse über und Erklärungen von funktionalen Aspekten herangezogen.146 In seinem Werk „Empirische Kunstsoziologie“ beschreibt Alphons Silbermann beispielsweise exemplarisch das Vorgehen bei einer solchen angestrebten Analy-

__________ 144

So die vollständige Bezeichnung des Amtes. Im Folgenden und üblicherweise wird dieses mit BKM abgekürzt. 145 Vgl. Silbermann, 1957, S. 55. 146 Vgl. Silbermann, 1986, S. 49 – 50.

76

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

se. Er trennt zunächst die strukturelle von der funktionalen Analyse. Bei seiner Forschungsfrage – dem Vorgehen im Rahmen der Empirischen Kunstsoziologie – untersucht er die beiden Elemente differenziert nach verschiedenen Akteursgruppen (Produzent und Konsument) und diese wiederum hinsichtlich verschiedenartiger Komponenten (historische, technologische, mentale, wirtschaftsorganisatorische Komponenten). Die funktionale Ebene beinhaltet die Funktionen von Kunst, die in der von ihr ausgelösten Emotionalität und dem Hinterlassen des ästhetischen Eindrucks, der die Tore für einen individuellen Interpretationsspielraum offen lässt, besteht.147 Dies ist natürlich nicht auf die hier vorliegende Arbeit vollständig übertragbar. Das Beispiel soll lediglich auf die Methodologie und den Anspruch dieser Arbeit hinführen. Auf der Suche nach einem adäquaten methodologischen Zugang, der es ermöglicht empirische Erkenntnisse bezüglich der Forschungsfragen zu gewinnen, stellt man sehr schnell fest, dass der Einsatz nur einer Methode nicht ausreicht und man einen Methodenmix konstruieren muss, um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes einigermaßen gerecht zu werden. Schließlich muss die soziologische Forschung – wie es Kreutz treffend ausdrückt – in „kontinuierlicher Wechselwirkung mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit“ stehen, „und eine adäquate Methodologie muß diesen grundlegenden Sachverhalt miteinbeziehen“.148 Mit anderen Worten: Die Anwendung einer „einfachen“ Methode bzw. die Interpretation der auf dieser Basis gewonnenen Daten reicht nicht aus, um die Erkenntnisfragen, die wir uns im Folgenden noch einmal ins Gedächtnis rufen, befriedigend zu beantworten: í Wie gestaltet sich die aktuelle kulturpolitische Praxis auf der Bundesebene? í Wie lässt sie sich im internationalen Vergleich beschreiben? í Wie ist sie im historischen Kontext eingebettet? í Wird sie den in Abschnitt B. der vorliegenden Arbeit herausgearbeiteten funktionalen Aufgaben, die das kulturelle System als Teil des sozialen Systems hat, gerecht? Ziel dieser soziologischen Analyse der Kulturpolitik ist die Synthese von theoretischen Grundlagen und Auffassungen des Phänomens Kultur, wie sie im vorigen Abschnitt erläutert wurden. Einmal mit der historischen Entwicklung deutscher Kulturpolitik nach dem zweiten Weltkrieg. Zum anderen mit der derzeitigen Praxis auf Bundesebene. Der Schwerpunkt liegt aber vor allem auf

__________ 147 148

Vgl. Silbermann, 1986, S. 52 – 98. Kreutz, 1972, S. 3 – 4.

II. Das Forschungsdesign

77

der Beleuchtung der praktischen Arbeit des neu gegründeten Staatsministeriums für Kultur und Medien, insbesondere auf dessen spezifischen Arbeitsfeldern und der Systemdienlichkeit seiner Arbeitsweise. Obwohl die (leider) übliche Differenzierung zwischen quantitativer und qualitativer empirischer Sozialforschung m. E. sehr kritisch zu beurteilen ist, wird sie hierbei herangezogen, um deutlich zu machen, was genau im Mittelpunkt der Analyse stehen soll. Wie bereits angedeutet sollen Kenntnisse über Struktur und Funktion der kulturpolitischen Praxis auf der Bundesebene erlangt werden. Dafür ist es notwendig, die Handlungslogik der individuellen wie auch der der korporativen Akteure zu rekonstruieren.

II. Das Forschungsdesign Als Forschungsdesign bezeichnet man weitläufig den Plan für die Sammlung und für die Analyse von Anhaltspunkten, die es dem Forscher erlauben, eine Antwort auf seine Erkenntnisfragen zu stellen.149 Es sind folglich hierbei alle Aspekte zu nennen, also auch die winzigsten Details der Datenerhebung, bis hin zur Auswahl der Techniken der Datenanalyse. Flick benennt eine Reihe von Komponenten, die bei der Konstruktion eines Forschungsdesigns eine Rolle spielen bzw. berücksichtigt werden sollen. Diese wären:150 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Zielsetzung der Studie, der theoretische Rahmen, die konkrete Fragestellung, die Auswahl des empirischen Materials, die methodische Herangehensweise, der Grad der Standardisierung und Kontrolle, die Generalisierung und die zeitlichen, personellen und materiellen Ressourcen, die zur Verfügung stehen.

Sowohl die Zielsetzung, als auch der theoretische Rahmen der Studie wurden bereits ausführlich beschrieben und erläutert. Auch die konkrete Fragestellung wurde dargestellt (s. o.). Punkt 8 ist insofern hier nicht relevant, da es sich bei dieser Studie um keine Auftragsarbeit handelt, insofern also nicht auf wirtschaftliche Erwägungen abzielt, die m. E. die Basis dieses Punktes bilden, sondern auf ein spezifisches Sonderinteresse des Autors in seiner Rolle als

__________ 149 150

Vgl. Flick, 2000, S. 252. Flick, 2000, S. 253.

78

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

Forscher.151 Es bleiben die Punkte 4 bis 7 zu erklären. Folgende Abbildung erleichtert bezüglich dieser Punkte die Übersicht über den Fortgang der Arbeit: Untersuchungsgegenstand: Analyseelement:

Methoden:

Datenquellen:

Kulturpolitik des Bundes

Struktur

Funktion

Strukturanalyse

Funktionsanalyse

Sekundäranalyse von Budget- und andere Strukturdaten

Literaturanalyse

Experteninterview

Textanalyse

Kulturstatistiken, Angaben der Bundespressestelle, Haushaltspläne der Bundesregierung

Texte zur historischen Entwicklung der Kulturpolitik der BRD sowie Stellungnahmen von Experten und politischen Entscheidungsträgern

Interview mit Ministerialdirektor Dr. Knut Nevermann im Bundeskanzleramt

Pressemitteilungen der Bundesregierung aus den Jahren 1999 – 2002

Abbildung 16: Konkrete methodische Zugänge zur Rekonstruktion von Handlungslogik

Wie aus der Abbildung deutlich wird, soll die kulturpolitische Praxis mittels einer Dokumentenanalyse, sowie anhand der Interpretation und Strukturierung von Pressemitteilungen der Bundesregierung die Kulturpolitik des Bundes betreffend, beleuchtet und analysiert werden. Ergänzend wurde ein Experteninterview mit dem Leiter der Abteilung „Kultur und Medien“ im Bundeskanzler-

__________ 151

Es handelt sich bei dieser Arbeit um eine Dissertation. Sie wurde demgemäß vollständig selbständig und allein vom Autor angefertigt.

III. Vorgehen bei der Strukturanalyse

79

amt, Ministerialdirektor Dr. Knut Nevermann, geführt. Dieses dient vorrangig der Gewährleistung der Reliabilität. Zum Grad der Standardisierung und Kontrolle soll an dieser Stelle auf Abschnitt C. IV. 3. verwiesen werden, in dem auf die spezifischen Gütekriterien und deren Nachweis genauer eingegangen wird. Bezug nehmend auf die siebte Komponente zur Konstruktion eines Forschungsdesigns (Generalisierungsziele), sei hier erwähnt, dass es unmöglich erscheint, eine Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere Nationen oder Regionen zu ermöglichen. Ein solches Vorgehen würde der Komplexität von Kulturpolitik im internationalen Vergleich, denn dies wäre die einzige denkbare Übertragbarkeit, nicht gerecht. Die Studie kann lediglich eine Zustandsbeschreibung leisten und auf der Basis der Annahme der spezifischen Grundfunktion kultureller Systeme eine Beurteilung darüber abgeben, ob der vorherrschende Politikstil bzw. die Entwicklung hierfür adäquat sind. In den nachfolgenden Abschnitten des Kapitels C. werden die einzelnen Schritte konkretisiert und erörtert, bevor auf die genauen Ergebnisse und die Reflektion in den Kapiteln D. und E. eingegangen werden soll.

III. Vorgehen bei der Strukturanalyse Kulturpolitik hat natürlich eine lange Historie, so dass die Beschreibung dieser Entwicklung allein den Umfang einer Arbeit wie der vorliegenden rechtfertigen würde. Deshalb sollen hierbei nur die markanten Eckpunkte bundesdeutscher Kulturpolitik genannt und erläutert werden. Nur in einem solchen historischen Abriss kann eine Neuorientierung von Kulturpolitik – wenn sie denn stattgefunden hat – nachgewiesen werden. Wichtig ist hierbei also die Mesound Makroebene. Aber auch die maßgeblichen individuellen Akteure – also die Mikro-Ebene – sollen vorgestellt werden, hauptsächlich in Hinblick auf ihre Einbindung in die Strukturen und ihre Potentiale, diese Strukturen zu prägen. Ziel dieser Analyse soll es sein, die Zielvektoren von Kulturpolitik allgemein, also sowohl auf der Länder-, wie auch auf der Bundesebene, abzuleiten und den Erfolg dieser Politik zu beurteilen. Wichtig ist hierbei aber auch der internationale Vergleich. Gerade in den letzten Jahren sind Programme im interkulturellen Bereich mit dem Schwerpunktthema Kultureller Dialog in den Mündern von Kulturpolitikern und Funktionären großer internationaler Organisationen. Beispiel der Umsetzung war allen voran das von der UNESCO ausgerufene Internationale Jahr 2001 „Dialog zwischen den Kulturen“. Im Rahmen

80

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

dessen fanden Projekte statt, die diesen Dialog auf verschiedenste Weisen in der Praxis umsetzen sollten.152 Dies deutet bereits darauf hin, wie man sich mit dem Phänomen Kultur überregional auseinandersetzt. Gerade im Zeitalter der Europäischen Union, der Globalisierung und internationalen, oft auf Kulturdifferenzen und fehlendem Verständnis für und Wissen über diese Unterschiede basierenden Konflikten, ist die stärkere politische Auseinandersetzung von unbedingter Notwendigkeit. Zu dieser strukturellen Analyse gehört vorrangig auch die Deskription und Untersuchung des Staatsministeriums für Angelegenheiten der Kultur und Medien, dessen Gründung als Hauptanzeichen für eine kulturpolitische Neuorientierung der Bundesrepublik gesehen werden kann. Vor den Bundestagswahlen im September 1998 vom damaligen Kanzlerkandidaten der SPD, Gerhard Schröder, angekündigt und nach dem Regierungswechsel auch tatsächlich realisiert, stellt es eine Institution dar, deren Aufgaben sich nach eigenen Angaben auf die Bündelung der kulturpolitischen Kompetenzen bezieht.153 Hierin sind die Koordination der Repräsentation deutscher Kultur und deren Realisierung zu sehen. Aber auch die Unterstützung der Kulturindustrie, z. B. der Filmwirtschaft, als spezifischer Teilaspekt, ist ein ausgesprochenes Ziel dieser Maßnahme. Interessant ist vor allem die Organisationsstruktur, die anhand der Zielsetzungen, Motivation, Mittel, Organisationsform und der Effekte und Impulse, die von ihm ausgehen, beschrieben werden soll. Hierdurch wird bereits auf die funktionale Analyse hingeführt, die allerdings erst im nächsten Abschnitt genauer erläutert werden soll. So viel sei aber vorweggenommen: Das methodische Vorgehen besteht in der Sammlung von Daten über die Aktivität dieses Ministeriums in den Medien und den entsprechenden inhaltsanalytischen Auswertungen anhand und hinsichtlich der bereits gewonnenen theoretischen Erkenntnisse. Das Vorgehen bei der Strukturanalyse, das hierbei gewählt wurde, lehnt sich stark an klassische Evaluationen an. Nun ist dieser Begriff natürlich ein sehr weitläufiger. Deshalb bedarf er in diesem Zusammenhang einer genauen Erläuterung. Als Evaluation bezeichnet man die Beurteilung des Wertes eines Produktes, Prozesses oder eines Programms, aber auch Erfolgskontrolle, Effizienzforschung, Begleitforschung, Bewertungsforschung, Wirkungskontrolle, Qualitätskontrolle etc. fallen unter diesen Begriff.154 Die Besonderheit einer Evalua-

__________ 152 Vgl. hierzu das Schwerpunktheft der Zeitschrift UNESCO-heute: Sonderausgabe zum internationalen Jahr 2001 „Dialog zwischen den Kulturen“, herausgegeben von der Deutschen UNESCO-Kommission, 48. Jahrgang, Ausgabe 4, Winter 2001. 153 Vgl. hierzu die Ausführungen zur so genannten „Entflechtungsdebatte“. 154 Vgl. Wottawa / Thierau, 1998, S. 13.

III. Vorgehen bei der Strukturanalyse

81

tion ist ihre wissenschaftliche Untermauerung. D. h., im Vordergrund stehen bei der Durchführung wissenschaftliche Forschungsmethoden und -techniken, die dazu dienen, von der reinen Behauptung bezüglich der Beschaffenheit eines Sachverhalts wegzukommen und eine empirische Beweisführung zu vollziehen, die an Stelle dieser Behauptungen tritt.155 Evaluationen haben in der Regel den Charakter von Planungs- und Entscheidungshilfen; sie sind ziel- und zweckorientiert.156 Also ganz im Sinne klassischer Politikanalysen: Sozialwissenschaftliche Politikberatung oder sozialwissenschaftlich geführte öffentliche Planung.157 Im Rahmen der Politik setzen Evaluationsverfahren voraus, dass – selbst wenn die beteiligten Akteure unterschiedliche Interessen und Wertorientierungen aufweisen – ein gewisser Konsens über Ziele bzw. Bewertungsmaßstäbe des öffentlichen Handelns besteht.158 Genau dieses gilt es zunächst zu identifizieren und herauszuarbeiten. Die Analyse greift aber weiter. Denn neben dieser Zustandsbeschreibung soll dieser angesprochene Konsens mit den theoretischen Grundlagen des zweiten Kapitels konfrontiert werden. Insofern handelt es sich um eine soziologische Politikanalyse, die nie die Gesamtstruktur, die zugegebenermaßen zwar idealtypisch, aber empirisch plausibel ist, aus den Augen verliert. Diese ist in Kombination zu einer theoriegebundenen Analyse zu sehen, die versucht auf der Grundlage der geleisteten Konzeptualisierung und präzisen Operationalisierung der jeweiligen Prüfbedingungen, theoretisch begründete Hypothesen zu testen.159 Wie bereits schon erwähnt, fällt es schwer, eine exakte Methode zu benennen. So kann auch keine Festlegung vollzogen werden, nach der man diese Evaluation beispielsweise als eine Prozess- oder Programmevaluation benennen könnte. Zumindest nicht mit der formulierten Zielsetzung. Am nächsten kommt sie der Plan-Analyse von Grawe und Caspar (1984).160 Hierbei werden komplexe Strukturen, also beispielsweise Handlungspläne und Strukturbeziehungen, dadurch übersichtlich gemacht, indem man jeweils paarweise Beziehungen erarbeitet, um letztendlich eine nachvollziehbare Gesamtstruktur, etwa in Form von hierarchischen Entscheidungsabläufen oder Organisationsstrukturen, zu erstellen. Die Strukturanalyse soll also zunächst die gesamte Struktur der kulturpolitischen Praxis bzw. deren Entwicklung aufzeigen. Zum einen deshalb, weil hierdurch die rechtlichen wie organisatorischen Rahmenbedingungen und Grenzen deutlich werden, die das kulturpolitische Handeln auf der Bundesebene beeinflussen oder einschränken. Zum anderen, um eine erste Beurteilung darüber

__________ 155

Wottawa / Thierau, 1998, S. 13. Wottawa / Thierau, 1998, S. 14. 157 Vgl. von Prittwitz, 1994, S. 234 – 235. 158 von Prittwitz, 1994, S. 227. 159 Vgl. von Prittwitz, 1994, S. 225. 160 Zitiert in: Wottawa / Thierau, 1998, S. 142. 156

82

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

abzugeben, ob die Handlungsgegenstände im Sinne der im zweiten Kapitel erarbeiteten theoretischen Basis angemessen sind. Welches sind nun die konkreten Strukturdaten, die in die Betrachtung miteinbezogen werden? Bei diesem Weg, sich Phänomenen von ihren formalen äußeren Charakteristika zu nähern, sind vor allem zwei verschiedene Datentypen zu unterscheiden: Zunächst ist es sinnvoll so genannte Integrationsdaten heranzuziehen. Diese stellen Figurationen dar, welche das Zusammenspiel verschiedener Elemente in einem Gesamtzusammenhang ausdrücken.161 Des Weiteren müssen so genannte Differenzmarker herangezogen werden. Diese beantworten die Frage nach den spezifischen Eigenarten der Struktur durch die Kennzeichnung von Unterschieden zu anderen Konstellationen.162 Um zu verdeutlichen, wie dies genau zugeordnet werden kann, zieht Manfred Lueger das Beispiel eines Fußballspiels zur Erläuterung heran, das hier kurz zusammengefasst dargestellt werden soll:163 Ein Fußballspiel zeichnet sich durch folgende drei übergeordnete Kriterien aus: 1. durch eine bestimmte Zusammensetzung der Mannschaften (Anzahl der Spieler, Geschlecht, Aufgabenverteilung, Trainingseinheiten etc.), 2. durch die Gesamtkonstellation des Spiels (Aktivitäten, strukturelle Unterschiede der Mannschaft, Schiedsrichter), 3. durch Figuration, die nur in ihrer Wechselwirkung zueinander Sinn ergibt (also durch den interaktiven Gesamtkontext). Mit einer Analyse auf der Basis dieser zunächst groben Differenzierung lassen sich vielfältige Informationen gewinnen, die Aufschluss über die relationalen Verankerungen von Ereignissen, Handlungsweisen oder Gegenständen geben.164 Konkret müssen demnach interne Rahmendaten, zur Analyse von internen Strukturbedingungen und Entwicklungsstadien, sowie unabhängige externe Rahmendaten, anhand derer die Existenzbedingungen für soziale Phänomene erarbeitet werden können, verwendet werden. Der dritte Datentyp, der herangezogen werden muss, dient zur Kennzeichnung des gesellschaftlichen Stellenwerts des zu untersuchenden Phänomens. Hierfür werden spezifische Daten von vergleichbaren Phänomenen verwendet.165 Hieraus kann nun ein Sinnhorizont erschlossen werden, der drei wesentliche Erkenntnisfragen beantwortet:166 Zunächst lässt sich der Bezug zum inneren Kontext herstellen. Dies bedeutet, dass Entwicklungsbedingungen und Erschei-

__________ 161

Lueger, 2000, S. 229. Lueger, 2000, S. 229. 163 Vgl. Lueger, 2000, S. 229. 164 Lueger, 2000, S. 231. 165 Lueger, 2000, S. 231. 166 Vgl. Lueger, 2000, S. 231 – 238. 162

III. Vorgehen bei der Strukturanalyse

83

nungsformen unter den gegebenen Bedingungen deutlich werden. Dies vollzieht sich anhand der Analyse der phänomeninternen Strukturdaten. In einem nächsten Schritt lässt sich der äußere Kontext rekonstruieren, die externen Rahmenbedingungen, unter der die vorliegende Erscheinung des Untersuchungsgegenstandes als wahrscheinlich anzusehen ist. Analog vollzieht sich dies anhand der Analyse der phänomenexternen Strukturdaten. Durch eine Gegenüberstellung von Strukturdaten ähnlicher Fälle lassen sich – unter Verwendung externer Vergleichsdaten – Normalfälle definieren, also Phänomene, die unter Berücksichtigung der Raum- und Zeitdimension, hinsichtlich ihrer Ausprägungen große Übereinstimmungen aufweisen. Nachdem nun die unterschiedliche Zuordnung der Daten geklärt wäre, erscheint es im Weiteren sinnvoll, die Grunddimensionen, die der selektiven Auswahl der Daten zugrunde liegen, zu benennen und zu erläutern. Dies erfolgt anhand der bereits schon zitierten Ausführungen von Manfred Lueger:167 1. Eine wesentliche Dimension ist die zeitliche Dimension: Durch die Herstellung eines historischen Verlaufs lassen sich Ereignisse und existente Ausprägungen des zu untersuchenden Phänomens oftmals hinsichtlich ihrer Ursprünglichkeit erklären und Veränderungen deuten. 2. Akteure: Es ist offensichtlich, dass soziale Phänomene durch spezifische Eigenschaften und Handlungsmuster der beteiligten Akteure geprägt sind. Dabei gilt es sowohl individuelle wie auch korporative Akteure oder Akteursgruppen zu berücksichtigen. 3. Die inhaltliche Dimension bezieht sich auf die Analyse der Handlungsprodukte. Hierbei sind vor allem auffällige Aktivitäten und Muster interessant, die in Wechselwirkung zur strukturellen Ausprägung des Phänomens stehen, also Produkte aber auch Ursachen der Struktur sind. 4. Lokale Verankerung: Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn sich Ereignisse auf unterschiedliche Lokalitäten verteilen. Fassen wir das Ausgeführte in einer Übersicht zusammen und verbinden es mit dem Untersuchungsgegenstand Kulturpolitik des Bundes. In dieser Übersicht sind Untersuchungsdimension und Dimension der Datenauswahl dargestellt und entsprechende Zuordnungen vollzogen worden. Im nachfolgenden Kapitel D. wird versucht werden, diese einzelnen Dimensionen zu beschreiben und zu analysieren. Natürlich ergänzt sich vieles mit der Inhaltsanalyse in Kapitel E. An den entsprechenden Stellen folgt dementsprechend eine Kennzeichnung.

__________ 167

Vgl. Lueger, 2000, S. 236 – 238.

84

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

Dimension der Datenauswahl Lokale Verankerung

Zeit

Akteure

Inhalte

innerer Kontext: phänomeninterne Strukturdaten

historischer Verlauf

BKM, Auswärtiges Amt

Zielvektoren, politische Instrumente, Erfolge

Ansässigkeit, Fördergebiete

äußerer Kontext: phänomenexterne Strukturdaten

Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen

Beziehungsstrukturen zwischen den politischen Entscheidungsträgern

Rezeption von außen

BundLänderBeziehung

Vergleich ähnlicher Fälle: externe Vergleichsdaten

internationaler Vergleich

vergleichbare Akteure auf internationaler Ebene

kulturpolitische Praxis im internationalen Vergleich

internationale Beziehungen im Rahmen der EU

Untersuchungsdimension und Datenart

Abbildung 17: Auswahl von Daten und Untersuchungsdimensionen bei der Strukturanalyse

Anhand dieser Übersicht lassen sich nun bei der konkreten Untersuchung folgende Analyseeinheiten aufführen und genauer erläutern: Ad 1) Zeitliche Dimension: í Historischer Verlauf hinsichtlich der Entwicklung der kulturpolitischen Institutionen, í Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen im Kontext der bundesdeutschen Gesetzgebung, í Internationaler Vergleich: Angestrebt ist die Erläuterung der Entwicklung der Kulturpolitik in Frankreich, Großbritannien, Österreich und den USA.

III. Vorgehen bei der Strukturanalyse

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Ad 2) Akteure: í BKM und Auswärtiges Amt: Hierbei werden vor allem die Ressourcen erläutert. Also die personelle Ausstattung, die Aufgabenverteilung, die Budgetverteilung und -entwicklung etc., í Einbindung dieser Akteure in die gesamte Politik sowie unter Berücksichtigung der EU-Politik, í Akteure auf der internationalen Ebene im direkten Vergleich. Ad 3) Inhalte: í Erläuterung der Zielvektoren der Bundeskulturpolitik, ihrer wesentlichen Elemente und selbst propagierten Erfolge im Allgemeinen, í Rezeption dieser Politik, í Zielvektoren, Instrumente und Erfolge im internationalen Vergleich. Ad 4) Lokale Verankerung: í Sitze der Institutionen bzw. Organisationen, aber auch die Beleuchtung der Fördergebiete, í Aufarbeitung der Bund-Länder-Beziehung in Fragen der Kompetenzbereiche, í Internationale Beziehungen in Fragen der Kulturpolitik. Unter der Berücksichtigung all dieser Punkte muss es möglich werden, die aktive Kulturpolitik transparent zu machen und gleichzeitig wesentliche Schritte zur Rekonstruktion der immanenten Handlungslogik zu erarbeiten. Ein weiterer Aspekt, der allerdings nur im Rahmen eines kurzen Exkurses behandelt werden soll, besteht in der Frage nach der Verknüpfung der Politik mit der Kulturindustrie. Wobei hier die Frage zu stellen ist, inwiefern der Bund als Kulturmanager auftreten sollte. Kulturmanagement – als konkrete Handlungsausprägung und Schlagwort im Rahmen der Kulturökonomik – ist vor allem in den 1990er Jahren verstärkt thematisiert worden. Dies hängt natürlich mit der zunehmenden Ökonomisierung von Kultur zusammen. Im Vordergrund steht hierbei die Synthese von Kultur und Markt. Diese beiden Bereiche werden in der einschlägigen Fachliteratur als zwei gesellschaftliche Sphären betrachtet, die sich gegenseitig durchdringen. Das Erkenntnisinteresse liegt hierbei auf der konkreten Ausgestaltung der Praxis. Besonders deshalb, weil das Hauptproblem der Preisbildung und der Präferenzäußerung besonders behandelt werden müssen. Kann ein Preis eines Gutes auf einem anderen Marktsegment anhand von Produktionskosten, Zeitfaktoren sowie Angebot und Nachfrage relativ leicht gebildet werden, herrschen auf dem Kulturmarkt andere Gesetzmäßigkeiten.

86

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

Ausgangspunkt bildet hierbei die Frage danach, ob eine Verknüpfung zur Kulturpolitik sinnvoll erscheint, ob Handlungsmuster des Kulturmanagements also in die Kulturpolitik implementiert werden sollten. Die Verknüpfung dieser beiden Bereiche besteht also in der Analyse, wie sich die Kulturpolitik der Praktiken des Kulturmanagement bedient bzw. wie sich der Bereich der Kulturökonomik der Kulturpolitik bedient, um entsprechende Zielsetzungen zu erreichen.

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse Die aus der Strukturanalyse gewonnenen Erkenntnisse markieren zum einen den Ist-Zustand der Kulturpolitik sowie ihre Entwicklung zu diesem Zustand hin. Zum anderen lassen sich normative Vorgaben und Ziele ableiten, mit denen die Kulturpolitik verbunden ist. Auch die Größenordnung der Instrumente, vorrangig natürlich der finanziellen, lassen sich in ihren Relationen zu anderen Politikbereichen beschreiben. Damit sind aber das tatsächliche Handeln und die Schwerpunktsetzung noch nicht hinreichend geklärt. Ebenso die Frage danach, wie sich das konkrete Handeln gestaltet, bzw. ob es den funktionalen Erfordernissen, die im soziologischen Modell erläutern wurden, gerecht wird. Methodisch stellt sich hier ebenfalls die schwierige Frage nach der Wahl der Mittel und Wege. Die wichtige Ergänzung zur Frage danach, welche Einrichtungen, Projekte, Institutionen, Organisationen etc. die Kulturpolitik behandelt und mit welchem (finanziellen) Aufwand diese in Verbindung stehen, ist die Beschreibung und Analyse der konkreten Aktivitäten. Anhand eines Beispiels lässt sich dies leichter explizieren: Angenommen es steht ein Betrag X zur Verfügung, um Nachwuchskünstler im Bereich der Popularmusik zu fördern. Es bestehen hunderte Möglichkeiten der konkreten Ausgestaltung dieser Förderung. So ist die Bereitstellung einer Bühne bei der Organisation eines Festivals zur Förderung von Nachwuchsmusikern ebenso eine Form der Kulturförderung, wie die Vergabe eines Stipendiums, die Bezuschussung einer privaten Musikschule etc. Um die Arbeitshypothesen über die eigentlichen Aktivitäten, die im Rahmen der Strukturanalyse bereits beleuchtet wurden, inhaltlich und hinsichtlich ihrer Schwerpunkte zu überprüfen, fiel die Wahl deshalb auf die Textanalyse der Pressemitteilungen über die Aktivitäten der kulturpolitischen Akteure auf der Bundesebene innerhalb der letzten Legislaturperiode (1998 – 2002). Über das genaue Vorgehen bei der Analyse informieren die nächsten Abschnitte.

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse

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1. Die Inhaltsanalyse als Grundlage der Untersuchung Mit dem Begriff der Inhaltsanalyse wurden ursprünglich solche Verfahren bezeichnet, bei denen Merkmale sozialer Phänomene innerhalb eines Textes identifiziert und vor allem quantifiziert werden konnten. Durch die Anwendung dieser Verfahren ist es dann möglich, absolute und relative Häufigkeiten linear zu erfassen und miteinander ins Verhältnis zu setzen.168 Nun ist dies aber bei weitem nur die oberflächlichste aller textanalytischen Möglichkeiten. Mittlerweile wird der Begriff nicht zur Bezeichnung einer Methode, sondern vielmehr als Bezeichnung für eine Forschungsstrategie verwendet. Diese Strategie beinhaltet zunächst die Entscheidung, welche Methode(n) im Rahmen der Forschung hinsichtlich ihrer Anwendung in Frage kommen. Es gibt mittlerweile äußerst vielfältige Methoden, die sich innerhalb der empirischen Sozialforschung etabliert haben: Ob nun die klassische Qualitative und Quantitative Inhaltsanalyse, die Grounded Theory, Ethnographische Methoden, Membership-Categorization-Device-Analysen, Konversationsanalysen, Objektive Hermeneutik, Tiefenhermeneutik, Qualitative-heuristische Textanalyse, Semiotik und Pragmatizismus auf der Grundlage des logischen Schlusses der Abduktion, Kritische Diskursanalysen, SYMLOG … die Bandbreite ist enorm.169 Man kann leicht den Überblick verlieren. Allerdings ist jede dieser angeführten Methoden hinsichtlich bestimmter Anwendungsfelder mal besser, mal schlechter geeignet. Deshalb ist die Charakteristik des als Rohdatum in Erwägung gezogenen Textes entscheidend für die Wahl des geeigneten Verfahrens. Die hier zugrunde gelegten Texte, die Pressemitteilungen also, haben nicht nur äußerlich eine sehr gut ersichtliche Struktur, die sich durch die Abfolge bestimmter Textelemente ergibt. Sie sind in der Form auswertbar, dass verschiedenste Erkenntnisebenen angestrebt werden können: í Es werden inhaltliche Schwerpunkte durch eine quantitative Erfassung der unterschiedlichen kulturpolitischen Arbeitsfelder, über die berichtet wird ersichtlich; í es können verschiedene Informationsgehalte einzelner Textelemente identifiziert werden; í es können Relationen hergestellt werden, die mögliche Ausprägungen abhängiger Variablen durch unabhängige Variablen, die die Rahmenbedingungen determinieren, erklären (so z. B. der Einfluss eines individuellen Akteurs) etc. Angesichts dieser vielfältigen Fragestellungen ist ein Vorgehen sinnvoll, das sich hinsichtlich der Auswertung zweiteilt. Zunächst ist eine relativ „einfache“

__________ 168 169

Vgl. Titscher / Wodak / Meyer / Vetter, 1998, S. 74. Vgl. Titscher / Wodak / Meyer / Vetter, 1998, S. 73 – 263.

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C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

inhaltsanalytische Vorgehensweise angebracht, bevor dann auf der Grundlage komplizierter Verfahren, wie beispielsweise der Objektiven Hermeneutik, vorrangig aber der Grounded Theory, die Logik politischer Handlungen ergründet werden soll, denn nur auf diese Weise gelangt man schrittweise zu einer in Daten begründeten Theorie – einer Grounded Theory also.170 Die Ausgangsdaten bei der hier angewandten Inhaltsanalyse sind Texte, die Bestandteil eines Kommunikationsprozesses sind. Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse ist die systematische Bearbeitung dieses Kommunikationsmaterials.171 Konkret bedeutet dies, anhand der Textmerkmale und eventuell zusätzlicher Informationen, Schlussfolgerungen über den Text und seinen Produzenten zu ziehen.172 Hieraus wird deutlich, dass die Inhaltsanalyse also sowohl als Datenerhebungsmethode fungiert, wie auch als Analysetechnik. Als Datenerhebungsmethode insofern, als dass die gewünschten Daten bei der Analyse anfallen. Als Analysetechnik insofern, als sie – gemäß vorgegebener Kriterien – eine Zerlegung eines Bedeutungsträgers in Elemente erlauben soll, mit dem Ziel, gewisse Schlüsse bezüglich des analysierten Dokuments ziehen zu können.173 Als solche ist diese Methode deshalb die optimale Ergänzung zur Strukturanalyse. Fassen wir also kurz das grundsätzliche Vorgehen zusammen: Das Auswertungsverfahren orientiert sich zunächst an den Fragen nach dem Sender, nach der Quelle, nach den Merkmalen des Textes – der Pragmatik also – und nach dem Empfänger. Die Systematik des Vorgehens ist dabei zunächst die Zergliederung des Textes in einzelne Analyseeinheiten. Dieses vollzieht sich anhand eines Kategoriensystems. Dabei sollen die allgemeinen sozialwissenschaftlichen Gütekriterien, auf die im späteren Verlauf noch gesondert eingegangen wird, nicht unberücksichtigt bleiben. Entscheidend ist hierbei aber vor allem auch der Miteinbezug quantitativer Analyseschritte, die – gerade bezüglich der Auswertung – einen entsprechend großen Einfluss haben.174 Diese Systematik kann auf unterschiedliche Vorgehensweisen projiziert werden. Man unterscheidet derer vier verschiedene:175 1. die zusammenfassende Inhaltsanalyse: Diese basiert auf dem Prinzip der Reduktion des Datenmaterials auf die wesentlichen Inhalte.

__________ 170

Vgl. Strauss / Corbin, 1996, S. 7. Vgl. Mayring, 2000, S. 468 – 469. 172 Diekmann, 2001, S. 484. 173 Stier, 1999, S. 161 – 162. 174 Vgl. Mayring, 2000, S. 471. 175 Vgl. im Folgenden Mayring, 2000, S. 472 – 473 sowie. Titscher / Wodak / Meyer / Vetter, 1998, S. 74 f. 171

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse

89

2. die induktive Kategorienbildung: Hierbei besteht der Grundgedanke darin, die Verfahrensweisen zusammenfassender Inhaltsanalysen zu nutzen, um schrittweise Kategorien aus einem Material zu entwickeln. 3. die strukturierende Inhaltsanalyse: Ziel ist es hierbei, genaue Formulierungen von Definitionen zu finden, um durch typische Textpassagen („Ankerbeispiele“) und Codierregeln einen Codierplan zu generieren, der die Strukturierungsarbeit entscheidend präzisiert. 4. die explizierende Inhaltsanalyse: Diese Vorgehensweise ist im Grunde das Gegenteil zur zusammenfassenden Inhaltsanalyse. Es geht hier nicht um die Reduktion von Daten, sondern um die Anreicherung des Textes durch zusätzliche Informationen. Dieses Verfahren beinhaltet also das systematische, kontrollierte Sammeln von Explikationsmaterial, welches im Kontext zum eigentlichen Datenmaterial steht. Insofern ist der ideale Ablauf einer qualitativen Inhaltsanalyse von folgenden Einzelschritten geprägt:176 1. Schritt: 2. Schritt: 3. Schritt: 4. Schritt: 5. Schritt: 6. Schritt: 7. Schritt: 8. Schritt:

Bestimmung der Analyseeinheit, Festlegung der Einschätzdimension (Kategorie), Bestimmung der Ausprägungen (Dimension), Definitionen, Ankerbeispiele und Codierregeln (Präzisierung), Fundstellenbezeichnung: Markieren von Textstellen, Einschätzung: Markierte Textstellen werden auf einer Skala eingeschätzt, Überarbeitung, Ergebnisaufbereitung.

Zentral ist jedoch das Kategorienschema177, das der Analyse zugrunde gelegt wird. Es stellt das Raster dar, gemäß dem der Text in einzelne Elemente zerlegt

__________ 176

Vgl. Diekmann, 2001, S. 513 – 515 Um Missverständnissen vorzubeugen, sei an dieser Stelle noch kurz erläutert, was unter dem Begriff der Kategorie verstanden werden soll. Reinhold nimmt eine Dreiteilung zur Erklärung des Terminus vor (Vgl. Reinhold, 1992, S. 297): 1. Im allgemeinsten Sinne die Einteilung von Phänomenen in Gruppen gleicher und von anderer unterscheidbarer Eigenschaften. 2. In der Philosophie werden oft Grundbegriffe, essentielle Bedingungen und Sachverhalte bei den Phänomenen oder den Erkenntnisvorgängen als Kategorie bezeichnet. 3. In der Empirie die über Klassifikation gewonnenen Zusammenfassungen gleicher oder ähnlicher Elemente zu einer übergeordneten Bezeichnung. 177

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C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

wird. Die Ausgestaltung dieses Rasters hängt entscheidend vom Erkenntnisinteresse ab.178 Das Raster ist aber auch stark davon abhängig, wie sich das Rohdatenmaterial für ein solches Raster eignet. Nun handelt es sich aber bei der vorliegenden Fragestellung um kein eindimensionales Phänomen, das sich von vornherein hinsichtlich seiner Ausprägungen so einfach kategorisieren lässt. Es ist demnach notwendig, das vorliegende Datenmaterial schrittweise zu ergründen. Man kann also durchaus verschiedenste Aspekte der unterschiedlichsten Vorgehensweisen miteinander kombinieren. In einem solchen Fall macht es deshalb Sinn, sich der Objektiven Hermeneutik bzw. der Grounded Theory zuzuwenden, um dem Erkenntnisinteresse methodisch gerecht zu werden.

2. Zwischen Objektiver Hermeneutik und Grounded Theory – ergänzende Grundlagen der funktionalen Analyse Bei der Idee, Pressemitteilungen inhaltsanalytisch auszuwerten, fallen einem sofort zwei methodische Grundlagen ein, auf deren Basis dies geschehen könnte. Zum einen ein Vorgehen auf der Basis der Objektiven Hermeneutik, zum anderen eines auf Grundlagen der Grounded Theory. Es gilt also zu prüfen, ob eine Konkretisierung hinsichtlich der hier interessierenden Inhalte in Einklang mit diesen Methodologien zu bringen ist. Der Begriff Hermeneutik stammt von Friedrich D. E. Schleiermacher (1768 – 1834) und wurde maßgeblich von Wilhelm Dilthey aufgegriffen. Es handelt sich dabei um eine Kunstlehre oder Technik des Verstehens, die auf die Bedingungen Bezug nimmt, unter denen das Verständnis von Lebensäußerungen möglich ist.179 Sie ist also eine Lehre zur Interpretation von Kommunikationsinhalten von Texten, aber auch von anderen kulturellen Manifestationen, mit dem Ziel, den gemeinten Sinn, also die Interpretation des Autors zu erfassen.180 Der Text wird also als individuelle Leistung des Autors angesehen. Man kann diese Technik als ein „retrospektives Interviewverfahren“181 bezeichnen. Auf diese Weise lassen sich sowohl die ursprünglichen Kommunikationsstrukturen als auch Wertentscheidungen ergründen, indem man das Gesagte mit dem tatsächlich Entschiedenen und letztendlich mit dem Resultat des Handelns

__________ In diesem Rahmen ist die unter 3. gefasste Definition die treffendste und dient fortan als Orientierung. 178 Vgl. Stier, 1999, S. 163 – 164. 179 Kunzmann / Burkhard / Wiedmann, 2001, S. 149. 180 Reinhold, 1992, S. 232 – 233. 181 Rögl / Römer, 1991, S. 97.

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse

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konfrontiert.182 Die objektiv-hermeneutische Textinterpretation versucht eine Struktur zu rekonstruieren. Dabei unterstellt sie, dass Handlungsoptionen eines Lebensstils oder einer Lebenspraxis Regeln unterworfen sind, die wiederum bestimmte Handlungsmuster initiieren. Die Ergründung dieser Handlungsmuster lässt in einem nächsten Schritt das Sichtbarmachen latenter Sinnstrukturen zu, die fallweise entsprechend interpretiert werden können.183 Dies alles impliziert aber auch, dass dem Text ein spezifisches Sprachsystem zugrunde liegt, was zunächst zu zwei Weisen der Auslegung führt:184 1. Die objektive Methode (auch: grammatische Methode): Diese versteht einen Text aus der Gesamtheit der Sprache, die subjektiv aus der Individualität des Autors, der dieser in den Schaffensprozess einbringt, hervorgeht. 2. Das komparative Verfahren: Hierbei wird ein Vergleich von Aussagen in ihrem sprachlichen und historischen Kontext vollzogen, um den Sinn zu erschließen. Ein komparatives Verfahren ist hier aufgrund der Tatsache nicht möglich, dass die zu analysierenden Texte keine historische Vergleichbarkeit zulassen. Schließlich ist dieses politische Handeln unter den gegebenen Umständen – der Neugründung des Staatsministeriums – ein Novum. Historische Vergleiche werden auch dem Ziel nicht gerecht, aktuelle Handlungslogik zu rekonstruieren. Demzufolge ist es sinnvoll, sich mit dem objektiven Verfahren näher auseinander zu setzen. Das Verfahren der Objektiven Hermeneutik erlangte erstmals durch eine Arbeit von Ulrich Oevermann Aufmerksamkeit. Es handelt sich dabei um eine Auftragsarbeit des Bundeskriminalamtes, bei der die Interpretation eines „Spurentextes“ in den Unterlagen des kriminalpolizeilichen Meldedienstes im Mittelpunkt stand. Ziel war die Konstruktion eines allgemeinen Täterprofils, insbesondere das des Wiederholungstäters, sowie die Kategorisierung von milieuund biographiespezfischen Karrieren mit hoher und dauerhafter Neigung.185 Die Ergebnisse dieser Studie sind zwar umstritten, die Methode hat aber seither zunehmend an Akzeptanz gewonnen. Leider gibt es auch bei diesem Verfahren keine typische Strategie hinsichtlich des empirischen Vorgehens. Es existiert eigentlich nur ein gewisses ge-

__________ 182

Vgl. Rögl / Römer, 1991, S. 97. Vgl. Wernet, 2000, S. 15 – 18. 184 Vgl. Kunzmann / Burkhard / Wiedmann, 2001, S. 149. 185 Vgl. Kerber / Schmieder, 1991, S. 89. 183

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C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

meinsames Grundverständnis darüber, wie Bedeutungsstrukturen von Texten rekonstruiert und objektive Ergebnisse gewonnen werden können. Hinsichtlich des technischen Vorgehens gilt es zunächst, die Rahmenbedingungen für ein seriöses Arbeiten zu garantieren. Demnach sind bei der Anwendung von besonderer Wichtigkeit,… … sich bei der Analyse Zeit nehmen, … sicherzustellen, dass keine neurotische oder ideologische Verblendungen beim Interpreten vorherrscht, … dass die Interpreten kompetente Mitglieder der untersuchten Sprach- und Interaktionsgemeinschaft sind. 186 Dieses Vorgehen entspricht auch dem Lösen der allgemeinen Probleme, die im Zusammenhang mit der hermeneutischen Textanalyse häufig genannt werden.187 Im Einzelnen lassen sie sich folgendermaßen charakterisieren: 1. Subjektivitätsproblem: Dies ist in der Auslegung der modernen Sozialforschung ein Problem, das m. E. mit der theoretischen Durchdringung des Forschungsgegenstandes zu tun hat. Natürlich ist eine Deutung hinsichtlich ihres Ansatzes immer subjektiv. Dies ist aber ein Problem, das bei einer solchen Fragestellung, wie sie hier vorliegt, im Zusammenhang mit der Methodenwahl immer gegeben ist.188 2. Strukturproblem: Das Vorhaben, auf diese Art Strukturen zu rekonstruieren, wird deshalb häufig als schwierig bezeichnet, da Strukturen auf sich selbst bezogen sind, also sich selbst erklärende Muster bilden. Auch diesem Problem wird – wie bereits ausgeführt – entsprechend vorgebeugt. 3. Stabilitätsproblem: Dieses Problem bezieht sich auf den Zusammenhang zwischen Texteinheit und Realität. Es ist quasi gleichzusetzen mit dem sozialwissenschaftlichen Gütekriterium der Reliabilität, auf das nachfolgend noch stärker eingegangen wird. Im vorliegenden Fall werden alle zugrunde liegenden Texteinheiten gesichtet und nach einem bestimmten und wohl durchdachten Kategorienschema indiziert. Auch Punkt 2 wird gewährleistet, und zwar dadurch, dass es ein anvi-

__________ 186

Vgl. Reichertz, 2000, S. 516. Vgl. hierzu Kleining, 1991, S. 23 – 24. 188 Führt man beispielsweise ein Interview mit einem politischen Entscheidungsträger, so stößt man auf das Problem der Reaktivität, eine m. E. besondere Form der subjektiven Datenauslegung. 187

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse

93

siertes Ziel dieser Arbeit ist, eine Optimierung des politischen Handelns herbeizuführen, wenn es denn eine Notwendigkeit dafür gibt, die auf objektiven Kriterien beruht. Punkt 3 wird durch die Strukturanalyse, quasi dem ersten empirischen Teil der vorliegenden Arbeit, genüge getan. Nun ist der Kern dieses Vorgehens darin zu sehen, das Textverständnis des Autors oder Produzenten zu rekonstruieren. Im Rahmen dieser Arbeit haben wir es aber nicht mit einem Autor zu tun, sondern vielmehr mit einem behördlichen Apparat, der im Auftrag und im Sinne der Akteure Texte verfasst. Es ist also zunächst zu vermuten, dass die Texte strukturell eine gewisse Logik beinhalten, anhand derer man sich orientiert. Es stellt sich demnach erst die Frage nach der Struktur der Texte, um eine Kategorisierung vornehmen zu können, und um die Handlungslogik nachvollziehbar machen zu können. Diese Aufgabe leistet die m. E. mit der Objektiven Hermeneutik verwandte Grounded Theory bzw. das Verfahren, das hierauf beruht. Die Grounded Theory ist eine umfassende Konzeption des sozialwissenschaftlichen Erkenntnis- und Forschungsprozesses und stammt von Anselm Strauss und Barney Glaser (1967).189 Sie kann ebenfalls als Kunstlehre bezeichnet werden, da kein vorgegebenes, konzeptartiges Vorgehen zugrunde liegt. Der Vorteil liegt darin, dass zunächst das komplette Spektrum an Daten herangezogen wird und erst dann Schritt für Schritt Kategorien entwickelt und differenziert werden. Dabei stehen sehr weitläufige, offene Fragen wie z. B. „Wie geht was vor?“ am Anfang des Forschungsprozesses. In unserem Fall also analog: „Wie betreibt der Bund Kulturpolitik?“ Dabei besteht die wichtigste intellektuelle Fähigkeit darin, anhand stetigen Vergleichs der einzelnen Textpassagen Codes und Kategorien zu entwickeln, die den Text anhand der offenen Fragen „entschlüsseln“.190 Diese Theorie entsteht also anhand der Beobachtung der sozialen Realität durch Induktion. D. h. sie entstammt der Realität und ist somit automatisch besser als eine deduktiv hergeleitete Theorie.191 Die abduktive Komponente an diesem Verfahren besteht dann schließlich im stetigen Rekurs auf die späteren Auswertungsschwerpunkte. Es empfiehlt sich deshalb zuvor abduktiv gewonnene Hypothesen als Arbeitshypothesen an den Anfang der Analyse zu stellen. Allgemein kann man von 3 Typen des Codierens sprechen:192 1. Offenes Codieren: Dieses ist eine von Daten ausgehende, analytische Aufschlüsselung. Es werden nach und nach Konzepte entwickelt, die schließlich als Bausteine für ein Modell genutzt werden können. Folgende Erkenntnisfragen markieren die Ausgangsposition:

__________ 189

Böhm, 2000, S. 475. Vgl. Böhm, 2000, S. 476. 191 Reinhold, 1992, S. 215. 192 Vgl. im Folgenden Böhm, 2000, S. 478 – 483. 190

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C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

í Was? Worum geht es hier? Welches Phänomen wird angesprochen? í Wer? Welche Personen, Akteure sind beteiligt? Welche Rollen spielen sie dabei? Wie interagieren Sie? í Wie? Welche Aspekte des Phänomens werden angesprochen (oder nicht angesprochen)? í Wann? Wie lange? Wo? Wie viele? Wie stark? í Warum? Welche Begründungen werden gegeben oder lassen sich einschließen? í Wozu? In welcher Absicht, zu welchem Zweck? í Womit? Welche Mittel, Taktiken und Strategien werden zum Erreichen des Ziels verwendet? Dieses expandierende Verfahren hat einen Interpretationstext zum Ergebnis, der den Originaltext bezüglich des Umfangs um ein Vielfaches übersteigt. Dieser Interpretationstext hält das analytische Denken über das Phänomen fest und weist neue Wege auf, das Phänomen differenzierter zu untersuchen.193 2. Axiales Codieren Dieses ist als Konsequenz aus dem offenen Codieren zu sehen. Es dient der Verfeinerung und Differenzierung schon vorhandener Konzepte und verleiht ihnen den Status von Kategorien.194 Beim axialen Codieren wird eine Kategorie in den Mittelpunkt gestellt, und ein Beziehungsnetz wird um sie herum ausgearbeitet.195 Gerade bei qualitativen Verfahren ist hierbei ein abduktives Vorgehen angebracht, um die relevante Kategorie zu identifizieren. (s. o.) 3. Selektives Codieren Ausgangspunkt dieses Arbeitsschrittes ist die Festlegung des zentralen Phänomens der Analyse. Im hier vorliegenden Fall ist es sinnvoll, das Phänomen, auf das sich mehrere Kategorien beziehen, in den Mittelpunkt zu stellen. Versuchen wir diese Arbeitsschritte graphisch darzustellen. Als Vorlage dient hierbei das Codierparadigma von Strauss:196

__________ 193

Böhm, 2000, S. 478. Böhm, 2000, S. 478. 195 Böhm, 2000, S. 479. 196 Zitiert in: Böhm, 2000, S. 479. 194

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse

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Kontext und intervenierende Bedingungen

Ursächliche Bedingungen

Phänomen

Konsequenz

Handlungsstrategie Abbildung 18: Codierparadigma für sozialwissenschaftliche Fragestellungen

Dies ist durchaus in Einklang zu bringen mit der in dieser Arbeit konkret vorliegenden Forschungsfrage: Die ursächlichen Bedingungen für die Kulturpolitik (Phänomen) wurden im zweiten Kapitel theoretisch erarbeitet. Wobei Bedingungen hier eher mit Erkenntnissen ausgedrückt werden könnten. Der Kontext und die intervenierenden Bedingungen werden anhand der Aufarbeitung der strukturellen Bedingungen im vierten Kapitel erarbeitet, während die Identifizierung der Handlungsstrategien Gegenstand der Textanalyse im fünften Kapitel ist. Die sich ergebenden Konsequenzen aus diesem Prozess bestehen zunächst natürlich in der Darstellung der gegenwärtigen kulturpolitischen Praxis, aber auch in der Interpretation dessen, was hierunter subsumiert wird.

3. Vorgehen bei der Auswertung der Daten und Überprüfung der Gütekriterien Es existiert eine Reihe von Auswertungstypen, die zum Teil hier Anwendung finden werden. Festzustellen ist aber zunächst, dass sich die Probleme und Ziele der Inhaltsanalyse im Rahmen der Semiotik genauer beschreiben lassen. Demnach lassen sich drei maßgebliche Aspekte von Zeichenfolgen unterscheiden: Syntaktik, Semantik und Pragmatik.197 Die Syntaktik oder syntaktische Dimension beinhaltet den formalsprachlichen Aufbau, bezieht sich also auf formale Regeln der Verknüpfung von Zeichen. Die Semantik oder semantische Dimension bezieht sich auf die inhaltliche Bedeutung des bloßen Textes, befasst sich also mit der Bedeutung von Zeichen. Dies bedeutet, dass in

__________ 197

Vgl. Diekmann, 2001, S. 485 und von Prittwitz, 1994, S. 220.

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C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

ihrem Mittelpunkt die Zuordnung von Zeichen zu Objekten oder die Definition der Bedeutung von Zeichen durch die Angabe von Eigenschaften steht. Die pragmatische Dimension bezieht sich auf die soziale Bedeutung eines Textes in seiner praktischen Verwendung.198 Im Rahmen einer Auswertung hinsichtlich der semantischen Dimension gilt es demnach zu berücksichtigen, dass der Text eine eigenständige Bedeutung hat, also unabhängig, hermeneutisch vom Kontext ausgelegt werden muss. Während bei einer Analyse hinsichtlich der anderen beiden Dimensionen Aussagen über die Entstehung von Datenträgern, den Absichten des Senders, die Wirkungen auf den Empfänger und / oder die soziale Situation gemacht werden.199 Nach der technischen Arbeit, die im nächsten Abschnitt erläutert wird, bieten sich, wie oben bereits erwähnt, verschiedene Auswertungstypen an, die im Grunde genommen, neben der in den vorigen Schritten erläuterten qualitativen Interpretation aus der quantitativen Inhaltsanalyse entlehnt wurden. Gebräuchlich sind folgende vier Typen: 200 1. Frequenzanalyse: Die Frequenzanalyse ist im Grunde eine Häufigkeitsauszählung der klassifizierten Textelemente und gehört zum Standard einer Auswertung. Sie dient im Rahmen dieser Arbeit als erste Orientierung. Mit einer Beurteilung bzw. Bewertung verschiedener zu untersuchender Aspekte, anhand festgestellter Häufigkeiten des Auftretens dieser, muss allerdings äußerst behutsam umgegangen werden.201 2. Kontingenzanalyse: Diese untersucht die Verkoppelung bestimmter sprachlicher Elemente mit Begriffen, ermittelt also Assoziationsstrukturen und Zusammenhänge. 3. Valenzanalyse (Bewertungsanalyse): Hierbei werden Angaben von Bewertungen, die im Zusammenhang mit der Nennung von bestimmten Begriffen stehen thematisiert. Bezogen auf die konkrete Fragestellung dieser Arbeit könnte man beispielsweise untersuchen, was als besonders herausragende politische Leistung präsentiert wird. 4. Intensitätsanalyse: Dies ist eine zusätzliche, die Valenzanalyse ergänzende Untersuchung, die die Intensitäten der Bewertung (z. B. pflichterfüllend, besonders hervorzuheben, herausragend etc.) erfasst.

__________ 198

Vgl. Diekmann, 2001, S. 485 und von Prittwitz, 1994, S. 220. Vgl. Diekmann, 2001, S. 485 und von Prittwitz, 1994, S. 220. 200 Vgl. hierzu im Folgenden von Prittwitz, 1994, S. 221 sowie Stier, 1999, S. 166 und Diekmann, 2001, S. 496 – 504. 201 Vgl. das im Vorhergehenden beschriebene Strukturproblem. 199

IV. Vorgehen bei der funktionalen Analyse

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Die vorliegenden Daten werden unter anderem anhand dieser Typen ausgewertet. Eine entsprechende Ergebnispräsentation erfolgt im fünften Kapitel. Zu einer Auswertung gehört aber auch die Prüfung der Qualität des Designs, der Daten und des Ablaufs der Untersuchung anhand der allgemeinen sozialwissenschaftlichen Gütekriterien. Eine eigene, realistische Einschätzung und Überprüfung der Daten anhand dieser Kriterien ist gerade in der qualitativen Forschung notwendig, wenn auch deutlich schwieriger als bei quantitativen Ansätzen. Es besteht natürlich die Möglichkeit, die quantitativen Kriterien Objektivität, Reliabilität sowie interne und externe Validität, die vor allem im Bereich der experimentell-statistischen und der hypothesenprüfenden Forschung und aus der Psychometrie stammen, versuchshalber zu übertragen.202 Dieses Vorgehen hat aber auch Gegner, die behaupten, dass diese Übertragbarkeit nicht möglich sei und die deshalb nach eigenen Kriterien für die qualitative Forschung suchen. Als Kriterien führen sie die kommunikative Validierung, Triangulation, Validierung der Interviewsituation und die Prüfung der Authentizität an. Unter der kommunikativen Validierung wird ein so genannter „member check“ verstanden: Die Daten und Ergebnisse werden den Untersuchten mit dem Ziel vorgelegt, dass sie von ihnen hinsichtlich ihrer Gültigkeit bewertet werden. Eine Triangulation besteht im Einsatz komplementärer Methoden, Theorien, Daten in einer Untersuchung bzw. in der Durchführung eines Paralleltests durch einen anderen Forscher. Dadurch können Einseitigkeiten oder Verzerrungen, die einer Methode, Theorie, Datenbasis oder einem Forscher anhaften, kompensiert werden. Die Prüfung der Authentizität beinhaltet die Frage, ob die multiplen Konstruktionen der Untersuchten im Forschungsprozess angemessen erhoben und systematisch aufeinander bezogen wurden.203 Eine dritte Position lehnt die Prüfung der Qualität der Arbeit anhand spezifischer Kriterien völlig ab.204 Da diese Position m. E. eine bloße Vereinfachung des Forschungsprozesses darstellt, soll sie an dieser Stelle hinsichtlich ihrer Grundposition und Hauptargumente nicht weiter expliziert werden. Abermals existiert hier das Problem, dass eine Prüfung nicht anhand eines standardisierten Vorgehens durchgeführt werden kann. Die Durchführung einer kommunikativen Validierung ist im Grunde genommen hier denkbar. So kann sie beispielsweise anhand von Experteninterviews vollzogen werden. Dies wurde auch entsprechend durchgeführt: Das Interview mit Dr. Nevermann war so angelegt, dass sowohl strukturelle als auch inhaltliche, die Funktion der Behörde betreffende Aspekte berücksichtigt wurden. Analog zum Inhalt der Studie wurden Fragen gestellt, die sich

__________ 202

Vgl. Steinke, 2000, S. 319. Vgl. Steinke, 2000, S. 320 – 321. 204 Vgl. Steinke, 2000, S. 321. 203

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C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

weitestgehend auf die organisatorische Struktur der Abteilung Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, insbesondere hinsichtlich der Entstehung und Zusammensetzung, bezogen. Das Interview hatte in erster Linie den Zweck, die in den nachfolgenden Kapiteln beschriebene Charakteristik des Bundes als kulturpolitischen Akteur abzusichern. Aber auch der Blick hinter die politischen Kulissen, und somit auf die Ebene der praktischen kulturpolitischen Arbeit, wurde in Ansätzen ermöglicht.205 Das Interview wurde auf Tonband aufgezeichnet. Die wichtigsten Aussagen, die im Haupttext der Arbeit zitiert werden, sind im Anhang der Arbeit aufgeführt. Wie bereits erwähnt, war Herr Dr. Nevermann zudem so freundlich, Auskunft über die organisatorische Struktur zu geben. Da diese Auskünfte nicht explizit in Interviewform erteilt wurden und da es sich hierbei ohnehin um Daten handelt, die anhand öffentlich zugänglicher Quellen nachgewiesen werden können, wird auf die Dokumentation dieses Gesprächsabschnittes im Anhang verzichtet. Die Bezüge werden aber entsprechend gekennzeichnet. Eine weitere Methode zur Absicherung der Güte der Daten und der Studie ist in der Anwendung der Triangulation zu sehen. Es müssen daher für die vorliegende Arbeit Kriterien gefunden werden, die ihrem Profil gerecht werden. In Anlehnung an Steinke wurden deshalb folgende Kernkriterien gewählt:206 1. Sicherung und Prüfung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit: Dieses Kriterium beinhaltet die lückenlose Dokumentation des Forschungsprozesses und die Verwendung kodifizierter Verfahren. Hierdurch wird die Objektivität unter Beweis gestellt. Denn sollte hierbei ein erkennbarer Grad an Willkür vorliegen, so ist dieser am Forschungsverlauf und aufgrund eventueller Inkonsistenzen beispielsweise im Codiervorgang oder bereits bei der Kategorienbildung ersichtlich. 2. Überprüfung der empirischen Verankerung: Dieses Kriterium bezieht sich darauf, dass Hypothesen und Theorien in den Daten begründet bzw. verankert sein sollen. Es bezieht sich also auf die Validität der Daten. Wobei hier die wesentliche Unterscheidung zwischen interner Validität – der Glaubwürdigkeit und Authentizität – und der externen Validität – Transferierbarkeit, Verallgemeinerungsfähigkeit – getroffen

__________ 205

Ich möchte an dieser Stelle Herrn Dr. Knut Nevermann noch einmal ausdrücklich dafür danken, dass er sich die Zeit für dieses Interview genommen hat. Obwohl man natürlich stundenlang Fragen hätte stellen können, bietet der kleine Ausschnitt, der durch dieses Interview ersichtlich wird, einen guten Einblick, um die Lücke zwischen theoretisch erwogenem Anspruch, der in der Studie formuliert wurde, und der tatsächlichen praktischen Arbeit zu erkennen und zu erklären. 206 Vgl. Steinke, 2000, S. 323 – 331.

IV.Exkurs Vorgehen bei der funktionalen Analyse I: Computergestützte Analyse

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werden muss. Letztere nachzuprüfen bzw. zu rechtfertigen gestaltet sich schwierig, da die empirische Untersuchung sich anhand eines idealtypischen Modells vollzieht, mit dem die Daten zusammenfassend konfrontiert werden. 3. Reflektierte Subjektivität: Der Forscher unterliegt gewissen Prädispositionen, die sich aus seiner persönlichen Vorbildung und Einstellung ergeben. Daher ist die Reliabilität der Daten unbedingt zu prüfen. Im Rahmen dieser Arbeit wird dies anhand einer Konfrontation der Interpretationen des Forschers bezüglich einiger untersuchter Ereignisse (z. B. Projekte des Bundes im Rahmen der Kulturförderung) mit Kommentaren von Experten vollzogen. Hierfür dient natürlich in erster Linie das Experteninterview. Zum anderen wurden reichlich Kommentare und Stellungnahmen von (Kultur-)Politikern durchgearbeitet und an den entsprechenden Stellen referiert. Im Laufe der Arbeit haben sich einige Unwegsamkeiten ergeben, die es zu erläutern gilt. Natürlich wäre es übersichtlicher, die im aktuellen Abschnitt beschriebenen Teile hinsichtlich ihrer Durchführung komplett zu trennen. Es hat sich aber gezeigt, dass eine solche Trennung kaum einwandfrei vollzogen werden kann. Es ist aufgrund der Fülle der Projekte, Maßnahmen und Vorhaben im Rahmen der Kulturpolitik kaum möglich eine ganzheitliche empirische Studie über das Tätigkeitsfeld zu vollziehen. Deshalb wurden einige Ansätze verfolgt, durch die deutlich werden soll, auf welche Weise man empirische Forschung im Rahmen einer solchen Politikanalyse vollziehen kann. Dabei ist es natürlich notwendig, bereits in der Strukturanalyse funktionale Aspekte hervorzuheben. Die beiden beschriebenen Teilbereiche – Struktur- und Funktionsanalyse – sind als komplementär und sich ergänzend anzusehen. Sie verfolgen den Zweck, Transparenz von der Art herzustellen, dass Handlungsabläufe, Zustände und Erfordernisse logisch nachvollziehbar werden.

Exkurs I: Das technische Vorgehen – computergestützte Analyse mit MAXQDA® Die kurze Charakterisierung an dieser Stelle durch diesen Exkurs hat zwei Gründe. Zunächst soll hierdurch verdeutlicht werden, wie effizient die inhaltsanalytische Arbeit mittels der Unterstützung durch ein Softwareinstrument wird. Gerade wenn man in der zuvor beschriebenen Arbeitsweise vorgehen will, ist es ungeheuer hilfreich, wenn man die Übersicht über die zu analysierenden Inhalte auf diese Weise wahren kann. Man kann so beispielsweise das

100

C. Methodisches Vorgehen bei der empirischen Analyse

Kategoriensystem stetig verfeinern, ohne dass die Texte neu bearbeitet werden müssen. Zudem ist dadurch der Analysefortschritt bestens dokumentiert. Mögliche „Sackgassen“ bei der Analyse können leichter behoben werden und die Zuverlässigkeit der Aussagen wird wesentlich erhöht. Ganz im Sinne der Ansprüche an eine Inhaltsanalyse gehört eine solche Dokumentation, die gerade bei qualitativen Arbeiten so wichtig ist, zur vollständigen Forschungsarbeit. Der zweite Grund, warum an dieser Stelle eine ausführliche Erläuterung gegeben wird, ist das Anliegen, ein Plädoyer für die Institutionalisierung des Verfahrens der qualitativen Inhaltsanalyse auf breiter Ebene auszusprechen. Viele Kritiker sehen ein großes Maß an subjektiver Interpretation der Daten in der Methode verankert, so dass die Aussagekraft der Ergebnisse stark angezweifelt werden kann. Durch die Anwendung solcher Programme wird der Zugang zur Sekundäranalyse der Daten vereinfacht und die intersubjektive Nachprüfbarkeit des Forschungsprozesses verbessert. Was bisher weitgehend nur im Bereich der quantitativen empirischen Sozialforschung praktiziert wurde (z. B. durch die Bereitstellung von SPSS-Datensätzen) kann auf diese Weise mittlerweile ebenfalls bei qualitativen Arbeiten vollzogen werden. Je mehr und je besser Daten hierbei zugänglich gemacht werden (z. B. über Organisationen wie GESIS oder dem ZA), desto eher wird diese Form der qualitativen Forschung auf breitere Akzeptanz stoßen als bisher. In den letzten Jahren hat die Entwicklung von Software zur Analyse sozialwissenschaftlicher Daten auch im Bereich der qualitativen Forschung große Schritte gemacht. Gerade bei hermeneutischen Textinterpretationen sind vor allem dann, wenn große Mengen von Textdaten vorliegen, auch eine Reihe mechanischer Aufgaben zu bewältigen. Die zur Verfügung stehenden Softwareprodukte dienen deshalb der Verwaltung von Textmengen. Die Verwaltung vollzieht sich anhand der Konstruktion von Indizes, Registern und Konkordanzen sowie dem Einfügen von Querverweisen. Bezug nehmend auf das in Abschnitt C. IV. 1. und C. IV. 2. geschilderte methodische Vorgehen empfehlen sich demnach zunächst folgende Arbeitsschritte:207 1. Einfügen elektronischer Querverweise in die Textdaten, 2. Speicherung und Verwaltung von theoretischen Kommentaren und Memos, 3. Konstruktion und graphische Darstellung von Netzwerken von Codierkategorien, 4. Definition von Variablen, die einzelnen Dokumenten zugeordnet werden können und durch die die Suche nach Textstellen gesteuert werden kann, 5. Suche nach Textpassagen, zwischen denen bestimmte formale Relationen bestehen,

__________ 207

Vgl. Kelle, 2000, S. 485 – 502.

Exkurs I: Computergestützte Analyse

101

6. statistische Funktionen für die Durchführung von quantitativen Inhaltsanalysen. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Software MAXQDA® verwendet. Um einen Eindruck von dieser technischen Seite zu bekommen, werden einige Arbeitsschritte anhand der Benutzeroberfläche kurz erläutert: Anhand des abgebildeten Screenshots (s. Abbildung 19) lassen sich Bereiche erkennen, die die Benutzeroberfläche vierteln. Im I. Quadranten sind die Textquellen dargestellt. Die Texte, die es zu analysieren gilt, werden hier importiert bzw. aktiviert. Im II. Quadranten ist der jeweils aktivierte Text dargestellt. Dieser lässt sich dort entsprechend bearbeiten (editieren und codieren). Quadrant III markiert den Analyse-Output, die codierten Textstellen, die man dem Auswertungsplan entsprechend aktiviert. Im IV. Quadranten schließlich ist das Kategorien- bzw. Codiersystem ersichtlich. MAXQDA® erlaubt jegliche wichtigen Operationen, die für eine Inhaltsanalyse notwendig sind. So lassen sich Variablen definieren (bei Interviews z. B. Alter, Geschlecht, Einkommen etc.), Zusatzinformationen und Querverweise konstruieren, Matrizen in MS Excel® oder SPSS® übertragen etc. und werden so zum hilfreichen Instrument für die Arbeit.

I

II

IV

III

Abbildung 19: Screenshot von der Hauptarbeitsmaske des Programms MAXQDA

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland Wie in Abschnitt C. ausführlich geschildert, sollen nun in diesem Kapitel verschiedenste Dimensionen und Aspekte der bundesdeutschen Kulturpolitik erläutert werden. Das kulturpolitische „System“ bzw. die kulturpolitische Praxis lässt sich dabei hinsichtlich seiner besonderen Ausprägung als Konsequenz aus der Geschichte beschreiben, deren formale und institutionelle Rahmenbedingungen sich zum Teil deutlich von denen anderer Staaten unterscheiden. Dies ist auf der einen Seite, vor allem hinsichtlich des breiten kulturellen Angebots, das sich nicht nur auf wenige soziokulturelle Zentren beschränkt, als Vorteil zu sehen. Auf der anderen Seite sind, vor allem im Kontext einer zukünftigen Europapolitik, Schwierigkeiten gegeben, die sich aus der Kompetenzaufteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen ergeben und die in anderen europäischen Nachbarländern, sofern dort vorhanden, deutlich leichter zu handhaben sind. Wie lässt sich die kulturpolitische Praxis nun hinreichend beschreiben? Ein erster Schritt hierfür wurde im zweiten Kapitel bereits dadurch geleistet, dass die Verschiedenartigkeit der Auffassung von Kultur und was sie leisten sollte, diskutiert und deutlich gemacht wurde. Hierdurch wir ersichtlich, dass der Kulturbegriff, der einem kulturpolitischem Konzept zugrunde gelegte wird, und vor allem dessen Diskussion, maßgeblich dafür verantwortlich sind, wie sich dieses Konzept dann konkret gestaltet.208 Da in den verfassungsrechtlichen wie auch grundgesetzlichen Regelungen zwar die Gewährleistungspflicht, nicht aber die konkrete inhaltliche Ausgestaltung der kulturellen Grundversorgung geregelt ist, kommt bzw. kam es in der Vergangenheit zu verschiedenartigen Überlegungen, was kulturpolitisch geleistet werden muss und in welcher Form Kommunen, Länder und der Bund daran partizipieren sollen. Diese Konzepte sollen in einem ersten Schritt dargestellt werden. Ende der 1990er Jahre sind hierbei vor allem zwei maßgebliche Debatten geführt worden, die die Konzeption weiterentwickeln sollten. Zum einen ist dies – ange-

__________ 208 Heinrichs und Klein schreiben hierzu: „Der Kulturbegriff zeichnet sich durch seinen diskursiven Charakter aus und bestimmt so die kulturpolitische Praxis.“ (Heinrichs / Klein, 1996, S.156).

104

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

sichts der knappen öffentlichen Mittel – die kulturpolitische Konzeption des Aktivierenden Staates und damit die Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements. Zum anderen stellt die vom ersten Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien (im Folgenden abgekürzt mit BKM) Michael Naumann initiierte Diskussion über die so genannte „Verfassungsfolklore“ und die damit ausgelöste „Entflechtungsdebatte“ einen politischen Streitpunkt dar, der im Wesentlichen dazu beigetragen hat, die Position des Bundes als kulturpolitischer Akteur zu überdenken und gegebenenfalls zu stärken. Ebenso ist es in diesem Zusammenhang von unbedingter Notwendigkeit, die rechtlichen Grundlagen darzustellen, auf denen kulturpolitisches Handeln möglich und legitim ist. Diese Rahmenbedingungen sind gleichermaßen als Grenzen wie auch als Pflichten der kulturpolitischen Aktivitäten, insbesondere auf der Bundesebene, zu sehen. Dabei ist die historisch bedingte Dynamik, in Form der Ereignisse im zweiten Weltkrieg, aber auch im Zuge der Wiedervereinigung und der Europäischen Union, gleichzeitig die Besonderheit der deutschen Politik und führt zu zeitweise problematischen Situationen innerhalb der kulturpolitischen Praxis. Wie bereits erwähnt, gehört zu einer Strukturanalyse auch eine Deskription der verschiedenen individuellen wie auch korporativen Akteure, deren Rollenverhalten, die Formulierung ihrer Zielvektoren sowie deren personelle wie finanzielle Ausstattungen und Ressourcen. Der Schwerpunkt liegt, im Kontext dieser Arbeit, natürlich auf den 1998 eingeführten Institutionen (BKM und deren Staatsministerium). Weiterhin muss ein Blick in andere Staaten und auf die politische Ebene der EU geworfen werden. Wie verfahren andere Nationen und ist deren Situation überhaupt mit der der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar? Somit wird versucht, der in Abbildung 17 dargestellten Untersuchungsanlage möglichst vollständig gerecht zu werden. Natürlich lassen sich die einzelnen Felder so idealtypisch wie sie in dieser Abbildung formalisiert sind, also gänzlich unabhängig voneinander, nicht darstellen. Es liegt in der Natur der Sache, dass es Überschneidungsbereiche und Komplementärstrukturen gibt, die sich lediglich im Zusammenhang darstellen lassen. So ist die Bund-LänderBeziehung beispielsweise offensichtlich abhängig von der Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Dennoch lässt sich anhand dieses Vorgehens eine Transparenz erreichen, die eine Gegenwartsdiagnose der kulturpolitischen Praxis ermöglicht.

I. Rechtliche Rahmenbedingungen nach 1945

105

I. Rechtliche Rahmenbedingungen nach 1945 í Was darf der Bund?... oder: Die Kulturhoheit der Länder Das politische System der Bundesrepublik zeichnet sich unter anderem durch eine pluralistische Herrschaftsstruktur aus. Dieses hat in Form der Errichtung eines föderalen Systems natürlich auch eine entsprechende Rückwirkung auf die Kulturpolitik der Bundesrepublik. Die Entscheidung, Kulturpolitik weitestgehend zur Sache der Länder und Kommunen zu machen, rekurriert auf der unbedingten Notwendigkeit der Gewährleistung des Meinungspluralismus und der konkurrierenden Willensbildung, als Reaktion auf die Gleichschaltungspolitik der Nazis im dritten Reich, die die Medien und kulturelle Restriktionen und Repressalien, wie beispielsweise die Bücherverbrennung, Berufsverbote für Künstler aller Art etc., als Instrument zur Machtdurchsetzung und vor allem Machterhaltung einsetzten.209 Durch die Unterlegung von Propagandaveranstaltungen mit Musik, beispielsweise von Wagner, gebrauchten die Nazis die Kulturpolitik geschickt als Instrument zur ideologischen Manipulation.210 Davon abgesehen ist diese Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern insbesondere aus der Tradition der kulturellen Vielseitigkeit Deutschlands, zurückgehend auf Zeiten des Feudalismus, entstanden.211 Insofern ist diese Aufteilung auch nicht neu oder gar überraschend. Nach dem Konkordats-

__________ 209

Vgl. hierzu Noelle-Neumann / Schulz / Wilke, 1995, S. 119 ff sowie Heinrichs / Klein, 1996, S. 157. Hier lässt sich abermals der Bezug zur Grundfunktion „latente Strukturerhaltung“ und zur Beschreibung der „negativen Achse der Kultur“, der „Unkultur“, herstellen. Nicht weniger wichtig ist die Ausdifferenzierung der Bedingungen eines föderalen Systems. Häberle differenziert sieben Legitimationsgründe des deutschen Föderalismus, die an dieser Stelle kurz aufgezeigt werden sollen: (Häberle, 2002, S. 117) 1. die grundrechtstheoretische Legitimation (einschließlich der aus den kulturellen Freiheiten gewonnenen Freiheit „vor Ort“, „im Kleinen“); 2. die demokratietheoretische Legitimation (einschließlich der ethnischen Aspekte, Stichwort: Minderheitenschutz); 3. die vertikal gewaltenteilende Legitimation (Kontroll-Argument); 4. die wirtschaftliche, entwicklungspolitische Legitimation (einschließlich des Konkurrenz-Arguments); 5. die Integrationsfunktion als Föderalismus-Argument (Balance von Homogenität und Pluralität, von Differenz und Einheit); 6. die aufgabenteilende, dezentralisierende Dimension (das Subsidiaritäts-Argument); 7. speziell in Europa das europapolitische Argument (Stichwort: Deutschlands bzw. Europas „Kultur der Vielfalt und Ganzheit“). 210 Schwencke, 1974, S. 12. 211 Nida-Rümelin, zitiert in: Zielcke / Kotteder, 2000, S. 16.

106

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

urteil des Bundesverfassungsgerichts E6 / 309 sind die Bundesländer die ausschließlichen Träger der Kulturhoheit.212 Dies wurde spätestens nach dem ersten Rundfunkurteil auch weitestgehend als Grundsatz akzeptiert. Diese erste große Kontroverse zwischen Bundesregierung und den Regierungen der Länder hatte ihren Ursprung in der Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH, die 1961 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt wurde, weil der Bund durch die zu großen Anteile an dieser Gesellschaft seine Kompetenzen deutlich überschritten hatte. Die Gefahr der Einflussnahme auf die Medieninhalte, und damit die Gefährdung des Meinungspluralismus, wurde als zu groß eingeschätzt.213 Die damalige von Konrad Adenauer geführte Bundesregierung plante eine privatwirtschaftliche Gesellschaft, an der der Bund mit 51% und die Länder somit nur mit 49% der Geschäftsanteile beteiligt waren. Dies äußerte sich dementsprechend auch hinsichtlich der Strukturen des Aufsichtsrates. Die Bundesregierung war innerhalb dieses Gremiums mit 10 von 15 Mitgliedern vertreten, was auf eine geradezu paralysierende Wirkung der Ländervertreter hinauslief. Zudem war vorgesehen, dass der damalige Finanzminister Julius Schäffer als „Treuhänder“ der Bundesländer fungieren sollte, ohne von diesen jemals beauftragt worden zu sein.214 Dass dies dem Meinungsbildungsprinzip widerspricht, ist offensichtlich. Die konkrete Begründung des Bundesverfassungsgerichtes basiert auf dem Prinzip der „Kulturhoheit der Länder“. Rundfunk ist, bezogen auf inhaltliche Aspekte, als Kulturgut anzusehen. Die Tatsache, dass der Bund zu dieser Zeit zwar die Kompetenz für den sendetechnischen Betrieb hatte, berührt diesen Grundsatz nicht. Dementsprechend muss die Freiheit des Rundfunks, die durch eine oben geschilderte Praxis zumindest theoretisch gefährdet war, gesichert werden. Bevor wir uns nun weiter auf die Föderalismusdebatte einlassen, sollen zunächst die maßgeblichen Artikel und wichtigen Absätze aus dem Grundgesetz und dem Einigungsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland aufgeführt werden, in denen der Bund explizit kulturpolitische Aufgaben aufgetragen bekommt. Diese Aufstellung der maßgeblichen rechtlichen Regelungen nimmt Bezug auf Abhandlungen von Bernd Wagner und Dieter Rübsaamen. Die jeweiligen Gesetzestexte wurden direkt aus dem Grundgesetz bzw. aus dem Einigungsvertrag übernommen.215 Die Zusammenstellung ist hinsichtlich der Frage, inwiefern sie ausreicht, um die tatsächliche Kompetenz des Bundes auf verfassungs-

__________ 212

Heinrichs / Klein, 1996, S. 157. Vgl. Noelle-Neumann / Schulz / Wilke, 1995, S. 124 ff. 214 Vgl. Noelle-Neumann / Schulz / Wilke, 1995, S. 486 ff. 215 http://www.bundesregierung.de/Gesetze-,4231/.htm; Abruf: 12.05.03 sowie http:// www.jura.uni-sb.de/Vertraege/Einheit/ein1_m0.htm; Abruf: 13.05.03 213

I. Rechtliche Rahmenbedingungen nach 1945

107

rechtlicher Basis zu beschreiben, umstritten. Dies sei hier deutlich angemerkt. So schreibt Wagner beispielsweise:216 „Die folgende Zusammenstellung umfaßt jene Grundgesetzartikel, die zur Begründung kulturpolitischer Kompetenzen des Bundes herangezogen werden; inwieweit dies zu Recht geschieht, ist bei fast allen Artikeln in der Literatur umstritten.“

Ausdrückliche Kompetenzen des Bundes: Grundgesetz: Artikel 5 [Freiheit der Meinung, Kunst und Wissenschaft] (1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt. (2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre. (3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Auswärtige Kulturpolitik Artikel 32 [Auswärtige Beziehungen] (1) Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes. Artikel 73 [Gebiete der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes] 1. die auswärtigen Angelegenheiten sowie die Verteidigung einschließlich des Schutzes der Zivilbevölkerung;

Ausschließliche Gesetzgebung Artikel 73 [Gebiete der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes] Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über: 5. die Einheit des Zoll- und Handelsgebietes, die Handels- und Schifffahrtsverträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und den Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Auslande einschließlich des Zoll- und Grenzschutzes; 7. das Postwesen und die Telekommunikation; 9. den gewerblichen Rechtsschutz, das Urheberrecht und das Verlagsrecht; Artikel 74 [Gebiete der konkurrierenden Gesetzgebung] (1) Die konkurrierende Gesetzgebung erstreckt sich auf folgende Gebiete 6. die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen; 7. die öffentliche Fürsorge;

__________ 216

Wagner, 1998, S. 28.

108

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

11.das Recht der Wirtschaft (Bergbau, Industrie, Energiewirtschaft, Handwerk, Gewerbe, Handel, Bank- und Börsenwesen, privatrechtliches Versicherungswesen); 12.das Arbeitsrecht einschließlich der Betriebsverfassung, des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung sowie die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung 13.die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung;

Rahmengesetzgebung Artikel 75 [Rahmenvorschriften des Bundes] (1) Der Bund hat das Recht, unter den Voraussetzungen des Artikels 72 Rahmenvorschriften für die Gesetzgebung der Länder zu erlassen über: 1. die Rechtsverhältnisse der im öffentlichen Dienste der Länder, Gemeinden und andere Körperschaften des öffentlichen Rechtes stehenden Personen, soweit Artikel 74 a nichts anderes bestimmt; 2. die allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse; 3. das Jagdwesen, den Naturschutz und die Landschaftspflege; 6. den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland.

Gemeinschaftsaufgaben Artikel 91a [Mitwirkung des Bundes – Kostenverteilung] (1) Der Bund wirkt auf folgenden Gebieten bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist (Gemeinschaftsaufgaben): 2. Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, Artikel 91b [Bildungsplanung und Förderung der Forschung] Bund und Länder können auf Grund von Vereinbarungen bei der Bildungsplanung und bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Die Aufteilung der Kosten wird in der Vereinbarung geregelt.

Finanzwesen Artikel 104a [Ausgabenverteilung – Finanzhilfe des Bundes] (4) Der Bund kann den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden (Gemeindeverbände) gewähren, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Das Nähere, insbesondere die Arten der zu fördernden Investitionen, wird durch Bundesgesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, oder auf Grund des Bundeshaushaltsgesetzes durch Verwaltungsvereinbarung geregelt. Artikel 105 [Zuständigkeitsverteilung in der Steuergesetzgebung] (1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über die Zölle und Finanzmonopole. (2) Der Bund hat die konkurrierende Gesetzgebung über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht oder die Voraussetzungen des Artikels 72 Abs. 2 vorliegen.

I. Rechtliche Rahmenbedingungen nach 1945

109

Artikel 106 [Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole] (8) Veranlasst der Bund in einzelnen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) besondere Einrichtungen, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) unmittelbar Mehrausgaben oder Mindereinnahmen (Sonderbelastungen) verursachen, gewährt der Bund den erforderlichen Ausgleich, wenn und soweit den Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) nicht zugemutet werden kann, die Sonderbelastungen zu tragen. Entschädigungsleistungen Dritter und finanzielle Vorteile, die diesen Ländern oder Gemeinden (Gemeindeverbänden) als Folge der Einrichtungen erwachsen, werden bei dem Ausgleich berücksichtigt.

Sonderfälle Artikel 135 [Vermögensregelung bei Wechsel der Landeszugehörigkeit] (1) Hat sich nach dem 8. Mai 1945 bis zum Inkrafttreten dieses Grundgesetzes die Landeszugehörigkeit eines Gebietes geändert, so steht in diesem Gebiete das Vermögen des Landes, dem das Gebiet angehört hat, dem Lande zu, dem es jetzt angehört. (2) Das Vermögen nicht mehr bestehender Länder und nicht mehr bestehender anderer Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes geht, soweit es nach seiner ursprünglichen Zweckbestimmung überwiegend für Verwaltungsaufgaben bestimmt war, oder nach seiner gegenwärtigen, nicht nur vorübergehenden Benutzung überwiegend Verwaltungsaufgaben dient, auf das Land oder die Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechtes über, die nunmehr diese Aufgaben erfüllen. (3) Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht einschließlich des Zubehörs, soweit es nicht bereits zu Vermögen im Sinne des Absatzes 1 gehört, auf das Land über, in dessen Gebiet es belegen ist. (4) Sofern ein überwiegendes Interesse des Bundes oder das besondere Interesse eines Gebietes es erfordert, kann durch Bundesgesetz eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Regelung getroffen werden.

Einigungsvertrag Artikel 35 [Kultur] (1) In den Jahren der Teilung waren Kunst und Kultur – trotz unterschiedlicher Entwicklung der beiden Staaten in Deutschland – eine Grundlage der fortbestehenden Einheit der deutschen Nation. Sie leisten im Prozess der staatlichen Einheit der Deutschen auf dem Weg zur europäischen Einigung einen eigenständigen und unverzichtbaren Beitrag. Stellung und Ansehen eines vereinten Deutschlands in der Welt hängen außer von seinem politischen Gewicht und seiner wirtschaftlichen Leistungskraft ebenso von seiner Bedeutung als Kulturstaat ab. Vorrangiges Ziel der Auswärtigen Kulturpolitik ist der Kulturaustausch auf der Grundlage partnerschaftlicher Zusammenarbeit. (2) Die kulturelle Substanz in dem in Artikel 3 genannten Gebiet darf keinen Schaden nehmen. (3) Die Erfüllung der kulturellen Aufgaben einschließlich ihrer Finanzierung ist zu sichern, wobei Schutz und Förderung von Kultur und Kunst den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes obliegen. (4) Die bisher zentral geleiteten kulturellen Einrichtungen gehen in die Trägerschaft der Länder oder Kommunen über, in denen sie gelegen sind. Eine Mitfinanzierung durch den Bund wird in Ausnahmefällen, insbesondere im Land Berlin, nicht ausgeschlossen.

110

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

(5) Die durch die Nachkriegsereignisse getrennten Teile der ehemals staatlichen preußischen Sammlung (unter anderem Staatliche Museen, Staatsbibliothek, Geheimes Staatsarchiv, Iberoamerikanisches Institut, Staatliches Institut für Musikforschung) sind in Berlin wieder zusammenzuführen. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übernimmt die vorläufige Trägerschaft. Auch für die künftige Regelung ist eine umfassende Trägerschaft für die ehemals staatlichen preußischen Sammlungen in Berlin zu finden. (6) Der Kulturfondes wird zur Förderung von Kultur, Kunst und Künstlern übergangsweise bis zum 31. Dezember 1994 in dem in Artikel 3 genannten Gebiet weitergeführt. Eine Mitfinanzierung durch den Bund im Rahmen der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes wird nicht ausgeschlossen. Über eine Nachfolgeeinrichtung ist im Rahmen der Verhandlungen über den Beitritt der Länder der in Artikel 1 Abs. 1 genannten Länder zur Kulturstiftung der Länder zu verhandeln. (7) Zum Ausgleich der Auswirkungen der Teilung Deutschlands kann der Bund übergangsweise zur Förderung der kulturellen Infrastruktur einzelne kulturelle Maßnahmen und Einrichtungen in dem in Artikel 3 genannten Gebiet mitfinanzieren.

Bei genauer Sichtung erkennt man, dass das Grundgesetz keine Bestimmung enthält, aus der die verfassungsmäßige Verankerung der Kultur, etwa in Form eines Staatsauftrages oder einer Pflichtaufgabe, festgelegt wäre. Einzig Artikel 5 Abs. 3 GG ermöglicht die Ableitung des Auftrages, Kunst zu fördern.217 Dieser Artikel ist als klassisches liberales Abwehrrecht gegen Staatseingriffe in die Freiheit der Kunst zu begreifen. Die Staatszielbestimmung weist auf die Schaffung eines Kulturstaats hin, der sich anhand verschiedener Strukturmerkmale beschreiben lässt. Diese wären:218 1. Freiheit, Autonomie und Pluralität von Kunst, 2. Pflicht des Staates zu kulturpolitischer Toleranz und zum Neutralitätsprinzip, 3. Pflicht des Staates zu kultureller Förderung und positiver Pflege von Kunst, 4. gemeinsame Kulturverantwortung von gesellschaftlichen und staatlichen Kulturträgern, 5. Verbot von staatlichem „Kunstrichtertum“. Wie aus den zitierten Rechtsgrundlagen und Prinzipien ersichtlich, gibt es keine Rechtsvorschriften, die normativ-positiv festschreiben, was im Einzelnen als Aufgabe des Staates zu sehen bzw. welcher konkrete Handlungsbedarf gewählt werden soll.219 Klar ist, dass die Länder und Kommunen die so genannte „Kulturhoheit“ innehaben und der Bund nur in explizit genannten Bereichen kulturpolitisch aktiv werden muss bzw. darf. Immer aber auch unter

__________ 217

Heinrichs / Klein, 1996, S. 173 – 174. Heinrichs / Klein, 1996, S. 155 – 156 sowie 173 – 174. 219 Vgl. Heinrichs / Klein, 1996, S. 155 – 156. 218

II. Kulturpolitische Konzepte

111

Wahrung des Subsidiaritätsprinzips. Es gibt also weder einen Normen- oder Zielkatalog noch eine Regelung, welcher Kulturbegriff dem politischen Handeln zugrunde gelegt ist oder werden kann.220 Dies ist – wie eingangs dieses Kapitels bereits angedeutet – der Anlass für die anhaltende rege Diskussion über verschiedenartige Kulturpolitik-Konzepte und deren Umsetzung, die im folgenden Abschnitt, zunächst anhand der aktuellen Diskussionen, charakterisiert werden soll.

II. Kulturpolitische Konzepte: Modelle auf der Basis verschiedener Erfordernisse und Vorstellungen 1. Was bedeutet Kulturpolitik und in welcher Tradition ist sie zu sehen? Die Anfänge des heute weitgehend akzeptierten kulturpolitischen Aufgabenbereichs, sind in der Förderung von Kunst und Bildung durch wohlhabende Fürsten und Mäzene zu sehen. Im 19. Jahrhundert übernahm diese institutionelle Aufgabe bereits schon der Staat, obgleich der Schwerpunkt hierfür auf der Erhaltung kultureller Werte und Verpflichtungen lag.221 1929 erfolgte ein Eintrag in Herders Staatslexikon, in dem die Kulturpolitik als der „Einsatz geistiger Mittel und kultureller Mittel durch den Staat“ bezeichnet wurde.222 Die Wurzeln der Kulturpolitik sind deutlich früher, in Verbindung mit der 1. Kulturpolizei, zu sehen. Diese erfuhr ihre Entwicklung mit dem Beginn des modernen Staates. Im Unterschied zum ständischen Staat, der herrschaftliche Rechte zur Grundlage hatte, entwickelte sich der moderne Staat auf dem Grundsatz der Orientierung am Gesamtinteresse bzw. am Allgemeinwohl.223 Auf der Grundlage eines absoluten Staates, der die Polizeigewalt als Instrument der Staatsführung ansah, entwickelte sich die manifeste Idee, die Erfordernisse, die eine allgemeine Wohlfahrt verlangt, nicht nur auf die Beschränkung staatsfeindlicher Meinungen zu beziehen, sondern auch Bereiche zu fördern, die über die ökonomische Wohlfahrt hinaus zu einer ethischen Wohlfahrt führen können und sollen. Abelein zitiert in diesem Zusammenhang z. B. die anhaltinischen Landtagsabschiede von 1652, in denen es heißt: „[…] All unsere Ratschläge und Handlungen nach Erforderung unseres fürstlichen Amtes auf das gesamte Wohlergehen zu richten“.224 Die soziologische Interpretation dieses Sachverhaltes deckt sich abermals mit den Ausführungen in Kapitel B.

__________ 220

Vgl. Heinrichs / Klein, 1996, S. 155 – 156. Büro für politische Studien, 1953, S. 3. 222 Abelein, 1968, S. 193. 223 Zitiert in: Abelein, 1968, S. 194. 224 Zitiert in: Abelein, 1968, S. 195. 221

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

112

und deutet auf die praktische Relevanz hin, die hinter dem systemtheoretischen Ansatz, der in Anlehnung an Parsons geleistet wurde, steht. Bevor wir nun zu den heute vorherrschenden kulturpolitischen Konzepten und der immanenten Rolle des Bundes als einem der maßgeblichen Akteure kommen, ist es von unbedingter Notwendigkeit, die kulturpolitische Entwicklung der Bundesrepublik, also nach 1945, näher zu erläutern. Dies deshalb, um die konzeptionelle Neuorientierung deutlich zu machen.

2. Die konzeptionelle Entwicklung nach 1945 Wie kontrovers die Kulturpolitik eines Landes oder besser eines Staates diskutiert werden kann, ist durch den Blick auf eine Publikation von 1987 zu erkennen. Dieses in der DDR erschienene Werk der Autoren Hechter, Kessler, Ulle, Diermann et al. behandelt eine Gesamtdiagnose der bundesdeutschen Kulturpolitik aus Sicht der DDR. Hierin werden z. B. vermeintliche „Leitlinien imperialistischer Kulturpolitik im kalten Krieg“ dargestellt, die unter anderem eine Verleumdung von Kultur und Kunstentwicklung in den sozialistischen Ländern beinhalten sollen.225 Dies zeigt, welche unterschiedlichen Absichten durch eine entsprechende Verschiebung der Perspektive einem bestimmten Politikstil bzw. einem politischen Konzept impliziert werden können. Abbildung 20 soll zunächst einen Überblick über die kulturpolitischen Konzepte nach dem zweiten Weltkrieg geben.226 Die nachfolgenden Ausführungen sollen dann die unterschiedlichen Kernelemente und Intentionen der Konzepte beschreiben, um auf der einen Seite eine Entwicklung ausmachen zu können, auf der anderen Seite die verschiedenen Umorientierungen herauszuarbeiten. Die Dynamik, die sich in diesem Politikbereich entwickelt hat, hält bis zum heutigen Tag an. In der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg fehlte zunächst die Reflexion eines kulturpolitischen Neuanfangs. Wichtig war die Lösung anderer Probleme, so z. B. die Befriedigung allgemeiner, grundlegender Bedürfnisse. In der Folge setzten dann Restauration, Erhaltung, Ausbau oder Wiederaufbau des so genannten „kulturellen Erbes“ ein. Konkret ging es hierbei darum, Lokalitäten wie etwa Staats- und Stadttheaterhäuser, Opern, Museen etc. – also Kulturpfle-

__________ 225 226

Vgl. Hechter, Kessler / Ulle / Diermann et al, 1987, S.11 – 19. Eigene Darstellung in Anlehnung an Heinrichs / Klein, 1996, S. 154 – 155.

II. Kulturpolitische Konzepte

113

gestätten – wieder herzustellen. Ziel war hierbei eine Art „deutsche Kulturrestauration“.227 Ab 1945 Kulturpflege

1950er

Zielsetzung: Pflege kultureller Werte, Erhaltung von etwas Bestehendem

1960er

Kulturarbeit 1970er

Zielsetzung: Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten aller Bürger

1980er

Neue Kulturpolitik Zielsetzung: “Kultur für alle“ Aktivierende Kulturpolitik

Ab den 1990ern

Zielsetzung: “Stärkung der Bundespolitik“ bei gleichzeitiger “Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ Anpassung der Lebensverhältnisse in West- und Ostdeutschland

Abbildung 20: Kulturpolitische Konzepte im zeitlichen Abriss

Das Konzept der „Kulturpflege“ kommt am deutlichsten wohl in den Leitsätzen des Deutschen Städtetages vom 18. / 19.1.1952, den so genannten Stuttgarter Richtlinien zum Ausdruck. Hierin heißt es:228 „Die Pflege der Kultur ist für die Städte eine wichtige und dringliche Aufgabe sowohl um der kulturellen Werte willen, die es zu pflegen gilt, und der in dieser Pflege sich zeigenden geistigen Haltung, als auch wegen der Bedeutung, die dieser Pflege für das Gemeinschaftswesen zukommt.“

Es wurde äußerster Wert darauf gelegt, diese Kulturstätten nach und nach wieder aufzubauen. Diese restaurative Kulturpolitik, als eine erste Phase der Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, sollte also die kulturellen

__________ 227 228

Vgl. Schwencke, 1974, S.12 – 18. Zitiert in: Heinrichs / Klein, 1996, S. 154.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

114

Strukturen wiederherstellen.229 So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Jahre 1953 das Büro für Politische Studien in Frankfurt am Main eine Broschüre publizierte, in der – auf der Grundlage des Konzepts der Kulturpflege – die Frage „Kulturpolitik. Was ist das eigentlich?“ weitgehend mit Statistiken über den Grad der Zerstörung von Kulturpflegestätten und der Quote des Wiederaufbaus bzw. Neuaufbaus erläutert wird.230 Davon abgesehen, dass hierbei bezüglich der Definition von Kulturpolitik die Bereiche Bildung und Kultur noch nicht operational unterschieden wurden, bezieht sich die Rechenschaft über die politische Arbeit hierbei auf die Bereiche Bücher / Bibliotheken, Theater, Film und Bauwesen. Nur exemplarisch soll hier die Rechtfertigung des Politikstils aus den 50er Jahren referiert werden. Der Wiederaufbau der Bibliotheken wird beispielsweise mit dem Verlust der Bestände an Büchern und Bibliotheken gerechtfertigt.231 Tabelle 1 Verluste wissenschaftlicher Bibliotheken und deren Bestände durch den zweiten Weltkrieg in Deutschland Bestand an Büchern insgesamt (in Bänden) vor dem 2. Weltkrieg nach dem 2. Weltkrieg

Insgesamt:

20 Landesbibliotheken 32 Hochschulbibliotheken 18 Stadtbibliotheken (n = 70)

n

%

n

%

13, 2 Mio. 15,3 Mio. 4,3 Mio.

40,3 46,6 13,1

8,2 Mio. 11,1 Mio. 2,4 Mio.

25,0 33,8 7,3

32,8 Mio.

100,0

21,7 Mio.

66,1

Von den 70 Bibliotheken wurden zerstört: Grad der Zerstörung

n

%

zu 100% zu 75% zu 50% zu 25% zu 0%

7 16 14 23 10 70

10,00 22,86 20,00 32,86 14,28 100,00

(Quelle: Büro für Politische Studien (Frankfurt / Main) (Hg.), 1953, Kulturpolitik. Was ist das eigentlich? Serie: Wissenswertes / Nummer 17, Butzbach / Hessen, S. 21)

__________ 229

Gau, 1990, S. 19. Vgl. hierzu Büro für Politische Studien, 1953. 231 Vgl. hierzu Büro für Politische Studien, 1953, S. 21. 230

II. Kulturpolitische Konzepte

115

Demnach waren die meisten Bibliotheken (60) restaurationsbedürftig und rund ein Drittel der Bücherbestände zerstört. Dies zeigt zum einen die Erfordernisse bzw. Anforderungen an die Kulturpolitik. Auf der anderen Seite wird deutlich, dass, trotz expliziter Unterscheidung innerhalb des Textes der Broschüre, Kulturpolitik sich eher auf Kulturverwaltung reduzierte. Wenngleich auch dies gerechtfertigt wurde, und zwar folgendermaßen:232 „Wenn der Staat sich dieser Aufgabe [Kulturpolitik als „Pflege, Schutz & Förderung vorhandener Werte sowie Schul- & Erziehungspolitik“ (vgl. Büro für Politische Studien, 1953, S. 4 – 5); A. E.] annehmen will, so braucht er dazu zunächst ein Instrument, einen Apparat, dessen er sich bedienen kann, um seine kulturpolitischen Ideen und Vorstellungen in die Tat und Wirklichkeit umzusetzen.“

Hierbei wird Bezug zu einem Ministerium genommen: Dem Ministerium für Kultur und Unterricht, das für die Kulturverwaltung zuständig war und dessen sich die politischen Parteien bedienen konnten und sollten, um Kulturpolitik zu betreiben. Trotz der offensichtlichen Erfordernisse wurden spätestens in den 1970er Jahren Stimmen laut, die eine falsche kulturpolitische Weichenstellung mit dem Konzept der Kulturpflege verbanden. Lediglich die Anpassung der Kulturpraxis an den bürgerlichen Massengeschmack wurde demnach vollzogen. Ein gänzliches Fehlen der Forschung nach soziokulturellen Zusammenhängen und Perspektiven wurde konstatiert.233 Die deutsche Kulturpolitik war schwerfällig und hinsichtlich der künstlerisch-inhaltlichen Entwicklung überhaupt nicht in der Lage, Trends und Tendenzen zu antizipieren. Angesichts der fehlenden internationalen Anbindung, die durch das Dritte Reich unterbrochen wurde, ist dies auch nicht unbedingt verwunderlich. Die Akteure der Kunstund Kulturszene – in Person der Intendanten, Regisseure, aber auch Wissenschaftler – nahmen inhaltlich das Zepter selbst in die Hand, was nicht zuletzt an der Möglichkeit lag, vom Prozess der Kulturproduktion materiell zu profitieren. Die sozialen Funktionen der Kultur gerieten zugunsten der Kommerzialisierung zunehmend in den Hintergrund.234 Das bis Mitte der 1960er Jahre vorherrschende Konzept der Kulturpflege wurde im Zuge des allgemeinen politischen Stimmungswandels durch das Konzept der Kulturarbeit abgelöst.235 Wie der Name des Konzepts bereits verrät, wurde hier für eine zunehmend aktivere Kulturpolitik plädiert. Und zwar in dem Sinne, dass sich die Kulturpolitik und die kulturelle Praxis neue

__________ 232

Büro für Politische Studien, 1953, S. 4 – 5. Schwencke, 1974, S. 15 sowie Gau, 1990, S. 20. 234 Vgl. hierzu in aller Ausführlichkeit Schwencke, 1974, S.18 – 27. 235 Vgl. Heinrichs / Klein, 1996, S.131 sowie Schwencke, 1974, S. 68. 233

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D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Ziele setzen sollten und sich somit ein neues Selbstverständnis entwickeln könne. Auf dem deutschen Städtetag 1973 wurde durch die Erklärung „Wege zur menschlichen Stadt“ das Konzept der Kulturpflege dann auch offiziell abgelegt. Die neuen Ziele sollten die „Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten“ sein.236 Also eine aktive und bewusste Veränderung und Neugestaltung des kulturellen Erscheinungsbildes bzw. der Kulturlandschaft. Ebenfalls zu eben diesem Städtetag wurde durch das Programm Bildung und Kultur als Element der Stadtentwicklung eine breite kulturpolitische Diskussion eingeläutet, was eine Neukonzeption der Kulturpolitik nach sich zog, die das Konzept der Kulturarbeit in den Vordergrund stellte und unter dem Schlagwort Neue Kulturpolitik zur Bekanntheit gelang.237 Die charakteristischen Merkmale dieser Neuen Kulturpolitik lassen sich folgendermaßen beschreiben:238 Sie ist in erster Linie kommunale Kulturpolitik, soll für die Herstellung der kulturellen Demokratie sorgen, soll schwerpunktmäßig die Soziokultur behandeln, versteht sich als Gegengewicht gegen die Zumutungen und Beanspruchungen der Industriegesellschaft, í begreift sich vor allem als Bildungspolitik.

í í í í

Diese Charakteristik ist zum Teil erklärungsbedürftig. Das Kernelement, um welches sich diese Charakteristik bildet, heißt „Kultur für alle“ und stellt gleichermaßen eine Gemeinschaftsaufgabe als „Kultur von allen“ dar. Dies bedeutet auf der einen Seite das Recht des unbeschränkten Zugangs zu den Künsten, der so gestaltet sein sollte, dass die Künste ohne großen Aufwand an Zeit und Intellekt zugänglich gemacht werden. Auf der anderen Seite stellt das Konzept aber auch eine Verpflichtung dar, die Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten aller Bürger zu ermöglichen.239 Dieses Konzept wurde weitestgehend von Akteuren initiiert, die sich später (1976) zu einer Vereinigung zusammenschlossen, welche bis heute eine der wichtigsten Initiativen aktiver Kulturpolitik darstellt. Die so genannte „Kulturpolitische Gesellschaft“ setzte die kulturpolitische Diskussion, die Anfang der 1970er Jahre begonnen wurde auf breiter Basis fort. Eines der wichtigsten Ziele ist hierbei, den Prozess der kulturellen Demokratisierung voranzutreiben. Diesen Prozess kann man anhand von fünf einzelnen Aspekten beschreiben:240

__________ 236

Heinrichs / Klein, 1996, S. 131. Zitiert in: Heinrichs / Klein, 1996, S. 143 – 164. 238 Heinrichs / Klein, 1996, S. 164. 239 Heinrichs / Klein, 1996, S. 129 – 131 sowie Hoffmann, 1979, S. 11. 240 Heinrichs / Klein, 1996, S.164 – 165. 237

II. Kulturpolitische Konzepte

117

1. die überlieferte Trennung zwischen der scheinbar unpolitischen und ästhetisch-intellektuellen Welt des Geistes und den Realitäten des Alltags überwinden zu helfen; 2. die Gewährleistung der Entfaltung und Entwicklung der sozialen, kommunikativen und ästhetischen Möglichkeiten und Bedürfnisse aller Bürger und die aktive Beteiligung aller Schichten der Bevölkerung am kulturellen Leben; 3. Ermöglichen kultureller Alternativen und Innovationen zum traditionellen Kulturangebot; 4. Vorantreiben der wissenschaftlichen Kulturforschung in der Bundesrepublik Deutschland; 5. Nutzbar machen der europäischen und internationalen kulturpolitischen Erfahrungen für die Bundesrepublik Deutschland und deren auswärtige Kulturpolitik. Dies steht im Zeichen eines „sinnvollen Konsums gesellschaftlichen Reichtums“, wie Hilmar Hoffmann es nennt.241 Eine demokratische Kulturpolitik, so Hoffmann, sollte demnach nicht nur von dem formalen Angebot für alle ausgehen, wie es im Rahmen des Kulturpflege-Konzepts üblich war, „sondern muss die kulturelle Entwicklung selbst als einen demokratischen Prozess begreifen, der künstlerisches Schaffen, Reichtum einer historisch gewachsenen Kultur und demokratischen Gesellschaft gleichermaßen einbezieht“.242 Dieser neue Ansatz unterschied sich vom vorherigen Konzept vor allem in der Art und Weise, wie das politische Handeln reflektiert, durchdacht und in einem nächsten Schritt modellhaft weiterentwickelt wurde. So kann man hierbei durchaus von einer ersten Neuorientierung der Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland sprechen. Gleichzeitig zeigt sich durch dieses extreme Umdenken, in welch hohem Maße ein Gestaltungsspielraum auf dem Sektor der Kulturpolitik existiert. Des Weiteren wird deutlich, dass Kulturkritik als Gesellschafts- und Systemkritik verstanden werden kann.243 Aufgrund ästhetischer Fragestellungen im „kritischen Deutschland“ der 1960er und der 1970er Jahre wurden auch die Künste thematisiert und auf ihren gesellschaftlichen Hintergrund hin befragt.244 Ein weiteres Mal wird die Wichtigkeit der Einsicht, dass Kultur ein gesellschaftliches Teilsystem ist, das komplementär zu den anderen Handlungssystemen gesehen werden muss, deutlich. Denn von nun an – seit den 1970er Jahren – rücken zu den organisatorischen und finanziellen Fragestellungen auch immer stärker die inhaltlichen in den Vordergrund.

__________ 241

Hoffmann, 1973,S. 12. Hoffmann, 1973, S. 12. 243 Vgl. Schwencke, 1974, S. 30 – 31. 244 Vgl. Schwencke, 1974, S. 31. 242

118

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

So fällt die Beurteilung dieser Form der Politik seinerzeit zunächst durchaus positiv aus. Sie war insofern erfolgreich, als dass sie die kulturelle Partizipation in einem vorher nicht da gewesenen Ausmaß steigern konnte. Ersichtlich ist dies an verschiedenen Indikatoren wie bspw. der erhöhten Anzahl an Museumsbesuchen oder Kulturveranstaltungen, oder aber auch an der zunehmenden Beliebtheit der Teilnahme an Programmen der Erwachsenenbildung.245 Betrachtet man die „Neue Kulturpolitik“ im Rückblick, so stellt man die Schwierigkeit fest, dass zwischen Konzeption und Modellentwicklung sowie deren praktischer Umsetzung eine starke Verzögerung zu verzeichnen ist. Von der Idee zur tatsächlichen Veränderung des politischen Selbstverständnisses lag ein all zu großer Zeitraum, als dass man hierbei von einer pragmatischen Konzeption sprechen könnte. Dies lässt sich beispielsweise an der Kritik an der kulturpolitischen Praxis der 1980er Jahre sehr gut verdeutlichen. So wird hier der Vorwurf laut, dass der Versuch, kulturelle Güter auf breiter Basis – also „für alle“ – bereitzustellen, eine zu starke Vermischung mit kulturindustriellen Leitlinien nach sich gezogen hat. Eine derart orientierte Kulturpolitik verfehlt hierbei ihr Ziel – so die Kritik.246 Wie lassen sich nun Erklärungen für diese Schwierigkeiten herleiten? Die Probleme liegen in der Begriffsauffassung und analytischen Unterscheidung. Die Intention der „Neuen Kulturpolitik“, die „Soziokultur“ in den Vordergrund zu stellen, weist beispielsweise die Schwierigkeit auf, eine analytische Unterscheidung begrifflicher Verwendungsebenen zu treffen. Norbert Sievers führt eine solche Unterscheidung exemplarisch durch und verdeutlicht so diese Schwierigkeit.247 Demnach kann man den Begriff der „Soziokultur“ als Kulturbegriff, als Kulturpolitikbegriff und / oder als Kulturpraxisbegriff verwenden: „Soziokultur“… … als Kulturbegriff:

Erweiterung des tradierten Kulturverständnisses, das sich nicht nur auf ästhetische Produktions- und Vermittlungsformen beschränkt, sondern Kultur – je nach (kultur-)theoretischem Standort – als Lebensweise, als Ferment, als Subsystem, als Medium oder als Methode des gesellschaftlichen Prozesses verstanden wissen will. Das Konzept „Soziokultur“ beinhaltet also einen erweiterten Kulturbegriff.

__________ 245

Nida-Rümelin, 2000, S. 24. Vgl. Kramer, 1996, S. 14 – 16. 247 Vgl. im Folgenden Sievers, 1988, S. 38. 246

II. Kulturpolitische Konzepte

119

… als Kulturpolitikbegriff:

Spezifische Problematik, die sich nicht allein auf Kunstpflege und -förderung bezieht, sondern aktiv Einfluss nehmen will auf kulturelle Entwicklungsprozesse mit dem Ziel der Demokratisierung der Gesellschaft durch Kultur. Dieses Konzept beinhaltet einen Politikbegriff, der nicht nur das politisch-administrative System als Akteur kennt, sondern (potentiell) alle gesellschaftlichen Gruppierungen.

… als Kulturpraxisbegriff:

Konzepte und Anwendungsbeispiele konkreter Kulturarbeit, die sich an den programmatisch vorgestellten Zielkategorien orientiert oder damit in Verbindung gebracht werden kann. Sie können entweder öffentlich organisiert, finanziert bzw. unterstützt sein oder durch das „private“ Engagement freier Kulturgruppen getragen sein und beziehen sich auf alle Sparten der Kunst sowie auf neue Formen ästhetischkreativen und sozialstrukturellen Wirkens.

In einem Rückblick muss aus heutiger Sicht festgestellt werden, dass die „Neue Kulturpolitik“ die Gesamtpolitik kaum beeinflussen konnte. So ist es nicht verwunderlich, dass Ende der 1990er Jahre die Kritiker zum ersten Mal die Mitverantwortung der Kultur bzw. der Kulturpolitik am Gesamtzustand einer Gesellschaft ansprechen und konkret herausarbeiten. Micha Brumlick sieht in der Krise der Kultur nur „das zwangsläufige Ergebnis einer unvermeidlichen und immanenten Tendenz der Moderne, Kultur als Kommunikationsgeschehen und Kunst als einen Fall von Kultur zu behandeln“.248 Hermann Glaser geht sogar soweit, einige negative Aspekte der Kultur, wie z. B. massenmediale Beeinflussung, Fehlentwicklungen in der Beschäftigungspolitik, Veroberflächlichung, Profitmaximierung und kurzfristige Erfolge durch zweckrationale Grundeinstellungen, in die Mitverantwortung der Kulturpolitik zu stellen und sieht Diskussionen wie sie beispielsweise um die „Leitkultur“ geführt wurden als Anlass, eine „moralisch engagierte Kulturpolitik“ zu fordern, die auf alte, idealistische Positionen rekurriert.249 Eine ähnliche Diagnose ist auch in Margarethe Goldmanns Ausführungen zu erkennen. Sie sieht die Unterschiede in den 1990er Jahren, im Vergleich zu den letzten 20 Jahren kulturpolitischer Ausrichtung, beispielsweise in der Reduzierung der kulturellen Bildung auf die autonomen Wirkkräfte der Kunst, und beklagt weiter die Reduzierung des gesellschaftlichen Stellenwerts von Kunst und Kultur, unter

__________ 248 249

Zitiert in: Kramer, 1996, S. 15. Vgl. Glaser, 2001, S. 12 – 17.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

120

anderem auch aufgrund des zunehmenden Professionalisierungs- bzw. Kommerzialisierungsgrades auf dem Kultursektor.250 Zweifelsohne ist eine Diskussion um die kulturpolitische Praxis von stetiger Notwendigkeit; die Reflexion der eigenen Arbeit ohnehin ein Muss. In welcher Form eine weitere Neuorientierung – wenngleich es sich hierbei um keine vollständige Umorientierung handelt, wie sie gravierender Weise in den 1970er Jahren gegeben war – nun gegenwärtig vollzogen wird, soll im nächsten Abschnitt ausführlich beschrieben werden.

3. Aktuelle Konzeptionen und Diskussionen um die bundesdeutsche Kulturpolitik Seit den 1990er Jahren ist die bundesdeutsche Kulturpolitik erneut in einer programmatischen Diskussion. Dies nicht zuletzt aufgrund der Erfordernisse, die durch die Wiedervereinigung entstanden sind. Auf der einen Seite wird hierbei die Stärkung des Bundes als kulturpolitischer Akteur gefordert und zu großen Teilen auch umgesetzt. Auf der anderen Seite ist ein entscheidendes Element kulturpolitischen Handelns, die Kulturförderung nämlich, durch enorme Haushaltsdefizite auf ein Maß gebracht worden, das wenig Spielraum zur kulturpolitischen Progression lässt. Daraus und aus der Tradition der „Neuen Kulturpolitik“ resultiert die Intention der Förderung von und Forderung nach einem verstärkten „Bürgerschaftlichen Engagement“. Die Zusammenhänge sollen nun referiert werden. Die Forderung nach einer stärkeren Bundeskulturpolitik zieht, angesichts der verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die Diskussion über die Grundsätze des Föderalismus nach sich. Dabei geht es weniger um die inhaltlichen Ziele. Hierüber herrscht im Allgemeinen ein sehr breiter Konsens. Der Tenor, dass Bund, Länder und Kommunen Kulturförderung betreiben müssen, und zwar gemäß dem Subsidiaritätsprinzip,251 berührt die Diskussion allerdings nur wenig, wenn überhaupt. Der wesentliche Streitpunkt ist in der Kompetenzfrage zu sehen. Diese Debatte begann mit dem Auftakt zur vermeintlichen kulturpolitischen Neuorientierung zur Jahrtausendwende. Dieser ist in der Schaffung eines Staatsministeriums für Kultur und Medien und entsprechend in der Benennung eines Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien zu sehen. Der damalige BKM Michael Naumann initiierte spätestens mit seinem umstrittenen Artikel „Zent-

__________ 250

Goldmann, 1995, S. 16. Vgl. hierzu z. B. Röbke, Thomas, 1993, Zwanzig Jahre Neue Kulturpolitik. Erklärungen und Dokumente 1972 – 1992, Essen, Klartext-Verlag. Hierin sind Stellungnahmen der verschiedenen Parteien und deren kulturpolitischen Sprecher aufgeführt. Die Unterschiede in der institutionellen Handhabung und bezüglich der Organisation sind dabei gering. 251

II. Kulturpolitische Konzepte

121

ralismus schadet nicht. Die Kulturhoheit der Länder ist Verfassungsfolklore“ in „Die Zeit“ den Höhepunkt der Debatte. Seine Hauptargumente lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:252 í Föderalismus ist nicht nur die rechtsstaatliche Form eines gebändigten deutschen Tribalismus, sondern auch der Ausdruck der Angst der Deutschen vor sich selbst. í Der Zentralismus im Dritten Reich war ein problematisches Folgesymptom von Hitlers Machtergreifung, nicht die wesentliche Ursache der nationalsozialistischen Entgleisung. í Föderalismus ist schwerfällig und verbesserungswürdig. í Von einer Gefahr durch einen gegebenen Zentralismus kann man nicht ausgehen, weil… … das institutionelle Herrschaftsmosaik der Bundesrepublik für einen zentralistischen Putsch völlig ungeeignet ist, … mehr als 50 % aller Bundesgesetze aus den Harmonisierungsbestrebungen der EU erwachsen und … im politischen Konsensgespräch auf allen politischen und gesellschaftlichen Ebenen, in parlamentarischen Ausschüssen im Konflikt mit wirtschaftlichen, gewerkschaftlichen und anderen Interessenverbänden, in einer unübersehbaren Kette von Regierungskonferenzen, von Bund-Länder-Treffen bis hinauf zum G-8-Gipfel regiert wird. Naumann plädierte für eine verstärkte Bundeskulturpolitik, resultierend aus den Erfordernissen innerhalb eines vereinten Europas, vor allem hinsichtlich der Besonderheiten der kulturellen Tradition, die Institutionen wie die Liberalität im Medienbereich, die duale Rundfunkordnung oder auch die Buchpreisbindung hervorgebracht hat und sich teils erheblich von Traditionen anderer EU-Mitgliedsstaaten unterscheidet.253 Der eigentliche Auslöser der Kontroverse ist allerdings in den Ausführungen Naumanns zum Begriff „Verfassungsfolklore“ zu sehen. Hierzu behauptete er, dass der Begriff „Kulturhoheit“ nicht im Grundgesetz aufscheint, das bisherige System auf verfassungsrechtlicher Ebene also durch diese neue Bundeskulturpolitik nicht berührt wird. Hingegen ergibt sich aus Art. 5 Abs. 3 GG ein klarer und umfassender Handlungsauftrag,

__________ 252

Vgl. Naumann, 2000, S. 59. Vgl. Naumann, 2000, S. 59. In einem nachfolgenden Abschnitt der vorliegenden Arbeit wird auf die Erfordernisse noch stärker Bezug genommen. 253

122

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

der allerdings dem Staat nicht vorschreibt, in welchem Umfang und in welcher Form er seiner Förderungspflicht nachzukommen hat.254 Dies ist schon bereits unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips ein falscher Schluss. Und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass entsprechende Reaktionen, sogar teils mit recht scharfem Ton, folgten. So sprach Thomas E. Schmidt von Naumanns Äußerungen als einer Provokation für viele überzeugte Föderalisten und nahm gleichzeitig Bezug zum Bayerischen Kultusminister Hans Zehetmair, der im Gegensatz zu Naumanns Stellungnahme keinen verfassungsrechtlichen Rahmen für das Amt des BKM sieht.255 In ähnlicher Weise argumentiert Robert Leicht, dem in den Ausführungen des damaligen BKM der empirische Beweis dafür fehlt, dass „Zentralismus“ tatsächlich nicht schadet. Genauso vehement widerspricht er der Aussage, dass das föderalistische System ein Tribalismus sei. Im Gegenteil: Der Föderalismus ist das fortschrittlichste System und Instrument der Problem-, Orts- und Bürgernähe. Staatliche Entscheidungen werden durch den Wettbewerb um bessere Lösungen beschleunigt.256 Im Jahrbuch für Kulturpolitik 2001 des Instituts für Kulturpolitik der kulturpolitischen Gesellschaft e.V. wurde der „Kulturföderalismus“ als Schwerpunktthema gewählt. Hierin befinden sich einige Artikel namhafter Kulturpolitiker, Publizisten und Wissenschaftler, die bezüglich der verfassungsrechtlichen Grundlagen auf die Ausführungen von Naumann nochmals eingehen. Hierbei wird eindringlich festgestellt, dass es wohl eine festgeschriebene Zuständigkeit der Länder gibt, allein schon aufgrund der Tatsache, dass es keine Steuerung der Kultur „von oben“ geben darf, sondern ihr Schutz und ihre Förderung zu gewährleisten sind. Kulturföderalismus ergibt sich ex negativo als Bestimmung, die nicht in Bundeskompetenz fällt und daher auch keiner ausdrücklichen Erwähnung bedarf. Im Gegenzug gibt es eben auch keine an- oder ausgesprochene „Bundeshoheit“ für Kulturpolitik.257 Wie so oft ist das Optimum eine Schnittmenge aus den Vorteilen des einen und des anderen Systems. Man darf die Vorteile einer komplementären Struktur nicht einfach durch Kompetenzstreitigkeiten übergehen. So liegen die Vorteile des Föderalismus zum einen im Wettbewerb, in dem die Länder miteinander stehen, zum anderen in der Möglichkeit für die Länder, eine von der Bundesregierung abweichende Politik zu verwirklichen. Gleichzeitig ergeben sich aber auch Nachteile, die in der Schwerfälligkeit der Entscheidungsprozesse bei gemeinsamen Grundsatzfragen begründet liegen.258 Föderalismus ist demnach ebenso als dynamisches, soziales Phänomen zu begreifen, das einer Entwick-

__________ 254

Vgl. Naumann, 2000, S. 59. Schmidt, 2000, S. 31. 256 Leicht, 2000, S. 58. 257 Vgl. z. B. Zehetmair, 2002, S. 87 – 89 sowie Röbke / Wagner, 2002, S. 13 – 14. 258 Vgl. Geis, 2002, S. 140. 255

II. Kulturpolitische Konzepte

123

lung unterliegt. Zunächst muss deshalb ein Überblick geschaffen werden, welche Träger der Kulturpolitik überhaupt relevant sind:259 Verfassungsstaat

Staatliche Träger

Gesellschaftlichöffentliche Träger

Private Träger

EU, Bund, Länder, Kommunen.

UNESCO, Freie Träger, Kirchen, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Stifterverbände etc.

Mäzene, Sponsoren etc.

Abbildung 21: Kultureller Trägerpluralismus in der Gesellschaft der BRD

Allein anhand der Akteursvielfalt und der Vielzahl der Interaktionen und Interdependenzen, hierbei vor allem auch an die Vernetzung der Europaregionen gedacht, wird die Dynamik ersichtlich. Häberle beschreibt drei Entwicklungsstufen des deutschen Föderalismus:260 Klassischer Föderalismus:

Relative Stärke der Glieder, weitgehende Trennung zwischen Bund und Ländern.

Kooperativer Föderalismus:

Konstitutionalisierung von Gemeinschaftsaufgaben.

„fiduziaristischer Föderalismus“: Bund und alte Länder stehen auf Zeit in einer besonderen Solidaritätspflicht. Gerade diese letzte Stufe deutet auf die besondere Situation in der Bundesrepublik Deutschland hin. Hier befindet sich die Kulturpolitik in einem besonderen Dilemma: Die Wiedervereinigung machte es notwendig, zu großen Stücken auf das längst überholt geglaubte Konzept der „Kulturpflege“ zurück zu greifen. Die Angleichung der Verhältnisse in den neuen Bundesländern an die,

__________ 259 260

Eigene Darstellung in Anlehnung an Häberle, 2002, S. 133. Häberle, 2002, S. 118.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

124

die in den alten vorherrschen, machte eine stärkere Partizipation des Bundes im Bereich der Kulturförderung notwendig. Gleichzeitig vollzieht sich der europäische Einigungsprozess, bei dem eine kulturpolitische Vertretung auf der Bundesebene als sinnvoll erscheint. Man könnte dieses Spannungsverhältnis folgendermaßen skizzieren: EUROPA

Gesetzgebung & Kulturförderung

Interessenvertretung & Repräsentation

Solidaritätspflicht gemeinsam mit dem Bund

ALTE BUNDESLÄNDER UND DEREN KOMMUNEN

Interessenvertretung

Maß an Loyalität

Regionale & Sektorale Kulturförderung und inhaltliche Konzeptionen

Schaffung von Rahmenbedingungen

Interessenvertretung

BUND

GESELLSCHAFTLICHÖFFENTLICHE TRÄGER

Maß an Loyalität

Schaffung von Rahmenbedingungen

NEUE BUNDESLÄNDER UND DEREN KOMMUNEN

Regionale & Sektorale Kulturförderung und inhaltliche Konzeptionen

PRIVATE TRÄGER

Abbildung 22: Rollenstruktur der kulturpolitischen Akteure

Indirekt, über die Bundesebene (dargestellt durch die beiden gestrichelten Pfeile), sind die Länder abhängig von Entscheidungsprozessen auf der EUEbene. So sind gesetzliche Regelungen zu beachten und einzuhalten, aber durch die Kulturförderprogramme der EU werden auch Möglichkeiten geschaffen und neue Potenziale freigesetzt. Als regionale und sektorale Kulturfördermaßnahmen sollen hier solche genannte werden, die sich direkt innerhalb eines bestimmten Sektors und / oder innerhalb einer bestimmten Region auswirken. Von solchen Fördermaßnahmen profitieren die Länder und die Kommunen ebenso wie der Bund. Der „Aktivierende Staat“ soll hierbei „die Eigenkräfte der Gesellschaft unterstützen und anregen“. Dies kann sich beispielsweise durch eine Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, wie z. B. die Reform des Stiftungsrechts, einstellen.261 Aber auch durch Umstrukturierungsmaßnahmen in Kulturverwaltungen, Eröffnen neuer Finanzierungswege und offene Trägermodelle von Kultureinrichtungen, die die Bürger dazu ermutigen, ihre Zeit und ihr Geld für Kunst und Kultur zu stiften, oder aber durch die Qualifizierung von ehrenamtlichen Mitarbeitern, künstlerischen Produktionen

__________ 261

Vgl. Röbke / Wagner, 2001. S. 21.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung II. Kulturpolitische Konzepte

125

und kulturellen Dienstleistungen kann dieses Ziel erreicht werden.262 Was in dieser Abbildung nicht berücksichtigt wurde sind die zuvor bereits angesprochenen Vernetzungen der Euroregionen. Diese zweifellos vorhandenen Interdependenzen allerdings in eine Übersicht über grobe institutionelle Verknüpfungen zu implementieren, scheitert an der Vielzahl und an der Verschiedenartigkeit dieser Vernetzungen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der Bund bzw. die Kulturpolitik an sich dem Subsidiaritätsprinzip unterworfen ist, wird deutlich, in welch großem Spannungsfeld der Bund sich befindet. Eine vermeintlich zentrale Stellung ist letztlich dennoch kein Argument für einen Zentralismus. Denn die kulturelle Vielfalt, die in der Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu manchen anderen Ländern vorherrscht263, legitimiert allein schon ein föderales Staatsprinzip. Vielmehr müssen Komplementärbereiche bzw. Überschneidungsbereiche hinsichtlich der Kompetenz des Bundes und der Länder in der Form harmonisiert werden, dass eine kulturell fruchtbare Struktur entsteht, die zur Erhaltung des „komplexen Ganzen“264 beiträgt. Hierzu ist allerdings die Hilfe aus dem privaten Sektor sowie seitens der gesellschaftlich-öffentlichen Träger notwendig. Deshalb ist die Neuorientierung der Kulturpolitik auch in großem Maße mit der Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements verbunden. Die Ausgangssituation ist hierbei maßgeblich geprägt von den leeren Kassen der öffentlichen Hand, die auf die Strukturprobleme im Land hindeuten. Dieses wirkt sich häufig auch auf die Situation kultureller, kommunaler Institutionen aus, und zwar insofern, dass der Staat zunehmend weniger in der Lage ist, diese zu finanzieren. Deshalb wurde bereits Mitte der 1990er Jahre der Ruf nach einem „Kulturvertrag“ laut, der besagt, dass es den Bürgern nicht gleichgültig sein darf, wenn kulturelle Institutionen verschwinden. Der Staat hat entsprechend dafür Sorge zu tragen, dass eine notwendige Kompensation zur Erhaltung dieser Institutionen geleistet wird. Dabei ist der Einbezug der Bürger ein absolut adäquates Mittel.265 Dieses Konzept stellt eine zunehmende Aufteilung der Verantwortung sowie Mitbestimmungsrechte zwischen Staat und Gesellschaft in den Mittelpunkt. Bezug nehmend auf Abbildung 22 sind es hier vor allem die privaten Akteure und die gesellschaftlich-öffentlichen Träger der Kulturpolitik. Ziel der Initiative des Staates ist die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Kulturpraxis. Und dies auf eine Weise, dass es zu einer Beteiligung der sog. Bürgergesellschaft an eben dieser Praxis kommt. Ganz in der Tradition der Neuen Kulturpolitik handelt es sich um eine aktivierende Politik, die der Staat betreiben sollte. Der Staat wird zunehmend mehr zum Moderator und Verhandlungspartner. Die Aspekte des politischen Handelns sind hierbei

__________ 262

Vgl. Röbke / Wagner, 2001, S. 16. Vgl. hierzu Abschnitt D. IV. 264 Vgl. hierzu Kapitel B. 265 Vgl. Ammann, 1994, S. 16. 263

126

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

im Dialog statt in Vorgaben, in einer Koproduktion statt in Verhandlungen, in einer Leistungsaktivierung statt in einer Leistungskürzung zu sehen. Das Fördern – also das Unterstützen von Bemühungen – sowie das Fordern – also das Einfordern von Engagement und Verantwortungsübernahme – bilden den Kern der politischen Arbeit.266 Was bedeutet dies nun für den bzw. die BKM und sein bzw. ihr Staatsministerium? Naumann, der selbst dieses Amt bis Januar 2001 innehatte, beantwortet dies folgendermaßen: Es wird ein ständiges Prüfen notwendig, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen berücksichtig werden. Hierfür ist die Bundesregierung verantwortlich. Des Weiteren muss der Bund dafür Sorge tragen, dass der notwendige Raum für kulturelles Schaffen gesichtet und gegebenenfalls optimiert wird.267 In der Praxis ist ein solches Spannungsfeld m. E. zwar latent vorhanden, aber die hier angeführten Schwierigkeiten in der Interaktion des Bundes mit anderen kulturpolitischen Akteuren lassen sich nach Ansicht von Nevermann so nicht erkennen. Dieser sieht eher eine mehr praktische Situation und selten Überschneidungen, die zu Spannungen führen könnten:268 „Mit den Ländern treten wir nur in Kontakt, wenn eine Kultureinrichtung irgendeines Landes betroffen ist. Ebenso wenig mit der KMK. Bei uns spielt die Regierung, vor allem das Bundesfinanzministerium, eine Rolle, aber auch, bei Rechtsfragen, z. B. Urheberrecht, Ausstellungsvergütung, etc., das Justizministerium, aber auch das Bundesinnenministerium. Bei Fragen der Kompetenzabgrenzungen, z. B. bei der Zusammenführung der beiden Kulturstiftungen. Wir sind für die Bundesverwaltung ein relativ untypischer Bereich, eine nichtgesetzorientierte Verwaltung mit ein bisschen Geld. Und dann ist der andere wichtige Interaktionspartner der Bundestag. Man muss immer Kontakt halten zu den Abgeordneten, zur Fraktion zum Kulturausschuss und zu den Haushaltsleuten. Die müssen permanent informiert werden. Hier muss man sehr wachsam, kommunikativ und offen sein. Die Länder spielen keine Rolle. Europa gegenüber haben wir klare Interessen, gehen dahin, um Mehrheiten zu bekommen oder anderen zu helfen ihre Interessen durchzusetzen. Das ist aber ein eher freundschaftliches, kollegiales Verhältnis. Manchmal geht es auch darum gemeinsam etwas zu verhindern, z. B. die Buchpreisbindung. Ansonsten müssen wir uns eigentlich nicht abstimmen.“

Hieraus wird ersichtlich, dass eigentlich mehr in den eigenen Reihen taktiert werden muss, um strittige Sachfragen zu lösen. Allerdings bezieht sich dieses

__________ 266 Vgl. Sievers, 2001, S. 134 – 138 sowie Oppermann, 2001, S. 179 – 184. Letzterer referiert in seinem Aufsatz am Fallbeispiel der „Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur“ (LAGS) wie dieses Programm praktisch funktionieren kann. 267 Vgl. Naumann, 2001, S. 106. 268 Vgl. hierzu das im Anhang dokumentierte Interview.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

127

Statement auf die praktische Arbeit der Behörde. Als kulturpolitischer Akteur ist sie zunächst „nur“ als verlängerter Arm der Bundesregierung, und somit des Bundes, zu sehen. Die genauen Zielvektoren der bundesdeutschen Kulturpolitik sollen im nächsten Abschnitt genau beleuchtet werden.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung Welche konzeptionellen Vorstellungen hinter der Neuorientierung der Kulturpolitik stehen, wäre nun hinreichend erklärt. Auch in welchem Spannungsfeld sich der Bund befindet und mit welchen Schwierigkeiten diese Neuorientierung verbunden ist. Aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen und den fehlenden inhaltlichen Vorgaben, die handlungsleitend für politische Aktivitäten sein könnten, ist es deshalb von besonderer Relevanz, welche Ziele sich die Politik gesetzt hat, um in einem nächsten Schritt zu analysieren, welche und vor allem wie diese Ziele in der Praxis tatsächlich erreicht werden. Gleichzeitig muss aber auch auf eine operationale Trennung zwischen verschiedenen Bereichen hingewiesen werden, die gemäß der Theorie, die im zweiten Kapitel expliziert wurde, unter den vielschichtigen Kulturbegriff subsumiert wurden. So sind der Bildungs- und der Wissenschaftssektor institutionell durch eigene Ministerien abgedeckt und fallen in der Folge nicht unter die Zielsetzungen, die im Weiteren hier behandelt werden sollen. Nichtsdestotrotz sind sie aber im Grunde zu einer ganzheitlichen Kulturpolitik hinzuzuzählen und stehen mit ihr insofern in Verbindung, als dass in vielen Bereichen interaktive Politik notwendig oder zumindest wünschenswert gewesen wäre.269 Dies ist deshalb besonders erwähnenswert, weil gerade die „Bildungs-“, die „Forschungs-“ und die „Hochschulpolitik“ in den kulturpolitischen Kompetenzdiskussionen inhaltlich lange Zeit eine große Rolle spielten.270

__________ 269 Der Bildungssektor ist ein ebenso reformbedürftiger Politikbereich. Dies hat nicht zuletzt die PISA-Studie empirisch belegt. Die Rückwirkungen auf andere gesellschaftliche Teilsysteme sind, trotz anzunehmender zeitlicher Verzögerungen der Wirkung der Defizite, bereits jetzt im wirtschaftlichen, politischen, sozialen aber auch im kulturellen Bereich spürbar. (Vgl. Baumert, 2001). Dementsprechend werden auch hier sehr kritisch Maßnahmen gefordert, die eine Veränderung einleiten sollen. (Vgl. Bisky, 2002, S. 13). 270 Wagner, 2002 (b), S. 40.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

128

Es macht Sinn, zunächst die Arbeitsteilung vor 1998 bzw. vor der Schaffung des Staatsministeriums für Kultur und Medien und der Benennung des ersten BKM genauer zu betrachten.

1. Kulturpolitische Aufgabenteilung auf der Bundesebene vor dem Regierungswechsel von 1998 In erster Linie waren und sind die Kommunen und Länder für die Kulturpolitik verantwortlich. Außer – und dies gilt weitgehend als Richtlinie – bei überörtlichen und die Leistungsfähigkeit übersteigenden Aufgaben.271 Vor dem Regierungswechsel im Jahr 1998 hat sich die kulturpolitische Zuständigkeit des Bundes auf folgende Ministerien verteilt:272 1. Bundesministerium des Inneren: (a) Bewahrung und Schutz des kulturellen Erbes: Z. B.: í í í í í (b)

Schutz sowie Erhaltung herausragender Kulturdenkmäler, Förderung von Bibliotheken und Archiven, Pflege und Bewahrung deutscher Kultur im Osten, Schutz von Kulturgut gegen Abwanderung, Schutz von Kulturgut im Rahmen der Zivilverteidigung nach der Haager Konvention.

Förderung von bedeutsamen kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen: Z. B.: í Kulturstiftung der Länder, í Schiller-Nationalmuseum mit deutschem Literaturverzeichnis in Marbach, í Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt,

__________ 271

Es sei nochmals erwähnt, dass im Rahmen dieser Arbeit lediglich die Kulturpolitik auf der Bundesebene ausführlich expliziert werden kann. Ein sehr guter und knapper Überblick über die Praxis der Kulturpolitik der Länder und der Kommunen findet sich in: Heinrichs / Klein, 1996, S. 157 sowie S. 160 – 163. Die vollständige Berücksichtigung würde aus den folgenden Gründen den Rahmen der Arbeit überschreiten: Die Länder und vor allem die Kommunen sind zur kulturpolitischen Tätigkeit per Gesetz verpflichtet. Aber auch hier ist die Frage, welches kulturelle Angebot sie schaffen oder unterstützend erhalten, gänzlich ihnen überlassen. Eine Beleuchtung dieser Praxis könnte allenfalls anhand von länderspezifischen Fallbeispielen erfolgen, um dem Anspruch einer konzisen Darstellung zu entsprechen. Auf diese wird hier zugunsten der ausführlichen Darstellung des Schwerpunktthemas aber verzichtet. 272 Vgl. Heinrichs / Klein, 1996, S. 157 – 159.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

129

í Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg, í documenta in Kassel. (c)

Verbesserung der Rahmenbedingungen und Fördermaßnahmen zur Entfaltung von Kunst und Kultur: Z. B.: í Förderung von deutschen Künstlern durch Stipendienaufenthalte im Ausland, í Förderung gesamtstaatlich bedeutsamer Kulturverbände und Künstlerförderungsprogramme (z. B. Deutscher Werkbund, Bundesverband Bildender Künstler, Stiftung Lesen), í Filmförderung (z. B. Deutscher Filmpreis), í Förderprogramme im Rahmen der verschiedenen Kulturfonds.

2. Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft („Zukunftsministerium“): (a) (b) (c)

Ausbildung der künstlerischen Berufe, Förderung von Modellversuchen zur kulturellen Bildung, Anregung zum kulturwissenschaftlichen und -politischen Erfahrungsaustausch.

3. Auswärtiges Amt: (a) (b)

Fragen der auswärtigen Kulturpolitik, diplomatische Vertretung im Ausland sowie im Rahmen von, mit zahlreichen Ländern abgeschlossenen, Kulturabkommen.

Neben diesen Behörden gibt es einige Bundesministerien, die mit entsprechenden Aufgaben befasst sind bzw. waren:273 4. Bundesarbeitsministerium: Fragen der sozialen und beruflichen Sicherung von Künstlern und Kulturschaffenden (z. B. Gestaltung der Künstlersozialversicherung). 5. Bundesjustizministerium: Wirkt bei der juristischen Festschreibung wichtiger Rahmenbedingungen der Kulturpolitik mit (z. B. Urheberrechtsfragen, Stiftungsrecht). 6. Bundesministerium für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: Gestaltung kultureller Jugendbildung. 7. Bundesfinanzministerium: Entwickelt im Steuerrecht fördernde oder behindernde Gesetze für privates Mäzenatentum durch entsprechende Regelungen.

__________ 273

Heinrichs / Klein, 1996, S. 159.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

130

Neben diesen Zuteilungen gab und gibt es häufiger noch Überschneidungsbereiche mit anderen Ministerien. So ist beispielsweise das Bundesbauministerium für die Ministerbautenplanung zuständig. Da hierbei aber ohnehin der Grundsatz der Kunstfreiheit greift, ist es m. E. strittig, ob solche Aktivitäten überhaupt der Kulturpolitik zugeordnet werden sollten. Der Grundsatz der Kunstfreiheit umfasst „das Verbot, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, insbesondere den künstlerischen Gestaltungsraum einzuengen oder allgemein Regeln für diesen Schaffensprozeß vorzuschreiben“.274 Insgesamt konnte man bisher damit von einer „punktuellen Kulturkompetenz des Bundes“275 sprechen. Die Länder waren für ihre Koordination und kulturpolitische Arbeit selbst verantwortlich. Dies hat sich nach 1998 auch nicht geändert. Allerdings wird durch die Bündelung der kulturpolitischen Kompetenz des Bundes beim BKM bzw. beim Bundeskanzler eine systematische Politik ermöglicht, die auf einen Machtzuwachs des Bundeskanzlers hindeutet. Die Frage, ob dies sinnvoll ist, wird in der Schlussbetrachtung der Arbeit noch genauer behandelt.

2. Aufgabenbereiche und Ziele des bzw. der BKM Am 27.10.1998 wurde Michael Naumann der erste BKM. In dem ihm zugeteilten Ministerium sollten die zahlreichen und bisher auf mehrere Ministerien verteilten Kompetenzen gebündelt werden. Gerhard Schröder leitete am 10.11.1998 die Schaffung dieses Amtes mit folgenden Worten ein:276 „Zur Bündelung der kulturpolitischen Kompetenz des Bundes schaffen wir das Amt eines Staatsministers für kulturelle Aufgaben. Er wird Impulsgeber und Ansprechpartner für die Kulturpolitik des Bundes sein und sich auf internationaler, vor allem auf europäischer Ebene als Interessenvertreter der deutschen Kultur verstehen. Auch dadurch wird die Bundesregierung Kulturpolitik wieder zu einer großen Aufgabe europäischer Innenpolitik machen.“

Diese recht blumige Einleitung für einen neuen Politikstil lässt sich nun mit den Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen kontrastieren. In Kapitel VIII. („Sicherheit, Toleranz und Demokratie“) sind Vereinbarungen zur Kultur- und Medienpolitik enthalten, die sich thematisch auf folgende Schwerpunkte beziehen:277

__________ 274

Geis, 2002, S. 143. Häberle, 2002, S. 132. 276 Zitiert in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2000, S. 11. 277 Im Folgenden zitiert in: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 99, V / 2002, S. 60 – 61. 275

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

131

(a) Stärkung der Bürgerschaft: z. B. durch: í Förderung der kulturellen Bildung von Kindern und Jugendlichen, í Öffnung für die Kulturen der Migranten und Migrantinnen, í Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Kunst und Kultur, í Kulturverträglichkeitsprüfungen, í Verantwortung für die Kulturlandschaft Berlins und für den Kulturstandort Bonn, í Gedenkstättenarbeit, í Medienpolitik: í Garantie des öffentlich-rechtlichen, gebührenfinanzierten Rundfunks und seiner Weiterentwicklung auch im Internet, í Sicherung eines chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugangs zu den neuen Medien, í Reform der Medien- und Kommunikationsordnung, í Novellierung des Filmförderungsgesetzes: Die Filmförderanstalt soll die zentrale Institution der kulturellen, wirtschaftlichen und exportierenden Filmförderung werden; Abgaben werden erhöht; kriteriengestützte Referenzförderung soll ausgebaut werden, í Novellierung des Deutsche-Welle-Gesetzes. í Die UNESCO-Konvention von 1970 bzw. das UNIDROIT-Übereinkommen von 1995 über gestohlene oder illegal ausgeführte Kulturgüter sollen ratifiziert werden, í Erhaltung der Mehrwertsteuer im Kulturbereich, í Förderung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs, í Modernisierung des Wirtschaftsrechts: Das Urheberrecht wird – bezogen auf neue Technologien – fortentwickelt. Die Rechtsordnung muss die Wettbewerbsstellung kleiner Betriebe im Software-Bereich stärken. Open-Source-Produkte dürfen nicht benachteiligt werden. (b) Aufbau Ost: í Infrastruktur und Kommunen, í EU-Osterweiterung. (c) Lebenswerte Städte – Sozialer Zusammenhalt: í Städtebaupolitik zur Umsetzung der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie: Belebung der Innenstädte, Stärkung des urbanen Wohnens, neue Nutzung von Konversionsflächen und innenstädtische Brachen sowie der Umbau von Beständen, innerstädtische Mobilität und energetische Sanierung des Gebäudebestandes, Qualitätsoffensive bei der Baukultur, í Stärkung der Baukultur in Deutschland: Erleichterung von kostengünstigem Bauen.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

132

(d) Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik: í Intensivierung des internationalen kulturellen Dialogs auf allen Ebenen, í Unterstützung der Menschenrechte und der Demokratie, í Krisenprävention, í Repräsentation deutscher Kultur. Beim Versuch, die kulturpolitischen Aufgaben des Bundes zu kategorisieren, kommt man zu einer Vierteilung, die man – wie in Abbildung 23 dargestellt – skizzieren kann. 278 Die einzelnen Aspekte, die dabei unter den jeweiligen Politikbereichen aufgeführt sind, sollen hierbei nur exemplarisch verdeutlichen, was zum Zeitpunkt der Untersuchung auf der Agenda stand. Diese Bereiche ändern sich je nach Bearbeitung. So ist die Novellierung des Urheberrechts abgeschlossen und taucht als spezieller Reformbereich dann entsprechend nicht mehr auf. Hiermit soll lediglich verdeutlicht werden, welche unterschiedlichen und vielfältigen Arbeits- und Aufgabeneinheiten zu berücksichtigen sind. Auswärtige Kulturpolitik

Ordnungspolitik

Förderpolitik

Novelle des Urhebervertragsrechts

Kulturelle Leuchttürme

Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetztes

Aufbauprogramm „Kultur in den neuen Bundesländern“

Sicherung der kulturellen Vielfalt

Reform der Besteuerung ausländischer Künstler

Hauptstadtkulturförderung

Reform der EURichtlinien

Aufrechterhaltung der Buchpreisbindung

Stiftung preußischer Kulturbesitz

Kulturelle Integration

Reform des Stiftungsrechts

Konzeption des „Humboldt-Forums“

Harmonisierung mit der EU und den Ländern

Konzept für die Gedenkstättenarbeit

Blaubuch

Vermittlung eines angemessenen Deutschlandbildes

Medienpolitik

Deutsche Welle Gestaltung der Medienordnung Reform des audiovisuellen Sektors Neue Medien Filmförderung

Fragen der deutschdeutschen Identität

Gründung der Bundeskulturstiftung

Abbildung 23: Kulturpolitische Aufgabenfelder des Bundes

__________ 278

Diese Abbildung ist den Ausführungen von Nida-Rümelin (vgl. 2002, S. 18 – 21) angelehnt.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

133

Als Weiteres wäre damit auch geklärt, welche Zuständigkeiten aus den entsprechenden Ministerien herausgelöst und in die Verantwortung des BKM gestellt wurden:279 1. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Inneren: Zuständigkeit für Kultur und Medien (hierunter fallen auch die Pflege des Kulturguts für Vertriebene und Flüchtlinge sowie die kulturelle Betreuung fremder Volksgruppen und heimatloser Ausländer, nicht jedoch die Religionsgemeinschaften) sowie für die Gedenkstätten. 2. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft: Zuständigkeit für Verlagswesen, Medien- und Filmwirtschaft. 3. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums Raumordnung, Bauwesen und Städtebau: Zuständigkeit für die Kulturförderung in der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn. 4. Aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildung und Forschung: Zuständigkeit für Medienpolitik. 5. Weiterhin unterstehen dem BKM das Bundesarchiv und das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte als nachgeordnete Behörden. Die Auswärtige Kulturpolitik bleibt allerdings weiterhin in der Verantwortung des Auswärtigen Amtes. In den nächsten Abschnitten werden nun diese verschiedenen Aufgabenfelder und ihre Akteure eingehender behandelt, um Einblicke in die Arbeitsweisen und Organisationsstrukturen zu bekommen.

3. Die Behörde des bzw. der BKM Bei dem Amt BKM handelt es sich um die Leitung einer obersten Bundesbehörde. Zum Zeitpunkt der Anfertigung dieser Studie wird diese Behörde von Staatsministerin Christina Weiss geleitet. Ihre Vorgänger in diesem Amt waren Michael Naumann (Oktober 1998 – Januar 2001) und Julian Nida-Rümelin (Januar 2001 – Oktober 2002). Die Ministerin selbst hat ihr Büro im Bundeskanzleramt in Berlin. Außer einer zusätzlichen Berliner Außenstelle ist der Dienstsitz der ca. 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allerdings in Bonn. Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilen sich weitestgehend auf vier Gruppen, die wiederum in jeweils fünf bzw. sechs Referate und einen Arbeitsstab gegliedert sind. In diesen Referaten und Gruppen sind zwischen 4 und 9 Mitarbeiter beschäftigt. Die Gruppen K1 und K3 sind hinsichtlich der Perso-

__________ 279

Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2000, S. 11.

Personalangelegenheiten

Referat K21

Darstellende Kunst; Kulturelle Förderung von Minderheiten

Referat K26

Schwerpunktförderung neue Länder

Referat K25

Bildende Kunst; Sammlung zeitgenössischer Kunstwerke; Schutz und Erhaltung von Kulturgut; Zentralstelle des Bundes für Kulturgüter

Referat K24

Stiftung Preußischer Kulturbesitz; Museen; Ausstellungen

Referat K 23

Musik; Bühnentanz

Referat K22

Literatur und deutsche Sprache

Gruppe K3

Film- und Videowirtschaft

Referat K36

Angelegenheiten des Films

Referat K35

Medienpolitik; Neue Dienste; Buch- und Verlagswesen; Rundfunk

Referat K34

Deutsche Welle; Folgen der Neuordnung des bundesweiten Hörfunks

Referat K33

Grundsätzliche Rechtsfragen in Medienangelegenheiten; Presserecht; Telekommunikation; Medienbericht

Referat K32

Internationale Zusammenarbeit im Kultur- und eauftragter

Referat K31

Medien; Internationale Angelegenheiten im Kultur- und Medienbereich

Pressearbeit

Kabinett, Parlament, Planungsbeauftragte

Arbeitsstab Kulturelles Begleitprogramm zur Fußballweltmeisterschaft 2006

Förderung deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa (Grundsatzangelegenheiten; Museen und Archive; Kulturelle Breitenarbeit)

Referat K45

Förderung deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa (Wissenschaft, Literatur, Musik, Bildende Kunst, Medien und Bibliotheken)

Referat K44

Archivwesen Bibliothekswesen

Referat K43

Jüdisches Museum; Schloßplatz Berlin; Baukultur; Deutsches Nationalkomitee für Denkmalschutz, Geschäftsstelle des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz

Referat K42

Pflege des Geschichtsbewusstseins; Gedenkstätten

Referat K41

Pflege des Geschichtsbewusstseins; Archiv- und Bibliothekswesen; Förderung deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa

Gruppe K4

Innenrevision, Geschäftsstelle

Abbildung 24: Organisation und Aufgabenteilung der Behörde der BKM 2003

Referat K16

Organisation; Innerer Dienst; Bibliotheksangelegenheiten; IT

Referat K15

Öffentlich- Rechtliches, handelsrechtliches und stiftungsrechtliches Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen; Beauftragter für den Haushalt

Referat K14

Rückführung von Kulturgut; Deutsch- Russische Kulturbeziehungen

Referat K13

Rechtliche Rahmenbedingungen der Kultur; Kulturpolitische Aspekte der Gesetzgebung des Bundes; Stiftungswesen; Justitiariat

Referat K12

Grundsatzfragen der Kulturpolitik; Allgemeine kulturelle Angelegenheiten; Kulturförderung in Berlin und Bonn

Referat K11

Gruppe K2 Kunst- und Kulturförderung; Schwerpunktförderung Neue Länder

Gruppe K1

Abteilung Kultur und Medien

Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien

Grundsatzfragen der Kulturpolitik; Rahmenbedingungen der Kultur; Zentrale Angelegenheiten

Büro der Staatsministerin

134 D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

135

nalstärke um ca. 25 % stärker ausgestattet als die Gruppen K2 und K4. Das auf Seite 134 abgebildete Organigramm (Abbildung 24) gibt einen Überblick über die Organisationsstruktur und die Aufgabenteilung der Behörde.280 Das es zu dieser institutionellen Neuorganisation zum Erhebungszeitpunkt so gut wie keine genauen, schriftlich fixierten Aussagen über den praktischen Hergang gab, war dieses Thema ein Schwerpunkt im Interview mit Nevermann. Als ein wesentlicher Akteur konnte dieser genaue Auskünfte über diesen Vorgang geben. Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit einer institutionellen Neuorientierung der bundesdeutschen Kulturpolitik ist hier natürlich in Hinblick auf die tatsächliche Neuschaffung dieser Behörde zu stellen. Im Interview mit dem Leiter der Abteilung wurden demzufolge folgende Fragen gestellt: Endreß: „Eine wesentliche Frage, die mich beschäftigt, bezieht sich auf die Gründung der Behörde der BKM. Vor dem Regierungswechsel im Jahre 1998 waren die einzelnen Sachgebiete, die der Behörde mittlerweile zugeordnet sind, anderen Ministerien – vorrangig dem Innenministerium – zugeteilt. Wurden diese Aufgabenbereiche strukturell herausgelöst, also die personellen Ressourcen anders verteilt, oder wurde das Staatsministerium komplett neu gegründet? Handelt es sich also um eine zusätzliche Behörde oder um eine Zusammensetzung von Mitarbeitern, die zuvor anderen Bundesministerien zugeordnet waren? Und die zweite Frage hierzu: Inwiefern wurden denn die tatsächlichen personellen Kräfte übernommen, kann man also von einer „Neubesetzung“ sprechen oder wurde das Personal nur anders verteilt?“

Dr. Nevermann: „Wir haben gesagt welche Referate zu uns kommen sollen. Das war die ganze Abteilung Kultur des Bundesinnenministeriums, ein Teil der Abteilung „Vertriebenenkultur“, aus dem Wirtschaftsministerium die Abteilung „Filmförderung und Verlagswesen“ sowie die Abteilung „Berlin und Bonn“ aus dem Bundesbauministerium. Sämtliche Referate, jeweils mit allem was dazu gehört, also mit dem gesamten Personal, allen Stellen und natürlich auch den konkreten Personen wurden eins zu eins übernommen und zunächst einmal zusammengelegt. Dahinter stehen natürlich auch inhaltliche Titel in den Haushaltsplänen. Die wurden auch entsprechend herausgezogen. Es fehlte allerdings noch eine allgemeine Verwaltung, also z. B. Sachbearbeiter im Bereich „Personal- und Haushaltsangelegenheiten“. Diese Stellen kamen natürlich dazu. Da musste das Bundesinnenministerium, weil es nun weniger zu tun hatte, uns teilweise Personal abgeben, teilweise bekamen wir auch zwei, drei Stellen dazu. Und dann wurde ganz neu aufgebaut: Die Stelle des Staatsministers, damals Michael Naumann, ich habe die Stelle meines Amtsvorgängers im Bundesinnenministeriums übernommen und der ganze Stab, das sind in etwa zehn Leute – Sekretärinnen, Fah-

__________ 280

RegierungOnline, 2003, in: http://www.bundesregierung.de/Regierung/ Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9756/Organigramm.htm, Abruf: Mai 2003.

136

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

rer usw. – wurde komplett mit neuen Leuten auf neuen, leeren Stellen aufgebaut. Das war richtig neu. Wir konnten damals also etwa zwölf Leute insgesamt neu einstellen. Diese kamen zum Teil auch aus dem Kanzleramt oder aus anderen Behörden dazu. Frisch eingestellt wurde der persönliche Referent, Pressereferent, Kabinetts- und Parlamentsreferent, also insgesamt 3 Leute. D. h. es kamen zehn Leute vom Arbeitsmarkt, teilweise kamen diese auch über Ausschreibungen zu uns. Bei den anderen Mitarbeitern handelt es sich um das alte Personal, das mit seiner entsprechenden Aufgabe zu uns kam. Mit Erfahrungen aus 16 Jahren Amtszeit Helmut Kohl; was einen interessanten Sachverhalt darstellte. Wir stellten uns zwar die Frage, wie das wohl funktionieren wird. Ich muss aber sagen, dass es sich bei allen um qualifizierte Leute handelt, die absolut loyal sind. Ich hatte nicht ein einziges Problem. Kurz vor der letzten Bundestagswahl im September fing es dann an ein bisschen zu rumoren, weil alle dachten, wir wären bald weg. Aber sonst hatten wir nie ein Problem.“

Also kann von einem echten Neuanfang in institutioneller und organisatorischer Hinsicht in diesem Fall nicht gesprochen werden. Die Aufgabenbereiche und deren Strukturierung weichen, wie sich auch im weiteren Verlauf der Arbeit zeigen wird, nicht sonderlich von den „traditionellen“ der Vorgängerregierung ab. Es hat sich lediglich eine Veränderung der Hierarchie ergeben, die unter gewissen, noch zu erläuternden Kriterien sicherlich als sinnvoll erachtet werden kann. Aber dies soll zu einem späteren Zeitpunkt, im Rahmen der Gesamtbeurteilung, noch stärker diskutiert werden. Sieht man die Homepage der Behörde bzw. die publizierten Selbstdarstellungen ein281, so stellt man fest, dass versucht wird, die im vorigen Abschnitt explizierten Aufgabenfelder mit entsprechenden Projekten und Programmen zu charakterisieren. So setzt sich die augenblickliche Agenda aus den folgenden Schwerpunkten zusammen:282 í í í í í í í í

Reformen für Kultur und Medien, Kultur in den neuen Ländern, Hauptstadtkulturförderung, Kulturstiftung des Bundes, Reform der Deutschen Welle, Reform der Filmpolitik, Kulturförderung verschiedenster Art im In- uns Ausland, Kulturpolitik auf der EU-Ebene.

__________ 281

So z. B. in RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/ Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9756/, Abruf: Mai 2003, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2000, Im Bund mit der Kultur. Neue Aufgaben der Kulturpolitik, Berlin, sowie Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2002 (a), Im Bund mit der Kultur. Neue Aufgaben der Kulturpolitik, Berlin. 282 Vgl. RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/ Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9756/, Abruf: Mai 2003.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

137

Obwohl unter dem Bereich „Kulturförderung“ versucht wird relativ ganzheitlich zu informieren, ist es auffallend, dass die Filmförderung besonders hervorgehoben und charakterisiert wird. Auf dieses Programm sowie auf die Förderpraxis des Bundes in den neuen Bundesländern wird in einem nachfolgenden Abschnitt exemplarisch für diesen Arbeitsbereich umfassender eingegangen. Zunächst sollen aber die Bereiche allgemein erläutert werden, um zu verdeutlichen, welche konkrete Arbeit sich tatsächlich hinter diesen Praxisfeldern verbirgt. Wie bereits erwähnt, ist die Behörde der BKM für die ordnungspolitischen, förderpolitischen und medienpolitischen Aspekte der Kulturpolitik des Bundes hauptverantwortlich. Für die Auswärtige Kulturpolitik zeichnet sich das Auswärtige Amt als Hauptakteur verantwortlich. Allerdings muss betont werden, dass es Überschneidungsbereiche gibt, die es schwer machen, die Aufgaben so idealtypisch voneinander zu trennen. So fallen selbstverständlich auch Fördermaßnahmen wie z. B. die Unterstützung der Villa Massimo in Rom in den Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik. Mit der nachfolgenden Deskription soll ein möglichst anschaulicher Strukturüberblick erreicht werden, der das weitgehend sehr diffuse Feld der Kulturpolitik transparenter werden lässt.

4. Die Förderpraxis des Bundes im Inland

a) Förderbudgets und deren Entwicklung Der Bund fördert weitestgehend kulturelle Einrichtungen von nationaler Bedeutung, in der Hauptstadt, in der kulturellen Infrastruktur der neuen Länder und in der Auswärtigen Kulturpolitik.283 Um einen Überblick über das monetäre Volumen zu erhalten, sollen zunächst die einzelnen Förderbereiche im zeitlichen Abriss und hinsichtlich ihres Volumens dargestellt werden. Allerdings sind zum Verständnis der Daten einige wichtige Fakten zu erwähnen, die in der Beurteilung der Bedeutung der Kulturpolitik des Bundes immens wichtig sind: Im Jahr 2001 erschien der bislang einzige aktuelle und umfassende Finanzbericht des Statistischen Bundesamtes.284 Hier wurden die öffentlichen Ausgaben für Kultur und Kulturnahe Bereiche, deren Entwicklung in den letzten Jahren, die Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden etc. statistisch aufbereitet. Leider deckt sich dieser Bericht nur teilweise mit der Präsentation

__________ 283

RegierungOnline, 2003 http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragtefuer-Kultur-und-Me-,9331/Kultur-und-Medienpolitik.htm; Abruf: 31.05.2003. 284 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.), 2001, Kulturfinanzbericht 2000, MetzlerPoeschel, Stuttgart.

138

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

derselben Daten in anderen Publikationen. Dies kann – zumindest teilweise – erklärt werden, macht aber deshalb die Übersichtlichkeit nicht unbedingt einfacher. In diesem angesprochenen Bericht werden die Ausgaben für Kultur und für den Kulturnahen Bereich getrennt voneinander behandelt. Dementsprechend beläuft sich der Anteil des Bundes an den gesamtstaatlichen Ausgaben für Kultur beispielsweise im Jahr 1998 lediglich auf 3,7 % (0,4 Mrd. DM bzw. 0,2 Mrd. €). Die Länder beteiligten sich mit einem Anteil von 43,7 % (5,3 Mrd. DM bzw. 2,7 Mrd. €), und die Gemeinden hatten mit 52,6 % (6,4 Mrd. DM bzw. 3,3 Mrd. €) den größten Anteil an den gesamtstaatlichen Ausgaben für Kultur.285 Dieses Bild verändert sich, wenn man die Ausgaben für Kulturnahe Bereiche zur Berechnung der Anteile hinzunimmt. Während der Bereich Kultur die Sektoren Theater, Musikpflege, nichtwissenschaftliche Bibliotheken und Museen, Denkmalschutz, sonstige Kulturpflege sowie die Verwaltung für kulturelle Angelegenheiten umfasst, gelten als Kulturnahe Bereiche die folgenden:286 Rundfunk und Fernsehen, kulturelle Angelegenheiten im Ausland, kirchliche Angelegenheiten, wissenschaftliche Museen und Bibliotheken, Volkshochschulen, Kunsthochschulen, Naturschutz und Landschaftspflege. Der Anteil des Bundes an diesen Ausgaben (1998 insgesamt ca. 1,8 Mrd. DM bzw. 0,9 Mrd. €) lag bei 35,0 %, während die Länder mit 51,5 % und die Gemeinden mit 13,5 % beteiligt waren.287 Dies bedeutet, dass – unter der Bedingung, dass die beiden Bereiche aufsummiert werden – auf den Bund im Jahr 1998 ein Anteil an den Gesamtausgaben des Staates für Kultur und den Kulturnahen Bereich von 13,6 % (2,4 Mrd. DM bzw. 1,2 Mrd. €), auf die Länder ein Anteil von 46,3 % (8,2 Mrd. DM bzw. 4,2 Mrd. €) und auf die Gemeinden ein Anteil von 40,1 % (7,1 Mrd. DM bzw. 3,6 Mrd. €) entfielen. Das Problem, welches hierbei existiert und das die Basis für Diskussionen um Kulturpolitik in der Praxis so stark aufweicht, umschreibt Michael Söndermann, Leiter des Arbeitskreises Kulturstatistik, folgendermaßen:288 „Wenn es keine Abstimmung von Bund, Ländern und Gemeinden zur Festlegung dessen gibt, was unter Kultur zu verstehen ist, dann sind folglich auch keine allgemeinverbindlichen Angaben zur Kulturfinanzierung zu erwarten. Allein für die Bundeskulturausgaben lassen sich in der Antwort der Bundesregierung mindestens drei verschiedene Gesamtsummen finden: (…)“

Söndermann grenzt deshalb die verschiedenen Sektoren nach zwei Konzepten ab: Nach dem SKA-Konzept289, das sich an dem Modellprojekt des Landes

__________ 285

Statistisches Bundesamt, 2001, S. 25. Statistisches Bundesamt, 2001, S. 17 und S. 60. 287 Statistisches Bundesamt, 2001, S. 17. 288 Söndermann, 2001, S. 344 – 345. 289 SKA = Staatlich-kommunale Abgrenzung. 286

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

139

Sachsen (SAKUSDAT290) orientiert, und dem BLK-Konzept.291 Diese unterscheiden sich darin, dass sie gewisse Kultursektoren beinhalten, andere wiederum nicht. So setzen sich die Berechnungsgrundlagen der beiden unterschiedlichen Konzepte folgendermaßen zusammen:292 Theater Musikpflege Museen, Sammlungen, Ausstellungen Denkmalschutz und -pflege sonstige Kunst- und Kulturpflege Kulturverwaltung Wissenschaftliche Museen Wissenschaftliche Bibliotheken Bibliothekswesen Volkshochschulen Sonstige Volks-Weiterbildung Kunsthochschulen Kirchliche Angelegenheiten Naturschutz / Landschaftspflege

SKA-Konzept X X X X X X X X X X X X -

BLK-Konzept X X X X X X X

Abbildung 25: Gegenüberstellung des SKAund des BLK-Konzepts

Es macht natürlich grundsätzlich Sinn, einen Abgrenzungsmodus zu finden, um eine Vergleichbarkeit zu ermöglichen. Allerdings legt der Bund, respektive die bzw. der BKM in einer anderen Form Rechenschaft über seine Ausgaben ab. Die nachfolgende Aufstellung ist eine Zusammenstellung aus zwei Informationsbroschüren des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung. Wie ersichtlich, sind hier die Hauptfördergebiete und die größten Posten der Kulturförderungen und Kulturinvestitionen exemplarisch aufgeführt. Daher ergeben sich einige „Lücken“: Die Institutionen, denen die Gelder zuflossen, haben sich teilweise geändert oder wurden im einen Jahr aufgeführt, im anderen wiederum nicht. Gleichzeitig ist ersichtlich, dass die unter den Gebieten aufgeführten Posten nicht den Gesamtumfang des jeweiligen Gebietes erklären. Sie sind an dieser Stelle von Wichtigkeit, um die Fördergebiete abzugrenzen. Bereits anhand dieser ersten Aufstellung wird deutlich wie komplex sich dieses Politikfeld hinsichtlich seiner Budgetierung gestaltet. In den nachfolgenden Abschnitten ist deshalb ein besonderes Augenmerk zunächst auf die Genauigkeit der „Abrechnungen“ und dann auf die Effizienz einer solchen Ausgabenstruktur zu legen.

__________ 290

Sächsische Kulturstatistik Datenbank. Bund-Länder-Kommission. 292 Vgl. Söndermann, 2001, S. 349 – 350. 291

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

140

Tabelle 2 Ausgaben des bzw. der BKM in 2000 und 2002 (Soll-Werte)

1. Kulturstiftungen davon Stiftung Preußischer Kulturbesitz Stiftung Preußische Schlösser und Gärten BerlinBrandenburg, Potsdam Kulturstiftung des Bundes, Halle / Saale Kulturstiftung der Länder, Berlin Stiftung Weimarer Klassik, Weimar 2.

Museen

davon Deutsches Historisches Museum, Berlin Kunst- und Ausstellungshalle der BRD, Bonn Stiftung Haus der Geschichte der BRD, Bonn

in 1.000 DM 363.065

2000 in 1.000 € 185.632,19

% 20,83

2002 in 1.000 € % 219.865 23,01

294.622

150.637,84

16,9

161.784

16,4

26.000

13.293,59

1,49

13.294

1,39

12.782

1,34

8.692

0,91

15.000

7.669,38

0,86

14.740

7.536,44

0,85

7.537

0,79

130.868

66.911,75

7,51

70.832

7,41

26.632

13.616,73

1,53

23.964

2,51

27.912

14.271,18

1,60

13.966

1,46

36.203

18.510,30

2,08

16.721

1,75

3.

Die Deutsche Bibliothek, Leipzig, Frankfurt / Main

67.554

34.539,81

3,88

34.905

3,65

4.

Archive

88.646

45.323,98

5,09

45.325

4,74

486

0,05

davon Stiftung Bach Archiv, Leipzig Archiv Akademie der Künste, Berlin Bundesarchiv, Koblenz 5.

Festspiele

davon Berliner Festspiele Ruhrfestspiele, Recklinghausen 6. 7.

Bad Hersfeld Denkmalpflege, Sicherung von Kulturgut Förderung kultureller Maßnahmen gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz

2.096

0,22

42.743

4,47

447

0,05

8.375

4.282,07

0,48

7.500

3.834,69

0,43

620

317,00

0,04

317

0,03

255

130,38

0,01

130

0,01

52.078

26.627,06

2,99

26.213

2,74

38.533

19.701,61

2,21

17.246

1,81

Fortsetzung auf S. 141

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung Fortsetzung von S. 140

in 1.000 DM davon Herder Institut, Marburg Adalbert Stifter Verein e.V., München Museum Ostdeutsche Galerie, Regensburg Südostdeutsches Kulturwerk e.V., München Pommersches Landesmuseum, Greifswald Schlesisches Museum zu Görlitz Donauschwäbisches Zentralmuseum, Ulm Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, Oldenburg 8. Internationale kulturelle Aufgaben im Inland davon u. a. Internationale Musikfestspiele in Dresden und Internationales Denkmalkomitee ICOMOS

2000 in 1.000 €

%

1.586

0,17

479

0,05

571

0,06

584

0,06

2.025

0,21

1.511

0,16

396

0,04

783

0,08

5.452

2.787,56

0,31

1.317

0,14

508

0,05

6.245

3.193,02

0,36

2.977

0,31

5.375

2.748,19

0,31

683

0,07

655

334,90

0,38

401

0,04

215 38.449

109,93 19.658,66

0,01 2,21

118 19.062

0,01 2,0

3.223

1.647,89

0,18

1.648

0,17

Philharmonia Hungarica

6.481

3.313,68

0,37

Bamberger Symphoniker Rundfunkorchester und Chöre GmbH, Berlin Film

6.354

3.248,75

0,36

3.179

1,07

19.831 27.800

10.139,43 14.213,91

1,14 1,59

10.226 16.207

1,7

9. Förderung der Künstler davon Villa Massimo, Rom Studienzentrum Venedig Villa Romana e. V., Florenz Musik

10. davon Bayreuther Festspiele

11. davon Kulturelle Filmförderung Kinematheksverbund Deutsche Kinemathek, Berlin 12.

2002 in 1.000 € %

Sprache und Literatur

davon Deutscher Übersetzerfonds Deutsche Schillergesellschaft, Marbach Writers in Exile

12.874

6.582,37

0,74

0,33

10.737

1,12

1.329

0,14

51

0,005

7.135

0,75

102

0,01

7.592

3.881,73

0,44

3.167

0,33

300

153,39

0,02

281

0,03

Fortsetzung auf S. 142

141

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

142 Fortsetzung von S. 141

in 1.000 DM

2000 in 1.000 €

2002 %

Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt / Main 13.

14.

Bildende Kunst u. a. Erwerb zeitgenössischer Kunst Förderung von Kunst und Kultur in Berlin und Bonn

davon Hauptstadtkulturförderung Kulturförderung Bonn

15.

in 1.000 €

%

462

0,05

850

434,60

0,05

435

0,05

170.000

86.919,62

9,75

111.512

11,67

100.000

51.129,19

5,74

70.000

35.790,43

4,01

Hauptstadt Kulturfonds

12.015

1,26

Berliner Festspiel GmbH Haus der Kulturen der Welt

15.199

1,59

5.932

0,62

Martin Gropius Bau

1.534

0,16

Jüdisches Museum

12.371

1,29

Bonn-Vereinbarung

26.588

2,78

Geschichtsbewusstsein

65.623

33.552,51

3,76

46.357

4,85

5.330

2.725,19

0,31

2.366

0,25

1.525

779,72

0,09

780

0,08

5.050

2.582,02

0,29

4.582

0,48

10.000

5.112,92

0,57

7.669

0,8

10.226

1,07

Medien

599.811

306.678,49

34,4

301.871

31,59

davon Deutsche Welle

580.406

296.756,88

33,29

284.429

29,77

7.956

0,83

davon Gedenkstätte Buchenwald, Weimar Topographie des Terrors, Berlin Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten Erweiterung des Gedenkstättenkonzepts Baumaßnahme Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Berlin 16.

17.

Schürmannbau, Bonn Sonstige Kulturförderungsmaßnahmen Programm „Kultur in den neuen Ländern“ Gesamtsumme

67.014

34.263,71

3,84

33.747

3,53

60.000

30.677,51

3,44

30.678

3,21

1.743.237

891.302,92

100

955.453

100

(Quellen: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2000, Im Bund mit der Kultur. Neue Aufgaben der Kulturpolitik, Berlin, S. 76 – 77 sowie Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2002, Im Bund mit der Kultur. Neue Aufgaben der Kulturpolitik, Berlin, S. 130 – 131.)

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

143

Tabelle 3 Ausgaben des Bundes in 1998, 2000 und 2002 auf verschiedenen Kultursektoren in % und in 1000 € (Soll-Werte) 1998

2000

2002

1.

Kulturstiftungen

n 206.530,22

% 33,28

n 185.632,19

% 20,83

n 219.865

% 23,01

2.

Museen

64.961,17

10,47

66.911,75

7,51

70.832

7,41

3.

Die Deutsche Bibliothek, Leipzig, Frankfurt / Main

38.545,78

6,21

34.539,81

3,88

34.905

3,65

4.

Archive

46.689,13

7,52

45.323,98

5,09

45.325

4,74

5.

Festspiele

4.276,96

0,69

4.282,07

0,48

447

0,05

6.

Denkmalpflege, Sicherung von Kulturgut

122.997,39

19,82

26.627,06

2,99

26.213

2,74

7.

Förderung kultureller Maßnahmen gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz

26.818,79

4,32

19.701,61

2,21

17.246

1,81

8.

Internationale kulturelle Aufgaben im Inland

1.022,58

0,16

2.787,56

0,31

1.317

0,14

9.

Förderung der Künstler

1.468,43

0,24

3.193,02

0,36

2.977

0,31

10.

Musik

20.782,48

3,35

19.658,66

2,21

19.062

2,0

11.

Film

12.388,09

2,00

14.213,91

1,59

16.207

1,7

12.

Sprache und Literatur

4.774,44

0,77

6.582,37

0,74

7.135

0,75

13.

Bildende Kunst

921,35

0,15

434,60

0,05

435

0,05

14.

Förderung von Kunst und Kultur in Berlin und Bonn

37.324,31

6,01

86.919,62

9,75

111.512

11,67

--

--

33.552,51

3,76

46.357

4,85

15.

Geschichtsbewusstsein

16.

Medien

17.

Ausstellungen

--

--

306.678,49

34,4

301.871

31,59

713,76

0,12

--

--

--

--

18.

Kirchen- und Religionsgemeinschaften

5.367,54

0,87

--

--

--

--

19.

Sonstige Kulturförderungsmaßnahmen

24.961,27

4,02

34.263,71

3,84

33.747

3,53

620.543,69

100

891.302,92

100

955.453

100

Gesamt

(Quellen: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2000, Im Bund mit der Kultur. Neue Aufgaben der Kulturpolitik, Berlin, S. 76 – 77, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2002, Im Bund mit der Kultur. Neue Aufgaben der Kulturpolitik, Berlin, S. 130 – 131 sowie Bernd Wagner, 1998, Kulturkompetenz des Bundes. Verfassungsrechtliche Grundlagen und kulturpolitische Praxis, in: Kulturpolitische Mitteilungen, Nr. 80, I / 1998, S. 30.)

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

144

Um einen Vergleich im Zeitabriss über mehrere Jahre zu bekommen, wurden in der vorangestellten Tabelle 3 aus den oben genannten Gründen, vor allem aber aufgrund der besseren Vergleichbarkeit der Entwicklung, nur die einzelnen Hauptfördergebiete und die entsprechenden Anteile am Budget aufgeführt. Wie auch schon hinsichtlich der institutionellen Aspekte, haben sich nach dem Regierungswechsel keine gravierenden Veränderungen im Rahmen der Förderpolitik, bezogen auf die Ausgabenkategorien, ergeben.293 Die fehlenden Auflistungen unter den Punkten 15., 16., 17. und 18. ist als Folge der bereits beschriebenen Kompetenz- und damit Budgetverschiebungen zu sehen; damit wirkt die Darstellung stark realitätsverzerrend. Graphisch stellen sich die Veränderungen folgendermaßen dar: 19. Sonstige Kulturförderungsmaßnahmen 18. Kirchen- und Religionsgemeinschaften 17. Ausstellungen 16. Medien 15. Geschichtsbewusstsein 14. Förderung von Kunst und Kultur in Berlin und Bonn 13. Bildende Kunst 12. Sprache und Literatur

Förderbereiche

2002

11. Film 10. Musik

2000

9. Förderung der Künstler

1998

8. Internationale kulturelle Aufgaben im Inland 7. Förderung kultureller Maßnahmen gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz 6. Denkmalpflege, Sicherung von Kulturgut 5. Festspiele 4. Archive 3. Die Deutsche Bibliothek, Leipzig, Frankfurt/Main 2. Museen 1. Kulturstiftungen

0

5

10

15

20

25

30

35

Anteile am Gesamtbudget-Inland in %

Graphik 1: Ausgaben des Bundes in 1998, 2000 und 2002 in % auf verschiedenen Kultursektoren (Soll-Werte)

__________ 293

Vgl. Wagner, 1998, S. 30. Bernd Wagner hat diese Aufstellung für das Jahr 1998 angefertigt. Er bezieht sich dabei teilweise auf Daten, die er dem Bundeshaushaltsplan 1998 entnommen hat und teilweise ebenso aus Informationsbroschüren der damaligen Bundesregierung. Dabei trifft er eine entsprechende Zuordnung zu den auf den vorherigen Seiten dargestellten verantwortlichen Ministerien. Also bezogen auf die Aufgabenteilung, wie sie vor dem Regierungswechsel gegolten hat.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

145

Diese Daten zeigen nun vielleicht nicht unbedingt den Gesamtumfang der Kulturausgaben des Bundes im Inland, wenn man die Verwirrungen hinsichtlich der oben angeführten Abgrenzungen berücksichtigt. Sie zeichnen jedoch ein relativ genaues Bild bezüglich der Anteile der einzelnen Kultursektoren. Einige Aspekte müssen hier genauer beschrieben werden. Die Bereiche Ausstellungen und Kirchen- und Religionsgemeinschaften sind in den Aufstellungen von 2000 und 2002 nicht mehr aufgeführt, während die Bereiche Geschichtsbewusstsein sowie Medien bei Wagner nicht unter den Kulturausgaben im Inland subsumiert sind. Korrekterweise müssten diese recherchiert werden. Der besonders hervorstechende Anteil der Ausgaben für den Bereich Medien muss unbedingt aufgeführt werden. Dieser lag im Jahr 1998 bei 336 Mio. € (657 Mio. DM).294 Ein weiterer signifikanter Unterschied besteht in den höheren Aufwendungen in 1998 im Bereich Denkmalpflege, Sicherung von Kulturgut. Eventuell ist dies aufgrund der Tatsache erklärbar, dass von diesem Betrag fast 80 % (ca. 97.942 €) das Bundesministerium für Raumordnung aufgewendet hat und dessen Aufgaben nicht zu dem des bzw. der BKM gehören. Dennoch ist dieser Betrag nicht wegzudefinieren. Ebenso ist der erhöhte Anteil an der Finanzierung von Kulturstiftungen signifikant. Im persönlichen Gespräch mit Ministerialdirektor Dr. Nevermann von der Behörde der BKM wurde dieser Befund damit erklärt, dass etwaige Überschüsse aus dem Vorjahr grundsätzlich in den Bereich Denkmalpflege, Sicherung von Kulturgut flossen. Dies wurde mittlerweile mit einem so genannten Nulltitel gelöst. Dieser Topf ist gleichzusetzen mit einem Verfügungskonto, aus dem Gelder für Projekte geschöpft werden, die nicht auf dem eigentlichen Ausgabenplan standen und bei denen akute Erfordernisse vorhanden und schnelles und unbürokratisches Handeln notwendig ist. Wagen wir nun einen Vergleich zwischen den Jahren und verinnerlichen gleichzeitig, dass Ende des Jahres 1998 ein Regierungswechsel stattgefunden hat.295

__________ 294

Vgl. hierzu Statistisches Bundesamt, 2001, S. 64; dieser Bereich ist hier unter dem Begriff „Rundfunkanstalten und Fernsehen“ als Kulturnaher Bereich definiert. Dieser Betrag liegt gemäß dieser Aufstellung sogar absolut über dem Betrag, der 2000 und 2002 für diesen Bereich aufgewendet wurde. 295 Als Quellen hierfür dienten Informationen aus: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2000, S. 76 – 77, Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (Hg.), 2002, S. 130 – 131, Wagner, 1998, S. 30 sowie RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9618/Haus halt-2003.htm; Abruf: 31.05.2003.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

146

980.000,00 960.000,00

970.500 956.543,71*

955.453

in 1000 €

940.000,00 920.000,00 900.000,00

891.302,93

880.000,00 860.000,00 840.000,00 1998

2000

2002

2003

(* ergänzt mit den Ausgaben für Medien)

Graphik 2: Förderausgaben des BKM jährlich im Zeitvergleich (Soll-Werte)

Zum Haushalt für das Jahr 2003 ist folgende Anmerkung zu machen: Das eigentlich geplante Budget beträgt 930,5 Mio. €. Die 40 Mio. €, die hier noch zusätzlich in die Berechnung genommen werden, sind der Betrag, der aufgewendet wurde, um die Hochwasserschäden im Kulturbereich aus dem Jahr 2002 zu beseitigen.296 Ersichtlich ist hierbei, dass die Kulturausgaben deutlich von der Regierung abhängen. Anders lässt sich der Einbruch im Jahr 2000 nicht erklären. Die anderen Aufteilungen wurden von Nevermann teilweise angezweifelt, was somit die Notwendigkeit nach sich zog, sich direkt mit den Ausgabenlisten aus den Haushaltsplänen auseinander zu setzen. Was sich zunächst als simples Vorhaben darstellte, wurde aber zu einer recht komplizierten Angelegenheit. Insofern sind die nächsten Aufstellungen, die sich aus der Auswertung der Haushaltslisten ergeben, kritisch zu betrachten, was an den unterschiedlichsten Gründen liegt. Zunächst ergab sich bei Sichtung der Listen die Schwierigkeit, dass die einzelnen Titelgruppen mit samt ihren Untertiteln zu den Ausgaben des Bundes für Kultur im Inland bis einschließlich zum Jahr 1998 im Einzelplan 06, der den Haushalt des Bundesinnenministeriums dokumentiert, aufge-

__________ 296

RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragtefuer-Kultur-und-Me-,9618/Haushalt-2003.htm; Abruf: 31.05.2003.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

147

führt waren. Zwar wurden die meisten der Titel ab dem Jahr 1999 genau so in den Einzelplan 04, der den Haushalt des Bundeskanzleramtes, einschließlich der Abteilung Kultur und Medien, beinhaltet, übernommen, jedoch ergaben sich einige Defizite in der Dokumentation des Übergangs, die sich folgendermaßen gestalten: Die Pläne dokumentieren in der Regel drei Jahre, wobei für das am längsten zurückliegende Jahr der Ist-Wert, für die anderen beiden, das aktuelle und das dem vorangegangenen Jahr, der Soll-Wert dargestellt wird. Z. B. sind im Haushaltsplan für das Jahr 2002 die Soll-Werte für die Haushaltsjahre 2001 und 2002 dargestellt, sowie der Ist-Wert des Jahres 2000.297 Demzufolge konnten für die Jahre 2001 und 2002 lediglich die Soll-Werte abgelesen werden. Für die Jahre davor hätten allerdings alle Werte vorhanden sein sollen. Das angesprochene Defizit bezieht sich vor allem auf das Jahr 1998. Hier waren die Ist-Werte, die im Jahr 2000 hätten vorliegen müssen, weder in den Einzelplänen 04 noch 06 oder in irgendeiner anderen Liste zu finden. Dies kann mehrere Gründe haben: So kann es beispielsweise sein, dass bestimmte Titel umgewidmet wurden, dass Gelder im Nachhinein gestrichen wurden, oder dass bei der Zusammenstellung der Daten schlichtweg nachlässig gearbeitet wurde. Letzterer Punkt ist darin begründet, dass Werte oftmals noch in den Gesamtaufstellungen verzeichnet sind, nicht aber in den Einzeldokumentationen der Titelgruppen. Insofern ist die Spalte für das Jahr 1998 in der nachfolgenden Aufstellung gesondert zu betrachten. Ursprünglich wurden die Posten, zu denen keine Ist-Werte aufgeführt waren, in den vorliegenden Tabellen – vor allem in der Aufstellung zu den Ausgaben des Auswärtigen Amtes – weggelassen. Dadurch entstehen aber so augenscheinliche Verzerrungen, dass es schwer fällt zu glauben, dass solche Einschnitte und Kürzungen tatsächlich vorgenommen wurden. Zumal es nur ein temporäres und nicht weiter dokumentiertes Aussetzen der Zahlungen wäre. Hierfür wurden die Soll-Werte (gekennzeichnet mit *) eingesetzt. Insofern sind diese Daten lediglich als Richtwerte zu sehen, die entsprechende Aggregatszustände beschreiben.

__________ 297

Zum Zeitpunkt der Untersuchung lagen noch keine Unterlagen aus 2003 vor.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

148

Tabelle 4 Ausgaben des BKM für Förderung der Kultur gemäß den Haushaltslisten (nach Titelgruppen in 1000 €)298 Titelgruppen

1996 (Ist)

1997 (Ist)

1998 (Soll aus 1999)

1999 (Ist)

2000 (Ist / Soll)

2001 (Soll)

2002 (Soll)

1. Kosten des deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz

262,29

239,8

135,49

255

235

135

135

2. Forschung, Untersuchungen und Ähnliches

-

-

61,36

6

71

61

62

3.251,31

3.038,61

-

4.856

775

3.579

3.068

4. Projektförderung im Rahmen der deutschen Vereinigung und internationaler sowie nationaler Repräsentation

-

-

-

7.256

7.903

-

-

5. Zuschuss an den Zentralstaat sowie das Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma

-

-

-

-

1.328

1.539

1.589

6. Förderung von Kunst und Kultur gesamtstaatlicher Bedeutung über die Kulturstiftungen der Länder

7.158,09

6.749,05

7.158,09

7.669

7.669

8.181

8.692

7. Zuschuss für den Beschwerdeausschuss des deutschen Presserates

-

122,71

122,71

123

135

123

123

8. Zuschuss des Bundes an die „Stiftungen für das sorbische Volk“

-

8.180,67

8.180,67

8.174

8.186,67*

8.181

8.181

9. Zuschuss an das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft

-

-

-

-

255,65*

256

256

01. Allgemeine kulturelle Angelegenheiten

3. Sicherung, Erwerb und Rückführung von national wertvollem Kulturgut

Fortsetzung auf S. 149

__________ 298

Diese Aufstellung berücksichtigt nicht die Einnahmen, sächlichen Verwaltungskosten und Personalkosten.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

149

Fortsetzung von S. 148

1996 (Ist)

1997 (Ist)

1998 (Soll aus 1999)

1999 (Ist)

2000 (Ist / Soll)

2001 (Soll)

2002 (Soll)

10. Förderung von national und international bedeutsamen Vorhaben insbesondere zur kulturellen Integration, Kooperation und Innovation über eine nationale Kulturstiftung

-

-

-

-

-

-

12.782

11. Substanzerhaltung und Restaurierung von unbeweglichen Kulturdenkmälern von nationaler Bedeutung

7.648,93

13.903,05

18.219,37

18.048,09

16.361,34*

15.850

14.317

12. Sicherung und Erhaltung von Kulturdenkmälern in den neuen Ländern

2.553,9

3.579,04

-

7.669,38

6.135,5*

6.340

6.136

13. Programm „Kultur in den neuen Länder“

-

-

-

46.016,27

30.677,51*

30.678

30.678

14. Zuschuss für Investitionen an das Europäische Zentrum für Kunst und Industriekultur „Weltkulturerbe Völklinger Hütte“

-

-

-

-

1.553,88*

1.023

2.557

15. Erwerb zeitgenössischer Kunstwerke zur kulturellen Repräsentation des Bundes

255,65

23,52

434,6

434,6

-

-

-

21.130,17

35.836,45

34.312,29

100.507,34

81.286,55

75.946

88.576

1. Zuweisungen an die Länder für Forschungseinrichtungen der Blauen Liste

-

9.982,46

10.646,12

11.316,93

10.436

11.250

11.562

2. Maßnahmen der wirtschaftlichen Filmförderung

-

3.835,2

4.192,59

4.161

4.086

3.579

4.090

Titelgruppen

01 gesamt 02 Kulturförderung im Inland

Fortsetzung auf S. 150

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

150 Fortsetzung von S. 149

1996 (Ist)

1997 (Ist)

1998 (Soll aus 1999)

1999 (Ist)

2000 (Ist / Soll)

2001 (Soll)

2002 (Soll)

3. Zuschüsse zur Einrichtung auf dem Gebiet der Musik und Literatur

13.632,58

11.299,04

11.719,32

12.096

11.236

10.497

11.325

4. Kulturelle Einrichtung und Aufgaben im Inland

82.195,79

82.943,3

91.610,72

90.476

80.175

76.843

78.267

5. Zuweisungen an die Länder für Forschungseinrichtungen der Blauen Liste

-

2.098,85

2.982,37

1.980

1.491

1.286

1.179

25.949,6

23.764,85

23.963,23

26.649,38

23.272,46

25.328

29.068

02 gesamt

121.777,97

133.923,7

145.114,35

146.679,31

130.696,46

128.783

135.491

03 Stiftung Preußischer Kulturbesitz

122.605,24

118.266,41

128.273,93

132.323

89.878

165.977

172.010

04 Die Deutsche Bibliothek

65.450,99

47.929,01

37.987,45

36.029

33.368

34.010

34.905

05 Förderung deutscher Künstler im Ausland

1.119,22

1.197,96

1.468,43

1.299

-

2.429

3.412

06 Pflege des Geschichtsbewusstseins

17.364,49

19.725,13

24.146,27

18.213

17.416

27.075

36.076

07 Förderung kultureller Maßnahme im Rahmen des §96 BVFG und kulturelles Eigenleben fremder Volksgruppen

20.287,55

21.001,83

26.818,79

24.288

17.036

17.972

17.971

08 Kulturelle Leistungen an Berlin und Bonn

-

-

-

61.683

10.070

119.899

121.738

09 Auslandsrundfunk

334.010,62

322.625,18

320.580,01

325.037

290.394

314.585

301.748

55 Ausgaben für Informationstechnologie

-

-

-

265

56

458

428

718.701,52

846.323,65

670.201,01

887.134

912.355

Titelgruppen

6. Zuschüsse für Investitionen

Gesamt: 703.746,25 700.505,67

(Quelle: Eigene Zusammenstellung aus den Bundeshaushaltsplänen für die Haushaltsjahre 1996 bis 2002, Einzelplan 04 und 06)

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

151

Hinsichtlich der relativen Anteile der einzelnen Titelgruppen an den jeweilig jährlichen Ausgaben kann man demzufolge folgendes feststellen: Tabelle 5 Relative Anteile der einzelnen Titelgruppen pro Haushaltsjahr (in %)

Titelgruppen

1996 (Ist)

1997 (Ist)

1998 (Soll aus 1999)

1999 (Ist)

2000 (Ist / Soll)

2001 (Soll)

2002 (Soll)

01. Allgemeine kulturelle Angelegenheiten

3,0

5,1

4,8

11,88

12,13

8,56

9,71

02 Kulturförderung im Inland

17,3

19,1

20,2

17,33

19,5

14,52

14,85

03 Stiftung Preußischer Kulturbesitz

17,4

16,9

17,8

15,64

13,41

18,71

18,85

04 Die Deutsche Bibliothek

9,3

6,8

5,3

4,26

4,98

3,83

3,83

05 Förderung deutscher Künstler im Ausland

0,2

0,2

0,2

0,15

-

0,27

0,37

06 Pflege des Geschichtsbewusstseins

2,5

2,8

3,4

2,15

2,6

3,05

3,95

07 Förderung kultureller Maßnahme im Rahmen des §96 BVFG und kulturelles Eigenleben fremder Volksgruppen

2,8

3,0

3,7

2,82

2,54

2,03

1,97

08 Kulturelle Leistungen an Berlin und Bonn

-

-

-

7,29

1,5

13,52

13,34

47,5

46,1

44,6

38,4

43,33

35,46

33,07

-

-

-

0,03

0,01

0,05

0,05

100

100

100

~100

100

~100

~100

09 Auslandsrundfunk 55 Ausgaben für Informationstechnologie

(Quelle: Eigene Zusammenstellung aus den Bundeshaushaltsplänen für die Haushaltsjahre 1996 bis 2002, Einzelplan 04 und 06)

Auffällig sind im absoluten Vergleich die Kürzungen im Jahr 2000. Es ist deshalb interessant zu sehen, wie und auf welche Bereiche sich diese Kürzungen ausgewirkt haben. Im Verhältnis sind hierbei die Förderungen unter Titel 08 betroffen, bei denen dann und quasi als Ausgleich der Vorjahresstreichungen im Jahr 2001 im Vergleich zu 1999 eine relative Verdoppelung angestrebt wird. Angestrebt deshalb, weil es sich noch um Soll-Werte handelt. Dieses

152

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Niveau soll den Planungen gemäß wohl auch beibehalten werden. Die miserable Finanzlage Berlins, die Anfang des neuen Jahrzehnts offensichtlich wurde, wird weitestgehend über die Förderungen durch den Bund ausgeglichen. Natürlich ist die Hauptstadtförderung ein wesentlicher Bestandteil der „neuen“ Bundeskulturpolitik, und die Erfordernisse, die das Stadtbild offenbart, sind augenscheinlich. Dennoch erscheint hier eine tatsächliche Prüfung der Ausgaben angebracht. Die Ausgabenanteile für den Auslandsrundfunk wurden nach 1998 gesenkt. Alle anderen Titel bleiben im Verhältnis relativ stabil.

b) Förderrichtlinien und Orientierungspunkte Bei der Betrachtung der Förderpraxis muss man sich zunächst im Klaren darüber sein, dass Kultur- und Kunstförderung kein „notwendiges Übel“ oder gar ein Luxus der öffentlichen Hand darstellt. Vielmehr sind die Interdependenzen zu anderen gesellschaftlichen Teilsystemen, wie beispielsweise dem wirtschaftlichen, mehr als offensichtlich. So bieten viele Kulturbereiche eine große Anzahl an Arbeitsplätzen und stellen vielerorts expansionsfähige Märkte dar.299 Das Schlagwort „Kultur ist Wirtschaftsfaktor“ soll aber an einer anderen Stelle der Arbeit noch stärker vertieft werden.300 Im Kontext der Kulturpolitik stellt die Rentabilität des Kultursektors zunächst kein übergeordnetes Kriterium und erst recht keine Richtlinie dar. Zumindest sollte man dies annehmen. Wir wissen aus dem vorher Beschriebenen, dass es keine übergeordnete Instanz gibt, die inhaltliche Vorgaben im Rahmen kulturpolitischer Aktivitäten macht. Es ist also die Frage zu stellen, welche Kriterien der Bund bei der Entscheidung, was oder wer gefördert wird, heranzieht. Zunächst ist das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. Laut Grundgesetz bzw. Einigungsvertrag hat der Bund gewisse Kompetenzen. Dies entbindet ihn aber nicht von der Überlegung, ob sein Handeln unter Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips angemessen ist. Gerade deshalb ist es sinnvoll, die Bundeskulturpolitik zunächst als eine „Komplement-Politik“301 anzusehen, die dann greifen soll, wenn es Ungleichgewichte gibt, zu deren Beseitigung eine Beteiligung des Bundes sinnvoll oder gar notwendig ist. So kann es beispielsweise durch eine Überbetonung von Kultur als Wirtschaftsfaktor zu einer Marginalisierung der Kunst kommen, was es zu verhindern gilt. Und so gesehen wird Kulturpolitik zu einer Querschnittsaufgabe, die die Felder kulturelle Infrastruktur, kultu-

__________ 299

Vgl. Willnauer, 1994, S. 102 – 103. Vgl. hierzu Exkurs II. 301 Nida-Rümelin, zitiert in: Zielcke / Kotteder, 2002, S. 16. 300

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

153

relle Bildung und Kunst behandeln sollte.302 Dies wurde in den vorangestellten Abschnitten auch deutlich herausgearbeitet. Nichtsdestotrotz bleibt aber das Problem der inhaltlichen Gestaltung, denn alles, was notwendig erscheint, kann nun mal nicht gefördert werden. Eine Vereinbarung, die den Zweck eines Richtlinienpapiers laut NidaRümelin zumindest informell erfüllt, ist die 1971 entworfene „Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Ausgaben von Bund und Ländern“, das so genannte „Flurbereinigungsabkommen“. Als informell muss es deshalb bezeichnet werden, weil diese Vereinbarung von den Ländern nie unterzeichnet, dennoch aber bisher als Richtschnur in der Praxis akzeptiert wurde.303 In dieser Vereinbarung wurde ein Katalog von Aufgaben festgelegt, die der Bund finanzieren kann, obwohl ihm für diese Aufgaben eine geschriebene Kompetenz im Grundgesetz fehlt. Hinsichtlich der Kulturfinanzierung sind folgende Absätze des § 1 dieser Vereinbarung relevant: 304 Abs. 1: Wahrnehmung der Befugnisse und Verpflichtungen, die im bundesstaatlichen Gesamtverband ihrem Wesen nach dem Bund eigentümlich sind (gesamtstaatliche Repräsentation); Abs. 2: Förderung von bundeswichtigen Auslandsbeziehungen, insbesondere zu nichtstaatlichen internationalen und ausländischen Organisationen und Einrichtungen (Auslandsbeziehungen); Abs. 6: Förderung zentraler Einrichtungen und Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen im Bereich der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes, die für das Bundesgebiet als Ganzes von Bedeutung sind und deren Bestrebungen ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden können (nicht-staatliche zentrale Organisationen) Um es einigermaßen auf den Punkt zu bringen bedeutet dies, dass alles, was von „gesamtstaatlicher Bedeutung“ ist, in den Kompetenzbereich des Bundes fällt. Diese „gesamtstaatliche Bedeutung“ eines Kulturobjektes oder eines Vorhabens wird nun folgendermaßen operationalisiert:305 Ein Kulturobjekt oder ein Vorhaben ist dann von gesamtstaatlicher Bedeutung, wenn es í von herausragender künstlerischer oder kultureller Qualität ist; í über die Grenzen eines Bundeslandes hinauswirkt, d. h. eine internationale, zumindest aber bundesweite Ausstrahlung hat (wegen Einzigartigkeit des Objekts, zentraler Aufgabenstellung, grundsätzlicher künstlerischer Bedeu-

__________ 302

Vgl. Nida-Rümelin, 2000, S. 25. Nida-Rümelin, 2002 (b), S. 88. 304 Zitiert in: Nida-Rümelin, 2002 (b), S. 88 – 89. 305 Vgl. Nida-Rümelin, 2002 (b), S. 90. 303

154

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

tung, eines traditionellen nationalen Bezugs u. Ä.), was in einer entsprechenden öffentlichen Aufmerksamkeit und vor allem durch ein eindeutig überregionales Besucherinteresse zum Ausdruck kommt; í keinen landesspezifischen Charakter hat und sich deshalb nicht regionalisieren lässt. Allein schon bei der ersten Operationalisierung offenbart sich die Möglichkeit der subjektiven Auslegung dieser vermeintlichen Leitlinien. „Herausragende künstlerische oder kulturelle Qualität“ impliziert sehr eindeutig ein künstlerisches Werturteil. Wer kann oder sollte dieses fällen, und muss hier nicht das Kunstrichterverbot greifen? Eine solche Orientierung birgt m. E. einen enormen Nährboden für Lobbyismus in sich, der die Kulturförderung zum Instrument einer Form der politischen Machterhaltung werden lassen kann. Ähnlich kann man das Kriterium der „Fehlenden Fähigkeit zur Regionalisierung“ interpretieren. Nimmt man eine andere Perspektive ein und beurteilt einen bestimmten Kultursektor beispielsweise hinsichtlich seiner (kultur-) industriellen Bedeutung für die Region, so ist zwar der landesspezifische Charakter identifizierbar, jedoch kann man auch eine Wirkung über die Landesgrenzen hinaus erkennen. So z. B. durch die Signaleffekte, die von der Region durch das kulturelle Angebot ausgehen und für den Gesamtstaat möglicherweise hinsichtlich wirtschaftlicher Aspekte „mitleuchten“. So geschieht dies jährlich bei der Subventionierung der Bayreuther Wagner-Festspiele, die immer noch umfangreich vom Bund mitgetragen werden, obgleich die Veranstaltung regelmäßig und über Jahre im Voraus ausverkauft ist und sich durchaus selbst tragen könnte. Angesichts dieser Möglichkeiten, die Kriterien verschiedenartig auszulegen, wird die Betonung seitens des Bundes, dass er über eine „stringente Ableitung und Kriterienbestimmung seines kulturpolitischen Engagements“ verfügt306, stark relativiert. Es gibt zwar dokumentierte Gespräche und Verhandlungen zwischen Bund und Ländern auf der Arbeitsebene307, diese beinhalten letztlich aber ebenfalls nur die unterschiedlichen Abgrenzungen der Förderbereiche und schaffen groteskerweise Klarheit darüber, was unklar ist. Ebenfalls strittig sind in der Folge der Zustand der Mischfinanzierung von Projekten und damit einhergehend Forderungen nach Entflechtung dieser. Nida-Rümelin differenziert für die Bund-Länder-Verhandlungen über eine Entflechtung bzw. Systematisierung vier Fallgruppen:308

__________ 306

Nida-Rümelin, 2002 (b), S. 91. Vgl. hierzu das Arbeitspapier „Kompetenz der Länder und des Bundes im Kulturbereich“, in: Regierung Online, 2003, http://www.bundesregierung.de/Anlage2600122/ Eckpunktepapier.pdf, Abruf: 06.01.2003. 308 Vgl. Nida-Rümelin, 2002 (b), S. 96 – 98. 307

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

1. Fallgruppe: 2. Fallgruppe:

3. Fallgruppe:

4. Fallgruppe:

155

Bundesförderungen, die vorrangig aufzugeben sind, weil die Einrichtungen oder Veranstaltungen von regionaler, jedoch nicht gesamtstaatlicher Bedeutung sind. Förderungen, die nicht nur regionale Bedeutung haben, sondern auch durch die gesamtstaatliche Bedeutung und ein erhebliches Bundesinteresse gerechtfertigt sind, bei denen also nebeneinander eine Finanzierungskompetenz des Sitzlandes und des Bundes gegeben ist. Förderungen, für die es eine gemeinsame Finanzierungskompetenz von Bund und Ländern gibt, bei denen das Engagement des Bundes wegen der herausragenden gesamtstaatlichen Bedeutung oder des internationalen Bezuges jedoch nicht disponibel ist. Förderungen, für die es ausschließlich Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz des Bundes gibt, z. B. das GoetheInstitut oder die Deutsche Welle, deren Zuständigkeit sich über die Auswärtige Kulturpolitik, die dem Bund obliegt, legitimiert.

Es offenbart sich abermals, dass die Kompetenzstreitigkeiten über die Abgrenzung der Förderbereiche immer noch existieren. In der Folge ist also auf der nächsten Ebene – nämlich mögliche Richtlinien der Berücksichtigung inhaltlicher Kriterien zur Förderung von Kunst und Kultur – noch kein Fortschritt zu erwarten. Um eine tiefer greifende Diagnose fortzuführen empfiehlt es sich deshalb exemplarisch zwei Förderbereiche näher zu beleuchten. Im Rahmen dieser Arbeit fiel die Auswahl dabei auf zwei Bereiche, die – zumindest was die öffentliche Diskussion anbelangt – relativ eindeutig in den Kompetenzbereich des Bundes fallen.

c) Filmförderung als Beispiel der Kulturförderung durch den Bund Auf der Homepage der Bundesregierung werden die Ausführungen zu den Tätigkeiten des Bundes auf dem Sektor der Filmförderung folgendermaßen eingeleitet:309

__________ 309

RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragtefuer-Kultur-und-Me-,9454/Filmfoerderung-nach-dem-Filmfo.htm, Abruf: 01.06.2003.

156

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

„Der Film ist ein wichtiges Kultur- und Wirtschaftsgut. Erhalt und Entwicklung deutscher Filmkultur sind nur möglich auf der Basis einer funktionierenden Filmwirtschaft. Dieses Ziel ist in Deutschland – wie auch sonst in Europa und mit Ausnahme des US-amerikanischen Films auch in Übersee – nur durch öffentliche Förderung erreichbar. Bund und Bundesländer haben deshalb ein hohes Interesse daran, den Film- und Medienstandort Deutschland durch Förderung einer leistungs- und wettbewerbsfähigen Film- und Medienwirtschaft zu stärken.“

Gestützt wird dies durch das so genannte Filmförderungsgesetz (FFG), dessen Zielsetzungen mit Hilfe der Filmförderanstalt (FFA) erreicht werden sollen. Die FFA hat dabei folgende Aufgaben:310 Steigerung der Qualität des deutschen Films auf breiter Grundlage, Verbesserung der Struktur der Filmwirtschaft, Pflege der Zusammenarbeit zwischen Film und Fernsehen, Unterstützung der Verbreitung und marktgerechten Auswertung des deutschen Films im In- und Ausland, í Hinwirkung auf eine Abstimmung und Koordinierung der Filmfördermaßnahmen von Bund und Ländern.

í í í í

Dabei konzentrieren sich die Aktivitäten auf folgende Förderbereiche:311 í Produktionsförderung von programmfüllenden Filmen (Referenz- und Projektförderung) und Kurzfilmen, í Drehbuchförderung, í Absatzförderung (Referenz- und Projektförderung), í Filmabspiel (Referenz- und Projektförderung, Zusatzkopienförderung) í Videoförderung (Programmanbieter- und Videothekenförderung), í Förderung filmberuflicher Fortbildung, í Förderung von Rationalisierungs- und Innovationsmaßnahmen, í Finanzierung von Werbemaßnahmen für den deutschen Film im In- und Ausland. In diesem Zusammenhang hier ist nun nicht entscheidend, in welcher Höhe der Bund diesen Bereich insgesamt fördert, denn das wurde bereits hinlänglich geklärt. Vielmehr geht es darum zu verstehen, welche Argumentation hinter der Förderung eines einzelnen Projektes steht. Denn wie kann beispielsweise ein Film, der gefördert werden soll, aber noch nicht abgedreht wurde, als kulturell bzw. künstlerisch wertvolles Werk bezeichnet werden? Wenden wir uns

__________ 310

RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragtefuer-Kultur-und-Me-,9454/Filmfoerderung-nach-dem-Filmfo.htm; Abruf: 01.06.2003. 311 RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragtefuer-Kultur-und-Me-,9454/Filmfoerderung-nach-dem-Filmfo.htm; Abruf: 01.06.2003.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

157

dementsprechend den „Förderrichtlinien der BKM“ auf dem Sektor „Film“ zu und versuchen wir die Logik der Praxis zu ergründen. In den Förderrichtlinien der BKM sind folgende Punkte explizit geregelt:312 a) Art der Förderung: Gefördert wird durch Verteilung von Auszeichnungen und Vergabe von Prämien sowie sonstige Förderungen. Diese Auszeichnungen sind namentlich: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Deutscher Filmpreis, Deutscher Kurzfilmpreis, Produktionsförderung, Drehbuchförderung, Verleiherpreis, Kinoförderung, Kopienförderung, Verleihförderung, Innovationspreis, sonstige Förderung.

b) Förderungsentscheidung: Über Auszeichnungen und Förderungen entscheidet die BKM aufgrund von Vorschlägen unabhängiger Jurys. Diese setzen sich aus sachverständigen Persönlichkeiten, die für eine jeweils dreijährige Amtszeit berufen wurden, zusammen. Diese beurteilen die Voraussetzungen für die Förderung und schlagen unter Berücksichtigung der Richtlinien und auf der Basis ihres künstlerischen Sachverstandes der BKM potentielle Preisträger vor. Diese Jurys setzen sich wie folgt zusammen: 1. Jury Deutscher Filmpreis: 12 Mitglieder; Vorauswahljury: 5 Mitglieder 2. Jury Deutscher Filmpreis für das Drehbuch: 6 Mitglieder 3. Jury Deutscher Filmpreis für den ausländischen Film: 5 Mitglieder; Vorauswahljury: 2 Mitglieder 4. Jury Deutscher Kurzfilmpreis – Spielfilm: 5 Mitglieder 5. Jury Deutscher Kurzfilmpreis – Animations- und Dokumentarfilm, Produktionsförderung B: 5 Mitglieder

__________ 312 Vgl. RegierungOnline , 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/ Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9673/Richtlinien.htm; Abruf: 03.06.2003. Die Richtlinien gliedern sich in 13 Kapitel, die die einzelnen Förderprojekte recht genau beschreiben. Die wichtigsten und zur Beurteilung der Richtlinien relevanten sollen hier kurz dargestellt werden.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

158

6.

Jury Produktionsförderung A: 8 Mitglieder; Vorauswahljury: 4 Mitglieder 7. Jury Produktionsförderung C: 7 Mitglieder 8. Jury Verleiherpreis: 6 Mitglieder 9. Jury Kinoprogrammpreis: 7 Mitglieder 10. Jury Kopien- und Verleihförderung: 5 Mitglieder c) Umfang der einzelnen Fördermaßnahmen: In den Richtlinien sind die einzelnen Dotierungen und entsprechende Abstufungen aufgeführt. Dies minutiös zu beschreiben ist aber hier nicht zweckdienlich, denn dies würde ein weiteres Hinterfragen nach sich ziehen und vom eigentlichen Interesse – herauszufinden, wie sich die Entscheidungen gestalten – wegführen. Deshalb soll an dieser Stelle ein Fallbeispiel herangezogen werden, das den Prozess der Förderung und die Allokation von Fördermitteln transparenter werden lässt. Dies soll am Beispiel des Deutschen Filmpreises geschehen. Der Deutsche Filmpreis beinhaltet folgende Auszeichnungen und Prämien:313 1. für programmfüllende Spielfilme: í Urkunden: verbunden mit einer Prämie bis zu jeweils 250.000 Euro; für die Nominierung hervorragender Spielfilme für den Deutschen Filmpreis; es können bis zu sieben Filme nominiert werden; í der Filmpreis in Silber verbunden mit einer Prämie bis zu jeweils 400.000 Euro; für zwei Filme, die aus den für den Deutschen Filmpreis nominierten Spielfilmen besonders herausragen; í der Filmpreis in Gold verbunden mit einer Prämie bis zu 500.000 Euro; für den besten der für den Deutschen Filmpreis nominierten Spielfilme. 2. für programmfüllende Dokumentarfilme í Urkunden verbunden mit einer Prämie bis zu jeweils 100.000 Euro; für die Nominierung hervorragender Dokumentarfilme für den Deutschen Filmpreis; es können bis zu zwei Filme nominiert werden; í der Filmpreis in Gold verbunden mit einer Prämie bis zu 200.000 Euro; für den besten der für den Deutschen Filmpreis nominierten Dokumentarfilme.

__________ 313

Vgl. http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-, 9673/Richtlinien.htm; Abruf: 03.06.2003.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

159

3. für programmfüllende Kinder- und Jugendfilme í Urkunden verbunden mit einer Prämie bis zu jeweils 125.000 Euro; für die Nominierung hervorragender Kinder- und Jugendfilme; für den Deutschen Filmpreis; es können bis zu zwei Filme nominiert werden; í der Filmpreis in Gold verbunden mit einer Prämie bis zu 250.000 Euro; für den besten der für den Deutschen Filmpreis nominierten Kinder- und Jugendfilme. 4. für hervorragende Einzelleistungen í die besten darstellerischen Leistungen die beste männliche / weibliche Haupt- und Nebenrolle aus dem Kreis der drei dafür jeweils nominierten Darsteller / innen und die beste Regie aus dem Kreis der drei dafür nominierten Regisseure / Regisseurinnen; í der Filmpreis in Gold verbunden mit einer Prämie von jeweils bis zu 10.000 Euro. 5. für weitere hervorragende Einzelleistungen í in den Bereichen Kamera, Schnitt, Szenenbild / Ausstattung und Filmmusik; der Filmpreis in Gold verbunden mit einer Prämie von jeweils bis zu 10.000 Euro. 6. für hervorragende Einzelleistungen im Bereich Drehbuch í für ein unverfilmtes und ein verfilmtes Drehbuch; der Filmpreis in Gold verbunden mit einer Prämie von jeweils bis zu 30.000 Euro; davon sind 25.000 Euro zweckgebunden für die Herstellung eines neuen Drehbuches mit künstlerischem Rang. 7. für herausragende Verdienste um den deutschen Film í der Filmpreis in Gold als Ehrenpreis; 8. für den besten ausländischen Film í der Filmpreis in Gold als Ehrenpreis; 9. für den nach Auffassung des Publikums besten deutschen Film und den besten Darsteller / die beste Darstellerin í der Publikumspreis als Ehrenpreis. Zählt man die geförderten Projekte anhand dieser Vorgabe hinsichtlich Anzahl und monetärer Honorierung aus, so ergibt sich folgendes Bild:

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

160

Tabelle 6 Mit monetärer Förderung verbundene Projekte beim Deutschen Filmpreis

Auszeichnungen / Prämien

Höchstanzahl der Einzelprojekte

Höchstfördersumme in € einzeln

gesamt

1. Programmfüllende Spielfilme 1.1 Preis für Nominierungen (Urkunden)

4

250.000

1.000.000

1.2 Filmpreis in Silber

2

400.000

800.000

1.3 Filmpreis in Gold

1

500.000

500.000

2.1 Preis für Nominierungen (Urkunden)

1

100.000

100.000

2.2 Filmpreis in Gold

1

200.000

200.000

3.1 Preis für Nominierungen (Urkunden)

1

125.000

125.000

3.2 Filmpreis in Gold

1

200.000

200.000

5

10.000

50.000

5.1 Filmpreis in Gold

4

10.000

40.000

6. Drehbuch 6.1 Filmpreis in Gold für unverfilmte Bücher 6.2 Filmpreis in Gold für verfilmte Bücher

1

30.000

30.000

1

30.000

30.000

Gesamt

22

2. Programmfüllenden Dokumentarfilme

3. Programmfüllende Kinder- und Jugendfilme

4. Hervorragende Einzelleistungen 4.1 Filmpreis in Gold 5. weitere hervorragende Einzelleistungen

3.075.000

(Quelle: Eigene Zusammenstellung aus Daten von der Homepage der Bundesregierung: RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/ Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-, 9426/ Filmfoerderung.htm, Abruf, 27.05.2003)

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

161

Genau genommen fallen unter die Rubrik der Nominierten auch die späteren Preisträger. Da die mit einer Nominierung verbundene Prämie aber auf die Prämie für einen Preis angerechnet wird, sind diese hier herausgerechnet. Erklärungsbedürftig sind auch die Preisgelder für die Kategorie „Drehbuch“. Hierzu ist zu erwähnen, dass jeweils 25.000 € zweckgebunden sind, also für die Projekte an sich aufgewendet werden müssen, so dass sicher gestellt wird, dass das Geld auch tatsächlich für die Filmproduktion aufgewendet wird. Wie ersichtlich, können im Rahmen der Preisverleihung, die gleichsam mit einem Geldbetrag honoriert wird, maximal 22 Projekte bzw. Personen ausgezeichnet werden. Maximal deshalb, weil es durchaus der Fall sein kann, dass ein Filmprojekt in mehreren Kategorien Preise gewinnt. Dies ist in der gängigen Praxis auch keine Seltenheit. Erstaunlich ist dabei die Aufrechnung, welchen Anteil der Deutsche Filmpreis im Budget der BKM für den Bereich „Filmförderung“ einnimmt. Dieser liegt bei 19 %. Also wird ca. ein Fünftel des zur Verfügung stehenden Filmförderbudgets für diesen einen Wettbewerb aufgewendet, der das Filmemachen an sich, beispielsweise durch die Verbesserung der strukturellen Rahmenbedingungen, nicht erleichtert, da es sich weitestgehend um bereits fertige Produktionen handelt. Es ergeben sich m. E. hierdurch zwei zu kritisierende Zustände: Zunächst ist die Gefahr eines closedshop-Systems hier gegeben, d. h. es entsteht ein Netzwerk von Künstlern und Förderern, die – ausgehend von einem geleisteten Filmprodukt – immer wieder und bessere Möglichkeiten bekommen, weiter zu arbeiten. Die zweite Fehlentwicklung ist in der grundsätzlichen Förderkonzeption zu sehen: Die kulturpolitischen Zielsetzungen, die mit dem propagierten Konzept der „Aktivierenden Politik“ verbunden sind, werden durch so eine Elitenförderung wohl kaum erreicht. Diese beiden Punkte stellen einen Sachverhalt dar, mit dem der Leiter der Abteilung „Kultur und Medien“, Dr. Nevermann, im Interview konfrontiert wurde. Zunächst sollen aber noch zwei Punkte angeführt werden, die die oben angeführten Befürchtungen oder Fehlentwicklungen relativieren: Bei der Filmförderung des Bundes handelt es sich lediglich um einen geringen Teil der Förderungen, die in diesem Bereich in Deutschland getätigt werden. Der größte Anteil, die so genannte wirtschaftliche Filmförderung, die von der Filmförderanstalt (FFA) gezahlt wird, liegt bei ca. 60 Mio. €. Des Weiteren ist zu erwähnen, dass in Deutschland ca. 70 Filme pro Jahr produziert werden. Die Auswahl von 22 Filmen, die ausgezeichnet werden, würde also im Grunde eine recht hohe Rate darstellen. Dennoch kann man hinsichtlich dieser Praxis geteilter Meinung sein. Eine entsprechende Erläuterung dieser Praxis, vor allem hinsichtlich der oben angeführten Bedenken, lautet wie folgt:314

__________ 314

Vgl. hierzu die Ausführungen von Nevermann im Anhang der Arbeit.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

162

„Die Förderung wird ja ausgewählt von Jurys. Und diese Jurys werden auch alle paar Jahre neu zusammengesetzt. Ein als äußerst positiv zu verzeichnender Sachverhalt stellt die Tatsache dar, dass sehr viele und zum Teil auch sehr sperrige Filme prämiert werden. Also ist es gerade nicht der Fall, dass es ein solches closed-shopSystem gibt, es ist wirklich ein äußerst offenes System. Die Breite der Projekte, die gefördert werden, ist erstaunlich. Die Jury ist unabhängig und muss sich auch argumentativ schlagen. Es ist ja auch in der Diskussion, ob es eine deutsche Filmakademie geben soll, getragen von der Branche selber, und dass diese die Juroren stellen soll. Allerdings beginnen hier dann genau solche Diskussion: Wo bleiben denn die sperrigeren Güter, ist das dann viel zu mainstreamorientiert usw.“

Selbst wenn der Vorwurf der Initiierung einer Elitenzirkulation hierdurch entkräftet wird, bleibt der Vorwurf, dass sich diese Praxis nicht mit dem allgemein propagierten, aktuellen kulturpolitischen Konzept deckt. Es handelt sich hier um die Förderung von Einzelprojekten und nicht um die Förderung der Filmkultur, und erst recht nicht um die Unterstützung der strukturellen Rahmenbedingungen in der Filmwirtschaft. Hier ist also grundsätzlich die Frage zu stellen, warum eine solche Förderung nicht durch eine Stiftung in Kooperation mit dem Bund angestrebt werden sollte.

d) Partizipation des Bundes am Aufbauprogramm „Kultur in den neuen Ländern“ Der Aufbau und die Sanierung der Kultur in den neuen Ländern ist 15 Jahre nach der Wiedervereinigung noch immer ein Schwerpunktthema innerhalb der Bundeskulturpolitik. Diese Aufgabe ist nicht zuletzt eine gesellschaftliche Verpflichtung, die, aus einem soziologischen Blickwinkel betrachtet, eine unbedingte Notwendigkeit darstellt. Aus diesem Grunde ist hierüber auch eine entsprechende vertragliche Regelung existent: Durch Art. 35 des Einigungsvertrages zwischen der BRD und der DDR ist diese Basis gegeben. Und wieder muss konstatiert werden, dass es auf dieser Grundlage noch keinen tatsächlichen Plan darüber gibt, in welcher Form man tätig werden muss. Die Sachfrage ist also der Kulturverwaltung übertragen worden. Im Zeitraum 1991 bis 1993 gab es verschiedene Förderprogramme des Bundesinnenministeriums für die kulturelle Infrastruktur der neuen Länder in Höhe von 2,6 Mrd. DM. Hierbei wurden fünf Sektoren maßgeblich gefördert:315 1. Substanzerhaltungsprogramm 2. Infrastrukturprogramm 3. Denkmalschutzsonderprogramm

__________ 315

Saad, 2002, S. 25.

: : :

1,5 Mrd. DM 720 Mio. DM 190 Mio. DM

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

4. Kirchenbauförderung in Berlin 5. Stiftung Kulturfonds

: :

163

25 Mio. DM 21 Mio. DM

Im Jahre 1994 wurden 250 Mio. DM aus dem Vermögen der ehemaligen Parteien und Massenorganisationen der DDR für den Kulturbereich zur Verfügung gestellt. Seitdem wurde jährlich auf Vorschlag der Länder eine Liste aufgestellt, auf der Institutionen und Projekte aufgeführt sind, die durch diese Gelder gefördert und unterstützt werden.316 Die Besonderheit ist hierbei das Vertrauen, das der Bund, der die Anträge mit einem 50 %igen Anteil der vorgesehenen Zuteilung unterstützt, den Ländern entgegen bringt. Die Listen werden weitestgehend akzeptiert. Sinn dieser Aktion ist dabei die Beschleunigung der notwendigen strukturellen Verbesserungen im Kulturbereich der neuen Bundesländer. Eine Entscheidung darüber, was genau gefördert wird, ist seitens des Bundes nicht vorgesehen.317 Die einzige Voraussetzung der Förderung, die der Bund äußert, besteht darin, „dass das Kulturdenkmal herausragende kulturelle, politische, geschichtliche, architektonische, städtebauliche oder wissenschaftliche Leistungen des Gesamtstaates deutlich macht oder für die kulturelle oder historische Entwicklung der deutschen Kulturlandschaft entscheidend ist“.318 Maßgeblicher Grund für diesen Grad der Partizipation des Bundes und der Mischfinanzierung ist hierbei sicherlich die latente Gefahr eines erneuten Entfachens der Diskussion über die Kompetenzfrage. Auf der einen Seite ist der Bund zwar verpflichtet sich am Wiederaufbau zu beteiligen, auf der anderen Seite sind die maßgeblichen Entscheidungen darüber doch den Ländern zu überlassen. Ein Dilemma, das mit der Ergänzung des Programms durch das so genannte „Blaubuch“ zwar nicht gelöst, jedoch deutlich abgeschwächt wurde. Beim „Blaubuch“ handelt es sich um ein Verzeichnis der gesamtstaatlich und international bedeutsamen Kultureinrichtungen in den neuen Ländern. Der Autor, Paul Raabe, hat dieses Verzeichnis mittels Begutachtung von ca. 50 Einrichtungen erstellt. Diesen Einrichtungen gingen zuvor Fragebögen zu, um Informationen über Aufgaben, Bauten, Bestände, Sammlungen, Aktivitäten, Zuständigkeiten, Haushalt, Personal und Baumaßnahmen zu bekommen. Diese Angaben wurden mittels der Begutachtung verifiziert und im „Blaubuch“ als „kulturelle Leuchttürme“ erfasst.319 Für die Förderung dieser Einrichtungen haben die Länder dem Bund die entsprechende Kompetenz übertragen. Allerdings ist dies ein Programm, das nicht in das „Aufbauprogramm Kultur in den neuen Ländern“ integriert wurde, also als gesondert betrachtet werden muss.

__________ 316

Saad, 2002, S. 25 – 26. Vgl. das Interview mit Dr. Nevermann im Anhang der Arbeit. 318 RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Themen-A-Z/Kultur,9567/Kulturfoerderung-neue-Laender.htm], Abruf: 06.05.2003. 319 Vgl. Raabe, 2001, S. 7 – 8. 317

164

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Die nähere Beleuchtung des Aufbauprogramms soll anhand der Förderlisten passieren, die hinsichtlich der Förderbereiche und Fördersummen analysiert wurden. Wie bereits schon angedeutet ist der Bund an diesem Programm nur insofern beteiligt, als dass er zu jeder Maßnahme, die in den länderspezifischen Listen aufgeführt ist, einen Zuschuss von in der Regel 50 % des veranschlagten Förderbudgets gewährt. Die Maßnahmen an sich würden also sowieso durchgeführt werden; ob nun mit oder ohne Beteiligung des Bundes. Was sind dies nun für Maßnahmen? Bei der Sichtung der Listen kann man im Grunde vier Kategorien identifizieren:320 1. Baumaßnahmen, Sanierungen, Infrastrukturmaßnahmen: (BM) Hierzu zählen alle Zuschüsse, die für die bauliche Substanzerhaltung, aber auch für die Instandhaltung, für mögliche Anbauten sowie für die Planerstellung und Planentwicklung gewährt wurden. 2. Anschaffung von Inventar und technischem Equipment: (A-Inv.) Dabei handelt es sich zumeist um Modernisierungsmaßnahmen, z. B. Ausbau der IT- und Multimediaanlagen, aber auch die Anschaffung von Inneneinrichtungen und Instrumenten. 3. Anschaffung von Kulturgütern: (A-KG) Hierunter fallen z. B. Neuanschaffungen für Bibliotheken, Ausstellungsexponate u. Ä. 4. Förderung von Kulturevents und Kulturprojekte: (KE) Diese Zuschüsse sollen z. B. Ausstellungen, Konzerte, Jubiläumsveranstaltungen u. Ä. ermöglichen. Bei der Analyse der Liste anhand dieser Kategorien kommt man zu folgender Aufstellung. Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich, konzentrieren sich die meisten Maßnahmen im Bereich „Baumaßnahmen“. Diese Praxis ähnelt also augenscheinlich eher dem kulturpolitischen Konzept der „Kulturpflege und Kulturrestauration“. Wobei dies natürlich ein Erfordernis ist, das sich aus dem Zustand der baulichen Substanzen der Länder der ehemaligen DDR ergeben. Von einer Angleichung der Verhältnisse kann zum jetzigen Zeitpunkt ohnehin noch nicht gesprochen werden. Nevermann äußert im Interview, dass zwar ein Aufholprozess erfolgreich initiiert wurde, der Prozess der Angleichung aber noch einiger Anstrengungen bedarf.321

__________ 320 Vgl. RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/artikel,-66888/ Laenderlisten-1999-2002-des-Pr.htm, Abruf: 06.05.2003. 321 Vgl. das Interview mit Dr. Nevermann im Anhang der Arbeit.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

165

Tabelle 7 Anzahl der Maßnahmen und Förderbeträge im Rahmen des Programms „Kultur in den neuen Ländern“ – Beteiligung des Bundes in den Jahren 1999 – 2002 BM

A-Inv. n

in Mio. €

A-KG

KE

Bundesland

n

in Mio. €

n

in Mio. €

n

in Mio. €

Brandenburg

20

12,6925

9

4,4137

2

2,1373

16

5,15483

MecklenburgVorpommern

30

15,184

6

1,38

2

0,61

0

0

Sachsen

64

33,6215

11

2,6374

5

2,463

9

1,8904

Sachsen-Anhalt

52

19,907354

1

0,61

3

1,69

9

2,58

Thüringen

67

16,66533

23

3,52155

11

1,3233

5

1,87782

Gesamt

233

98,070684

50

12,56265

23

8,2236

39

11,50305

(Quelle: Eigene Zusammenstellung anhand der Länderspezifischen Förderlisten Nr. 1 – 5 aus den Jahren 1999 – 2002, in: RegierungOnline, 2003, [http://www.bundesregierung.de/artikel,-66888/Laenderlisten-1999-2002-desPr.htm], Abruf: 06.05.2003)

Hierin ist eine grundsätzliche Rechtfertigung der Förderpraxis zu sehen. Die eigentliche Handlungslogik dieses Vorgehens entsteht dabei aus dem Dilemma, zur aktiven Kulturpolitik verpflichtet zu sein und sich dennoch vor Augen zu halten, dass eigentlich keine verfassungsrechtliche Kompetenz gegeben ist, auf die Inhalte einzuwirken. Angesichts der Schwerpunktsetzung im Rahmen des Programms wäre aber die grundsätzliche Überlegung, ob dieses Aufbauprogramm in die Zuständigkeit der BKM fällt, sicherlich legitim gewesen. So wäre die Kompetenzfrage bei Partizipation des Bundesbauministeriums außen vor geblieben und die Mitteleinbindung adäquat gewesen. Allerdings ist nun der Eindruck entstanden, dass es sich hierbei lediglich um eine Form des Lobbyismus handelt, der durchaus seine Kritiker hat.

5. Ordnungspolitik Die Ordnungspolitik als Aufgabenbereich der Bundeskulturpolitik ist wohl der Sektor, an dem und durch den der Bund kulturpolitisch am meisten bewir-

166

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

ken und bewegen kann. Dies hängt weitestgehend damit zusammen, dass hier die Rahmenbedingungen für das kulturelle Leben insgesamt gestaltet werden können. Gewichtiger Grund stellt auch die Tatsache dar, dass große Überschneidungen mit anderen Politikbereichen, für die der Bund allein verantwortlich ist, bestehen und sich so weniger bis keine Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern ergeben. Beispielsweise ist dies bei der Reform der Künstlersozialversicherung der Fall. Bevor nun gleich die Schwerpunkte dieses Aufgabengebiets der letzten Jahre kurz charakterisiert werden, soll zunächst die Herangehensweise an dieses Feld erläutert werden. Um die Defizite der rechtlichen Rahmenbedingungen zu erkennen, die Ausgangspunkt des konkreten politischen Agierens darstellen, ist es wissenschaftlich notwendig ständig zu prüfen, ob diese Bedingungen, deren Regelung und Regulierung in den Verantwortungsbereich des Bundes fällt, das kulturelle Leben und Schaffen adäquat gestaltet und inwiefern sie gegebenenfalls optimiert werden müssen.322 Als ergänzendes Gegenstück zur direkten staatlichen Subventionierung im Rahmen der Förderpolitik sind rechtliche Vorschriften und Regelungen notwendig, die sich „kulturfreundlich“ auf die Umwelt auswirken. Naumann verdeutlicht diese Notwendigkeit anschaulich, wenn er konstatiert, dass sich kulturelle Vielfalt nur messen lässt, wenn man die Bedingungen mit einbezieht, durch die es den Bürgerinnen und Bürger selbst möglich wird, am kulturellen Leben aktiv teilzunehmen.323 In den letzten 20 Jahren wurden einige Themen vorgebracht und Verbesserungen realisiert. So wurde das Künstlersozialversicherungsgesetz mit einer ordnungs- und strukturpolitischen Entscheidung des Deutschen Bundestages verabschiedet, das Urheberrecht novelliert, das Urhebervertragsrecht durch die Einführung der Verwertungsgesellschaftspflicht neu geregelt und eine Kulturstiftung der Länder gegründet.324 Trotz der höheren Kompetenz, die dem Bund in diesem spezifischen kulturpolitischen Sektor von jeher zusteht, kritisieren Teile der Kulturszene, dass diese Kompetenz „nicht koordiniert und synergetisch zum Wohle der Kulturentwicklung“325 eingesetzt wurde. Und so wurde für entsprechende Sachfragen dieser Art 1998 ein Ausschuss für Kultur und Medien des Bundestages eingesetzt, um entsprechende Erfordernisse zu prüfen und um Verbesserungen zu thematisieren und auf den Weg zu bringen.326 In Zusammenarbeit mit dem bzw. der BKM sind in den letzten Jahren seit 1998 wichtige Reformen durchgeführt worden, die das kulturelle Leben

__________ 322

Naumann, 2001, S. 106. Naumann, 2001, S. 106. 324 Pfennig, 2002, S. 33. 325 Pfennig, 2002, S. 34. 326 Vgl. Pfennig, 2002, S. 34 – 35. 323

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

167

und Schaffen rechtlich und sozial absichern und verbessern sollen. Diese Reformen waren im Einzelnen:327 1. Novelle des Urhebervertragsrechts: Sicherung eines gesetzlichen Anspruchs auf angemessene Vergütung und Schaffung der notwendigen Rechtssicherheit für die Verwerter. 2. Novelle des Künstlersozialversicherungsgesetzes: Schaffung unter anderem der Möglichkeit für ältere, selbständige Künstler, sich in der Krankenkasse für Rentner zu versichern, wenn sie bereits vor 1983 ihre Tätigkeit aufgenommen haben. Oder auch flexiblere Voraussetzungen für den Versicherungsschutz. 3. Reform der Besteuerung ausländischer Künstler: Erleichterung des internationalen Kulturaustausches, unter anderem durch die Einführung einer moderaten Besteuerung (z. B. Senkung des Steuersatzes für Auftritte ausländischer Künstlerinnen und Künstler von 25 auf 20 %), die die Steuergerechtigkeit auch im Verhältnis zu inländischen Künstlerinnen und Künstlern wahrt. 4. Buchpreisbindung: Dieses Gesetz soll die seit 100 Jahren bestehende Buchpreisbindung europarechtlich absichern und verfolgt damit drei kulturpolitische Hauptziele: a) Sicherung der großen Vielfalt und der hohen Qualität des Buchangebotes, b) Aufrechterhaltung des engen Netzes von Buchhandlungen, auch in kleinen und mittleren Orten, mit qualifiziertem Personal, c) Gewährleitung des sicheren Auskommens von Autorinnen und Autoren. 5. Reform des Stiftungs- und Spendenrechts: Die Maßnahmen im Rahmen dieser Reform sollen in erster Linie das Engagement der Bürger fördern. Dieses Vorhaben soll sich also direkt auf die Förderpraxis auswirken. Dabei besteht der steuerrechtliche Teil der Reform darin, neue attraktive Möglichkeiten zu schaffen.328 6. Kulturverträglichkeitsprüfung: Im Rahmen dieser Prüfung werden Entwürfe von Gesetzen und Verordnungen auf ihre Vereinbarkeit mit den besonderen Bedingungen des Kulturbetriebs und des künstlerischen Schaffens hin untersucht. Sie obliegt der BKM.

__________ 327

Vgl. RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/ Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9340/Reform-der-Medienordnung.htm, Abruf vom 06.05. 2003. 328 Einen sehr guten Überblick über die Neuerungen im Detail gibt Michael Naumann (2001) in seinem Artikel „Stiftungsrecht und anderes. Initiativen zur Stärkung bürgerschaftlichen Engagements durch den Bund“, in: Röbke, Thomas / Wagner, Bernd für das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hg.), Jahrbuch für Kulturpolitik 2000. Thema: Bürgerschaftliches Engagement. Kulturstatistik, Chronik, Literatur, Adressen, 2001, Essen, S. 105 – 113.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

168

Aus diesen Maßnahmen wird deutlich, wie wichtig eine Behörde wie die der BKM ist. Entsprechende Kompetenzen liegen beim Bund und verlangen nach kompetenter Sachbearbeitung. Ob die Maßnahmen und Reformen im Einzelnen optimal waren, könnte allerdings nur anhand entsprechender Einzelanalysen besprochen werden.

6. Medienpolitik Der Politikbereich „Medien“ stellt den wohl am schwierigsten zu charakterisierenden Politikbereich dar. Dies liegt vor allem daran, dass er sich mit den anderen Politikbereichen innerhalb der Kulturpolitik so stark überschneidet, dass man bereits von einem Abhängigkeitsverhältnis sprechen kann. Kultur braucht Medien. Sie sind die Kommunikationsplattform, die die Weitergabe von Wissen auf der Ebene der Symbole erst umfassend möglich macht. Insofern muss im Rahmen der Medienpolitik eine spezifische Form der Ordnungspolitik, der Förderpolitik, aber auch der Auswärtigen Kulturpolitik gewährleistet werden. Was genau muss also die Kulturpolitik leisten, um ganzheitlich Medienpolitik zu betreiben? Die wohl einfachste Leistung besteht natürlich in der Gewährleistung des technischen Betriebs. Dies ist weitgehend für den sendetechnischen Betrieb relevant. Nebenbei erwähnt fällt insbesondere dieser Aspekt in den Verantwortungsbereich des Bundes. Des Weiteren ist die Kulturpolitik aber auch angehalten für ein „harmonisches Verhältnis“, im Sinne von „ausgeglichenem Verhältnis“, in der Medienlandschaft zu sorgen. Dies ist hier so gemeint, dass die Daseinsberechtigung jedes Mediums berücksichtigt werden muss. Gerade mit dem Aufkommen der Neuen Medien und deren Nutzung hat dieser Aspekt an Bedeutung hinzugewonnen. Dies ist in der Diskussion zu erkennen, inwiefern sich diese Neuen Medien negativ auf eine Kultur bzw. ein gesellschaftliches System auswirken können, was allzu häufig in kontraproduktiven kulturpessimistischen Analysen endet.329 Und so ist es auch nicht verwunderlich, dass der augenblickliche Schwerpunkt in der Medienpolitik des Bundes auf der Erhaltung der Verlags- und Buchvielfalt in Deutschland liegt. Dieses Vorhaben soll vor allem mit dem bereits im vorigen Abschnitt angesprochenen nationalen Buchpreisbindegesetz, aber auch durch die Fortentwicklung des Ordnungsrahmens für elektronische Medien und dem besseren Schutz von Jugendlichen vor gewaltverherrlichenden Medien innerhalb der Überlegungen zum Jugendmedienschutz realisiert werden.330 Hier zeigt sich deutlich die strukturelle Verantwortung, der die kulturpolitischen Akteure durch durchdachtes medienpolitisches Handeln gerecht werden

__________ 329 330

Vgl. Hippe, 1994, S. 11. Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, 2002 (b), S. 45.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

169

müssen. Nur kurz sei an dieser Stelle noch einmal an die im Vorangehenden bereits geschilderten Grundintentionen des föderalistischen Systems erinnert, die weitestgehend auf den Missbrauch der Kultur- und vor allem der Medienpolitik der Nazis im Dritten Reich fußen. Man kann hierbei also durchaus von einer „moralischen Komponente“ der kulturpolitischen Strukturverantwortung sprechen.331 Dabei müssen vor allem die Medieninhalte kritisch, aber immer unter Berücksichtigung des Art. 5 des Grundgesetzes, der die Meinungsfreiheit gewährleistet, geprüft oder zumindest beäugen sollte. Sehr deutlich soll an dieser Stelle nicht von Medienkontrolle oder gar Zensur, sondern vielmehr von Feedback-Funktionen gesprochen werden, die die Kulturpolitik durch einen aktiven Diskurs erfüllen kann und eigentlich auch muss. Die Instrumente hierfür sind die Ordnungspolitik, und damit die Schaffung adäquater Rahmenbedingungen, aber auch die Förderpolitik, die beispielsweise der Initiierung von Gegenbewegungen zu Entwicklungen, die als kritisch bezeichnet werden können, dienen kann. Zur Verdeutlichung kann die anhaltende Diskussion über den übermäßigen Konsum von Computerspielen bei Jugendlichen angeführt werden. Anstatt hier an den Produkten und deren Einschränkungen direkt anzusetzen, wäre es vielmehr ratsam, alternative Kultureinrichtungen oder -events und die Aufklärung der Eltern zu fördern. Eine weitere Komponente der kulturpolitischen Verantwortung, von der hier gesprochen werden muss, ist die ökonomische. Es ist offensichtlich, dass der Mediensektor in den letzten Jahrzehnten an ökonomischer Bedeutung stetig hinzugewinnt und ihn hinsichtlich seiner volkswirtschaftlichen Bedeutung auf eine Stufe mit den klassischen Industrieformen gestellt hat.332 Demzufolge muss man die Medien als zentralen Einflussfaktor auf die ökonomische Gestaltung von Gesellschaften oder gar auf die Weltwirtschaft betrachten. Überdeutlich war dies im Jahr 2003 beispielsweise an den Auswirkungen der Misswirtschaft bei gleichzeitigem enormem Machteinfluss der Kirch-Media AG auf den Fußball-Bundesliga-Betrieb zu beobachten. Das monatelange Zerren um die Senderechte, die finanziellen Einbußen für die Vereine, die – ohne Rücksicht auf etwaige Störungen – mit den Geldern buchstäblich gerechnet haben, nach sich zogen, hat die Regelung auf höchster politischer Ebene erforderlich gemacht. Eine Verknüpfung mit der Auswärtigen Kulturpolitik ist über die Verantwortung des Bundes für den Sendebetrieb der Deutschen Welle zu sehen. Dieses Medium hat in erster Linie die Aufgabe der „Vermittlung eines angemessenen Deutschlandbildes im Ausland“.333 Dieser spezielle Punkt wird aber in den nachfolgenden Erläuterungen zur Auswärtigen Kulturpolitik genauer behandelt.

__________ 331

Vgl. auch Faulstich, 1991, S. 7. Vgl. Hachmeister, 1994, S. 13. 333 RegierungOnline, 2003, http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragtefuer-Kultur-und-Me-,9341/Reform-der-Deutschen-Welle.htm, Abruf: 06.05.2003. 332

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

170

Es wird deutlich, dass die Medienpolitik zwar implizit in den anderen Bereichen der Kulturpolitik des Bundes enthalten ist, ihr aber dennoch große Relevanz als Sonderbereich zukommt und damit einhergehend entsprechend große Verantwortung mit ihr verbunden werden muss.

7. Auswärtige Kulturpolitik Dieser kulturpolitische Sektor ist traditional weitestgehend im Auswärtigen Amt der Bundesrepublik angesiedelt. Er ist von der „Reform“ der bundesdeutschen Kulturpolitik im Jahr 1998 weitestgehend unangetastet geblieben. Die Auswärtige Kulturpolitik wird, neben der Allgemeinen Außenpolitik und dem Außenhandel, als dritte Säule der modernen Außenpolitik bezeichnet.334 Bezüglich ihrer Aktivitäten lassen sich drei Dimensionen erkennen, die, wie in Abbildung 26 dargestellt, skizzieren werden können. Aus dieser Abbildung wird auch deutlich, welche Aufgaben die Auswärtige Kulturpolitik im Inland hat. Mögliche fehlende Integration ist beispielsweise kein Phänomen, das lediglich Bürgerinnen und Bürger anderer Kulturen in einem Land betrifft. Integration ist ein aktiver Prozess, der alle betrifft, auch Inländer.

Förderung deutscher Aktivitäten im Ausland

Auswärtige Kulturpolitik

Förderung des kulturellen Dialogs im Inland

Förderung der Integration im In- und Ausland

Abbildung 26: Übergeordnete Funktionen der Auswärtigen Kulturpolitik

Betrachtet man die historischen Wurzeln, so wird die Entwicklung zu diesen drei Dimensionen deutlich und verständlich. Galten vor dem zweiten Weltkrieg noch die Grundorientierungen „Volkstumpflege und nationale Kulturwerbung,

__________ 334

Vgl. Schwencke, 1998, S. 52.

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

171

wissenschaftlicher und akademischer Austausch sowie die Verbreitung der deutschen Sprache und Kunst“335, so wurde die Kulturpolitik im Dritten Reich als taktisches Instrument zur Verschleierung der tatsächlichen Ziele und Absichten der nationalsozialistischen Machthaber und zugleich als Instrument zur bewussten Abgrenzung, Bewertung und vor allem Abwertung anderer Kulturen missbraucht. In den Nachkriegsjahren bis zum Ende der 1960er Jahre wurde die konzeptionelle Orientierung deshalb unter das Motto „Rehabilitation“ gestellt, mit dem Zweck, in den Kreis der friedfertigen und demokratischen Länder aufgenommen zu werden.336 Der kulturelle Schwerpunkt der Außenpolitik an sich wurde allerdings erst mit Ende der 1960er Jahre thematisiert und in den Jahren 1969 bis 1982 entsprechend ausformuliert. Bis zum Regierungswechsel stand im Rahmen der Auswärtigen Kulturpolitik die Förderung der internationalen Kulturbeziehungen im Vordergrund. In den darauf folgenden 16 Jahren rückte, neben der Image-Bildung und dessen Pflege, zunehmend mehr die Förderung der deutschen Sprache und des Auslandsschulwesens in den Vordergrund. Andere Themen, die auch heute noch Gegenstand der Auswärtigen Kulturpolitik sind, stellen die Deutsch-Französische Freundschaft, die Auseinandersetzungen mit der Kulturpolitik Europas, und hierbei insbesondere die Ereignisse, die durch die Transformation der gesellschaftlichen Systeme in Ost-Mitteleuropas ausgelöst wurden, dar.337 Gerade der letzte Punkt ist ein Thema, das einerseits die kulturpolitische Arbeit im Moment stark formt, aber andererseits die gesamte Auswärtige Kulturpolitik, angesichts des ständigen Konkurrierens der verschiedenen gesellschaftlichen Systeme bis in die 1990er Jahre hinein, wesentlich beeinflusst und konzeptionell geprägt hat.338 Die konkreten Ziele und Grundsätze der Auswärtigen Kulturpolitik, die den oben geschilderten übergeordneten Funktionen zugrunde liegen, sind vielfältig und stellen sich zusammenfassend weitestgehend folgendermaßen dar:339 1. Allgemeine Ziele und Werteorientierung: Sicherung des Friedens, Konfliktverhütung, Verwirklichung der Menschenrechte, Nachhaltigkeit des Wachstums, Teilhabe am wissenschaftlichentechnologischen Fortschritt, Armutsbekämpfung, Schutz der natürlichen Ressourcen, Demokratieförderung, Nachhaltigkeit des Wachstums.

__________ 335

Vgl. Schulte, 2000, S. 37. Vgl. Schulte, 2000, S. 44 – 45. 337 Vgl. Schulte, 2000, S. 55 – 62. 338 Vgl. auch Dieckmann, 1995, S. 5 ff. 339 Vgl. im Folgenden Auswärtiges Amt, 2000, S. 16 – 17. 336

172

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

2. Imagepflege: Vermittlung von Kultur aus Deutschland als Teil der europäischen Kultur, Dialog mit der internationalen Gemeinschaft der Staaten, Einbezug privater Initiativen von Körperschaften und Bürgern („public-private partnership“), Förderung des Dialogs, Austausch und Zusammenarbeit zwischen Menschen und Kulturen im In- und Ausland. Die politischen Leitlinien der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesregierung werden vom Auswärtigen Amt formuliert und koordiniert. Folgende Schwerpunkte sind hierbei zu erkennen:340 Zusammenarbeit in Bildung und Wissenschaft, Internationaler Kulturdialog, Kunst-, Kultur- und Personenaustausch, Nutzung und Entwicklung der Medien in der internationalen Zusammenarbeit, í Erhaltung und Stärkung der deutschen Sprache als Schlüssel zur deutschen Kultur, í Auslandsschulwesen.

í í í í

Wie und in welchem Umfang einzelne Maßnahmenkataloge zur Erreichung dieser Zielsetzungen gefördert werden, lässt sich am besten anhand der Haushaltspläne des Bundes und anhand der dort dokumentierten Ausgabenstruktur beschreiben. Oberste Prämisse in den letzten Jahren war hierbei der Ansatz, die Strukturkosten zu vermindern, um höhere Beträge zur Förderung der Projekte bereitstellen zu können.341 Die Gelder, die das Auswärtige Amt für Kulturpolitik bereitstellt, dienen somit vorrangig der „Pflege der Beziehungen auf dem Gebiet des Kultur-, Schul-, Erziehungswesens, der Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland – einschließlich Baumaßnahmen – sowie der Förderung der internationalen Beziehungen“ – gemäß der Beschreibung in den Haushaltsplänen.342 Die Struktur der Ausgaben für die Pflege kultureller Beziehungen ist auf vier übergeordnete Titelgruppen (Allgemeine Auslandskulturarbeit – Projektförderung, Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland (Schulfonds), Baumaßnahmen im kulturellen und schulischen Bereich im Ausland (Baufonds) sowie Allgemeine Auslandskulturarbeit – Institutionelle Förderung) aufgebaut. Diese Titelgruppen haben nun wiederum relativ fixe Ausgabentitel, die in der nachfolgenden Tabelle erläutert sind.

__________ 340

Vgl. Auswärtiges Amt, 2000, S. 17. Vgl. Auswärtiges Amt, 2000, S. 21. 342 Vgl. hierzu die Bundeshaushaltspläne für die Haushaltsjahre 1997 bis 2002, Einzelplan 05. 341

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

173

Tabelle 8 Ausgaben des Auswärtigen Amtes für Pflege kultureller Beziehungen im Ausland (1000 € ) 1997*

1998 (Ist)

1999 (Ist)

2000*

2001 (Soll)

2002 (Soll)

81.743

86.520

88.494

84.899

93.864

94.811

Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Wissenschaftlern, Studenten und Hochschulen einschließlich Gerätespenden an ausländische wissenschaftliche Institutionen Programmarbeit

21.631

22.732

42.097

39.645

40.920

40.862

37.360

39.357

39.055

38.718

38.382

37.049

4.

Förderung der deutschen Sprache im Ausland sowie kultur- und bildungspolitische Förderung deutscher Minderheiten in Mittel- & Osteuropa und GUS

22.735

45.690

27.807

27.499

27.523

26.686

5.

Internationale Aktivitäten gesellschaftlicher Gruppen und deutsch-ausländischer Kultureinrichtungen im In& Ausland, soweit nicht vom Goethe-Institut betreut sonstige Maßnahmen

21.861

22.880

23.807

21.497

20.954

9.208

312

1.772

1.653

1.160

1.552

1.329

185.642

218.951

222.913

213.418

34,1

37,1

39,0

37,4

Titelgruppen I.

Allgemeine Auslandskulturarbeit - Projektförderung Stipendien und Beihilfe für Nachwuchswissenschaftler, Studenten, Hochschulpraktikanten aus dem Ausland sowie Betreuung und Nachbetreuung

1.

2.

3.

6.

I. I.

gesamt

in % vom Jahresbudget

223.195 209.945 39,2

37,1

Fortsetzung auf S. 174

__________ *

Bei den Werten, die mit einem Stern gekennzeichnet sind, handelt es sich um SollWerte. Dies hat den Grund, dass teilweise keine Ist-Werte, die in der Regel zwei Haushaltsjahre später dokumentiert werden, zu finden waren. Wie bereits erwähnt, werden die Ist-Werte erst zwei Jahre später präsentiert. So erklärten sich die Soll-Werte für 2001 und 2002 von selbst. Die Pläne für das Haushaltsjahr 2003 waren zum Zeitpunkt der Zusammenstellung noch nicht erhältlich.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

174 Fortsetzung von S. 173

Titelgruppen

1997*

1998 (Ist)

1999 (Ist)

2000*

2001 (Soll)

2002 (Soll)

II. Förderung des deutschen Schulwesens im Ausland und der internationalen Zusammenarbeit im Schulbereich (Schulfonds) 1.

Sonstige Beschäftigungsentgelte und Aufwendungen für nebenamtlich und nebenberuflich Tätige

-

6.796

6.153

6.170

-

6.993

2.

Nicht aufteilbare Personalkosten für Fachberater für Deutsch

-

232

592

439

538

527

3.

Aufwendungen für Auslandsdienstlehrkräfte und Programmlehrkräfte

135.850*

140.225

123.656 138.407* 123.656

121.214

4.

Zuwendungen an Schulen im Ausland und Beiträge zu laufenden Kosten Europäischer Schulen

39.689*

36.474

38.418

35.320

38.418

36.875

5.

Zuschuss an das Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kulturminister der Länder für den Pädagogischen Austauschdienst

-

560

447

554*

447

521

6.

Aus- & Fortbildung, Förderung der internationalen Zusammenarbeit und sonstige Aufgaben im schulischen Bereich

9.168*

8.915

8.204

8.450

8.204

8.698

II. gesamt

184.707

193.202

177.470

189.340

171.263

174.828

34,0

32,7

31,0

33,2

30,1

30,8

II. in % vom Jahresbudget III. Baumaßnahmen im kulturellen und schulischen Bereich im Ausland (Baufonds) 1.

Unterhaltung der Grundstücke und baulichen Anlagen

-

2.044

2.462

1.785

2.352

2.929

2.

Vermischte Verwaltungsausgaben

-

4

4

-

-

216

Fortsetzung auf S. 175

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

175

Fortsetzung von S. 174

Titelgruppen

1997*

1998 (Ist)

1999 (Ist)

2000 *

2001 (Soll)

2002 (Soll)

-

1.412

1.928

2.714

5.755

1.906

3.

Kleine Neu-, Um- & Erweiterungsbauten

4.

Neubau der Zentralverwaltung des Goethe-Instituts in München

1.007

265

-

-

-

-

5.

Große Neu-, Um- & Erweiterungsbauten Erwerb von Liegenschaften im Ausland

13.639

10.008

10.263

11.441

11.190

5.984

-

1.800

-

-

-

-

7.

Zuschüsse zu Baumaßnahmen

4.614

7.917

2.889

4.685

7.032

18.415

8.

Zuschuss zum Erweiterungsbau für den DAAD in Bonn

-

492

-

-

-

-

9.

Baumaßnahmen von mehr als 1 Mio. € im Einzelfall

-

-

157

266

-

-

19.260

23.942

17.703

20.891

26.329

29.450

3,5

4,1

3,1

3,7

4,6

5,2

6.

III. gesamt III. in % vom Jahresbudget

IV. Allgemeine Auslandskulturarbeit – Institutionelle Förderung 1.

Goethe-Institut e.V. München / Betrieb

121.385

121.106

120.784

113.800

115.845 119.406

2.

Sonstige institutionell geförderte Zuwendungsempfänger / Betrieb

29.174

29.692

29.656

30.037

29.912

29.873

3.

Goethe-Institut e.V. München / Investitionen

2.433

2.454

2.454

2.331

2.219

2.700

4

Sonstige institutionell geförderte Zuwendungsempfänger / Investitionen

1.425

797

797

757

737

725

154.417

154.049

153.691

146.925

28,4

26,1

26,9

25,7

590.144

571.777

IV. gesamt IV. in % vom Jahresbudget Gesamtausgaben I – IV

544.026

148.713 152.704 26,1

26,9

570.574 569.500 566.927

(Quelle: Eigene Zusammenstellung aus den Bundeshaushaltsplänen für die Haushaltsjahre 1997 bis 2002, Einzelplan 05)

176

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Anhand dieser Zusammenstellung wird ersichtlich, dass dieses kulturpolitische Feld relativ stabil ist. Auffallende Veränderungen sind für die geplanten Mehrausgaben für den Bereich I.1 (Stipendien und Beihilfen) und für den Bereich III.6 (Zuschüsse zu Baumaßnahmen) zu vermerken. Hierbei handelt es sich aber ebenfalls um geplante Ausgaben, über die bislang noch keine Rechenschaft abgelegt wurde. Es besteht also durchaus die Möglichkeit, dass diese Zahlungen – angesichts möglicher Haushaltsdefizite – auch wieder zurückgestellt werden. Zudem war das Jahr 2002 ein Wahljahr und entsprechend großzügige geplante Zusagen über Gelder können bekanntermaßen wünschenswerte Effekte erzielen. Allerdings ist ein großer Teil davon auch einfach nur eine Umwidmung der Gelder. So sind die Zuschüsse für „Große Neu-, Um& Erweiterungsbauten“ (III.5) wohl zugunsten von III.7 gesunken. Auffallend ist auch die geplante drastische Streichung für den Bereich I.5 (Internationale Aktivitäten …) im Jahr 2002. Hier wurde mehr als die Hälfte des Budgets gestrichen. Eine Erklärung hierfür ist spontan nicht zu leisten. Jede dieser Erklärungen der Auffälligkeiten bleibt allerdings solange Spekulation, bis die Ausgaben tatsächlich dokumentiert und belegt werden. Als Hinweis auf eine mögliche inhaltliche Umorientierung kann man die Punkte I.2 (Beziehungen zwischen deutschen und ausländischen Wissenschaftlern,…) und I.4 (Förderung der deutschen Sprache im Ausland) heranziehen. Wie im Vorangehenden erläutert, wurde in der Regierungsphase zwischen 1982 und 1998 ein wesentlicher Schwerpunkt auf die Förderung der deutschen Sprache gelegt. Relativ zu den Gesamtausgaben für Kapitel I haben die Titel I.2 (1999: 18,8 % an den gesamten Ausgaben des Bundes für Kapitel I) und I.4 (1998: 20,9 %) im Jahreswechsel 1998 und 1999 quasi die Plätze hinsichtlich der Zuteilung getauscht. Passend zum Regierungswechsel im Jahr 1998. Ein Hinweis auf die Gültigkeit dieser Aussage könnte auch die Kürzung der Aufwendungen für Auslandsdienstlehrkräfte und Programmlehrkräfte (I.3) im Jahre 1999 sein, die allerdings wiederum von Jahr zu Jahr stark pendeln. Insgesamt zeigen diese Daten aber, dass sich die Inhalte bzw. die Struktur der Ausgaben durch den Regierungswechsel nicht signifikant verändert haben. Dies deckt sich auch mit den Aussagen Nevermanns, der im Interview auf die Frage, ob es Schwierigkeiten im Arbeitsprozess, ausgelöst durch kontroverse Sachfragen zwischen der Regierung und ihrer Vorgängerin gegeben hat, Folgendes erwiderte: „Kontroversen hat es in einigen Bereichen zwar gegeben. Aber ich würde eher sagen, dass die Kulturpolitik sich dafür wenig eignet. Sie ist doch eher parteiübergreifend. Auch in den anderen Politikbereichen sind ohnehin zwischen SPD und CDU 90 % der Politik identisch und 10 % umstritten. Das ist eigentlich auch das Problem unseres politischen Systems: Die beiden Parteien überlappen sich inhaltlich so stark, dass die Auseinandersetzungen manchmal über „Nebenkriegsschauplätze“ geführt werden, weil die „Hauptkriegsschauplätze“ unumstritten sind. Das ist ein großes Problem unserer politischen Kultur.“

III. Zielvektoren, inhaltliche Schwerpunkte und praktische Umsetzung

177

Diese Aussage bezog sich im Konkreten zwar auf die Arbeit der Abteilung Kultur und Medien und nicht auf die Arbeit des Auswärtigen Amtes, anhand der Ergebnisse kann dies aber sicherlich hierauf übertragen werden. Trotz der bereits geschilderten Schwierigkeiten mit dieser Zusammenstellung, wagen wir einen Blick auf die Veränderungen im Zeitabriss: 600.000 590.144 590.000 580.000

571.777

570.574

569.500

2000

2001

570.000

566.927

560.000 550.000

544.026

540.000 530.000 520.000 1997

1998

1999

2002

Haushaltsjahre

Graphik 3: Entwicklung der Ausgaben des Auswärtigen Amtes für Pflege kultureller Beziehungen im Ausland (in 1000 € )

Sehr deutlich ist das „Wahlgeschenk“ im Jahre 1998 zu erkennen. Die Steigerung des Budgets liegt hier bei 8 % zum Vorjahr 1997. Dieses wurde durch die neue Regierung im Jahr 1999 teilweise rückgängig gemacht. Die kontinuierliche Verringerung des Budgets für Ausgaben zur Pflege kultureller Beziehungen im Ausland deutet auf die allgemeinen Schwierigkeiten der Regierung zu diesem Zeitpunkt hin und geht mit der schwierigen allgemeinen Finanzlage des Bundes einher. Wichtig ist zur Vervollständigung auch die Feststellung, dass es sich bei diesen Angaben nur um einen Teil der Ausgaben handelt, die der Bund für Auswärtige Kulturpolitik bereitstellt und ausgibt. Bei genauer Betrachtung343 kann man feststellen, dass es weitere Akteure und Überschneidungsbereiche

__________ 343

Vgl. hierzu die Einzelpläne 02, 04, 05 und 06 sowie 23, 25 und 30 der Bundeshaushaltspläne.

178

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

gibt. So werden z. B. genauso die Gelder und Mittel, die der Deutsche Bundestag für die Förderung des deutschen Jugendaustausches bereitstellt, unter dem Ausgabenzweck Auswärtige Kulturpolitik geführt. Weitere Ausgaben unter dieser Rubrik sind beispielsweise die Ausgaben der Ministerien, die im weitesten Sinne Auswärtige Kulturpolitik betreiben. So auch die Mittel, die das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für Internationale Jugendarbeit ausgibt. Dies sei hier aber nur am Rande erwähnt. Der Hauptakteur der Auswärtigen Kulturpolitik ist und bleibt das Auswärtige Amt.

IV. Der Blick über die Grenzen – externer Vergleich mit anderen Nationen Will man die Besonderheiten eines Politikstils kenntlich machen, so ist es unerlässlich den internationalen Vergleich heranzuziehen. Im Sinne von Abbildung 17 handelt es sich im Rahmen der Strukturanalyse konkret um den Vergleich ähnlicher Fälle anhand externer Vergleichsdaten. Man muss in unserem Fall allerdings sehr behutsam vorgehen, da aus dem bisherigen Kenntnisstand deutlich wird, dass die Kulturpolitik stark von den institutionellen Rahmenbedingungen, die sich hauptsächlich aus den rechtlichen Grundlagen ergeben, den Beziehungsstrukturen der kulturpolitischen Akteure und vor allem von der historischen Kulturentwicklung, sowie fallweise von den gesellschaftlichen und weltpolitischen Störungen, abhängig ist. Es sollen also keine Äpfel mit Birnen verglichen werden. Vielmehr scheint es interessant, mögliche Parallelitäten und Unterschiede hinsichtlich Struktur und Zielsetzungen aufzuzeigen, die im Falle einer Adaption des politischen Handels positive Effekte erzielen könnten. Die Bedingungen der politischen Möglichkeiten werden hierdurch möglicherweise erweitert. Wie bereits erläutert, fiel die Wahl dabei auf einige Nationen in Europa. Zugegebenermaßen war die Auswahl der Länder (Österreich, Frankreich und Großbritannien) stark von der Quellenlage beeinflusst. Eine eigene Analyse ist unter Berücksichtigung des Umfangs der vorliegenden Arbeit hier nicht in aller Ausführlichkeit zu leisten. Deshalb wird lediglich auf die grobe Struktur und die landesspezifischen Eigenheiten eingegangen. Zumindest aber auch der Blick über den Atlantik, respektive in die USA, soll gewagt werden. Dies unter anderem deshalb, weil sich das kulturpolitische System der USA durch eine besondere Staatsferne auszeichnet und gerade dieser Aspekt in der Diskussion um kulturpolitische Konzepte immer wieder angeführt wird. Eine umfangreiche Analyse, wie sie im Vorhergehenden für die Bundesrepublik Deutschland vollzogen wurde, ist hier nicht möglich. Außerdem ist dies auch wenig zweckdienlich, denn eine bloße Gegenüberstellung der Verschie-

IV. Der Blick über die Grenzen

179

denartigkeiten ist keine wirkliche Basis für eine Vergleichbarkeit. Heinrichs plädiert dafür, bezüglich des Vorhabens des internationalen Vergleichs zwischen zwei wesentlichen Aspekten zu unterscheiden:344 1. Kulturelle Identität und kulturelle Tradition einer Nation; 2. Ordnungen und Instrumente des Kulturbetriebs. Deshalb werden nun vor allem die institutionellen Strukturen, die Instrumente und die Partizipation sowie der Einfluss der Politik auf die Kulturinhalte und die daraus resultierenden Wechselwirkungen in den unterschiedlichen Nationen im Vergleich referiert.

1. Die kulturpolitische Situation in Österreich Für Österreich ergab sich nach dem zweiten Weltkrieg die Notwendigkeit, das nationale Selbstbewusstsein neu aufzubauen und die Bedeutung von Österreich als Kulturnation kenntlich zu machen und neu zu profilieren.345 Ziel war es, die „Hochkultur“ allen gesellschaftlichen Schichten zugänglich zu machen. Wesentliches Instrument war und ist hierfür ebenfalls die Kunstförderung, die danach strebte keinen eigenen gesellschaftlichen Gestaltungswillen zu formulieren, sondern sich vielmehr darauf konzentrierte, die Förderbedürfnisse bestimmter Künstlergruppen zu befriedigen.346 Dies ist in der öffentlichen Diskussion bis heute ein wesentlicher Kritikpunkt an der österreichischen Kulturpolitik. Die Kritiker sehen hierin eine „ideologische Festlegung der staatlichen Alleinverantwortung von Kunst und Kultur“347 und verlangen nach einer Reform, innerhalb derer Überlegungen zur rechtlichen und inhaltlichen Neukonzeption der Kulturpolitik Österreichs realisiert werden sollen. Schwerpunkte sind hierbei die Absichten, Kulturpolitik als gesellschaftspolitische Querschnittsmaterie anzusehen. Aber auch die Inhalte und die Planbarkeit sowie die Klärung der Aufgabenteilung und die Reform der Förderungsverwaltung gehören zu den anvisierten Zielen.348 Seit 01.04.2000 sind die wesentlichen Akteure auf der Bundesebene das Bundeskanzleramt, das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten

__________ 344 Vgl. Heinrichs, 1997, S. 79 – 74; Heinrichs vollzieht in seinem Buch „Kulturpolitik und Kulturfinanzierung: Strategien und Modelle für eine politische Neuorientierung der Kulturfinanzierung“ (erschienen 1997, München) einen solchen Vergleich sehr ausführlich uns aufschlussreich. 345 Vgl. Wimmer, 2000, S. 278. 346 Vgl. Wimmer, 2000, S. 278 – 279. 347 Wimmer, 2000, S. 179. 348 Wimmer, 2000, S. 280 – 283.

180

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

und das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Dies stützt sich auf die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen und gesetzlichen Regelungen zur Organisation der Kulturverwaltung auf der Bundesebene.349 Im Bundeskanzleramt ist hierfür ein Staatssekretär für Kunst und Medien vorgesehen, der hauptsächlich eine Koordinationsfunktion für die auf andere Bundesministerien verstreuten kulturpolitischen Kompetenzen hat. Daneben existieren Kommissionen und Beiräte zur Unterstützung bei der kulturpolitischen Aufgabenbewältigung, wie z. B. der Beirat zur Förderung der Publizistik oder auch die Datenschutzkommission.350 Das Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten ist hauptsächlich für die Verhandlungsführung bei bilateralen Abkommen und für die Vertretung in multilateralen Organisationen verantwortlich. Ähnlich wie in Deutschland fällt aber auch die Aufgabe der kulturellen Repräsentation Österreichs im Ausland in sein Aufgabengebiet.351 Das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur ist im Wesentlichen für die allgemeine Kulturförderung und die Bildungsplanung verantwortlich und fungiert als Ansprechpartner für Museen und Sammlungen. Sein Aufgabenbereich wurde insbesondere um die Bereiche „Lehre und Forschung an Universitäten“ erweitert.352 Eine weitere Parallele zur Bundesrepublik Deutschland ist in der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu sehen, die in den Artikeln 10 bis 15 des österreichischen Bundesverfassungsgesetzes geregelt ist. Allerdings ist der große Unterschied zwischen den beiden Nationen in der Tatsache zu sehen, dass in Österreich das meiste Gewicht auf der Bundesebene liegt. Gemäß dieser Regelung hat der Bund in Österreich in allen kulturpolitisch relevanten Bereichen ein entscheidendes Übergewicht gegenüber den Ländern.353 Aber auch hier ist dieser Politikbereich durch den „offenen“ Charakter des Begriffs Kultur mit vielen anderen Politikbereichen, die nicht der klassischen Kulturverwaltung zugeordnet werden können, vernetzt, so dass eine Aufzählung der Kompetenzbereiche schwer fällt.354 Die kulturpolitische Situation in Österreich scheint im Inland selbst stark umstritten zu sein: Einrichtungen wie der Österreichische Kultur-Service versuchen, trotz aller politischen und ökonomischen Widerstände, gemeinsam mit Künstlerinnen und Künstlern dem bereits erläuterten latent geförderten Elitismus entgegenzutreten und weisen auf die Notwendigkeit hin, dass alle Menschen sich am kulturellen Geschehen aktiv beteiligen sollten. Auch speziell und jüngst eingerichtete Themensektionen politischer Parteien und deren Arbeit

__________ 349

Straßl, 2001, S. 47. Straßl, 2001, S. 48. 351 Straßl, 2001, S. 50. 352 Straßl, 2001, S. 51. 353 Straßl, 2001, S. 33. 354 Vgl. Straßl, 2001, S. 33. 350

IV. Der Blick über die Grenzen

181

lassen darauf schließen, dass Kulturpolitik wohl auch hier einen Bereich darstellt, der einen stetigen Anpassungs- und Reformbedarf widerspiegelt.355

2. Französische Kulturpolitik – Sozialintegrative Intentionen und zentrale Steuerung Eine von der deutschen gänzlich zu unterscheidende kulturpolitische Praxis ist in Frankreich vorzufinden. Hier wird Kulturpolitik als Querschnittsaufgabe betrachtet, die alle anderen Politikfelder mitberührt.356 1959 wurde mit André Malraux der erste Kulturminister berufen. Dieses Amt beinhaltet vor allem die Instrumentalisierung der Kultur zur Sinnstiftung. Soweit unterscheidet es sich nicht großartig von den Institutionen in anderen Ländern.357 Der Unterschied liegt darin, dass Vermittlungsfunktionen deutlich hervorgehoben sind. Kultur hat einen integrativen Charakter, der nicht nur Sinnverbundenheit, sondern auch das Abmildern von Spannungen, ausgelöst beispielsweise durch die Veränderung der sozioökonomischen Rahmenbedingungen, ermöglicht. Wie durch den Akt der Berufung eines Kulturministers schon deutlich wird, ist die Kulturpolitik stark von der Staatsgewalt mit ihrem nationalistischen Leitbild geprägt.358 Seit Anfang der 1980er Jahre gibt es allerdings auch Dezentralisierungsbestrebungen, die vor allem die Verlagerung der Zuständigkeiten auf die regionale und lokale Ebene vorsehen. Es wurden seither landeseinheitliche Institutionen geschaffen, die unabhängig von vorhandenen Hierarchien agieren können, und die sich durch Mittel aus Fonds mit Stiftungscharakter finanzieren. Diese wiederum sind mit Mitteln des Zentralstaates ausgestattet. Allerdings verfügen sie über unabhängige Verwaltungen und haben eine einheitliche, von den regionalen und örtlichen Bedingungen autonome Aufgabenstellung.359 Damit und mit den Bemühungen, die Rahmenbedingungen für Unternehmer und Stiftungen so zu verändern, dass unternehmerisches Sponsoring gefördert wird, hat Frankreich auf die Kritik reagiert, dass eine zentrale Steuerung zu einer bestimmten Form der „Kulturdiktatur“ führt, die sich dann negativ auf die Ausbildung einer kulturellen Vielfalt auswirkt. Der strukturelle Wandel hat sich erstaunlich schnell vollzogen, so dass die kulturpolitische Situation heute nicht mehr mit der in den 1950er Jahren vergleichbar ist. Allerdings gibt es dennoch eine Dominanz und Hauptverantwortung des Staates, der die Kulturpolitik an Traditionen, Werten und Verhal-

__________ 355

Vgl. Wimmer, 2003, S. 21. Vgl. Koops, 2002, S. 16 – 17. 357 Vgl. Koops, 2002, S. 177. 358 Heinrichs, 1997, S. 79. 359 Heinrichs, 1997, S. 79. 356

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

182

tensweisen ausrichtet, die sich langfristig entwickelt haben und die Identität Frankreichs ausmachen.360 Umso weniger verwunderlich ist es deshalb, dass das kulturpolitische Hauptinstrument, die Kulturförderung, weitestgehend dafür eingesetzt wird, um quasi permanente Public Relation für Frankreich zu machen, und um den Kulturmarkt so zu regulieren, dass es zu einer besonderen Stellung heimischer Künstlerinnen und Künstler kommt. So existiert z. B. seit Januar 1996 eine Quotenregelung im Radio, die die französischen Rundfunkanstalten dazu veranlasst, zwischen 06.30 Uhr und 22.30 Uhr mindesten 40 % französische Unterhaltungsmusik und Chansons zu senden, wovon die Hälfte von Nachwuchstalenten sein muss.361 Obgleich die Ziele wie Kulturvielfalt, Integration und Repräsentation auch hier vorherrschen, ist die Struktur der französischen Kulturpolitik im Vergleich zu Deutschland doch eine gänzlich andere. Auch die Dimensionen der Zielerfüllung scheinen viel stärker definiert. Der Staat sieht sich in einer gänzlich anderen Verantwortung, die sich entscheidend aus den institutionellen Kompetenzregelungen ergibt.

3. Großbritannien – Intermediäre Institutionen als wesentliche Stütze des kulturpolitischen Systems In kaum einem anderen europäischen Land können die Aktivitäten im Rahmen der Kulturpolitik so stark den unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten zugeordnet werden wie in Großbritannien. Während sich der Adel und die Oberschicht auf die Pflege der Künste und der Denkmalpflege, insbesondere der Pflege der zahlreichen Schlösser und Herrenhäuser konzentrieren, heben sich die kulturellen Aktivitäten der Arbeiterschaft eher durch die Eigenorgani-

__________ 360

Vgl. Heinrichs, 1997, S. 96. Vgl. Heinrichs, 1997, S. 85 – 87; etwa zum gleichen Zeitpunkt wurden in Deutschland ähnliche Regelungen überlegt. Ausgelöst wurde die Diskussion damals unter anderem von Ole Seelenmeyer, Vorstand des Deutschen Rock- und PopmusikerVerbandes. In der Fachwelt stieß aber ein solches Vorhaben deshalb auf Ablehnung, weil es sich dabei um einen Eingriff in die Kulturwirtschaft handelt, der die Funktionen des freien Marktes in vielfältiger Weise außer Kraft setzt. Abgesehen von den Erfordernissen zur Umstrukturierung der Praxis der Zahlung von Geldern durch die GEMA und GVL, die sich aus den Verwertungsrechten ergeben und bei denen der Radioeinsatz ein gewichtiger Faktor darstellt, ist aber eine solche Regelung auch deshalb kritisch, da hier das Publikum quasi bevormundet wird und eine freie Geschmacksbildung, die durch die Marktmechanismen ohnehin schon erschwert wird, hierdurch in m. E. unzulässiger Weise beeinflusst wird. (Vgl. hierzu Endreß, Alexander, 1998, Die geschichtliche Entwicklung der Popularmusik – ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Bedeutung, unveröffentlichte Diplomarbeit am Lehrstuhl für Soziologie und Sozialanthropologie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg). 361

IV. Der Blick über die Grenzen

183

sation und die ehrenamtliche Mitarbeit hervor und weisen erheblich stärker soziale Elemente auf.362 Institutionell war der Kulturbetrieb Großbritanniens nach 1945 maßgeblich von der Verwaltung durch den Minister of Art geprägt, einem Juniorminister, der dem Ministerium für Erziehung und Wissenschaft zugeordnet war. Erst im Jahr 1992 wurde mit dem Department of National Heritage ein eigenständiges Kulturministerium gegründet, dessen Zuständigkeit sich auf das Bibliothekswesen, Bildende Kunst, Museen, Film, Denkmalpflege, Tourismus, Sport, Rundfunk und die königlichen Schlösser und Gärten bezieht.363 Die eigentliche Besonderheit im kulturpolitischen System ist aber weder in der Kompetenzfrage, noch in dem zugegebenermaßen recht ausladenden Aufgabenbereich zu sehen, sondern eher in der Tatsache, dass dieses System, vorrangig hierbei die Kulturförderung, durch eine Reihe halb-staatlicher Institutionen aufrechterhalten bzw. gestützt wird. Diese so genannten Arm’s Length Bodies entsprechen der Rolle des Vermittlers zwischen Staat und Kulturveranstaltern sowie Künstlerinnen und Künstlern. Ziel eines solchen Systems ist es, eine optimale Distanz zwischen Staat und Kulturschaffenden herzustellen, so dass der Staat seiner Aufgabe nachkommt, das kulturelle Leben mitzugestalten, ohne dass man ihm vorwerfen kann, er habe unzulässigerweise auf die Kulturinhalte eingewirkt.364 Die bekannteste und bedeutendste Institution ist das Arts Council of Great Britain. Es arbeitet quasi wie ein Berater: Auf der einen Seite stiftet es Kenntnisse und Verständnis von und für die Praxis der Kunst, auf der anderen Seite arbeitet es aber mit den Regierungsbehörden auf nationaler, regionaler oder kommunaler Ebene hinsichtlich der Zielsetzungen der kulturpolitischen Aktivitäten zusammen.365 Eine weitere Besonderheit der britischen Kulturpolitik ist im sehr erfolgreichen Mix der Instrumente zur Kulturfinanzierung zu sehen. Die notwendige Mischung aus staatlicher Finanzierung und Sponsoring ergibt sich aus den wenigen zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel. Diese wenigen Mittel sind allerdings Folge der ohnehin traditionell kommerziellen Ausrichtung des Kultursektors und der staatlichen Hilfe beim Ausbau einer relativ professionellen Sponsoringpraxis. Optimiert ist dieses System durch so genannte Matching Funds, die einer Kultureinrichtung einen staatlichen Zuschuss einbringt, wenn sie mindestens einen gleich hohen Betrag eines privaten Zuschussgebers nachweisen kann.366

__________ 362

Vgl. Heinrichs, 1997, S. 119 – 120. Heinrichs, 1997, S. 123. 364 Vgl. Heinrichs, 1997, S. 123. 365 Vgl. Heinrichs, 1997, S. 124. 366 Vgl. Heinrichs, 1997, S. 126 – 130. 363

184

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Es wird deutlich, wie eine vorab definierte Staatsferne, die durch ein System von intermediären Institutionen gewährleistet wird, eine Eigendynamik entwickeln und so das kulturelle Leben lebendig und diversifiziert gestalten kann.

4. Kulturpolitik in den USA – Zwischen Liberalismus und Gleichgültigkeit Der Politikstil der USA auf dem Sektor der Kultur ist als grundverschieden von den europäischen Stilen anzusehen. Hauptsächlich deshalb, weil es bestenfalls eine Kulturförderpolitik, nicht aber eine Kulturpolitik gibt. Dies lässt schon darauf schließen, dass der Staat nicht sonderlich aktiv agiert. Der Staat definiert seine Rolle gänzlich anders. Sie besteht vorrangig darin, bestenfalls kompensierend und fördernd einzugreifen, sollte sich ein entsprechendes Erfordernis ergeben. Sowohl finanziell als auch hinsichtlich seines Einflusses auf die Inhalte will der Staat allerdings im Hintergrund bleiben.367 Dies impliziert nun zwei Grundhaltungen, die folgendermaßen beschrieben werden können:368 1. Kultur ist Sache jedes Einzelnen, aus der sich der Staat herauszuhalten hat, 2. Kultur findet auf einem Markt statt, wo jeder, der Kultur anbietet oder nachfragt, gleiche Chancen hat. Dies bedeutet zwar, dass es keinerlei Bevormundung von Seiten des Staates gibt. Aber auch die Förderung von Künstlerinnen und Künstlern aus sozialen Erwägungen heraus wird hier vom Staat unterlassen.369 Es bilden sich zwar Fördervereine, es ist aber gerade hier wahrscheinlich, dass der eigentliche Zweck der Kulturförderung entfremdet wird. Bis in die 1960er Jahre hat Kulturförderpolitik in den USA von staatlicher Seite tatsächlich offiziell nicht stattgefunden. Erst 1965 wurden zwei Bundesstiftungen zur Förderung der Geisteswissenschaften (National Endowment for the Humanities) und der Künste (National Endowment for the Arts) gegründet. Dies ist als erstes offizielles und langfristiges Engagement des Bundesstaates in der Kulturfinanzierung anzusehen.370 Die Ziele dieser Stiftungen beziehen sich auf die Förderung der Qualität, Mannigfaltigkeit und Vitalität der Künste in den Vereinigten Staaten sowie auf die Erhöhung des Verständnisses für die Künste und den verbesserten Zugang der Öffentlichkeit zu diesen.371

__________ 367

Vgl. Toepler, 1997, S. 50. Vgl. Heinrichs, 1997, S. 135. 369 Vgl. Heinrichs, 1997, S. 135. 370 Toepler, 1997, S. 53. 371 Toepler, 1997, S. 54. 368

IV. Der Blick über die Grenzen

185

Insgesamt aber wird deutlich, dass Kulturförderung zunächst nicht vom Staat finanziert wird, sondern ein enormes Abhängigkeitsverhältnis zu privaten Institutionen und Geldgebern besteht. Dies wirkt sich natürlich dann auch negativ auf das Bild der Politik aus, wenn man bedenkt, dass die wenigen öffentlichen Gelder, die verteilt werden, in Projekte und Maßnahmen fließen, die im Grundsatz zuvor praktisch nicht diskutiert wurden.372 Es steht außer Frage, dass eine gänzliche Staatsferne nicht den kulturpolitischen Königsweg darstellt. In der nachfolgenden kurzen Zusammenfassung werden die Vergleichsansätze nochmals aufgearbeitet, um eine Verortung der bundesdeutschen Kulturpolitik vornehmen zu können.

5. Die Möglichkeiten eines Vergleichs zwischen verschiedenen Nationen Wie gesagt, ein Vergleich mit anderen Nationen ist bei einer Strukturanalyse dieser Art mit Vorsicht zu genießen. Zudem spiegelt der hier präsentierte Ausschnitt nicht im Entferntesten die Komplexität der verschiedenen kulturpolitischen Systeme wider. Allerdings zeigt sich, dass vieles, was die Diskussionen über Kulturpolitik in Deutschland speist, auch Gesprächsstoff in den anderen Nationen ist. So herrscht über die Zielvektoren kulturpolitischen Handelns im Grunde Einigkeit: Kunstförderung, Repräsentation, Integration sowie vor allem Bildung und Wissensvermittlung. Über die Funktionen der Kultur einer Gesellschaft ist demnach keine Diskussion zu vermerken. Über die Rolle, die der Staat hinsichtlich seiner Einflussnahme auf die Kultur spielen soll, allerdings schon. Auf der einen Seite existieren Modelle, bei denen der Staat sich weitestgehend aus der Verantwortung nimmt (so z. B. in den USA), während das andere Extrem (z. B. Frankreich) gerade mal zulässt, dass sich außer dem Bund noch andere Akteure an der Planung und Gestaltung beteiligen. Die Vor- und Nachteile dieser beiden Extreme sind offensichtlich. Der Markt für Kulturgüter wie Film, Musik oder Theaterunterhaltung hat sich in den USA ökonomisch zu einer Größe entwickelt, die enormen Einfluss auf die dortige Volkswirtschaft nimmt. Auch das Alltagsbild ist in den USA vom Kulturmarkt und der Kulturökonomie geprägt: ob nun die Ankündigungen der Filmpremieren in Hollywood im Rahmen überregionaler Nachrichtensendungen oder medienwirksame Wahlkampfauftritte, die nicht weniger inszeniert sind als professionelle Spielfilmproduktionen. Die Nachteile sind aber ebenso offensichtlich. Hat eine Kunstform keine Lobby, so wird sie sich in einem

__________ 372

Toepler, 1997, S. 54.

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

186

solchen Milieu kaum entfalten können. Die Heranbildung von Subkulturen ist mitunter unmöglich und eigentlich nur in den soziokulturellen Megazentren der Vereinigten Staaten wie etwa New York oder San Francisco vorzufinden. Ganz zu schweigen von den sozialen Strukturen auf dem Kunstmarkt. In der Konsequenz haben deshalb nicht-kommerziell ausgerichtete Künstler Existenzschwierigkeiten zu befürchten. Hier ist ein System, das die Möglichkeit der zentralen Steuerung erlaubt, sicherlich eher vorzuziehen. Die Symbolkraft der Kultur kann viel gezielter eingesetzt werden, und es können dadurch kurzfristig Zeichen gesetzt werden.373 Ein solches System ist allerdings unter demokratischen Gesichtspunkten zumindest umstritten. Sinnvoll erscheint deshalb die verstärkte Zusammenarbeit mit halbstaatlichen oder auch privaten, gemeinnützigen Organisationen, die viel besser an der Basis bzw. am Wirkungsort kulturpolitischen Handelns arbeiten. Von daher ist die gezielte Arbeit der bundesdeutschen Akteure zur Verbesserung des Stiftungsrechts ein sicherlich vernünftiges Konzept. Genauso wie die Überlegungen zur Stärkung des bürgerschaftlichen Engagement, um Kultur von ihrer Basis her zu ermöglichen.

V. Die Kulturpolitik der Europäischen Union Ein weiteres wichtiges Thema, das allerdings im Rahmen dieser Arbeit nur kurz angeschnitten werden soll, ist die Kulturpolitik der Europäischen Union. Angesichts dessen, dass diese Thematik mindestens denselben Umfang wie das bisher Geschriebene beansprucht, sind die folgenden Seiten bestenfalls ein knappes Umreißen und Charakterisieren dieses kulturpolitischen Akteurs. Es soll hier nicht ein weiterer kulturpolitischer, korporativer Akteur beschrieben werden. Allerdings befindet sich die EU hinsichtlich dieses Politikfeldes in einer besonderen Rolle. Ihr Handeln wirkt direkt und indirekt auf die entsprechende regionale und nationale politische Praxis. Es kann allerdings nicht die Aufgabe der EU allein sein, für eine Angleichung – im vorliegenden Fall besser: für eine Annäherung und für kulturelles Verständnis – zu sorgen. Zwar ist die EU den selben kulturpolitischen Zielen, wie z. B. der Förderung des kulturellen Dialogs und damit der Integration, den Angleichungen der Lebensverhältnisse und Lebensgrundlagen sowie der Erhaltung und Vererbung kultureller Traditionen, verpflichtet. Jedoch kann sie das nur leisten, indem sie die Mitgliedsstaaten zur Eigeninitiative auffordert.

_________ 373

Vgl. Heinrichs, 1997, S. 152.

V. Die Kulturpolitik der Europäischen Union

187

Deshalb spricht Hermann Schwengel beispielsweise von europäischer Kulturpolitik als Kommunikationspolitik, die „kulturelle Demokratisierung mit Mobilisierung der kreativen Ressourcen der Gesellschaft“ verbindet.374 Wie kann man sich einen solchen Prozess vorstellen? Nehmen wir z. B. die unterschiedlichsten Praktiken der Verwertungsgesellschaften in der Musikwirtschaft. Es kann nicht im Sinne der europäischen Idee sein, dass in den Mitgliedsländern unterschiedliche Tarife für Musikaufführungen existieren. Oder unterschiedliche Richtlinien bei der Regelung von Werbezeiten im Bereich des grenzüberschreitenden Fernsehens.375 Es wird deutlich, dass die EU bei kulturpolitischen Aufgaben, wie z. B. der Schaffung von adäquaten Rahmenbedingungen oder dem Erkennen latenter Bedürfnisse, Mängel im System hat.376 Sie ist aber hierbei den europäischen Leitlinien verpflichtet und nicht für die nationalen Kulturpolitiken verantwortlich. Wie gesagt: Eine umfassende Deskription der europäischen Kulturpolitik ist an dieser Stelle nicht zu leisten. Dennoch sollen zumindest einige wichtige historische und aktuelle Eckpunkte erläutert werden, die den rechtlichen und institutionellen Rahmen beschreiben, innerhalb dessen die EU kulturpolitisch aktiv ist. Die europäische Kulturpolitik hatte nach dem zweiten Weltkrieg zunächst die unterschiedlichsten Träger, die verschiedene Maßnahmen auf den unterschiedlichsten politischen Ebenen realisierten. So gab es damals wie heute bilaterale Abkommen zwischen den einzelnen europäischen Staaten, innerhalb derer diese Maßnahmen zumeist durch ein institutionalisiertes Gremium, wie z. B. den Deutsch-Französischen Kulturrat, realisiert werden. Aber auch innerhalb europäischer Institutionen und Organisationen, wie dem Europarat oder der UNESCO, gab es entsprechende Aktivitäten.377 Seit 1977 wurden auch immer wieder, zumeist von der Kommission, kulturelle Aktionen, wie z. B. „die Aktion der Gemeinschaft im kulturellen Bereich“ oder „Verstärkung der Gemeinschaftsaktion im Bereich Kultur“, durchgeführt, die aber den rein wirtschaftlichen Anforderungen eines gemeinsamen Marktes untergeordnet waren.378 Kultur war also schon immer ein politisches Thema innerhalb der EU, allerdings bis Anfang der 1990er Jahre noch wenig strukturell durchdacht. Dem

__________ 374

Schwengel, 1994, S. 179. Vgl. Dillenz, 1992, S. 94 – 95. 376 Vgl. Krön, 1992, S. 101. 377 Vgl. Heinrichs / Klein, 1996, S. 159 – 160. 378 Vgl. Schwencke, S. 232. 375

188

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

wurde mit In-Kraft-Treten des Artikels 128379 im Vertrag von Maastricht am 1. November 1993 ein vorläufiges Ende gesetzt. Seither führt die EU kulturelle Aktionen durch, die die „kulturelle Entfaltung der verschiedenen Mitgliedsstaaten“ zum Ziel haben. Mit der Verankerung des Kulturartikels existiert das erste Mal eine rechtliche Grundlage für kulturpolitisches Handeln der EU und eine Festschreibung der politischen Kompetenz gegenüber den Mitgliedsstaaten.380 Weiterhin wurde die EU hierdurch zum Einsatz von Instrumenten zur Unterstützung von Kulturinitiativen legitimiert, wodurch sie die Möglichkeit bekommt, ihren kulturpolitischen Verpflichtungen nachzukommen. Für die Verabschiedung derlei Programme gibt es Mitentscheidungsverfahren, die in der Vereinbarung des Europäischen Parlaments und des Ministerrats bestehen. Allerdings ist im Ministerrat hierfür Einstimmigkeit erforderlich. Die Maßnahmen, die die Tätigkeit der EU determinieren, werden weitestgehend von der Generaldirektion Bildung, Audiovisuelle Medien und Kultur sowie anderen Generaldirektionen, die mit kulturpolitisch relevanten Sachfragen betraut sind, entwickelt und werden zumeist in Kooperation mit Unternehmen, Verbänden, Behörden etc. verschiedener Mitgliedsstaaten und Drittländern durchgeführt.381 Mit den Neuerungen sind aber nicht nur Rechte, sondern gleichsam auch

__________ 379

Dieser Artikel wurde im Vertrag von Amsterdam unter Artikel 151 geführt und lautet wie folgt: (Vgl. Schwencke, 2001, S. 230) 1. Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedsstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes. 2. Die Gemeinschaft fördert durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten und unterstützt und ergänzt erforderlichenfalls deren Tätigkeit in folgenden Bereichen: í Verbesserung der Kenntnis und Verbreitung der Kultur und Geschichte der europäischen Völker, í Erhaltung und Schutz des kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung, í Nichtkommerzieller Kulturaustausch, künstlerisches und literarisches Schaffen, einschließlich im audiovisuellen Bereich. 3. Die Gemeinschaft und die Mitgliedsstaaten fördern die Zusammenarbeit mit dritten Ländern und den für den Kulturbereich zuständigen internationalen Organisationen, insbesondere mit dem Europarat. 4. Die Gemeinschaft trägt bei ihrer Tätigkeit aufgrund der Bestimmungen dieses Vertrags den kulturellen Aspekten Rechnung, insbesondere zur Wahrung und Förderung der Vielfalt ihrer Kulturen. 5. Als Beitrag zur Verwirklichung der Ziele dieses Artikels erlässt der Rat: í gemäß dem Verfahren des Artikels 251 und nach Anhörung des Ausschusses der Regionen Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedsstaaten. Der Rat beschließt im Rahmen des Verfahrens des Artikels 251 einstimmig; í einstimmig auf Vorschlag der Kommission Empfehlungen. 380 Schwencke, 2001, S. 231. 381 Vgl. hierzu die Homepage der EU: http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/lvb/ l29007.htm , Abruf: 28.08.2003.

V. Die Kulturpolitik der Europäischen Union

189

Pflichten verbunden. So ist vorgesehen, dass die Union auch bei ihrer Politik in anderen Bereichen, vor allem in ordnungspolitischer Hinsicht, wie z. B. auf dem Gebiet des Urheberrechts, auf die ihrer Mitgliedsstaaten zu achten hat. Hierdurch wird versucht, dem Subsidiaritätsprinzip genüge zu leisten.382 Des Weiteren ist in Artikel 87 vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten kulturelle Maßnahmen zwar subventionieren, sich also beteiligen dürfen, aber nur unter der Bedingung, dass dadurch die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt werden. Die Idee, die mit dem Vertrag von Maastricht bzw. Amsterdam in kulturpolitischer Hinsicht verbunden ist, ist das übergeordnete Konzept des „Unionsbürgers“. Dieses sieht vor, den EU-Bürger dafür zu sensibilisieren, dass neben seine nationale Staatsbürgerschaft eine europäische tritt, diese aber dabei nicht ersetzt. Das übergeordnete Ziel ist also die Initiierung eines Zusammengehörigkeitsgefühls, um so, unter Berücksichtigung der nationalen und religiösen Unterschiede, die Entfaltung und Verbreitung der „Europäischen Kultur“ und dessen Erbe zu garantieren. Diese „Europäischen Kultur“ wird von der EU selbst folgendermaßen definiert:383 „ ‚Europäische Kultur‘ meint einerseits Achtung des kulturellen Ausdrucks eines Volks, andererseits kulturellen Austausch und Zusammenarbeit, aus denen jeder Kultur schöpft und die für alle eine Bereicherung darstellen.“

Die Tatsache, dass Kulturpolitik im Rahmen der EU erst mit Maastricht Anfang der 1990er Jahre tatsächlich institutionalisiert wurde, lässt darauf schließen, dass sie noch in den Kinderschuhen steckt. Es wurde erst damit begonnen, entsprechende Programme und Aktionen zu entwerfen und institutionelle Strukturen aufzubauen.384 Insgesamt ist das Budget für Kulturpolitik nur bei ca. 250 Mio. €385 und entspricht damit gerade mal etwas mehr als einem Viertel des aktuellen Budgets der BKM in Deutschland, das ohnehin nur ca. 10 % der gesamten jährlichen Ausgaben für Kulturpolitik bzw. -förderung durch Bund, Länder und Kommunen in der Bundesrepublik entspricht. Umso eher ist es einleuchtend, dass europäische Kulturpolitik in Deutschland kaum wahrgenommen wird.386 Allenfalls die ordnungspolitischen Gesichtspunkte fallen hierzulande ins Gewicht. Das erste Rahmenprogramm zur Kulturförderung der EU „Kultur 2000“ sah nach Beschlussfassung zunächst ein Förderbudget von 167 Mio. € bei einer Laufzeit von fünf Jahren für insgesamt 29 Länder vor. Mittlerweile ist dieses

__________ 382

Vgl. Rübsaamen, 2002, S. 172 – 173. Europäische Kommission, 2001, S. 3. 384 Vgl. Schmidt, 2000, S. 25. 385 Schmidt, 2000, S. 25. 386 Vgl. Sievers, 2000, S. 20. 383

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D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Programm zwar bis 2006 verlängert, das jährliche Förderbudget ist aber stabil geblieben.387 Da dieses Programm die derzeitige Förderpraxis der EU im Bereich Kultur wohl am besten widerspiegelt, soll es an dieser Stelle kurz erläutert werden. Das Programm „Kultur 2000“ ist ein spartenübergreifendes Förderprogramm. Das Programm ist dafür vorgesehen, zur Förderung eines gemeinsamen Kulturraums der europäischen Völker beizutragen. Dieser Kulturraum zeichnet sich durch sein kulturelles Erbe aus, das es zu erhalten gilt. Aber auch die künstlerische Vielfalt trägt zur Einzigartigkeit des europäischen Kulturraums bei.388 Die drei maßgeblichen Förderbereiche sind dabei die Darstellende Kunst, die Bildende Kunst und Projekte, die zum Erhalt des kulturellen Erbes beitragen.389 In jedem Jahr wird eine dieser Sparten bevorzugt gefördert. Zudem gibt es parallel dazu spezielle Förderungen für den Bereich Buch und Lesen, Übersetzungen europäischer Literatur und einjährige Projekte, die von europäischen Organisationen in Drittländern durchgeführt werden.390 Es versteht sich aus dem vorher Geschilderten, dass die Projekte von europäischer Relevanz sein müssen, so dass vor allem die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Kulturschaffenden, Kulturakteuren und Kulturinstitutionen der Mitgliedsstaaten verbessert wird. Als Einzelziele werden folgende genannt:391 í Anregen des kulturellen Dialogs und Verbesserung der gegenseitigen Kenntnisse von Kultur und Geschichte der Völker Europas; í Beitrag zur transnationalen Verbreitung der Kultur sowie zum Austausch von Kunst- und Kulturschaffenden und anderen professionellen Kulturak-

__________ 387

Vgl. Sievers, 2000, S. 20 sowie Kulturpolitische Gesellschaft e.V. / Deutscher Kulturrat e.V., 2002, S. 62; hierbei kommen noch 4,5 Mio. € pro Jahr aus Beiträgen der assoziierten mittel-, süd- und osteuropäischen Staaten hinzu. 388 Vgl. Kulturpolitische Gesellschaft e.V. / Deutscher Kulturrat e.V., 2002, S. 59. 389 Vgl. Kulturpolitische Gesellschaft e.V. / Deutscher Kulturrat e.V., 2002, S. 59; in diesem Handbuch zur Kulturförderung Europas sind die drei Bereiche noch stärker operationalisiert. So gilt … … als Darstellende Kunst: Alle Bühnenkünste, also: Tanz, Theater, Musiktheater, Oper, Musik, Performances etc.; … als Bildende Kunst: Das gesamte Spektrum der modernen und zeitgenössischen bildenden Kunst u. a. verwandte Formen des künstlerischen Ausdrucks: Malerei, Bildhauerei, Video-Kunst, Cyber-Kunst, Fotografie, industrielles und kommerzielles Design, Textildesign, Architektur, Graphik, angewandte Kunst und Kunsthandwerk; … als Erhalt des kulturellen Erbes: Restaurierung von und / oder Zugänglichkeit herstellen zu unbeweglichem, beweglichem oder materiellem Kulturerbe, also Kulturgeschichte. 390 Vgl. Kulturpolitische Gesellschaft e.V. / Deutscher Kulturrat e.V., 2002, S. 59 – 60. 391 Kulturpolitische Gesellschaft e.V. / Deutscher Kulturrat e.V., 2002, S. 59.

V. Die Kulturpolitik der Europäischen Union

í í í í

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teuren sowie von deren Werken, mit Schwerpunkt auf jungen sowie sozial benachteiligten Menschen; Hervorheben der Vielfalt des kulturellen Schaffens sowie neuer Formen des kulturellen Ausdrucks; Schutz des gemeinsamen kulturellen Erbes von europäischer Bedeutung und dessen Betonung; Anregen des interkulturellen Dialogs und Austausch zwischen den Völkern Europas mit außereuropäischen Kulturen; Anerkennung der Kultur als Beitrag zur sozioökonomischen Entwicklung sowie als Wirtschaftsfaktor und Förderung des sozialen und staatsbürgerlichen Integrationsfaktors.

Angesichts des Förderbudgets und den recht ausladenden und hochgesteckten Zielsetzungen, die im Rahmen dieses Programms formuliert wurden, kommt unweigerlich der Gedanke auf, dass die EU hier ein „Alibi-Programm“ entworfen hat. Die Anzeichen hierfür kann man auch auf der Homepage der EU für den Bereich „Europa und die Kultur“ ablesen. In fast notgedrungener Manier wird hier versucht, Programmen wie z. B. dem „Fünften Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft für FTE“ kulturelle Dimensionen zuzusprechen. Ein weiteres Beispiel hierfür ist in der Beschreibung zum Projekt eContent zu finden. Hier heißt es:392 „Die finanzierten Maßnahmen betreffen unter anderem die Dienstleistungen, die Informationen des öffentlichen Sektors nutzen, sowie die Entwicklung von digitalen Datenbanken und der erforderlichen Computersoftware. Sie können sich auf Kunst, das kulturelle Erbe, Archive, Bibliotheken, Tourismus usw. beziehen.“

Sicherlich sind immer kulturpolitische Aspekte in verschiedenen Programmen zu finden. Dies steht außer Frage. Es soll hierbei auch nicht der Eindruck entstehen, dass die EU nicht bemüht sei, entsprechende politische Leistungen zu erbringen. Es ist aber eine andere Sache, sie als aktives Engagement im Rahmen der europäischen Kulturpolitik darzustellen. Dies ist in dieser Weise m. E. nicht zulässig. Die EU muss, angesichts dieser sehr bescheidenen Auslegung der rechtlichen Grundlagen und damit der Wahrnehmung der Kompetenz und Verpflichtung, für den Bereich der direkten, monetären Förderung von Kunst und Kultur als bedeutungslos bezeichnet werden. Allerdings büßt sie als kulturpolitischer Akteur dadurch keineswegs an Bedeutung ein. Vielmehr sind die Zielsetzungen recht klar abgesteckt. Die Frage ist nur, ob die augenblickliche Vorgehensweise hier adäquat ist. Am Anfang dieses Abschnittes wurden die Rückkoppe-

__________ 392

Vgl. hierzu die Homepage der EU: http://europa.eu.int/comm/culture/funding /finan _de.htm, Abruf: 28.08.2003.

192

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

lungseffekte auf die nationalen und regionalen Kulturpolitiken angesprochen. Hier ist m. E. ein Defizit zu verzeichnen. Es gibt kaum eine von der EU initiierte Wirkung auf eine Festlegung dessen, was für Aufgaben auf die Mitgliedsländer in den nächsten Jahren in kulturpolitischer Hinsicht zukommen. Wenn eine Umsetzung der Ideen und Ziele der EU geleistet werden soll, so muss es hier auch eine stärkere thematische Konkretisierung seitens der EU geben. Dies ist aber wohl angesichts dieses sehr jungen europäischen Politikfeldes wohl aus strukturellen Gründen noch nicht zu leisten.

VI. Resümee zum vierten Kapitel Anhand des Inhalts des vierten Kapitels kann man feststellen, dass sich das besprochene Politikfeld nicht nur hinsichtlich seiner begrifflichen Operationalisierung, sondern auch hinsichtlich seiner institutionellen Struktur, deutlich komplizierter gestaltet als viele andere politische Felder. Diese Komplexität entsteht zunächst durch die unmögliche Festlegung dessen, was eigentlich konkreter Gegenstandsbereich der Kulturpolitik ist, was nicht und was komplementär behandelt werden muss. Es gibt so vielfältige Überschneidungsbereiche, dass den kulturpolitischen Akteuren gar nichts anderes übrig bleibt, als sich spezifischen Einzelprojekten zu widmen. Sei es nun im Rahmen der Förderpolitik, der Ordnungspolitik, der Medienpolitik oder der Auswärtigen Kulturpolitik. Die Frage, was genau zum politischen Praxisfeld gehört, ist eine Sachfrage, die sich zum großen Teil aus den beobachtbaren Erfordernissen und deren Sachbearbeitung auf der Verwaltungsebene ergibt. Diesbezüglich werden natürlich die – im wahrsten Sinn des Wortes – „offensichtlichen“, also die am leichtesten erkennbaren, bevorzugt behandelt. Z. B. Baumaßnahmen, Subventionen von Kultureinrichtungen, Filmförderung und andere öffentlich geforderte Maßnahmen oder Projekte. Vieles davon ist auch traditionell mit den Aufgaben der Kulturpolitik verbunden. Alles, was zunächst evaluiert werden müsste oder bei dem die Wirkung mit einer zeitlichen Verzögerung verbunden ist, gelangt daher leicht auf das Abstellgleis. Dementsprechend gibt es natürlich auch Kritik und Anregungen zur Neukonzeption, wobei eine stärkere Verknüpfung mit der Kulturforschung wohl angesichts der verfassungsrechtlichen Kompetenzlage, in der sich der Bund im Verhältnis zu den Ländern befindet, m. E. eine Vorgehensweise wäre, die adäquat und zunächst leicht vollziehbar wäre. Leicht im Sinne einer institutionellen und organisatorischen Umsetzung. Die tatsächliche Implementierung der Erkenntnisse aus der Forschung in die praktische Politik ist wieder ein anderes Problem. Dies wäre aber der erste Ansatz zu einer tatsächlichen Neukonzeption und Neuorientierung. Trotz allen Überlegungen, Vorhaben und Konkretisierungen, die hinsichtlich der Modernisierung der Kulturpolitik in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden, sollte

VI. Resümee zum vierten Kapitel

193

eine Umorientierung auf ihre tatsächliche Sinnhaftigkeit geprüft und nicht nur diskutiert werden. Eine solche Überprüfung muss empirisch angelegt sein. Dass dies in unzureichender Form geschieht, zeigt nicht zuletzt das nahezu unmögliche Unterfangen, die Ausgabenstruktur so darzustellen, dass eine konzise Zeitreihe der Veränderungen entsteht, anhand derer sich die Entwicklung der Förderpolitik ablesen lässt. Hier muss dringend eine stärkere Transparenz angestrebt und realisiert werden. Dieser Kritikpunkt ist ebenso eine Empfehlung, die der Bundesrechnungshof in seinem Ergebnisbericht 2002 ausspricht. Im Rahmen dieses Berichtes wurden exemplarisch Einzelprojekte beschrieben und evaluiert. In nahezu allen Empfehlungen werden die strukturellen Defizite in der Kommunikation und Kooperation des Bundes mit anderen kulturpolitischen Akteuren, wie z. B. die Länder und Gemeinden, angesprochen. Wobei die Forderung nach einheitlichen Förderleitlinien am ehesten heraussticht.393 Natürlich kann man nicht davon sprechen, dass die Neuerungen auf der Bundesebene in den Jahren nach 1998 von revolutionär innovativer Kraft sind. Dies ist allein deshalb nicht möglich, weil die personellen Ressourcen und die Organisationseinheiten im Vergleich zu den Verhältnissen vor 1998 quasi gleich geblieben sind. Aber der Weg, der eingeschlagen wurde, vor allem die Bündelung der kulturpolitischen Kompetenz bei der BKM, war sinnvoll. Dies ist mittlerweile auch politischer Konsens. So äußern sich Vertreter verschiedener Parteien durchweg positiv über die Arbeit der Behörde bzw. des Staatsministeriums.394 Allerdings lassen auch diese Statements den Bezug zur Überprüfung der tatsächlichen empirischen Realität vermissen. Die Zielsetzungen, wie z. B. der Erhalt der kulturellen Vielfalt, Verständigung und Dialog mit anderen Kulturen etc., sind vom Grundansatz her natürlich sinnvoll und stellen die gesellschaftliche Bedeutung von Kultur heraus, den Weg zur Zielerreichung allerdings nicht. Und so äußert sich die derzeitige BKM Christina Weiss zur kulturpolitischen Arbeit folgendermaßen:395 „Alles, was Türen öffnet, Orte attraktiver macht, Verstehen fördert, schafft die nötige Basis zur Begegnung. Verlockung ist notwendig, Verführung zum Spiel, Überschreiten von Grenzen: das braucht jeder Einzelne zum bewussten, selbstbewussten Leben, das braucht die Gemeinschaft für ein gutes, offenes, verständnisvolles Klima.“

Dies spiegelt m. E. hervorragend die kulturpolitische Arbeit wider: Vernünftige Zielsetzungen ohne operationale und überprüfte Wege. Und so kann man nur zustimmen, wenn Scheytt, Goldmann, Magdowski und Eichler ihren Beitrag „Ausgebessert, aber noch nicht runderneuert“396 nennen. Die Schwierig-

__________ 393

Vgl. Bundesrechnungshof, 2002, S. 15 – 17. Vgl. hierzu die Beiträge von Zimmermann / Lammert / Barthels / Otto und Griefahn im Schwerpunktheft „Vier Jahre Bundeskulturpolitik“ der Kulturpolitischen Mitteilungen (Heft 98, III / 2002). 395 Weiss, 2002, S. 169. 396 In: Kulturpolitische Mitteilungen, 98, III / 2002, S. 17. 394

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D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

keiten, die mit einer solchen „Runderneuerung“ verbunden sind, sind freilich hinlänglich und ausführlich beschrieben worden. Das Problem, subsidiär zu arbeiten, die Freiheit der Kunst zu respektieren397, gleichzeitig die Kunst und Kultur (finanziell) zu unterstützen und zu fördern, ohne dabei auf die Inhalte einwirken zu können oder zu dürfen und sich dabei der Gefahr des Vorwurfs des Lobbyismus aussetzen zu müssen, macht die Arbeit des Kulturpolitikers nicht gerade leicht und zeigt, wie sensibel Kulturpolitik gerade auf der Bundesebene zu praktizieren ist. Vorwürfe, wie die, die Rose in seinem Artikel „Alte, neue und ganz neue Kulturpolitik“ übt, sind hierbei nicht ganz haltlos, wenngleich aber m. E. auch angesichts der Schwierigkeiten, die die praktische Politik hat, ein wenig überzogen:398 „Die ‚Experten‘ haben sich verselbständigt und mit viel Akribie über Kunst und Kultur einen komplexen wie komplizierten wissenschaftlich-bürokratischen Überbau gestülpt. Sie haben untereinander geschickt die Fäden gespannt und daraus ein feines, immer dichteres Netz gewoben. So ist ein Netzwerk entstanden, das dem Filz immer ähnlicher wird und das sich hermetisch um den Kern der kulturpolitischen Sache Kunst und Kultur legt.“

Damit kritisiert er den vermeintlichen Zustand, dass Verfahrenstechniken, also Verwaltungsaspekte, zunehmend mehr zum Gegenstand der Politik werden und der kommerzielle Charakter von Kunst und Kultur überbetont wird.399 Wie gesagt, angesichts des engen Handlungsrahmens kann so ein Eindruck entstehen. Mögliche Auswege aus diesem Dilemma könnten folgende Maßnahmen sein, die es zu institutionalisieren gilt: 1 Umfangreiche Projektevaluationen: Auf der Basis dieser Ergebnisse können Handlungsalternativen entwickelt und implementiert werden. Damit sollen aber keine Kontrollen oder Sanktionsabsichten verbunden sein. Es geht hier, wie bereits schon im Rahmen der Beschreibung zur Ordnungspolitik ausgeführt, um kontinuierlichen, gegenseitigen Informationsaustausch und konkrete Zusammenarbeit zwischen Förderern und Geförderten. Symposien und Konferenzen reichen hierbei nicht aus. 2. Öffentliche Information: Die Öffentlichkeit muss regelmäßig und umfangreich über Kulturpolitik und die kulturpolitische Partizipation informiert werden, um die Wichtigkeit und den Sinn von Kulturpolitik zu verdeutlichen.

__________ 397

Vgl. auch Bergsdorf, 1998, S. 22. Rose, 2001, S. 80. 399 Rose, 2001, S. 80. 398

VI. Resümee zum vierten Kapitel Exkurs II: Ökonomische Einflussfaktoren

195

Im aktuellen Kapitel wurden einige exemplarische Ansätze präsentiert, die verdeutlichen sollen, dass relativ einfach vielfältige Ansätze verfolgt werden können, um über Projekte Informationen zu sammeln, um sie dann hinsichtlich ihrer Zielsetzung und Effizienz zu überprüfen. Wie und in welchem Ausmaß der Bund über seine inhaltliche kulturpolitische Arbeit informiert, lässt sich sehr gut anhand einer Analyse der Pressemitteilungen verdeutlichen. Dies soll Gegenstand des nachfolgenden fünften Kapitels sein.

Exkurs II: Ökonomische Einflussfaktoren auf das kulturpolitische Handeln Wenn man versucht, sich mit der kulturpolitischen Handlungslogik auseinander zu setzen, kann man eine Betrachtung der ökonomischen Rahmenbedingungen nicht vermeiden. Gerade in den letzten Jahren wurden Aspekte von Kultur als Wirtschaftsfaktor auch in der Debatte um neue Konzepte der Kulturpolitik diskutiert. Vorrangig ist hierbei das Argument, dass eine „Investition“ in Kultur anhand „ökonomisch, rationaler“ Gesichtspunkte vollzogen werden sollte. Wie kann man sich dies nun vorstellen? Es ist zunächst in Betracht zu ziehen, dass die kulturelle Belebung einer Region positive Effekte auf die Wirtschaft dieser Region nach sich zieht. Dies ist mittlerweile hinlänglich belegt. Des Weiteren muss konstatiert werden, dass der Kulturmarkt aktuell von solch großer volkswirtschaftlicher Bedeutung ist, dass er automatisch in das Blick- und Handlungsfeld der Politik rückt und entsprechend behandelt werden muss. Sind dies nun aber Argumente, an denen sich die Kulturpolitik auch praktisch ausrichten muss? Sollten die Kulturpolitiker also stärker unter ökonomischen Gesichtspunkten ihre Arbeit vollziehen? Dies muss diskutiert werden. Zunächst sind aber einige wichtige Fakten als Grundlage dieser Diskussion zu erläutern. Bisher wurden die Kulturwirtschaft und der kulturelle Beschäftigungsmarkt als eine nicht-marktbestimmende Branche angesehen, was folglich zu einer wirtschaftspolitischen Vernachlässigung geführt hat. Fakt ist allerdings, dass mehr als sieben Millionen Menschen in Europa im privatwirtschaftlichen und im subventionierten Kultur- und Mediensektor erwerbstätig sind.400 Der Kulturmarkt ist sowohl hinsichtlich der Arten der dort angebotenen Güter als auch

__________ 400

Vgl. Söndermann, 2002, S. 369 – 371.

196

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

den Preisen, die für diese Güter gezahlt werden, hochgradig heterogen. Mittlerweile wurde bezüglich dieses Marktes hervorragende Arbeit hinsichtlich der statistischen Erfassung der Besonderheiten und Ausprägungen dieses Marktes geleistet.401 Es gibt also eine entsprechend gute Wissensgrundlage für Politiker und Kulturmanager. Man würde nun wieder eine neue Diskussion initiieren, wenn man bei der Überlegung, wer welche Aufgabe hat, zwischen Kunst und Kommerz differenzieren würde. Dies kann abermals an dieser Stelle nicht geleistet werden, denn Fragen wie „Ist die Politik für die Erhaltung des künstlerischen Schaffens verantwortlich?“, „Wann wird Kunst zur kommerziellen Ware?“, „Wann kommt der Kulturmanager zum Zuge? Und können beide – Politiker und Manager – dann noch zusammenarbeiten oder zumindest an der gleichen Sache arbeiten?“ sind so weitreichend, dass beim Versuch der Beantwortung wiederum der Rahmen gesprengt werden würde. Vielmehr soll nur die Frage gestellt werden, inwiefern die Kulturpolitik sich die Eigenschaften des Kulturmanagements zu Eigen machen sollte. Per Definition bedeutet Kulturmanagement, die „Steuerung zur Erstellung und Sicherung von Leistungen in arbeitsteiligen Kulturbetrieben, die sich in einer komplexen und veränderbaren Umwelt abspielen und auf die Austauschbeziehungen zwischen Anbietern und Nutzern ausgerichtet sind“.402 Das bedeutet, dass das Kulturmanagement Planung, Führung, Controlling, Marketing etc. zu großen Teilen übernimmt, und so Kunst und Kultur in einer marktwirtschaftlichen Gesellschaft zu ermöglichen hilft.403 Sehr vereinfacht hieße dies, dass versucht werden muss eine Interaktion zwischen kulturellem und wirtschaftlichem Teilsystem der Gesellschaft herzustellen, das zu einer Art symbiotischem Verhältnis führt, aus dem synergetische Effekte zum Wohle der Kultur entstehen können. Dieses wäre ein Leichtes, würde man lediglich die kommerziellen Aspekte der Kulturgüter betrachten, an denen der Markt sich hinsichtlich Angebot und Nachfrage orientieren könnte. Hier werden die Funktionen der Kulturpolitik am deutlichsten. Denn ein Blick in die USA, in der die Verantwortung über ein solches Interaktionssystem fast gänzlich dem Markt überlassen wird, zeigt beispielsweise enorme Homogenisierungstendenzen auf dem Kulturgütermarkt. Bereits Horkheimer und Adorno haben genau hiervor gewarnt. So schrieben sie in der „Dialektik der Aufklärung“ von einer rücksichtlosen Integration von Kultur in den Wirtschaftssektor, realisiert in der Kulturindustrie, die die industrielle Massenproduktion von Kulturgütern ermöglicht und so eine Entwertung der Kunst auslöst. Die Nachfrage nach solchen Gütern vollzieht sich demnach anhand der subjektiven Befriedigung persönlicher Bedürfnisse, und zwar ohne dabei den durch das

__________ 401

Vgl. Söndermann, 2002, S. 369 – 391. Heinrichs / Klein, 1996, S. 147. 403 Heinrichs / Klein, 1996, S. 147 – 148. 402

Exkurs II: Ökonomische Einflussfaktoren

197

Kunstwerk vom Künstler intendierten Ausdruck ästhetisch in Betracht zu ziehen.404 Wir haben also ein zunächst zweidimensionales Phänomen: Auf der einen Seite ein ökonomisches System, das sehr potent ist und volkswirtschaftlich einen wichtigen Beitrag leistet, auf der anderen Seite hat das kulturelle System aber gesellschaftliche Funktionen, die unter keinen Umständen von Marktmechanismen abhängig sein dürfen. Dies ist der Zustand, mit dem sich die Kulturpolitik auseinandersetzen muss. Zudem funktioniert der Kulturmarkt, im Vergleich zu herkömmlichen Gütermärkten, nicht nach den „Gesetzen“ der Volkswirtschaft. Er gestaltet sich weitaus komplizierter, weil für viele Kulturgüter keine empirischen Marktanalysen bezüglich ihrer Nachfrage möglich sind und Preisbildungsprozesse unabhängig von materiellen und personellen Faktoren sind. Der Kulturmarkt ist demnach nicht durch die ohnehin sehr umstrittenen Marktfunktionen, die sich aus dem Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage ergeben, steuerbar. Viele Angebote können erst entstehen, wenn von staatlicher Seite eine Unterstützung erfolgt. Was für eine Rolle hat nun die Kulturpolitik hinsichtlich der aufgezeigten Aspekte zu erfüllen? Sie ist in einer Rolle, in der sie zwei Funktionen hat: 1. Erhaltung der Kulturdiversität: Dies bedeutet zunächst, dass sie die Produktion von Kulturgüter aus den verschiedensten Kultursegmenten zumindest fördern, wenn nicht sogar gewährleisten muss. Dabei ist auch wichtig, dass dies bekannt wird, also darüber kommuniziert wird. Die Existenz von bestimmten Kulturgütern darf nicht abhängig vom Grad ihrer Vermarktbarkeit oder Kommerzialität sein, sofern sie den funktionalen Ansprüchen gerecht werden sollen. 2. Extrinsische Motivation und soziale Absicherung: Neben der intrinsischen Motivation existiert auch bei Künstlern eine extrinsische Motivation, die gerade in marktwirtschaftlich ausgerichteten Gesellschaften vermutlich stärker ausgeprägt ist. Gleichzeitig gibt es natürlich Ansprüche und anvisierte Lebensstandards. Letztere haben zumindest den Grad des Existenzminimums und ein Mindestbedürfnis an sozialer Anerkennung. Um einen differenzierten Kultur- und Kunstmarkt zu erhalten, muss der Staat dafür Sorge tragen, dass Künstler ihre Kunst nicht nach Trends, die der Markt vorgibt, ausrichten müssen. Gleichzeitig muss ein gewisser Grad an (sozialer wie monetärer) Anerkennung erreichbar sein. Gerade der letzte Punkt ist der wesentliche Motivationsaspekt.

__________ 404

Vgl. Horkheimer / Adorno, 1988, S. 128 – 176.

198

D. Die Struktur der Kulturpolitik in der BRD

Es stellt sich also nicht die Frage, ob die öffentliche Hand als Kulturmanager auftreten sollte, denn dazu hat sie weder die Kompetenz noch die Macht noch den Anspruch, wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Das entbindet die Kulturpolitiker aber nicht von der Aufgabe, die Geschehnisse auf dem Kulturmarkt und innerhalb der Kulturindustrie zu beobachten und zu evaluieren. Die Doppelfunktion besteht in der Herstellung eines ausgeglichenen Verhältnisses: Die Erhaltung dieses potenten und wichtigen Marktes, die Verknüpfung zwischen kulturellem und wirtschaftlichem System sowie die Herstellung eines notwendigen Grades an Unabhängigkeit von diesem für die Künstler und Kulturschaffenden.

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

I. Die Inhaltsanalyse von Pressemitteilungen

1. Aspekte der Validität, Reliabilität und Objektivität im Zusammenhang mit der Struktur des Rohdatenmaterials Warum werden Pressemitteilungen für eine Inhaltsanalyse herangezogen? Und was sagen diese überhaupt aus? Im Vorangehenden wurde viel von funktionalen Aspekten der Kulturpolitik gesprochen. Im zweiten Kapitel wurden diese theoretisch und relativ abstrakt beschrieben. Durch die verschiedenen strukturellen Gesichtspunkte, die im vierten Kapitel herausgearbeitet wurden, wird deutlich, inwiefern die Politik ihre Zielvorgaben operational umsetzt, und man kann im Grunde konstatieren, dass die kulturpolitischen Akteure und Entscheidungsträger die Aufgabe von Kultur im Allgemeinen und in den Grundansätzen richtig antizipiert haben. Durch die Analyse der Pressemitteilungen sollen nun vor allem zwei wesentliche Fragen geklärt werden: 1. Was wird über das kulturpolitische Arbeitsfeld durch die Medien nach außen getragen, und wird über die Kommunikationsinhalte die Relevanz, die Kultur für eine Gesellschaft hat, verdeutlicht? 2. Wie gestaltet sich die aktive Kulturpolitik praktisch und inhaltlich bzw. wie stellt sie sich tatsächlich dar? Ob die Validität der Ergebnisse zur Klärung der zweiten Frage gegeben ist, ist zugegebenermaßen als kritisch zu beurteilen. Denn die Pressemitteilungen spiegeln natürlich nur ein kleines Spektrum dessen wider, was tatsächliche praktische, kulturpolitische Arbeit ausmacht. Diese in ihrer Vollständigkeit zu überprüfen, ist eigentlich nur durch eine allumfassende Evaluation möglich. Und die Schwierigkeiten, die hiermit verbunden sind, wurden bereits im Vorangestellten erläutert. Dies soll nun aber nicht bedeuten, dass die Validität nicht diskutiert werden oder man sie bei der Arbeit gar unberücksichtigt lassen kann. Anhand des Kategorienschemas, das im nächsten Abschnitt beschrieben und erklärt wird, lässt sich erkennen, dass die Analyse der Pressemitteilungen mit den Fakten aus dem vierten Kapitel korrespondiert. Das Kategorienschema

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

200

entstand anhand der Beschreibung der Unterteilung in die verschiedenen Politikfelder und anhand der von der Politik genannten und praktisch behandelten Schwerpunkte, die in den Kompetenzbereich des Bundes fallen. Das Vorgehen ist also auf der Basis der zuvor gewonnenen Erkenntnisse entstanden, so dass die interne Validität relativ gut gesichert ist. Die externe Validität ist hierbei weniger leicht zu gewährleisten, da man durch die Analyse nicht uneingeschränkt Aussagen darüber machen kann, ob sich die Tätigkeit des Bundes im Bereich der Kulturpolitik tatsächlich nur auf die auf diesem Wege kommunizierten Inhalte beschränkt. Sicherlich ist dies, wie schon angedeutet, nicht der Fall. Für eine ganzheitliche Erfassung müssten beispielsweise Reden, Interviews und Artikel mit untersucht werden. Aber dies ist angesichts der Fülle an „kleinen“ Projekten und Maßnahmen ein allgemeines Problem, das aus der erschwerten Überschaubarkeit resultiert. Die empirische Nachvollziehbarkeit stößt hierbei an ihre Grenzen, und es wird bestenfalls ermöglicht, Trends der inhaltlichen Schwerpunktsetzungen zu ersehen. Die Objektivität der Untersuchung lässt sich durch die intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Arbeitsschritte prüfen. Hinsichtlich der Reliabilität der Daten ist die Beschreibung der Struktur der Pressemitteilungen, und somit die Möglichkeit einer einheitlichen Codierung, von Bedeutung. Je ähnlicher sich die Mitteilungen im Aufbau sind, desto leichter fällt es, bei den Codiervorgängen zuverlässig das zu codieren, was letztlich auch codiert werden soll. Deshalb soll diese Struktur im Folgenden genauer erläutert werden. Dieser erste Zugang zur Feststellung der Reliabilität kann durch andere Verfahren ausgebaut werden. So bietet sich natürlich die Überprüfung der Intercodier-Reliabilität an, um die Zuverlässigkeit des Verfahrens sicher zu stellen. Grundlegende technische Zugänge zu diesen Tests bietet beispielsweise Werner Früh (2004). Im Rahmen der hier vorliegenden Arbeit wurde ein solcher Test jedoch nicht durchgeführt. Dies muss – durchaus selbstkritisch – an dieser Stelle angemerkt werden. Ein Versäumnis, das in Folgearbeiten zu dieser Thematik nachgeholt wird.

2. Struktur und Erscheinungsbild der Pressemitteilungen Im Rahmen der Analyse wurden insgesamt 224 Pressemitteilungen aus dem Zeitraum Juni 1999 bis Oktober 2002 herangezogen.405 Sie wurden chronologisch gegliedert und im Programm MAXQDA® aufbereitet. Sie bilden einen

__________ 405 Diese wurden auf der Homepage der BKM bereitgestellt. Vgl. hierzu: http://www.bundesregierung.de/Regierung/Beauftragte-fuer-Kultur-und-Me-,9358/Pressemitteilungen.htm, Abruf: Oktober 2003.

I. Die Inhaltsanalyse von Pressemitteilungen

201

Zeitraum von knapp einer Legislaturperiode ab und beinhalten die Amtszeiten von Michael Naumann und Julian Nida-Rümelin.406 Wie bereits angeführt ist die Erläuterung der Struktur der Pressemitteilungen für die spätere Überprüfung der Güte der Ergebnisse von Bedeutung. Bezug nehmend auf Abschnitt C . IV. 1., in dem das Verfahren der Inhaltsanalyse beschrieben wurde, geht es darum, einen „Bedeutungsträger“ in „Elemente“ zu „zerlegen“. Die Pressemitteilungen haben einen Umfang etwa von 5 bis 100 Sätzen.407 Trotz dieser eigentlich enorm großen Varianz weist der Großteil der Meldungen aber eine recht konforme Struktur auf, so dass sich zunächst die zusammenfassende Inhaltsanalyse anbietet. Diese zeichnet sich durch eine erste Selektion und Reduktion des Datenmaterials aus. Selbstredend ist dies nur als erster Schritt zu verstehen. Demnach kann man eine Struktur folgendermaßen beschreiben:

Kopfzeile:

Beinhaltet die Nummer der Pressemitteilung408, eine kurze Betreffzeile, in der der Anlass der Mitteilung als Schlagzeile dargestellt ist und das Datum bzw. der letzte Stand.

Haupttext:

Beinhaltet Informationen zum Sachverhalt, gegebenenfalls vertiefende Informationen und Verweise auf weitere Informationsquellen und „verwandte“ Veranstaltungen (z. B. Pressekonferenzen). Zumeist sind hier auch Statements der Akteure im genauen Wortlaut zu finden.

Kontaktzeile:

Beinhaltet den Verfasser bzw. die Kontaktdaten sowie Hinweise auf Publikationen und Internetseiten.

Abbildung 27: Struktur der Pressemitteilungen

Nahezu 90 % der Meldungen sind in diesem Stil aufgebaut. Die restlichen 10 % sind Kurzverweise auf verwandte Themen (zumeist der Verweis auf das Auswärtige Amt und auf die entsprechenden Informationsquellen dort) sowie

__________ 406

Für das Jahr 1999 wurden nur sehr wenige Mitteilungen bereitgestellt, was zum einen mit der Aufbereitung des Onlineservices zusammenhängen, zum anderen aber auch aus der Neustrukturierung resultieren könnte. 407 Dies sind lediglich ungefähre Werte, da viele Meldungen auch Aufzählungen beinhalten, die den Umfang erhöhen und so das Bild verzerren. Der normale Umfang beträgt zwischen 10 und 20 Sätzen, so dass die Struktur sich tatsächlich auch auf die Länge auswirkt. 408 Einige Mitteilungen waren nicht nummeriert. Zumeist waren dies Meldungen des Auswärtigen Amtes, die mit aufgenommen wurden. In diesem Falle wurde das Datum der Veröffentlichung als Nummer verwendet.

202

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Abdrucke von persönlichen Schreiben des Bundeskanzlers (z. B. Gratulationsschreiben an Künstler, Kondolenzschreiben an Hinterbliebene von Künstlern oder von Persönlichkeiten aus der Kulturszene etc.). Dieser Umstand ist hinsichtlich der Codiervorgänge ideal, denn die einzelnen Segmente können relativ genau einfachen Kategorien zugeordnet werden. Anhand des ersten Codiervorgangs wird es also möglich, das Datenmaterial zunächst auf die wesentlichen Informationen hin zu strukturieren, um dann, ganz im Sinne der Grounded Theory, zu einer explizierenden Inhaltsanalyse überzugehen, in der die Besonderheiten extrahiert werden. Dieses Vorgehen basiert auf dem Kontextwissen, das aus der in Kapitel D. dargestellten Analyse resultierte.

3. Das Kategorienschema, die Codiervorgänge und der Auswertungsplan Bei der Arbeit auf der Grundlage der Grounded Theory ist das Kategorienschema die Dokumentation des eigentlichen Arbeitsprozesses, da hierdurch von den offenen Fragen und den offensichtlichen Sachverhalten immer stärker differenzierend auf Teilaspekte und Besonderheiten geschlossen werden kann. Und so wurden zunächst, nachdem die Pressemitteilungen chronologisch sortiert wurden, zwei Aspekte codiert: Die kulturpolitischen Akteure, die in den Mitteilungen behandelt werden sowie die Politikbereiche, auf die die Mitteilungen Bezug nehmen. Wie aus Abbildung 28 ersichtlich, gibt es insgesamt bis zu drei Ebenen der Differenzierung dieser ersten deskriptiven Kategorien, die sich im Folgenden gerade für multivariate Auswertungen anbieten. Als Orientierung für diese Differenzierungen dienten die Erkenntnisse aus Kapitel D. So konnte das kulturpolitische Aufgabenfeld des Bundes relativ exakt im Rahmen des Kategoriensystems abgebildet werden. Beim Codiervorgang selbst wurde dieses System dann weiter ausdifferenziert, so dass es zu keinen „Verlegenheitszuordnungen“ kam und somit lediglich 5 der 224 Mitteilungen nicht zugeordnet werden konnten. Der zweite Codierdurchgang (siehe Abbildung 29) bezog sich auf die nächste Informationsstufe und ist – zugegebenermaßen – deutlich stärker von subjektiven Eindrücken geprägt als die relativ linearen und offensichtlichen Zuordnungen zu Kategorien, die im ersten Durchgang relevant waren. Hinter der Kategorie „Politische Partizipation“ steckt die Idee, eine Einschätzung über die in den Pressemitteilungen beschriebenen Aktivitäten und den Grad ihres Einflusses auf die Praxis abgeben zu können.

I. Die Inhaltsanalyse von Pressemitteilungen 1.Akteur 1.1 1.2 1.3 1.4 2. Politikbereiche 2.1

2.2

2.3

2.4

Auswärtiges Amt Ausschuss des Bundestages BKM Andere Ordnungspolitik 2.1.1 Leitfaden für Nachforschungen 2.1.2 Filmfördergesetz 2.1.3 Bundesarchivgesetz 2.1.4 Freiwilliges soziales Jahr im kulturellen Bereich 2.1.5 Urhebervertragsrecht 2.1.6 Künstlersozialversicherungsrecht 2.1.7 Besteuerung ausländischer Künstler 2.1.8 Buchpreisbindung 2.1.9 Stiftungsrecht 2.1.10 Spendenrecht 2.1.11 Rechtsrahmen für Informations- & Kommunikationstechnologie 2.1.12 Entflechtungsdebatte Medienpolitik 2.2.1 sonstige Medienprojekte 2.2.2 Neue Medien 2.2.3 Medienordnung 2.2.4 Rundfunk Förderpolitik 2.3.1 Kultursponsoring 2.3.2 Deutsche Bibliothek 2.3.3 Museen / Sammlungen 2.3.4 Geschichtsbewusstsein 2.3.5 Archive 2.3.6 Festspiele 2.3.7 Denkmalpflege und Sicherung von Kulturgut 2.3.7.1 Kultur in den neuen Ländern 2.3.8 Förderung kultureller Maßnahmen / Bundesvertriebenengesetz 2.3.9 Kunstförderung 2.3.9.1 Architektur 2.3.9.2 Theater 2.3.9.3 Künstlerprojekte 2.3.9.4 Musik 2.3.9.5 Film 2.3.9.6 Sprache und Literatur 2.3.9.7 Bildende Kunst 2.3.9.8 Förderung von Kunst und Kultur in Berlin und Bonn 2.3.10 Kulturstiftungen Auswärtige Kulturpolitik 2.4.1 Rückgabe von „Beutekunst“ 2.4.2 Internationale Abkommen 2.4.3 Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements 2.4.4 kulturelle Integration 2.4.5 Internationale kulturelle Aufgaben im Ausland 2.4.6 Internationale kulturelle Aufgaben im Inland 2.4.7 Europäische Kulturpolitik

Abbildung 28: Erste Teilkategorien bei der Inhaltsanalyse der Pressemitteilungen

203

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

204

3. Politische Partizipation 3.1 Politische Aktivität (direkte politische Arbeit) 3.1.1 akteursbezogen 3.1.2 ereignis- / projektbezogen 3.2 Repräsentation (kaum bis kein Einfluss) 3.2.1 akteursbezogen 3.2.2 ereignis- / projektbezogen 4. Informationsgehalt 4.1 vertiefende / ergänzende Information (IG: hoch) 4.2 oberflächliches Informieren (IG: mittel – niedrig) 4.3 Desinformation 5. Information über Mittelverteilung

Abbildung 29: Teilkategorien zur intensiven Auswertung

Grundsätzlich wurde hierbei zwischen direkter politischer Arbeit, also z. B. Gesetzesentwürfen, Förderprogrammen etc., sowie repräsentativen Aufgaben unterschieden. Repräsentative Aufgaben sind hierbei selbstverständlich auch als politische Arbeit zu verstehen, jedoch kann man Aktivitäten in diesem Rahmen als deutlich weniger relevant für die politische Gestaltung einschätzen. Dies vor allem deshalb, weil es sich weitgehend um Festakte wie z. B. Preisverleihungen, Geburtstags- und andere Gratulationsansprachen oder Ähnliches handelt. Diese Funktionen bilden eher den Rahmen für ein adäquates „Erscheinungsbild“ des Bundes im Bereich der Kulturpolitik. Allerdings sind diese Aufgaben dadurch nicht weniger wichtig. So wurde vor 1998 immer wieder reklamiert, dass der Bund keine kulturpolitische Vertretung, also kein „kulturpolitisches Gesicht“ hätte. Gerade im internationalen Kontext bekommt dieser Bereich ein wesentliches Gewicht und trägt zur Erfüllung eines kulturpolitischen Hauptziels – der Vermittlung eines „angemessenen Deutschlandbildes im Ausland“ – entscheidend bei.409 Diese beiden Kategorien kann man nun noch weiter aufsplitten, indem man „akteursbezogen“, also z. B. ein Treffen zwischen einzelnen Politikern, oder „ereignis- / projektbezogen“, z. B. ein

__________ 409

Dieser oft gebrauchte Ausdruck verdeutlicht leider ein weiteres Mal, inwiefern die aktive Gestaltung der Kulturpolitik im Ermessen des individuellen Entscheidungsträgers, sei es nun in Person eines Politikers oder eines Verwalters, liegt. Dem Begriff der „Repräsentation“ fehlt nämlich auch hierbei die Operationalisierung. Wie schwierig sich diese gestaltet bzw. wie vielfältig die Beweggründe für eine Repräsentation sein können wird von Kreutz und Wuggenig verdeutlicht. So kann demnach eine Repräsentation nicht nur lediglich als Vorstellung, Darstellung oder Stellvertretung einer bestimmten Sache, eines Sachverhaltes, einer Person oder Gruppe fungieren, sondern auch als Machtanspruch, Prestigestreben oder im Sinne eines „impression managements“, das „systematische Verzerrungen der wahren Verhältnisse beinhaltet“. (Vgl. Kreutz / Wuggenig, 2000, S. 249) Repräsentation und ihre Funktion ist also fallweise einzuschätzen; ein globales Konzept ist im Grunde nicht umsetzbar.

I. Die Inhaltsanalyse von Pressemitteilungen

205

bestimmtes Förderprojekt, die Einweihung einer Bibliothek oder Ähnliches codiert. Eine weitere, wesentliche Kategorie ist die Einschätzung des Informationsgehaltes der einzelnen Mitteilungen. Eine solche Einschätzung kann leicht den Eindruck eines zu starken Einflusses subjektiver Sichtweisen erwecken. Durch das entsprechende Kontextwissen und aufgrund der Tatsache, dass für diese Kategorie ganze Textblöcke codiert wurden, ist aber eine intersubjektive Nachvollziehbarkeit gegeben. Dies reicht aber letztlich nicht aus, um valide vorzugehen. In solchen Fällen ist es deshalb notwendig, sich bei der Codierung am Oberflächentext zu orientieren. Titscher et al. schlagen vor, sich die Typologie der Textkriterien von Beaugrande und Dressler zu verinnerlichen. Zunächst unterscheiden die beiden Autoren zwischen Kohärenz und Kohäsion. Während die Kohärenz, oder auch Textsemantik, die Bedeutung eines Textes konstituiert – genaue Erläuterungen werden hierzu noch später gegeben – bezeichnet man mit Kohäsion, oder auch Textsyntaktik, alle Funktionen, die angewendet werden, um Beziehungen zwischen Oberflächenelementen zu stiften.410 Diese Funktionen können beispielsweise Ellipsen (Verkürzungen), Rekurrenzen (Wiederholungen), Anaphern (Rückverweise) und Kataphern (Vorverweise) sein. Zur Einschätzung bzw. Codierung und Kategorisierung ist die Identifizierung dieser Textelemente nun von besonderer Relevanz. Zu der Kategorie „Informationsgehalt“ gibt es drei Unterkategorien: Vertiefende, ergänzende Informationen sind solche, die für eine stärkere Transparenz sorgen, also eine Verbindung zum gesamten thematischen Kontext herstellen oder Biographien präsentieren, z. B. bei Meldungen, die Personen in den Mittelpunkt stellen, durch die die Wissensbasis also entscheidend erweitert wird. Obgleich der Umfang einer Mitteilung keine Garantie für einen hohen Informationsgehalt ist, so ist er doch notwendige Bedingung dafür. Ein oberflächliches Informieren beinhaltet einige zusätzliche Sätze, die Ansätze bieten, sich weiter zu informieren. Wenngleich es m. E. zu keiner Desinformation kam, wurde diese Unterkategorie der Vollständigkeit halber mit aufgenommen. Die Kategorie „Desinformation“ sollte Texte oder Textelemente kennzeichnen, die nachweislich falsche Informationen beinhalten. Dies ist ex post natürlich nur an Ereignissen nachzuweisen, die für Aufsehen und Medieninteresse gesorgt haben. Abgesehen davon, dass so etwas sehr selten ans Tageslicht dringt – wie z. B. der Streit um die Beteiligung einer Degussa-Tochter bei der Errichtung des Berliner Mahnmals zum Gedenken an die Holocaust-Opfer des Dritten Reiches411 – sind die Pressemitteilungen deutlich oberflächlich, so dass die Wahrscheinlichkeit bewusst intendierter Desinformation sinkt. Vielmehr ist eine Nicht-Information wahrscheinlicher.

__________ 410 411

Vgl. Titscher / Wodak / Meyer / Vetter, 1998, S.39 – 41. Vgl. auch die Ausführungen im Schlusskapitel.

206

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Zeichnet sich ein Text durch das Vorkommen von Ellipsen, Rekurrenzen, Anaphern oder Kataphern in einem hohen Maß aus, so ist sein Informationsgehalt als niedrig einzuschätzen. Der Grad des Vorkommens dieser Textkriterien bestimmt also demnach den Grad der Informativität. Hierauf wird in der fortlaufenden Analyse noch stärker Bezug genommen. Eine Kategorie, die letztgültig eigentlich eine Unterkategorie zu „Informationsgehalt“ darstellt, sind die „Informationen zur Mittelverteilung“. Diese wurden gesondert codiert. Nicht zuletzt, weil im letzten Kapitel hierzu viele Fragen offen blieben und hier angesetzt werden kann, um zu untersuchen, wie mit diesem Informationsgegenstand umgegangen wird. Dies ist vor allem angesichts der Defizite bei den Budgetübersichten ein interessanter Sachverhalt.412 Bei diesem zweiten Codierdurchgang wurden zusätzlich alle „wörtlichen Zitate“, also Statements der Akteure u. Ä. codiert, die sich zur Auswertung in Hinsicht auf die im dritten Kapitel beschriebene Valenzanalyse eignen. Dieses Verfahren soll neben den anderen drei beschriebenen Verfahren zur Anwendung kommen. Die Frequenzanalyse ist eine lineare Auswertung und gibt Aufschluss über die bestimmten Häufigkeiten einzelner Kategorien bzw. Merkmale. In unserem Fall sind dies z. B. die Zuordnungen zu den einzelnen Politikbereichen. Hierbei sind bereits erste Hinweise auf bestimmte Schwerpunkte, die kommuniziert werden, beschrieben worden. Die Kontingenzanalyse ist deshalb wichtig, weil hierdurch bestimmte Zuordnungen gemacht werden können, die eine tiefere Erkenntnis über die politische Praxis ermöglichen. Nachfolgend werden für diese und auch für die Valenz- und Intensitätsanalyse bestimmte Arbeitshypothesen formuliert, die die Fülle an potenziellen Fragestellungen filtern sollen. Diese Hypothesen gilt es systematisch und schrittweise auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen.

__________ 412 Im Rahmen der nachfolgenden Ergebnispräsentation werden einzelne Mitteilungen nochmals gesondert dargestellt, um die Logik der Codierung noch besser zu verdeutlichen.

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

207

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse Bevor die elementaren sowie die interessantesten Ergebnisse präsentiert werden, sollen die Arbeitshypothesen kurz erläutert werden. Aufgrund der Fülle potentieller Fragestellungen ist die Analyse anhand dieser Hypothesen sinnvoll, um in strukturierter Weise systematisch einzelne Erkenntnisse zu sammeln, um sie dann in synthetischer Weise zu einem Gesamtbild zusammen zu setzen. In diesem Zusammenhang sollen folgende Hypothesen geprüft werden: H 1: Aufgrund der stark differenzierten Organisationsstruktur und der selbst gesteckten Ziele, ist die kulturpolitische Arbeit des Bundes nicht abhängig von der Person des leitenden Staatsministers bzw. von der leitenden Staatsministerin!

Anhand der im vorigen Kapitel explizierten Organisationsstruktur der Abteilung „Kultur und Medien“ im Bundeskanzleramt wird deutlich, dass der administrative Apparat bereits vor Einführung des Amtes des bzw. der BKM in nahezu identischer Weise existent war. Auch die kulturpolitischen Ziele der alten Bundesregierung und der aktuellen (also ab 1998) – betrachtet man bspw. die Ausgabenstruktur im Bereich der Förderpolitik – differieren kaum. Nun ist auf der Grundlage des vorliegenden Datenmaterials in Form der Pressemitteilungen ein Vergleich zwischen der Regierung vor 1998 mit der aktuellen nicht möglich. Hingegen ein Vergleich zwischen den beiden ersten beiden Staatsministern in diesem Amt problemlos möglich ist. Durch die Gegenüberstellung der kulturpolitischen Inhalte, die diese beiden Personen berücksichtigt haben, ist die Überprüfung dieser Hypothese möglich. H 2:

Bei den stark gewichteten Themen „Film“ und „Kulturförderung Neue Länder“ sowie „Hauptstadtkulturförderung“ gibt es einen höheren Informationsgehalt, vor allem bezüglich der Mittelverteilung!

Diese ohnehin deutlich überbetonten Themen erhalten die Rechtfertigung ihrer Behandlung in dieser Art durch Argumente, die sich auf ökonomische aber auch moralische Gesichtspunkte (z. B. Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen Ost- und Westdeutschland) stützen. Allerdings besteht die politische Partizipation des Bundes hierbei fast ausschließlich darin, finanzielle Mittel bereit zu stellen. Diese relativ eindimensionale Handlung führt den Akt der Rechtfertigung nach sich. Gleichzeitig dient sie aber auch der Initiierung eines Halo-Effektes, um die Kulturpolitik in einen möglichst positiven Blickwinkel zu bringen. H 3: Wörtliche Zitate haben den Charakter von Rechtfertigungen für die politische Arbeit und versuchen den Politikstil zu profilieren!

208

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Hier kann man wiederum an den Ursachen und Beweggründen von Repräsentation anknüpfen. Tatsächlich sind hierbei die Sicherung von Macht und die Verzerrung von Sachverhalten mögliche Motivatoren für derartige Aussagen von Politikern. H 4: In nahezu keinen Meldungen wird versucht, die normative Vorgabe, die sich im kulturpolitischen Konzept „Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements“ ausdrückt, zu konkretisieren und zu erfüllen!

Der Grund hierfür ist vor allem darin zu sehen, dass bisher keine konkrete Arbeit und kein Konzept der Umsetzung – zumindest von Seiten des Bundes – vorliegt. Nahezu alle bisherigen kulturpolitischen Konzeptionen beinhalten Zielsetzungen ohne die Beschreibung eines effektiven Weges dorthin mitzuliefern. Auch in der augenblicklichen Diskussion in Fachkreisen ist dies nicht auszumachen.

1. Frequenzanalyse Zunächst sollen die Verteilungen der Pressemitteilungen über den entsprechenden Zeitraum erläutert werden. Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich wird, gibt es keineswegs eine gleichmäßige Verteilung. Obgleich bereits aus Juni 1999 Mitteilungen bereitgestellt wurden, ist die Anzahl insgesamt aus diesem Jahr verhältnismäßig gering. Dies hat sicherlich mit der Neustrukturierung zu tun, ist aber auch gleichzeitig als Indiz für die Schwerfälligkeit der Politik zu sehen, wenn es um die Umsetzung von Reformen geht. Auffallend ist die höhere Anzahl an Meldungen im Monat Juni. Dies veranlasst natürlich dazu, sich die Meldungen aus den Junimonaten genauer anzusehen. Es empfiehlt sich zunächst, ihre inhaltlichen Schwerpunkte zu untersuchen. Dies deshalb, um zu prüfen, ob es im Juni eines jeden Jahres einen besonderen Anlass gab, über den verstärkt berichtet wurde. Beispielsweise können so die 11 Meldungen im September 2001 erklärt werden. Allein vier dieser Meldungen bezogen sich nämlich auf die Unterzeichnung des Aufbauprogramms „Kultur in den Neuen Ländern“.

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

209

Tabelle 9 Anzahl der Pressemitteilungen und deren Verteilung auf den Erhebungszeitraum (N=224)

1999

2000

2001

2002

Gesamt

n

%*

%**

n

%*

%**

n

%*

%**

n

%*

%**

N

%

Jan.

.

.

.

2

0,9

2,8

3

1,4

3,8

3

1,3

4,6

8

3,6

Feb.

.

.

.

3

1,3

4,2

3

1,4

3,8

4

1,8

6,2

10

4,5

Mär.

.

.

.

8

3,6

11,1

10

4,5

12,7

7

3,1

10,8

25

11,2

Apr.

.

.

.

9

4,0

12,5

5

2,2

6,3

12

5,4

18,5

26

11,6

Mai

.

.

.

7

3,1

9,7

7

3,1

8,9

7

3,1

10,8

21

9,4

Juni

1

0,45

12,5

14

6,25

19,4

13

5,8

16,5

13

5,8

20,0

41

18,3

Juli

1

0,45

12,5

8

3,6

11,1

5

2,2

6,3

7

3,1

10,8

21

9,4

Aug.

0

0

0

1

0,45

1,4

5

2,2

6,3

4

1,8

6,1

10

4,5

Sep.

3

1,3

37,5

4

1,8

5,6

11

4,9

13,9

4

1,8

6,1

22

9,8

Okt.

1

0,45

12,5

7

3,1

9,7

6

2,7

7,6

4

1,8

6,1

18

8,0

Nov.

2

0,9

25,0

3

1,3

4,2

6

2,7

7,6

.

.

.

11

4,9

Dez.

0

0

6

2,7

8,3

5

2,2

6,3

.

.

.

11

4,9

Ges.

8

~3,6

72

~32,1

100

79

~35,3

100

65

~29,0

100

224

~100

100

(%*: Relativer Anteil im Zeitraum 1999–2002, % **: Relativer Anteil im jeweiligen Jahr)

Insgesamt beziehen sich 40 der 41 Mitteilungen auf die Politikbereiche mit folgender Verteilung: Tabelle 10 Verteilung der Meldungen aus den Junimonaten auf die Politikbereiche Junimonate (N = 41) n % Politikbereiche: Ordnungspolitik: Medienpolitik: Förderpolitik: Auswärtige Kulturpolitik: keine Zuordnung möglich: Gesamt:

7 4 19 10 1 41

17,1 9,8 46,3 24,4 2,5 100

insgesamt (N = 224) n % 24 15 135 45 5 224

10,7 6,7 60,3 20,1 2,2 100

Zunächst sind einige Erläuterungen notwendig: Die hier nicht zugeordneten Mitteilungen sind solche, bei denen keine Zuordnung zu den Politikbereichen

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

210

möglich war. Im Rahmen der Erklärung der Struktur der Mitteilungen wurde ja bereits darauf hingewiesen, dass es Meldungen gibt, die repräsentative Funktionen erfüllen und somit nicht unbedingt in einen bestimmten Politikbereich fallen. Eine wichtige Erkenntnis aus Tabelle 10 ist allerdings, dass es keine signifikanten Abweichungen zu den Gesamtverhältnissen gibt. D. h., es gibt keine Überbetonung eines Politikbereiches in diesem Monat. Die oben angeführte Annahme konnte also nicht bestätigt werden. Mit einigem Mut zur Spekulation könnte man anführen, dass vor der Sommerpause einige Arbeiten abgeschlossen werden und es somit zu entsprechend mehr Meldungen kommen kann. So wäre die Abweichung innerhalb der Ordnungspolitik plausibel zu erklären. Dies bleibt aber zunächst Spekulation. Die nachfolgenden Tabellen präsentieren die Verteilungen der einzelnen Codierungen. Um eine Übersichtlichkeit zu wahren, wurden die Ergebnisse gleichzeitig nach den Amtszeiten der jeweiligen Staatsminister aufgeteilt. Tabelle 11 Akteure, über deren Tätigkeit berichtet wird Anzahl der Codierungen

Akteur 1.1 Auswärtiges Amt 1.2 Ausschuss des Bundestages 1.3 BKM 1.4 Andere

Gesamt

davon Amtszeit Naumann (Okt. 1998 – Jan. 2001)

davon Amtszeit Nida-Rümelin (Jan. 2001 – Okt. 2002)

N

%*

n

%*

%**

n

%*

%**

14

6,25

2

0,89

2,5

12

5,36

8,3

1

0,45

0

0

0

1

0,45

0,7

183 26

81,7 11,6

68 10

30,36 4,46

85 12,5

115 16

51,34 7,14

79,9 11,1

224

100

80

35,71

100

144

64,29

100

(%*: Relativer Anteil im Zeitraum 1999-2002, % **: Relativer Anteil innerhalb der Amtszeit)

Aus der Amtszeit von Michael Naumann sind lediglich ca. 36 % der Meldungen, was daran liegt, dass 1999 nur lediglich 8 Meldungen veröffentlicht wurden; dies ist wohl der strukturellen Aufbauarbeit zuzuschreiben. Der Ausschuss des Bundestages spielt in den Meldungen keine Rolle. Dies bestätigt auch die Erfahrung, die in der Auseinandersetzung mit der Literatur gemacht

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

211

wurde. Es gibt keine Dokumentation einer Zusammenarbeit des Staatsministeriums mit diesem Ausschuss. Unter der Kategorie „Andere“ sind zumeist Verbandsvorstände, diverse andere Politiker oder ganze Gremien subsumiert. Vor allem ist hier aber auch der Bundeskanzler als Akteur verzeichnet.413 Es handelt sich bei diesen Meldungen aber zumeist um die angesprochenen Briefe des Bundeskanzlers oder andere repräsentative Aufgaben, die auf diese Weise dokumentiert werden sollen. Anhand der Verteilung hinsichtlich der Politikbereiche ergeben sich durchaus einige augenscheinliche Überraschungen: Zunächst lässt sich ein Teilaspekt aus These H 2, dass die beiden Schwerpunktthemen „Filmförderung“ und „Förderung der Kultur in den neuen Ländern“ bewusst stärker gewichtet sind, bestätigen. Von allen Meldungen entfallen auf das Thema „Filmförderung“ 49 Meldungen. Gefolgt wird dieses Thema vom Bereich „Denkmalpflege und Sicherung von Kulturgut“ mit insgesamt 20 Meldungen. Von diesen entfallen insgesamt 16 auf die Thematik „Neue Länder“. Bedenkt man nun noch den Umstand, dass über die „Förderung von Kunst und Kultur in Berlin und Bonn“ am vierthäufigsten berichtet wird, wovon wohlgemerkt keine einzige Meldung auf die Stadt Bonn entfiel, dann muss dieser Schwerpunkt als noch stärker gewichtet betrachtet werden. Dies bedeutet, dass knapp 34 % aller Meldungen zwei bzw. drei Themen behandeln. Ein weiterer Berichterstattungsschwerpunkt sind Meldungen über Kulturstiftungen. Auch hier sei angemerkt, dass ein Großteil der Fördersummen Einrichtungen zur Förderung von Kulturerhaltung in den neuen Ländern zufließt (z. B. Stiftung Preußischer Kulturbesitz). Angesichts der Fülle an kulturpolitischen Themen, die allein aus diesem Kategorienschema ersichtlich sind, ist dies ein äußerst kritisch zu betrachtender Sachverhalt. In der nachfolgenden Tabelle ist die Verteilung der Meldungen auf die unterschiedlichen Politikbereiche dargestellt. Die Einteilung basierte zunächst auf derjenigen, die sich aus den Selbstdarstellungsbroschüren und auf der Basis der Ausgabenstruktur ergibt. Sie wurde explorativ während des ersten Codiervorgangs erweitert. Bis auf fünf Mitteilungen konnten eindeutige Zuweisungen vollzogen werden.

__________ 413

Insgesamt ist er bei 11 Meldungen der im Mittelpunkt stehende Akteur.

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

212

Tabelle 12 Häufigkeitsverteilungen des Merkmals „Politikbereich“ Politikbereiche

2.1

Anzahl der Codierungen

(Okt. 1998 – Jan. 2001)

(Jan. 2001 – Okt. 2002)

1

2.1.1

Leitfaden für Nachforschungen

1

0

2.1.2

Filmfördergesetz

4

0

4

2.1.3

Bundesarchivgesetz

1

0

1

2.1.4

Freiwilliges soziales Jahr im kulturellen Bereich

2

0

2

2.1.5

Urhebervertragsrecht

0

0

0

2.1.6

Künstlersozialversicherungsrecht

1

0

1

2.1.7

Besteuerung ausländischer Künstler

2

0

2

2.1.8

Buchpreisbindung

5

2

3 2

2.1.9

Stiftungsrecht

5

3

2.1.10

Spendenrecht

1

1

0

2.1.11

Rechtsrahmen für Informations- und Kommunikationstechnologie

0

0

0

2.1.12

Entflechtungsdebatte

2

0

2

24

6

18

Medienpolitik 2.2.1

sonstige Medienprojekte

4

1

3

2.2.2

Neue Medien

3

3

0

2.2.3

Medienordnung

6

2

4

2.2.4

Rundfunk

2

1

1

15

7

8

gesamt 2.2 2.3

Amtszeit NidaRümelin

Ordnungspolitik

gesamt 2.1 2.2

Amtszeit Naumann

Förderpolitik 2.3.1

Kultursponsoring

1

0

1

2.3.2

Deutsche Bibliothek

0

0

0

2.3.3

Museen / Sammlungen

7

3

4

2.3.4

Geschichtsbewusstsein

7

3

4

2.3.5

Archive

0

0

0

2.3.6

Festspiele

0

0

0

2.3.7

Denkmalpflege und Sicherung von Kulturgut

20

2

18

16

3

13

davon:

2.3.7.1

Kultur in den neuen Ländern

Fortsetzung auf S. 213

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

213

Fortsetzung von S. 212 2.3.8

Förderung kultureller Maßnahmen / Bundesvertriebenengesetz

2.3.9

Kunstförderung

2.3.10

1

2

2.3.9.1

Architektur

1

0

1

2.3.9.2

Theater

1

0

1

2.3.9.3

Künstlerprojekte

3

1

2

2.3.9.4

Musik

2

2

0

2.3.9.5

Film

49

17

32

2.3.9.6

Sprache und Literatur

4

4

0

2.3.9.7

Bildende Kunst

0

0

0

2.3.9.8

Förderung von Kunst und Kultur in Berlin und Bonn

11

4

7

Kulturstiftungen

gesamt 2.3

2.4

3

10

2

8

135

42

93

2

Auswärtige Kulturpolitik 2.4.1

Rückgabe von „Beutekunst“

5

3

2.4.2

Internationale Abkommen

7

2

5

2.4.3

Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements

0

0

0

2.4.4

kulturelle Integration

2

0

2

2.4.5

Internationale kulturelle Aufgaben im Ausland

8

1

7

2.4.6

Internationale kulturelle Aufgaben im Inland

15

4

11

2.4.7

Europäische Kulturpolitik

gesamt 2.4

8

6

2

45

16

29

Obwohl es insgesamt nur wenig Unterschiede hinsichtlich der Verteilung nach den beiden Amtszeiten gibt, kann Hypothese H 1 nicht eindeutig abgelehnt werden. Ein wesentlicher Unterschied sind die Meldungen zu Punkt 2.3.7 („Denkmalpflege und Sicherung von Kulturgut“). Hier wurde tatsächlich in den letzten Jahren eine deutlich stärkere thematische Gewichtung vorgenommen. Auch eine genaue Trennung in tatsächliche Fördergebiete ist hier unklar. Die institutionelle Trennung zwischen dem Programm „Kultur in den neuen Ländern“ und „Denkmalpflege und Sicherung von Kulturgut“ impliziert keinen Ausschluss der neuen Länder vom letztgenannten Förderbereich. Ob dies aber von der Person des BKM abhängig ist, bleibt zunächst ebenfalls fraglich. Bei den anderen Bereichen kann man auf der Grundlage dieser Daten bestenfalls tendenziös von Unterschieden sprechen. So war wohl die Medienpolitik

214

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

bei Naumann stärker gewichtet. Ebenso auch einige Förderbereiche wie z. B. „Sprache und Literatur“. Im Grunde ist die Kulturpolitik von der Person des oder der BKM, als individuellem Akteur, kaum inhaltlich abhängig. Dies erscheint aufgrund des traditionellen Verwaltungsapparates auch plausibel und wird anhand der Ergebnisse in Tabelle 12 belegt. Eigentlich ist der oder die BKM auch lediglich parlamentarisch beratend tätig, so dass die Vorgaben von anderer Stelle kommen und die Umsetzung vom Verwaltungsapparat und dessen Ermessen abhängig ist. Vielleicht ist dieser geringe gestalterische Spielraum und Einfluss auch dafür verantwortlich, dass innerhalb der ersten sechs Jahre, in denen es dieses Amt gibt, drei Personen das Amt bekleideten. Es stellt sich also die Frage, welche Rolle der Staatsminister an sich im politischen System einnimmt. Im Grunde gehören die Staatsminister des Bundeskanzleramtes zum Leitungsbereich. Sie haben entsprechend besondere Aufgaben und beraten sowie unterstützen den Bundeskanzler. Sie müssen allerdings von den parlamentarischen Staatssekretären unterschieden werden. Diese sind grundsätzlich Abgeordnete des Bundestages. Sie sind dem Bundeskanzler oder einem Bundesminister bzw. einer Bundesministerin zugeordnet und haben die Aufgabe sie im Verhältnis zum Parlament zu unterstützen. Der Titel „Staatsminister“ kann ihnen – fallweise – zugesprochen werden. Die Staatsminister des Bundeskanzleramtes aber müssen nicht zwingend Abgeordnete sein.414 Eine Entscheidungsgewalt ist also nicht vorgesehen. Hier genau offenbart sich ihr Abhängigkeitsverhältnis zum Verwaltungsapparat. Rudzio (2003) beschreibt die Schwierigkeit, die Minister hinsichtlich der Personalführung haben, folgendermaßen:415 „Die Masse des Personals besteht aus Karrierebeamten bzw. langjährigen Angestellten, die er [der Minister; A. E.] weder degradieren noch entlassen kann. Ihm bleibt infolgedessen nur der positive Anreiz mittels Beförderungen. Die darin liegende „Personalmacht“ (begrenzt durch Beamtenrecht und Mitwirkung der Personalräte) reicht aber nur soweit, wie Aufstiegsstellen frei sind.“

Im vorliegenden Fall befindet sich der Staatsminister in Person der bzw. des BKM in einem Spannungsfeld zwischen dem Leiter, dem Bundeskanzler also, und seinem Verwaltungsapparat, der traditional entstanden ist und auf dessen Loyalität der Staatsminister angewiesen ist. Im Endeffekt ergibt sich ein äußerst eingeschränkter Gestaltungsspielraum und enge Grenzen des Handlungsrahmens, nicht zuletzt, weil die Behörde des bzw. der BKM geschaffen wurde, um den Bund unter ausdrücklicher Wahrung der Kulturhoheit der Länder in Fragen der „gesamtstaatlichen Repräsentation auch auf dem Gebiet der Kultur“ beratend zu unterstützen.416

__________ 414

Vgl. Busse, 2001, S. 42. Rudzio, 2003, S. 312. 416 Busse, 2001, S. 115. 415

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

215

Zuletzt wäre anzumerken, dass die „Internationalen kulturellen Aufgaben im Inland“ (Punkt 2.4.6) zu den wichtigen Themen gehören. Auch dieser Bereich wird in den tiefer gehenden Analysen nochmals näher behandelt. Kommen wir aber noch einmal auf die kommunizierten Inhalte zurück. Es ist längst nicht so, dass in die der Öffentlichkeit bevorzugt präsentierten Bereiche die meisten Fördermittel fließen. Ein Blick auf die Aufstellungen im vierten Kapitel zeigt, dass beispielsweise in den Bereich „Musik“ genauso viele Fördermittel fließen wie in den Bereich „Film“. Die Rechtfertigung, auf diesem Wege die Filmwirtschaft und den deutschen Film zu fördern und auf internationaler Ebene zu etablieren, lässt angesichts dessen nur drei Schlüsse zu: 1. Bei dieser Form der Berichterstattung handelt es sich um mechanisches, traditionales Handeln. 2. Die Politik hängt hinter den eigentlichen Erfordernissen hinterher; es gibt also ein klassisches Time-lag; denn andere kulturindustrielle Bereiche befinden sich in einer nicht weniger schwierigen Situation als die Filmwirtschaft – wenn man hierbei überhaupt von einer schwierigen Situation sprechen kann. 3. Es handelt sich um eine spezifische Form des Lobbyismus, der für die Politik wichtig ist, um augenblickliche Machtposition hinsichtlich der Wähleranteile zu sichern; gerade in Bezug auf die Förderung der neuen Länder wird der Vorwurf der illegitimen Instrumentalisierung der Kulturförderung immer öfter laut. Die Ergebnisse der weiteren Auswertungen werden im nächsten Abschnitt dargestellt. Bevor wir aber zu dieser vertiefenden Analyse kommen, sollen die restlichen Ergebnisse der Linearauswertung vollständig dargestellt werden. Die Daten in der nachfolgenden Tabelle 13 sind hier folgendermaßen zu verstehen: Insgesamt wurden 205 Meldungen, die auf eine bestimmte Form der Politischen Partizipation hinweisen, codiert. Einige Mitteilungen erhielten beispielsweise lediglich Ankündigungen zu kulturellen Veranstaltungen, die in einer bestimmten Form (z. B. aufgrund einer Förderung) mit dem Bundeskanzler oder dem Auswärtigen Amt verbunden waren. Bei diesen war ein solches Merkmal nicht auszumachen. Demzufolge waren 21 Mitteilungen nicht zuzuordnen. Wie aus der Tabelle ersichtlich, waren insgesamt 46 Meldungen akteursbezogen. Dies bedeutet, dass im Mittelpunkt der Meldungen Personen standen. Dies war beispielsweise bei Ehrungen und Auszeichnungen der Fall, aber auch bei Rücktritten von Personen von irgendwelchen Ämtern. Um die Trennschärfe dieser Kategorie zu gewährleisten, wurde hier eine deutliche Trennung zwischen Veranstaltungen, die kulturelle Aktivitäten im Mittelpunkt hatten, und den eben benannten Anlässen, die Personen in ihrer Rolle, aber nicht in ihrer

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

216

Funktion als kulturpolitischer Akteur berücksichtigen, vollzogen. Analog gilt dies für die Thematisierung von Ereignissen oder Projekten. Von diesen 205 Meldungen kann man sagen, dass 128 über eine direkte politische Arbeit Aufschluss geben, hingegen 77 Meldungen lediglich auf eine Partizipation aus repräsentativen Zwecken hindeuten. Was kann man nun daraus schließen? In einem hohen Maß konzentriert sich die Berichterstattung nicht über die Ergebnisse der politischen Arbeit, sondern über Anlässe, zu denen die Politiker letztgültig nur Sprachrohr oder in einer repräsentativen Funktion waren.

Tabelle 13 Häufigkeiten und Verteilung des Merkmals „Politische Partizipation“

Politische Partizipation

3.1

Amtszeit Naumann (Okt. 1998 – Jan. 2001) n %* %**

Amtszeit Nida-Rümelin (Jan. 2001 – Okt. 2002) n %* %**

n

%

21 107

10,2 52,2

11 44

5,4 21,5

15,7 62,8

10 63

4,9 30,7

7,4 46,6

25 52

12,2 25,4

6 9

2,9 4,4

8,6 12,9

19 43

9,3 20,9

14,1 31,9

205

100

70

34,2

100

135

65,8

100

Politische Aktivität (direkte politische Arbeit)

3.1.1 3.1.2 3.2

Anzahl der Codierungen

akteursbezogen ereignis- / projektbezogen

Repräsentation (kaum bis kein Einfluss) 3.2.1 3.2.2

akteursbezogen ereignis- / projektbezogen Gesamt

(%*: Relativer Anteil im Zeitraum 1999–2002, % **: Relativer Anteil innerhalb der Amtszeit)

Zur Verdeutlichung werden beispielhaft einige repräsentative Textstellen aufgeführt:417

__________ 417

Zur Erläuterung: Die beiden kursiv gedruckten Zeilen enthalten die Quelle der Textstelle sowie die Kategorie unter der diese Textstelle gefasst wurde. Nicht ersichtlich hieraus sind die weiteren Codierungen. Hierfür muss eine Überlappung der Textstellen im Einzelnen geprüft werden. Die ausgewählten Textstellen sind nur exemplarisch zur Verdeutlichung des Codiervorgangs aufgeführt, bieten sich aber für eine weitere Analyse an.

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

217

Text: März 2002\PRESSE 143–02 Code: Politische Partizipation\Repräsentation (kaum bis kein Einfluss)\ereignis- / projektbezogen

Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hat am (heutigen) Mittwoch im Neuen Gewandhaus die Leipziger Buchmesse eröffnet. In seiner Rede betonte er die besondere Rolle dieser Messe für den kulturellen Austausch insbesondere mit Osteuropa. Der diesjährige Messeschwerpunkt – die Literaturen der Balkanländer – sei dafür von großer Bedeutung. Die Leipziger Buchmesse sei ein wichtiges Ost-West-Forum für Schriftsteller, Verleger und Buchhändler sowie bedeutender Lizenzplatz für osteuropäische Verlage, sagte Nida-Rümelin.

Text: Code:

September 2002\PRESSE 495-02 Politische Partizipation\Repräsentation (kaum bis kein Einfluss)\akteursbezogen

Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin hat am 23. September das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland an den Projektdirektor des Jüdischen Museums Berlin, Kenneth Coulton Gorbey, überreicht.

Text: September 2002\PRESSE 470–02 Code: Politische Partizipation\Politische Aktivität (direkte politische Arbeit)\ereignis- / projektbezogen

Bei dem Gespräch konnte von Nida-Rümelin Einvernehmen darüber hergestellt werden, das 100-Millionen-Aufbaupaket der Bundesregierung auf die beiden hauptgeschädigten Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt zu konzentrieren.

Text: September 2001\PRESSE 408–01 Code: Politische Partizipation\Politische Aktivität akteursbezogen

(direkte

politische

Arbeit)\

Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin und der russische Kulturminister Michail Schwydkoj haben am 25.09.2001 im Berliner Schloss Bellevue im Beisein von Bundespräsident Johannes Rau und des russischen Präsidenten Wladimir Putin eine gemeinsame Erklärung zu den in den Jahren 2003 und 2004 geplanten „Deutsch-Russischen Kulturbegegnungen“ unterzeichnet. Der Informationsgehalt der Pressemitteilungen gestaltet sich folgendermaßen:

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

218

Tabelle 14 Häufigkeiten und Verteilung der Merkmale „Informationsgehalt“ und „Informationen über Mittelverteilung“

Informationsgehalt

Anzahl der Codierungen

Amtszeit Naumann (Okt. 1998 – Jan. 2001)

Amtszeit Nida-Rümelin (Jan. 2001 – Okt. 2002)

n

%*

n

%*

%**

n

%*

%**

4.1

vertiefende / ergänzende Information (IG: hoch)

91

27,1

27

8,0

24,1

64

19,0

28,6

4.2

oberflächliches Informieren (IG: mittel niedrig)

128

38,1

48

14,3

42,9

80

23,8

35,7

4.3

Desinformation

0

0

0

0

0

0

0

0

4.4

Information über Mittelverteilung

117

34,8

37

11,0

33,0

80

23,8

35,7

336

100

112

33,3

100

224

66,6

100

Gesamt

(%*:

Relativer Anteil im Zeitraum 1999–2002, % **: Relativer Anteil innerhalb der Amtszeit)

Sehr häufig wird lediglich oberflächlich informiert. D. h., dass relevante Informationen oftmals nicht erteilt werden. Man kann gegen diesen Kritikpunkt natürlich einwenden, dass dies nicht Gegenstand einer Pressemitteilung sein muss. Tatsache ist allerdings, dass diese Praxis lediglich die Konsequenz aus der gesamten fehlenden Transparenz darstellt bzw. diese dazu beiträgt und vieles, was zu eruieren wäre, einfach nicht parat ist. So z. B. zuverlässige Budgetübersichten. Auch hierzu sollen einige Textbeispiele zur Verdeutlichung herangezogen werden: Text: Code:

Juni 2002\PRESSE 369–02 Informationsgehalt\vertiefende / ergänzende Information (IG: hoch)

Bisher war die Voraussetzung für die Teilnahme am Deutschen Kurzfilmpreis eine Laufzeit von 7 bis 15 Minuten, die nun auf 7 bis 30 Minuten verlängert wird. Neu ist die Kategorisierung des Deutschen Kurzfilmpreises nach Genres (Spielfilm, Dokumentarfilm und Animationsfilm), die die bisherige nach Laufzeiten ablöst. Fortsetzung auf S. 219

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

219

Fortsetzung von S. 218

Durch das neue Reglement und die zusätzliche Einrichtung eines – fakultativen – Sonderpreises für Filme von 30 bis 78 Minuten Laufzeit werden die Preisgelder gegenüber der derzeitigen Prämienregelung um insgesamt 65.000 Euro aufgestockt. Weitere Neuerungen sind die Aufhebung der bisher geltenden Beschränkungen auf 16- oder 35 mm-Filmmaterial, die Zulassung von Musikvideos im Rahmen der allgemeinen Preiskategorien und die Einbeziehung fernsehproduzierter Kurzfilme in den Auswahlwettbewerb. Die bisher aus acht Personen bestehende Gesamtjury Deutscher Kurzfilmpreis / Produktionsförderung Kurzfilm (B) wird um zwei Mitglieder erweitert und in zwei aus jeweils fünf Personen bestehende Jurys aufgeteilt werden; die eine Jury wird allein den Spielfilmbereich, die andere den Dokumentarund Animationsfilmbereich sowie die Produktionsförderung aller Genres betreuen. Die Auswirkungen der Reform auf die Produktionsförderung Kurzfilm können erst im Jahre 2003 umgesetzt werden, da das Ausschreibungsverfahren für 2002 mit dem Einreichtermin 1.6.2002 bereits abgeschlossen ist. Die Neuordnung des Deutschen Kurzfilmpreises wird noch in diesem Jahr realisiert. Der Einreichtermin bleibt unverändert der 1. August 2002. Weitere Informationen zum Deutschen Kurzfilmpreis (Antragsverfahren und Datenblatt zur Einreichung der Vorschläge) können in Kürze unter www.filmfoerderung-bkm.de abgerufen werden. Text: Code:

Juli 2002\PRESSE 398–02 Informationsgehalt\oberflächliches Informieren (IG: mittel –niedrig)

Mit dem Innovationspreis sollen neue Ideen und Projekte ausgezeichnet werden, die die Leistungsfähigkeit und Entwicklung des Filmwesens verbessern. Der Beauftragte für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Staatsminister Julian Nida-Rümelin, wird auch im Jahr 2003 wieder einen Preis für herausragende Innovationen auf dem Gebiet des Filmwesens vergeben. Mit dem Preis sollen neue Ideen und Projekte ausgezeichnet werden, die die Leistungsfähigkeit und Entwicklung des Filmwesens verbessern. Text: Code:

Oktober 2002\PRESSE 533–02 Information über Mittelverteilung

Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin legt am Montag, dem 21. Oktober 2002, den Grundstein für eine umfangreiche Neugestaltung der Gedenkstätte und des Museums Sachsenhausen. Das Projekt bildet den Auftakt des 14,4 Millionen Euro umfassenden Sonderinvestitionsprogramms für die Gedenkstätte, in dessen Rahmen der Bund bis 2005 rund 9,7 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Weitere Mittel kommen von der Bundesanstalt für Arbeit und der Europäischen Union.

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

220

Auf das Merkmal „Informationen über Mittelverteilungen“ wird ebenfalls im nächsten Abschnitt verstärkt eingegangen.

2. Kontingenzanalyse Mittels der Kontingenzanalyse wird die Verkopplung bestimmter sprachlicher Elemente mit Begriffen untersucht. Sie ermittelt also Assoziationsstrukturen und Zusammenhänge. Wie im vorherigen Abschnitt bereits angeschnitten, konstituiert die Textsemantik die Bedeutung eines Textes. Diese Bedeutung kann mit Hilfe der Identifikation bestimmter Relationen, mit denen sie im Oberflächentext verbunden ist, aus dem Text herausgelesen werden. Diese Bedeutungen können z. B. sein:418 í Intentionalität: Bezug zur Einstellung und zu den Absichten des Textproduzenten, í Akzeptabilität: Einstellung des Rezipienten, í Informativität: Ausmaß an Neuem und Erwartetem innerhalb eines Textes, í Situationalität: Situative und kulturelle Angemessenheit des Kommunikationsstils, í Intertextualität: Bezug zu vorhergehenden oder gleichzeitig stattfindenden Diskursen. Verbinden wir nun diese Aspekte mit einem weiteren Codiervorgang: dem Selektiven Codieren. Aus den vorigen Ergebnissen lässt sich das zentrale Phänomen erkennen, dass es keine ausgeglichene, alle Politikbereiche betreffende Berichterstattung durch die Pressemitteilungen gibt. Vielmehr sind bestimmte Schwerpunkte zu verzeichnen, die sich bezüglich der Häufigkeit ihrer Thematisierung von den anderen teils sehr deutlich abheben. Besonders interessant erscheint es daher, sich mit einigen der genannten kohärenten Aspekte der Texte auseinander zu setzen. Insbesondere die Intentionalität und die Informativität sollen deshalb anhand der vier hervorstechenden Kategorien untersucht werden. Das konkrete Vorgehen, um auf diese beiden Aspekte zu schließen, besteht nun darin, zunächst die thematischen Schwerpunkte innerhalb der einzelnen Kategorien zu beleuchten. Also die Klärung der Frage, wie umfangreich und vielfältig die Pressemitteilungen sind, um dann einen ersten Rückschluss auf die inhaltliche Arbeit auf diesem Sektor zu ziehen. Des Weiteren sollen – um auf die Intentionalität zu schließen – die Inhalte anhand des Kriteriums „Art und Umfang der Information“ untersucht werden.

__________ 418

Vgl. Titscher / Wodak / Meyer / Vetter, 1998, S. 39 – 41.

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

221

a) „Kultur in den Neuen Ländern“ und „Hauptstadtkulturförderung“ Die kulturpolitische Thematik „kulturelle Förderung der neuen Länder und der Bundeshauptstadt Berlin“ ist bereits im letzten Kapitel behandelt worden. Rufen wir uns die Fakten noch einmal ins Gedächtnis. Es ist eine Tatsache, dass die neuen Länder einen Aufholbedarf hinsichtlich der kulturellen Infrastruktur haben. Deshalb greift der Bund helfend ein und unterstützt im Rahmen eines Aufbauprogramms die Länder.419 Er tut dies auf der Basis von Förderlisten, die die Länder erstellen. Diese Listen enthalten bestimmte Maßnahmen und deren voraussichtliche Kosten. Der Bund beteiligt sich an diesen Maßnahmen in der Regel mit einem Anteil von bis zu 50 % der veranschlagten Kosten. Er wirkt auf die Umsetzung und die Inhalte der Maßnahmen nicht ein. Es ist also die Frage zu stellen, was in diesem kulturpolitischen Sektor noch behandelt wird. Die tiefer gehende Beschäftigung mit den Inhalten der betreffenden Pressemitteilungen deutet auf nicht viel mehr hin: Von den 15 Meldungen beziehen sich 11 auf dieses angesprochene Programm. Die anderen Meldungen betreffen die Hochwasser-Soforthilfe, die Erstellung des Blaubuchs sowie die Erhaltung und Auszeichnung von Kulturdenkmälern.420 Die Auseinandersetzung mit dem Aufbauprogramm und gleichzeitig die Tatsache, dass innerhalb dieses Programms kein Einfluss auf die Inhalte geltend gemacht werden kann, wirft automatisch die Frage auf, warum eine solche intensive Beschäftigung mit dieser Thematik vorhanden ist. Als Ausgangspunkt für eine weitere Analyse dient demnach die eingangs des Kapitels erläuterte zweite Hypothese: H 2: Bei den stark gewichteten Themen „Film“ und „Kulturförderung Neue Länder“ sowie „Hauptstadtkulturförderung“ gibt es einen höheren Informationsgehalt, vor allem bezüglich der Mittelverteilung!

Eine Überprüfung der Frage, wie viele Textstellen als „Informationen zur Mittelverteilung“ codiert wurden, kommt zu folgendem Ergebnis: Lediglich die Meldungen zur Erstellung des Blaubuchs sowie zur Erhaltung der Zwenckauer Förderbrücke enthalten keine Informationen hierzu. Insgesamt wurden bei 13 Meldungen 22 Textstellen codiert, die Hinweise auf die Verwendung von Fördermitteln geben.

__________ 419

Das Land Berlin wurde erst im Jahr 2002 in das Programm aufgenommen; daher beziehen sich die Vergleichdaten im vierten Kapitel nur auf die anderen fünf neuen Bundesländer. 420 Letztere Meldungen beziehen sich konkret auf die Erhaltung der weltweit längsten Förderbrücke in Zwenckau bei Leipzig sowie die Anerkennung von Wörlitz als Weltkulturerbe.

222

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Der nächste Schritt besteht nun darin, den Grad der Genauigkeit dieser Informationen zu überprüfen. Man kann hier eine einfache Zweiteilung dieses Informationsgrades vornehmen. Als genau werden solche Informationen angesehen, die Aufschluss über den exakten Förderbetrag, die Aufteilung dieses Betrags auf die vorgesehenen Maßnahmen sowie über begünstigte Personen und Einrichtungen geben. Ungenau sind hierbei hingegen Informationen, die Maßnahmen, für die die Fördergelder vorgesehen sind, gar nicht benennen, thematisch zwar festlegen, aber im Detail nicht beschreiben, Verweise auf genaue Aufschlüsselungen anderenorts geben oder lediglich einen Betrag in Form einer „Hausnummer“ nennen. Folgende Ergebnisse lassen sich verzeichnen: In 6 der 13 Mitteilungen werden genaue Informationen, bei den restlichen 7 Mitteilungen werden nur ungenaue Informationen erteilt. Im „virtuellen Zeitalter“ muss hier die Kritik gestattet sein, dass Verweise auf Internetseiten oder angehängte Textdateien, die den Journalisten bzw. Empfängern der Pressemitteilung zukommen, einen großen Pool an Informationen offenbaren, der eine Einschätzung „geringer Informationsgehalt“ stark in Frage stellt. Deshalb wurden alle 224 Pressemitteilungen auf dieses Kriterium hin überprüft. 38 Meldungen, also gerade mal 17,0 %, enthielten einen direkten Verweis bzw. Link oder eine angehängte Datei (bspw. das Blaubuch als PDFDatei): Tabelle 15 Internetverweise innerhalb der Meldungen Verweise auf … … Auswärtiges Amt … Bundesregierung … Filmförderung … Kulturstaatsminister … Deutschland-Portal … Universitäten … Internationale Journalistenprogramme … Deutscher Pavillon der EXPO … Ausstellungen, Galerien … elektronische Anlagen gesamt

Homepage oder Art des Anhangs www.auswaertiges-amt.de www.bundesregierung.de www.filmfoerderung-bkm.de www.kulturstaatsminister.de www.deutschland.de www.uni-oldenburg.de www.ijp.org www.deutscher-pavillon.de www.xenoi.de http://culture.coe.fr Eckpunktepapiere, Konzepte, Blaubuch

Anzahl 16 2 8 2 1 1 2 1 1 1 3 38

Auffällig ist hier der Verweis auf das Auswärtige Amt. Gerade die Meldungen, die Veranstaltungen des Auswärtigen Amtes betrafen, waren – wie bereits schon ausgeführt – sehr knapp gehalten. Ein entsprechender Verweis auf die Homepage des Auswärtigen Amtes ist also quasi als Rationalisierungsmaß-

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

223

nahme zu beurteilen. Ebenfalls häufig verwiesen wird konsequenterweise auf Informationen zur Filmförderung. Ohnehin ein Schwerpunktthema wird hierbei vor allem auf nähere Informationen zu den Förderbedingungen und Förderumfängen der vielfältigen Maßnahmen der Filmförderung verwiesen. Trotz der Möglichkeit, über einfache Angabe weiterer Quellen, die im Internet reichlich vorhanden sind, zeigt sich an diesen Zahlen, dass das Medium „Internet“ vor allem eine Einrichtung zur Selbstinformation ist. Die Wege zu den vielseitig verschachtelten Seiten im Netz sind nicht sonderlich transparent, und zur Erhöhung des Informationsgehaltes der Pressemitteilungen insgesamt trägt dieser Stil wenig bei. Eine ähnliche Verteilung wie die obige ergibt sich bei der Darstellung des Informationsgehaltes insgesamt. Hier wurde ebenfalls eine Unterteilung – wie im beschriebenen Kategorienschema ersichtlich – in zwei maßgebliche Kategorien vorgenommen. So ist der Informationsgehalt einer Meldung dann als hoch einzuschätzen, wenn sie Informationen über das Zustandekommen der Maßnahme oder des Ereignisses, Grenzen und Bedingungen, unter denen die Maßnahmen getroffen werden oder Ereignisse stattfinden und genaue Details über den Einsatz der Mittel und Ressourcen enthält. Dies war bei 7 der 15 Meldungen der Fall. Als gering ist ein Informationsgehalt dann zu bezeichnen, wenn er sich durch die angesprochenen Textkriterien, also Verkürzungen, Verweise etc. auszeichnet, es also zu keiner konkreten Deskription der Maßnahme oder des Ereignisses kommt. Dieser Befund lag bei den restlichen 8 Meldungen vor. Eine nähere Betrachtung der Meldungen zum Thema „Hauptstadtkulturförderung“ ergibt ein ähnliches Bild: 7 der 11 Meldungen beziehen sich direkt auf die Finanzierung von Kulturprojekten oder Kulturereignissen in Berlin. So enthalten sie beispielsweise Erläuterungen des Hauptstadtkulturvertrags, zu den Finanzierungsplänen der Hauptstadtkulturförderung, Statements zur Mittelkürzung etc. Die anderen 4 Meldungen beziehen sich aber deutlich mehr auf eine direkte politische Arbeit. So wird über die Arbeitsgruppe „Schlossareal“, deren Vorsitz damals Julian Nida-Rümelin hatte, über Gespräche zu kulturpolitischen Fragestellung und Themen im Rahmen der Hauptstadtkulturförderung oder über die Gründung der „Kulturveranstaltungen des Bundes in Berlin GmbH“ informiert. 8 Meldungen enthalten Informationen zur Mittelverteilung, wobei allerdings nur 2 davon als genau eingeschätzt werden können. Bezüglich der Beurteilung des Informationsgehaltes kann man bei 4 Meldungen von einem hohen Informationsgehalt sprechen, die gleichzeitig mit einer genauen Information zur Mittelverteilung korrelieren.

224

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Was kann man nun aus diesen Ergebnissen schlussfolgern? Zunächst muss insgesamt festgestellt werden, dass tatsächlich in diesen Kategorien die inhaltliche Arbeit nicht oder nur rudimentär präsentiert bzw. auf sie verwiesen wird. Warum wird hauptsächlich von Programmen oder Ereignissen gesprochen, an denen der Bund de facto nur durch die Zuteilung von Ressourcen partizipiert? Dies kann zwei Gründe haben, die bei näherer Betrachtung plausibel erscheinen und sich gegenseitig nicht ausschließen. Der erste Grund besteht einfach darin, dass der Bund über die Mittelvergabe in gewisser Weise Rechenschaft abzulegen versucht, um so die Öffentlichkeit zu informieren, was mit den von ihr gezahlten Steuergeldern passiert. Dies gelingt aber weder auf diesem Weg noch auf irgendeinem anderen, was im Übrigen auch durch die Ausführungen im letzten Kapitel belegt wird. Man kann nun – und dies ist gewissermaßen der zweite Grund – konstatieren, dass es politisches Kalkül ist, über Mittelvergaben in der Art zu sprechen und zu informieren, dass es Gebiete, Regionen, Organisationen, Personen etc. gibt, denen die Gelder nach anscheinend sinnvollem Abwägen zustehen, ohne die Beträge tatsächlich in den Gesamtzusammenhang zu setzen. Also handelt es sich hierbei um die Verbreitung von Teilinformationen und relativen Ungenauigkeiten zur Vermeidung von Diskursen und gleichzeitig zur Erhöhung des Halo-Effektes für diejenigen, die die Mittel vergeben. Im Endresultat muss man hierbei also von einer regionalen Förderpolitik sprechen, die für die Politik deutlich mehr Vorteile einbringt als für die Kultur. Das fehlende Überprüfen auf Effektivität und das fehlende öffentliche Reflektieren der kulturpolitischen Fördermaßnahmen sind weitere Indizien für eine solche Instrumentalisierung der Förderpolitik, die sich in dieser Form langfristig zum Nachteil für das kulturelle System innerhalb einer Gesellschaft auswirkt. Diese sehr harte Kritik verlangt nach weiteren Indizien, die durch eine nähere Betrachtung der beiden Kategorien „Film“ und „Internationale kulturelle Aufgaben im Inland“ gegeben werden.

b) „Internationale kulturelle Aufgaben im Inland“ Ein Bereich, zu dem die gleiche Anzahl an Pressemeldungen ventiliert wurde, ist in der Kategorie „Internationale kulturelle Aufgaben im Inland“ zu sehen. Hinter dieser Kategorie verbergen sich Meldungen, die kulturpolitische oder kulturelle Aufgaben in einem internationalen Kontext berücksichtigen. Hier besteht also durchaus die Möglichkeit, direkte Tätigkeitsfelder der Bundeskulturpolitik zu dokumentieren. Hauptsächlicher Akteur ist hierbei das Auswärtige Amt. Leider zeichnen sich die Mitteilungen, die dieser Kategorie zugeordnet wurden, dadurch aus, dass sie extrem knapp gefasst sind. 10 der 15 Meldungen sind dementspre-

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

225

chend nur Ankündigungen mit dem Querverweis auf das Auswärtige Amt und den dort einschlägig bekannten Informationsquellen. Im Rahmen dieser Mitteilungen werden auch keinerlei Angaben zur Mittelverteilung gemacht. Obwohl dort durchaus Kulturveranstaltungen behandelt werden, zu denen entsprechende Angaben wichtig wären. So beinhalten die meisten Texte Informationen und Ankündigungen zu bzw. von internationalen Veranstaltungen oder Ausstellungen, so z. B. „kroatische Kulturwochen“ u. Ä. Die restlichen Texte beziehen sich auf die Tätigkeit bestimmter Arbeitsgruppen in diesem Bereich oder auf Preis- oder Ordensverleihungen. Dementsprechend ist der Informationsgehalt bei allen, bis auf eine Meldung, als gering zu bezeichnen. Folgendes Textbeispiel verdeutlicht dies: Text: Code:

Mai 2001\PRESSE 3005–01 Informationsgehalt\oberflächliches Informieren (IG: mittel –niedrig)

Auswärtiges Amt Auswärtiges Amt zeigt ungarische Fotografie Mi, 30.05.2001 Im Lichthof des Auswärtigen Amts wird am Donnerstag (31.05.) im Beisein des ungarischen Botschafters die Ausstellung „Fotografie Made in Hungary“ um 16.30 Uhr eröffnet. mehr im Bundesministerium

Aus diesem Ergebnis lassen sich nun ebenfalls zwei Schlüsse ziehen: Zunächst scheint die organisatorische Trennung zwischen Auswärtiger Kulturpolitik, zuständig hierfür das Auswärtige Amt, und allen anderen kulturpolitischen Bereichen – also Ordnungs-, Förder- und Medienpolitik, für die der bzw. die BKM verantwortlich ist – sich auf die politische Synergie negativ auszuwirken. Der Umstand, dass bestimmte Ereignisse, wie z. B. die hier angeführten, nicht in den Verantwortungsbereich der Bundesbehörde fallen, darf sich m. E. nicht auf den Grad der Information auswirken. Man muss in der Folge also schlussfolgern, dass hierzu keine Veranlassung für die Behörde besteht, was wiederum zu der Feststellung führt, dass eigentliche kulturelle bzw. kulturrelevante, politische Gegenstände hinsichtlich ihrer Wertschätzung oder sogar politischen Relevanz thematisch unterschiedlich behandelt bzw. – in diesem Fall – abgehandelt werden. Hier ergeben sich erste Hinweise auf die eingangs des Kapitels erwähnte vierte Hypothese bezüglich der Intention, kulturpolitische Konzepte tatsächlich zu realisieren, auf die im Weiteren noch stärker eingegangen wird.

226

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

c) „Film“ Nicht minder interessant und aufschlussreich sind die Ergebnisse aus der Analyse der Mitteilungen, die den Förderbereich „Film“ thematisieren. Bei den Ergebnissen der Häufigkeitsauszählung ist dieser Bereich durch die Anzahl von 49 Mitteilungen und somit durch seine signifikante Überbetonung aufgefallen. Nun könnte man leicht in die Verlegenheit kommen zu glauben, dass der Bund hier politisch besonders aktiv ist. Interessanterweise war dies ja nachweislich eine der stark betonten kulturpolitischen Absichten von Bundeskanzler Gerhard Schröder. Bei genauerer Betrachtung ergibt sich aber ein völlig anderes Bild. Insgesamt berichten nämlich 36 der 49 Meldungen lediglich von Ankündigungen, Ausschreibungen oder Verleihungen von Filmpreisen, wie z. B. der Deutsche Filmpreis, der Preis für Filmverleiher, der Innovationspreis, der Preis für Drehbücher oder Dokumentationen, der Kinder- und Jugendfilmpreis, der Deutsche Kurzfilmpreis oder aber Geldpreise für herausragende Jahresprogramme. Weitere 8 Meldungen beziehen sich auf kulturelle Filmförderung, also Projekthilfen u. Ä. 3 Meldungen beinhalteten Berichte über die Deutsch-Französische Filmakademie, jeweils eine Meldung bezog sich auf ein Kooperationsabkommen mit Spanien und auf ein Soforthilfeprogramm für flutgeschädigte Programmkinos in Ostdeutschland. 37 Meldungen enthielten Informationen zur Mittelverteilung. Dies erscheint zunächst viel, ist aber streng genommen nur als indirekte Information zu verstehen. Dies deshalb, weil hier auch Ankündigungen über die Höhe des Geldbetrages des jeweiligen Filmpreises codiert wurden. Diese wiederholen sich von Jahr zu Jahr stark, so dass diese in diesem Fall keine besonders aufschlussreichen Informationen darstellen. Dementsprechend oft ist der Informationsgehalt der Mitteilungen als niedrig einzustufen. Eine Mitteilung hatte dann einen hohen Informationsgehalt, wenn neben den Nennungen der Preisträger, z. B. Produzenten, Regisseure, Herstellerfirmen, auch die Nennung der jeweiligen Jurymitglieder, eine Begründung für die Preisvergabe und Informationen über den Wettbewerb an sich, also z. B. Anzahl der eingereichten Projekte, verzeichnet waren. Wie z. B. in folgender Mitteilung: Text: Code:

September 2002\PRESSE 501–02 Informationsgehalt\vertiefende/ergänzende Information (IG: hoch)

„Piffl Medien“ hat in den zwei Jahren seines Bestehens Frische und Bewegung in die Verleiherszene gebracht. Gegründet zu einem Zeitpunkt, als im schwierigsten Sektor der Filmbranche große Resignation herrschte, startete „Piffl Medien“ mit persönlichem Engagement, Herz und Verstand seine Verleihaktivitäten – und zwar mit einem kleinen Film, der bereits im Fernsehen ausgestrahlt wurde. Fortsetzung auf S. 227

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

227

Fortsetzung von S. 226

„Piffl Medien“ hat ein Gespür für kinotaugliche Filme und lässt sich auch von Primetime-TV-Ausstrahlungen nicht schrecken. Diese Haltung des Verleihs, trotz widriger Umstände die Auswertung von Filmen für die große Leinwand mit Kompetenz und spürbarer Liebe zum Kino zu betreiben, hat der Jury besonders gefallen. Schwerpunkt des Verleihprogramms sind deutsche Filme, darunter auch zahlreiche Dokumentarfilme, die sich durch lange Laufzeiten und beachtliche Einspielergebnisse auszeichnen. Mit „Movienet“ zeichnet die Jury einen Independent-Verleih aus, dem es gelingt, kontinuierlich außergewöhnliche Filme aufzuspüren, die sich auf intelligente Weise mit politischen Themen auseinandersetzen, um sie durch eine kenntnisreiche und kluge Vermietungspolitik ans Kinopublikum zu bringen. „Movienet“ ergänzt das deutsche Verleihangebot durch ein vielseitiges Repertoireprogramm, von dem die Programmkinoszene seit Jahren profitiert. Honoriert wird der Mut und der „lange Atem“ des Verleihs, trotz krisenhafter Entwicklung auf dem deutschen Kinomarkt seiner Firmenphilosophie treu zu bleiben – das nämlich auch Filme mit „anderen“ Inhalten wirtschaftlich interessant sein können. Der Jury Verleiherpreis beim Beauftragten der Bundesregierung für die Kultur und die Medien (BKM) unter Vorsitz von Ellen Gratza (Augsburg) lagen 27 Anträge zur Auszeichnung vor. Weitere Jurymitglieder sind Steffen Heinke (Erlenbach), Johannes Klingsporn (Wiesbaden) und Ellen Wietstock (Hamburg). Bei der Entscheidung über die Vergabe der Preise wurden die kulturelle Qualität der Verleiharbeit, der Anteil deutscher Filme, der Anteil anderer europäischer Filme, die durch die Verleiharbeit erreichte Verbreitung der Filme sowie die Repertoirepflege gewürdigt.

Hingegen ein Gegenbeispiel wie folgt aussieht: Text: Code:

Juli 2002\PRESSE 398–02 Informationsgehalt\oberflächliches Informieren (IG: mittel – niedrig)

Mit dem Innovationspreis sollen neue Ideen und Projekte ausgezeichnet werden, die die Leistungsfähigkeit und Entwicklung des Filmwesens verbessern. Der Beauftragte für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Staatsminister Julian Nida-Rümelin, wird auch im Jahr 2003 wieder einen Preis für herausragende Innovationen auf dem Gebiet des Filmwesens vergeben. Mit dem Preis sollen neue Ideen und Projekte ausgezeichnet werden, die die Leistungsfähigkeit und Entwicklung des Filmwesens verbessern.

228

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Letzteres Beispiel ist zwar lediglich eine Ankündigung eines Wettbewerbs, gibt aber keinerlei Hinweise auf „echte“ Kriterien, nach denen die Filme prämiert werden. Dies ist aber ein Befund, der hier nicht weiter diskutiert werden kann. Viel wichtiger ist die Frage, für wen die Informationen tatsächlich sind. Die erste Adressatengruppe, die gleichzeitig für beide dieser exemplarisch aufgeführten Auszüge aus Pressemeldungen vorgesehen ist, ist die Gruppe der Bewerber oder potentiellen Preisträger. Hingegen für die Gruppe der Kulturrezipienten (man ist versucht zu sagen Kulturkonsumenten) lediglich Meldung Nr. 501-02 als interessant erscheint. Die grundsätzliche Frage, ob diese Form der Kulturförderung das angestrebte Ziel, nämlich die strukturelle Förderung der Filmwirtschaft, unter dem Gesichtspunkt eines ganzheitlichen kulturpolitischen Konzepts – also auch der Einbezug des Kulturrezipienten und dessen Aktivierung – sinnvoll ist, bleibt fraglich und soll in einer Zusammenfassung am Ende dieses Kapitels und nach einer Analyse von wörtlichen Zitaten kulturpolitischer Akteure noch einmal aufgeworfen werden. Bevor wir aber zu diesem Abschnitt der Analyse übergehen, soll noch ein wesentliches Kriterium zum Informationsgehalt überprüft werden. Nämlich das Timing der Pressemitteilungen. Dies ist vor allem hinsichtlich der Bewerbung für Förderungen interessant. Exemplarisch wurden alle Meldungen herangezogen, die die Filmförderung zum Thema hatten. Die Ausgangsfrage war hierbei: Wie viel Zeit bleibt einem Bewerber für die Einreichung seiner Unterlagen ab dem Zeitpunkt, zu dem er diese Information erhält?

Insgesamt beinhalteten 17 Mitteilungen derartige Informationen. Eine der Meldungen listete alle Filmpreise für das Jahr 2001 mit den entsprechenden Bewerbungsfristen auf, so dass für eine entsprechende Vorbereitung der Bewerbung (frühester Termin für einen Preis war der 20.01.2001) ausreichend Zeit zur Verfügung stand. Erstaunlicherweise war eine solche, sehr sinnvolle Meldung tatsächlich nur im Jahr 2001 auszumachen. Ohnehin scheint es bei der Information zur Bewerbung keine Routine zu geben. Zumeist wird auf eine Bewerbungsfrist nur im Zusammenhang mit der Ankündigung der Feierlichkeiten zur Verleihung der Preise, in seltenen Fällen mit einer Ausschreibung, genannt. Die Meldungen wiederholen sich zwar inhaltlich und teilen sich auch recht regelmäßig auf die Jahre 2000 – 2002 auf (2000: 6 Meldungen, 2001: 5 Meldungen, 2002: 6 Meldungen), allerdings ist die Güte der Information vergleichbar mit einer Randnotiz. In drei Fällen liegt die Zeit zwischen Pressemitteilung und Fristende bei unter sechs Wochen.

3. Valenz- und Intensitätsanalyse In der Valenzanalyse werden Angaben von Bewertungen, die in Zusammenhang mit der Nennung von bestimmten Begriffen stehen, thematisiert. Die

II. Ergebnisse der Inhaltsanalyse

229

Valenzanalyse wird durch die Intensitätsanalyse ergänzt, und zwar indem bestimmte Intensitäten der Bewertung erfasst werden. Somit kann die Prüfung der Intentionalität und der Informativität weiter vertieft werden. In Bezug auf die hier vorliegende Fragestellung sind besonders die wörtlichen Zitate interessant, die in den Pressemeldungen zu finden sind. Besser gesagt, deren Prüfung auf bestimmte Bewertungen des eigenen Politikstils bzw. der Aufgaben, die zu bewältigen sind bzw. waren. Gerade in der Politik sind die Außendarstellung und die Statements der Politiker durch die Medien (im Sinne von Meinungsmachern) von großer Bedeutung für das tatsächliche Bild der Politik. Dies ist darin begründet, dass auf diesem Wege die Politik ihre eigene Stellung im kulturellen System definiert, was sich wiederum sowohl auf die politische Kulturarbeit niederschlägt, als auch auf die Interaktion mit den anderen Akteuren des kulturellen Systems, vor allem in Person des Künstlers bzw. des Kulturschaffenden im weitesten Sinne, wie auch in Person des Kulturrezipienten. Insgesamt wurden 127 wörtliche Zitate identifiziert, die sich auf 91 Pressemitteilungen verteilten. Damit kann man zunächst feststellen, dass es sich um ein recht beliebtes Stilmittel in der Gestaltung der Pressemitteilungen handelt und es damit für die weiter Analyse an Relevanz hinzugewinnt. Die Schwierigkeit, die sich nun bei einer Valenz- bzw. Intensitätsanalyse ergibt, besteht darin, eine Kategorisierung der einzelnen Zitate vorzunehmen. Es wurde zunächst eine Einteilung gewählt, die die Zitate nach ihrer Intention hin sortiert. Der gezielte Einsatz eines Zitates wurde also zugrunde gelegt. Es ergibt sich ein Einteilung bzw. Verteilung wie in der nachfolgenden Tabelle 16 dargestellt. Die Zitate stammen überwiegend von den beiden Staatsministern in diesem Zeitraum. Sie verteilen sich auf die folgenden Akteure wie in Tabelle 17 dargestellt. Tabelle 16 Kategorien der wörtlichen Zitate in den Pressemitteilungen Kategorie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. gesamt

Lob anderer (z. B. Laudatii, Nachrufe etc.) Hinweise auf Zusammenarbeit mit anderen Akteuren Appelle, geäußerte Überzeugungen, politische Vorhaben Rechenschaft über Ausgaben Lob der eigenen Arbeit Rechenschaft über politische Arbeit Nicht zuzuordnen (z. B. unpolitische Aussagen von Künstlern, Begründungen von Jurymitgliedern, Glückwünsche etc.)

Häufigkeit 16 18 34 5 16 27 11 127

230

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik Tabelle 17 Akteure, von denen die Zitate stammen

Akteur Staatsminister Michael Naumann Staatsminister Julian Nida-Rümelin Bundeskanzler Gerhard Schröder Andere Politiker Kommissionen Firmen Zitate aus Berichten gesamt

Häufigkeit 49 68 2 5 1 1 1 127

Zur Trennschärfe dieser Kategorien lässt sich nun Folgendes sagen: Zunächst ist festzustellen, dass alle Zitate als Instrument eingesetzt werden, um das positive Profil der Bundeskulturpolitik herauszustellen. So sind kritische Anmerkungen zur eigenen Arbeit selten auszumachen. Die erste Kategorie ist problemlos identifizierbar, da hier eine dritte Person im Mittelpunkt steht. Wenn über einen Kulturpolitiker ein Lob ausgesprochen worden wäre (dieser Fall war nicht auszumachen), so wäre er der fünften Kategorie „Lob der eigenen Arbeit“ zugeordnet worden. „Hinweise auf die Zusammenarbeit mit anderen Akteuren“ sind solche, die Aufschluss über eine Kooperation geben, also z. B. über die Zusammenarbeit mit den Ländern und Kommunen. Sehr interessant sind Zitate, die der Kategorie „Appelle, geäußerte Überzeugungen, politische Vorhaben“ zugeordnet werden können. Diese werden zumeist eingesetzt, um dem eigenen Handeln und Vorhaben Nachdruck zu verleihen. Die anderen Kategorien sind im Grunde genommen eindeutig und wenig erklärungsbedürftig. Wie lässt sich dieser Befund nun interpretieren? Die ersten sechs Kategorien entsprechen im Grunde genommen wörtlichen Zitaten, die dem Charakter deren nahe kommen, die in der Arbeitshypothese H 3 beschrieben wurden. Sie stellen nämlich solche dar, die eine Rechtfertigung und Profilierung der eigenen politischen Arbeit zum Ziel hat. Es stört den unaufmerksamen Leser kaum, dass es sich bei den meisten Zitaten um „Lippenbekenntnisse“ handelt, die sich an Bestandteilen wie z. B. „ich hoffe…“, „es wird darauf ankommen …“, „ich bin zuversichtlich …“, „ich begrüße …“ etc. erkennen lassen. Auch durch die meisten Zitate sind keine eindeutigen Informationen auszumachen. Sie passen in das Bild der Pressemitteilungen.

III. Resümee zum fünften Kapitel

231

III. Resümee zum fünften Kapitel Manchen Sozialforschern wird diese Auswertung vielleicht trivial vorkommen. Und sicherlich sind hierbei lediglich Ansätze für eine differenziertere Inhaltsanalyse präsentiert worden. Die Ergebnisse stellen allerdings Mosaiksteine dar, die das Bild der Kulturpolitik des Bundes weiter ergänzen und transparenter machen. Aufgrund der vielen Einzelfragen wie z. B. „Wie sind die Pressemitteilungen ge-timed?“, „Wird mittels Hinweisen auf das Internet verwiesen?“, „Mit welchen Intentionen handeln die Akteure?“, „Wie hoch ist der Informationsgehalt, also was erfahre ich über das beschriebene Ereignis?“, etc., kann die Handlungslogik der Politik weiter systematisch rekonstruiert werden. Zur weitergehenden Analyse wäre es noch sinnvoll, das Medienecho zu überprüfen, um festzustellen, ob und in welcher Form (also in gekürzter oder abgeänderter Form) die Mitteilungen Berücksichtigung gefunden haben, um das Bild der Bundeskulturpolitik zu formen. Dies würde aber an der Politik selbst und ihren Inhalten nur dann etwas ändern, wenn auf die Darstellung eine Reaktion von außen folgen würde. Die Ausgangsfrage in diesem Kapitel bezog sich auf die Funktionalität der kulturpolitischen Arbeit des Bundes. Erinnern wir uns also zurück an die Funktionen, die anhand der in Kapitel B. explizierten strukturfunktionalistischen Theorie abgeleitet wurden. Anhand dieser Theorie ist zu erwarten, dass die Rahmenbedingungen für eine „Latente Strukturerhaltung“ gefördert und verbessert werden müssen. Die Mittel und Wege, durch die dies geschehen kann oder soll sind relativ offen und von der Politik unter Berücksichtigung der Kompetenzverteilung gemäß den maßgeblichen Gesetzestexten sehr frei gestaltbar. Durch die hier präsentierte Inhaltsanalyse kann nun zwar nicht ausschließlich und eindeutig die gesamte kulturpolitische Arbeit hinsichtlich ihrer Funktion beschrieben werden. Allerdings korrespondieren die Ergebnisse ziemlich eindeutig mit den im vorherigen Kapitel beschriebenen Schwerpunkten der Politik. Und dass genau über diese Schwerpunkte am meisten und am umfangreichsten kommuniziert wird, lässt den Verdacht erhärten, dass die Kulturpolitik des Bundes ein Instrument darstellt, das sich weniger auf die ganzheitliche Kulturlandschaft bezieht, sondern vielmehr der Befriedigung einiger Interessengruppen und der Schaffung von Solidarität mit diesen dient. Erkennbar ist dies an der Überbetonung der Förderpolitik insgesamt und innerhalb dieser die relativ eindimensionale Berichterstattung über die Filmkultur und die Kulturförderung in den neuen Bundesländern sowie in Berlin. Hingegen kaum echte Informationen über tatsächlich kulturrelevante Handlungen gegeben werden. Die Rolle des Staatsministers hinsichtlich der normativen Funktionen der Kulturpolitik ist dabei mit einem Anspruch behaftet, den er, aus Gründen der strukturellen Beschaffenheit seiner institutionellen Einbettung, nicht leisten kann.

232

E. Funktionale Aspekte praktischer Kulturpolitik

Zudem ist die Beschreibung seiner Funktion weitgehend unklar: In einem Politikfeld, in dem die Förderpolitik deutlich überbetont ist, kann er aus den bereits erläuterten Gründen kaum politisch partizipieren. Bei der Medien- oder auch Ordnungspolitik kann er bestenfalls durch seine beratende Funktion Impulse setzen. Und bezüglich der Auswärtigen Kulturpolitik hat er noch nicht einmal Befugnisse, bzw. diese gehört nicht, oder bestenfalls indirekt, zu seinem Arbeitsfeld. Über eine Interaktion mit maßgeblichen kulturpolitischen Akteuren – mit den Ländern und Kommunen, mit der EU, mit dem Ausschuss des Bundestages in Fragen zur Kultur oder den nicht-staatlichen Kulturträgern – wird kaum und wenig ausführlich berichtet. Man muss folglich den Schluss ziehen, dass es keine Kooperation gibt oder diese zumindest zu keinen nennenswerten Ergebnissen führen. Ebenso ist nicht auszumachen, dass es einen konkreten Handlungsleitfaden zur Umsetzung des stark propagierten Konzepts des „Aktivierenden Staates“ gibt. Diese Hypothese (H 4) lässt sich nach der gesamten Betrachtung bestätigen. Denn keine der Meldungen bezieht sich nachweislich auf die Umsetzung eines solchen Konzepts. Auch insgesamt kann, aufgrund der enormen Schwerpunktbildung, kein solcher Konzeptrahmen erkannt werden. Der Bund kann seine beschränkten Kompetenzen nicht zum Anlass nehmen, sich aus der Verantwortung zu nehmen. Wie diese Verantwortung sich gestaltet und wie die Bundeskulturpolitik dieser gerecht werden könnte, soll im Rahmen einer modellhaften Skizzierung im abschließenden Kapitel expliziert werden.

F. Kulturpolitik in der Krise oder kein Grund zur Schwarzmalerei? Eine abschließende, zusammenfassende Betrachtung anhand der Ergebnisse der Studie Im Dritten Reich stellte die Firma Dagesch, eine Tochter des Konzerns Degussa, das Giftgas Zyklon B her, mit dem Millionen Juden ermordet worden waren. Groteskerweise wurde eben diese Firma damit beauftragt, die Stelen des ohnehin lang umstrittenen Holocaust-Mahnmals in Berlin zu imprägnieren. Als die Sachlage im Oktober 2003 bekannt wurde, folgte zunächst die Einstellung des Baus. Bereits im November wurde die Diskussion, ob diese Firma sich weiter an der Errichtung des Mahnmals beteiligen darf, zugunsten der Firma entschieden und der Bau wurde sogleich unverändert fortgesetzt. Diese Entscheidung traf das Kuratorium der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“.421 Es soll hier nun nicht die Diskussion geführt werden, ob diese Entscheidung adäquat, ja sogar moralisch vertretbar ist. Denn unter Berücksichtigung aller Faktoren kann man m. E. nur den Schluss ziehen, dass sie das nicht ist. Vielmehr sind hier zwei bedeutende Fakten interessant: Zunächst scheint die Funktion des Mahnmals aufgrund der ökonomischen Sachlage vollkommen in den Hintergrund zu treten. Argumentiert wurde beispielsweise damit, dass man sich nicht zur „Geisel der politischen Korrektheit“ machen lassen dürfe. Dem geht allerdings das zweite bedeutende Faktum voraus. Keiner der Verantwortlichen scheint die Verbindung der Firma Dagesch zum Nationalsozialismus geprüft oder zur Sprache gebracht zu haben. Weder das Unternehmen selbst noch das o. a. Kuratorium noch der Politik- und Verwaltungsstab, der dafür zuständig ist. Man kann hier durchaus von einem kollektiven Verdrängungsmechanismus sprechen. In welcher Funktion ist also ein Staatsminister, ein parlamentarischer Berater, zu dessen Hauptaufgaben es gehört, den Bund unter anderem in Fragen der Repräsentation, in Fragen der Kulturförderung und in Fragen der Hauptstadtkultur zu beraten? Diese Frage soll nach einer knappen Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit wieder aufgegriffen und beantwortet werden, um gleichzeitig darauf aufmerksam zu machen, wie die Praxis verbessert werden sollte.

__________ 421

Vgl. hierzu Spiegel Online, 2003, http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft /0,1518,druck-273848,00.html, Abruf vom: 16.11.2003.

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F. Kulturpolitik in der Krise oder kein Grund zur Schwarzmalerei?

Wie in der Einführung bereits erläutert: Kulturpolitik ist kein brisantes bundespolitisches Thema. Zumindest bestimmt sie nicht die bundespolitische Agenda. Dies bedeutet aber nicht, dass das kulturelle System weniger bedeutsam für Gesellschaften ist als das wirtschaftliche oder politische. Kultur und die damit verbundenen Prozesse, also beispielsweise die Produktion von Zeichen und Symbolen, bilden ein Komplementär zu den anderen Systemen und somit die strukturelle Grundlage, die unsere Gesellschaft stabilisiert, eine Gewährleistung des Gesamtzusammenhangs also. Über die normativen funktionalen Aspekte wurde in Kapitel B. ausführlich referiert. Dieser normative Anspruch verlangt nach einer Prüfung der realen Verhältnisse. Aber nicht nur die Beschreibung des gesamten Kontextes ist entscheidend, sondern auch die Erklärung seines Zustandekommens. Um die Diskrepanz zwischen normativem Anspruch an die Politik und der tatsächlichen politischen Praxis erklären zu können, ist es notwendig, sich mit den Bedingungen der Möglichkeiten, mit dem Handlungsrahmen also, auseinander zu setzen. Methodisch ist dies durch einen Methodenmix möglich. Zunächst besteht das Erfordernis den historischen Kontext zu erläutern. Aus diesem lassen sich verschiedene politische Verfahren aufgrund ihrer traditionalen und bisher unveränderten Ausgangssituationen, so z. B. der rechtlich vorgesehene Handlungsrahmen, ableiten. Handlungen sind immer hinsichtlich ihrer prozessualen Entwicklung hin zu untersuchen. Nur durch die Deskription und Explikation dieser historischen Stationen lässt sich dies realisieren. Aktuelle Trends, Konzeptionen, Schwerpunkte, Strukturdaten etc. lassen sich am besten mittels der Analyse verschiedenster Dokumente untersuchen, so z. B. mittels Statements von Politikern oder Experten, Haushaltslisten, Selbstdarstellungsbroschüren oder auch mittels Internetauftritten, und durch Experteninterviews absichern. Dieses Design wurde im vierten Kapitel umgesetzt. Die Ergebnisse sind dabei wie Mosaiksteine zu betrachten, die sich so zusammensetzen lassen, dass die Struktur der Kulturpolitik des Bundes deutlich wird. Diese Strukturanalyse beschreibt die Bedingungen, unter denen Kulturpolitik möglich ist, sowie die Absichten, die hinter dieser Politik stecken. Ob und in welcher Form dies funktioniert, wurde mittels der Inhaltsanalyse im Rahmen des fünften Kapitels geprüft. Trotz der Schwierigkeit der Validierung der Ergebnisse, lassen sich eindeutige Trends ableiten, die darauf hindeuten, wo die Arbeitsschwerpunkte der bundesdeutschen Kulturpolitik liegen bzw. wo sie ihre Wirkung entfaltet. Welchen Zustand können wir demnach ersehen? Die Kulturpolitik im Allgemeinen hat sich ebenso wie das gesamte politische System in den letzten 50 Jahren konzeptionell verändert. Die Zielsetzungen haben sich zwar im Grunde nur sehr wenig verändert, die Mittel zur Zielerreichung wurden allerdings immer wieder zur Diskussion gestellt und konzeptionell überdacht. So propagierten die Experten seit den 1970er Jahren immer wieder das Konzept des „Aktivierenden Staates“, das vorsieht, den Bürger nicht nur als Kulturrezipienten zu akzeptieren, sondern ihn auch zum Engagement zu motivieren und zu animieren. Erkennbar sind solche Trends und Zielsetzungen an den einschlägigen

F. Kulturpolitik in der Krise oder kein Grund zur Schwarzmalerei?

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Dokumentationen. So hat das Jahrbuch für Kulturpolitik 2000 das Schwerpunktthema „Bürgerschaftliches Engagement“.422 Dieses Werk wird vom Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft herausgegeben und zu großen Stücken vom Staatsministerium unterstützt. Es ist als Organ zu verstehen, das die konzeptionellen Zielsetzungen repräsentiert. Aber nicht nur konzeptionell, sondern auch institutionell und organisatorisch gab es, vor allem in den Jahren nach 1998, auf der Bundesebene entscheidende Veränderungen, die nicht unerheblich sind. Der größte und deutlichste Schritt ist natürlich in der Bündelung der kulturpolitischen Kompetenzen bei dem bzw. der BKM zu sehen. Allerdings ist dies in gewisser Weise ein Trugschluss. Die Kompetenz liegt faktisch nämlich nicht bei dem oder der BKM, sondern beim Bundeskanzler, dem er bzw. sie direkt unterstellt ist. Die vorher stark differenzierte Macht, die sich auf mehrere Ministerien aufteilte, ist somit gebündelt und ermöglicht eine deutlich systematischere Kulturpolitik. Und dies ist gewissermaßen auch die einzige, wirkungsvolle strukturelle Veränderung, die hier eingeleitet wurde. Lediglich das Machtgefälle wurde verändert. Der Verwaltungsapparat blieb nahezu unverändert, die politischen Themen letztlich auch. Bei der Betrachtung, welche Themen denn tatsächlich Priorität genießen, stellt man fest, dass eine m. E. völlig unbegründete Überbetonung der Förderpolitik vorliegt. Dies lässt den Schluss zu, dass die funktionalen Aspekte für die Politik nicht, oder zumindest nicht nur, relevant sind. Auch findet keine Prüfung der Erfordernisse der verschiedenen Kulturförderungen statt. Ebenso wenig wird m. E. ausreichend hinterfragt, ob die Förderungen Gegenstand der Kulturpolitik sein sollten. Auf jeden Fall fehlt hierbei – sollte ein Abwägen intern tatsächlich stattfinden – eine entsprechend hohe Transparenz und hinreichende Außendarstellung. Eine Sache, die z. B. auch vom Bundesrechnungshof in seinen Berichten bemängelt wird. Die Verfechter der augenblicklichen Struktur werden bei dieser Kritik sicherlich mit dem Argument der fehlenden rechtlichen Grundlagen ihre Entgegnung untermauern. Hierauf gibt es aber nur eine Antwort: Die kulturpolitische Struktur und Aufgabenteilung auf der Grundlage des Föderalismus ist historisch begründet und macht absolut Sinn. Dies ist nicht zuletzt durch den Vergleich verschiedener nationaler Konzeptionen zusätzlich belegt. Die Kulturvielfalt innerhalb des Kulturraums der Bundesrepublik ist auch das Ergebnis eines ausdifferenzierten kulturpolitischen Systems. Damit ist aber natürlich nicht zum Ausdruck gebracht, dass der Bund als kulturpolitischer Akteur gänzlich in den Hintergrund treten oder gar verschwinden muss. Es ist allerdings klar, dass eine Konzeption, wie sie augenblicklich praktiziert wird, nicht optimal ist.

__________ 422 Röbke, Thomas / Wagner, Bernd für das Institut für Kulturpolitik der Kulturpolitischen Gesellschaft (Hg.): Jahrbuch für Kulturpolitik 2000. Thema: Bürgerschaftliches Engagement. Kulturstatistik, Chronik, Literatur, Adressen, 2001, Essen.

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F. Kulturpolitik in der Krise oder kein Grund zur Schwarzmalerei?

Was sollte daher verändert werden? Wie kann der Bund mit seinen augenblicklichen Kompetenzen und seinen zur Verfügung stehenden Ressourcen effektiv Kulturpolitik betreiben und mitgestaltend wirken? Zunächst ist festzuhalten, dass sich das politische System stetig verändern muss. Viele Gegenstände der Kulturpolitik, wie beispielsweise die Kulturförderung in den neuen Ländern, müssen wieder vollständig in die Hände der Länder und Kommunen gegeben werden. Die Frage, ob diese Gegenstände ein tatsächliches Erfordernis bundeskulturpolitischen Agierens sind bzw. waren, ist ohnehin zu prüfen. Die erste Empfehlung, die hier ausgesprochen werden soll, bezieht sich also auf den zu überprüfenden Handlungsgegenstand der Kulturpolitik. Kommen wir dafür auf das eingangs dieses Kapitels beschriebene Beispiel zurück. Fehler passieren natürlich immer. Die Frage ist aber inwiefern diese verkraftbar sind. Bei der Beteiligung der Firma Dagesch fehlte eine Person oder Koordinierungsstelle, die genügend Geschichtsbewusstsein hat, die Sachlage richtig einzuschätzen oder zu überprüfen. Kultur ist keine Angelegenheit, die hinter einem Schreibtisch oder einem Reißbrett entsteht. Die Produktion von Symbolen beinhaltet eine Sinnebene. Den Symbolen geht ein Ereignis voraus. Sie sind mit einem Ereignis sinnhaft verbunden und vermitteln eine Aussage darüber. Ebenso gehört eine Reaktion auf die Symbole zum kulturellen Prozess. Ein Mahnmal wird somit zum Anlass zur aktiven Auseinandersetzung mit der Geschichte. Somit wäre also eine erste Empfehlung: Die Bundeskulturpolitik muss als Prüfstelle für kulturpolitische Arbeit fungieren. Damit ist nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie sich als Kunstrichter betätigen soll. Sie soll vielmehr die Rahmenbedingungen adäquat und durchdacht prüfen und gewährleisten.

Dies ist eine wesentliche Aufgabe im Verantwortungsbereich des Bundes, dem er m. E. zu wenig nachkommt. Gleichzeitig ergibt sich daraus die zweite Empfehlung: Die Bundeskulturpolitik muss als Schnittstelle und Ansprechpartner für jegliche Akteure ausgerichtet werden.

Dies ist eine Aufgabe, die zum Teil von dem bzw. der BKM bereits wahrgenommen wird. Allerdings lässt die Arbeit merkliche Impulse vermissen. Ein wesentlicher Bereich wäre hierbei die Arbeit an der Basis. Durch sie würde ein großer Schritt beim Vorhaben der „Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements“ geleistet werden. Dies ist nicht damit zu verwechseln, Bürger zu mehr Spenden anzuregen, denn dies wäre als nicht ausreichend zu beurteilen. Selbstverständlich ist die wirkungsvolle Arbeit in diesem Bereich auf der Ebene der Kommunen zu sehen. Der Bund kann und muss sich aber ebenfalls beim Versuch der Umsetzung aktueller kulturpolitischer Konzepte beteiligen.

F. Kulturpolitik in der Krise oder kein Grund zur Schwarzmalerei?

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Die dritte Empfehlung wurde bereits schon im Resümee zum vierten Kapitel angesprochen und bezieht sich auf den Bereich der Kulturforschung: Der Bund sollte sich mehr dem Sektor der Kulturforschung und somit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung, auch in Zusammenhang mit der Kulturindustrie, widmen.

Viele Entwicklungen auf dem Kultursektor sind hinsichtlich ihrer Folgen schlecht absehbar, können aber schwerwiegend sein. Sie können ganze Kulturzweige betreffen und aufgrund der Schwerfälligkeit der politischen Entscheidungen kaum aufgehalten werden. Durch die Erfindung der so genannten Internet-Tauschbörsen in Verbindung mit der Möglichkeit der privaten Herstellung von CDs wurde beispielsweise die gesamte Musikindustrie schwer angeschlagen. In den Händen der Musikindustrie liegt ohne Zweifel eine enorme Verantwortung für die Musikkultur im Allgemeinen. Es gibt zwar insgesamt wenig Anlass zur Schwarzmalerei in diesem Sektor, die Leidtragenden sind allerdings wie so oft die Künstler auf breiter Basis. Diejenigen also, die dafür sorgen, dass ein vielfältiges Angebot überhaupt erst zustande kommt. Dabei waren die Folgen der Nutzung und Verbreitung solcher Internet-Tauschbörsen im Grunde absehbar. Durch eine rechtzeitige Sensibilisierung aller Beteiligten wäre eine solche Krise vielleicht nicht verhindert, hinsichtlich ihrer Folgen aber sicherlich abgeschwächt worden. Derlei Probleme wurden von der Politik – in dem Fall durch die Nivellierung des Urheberrechts – nur sehr schwerfällig antizipiert und aufgearbeitet. Mit der Umsetzung dieser exemplarisch verdeutlichten Empfehlungen würde der Bund effektive kulturpolitische Arbeit leisten, im Rahmen seiner rechtlichen Kompetenzen bleiben und eine echte Komplementärfunktion zur Politik der Länder und Kommunen wahrnehmen. Um die Frage im Titel des letzten Kapitels abschließend zu beantworten müsste die Thematik zwar noch stärker empirisch bearbeitet und erforscht werden. Man kann aber eine erste Diagnose abgeben: Die Kulturpolitik ist m. E. nicht in der Krise, sie weist aber einige schwarze Flecken auf, die es aktiv anzugehen gilt. Eine Bundeskulturpolitik wie sie seit 1998 betrieben wurde, ist weiterhin nur sinnvoll, wenn die strukturellen Reformen, die zaghaft begonnen wurden, nicht die Zielsetzungen bestimmen, sondern umgekehrt: Die Zielsetzungen, und somit die funktionalen Erfordernisse, müssen den Ausschlag für eine veränderte Struktur geben und diese formen.

Anhang Interview mit Ministerialdirektor Dr. Knut Nevermann, Leiter der Abteilung Kultur und Medien im Bundeskanzleramt, am 3. Juni 2003 im Bundeskanzleramt in Berlin. Endreß: Eine wesentliche Frage, die mich beschäftigt, bezieht sich auf die Gründung der Behörde der BKM. Vor dem Regierungswechsel im Jahre 1998 waren die einzelnen Sachgebiete, die der Behörde mittlerweile zugeordnet sind, anderen Ministerien – vorrangig dem Innenministerium – zugeteilt. Wurden diese Aufgabenbereiche strukturell herausgelöst, also die personellen Ressourcen anders verteilt, oder wurde das Staatsministerium komplett neu gegründet? Handelt es sich also um eine zusätzliche Behörde oder um eine Zusammensetzung von Mitarbeitern, die zuvor anderen Bundesministerien zugeordnet waren? Und die zweite Frage hierzu: Inwiefern wurden denn die tatsächlichen personellen Kräfte übernommen, kann man also von einer „Neubesetzung“ sprechen oder wurde das Personal nur anders verteilt? Dr. Nevermann: Wir haben gesagt welche Referate zu uns kommen sollen. Das war die ganze Abteilung Kultur des Bundesinnenministeriums, ein Teil der Abteilung „Vertriebenenkultur“, aus dem Wirtschaftsministerium die Abteilung „Filmförderung und Verlagswesen“ sowie die Abteilung „Berlin und Bonn“ aus dem Bundesbauministerium. Sämtliche Referate, jeweils mit allem was dazu gehört, also mit dem gesamten Personal, allen Stellen und natürlich auch den konkreten Personen wurden eins zu eins übernommen und zunächst einmal zusammengelegt. Dahinter stehen natürlich auch inhaltliche Titel in den Haushaltsplänen. Die wurden auch entsprechend herausgezogen. Es fehlte allerdings noch eine allgemeine Verwaltung, also z. B. Sachbearbeiter im Bereich „Personal- und Haushaltsangelegenheiten“. Diese Stellen kamen natürlich dazu. Da musste das Bundesinnenministerium, weil es nun weniger zu tun hatte, uns teilweise Personal abgeben, teilweise bekamen wir auch zwei, drei Stellen dazu. Und dann wurde ganz neu aufgebaut: Die Stelle des Staatsministers, damals Michael Naumann, ich habe die Stelle meines Amtsvorgängers im Bundesinnenministeriums übernommen, und der ganze Stab, das sind in etwa zehn Leute – Sekretärinnen, Fahrer usw. – wurde komplett mit neuen Leuten

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auf neuen, leeren Stellen aufgebaut. Das war richtig neu. Wir konnten damals also etwa zwölf Leute insgesamt neu einstellen. Diese kamen zum Teil auch aus dem Kanzleramt oder aus anderen Behörden dazu. Frisch eingestellt wurde der persönliche Referent, Pressereferent, Kabinetts- und Parlamentsreferent, also insgesamt 3 Leute. D. h. es kamen zehn Leute vom Arbeitsmarkt, teilweise kamen diese auch über Ausschreibungen zu uns. Bei den anderen Mitarbeitern handelt es sich um das alte Personal, das mit seiner entsprechenden Aufgabe zu uns kam. Mit Erfahrungen aus 16 Jahren Amtszeit Helmut Kohl; was einen interessanten Sachverhalt darstellte. Wir stellten uns zwar die Frage, wie das wohl funktionieren wird. Ich muss aber sagen, dass es sich bei allen um qualifizierte Leute handelt, die absolut loyal sind. Ich hatte nicht ein einziges Problem. Kurz vor der letzten Bundestagswahl im September fing es dann an ein bisschen zu rumoren, weil alle dachten, wir wären bald weg. Aber sonst hatten wir nie ein Problem. Endreß: Das ist genau die Frage, die ich mir gestellt habe, wenn es einen solchen „Personalwechsel“ gibt, gerade im Bereich der Kulturpolitik, und das bringt mich jetzt eigentlich zu den mehr inhaltlichen Fragen. Bisher – zumindest wird dies in der Fachliteratur so ventiliert – ist die Hauptproblematik der Kulturpolitik die Frage, wer eigentlich vorgibt wo man politisch aktiv sein sollte. Es gibt zwar sicherlich gesetzliche Rahmenbedingungen, die greifen, die man aber entsprechend auslegen kann. Aber die tatsächliche inhaltliche Arbeit ist doch eine Sachfrage. Also muss entsprechend entschieden werden. Ich spreche in meiner Arbeit von einer Neuorientierung. Wenn man nun einfach mal die bisherigen kulturpolitischen Konzepte der Bundesrepublik betrachtet, dann ist es eigentlich ein recht revolutionärer Schritt zu sagen, wir konzentrieren wieder mehr das Augenmerk auf die Bundespolitik und versuchen die beiden Themen „Aktivierender Staat“ und „Stärkung des Bürgerschaftlichen Engagements“ aufzunehmen. Wie wirkt sich dies denn tatsächlich im Arbeitsprozess aus, wenn es zu inhaltlichen Sachfragen kommt, bei denen die jetzige Regierung kontrovers zur Vorgängerregierung steht? Dr. Nevermann: Kontroversen hat es in einigen Bereichen zwar gegeben. Aber ich würde eher sagen, dass die Kulturpolitik sich dafür wenig eignet. Sie ist doch eher parteiübergreifend. Auch in den anderen Politikbereichen sind ohnehin zwischen SPD und CDU 90 % der Politik identisch und 10 % umstritten. Das ist eigentlich auch das Problem unseres politischen Systems: Die beiden Parteien überlappen sich inhaltlich so stark, dass die Auseinandersetzungen manchmal über „Nebenkriegsschauplätze“ geführt werden, weil die „Hauptkriegsschauplätze“ unumstritten sind. Das ist ein großes Problem unserer politischen Kultur. Das gilt in der Kulturpolitik noch stärker. Trotzdem gibt es natürlich einige Sachverhalte, bei denen man ganz klar mit politischen Ansagen hineingehen

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muss. Das eine war – mit damals geringen Feldkenntnissen bei mir – der Bereich der „Vertriebenen“. Da haben wir auch umstrukturiert. Ein anderer Schritt, den wir gemacht haben, ging ganz im Konsens: das „Gedenkstättenkonzept“. Eine andere Sache ist die „Filmförderung“. Da hatten wir ursprünglich einen etwas stärkeren Zugriff. Wir wollten viel stärker wirtschaftliche und kulturelle Filmförderung zusammenlegen. Was auf sehr großen Widerstand im Hause stieß, weil traditional immer noch in den alten Bahnen gedacht wurde. Das haben Naumann und ich ein bisschen diktatorisch behandelt. Dann kam NidaRümelin und hat versucht dieses Feld etwas stärker systematisiert anzugehen. Im Kern haben wir jetzt eine Novellierung des Filmförderungsgesetztes auf den Weg gebracht, der einen Rückzieher unsererseits erkennen lässt. Wir sind vorsichtiger geworden, was eigentlich schade ist. Dies stellt aber auch keinen Unterschied zwischen SPD und CDU dar, sondern kennzeichnet eher den Unterschied zwischen modern oder nicht so modern. Ein eigentlich absurder Sachverhalt. Wir haben in Hamburg eine Integration der kulturellen und wirtschaftlichen Filmförderung vollzogen; wir wissen, dass es funktioniert. Dabei kommt auch die kulturelle Förderung nicht unter die Räder, wie es alle befürchten. Das kann man schon mit entsprechenden Regelungen absichern. Das vollziehen wir jetzt aber nicht, da haben wir einen Rückzug gemacht. Ein Problem, bei dem man weder in der Szene, noch im eigenen Hause Unterstützung bekommen hat und immer wieder Bedenken geäußert wurden. Das gibt es dann schon mal, das ist einfach eine unterschiedliche Option. Aber so was stellt eher eine Seltenheit dar. Es gab dann einen großen Konflikt wegen der Deutschen Welle, bei dem Naumann und der damalige Intendant die hauptsächlichen Kontrahenten waren. Das hat sich inzwischen wieder geändert. Da haben wir auch in der Sache gar nicht viel gemacht. Wir haben dem Sender ziemlich viel Geld weggenommen. Ein weiterer Schwerpunkt ist das „Neue Länder“ – Aufbauprogramm mit 30 Mio. € im Jahr. Hier haben wir eine eher gemischte Lage. Wenn ich mir mal andere Bereiche vorstelle, z. B. das Verteidigungsministerium, wo neue Ideen und Einstellungen implementiert werden. Das ist bei uns im Bereich "Bundesvertriebenengesetz § 96" am ehesten der Fall. Ferner hatten wir einen solchen Fall noch beim Thema „Beutekunst“: Es gab 1998 eine Washingtoner Konferenz über die Herausgabe von Kunstgegenständen aus ehemals jüdischem Besitz, die im Rahmen der NS-Verfolgungen verschwunden waren. Wir haben seinerzeit die Frage gestellt, wie dieser Sachverhalt bei uns gehandhabt wird. Haben wir also noch irgendwo Kunstgegenstände diese Problematik betreffend. Worauf dies einhellig verneint wurde. Die Amerikaner haben nachgefragt, woraufhin herauskam, dass es eine Liste mit Kunstgegenständen gibt. Diese Kunstgegenstände sind nach 1945 zuerst dem bayerischen Staat und dann dem Bund überantwortet worden. Viele meiner

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Leute sagten dann, dass sie das nicht gewusst haben. Eine Problematik, die auf die Kommunikation zwischen den Ministerien zurückgeht. Das war ein Thema bei dem wir einfach mangels Information, aber auch weil die Kollegen nicht den kritischen Biss hatten, nicht geglaubt hatten, dass es so etwas noch gibt. Endreß: Es ist interessant, dass Sie vor allem zwei Projekte bzw. Förderbereiche angesprochen haben, die ich mir auch herausgepickt habe, weil ich denke, dass hierauf ein großer Schwerpunkt liegt: Zum einen die „Filmförderung“ und zum anderen das Aufbauprogramm „Kultur in den Neuen Ländern“, was zumindest informell in der Diskussion, die ich mit anderen Wissenschaftlern führe, als Bereich dargestellt wird, der recht kritisch beäugt wird. Ich würde Sie gern mit zwei Sachverhalten konfrontieren, um einfach die inhaltliche Diskussion stärker von der Praxisseite her zu beleuchten, da man es als Betrachter schwer hat, Einblicke zu bekommen, wenn man nicht selbst an Projekten mitarbeitet. Bezüglich der Förderpolitik habe ich zunächst den „Deutschen Filmpreis“ genauer betrachtet und hinsichtlich der Förderrichtlinien untersucht. Ich habe festgestellt, dass insgesamt maximal 3 Mio. € Preisgelder bezahlt werden. Ich habe dann die Sparten durchgezählt und dabei festgestellt, dass maximal 22 Projekte bzw. Personen begünstigt werden können. Maximal deshalb, weil ein Projekt ja in mehreren Preissparten gewinnen kann. Dr. Nevermann: Von 70 Filmen insgesamt, die pro Jahr produziert werden, kommen 22 in den Genuss, was eine hohe Rate darstellt. Endreß: Wenn man aber diesen Betrag mit dem Jahresbudget konfrontiert, den der Bund für den Bereich der Filmförderung aufbringt, dann sind dies etwa 19 % des Gesamtbudgets des Bundes für die Filmförderung, die insgesamt für den „Deutschen Filmpreis“ aufgewendet werden. Dr. Nevermann: Das ist nur ein Teil der kulturellen Filmförderung. Sie dürfen nicht vergessen, dass es Gelder von der FFA gibt, die in Höhe von 60 Mio. € liegen. Endreß: Wenn man nun aber von der Konzeption der Kulturpolitik ausgeht und die Geschichte der Kulturpolitik in den Vordergrund stellt, ausgehend also vom Umschwenken in den 70er Jahren, weg vom Konzept der „Kulturpflege“ und „Kulturrestauration“, hin zu mehr inhaltlichen Themen und einer aktivierenden Politik. Wie schätzen Sie die Situation ein: Ist es nicht eher so, dass man Ge-

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fahr laufen könnte, dass es zu einem closed-shop-System oder zu einer Art „Elitenzirkulation“ in der Filmbranche kommen könnte, in der ja nicht wenig Umsatz zu verzeichnen ist? Ich denke an eine andere Form von Filmförderung als Alternative, so dass viel breiter gefördert wird. Dr. Nevermann: Die Förderung wird ja von Jurys ausgewählt. Und diese Jurys werden auch alle paar Jahre neu zusammengesetzt. Ein als äußerst positiv zu verzeichnender Sachverhalt stellt die Tatsache dar, dass sehr viele und zum Teil auch sehr sperrige Filme prämiert werden. Also ist es gerade nicht der Fall, dass es ein solches closed-shop-System gibt, es ist wirklich ein äußerst offenes System. Die Breite der Projekte, die gefördert werden, ist erstaunlich. Die Jury ist unabhängig und muss sich auch argumentativ schlagen. Es ist ja auch in der Diskussion, ob es eine deutsche Filmakademie geben soll, getragen von der Branche selber, und dass diese die Juroren stellen soll. Allerdings beginnen hier dann genau solche Diskussionen: Wo bleiben denn die sperrigeren Güter, ist das dann viel zu mainstreamorientiert usw. Endreß: Aber dann verstehe ich Sie schon richtig: Die Filmförderung soll wirklich stärker auf einzelne Projekte konzentriert sein, als weniger auf die breite Masse? Dr. Nevermann: Selbstverständlich: Es handelt sich um Kultureller Filmförderung. Die anderen Förderungen nämlich die der FFA, sind stärker referenzorientiert: Wenn ein Film mehr als 100.000 Zuschauer hat kriegen sie automatisch Geld. Wenn sie noch über dies nach Cannes oder zu den Oskar-Verleihungen eingeladen werden, kriegen sie wieder Geld. Da wird sozusagen der Erfolg prämiert, der wirtschaftliche aber auch der kulturelle. Endreß: Und da nimmt sich der Bund hinsichtlich der Entscheidungen im Grunde genommen raus? Dr. Nevermann: Wir strukturieren das Ganze per Gesetz, legen gesetzliche Abgaben fest und sind auch in den Gremien. Aber das ist eine Selbstverwaltungseinrichtung der Filmwirtschaft. Endreß: Der zweite Bereich, zu dem ich Fragen habe betrifft das Förderprogramm „Kultur in den neuen Ländern“. Ich habe es bereits angedeutet: Es gibt kritische Stimmen, die besagen, dass wir ja eigentlich von den „Kulturpflege- bzw.

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Kulturrestaurationskonzepten“ weg sind bzw. Kulturrestauration thematisch nicht mehr der Schwerpunkt ist, der in der Kulturpolitik vorherrschen sollte. Bezüglich dieses Themas habe ich die Förderliste des Landes Brandenburg, exemplarisch für die verschiedenen neuen Bundesländer, ausgewertet. Dabei habe ich vier Kategorien gebildet, nämlich „Bau- und Sanierungsmaßnahmen“, also Gelder die in Bau- oder Sanierungsprojekte geflossen sind, „Anschaffung von Inventar und technischen Geräten“, dann die Kategorie „Anschaffung von Kulturgütern“ sowie direkte Förderungen von „Kulturevents- bzw. Veranstaltungsprojekten“. Ich habe festgestellt, dass sich – abzüglich der Überschneidungsbereiche, die es zwischen den Jahren gibt – von insgesamt 50 geförderten Projekten 20 Projekte auf die Finanzierung von Bau- und Sanierungsmaßnahmen beziehen. Weitere 9 Projekte beinhalten die Anschaffung von Kulturgütern wie z. B. Bibliotheksbestände oder Museumsexponate. 16 Projekte waren Kulturevents. Auffallend ist – verständlicherweise, da hier entsprechende finanzielle Erfordernisse vorhanden sind –, dass das meiste Geld in den Bauund Sanierungsbereich fließt. Dr. Nevermann Der Grundansatz war, dass es einen Nachholbedarf an baulichen und strukturellen Maßnahmen in den neuen Ländern gibt. Wir wollen helfen, indem wir einen Zuschuss bis zu 50 % gewähren. Die Entscheidungen, was gefördert werden soll, treffen die Länder selbst. Die Listen werden von den Ländern aufgestellt. Dieses Vorgehen ist weitestgehend akzeptiert worden und wurde nicht weiter hinterfragt. Aber die Eventförderung war sozusagen die Ausnahme von der Regel und haushaltsrechtlich etwas problematisch. Hier sollten eigentlich Investitionen gefördert werden. Zu den Mittelverteilungen gibt es im Übrigen auch Untersuchungen. Endreß: Das wäre eine nächste Frage. Es gibt ja Untersuchungen des Bundesrechnungshofes, die die Frage nach empirischen Untersuchungen und Projektevaluationen aufwerfen. Dr. Nevermann: Die meisten Projekte sind tatsächlich Baumaßnahmen, die die Länder geplant haben und an denen wir uns mit bis zu 50 % beteiligen. Es handelt sich also um eine Beschleunigung der Investitionsprogramme der jeweiligen Länder. Insofern gibt es hier nicht besonders viel zu evaluieren. Das sind alles Projekte, die einleuchten, die sinnvoll sind. Das ist eigentlich alles, und insofern ist das ein wunderbares Programm. Das Geld wird an die Landeshaushalte überwiesen, ist zweckgebunden und diese verteilen es wiederum auf die einzelnen Projekte und überprüfen, ob sie mit den Projekten zufrieden sind. Wir haben am Anfang bewusst keine Förderkriterien erarbeitet, inzwischen gibt es eine kleine Liste darüber. Wir müssten, wenn das Programm fortgesetzt wird,

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jetzt eine klare Regelung finden, aber wahrscheinlich wird es gar nicht fortgesetzt. Endreß: Kann man eigentlich in Hinblick auf die zurückliegende Wiedervereinigung mittlerweile von einer Angleichung sprechen? Dr. Nevermann: Es hat ein gewisser Aufholprozess stattgefunden, aber noch keine Angleichung. Technische Apparaturen, bauliche Substanzen sind hinsichtlich ihres Zustandes in den Ländern der ehemaligen DDR noch immer schlechter als in den alten Bundesländern. Aus meiner Sicht sollte man das Programm auch fortsetzen. Es bietet sich ja auch an in den Kulturbereich zu investieren. Die Länder dürfen auch aus dem Investitionsförderprogramm ihre eigenen Gelder hinzunehmen. Dadurch haben die Kulturdezernenten wiederum die Chance, Gelder aus ganz anderen Bereichen zu nehmen, um den Kulturbereich zu finanzieren. Gelder die bspw. dazu gedacht sind Strassen zu bauen o. Ä. Endreß: Wenn Sie die klassischen Aufgabenfelder der Bundeskulturpolitik, also Ordnungspolitik, Förderpolitik, Auswärtige Kulturpolitik und – etwas herausgelöst – die Medienpolitik hinsichtlich der Schwerpunktsetzung beurteilen müssten, wie ließe sich dies prozentual ausdrücken, also wo liegt von Seiten des Bundes eher der Schwerpunkt und wo würde man von einem Spielraum sprechen, weil bspw. die Interaktion mit den Ländern relativ gut funktioniert? Dr. Nevermann: Also wir haben bei den „Medien“ relativ „dicke Bretter zu bohren“, da Fernsehen, mit Ausnahme der Deutschen Welle, Ländersache ist. Im Übrigen machen wir das meiste auf der Regelungsebene. Aber es ist schwer von einem bestimmten Schwerpunkt zu reden. Endreß: Ist es dann eher so, dass der Bund, so wie Nida-Rümelin es einmal ausgedrückt hatte, eine Komplementpolitik ausüben sollte, also nicht übergeordnet sein und Kompetenzen bündeln sollte, sondern vielmehr als eigenständiger Akteur im Rahmen der Kulturpolitik quasi egalitär eigene Aufgabenbereiche haben sollte bzw. hat? Dr. Nevermann: Ja sicher. So ist es. Die Möglichkeiten einer richtigen Gestaltung sind nicht so toll. Aber es muss jemanden geben, der bundesweit kulturpolitische Themen anzettelt und diskutiert, so dass man weiß, dass es auch eine bundesrepublikanische Kulturdebatte gibt. Denn es gibt ja Resonanzpools, die Feuilletons, die

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sich freuen, wenn Diskussionen stattfinden. Das ist ja anders als in der Sozialpolitik. Wir haben ja eine eigene Abteilung in den Zeitungen. Das Allerwichtigste ist aber das Gesicht nach außen, die Sichtbarkeit eines Menschen für die Kulturnation Deutschland. Das ist jetzt besser. Es gibt nun eine Person, die ihre Kollegen kennt, sich mit ihnen trifft usw. Da ist plötzlich so etwa wie ein Korpsgeist von Kulturministern in Europa, bei dem Deutschland bisher nie dabei war. Endreß: Denken Sie, dass es ein Spannungsfeld zwischen den kulturpolitischen Akteuren der Länder, des Bundes, Europas und den privaten Trägern gibt? [Vorlage von Abbildung 22] Zwei Fragen hierzu: 1. Würden Sie mir beipflichten, wenn ich von so einem Spannungsfeld in dieser Form spreche? 2. Und wenn ja, kann man dann überhaupt in der Praxis so einem Spannungsfeld gerecht werden oder ähnelt es eher einem Kampf mit Windmühlen? Dr. Nevermann: Mit den Ländern treten wir nur in Kontakt, wenn eine Kultureinrichtung irgendeines Landes betroffen ist. Ebenso wenig mit der KMK. Bei uns spielt die Regierung, vor allem das Bundesfinanzministerium, eine Rolle, aber auch, bei Rechtsfragen, z. B. Urheberrecht, Ausstellungsvergütung, etc., das Justizministerium, aber auch das Bundesinnenministerium. Bei Fragen der Kompetenzabgrenzungen, z. B. bei der Zusammenführung der beiden Kulturstiftungen. Wir sind für die Bundesverwaltung ein relativ untypischer Bereich, eine nichtgesetzorientierte Verwaltung mit ein bisschen Geld. Und dann ist der andere wichtige Interaktionspartner der Bundestag. Man muss immer Kontakt zu den Abgeordneten halten, zur Fraktion, zum Kulturausschuss und zu den Haushaltsleuten. Die müssen permanent informiert werden. Hier muss man sehr wachsam, kommunikativ und offen sein. Die Länder spielen keine Rolle. Europa gegenüber haben wir klare Interessen, gehen dahin, um Mehrheiten zu bekommen oder anderen zu helfen ihre Interessen durchzusetzen. Das ist aber ein eher freundschaftliches, kollegiales Verhältnis. Manchmal geht es auch darum gemeinsam etwas zu verhindern, z. B. die Buchpreisbindung. Ansonsten müssen wir uns eigentlich nicht abstimmen. Endreß: Also sind der Bund, aber auch die Länder, als Akteure an sich relativ souverän?

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Dr. Nevermann: Das kann man schon so sagen. Endreß: Eine abschließende Frage. Wenn Sie auf die letzten 5 Jahre Bundeskulturpolitik zurückblicken und gleichzeitig versuchen 5 Jahre in die Zukunft zu schauen, meinen Sie, dass sich dieser Politikstil, auch hinsichtlich der Ansicht der Opposition, etabliert hat und es eine Entwicklung zu einer offenen und stärkeren Bundeskulturpolitik gibt? Dr. Nevermann: Die Opposition hat daran konstruktiv mitgearbeitet. Ich glaube, die Art und Weise, wie wir uns gegenseitig wahrnehmen, ist sehr viel positiver geworden. Insgesamt ist es schon so, dass sie alle ein Interesse daran haben, dass wir uns stützend kümmern. Zum Teil möchten sie auch, dass ihre Einrichtungen einen Stempel kriegen: „bundesgeprüft“. Deshalb haben wir auch ein Blaubuch gemacht. Und in anderen Bereichen wird dies auch nachgefragt, damit der Eindruck der nationalen Bedeutsamkeit entsteht. Insofern glaube ich, dass es eine hohe Akzeptanz und die Erkenntnis gibt, dass es in der Bundesrepublik Deutschland, als eine Kulturnation, auch eine Politik für Kultur und auch ein Personal geben muss, das man mit Kulturpolitik identifiziert. Meine persönliche Einschätzung, im 10-Jahres-Rhythmus gedacht, ist, dass die Orientierungsdebatten sich nicht mehr in den Sozialwissenschaften abspielen, sondern vielmehr im kulturellen Bereich. Man wird z. B. zum Demonstrieren nicht mehr in die Uni gehen, sondern vielmehr ins Theater. Ich glaube schon, dass es Orientierungsschwierigkeiten gibt: Es gibt nicht mehr den bösen Feind im Osten; das Nachdenken über Kultur und kreative Prozesse hat einen größeren Stellenwert. Und unser Beitrag zu diesem Stellenwert, der gesellschaftlich wichtig ist und für den zu 90 % die Gemeinden und Länder verantwortlich sind, liegt darin zu sagen: „Macht mal, das ist wichtig!“. Wir spielen keine Rolle als großer Antwortengeber, sondern sind eher in der Funktion desjenigen, der immer Diskussionen anzettelt. „

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Sachregister Abduktion 87 action readiness 34 action tendency 35 Adaption 62, 63, 66, 178 Affekt 32, 38, 39 affektiv 35, 67 affektiv neutral 67 Affektlogik 33, 250 AGIL-Paradigma 62, 68, 73 Akteur 14, 32, 43, 56, 60, 67, 74, 77, 79, 81, 83, 84, 85, 86, 93, 94, 104, 112, 115, 124, 125, 133, 168, 177, 178, 179, 185, 199, 201, 202, 206, 210, 228, 229, 230, 231, 236, 246 akulturell 31, 38 Akzeptabilität 220 Allokation 158 Ambivalenzen 69 Analogie 56 Analyseinstrument 64 Anapher 205, 206 anhaltinische Landtagsabschiede 111 anomisch 43 Anpassung 60, 62, 63, 66, 115 appraisal 34 Arbeitshypothesen 86, 93, 206, 207 Architektur 72, 74, 190, 203, 213 Archiv 140, 143, 191, 203, 212 Arts Council of Great Britain 183 Askription 67 Aufgabenkonglomerat 73 Ausgabenkategorie 144 Auslandsschulwesen 172 Austauschprozess 61, 67, 68 auswärtige Kulturpolitik 107, 133, 137, 155, 170, 171, 177, 203, 209, 213, 245, 257 Authentizität 97, 98 Autonomie 110 Axiom 71

Beamtenrecht 214 Beauftragte(r) der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) 14, 17, 19, 75, 84, 85, 104, 120, 122, 126, 128, 130, 133, 134, 135, 137, 139, 140, 145, 146, 148, 157, 161, 165, 166, 167, 168, 189, 193, 200, 203, 207, 210, 213, 214, 225, 227, 235, 236, 239 Begleitforschung 80 Begriffsbildung 23, 25, 26 Begriffsexplikation 58 Berufsausbildung 74 Besteuerung ausländischer Künstler 167, 203, 212 Bewertungsanalyse 96 Bewertungsforschung 80 Beziehungsgeflecht 24 Beziehungsmuster 68 Bildende Kunst 142, 143, 183, 190, 203, 213 Bildungspolitik 116, 132 Bildungssektor 127 Biosphäre 60 Blaubuch 163, 222, 247, 255 BLK-Konzept 139 Buchpreisbindung 121, 126, 167, 203, 212, 246 Budget 19, 21, 78, 144, 146, 161, 176, 177, 189 Bundesarchivgesetz 203, 212 Bundesebene 19, 20, 75, 76, 77, 79, 81, 86, 104, 124, 128, 179, 180, 193, 194, 235, 259 Bundeshoheit 122 Bundeskanzleramt 21, 78, 79, 98, 133, 179, 207, 239, 250, 255 Bundeskulturpolitik 20, 21, 85, 120, 121, 152, 162, 165, 193, 224, 230,

262

Sachregister

231, 232, 236, 237, 245, 247, 249, 254, 257 Bund-Länder-Beziehung 84, 85, 104 Bund-Länder-Kommission (BLK) 17, 139 bürgerschaftliches Engagement 104, 125, 167, 203, 213, 236, 254 Büro für politische Studien 111 CDU 17, 176, 240, 241 Codierparadigma 94, 95 CSU 17 cultus 28 Darstellende Kunst 190 Datenanalyse 17, 77 Definition 24, 26, 28, 30, 32, 33, 44, 46, 47, 48, 58, 89, 90, 96, 100, 114 Demokratisierung 116, 119, 187 Denkmalpflege 140, 143, 145, 182, 183, 203, 211, 212, 213 Deutsche Bibliothek 140, 143, 150, 151, 203, 212 Deutsche Welle 131 Deutscher Städtetages 113 Deutschland-Fernsehen GmbH 106 Deutschland-Portal 222 Dialektik 42, 196, 252 Differenzierung 39, 45, 58, 63, 65, 69, 77, 82, 94, 202 diffus 67 Disziplinierung 48 Dokumentarfilme 158, 160, 227 Drift 52 Dualismus 43, 52, 53, 254 Dynamik 24, 25, 28, 29, 59, 65, 68, 69, 71, 104, 112, 123, 253, 259 Dysfunktionalität 48, 49, 57 eContent 191 Effizienz 22, 139, 195 Effizienzforschung 80 Einigungsvertrag 106, 109, 152 Ellipsen 205, 206 emotionale Intelligenz 35, 36, 251 Emotionen 32, 33, 34, 35, 36, 37, 38, 39, 42 empirische Kunstsoziologie 75, 258

Enkulturation 28, 29, 37 Entflechtungsdebatte 80, 104, 203, 212 Entscheidungsinstanzen 36 Entscheidungsträger 92, 199 Erfolgskontrolle 80 Esskultur 24, 70 ethnographische Methoden 87 eukulturell 31, 38 europäische Kulturpolitik 203, 213 Europäische Union 17, 47, 84, 85, 104, 121, 124, 131, 136, 186, 187, 188, 189, 190, 191, 232, 250 event coding 34 Evolutionsprozess 30, 37, 39, 48 Excel 101 Experteninterview 21, 78, 99 expressiv 62 extra-somatischer Zusammenhang 41 Festspiele 140, 141, 143, 154, 203, 212 Film 107, 114, 141, 143, 156, 157, 159, 183, 185, 203, 207, 213, 215, 221, 224, 226, 243 Filmförderanstalt (FFA) 17, 131, 156, 161, 242 Filmfördergesetz (FFG) 17, 203, 212 Filmförderung 129, 131, 135, 137, 141, 149, 155, 161, 192, 211, 222, 223, 226, 228, 239, 241, 242, 243 Filmwirtschaft 80, 133, 156, 162, 215, 228, 243 Flurbereinigungsabkommen 153 Föderalismus 105, 120, 121, 122, 123, 235, 251, 253, 260 Föderalismusdebatte 106 Förderrichtlinien 152, 157, 242 Förderung 14, 86, 108, 109, 110, 111, 115, 120, 122, 128, 129, 131, 140, 141, 142, 143, 148, 149, 150, 151, 153, 155, 156, 157, 158, 160, 162, 163, 164, 171, 172, 173, 174, 175, 176, 178, 180, 184, 186, 188, 190, 191, 203, 211, 213, 215, 221, 228, 241, 243 Forschungsdesign 21, 77 Forschungsstrategie 87

Sachregister Frequenzanalyse 96, 206, 208 Funktion 20, 25, 31, 43, 49, 53, 54, 56, 58, 59, 63, 64, 77, 78, 97, 204, 216, 231, 233, 247 Funktionalität 24, 30, 48, 54, 57, 66, 69, 231 Funktionsanalyse 21, 78, 99 Funktionsfähigkeit 62 Funktionssystem 55 Gegenwartsdiagnose 104 GEMA 17, 182 General Theory of Action 57 Generalisierungsziele 79 Geschichtsbewusstsein 142, 143, 145, 203, 212, 236 Geschlossenheit 56 Gesellschaft Sozialwissenschaftlicher Infrastruktureinrichtungen e.V. (GESIS) 17, 100 Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten mbH (GVL) 17, 182 Gesellschaftssysteme 55 Gesellschaftswissenschaft 57 gesellschaftswissenschaftlich 24 Gleichschaltungspolitik 105 Globalisierung 75, 80 Goal-Attainment 62 grammatische Methode 91 Grounded Theory 87, 88, 90, 93, 202, 249, 259 Grundfunktion 20, 61, 62, 63, 64, 65, 66, 71, 73, 79, 105 Grundgesetz 17, 106, 107, 110, 121, 152, 153 Grundversorgung 54, 103 Gütekriterien 21, 79, 88, 92, 95, 97, 258 Halo-Effekt 207, 224 Handlungsfeld 23, 195, 252 Handlungskompetenz 74 Handlungssystem 20, 24, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 64, 65, 66, 68, 69, 71, 73 Handlungstypus 43 Handlungswelt 60

263

Hermeneutik 87, 90, 256 Hochkultur 70, 179 Hochschulpolitik 127 Hochwasser-Soforthilfe 221 Homepage 136, 155, 160, 188, 191, 200, 222, 250 Idealfaktoren 53 idealtypisch 55 Imagepflege 172 Imitation 30, 31, 38 induktiv 89 Industriegesellschaft 116 Informationsgehalt 14, 204, 205, 206, 207, 217, 218, 219, 221, 222, 223, 225, 226, 227, 228, 231 Informativität 206, 220, 229 inhaltliche Dimension 83 Inhaltsanalyse 83, 87, 88, 89, 95, 96, 100, 101, 199, 201, 202, 203, 207, 231, 234, 251, 254 innerer Kontext 82 Instabilität 56 Institution 23, 54, 64, 74, 80, 84, 85, 86, 104, 121, 125, 131, 139, 163, 173, 181, 182, 183, 184, 185, 187 instrumentell 62 Integration 57, 62, 63, 66, 149, 170, 182, 185, 186, 196, 203, 213, 241, 250 Intensitätsanalyse 96, 206, 228, 229 Intention 24, 30, 112, 118, 120, 181, 225, 229, 231 Interaktionssystem 55 internationale Abkommen 203, 213 internationale kulturelle Aufgaben 141, 143, 203, 213, 224 interne Rahmendaten 82 Internet 23, 131, 223, 231, 237 intersubjektive Nachvollziehbarkeit 98 Intertextualität 220 Interviewverfahren 90 Isolat 40 Karoshi 42, 252, 254 Kataphern 205, 206 Kategorienbildung 89, 98

264

Sachregister

Kategorienschema 69, 89, 92, 199, 202, 211, 223 Kirchen- und Religionsgemeinschaften 143, 145 Kirch-Media AG 169 Koalitionsvertrag 130, 255 Kognition 33 Kohärenz 205 Kohäsion 205 Kollektiv 48, 57, 68, 72 kollektivorientiert 67 komparative Verfahren 91 Kompensationen 69, 91 Kompetenzaufteilung 69, 103, 105 Komplement-Politik 103, 105, 152 Konkordatsurteil 106, 152 Konstrukt 28, 48, 55 konsumatorisch 62 Konsument 76 Kontingenzanalyse 96, 206, 220 Kontrolle 64, 77, 79 Konversationsanalysen 87 Kreativität 52 kritische Diskursanalysen 87 Kultur 2000 189, 190 Kultur in den neuen Ländern 14, 136, 142, 162, 163, 165, 203, 211, 212, 213, 243 Kulturangebot 117 Kulturarbeit 115, 119, 229 Kulturbegriff 23, 30, 46, 50, 103, 111, 118, 127, 249, 251, 254 Kulturdialog 74, 172 Kulturdifferenzen 80 Kulturelement 44, 49 kulturelle Integration 203, 213 kulturelle Leuchttürme 163, 255 kulturelle Prägung 43 kulturelle Tradition 179 Kulturevent 164, 244 Kulturförderpraxis 21 Kulturförderung 86, 99, 120, 124, 133, 136, 137, 142, 149, 151, 154, 155, 180, 182, 183, 184, 185, 189, 190, 207, 215, 221, 228, 231, 233, 236, 253, 259 Kulturforschung 21, 51, 54, 117, 192, 237 Kulturgeschichte 74, 190

Kulturgut 29, 106, 128, 140, 143, 145, 148, 203, 211, 212, 213 Kulturhoheit 20, 105, 106, 110, 121, 214, 251, 254 Kulturindustrie 80, 85, 196, 198, 237 Kulturleistung 32, 37, 38 Kulturmanagement 85, 86, 196, 249, 252, 253, 256, 259 Kulturmanager 85, 196, 198 Kulturmarkt 85, 182, 185, 195, 196, 197, 198 Kulturminister 174, 181, 217 Kulturmuster 50 Kulturobjektivationen 54 Kulturökonomik 85, 86 Kulturpflege 113, 114, 115, 117, 123, 138, 139, 164, 242, 244 Kulturpflegestätten 113, 114 Kulturpolitiker 20, 21, 79, 122, 195, 198, 230 kulturpolitische Konzepte 20, 178, 225 kulturpolitische Praxis 20, 76, 77, 78, 81, 84, 95, 103, 104, 118, 120, 143, 181, 259 Kulturpolizei 111 Kulturrestauration 113, 164, 242, 244 Kulturrezipienten 228, 229, 234 Kultursektor 120, 154, 237, 258 Kultursponsoring 203, 212 Kulturstatistik 17, 78, 138, 139, 167, 235, 251, 254, 255, 256, 257, 258, 260 Kulturstiftungen 126, 140, 143, 145, 148, 203, 211, 213, 246 Kultursysteme 60, 69 Kulturvertrag 125, 249 Kulturwandel 51, 69, 249 Kulturwissenschaft 24, 26, 39, 42, 50, 253, 254 Kunst 23, 27, 28, 29, 49, 61, 72, 74, 76, 107, 109, 110, 111, 115, 119, 124, 129, 131, 139, 140, 142, 143, 148, 149, 152, 155, 171, 172, 179, 180, 183, 190, 191, 194, 196, 197, 203, 211, 213, 250, 253, 256, 259 Kunstförderung 152, 179, 185, 203, 213 Kunstfreiheit 130

Sachregister Künstlerprojekte 203, 213 Künstlersozialversicherungsrecht 203, 212 Kunstrichtertum 110 Kunstrichterverbot 154 Kunstsoziologie 76, 258 Kunstwerk 149, 197 Kürzungen 147, 151 Landesarbeitsgemeinschaft Soziokultur (LAGS) 17, 126 Latency 62, 64, 66 latente Strukturerhaltung 20, 61, 73 Lebenskultur 70 Lebenswelt 47, 54, 60 Legislaturperiode 86, 201, 257 Lehren 30, 31, 38 Leistung 67, 90, 96, 168 Leitfaden für Nachforschungen 203, 212 Leitkultur 119, 253, 260 Leitvorstellung 54 Lernen 30, 31, 38 Lexikon 27, 41, 254, 256 Literaturanalyse 78 Loveparade 27 Macht 67, 68, 70, 198, 208, 235, 247, 254 Management 35, 256 Mandelkern 35, 36 Massengeschmack 115 MAXQDA 17, 99, 101, 200 Mäzene 111 Medien 21, 30, 75, 77, 78, 80, 98, 105, 120, 128, 131, 133, 136, 142, 143, 145, 146, 147, 161, 166, 168, 169, 172, 177, 180, 188, 199, 207, 219, 226, 227, 229, 232, 239, 245, 250, 251, 252, 253 Medien- und Kommunikationsordnung 131 Medienkontrolle 169 Medienordnung 167, 203, 212, 256 Medienpolitik 130, 131, 133, 137, 168, 169, 170, 192, 203, 209, 212, 213, 225, 245, 254, 256 Mehrebene 69, 70, 71

265

Meinungspluralismus 105, 106 member check 97 Membership-Categorization-DeviceAnalyse 87 Methodenmix 21, 76, 234 Methodenwahl 92 Mikro-Ebene 67, 79 Milieu 24, 186 Ministerialdirektor 21, 78, 79, 145, 239 Modellierung 36, 54, 56 Multimediaanlagen 164 Museum 110, 112, 138, 139, 140, 141, 142, 143, 180, 183, 203, 212 Musik 7, 29, 61, 74, 105, 141, 143, 150, 185, 190, 203, 213, 215, 250, 253, 258 Mythen 74 National Endowment for the Arts 184 National Endowment for the Humanities 184 Natur 20, 25, 27, 28, 30, 40, 41, 42, 43, 48, 50, 71, 73, 104, 250, 254 Neudefinition 29 neue Kulturpolitik 116, 118, 119, 120, 256, 258 neue Medien 203, 212 Neuorientierung 75, 79, 80, 112, 117, 120, 125, 127, 135, 179, 192, 240, 252 Neutralitätsprinzip 110 Normenerhaltung 61 objektive Hermeneutik 87, 88, 90, 91, 93, 256, 259 Objektivität 97, 98, 199, 200 Offenheit 56 Ökonomisierung 85 Open-Source-Produkte 131 Operationalisierung 20, 24, 25, 26, 27, 73, 74, 81, 154, 192, 204 Organisationsmodi 60 Organismus 39, 40, 56, 60, 71 Orientierungsmuster 66 Orientierungsvariable 66 Oszillationen 69

266

Sachregister

partikularistisch 67 Partizipation 14, 51, 118, 124, 162, 163, 165, 179, 195, 202, 204, 207, 215, 216, 217 patrii 28 pattern variables 66, 68 Pazifisierung 48 Persönlichkeiten 60, 157, 202 Persönlichkeitsstrukturen 48 Phänomen 23, 26, 29, 30, 33, 39, 41, 50, 55, 72, 80, 90, 94, 95, 122, 170, 197, 220 Phonetik 41 phylogenetisch 30 Physiognomie 50 Plan-Analyse 81 Pluralität 105, 110 Politikanalyse 19, 20, 21, 81, 99, 255 Politikforschung 257 Popularmusik 86, 182, 250 positive Rückkoppelung 56 Potentiale 79 Pragmatik 88, 95 Pragmatizismus 87 Präzisierung 89 Pressemitteilung 14, 21, 78, 86, 87, 90, 195, 199, 200, 201, 202, 203, 205, 207, 208, 209, 217, 218, 220, 221, 222, 223, 228, 229, 230, 231, 256 Primärbedürfnisse 33, 39 Prinzips des Utilitarismus 25 Produkt 27, 29, 38, 83, 169 Produktion 27, 52, 53, 197, 234, 236 Produktionskosten 85 Produzent 76 Programme for International Student Assessment (PISA) 17, 127, 249 Programmevaluation 81 protokulturell 31, 38 psychische Systeme 55 psychological changes 34 Psychologie 40, 41, 42 Psychosomatik 42 qualitative Datenanalyse 17 qualitative und quantitative Inhaltsanalyse 87

qualitative-heuristische Textanalyse 87 Qualitätskontrolle 80 Rahmenprogramm der Europäischen Gemeinschaft für FTE 191 Rationalität 53 Raum-, Regional- und Stadtplanung 23 Realfaktoren 53 Rechtsrahmen für Informations- & Kommunikationstechnologie 203, 212 Referenzförderung 131 Reformmaßnahmen 19 Rekurrenzen 205, 206 Reliabilität 79, 92, 97, 99, 199, 200 Religion 28, 70 Repräsentation 74, 75, 80, 132, 148, 149, 153, 180, 182, 185, 204, 208, 214, 216, 217, 233, 253 Ressource 26, 63, 77, 85, 104, 135, 171, 187, 193, 223, 224, 236, 239 Restrukturierung 66 Reziprozität 26, 37 Richtlinie 20, 113, 128, 152, 155, 157, 158, 187, 256 Ringvorlesungen 23 Riten 30, 74 Rollenverhalten 104 Rückgabe 203, 213 Rundfunk 106, 107, 138, 183, 203, 212 Rundfunkurteil 106 SAKUSDAT 17, 139 Schulbildung 74 Screenshot 101 Sekundäranalyse 78, 100 Selbsterhaltung 39, 44 selbstorientiert 67 Selbstverwirklichung 51 Semiotik 87, 95 Sensibilisierung 21, 237 Sicherung von Kulturgut 140, 143, 145, 203, 211, 212, 213 Sinnbedeutung 26, 27 Sinnempfindung 39

Sachregister Sinnerfassung 27 Sitten 64 Situationalität 220 SKA-Konzept 138, 139 Software 100, 101, 131 Solidarität 51, 231 somatic experience 35 somatischer Zusammenhang 41 Sozialanthropologie 20, 23, 64, 73, 182, 250, 252, 253 sozialanthropologischer Ansatz 20, 64, 73 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 18, 75, 80, 130, 176, 240, 241, 255 soziale Systeme 61, 65 Sozialforschung 18, 77, 87, 92, 100, 250, 253, 259 sozialintegrative Intentionen 181 Sozialisation 28, 29, 37, 66 sozialstrukturelle Elemente 75 Sozialwissenschaft 23, 26, 54, 75, 81, 247 Soziokultur 17, 116, 118, 126 Soziologie 25, 29, 50, 51, 54, 62, 71, 182, 249, 250, 251, 252, 253, 254, 256, 258 soziologische Forschung 20, 76 soziologische Politikanalyse 19, 81 Spendenrecht 203, 212 spezifisch 31, 37, 67, 73 spezifische Daten 82 Spielfilm 158, 160 Sprache 26, 27, 28, 39, 61, 64, 91, 128, 141, 143, 171, 172, 173, 176, 203, 213, 214, 233 Sprachformat 41 Sprachverhalten 41 staatlich-kommunale Abgrenzung 17, 138 Staatsminister 207, 210, 214, 219, 227, 230, 233, 249, 253, 255, 260 Staatssekretär 180 Stabilität 49, 56, 73 Stabilitätsproblem 92 Stadtentwicklung 116 Standardisierung 77, 79

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Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements 104, 125, 203, 213, 236 Statistical Package for the Social Sciences (SPSS) 18, 100, 101 Statistisches Bundesamt 137 Stiftungsrecht 129, 167, 203, 212, 254 Streitkultur 24 Struktur 20, 21, 50, 56, 58, 59, 62, 64, 77, 78, 81, 82, 83, 87, 91, 93, 98, 99, 103, 122, 125, 156, 172, 176, 178, 182, 192, 199, 200, 201, 210, 234, 235, 237 Strukturanalyse 20, 78, 79, 80, 81, 84, 86, 88, 93, 99, 104, 178, 185, 234 Strukturdaten 78, 82, 83, 84, 234 strukturell-funktionale Theorie 57 Strukturerhaltung 57, 62, 64, 66, 73, 74, 105, 231 struktur-funktionale Analyse 75 Strukturproblem 92, 96 Stuttgarter Richtlinien 113 Subjektivität 99 Subjektivitätsproblem 92 Subsidiaritätsprinzip 120, 125, 152, 189 Subsystem 54, 58, 61, 63, 64, 66, 67, 73, 118 Sucht 43 Symbolat 40, 41, 42, 44, 73, 74 Symbole 31, 39, 41, 43, 44, 50, 73, 168, 236 Symbolismus 31, 38 SYMLOG 87 Symposien 23, 194 Syntaktik 41, 95 Synthese 23, 76, 85 System 44, 54, 55, 57, 59, 61, 62, 63, 64, 67, 69, 71, 72, 76, 77, 103, 105, 119, 121, 162, 168, 178, 183, 184, 186, 187, 197, 198, 202, 214, 224, 229, 234, 236, 243, 251, 255, 257 Systematik 69, 88 Systemsegmente 58 systemstabilisierend 62 systemtheoretisch 44, 49, 54, 68, 73, 112 Systemtheorie 49, 55, 56

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Sachregister

Tauschprozesse 68 Teilkategorie 203, 204 telischer Bereich 60 Textanalyse 78, 86, 87, 92, 95, 249, 252, 259 Texteinheit 92 Textinterpretation 91 Theater 114, 138, 139, 190, 203, 213, 247 theoriegebundene Analyse 81 Tiefenhermeneutik 87 Tiefenstruktur 64 transparent 56, 85, 223 Transparenz 21, 56, 74, 85, 99, 104, 193, 205, 218, 223, 235 Triangulation 97, 98 Trivialkultur 70 Typisierung 74 Typologie 55, 205 Ultrastabilität 43 UNESCO 18, 79, 80, 131, 187, 259 UNIDROIT 18, 131 universalistisch 67 Unkultur 46, 47, 48, 105 Unterhaltung 74, 174 Untersuchungsanlage 104 Untersuchungsdimension 84 unzivilisiert 46 Urheberrecht 107, 126, 131, 166, 246 Urhebervertragsrecht 166, 203, 212 Valenzanalyse 96, 206, 228 Validierung 97, 234 Validität 97, 98, 199 Verfassungsfolklore 104, 121, 254 Vergesellschaftungsprozesse 54 Verhaltenssicherheit 24 Verhaltenssysteme 60 Verständigungsbedürfnis 39

Vorstellungskraft 41 Wahrnehmung 33, 34, 41, 43, 70, 153, 191 Weltkultur 69, 70 Wert 14, 29, 51, 53, 58, 64, 111, 113, 115, 140, 143, 144, 146, 147, 151, 173, 201 Wertbegriff 50 Werteausbau 52 Wertewandel 52 Wertidee 50 Wertmuster 44 Wesen 39, 43, 50, 71, 153 Wiedervereinigung 104, 120, 123, 162, 245 Wirkungskontrolle 80 Wissenstransfer 43, 74 Wissensüberlieferung 44 Wissensübermittlung 20, 31, 39, 64 Wissensübertragung 39, 49 Workshops 23 Zeitfaktoren 85 zeitliche Dimension 83 Zensur 107, 169 Zentralarchiv für Empirische Sozialforschung (ZA) 18, 100 Zentralismus 121, 122, 125, 254 Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) 18 Zielerreichung 52, 62, 63, 193, 234 Zielvektoren 20, 79, 84, 85, 104, 127, 185 Zivilisation 45, 46, 47, 48, 250, 252, 253 Zivilisationsprozess 45, 47, 48 zivilisiert 47