Die Kulturhoheit des Bundes: Eine Untersuchung zum Kompetenz- und Organisationsrecht des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der Staatspraxis in der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.] 9783428467105, 9783428067107

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Die Kulturhoheit des Bundes: Eine Untersuchung zum Kompetenz- und Organisationsrecht des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der Staatspraxis in der Bundesrepublik Deutschland [1 ed.]
 9783428467105, 9783428067107

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht

Band 3

Die Kulturhoheit des Bundes Eine Untersuchung zum Kompetenz- und Organisationsrecht des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der Staatspraxis in der Bundesrepublik Deutschland

Von

Thomas Köstlin

Duncker & Humblot · Berlin

THOMAS KÖSTLIN

Die Kulturhoheit des Bundes

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht lIerausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin lIeckel, Ferdinand Kirchhof lIans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner sämtlich in Tübingen

Band 3

Die Kulturhoheit des Bundes Eine Untersuchung zum Kompetenz- und Organisationsrecht des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der Staatspraxis in der Bundesrepublik Deutschland

Von Dr. jur. Thomas Köstlin M. A. (Fleteher School / Tufts Univ.)

DUßcker & Humblot . Berliß

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Köstlin, Thomas:

Die Kulturhoheit des Bundes: eine Untersuchung zum Kompetenz- und Organisationsrecht des Grundgesetzes unter Berücksichtigung der Staatspraxis in der Bundesrepublik Deutschland / von Thomas Köstlin. - Berlin: Duncker u. Humblot, 1989 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht; Bd. 3) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1988 ISBN 3-428-06710-X NE:GT

D 21

Alle Rechte vorbehalten © 1989 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-0671O-X

Vorwort Der Anstoß für diese Arbeit war ein Gutachten über die Errichtung des Deutschen Historischen Museums, das ich während meiner Referendarzeit 1985 der F.D.P.-Fraktion im Abgeordnetenhaus Berlin erstattete und in erweiterter Form im Deutschen Verwaltungsblatt 1986, S. 219ff. veröffentlichte. Eine umfassendere Beschäftigung mit der Kulturpolitik des Bundes war die beinahe zwingende Konsequenz. Die Arbeit wurde im August 1988 abgeschlossen und lag der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen im Wintersemester 1988/89 als Dissertation vor. Bis März 1989 veröffentlichte Rechtsprechung und Literatur wurden soweit sinnvoll noch berücksichtigt. Mein besonderer Dank für die Anregung zu dieser Arbeit gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Wolfgang Graf Vitzthum. Er hat mir den nötigen Freiraum gelassen, die Arbeit zu konzipieren, die grundlegenden Ideen zu entwickeln und auszuarbeiten. Für sein wohlwollend und so zügig erstelltes Zweitgutachten danke ich Professor Thomas Oppermann. Zu danken habe ich auch den zahlreichen Gesprächspartnern aus der praktischen Kulturpolitik, die mir über ihre Erfahrungen berichteten und dabei wichtige Hintergrundinformationen lieferten. Zu nennen sind insbesondere Dr. v. Köckritz (Bundesministerium des Innern), Dr. Brümmer (Auswärtiges Amt), Dr. Hofmann (Stiftung Preußischer Kulturbesitz) und Herr Schumacher (Goethe Institut). Fast alle in der Arbeit genannten Institutionen stellten mir außerdem großzügig Informationsmaterial über ihre Arbeit zur Verfügung. Zu danken ist schließlich meinen Doktorandenkollegen Dr. Ulrich Maidowski und Christoph Wagner in Berlin, die die Entstehung der Arbeit laufend mit Kritik und Anregungen begleiteten, sowie den Berliner Freunden, die das nötige Umfeld für eine solche Arbeit bildeten. Das Buch ist meinen Eltern gewidmet. München, im März 1989

Thomas Köstlin

Inhaltsübersicht Einleitung Kulturhoheit des Bundes Ein Phänomen zwischen Staatspraxis und Grundgesetz

Teil A Die Kompetenzen des Bundes zur Kulturpflege

Kapitell Verfassungsrechtliche Grundlagen kulturpolitischer Kompetenzen des Bundes

24

§ 1 Die umfassende Geltung der Kompetenzordnung im Kultursektor - Das Er-

fordernis eines kulturpolitischen Kompetenztitels zugunsten des Bundes ..

§ 2 Ausdrückliche Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

...........

§ 3 Die Problematik stillschweigender Bundeskompetenzen im Kultursektor

24 34 38

Kapitel 2 Handhabung der Kompetenzen des Bundes zur Kulturpflege in der Staatspraxis

62

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik ....

62

§ 5 Innerstaatliche Kulturpolitik

75

§ 6 Ergebnis

113

Teil B Organisationsrecht und Organisationspraxis der Bundeskulturpflege

Abschnitt 1 KulturpDege allein durch den Bund

Kapitel 3 Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Organisation der Bundeskulturverwaltung § 7 Die Verteilung der Organisationsgewalt auf Exekutive und Legislative im

Rahmen der Bundeskulturverwaltung

116

. . . . . . . . . . . . . . . .. 117

Inhaltsübersicht

8

§ 8 Die Anforderungen des Grundgesetzes an die äußere Form und die interne

Gestaltung der Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 Kapitel 4

Die Organisation der Bundeskulturverwaltung in der Staatspraxis § 9 Kulturpflege unmittelbar durch die Bundesministerien

159 159

§ 10 Kulturpflege durch bundesunmittelbare juristische Personen nach Art. 87

Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171

§ 11 Kulturpflege durch privatrechtlich organisierte Bundesverwaltung

...... 179

§ 12 Kulturpflege durch Bundessubventionen

189

Abschnitt 2 Kulturpflege des Bundes in Kooperation mit den Ländern Kapitel 5

Verfassungsrechtliche Vorgaben an eine Bund-Länder Kooperation zur Kulturpflege

208

§ 13 Die allgemeinen Vorgaben des Grundgesetzes an eine Bund-Länder Ko-

operation zur Kulturpflege

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

§ 14 Sonderregelungen des Grundgesetzes für Einzelfälle kulturpolitischer Bund-

Länder Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222 Kapitel 6

Die Staatspraxis der Bund-Länder Kooperation zur Kulturpflege § 15 Die gemeinsame Hochschulbauförderung nach Art. 91 a GG

230 230

§ 16 Die gemeinsame Bildungsplanung und Forschungsförderung nach Art. 91 b

GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237

§ 17 Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Art. 135 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . 248 § 18 Sonstige Bund-Länder Kooperation zur Kulturpflege

254

Zusammenfassende und abschließende Bemerkungen

268

Literaturverzeichnis

271

Stichwortverzeichnis

287

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Kulturhoheit des Bundes Ein Phänomen zwischen Staatspraxis und Grundgesetz

17

Teil A

Die Kompetenzen des Bundes zur Kulturpßege Kapitell Verfassungsrechtliche Grundlagen kulturpolitischer Kompetenzen des Bundes

24

§ I Die umfassende Geltung der Kompetenzordnung im Kultursektor - Das Er-

fordernis eines kulturpolitischen Kompetenztitels zugunsten des Bundes .. I. Kompetenzfreie Bereiche? - Die Reichweite des Art. 30 GG

24

.....

25

11. Kulturpolitische Doppelkompetenz von Bund und Ländern? - Die kompetenzrechtliche Qualifikation kultureller Tätigkeiten .......

30

111. Kulturpolitische Kompetenz aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip oder dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens? . . . . . . . . . . . ..

32

IV. Ergebnis

33

§ 2 Ausdrückliche Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

34

I. Gesetzgebungskompetenzen

34

11. Verwaltungskompetenzen .

36

111. Finanzierungskompetenzen

37

§ 3 Die Problematik stillschweigender Bundeskompetenzen im Kultursektor ..

38

I. Sachzusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

11. Annexkompetenz 111. Natur der Sache 1. Der bisherige Diskussionsstand - Positionen in Rechtsprechung,

Literatur und Staatspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

42 44 44

Inhaltsverzeichnis

10

2. Untaugliche Begründungen für Kompetenzen kraft der Natur der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

a) Bundeskompetenz wegen "Unmöglichkeit einer Länderregelung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

b) Kompetenz für nationale oder gesamtstaatliche Repräsentation

48

c) Kompetenz wegen "eindeutiger Überregionalität", insbesondere die Zuständigkeit für "zentrale Einrichtungen", "gesamtdeutsche oder internationale Aufgaben" . . . . . . . . . . . . . .

51

3. Taugliche Begründungen für Kompetenzen kraft Natur der Sache

55

.......................

56

b) Kompetenz mangels Anknüpfungspunkt im Inland . . . . . . ..

a) Kompetenz kraft Analogie

57

c) Gemeinsame Bestimmung der Kompetenzen kraft Natur der Sache durch Bund und Länder ...... . . . . . . . . . . . . . ..

58

61

IV. Ergebnis

Kapitel 2 Handhabung der Kompetenzen des Bundes zur Kulturpflege in der Staatspraxis § 4 Auswärtige Kulturpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I. Kulturabkommen und das Lindauer Abkommen

62 62 63

11. Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik . . . . . . . . . . .

67

111. Auslandsschulen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

IV. Auslandsrundfunk ...

72

§ 5 Innerstaatliche Kulturpolitik

I. Kulturstiftungen

11. Forschung

75 75

......................................

77

1. Forschungsförderung nach 91 b GG ... . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

2. Ressortforschung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

80

3. Sonstige Forschung

81

4. Wissenschaftsrat

83

III. Bibliotheken und Archive . . . . . . . . . . . . . . .

84

IV. Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

1. Museumsförderung über Art. 91 b GG . . . . . . . . . . . . . . . . . .

87

2. Förderung privater Museen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

3. "Bundesmuseen" . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

V. Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung

95

Inhaltsverzeichnis VI. Denkmalschutz .

11 97

VII. Förderung von Kunst, Sprache, Musik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

99

1. Fördereinrichtungen für Bildende Künstler und Schriftsteller

100

2. Förderung Darstellender Kunst (Festspiele und Orchester)

101

3. Eigener Erwerb von Kunst

104

4. Soziale Sicherung für Künstler ..... .

106

5. Förderung zentraler Organisationen und Verbände von Künstlern 107 VIII. Filmförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 109 IX. Vertriebene

112 113

§ 6 Ergebnis

Teil B Organisationsrecht und Organisationspraxis der Bundeskulturpflege

Abschnitt 1 Kulturpflege allein durch den Bund

Kapitel 3 Verfassungsrechtliche Vorgaben an die Organisation der Bundeskulturverwaltung

116

§ 7 Die Verteilung der Organisationsgewalt auf Exekutive und Legislative im

Rahmen der Bundeskulturverwaltung

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

I. Die der Legislative vorbehaltenen organisatorischen Maßnahmen . .. 118 H. Der der Exekutive verbleibende Bereich originärer Organisationsentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Ergebnis

128

§ 8 Die Anforderungen des Grundgesetzes an die äußere Form und die interne

Gestaltung der Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 I. Vorgaben der Art. 86ff. GG - die Organisationsform der Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Formenwahlfreiheit im Rahmen stillschweigend zugelassener Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 130 2. Zulässigkeit privatrechtlicher Organisationsformen im Rahmen Auswärtiger Kulturpolitik nach Art. 87 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 131 3. Zulässigkeit bundesunmittelbarer Stiftungen des öffentlichen Rechts im Rahmen des Art. 87 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Inhaltsverzeichnis

12

11. Vorgaben des Prinzips repräsentativer Demokratie - das Erfordernis demokratischer Kontrolle der Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . 134 l. Das Gebot eines Minimums an demokratischer Kontrolle über die Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

2. Das Gebot der Weisungsabhängigkeit innerhalb der nicht-ausgegliederten Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 111. Vorgaben der bundesstaatlichen Kompetenzordnung - die Beteiligung der Länder an der Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . .. 136 l. Der "Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung" 137

2. Die Konsequenzen des "Grundsatzes eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung" für die Organisation der Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 IV. Vorgaben des Art. 5 GG - die Wahrung grundrechtlicher Freiheiten durch die Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 l. Die nach Art. 5 GG zulässige Reichweite von Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

a) Funktionsverantwortung - Die Pflicht des Bundes zur Kulturförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 b) Funktionshilfe - Die grundrechtliche Grenze freiwilliger Kulturförderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. Kulturförderung in staatlichen Einrichtungen ~ Art. 5 GG als Organisationsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 a) Die Ableitung organisatorischer Leitlinien als Art. 5 GG 149 b) Die bei der Organisation staatlicher Kultureinrichtungen zu beachtenden grundrechtlichen Interessen . . . . . . . . . . . . . 151 V. Ergebnis

157 Kapitel 4

Die Organisation der Bundeskulturverwaltung in der Staatspraxis § 9 Kulturpflege unmittelbar durch die Bundesministerien

159 159

I. Die Relevanz der allgemeinen Organisationsgrundsätze für den Aufbau der Bundesministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159

11. Die traditionelle Organisation der Bundesministerien und der Aufbau der Kulturabteilungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Die kulturpolitischen Beiräte bei den Ministerien . . . . . . . . . . . . . 163 IV. Kulturpflege durch teilweise verselbständigte Dienststellen der Bundesministerien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . .. 165 l. Die Weisungsabhängigkeit der Dienststellen . . . . . . . . . . . . . . 167

2. Grundrechtliche Anforderungen an die Organisation der Dienststellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168

Inhaltsverzeichnis 3. Gesetzesvorbehalt und Dienststellen ..... .

13

169

§ 10 Kulturpflege durch bundesunmittelbare juristische Personen nach Art. 87

Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Die Relevanz der allgemeinen Organisationsgrundsätze für die Gestaltung bundesunmittelbarer juristischer Personen - Die organisationsrechtlichen Funktionen des Art. 87 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . 171 II. Grundrechtliche Anforderungen an die Organisation bundesunmittelbarer juristischer Personen nach Art. 87 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . 172 1. Die Bundesrundfunkanstalten und die Anforderungen der Rund-

funkfreiheit

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

a) Die Geltung des Art. 5 Abs.l Satz 2 GG für Auslandssendungen 173 b) Die Organisation des Deutschlandfunks . . . . . . . . . . . . . .. 174 2. Die Filmförderungsanstalt und die Anforderungen der Kunstfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 176 3. Forschungs- und Gedenkstiftungen und die Anforderungen der Wissenschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 § 11 Kulturpflege durch privatrechtlich organisierte Bundesverwaltung ...... 179

I. Die Abgrenzung privatrechtlich organisierter Bundeskulturverwaltung 179 II. Demokratische Legitimation und Kontrolle der privatrechtlich organisierten Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Gesetzesvorbehalt und privatrechtlich organisierte Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 IV. Der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung und die Beteiligung der Länder an der privatrechtlich organisierten Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Grundrechtliche Anforderungen an die privatrechtlich organisierte Bundeskulturverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 § 12 Kulturpflege durch Bundessubventionen

1. Systematik der Bundeskultursubventionen 11. Gesetzesvorbehalt und Bundeskultursubventionen .....

189 189 194

1. Die allgemeine Problematik des Gesetzesvorbehaltes im Subven-

tionswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194

2. Die Beeinträchtigung abgelehnter Bewerber - Der Gesetzesvorbehalt für die Auswahlentscheidung bei Subventionen . . . . . . .. 196 3. Die Beeinträchtigung der Subventionsempfänger - Der Gesetzesvorbehalt für Nebenbestimmungen zu Subventionen . . . . . . . . . 198 4. Die Beeinträchtigung des Konkurrenten - Gesetzesvorbehalt bei Veränderungen des Wettbewerbs im Kulturbereich 199 5. Ergebnis

.............................

201

Inhaltsverzeichnis

14

III. Grundrechtliche Schranken für die Ausgestaltung des Subventionsverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Die Festlegung des Subventionszwecks . . . . . . . . . . . . . . . . .. 202

2. Lenkung und Kontrolle durch Nebenbestimmungen

. . . . . . . . . 203

3. Gremienbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 IV. Der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung und die gemeinsame Subventionierung von Kulturinstitutionen durch Bund und Länder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

Abschnitt 2 KulturpDege des Bundes in Kooperation mit den Ländern

Kapitel 5

Verfassungsrechtliche Vorgaben an eine Bund-Länder Kooperation zur Kulturpflege § 13 Die allgemeinen Vorgaben des Grundgesetzes an eine Bund-Länder Ko-

operation zur Kulturpflege

............................

208 210

I. Gleichzeitige Kompetenz von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . 210

II. Der Gesetzesvorbehalt für kulturpolitische Bund-Länder Kooperation 211 1. Die allgemeine Reichweite des Gesetzesvorbehalts für kulturpoliti-

sche Bund-Länder Kooperation

. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211

2. Der Gesetzesvorbehalt für kulturelle Gemeinschaftseinrichtungen 212 3. Der Gesetzesvorbehalt für kulturpolitische Finanzabkommen ... 214

III. Der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung und die Organisation kulturpolitischer Bund-Länder Kooperation ....... 215 1. Allgemeine Erfordernisse des Grundsatzes eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung für kulturpolitische Bund-Länder Kooperation 215 2. Konsequenzen für konkrete organisatorische Lösungen im Rahmen der kulturpolitischen Bund-Länder Kooperation . . . . . . . . . . . 218

a) Die Entscheidungsfindung im Rahmen kulturpolitischer BundLänder Kooperation - Einstimmigkeits- oder Mehrheitsprinzip 218 b) Die Aufsicht über kulturpolitische Bund-Länder Kooperation 220 c) Die Finanzierung kulturpolitischer Bund-Länder Kooperation 220 IV. Ergebnis § 14 Sonderregelungen des Grundgesetzes für Einzelfälle kulturpolitischer Bund-

Länder Kooperation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Art. 91 a GG

221 222 222

Inhaltsverzeichnis

15

1. Abweichungen von den allgemeinen Regeln zum Gesetzesvorbehalt 222 2. Abweichungen vorn Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 ....................... .

224

1. Keine Abweichung vorn Vorbehalt des Gesetzes

224

11. Art. 91 b GG

2. Keine Geltung des Grundsatzes eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . 226 III. Art. 135 Abs. 4 GG

228 Kapitel 6

Die Staatspraxis der Bund-Länder Kooperation zur Kulturpflege

230

§ 15 Die gemeinsame Hochschulbauförderung nach Art. 91 a GG

230

I. Die Ziele der Hochschulbauförderung . . . . . . . . . .

231

11. Das Verfahren der gemeinsamen Hochschulbauförderung nach dem Hochschulbauförderungsgesetz . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . .. 233 111. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

236

§ 16 Die gemeinsame Bildungsplanung und Forschungsförderung nach Art. 91 b

GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 I. Die Bildungsplanung nach Art. 91 b GG .

11. Die gemeinsame Forschungsförderung nach Art. 91 b GG 1. Gesetzesvorbehalt und gemeihsame Forschungsförderung

239 241 243

2. Die Mitwirkung von Bund und Ländern in den geförderten Einrichtungen - Grundrechtliche Schranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 § 17 Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz - Art. 135 Abs. 4 GG . . . . . . . . . . 248

I. Rechtsgrundlagen und Aufgaben

11. Die kooperative Verwaltungsorganisation der Stiftung

248 250

111. Grundrechtliche Anforderungen an die Organisation der Stiftung Preußischer Kulturbesitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 § 18 Sonstige Bund-Länder Kooperation zur Kulturpflege

I. Privatrechtliche kulturelle Gemeinschaftseinrichtungen ....

1. Errichtung, Aufgaben und Gesetzesvorbehalt

254 255 255

2. Der Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung und die Organisation privatrechtlicher Gemeinschaftseinrichtungen des Kultursektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 11. "Öffentlich-rechtliche" kulturelle Gemeinschaftseinrichtungen

1. Errichtung, Aufgaben und Gesetzesvorbehalt

259 259

16

Inhaltsverzeichnis 2. Der Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung und die interne Organisation öffentlich-rechtlicher Gemeinschaftseinrichtungen des Kultursektors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 IH. Beteiligung des Bundes an Kultureinrichtungen der Länder 1. Errichtung, Aufgaben und Gesetzesvorbehalt

262 262

2. Der Grundsatz der eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung und die Beteiligung des Bundes an Kultureinrichtungen der Länder 264 IV. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Zusammenfassende und abschließende Bemerkungen

268

Literaturverzeichnis

271

Stichwortverzeichnis

287

Einleitung

Kulturhoheit des Bundes Ein Phänomen zwischen Staatspraxis und Grundgesetz Kulturhoheit des Bundes? - Jeder deutsche Verfassungsrechtler wird bei diesem Ausdruck stutzen, scheint er doch der landläufigen Meinung zu widersprechen, daß das Grundgesetz die Kulturhoheit den Ländern übertragen habei, ja daß gerade die Zuständigkeit in kulturellen Angelegenheiten die Eigenständigkeit der Länder ausmache 2 . In der Tendenz sind solche Aussagen sicherlich zutreffend; tatsächlich vermitteln sie aber nur ein stark vergröbertes Bild der Verfassungslage. Der Begriff "Kulturhoheit" selber wird an keiner Stelle des Grundgesetzes erwähnt. Es ist kein Rechtsbegriff, an den sich irgendeine Rechtsfolge, schon gar keine Kompetenzzuweisung knüpft. "Kulturhoheit" ist lediglich ein in der politischen Praxis gebräuchlicher "Sammelbegriff" für verschiedene Befugnisse, die dem Staat im kulturellen Bereich zufallen 3 . Diese kulturpolitischen Befugnisse hat das Grundgesetz ebensowenig allein den Ländern wie allein dem Bund übertragen. Die Länder verfügen zwar nach der Verfassung über den größten Teil kulturpolitischer Kompetenzen, daneben sind aber auch dem Bund wichtige kulturstaatliche 4 Funktionen 1 So haben die Kultusminister der Länder schon in ihrer Entschließung vom 18. Oktober 1949 behauptet, "daß das Bonner Grundgesetz die Kulturhoheit der Länder innerhalb der Bundesrepublik Deutschland staatsrechtlich anerkennt" [abgedruckt in: Handbuch KMK 1984/85, S. 114]. 2 BVerfG E 6, 309 (354); 12, 205 (229); Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 552; Häberle, Kulturverfassungsrecht, S. 55ff.; Hufen in: Probleme des Föderalismus, S. 199

m.w.N.

3 v. Mangoldt-Klein, GG, Vor Art. 70, Anm. VII, S. 138lf.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 556 Fußn. 19,596; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 73, Rz. 20. 4 Es herrscht heute Einmütigkeit, daß die Bundesrepublik nach dem Grundgesetz ein Kulturstaat ist, d. h. von Verfassungs wegen einen Kulturauftrag zu erfüllen hat [Statt aller: BVerfG E 10, 20 (36f.)]. Die positivrechtliche Herleitung eines entsprechenden "Kulturauftrags" ist allerdings schwierig: Keinesfalls reicht es aus, sich nur auf Art. 5 GG zu stützen [Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (13fO]. Art. 5 GG schützt nur bestimmte Freiheitsbereiche (Meinung, Presse, Rundfunk, Wissenschaft und Kunst), die bei weitem nicht alle kulturellen Tätigkeiten ausschöpfen. Man denke nur an die Förderung von Religion und Bildung. Auch das Bundesverfassungsgericht betont immer nur die Wertentscheidung der Verfassung zugunsten der "Freien Wissenschaft" [E 35, 79 (114)], oder der "Freiheit der Kunst" [E 36, 321 (331)], und spricht nirgends von einem allgemeinen "Kulturauftrag" des Staates. Insofern scheint es geboten, mindestens weitere Grundrechte (Art. 4, 5 und 7 GG), besser noch einzelne kulturelle Kompetenztitel (Art. 74 Nr. 5 und 13, 75 Nr. 1a und 2,

2 Köstlin

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eingeräumt, man denke etwa an die Zuständigkeiten für die Auswärtige (Kultur-)Politik (Art. 32,73 Nr. 1,87 Abs. 1 GG) oder die Gemeinschaftsaufgaben Hochschulbau und Forschungsförderung (Art. 91 a und b GG). Im Bundesstaat des Grundgesetzes ist die Kulturhoheit also kein ausschließliches Hausgut der Länder; sie ist vielmehr - wenn auch ungleichmäßig - auf Bund und Länder verteiIt5. Neben der Kulturhoheit der Länder gibt es auch eine Kulturhoheit des Bundes. Die folgende Untersuchung möchte diese Kulturhoheit des Bundes näher ausloten 6 . Eine rechtliche und politische Bestandsaufnahme ist heute, 40 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes, überfällig7 . Anknüpfend an manche Praxis während des Kaiserreiches und der Weimarer Republik hat die Bundesregierung seit 1949 immer wieder einzelne Kultureinrichtungen von herausragender Bedeutung finanziell unterstützt8 • In den ersten Jahren blieb dies meist unauffällig. Nur bei den Großprojekten Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Deutschland Fernseh GmbH kam es zum offenen Konflikt mit den Ländern. Die Bundesregierung hielt sich ansonsten regelmäßig bedeckt; die Kanzler 91 a Abs. 1 Nr. 1,91 b GG) hinzuziehen. Aber selbst dann läßt sich noch bezweifeln, ob sich dies alles zu einem umfassenden Kulturauftrag des Gemeinwesens addieren läßt [Steiner, VVDStRL 42 (1984) 7 (16); Grimm, ebenda S. 46 (63f.). Die Literatur versucht deshalb noch zusätzliche Argumente außerhalb des Grundgesetzes zu finden. So stützt sich Knies, Schranken, S. 213, auf die Landesverfassungen, Häberle, Kulturstaat, S. 20ff.,36f., auf anthropologische Gesichtspunkte, oder E. R. Huber, Problematik, S. 4ff. und ähnlich Badura, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 42 (1984), 104 (105), auf einen "wesensmäßigen Zusammenhang" von Staat und Kultur. Am überzeugendsten erscheint mir insofern die staatstheoretische und -historische Herleitung von Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46 (64f.). Er versteht die verschiedenen positivrechtlichen Normen im Grundgesetz als Endpunkte einer historischen Entwicklung des kulturfördernden Staates, dem zwar aufgrund dieser Entwicklung ein umfassender Kulturauftrag zukommt, in dessen Verfassung aber nur einzelne Kulturaufträge Eingang finden, deren Realisierung wiederum von der Erfüllung des Gesamtauftrags abhängt [Kritisch: Wahl, AöR 112 (1987), 26 (49)]. Insofern mag die Einfügung einer Kulturstaatsklausel ins Grundgesetz als Bestätigung der allgemeinen Rechtsauffassung sinnvoll erscheinen [Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen, Rz. 169ff.; Grimm, VVStRL 42 (1984), 46 (67); Oppermann§z in: FS Bachof, S. 4 (14ff.). Skeptisch: Steiner, VVDStRL 42 (1984),7 (38ff.)]. Zum ganzen neuerdings: Stern, StaatsR III, § 68 VII 3b, S. 884ff. 5 v. Mangoldt-Klein, GG, Vor Art. 70, Anm. VII, S. 138lff.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 556ff., 596; v. Münch, VVDStRL 31 (1971),51 (78f.); Sachverständigenkommission Staatszielbestimmungen, Rz. 175. 6 Die Alternative, über eine Verfassungsänderung dem Bund weitergehende kulturpolitische Möglichkeiten zu vermitteln, ist bei realistischer Betrachtung so unwahrscheinlich, daß sie hier gar nicht weiter erörtert werden soll. 7 Die bisherigen Untersuchungen sind zum großen Teil veraltet und meist nur von beschränktem Umfang. Neben den knapp 30 Seiten bei Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 576ff., sind hier - in chronologischer Reihenfolge - zu erwähnen: Peters, FS Kaufmann, S. 281ff.; Wenke, FS Nawiasky, S. 269ff.; Köttgen, Kulturpflege; Thieme, Kulturordnung; v. Mangoldt-Klein, GG, Vor Art. 70, Anm. VII, S. 138lff.; Theilen, Bund; Maunz, FS G. Müller, S. 257ff.; Hufen, BayVb11985, S. Iff.; ders. in: Probleme des Föderalismus, S. 199ff. 8 Ausführlich: Abelein, Kulturpolitik, S. 40ff.; 65ff.; 93ff.; 137ff.

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sprachen in ihren Reden allenfalls das kompetenzrechtlich sichere Terrain der Auswärtigen Kulturpolitik an9 • Mit Beginn der siebziger Jahre änderte sich das. Seit der Finanzverfassungsreform verfügte der Bund über neue wichtige Kompetenzen im Hochschulbau, der Bildungsplanung und der Forschungsförderung. Immer mehr geriet damit die innerstaatliche Kulturpolitik in den Aufgabenkreis des Bundes. Deutlich wurde das in der Regierungserklärung von Willy Brandt am 18. Januar 1973. Zum ersten Mal erläuterte hier ein Bundeskanzler detailliert seine Vorstellungen über Fragen der innerstaatlichen Kultur-, Bildungs- und Medienpolitik lO • Seither tauchen allgemeine Erläuterungen zur Kulturpolitik immer häufiger in Regierungserklärungen auf1 1; diese sind geradezu ein Forum für wichtige kulturpolitische Initiativen des Bundes geworden. So sprachen sich Willy Brandt und Helmut Schmidt nachdrücklich für die Gründung einer Deutschen Nationalstiftung aus 12 , Helmut Kohl gab den Anstoß zum Haus der Geschichte in Bonn, dem Deutschen Historischen Museum in Berlin und jüngst zu einer deutschen Kultureinrichtung in Prag 13 . Auch der Bundestag hat die Bedeutung der Bundeskulturpolitik erkannt: So wurde 1970 eine Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik einberufen 14 , deren Bericht (1975) ausführlich im Plenum und in den Ausschüssen diskutiert wurde 15 . In der zehnten Wahlperiode hat sich der Bundestag dann intensiv mit der innerstaatlichen Kulturpolitik auseinandergesetzt. Auf drei Große Anfragen 16 und mehrere Beschlußempfehiungen 17 kam es 1984 und 1986 zu den ersten großen Bundestagsdebatten über die innerstaatliche Kulturpolitik 18 . Am Ende stand die Aufforderung an die Bundesregierung, ihre kulturpolitischen Anstrengungen fortzusetzen, besonders aber ihre Aktivitäten in der sozial- und steuerpolitischen Künstlerförderung und der internationalen kulturellen Zusammenarbeit zu verstärken 19 . 9 Vgl. die Reden von Adenauer, Erhard und Brandt in: v. Beyme (Hrsg.), Regierungserklärungen, S. 125 (143), 153 (173),191 (227),251 (275). 10 Bulletin der Bundesregierung v. 19. Jan. 1973, Abgedruckt bei v. Beyme (Hrsg.), Regierungserklärungen, S. 283ff. 11 Vgl. besonders die Regierungserklärungen von Bundeskanzler Kohl v. 4. Mai 1983 (BT PIPr 10/4, S. 63 f, 67, 73f.), v. 18. März 1987 (BT PIPr 11/4, S. 61, 64f., 66) sowie v. 4. Feb. 1988 (BT PIPr 11/58), S. 3986ff.). 12 V. Beyme (Hrsg.), Regierungserklärungen, S. 283 (304), 341 (374). 13 Vgl. BT PIPr 10/4 S. 73f., 11/58, S. 3987f. 14 Schlußbericht: BT Drucks. 7/4121. 15 BT PIPr 7/239, v. 7. Mai 1976, S. 16720ff. Die Beratungen sind schließlich 1982 im Auswärtigen Ausschuß stecken geblieben. Vgl. Link in: Jäger-Link, Republik, S. 412. 16 BT Drucks. 10/382, 10/785, 10/4518. Die Antworten der Bundesregierung finden sich in den BT Drucks. 10/2236, 10/2237, 10/5833. Am 1. August 1988 hat die Fraktion der GRÜNEN außerdem eine Große Anfrage zur Behandlung der NS-Kunst an die Bundesregierung gerichtet, Der Tagesspiegel Nr. 13 026, S. 4. 17 10/2262, 10/2279, 10/2280, 10/5099, 10/5394, 10/6268, 10/5836. 18 BT PIPr 10/99, S. 7174 -7216; 10/253, S. 19644 -19674. 19 PIPr 10/253, S. 19674. Einzelheiten in BT Drucks. 10/5836.

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Deutlicher als alle Worte von Politikern bezeugen jedoch die bloßen Zahlen des Haushalts das wachsende kulturpolitische Engagement des Bundes in der Kulturpolitik 20 : So stiegen zwischen 1978 und 1988 die Ausgaben für die Auswärtige Kulturpolitik von rd. 1.435 Mio. DM auf rd. 2.491 Mio. DM, die Ausgaben zur Förderung von Kunst und Kultur innerhalb der Bundesrepublik von rd. 240 Mio. DM auf rd. 430 Mio. DM und die Zuschüsse und Zuwendungen des Bundesministeriums für Forschung und Technologie von 3.339 Mio. DM auf 5.952 Mio. DM21. Dies entspricht jeweils einer durchschnittlichen Steigerungsrate zwischen 5,7 und 6 % pro Jahr und liegt damit deutlich höher als die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des gesamten Bundeshaushalts von 3,9%22 - eine Entwicklung, die gerade angesichts der allgemeinen Sparmaßnahmen der öffentlichen Hand in den letzten Jahren besonders erstaunlich ist. Den Ländern sind die Bundesaktivitäten nicht verborgen geblieben. Seit Jahren klagen sie über eine "wachsende Aushöhlung" ihrer Zuständigkeit für die Kunst- und Kulturpflege 23 . Das Bundesverfassungsgericht riefen sie jedoch nur in zwei Fällen an, einmal erfolglos gegen die Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz24 , ein andermal erfolgreich gegen die Errichtung der Deutschland Fernseh-GmbH25. Auch die Deutsche Nationalstiftung 20 Ein Vergleich mit den Kulturausgaben der Länder und Gemeinden fällt deshalb schwer, weil die Statistiken in Bund, Ländern und Gemeinden nicht nach den gleichen Kriterien erstellt werden [Vgl. zu dieser Problematik: Deutscher Kulturrat, Bericht, S. 11]. Soweit sich in Literatur oder Medien entsprechende Vergleiche finden, sind sie eher widersprüchlich: Weihnacht [Schlagwort Kulturpolitik, in: Staatslexikon der Görres-Gesellschaft Sp. 767]listet für 1984 - unter Berufung auf die KMK - 85 Mill. DM Bundesausgaben (1,7%), 2106 Mill. DM Landesausgaben (40,9%) und 2956 Mill. DM Gemeindeausgaben (57,4%) für Kunst und Kulturpflege (Nettoausgaben). Dagegen geht das Bundesinnenministerium von derzeit etwa acht Milliarden DM Kulturausgaben der öffentlichen Hand aus. Davon tragen nach Angaben des BMI die Gemeinden mit 4,3 Milliarden DM die Hauptlast, gefolgt von den Ländern mit 3,2 Milliarden und dem Bund mit immer noch 0,5 Milliarden [Frankfurter Allgemmeiner Zeitung vom 5. Sept. 1987]. Der Bund würde danach immerhin 6% aller Kulturausgaben tragen. Bei gen au er Prüfung der Zahlen fällt auf, daß beim Bund offensichtlich nur ein Teil der Ausgaben für kulturelle Aufgaben innerhalb Deutschlands in den 0,5 Milliarden erfaßt sein können, nämlich weitgehend die Ausgaben, die auch im Kulturhaushalt des BMI auftauchen; die Bundesausgaben für Auswärtige Kulturpolitik und Wissenschaft in Milliardenhöhe sind nicht berücksichtigt. 21 Diese Zahlen und die folgenden Steigerungsraten beruhen auf der Entwicklung der Kulturhaushalte des Bundes in den Anhängen zu den Einzelhaushalten des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums des Innern, sowie auf dem Einzelplan des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in den Jahren 1978 bis 1988. 22 Nicht in diesem Trend liegen die Zuschüsse und Zuwendungen des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft. Sie sind zwischen 1978 und 1988 von rd, 2. 307 Mio. DM auf rd. 1. 137 DM und damit im Durchschnitt um 4,6% pro Jahr gefallen. 23 So die Erklärung der Kultusministerkonferenz zur "Zuständigkeit der Länder für überregionale Angelegenheiten im Kunst- und Kulturbereich" vom 17. / 18. Nov. 1977, abgedruckt in: HandbUch KMK 1984/85, S. 136. 24 BVerfG E 10, 20. 25 BVerfG E 12, 205.

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schien lange am Widerstand der Länder zu scheitern. Erst 15 Jahre nach der Initiative von Bundeskanzler Brandt konnte sie 1988 als Kulturstiftung der Länder ihre Arbeit aufnehmen. Die Gründung der Kulturstiftung hat aber auch die Kontroverse zwischen Bund und Ländern wieder verschärft26 . Anläßlich der Unterzeichnung der Errichtungsabkommen haben die Länder dem Bund noch einmal vehement das Recht abgestritten, außerhalb der Kulturstiftung eigene kulturpolitische Maßnahmen von überregionaler oder internationaler Bedeutung zu ergreifen. Der Bundeskanzler hat sich deshalb bereiterklärt, mit den Regierungschefs der Länder über die Kompetenzproblematik bei den kulturellen Staatsaufgaben ein ausführliches Gespräch zu fÜhren 27 . Tatsächlich liegt hier das entscheidende Problem der Kulturhoheit des Bundes: Wie läßt sich die expansive Tendenz der Bundeskulturpolitik mit den vermeintlich so engen Vorgaben des Grundgesetzes vereinbaren? Die vorliegende Untersuchung will insofern nicht nur die verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Kulturhoheit des Bundes erläutern, sondern vor allem auch die kulturpolitische Staatspraxis auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen. Ausgangspunkt kann dabei nicht irgendein mehr oder weniger weiter Kulturbegriff sein. Jeder abstrakte Definitionsversuch 28 von Kultur müßte sich nicht nur den Vorwurf der Beliebigkeit gefallen lassen; er liefe vor allem Gefahr, den spezifischen Gehalt der Bundeskulturpolitik zu verfehlen. Der politischen Praxis wird man nur gerecht, wenn man sich an dem Kulturbegriff orientiert, den der Bund selber seiner Politik zugrunde legt. Nun werden sich weder Bundesregierung noch Bundestag je an den eher akademischen Versuch wagen, einen eigenen Kulturbegriff abstrakt zu definieren. Die Suche nach einem "bundeseigenen" Kulturbegriff ist trotzdem nicht vergeblich. Im Bundeshaushalt werden nämlich alljährlich zwei Aufstellungen über die "Ausgaben des Bundes auf dem Gebiet der Auswärtigen Kulturpolitik"29 und die "Ausgaben des Bundes zur Förderung von Kunst und Kultur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland"3o veröffentlicht. Diese 26 Vgl. zum folgenden den Beschluß der Ministerpräsidentenkonferenz vom 21. bis 23. Oktober 1987, abgedruckt in: Deutscher Kulturrat, Bericht, Dok. 3. 27 Dieses Gespräch war zunächst für Ende 1988 vorgesehen. Die Länder arbeiteten im Rahmen der Kultusministerkonferenz eine erste verhältnismäßig scharfe Stellungnahme aus. Die Linie wurde allerdings bei den weiteren Beratungen als so hart empfunden, das weitere Abstimmungen nötig wurden. Insofern wurde das Gespräch verschoben. Zur Zeit der Drucklegung dieser Arbeit (März/April 1989) ist noch kein neuer Gesprächstermin in Sicht. 28 Zu den verschiedenen Definitionsversuchen von "Kultur" vgl. statt aller: Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 6ff.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (8ff.); Rassem, Schlagwort: Kultur, in: Staatslexikon der Görres Gesellschaft, Sp. 746ff.; SchneemeIeher, Schlagwort: Kultur, in: Ev. Staatslexikon, Sp. 1911 ff. 29 Im Anhang zum Einzelhaushalt des Auswärtigen Amtes. Dieser Kulturhaushalt besteht aus zwei Teilen: "Ausgaben der Auswärtigen Kulturpolitik laut Zweckbestimmung" und "Ausgaben in anderen Bereichen mit kulturpolitischer Wirkung". 30 Im Anhang zum Einzelhaushalt des Bundesministeriums des Innern.

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beiden "Kulturhaushalte" liefern die erste Orientierung über den Umfang der Kulturpolitik des Bundes; im wesentlichen handelt es sich um Maßnahmen im Bereich von Kunst, Wissenschaft und Bildung. Allerdings weisen beide Aufstellungen offensichtliche Lücken auf. So fehlen alle kulturpolitischen Maßnahmen des Bundes, die sich nicht unmittelbar in Einnahmen oder Ausgaben niederschlagen. Zu denken ist etwa an die Gesetzgebung im Urheber- oder Künstlersozialversicherungsrecht, aber auch an steuerrechtliche Maßnahmen, die die Bundesregierung als Teil ihrer Kulturpolitik versteht 3!. Außerdem sind Maßnahmen der wissenschaftlichen Forschung nur zum Teil aufgelistet, ohne daß ein Grund für die Auslassungen erkennbar wäre. So werden beispielsweise die Zuschüsse an die wissenschaftlichen Museen oder an das ÜberseeInstitut Hamburg vollständig, die an die Max-Planck Gesellschaft oder die Deutsche Forschungsgemeinschaft nur zum Teil aufgeführt. Andere vergleichbare Einrichtungen der gemeinsamen Forschungsförderung nach Art. 91 b GG fehlen gänzlich. Unter diesen Umständen geht die Untersuchung zwar grundsätzlich von den beiden Kulturhaushalten des Bundes aus, ergänzt diese aber in Einzelfällen, soweit dies zur Abrundung des Gesamtbildes notwendig erscheint32 • Ausgehend von diesem pragmatischen Kulturbegriff unterscheidet die vorliegende Arbeit grundsätzlich zwischen Kompetenzen und Organisation der Bundeskulturpolitik. Während das Kompetenzrecht die Frage nach dem zulässigen Gegenstand der Bundeskulturpolitik stellt, fragt das Organisationsrecht danach, in welcher Form, mit welchen Mitteln und welchem Instrumentarium der Bund Kulturpolitik betreiben kann 33 • 31 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf zwei Große Anfragen der SPD sowie der CDU/CSU und FDP, 19f., 31ff.; Mehr Raum für Kultur, S. 39ff. 32 Soweit im kompetenzrechtlichen Teil A der Untersuchung einzelne Maßnahmen des Bundes erwähnt und überprüft werden, die nicht vollständig in den beiden Kulturhaushalten aufgelistet sind, wurden sie mit einem * markiert. Ausgelassen wurde wegen der Besonderheiten des Staatskirchenrechts [Ebenso: Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 35ff.]- die Förderung der Kirchen oder sonstiger Religionsgemeinschaften (z. B. des Katholikentages, des Evangelischen Kirchentages, des Zentralrats des Juden, der Hochschule für Jüdische Studien Heidelberg oder des Internationalen Rats der Christen und Juden). Vgl. zum Verhältnis Bundesstaat-Kirchen: Scheuner in: HdbStKirchR I, S. 45f.; Hollerbach, ebenda, S. 263ff.; Obermayer in: BK-GG, Art. 140, Rz. 99f." die dem Bund allerdings verhältnismäßig großzügig Kompetenzen kraft "Überregionalität" zubilligen. Zur Problematik solcher Kompetenzen: Kap. 1 § 3 III 2c. 33 Das Grundgesetz trennt nicht scharf zwischen diesen Problemkreisen, sondern behandelt Kompetenz- und Organisationsrecht in denselben Normen, insbesondere in den Art. 86ff. GG. Das hat in der Vergangenheit immer wieder einzelne Autoren verleitet, organisationsrechtliche Problemlösungen von der Antwort auf die Kompetenzfrage abhängig zu machen [Ausdrücklich: Dittmann, Bundesverwaltung, S. 103f. Ähnliche Fälle bei: Stern, StaatsR 11, § 41 VII, 7b, S. 83lf.; Ehlers, Verwaltung, S. 154; Loeser, Bundesverwaltung, S. 112f.]. Tatsächlich ist es aber notwendig, beide Probleme zu trennen: Die Kompetenzfrage läßt sich - sieht man von der Trennung in Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, und Finanzierungskompetenzen ab -auch ohne einen

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In einem kompetenzrechtlichen Teil A wird dementsprechend zunächst geklärt, welche kulturpolitischen Maßnahmen der Bund von der Sache her überhaupt aufgreifen darf. Welche Kompetenztitel des Grundgesetzes erlauben dem Bund Aktivitäten im Bereich von Kunst, Wissenschaft und Bildung? In welchen Fällen und wie stark greift der Bund auf kulturpolitische Aufgabenbereiche über, die nach der Verfassung den Ländern vorbehalten sind? Der darauffolgende Teil B ist gänzlich der Organisation der Bundeskulturpolitik gewidmet. In der Staatspraxis lassen sich dabei zwei Bereiche unterschei. den: Auf der einen Seite stehen die Maßnahmen, die der Bund im wesentlichen allein, d. h. ohne Mitwirkung der Länder oder Gemeinden trifft. Im ersten Abschnitt des Teils B steht dementsprechend die Organisation der (alleinigen) Bundeskulturverwaltung im Mittelpunkt. Zu untersuchen sind hier die kulturpolitischen Funktionen der Bonner Ministerien, der Einsatz verselbständigter öffentlich- oder privatrechtlicher Verwaltungsträger in der Kulturpolitik und die Vergabe von kulturpolitischen Bundessubventionen. Auf der anderen Seite kooperiert der Bund jedoch in vielen Fällen mit den Ländern; hier ist Bundeskulturpolitik Teil einer gemeinsamen gesamtstaatlichen Kulturpolitik. Diese kulturpolitische Zusammenarbeit steht im Mittelpunkt des zweiten Abschnitts von Teil B. Neben den speziellen kulturpolitischen Kooperationsvorschriften der Art. 91 a, 91 bund 135 Abs. 4 GG sind hier vor allem die allgemeinen Vorgaben des Grundgesetzes für die kulturpolitische Zusammenarbeit von Bund und Ländern und ihre Umsetzung in der Staatspraxis zu erläutern. Insgesamt umspannt die Untersuchung somit drei ungefähr gleichgewichtige Problemfelder der Bundeskulturpolitik: Kompetenzen, Bundesverwaltung und Kooperation. Die Untersuchung geht jeden dieser drei Fragenkomplexe von zwei verschiedenen Seiten her an. Zunächst werden jeweils die verfassungsdogmatischen Grundlagen geklärt (Kap. 1, 3, 5). Aus dem Grundgesetz wird somit der kompetenzielle und organisatorische Spielraum entwickelt, der dem Bund für seine kulturpolitischen Maßnahmen zur Verfügung steht. Danach wird jeweils derselbe Fragenkomplex ein zweites Mal von der Staatspraxis her aufgerollt (Kap. 2, 4, 6). Die konkreten kulturpolitischen Aktivitäten des Bundes werden systematisiert und an den zuvor gewonnenen verfassungsrechtlichen Maßstäben überprüft. Im Ergebnis erweist sich die Kulturhoheit des Bundes dabei als ein politisches Phänomen, dessen grundsätzliche Zulässigkeit sich zwar nicht bestreiten läßt, dessen Gestaltung in der Staatspraxis aber immer wieder zu rechtlichen und politischen Zweifeln Anlaß gibt. Blick auf das Handlungsinstrumentarium des Bundes lösen. Die Frage nach der zulässigen Organisation einer Bundeskulturpolitik lohnt erst, wenn man zuvor eine entsprechende Kompetenz des Bundes anerkannt hat. Ist diese aber einmal bejaht, kann es für die organisationsrechtliche Prüfung keine Rolle mehr spielen, ob die Kompetenzfrage zuvor umstritten war. Ebenso: Stern, StaatsR II, § 41 VII 3c, 7, S. 818, 829f.; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. k87 Rz. 25; Lerche, ebenda, Art. 83 Rz. 42; J. lpsen, Staatsorganisationsrecht, S. 192.

Teil A

Die Kompetenzen des Bundes zur Kulturpflege Kapitell Verfassungsrechtliche Grundlagen kulturpolitischer Kompetenzen des Bundes

Auf den ersten Blick scheint die Kompetenzordnung des Grundgesetzes wenig Raum für die Kulturhoheit des Bundes zu lassen. Der deutschen Verfassungstradition folgend hat der Parlamentarische Rat die kulturellen Staatsaufgaben fast ausschließlich den Ländern vorbehalten; der Bund erhielt nur einzelne, eng begrenzte Kompetenzen für kulturelle Fragen. An dieser grundsätzlichen Gewichtsverteilung änderten auch spätere Verfassungsänderungen wenig. Kulturellen Aktivitäten des Bundes sind damit klare Grenzen gesetzt; ohne Verfassungsänderung kann der Bund diesen Rahmen nicht nach freiem Belieben verändern oder gar verlassen. Als Teil der umfassenden Aufgabenund Machtverteilung zwischen Bund und Ländern ist die Kompetenzordnung des Grundgesetzes grundsätzlich lückenlos. Für jede seiner kulturellen Maßnahmen bedarf der Bund deshalb eines speziellen kulturpolitischen Kompetenztitels; Möglichkeiten, sich von diesem Erfordernis freizuschreiben, gibt es nicht (dazu § l). Trotzdem erscheint bei genauer Betrachtung der Handlungsspielraum des Bundes im Kultursektor nicht so schmal, wie es die vielbeschworene "Kulturhoheit der Länder" vermuten läßt. Schon die wenigen ausdrücklichen Kompetenzen erlauben dem Bund eine substantielle Kulturpolitik, vor allem im Bereich der Auswärtigen Beziehungen und im Forschungssektor (dazu § 2). Daneben sind es aber vor allem stillschweigende Kompetenzen kraft "Annex" oder "Natur der Sache", die sich für einen Ausbau der Kulturpolitik des Bundes instrumentalisieren lassen (dazu § 3). § 1 Die umfassende Geltung der Kompetenzordnung im Kultursektor - Das Erfordernis eines kulturpolitischen Kompetenztitels zugunsten des Bundes

Bei der Verteilung kulturpolitischer Kompetenzen kennt das Grundgesetz keine eigenen Regeln; die Zuordnung einzelner Aufgaben aus Bildung, Medien, Wissenschaft und Kunst folgt dem Muster, das die Verfassung für alle

§ 1 Umfassende Geltung der Kompetenzordnung

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Politikbereiche in den Art. 70ff., 83ff., 92ff., 104aff.GG festgelegt hat: In Kompetenzkatalogen werden alle die Materien aufgezählt, derer sich der Bund annehmen darf; alle anderen Materien werden über eine Generalklausel in den Kompetenzbereich der Länder verwiesen. Diese "Auffangzuständigkeit" der Länder gilt nicht nur innerhalb der einzelnen Staatsfunktionen (Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung), sondern nach Art. 30 GG funktionenübergreifend für alle "staatlichen Aufgaben und Befugnisse". Damit ist einerseits gewährleistet, daß die sachlichen Zuständigkeiten lückenlos verteilt sind!; Bund und Länder sind umfassend an die Kompetenzordnung gebunden. Andererseits liegt hier eine Beweislastrege12: Der Bund muß für alle seine Aktivitäten den Nachweis erbringen, daß er über einen Kompetenz"Titel"3 zu seinen Gunsten verfügt 4 • Gerade im Kultursektor fällt dem Bund dieser Nachweis besonders schwer. Ausdrückliche Kompetenzen hat er nur wenige; stillschweigende Kompetenzen bleiben selten unbestritten. Dementsprechend häufig finden sich Überlegungen, wie man den Bund von dieser lästigen Fessel befreien könnte. Drei Wege bieten sich dazu an: Klassisch ist der Versuch, Art. 30 GG so eng auszulegen, daß verschiedene kulturelle Aktivitäten des Staates ganz aus der Kompetenzordung des Grundgesetzes herausfallen. Die Konstruktion solcher kompetenzfreien Bereiche soll dem Bund insbesondere den Ankauf von Kunst, aber auch die Errichtung privatrechtlicher Gesellschaften im Kultursektor erleichtern (dazu 1.). Daneben findet sich immer wieder die Überlegung, Doppelzuständigkeiten von Bund und Ländern im Kulturbereich zu begründen. Zwar wird die grundsätzliche Zuständigkeit der Länder in kulturellen Fragen nicht angezweifelt; im Kultursektor könne jedoch eine Zusatzförderung des Bundes nicht schaden (dazu 11.). Schließlich finden sich in neuester Zeit verschiedene Stimmen, die über das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder den Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens versuchen, dem Bund eine eigene Kulturpolitik zu erleichtern (dazu 111.). I. Kompetenzfreie Bereiche? - Die Reichweite des Art. 30 GG

a) Schon im Jahre 1950 startete Hans Peters den ersten Versuch, den Aktionsradius des Bundes im Kultursektor durch die Konstruktion eines 1 Rinck, FS G. Müller, S. 289 (290,298); Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 70 Rz. 30; Stern, StaatsR I, § 19 III 3a, S. 673; v. Münch in: ders., GGK, Art. 70 Rz. 15f.); Stettner, Grundfragen, S. 306. 2 Maunz, in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30 Rz. 2 (deutlicher die Erstbearbeitung: Rz. 1); Stern, StaatsR § 19 III 3a, S. 672; v. Münch in: ders., GGK I, Art. 70 Rz. 15f.; Stettner, Grundfragen, S. 318f. 3 Diese Terminologie stammt von Köttgen, JöR n. F. 11 (1962), 173 (203, 255, 289). 4 Der häufig in diesem Zusammenhang zu findende Begriff der "Zuständigkeitsvermutung" ist mißverständlich: v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 30 Anm. III 2a, S. 751 ff.; 70 Anm. III 2a, S. 1387ff.; Rinck, FS G. Müller, S. 289 (290ff.).

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Kap. I: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

"kompetenzfreien" Bereichs zu erweitern. Seiner Ansicht nach umfassen "staatliche Aufgaben und Befugnisse" im Sinne des Art. 30 GG nur die "obrigkeitliche" Verwaltung, d. h. das Handeln durch Befehle oder Gebote mittels Verwaltungsakten. Andernfalls sei es dem Bund unmöglich, Forschung für seine eigenen Gesetzgebungs- und Verwaltungs aufgaben (Ressortforschung) zu betreiben oder gesamtdeutsche kulturelle Aufgaben wahrzunehmens. Auch wenn diese Meinung letztlich Episode blieb, ist sie doch bezeichnend für die weitere Diskussion. Mit Blick auf bestimmte Tätigkeiten, zu denen der Staat notwendigerweise befähigt sein müsse, versucht man die Reichweite des Art. 30 GG einzuschränken. So findet sich in der Literatur bis heute überwiegend die Ansicht, daß der gesamte Bereich der sogenannten "fiskalischen" Tätigkeiten des Staates nicht zu den "staatlichen Aufgaben und Befugnissen" im Sinne des Art. 30 GG zähle 6 . Allerdings fehlt es bis heute an einer klaren Definition des Begriffs "fiskalische" Verwaltung. Untauglich ist jedenfalls der Versuch, fiskalische Verwaltung mit all den Tätigkeiten gleichzusetzen, die "jeder Bürger ... ausüben kann"7. Dies würde schon sämtliche privatrechtlichen Aktivitäten des Staates umfassen, ohne daß es noch auf ihren Inhalt ankäme. Das aber lehnt die ganz herrschende MeinungS unter Verweis auf eine entsprechende Passage im Fernsehurteil9 ab. Ansonsten gibt man sich damit zufrieden, Beispiele fiskalischen Handeins aufzuzählen, die nicht unter Art. 30 GG fallen sollen. Genannt werden zumeist die "gewinnorientierte Erwerbswirtschaft" und die "Hilfsgeschäfte zur Ausstattung der Verwaltung mit sachlichen Mitteln"lO. Aber auch diese bei den Beispiele vermögen nicht zu überzeugen. Auch der erwerbswirtschaftlich handelnde oder mittelbeschaffende Staat kann öffentliche Aufgaben erfüllen, indem er bestimmte Bereiche aus politischen, häufig am Gemeinwohl orientierten Motiven besonders fördert ll . Gerade der Kultursektor liefert hier Beispiele: So kann der Staat bei Ausstattung und Einrichtung seiner Verwaltungs gebäude , d. h. typischen Hilfsgeschäften, gezielt 5 Peters in: FS E. Kaufmann, S. 281 (294f.). Dagegen schon v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 30 Anm. III Ib, S. 750f. 6 v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 30, Anm. III Ib, S. 750f.; H. H. Klein, FG BVerfG 11, S. 277 (279); Gubelt in: v. Münch, GGK, Art. 30 Rz. 5; Broß, ebenda, Art. 83, Rz. 2. Vorsichtiger: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30, Rz. 4. 7 In dieser Richtung aber: Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 428f.; Gubelt in: v. Münch, GGK, Art. 30, Rz. 5; Faber, VerwR, § 1711 c, S. 140. 8 BVerfG E 12, 205 (244); Ossenbühl, VVDStRL 29 (1971),137 (166f.); Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 87; H. H. Klein, FG BVerfG 11, S. 277 (296); Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30, Rz. 4; Lerche, ebenda, Art. 83 Rz. 42; Ehlers, Verwaltung, S. 113f.; Broß in: v. Münch, GGK, Art. 83, Rz. 2. 9 Dazu gleich im Anschluß unter § 1 Ib. iO Kölble, DöV 1963, 660 (661); H. H. Klein, FG BVerfG 11, S. 277 (279); Gubelt in: v. Münch, GGK, Art. 30 Rz. 5. 11 Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30 Rz. 4.

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Kunstpolitik betreiben, indem er nur zeitgenössische Werke bestimmter Qualität kauft. Bei der Erwerbung ist nach außen nicht zu unterscheiden, ob er als "Sammler", "Mäzen" oder "Raumausstatter" auftritt 12 • Kurz: "Fiskalische Tätigkeiten" lassen sich keineswegs so eindeutig aus dem Bereich der "staatlichen Aufgaben" im Sinne des Art. 30 GG ausgliedern, wie die herrschende Meinung vorgibt. b) Das Bundesverfassungericht steht kompetenzfreien Räumen eher ablehnend gegenüber. In den vier bisher zu dieser Problematik ergangenen Entscheidungen hat es regelmäßig die fragliche Tätigkeit der grundgesetzlichen Kompetenzordnung unterstellt. Die weitestgehenden Aussagen finden sich im Fernsehurteil: "Es kann dahingestellt bleiben, ob die für die bundesstaatliehe Struktur unserer Verfassungsordnung grundlegende Vorschrift des Art. 30 GG jede staatliche Tätigkeit schlechthin erfaßt. Jedenfalls fällt unter diese Kompetenznorm diejenige Betätigung des Staates, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Mittel des öffentlichen oder des privaten Rechts verwendet werden. Eine andere Auslegung würde, zumal angesichts des zunehmenden Umfangs der nichteingreifenden Verwaltung, dem Sinn des Art. 30 GG nicht gerecht werden. Sie würde auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift widersprechen. "13 ... "Art. 30 GG gilt ... sowohl für die gesetzesakzessorische wie für die ,gesetzesfreie' Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Das ergibt sich zwingend aus dem Verhältnis von Art. 30 GG zum VIII.Abschnitt des Grundgesetzes (Art. 83 bis 91 GG) und daraus, daß dieser Abschnitt von der Bundesverwaltung auch insofern handelt, als sie gesetzesfreie Verwaltung ist. "14

Hier betont das Gericht zwar, daß der Inhalt einer "staatlichen" Tätigkeit ("öffentliche Aufgabe") über die Geltung der Kompetenzordnung entscheidet, nicht deren Form (privat- oder öffentlichrechtlich, gesetzesakzessorisch oder gesetzesfrei); darüberhinaus liefert es keine nähere Antwort auf die Frage, welcher Inhalt eine "staatliche Aufgabe" charakterisiert. Mit dem Ausdruck "öffentliche Aufgabe" hat das Gericht lediglich einen neuen Begriff in die Diskussion geworfen, der um keinen Grad präziser ist als die "staatlichen Aufgaben" des Art. 30 GG. Auch anhand der verschiedenen Entscheidungen zu Art. 30 GG läßt sich keine eindeutige Linie ausmachen 15 . Allenfalls läßt Ausführlicher dazu unten Kap. 2 § 5 VII 3. BVerfG E 12,205 (244). 14 BVerfG E 12,205 (246). . 15 So hat das Gericht im Zusammenhang mit kompetenzrechtlichen Fragen Volksbefragungen [E 8,104 (1I5f.)], den Rundfunk [E 12,205 (244ff.)], die Förderung der Jugendhilfe [E 22,180 (215ff.)] und die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung [E 44,125 (149); 63, 230 (243f.)] als öffentliche Aufgaben bezeichnet. Sonst gebraucht das Gericht den Terminus "öffentliche Aufgabe" vor allem im Zusammenhang mit Grundrechtsfragen. "Öffentliche Aufgabe" steht dabei für "Aufgabe im Interesse der Allgemeinheit" [ausdrücklich BVerfG E 61,82(103)] und dient dazu, den Individualschutz der Grundrechte einzuschränken. Die Grundrechte markieren dabei die Grenze zwischen erlaubtem und verbotenem "staatlichen Handeln". Darum geht es aber nicht bei 12

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sich von einer Tendenz sprechen, den Geltungsbereich des Art. 30 GG weit auszulegen und auf alle Aufgaben zu erstrecken, mit denen sich der Staat "in irgendeiner Form" befaßt 16 . c) Die eher ablehnende Haltung der Rechtsprechung trifft letztlich besser den Sinn und Zweck des Art. 30 GG. Anders als man angesichts der bisherigen Diskussion meinen könnte, geht es im Rahmen des Art. 30 GG nicht darum, zwischen "staatlichen" und "nicht-staatlichen" Tätigkeiten des Staates zu unterscheiden; Art. 30 GG hat vielmehr die Abgrenzung der Kompetenzund damit Machtbereiche von Bund und Ländern zum Gegenstand 17 • Er bildet das Fundament einer vertikalen Gewaltenteilung im Bundesstaat, das durch die speziellen Kompetenzkataloge des Grundgesetzes verfeinert wird 18 . Diese Machtverteilung erfüllt nur dann ihren Zweck, wenn sie abschließend ist 19 • Jede Lücke würde Bund und Ländern die Möglichkeit eröffnen, unter Einsatz ihres gesamten politischen und finanziellen Einflußes20 diese MachtArt. 30 GG. Dort steht die Grenze zwischen bundes"staatlichem" und glied"staatlichem" Handeln zur Debatte. Diese unterschiedlichen Funktionen verbieten es, den grundrechtlichen Begriff der "öffentlichen Aufgabe" auf das Kompetenzrecht zu übertragen. Art. 30 GG verlangt nach einem eigenem Begriff der staatlichen/öffentlichen Aufgabe. 16 Ebenso die Analyse der Rechtsprechung bei: Bleckmann, DVBI. 1985, 832f. Scheinbar im Widerspruch zu dieser Tendenz stehen Äußerungen des Gerichts in der Jugendwohlfahrtsentscheidung. Dort unterschied das Gericht zwischen finanzieller "Förderung" der Jugendhilfe und nicht finanziell untermauerten "Anregungen". Ohne Begründung behauptete das Gericht, daß die bloße Anregung "unter dem Gesichtspunkt des Art. 30 GG ohne Bedeutung" sei und deshalb außer Betracht bleiben könne [BVerfG E 22,180 (216)]. Das hat zu Spekulationen geführt, Art. 30 sei auf solche Maßnahmen zu begrenzen, "die sich zu staatlichen ,Entscheidungen' und sonstigen Festlegungen (Maßnahmen) verdichten und nicht im Vorfeld verbleiben" [Lerche in: MaunzDürig, GG, Art. 83 Rz. 42 Fußn. 154]. Damit wäre wieder eine Unterscheidung nach der Form einer Tätigkeit, statt nach ihrem Inhalt eingeführt, die das Gericht im Fernsehurteil abgelehnt hatte. Im folgenden (§ 1 Ic und § 3 11) wird sich zeigen, daß sich dieser Widerspruch über die Figur der Annexkompetenzen verhältnismäßig einfach auflösen läßt. Die bloße, nicht finanziell untermauerte Anregung zur Jugendhilfe läßt sich als zulässiger Annex zur Gesetzgebungskompetenz für die "öffentliche Fürsorge" verstehen. 17 BVerfG E 55, 274 (318f.); 61, 149 (205f.); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 212ff.; Broß in: v. Münch, GGK, Art. 83 Rz. 1; Stettner, Grundfragen, S. 323, 306; Böckenförde, Abweichende Meinung, BVerfGE 69,57 (60). Dies läßt sich auch mit der Entstehungsgeschichte belegen: Vgl. die Stellungnahmen von Menzel in der 3. Plenarsitzung des Parlamentarischen Rates am 9. Sept. 1948, Verhandlungen Plenum, S. 32, Laforet in der 9. Plenarsitzung am 6. Mai 1949, Verhandlungen Plenum, S. 181, sowie die Diskussion in der 6. Sitzung des Hauptausschuß am 19. Nov. 1948, Verhandlungen HA, S. 74f. 18 Art. 73ff., 83ff., 92ff., 104aff. GG. Dort treten neben die rein vertikale Gewaltenteilung noch funktionale und materiale Komponenten, d. h. Unterscheidungen nach Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Rechtsprechungs-, Finanzierungskompetenzen, bzw. nach Regelungsgegenständen. 19 Krüger, Staatslehre, S. 108ff.; Stettner, Grundfragen, S. 306. 20 Daß dabei der Bund schon aufgrund seiner größeren Finanzkraft eher versucht sein könnte, in den Länderkompetenzbereich einzudringen, liegt auf der Hand. Aber

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balance zu untergraben und ohne Verfassungsänderung zu ihren Gunsten zu verschieben 21 • Insofern lassen sich "kompetenzfreie Räume" grundsätzlich nicht mit Sinn und Zweck des Art. 30 GG vereinbaren. Der Intention des Art. 30 GG wird vielmehr nur ein umfassender Begriff der "staatlichen Befugnisse und Aufgaben" und eine daraus resultierende umfassende Aufteilung der Kompetenzen gerecht 22 • Eine Tätigkeit ist damit automatisch eine "staatliche Aufgabe" im Sinne des Art. 30 GG, wenn sich der Staat ihrer annimmt. Nach diesem Verständnis des Art. 30 GG kann der Bund bei keiner seiner kulturellen Aktivitäten, insbesondere nicht bei "fiskalischen", die kompetenzrechtliche Qualifizierung offenlassen; in jedem Fall muß er einen ausdrücklichen oder stillschweigenden kulturpolitischen Kompetenztitel nachweisen. Das ist keineswegs gleichbedeutend mit einem Verbot "fiskalischer" Bundesrnaßnahmen im Kulturbereich. Gerade wenn das fiskalische Handeln zur Unterstützung der Bundesverwaltung dienen soll, läßt es sich meist ohne weiteres mit Annexkompetenzen legitimieren23 : Eine "fiskalische" Tätigkeit des Bundes ist danach kompetenzrechtlich gerechtfertigt, wenn sie in erster Linie eine andere Aufgabe unterstützen soll, deren Erfüllung in die Kompetenz des Bundes fällt; sie darf dabei allerdings nie zum "Haupt"-Zweck werden, sondern muß ihren Charakter als "Hilfsgeschäft" beibehalten24 • So kann der Bund zwar Ressortforschung betreiben oder Kunst erwerben, um damit Amtsräume auszustatten. Sobald der Bund jedoch freie, d. h. nicht aufgabenabhängige Forschung betreibt oder aus kunstpolitischen Motiven eine eigene Kunstsammlung aufbaut, reicht die Annexkompetenz nicht mehr aus25 . Allgemein bleibt somit festzuhalten: Jede kulturpolitische Aktivität des Bundes bedarf eines eigenen Kompetenztitels. Soweit die Maßnahme primär kulturellen Zwecken dient, muß der Bund eine (ausdrückliche oder stillschweigende) auch die Länder sind - wie schon die Volksbefragungsentscheidung von 1958 [BVerfG E 8,104] belegt - nicht frei von derartigen Wünschen. 21 Hinter dieser spezifischen Funktion des Art. 30 GG im Bund-Länder Verhältnis tritt der allgemeine Grundsatz zurück, daß die Verfassung den Staat in allen seinen Erscheinungsformen bindet. Soweit sich einige Autoren nur auf diesen Grundsatz stützen, um eine weite Auslegung von "Staatlichen Aufgaben" in Art. 30 GG zu fordern [Z. B.: Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83, Rz. 42; Ehlers, Verwalten S. 86f.], vermag dies nicht voll zu befriedigen. Sie verkennen, daß Art. 30 GG nichts dazu aussagt, wie weit staatliche Tätigkeit überhaupt gehen darf. Diese Grenze wird von den Grundrechten bestimmt. Art. 30 GG unterscheidet nur innerhalb zulässiger staatlicher Tätigkeit zwischen den Einflußbereichen von Bund und Ländern [Kritisch auch: Bleckmann, DVBI. 1985,832 (833)]. 22 Zum gleichen Ergebnis kommt eine Mindermeinung, die in den letzten Jahren immer mehr Anhänger findet: Hamann-Lenz, GG, Art. 30, Anm. BI; Bult, Staatsaufgaben, S. 54; Bothe in: AK-GG, Art. 30 Rz. 17; Ehlers, Verwalten S. 114f.; Bleckmann, DVBI. 1985, 832 (836). 23 Bleckmann, DVBI. 1985, 832 (837); ähnlich: Köttgen, JöR n. F. 11 (1962), 173 (255,290); Bothe in: AK-GG, Art. 30, Rz. 17. 24 Ausführlich dazu Kap. 1 § 3 II. 25 Ausführlich zu diesen Beispielen: Kap. 2 § 5 II 2, VII 3.

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Hauptkompetenz nachweisen. Daneben können Annexkompetenzen kulturelle Nebenwirkungen von Bundesrnaßnahmen legitimieren, die sich auf eine andere nicht unbedingt kulturelle Hauptkompetenz stützen26 • 11. KulturpoHtische Doppelkompetenz von Bund und Ländern? Die kompetenzrechtHche Qualif"Ikation kultureller Tätigkeiten

Nun könnte sich der Bund den Nachweis einer Kompetenz dadurch erleichtern, daß er seine Kulturförderung mit Maßnahmen verbindet, die eindeutig zu seinem Aufgabenbereich zählen. Dies fiele ihm schon deshalb leicht, weil in der Staatspraxis fast jede Maßnahme Bezüge zu mehreren verschiedenen Kompetenzmaterien aufweist. So läßt sich beispielweise die Filmförderung sowohl als Wirtschafts- wie als Kunstförderung verstehen. Läßt man hier bereits irgendeinen noch so schwachen Bezug zu einer Bundeskompetenz ausreichen, könnte man den Aktionsradius des Bundes im Kultursektor erheblich vergrößern. Ein solches Vorgehen hätte allerdings zur Folge, daß es regelmäßig zu doppelten Zuständigkeiten von Bund und Ländern käme. Für viele Maßnahmen könnten sie gleichermaßen eine Kompetenz für sich beanspruchen und auf diese Weise parallele, genausogut aber divergierende Regelungen treffen. Das muß nicht immer zu Konflikten führen, gerade im Kultursektor kann dies der Pluralität von Wissenschaft und Kunst sogar zugute kommen. Insofern finden sich immer wieder Stimmen in der Literatur, die solche doppelten Zuständigkeiten gerade in kulturellen Fragen befürworten27 • Trotzdem ist diesen Versuchen im Ergebnis eine Absage zu erteilen, da auch sie dem Sinn und Zweck der Kompetenzverteilung widersprechen. Die Kompetenzordnung würde die grundgesetzliche Machtbalance zwischen Bund und Ländern nicht mehr gewährleisten, wenn eine einzelne Maßnahmen nach freiem Belieben Bund oder Ländern oder bei den gemeinsam zugewiesen werden könnte. In Art. 30, 70,83,104 a geht das Grundgesetz vielmehr davon aus, daß die Kompetenzen überschneidungsfrei auf Bund und Länder verteilt sind und für jede Aufgabe regelmäßig ein bestimmter Kompetenzträger ausschließlich zuständig ist28 ; 26 Die Einteilung der Bundesaktivitäten nach Hauptzweck und Nebenwirkungen fällt in der Praxis weniger schwer, als man erwarten könnte. Der Bund veröffentlicht gesonderte Kulturhaushalte als Anlagen zum Haushalt des Auswärtigen Amtes und des Bundesminister des Innern, in denen er die "Ausgaben der Auswärtigen Kulturpolitik laut Zweckbestimmung" und die "Ausgaben ... zur Förderung von Kunst und Kultur innerhalb der Bundesrepublik Deutschland" zusammenstellt. Diese jährliche Aufstellung ist eine Erklärung darüber, was der Bund zu seiner Kulturpolitik zählt. Alle hier aufgeführten Titel stehen also für eine primär kulturelle Zielsetzung der jeweiligen Ausgabe; der Nachweis einer Hauptkompetenz ist damit erforderlich. 27 Peters, FS Kaufmann, S. 281 (292f.); v. Mangoldt-Klein, GG, Vor Art. 70, Anm. VII lc, S. 1382f.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 176. 28 BVerfG E 36,193 (202f.); 61,149 (204f.); 67, 299 (320f.) Stern, StaatsR I, § 19 III, 3a, S. 676; Gubelt in: v. Münch, GGK, Art. 30, Rz. ISa; v. Münch, ebenda, Art. 70,

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einzige Ausnahme im Kultursektor bilden die Gemeinschaftsaufgaben nach 91 a, 91 b GG sowie der Sonderfall des Preußischen Kulturbesitz (Art. 135 Abs. 4 GG)29. In Worten des Bundesverfassungsgerichts: "Eine ,Doppelzuständigkeit' , auf deren Grundlage Bund und Länder ein und denselben Gegenstand in unterschiedlicher Weise regeln könnten, ist dem System der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen fremd und wäre mit ihrer Abgrenzungsfunktion ... auch nicht vereinbar. "30 Damit reicht es für den Nachweis eines kulturpolitischen Kompetenztitels zugunsten des Bundes nicht aus, auf irgendeinen, noch so schwachen Bezug zu einer beliebigen Bundeskompetenz zu verweisen. Das Grundgesetz verlangt vielmehr den Nachweis, daß die fragliche Aufgabe gerade dem kulturellen Aufgabenbereich des Bundes und nicht dem der Länder zugewiesen iSP1. Bei der damit erforderlichen kompetenzrechtlichen Qualifikation bedient sich die ganz überwiegende Meinung - trotz Unterschieden in den Termini - einer funktionalen Betrachtungsweise: Sowohl die Kompetenznonn der Verfassung, als auch die angestrebte Regelung werden zunächst nach den hergebrachten Methoden der Verfassungsinterpretation ausgelegt32 . Dabei wird dem Grundgesetz regelmäßig die Intention unterstellt, Bund und Ländern ihre Kompetenzen so zuzuteilen, daß sie effektiv davon Gebrauch machen können ("effektuierende Kompetenzauslegung")33. Der Zweck und die vorRz. 7b; Stettner, Grundfragen, S. 306. Dies gilt selbst im Fall der konkurrierenden Gesetzgebung, bei der der Bund, sobald er tätig wird, die Länder verdrängt, vgl. Art. 72 Abs. 1 GG. 29 Näher dazu unten Kap. 5 § 14, Kap. 6 §§ 15ff. Damit sind allerdings gemeinsame Aktivitäten von Bund und Ländern im Kultursektor nicht vollständig ausgeschlossen. Wie unten (Kap. 5 § 13 I) noch ausführlicher darzulegen ist, lassen sich häufig Fälle nachweisen, in denen verschiedene Kompetenztitel von Bund und Ländern parallel laufen oder sich ergänzen. Hier ist es Bund und Ländern unbenommen, sich abzusprechen und getrennte, aber gleichgerichtete Regelungen zu erlassen. Im Einzelfall erlauben solche Kompetenzverzahnungen sogar Gemeinschaftseinrichtungen von Bund und Ländern. Trotz der gemeinsamen Aufgabenerfüllung liegt darin kein Fall einer verbotenen "Doppelkompetenz". Bund und Länder sind auch hier nicht für ein und dieselbe Materie, sondern für unterschiedliche, lediglich eng beieinanderliegende Aufgaben zuständig. Das grundSätzliche "Verbot von Doppelkompetenzen" wird dadurch nicht in Frage gestellt. 30 BVerfG E 36,193 (202f.). 31 Ausdrücklich: BVerfG E 36,193 (202f.). 32 Dazu zählen nicht nur der klassische Methodenkanon (grammatische, historische, genetische, systematische und teleologische Auslegung), sondern auch die unterschiedlichen in der Verfassungsinterpretation herausgearbeiteten topoi (Einheit der Verfassung, Schutz der Länderkompetenzen, praktische Konkordanz u. ä.). Die Kompetenzauslegung unterscheidet sich nicht von der Auslegung anderer Teile der Verfassung. Allenfalls läßt sich beobachten, daß das Bundesverfassungsgericht bei der Kompetenzinterpretation verstärkt auf die "Verfassungstradition" und die "Staatspraxis" zurückgreift [BVerfG E 33,125 (152f.); 42, 20 (29); 61,149 (152f.); 68, 319 (329)]. Zum ganzen ausführlich: Stettner, Grundfragen, S. 378ff. 33 BVerfG E 36, 193 (209)("sachgemäß und funktionsgerecht") im Anschluß an: Rinck, FS G. Müller, S. 289 (292ff.;300). Ähnlich: Schatz in: FG BVerfG II, S. 252

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aussichtliche Wirkung der zu qualifizierenden Maßnahme muß dem Sinn und Zweck des grundgesetzlichen Kompetenztitels entsprechen. Nebenwirkungen der Maßnahme bleiben weitgehend außer acht, es kommt vor allem auf den durch Auslegung ermittelten Schwerpunkt der Maßnahme an 34 • Die Konsequenzen für Maßnahmen des Bundes zur Kulturpflege lassen sich besonders anschaulich am Beispiel der Filmförderung erläutern: Ist sie ihrem Schwerpunkt nach "Wirtschaftsförderung" und bleiben die kulturellen Auswirkungen eher sekundär, kann der Bund sie durch ein Gesetz nach Art. 74 Nr. 11 GG regeln. Dient sie dagegen hauptsächlich der Förderung des Kunstobjekts Film, reicht diese Kompetenz nicht aus. Da andere ausdrückliche Kompetenzen hier fehlen und sich der Bund - wie noch zu zeigen ist - auch nur begrenzt auf stillschweigende Kompetenzen berufen kann, fällt die kulturelle Filmförderung regelmäßig in die ausschließliche Kompetenz der Länder 35 • Allgemein ausgedrückt: Der Bund muß bei seiner Kulturpflege einen Kompetenztitel nachweisen, der ihn zur schwerpunktmäßigen Kulturförderung ermächtigt. Zwar ist es ihm nicht verboten, auch im Rahmen anderer ihm ausdrücklich zugewiesener Aufgaben wie der Wirtschaftsförderung kulturelle Belange zu berücksichtigen; diese dürfen jedoch nicht Hauptzweck der Bundesmaßnahme werden, sondern müssen im Hintergrund bleiben. 111. Kulturpolitische Kompetenz aus dem Verhältnismäßigkeitsprinzip oder dem Gebot bundesfreundlichen Verhaltens?

In der Literatur findet sich neuerdings die Überlegung, ob die vermeintliche Inflexibilität der Kompetenzordnung nicht über den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder das Gebot des bundesfreundlichen Verhaltens abgemildert werden könne 36 • Gerade in kompetenzrechtlichen Zweifelsfällen, wie sie sich (269ff.); Stern, StaatsR I, § 19 II13a, S. 677 ("konsequent" und "kohärent"); Stettner, Grundfragen, S. 383ff., 407ff. 34 Mit Unterschieden in der Terminologie: Graf v. Pestalozza, DöV 1972,181 (183); Schotz in: FG BVerfG 11, S. 252 (261); Stettner, Grundfragen, S. 420; Bothe in: AKGG, Art. 70 Rz. 17. A. A.: v. Mangoldt-Klein, GG, Vor Art. 70, Anm. III 7, S. 1352ff.). Umstritten ist allerdings das Vorgehen im Fall eines gleichstarken Bezuges zu Bundes- und Landeskompetenzen. Während Grafv. Pestalozza, DöV 1972,181 (188); Lerche, JZ 1972, 468 (471) und Bothe in: AK-GG, Art. 70 Rz. 24 dieses Problem über Art. 31 GG lösen wollen, verweisen Müller-Pieroth-Rottmann, Strafverfolgung, S. 51ff., Stern, StaatsR I, § 19 III 3a, S. 676f. und Stettner, Grundfragen, S. 422f. darauf; daß nach Art. 30, 70, 83, 104a GG bereits ein gleichstarker Bezug ausreiche, um den Bund zum Kompetenzträger zu qualifizieren [ähnlich: Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), 7 (31)]. Dogmatisch befriedigt die zweite Lösung mehr, da nur sie der Machtverteilungsfunktion der Kompetenzordnung gerecht wird. In der Staatspraxis ist der Fall bisher Theorie geblieben. 35 Ausführlich dazu unten Kap. 2 § 5 VIII. 36 Dittmann, Bundesverwaltung, S. 104; Stettner, Grundfragen, S. 397ff., 405ff.; Wipfelder, DVBI. 1982,477 (483); Jakob, Staat 24 (1985), 527 (540f. ,564).

§ I Umfassende Geltung der Kompetenzordnung

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im Kultursektor häufiger finden (Beispiel: Filmförderung), soll damit dem Bund der Nachweis des erforderlichen Kompetenztitels erleichtert werden. Zwei Probleme muß man hier auseinanderhalten: Die Zuweisung der Kompetenzen und ihre Ausübung: Die Aufteilung und Zuweisung von Kompetenzen an Bund und Länder läßt sich grundsätzlich nicht über den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz oder die Bundestreue modifizieren. Bereits aus Art. 30, 70, 83, 104a GG folgt, daß die Zuweisung der einzelnen Kompetenzen eindeutig erfolgen muß. Der Bund ist entweder zuständig oder nicht; eine dritte Lösung gibt es nicht. Eine Abwägung zwischen Bundes- und Länderkompetenzen, wie sie das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder die Bundestreue beinhalten, würde die Kompetenzgrenzen zwischen Bund und Ländern aufweichen und letztlich die grundgesetzliche Machtverteilung zwischen Bund und Ländern unterhöhlen 3? Soweit es deshalb im folgenden um die Frage geht, ob und welche Kompetenzen dem Bund überhaupt im Kultursektor zustehen, muß Verhältnismäßigkeit und Bundestreue außer Betracht bleiben. Soweit es dagegen um die Ausübung einmal zugeteilter Kompetenzen geht, lassen sich Verhältnismäßigkeit und Bundestreue eher fruchtbar machen. Schon im Fernsehurteil hat das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben, daß das Gebot bundesfreundlichen Verhaltens gerade auch das "procedere" und den "Stil" von Verhandlungen zwischen Bund und Ländern reglementiert. Zu entsprechenden Ergebnissen kommt Stettner mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes38 . Auf die vorgelagerte Frage nach der Kompetenzzuweisung kann dies jedoch nicht zurückwirken. IV. Ergebnis

Als allgemeine Regeln der grundgesetzlichen Kompetenzordnung bleiben somit festzuhalten: Die Kompetenzverteilung in Art. 30, 70ff., 83ff., 104aff. GG gilt umfassend für alle kulturpolitischen Aktivitäten des Staates. Dies folgt in erster Linie aus der Funktion der Kompetenzordnung, die Machtbalance zwischen Bund und Ländern rechtlich zu fixieren. Der Bund muß deshalb für jede einzelne seiner kulturellen Maßnahmen einen ausdrücklichen oder stillschweigenden kulturpolitischen Kompetenztitel im Grundgesetz nachweisen. Kompetenzfreie Bereiche, etwa für "fiskalische Tätigkeiten", gibt es nicht; kulturelle Hilfstätigkeiten lassen sich allerdings häufig mit Annexkompetenzen rechtfertigen. Für den Nachweis eines kulturpolitischen Kompetenztitels reicht es im übrigen nicht aus, daß die fragliche Maßnahme irgendeinen Bezug zu einer Bundeskompetenz hat; vielmehr muß sie ihrem Schwerpunkt nach dem kulturellen Aufgabenbereich des Bundes zugewiesen 37 Ebenso Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30, Rz. 21; Wieland, Ausgabenkompetenzen, S. 148. 38 Stettner, Grundfragen, S. 398f.

3 Köstlin

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sein. Die Kompetenzzuweisung ist dabei in aller Regel ausschließlich; eine Kompetenz des Bundes schließt die Länder von der betreffenden kulturpolitischen Aufgabe aus und umgekehrt. Doppelkompetenzen von Bund und Ländern für ein und dieselbe kulturpolitische Frage sind der Verfassung grundsätzlich unbekannt; eine Ausnahme bilden lediglich die Gemeinschaftsaufgaben der Art. 9Ia und 9Ib GG und der Sonderfall des Preußischen Kulturbesitzes nach Art. 135 Abs. 4 GG. § 2 Ausdrückliche Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

Der Aktionsradius des Bundes im Kultursektor bestimmt sich aus der Summe all der ausdrücklichen oder stillschweigenden Kompetenzen, die dem Bund kulturelle Tätigkeiten ermöglichen. Dabei darf man sich allerdings nicht allein auf solche Kompetenzen konzentrieren, die den Bund unmittelbar und schwerpunktmäßig zu Kulturarbeit bevollmächtigen. Wie sich schon oben am Beispiel der Filmförderung zeigte, kann der Bund seine Kulturpolitik häufig auch auf Kompetenzen stützen, die nicht unmittelbar auf kulturelle Aufgaben abzielen. Allerdings darf dann die kulturelle Zielsetzung nicht zum eigentlichen Schwerpunkt werden, sondern muß sekundäres Nebenprodukt bleiben. Auf diese Weise ist dem Bund ein weiterer Gestaltungsspielraum für seine Kulturpflege eröffnet, als die Aufzählung Kompetenzen mit unmittelbar kulturpolitischer Zielsetzung vermuten ließe. Die folgende Liste ausdrücklicher Bundeskompetenzen im Kultursektor berücksichtigt diese Sachlage und unterscheidet innerhalb der Kompetenzen zur Gesetzgebung, Verwaltung oder Finanzierung danach, ob sie den Bund unmittelbar oder nur mittelbar zu kulturellen Aktivitäten ermächtigen. I. Gesetzgebungskompetenzen

Als Gesetzgebungskompetenzen mit unmittelbar kulturpolitischer Zielsetzung lassen sich verstehen die konkurrierenden Kompetenzen für - den Schutz deutschen Kulturguts gegen Abwanderung ins Ausland (Art. 74 Nr. 5 GG)39, - die Regelung von Ausbildungsbeihilfen40 und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung (Art. 74 Nr. 13 GG), die Rahmengesetzgebungskompetenz für - Allgemeine Grundsätze des Hochschulwesens (Art. 75 Nr. Ia GG)41, 39 Vgl. Gesetz zum Schutz des deutschen Kulturguts gegen Abwanderung vom 6. Aug. 1955 (BGBI. I S. 501), zul. geänd. d. G. v. 2. März 1974 (BGBI. I S. 469). 40 Bundesausbildungsförderungsgesetz i. d. F. v. 6. Juni 1983, (BGBI. I S. 645,1680), zul. geänd. d. G. v. 16. Juni 1986 (BGBI. I S. 897).

§ 2 Ausdrückliche Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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- Allgemeine Rechtsverhältnisse von Presse und Film (Art. 75 Nr. 2), - Naturschutz und Landschaftspflege (Art. 75 Nr. 3 GG)42, die Gesetzgebungskompetenz für die Gemeinschaftsaufgabe - Hochschulbauförderung (Art. 91 b Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 GG)43, sowie die aus der Weimarer Reichsverfassung fortgeltende Regelung der - Grundsätze für die Ablösung der Staatsleistungen an Religionsgemeinschaften durch Landesgesetze (Art. 140 GG i.V.m. Art. 138 Abs. 1 WRV). Zu den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes, die sich mittelbar zur Regelung kultureller Fragen eignen, zählen: - Auswärtige Angelegenheiten (Art. 73 Nr. 1 GG) im Hinblick auf die Auswärtige Kulturpolitik, insbesondere die Errichtung von Auslandssendern44 , - das Urheber A5 und Verlagsrecht (Art. 73 Nr. 9 GG) für den rechtlichen Schutz der Kunstschaffenden und ihrer Werke, - Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen (Art. 74 Nr. 6 GG) für die Förderung der Kulturarbeit der Vertriebenen46 , - Recht der Wirtschaft (Art. 74 Nr. 11 GG) für die Filmförderung47 , - Öffentliche Fürsorge (Art. 74 Nr. 7 GG), z. B. für die Künstlersozialversicherung48 , 41 Hochschulrahmengesetz v. 26. Aug. 1976 (BGBl. I S. 185), i. d. F. v. 9. April 1987 (BGBl. I S. 1170). 42 Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege v. 20. Dez. 1976 (BGBl. I S. 3574, BGBl. 1977 I S. 650), zul. geänd. d. G. v. 12. Sept. 1987 (BGBl. I S. 889). 43 Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe "Ausbau und Neubau von Hochschulen" v. 1. Sept. 1969 (BGBl. I S. 1556), zul. geänd. d. G. v. 26. Nov. 1986 (BGBl. I S. 2126). 44 Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. Nov. 1960 (BGBl. I S. 862). Dagegen hat das Bundesverfassungsgericht dem Versuch des Bundes ausdrücklich eine Absage erteilt, aus der Kompetenz zur Regelung des Post- und Fernmeldewesen (Art. 73 Nr. 5 GG) mittelbar auch die Befugnis zur (gesetzlichen) Errichtung eines allgemeinen Bundesfernsehsenders abzuleiten [BVerfG E 12,205 (225 ff.)]. 45 Vgl. Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte vom 9. Sept. 1965 (BGBl. I S. 1273), zul. geänd. d. G. v. 18. Dez. 1986 (BGBl. I. S. 469). Zu aktuellen Problemen des Urheberrechts: Deutscher Kulturrat, Bericht, S. 117ff. 46 Vgl. § 96 Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge v. 19. Mai 1953 (BGBl. I S. 3201), zul. geänd. d. G. v. 25. Feb. 1983 (BGBl. I S. 199). 47 Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films v. 22. Dez. 1967 (BGBl. I S. 1352), i. d. F. v. 28. Nov. 1986 (BGBl. I S. 2046). Nach einer Untersuchung des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung ist der Kunst- und Kulturbereich heute ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Bundesrepublik geworden [Der Tagesspiegel Nr. 12988, v. 17. Juni 1988, S. 22]. Unter diesem Aspekt könnte der Bund stärker als bisher seine in Zukunft Kulturförderung mit Wirtschaftsförderung verbinden. 48 Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten vom 27. Juli 1981 (BGBl. 1705), zul. geänd. d. G. v. 18. Dez. 1987 (BGBl. I S. 2794). Zur Kompetenz für die Künstlersozialversicherungsabgabe: BVerfGE 75,108; Einem, DVBl. 1988,I2ff. Allgemein zur sozialen Sicherung im Kultursektor: Deutscher Kulturrat, Bericht, S. 102ff.

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Kap. 1: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

- Besoldung und Versorgung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes (Art. 74 a Nr. 1 GG), z. B. der Hochschullehrer, - Steuergesetzgebung (Art. 105 Abs. 1 und 2 GG) zur steuerrechtlichen Begünstigung von Kulturschaffenden, Kultureinrichtungen und Kulturkonsumenten49 , - Vermögensnachfolge bei Änderung der Landeszugehörigkeit (Art. 135 Abs. 4 GG) bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 50 . Insgesamt betrachtet hat sich der Bund nur sehr zurückhaltend seiner Gesetzgebungskompetenzen im Kulturbereich angenommen, sie in vielen Fällen sogar überhaupt nicht ausgeschöpft. Gerade in den besonders wichtigen Fragen der Forschungsförderung, des Presse- und Filmrechts oder der Auswärtigen Kulturpolitik fehlen bis heute umfassende bundesgesetzliehe Regelungen. 11. Verwaltungskompetenzen

Als Verwaltungskompetenzen des Bundes, die den Bund zu unmittelbar kulturpolitischen Tätigkeiten bevollmächtigen, kennt das Grundgesetz nur die Gemeinschaftsaufgaben - Rahmenplanung für die Hochschulbauförderung (Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 GG) - Bildungsplanung (Art. 91 b GG) und - Forschungsförderung (Art. 91 b GG) Trotz ihrer nur mittelbar kulturellen Wirkung haben zwei Verwaltungskompetenzen in der Staatspraxis eine besonders große Bedeutung für die Kulturpflege des Bundes: - Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten (Art. 32 Abs. 1 GG)51 und Auswärtiger Dienst (Art. 87 Abs. 1 GG) für die Auswärtige Kulturpolitik, - Vermögensnachfolge bei Änderung der Landeszugehörigkeit (Art. 135 Abs. 4 GG) im Hinblick auf die Verwaltung der bundesunmittelbaren Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 49 Eine Übersicht über entsprechende steuerrechtliche Maßnahmen findet sich in: Mehr Raum für Kultur, S. 39ft. Ausführliche Dokumentation zu aktuellen Tendenzen in: Deutscher Kulturrat, Bericht, Dok. 70ff. Außerdem: Kirchhof, NJW 1985, 225ff.; Heuer, NJW 1985, 232ft. 50 Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung v. 25. Juli 1957 (BGBI. I S. 841). 51 Allerdings ist umstritten, ob Art. 32 GG den Bund nur zu völkerrechtsförmlichen Akten ermächtigt [so Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 83ff.,98ff.]. Die h. M. sieht in Art. 32 Abs. 1 GG eine umfassende Ermächtigung des Bundes auch für nichtförmliche Maßnahmen, die der "Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten" dienen [Vgl. zuletzt Geck, ZRP 1987, 292f.; Grewe, Auswärtige Gewalt in: HdBStaatsR III, § 77, Rz. 81ff.]. Für die Staatspraxis Auswärtiger Kulturpolitik hat dieser Streit keine Konsequenzen, da diese sich auf andere Kompetenzen stützt. Vgl. Kap. 2, § 4.

§ 2 Ausdrückliche Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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Eigener Erwähnung bedarf in diesem Zusammenhang der Art. 87 Abs. 3 GG. Diese Vorschrift erlaubt es dem Bund, durch Gesetz bundesunmittelbare Anstalten und Körperschaften des öffentlichen Rechts für Angelegenheiten zu errichten, in denen er über eine Gesetzgebungskompetenz verfügt. Sie ermöglicht dem Bund, seine Verwaltungskompetenzen beliebig zu erweitern, solange er sich innerhalb seiner Gesetzgebungskompetenzen hält 52 . Im Kultursektor hat sich der Bund mehrfach dieser Möglichkeit bedient. So beruhen die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk 53, die Filmförderungsanstalt 54, die Deutsche Bibliothek 55 , die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus 56 sowie die Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte 57 auf Art. 87 Abs. 3 GG. Auch die Stiftung "Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland"58 soll auf diese Weise errichtet werden. III. Finanzierungskompetenzen

Finanzierungskompetenzen, die unmittelbar auf kulturpolitische Aufgaben abzielen, finden sich bei den Gemeinschaftsaufgaben: - Hochschulbauförderung (Art. 91 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 GG), - Bildungsplanung (Art. 91 b S. 2 GG), - Forschungsförderung (Art. 91 b S. 2 GG). Als Finanzierungskompetenz mit mittelbarer kultureller Wirkung läßt sich außerdem Art. 106 Abs. 8 verstehen, wonach der Bund zur - Übernahme von durch den Bund verursachten Sonderbelastungen in Ländern und Gemeinden verpflichtet ist. Hierunter fallen besondere kulturelle Aufgaben der Bundeshauptstadt Bonn59 • 52 Zur verfassungspolitischen Problematik des Art. 87 Abs. 3 GG: Dittmann, Bundesverwaltung, S. 25l. 53 Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. Nov. 1960 (BGBl. I S. 862). 54 Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films v. 22. Dez. 1967 (BGBl. I S. 1352), i. d. F. v. 28. Nov. 1986 (BGBl. I S. 2046). 55 Gesetz über die Deutsche Bibliothek v. 3l. März 1969 (BGBl. I S. 265). 56 Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus v. 24. Nov. 1978 (BGBl. I S. 1821). 57 Gesetz über die Errichtung einer Stiftung Reichspräsident-Friedrich-EbertGedenkstätte v. 29. Dez. 1986 (BGBl. I S. 2553). 58 Gesetzentwurf der Bundesregierung v. 5. Feb. 1988, BR Drucks. 51/88. 59 Fischer-Menshausen in: v. Münch, GGK, Art. 106 Rz. 40a. Zu diesem Zweck haben der Bund, das Land Nordrhein-Westfalen und die Stadt Bonn am 18. März 1980 die sogenannte "Bonn-Vereinbarung '80" (unveröffentlicht) geschlossen, in der sie die Aufgaben der Stadt Bonn, die finanziellen Bundes- und Landesleistungen sowie die nähere Zusammenarbeit von Bund, Land und Stadt Bonn regeln.

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Kap. 1: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

Daneben hat der Bund in allen Fällen die Kompetenz zur Finanzierung, in denen er eigene, d. h. durch ausdrückliche oder stillschweigende Verwaltungskompetenzen legitimierte Aufgaben erfüllt (Art. 104 a Abs. 1 GG). So ziehen die Verwaltungskompetenzen bei den Auswärtigen Beziehungen, den bundesunmittelbaren Körperschaften und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz entsprechende Finanzierungskompetenzen nach sich. Außerdem kennt das Grundgesetz - ähnlich wie bei den Verwaltungskompetenzen - mit Art. 104 a Abs. 3 GG eine Vorschrift, die es dem Bund erlaubt, seine (Finanzierungs-) Kompetenzen zu erweitern. Bei Geldleistungsgesetzen ist es danach dem Bund gestattet, einen Teil der Kosten eines Bundesgesetzes zu übernehmen, selbst wenn die Ausführung Ländersache ist. Übernimmt er die Hälfte oder mehr der Ausgaben, ist das Gesetz in Bundesauftragsverwaltung60 durchzuführen. Da diese Kompetenzerweiterung nur durch Bundesgesetz erfolgen kann, setzt sie (ähnlich wie bei Art. 87 Abs. 3 GG) entsprechende Gesetzgebungskompetenzen des Bundes voraus. Im Kultursektor hat der Bund sich bisher beim Bundesausbildungsförderungsgesetz61 dieser kompetenzerweiternden Möglichkeit bedient. Ähnliche kompetenzerweiternde Wirkungen hat Art. 104a Abs. 4, dessen Voraussetzungen jedoch so eng sind, daß er keine Grundlage für kulturpolitische Maßnahmen bildet und deshalb hier außer Acht bleiben kann. Im Vergleich zu Bereichen wie der Wirtschafts- und Sozialpolitik mag diese Liste ausdrücklicher kulturpolitischer Kompetenzen des Bundes mager erscheinen. Bei genauer Betrachtung sind aber drei deutliche Schwerpunkte erkennbar: Auswärtige Kulturpolitik, Forschung und Stiftung Preußischer Kulturbesitz. In allen drei Fällen verfügt der Bund sowohl über Gesetzgebungs-, als auch über Verwaltungs- und Finanzierungszuständigkeiten. Handelt es sich beim Preußischen Kulturbesitz noch eher um eine - allerdings recht umfangreiche - Randkompetenz, so sind mit der kulturellen Außenpolitik und Forschung zwei zentrale Fragen der Kulturpolitik in die (Mit-)Verantwortung des Bundes verwiesen. Hier kann der Bund eine umfangreiche und substantielle Kulturpolitik betreiben. § 3 Die Problematik stillschweigender Bundeskompetenzen im Kultursektor

Der Kulturhaushalt des Bundes hätte heute kaum seinen Milliardenumfang erreicht, hätte der Bund sich darauf beschränkt, diese ausdrücklichen kulturpolitischen Kompetenzen auszuschöpfen. Gerade für die Förderung von Museen, Film, Kunst, Sprache und Musik beruft sich der Bund auf sogenannte stillschweigende Kompetenzen62 . Damit ist der Sachbereich angesprochen, Art. 85 GG. § 56 Bundesausbildungsförderungsgesetz i. d. F. v. 6. Juni 1983, (BGB!. I S. 645, 1680), zu!. geänd. d. G. v. 16. Juni 1986 (BGB!. I S. 897). 60 61

§ 3 Stillschweigende Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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den Rechtsprechung und Literatur - mit Unterschieden in der Terminologie63 - Unter den Stichworten "Natur der Sache", "Sachzusammenhang" oder "Annex" erörtern64 : Die Konstruktion stillschweigender Kompetenzen soll vor allem dem Umstand Rechnung tragen, daß die Verfassungsgeber zwar eine abschließende und lückenlose Kompetenzabgrenzung beabsichtigt haben, ihre Kompetenzkataloge aber der Vielgestaltigkeit der sozialen Lebensverhältnisse nicht gerecht werden. So stößt man in den Kompetenzkatalogen des Grundgesetzes immer wieder auf vermeintliche oder tatsächliche "Lücken"65 (z. B. für die Festlegung der Bundeshauptstadt oder der Bundessymbole), die trotz fehlender ausdrücklicher Regelung sinnvollerweise zugunsten des Bundes66 und damit scheinbar entgegen der Verteilungsregel der Art. 30, 70, 83 GG auszufüllen sind. Insofern lassen sich die stillschweigenden Kompetenzen berechtigterweise als Methode ansehen, der Kompetenzordnung mehr Flexibilität zu verleihen 67 . Das Grundgesetz scheint dieses Instrumentarium geradezu vorauszusetzen, wenn es in den Kompetenzverteilungsnormen der Art. 30 und 83 die Länder für zuständig erklärt, "soweit dieses Grundgesetz nichts anderes bestimmt oder zuläßt"68. Allerdings bergen solche stillschweigenden Kompetenzen immer die Gefahr eines schleichenden Verfassungswandels unter Umgehung des Art. 79 GG. Je großzügiger dem Bund stillschweigende Kompetenzen zugebilligt werden, desto eher besteht die Gefahr, den Ländern einzelne, in Wahrheit ihnen zuste62 Vgl. insbesondere die Antwort der Bundesregierung auf zwei große Anfragen der Fraktionen der SPD sowie der CDUICSU und FDP zur Kulturpolitik, BT Drucks. 10/ 2236, S. 4. 63 Dazu statt aller: Stettner, Grundfragen, S. 424ff. m. w. N. 64 Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der immer noch gültigen Untersuchung von Bullinger, AöR 96 (1971),237. Diese bezieht sich zwar nur auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bis Mitte 1970; aber die danach ergangenen Entscheidungen zu diesem Fragenkreis [E 36,193 (202f.); 40, 261 (265); 41, 291 (312); 42,20 (35f.); 48, 367 (372ff.); 55, 274 (297ff.); 58,137 (185, 200, 204); 61,149; 62, 354 (366f.); 67, 256 (274ff.); 68, 319 (328ff.)] bestätigen im wesentlichen seine Ergebnisse. Vgl. auch Stetlner, Grundfragen, S. 428ff. 65 Dies widerspricht nicht dem oben festgestellten Prinzip "lückenloser Kompetenzverteilung" . Die hier erwähnten Lücken bestehen nur bei den ausdrücklichen Kompetenzen. Stillschweigende und ausdrückliche Kompetenzen zusammen bilden dagegen ein System lückenloser Kompetenzverteilung. 66 Allerdings können stillschweigende Kompetenzen im Einzelfall auch zugunsten der Länder zum Tragen kommen. Vgl. aus der Rechtsprechung: BVerfG E 8, 104 (118f.); 15,1 (22); 61,149 (200). 67 Achterberg, AöR 86 (1961), 63 (87); Wipfelder, DVBI. 1982,477 (480). Vgl. zum Beispiel der Annexkompetenzen bereits oben § 11. 68 Eine entsprechende Formulierung fehlt zwar in Art. 70 GG. Dessen Wortwahl (" ... soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bund Gesetzgebungsbefugnis verleiht. ") wird heute jedoch allgemein· ebenso verstanden. Vgl. zum früheren Streit: v. MangoldtKlein, GG, Art. 70, Anm. III 4, S. 139lff.

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Kap. I: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

hende Kompetenzen zu entziehen und damit die grundgesetzlich vorgesehene Machtverteilung zugunsten des Bundes zu verschieben 69 • Der häufige Rückgriff des Bundes auf stillschweigende Kompetenzen im Kultursektor mit seinen wenigen ausdrücklichen Kompetenzen belegt, wie groß die Versuchung ist, ein vermeintliches Kompetenzdefizit auszugleichen. Dieser Gefahr läßt sich wirksam wohl nur begegnen, wenn die Konstruktion stillschweigender Kompetenzen sich eng am Grundgesetz orientiert, d. h. sich nicht auf irgendwelche freigewählten Begrifflichkeiten stützt, sondern auf konkrete Wertungen in der Verfassung selber; dies gebietet schon der Respekt vor der Entscheidung des Grundgesetzes für eine bestimmte Gestalt des Bundesstaats mit einer detaillierten Verteilung der Aufgaben auf Bund und Länder70 • Die Literatur ist sich deshalb einig, daß stillschweigende Kompetenzen nicht mittels abstrakter verfassungstheoretischer Schlußfolgerungen nachgewiesen werden können, sondern allein durch eine umfassende Auslegung des Grundgesetzes71 • Letztlich erweisen sich stillschweigende Kompetenzen damit als Problem "effektuierender Verfassungsauslegung" . "Sachzusammenhang" , "Annex" oder "Natur der Sache" lassen sich dabei ebensogut als Begründungsmuster verstehen wie als eigenständige Kompetenzen. Sie tauchen mit gleicher Berechtigung und ohne große Unterschiede in der Ableitung sowohl im Bereich der Gesetzgebung wie der Verwaltung und Finanzierung auf. Insofern werden sie im folgenden funktionenübergreifend dargestellt. I. Sachzusammenhang

Der Sachzusammenhang wird meist mit einer Formel definiert, die das Bundesverfassungsgericht im Baurechtsgutachten benutzt hat: "Ein sogenannter Sachzusammenhang vermöchte ... eine Zuständigkeit nur dann zu stützen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden kann, ohne daß zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt wird, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerläßliche Voraussetzung ist für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie ... "72. Stern, StaatsR II, § 3711 5 b, S. 613; Broß in: v. Münch, GGK, Art. 83 Rz. 5. So hat Bullinger, Mineralölfernleitung, S. 73f., zu Recht darauf hingewiesen, daß die Verteilung der Kompetenzen im Grundgesetz weder logisch zwingenden oder wertethisch vorgegebenen Linien folgt, sondern auf der freien und stark subjektiv geprägten Entscheidung der Verfassungsväter beruht. Dieser Entscheidung müssen dann aber auch die stillschweigend "mitgeschriebenen" Kompetenzen entsprechen; sie dürfen insbesondere nicht an Wertungen anknüpfen, die der Verfassung unbekannt sind. 71 Achterberg, AöR 86 (1961), S. 63 (67ff.); v. Mangoldt-Klein, GG, Art. Anm. III 4b, S. 1394ff.; Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (283ff.); Stern, StaatsR II, § 37 11 5, S. 609f.; Gubelt in: v. Münch, GGK, Art. 30 Rz. 11 f.; Stettner, Grundfragen, S. 428ff. 72 BVerfG E 3, 407 (421). 69

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§ 3 Stillschweigende Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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Allerdings hat sich das Bundesverfassungsgericht - was häufig übersehen wird - nur in drei Fällen dieser Formel bedient73 ; in anderen Fällen verweist es nur noch schlagwort artig auf einen "Sachzusammenhang" und ignoriert dabei die von ihm sonst geforderten strengen Voraussetzungen74 • Es kommt nicht mehr darauf an, daß das Übergreifen "unerläßlich" ist; es reicht schon, wenn die Eigenart einer Regelungsmaterie 75 oder ihre enge "Verzahnung" mit einer Bundeskompetenz76 die Regelung durch den Bund "notwendig" erscheinen läßt77 . Inzwischen ist der "Sachzusammenhang" als Auslegungshilfe sogar ganz aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verschwunden. Die üblicherweise unter dem "Sachzusammenhang" behandelten Fälle löst das Gericht stattdessen mit Hilfe der klassischen Auslegungsmethoden, unter denen Verfassungstradition und Staatspraxis immer größere Bedeutung gewinnen 78 . Tatsächlich ist der "Sachzusammenhang" - im Unterschied zu dem noch zu behandelnden "Annex" - ein untaugliches Auslegungsmittel. Im Kern handelt es sich um nichts anderes als einen Versuch, Kompetenzkonflikte zu lösen 79 , in denen eine Regelung Sachbezüge zu Kompetenzmaterien verschiedener Kompetenzträger aufweist: Eine Maßnahme des Bundes (z. B. die Errichtung der Deutschland Fernseh-GmbH) beschränkt sich nicht auf die Regelung eines ihm ausdrücklich zugewiesenen Kompetenztitels (Fernmeldekompetenz), sondern greift über auf Kompetenzmaterien der Länder (Programmkompetenz)8o. Wie oben dargelegt, sind solche Kompetenzkonflikte grundsätzlich durch Auslegung der einschlägigen Kompetenznormen und der beabsichtigten Regelung zu lösen; aus der Zielrichtung und voraussichtlichen Wirkung wird der Schwerpunkt der Maßnahme ermittelt und einer Bundes- oder Landeskompetenz zugeordnet. Der "Sachzusammenhang" versucht dieses 73 BVerfG E 3,407 (421); 12,205(237f.); 15,1 (20). Ausführlich dazu Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (242, 246). 74 Bullinger, AöR 96 (1971),237 (242) nennt dies "formeifreien Sachzusammenhang": BVerfG E 4, 74 (83f.); 7, 29 (38f.,43); 8,143 (148f.); 11, 192 (199); 15, 1 (2lf.); 22,180 (210, 212f.). 75 BVerfG E 7,29 (38f.; 36,193 (202f.). 76 BVerfG E 15, 1 (2lf.); 22,180 (213). Kritisch dazu: Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (255f.). 77 BVerfG E 22, 180 (210). Tendenziell neigte die Rechtsprechung dazu, den "Sachzusammenhang" dann besonders eng zu begrenzen, wenn Landeskompetenzen berührt waren, die das politische Eigengewicht der Länder ausmachen. Dies gilt insbesondere für den Kultursektor: Vgl. BVerfG E 6, 309 (354); 12,205 (229). 78 Bullinger, AöR 96 (1971),237 (244ff.) spricht hier von "unbenanntem Sachzusammenhang". BVerfG E 3, 407 (428); 8, 104 (118f.); 23,113 (124f.); 24, 300 (353f.); 26, 338 (38lf.); 28, 119 (145ff.); 36, 193 (202f.); 42, 20 (35f.); 48, 367 (374f.); 55, 274 (297f.); 58,137 (145f.); 61,149 (185, 200, 204); 62, 354 (366ff. - "eng verknüpft"); 67, 256 (274ff.); 68, 319 (328ff.). 79 Ebenso Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (238, 246ff.); Scholz in: FG BVerfG 11, S. 252 (272 ff. ); M üller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 11lf.; Stettner, Grundfragen, S. 429. 80 BVerfG E 12,205 (225ff.).

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Kap. 1: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

Vorgehen durch den Verweis auf vermeintliche Sachzwänge ("unerläßlich" , "notwendig") abzukürzen. Ein solches abstraktes "Bedürfnis" ist für die kompetenzrechtliche Zuordnung unerheblich, ja unzulässig 81 • Der Übergriff auf fremde Kompetenzen wäre nicht mehr aus der Verfassung abgeleitet, sondern aus abstrakten, verfassungsexternen Erwägungen der Zweckdienlichkeit. Nicht das Grundgesetz würde den zuständigen Kompetenzträger bestimmen, sondern die politische Opportunität. Der "Sachzusammenhang" untergräbt letztlich die Aufgaben- und Machtverteilung des Grundgesetzes zwischen Bund und Ländern. Als Auslegungshilfe in Kompetenzkonflikten muß er grundsätzlich ausscheiden. 11. Annexkompetenz

Die "Annexkompetenz" wird zwar häufig als Unterfall des "Sachzusammenhangs" verstanden. Aus systematischen Gründen ist es jedoch sinnvoll, "Annex" und "Sachzusammenhang" zu trennen 82 : In beiden Fällen geht es zwar darum, eine ausdrücklich zugewiesene Kompetenzmaterie extensiv auszulegen, um dem Kompetenzträger auch eine Regelung in anderen, angrenzenden Bereichen zu ermöglichen. Im Gegensatz zum "Sachzusammenhang" soll die "Annexkompetenz" aber nur vorbereitende oder unterstützende Maßnahmen zu einer bereits zugewiesenen Aufgabe ermöglichen, nicht ein Übergreifen auf Kompetenzmaterien anderer Kompetenzträger. Während der "Sachzusammenhang" also über die zugewiesenen Kompetenzen hinausgreift, hält sich der "Annex" innerhalb der bestehenden Kompetenzen 83 . Die Annexkompetenz ist damit keine selbständige Kompetenzgrundlage, sondern ist eine "Hilfs"-Kompetenz, die von einer dem Kompetenzträger bereits zugewiesenen "Haupt"-Kompetenz abhängt. Diese "Haupt"-Kompetenz liefert auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Annexkompetenz: Jede Kompetenznorm im Grundgesetz schließt letztlich die Befugnis mit ein, die zugewiesene Aufgabe so gründlich wie erforderlich zu bearbeiten84 ; eine Kompetenznorm rechtfertigt somit immer auch die Hilfsgeschäfte, die zu ihrer Wahrnehmung erforderlich sind. Die "Annexkompetenz" ist nichts anderes als eine Methode, bereits bestehende Kompetenzen im Sinne "effektuierender Kompetenzauslegung" auszuschöpfen.

Ähnlich: Stettner, Grundfragen, S. 430. Ebenso Achterberg, DöV 1966, 695 (698); Stettner, Grundfragen, S. 430ff. 83 In den Worten von Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30, Rz. 26: "Die Ausdehnung erfolgt hier nicht in die Breite der Aufgabenpalette, sondern in die Tiefe einer zuständigen Aufgabe". Ebenso: Achterberg, DöV 1966, 695(698ff.); Stettner, Grundfragen, S. 431. 84 Achterberg, AöR 86 (1961), 63 (66); Stern, StaatsR I, § 19 III 3a, S. 677; Stettner, Grundfragen, S. 431. 81

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§ 3 Stillschweigende Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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So verstanden ist der "Annex" eine sinnvolle Auslegungshilfe bei der Zuordnung einzelner Maßnahmen zu bestimmten Kompetenzen 85 • Typischerweise bildet er die kompetenzrechtliche Grundlage für alle Arten von Hilfsgeschäften zu Gesetzgebung oder Verwaltung. Im Kultursektor ist dabei an folgende Maßnahmen zu denken86 : - Planung87 , insbesondere als Annex zu Kompetenzen im Rahmen der Forschungs- und Auswärtigen Kulturpolitik, - Beratung und Abstimmung mit den Ländern bei parallelen oder sich ergänzenden Kompetenzen von Bund und Ländern (z. B. Forschung88 ), - Ressortforschung89 und allgemeine Informationsbeschaffung90 , - Personal ausbildung und -fortbildung91 , - Organisation und Verfahren der eigenen Kulturverwaltung92 , - Öffentlichkeitsarbeit93 und Selbstdarstellung des Bundes und seiner Organe. Die Unselbständigkeit der "Annexkompetenz" begrenzt allerdings automatisch ihre Reichweite. Als "Annex" sind Maßnahmen überhaupt nur und auch nur soweit legitimiert, als sie zur Erfüllung der "Haupt"-Kompetenz dienen 94 • Der "Annex" kann nicht weiter gehen als die "Haupt"-Kompetenz; ein Übergriff in andere Kompetenzmaterien ist nicht gerechtfertigt. So erlauben Annexkompetenzen zwar Ressortforschung, die Gesetzgebungs- oder Verwaltungsmaßnahmen wissenschaftlich vorbereitet und begleitet95 , nicht aber die Errichtung von Bundesforschungsinstituten, die keine solchen HilfsfunktioÄhnlich: Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (261ft.). Zu weiteren durch "Annex" legitimierten Tätigkeiten vgl. BVerfG E 24, 300 (354); 61, 149 (200f., 204ft.); Stettner, Grundfragen, S. 433f.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 112ff. 87 Achterberg, DöV 1966, 695 (699); Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (262). 88 Z. B. im Rahmen des Wissenschaftsrates. 89 v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 70, Anm. III 4k, S. 1409, Art. 83, Anm. IV 4c, bb, S. 2111f.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 413,583; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30 Rz. 25\ Stettner, Grundfragen, S. 421; Jakob, Staat (1985), 527 (528f., 547ft., 556ft.). 90 Z. B. Volksbefragungen [BVerfG E 8,104 (118)], Statistik [Art. 73 Nr. 11 GG]. 91 v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 70, Anm. III 4i, S. 1405f.; Achterberg, DöV 1966, 695 (699); Stettner, Grundfragen, S. 433. Hierzu zählen insbesondere auch Verwaltungsakademien des Bundes und Bundeswehrhochschulen, vgl. Dittmann, Bundesverwaltung, S. 217ft. 92 Stettner, Grundfragen, S. 433. Ausnahmen: Bundesingerenzen auf die Organisation der Länderverwaltung nach Art. 84f., 108 GG. 93 BVerfG E 44, 125 (149f.); Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (21). 94 Dabei muß es sich nicht unbedingt um eine ausdrückliche "Haupt"-Kompetenz handeln; in den hier beschriebenen Grenzen sind auch stillschweigende "Haupt"-Kompetenzen, insbesondere kraft "Natur der Sache" denkbar. 95 Z. B. beim Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien. Näher dazu unten Kap. 2 § 5 11 2. 85 86

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Kap. 1: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

nen erfüllen96 . Auch die grundgesetzliehe Unterscheidung zwischen Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ausgabenkompetenzen ist einzuhalten; der "Annex" darf nicht dazu dienen, die unterschiedliche Aufteilung der Kompetenzen innerhalb der verschiedenen Staatsfunktionen zu unterlaufen. So sind wissenschaftliche Forschungen aufgrund der Gesetzgebungskompetenzen nur erlaubt, soweit sie neue Gesetze oder die Reform bestehender Gesetze sachlich vorbereiten. Will der Bund die Ergebnisse darüberhinaus für die Verwaltung verwerten, bedarf er auch entsprechender eigener Verwaltungs- oder Ausgabenkompetenzen97 • III. Natur der Sache

1. Der bisherige Diskussionsstand Positionen in Rechtsprechung, Literatur und Staatspraxis

Kompetenzen kraft Natur der Sache sind gleichzeitig die unbestrittenste und problematischste Kategorie stillschweigender Kompetenzen. Rechtsprechung und Literatur erkennen - über alle Differenzen hinweg - die Existenz "natürlicher" Bundeskompetenzen dem Grundsatz nach an. Dabei bedient man sich allgemein einer Definition, die schon Anschütz für die Weimarer Verfassung geprägt hat: Eine Kompetenz aus der Natur der Sache ist begründet "nach dem ungeschriebenen, im Wesen der Dinge begründeten mithin einer ausdrücklichen Anerkennung durch die Reichsverfassung nicht bedürftigen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit apriori entrückte Angelegenheiten des Reiches darstellen, vom Reich und nur von ihm geregelt werden können. "98

Als klassische Anwendungsfälle gelten die Entscheidungen über den Ort der Bundeshauptstadt und die Gestaltung der Bundessymbole99 • Abgesehen von diesen beiden Beispielen ist man sich in kaum einem Fall einig 1°O. Z. B. Kunsthistorisches Institut Florenz. Näher dazu unten Kap. 2 § 5113. Ebenso: Achterberg, DöV 1966, 695 (698ff.). Ausschlaggebend ist dabei eine exante Betrachtung: Es kann nicht darauf ankommen, daß die durch den "Annex" zu einer Gesetzgebungskompetenz legitimierten Vorbereitungsmaßnahmen in jedem Fall tatsächlich zur Verabschiedung des Gesetzes führen. Vielmehr kann es sich gerade aufgrund der Vorbereitungsmaßnahmen ergeben, daß ein Gesetz unzweckmäßig ist. An der kompetenzrechtlichen Zulässigkeit der Vorbereitungsmaßnahme kann dies nichts ändern. So schon: Peters, FS Kaufmann, S. 281 (290). 98 In: Anschütz-Thoma, HdBDStR I, S. 367 (Hervorhebung im Original). 99 BVerfG E 3,422. H. M.: Gubelt in: v. Münch, GGK, Art. 30 Rz. 14; Stern, StaatsR 11, § 3711 5b, S. 612f. Kritisch: Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (279). 100 So ist man schon bei der Frage der Bestimmung von "Nationalfeiertagen" uneins. Pro: v. Münch in: ders., GGK, Art. 70 Rz. 22; Contra: BayVerfGH, NJW 1982, 2656 (2657 m. w. N.). Offen: Campenhausen in: Nawiasky, Bay. Verfassung, Art. 147, Rz. 3. 96 97

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a) Am großzügigsten billigen die kulturrechtliche Literatur und die Staatspraxis dem Bund natürliche Kompetenzen ZU I01 . Es gilt geradezu als selbstverständlich, daß der Bund zentrale oder national besonders bedeutende Kultureinrichtungen fördern darf. Als Begründung reicht dieser Meinung der Verweis auf Begriffe wie "Überregionalität", "Gesamtstaatliche" bzw. "Nationale Repräsentation" oder "Gesamtstaatliche Bedeutung"loz. b) Sehr viel vorsichtiger ist die allgemeine staatsrechtliche Literatur. Hier stand man von Anfang an der Kompetenz kraft "Natur der Sache" skeptisch gegenüber, nicht zuletzt weil man erkannte, daß so unscharfe Begriffe wie "Natur der Sache" oder "Wesen der Dinge" einem Einbruch des Bundes in die Länderkompetenzen keine echte Schranken setzen lO3 • Auch die Behauptung von "a priori den partikularen Zuständigkeiten entrückten Angelegenheiten" weckte Bedenken 104 , da damit ersichtlich ein abstraktes, vom konkreten rechtlichen und historischen Kontext losgelöstes Bundesstaatskonzept zugrunde gelegt wird. Ein solcher begriffsjuristischer Rückgriff auf "überpositives" Recht läßt sich schwerlich mit dem Grundgesetz vereinbaren. Insofern hält es die überwiegende Meinung für erforderlich, daß konkrete Anhaltspunkte im Grundgesetz oder der fortwirkenden Verfassungstradition für eine ergänzende Verfassungsauslegung sprechen. Eine Kompetenz "kraft Natur der Sache" wird nur anerkannt, wenn sie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Grundgesetzes als einer spezifischen bundesstaatlichen Ordnung ergibt oder auf einer Analogie zu einzelnen Kompetenzartikeln beruht lO5 • c) Ähnlich zurückhaltend hat sich das Bundesverfassungsgericht geäußert. Es hat zwar ebenfalls die Formel von Anschütz übernommen!06, diese aber auch gleich weiter eingeengt: 101 Peters, FS Kaufmann, S. 281 (292ff.); Köttgen, Kulturpflege, S. 105ff.; Kölble, DöV 1963, 660 (667f.); Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 596ff.; Fischer-Menshausen in: v. Münch, GGK, Art. 104a, Rz. 10. Insbesondere auch das Gutachten zur Finanzreform 1969: Troeger-Gutachten, Rz. 93ff. Aus der neueren politischen Praxis: Abkommen zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder und das Abkommen über die Mitwirkung des Bundes an der Kulturstiftung der Länder, beide vom 4. Juni 1987, abgedruckt in Abghs. Berlin Drucks. 10 /1657. Bundesregierung, Antwort auf große Anfrage der Fraktionen der SPD sowie der CDU/CSU und FDP zur Kulturpolitik, BT Drucks. 10/2236, S. 4. 102 Kritisch: Thieme, Kulturordnung, S. 7lf.; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7 (2lf.); Hufen, BayVBI. 1985, 1 (6f., 37ff.). 103 Achterberg, AöR 86 (1961), 63 (88ff.); Bullinger, AöR 96 (1971),237 (279ff.). 104 Bullinger, AöR 96 (1971),237 (269ff.). Ähnlich: Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 107; Stern, StaatsR II, § 37 II 5b, S. 612. 105 Achterberg, AöR 86 (1961), 63 (67ff.); Bullinger, AöR 96 (1971),237 (271ff., 280f.); Stern, StaatsR II § 37 II 5b, S. 612f.; Stettner, Kompetenzverteilung, S. 434f.; Bothe in: AK-GG, Art. 30 Rz. 15. 106 Die davor gebrauchte Definition des Baurechtsgutachtens [E 3, 407 (42lf.) Kompetenzen, "die sich unmittelbar aus dem Wesen und der verfassungsmäßigen Organisation des Bundes ergeben (natürliche Bundesaufgaben)"] ist ein Einzelfall geblieben.

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"Schlußfolgerungen ,aus der Natur der Sache' müssen begriffsnotwendig sein und eine bestimmte Lösung unter Ausschluß anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend fordern. "107

Allerdings taucht die so ergänzte Formel nur in vier Fällen auflOS, in drei weiteren nennt das Gericht die "Natur der Sache" noch schlagwortartig 109 • Regelmäßig hat das Gericht dabei eine natürliche Bundeskompetenz abgelehnt; nur in einer Entscheidung, im Jugendwohlfahrtsurteil, war die "Natur der Sache" tauglicher Kompetenztitel llO . Diese großen Meinungsunterschiede und die Bedeutung natürlicher Kompetenzen für die Staatspraxis der Bundeskulturpflege gebieten es, im folgenden die verschiedenen Argumentationsmuster für Kompetenzen "kraft Natur der Sache" genauer zu untersuchen. Dabei erweisen sich verschiedene der vorgeschlagenen Begründungen, insbesondere "Unmöglichkeit einer Länderregelung" , "Überregionalität", "Nationalrepräsentation"ll1, als untauglich, sei es weil klare Kriterien zu ihrer Konkretisierung fehlen, sei es weil sich dahinter dem Grundgesetz fremde Wertungen verbergen (dazu 2.). Letztlich bleiben nur drei Fallgruppen übrig, in denen der Bund eine natürliche Bundeskompetenz tatsächlich beanspruchen kann: Kompetenzen kraft Analogie, Kompetenzen mangels Anknüpfungspunkt im Inland, Kompetenz kraft gemeinsamer einzelfallbezogener Verfassungsauslegung durch Bund und Länder (dazu 3.).

BVerfG E 11, 89 (98f.). Außer in BVerfG E 11,89 (98f.) noch in E 12,205 (251); 22, 180 (217); 26, 246 (257). 109 BVerfG E 15, 1 (24); 41, 291 (312). Trotz ähnlicher Fallkonstellation erwähnt BVerfG E 11,6 (17f.) die "Natur der Sache" überhaupt nicht. 110 Zum ganzen: Bullinger, AöR 96 (1971),237 (272). Vgl. aucH die dort nicht referierte Entscheidung BVerfG E 41, 291 (312). 111 Mangels Bedeutung für die Bundeskulturpflege bleibt im folgenden der topos "Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse" unerörtert. Auch dessen Tauglichkeit ist jedoch fraglich. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in E 11, 6 (18) die "Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse" als Rechtfertigung für eine natürliche Verwaltungskompetenz des Bundes dem Grundsatz nach anerkannt. Die Voraussetzungen, die das Gericht dort aufstellte - einheitliche bundesgesetzliehe Regelung, erhebliche Abweichungen beim Vollzug in den einzelnen Ländern, fehlgeschlagener Versuch der Vereinheitlichung durch Verwaltungsvorschriften nach Art. 84 Abs. 2 GG -, sind aber so streng, daß diese Bundeskompetenz zur "Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse" bis heute bloße Theorie blieb. Im übrigen geht das Grundgesetz regelmäßig davon aus, daß Unterschiede zwischen den Ländern möglich, vielfach sogar erwünscht sind [BVerfG E 17, 319 (331); 27,175 (179); 42, 20 (27); Dürig in: Maunz-Dürig, GG, Art. 3 Abs. 1, Rz. 233ff.; Stern, StaatsR I, § 1911 5, S. 66lf. m. w. N.]. Insofern muß in jedem Fall das Bedürfnis nach "Vereinheitlichung der Lebensverhältnisse" gesondert aus dem Grundgesetz belegt werden. Als abstrakter Maßstab ist der topos dagegen abzulehnen [Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83 Rz. 45; Bull in: AK-GG, Art. 83, Rz. 19f.; Hufen, BayVbl. 1985,1 (41ff.)]. 107

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2. Untaugliche Begründungen für Kompetenzen kraft Natur der Sache a) Bundeskompetenz wegen "Unmöglichkeit einer Länderregelung" Auf den ersten Blick erscheint es logisch zwingend, in all den Fällen eine Bundeskompetenz kraft "Natur der Sache" anzunehmen, in denen die Länder nicht in der Lage sind, die betreffende Aufgabe selber zu erfüllen. Hier muß auch ohne ausdrückliche Regelung des Grundgesetzes die Kompetenz dem Bund zugewiesen sein. Andernfalls könnte der Staat die betreffende Aufgabe überhaupt nicht wahrnehmen - eine Konsequenz die dem Sinn und Zweck der Kompetenzordnung sicherlich nicht gerecht würde ll2 . Nach einhelliger Ansicht reicht es für eine "Unmöglichkeit der Länderregelung" jedoch nicht aus, daß die fragliche Maßnahme die rechtlichen, finanziellen oder tatsächlichen Fähigkeiten eines einzelnen Landes übersteigt 113 • Vielmehr läßt sich eine "Unmöglichkeit" erst bejahen, wenn die Länder die betreffende Aufgabe auch nicht gemeinsam, d. h. in Kooperation bewältigen können 1l4 . Bei genauer Überlegung erweist sich die "Unmöglichkeit der Länderregelung" als bloß theoretisches Konzept, das in der Praxis keinerlei Bedeutung 112 Art. 30, 70ff., 83ff., 104aff. GG wollen die Ausübung aller staatlichen Aufgaben entweder Bund oder Ländern zuweisen, nicht aber bestimmte staatliche Maßnahmen unterbinden. Wieland, Ausgabenkompetenz, S. 136. m BVerfG E 12, 205 (25lf.); v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 83, Anm. IV 5e, S. 2120; Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 109; Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83, Rz. 48 (sub bb). Gerade bei der Berufung auf "Überregionalität", "Nationale Repräsentation" oder "Gesamtstaatliche Bedeutung" schwingt häufig die Unterstellung mit, die Länder könnten diese wegen ihres regional beschränkten Handlungsrahmens nicht erfüllen oder es überstiege ihre finanziellen Möglichkeiten. Wie irrig diese Vermutungen sind, läßt sich aber gerade im Kultursektor belegen. Kulturelle Maßnahmen, man denke an Museen, Theater oder Kunst, unterliegen keinen regionalen Grenzen, sondern können auch bei noch so engem lokalem Ursprungsort ihre Wirkung über sämtliche, auch nationale Grenzen hinweg entfalten. Der Glied- oder Gesamtstaat als Förderer tritt in allen Fällen hinter der Sache zurück, so daß es auf den regionalen Handlungsrahmen überhaupt nicht ankommt. Die finanziellen Möglichkeiten des Gliedstaates oder des Gesamtstaates bestimmen sich aber nach der Finanzverfassung, vor allem nach dem Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Die Länder haben dabei einen Anspruch, ihren Aufgaben entsprechend finanziell ausgestattet zu werden. Daraus folgt zwingend, daß die Länder auch entsprechend den ihnen zugewiesenen Aufgaben mit überregionaler Wirkung Finanzen erhalten müssen. Fehlen den Ländern die notwendigen Finanzmittel, ist ein neuer Finanzausgleich deshalb der richtige Weg, nicht eine natürliche Bundeskompetenz: BVerfG E 39, 96 (107f.); H. H. Klein in: FG BVerfG 11, S. 273 (28lf.); Pauker, DöV 1983, 64ff. Vgl. zur Entwicklung der Staatspraxis: GrafVitzthum, VVDStRL 46 (1988), 7 (39 Fußn. 109, 176f.). 114 Man ist sich heute einig, daß es sich bei der Länderkooperation um eine auch von der Verfassung gebilligte legitime Alternative handelt: BVerfG E 12, 205 (25lf.); 26, 246 (257); 73, 118 (196f.); BVerwG E 22, 299 (308); Oppermann, Kuiturverwaltungsrecht, S. 599ff.; Kisker, Kooperation, S. 94ff.; Pietzcker, Zusammenarbeit, S. 57. Anders noch: Troeger-Gutachten, Tz. 41. Graf Vitzthum, VVDStRL 46 (1988), 7 (39 Fußn. 108) sieht in der Länderkooperation eine "Alternative zum weiteren Anschwellen gesamtstaatlicher Kompetenzen".

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hat; es läßt sich nämlich kein Fall denken, in denen ein gemeinsames Vorgehen der Länder unmöglich, d. h. aus logischen Gründen ausgeschlossen erscheint. Jede Bundesentscheidung läßt sich mindestens theoretisch durch eine gemeinsame Entscheidung der Länder ersetzen. Dies gilt selbst für die klassischen Fälle einer natürlichen Bundeskompetenz: Warum sollten sich beispielsweise die Länder nicht über den Ort der Bundeshauptstadt oder die Bundessymbole einigen können?115 Hier mag zwar die Bundesregelung sinnvoller erscheinen; mit einer "Unmöglichkeit der Länderregelung" läßt sich das aber nicht begründen. Auch die immer wieder zu beobachtende Schwerfälligkeit von Länderkooperation 116 und die damit verbundenen schlechteren Verwirklichungschancen lassen sich nicht einfach mit "Unmöglichkeit" gleichsetzen. Das wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn die Kompetenzordnung des Grundgesetzes in jedem Fall eine schnelle und effiziente Kompetenzerfüllung voraussetzt, bei dem ein Versagen der Länder zur Kompetenz des Bundes führt. Das ist jedoch nicht der Fall: Dem Grundgesetz liegt kein dynamisches, sondern ein statisches Konzept der Kompetenzverteilung zugrunde. Eine Kompetenz ist dem Bund oder den Ländern endgültig - d. h. bis zu einer Verfassungsänderung - zugewiesen; es spielt keine Rolle, ob die Kompetenzträger überhaupt die ihnen zugewiesene Aufgabe durchführen oder wie lange sie dazu benötigen. Auch unter Effizienzgesichtspunkten läßt sich deshalb eine "Unmöglichkeit der Länderregelung" nicht konstruieren. Letztlich ist kein Fall denkbar, in dem die Länder, sei es allein oder gemeinsam, eine Aufgabe nicht erfüllen könnten. Die Formel von der "Unmöglichkeit einer Länderregelung" scheidet somit als Begründung natürlicher Bundeskompetenzen aus. b) Kompetenz für nationale oder gesamtstaatliche Repräsentation Im Kulturhaushalt des Bundes finden sich jedes Jahr Titel wie "Förderung gesamtstaatlich bedeutsamer Vorhaben aus den Bereichen Kunst und Kultur", "Ausbau und Neubau von Museen von gesamtstaatlicher repräsentativer Bedeutung", "Erhaltung und Wiederaufbau von Baudenkmälern mit besonderer nationaler kultureller Bedeutung". Ähnliche Äußerungen finden sich bei der Subventionierung kultureller Veranstaltungen in Berlin, der Filmförderung oder der Kulturstiftung der Länder 117 • Immer wieder soll hier ein verEbenso Bullinger, Mineralölfernleitung, S. 73. So dauerte es über 15 Jahre, bis aus dem Projekt einer "Nationalstiftung" die "Kulturstiftung der Länder" erwuchs. Auch die Querelen um den Staatsvertrag zur Neuordnung des Rundfunkwesens vom 5. April 1987 legen es nahe, die Effizienz der Länderkooperation mit Skepsis zu betrachten. 117 Bundesregierung, Antwort auf die große Anfrage der Fraktionen der SPD sowie der CDU/CSU und FDP zur Kulturpolitik, BT Drucks. 10/2236, S. 4. Vgl. außerdem die zahlreichen Beispiele in Kap. 2 § 5. Vgl. schon ähnliche Äußerungen bei: Köttgen, Kulturpflege, S. 106f.; Kölble, DöV 1963, 660 (668). 115

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meintliches Bedürfnis nach nationaler oder gesamtstaatlicher Repräsentation kulturpolitische Aktionen des Bundes kompetenzrechtlich absichern. Nach Ansicht der Troeger-Kommission handelt es sich dabei um alle Aufgaben und Befugnisse, "in denen der Gesamtstaat sich selbst, d. h. seine Existenz, seine Staatshoheit oder seine besondere Eigenart zur Darstellung bringt" (gesamtstaatliche Repräsentation), und um die "Förderung geschichtlich, wissenschaftlich oder künstlerisch bedeutsamer Einrichtungen und Veranstaltungen, in denen die Leistungen, die Tradition oder das Ansehen des Deutschen Volkes als einer Kulturnation sinnfällig zum Ausdruck kommen" (Nationale Repräsentation )118. Zweifellos ist die "Selbstdarstellung des Staates" eine legitime "staatliche" Aufgabe, die in jedem Gemeinwesen irgendwie erfüllt werden muß119. Die Struktur des Grundgesetzes verbietet es jedoch, die als Selbstdarstellung verstandene "nationale Repräsentation", soweit sie den Bereich eines Landes überschreitet, automatisch zur Bundesangelegenheit kraft "Natur der Sache" zu erklären. Wie bei anderen klassischen Staatsaufgaben 120 ist auch die nationale Repräsentation keine ausschließliche Domäne des Bundes. Auch die Länder oder Gemeinden können den Gesamtstaat wirksam repräsentieren. Es liegt geradezu in der deutschen Verfassungstradition, daß vor allem Länder und Gemeinden, nicht der Bund die kulturelle Repräsentation des Gesamtstaates wahrnehmen. So ist beispielsweise die Theater- und Museumslandschaft in Deutschland seit jeher durch einen kulturellen Pluralismus, ein Nebeneinander international bedeutsamer regionaler und lokaler Zentren geprägt, die den Ruf Deutschlands als Kulturnation begründen 121 . Wie häufig üben beispielsweise beim Empfang von Staatsbesuchen Ministerpräsidenten oder Bürgermeister national-repräsentative Funktionen aus?122 Insofern reicht es für eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache nicht aus, pauschal auf die nationale oder gesamtstaatliche Bedeutung einer Maßnahme hinzuweisen; es bedarf konkreter Belege aus dem Grundgesetz, um hier eine Zuständigkeit des Bundes zu begründen. So lassen sich viele nationalrepräsentative Maßnahmen des Bundes ohne weiteres mit Annexkompetenzen rechtfertigen: Der gesamte Bereich der "Nationalen Repräsentation im Ausland" ist legitimer Teil der Pflege der auswärtigen Beziehungen, für die der Bund über entsprechende ausdrückliche Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen verfügt 123. Ebenso ist die 118 Troeger-Gutachten, Tz. 94f. Selbst diese "Definition" bleibt strenggenommen mehrdeutig. Sie kann sowohl eine Art nationale "Imagepflege" umreißen, auf eine "Repräsentation" der Nation abzielen oder aber nur besonders bedeutende Einrichtungen (z. B.: "national bedeutsame Sammlungen") bezeichnen. 119 Stern, StaatsR I, § 9 III, S. 282ff. 120 Bullinger, Mineralölfernleitungen, S. 73. 121 Näher dazu Kap. 2 § 5 IV. 122 Graf Vitzthum, Außenpolitik, S. 80.

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Selbstdarstellung der Bundesregierung im Inland (Stichwort: Presse- und Informationsamt) kompetenzrechtlich unbedenklich, weil sie nur dazu dient, die Arbeit der Regierung zu unterstützen. Auch im Wissenschaftssektor dienen viele Maßnahmen (nebenbei) der "Nationalen Repräsentation"; angesichts der ausdrücklichen Bundeskompetenzen aus Art. 74 Nr. 13 und 91 b GG denkt heute niemand mehr daran, hier eine Kompetenz kraft "Natur der Sache" für den Bund zu reklamieren. Für den Bereich der Kunst-, Film- und Museumsförderung oder Fragen des Denkmalschutzes versagt diese Konstruktion; hier fehlt es regelmäßig an einer denkbaren "Haupt"-Kompetenz, von der sich eine "Annexkompetenz" zur Nationalrepräsentation ableiten ließe. Wer hier trotzdem für eine Bundeskompetenz plädiert, muß zwei Argumente entkräften: Zum einen wird meist übersehen, daß jede natürliche Bundeskompetenz notwendigerweise eine "ausschließliche" Kompetenz ist 124 • Dies folgt schon aus ihrer dogmatischen Konstruktion als einer Zuständigkeit für Aufgaben, die die Länder der Sache nach nicht sinnvoll erledigen können. Bejaht man also eine Bundeskompetenz kraft "Natur der Sache", verbietet man automatisch den Ländern ein Tätigwerden; sobald der Bund seine Kompetenz ausschöpft, dürfen die Länder nicht mehr aktiv werden. Die Erfahrungen in der Staatspraxis laufen allerdings in eine andere Richtung: Der Bund versteht seine Förderung "nationalrepräsentativer" Veranstaltungen immer nur als Zusatzförderung, die neben die Förderung durch ein oder mehrere Bundesländer tritt. Damit erkennt er automatisch an, daß die Länder die fragliche Aufgabe erfüllen können. Sind aber die Länder legitimiert, die "nationalrepräsentative" Aufgabe wahrzunehmen, schließt dies wiederum qua definitione eine Kompetenz des Bundes kraft Natur der Sache aus. Letztlich kann man dem Bund also nur dann eine natürliche Kompetenz für Fragen der Nationalrepräsentation zubilligen, wenn man die Länder von einer gleichzeitigen Förderung völlig ausschließt oder sie auf die Unterstützung der nicht nationalrepräsentativen Teile einer Maßnahme beschränkt. Selbst die heftigsten Verfechter natürlicher Bundeskompetenz dürften diese Konsequenz im Ergebnis ablehnen. Zum anderen stecken hinter einer Kompetenz für "Nationale Repräsentation" erhebliche Definitionsprobleme, die letztendlich die gesamte Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu untergraben drohen. Soll die Kompetenz für "Nationale Repräsentation" dem Bund nämlich ermöglichen, national herausragende Projekte zu unterstützen oder ganz zu tragen, muß entschieden werden, was "national bedeutsam" ist und was nicht. Was heißt aber "national bedeutsam" und wer trifft die Auswahl? Da das Prädikat "gesamtstaatlich besonders bedeutsam" in der Praxis Bundesmittel verheißt, wären Museen, 123

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Art. 73 Nr. 1 (Auswärtige Angelegenheiten), 87 Abs. 1 (Auswärtiger Dienst). v. Münch in: ders., GGK, Art. 70 Rz. 21; Wipfelder, DVBI. 1982,477 (483).

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Künstler, Orchester oder Burgenvereine schlecht beraten, freiwillig auf dieses Gütesiegel zu verzichten 125 • Überläßt man jedoch - wie manche Verlautbarungen der Bundesregierung es andeuten - dem Bund die Entscheidung, könnte er unter Berufung auf die "nationale Bedeutung" eines Projekts nach freiem Belieben in kulturelle Kernbereiche der Länder eindringen. Theoretisch würde ihn nichts mehr hindern, die Lehrpläne in den Schulen oder die Spielpläne einzelner Theater für national bedeutsam zu erklären und deshalb an sich zu ziehen. Dem Bund wäre plötzlich eine Formel an die Hand gegeben, mit der er seine Kompetenzen beliebig ausweiten kann; die im Grundgesetz festgelegte Machtverteilung zwischen Bund und Ländern bräche in sich zusammen. Insofern läßt sich eine allgemeine Bundeskompetenz für "Nationale" oder "Gesamtstaatliche Repräsentation" nicht mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vereinbaren. Zu Recht hat das Bundesverfassungsgericht deshalb im ersten Fernsehurteil entsprechenden Konstruktionen der Bundesregierung eine Absage erteilt: "Aus der Notwendigkeit nationaler Repräsentation nach innen, d. h. der Selbstdarstellung der Nation vor der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, kann eine natürliche Bundeskompetenz zur Veranstaltung von Rundfunksendungen ebensowenig abgeleitet werden wie aus dem Gebot, die ,kontinuitätsbewahrende Tradition' zu pflegen. Sicherlich ist es notwendig, diese Dinge von Staats wegen zu fördern. Es ist aber unverkennbar, daß mit ihnen Aufgaben bezeichnet sind, die sich einer näheren Bestimmung entziehen. Es gibt viele Institutonen und Veranstaltungen kultureller Art, die der nationalen Repräsentation nach innen zu dienen bestimmt sind ... Aus der Natur der Aufgabe ,nationale Repräsentation nach innen' und ,Pflege kontinuitätsbewahrender Tradition' folgt nicht begriffsnotwendig, daß ihre Förderung durch Rundfunksendungen des Bundes zwingend geboten ist. "126

c) Kompetenz wegen "eindeutiger Überregionalität" , insbesondere die Zuständigkeit für "zentrale Einrichtungen", "gesamtdeutsche oder internationale Aufgaben" Mit einer Kompetenz kraft "Überregionalität" versucht die Staatspraxis im Kultursektor die Bundeszuschüsse an länderübergreifende Verbände von 125 Hufen, BayVbl. 1985, 1 (37). Ein Beispiel für diese Definitionsprobleme liefert der Deutsche Museumsbund: Dieser Fachverband erhält vom Bund seit mehreren Jahren einen Zuschuß zur Herausgabe einzelner Hefte seiner Zeitschrift "Museumskunde", wenn sie "gesamtstaatliche Bedeutung" haben. Nach Ansicht des Museumsbundes ist dies der Fall, wenn die einzelne Ausgabe "zu wesentlichen Teilen" Beiträge enthalte, die für die Museen und ihre Arbeit in der ganzen Bundesrepublik wichtig sind. So habe z. B. die Besprechung eines Museumsneubaus keine gesamtstaatliche Relevanz, wohl aber Fragen, wie sie zumeist bei den Jahrestagungen des Vereins erörtert werden, z. B. Ausbildung fürs Museum, Technik und Technikkritik im Museum, bedrohtes Museumsgut, politischer Anspruch an historische Museen. 126 BVerfG E 12, 205 (252f.) - Hervorhebung im Original.

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Kap. I: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

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Künstlern, zentrale Museen oder Forschungsinstitute sowie internationale Festspiele zu rechtfertigen. Als Beleg für eine solche Kompetenz dient eine Passage aus dem Jugendwohlfahrtsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1967: "Im Falle des § 25 Abs. 1 JWG sind diese strengen Voraussetzungen [der oben zitierten Formel zur "Natur der Sache"] aber nur dann erfüllt, wenn die Bundesregierung solche Bestrebungen ... fördert, die der Aufgabe nach eindeutig überregionalen Charakter haben. Es muß sich um Bestrebungen handeln, die ihrer Art nach nicht durch ein Land allein wirksam gefördert werden können. Die Förderung von Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendpflege durch den Bund wäre demnach zulässig z. B. bei zentralen Einrichtungen, deren Wirkungsbereich sich auf das Bundesgebiet als Ganzes erstreckt, bei gesamtdeutschen Aufgaben und bei internationalen Aufgaben. "127

Das Gericht ging hier offensichtlich davon aus, daß die zentrale Entscheidung des Bundes besser, effektiver ist als entsprechende dezentrale, eventuell voneinander abweichende Regelungen der Länder 128 • Das entsprach 1967 dem Zug der Zeit; im Jahr zuvor hatte das Troeger-Gutachten zur Finanzreform ähnliche Thesen vertreten 129 • Welche Kriterien allerdings die bessere "Wirksamkeit" der Bundesregelung im konkreten Fall ausmachten, warum die Länder die betreffende Aufgabe nicht genauso "wirksam" erfüllen können, ließ das Gericht unerörtert 130 • Auch der von der Troeger-Kommission übernommene l3l Hinweis auf "zentrale Einrichtungen", "internationale" oder "gesamtdeutsche" Aufgaben kann diese Begründung nicht ersetzen: - Für eine Bundeszuständigkeit zur Förderung zentraler Organisationen spricht zwar, daß es diesen Organisationen aufgrund ihres länderübergreifenden Tätigkeitsfelds an einem eindeutigen Anknüpfungspunkt zu einem Bundesland fehlt; überregional tätige Verbände oder andere zentrale Organisationen haben meist erhebliche Schwierigkeiten, die Länder zu einer Förderung zu überreden, da ihre Tätigkeit nicht in jedem Fall unmittelbar den Landeskindern zugute kommen muß. Solche Zweckmäßigkeitserwägungen allein reichen jedoch nicht aus, um eine Bundeskompetenz kraft "Natur der Sache" zu begründen 132 • Im Gegenteil: Die Zuweisung einer BVerfG E 22,180 (217) - Hervorhebung im Original. Kritisch zu einer solchen Gleichsetzung von Effizienz und Zentralität: Hufen, BayVbl. 1985, 1 (41ff.). 129 Troeger-Gutachten, Tz. 93, 98ff., 104f. 130 Kritisch deshalb: Müller- Volbehr, Fondskompetenz, S. 109; Wieland, Ausgabenkompetenz, S. 144f 131 Zu Recht kann man zweifeln, ob die Ergebnisse der Troeger-Kommission sich überhaupt unbesehen verwerten lassen. Die Kommission ging nämlich - entgegen der heute h. M. [Kap. 1 § 3 III 2a, Fußn. 114]- davon aus, daß Kooperation unter den Ländern oder gar Gemeinschaftseinrichtungen der Länder nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien (Tz. 41). Danach bestand hier eine rechtliche Unmöglichkeit des Länderhandelns und eine Bundeskompetenz war beinahe zwingend erforderlich. 127

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Kompetenz nach der (zentralen) Organisationsform wäre ein Sonderfall, der nicht in den allgemeinen Rahmen der Kompetenzordnung passt. Das Grundgesetz verteilt Kompetenzen grundsätzlich nicht nach Organisationsformen, sondern immer nur nach Sachmaterien. Durchbricht man diese Regel, wäre es völlig ins Belieben des Trägers einer Organisation gestellt, ob der Bund oder die Länder zuständig sind. Die Aufgabenverteilung des Grundgesetzes ließe sich durch organisatorische Maßnahmen beliebig unterlaufen 133 ; die Kompetenzordnung könnte nicht mehr die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern gewährleisten. Eine materienübergreifende Bundeszuständigkeit für alle zentralen Organisationen widerspricht somit dem Sinn und Zweck der Kompetenzverteilung und ist verfassungswidrig 134 • - Eine Bundeszuständigkeit für internationale Aufgaben läßt sich ebenfalls nicht aus dem Grundgesetz ableiten. Art. 32 Abs. 1 GG weist zwar die Beziehungen zu Völkerrechtssubjekten in erster Linie dem Bund zu; aber schon Art. 32 Abs. 3 GG belegt, daß auch die Länder auswärtige Politik betreiben und im Rahmen ihrer (Sach-)Kompetenzen getrennte Regelungen mit dem Ausland treffen können 135 • Art. 32 GG gilt im übrigen nur für die Beziehungen der Bundesrepublik zu Völkerrechtssubjekten 136 . Insofern sind Länder und Gemeinden nicht daran gehindert, Kontakte mit ausländischen natürlichen oder juristischen Personen zu pflegen, die keine Völkerrechtssubjekte sind 137 • Das kann im Einzelfall sogar von der Sache her zwingend erforderlich sein; gerade heute, in einer Zeit wachsender internationaler Verflechtung, können viele Aufgaben nur noch grenzüberschreitend bewältigt werden. Soweit das Grundgesetz hier die Länder oder Gemeinden für zuständig erklärt, muß man ihnen auch das Recht zubilligen, die damit verbundenen Probleme sachgerecht, d. h. über internationale Kontakte zu lösen. Kompetenzrechtlich läßt sich dies ohne weiteres mit Annexkompe\32 Vgl. BVerfG E 11, 6 (18); 22,180 (217); 41, 298 (312); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 192f.; v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 83 Anm. IV 5e, S. 2120; Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83, Rz. 48 (sub aa). 133 Darauf weist schon das Troeger-Gutachten, Tz. 104f., ausdrücklich hin. 134 Ebenso: Müller-Volbehr, Fondskompetenz, S. 119. Vgl. aber die Beispiele: Kap. 2 § 5 VII 1b. 135 Nach allgemeiner Ansicht können sich die Länder entgegen dem Wortlaut des Art. 32 Abs. 3 GG hier nicht nur auf ihre Gesetzgebungs-, sondern ebenso auf ihre Verwaltungskompetenzen berufen. Vgl. Stern, StaatsR I, § 19 III 3e, S. 694f.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 141. Art. 32 Abs. 3 GG umfaßt außerdem als "Annex" das Recht, ohne Zustimmung des Bundes im Vorfeld eines Vertragsschlusses Kontakte zu auswärtigen Staaten aufzunehmen. Vgl. Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 36; . Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 145. 136 Einhellige Meinung: BVerfG E 2,347 (374); Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 14; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 10; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 84. 137 BVerfG E 2, 347 (369,374f.); Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 617. Graf Vitzthum, Außenpolitik, S. 79f.

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Kap. 1: Kulturpolitische Bundeskompetenzen - Vorgaben im GG tenzen erklären; die Zuständigkeit für internationale Fragen folgt als "Annex" der Kompetenz in der Sache l38 • Kulturaustausch auf der Ebene der Länder oder Regionen ist deshalb verfassungsrechtlich ebenso unbedenklich wie Städtepartnerschaften oder die Auslandskontakte Privater l39 . Das Grundgesetz weist internationale Aufgaben nicht pauschal in die Kompetenz des Bundes, sondern verteilt sie - wie andere Materien auch - auf Bund, Länder und Gemeinden l40 . Eine umfassende und definitionsgemäß ausschließliche natürliche Bundeskompetenz für "internationale Aufgaben" ist deshalb nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

- Ebensowenig ist der Bund umfassend und allein für gesamtdeutsche Aufgaben zuständig, wenn man darunter wie die Troeger-Kommission die "Förderung der Wiedervereinigung" und die "Sorge für die Deutschen aus den Vertreibungsgebieten und aus der SBZ" (sie!) versteht l4l . Zwar läßt sich für die Beziehungen zur DDR (als Völkerrechtssubjekt) eine Bundeszuständigkeit nach Art. 32 Abs. 1 GG (analog) begründen l42 ; dagegen sind die Beziehungen zu Bezirken, Gemeinden oder Bürgern der DDR oder anderer ursprünglich deutsch stämmiger Regionen in Osteuropa keine exklusive Domäne des Bundes. Hier entscheidet - wie schon bei den internationalen Aufgaben - die jeweilige Kompetenz in der Sache, ob Bund, Länder oder Gemeinden zuständig sind. Der gesamtdeutsche Aspekt bildet nur einen "Annex". Das gleiche gilt für die Berufung auf das Wiedervereinigungsgebot der Präambel. Dieses Gebot verpflichtet den Bund ebenso wie Länder und Gemeinden l43 . Auch diese können und sollen im Rahmen ihrer (Sach-) Kompetenzen Maßnahmen mit gesamtdeutscher Wirkung fördern l44 . Auch 138 Ebenso: Graf Vitzthum, Außenpolitik, S. 83 f. Dort (S. 79ff.) auch zu den Grenzen einer Außenpolitik der Gemeinden. Vgl. außerdem: Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 35ff. m. w. N. 139 Grewe in: HdBStaatsR III, § 77, Rz. 82 a. E., 83ff. Beispiele bei: GrafVitzthum, Außenpolitik, S. 76f.; Hufen, BayVbl. 1985,1 (7); Arnold in: Die Zeit Nr. 31 v. 29. Juli 1988, S. 14. 140 Tomuschat, VVDStRL 36 (1978), 7 (23f.); GrafVitzthum, Außenpolitik, S. 80. 141 Troeger-Gutachten, Tz. 100. 142 Heute h. M.: BVerfG E 36,1 (22ff.); Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 11; Bleckmann, Grundgesetz, S. 203; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 83, Fußn. 371. 143 BVerfG E 5, 85 (127f.); 36, 1 (17f.); Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 30, Rz. 22. 144 Insofern läßt es sich auch nicht mit dem Grundgesetz vereinbaren, die vielfältigen, gerade auch kulturellen Aktivitäten des Bundes in Berlin (West) mit der Förderung der Wiedervereinigung zu rechtfertigen [So aber: Troeger-Gutachten, Tz. 100]. Sicherlich steigern vom Bund subventionierte Festspiele, Ausstellungen oder Museen die Attraktivität des Westteils der Stadt und sichern seine Bindung an die Bundesrepublik ab. Die Förderung der Wiedervereinigung bleibt dabei aber eher Nebenprodukt als Schwerpunkt und muß insofern bei der kompetenzrechtlichen Zuordnung außer Betracht bleiben.

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die Berufung auf "gesamtdeutsche Belange" kann also dem Bund keine neue Kompetenz in der Sache erschließen 145 • Insgesamt betrachtet versagt somit die Formel der "eindeutigen Überregionalität" als Begründung für eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache. Die Aussagen des Bundesverfassungsgericht im Jugendwohlfahrtsurteillassen sich nicht stichhaltig aus dem Grundgesetz belegen; sie bleiben eine petitio principii 146 und lassen vermuten, daß das Gericht - trotz aller gegenteiliger Beteuerung - bloßen Zweckmäßigkeitserwägungen folgte 147 •

3. Taugliche Begründungen für Kompetenzen kraft Natur der Sache Wenn die bisher beschriebenen Versuche, die Bundeskompetenzen kraft Natur der Sache zu präzisieren, versagen, liegt dies vor allem daran, daß jeweils pauschalierend ganze Aufgabengruppen dem Bund zugeschlagen werden. Das widerspricht dem Charakter einer Kompetenz kraft Natur der Sache: Als Ausnahme greifen natürliche Kompetenzen immer nur im Einzelfall und verschließen sich damit einer Gruppierung nach inhaltlichen Kriterien. Am Einzelfall bleibt jeweils zu entscheiden, ob sich die Kompetenz des Bundes aus der Verfassung begründen läßt, wie weit sie reicht und wie weit sie daneben den Ländern noch ein Tätigwerden erlaubt. Im Rahmen einer Gesamtabwägung lassen sich dann zwar auch Überlegungen zu Verwirklichungschancen, überregionaler und gesamtstaatlicher Bedeutung anstellen; für sich allein genommen verallgemeinern solche Wertungen aber zu sehr und geraten gleichsam automatisch in Gegensatz zu konkreten Vorgaben der Verfassung. Eine nähere Beschreibung natürlicher Bundeskompetenzen nach inhaltlichen Kriterien ist deshalb von vorneherein zum Scheitern verurteilt. Erfolgversprechender ist ein anderer Ansatz: Es gilt die Methode zu beschreiben, mit denen sich natürliche Kompetenzen aus der Verfassung herausfiltern lassen. Nicht nach ihrem Inhalt, sondern nach ihrer Herleitung aus dem Grundgesetz lassen sich Kompetenzen kraft Natur der Sache kategorisieren. Dem entspricht die allgemeine Forderung der staatsrechtlichen Literatur, daß natürliche Kompetenzen nur durch (ergänzende) Auslegung ermittelt werden können, d. h. im Einzelfall aus der Verfassung zu begründen sind. 145 Großzügiger jetzt ein vertrauliches Dokument der KMK: "Vorschläge zur Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern in kulturellen Angelegenheiten - Entwurf einer Stellungnahme der Kultusministerkonferenz gegenüber der Ministerpräsidentenkonferenz - in der Fassung aufgrund der Beratungen in der 110. Amtschefskonferenz vom 9.9. 1988", S. 12. 146 Ähnlich: Bullinger, AöR 96 (1971), 237 (273). 147 Ebenso: Bull in: AK-GG, Art. 83 Rz. 19f.; Broß in: v. Münch, GGK, Art. 83, Rz. 5. Tatsächlich hat das Gericht in einer späteren Entscheidung [BVerfG E 41, 291 (312)] den Gesichtspunkt der "Überregionalität" auch nicht mehr anerkannt und als reine Zweckmäßigkeitserwägung abgetan.

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Kap. I: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

Allerdings eignen sich nur wenige Methoden dazu, natürliche Kompetenzen zu ermitteln: Die Analogie, die ergebnislose Suche nach Anknüpfungspunkten im Inland und - in der Praxis am wichtigsten - die gemeinsame, einzelfallbezogene Interpretation der Verfassung durch Bund und Länder. a) Kompetenz kraft Analogie Die Analogie gilt schon seit langem als eine zulässige Methode, natürliche Bundeskompetenzen zu bestimmen 148 • Die Lösung, die das Grundgesetz für ein bestimmtes Problem anbietet, wird auf ein anderes vergleichbares Problem übertragen, zu dem die Verfassung schweigt. So wird die Bundeskompetenz für die Bundessymbole oder den Sitz der Bundesregierung mit einer Analogie zu Art. 22 GG (Bundesflagge) begründet 149 . Auf dieselbe Analogie läßt sich das Recht des Bundes stützen, eigene Orden, Filmpreise oder Titel im Rahmen von Bundeswettbewerben wie "Jugend forscht" zu verleihen 150. Regelmäßig wird auch die Kompetenz des Bundes für innerdeutsche Fragen mit einer Analogie zu Art. 32 GG (Auswärtige Gewalt) begründet l51 • Zu dieser verbreiteten Praxis bleibt jedoch eines kritisch anzumerken: Die Befürworter dieser Analogien gehen meist darüber hinweg, die für einen Analogieschluß erforderliche "Lücke" in der Kompetenzverteilung nachzuweisen 152 . Die Frage unterbleibt angesichts der ins Auge fallenden Parallelität der Interessenlagen: Auswärtige Beziehungen - Beziehungen zur DDR; Bundesflagge - andere Nationalsymbole. Gerade die Ähnlichkeit der Fallkonstellation deutet jedoch darauf hin, daß es sich um unbewußte Regelungslücken der Verfassungsgeber handelt, die sie, hätten sie sie nur erkannt, entsprechend ausgefüllt hätten. Man wird es kaum für eine bewußte Auslassung halten, wenn der Verfassungsgeber zwar die Frage der Bundesflagge regelt, nicht aber 148 Achterberg, AöR 86 (1961), 63 (67ff.); Bullinger, AöR 96 (1971),237 (271ff., 280f.); Stern, StaatsR II § 37 II 5b, S. 612f.; Stettner, Kompetenzverteilung, S. 434f.; Bothe in: AK-GG, Art. 30 Rz. 15. 149 Bullinger, Mineralölfernleitungen, S. 75. 150 Theilen, Bund, S. 64; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 543f. Zu nennen sind hier der vom Bundesminister des Innern bezuschußte Orden Pour le merite für Wissenschaften und Künste [Dazu: Satzung des Ordens i. d. F. v. 27. Juni 1963, geänd. am 4. Juni 1969, genehmigt vom Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und dem Bundesminister des Innern], die Pro Musica und Zelter Plaketten [dazu: Innenpolitik Informationen des BMI 1986, Nr. IV, S. 7] oder Schülerwettbewerbe wie ,,Jugend forscht" oder "Jugend schreibt" [Dazu: Mehr Raum für Kultur, S. Uf., 49f.]. Vgl. außerdem das Gesetz über Titel,Orden und Ehrenzeichen - Ordensgesetz - v. 26. Juli 1957 (BGBl. I S. 844) zul. geänd. d. G. v. 2. März 1974 (BGBl. I S. 469). 151 Dazu bereits oben § 3 III 2c. 152 Kisker, Kooperation, S. 27f. Nach modernem Verständnis bedarf es dazu allerdings weniger eines logischen Schlusses als vielmehr der Wertung, daß ein Bedürfnis für eine Regelung besteht. Statt aller: Esser, Vorverständnis, S. 183ff.; Zippelius, Methodenlehre, S. 61 f.

§ 3 Stillschweigende Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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die anderen Bundessymbole und -ehrenzeichen. Insofern erweist sich zwar die Analogie als ein taugliches Mittel, Kompetenzen kraft "Natur der Sache" nachzuweisen. Außerhalb des Bereichs der Staats symbole und der innerdeutschen Beziehungen ist angesichts der Art. 30, 70, 83, 104 a GG der Nachweis entsprechender Lücken so gut wie unmöglich. In der Praxis hält sich somit die Bedeutung der Analogie für die Begründung natürlicher Kompetenzen in Grenzen. b) Kompetenz mangels Anknüpfungspunkt im Inland Die herrschende Meinung bejaht eine Bundeskompetenz kraft "Natur der Sache" in all den Auslandssachverhalten, in denen sich kein Anknüpfungspunkt zu irgendeinem Bundesland nachweisen läßt l53 . Klassisches Beispiel ist die Einbürgerung eines im Ausland wohnhaften Ausländers. Im Kulturbereich zählen vor allem die unabhängigen Auslandsschulen dazu, außerdem deutsche Forschungs- und Kunstförderungseinrichtungen im Ausland l54 . Ausschlaggebend ist das völlige Fehlen eines Anknüpfungspunktes in der Bundesrepublik, nicht eine vermeintlich überwiegende nationale oder internationale Bedeutung l55 , die die Maßnahme über ihren regionalen Bereich hinaushebt. Eine Bundeskompetenz "mangels Anknüpfungspunkt" scheidet deshalb sofort aus, wenn eine Kultureinrichtung im Ausland - wie die meisten Mittlerorganisationen Auswärtiger Kulturpolitik 156 - einer (Leitungs-)Zentrale in Deutschland untersteht oder einen abgegrenzten regionalen Bezug zu einem bestimmten Bundesland aufweist l57 . An der Kompetenz "mangels Anknüpfungspunkt" hat in der jüngsten Zeit

Fastenrath Kritik geübt l58 . Seiner Ansicht nach ist sie nur im Rahmen der aus-

wärtigen Eingriffs-, nicht aber der auswärtigen Leistungsverwaltung berechtigt. Nur im Rahmen der Eingriffsverwaltung sei ein nach außen hin einheitliches Handeln (der Bundesrepublik) erforderlich. Im Rahmen der Leistungsverwaltung schade das gleichzeitige Tätigwerden von Bund und Ländern nicht. Im Gegenteil: es fördere vielmehr die Vielfalt des Angebots. Dabei übergeht Fastenrath stillschweigend das Problem, daß Eingriffs- und Lei153 OVG Hamburg, DöV 1961, 111ff.; Thieme, Kulturordnung, S. 72; v. MangoldtKlein, GG, Art. 83, Anm. IV 5a, S. 2112; Wolff-Bachof, VerwR I, § 50 IVa, S. 422; Stern, StaatsR 11, § 41 IV 5b, S. 784; Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83 Rz. 48 (sub cc). 154 Dazu näher unten Kap. 2, § 4 III, 5 11 3, VII 1. 155 Zur Problematik einer solchen Abwägung: Thieme, Kulturordnung, S. 72. 156 Näher dazu unten Kap. 2 § 4 H. 157 Arnold in: Die Zeit Nr. 31 v. 29. Juli 1988 weist daraufhin, daß die Länder mittlerweile über dreißig eigene "Vertretungen" oder "Stützpunkte" im Ausland errichtet haben. 158 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 175 ff.

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Kap. I: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

stungsverwaltung nicht scharf voneinander zu trennen sind. Auch in der Leistungsverwaltung verteilt das Grundgesetz mit der Kompetenzordnung die staatliche Machtausübung zwischen Bund und Ländern und verbietet eine doppelte Kompetenz in derselben Sache 159 . Nicht zuletzt die Betroffenen selber haben ein Recht zu wissen, welche staatliche Instanz für sie zuständig ist. Für deutsche Kultureinrichtungen, die ihre Aktivitäten ausschließlich im Ausland entfalten, liegt es dabei näher, sich beim primär für außenpolitische Fragen zuständigen Bund um Förderung zu bemühen als bei den Ländern, die in der Außenpolitik eher auf die Wahrnehmung ihrer spezifischen regionalen Interessen beschränkt sind. Insofern bleibt es dabei: Eine Bundeskompetenz kraft Natur der Sache ist grundsätzlich anzuerkennen, wenn sich kein Anknüpfungspunkt im Inland finden läßt. Damit ist noch nichts über die Reichweite dieser Kompetenz ausgesagt. So könnte man hier den Bund darauf beschränken, den fehlenden Anknüpfungspunkt zu schaffen, d. h. ein bestimmtes Bundesland (per Gesetz) für diese Fälle zentral zuständig zu erklären. Die Kompetenz "mangels Anknüpfungspunkt" wäre dann nur eine Gesetzgebungskompetenz; der Vollzug dieses Bundesgesetzes müsste den Regeln der Art. 83ff. GG folgen l60 , läge also regelmäßig bei den Ländern. Dagegen sprechen erhebliche praktische Bedenken: Die möglichen Anwendungsfälle der Kompetenz mangels Anknüpfungspunkt lassen sich kaum vorhersehen; ein Gesetz für jeden einzelnen Fall wäre eine denkbar schwerfällige Lösung, die den tatsächlichen Entwicklungen notwendigerweise hinterherhinkt. Ein allgemeines Verweisungsgesetz hätte außerdem das politisch denkbar komplizierte Problem zu lösen, die Verwaltungszuständigkeiten unter Berücksichtigung der finanziellen Konsequenzen gerecht auf die Länder zu verteilen. Insofern ist eine Verwaltungskompetenz des Bundes in diesen Fällen die wesentlich befriedigendere Lösung161 • c) Gemeinsame Bestimmung der Kompetenzen kraft Natur der Sache durch Bund und Länder Während sich die Reichweite der Kompetenzen "kraft Analogie" oder "mangels Anknüpfungpunkt" in der Staatspraxis eher bescheiden ausnimmt, gewinnt die gemeinsame Bestimmung natürlicher Kompetenzen durch Bund und Länder immer größere Bedeutung162 • Unbeschränkt ist allerdings auch Dazu Kap. 1 § 1 11. Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83 Rz. 48 (sub cc). Vergleichbare Regelungen sind dem deutschen Recht keineswegs unbekannt: Vgl. § 15 Abs. 1 Satz 2 ZPO, § 15 b VerschG. 161 Im Ergebnis ebenso: Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83 Rz. 48 (sub cc). 162 Entsprechende Vorschläge finden sich schon bei: Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 592f., 602f.; Abelein, Kulturpolitik, S. 270. Restriktiver: Hufen in: Probleme des Föderalismus, S. 199 (216). 159

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§ 3 Stillschweigende Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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diese Möglichkeit nicht: Art. 79 GG verbietet eine "Neuverteilung" der Kompetenzen, es sei denn durch verfassungsänderndes Gesetz; Bund und Länder können also in keinem Fall durch gemeinsame Maßnahmen wie Verwaltungsabkommen oder Staatsverträge die Kompetenzgrenzen verschieben 163 . Art. 79 GG steht dagegen nicht einer gemeinsamen Auslegung von Kompetenzen im Wege l64 • Hier kann ein Lösungsversuch zur Präzisierung natürlicher Bundeskompetenzen ansetzen. Da im Grundsatz die Existenz natürlicher Kompetenzen außer Zweifel steht, können Bund und Länder gemeinsam die Verfassung auslegen und dabei feststellen, in welchen Fällen dem Bund tatsächlich eine Kompetenz "kraft Natur der Sache" zukommt. Es versteht sich von selbst: Eine solche gemeinschaftliche Kompetenzinterpretation läuft ständig Gefahr, de facto in eine verbotene Kompetenzverschiebung umzuschlagen. Allein deshalb muß sie noch nicht unzulässig sein, bedarf aber einer besonders kritischen Überprüfung. Wo die Trennungslinie zwischen Kompetenzauslegung und -verschiebung verläuft, zeigt sich an den folgenden zwei Beispielen aus der Staatspraxis: (1) 1971 hat die Bundesregierung unter Rückgriff auf einen Vorschlag der Troeger-Kommission den Ländern den Entwurf eines "Flurbereinigungsabkommens"165 für die Finanzierung öffentlicher Aufgaben vorgelegt. Danach sollte der Bund unter anderem die Förderung der "gesamtstaatlichen Repräsentation", der "Auslandsbeziehungen", der "Beziehungen im geteilten Deutschland", der "Großforschung" und der "zentralen Einrichtungen und Veranstaltungen nichtstaatlicher Organisationen" finanzieren. Der Entwurf greift also im wesentlichen auf Begründungsmuster zurück, die sich bereits oben als untauglich erwiesen haben. Insofern vermag er gerade nicht den 163 H. M.: BVerfG E 1,14 (35); 32, 145 (156); 39, 96 (108f.); 41, 291 (311); 63,1 (39); Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 164ff., 186ff., 212; Kisker, Kooperation, S. 202ff.; Stern, StaatsR I, § 19 III 3a, S. 673; Lerche in: Maunz-Dürig, GG, Art. 83, Rz. 95. 164 Grawert, Verwaltungs abkommen, S. 164. Skeptischer: Pietzcker, Zusammenarbeit, S. 60. Dies belegt nicht zuletzt Art. 91 b GG: Hier bestimmen Bund und Länder gemeinsam in Verwaltungsabkommen, welche Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung überregional so bedeutsam sind, daß sie sie gemeinsam unterstützen dürfen; das ist nichts anderes als eine gemeinsame Auslegung der Verfassung. 165 Abgedruckt in "Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden" hrsg. v. Bundesminister der Finanzen, Bonn 1982 und in "Gemeinsame Forschungsförderung durch Bund und Länder" hrsg. v. Bundesminister für Forschung und Technologie, 2. Aufl., Bonn 1980. Die Bundesregierung hat in ihrem Entwurf interessante Modifikationen gegenüber dem Vorschlag der Troeger-Kommission (Anlage 2 zum Gutachten) vorgenommen. Ganz gestrichen wurde die Zuständigkeit für "Förderung geschichtlich, wissenschaftlich oder künstlerisch bedeutsamer Einrichtungen und Veranstaltungen, in denen die Leistungen, die Tradition oder das Ansehen des deutschen Volkes als einer Kulturnation sinnfällig zum Ausdruck kommen (Nationale Repräsentation)"; die Kompetenz für "zentrale Einrichtungen" wurde auf den Bereich der Gesetzgebungskompetenzen des Bundes - nicht etwa der Verwaltungskompetenzen! beschränkt.

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Kap. 1: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Vorgaben im GG

Bereich natürlicher Bundeskompetenzen deutlicher herauszuschälen, erlaubt es dem Bund vielmehr unter Berufung auf gesamtstaatliche Repräsentation u.ä. tief in den Aufgabenbereich der Länder einzudringen 166 • Damit überschreitet das Abkommen die Grenze zwischen rein verfassungsinterpretierenden und verfassungsändernden Abkommen; der Abschluß des Flurbereinigungsabkommens scheiterte deshalb zu Recht am Widerstand der Länder. (2) Auch die beiden Abkommen zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder 167 lassen sich als kompetenzinterpretierendes Abkommen verstehen. Im Errichtungsabkommen haben sich die Länder darüber geeinigt, daß der Bund sich an der "Förderung von überregional und international bedeutsamen Kunst- und Kulturvorhaben" beteiligen darfl68 • Nach dem Zusatz abkommen stellt der Bund die für diese Projekte erforderlichen Mittel zur Verfügung 169 • Bei solcher pauschalen Beschreibung bleiben die Abkommen aber nicht stehen. Man hat sich vielmehr auf ein Verfahren geeinigt, das auch bei jeder einzelnen Förderentscheidungeine einstimmige Entscheidung von Bund und Ländern voraussetzt: Eine erste Auswahl haben Bund und Länder bereits im Zusatzabkommen getroffen; die Überarbeitung und Änderung dieser Projektliste obliegt wieder Bund und Ländern gemeinsam, wobei ein einstimmiger Beschluß notwendig ist 170 • Mit anderen Worten: Im Rahmen der Kulturstiftung legen Bund und Länder einzeln von Fall zu Fall fest, ob der Bund fördern darf, d. h. ob er über entsprechende Kompetenzen verfügt. In diesem Auswahlmechanismus liegt der entscheidende Unterschied zum Flurbereinigungsabkommen: Während dort dem Bund pauschal die "Gesamtstaatliche Repräsentation" zugeschrieben wurde, orientieren sich die Abkommen zur Kulturstiftung strikt am Einzelfall. Zwar stehen auch hier die Leerformeln "Überregionalität" und "internationale Bedeutung" im Hintergrund, es bleibt jedoch jeweils der gemeinsamen Entscheidung von Bund und Ländern überlassen, ob eine natürliche Bundeskompetenz im konkreten Fall anzuerkennen ist oder nicht l7l . Dem Bund ist es im Rahmen der Kulturstiftung nicht mehr möglich, aufgrund einer allgemeinen Formel einseitig in die kulturpolitischen Aufgabenbereiche der Länder einzudringen; vielmehr kann er sich nur noch dann eines Projekts annehmen, wenn Einigkeit über seine Ähnlich: Müller-Volbehr Fondskompetenz, S. 112ff. Abkommen zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder - AbkKultstftg - und Abkommen über die Mitwirkung des Bundes an der Kulturstiftung der Länder - AbkKultstftgBd -, beide vom 4. Juni 1987, abgedruckt in Berlin Abghs. Drucks. 10/1657. 168 § 2 Abs. 2 Nr. 4 AbkKultstftg. 169 § 2 Abs. 1 AbkKultstftgBd. 170 § 1 AbkKultstftgBd; §§ 2 Abs. 2 Nr. 4, 6 Abs. 6, 7 Abs. 1 AbkKultstftg. 171 Auch hier zeigt sich eine deutliche Parallele zu Art. 91iJ G. Auch dort ist in der Staatspraxis die Auslegung am Einzelfall orientiert. Die einzelnen Rahmen- und Ausführungsvereinbarungen listen jeweils die einzelnen Einrichtungen und Vorhaben der gemeinsamen Förderung auf; die Listen werden laufend revidiert und ergänzt. Näher dazu unten Kap. 6 § 16. 166 167

§ 3 Stillschweigende Kompetenzen des Bundes im Kultursektor

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Kompetenz herrscht. Das besondere an der Kulturstiftung der Länder 'ist dabei, daß die Kompetenzgrenzen nicht ein für allemal fixiert wurden, sondern daß die Kompetenzabgrenzung laufend überprüft und modifiziert wird, so daß man neuen Entwicklungen gerecht werden kann. Allein die strikte Orientierung am Einzelfall kann sicherstellen, daß Bund und Länder sich grundsätzlich im Rahmen zulässiger Kompetenzauslegung halten 172 • IV. Ergebnis

Insgesamt betrachtet ist der Spielraum des Bundes, eine eigene Kulturpflege zu betreiben, keineswegs so eng, wie häufig angenommen wird. Schon im Rahmen der ausdrücklichen Kompetenzen wird meist übersehen, daß dem Bund hier mit der Auswärtigen (Kultur-) Politik und der Forschungsförderung Aufgabengebiete zugewiesen sind, die ihm eine substantielle eigene Kulturarbeit gestatten. Auch auf verschiedene ausdrückliche Gesetzgebungskompetenzen (z. B. im Kulturgutschutz-, Urheber- oder Hochschulrecht) ist zu verweisen. Vor allem sind es aber die stillschweigenden Kompetenzen, die dem Bund eine Vielzahl kultureller Aktivitäten erlauben: So kann er mit Hilfe von Annexkompetenzen viele kulturelle Fragen bearbeiten, solange diese zur Unterstützung seiner allgemeinen Gesetzgebungs-, Regierungs- und Verwaltungsarbeit dienen. Zu denken ist dabei insbesondere an die Ressortforschung, die Selbstdarstellung des Bundes und seiner Organe sowie die kulturpolitische Abstimmung und Beratung mit den Ländern. Mit der Errichtung der Kulturstiftung der Länder sind schließlich viele Unsicherheiten im Hinblick auf die Kompetenzen kraft "Natur der Sache" beseitigt. Statt der verfassungswidrigen Berufung auf zu pauschale Formeln wie "Überregionalität", "Nationalrepräsentation" oder "Gesamtstaatliche Bedeutung" ist hier der verfassungsrechtlich zulässige Weg einer einzelfallbezogenen gemeinsamen Verfassungsauslegung durch Bund und Länder eingeschlagen. Gerade hier erscheinen die kulturpolitischen Aktivitäten des Bundes in den nächsten Jahren ausbaufähig.

172 Allerdings kann man immer noch an der Verfassungsmäßigkeit der konkreten Projektauswahl und der Finanzierung der Kulturstiftung zweifeln. Näher dazu unten Kap. 2 § 5 I. Letzte Bedenken könnte aber nur das Bundesverfassungsgericht ausräumen, das wohl niemand in die laufende (Kultur-)Verwaltung einschalten will.

Kapitel 2 Handhabung der Kompetenzen des Bundes zur Kulturpflege in der Staatspraxis § 4 Auswärtige Kulturpolitik

Im Rahmen der Kulturpolitik des Bundes nimmt die Auswärtige Kulturpolitik eine herausgehobene Stellung ein. Allein schon der jährliche Finanzaufwand mag dies belegen. Während im Bundeshaushalt 1988 insgesamt 2,491 Milliarden DM für Auswärtige Kulturpolitik veranschlagt sind l , belaufen sich die Ausgaben zur Förderung von Kunst und Kultur innerhalb der Bundesrepublik nur auf 15,665 Millionen DM2. Diese Gewichtung läßt sich zum einen mit der soliden Kompetenzgrundlage für die gesamte Außenpolitik des Bundes erklären, die auch von den Ländern in der Praxis anerkannt wird. Zum anderen zeigt sich darin die stetig wachsende Bedeutung Auswärtiger Kulturpolitik im Rahmen der gesamten Außenpolitik. Neben der klassischen Diplomatie und der Außenwirtschaftspolitik ist Kulturpolitik in den letzten Jahrzehnten immer mehr zur "Dritten Dimension" der Außenpolitik aufgestiegen, "die zur Höhe und Breite der politischen und Wirtschaftsbeziehungen auch noch die stabilisierende Tiefe kultureller Verbindungen erschließt"3. Dabei versteht sich Auswärtige Kulturpolitik heute keineswegs mehr - wie noch zum Anfang des Jahrhunderts - als "Kulturpropaganda", mit der die eigene Kultur einseitig dem Ausland vermittelt werden so1l4. Angestrebt ist 1 Davon 957 Millionen DM für Ausgaben in anderen Bereichen mit außen- und kulturpolitischer Wirkung. Kritisch zur Entwicklung des Haushalts für Auswärtige Kulturpolitik: Witte, Dialog, S. 57, 70ff.; Link in: läger-Link, Republik, S. 421f. 2 Allerdings sind in dieser Summe die meisten Bundesausgaben des Forschungssektors nicht erlaßt. Diese sind in den Kulturhaushalten des Bundes nur teilweise veranschlagt. So vergibt 1988 allein schon das Bundesministerien für Forschung und Technologie im Jahr 1988 Zuschüsse (ohne Investitionen) in Höhe von 5,951 Milliarden DM; das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft in Höhe von 1,137 Milliarden DM, von denen lediglich 174 Millionen in den Kulturhaushalten aufgeführt sind. 3 Hamm-Brücher, Kulturbeziehungen, S. 21. Ähnlich schon: Rudol! in: FS Menzel, S. 141ff.; Kilian in: Kulturverwaltungsrecht im Wandel, S. 111 (114ff.). Zur historischen Entwicklung: Abelein, Kulturpolitik, S. 104ff.; v. Bismarck, Rückblick, S. 2ff. Kritisch zur Entwicklung 1974 - 1983: Link in: läger-Link, Republik, S. 411 ff. Zu aktuellen Tendenzen und Schwierigkeiten: Auswärtige Kulturpolitik 1984 - 1986, S. 9ff.; Witte, Dialog, S. 49f., 60ff. 4 Solche Forderungen erhob allerdings noch 1986 der bayrische Ministerpräsident Franz lose! Strauß gegenüber der Bundesregierung. Vgl. v. Bismarck, Rückblick, S.12.

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik

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vielmehr der "kulturelle Dialog" mit dem Ausland: Das allgemeine Verständnis der Völker untereinander soll geweckt und vertieft werden. Auswärtige Kulturpolitik soll das geistige Klima gegenseitigen Wohlwollens schaffen, in dem sich dann von Fall zu Fall auch diplomatische oder wirtschaftspolitische Erfolge erzielen lassen5 . Das schließt eine unterschiedliche Akzentsetzung der jeweiligen Bundesregierung nicht aus. So betonte beispielsweise die Regierung Brandt-Scheel vor allem die gesellschaftspolitische Komponente Auswärtiger Kulturpolitik, während die Regierung Kohl-Genscher besonderen Nachdruck auf die Vermittlung der deutschen Sprache in der Welt legt6 . I. Kulturabkommen und das Lindauer Abkommen

Der Bund hat bis zum 31.Dezember 198728 zwei- oder mehrseitige allgemeine Kulturabkommen, 62 sonstige kulturelle Vereinbarungen und 131 Abkommen in Wissenschafts- und Forschungsfragen bekanntgemacht7. Intensive kulturelle Beziehungen 'Sind zwar auch ohne Kulturabkommen möglich. Ein solches Abkommen bietet jedoch den oft notwendigen Rahmen für den Ausbau der Kulturbeziehungen und für neue Initiativen. Dies gilt vor allem für Länder, in denen der Staat das geistige Leben in Kultur, Bildungswesen, Wissenschaft und Medien in erheblichem Maß kontrolliert. In den Kulturabkommen verpflichten sich der Bund und seine Vertragspartner in der Regel dazu, die Kenntnis von Kultur- und Geistesleben in den beteiligten Ländern durch Austausch und freundschaftliche Zusammenarbeit und damit die Annäherung zwischen den Völkern zu fördern. Die Vertragsparteien versprechen, die Hindernisse auszuräumen, die der kulturellen Zusammenarbeit entgegenstehen könnten: Einrichtungen wie Bibliotheken oder Schulen der einen Vertragspartei sollen im Land der anderen gefördert, der Austausch von Wissenschaftlern, Studenten, Künstlern, Praktikanten oder Jugendlichen intensiviert werden. Häufig finden sich hier auch konkrete Vereinbarungen zu bildungspolitischen Fragen, z. B. zur Schulbuchrevision. Nach verschiedenen negativen Erfahrungen mit zu allgemein gehaltenen Abkommenstexten besteht das 5 Vgl. auch "Leitsätze für die Auswärtige Kulturpolitik" des Auswärtigen Amtes von 1970 und "Bericht der Kommission für die Reform der auswärtigen Dienstes" (Kulturteil) von 1971, beide abgedruckt bei Arnold, Kulturexport, S. 257ff., 266ff.; "Bericht der Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik des deutschen Bundestages" von 1975, BT Drucks. 7/4121 sowie die Stellungnahme der Bundesregierung zum Bericht der Enquete-Kommission v. 21. Sept. 1977, BT Drucks. 8/927 S. 6ff. Zusammenfassend: Abelein, Grundfragen, S. 753ff. 6 Witte, Dialog, S. 53; Deutscher Kulturrat, Bericht, s. 20f. m. w. N.; v. Bismarck, Rückblick, S. 9f. 7 Eine aktualisierte Auflistung aller zur Zeit geltenden kulturellen Abkommen findet sich in: Bundesgesetzblatt, FundsteIlennachweis B, Völkerrechtliche Vereinbarungen, Sachgebiet XII. Hierher gehört auch das Kulturabkommen mit der DDR v. 6. Mai 1986 (BGBI. 11 709), das sich zwar nicht unmittelbar, aber analog auf Art. 32 Abs. 1 GG stützen kann. Näher dazu oben Kap. 1 § 3 111 2c, 3a.

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

Auswärtige Amt inzwischen darauf, daß eine befriedigende Statusregelung für deutsche Kultureinrichtungen im Gastland, insbesondere für Zweigstellen des Goethe-Instituts, deutsche Schulen und die DAAD-Lektoren in das jeweilige Abkommen mitaufgenommen wird 8 . Die Kompetenz des Bundes zum Abschluß von Kulturabkommen ist unter dem Grundgesetz seit jeher umstritten. Dabei geht es um das Verhältnis der Absätze 2 und 3 des Art. 32 GG: - Nach der sogenannten föderalistischen Lösung ist Art. 32 Abs. 3 GG eine Ausnahmevorschrift, die den in Art. 32 Abs. 1 GG niedergelegten Grundsatz der umfassenden Bundeskompetenz einschränkt. Im Bereich der ausschließlichen Länderkompetenzen9 besteht danach auch eine ausschließliche Abschlußkompetenz der Länder für Verträge mit auswärtigen Staaten lO . - Nach der sogenannten zentralistischen Lösung stellt Art. 32 Abs. 3 GG es den Ländern lediglich frei, ob sie im Rahmen ihrer Kompetenzen auch völkerrechtliche Verträge abschließen wollen. Die Länderkompetenz tritt lediglich konkurrierend neben die Bundeskompetenz, die voll erhalten bleibt ll . Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Teleologie sprechen für die zentralistische Lösung l2 : Der Herrenchiemseer Entwurf hatte noch an die nicht unumstrittene h. M. zur Weimarer Verfassung angeknüpft 13 und die Vertragsabschlußkompetenz entsprechend der Gesetzgebungskompetenzen verteilt 14. 8 Zum ganzen: Nr. 1. 4 Richtlinien für die Tätigkeit der deutschen Auslandsvertretungen auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik (Auswärtiges Amt 600-600. 29/0). 9 Nach h. M. greift Art. 32 Abs. 3 GG nicht nur bei Gesetzgebungs-, sondern auch bei Verwaltungskompetenzen der Länder: Stern, StaatsR I, § 19 111 3e, S. 694f.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 141. 10 Für diese Lösung traten im Bundesrat die Länder Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen ein, vgl. Bundesrat, 176. Sitzung v. 3. Mai 1957, S. 642ff. In der Literatur vertreten diese Meinung: Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 29ff.; Reichel, Gewalt, S. 240; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 38; Geiger, Grundgesetz, S. 149. J1 Für diese Lösung traten im Bundesrat die Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein, Bundesrat 176. Sitzung v. 3. Mai 1957, S. 642ff. In der Literatur vertreten diese Meinung: v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 32, Anm. V 2b, S. 785ff.; Dreher, Kompetenzverteilung, S. 44; Hirsch, Kulturhoheit, S. 140f.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 608f.; Bleckmann, Grundgesetz, S. 204ff.; Friehe, JA 1983, 117 (118ff.); Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 120ff. Inzwischen gibt es auch Anzeichen, daß die Länder - sieht man vom hier nicht interessierenden Transformationsprob1em ab - inzwischen mehrheitlich der zentralistischen Lösung zuneigen. Vgl. Stellungnahme der Kultusministerkonferenz zur Enqute-Kommission Auswärtige Kulturpolitik des Deutschen Bundestages, Beschluß vom 23. Nov. 1978, sub 11 3. 2. 12 Die systematische Lösung erlaubt kein klares Votum. Bis heute ist das Verhältnis von Art. 32 GG zu Art. 24,59,73 Nr. 1, 123 GG nicht so definitiv geklärt, daß daraus zwingende Schlüsse gezogen werden können. Vgl. Hirsch, Kulturhoheit, 127ff.; Friehe, JA 1983, 119ff.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 122f. \3 Hirsch, Kulturhoheit, S. 47ff. m. w. N.

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik

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Der Parlamentarische Rat änderte dies und gab dem Art. 32 die heutige Fassung. In diesem Zusammenhang wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dem Bund der Abschluß gerade auch von Kulturabkommen ermöglicht werden sollte l5 . Der unbegrenzten Zuweisung in Abs. 1 steht nun lediglich ein "können" der Länder in Abs. 3 gegenüber, das nach dem üblichen Sprachgebrauch der Verfassung gerade nicht eine ausschließliche Kompetenz impliziert l6 . Auch die Bindung der Länder an die Zustimmung der Bundesregierung unterstützt das Argument, daß die Bundeskompetenz neben der Landeskompetenz fortbesteht l7 . Schließlich spricht auch der Sinn des Art. 32 GG, ein gewisses einheitliches Auftreten der Bundesrepublik in der Außenpolitik sicherzustellen, für eine konkurrierende Bundeskompetenz. Insbesondere kann nur so der Bund verhindern, daß die Länder wesentlich voneinander abweichende völkerrechtliche Abkommen in derselben Frage mit denselben Partnern schließen 18. In der Staatspraxis spielt dieser Streit heute keine Rolle mehr. Ohne ihre unterschiedlichen Rechtsauffassungen aufzugeben, haben sich Bund und Länder 1957 im sogenannten Lindauer Abkommen 19 auf einen modus vivendi geeinigt, nach dem sie bei Verträgen im Bereich von Länderkompetenzen verfahren: "Soweit völkerrechtliche Verträge auf Gebieten der ausschließlichen Zuständigkeit der Länder eine Verpflichtung des Bundes oder der Länder begründen sollen, soll das Einverständnis der Länder herbeigeführt werden. Dieses Einverständnis soll vorliegen, bevor die Verpflichtung völkerrechtlich verbindlich wird. Falls die Bundesregierung einen solchen Vertrag dem Bundesrat gemäß Art. 59 Abs. 2 GG zuleitet, wird sie die Länder spätestens zum gleichen Zeitpunkt um die Erteilung des Einverständnisses bitten. "20 Damit ist zwar eine politisch pragmatische, gleichzeitig aber auch umständliche und zeitraubende Lösung21 gefunden. Der Bund darf zwar selbständig Art. 41 HChE, ParlRat 11, NT. 14, S. 587. Friehe, JA 1983, 117 (121); Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 12lf. m. w. N. Ausführlich zur Entstehungsgeschichte: Hirsch, Kulturhoheit, s. 52ff. 16 V. Mangoldt-Klein, GG, Art. 32, Anm. V 2b, s. 785f.; Hirsch, Kulturhoheit, S. 111 ff.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 120f. A. A. Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 29; ReicheI, Gewalt, S. 195f. 17 Dreher, Kompetenzverteilung, S. 34; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 120f. 18 Allerdings wird man die innerstaatliche Umsetzung der einheitlich nach außen getroffenen Vereinbarungen nicht dem Bund, sondern den Ländern überlassen müssen. So die Mehrheit der zentralistischen Lösung: v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 32, Anm. V 2b, S. 784; Hirsch, Kulturhoheit, S. 146ff., 166f.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 608f.; Bleckmann, Grundgesetz, S. 205ff.; Friehe, JA 1983, 117 (119f.); Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 132ff. A. A. Bund und Land BerIin, vgl. die Nachweise bei Hirsch, Kulturhoheit, S. 108 Fußn. 22f. 19 Abkommen vorn 14. Nov. 1957, abgedruckt in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 45. 20 Zif. 3 Lindauer Abkommen. 14

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5 Köstlin

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

Kulturabkommen abschließen und ins innerstaatliche Recht transformieren, bedarf dazu aber der zweifachen Zustimmung der Länder, einmal vor Unterzeichnung, zum anderen vor Ratifikation des Abkommens. Um möglichst frühzeitig eventuelle Schwierigkeiten auf der Länderseite aus dem Weg zu räumen, wird schon im Vorfeld des Vertragsschlusses eine Ständige Vertragskommission der Länder22 eingeschaltet, zum Teil werden auch Ländervertreter in die Verhandlungsdelegation der Bundesregierung mitaufgenommen23 . Trotzdem dauert es meist ein bis drei Jahre, bis die erforderliche Zustimmung der Länder zu einem Vertragsentwurf vorliegt. Bei späteren Änderungen des Entwurfs muß das gesamte Zustimmungsverfahren erneut durchlaufen werden 24 • Ungeklärt sind außerdem die Konsequenzen in dem Fall, daß der Bund die Länder nicht informiert25 oder daß die Länder ihr Einverständnis verweigern. Im übrigen verzichtet der Bund bei bilateralen Kulturabkommen häufig darauf, sich zu Maßnahmen zu verpflichten, die nur die Länder vollziehen könnten, z. B. die Einführung einer Fremdsprache im Schulunterricht oder die Anerkennung von Abschlußzeugnissen ausländischer (Hoch-)Schulen26 . Stattdessen verspricht er nur, sich "soweit irgend möglich" oder "im Rahmen seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften" um die Durchführung entsprechender Maßnahmen zu "bemühen" oder sie zu "ermutigen"27. Folgt man wie hier der zentralistischen Lösung, weckt die pragmatische Lösung des Lindauer Abkommens keine ernsthaften Bedenken. Es handelt sich um ein verfassungsrechtlich zulässiges kompetenzinterpretierendes Abkommen, das die bestehenden Kompetenzgrenzen nicht beeinträchtigt28 • Allenfalls der Hinweis auf eine Transformation entsprechender Abkommen durch Bundesgesetz könnte Zweifel wecken, wenn man eine Bundestransformation bei Verträgen aus dem Bereich der Länderkompetenzen für nicht mit 21 Vor diesem Hintergrund haben sowohl die Enquete-Kommission Auswärtige Kulturpolitik (BT Drucks. 7/4121, Tz. 207) als auch die Enquete-Kommission Verfassungsreform (BT Drucks. 7//5924, S. 229) eine Änderung des Art. 32 Abs. 3 GG vorgeschlagen um die konkurrierende Abschlußkompetenz des Bundes für Kulturabko~men eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Die Bundesregierung hat eine solche Anderung jedoch abgelehnt (BT Drucks. 8/927, Tz. 100f.). 22 Zif. 4 b Lindauer Abkommen. 23 Zum Verfahren im einzelnen: Hartung, Praxis, S. 83ff. 24 Hartung, Praxis, S. 89f. 25 Von entsprechenden Nachlässigkeiten des Bundes berichtet Hirsch, Kulturhoheit, S.86. 26 Hirsch, Kulturhoheit, S. 95f.; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 41f. 27 Vgl. die Abkommen mit Polen (v. 11. Juni 1976, BGBL II 1977, S. 1489), Irland (v. 10. Feb. 1983, BGBL II 1984, S. 186) oder den Phillipinen (v. 13. April 1983, BGBL II 1985, S. 1152). Ein Gegenbeispiel ist z. B. das Deutsch-Niederländische Abkommen über die Anerkennung der Gleichwertigkeit im Hochschulbereich v. 23. März 1983 (BGBL II S. 241). 28 Ebenso: Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 179; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 43 m. w. N.; Hartung, Praxis, S. 19ff. A. A.: Busch, Lindauer Vereinbarung, S. 127ff., 146ff.

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik

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dem Grundgesetz vereinbar hält. In diesem Fall schafft jedoch eine verfassungskonforme Auslegung des Lindauer Abkommens Abhilfe, nach der dem Bund die Transformation nur bei entsprechenden eigenen Kompetenzen außerhalb Art. 32 GG gestattet ist. 11. Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik

Für die auswärtige Kulturpolitik setzt der Bund nur zum Teil das Personal und den Apparat des Auswärtigen Amtes, der Botschaften oder Konsulate ein; das Schwergewicht der Arbeit liegt bei den sogenannten Mittlerorganisationen. Darunter versteht man rechtsfähige, meist privatrechtlich organisierte Einrichtungen, die mit Hilfe öffentlicher Mittel Aufgaben des Staates wahrnehmen und so eine Mittlerfunktion zwischen dem Staat und den Adressaten seiner Politik ausüben; in Übereinkunft mit der außenpolitischen Konzeption der Bundesregierung und in Absprache mit dem Auswärtigen Amt sowie anderen zuständigen Ministerien übernehmen diese Organisationen die Planung und Gestaltung der kulturellen Zusammenarbeit mit dem Ausland29 • Die Vorteile dieser Konstruktion liegen in der weitgehenden Unabhängigkeit der Mittlerorganisationen. Die Mittler sind nicht nur unempfindlicher gegenüber politischen Krisen zwischen den Staaten, sie genießen meist auch eine hohe Glaubwürdigkeit und können deshalb die Zielgruppen im Gastland besser und leichter ansprechen als die offizielen deutschen Auslandsvertretungen 3o • Bei den wichtigsten Mittlerorganisationen trägt der Bund fast die gesamten Betriebskosten und kontrolliert ihre Tätigkeit über besondere Kooperationsabkommen oder über Regierungsvertreter in den einzelnen Einrichtungsgremien. Ihre Unabhängigkeit unterliegt insofern gewissen Einschränkungen durch die enge Anbindung an das Auswärtige Amt oder ein anderes Bundesministerium: - Goethe-Institut zur Pflege der deutschen Sprache im Ausland und zur Förderung der internationalen Zusammenarbeit e. V. 31 , - Alexander von Humboldt-Stiftung32 , 29 Vgl. auch die Beschreibungsversuche bei: Rudolfin: FS Menzel, S. 141 (145ff.); Richartz, Funktion, S. 759; Dittmann, Bundesverwaltung, S. 123f. 30 Vgl. Nr. 1. 2 Richtlinien für die Tätigkeit der deutschen Auslandsvertretungen auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik (Ausw. Amt 600-600. 29/0). 31 Zweck des Goethe-Instituts ist die Vermittlung deutscher Sprache und Kultur im Ausland und die Förderung der internationalen kulturellen Zusammenarbeit. Das wird im Vertrag zwischen Auswärtigen Amt und Goethe-Institut genauer präzisiert. Das Goethe-Institut unterhielt Anfang 1988 insgesamt 15 Sprachinstitute im Inland und 139 Kulturinstitute im Ausland. Der Bund finanziert als einziger öffentlicher Zuwendungsgeber ca. 91 % der Ausgaben (1988: 175,522 Mio. DM). 32 Die Alexander von Humboldt-Stiftung wurde von der Bundesrepublik als Stiftung des Bürgerlichen Rechts 1953 errichtet. Ihr Zweck ist es, wissenschaftlich hochqualifi-

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

Deutscher Akademischer Austauschdienst e. V.33, Inter Nationes e. V.34, Institut für Auslandsbeziehungen 35 , Villa Vigoni e. V. 36.

Daneben bezuschußt der Bund einzelne auslandsorientierte allgemeine Kultureinrichtungen wie die Deutsche Auslandsgesellschaft37 sowie verschiedene Deutsch-Ausländische Kultureinrichtungen im In- und Ausland 38 . Bei diesen Einrichtungen kommt der Bund nur für einen Teil des Haushalts auf; es fehlen zierten Akademikern fremder Nationalität mit Forschungsstipendien und -preisen die Möglichkeit zu geben, ein Forschungsvorhaben in der Bundesrepublik Deutschland durchzuführen, und die sich dabei ergebenden wissenschaftlichen Verbindungen zu erhalten. Der Bund finanziert als einziger öffentlicher Zuwendungsgeber ca. 94 % der Ausgaben (1988: 4,936 Mio. DM). 33 Der DAAD dient der Pflege der akademischen Beziehungen zum Ausland. Er vermittelt und fördert den Austausch von Lehrenden und Lernenden, insbesondere von Hochschullehrern, Wissenschaftlern und Studenten. Er unterstützt die den gleichen Aufgaben dienende Tätigkeit der Hochschulen und sonstiger Bildungseinrichtungen im In- und Ausland. Der Bund trägt ca. 97 % des Zuwendungsbedarf, bzw. 91 % der Ausgaben (1988: 22,07 Mio. DM). 34 Inter Nationes hat sich die Aufgabe gesetzt, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Ausland im Sinne friedlicher Zusammenarbeit zu festigen und das Verständnis für Deutschland im Ausland zu vertiefen. Inter Nationes ist dem Presse- und Informationsamt der Bundesregierung zugeordnet. Der Bund finanziert als einziger öffentlicher Zuwendungsgeber ca. 98 % der Ausgaben (1988: 11,379 Mio. DM). 35 Das 1917 gegründete Institut für Auslandsbeziehungen ist eine Anstalt des öffentlichen (Landes )Rechts (Baden-Württemberg). Es hat die Aufgabe, die Kenntnis fremder Länder und Völker, ihrer natürlichen Gegebenheiten, ihrer geschichtlichen Entwicklung, ihrer kulturellen Eigenart, ihres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufbaues sowie ihrer Beziehungen zu Deutschland zu fördern, die Verbindung zwischen Deutschland und dem Ausland auf allen Gebieten internationaler Zusammenarbeit zu vertiefen und internationale Treffen und Tagungen herbeizuführen, den Abschluß internationaler Kulturabkommen zu fördern und ihre Durchführung zu unterstützen. Der Bund trägt ca. 93 % des Zuwendungsbedarfs, bzw. 88 % der Ausgaben (1988: 3,724 Mio. DM). 36 Der Verein Villa Vigoni fördert die deutsch-italienischen Beziehungen in Wissenschaft, Bildung und Kultur unter Einbeziehung ihrer Verflechtung mit Wirtschaft, Gesellschaft und Politik durch Studienaufenthalte, Kolloquien, Gesprächsrunden, Sommerakademien und künstlerische Veranstaltungen. Bundeszuschuß 1988: 4,236 Mio. DM (davon 3,2 Mio. DM für Baumaßnahmen). 37 Die Aufgabe der Deutschen Auslandsgesellschaft ist die Förderung und Pflege der kulturellen Beziehungen insbesondere zu den nordeuropäischen Völkern im Sinne internationaler Verständigung und Zusammenarbeit. Der Bundeszuschuß bleibt regelmäßig unter 70% der Verwaltungskosten (1988: 190.000 DM). Andere Organisationen unter den Haushaltstiteln Kap. 0504 - 686 25 bis 686 29. 38 Voraussetzung ist, daß das betreffende Land nicht bereits durch das Goethe-Institut betreut wird. Haushaltstitel 05 04/686 34. Im Inland zählen dazu sieben DeutschAmerikanische Institute und ca. 50 nicht einzeln im Haushaltsplan kenntlich gemachte deutsch-ausländische Kulturvereinigungen.

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik

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auch durchweg die besonderen Kontrollmechanismen. Diese Mittlerorganisationen sind in ihrer Unabhängigkeit mit einfachen Subventionsnehmern vergleichbar39 • Kompetenzrechtlich werden die Mittlerorganisation meist zum "Auswärtigen Dienst" im Sinne des Art. 87 Abs. 1 GG gerechnet40 • Man geht davon aus, daß dem Bund mit dem "Auswärtigen Dienst" die gesamte Materie Außenpolitik zur Verwaltung überwiesen ist41 • Gegen diese Auslegung hat sich Fastenrath gewandt und auf die konkrete Formulierung des Art. 87 Abs. 1 GG hingewiesen. Hier zähle das Grundgesetz im Gegensatz zu seinen Vorläufern 42 nicht nur typische Verwaltungsmaterien wie "Bundeswasserstraßen" oder "Schiffahrt" , sondern auch typische Behördenorganisationen wie die "Bundesfinanzverwaltung" oder die "Bundespost" auf. Diese Unterscheidung müsse beachtet werden: Das Grundgesetz wolle mit "Auswärtiger Dienst" in Art. 87 Abs. 1 GG nur die klassische Behördenorganisation des Auswärtigen Amtes in bundeseigene Verwaltung überweisen, nicht die gesamte Verwaltung der auswärtigen Politik. Das Tätigkeitsfeld müsse sich im Rahmen dessen halten, was durch den Namen der Verwaltung umschrieben sei oder nach dem Herkommen zu ihrem Aufgabenbereich gehöre 43 • Diese Argumentation ist nur gerechtfertigt, wenn sich nachweisen läßt, daß mit den unterschiedlichen Begriffen in Art. 87ff.GG tatsächlich unterschiedliche Rechtsfolgen, d. h. die Zuweisung teils von Verwaltungsmaterien, teils von Behördenorganisationen angestrebt waren. Dafür gibt es keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Die Verfassungsgeber haben bei der Aufstellung der Kompetenzkataloge ganz offensichtlich keine einheitliche Linie verfolgt. So nennen die Gesetzgebungskataloge der Art. 73ff. GG teils Rechtsmaterien wie "Bürgerliches Recht" oder "Arbeitsrecht", teils Sachprobleme wie "Kriegsgräber" oder "Grundstücksverkehr" , teils Zielvorstellungen wie "Verhütung des Mißbrauchs wirtschaftlicher Machtstellung" oder "Förderung der wissenschaftlichen Forschung". In keinem Fall läßt si~h nachweisen, daß damit unterschiedliche Rechtsfolgen beabsichtigt waren; regelmäßig liegt darin die Zuweisung der gesamten damit verbundenen Regelungsmaterie 44 • 39 Zur Abgrenzung privatrechtlich organisierte Verwaltung - Subventionsempfänger vgl. Kap. 4 § 111. 40 Rudolf, FS Menzel, S. 141 (150); Dittmann, Bundesverwaltung, S. 124ff.; Broß in: v. Münch, GGK, Art. 87 Rz. lOa; Kilian in: Kulturverwaltungsrecht im Wandel, S. 111 (134); Bull in: AK-GG, Art. 87, Rz. 59. 41 v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 87 Anm. III 5, S. 2265; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 87 Rz. 41; Broß in: v. Münch, GGK, Art. 87 Rz. 1. Uneinheitlich die Rechtsprechung: BVerfG E 12, 205 (247); 14, 197 (210). 42 Art. 41,48 Reichsverfassung von 1871; Art. 78, 83, 88, 89, 97 WRV. 43 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 110f. Ähnlich schon Reichel, Gewalt, S. 173f. 44 Auch in der Entstehungsgeschichte des Art. 87 Abs. 1 GG findet man dafür ein Indiz: Im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee, auf den die Wortwahl "Auswärti-

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

Das entspricht letztlich auch den allgemeinen Regeln des Kompetenzrechts. So läßt es sich kaum mit dem Gedanken "effektuierender Verfassungsauslegung"45 vereinbaren, wenn der Bund sich im Rahmen seiner Außenpolitik nur auf den Behördenapparat des Auswärtigen Amtes stützen dürfte. Zum Teil könnte er noch auf andere Kompetenzgrundlagen (z. B. den Art. 32,73 Nr. 1 GG) ausweichen. Soweit diese jedoch versagen46 , wäre der Bund erheblich in der Wahl seiner außenpolitischen Mittel beschränkt. Eine so weitreichende Konsequenz allein mit dem Wortlaut der Norm und anderslautenden Formulierungen früherer Verfassungen zu begründen, überzeugt nicht47 . Zu folgen ist vielmehr der h.M., die in Art. 87 Abs. 1 GG eine Zuweisung der gesamten Verwaltungs materie Außenpolitik sieht48 . Der Einsatz von Mittlerorganisationen in der Auswärtigen Kulturpolitik läßt sich somit über Art. 87 Abs. 1 GG rechtfertigen 49 . Allerdings entfalten die Mittlerorganisationen häufig auch Aktivitäten im Inland. Lassen sich die Sprachinstitute des Goethe-Instituts in Deutschland5o , die Ausstellungen und Vortragsreihen des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart oder die deutschen Kongresse der Alexander von Humboldt-Stiftung noch als Außenpolitik verstehen und mit Art. 87 Abs. 1 GG rechtfertigen?51 Verschiedene Überlegungen sprechen dafür: Zum einen können auch Maßnahmen innerhalb der Bundesrepublik schwerpunktmäßig der Außenpolitik dienen. Insbesondere beschränkt sich Außenpolitik nach modernem Verständnis gerade nicht auf Beziehungen zwischen Staaten, sondern soll die ger Dienst" im späteren Art. 87 zurückgeht, sah man darin die Zuweisung eines "Verwaltungsbereich" [Unterausschuß 11, Parlamentarischer Rat 11, Nr. 9, S. 264] bzw. eines Gebiets [Plenarsitzung vom 23. Aug. 1948, Parlamentarischer Rat 11, Nr. 13, S. 482f.]. Allerdings läßt sich aus den Protokollen nicht feststellen, ob später auch der Parlamentarische Rat diese Ansicht teilte. 45 Dazu bereits oben Kap. 1 § 1 11. 46 So gilt Art. 32 GG nach h. M. nur für die Beziehungen zu Völkerrechtssubjekten: BVerfG E 2, 347 (374); Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 14; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 10; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 84. 47 Die Meinung Fastenraths ist nicht zuletzt deshalb dogmatisch widersprüchlich, weil er seine enge Auslegung der Art. 32 und 87 GG durch einen verstärkten Rückgriff auf stillschweigende Kompetenzen auszugleichen sucht, um zu befriedigenden Ergebnissen zukommen. 48 Vgl. oben § 411 bei Fußn. 41. 49 Das wird auch von den Ländern weitgehend anerkannt. So hat das Goethe-Institut trotz zahlreicher Vorstöße bei den Ländern, diese nicht zu einer nennenswerten finanziellen Beteiligung (außerhalb allgemeiner Sprachstipendien) bewegen können. Auch der Hinweis auf allgemeine kulturpolitische Kompetenzen der Länder half hier nicht weiter. Nur Einzelpersönlichkeiten unter den Ministerpräsidenten, die sich besonders für kulturelle Fragen engagierten (z. B. Lothar Späth oder Johannes Rau), haben sich in der Vergangenheit in die Arbeit des Goethe-Institus einbinden lassen. 50 Eine gewisse Mitverantwortung der Länder hinsichtlich der inländischen GoetheInstitute hat neuerdings nordrhein-westfälische Ministerpräsident Rau zugestanden. Vgl. v. Bismarck, Rückblick, S. 11. 51 Entsprechende Zweifel bei: Broß in: v. Münch, GGK, Art. 87, Rz. lOa.

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik

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Rahmenbedingungen für Außenpolitik verbessern, indern sie den "kulturellen Dialog" zwischen den Völkern in Gang bringt und so das gegenseitige Verständnis fördert 52 • Dementsprechend erweitert sich auch die Zielgruppe kultureller Außenpolitik. Sie umfaßt nicht bloß Ausländer, sondern auch Deutsche; die Herkunft und der Aufenthaltsort der Adressaten kultureller Außenpolitik spielen nur noch eine untergeordnete Rolle. Letztlich wird man dem Bund, konkret der Bundesregierung einen Ermessensspielraum bei der Definition ihrer Außenpolitik zubilligen müssen. Hier liegt die Entscheidung darüber, welche Maßnahmen im In- und Ausland zur Außenpolitik zählen53 • Kompetenzrechtlich läßt sich eine Maßnahme allerdings nur dann dem Art. 87 Abs. 1 GG zurechnen, wenn sie schwerpunktmäßig der Verbesserung der Auswärtigen Beziehungen dient 54 ; außenpolitische Nebenzwecke allein reichen dazu nicht aus 55 • Angesichts der primär außenpolitischen Zielsetzung der Mittlerorganisationen lassen sich jedoch auch. ihre inländischen Aktivitäten der Pflege der Auswärtigen Beziehungen zurechnen; auch die "Außenpolitik im Inland" gehört damit kompetenzrechtlich zu Art. 87 Abs. 1 GG. Abschließend bleibt zu klären, ob auch Art. 32 Abs. 1 GG als Kompetenzgrundlage für Mittlerorganisationen in Betracht kommt56 . Diese Überlegung ist insofern notwendig, weil die Literatur teilweise im Rahmen des Art. 87 Abs. 1 GG privatrechtliche Organisationsformen für verboten hält 57 ; in diesem Fall wäre der Weg über Art. 32 Abs. 1 GG ein kompetenz- und organisationsrechtlicher Ausweg. Die Zuordnung der Mittlerorganisationen zu Art. 32 Abs. 1 GG bereitet allerdings Schwierigkeiten: Art. 32 Abs. 1 GG überträgt nach ganz h. M. dem Bund nur die Pflege der Beziehung zu Völkerrechtssubjekten58 . Unmittelbare Zielgruppe der Mittlerorganisationen sind aber nicht Völkerrechtssubjekte wie Staaten oder Internationale Organisationen, sondern Privatpersonen, denen es in der Regel an Völkerrechtssubjektivität fehlt. Die Mittlerorganisationen haben nicht die "Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten", sondern die Pflege der Völkerverständigung zur Aufgabe. Insofern bliebe allenfalls der Ausweg über eine analoge Anwendung des Art. 32 GG auf die Beziehungen zu Nicht-Völkerrechtssubjekten59 . Die dazu erforderliche Lücke 60 läßt sich allerdings angesichts des Art. 87 Abs. 1 52

53 54

55

2c.

Oben § 4 vor I. Ähnlich: BVerfG E 68, 1 (LS 3, 96ff.) - Pershing-Urteil. Vgl. dazu oben Kap. 1 § 1 II. Z. B. die internationale Ausstrahlung einer Ausstellung, dazu oben Kap. 1 § 3III

So: Rudolf, FS Menzel, S. 141 (150); Broß in: v. Münch, GGK, Art. 87 Rz. 10a. Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 87 Rz. 3lf. Näher dazu unten Kap. 3 § 8 I 2. 58 BVerfG E 2, 347 (374); Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 14; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 10; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 84. 59 Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32 Rz. 10. 60 Dazu oben Kap. 1 § 3 III 3a. 56

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

GG nicht nachweisen. Deshalb bleibt dem Bund zur Zeit nur die Alternative, den Einsatz der Mittlerorganisationen über Art. 87 Abs. 1 GG zu rechtfertigen61 . 111. Auslandsschulen

Zu den Deutschen Auslandsschulen zählen einerseits Schulen eines deutschen Hoheitsträgers im Ausland (Regierungsschulen), andererseits Schulen eines ausländischen privaten oder öffentlichen Trägers, die die Kultusministerkonferenz als deutsche Schule anerkennt62 . Im Auslandsschulwesen ist das Verwaltungshandeln von Bund und Ländern eng miteinander verzahnt. Stark vereinfacht dargestellt sind die Länder - z. T. über die Kultusministerkonferenz - für fachliche Fragen (Anerkennung, Prüfungsordnung, Personal) zuständig, während der Bund die erforderlichen Finanzen bereitstellt63 . Eine gesetzliche Grundlage des Auslandsschulwesen, für die gemäß Art. 73 Nr. 1 GG der Bund zuständig wäre 64 , fehlt bis heute. Der Bund muß sich insofern für seine Aktivitäten auf Verwaltungskompetenzen berufen. Dabei versagt Art. 32 Abs. 1 GG, weil es bei den Auslandsschulen nicht um die Beziehungen zu auswärtigen Staaten geht, sondern um die Betreuung deutschsprachiger Ausländer und Deutscher im Ausland. Dagegen kann sich der Bund - genau wie bei den Mittlerorganisationen - auf seine materiell verstandene Verwaltungskompetenz für den "Auswärtigen Dienst" berufen65 • IV. Auslandsrundfunk

Mit den beiden Rundfunkanstalten - Deutsche Welle 66 und - Deutschlandfunk 67 61 Es ist zwar auch denkbar, die Mittlerorganisationen auf Art. 87 Abs. 3 GG zu stützen. Diese Möglichkeit hat zur Zeit aber nur theoretischen Wert, da entsprechende Bundesgesetze fehlen. Es ist auch durchaus fraglich, ob Art. 87 Abs. 3 GG neben der Errichtung juristischer Personen des öffentlichen Rechts auch die Aufgabenübertragung an privatrechtliche Organisationen gestattet. Vgl. dazu Kap. 3 § 8 I 3 Fußn. 88. 62 Zu Begriff, Arten und Organisation deutscher Schulen im Ausland: Jutzi, Schulen, S. 43ff., 57ff. Zu aktuellen Entwicklungen: Bundesregierung, BT Drucks. 11/1642 v. 14. Jan. 1988. 63 Vgl. Beschluß der Kultusministerkonferenz v. 4. Feb. 1965 i. d. F. v. 12. März 1970 über die Zuständigkeit des Auswärtigen Amtes und der Kultusministerkonferenz für die deutschen Schulen im Ausland, Beschluß v. 18. Jan. 1979, Stellungnahme zum "Rahmenplan für die auswärtige Kulturpolitik im Schulwesen - Auslandsschulen, Sprachförderung und internationale Zusammenarbeit" (BT Drs. 8/2103). Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 179. 64 Reichel, Gewalt, S. 224; Jutzi, Schulen, S. 78ff.; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 179. 65 Reichel, Gewalt, S. 177; Jutzi, Schulen, S. 130ff. A. A.: Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 179f.

§ 4 Auswärtige Kulturpolitik

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unterhält der Bund zwei sogenannte Auslandssender , d. h. Anstalten, die hauptsächlich oder überwiegend ihre Sendungen ins Ausland oder in die DDR ausstrahlen 68 • a) Obwohl man sich im Ergebnis darüber einig ist, daß die Auslandssendungen beider Anstalten in die "außenpolitischen" Kompetenzen des Bundes fallen 69 , finden sich erstaunliche Unterschiede in der Begründung. Eine Meinung zählt die Auslandssender unmittelbar oder als Annex zum Auswärtigen Dienst im Sinne des Art. 87 Abs. 1 GG70. Die Gegenansicht sieht im Bundesrundfunkgesetz ein Errichtungsgesetz nach Art. 87 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 73 Nr. 1 GG71. Beide Begründungen sind vertretbar, allerdings dürfte im Ergebnis das äußere Erscheinungsbild der Sender als bundesunmittelbare Anstalten des öffentlichen Rechts den Ausschlag geben; das Bundesrundfunkgesetz hat die Auslandssender offensichtlich auf die Erfordernisse des Art. 87 Abs. 3 GG zugeschnitten72 • Auch die Tatsache, daß Deutschlandfunk und Deutsche Welle beim Bundesministerium des Innern und nicht beim Auswärtigen Amt ressortieren, spricht gegen eine Subsumtion unter den Auswärtigen Dienst des Art. 87 Abs. 1 GG. Die Auslandssendungen von Deutschlandfunk und Deutscher Welle sind deshalb Art. 87 Abs. 3 GG i.V.m. Art. 73 Nr. 1 GG zuzurechnen. b) Beim Deutschland/unk reicht diese Kompetenzgrundlage jedoch nicht aus; sein Sende auftrag umfasst außer Rundfunksendungen fürs Ausland auch solche "für Deutschland"73. Hier ist zu unterscheiden: 66 Errichtet gemäß §§ 1- 4 und 9ff. Gesetz über die Errichtung von Rundfunkanstalten des Bundesrechts vom 29. Nov. 1960 (BGBI. I S. 862) - BRdfkG. Der Bund finanziert als einziger öffentlicher Zuwendungsgeber ca. 98 % der Ausgaben der Deutschen Welle (1988: 290,282 Mio. DM). Der Rest sind Eigenmittel. 67 §§ 5ff. BRdfkG. Der Bund finanziert die Arbeit des Deutschlandfunks zu ca. 62 % (1988: 102,107 Mio. DM). Daneben erhält der Deutschlandfunk eine Finanzhilfe der ARD in Höhe von 52,125 Mio. DM, die z. Zt. ca. 32% des Haushalts ausmacht [Vgl. Art. 2 Staatsvertrag über die Höhe der Rundfunkgebühren und zur Änderung des Staatsvertrages über einen Finanzausgleich zwischen den Rundfunkanstalten v. 6. Juli/ 26. Okt. 1982, abgedruckt in Berlin GVBI. 1983,929]. Der Rest sind Eigenmittel. 68 Zu den unterschiedlichen Sendeaufträgen: §§ 1 Abs. 1,5 Abs. 1 BRdfkG. 69 Das BVerfG E 12,205 (241) hatte die Frage ausdrücklich offengelassen. 70 v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 83, Anm. IV 4c, bb S. 2111; Stern, StaatsR II, § 41 VII a, S. 830; Dittmann, Bundesverwaltung, S. 145f. 71 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 177; Badura, StaatsR, G 76, S. 431. Ähnlich: Lerche, Kompetenzbereich, S. 13 ff., 16. 72 Soweit Lerche, Kompetenzbereich, S. 16; Mallmann, JZ 1963, 350 (353) ihr Votum für Art. 87 Abs. 3 GG damit begründen, daß Art. 5 GG eine Eingliederung in die Behördenorganisation des Bundes verbiete, überzeugt dies jedoch nicht. So läßt sich mit guten Gründen bezweifeln, ob die organisatorischen Vorgaben des Art. 5 GG überhaupt auf Auslandssendungen anwendbar sind [Vgl. Kap. 4 § 10 II la]. Auch hängen diese organisatorischen Vorgaben nicht von der Behördenstruktur ab und ließen sich durch entsprechende Vorkehrungen (Ausschluß von Weisungsrechten, pluralistisch besetzte Kontrollgremien) selbst innerhalb "bundeseigener Verwaltung" erfüllen.

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

(1) Soweit der Deutschlandfunk aufgrund seines Auftrags hauptsächlich in die DDR sendet, wird man dies wenn nicht unmittelbar, so doch analog zu den "Auswärtigen Angelegenheiten" des Art. 73 Nr. 1 GG rechnen können: Die DDR ist zwar im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht Ausland74 , trotzdem aber Völkerrechtssubjekt. Insofern lassen sich die Kompetenzen zur Auswärtigen Gewalt analog auf die Beziehungen zwischen bei den deutschen Staaten anwenden75 • Für die DDR-Sendungen des Deutschlandfunks liefert deshalb Art. 87 Abs. 3 i.V.m. Art. 73 Nr. 1 GG analog die nötige Kompetenzgrundlage76 . (2) Soweit dagegen die Sendungen des Deutschlandfunks auch in der Bundesrepublik empfangen werden, kann der Bund sich nicht auf Kompetenzen der Auswärtigen Gewalt berufen. Zwar rechtfertigen diese im Einzelfall auch inländische Maßnahmen77, allerdings nur wenn dadurch mindestens die Beziehungen zwischen den Völkern gefördert werden sollen. Seinem gesetzlichen Auftrag zufolge soll aber der Deutschlandfunk ausschließlich ein "umfassendes Bild Deutschlands" vermitteln 78 und kann damit innerhalb der Bundesrepublik nicht der Völkerverständigung dienen. Allerdings läßt sich bei Sendungen ins europäische Ausland und in die DDR aus sendetechnischen Gründen nicht vermeiden, daß auch Bürger in der Bundesrepublik mithören79 • Sendungen des Deutschlandfunks innerhalb der Bundesrepublik lassen sich insofern aus Annexkompetenzen rechtfertigen. Daraus ergibt sich aber auch ihre eindeutige Grenze; nur als unvermeidliches Nebenprodukt der Auslands- und DDR-Sendungen sind sie kompetenzrechtlich unbedenklich 8o • Insofern muß man den Sende auftrag des Deutschlandfunkes verfassungskonform auslegen: Sendungen "für Deutschland" dürfen immer nur gezielte Sendungen in die DDR sein; Sendungen unmittelbar oder allein in die Bundesrepublik sind nicht gestattet. Die derzeitige Senderpraxis des Deutschlandfunks entspricht wohl kaum diesen Anforderungen.

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§ 5 Abs. 1 BRdfkG.

BVerfG E 36,1 (17). Heute h. M.: BVerfG E 36,1 (22ff.); Bleckmann, Grundgesetz, S. 203; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 32, Rz. 14; Art. 73 Rz. 35; Rojahn in: v. Münch, GGK, Art. 32, Rz. 11; v. Münch, ebenda, Art. 73, Rz. 7; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 83 Fußn. 371, 98. A. A. noch: v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 32 Anm. III 3d, S. 781. 76 BVerwG E 75,79 (81); Lerche, Kompetenzbereich, S. 22f.; Ihlefeld, ZUM 1987, 604 (605). 77 Vgl. dazu § 411. 78 § 5 Abs. 1 Satz 2 BRdfkG. 79 Ossenbühl, Rundfunkfreiheit DLF; S. 14. Bei der Deutschen Welle entsteht dieses Problem schon deshalb nicht, weil ihre Kurzwellensendungen nicht in Deutschland empfangen werden können. 80 BVerwG E 75, 79 (81); Ihlefeld, ZUM 1987, 604 (605). 74

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§ 5 Innerstaatliche Kulturpolitik

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§ 5 Innerstaatliche Kulturpolitik I. Kulturstiftungen

In der Bundesrepublik bestehen heute zwei große Kulturstiftungen, die sich umfassend der Pflege und Förderung von Kunst und Wissenschaft widmen. An beiden Stiftungen ist der Bund maßgeblich beteiligt: - Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz 81 und - die Kulturstiftung der Länder 82 • a) Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bereitet keine kompetenzrechtlichen Probleme. Der Bund hat sie durch ein Bundesgesetz nach Art. 135 Abs. 4 GG gegründet, um die durch die Wirren des Zweiten Weltkriegs verstreuten Schätze der ehemals preußischen Museen, Bibliotheken, Archive und Forschungsinstitute wieder in Berlin zusammenzuführen. Aufgabe der Stiftung ist es, "die ihr übertragenen preußischen Kulturgüter für das deutsche Volk zu bewahren, zu pflegen und zu ergänzen, unter Beachtung der Tradition den sinnvollen Zusammenhang der Sammlungen zu erhalten und eine Auswertung dieses Kulturbesitzes für die Interessen der Allgemeinheit in Wissenschaft und Bildung und für den Kulturaustausch zwischen den Völkern zu gewährleisten"83. Art. 135 Abs. 4 GG beschränkt den Bund keineswegs auf Gesetzgebungskompetenzen. Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr festgestellt, daß es dem Bund nach Art. 135 Abs. 4 GG freisteht, die Verwaltung der Stiftung anders als in Art. 83ff. GG zu regeln 84 . Der Bund konnte deshalb aufgrund des Art. 135 Abs. 4 GG nicht nur die Stiftung ins Leben rufen, sondern auch ihre Verwaltung (mit-)übernehmen. Insofern verleiht Art. 135 Abs. 4 GG dem Bund auch eine fakultative Verwaltungskompetenz. Es ist deshalb falsch, wenn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz immer wieder als bundesunmittelbare Stiftung nach Art. 87 Abs. 3 GG bezeichnet wird; vielmehr nimmt sie als einzige Stiftung nach Art. 135 Abs. 4 GG eine Sonderstellung ein. 81 Rechtsgrundlage: Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" und zur Übertragung von Vermögenswerten des ehemaligen Landes Preußen auf die Stiftung vom 25. Juli 1957 (BGBI. I S. 841) - GPrKultBes - und Verordnung über die Satzung der Stiftung "Preußischer Kulturbesitz" vom 6. Sept. 1961 (BGBI. I S. 1709), geänd. d. VO. v. 20. Dez. 1974 (BGBI. I S. 3710) - VO PrKultBes. Der Bund finanziert z. Zt. ca. 69% der laufenden Kosten (1988: 92,28 Mio. DM) und 50% der Baukosten (1988: 16,75 Mio. DM). 82 Rechtsgrundlagen: Abkommen zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder vom 4. Juni 1987, abgedruckt in Abghs. Berlin Drucks. 10/1657 - AbkKultstftg - und Abkommen über die Mitwirkung des Bundes an der Kulturstiftung der Länder vom 4. Juni 1987, abgedruckt ebenda - AbkKultstftgBd. Für das Haushaltsjahr 1987 hat der Bund der Stiftung Mittel in Höhe von ca. 10 Mio. DM zugeführt. Die Länder haben die Stiftung mit einem Anfangsvermögen in Höhe von 500.000 DM ausgestattet und führen ihr außerdem jährlich Zuschüsse für gemeinsame Projekte mit dem Bund und bis zu 10 Mio. DM für laufende Projekte zu. (§ 4 Akbkultstftg). 83 § 3 Abs. 1 GPrKultBes. 84 BVerfG E 10,20 (45f.).

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

b) Die Beteiligung des Bundes an der Kulturstiftung der Länder läßt sich dagegen nur mit Kompetenzen kraft Natur der Sache rechtfertigen. Die Kulturstiftung ist allgemein der "Förderung und Bewahrung von Kunst und Kultur nationalen Ranges"85 gewidmet86 ; die Länder haben dem Bund dabei das Recht eingeräumt, "überregional und international bedeutsame Kunst- und Kulturvorhaben" zu unterstützen 87 . Wären mit diesen pauschalen Formeln allein schon die Beteiligungsrechte des Bundes abschließend umschrieben, käme man nicht umhin, die Errichtungsabkommen als kompetenzverschiebende und deshalb verfassungswidrige Verträge einzustufen88 ; Bund und Länder haben es allerdings nicht bei einer allgemeinen Aufgabenbeschreibung belassen, sondern mit der Kulturstiftung ein Verfahren gewählt, bei dem sie in jedem Einzelfall gemeinsam und einstimmig feststellen, ob der Bund das Projekt betreuen darf, d. h. ob er für dieses Projekt über eine entsprechende natürliche Kompetenz verfügt 89 . Damit ist der verfassungsrechtlich zulässige Weg gemeinsamer Kompetenzauslegung eingeschlagen9o . Allerdings muß das bisherige Ergebnis der gemeinsamen Entscheidung von Bund und Ländern verwundern. Offensichtlich hat man die Frage, welche Projekte "überregional und international bedeutsam" sind, anhand des Haushalts des Bundesministers des Innern entschieden. Alle aufgelisteten Projekte stammen aus der (Kultur-)Förderung dieses Ministeriums. Unterstützt werden vorwiegend zentrale Verbände oder Vereinigungen auf Bundesebene sowie deutsche Vertretungen internationaler Vereinigungen. Gleichzeitig ist diese Auswahl aus der bisherigen Bundeskulturförderung sehr uneinheitlich ausgefallen 91 . Ausgeklammert blieb die gesamte Förderung nichtwissenschaftlicher Museen, zu denen immerhin so weltbekannte Einrichtungen gehören wie das Staedelsche Kulturinstitut in Frankfurt92 . Bei den Festspielen nahm man zwar die Filmfestspiele in Mannheim und Oberhausen auf, unberücksichtigt blieben dagegen die international wichtigsten deutschen Filmfestspiele in Berlin93 . Diese Auslassungen verwundern um so mehr, als der Bund auch solche Pro§ 2 Abs. 1 AbkKultstftg. Schwerpunkte der Arbeit sind laut § 2 Abs. 2 AbkKultstftg: Förderung des Erwerbs von für die deutsche Kultur besonders wichtigen und bewahrungswürdigen Zeugnissen; Förderung von und Mitwirkung bei Vorhaben der Dokumentation und Präsentation deutscher Kunst und Kultur; Förderung zeitgenössischer Formen und Entwicklungen von besonderer Bedeutung auf dem Gebiet von Kunst und Kultur; Förderung von überregional und international bedeutsamen Kunst- und Kulturvorhaben. 87 § 2 Abs. 2 Nr. 4 AbkKultstftg und §§ 1 ff. AbkKultstftgBd. 88 Ähnlich wie das sog. Flurbereinigungsabkommen: Vgl. oben Kap. 1 § 3 III 3c (1). 89 § 1 Abs. 2 AbkKultstftgBd i. V. m. § 7 Abs. 1 AbkKultstftg. 90 Ausführlich dazu oben § 3 III 3c (2). 91 Ähnlich zur vorangegangenen Förderungspolitik des Bundes: Hufen in: Probleme des Föderalismus, S. 199 (203). 92 Näher dazu unten § 5 IV 2. 93 Getragen von der Berliner Festspiel GmbH, vgl. dazu aber unten Kap. 6 § 18 I. 85

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§ 5 Innerstaatliche Kulturpolitik

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jekte der Kulturstiftung übertragen hat, bei denen sich die Förderung auf einen Zuschuß zu verbandsinternen Zeitschriften beschränkt94 • Soll das Signum "überregional und international bedeutsam" auch nur teilweise ein Qualitätsmerkmal darstellen, fragt es sich, welche Kriterien nach Ansicht der Ministerialbürokratien in Bund und Ländern hierfür maßgeblich sind. Die erste Förderliste läßt jedenfalls keine einheitliche Linie erkennen. Auch ein zweiter Punkt bedarf noch der KlarsteIlung: Da der Bund sich nur im Rahmen der von den Ländern anerkannten natürlichen Kompetenzen an der Kulturstiftung beteiligen darf, natürliche Kompetenzen aber definitionsgemäß ausschließliche Kompetenzen sind, ist an sich eine Förderung durch die Länder in der gleichen Sache ausgeschlossen 95 • Bei der ersten Auswahl für die Bundesförderliste hat man nun vorwiegend auf solche Projekte zurückgegriffen, die bereits seit längerem sowohl vom Bund als auch von mindestens zwei Ländern Zuschüsse erhielten96 • Diese gemeinsame Förderpraxis soll offensichtlich fortgesetzt werden. Das läßt sich kompetenzrechtlich nur rechtfertigen, wenn innerhalb der einzelnen geförderten Institution eine strikte Trennung zwischen Bundes- und Landesprojekten, d. h. zwischen Bundes- und Landeskompetenzen, durchgehalten wird. Die Bundesmittel dürfen nicht mehr global, ohne nähere Zweckbestimmung in den Einrichtungshaushalt fließen, sondern sind auf einzelne Projekte (Kongresse, Ausstellungen, Sondervorhaben) zu beschränken, bei denen Bund und Länder gemeinsam eine Bundeskompetenz anerkennen; ein weiterer Zuschuß aus Ländermitteln muß in diesen Fällen konsequenterweise ausscheiden. Soweit in den folgenden Abschnitten einzelne Projekte angesprochen werden, die aus der unmittelbaren Bundesförderung ausgeschieden sind und nunmehr über die Kulturstiftung laufen, sind diese mit einem '* gekennzeichnet. 11. Forschung

Noch vor der Auswärtigen Kulturpolitik bildet heute der Forschungssektor das wichtigste Arbeitsgebiet der Bundeskulturpolitik97 . So vergeben die Bundesminister für Forschung und Technologie bzw. Bildung und Wissenschaft zusammen jährlich Zuschüsse in Höhe von mehreren Milliarden an Forschungseinrichtungen98 . Dies hängt vor allem damit zusammen, daß der Bund Z. B. Deutscher Museumsbund, Deutsche Burgenvereinigung. Ausführlich oben Kap. 1 § 3 III 2b. 96 Ausnahmen: Kunstfonds, Literaturfonds. 97 Zur Geschichte der Wissenschaftspolitik des Zentralstaats in Deutschland: Griewank in: Volkstum und Kulturpolitik, S. 208ff.; Schreiber, Wissenschaftspolitik, S. 11ff.; Abelein, Kulturpolitik, S. 11ff.; Meusel in: HdbWissR II, S. 1255 (1256ff.). 98 1988: 7,088 Milliarden DM. In die beiden Kulturhaushalte des Bundes wird diese Förderung nur zu einem kleinen Teil (1988: 174 Mio. DM) aufgenommen. Ein vollstän94

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Kap. 2: Kulturpolitische Bundeskompetenzen -

Staatspraxis

hier über zwei ausdrückliche Kompetenzen verfügt99 : Art. 74 Nr. 13 GG verleiht ihm die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz zur "Förderung der wissenschaftlichen Forschung" 100 , der er sich jedoch bisher nur einmal, im Fall der Deutschen Bibliothek in Frankfurt, bedient hat 101 • Daneben verfügt der Bund über eine Verwaltungskompetenz nach Art. 91 b GG. Allerdings erlaubt Art. 91 b GG kein alleiniges Vorgehen des Bundes; nur aufgrund eines Verwaltungs abkommens , d. h. in Zusammenarbeit mit den Ländern, ist es ihm erlaubt, Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zu unterstützen (dazu 1.). Soweit der Bund daneben allein Forschung betreiben, fördern oder finanzieren möchte, muß er auf stillschweigende Kompetenzen 102 zurückgreifen (dazu 2. bis 4.). 1. Forschungsförderung nach 91 b GG Bund und Länder haben die gemeinsame Kompetenz aus Art. 91 b GG durch den Abschluß verschiedener Verwaltungsabkommen wahrgenommen. In der Rahmenvereinbarung Forschungsförderung haben sie die allgemeinen Grundsätze ihrer gemeinsamen Förderungspolitik und die Förderquoten festgelegt, in fünf Ausführungsvereinbarungen die Förderung einzelner Institutionen oder Programme näher geregelt 103 • Daneben bestehen zwölf Vereinbarungen zwischen dem Bund und einzelnen Ländern über den Betrieb bestimmdiger Überblick ist hier nicht möglich; eine Gruppierung nach rechtlichen Gesichtspunkten und die Aufzählung der jeweils wichtigsten Einrichtungen der jeweiligen Kategorie sollen hier genügen. 99 Ausgeklammert bleiben hier die Kompetenzen zur Rahmenkompetenz Hochschulrecht (Art. 75 Nr. 1a GG), zum Hochschulbau (Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG) und zur gemeinsamen Bildungsplanung mit den Ländern (Art. 91 b GG), die sich nur mittelbar auf die Forschungsförderung auswirken. 100 Zum nicht unumstrittenen Begriff "Forschung" vgl. statt aller Jakob, Staat 24 (1985),527 (543ff. m. w. N.). \01 Erklärungen für diese Untätigkeit bei Bode, WissR 5 (1972), 222ff.; Meusel in: HdbWissR II, S. 1255 (1259). 102 So könnte der Bund z. B. über Art. 87 Abs. 3 GG zur Forschungsförderung auch eigene Bundesforschungsanstalten errichten. Staff, Wissenschaftsförderung, S. 38 und Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 74 Rz. 179f., streiten diese Möglichkeit zwar ab. Der Bund dürfe über Art. 87 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 74 Nr. 13 GG allenfalls bundesunmittelbare Forschungsförderungseinrichtungen errichten, nicht aber Forschungseinrichtungen, in denen er selbst Forschung betreibt. Versteht man aber unter "Forschungsförderung" im Sinne von Art. 74 Nr. 13 und 91 b GG mit der unbestrittenen h. M. sowohl finanzielle und planerische, als auch organisatorische Maßnahmen (v. Mangoldt-Klein, GG, Art. 74, Anm. XXVII 2b, S. 1611; Maunz in: Maunz-Dürig, GG, Art. 74 Rz. 179; v. Münch in: ders., GGK, Art. 74 Rz. 65), so läßt sich auch ein Bundesforschungsinstitut rechtfertigen, das den organisatorischen Rahmen für die Forschungen der dort tätigen Wissenschaftler bildet. Im übrigen lassen Maunz und Statt ungeklärt, wie eine Forschungsförderungsinstitution von einer Forschungsinstitution zu unterscheiden ist. Wie hier Bode, WissR 5(1972), 222 (228ff.). \03 Näher dazu Kap. 6 § 16 II.

§ 5 Innerstaatliche Kulturpolitik

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ter Großforschungseinrichtungen. So profitieren die folgenden Einrichtungen von der gemeinsamen Forschungsförderung nach Art. 91 b GG: Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften*l04, Deutsche Forschungsgemeinschaft* 105, Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung*l06,

Selbständige Forschungseinrichtungen von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse ab einer bestimmten Größenordnung (sogenannte "Blaue Liste")*107, z. B. das Deutsche Übersee Institut Hamburg*108, Institut für Zeitgeschichte München*l09 oder das Wissenschaftszentrum für Sozialforschung Berlin llo , • Mit einem • sind im folgenden alle die Einrichtungen und Projekte gekennzeichnet, die nicht oder nur teilweise oder mittelbar in den beiden Kulturhaushalten beim BMI und beim AA aufgeführt sind. Vgl. oben Einleitung bei Fußn. 32. 104 Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. wurde 1948 als Rechtsnachfolgerin der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. gegründet und unterhält heute (1987) 61 eigene Forschungsinstitute und Forschungsstellen, an denen vor allem Grundlagenforschung betrieben wird. Der Anteil des Bundeszuschusses am gesamten Zuschußbedarf der Max-PlanckGesellschaft (außer MPI für Plasmaphysik) beträgt 50% (1988: 442,754 Mio. DM). 105 Die 1951 gegründete Deutsche Forschungsgemeinschaft e. V. ist eine gemeinnützige Einrichtung der deutschen Wissenschaft zur Förderung der Forschung in der Bundesrepublik und Berlin (West) sowie zur Sicherung der internationalen Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet. Sie gewährt finanzielle Unterstützungen für Forschungsvorhaben oder -einrichtungen, plant und koordiniert neue Forschungsvorhaben, entwickelt Schwerpunktprogramme und richtet Sonderforschungsbereiche an den einzelnen Hochschulen ein. Der Anteil des Bundeszuschusses am gesamten Zuschußbedarf beträgt 50% bei der DFG (Allgemeiner Zuwendungsbedarf) und beim Heisenberg Programm, 75% bei