Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung: Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland [2 ed.] 9783428424771, 9783428024773

Die erste Veröffentlichung dieser seit vielen Jahren vergriffenen und nun in zweiter, unveränderter Auflage vorgelegten

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Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung: Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland [2 ed.]
 9783428424771, 9783428024773

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ERNST-WOLFGANG BÖCKENFÖRDE

Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 18

Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung Eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland

Zweite Auflage

Von Ernst-Wolfgang Böckenförde

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Böckenforde, Ernst-Wolfgang: Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung : eine Untersuchung zum Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland / von Ernst-Wolfgang Böckenförde. - 2. Aufl. - Berlin : Duncker und Humblot, 1998 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 18) Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Habil.-Schr., 1964 ISBN 3-428-02477-X

1. Auflage 1964 Alle Rechte vorbehalten © 1998 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-02477-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Dent Andenken meines Vaters f

11.1.1962

Vorwort zur zweiten Auflage Die erste Veröffentlichung dieser seit vielen Jahren vergriffenen Schrift liegt über 30 Jahre zurück. Seither ist die wissenschaftliche Diskussion u m die Organisationsgewalt erheblich vorangekommen u n d hat sich die Organisation i m Regierungsbereich i n der Bundesr e p u b l i k i n vielem verändert. Gleichwohl w i r d die Arbeit immer wieder nachgefragt. Das mag damit zusammenhängen, daß i n i h r der Versuch gemacht worden ist, die Fragen der Organisationsgewalt von einem verfassungssystematischen Ansatz her zu behandeln, d. h. die Organisationsgewalt i n das Verfassungssystem des Grundgesetzes, die demokratisch-parlamentarische Verfassungsordnimg, hineinzustellen u n d die einzelnen Rechtsfragen auf dieser Grundlage z u erörtern. Eine solche systematische Untersuchung behält auch dann Bedeutimg, w e n n die Einzelheiten, auf die sie sich seinerzeit bezogen hat, i n zwischen andere geworden sind. Die Neuauflage k a n n n u r als unveränderter Nachdruck erscheinen. Eine Neubearbeitung unter Berücksichtigung u n d Einbeziehung der stattgehabten literarischen Diskussion, der Judikatur u n d der tatsächlichen Organisationsentwicklung würde womöglich ein neues Buch entstehen lassen. Sie hätte überdies vorausgesetzt, Schrifttum, Rechtsprechung u n d die tatsächlichen Organisationsvorgänge über die Jahre hinweg k o n t i n u i e r l i c h z u beobachten u n d auszuwerten. Das w a r indes i n der Zeit meines Verfassungsrichteramtes (1983-1996), das m i c h v o l l i n Anspruch n a h m u n d den Vorrang vor wissenschaftlicher Arbeit haben mußte, von vornherein ausgeschlossen So b i n ich dem Verleger, H e r r n Prof. Dr. h. c. Norbert Simon, sehr dankbar für seine Bereitschaft, das Buch i n seiner ursprünglichen Gestalt noch einmal zu verlegen. Vielleicht gewinnt es neue Freunde. Freiburg i. Br., i m Juni 1998 Ernst-Wolfgang

Böckenförde

Vorwort I m staatsrechtlichen Schrifttum richtet sich seit Bestehen der Bundesrepublik das wissenschaftliche Interesse vornehmlich auf den Grundrechtsteil der Verfassung, das Verhältnis zwischen Bund und Ländern und die Verfassungsgerichtsbarkeit. Das organisatorische Verfassungsrecht t r i t t demgegenüber auffallend zurück. Das mag i n gewisser Weise der Ausgangslage und der staatlichen Übergangssituation der Bundesrepublik entsprechen. Aber es wäre verhängnisvoll, wenn die Staatsrechtslehre durch eine Fixierung auf den »materiellen* oder sozialen Hechtsstaat den jeden Rechtsstaat allererst ermöglichenden politischen Rahmen, der sich i m Verfassungsorganisationsrecht darstellt, aus den Augen verlöre und seine Ausdeutung und Fortbildung allein der politischen Praxis überließe. Die hier vorgelegte systematische Untersuchung nimmt daher bewußt eine zentrale Frage des Verfassungsorganisationsrechts zu ihrem Ausgangspunkt. Die allgemeinen Lehren des demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassungsrechts können gegenwärtig nicht als ein gesicherter und unbestrittener wissenschaftlicher Besitzstand angesehen werden. Deshalb war es notwendig, der Darstellung der konkreten verfassungsorganisatorischen Probleme des Grundgesetzes eine allgemeine Untersuchung über Bedeutung und systematische Stellung der Organisationsgewalt i n einer demokratisch-rechtsstaatlichen Verfassung vorauszuschicken; das Nähere dazu ist i n der Einleitung dargelegt. Dadurch w i r d die Untersuchung auch für das Verfassungsrecht der deutschen Länder von Bedeutung. Die Arbeit hat i m Winter-Semester 1963/64 der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster vorgelegen und ist von i h r als Habilitationsschrift angenommen worden. Sie wurde i m November 1963 abgeschlossen; Literatur und Rechtsprechung aus späterer Zeit sowie durch die Staatspraxis später aufgeworfene Organisationsprobleme konnten nur noch vereinzelt berücksichtigt werden. Neu hinzugekommen sind § 1, A zur Begriffsgeschichte der Organisationsgewalt und § 21 über die militärische Spitzengliederung der Bundeswehr. Wie die militärische Organisationsgewalt überhaupt, so darf auch die militärische Spitzengliederung heute i n einer systematischen Untersuchung der Organisationsgewalt i m Regierungsbereich

8

Vorwort

nicht fehlen; wegen der auch politisch aktuellen Probleme, die sich i n diesem Bereich neuerdings ergeben haben, ist eine solche Untersuchung überdies besonders dringlich. Mein aufrichtiger Dank gilt zuerst meinen verehrten Lehrern: Prof. Hans-J. Wolff, der die Bearbeitung des Themas m i t helfendem Rat, zahlreichen Anregungen und mancher begrifflichen Präzisierung begleitet und trotz längerer Erkrankung die Mühe der Durchsicht und Begutachtung auf sich genommen hat; Prof. H. U. S cupin, dem ich etliche weiterführende Gespräche verdanke und dessen besondere Großzügigkeit es m i r ermöglichte, die Habilitationsschrift neben der Assistententätigkeit am I n s t i t u t für öffentliches Recht u n d P o l i t i k i n verhältnismäßig kurzer Zeit fertigzustellen; Prof. Carl Schmitt, der m i t seiner ungewöhnlichen Kenntnis verfassungsrechtlicher u n d verfassungsgeschichtlicher Probleme u n d Zusammenhänge auch diese Arbeit, ebenso w i e schon meine früheren, wesentlich gefördert hat. Besonders danken möchte ich ferner dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses und dem Stellv. Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages für bereitwillig gewährte Auskünfte; ebenso den zuständigen Sachbearbeitern und Referenten des Bundeskanzleramts und verschiedener Bundesministerien, insbesondere des Innenund Verteidigungsministeriums, die m i r durch i h r Entgegenkommen die Information über die Staatspraxis sehr erleichterten; nicht zuletzt der Bibliothek des Deutschen Bundestages für die Möglichkeit, die Materialien zur Entstehung des Grundgesetzes einzusehen und auszuwerten. Schließlich gilt mein Dank Herrn Ministerialrat a.D. Dr. Johannes Broermann für die Aufnahme auch dieser Schrift i n sein Verlagsprogramm sowie Herrn Referendar Rolf Grawert für tatkräftige Hilfe beim Lesen der Korrekturen. Heidelberg, i m Oktober 1964 Ernst-Wolfgang

Böckenförde

Inhalt Einleitung Erster

13

Teil

D i e Organisationsgewalt i n der demokratischparlamentarischen Verfassungsordnung des G G

21

Erstes Kapitel Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt §

1: Zum Begriff der Organisationsgewalt A. Begriffsgeschichte B. Allgemein-staatswissenschaftlicher Begriff C. Verfassungsrechtlicher Begriff

21 21 21 29 35

§

2: Funktion und Reichweite der Organisationsgewalt

38

§

3: Die Akte der Organisationsgewalt Anhang: Die Bedeutung von „Errichtung" und „Einrichtung" nach Art. 84 bis 87 G G

45 52

Zweites Kapitel Die Organisationsgewalt innerhalb der Staatsfunktionen

55

§

4: Begründung der Fragestellung

§

5: Die bisherige Diskussion des Problems

61

§

6: Der Rechtscharakter der Organisationsnörmen

70

§

7: Die Zugehörigkeit der Organisationsgewalt zur vollziehenden Gewalt (Exekutive) im demokratisch-parlamentarischen Verfassungsstaat

78

§

8: Allgemeiner (rechtsstaatlicher), institutioneller und funktioneller Gesetzesvorbehalt

89

§

9: Das Zugriffsrecht der Legislative auf die Organisationsgewalt ·. 103

§ 10: Das Budgetrecht des Parlaments

55

107

Drittes Kapitel Rechtscharakter und verfassungsrechtliche Bedeutung der Geschäftsordnungen der Regierungsorgane

115

8 11: Die Regierungs-Geschäftsordnung . § 12: Die Gemeinsame Geschäftsordnung der Ministerien (GGO)

116 127

10

Inhalt Zweiter

Teil

Die Organisationsgewalt im Bereich der Bundesregierung

129

Erstes Kapitel Die Inhaber der Organisationsgewalt

129

§ 1 3 : Die Bundesregierung als Inhaber der Organisationsgewalt i m Verhältnis zu Bundespräsident und Bundestag 130 § 14: Die Verteilung der Organisationsbefugnisse innerhalb der Bundesregierung 139 A. Organisationsbefugnisse des Bundeskanzlers 139 B. Organisationsbefugnisse der Einzelminister 144 C. Organisationsbefugnisse des Regierungskollegiums (Kabinett) ·. 151 § 1 5 : Die besondere (militärische) Organisationsgewalt des Bundesverteidigungsministers als Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt 152 Zweites Kapitel Inhalt und Bindungen der Organisationsbefugnisse

167

§ 1 6 : Die Organisationsstruktur der Bundesregierung nach dem Grundgesetz 168 A. Das Verhältnis von Kanzler-, Ressort- und Kabinettsprinzip i m allgemeinen 168 B. Die Verbindung von Ministerstellung und Kabinettszugehörigkeit 173 C. Innenorganisation und Vorzugsrechte einzelner Minister

179

D. Politische Berater des Bundeskanzlers und der Bundesregierung 187 § 17: Minister und Ministerien 192 A. Errichtung, Aufhebung und Kompetenzabgrenzung der M i n i sterien 192 B. Organisationsrechtliche Stellung der Minister (Ressortselbständigkeit) 204 C. Innere Organisation der Ministerien, Aus- und Angliederung

210

§ 1 8 : Sonderminister, Staatsminister, Parlamentarische Staatssekretäre

221

§ 19: Das Bundeskanzleramt

234

§ 20: Kabinettsausschüsse und Beiräte A. Kabinettsausschüsse B. Beiräte

243 243 249

§ 21: Die Spitzengliederung der Bundeswehr

259

Drittes Kapitel Form und Bekanntmachung der Organisationsregelungen

278

§ 22: Anforderungen an Form und Bekanntmachung der Organisationsregelungen im Bereich der Regierung 278

Abkürzungsverzeichnis Viertes

11

Kapitel

Einwirkungsbefugnisse des Bundestages auf die Organisationsgewalt

286

8 23: Möglichkeit und Grenzen gesetzlicher Regelung der Regierungsund Ministerialorganisation 286 § 24: Die Auswirkungen gesetzlich begründeter Minister auf die Organisationsgewalt

Zuständigkeiten der 295

§ 25: Das Ausgabenbewilligungsrecht 302 A. Die einzelnen Grundsätze des Ausgabenbewilligungsrechts 303 B. Insbesondere die Bewilligung und Streichung von Ministergegehältern 311 § 26: Die Sonderregelung für die Organisation des Bundesverteidigungsministeriums und der Streitkräfte 316

Literatur

325

Personenregister

339

Sachregister

341

Verzeichnis der weniger gebräuchlichen A b k ü r z u n g e n AÖR

=

Archiv des öffentlichen Rechts

ARSP

=

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie

BAnz

=

Bundesanzeiger

BayVBl

=

Bayerische Verwaltungsblätter

BBG

=

Bundesbeamtengesetz

BRRG

=

Beamtenrechtsrahmengesetz v. 1.7.1957 (BGBl I , S. 667)

BELF

=

Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

BMI

=

Bundesminister des Innern

BMVert

=

Bundesminister der Verteidigung

BVerfG

=

Bundesverfassungsgericht

BVwG

=

Bundesverwaltungsgericht

COS

=

Chiefs of Staff Committee (in Großbritannien)

DöV

=

Die öffentliche Verwaltung (zitiert nach Jahreszahl und Seite)

DVB1

=

Deutsches Verwaltungsblatt (zitiert nach Jahreszahl und Seite)

GeschO, GO

=

Geschäftsordnung

GGO

-

Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien

12 GMB1

Abkürzungsverzeichnis = Gemeinsames Ministerialblatt, hrsg. v. Bundesministerium des Innern

GOV

= Geschäftsordnung für die Vertretungen im Ausland

GS

= Preußische Gesetzsammlung

GV

= Gesetz- und Verordnungsblatt

HChE

= Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee

HDStR

= Handbuch des Deutschen Staatsrechts, hrsg. v. Anschütz und Thoma, Tübingen 1930—1932

HSW

= Handwörterbuch der Sozialwissenschaften, 13 Bde. (seit 1956)

HWBStW

= Handwörterbuch der Staatswissenschaft, 4. Aufl., 8 Bde. 1923 bis 1928

JCS

= Joint Chiefs of Staff (in USA)

JöR (NF)

= Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Neue Folge)

JZ

= Juristenzeitung (zitiert nach Jahreszahl und Seite)

LOG N W

= Landesorganisationsgesetz Nordrhein-Westfalen v. 10. 7.1962 (GV S. 421)

MoD

= Minister of Defence (in Großbritannien)

NJW

= Neue Juristische Wochenschrift

RHO

= Reichshaushaltsordnung v. 31.12.1922 (RGBl 1923, I I , S. 17)

RV, W V

= Verfassung des Deutschen Reiches v. 11. 8.1919

RVO

=

Reichsversicherungsordnung

SoD

= Secretary of Defense (in USA)

VertA

= Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages

VerwRspr

= Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland, hrsg. v. Ziegler, München 1949 ff.

VerwArch

= Verwaltungsarchiv

VMB1

= Verteidigungsministerialblatt, Verteidigung

WDStRL

= Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Berlin 1924 ff.

WBStVwR

= Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts, hrsg. v. Stengel-Fleischmann, 2. Aufl., 3 Bde. 1911—14

wüVROE

= Entwurf einer Verwaltungsrechtsordnung für

ZPol

= Zeitschrift für Politik (zitiert nach Jahreszahl und Seite)

hrsg. v. Bundesminister

der

Württemberg

Einleitung

Dem staatsrechtlichen Problemkreis, der durch den Begriff Organisationsgewalt bezeichnet wird, scheint es eigen zu sein, daß er jeweils nur sporadisch die Aufmerksamkeit der Staatsrechtslehre auf sich zieht. Nachdem der Organisationsgewalt i m System des spätkonstitutionellen Staatsrechts durch Laband und Anschütz ein fester Platz zugewiesen worden war 1 , den auch die Angriffe Gierkes, Haenels und Hugo Preuß' nicht zu erschüttern vermochten 2 , dauerte es gut 25 Jahre, bis Lutz Richter die Organisationsgewalt 1926 erneut i n den Bannkreis staatsrechtlicher Erörterungen zog 3 . Sein Angriff gegen die herrschende Lehre, den er von einem verfassungspolitisch aktualisierten Rechtsstaatsbegriff aus vortrug, wurde indessen schnell abgeschlagen4. Die vom spätkonstitutionellen Staatsrecht übernommene Position, die die Organisationsgewalt als Bestandteil der Exekutive erklärte, soweit nicht neue Zuständigkeiten zu Eingriffen i n Freiheit und Eigentum begründet wurden oder ausdrückliche Gesetzesvorbehalte bestanden, blieb i n ihrer Geltung praktisch unangefochten 5 . Wiederum dauerte es 1 Laband, Staatsrecht, 5. Aufl. (1911), Bd. 2, S. 180 ff., Bd. 1, S. 370 ff.; Gerhard Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden Gewalt, 2. Aufl. (1901); Meyer-Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. (1919), S. 670, Anm. 5. 2 Vgl. Otto Gierke, Labands Staatsrecht und die deutsche Rechtswissenschaft: Schmollers Jahrbuch, Bd. 13 (1887), Neudruck Darmstadt 1961; Albert Haenel, Das Gesetz i m formellen und materiellen Sinn, 1888; Hugo Preuss, Uber den konstitutionellen Gesetzesbegriff: Annalen des Deutschen Reichs, 1903. Die Kritik entzündete sich an dem Streit um den Rechtssatzbegriff. Laband, Anschütz und die h. L. nahmen die Organisationsnormen grundsätzlich davon aus. Sachlich ging es um die verfassungsrechtlichen Zuständigkeitsgrenzen zwischen (demokratischer) Legislative und (monarchischer) Exekutive. Vgl. näher unten § 5. 8 Lutz Richter, Die Organisationsgewalt. Verwaltungsreform und Rechtsstaat. Leipziger Antrittsvorlesung, 1926. 4 Kennzeichend dafür die auch sonst bedeutsame Stellungnahme von Anschütz, Kommentar, S. 316, Anm. 2: „Es ist m. E. nicht die Aufgabe der staatsrechtlichen Theorie, einer andauernd bestätigten Verordnungsgewalt, deren rechtlich begründetes Dasein weder vom Parlament noch von der Rechtsprechung bezweifelt wird, dieses Dasein abzusprechen." Uberwiegende Zustimmung fand Lutz Richter wohl nur bei Hans Gerber, AöR, Bd. 13 (1927), S. 450 ff.; eine eingehende Kritik trug Forsthoff, öffentliche Körperschaft, S. 38 ff., vor. 5 Innerhalb der Exekutive wurde die Organisationsgewalt dem Reichspräsidenten als Erbe des Kaisers zuerkannt, vgl. Anschütz, Kommentar,

14

Einleitung

über 30 Jahre, bis auf der Staatsrechtslehrertagung 1957 die Organisationsgewalt erneut i n den Mittelpunkt des staatsrechtlichen Interesses rückte 6 . Die i n den dortigen Berichten zutage getretene Divergenz der Grundauffassung wie auch die Vielfalt der Ansichten i n der anschließenden Diskussion erübrigen weitere Rechtfertigungen des Versuchs, den Fragen der Organisationsgewalt i n einem Teilbereich, der zugleich ihr wichtigster und politisch interessantester Anwendungsbereich ist, nachzugehen. Das praktische Interesse und Bedürfnis, einige nicht unwichtige, bislang aber kaum systematisch erörterte Fragen des geltenden Verfassungsrechts einer juristischen Klärung näherzubringen, liegt ebenfalls auf der Hand. Vor dem E i n t r i t t i n die sachliche Erörterung seien einige Bemerkungen über Methode, Anlage und Gegenstand der Untersuchimg vorausgeschickt. I. Das Thema w i r d nicht als ein verfassungs- oder staatstheoreiisches, sondern als ein Fragenkreis des positiven Verfassungsrechts i n Blick genommen. Es soll nicht eine Theorie der Organisationsgewalt i m Regierungsbereich, als Ergebnis freier staats- und verfassungstheoretischer Forschung entwickelt werden, sondern eine Dogmatik derselben, die auf das geltende Verfassungsrecht der Bundesrepublik bezogen ist. Ohne i n die sich neuerdings sehr belebende Methodendiskussion innerhalb der Staatsrechtslehre einzutreten, sei dazu doch die Ansicht ausgesprochen, daß es i m Interesse methodischer Klarheit und Sauberkeit notwendig ist, beide Arten der Behandlung staatsrechtlicher Probleme zu unterscheiden u n d voneinander zu trennen 7 . Während die staats- und verfassungstheoretische Forschung keinerlei Bindungen an etwas Gegebenes unterliegt, vielmehr frei auf ihren Gegenstand bezogen ist, hat es die staatsrechtliche Dogmatik m i t der Darlegung und Entfaltung von verbindlich Gegebenem, bereits substantiell Entschiedenem zu tun. Als verfassungsrechtliche Dogmatik kann sie weder über die Verfassung hinaus, nach dem ,an sich4 RichBem. 4 zu Art. 53, Bern. 5 zu Art. 77, Bern. 1 zu Art. 179. Gegen diese Zuständigkeitsverteilung wurden Einwände in der unter Betreuung Heinrich Triepels entstandenen Dissertation von H. Sembritzki, Die Organisationsgewalt nach Reichsrecht, Diss. Berlin 1933, erhoben (insbes. S. 113, 126 fC.). Die darin vorgetragenen, teilweise recht beachtlichen Argumente konnten indessen schon wegen der seit dem 30. Januar/24. März 1933 veränderten Verfassungslage nicht mehr zur Geltung kommen. 6 Arnold Köttgen, Felix Ermacora, Die Organisationsgewalt. Bericht und Mitbericht: W D S t R L 16 (1958). 7 Vgl. auch Theodor Viehweg, Zwei Rechtsdogmatiken: Festschrift für K a r l August Emge, Wiesbaden 1960; ders., Über den Zusammenhang zwischen Rechtsphilosophie, Rechtstheorie und Rechtsdogmatik: Festschrift für Legaz y Lacambra, 1960, Bd. 1, S. 203 ff.; ferner Thul, Die Denkform der Rechtsdogmatik: ARSP 46 (1960), 241 ff.

Einleitung tigen oder geltensollenden Wertideen, noch hinter die Verfassung zurück, nach den tatsächlichen Wertvorstellungen oder sozialen Machtverhältnissen fragen, u m erst unter deren Einbeziehung den normativen Sinn und Inhalt der Verfassung stets neu und fortlaufend zu bestimmen. Verfassungsrechtliche Dogmatik ist an die vom Verfassunggeber i n der Verfassung getroffenen grundlegenden Entscheidungen und festgelegten Einzelnormierungen, an den darin verbindlich gemachten politischen Willen und normativen Inhalt gebunden, wenn anders nicht die Verfassung als etwas normativ Gegebenes, das verbindliche Maßstäbe und Regeln setzt, aufgelöst werden soll 8 . Das schließt nicht aus, daß gerade eine dogmatische Betrachtung, die dogmatische Interpretation nicht m i t Begriff s jurisprudenz oder normlogischem Positivismus verwechselt, sondern Sinn und Funktion des Verfassungsrechts als des eigentlich politichen Rechts begreift, die Unzweckmäßigkeit dieser oder jener verfassungsrechtlichen Regelung erkennt oder gar feststellt, daß einzelne Teile der Verfassung überhaupt keine zureichende normative A n t w o r t mehr auf eine inzwischen wesentlich veränderte politisch-soziale Wirklichkeit geben. Sind solche Diskrepanzen auf dem Boden des normativ Gegebenen interpretativ nicht mehr aufzulösen — was freilich oftmals möglich sein wird, soweit die Verfassung, etwa i m organisatorischen Teil, nur Rahmen- oder Minimalbestimmungen enthält, die verschiedenartige Aktualisierungen zulassen —, so ist es die Aufgabe staatsrechtlicher Dogmatik, dies bewußt zu machen und dadurch die dafür zuständigen und verant8 Es ist zuzugeben, daß hierbei von der Voraussetzung ausgegangen wird, daß der Verfassunggeber selbst die auch dem „pouvoir constituant" nach allgemeiner Überzeugung gesetzten äußersten Gerechtigkeitsgrenzen nicht überschreitet. Für die Verfassungsordnung des Grundgesetzes besteht insoweit kein Problem, da diese theoretische Möglichkeit eines Widerspruchs bei einem freiheitlich-demokratischen Verfassunggeber, wie das BVerfG mit Recht feststellt, einer praktischen Unmöglichkeit gleichkommt (BVerfGE 3, S. 225 [233]). Auch wer auf dem Boden naturrechtlicher Überzeugung steht, muß einräumen, daß der Verfassunggeber des Grundgesetzes allen Naturrechtsforderungen, für die eine unabdingbare Verbindlichkeit mit Grund behauptet werden kann, Rechnung getragen hat, und also die Anerkennung und loyale Handhabung der Verfassung, auch wo sie nicht »vollkommen4 ist, selbst eine naturrechtliche Pflicht ist. — Das Problem, das dann entsteht, wenn der Verfassunggeber die ihm gezogenen äußersten Grenzen nicht respektiert, ist freilich nicht einfach mit der Aufkündigung der Loyalität durch die staatsrechtliche Dogmatik gelöst. Hier entsteht vielmehr das spezifische Berufsrisiko des Staatsrechtslehrers, der in einer solchen Situation entscheiden muß, ob er weiterhin staatsrechtlicher Dogmatiker bleiben kann, eine Entscheidung, die ζ. B. ein „Positivist" wie Gerhard Anschütz schon im Februar 1933 im negativen Sinne traf, oder ob er die risikoreiche Rolle eines Partisanen übernehmen will. I m übrigen lassen sich Verhaltensregeln, die im „Bauche des Leviathan" angemessen und richtig sind, nicht auf normale, geordnete Verhältnisse übertragen. Gerade hier sollte der vielgebrauchte Satz beherzigt werden, daß von der Ausnahmesituation nicht auf die normale Situation rückgeschlossen werden dürfe.

16

Einleitung

wortlichen Organe auf die Notwendigkeit von Veränderungen hinzuweisen. Es ist aber nicht i h r A m t , diese Diskrepanzen selbst zu beseitigen oder zu dissimulieren vermöge einer Interpretation', die i n der Sache Verfassungsfortbildung kraft persönlicher staatstheoretischer Überzeugimg oder verfassungspolitischer Parteinahme ist. Dazu fehlt der Staatsrechtslehre und ihren Vertretern die demokratische Legitimation. Diese Grundsätze werden deswegen eigens betont, w e i l i n der Staatsrechtslehre i n den letzten Jahren eine Richtimg zunehmend an Widerhall gewinnt, für die Verfassimg und Recht nicht mehr etwas dem Juristen verbindlich Gegebenes, sondern etwas i h m „Aufgegebenes" sind, das i m Sinne „fließender Geltungsfortbildung" (gemeint ist wohl: Inhaltsfortbildung) und i m Hinblick auf die je optimale Entfaltung seiner normativen K r a f t m i t der Wirklichkeit zu konfrontieren und von daher je neu zu interpretieren ist 9 . Diese Auffassimg bedeutet aber, konsequent zu Ende gedacht und durchgeführt, das Ende einer sich dem politischen und normativen Inhalt der Verfassimg und damit dem Inhaber des pouvoir constituant untergeordnet wissenden staatsrechtlichen Dogmatik und muß — sicher ungewollt — zur Auflösimg aller dogmatischen Strukturen führen 1 0 . Eben davon soll der eigene methodische Standpunkt hinreichend abgegrenzt werden. I I . Dieser Standpunkt bringt es auch m i t sich, daß den Verfassungsberatungen mehr Bedeutung für die Interpretation der einzelnen Verfassungsbestimmungen beigemessen wird, als das heute gemeinhin üblich i s t 1 1 . E i n normales, detaillierte Tatbestände m i t exakt umschriebenen Rechtsfolgen verbindendes Gesetz, wie es zu den großen Leistungen der kontinentaleuropäischen Rechtskultur des 18. und 19. 9

Vgl. ζ. B. Konrad Hesse, Der Rechtsschutz durch staatliche Gerichte im kirchlichen Bereich, S. 28—35; ders., Die normative Kraft der Verfassung, S. 18 f.; Richard Bäumlin, Recht, Staat und Geschichte, passim (dazu die — kritische — Besprechung von Dietrich Jesch, DVB1. 1962, S. 568 und die — überwiegend zustimmende — von Ulrich Scheuner, AöR 85 [1963], S. 114 ff.). I n ähnliche Richtung Peter Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 1962. 10 Das hat Jesch in seiner Rezension (Note 9) richtig hervorgehoben. Der grundlegende, i m Ergebnis jede Dogmatik auflösende Fehler dieser Richtung liegt m. E. darin, daß hier rechtsphüosophische und verfassungstheoretische Erkenntnisse und Ansichten über die sozial-kulturelle Bedingtheit, die Wirkungsweise und die Geltungsbedingungen des Rechts unbesehen zum Ausgangspunkt rechtsdogmatischer Folgerungen gemacht werden, als ob die dogmatische Interpretation eben dies, was sich möglicherweise bei einer Betrachtung des Rechtsbüdungs- oder Rechtsverwirklichungsprozesses als ganzem zeigt, schon von sich aus herbeizuführen hätte. 11 Die heute vorherrschende Ansicht zur »historischen4 Interpretation deutlich in BVerfGE 1, S.299 (312). Über die ältere, anders orientierte Auffassung statt vieler R. v. Mohl, Staatsrecht, Völkerrecht und Politik, Bd. 1, 1860, S. 97—143, insbes. S. 112 ff., 116 f.

Einleitung Jahrhunderts gehört, kann weithin unabhängig von den Vorstellungen oder Motiven des historischen 4 Gesetzgebers i n seinem Inhalt und Sinn eindeutig bestimmt werden. Dafür bilden die großen Kodifikationen des Straf- und Privatrechts, aber auch zahlreiche verwaltungsrechtliche Gesetze gute Beispiele. Demgegenüber ist aber auf die Eigenart des Verfassungsrechts hinzuweisen. Die Verfassung ist kein rechtstechnisch durchgeformtes ,Gesetz4 i m üblichen Sinn. Ihre Interpretation kann deshalb nicht ohne weiteres m i t den allgemeinen, gerade an und i m Hinblick auf jene rechtstechnisch durchgeformten Gesetze entwickelten Regeln juristischer Hermeneutik bewerkstelligt werden. Es ist auch kein rechtsstaatliches Erfordernis, die Verfassung dennoch wie ein solches ,Gesetz4 zu behandeln 12 . Jede Verfassung enthält neben detaillierten Normierungen zahlreiche unbestimmte, diffuse oder ideologisch geprägte Begriffe, die aus sich selbst, d. h. aus ihrem Wortsinn oder einem klar fixierten Sprachgebrauch keinen auch nur annähernd eindeutigen Sinngehalt ergeben, Lapidarsätze, die für grundlegende politische Entscheidungen stehen, sorgsam ausgehandelte Kompromißformeln, die einer inhaltlichen Eindeutigkeit gerade ausweichen wollen. Es handelt sich hierbei nicht u m Erscheinungen nach A r t der i n verwaltungsrechtlichen Gesetzen häufig «anzutreffenden „unbestimmten Gesetzesbegriffe 44, die bewußt auf sich wandelnde vorrechtliche Lebensordnungen, soziale Anschauungen oder höchstpersönliche Fachurteile verweisen, u m diese i n ihrem jeweiligen Gehalt i m Rahmen der gesetzlichen Regelung als rechtserheblich anzuerkennen 13 . Vielmehr sind diese Begriffe, Sätze und Formeln der Verfassimg durchaus Ausdruck eines bestimmten Entscheidungs- und Normierungswillens (der u. U. auf einen unklaren Kompromiß geht), nur findet dessen Inhalt i n ihnen selbst keinen annähernd zureichenden, etwa aus Wortsinn, klar fixiertem Sprachgebrauch oder systematischem Zusammenhang zu erhebenden Ausdruck. Ihre Interpretation erfordert daher eine eigene, diesen Gegebenheiten angemessene Methodik. I n den Kreis dieser Begriffe, Sätze und Formeln gehören ζ. B. nicht nur die grundrechtlichen Sätze und allgemeine Begriffe wie „vollziehende Gewalt 44 (Art. 20 I I u. I I I GG), „Verwaltung 4 4 (8. A b 12 So aber Forsthoff in seinem grundlegenden Aufsatz: Die Umbüdung des Verfassungsgesetzes, in der Festschrift für Carl Schmitt, S. 36. Diese m. E. unzutreffende Grundthese bringt Forsthoffs berechtigte Kritik an der geisteswissenschaftlich-werthierarchischen Methode der Verfassungsinterpretation um ihre positive Wirkung, da sie keine real durchführbare Alternative aufzeigt. Vgl. dazu auch P. Lerche, Stü, Methode, Ansicht: DVB1.1961, S. 690—701, insbes. S.692, 694 f. 13 Zum Problem der unbestimmten Gesetzesbegriffe eingehend Hans J. Wolff . Verwaltungsrecht I, § 31 le (S. 142 ff.); Dietrich Jesch, Unbestimmter Rechtsbegriff und Ermessen in rechtstheoretischer und verfassungsrechtlicher Sicht: AöR 82 (1957), S. 163—249, insbes. S. 17S—186.

2 Böckenförde

18

Einleitung

sehn.), „ B i n d u n g a n Gesetz u n d R e c h t " ( A r t . 20 I I I GG), s o n d e r n auch konkretere Begriffe wie „Errichtung" u n d „Einrichtung" von Behörd e n ( A r t . 84—87 G G ) u n d d e r B e g r i f f „ B e h ö r d e " (ebd.) selbst. Sucht m a n diese B e g r i f f e , Sätze oder F o r m e l n i n i h r e m I n h a l t u n d n o r m a t i v e n S i n n »objektiv 4 z u b e s t i m m e n , ohne p r i m ä r nach d e m i n d e n V e r f a s s u n g s b e r a t u n g e n d a m i t e r k e n n b a r v e r b u n d e n e n oder v o r ausgesetzten V o r s t e l l u n g s i n h a l t u n d N o r m i e r u n g s w i l l e n z u f r a g e n 1 4 , so setzt m a n , ob m a n w i l l oder n i c h t , n u r sein eigenes s u b j e k t i v e s V e r s t ä n d n i s b z w . politisches D a f ü r h a l t e n oder das d e r z e i t i g e n Tagesm e i n u n g a n d i e S t e l l e d e s j e n i g e n des Verfassunggebers. Das i s t d a n n aber d e r Sache nach n i c h t m e h r dienende, verfassungsgebundene I n t e r p r e t a t i o n , s o n d e r n a p o k r y p h e V e r f a s s u n g s w a n d l u n g d u r c h Begriffs-; Verschiebung 1 5 . I I I . Was die A n l a g e d e r U n t e r s u c h u n g b e t r i f f t , so h a t sie v o n d e r f ü r j e d e V e r f a s s u n g s i n t e r p r e t a t i o n g r u n d l e g e n d e n E r k e n n t n i s auszugehen, daß d e r I n h a l t e i n e r V e r f a s s u n g n i e a l l e i n aus d e n i n i h r a u s d r ü c k l i c h f o r m u l i e r t e n verfassungsgesetzlichen R e g e l u n g e n g e w o n n e n w e r d e n k a n n , s o n d e r n a l l e r e r s t aus e i n e r V e r b i n d u n g dieser R e g e l u n g e n m i t d e m Verfassungssystem, i n das sie e i n g e b e t t e t s i n d 1 6 . D u r c h d i e „verfassunggestaltenden Grundentscheidungen 4417, die der Verfassung14 Es muß sich allerdings um einen erkennbaren, in den Verfassungsberatungen hinreichend klar zum Ausdruck gekommenen Vorstellungsinhalt bzw. Normierungswillen handeln. Dafür genügen nicht einzelne Äußerungen oder Vorstellungen individueller Abgeordneter, vielmehr kommt es auf die in den Beratungen i m Hinblick auf die fragliche Bestimmung maßgeblich gewesenen oder gewordenen Auffassungen an. 15 Die Verfassungswidrigkeit eines solchen Vorgehens, auch soweit es durch Gerichte geschieht, betont Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I, § 28 I I I c 6 (S. 124). Der Versuch Herbert Krügers, Verfassungsauslegung aus dem Willen des Verfassunggebers: DVB1. 1961, S. 685—689, an Stelle des historischen einen »gegenwärtigen', als normativ geprägte Größe verstandenen Verfassunggeber als Auslegungsprinzip heranzuziehen, geht an dem hier aufgezeigten Problem m. E. vorbei. Er mag für die Gewinnung eines zulänglichen allgemeinen Begriffs der Verfassung dienlich sein. 16 Die zuerst von Carl Bilfinger, Der Reichssparkommissar, 1928, S. 16 f. und Carl Schmitt, Verfassungslehre, 1928, S. 20 ff. bewußt gemachte und von letzterem systematisch durchgeführte Unterscheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz erweist gerade hier ihre juristische Notwendigkeit und Fruchtbarkeit. Es handelt sich dabei nicht eigentlich um einen Unterfall des sog. „ungeschriebenen Verfassungsrechts", sondern um die systematische Explikation der in der Verfassung selbst positiv getroffenen, aber meist nur in Lapidarsätzen niedergelegten oder in mehreren Einzelregelungen vorausgesetzten politisch-rechtlichen Grundentscheidungen. I n die Vieldeutigkeit und systematische Ungeklärtheit des Begriffs »ungeschriebenes Verfassungsrecht' geben einen guten Einblick die Referate von E. v. Hippel und Alfred Voigt sowie die Diskussionsbeiträge in V V D S t R L 10 (1953), S. 1—73. 17 Hans J. Wolff, Rechtsgrundsätze und verfassunggestaltende Grundentscheidungen als Rechtsquellen: Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 48 ff., unter Aufnahme der Schmitt'schen Unterscheidung von Verfassung und Verfassungsgesetz.

Einleitung

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geber trifft, legt er das System der Verfassung, ihre tragenden Prinzipien und grundlegenden Begriffe fest; zugleich gibt er durch die verfassungsgesetzlichen Einzelregelungen diesem System eine spezifische konkrete Ausgestaltung. Nur aus beiden zusammen ist der volle Inhalt der geltenden Verfassung zu ermitteln 1 8 . Aus diesem Grund ist es notwendig, i n einem ersten Teil zunächst den Ort der Organisationsgewalt i m Verfassungssystem des Grundgesetzes zu bestimmen. Erst daran anschließend können die einzelnen dogmatischen Fragen behandelt werden. Diesen auf das Verfassungssystem bezogenen Ausführungen kommt insofern eine allgemeinere Bedeutung zu, als sich hier entscheiden muß, wie weit die überlieferten Frontstellungen i n der Auseinandersetzung u m die Organisationsgewalt dem heutigen, demokratisch-parlamentarischen und gewaltengliedernden Verfassungssystem noch angemessen sind. Außerdem sind die sich hier ergebenden Begriffe, Grundsätze und Unterscheidungen wegen der Gleichheit des Verfassungssytems nicht nur für das Grundgesetz selbst, sondern auch für die Länder der Bundesrepublik von Bedeutung. I m übrigen w i r d das Verfassungsrecht der Länder der Bundesrepublik i m Rahmen dieser Untersuchung nicht mitbehandelt. Wiewohl Bund und Länder das Verfassungssystem gemeinsam haben, sind die konkreten verfassungsgesetzlichen Normierungen hinsichtlich der Organisationsgewalt so unterschiedlich, und zwar sowohl zwischen Bund und Ländern als auch i m Verhältnis der Länder untereinander, daß eine einheitliche Behandlung nicht möglich erscheint. Die Untersuchung beschränkt sich somit (im zweiten Teil) auf die Organisationsgewalt i m Bunde. Auch hier umfaßt sie nicht die gesamte Organisationsgewalt i m Bund, sondern nur die Organisationsgewalt i m Bereich der (Bundes-)Regierung. Regierung ist dabei i m organisatorischen Sinn verstanden: Es geht u m die Organisationsgewalt, soweit sie die Regierung einschließlich der Minister und Ministerien betrifft und soweit sie von Regierung und Ministerien ausgeht. Der Verwaltungsunterbau i m Bund ist daher nicht mehr als solcher Gegenstand der Erörterung, sondern nur unter dem Blickwinkel der Reichweite der Organisationsgewalt der Regierung. Nach der Verfassungsstruktur des Grundgesetzes, die darin die Tradition des deutschen Bundesstaates fortführt, w i r d hier die föderative Grenzlinie entscheidend. IV. Schließlich sei noch der Hinweis erlaubt, daß die hier gegebene Darstellung nicht ein Lehr- oder gar Handbuch der Organisations18 Der Sache nach, aber methodisch unreflektiert wurde das auch in der Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts befolgt, wenn diese mit und aus den „Grundsätzen des konstitutionellen Staatsrechts" argumentierte.

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Einleitung

gewalt sein oder ersetzen w i l l , das möglichst alle Einzelfragen beantwortet, die sich i n diesem Problemkreis ergeben oder ergeben können Die Arbeit setzt sich vielmehr nur zum Ziel, die Probleme der Organisationsgewalt i n dem abgesteckten Bereich unter Beschränkung auf die allgemeinen Fragen dogmatisch und systematisch zu durchdringen. Vielleicht vermag sie gerade dadurch zur Begegnung und wechselseitigen Befruchtung von Theorie und Praxis beizutragen.

Erster

Teil

Die Organisationsgewalt in der demokratisch-parlamentarischen Verfassungsordnung des GG Erstes

Kapitel

Begriff und Inhalt der Organieationsgewalt Die Darlegungen dieses Kapitels wollen i m Sinne einer »Einleitung 1 einige begriffliche Klärungen und Verständigungen bieten, u m damit den Ausgangspunkt der weiteren Erörterungen zu kennzeichnen und deren Rahmen abzustecken. Sie sind nicht als begriffliche und systematische Grundlegung einer allgemeinen Organisationslehre gedacht.

§ 1: Zum Begriff der Organisationsgewalt A. Begriffsgeschichte Der Ausdruck ,Organisationsgewalt 1 findet sich i m Rahmen staatsrechtlicher Erörterungen wohl erstmals i n den „Grundsätzen des heutigen deutschen Staatsrechts" von Romeo Maurenbrecher aus dem Jahre 18371. Die Organisationsgewalt erscheint als Unterart der gesetzgebenden Gewalt. Sie umfaßt die Rechte: „1. die Staatsbehörden anzuordnen und die sonstigen notwendigen und nützlichen Einrichtungen i m Staat zu treffen; 2. über deren Wirkungskreis Instruktionen zu erlassen, sowie 3. die Formen ihrer Geschäftsführung zu bestimmen 2 ." Der Sache nach gab es eine rechtliche Befugnis der A r t , die bei Maurenbrecher als »Organisationsgewalt 4 erscheint, schon früher. Sie war gerade i m ständischen Staat, i n der Auseinandersetzung zwischen landesherrlicher Regierungshoheit und ständischen Mitspracherech1 Romeo Maurenbrecher, Frankfurt 1837. 2 Ebd., § 185, S. 324.

Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts,

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

ten oder iura quaesita, von Bedeutung. I h r Anfang war das (königliche bzw. landesherrliche) Recht, zu „ Ä m t e r n und Würden zu ernennen" 3 . I n diesem Recht lag Institutionelles, noch unentwickelt, und Personenrechtliches ungeschieden beieinander. Für die Reichspublizistik ist es bei diesem ungeschiedenen Beieinander geblieben. Noch Pütter und Haeberlin kennen keine selbständige Organisationsbefugnis, sondern nur das Recht, zu öffentlichen Ämtern und Ehren zu ernennen, das sie zu den kaiserlichen bzw. landesherrlichen Regierungsrechten zählen 3 . Das Reich war, wie auf dem Weg zum Staat überhaupt, so auch i m Hinblick auf die Ausbildung einer eigenen Behördenorganisation steckengeblieben und darin von den Territorien überholt worden. Deutlich vorgebildet ist demgegenüber die spätere Organisationsgewalt bei J. J. Moser. Ordentlicher Weise habe ein Landesherr, so sagt er, „freie Hände, neue Collegia zu errichten, alte abzuändern, zu trennen oder aufzuheben usw., wie er es entweder für sein Cameral-Interesse, oder für das gemeine Beste, für gut findet" 5 . Den Landständen kann bei solcher „Einrichtung, Abänderung oder Verbesserung der Landes-Regierung", je nach ihren „mehreren oder wenigeren Freyheiten", d. h. je nach der einzelnen Landesverfassung, ein mehr oder minder ausgedehntes Mitwirkungsrecht zukommen 6 . Wenn gleichwohl i n der älteren Literatur der Ausdruck Organisationsgewalt (potestas instituendi) als solcher noch unbekannt ist, so kommt das nicht von ungefähr. Erst m i t der Französischen Revolution wurde die organisatorische Tätigkeit i m staatlichen Bereich i n jene Dimension erhoben, die es begründet erscheinen ließ, von einer eigenen Organisationsgetualt zu sprechen 7. Vorher gab es die Errichtung 8

Blackstone, Commentaries on the Law of England, Bd. I, S. 271 f. Johann Stephan Pütter, Institutiones juris publici germanici, 5. Aufl., 1792, § 232: De jure munerum publicorum, honorum et praecedentiae; Friedrich Haeberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1794, § 232, S.191 ff. 5 Johann Jacob Moser, Von der Landeshoheit in Regierungssachen, 1772, Kap. 2, § 4, S. 28. 6 Ebd., Kap. 2, § 6, S. 30. Moser bringt daselbst, S. 32—34, 39, etliche Beispiele aus dem Staatsrecht der Territorien, die zeigen, daß eine ständische Mitwirkung bei Maßnahmen der Behördenerrichtung, -aufteilung usw., auch bei der Zuweisung der Geschäfte, ziemlich verbreitet war. Die Stufe des landesherrlichen Absolutismus wurde nur in einigen Groß-Staaten, wie in Preußen und im josefinischen Österreich, erreicht, das „dritte Deutschland" verblieb bis zum Ende des Reiches auf der Stufe des ständischen Staates. 7 Bezeichnend ist die Bemerkung bei Maurenbrecher, a.a.O., S. 325, Anm. c, daß das Wort »Organisieren' erst seit der Französischen Revolution in U m lauf gekommen sei. Sehr zutreffend weist er darauf hin, man habe es der Rheinbundakte und den von Frankreich ausgegangenen völkerrechtlichen Prinzipien zu verdanken, daß nunmehr alle Staaten, die der Souveränität anderer Staaten unterworfen wurden, diesen „inkorporiert und ihrer hergebrachten Verfassungen verlustig (d. h. ,neu organisiert') worden sind" (§ 62, Note e, S. 202). 4

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

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einzelner Collégien oder Kammern, die Ernennung zu Ämtern, vereinzelt auch die Schaffung gesamtstaatlicher Zentralbehörden. Die Gesamtverfassung und -organisation des Staates bzw. der zum Staat verbundenen Länder galt jedoch nicht als verfügbar 8 . Erst durch die Revolution wuchs der Staat, nach den kräftigen Anläufen i m Absolutismus, prinzipiell und endgültig über ein Gefüge von historischen Ländern, Herrschaften und Korporationen hinaus. Der Staat wurde nun ein sich letztlich auf die Individuen gründendes „corps social" 9 , das als Ganzes und i n seinen Teilen einer planmäßigen und zweckhaften Organisation unterliegt und offensteht. Die französischen Verfaissungen von 1791, 1793 und 1795 treffen i n sehr umfassender Weise solche organisatorischen Maßnahmen: sie organisieren das Staatsgebiet und die Nation i n Départements, Districte, Kantone, errichten die höheren und niederen Verwaltungsbehörden, regeln die A r t ihrer Zusammensetzung und ihren hierarchischen Zusammenhang 10 . Die Organisationsbefugnis w i r d nunmehr Teil und Ausfluß der allem Hergebrachten überlegenen, i h m gegenüber souveränen Staatsgewalt. I h r sachlicher Grund ergibt sich nicht mehr aus einem bestimmten hoheitlichen Rechtstitel des Landesherrn, sondern aus dem Wesen des Staates als solchen, der der Organisation bedarf, Behörden, Ämter und Einrichtungen braucht, u m als (abstrakte, organisierte) Einheit bestehen und 8

Bezeichnend dafür § 60 des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803: „Die dermalige politische Verfassung der zu saecularisierenden Lande in soweit solche auf gültigen Verträgen zwischen dem Regenten und dem Lande, auch andern reichsgesetzlichen Normen ruht, soll ungestört erhalten, jedoch in demjenigen, was zur Civil- und Militär-Administration und deren Verbesserung und Vereinfachung gehört, dem neuen Landesherrn freie Hand gelassen werden." 9

Der Begriff, in seinem sachlichen Kern die Essenz der vernunftrechtlichen Staatstheorie, findet sich zuerst in der Präambel der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte vom 4. 8. 1789. Zur Bedeutung vgl. L. Stein, Geschichte der sozialen Bewegung in Frankreich von 1789 bis auf unsere Tage,, Bd. 1, 1850, S. 59 ff. 10 Vgl. Verfassung von 1791: Tit. 2, Art. 1 (Organisation und Einteilung des »Territoriums* in 43 départements, diese in Distrikte und Kantone); Tit. 2, Art. 8 (Gemeinden nicht mehr als Korporationen und Einheiten, sondern als Organisation der Bürger „sous le rapport des relations locales"); Tit. 3, Kap. 3, sect. I, Art. 1, Ziff. 5 (Errichtung u. Aufhebung öffentl. Ämter — offices publics — nur durch das corps législatif); Tit. 3, Kap. 4, Sect. I I (Festlegung des Charakters und der Hierarchie der „administrations" = Departements- und Distriktsbehörden). Verfassung von 1793: Art. 3 (organisatorische Einteilung in départements, districts und municipalités); Art. 78—84 (Bildung, Zusammensetzung und Charakter der verschiedenen »administrations'). Verfassung von 1795: Art. 3—5 (Organisatorische Einteilung in départements — nach Zahl und Namen (!), cantons und communes; Änderung der Grenzen nur durch corps législatif); Art. 150 (Bestimmung der Zahl und der Geschäfte der Minister durch corps législatif); Art. 174 ff. (Organisation der corps administratifs und municipaux = Verwaltungsbehörden).

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

w i r k e n zu können. A u s linearen Organisationsbeziehungen w i r d

die

O r g a n i s a t i o n des G e m e i n w e s e n s als s o l c h e n 1 1 . W e n n g l e i c h so d i e Französische R e v o l u t i o n d i e m o d e r n e O r g a n i s a t i o n s g e w a l t d e r Sache nach h e r v o r g e b r a c h t h a t , i s t d e r französischen Staatsrechtslehre i m 19. J a h r h u n d e r t u n d b i s h e u t e d i e O r g a n i s a t i o n s g e w a l t als staatsrechtlicher B e g r i f f u n d eigenes R e c h t s i n s t i t u t f r e m d g e b l i e b e n 1 2 . D i e französische Staatsrechtslehre i s t v o n A n f a n g a n ganz a n d e n d r e i »pouvoirs 4 (als spezifischen, f o r m e l l b e s t i m m t e n H a n d lungsformen der Staatsgewalt18) u n d i h r e r Verhältnisbestimmung o r i e n t i e r t , n e b e n d e n e n andere »Gewalten 1 k e i n eigenes Recht b e h a u p t e n k ö n n e n . D i e O r g a n i s a t i o n s g e w a l t als eigener staatsrechtlicher B e g r i f f w a r u n d i s t eine d e m deutschen Staatsrecht eigentümliche B i l d u n g . I m 19. J a h r h u n d e r t erscheint sie zunächst, i n A n k n ü p f i m g an d i e ständestaatliche T r a d i t i o n , d i e die f r ü h k o n s t i t u t i o n e l l e Staats11 Wenngleich in Deutschland dieser moderne Staatsgedanke sich erst in einem allmählichen Prozeß durchsetzte und ständestaatliche Vorstellungen noch lange in die konstitutionelle Zeit hineinwirkten, bot anderseits die organische Staatsauffassung, die das frühkonstitutionelle Denken weithin hervorbrachte, durch ihr Verständnis des Staates als eigener, in seinen Organen sich darstellender Ganzheit, eine wirksame Grundlage für die Emanzipation der Organisationsgewalt. Typisch in diesem Sinn etwa Pözl, Art. Amt: Deutsches Staatswörterbuch, hrsg. von Bluntschli und Brater (in HBdn.), Bd. 1, 1857, S.206; ferner J.Held, Art. Organisation: Staatslexikon, hrsg. v. Rotteck u. Welcker, 3. Aufl., Bd. 11, S.40ff., wo »Organisation 1 als „Einrichtung eines Wesens, das man Organismus nennt, und die Einrichtung, vermöge welcher etwas ein Organismus ist", definiert wird; auch Bluntschli, Allgemeine Staatslehre, 5. Aufl., 1875, S. 588 ff., 592, 600 ff. 12 Vgl. dazu Amphoux, Chancelier fédéral, S. 161, Note 2, der seinen französischen Lesern den Begriff Organisationsgewalt als eine spezifische Erscheinung des deutschen Staatsrechts, entstanden aus der Verfassungslage der konstitutionellen Monarchie, zu erklären sucht. — Damit ist nicht gesagt, daß nicht auch in der französischen Staatsrechtslehre organisationsrechtliche Sach- und Kompetenzfragen aufgetaucht und behandelt worden seien, etwa die Frage der Schaffung neuer Behörden und Ministerien oder der Erlaß organisatorischer règlements, vgl. dazu Esmein-Nézard, Elements de droit constitutionnel, Bd. 2, 8ème ed., S. 76 ff., 124 f., 232 ff. ; Duguit, Traité de droit constitutionnel, 2ème ed., Bd. 2, § 20; Bd. 4, § 48, S. 716 ff.; Hauriou, Précis de droit constitutionnel, S. 459; Lehern, Das Verfassungsrecht der französischen Republik, S. 58. Hier geht es aber um die Verwendung eines einheitlichen, die staatliche Organisationstätigkeit zusammenfassenden staatsrechtlichen Begriffs und die von daher bestimmte Fragestellung der verfassungsrechtlichen Diskussion. 18 I n diesem Sinne schon die französische Verfassung von 1791, Tit. I I I , Art. 3—5, sowie die Verfassung von 1814, Art. 10—13. Aus der Literatur vgl. die Note 12 erwähnten Werke von Esmein-Nézard, Duguit und Hauriou. Bei Duguit, Traité, 2ème ed., Bd. 2, §§ 15 und 16 finden sich Erörterungen über das ,loi en sens materiel·, die aber nur die »Allgemeinheit4 des Gesetzes betreffen und nicht Ansatzpunkt einer materiellen Funktionenlehre sind. Auch die neueren Lehrbücher und Grundrisse von Barthélémy -Duez, Traité élémentaire de droit constitutionnel, 1926; Laferrière, Manuel de droit constitutionnel, 2. ed., 1947; Burdeau, Droit constitutionnel et institutions politiques, 8ème ed., 1959, halten sich auf dieser Linie.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

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rechtslehre noch maßgeblich bestimmt, als eines der Hoheitsrechte, ein Hoheitsrecht nun nicht mehr des Landesherrn, sondern der Staatsgewalt selbst, das sich aus dem Staatszweck legitimiert. Alle Hoheitsrechte werden dabei zu »Gewalten1; als solche umschreiben sie die Befugnis (Kompetenz) zur Wahrnehmung einer bestimmten Sachtätigkeit bzw. zur Ordnung und Regelung eines bestimmten Sachbereichs 14 . M i t dem Vordringen des konstitutionellen Denkens und konstitutioneller Verfassungen w i r d nun diese Theorie der Hoheitsrechte, die von sachlich^gegenständlicher Einteilung der i n der Staatsgewalt enthaltenen Befugnisse ausgeht, überlagert und umgebildet durch die Einteilung und Gliederung staatlichen Handelns nach bestimmten rechtlichen Handlungsformen (Funktionen) der Staatsgewalt. Diese Umbildung nimmt ihren Weg über die schon geläufige Unterscheidung ,formeller' und »materieller 4 Hoheitsrechte. Gesetzgebende und vollziehende Gewalt als die verfassungsrechtlich relevanten Grundformen staatlicher Tätigkeit werden die eigentlichen formellen Hoheitsrechte 15 Die materiellen Hoheitsrechte, darunter auch die Organisationsgewalt, müssen nun einem dieser formellen, kompetenzbestimmenden Hoheitsrechte (,Gewalten 1 ) zugeordnet oder zwischen ihnen aufgeteilt werden 1 6 . I n dem Maße, wie sich diese neue Einteilung und Zuordnung, die dem konstitutionellen Verfassungssystem entsprach, durchsetzt, ändern die sog. materiellen Hoheitsrechte ihren Charakter: Aus Bezeichnungen einer bestimmten, sachlich umschriebenen (,materiellen') Kompetenz werden sie zu beschreibenden Sachtätigkeits-Begriffen. Sie bezeichnen 14 Vgl. dazu die Darstellungen bei J. L. Klüber, Staatsrecht des Rheinbundes, 1808, 2. Teil, Kap. I X — X I X ; ders., öffentliches Recht des Teutschen Bundes, 2. Aufl., 1840, Kap. Χ — X X ; R. Maurenbrecher, Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts, 1837, Teil 2, Kap. 2; H. A. Zachariae, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 2, 3. Aufl., 1867, 2. Abschnitt, Kap. 3—8; Heinrich Zoepfl, Grundsätze des gemeinen deutschen Staatsrechts, Bd. 2, 4. Aufl., 1865, 19. Abschnitt B; L. v. Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie, Bd. 1, 3. Aufl., 1869, 2. Abschnitt, Kap. 2, Titel 1 (§§ 45—74). 15 Besonders deutlich ist dieser Ursprung zu erkennen bei Maurenbrecher, a.a.O., Teil 2, Kap. 2 (§§ 177—205); ferner K. S. Zachariae, Vierzig Bücher vom Staate, Bd. 1, 1820, S. 136—139; Sylvester Jordan, Versuche über allgemeines Staatsrecht, 1828, S. 211, 213 ff., 239 ff.; H. A. Zachariae, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 1, 3. Aufl., 1865, § 20; v. Rönne, a.a.O., Bd. 1, 3. Aufl., 2. Abschnitt, Kap. 2, Titel 1 u. 2; vgl. dazu auch E. W. Böckenförde, Gesetz und gesetzgebende Gewalt, S. 53 ff., 119, 121. I n der Diskussionsbemerkung von H. Krüger, W D S t R L 16, S. 254 wird das Verhältnis von »formellen 4 und »materiellen 4 Hoheitsrechten umgekehrt und die Organisationsgewalt den formellen Hoheitsrechten zugezählt. I n der älteren Literatur, auf die Krüger dabei verweist, findet das keine Stütze. 16 I n diesem Sinne schon die Erörterungen bei Pözl, Artikel ,Amt* (wie Note 11), S. 217 f. und v. Rönne, Staatsrecht, Bd. 1, 1, 3. Aufl., S.223f.; später dann Haenel, Das Gesetz im formellen und materiellen Sinn, 1888, S. 180 ff.

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

nurmehr einen bestimmten, durch eine sachlich-inhaltliche Zusammengehörigkeit definierten Zweig staatlicher Tätigkeit 1 7 . Wer Inhaber der Polizei- oder Organisationsgewalt ist, hat aus diesem »Hoheitsrecht1 nicht mehr die Befugnis, sowohl polizeiliche bzw. Organisationsgesetze als auch entsprechende Einzelanordnungen, je nach den sachlichen Erfordernissen, zu erlassen, sondern je nach der Kompetenzabgrenzung zwischen gesetzgebender und vollziehender Gewalt bestimmt sich, ob und wieweit Polizei- bzw. Organisationsgewalt dem Funktionsbereich der einen oder anderen dieser formellen Gewalten' unterliegen.

Konsequent i n diesem neuen, beschreibenden Sinn t r i t t uns der Begriff Organisationsgewalt bei Albert Haenel 1 8 entgegen. Die Organisation ist für ihn ein notwendiger Gegenstand staatlicher Tätigkeit, bildet einen besonderen Zweig seiner Verwaltung. Die Organisationsgewalt ergibt sich aus den „Befugnissen i n Gesetzgebung und V o l l ziehung", die die Herstellung, Fortbildung, Sicherung und Handhabung seiner Organisation bezwecken. Die entscheidende juristische Frage lag nunmehr darin festzustellen, inwieweit die Materien der Organisationsgewalt der Gesetzgebung oder Vollziehung unterfielen. Dafür kam es auf die sachliche Bestimmung der beiden Grundfunktionen der gesetzgebenden und vollziehenden Gewalt an. Die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre suchte diese Bestimmung vermittels des Rechtssatzbegriffs durchzuführen. Jede Anordnung, die Rechtssatzcharakter hatte, sollte an sich der gesetzgebenden Gewalt zukommen (materieller Gesetzesbegriff) 19 . Das positive Verfassungsrecht der konstitutionellen Zeit orientierte sich indessen zunächst mehr an einem System von sachlich umschriebenen ,Vorbehalten' oder Prärogativen 17 Die Umbildung ist bereits vollzogen bei C. F. v. Gerber. A n die Stelle der überkommenen Hoheitsrechte setzt er „die verschiedenen Arten der Wirksamkeit der Staatsgewalt" (Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 2. Aufl., 1869, S. 25). Die bisherige Vorstellung von den Hoheitsrechten, so heißt es, sei ganz aufzugeben. „Die hier behandelten sog. Hoheitsrechte sind gar keine »Rechte4 des Staats, sondern sind die Staatsgewalt selbst, deren verschiedene Tätigkeitsformen nur in jenem Begriff systematisiert werden" (S. 25, Anm. 1). Und an einer späteren Stelle, i m Abschnitt über „Die materiellen Richtungen der Staatsgewalt" (§ 27), spricht er davon, daß man sich daran gewöhnt habe, die „auf ein bestimmtes Gebiet bezügliche Tätigkeit des Staates unter dem Titel einer besonderen Staatshoheit darzustellen", wie ζ. B. Justiz-, Polizei-, Militär-, Finanzhoheit. Es handle sich jedoch bei allen diesen Hoheiten „immer nur um die eine Staatsgewalt, welche nur vom Gesichtspunkt eines besonderen Tätigkeitskreises aus angeschaut wird" (S. 66, Anm. 1). Ebenso findet sich bei Joseph Held, Grundzüge des Allgemeinen Staatsrechts..., 1868, S. 330 die Gleichsetzung von Gesetzgebungs-, Justiz-, Kirchen-, Finanzhoheit mit den Staatsverwaltungszweigen. 18 19

Albert Haenel, Deutsches Staatsrecht, 1892, S. 335 f.

Dazu die Nachweisungen bei E. W. Böckenförde, 1958, Teil 3, Kap. 2r-4.

Gesetzgebende Gewalt,

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

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für die eine oder andere Gewalt 2 0 . Hier konnte die Organisationsgewalt immer noch als Kompetenz- bzw. Rechtstitelbegriff i m Spannungsfeld zwischen (demokratischer) Legislative und (monarchisch-bürokratischer) Exekutive wirksam werden. I m Laufe der Zeit wurde dieses Verfassungsrecht freilich durch die abstrakt-formalen Funktionenbegriffe der spätkonstitutionellen Staatsrechtslehre gewohnheitsrechtlich überlagert 2 1 . Es wurden nun innerhalb der Organisationsgewalt i n verstärktem Umfang Abgrenzungen und Unterscheidungen notwendig, u m i m einzelnen zu bestimmen, wieweit die Organisationsgewalt der gesetzgebenden bzw. vollziehenden Gewalt zugehört. Das förderte eine analysierende Betrachtung der einzelnen ,Akte' der Organisationsgewalt. Man unterschied und differenzierte die i m Begriff der Organisationsgewalt zusammengefaßten sachlichen Organisationshandlungen, wie ζ. B. Errichtung, Einrichtung, Veränderung, Zuständigkeitsfestlegung u. ä. einer Behörde 22 . Wichtig war vor allem, wieweit es sich dabei um rechtssatzmäßige Anordnungen, also materielle Gesetze, oder um rein interne Akte, Verwaltungsanordnungen, handelte. I m ganzen wurde die — freilich auch bestrittene — Ansicht herrschend, daß die Organisationsgewalt dem Monarchen (Staatsoberhaupt) als Inhaber der vollziehenden Gewalt zukomme, ein A t t r i b u t und „Hausgut" der Exekutive sei, soweit nicht besondere Gesetzesvorbehalte bestünden 28 . Allerdings schränkte man dabei, mehr oder minder ausgesprochen, die Organisationsgewalt auf jene Organisationshandlungen 20 Eindrucksvoll dargelegt und festgehalten bei E. Kaufmann, Artikel ,Verwaltung, Verwaltungsrecht': WBStVwR, Bd. 3, 2. Aufl., 1914, S. 695/696. Deutlich erkennbar ist das System der Vorbehalte und Prärogativen in der preußischen Verfassung von 1850, vgl. einerseits Art. 45—52 (Rechte und Prärogativen des Königs), anderseits etwa Art. 87 I I , 88, 89, 96—98, Art. 99 u. 100, 102, 103, Art. 105 (spezielle Vorbehalte »gesetzlicher4 Regelung). E. R. Huber, Bd. 3, S. 16—18, spricht von bestimmten existentiellen Vorbehalten zugunsten der Exekutive, die sich aus der monarchischen Verfassungsstruktur ergeben. Für Bayern siehe die auch allgemein bedeutsamen Darlegungen bei Μ . v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, 2. Aufl., Bd. 1, § 112. 21 Richard Thoma, Der Vorbehalt des Gesetzes im preußischen Verfassungsrecht: Festgabe für Otto Mayer, 1916, S. 212 f. 22 Aus der zahlreichen diesbezüglichen Literatur seien genannt: M. v. Seydel, Bayerisches Staatsrecht, Bd. 1, 2. Aufl., S. 492; Franz Schmidt, Die Errichtung und Einrichtung von Staatsbehörden nach preußischem Recht, Diss, jur., Tübingen 1905, S.4ff.; J. Keller, Budgetrecht und Organisationsgewalt, Diss, jur., Heidelberg 1916; H. Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, S. 5851; A. Sembritzki, Die Organisationsgewalt nach Reichsrecht, Diss. jur. Berlin, 1933, S. 27 ff. Neuestens Rasch, Verwaltungsorganisation, S. 10—13 und Wolff, Verwaltungsrecht I I , §78 (S. 94 ff.). 23 Vgl. statt vieler: Anschütz, Die gegenwärtigen Theorien über den Begriff der gesetzgebenden G e w a l t . . . , 1901, S. 153ff.; Meyer-Anschütz, Lehrbuch des deutschen Staatsrechts, 7. Aufl., 1919, S. 670, Anm. 5 mit weit. Nachw.

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

ein, die nicht aus sich selbst Rechtssatzcharakter hatten und daher dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt nicht unterfielen. So bildete sich ein engerer Begriff der Organisationsgewalt, der nicht mehr alle, sondern nur die ihrer ,Natur' nach exekutiven Organisationshandlungen umfaßte 24 . Die Frage nach dem Umfang dieses Begriffs der Organisationsgewalt war sachlich eine Frage nach dem Umfang des Rechtssatzbegriffs, um den denn auch die eigentliche Diskussion geführt wurde 2 5 . Das t r i t t auch i n der gegenwärtigen Diskussion wieder hervor 2 6 . Auf der andern Seite konnte allerdings auch der Begriff der Organisationsgewalt als juristischer Begriff nunmehr überhaupt i n Frage gestellt werden. Wenn der Begriff der Organisationsgewalt aus sich kein Kompetenzbegriff mehr ist, die Kompetenzfrage sich vielmehr nach dem Rechtssatzcharakter der Organisationshandlungen, damit aber nach einem außerhalb seiner selbst liegenden K r i t e r i u m entscheidet, wozu ist er dann als staatsrechtlicher Begriff noch nütze? Läuft dann nicht seine Verwendung i n dem angeführten Sinn auf eine Erschleichung von Rechtstiteln für die Exekutive, die an sich nicht bestehen, hinaus? Und kann er dann sinnvoll und in dogmatisch zulässiger Weise anders denn als juristisch belanglose, nominalistische Zusammenfassung bestimmter Kompetenzen verschiedener Organe verstanden werden* 7 ? Damit sind die Positionen, die auch und gerade die gegenwärtige Auseinandersetzung um die 'Organisationsgewalt bestimmen, umschrieben 28 . Sie bezeichnen zugleich die Fragestellung für die systematische Erörterung des Begriffes der Organisationsgewalt, die den weiteren Untersuchungen vorausgehen muß. 24 I n diesem Sinne etwa Forsthoff, Die öffentliche Körperschaft im Bundesstaat, 1931, S. 28, ebenso Verwaltungsrecht 8 , S. 384; Röttgen, Organisationsgewalt, S. 154; Werner Weber und Ipsen in den Diskussionsbeiträgen W D S t R L 16, S. 246 u. 257/58; Obermayer in Mang-Maunz-Mayer-Obermayer, Staats- und Verwaltungsrecht in Bayern, S. 165 im Hinblick auf die Organisationsnormen. 25 I m einzelnen dazu unten § 5. 26 Vgl. etwa Spanner, Organisationsgewalt und Organisationsrecht: DöV 57, S. 640ff. ; Hamann, Die Bindung der staatlichen Organisationsgewalt an die Gesetzgebung: NJW 1956, S. Iff.; Obermayer, Das Bundesverfassungsgericht und der Gesetzesvorbehalt: DVB1. 59, S. 354 ff. 27 I n diesem Sinn schon Sembritzki, Organisationsgewalt, S. 70/71; aus der neueren Literatur besonders entschieden Spanner, Organisationsgewalt und Organisationsrecht: DöV 57, S. 640 ff.; ders., Anmerkung zu O V G Münster v. 26. 6. 1957: DöV 58, S. 157 ff.; ferner Obermayer, Innerdienstlicher Rechtsakt, S. 117; Rasch, Behörde, S. 38. 28 Vgl. dazu die Referate von Köttgen und Ermacora und die Diskussionsbeiträge, insbes. einerseits von W. Weber, H. P. Ipsen, H. Peters, anderseits H. Pfeifer, H. Spanner sowie das Schlußwort von Köttgen in W D S t R L 16 (1958).

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt B. Allgemein-staatswissenschaftlicher

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Begriff

I. Der Begriff der Organisationsgewalt, wie er einer verfassungsrechtlichen Erörterung der Organisationsgewalt zugrunde liegt, ist ein spezifischer Begriff. Um seine Besonderheit und seinen systematischen Ort richtig zu bestimmen, ist es notwendig, zunächst von einem weiteren, allgemein-staatswissenschaftlichen Begriff auszugehen, der die Organisationsgewalt phänomenologisch-beschreibend ins Auge faßt. I n diesem staatswissenschaftlich-deskriptiven Sinn bedeutet Organisationsgewalt eine i n der Staatsgewalt enthaltene Befugnis („Gewalt"), die eine bestimmte sachliche Tätigkeit, nämlich die Herstellung, den Ausbau und die Erhaltung staatlicher Organisation zum Inhalt hat. Sucht man diese Tätigkeit zunächst unter Absehen von den noch näherer Klärung bedürftigen technischen Begriffen wie Errichtung, Einrichtung usw. 2 9 genauer zu umschreiben, so kann man die Organisationsgewalt definieren als die Befugnis zur Schaffung, Veränderung, Zusammenordnung, Bestimmung der Aufgaben und (evtl.) inneren Gliederung und Geschäftsregelung von Funktionsträgern, die als Handlungseinheiten einer i n ihnen zur Erscheinung und Wirksamkeit kommenden Ganzheit tätig werden 3 0 . Diese weite Fassung des Begriffs der Organisationsgewalt ist notwendig, um nicht nur bestimmte Bereiche, sondern die gesamte Organisationstätigkeit i n i h n hineinzunehmen. Deshalb verbietet sich das in der Literatur verbreitete Abstellen auf die Schaffung usf. von Behörden oder Organen 31 . Es gibt organisatorische Funktionsträger bzw. Handlungseinheiten, die außerhalb dieser Begriffe bleiben. 201

Dazu unten § 3. Zum allgemeinen Begriff von Organisation zusammenfassend jetzt Franz H. Mueller , Artikel Organisation: Staatslexikon 0 , Bd. 6, Sp. 35—39; aus der älteren Literatur: Othmar Spann, Artikel Organisation: H W B S t W 4 , Bd. 4 (1925). Eine reiche Literatur zu Organisation und Organisationsproblemen findet sich im neueren betriebswirtschaftlichen Schrifttum. Wegen des besonderen Aspekts der Unternehmens- und Betriebsorganisation ist diese Literatur jedoch ungeachtet der Parallelen zwischen staatlicher Organisation und Organisation von Großbetrieben für die staatswissenschaftliche Fragestellung nur zum Teil ergiebig. Besonders zu nennen sind Kosiol, Grundlagen und Methoden der Organisationsforschung, S. 16 ff. sowie der Sammelband: Organisation, TFB-Handbuchreihe, Bd. 1, hrsg. v. E. Schnaufer und Klaus Athege, Berlin-Baden/Baden 1961. Aus der amerikan. Literatur grundlegend James H. March und Herbert A. Simon, Organizations, New York-London 1958. — Zur Abgrenzung der Organisationstätigkeit von der Regelung des Verwaltungsverfahrens, der i m Hinblick auf Art. 84 bis 86 GG auch eine besondere rechtsdogmatische Bedeutung zukommt, eingehend Bettermann, Verwaltungsverfahren: W D S t R L 17 (1959), S. 130—136. 80

31 Statt vieler vgl. Anschütz, Kommentar, Bern. 3 zu Art. 3; Franz Schmidt, Errichtung, S. 18; L. Richter, S. 6. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 78 I a stellt neben die Organe noch „Glieder", um damit die selbständigen natürlichen und juristischen Personen zu erfassen, die in den Organisations-

30

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

F ü r das E n t s t e h e n u n d B e s t e h e n e i n e r eigenen organisatorischen H a n d l u n g s e i n h e i t als des l e t z t e n B a u e l e m e n t s d e r O r g a n i s a t i o n ist n o t w e n d i g eine Z u s a m m e n f a s s u n g v o n Aufgaben, Befugnissen und Personen. D i e Befugnisse b r a u c h e n aber n i c h t solche z u H a n d l u n g e n m i t rechtserheblichen W i r k u n g e n z u sein (beratende B e i r ä t e u n d Kabinettsausschüsse, etliche Befugnisse v o n S t a a t s o b e r h a u p t u n d R e gierungschef), w i e das b e i m O r g a n b e g r i f f g e m e i n h i n vorausgesetzt i s t 3 2 , u n d die Z u s a m m e n f a s s u n g b r a u c h t k e i n e institutionelle z u sein i m S i n n e eines eigenen organisatorischen Gebildes u n d e i n e r V e r s e l b s t ä n d i g u n g gegenüber d e r individuellen Person, w i e es ebenfalls i m O r g a n b e g r i f f m i t g e d a c h t i s t 3 3 . D a f ü r b i l d e n d e r B e l i e h e n e des h e u t i g e n Rechts u n d sein V o r f a h r e , d e r L e h n s t r ä g e r des m i t t e l a l t e r zusammenhang einer anderen juristischen Person (etwa des Staates) einbezogen sind und deren Angelegenheiten wahrnehmen (§ 74 I I a , S. 39/40). Damit löst sich zwar das Problem des Beliehenen, nicht aber das der organisatorischen Gebilde, die und soweit sie der rechtserheblichen Handlungszuständigkeit entbehren: s. Note 32. 82 Nach der wissenschaftlichen Klärung und Präzisierung, die der Organbegriff vor allem von seiten der allgemeinen Rechtslehre und Rechtstheorie her erfahren hat, bezeichnet er heute allgemein einen Zuständigkeits- und Zurechnungsbegriff. Organ ist das institutionelle Subjekt, durch das eine rechtlich verselbständigte Organisation (juristische Person) rechtswirksam handeln, ihr zurechenbare Akte setzen kann. Zugleich wird es als institutionelles Subjekt (von Wahrnehmungszuständigkeiten) von dem seine Zuständigkeiten ausübenden konkreten Menschen, dem Organwalter bzw. Amtsträger, unterschieden. Dazu grundlegend Hans J. Wolff , Theorie der Vertretung, S. 234 ff. und Verwaltungsrecht I I , § 74 I (S. 35). Als so gefaßter Zurechnungs- und Zuständigkeitsbegriff setzt das Organ zumindest eine interne rechtserhebliche Handlungszuständigkeit voraus. Sowohl der nur zu Vorschlägen und Gutachten berufene „Wissenschaftsrat" (errichtet durch die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern v. 5.7.1957, vgl. GMB1. 57, S. 553) wie der jüngst gebildete „Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung" (Gesetz v. 14. 8. 1963, BGBl. I, S. 685) als auch die beratenden Beiräte in den Ministerien, um nur sie als Beispiele zu nehmen, entbehren solcher Zuständigkeiten, sind aber gleichwohl eigene organisatorische Gebilde und Funktionsträger. Insofern ist die Kritik, die Forsthoff, Verwaltungsrecht 8 , S. 391 ff. gegen den Organbegriff vorträgt, und auch die kritische Bemerkung Smends, Die politische Gewalt im Verfassungsstaat, S. 19, zutreffend. Als organisatorischer Grundbegriff muß daher ein anderer, weiterer Begriff gewählt werden, wobei sich der Text den von Forsthoff gebrauchten Begriff „Funktionsträger" zu eigen macht. Gleichwohl ist der Organbegriff zur rechtssystematischen Erfassung und Zuordnung der rechtserheblichen Handlungen organisatorischer Einheiten unentbehrlich; 33 Siehe Note 32. Daher ist auch die in der Literatur nicht selten gebrauchte Abhebung auf die Schaffung von „Einrichtungen" zu eng, weil damit der institutionelle gebildehafte Charakter vorausgesetzt wird, vgl. etwa SembHtzki, Organisationsgewalt, S. 8 f.; Bickelhaupt, Organisationsbestimmung, S. 8. Auch hier zeigt sich die Brauchbarkeit des Begriffs „Funktionsträger", der im übrigen auch die Schaffung privatrechtlicher Organisationsformen, ζ. B. Forschungsanstalten zur Wahrnehmimg staatlicher Aufgaben, die als staatliche „Organe" oder„Beliehene" nicht erfaßbar sind, in sich begreift.

31

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

l i e h e n Rechts, w i e auch der K o m m i s s a r 5 4 k l a r e Beispiele. D i e h e u t e z u beobachtende i n s t i t u t i o n e l l e

Verselbständigung

nahezu aller

organi-

satorischer H a n d l u n g s e i n h e i t e n ist e i n Z e i c h e n d e r besonderen o r g a n i satorischen

Durchbildung

und

der

Abstraktheit

der

Organisation,

die f ü r d e n m o d e r n e n S t a a t t y p i s c h sind, aber sie ist n i c h t b e g r i f f s wesentlich. V o l l e n d s ist d e r B e g r i f f d e r B e h ö r d e als o r g a n i s a t i o n s r e c h t l i c h e r G r u n d b e g r i f f ungeeignet. Selbst w e n n m a n d e n B e h ö r d e n b e g r i f f aus d e m B e z u g s r a h m e n d e r S t a a t s p r a x i s u n d des Verfassungsrechts, i n d e m er e n t s t a n d e n ist, herauslöst u n d w e i t g e h e n d a u f d i e o r g a n i sationsrechtliche Ebene z u r ü c k n i m m t , w i e neuestens H a n s J. W o l f f 3 5 , so b l e i b t er dennoch i m m e r e i n spezifischer, d e m O r g a n b e g r i f f gegenü b e r engerer B e g r i f f . I m ü b r i g e n k a n n b e i der g e g e n w ä r t i g e n L a g e des deutschen ö f f e n t l i c h e n Rechts v o n e i n e m e i n h e i t l i c h e n B e h ö r d e n b e g r i f f g a r n i c h t gesprochen w e r d e n 3 6 . 84 Hier ist weniger an den »Kommissar' des Kommunalaufsichtsrechts gedacht, der als besonders beauftragter Organ waiter Zuständigkeiten der kommunalen Organe wahrnimmt (Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 77 I I 4, S. 83), als vielmehr an den mit eigenen, ζ. B. Inspektionszuständigkeiten versehenen Kommissar, wie etwa den »Beauftragten 4 der Bundesregierung nach Art. 85 I V GG oder den früheren Reichssparkommissar, vgl. Bilfinger, Reichssparkommissar, S. 39—41. 36 Verwaltungsrecht I I , § 76 I d (S. 63 fï.) : „ . . . ein (nichtrechtsfähiges) Verwaltungs- oder Rechtsprechungsorgan zur Vertretung des Staates oder eines andern Trägers öffentlicher Verwaltung." Das spezifische (einengende) Kriterium ist hier allein die (öffentlich- oder privatrechtliche) Vertretungsbefugnis nach außen; hierzu tritt eine funktional (nicht organisatorisch) bestimmte Eingrenzung auf den Bereich von Rechtsprechung und Verwaltung. Danach ist auch jede Beschaffungsstelle und jede unselbständige A n stalt, die ihre Bedarfsverwaltung selbständig besorgt, Behörde. Aus dem Schrifttum zum Behördenbegriff vgl. L. v. Stein, Verwaltungslehre, Bd. 1, S. 277 ff.; Laband, Staatsrecht, Bd. 1, S. 365 f.; v. Rheinbaben, Artikel Amt: WBStVwR 2 , Bd. 1; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht 2 , Bd. 1, S. 85 ff.; Rasch, Die Behörde: VerwArch 50 (1959); ders., Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, Teil A, S. 5 f. und dazu F. Mayer in VerwArch 54 (1963), S. 304 ff. 86

Man muß vielmehr davon ausgehen, daß i m Bereich des Verfassungsund Verwaltungsrechts mindestens drei Behördenbegriffe nebeneinander gebraucht werden. a) Der Behördenbegriff der Staatspraxis knüpft vornehmlich an die Ressortzuständigkeit bzw. -abhängigkeit an. Alle organisatorischen Einheiten, die von einem Ministerium ressortieren, ihm untergeordnet sind, einschließlich des Ministeriums selbst als der „obersten" Behörde, sind Behörden, ohne Rücksicht darauf, ob sie hoheitliche, fiskalische (ζ. B. Bundesbahndirektion) oder technische (ζ. B. Deutscher Wetterdienst) Aufgaben wahrzunehmen haben. Auch die ressortmäßig eingeordneten rechtsfähigen Körperschaften und Anstalten gelten als Behörden in diesem Sinn. Nicht Behörden sind dagegen das Staatsoberhaupt, der Regierungschef (Bundeskanzler), das Regierungskollegium (anders in Bayern, Art. 55 bayVerf., und in NRW, § 3 L O G NW), wohl aber die diesen untergeordneten oder beigegebenen „Ämter", die in einem Quasi-Ressortzusammenhang stehen, und der Rech-

3 2 D i e

Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

I I . Die Herstellung, E r h a l t u n g , F o r t b i l d u n g der staatlichen Organisation, also das B e s t e h e n u n d d i e A u s ü b u n g v o n O r g a n i s a t i o n s g e w a l t , i s t f ü r j e d e n S t a a t eine Notwendigkeit. I n s o f e r n i s t es z u t r e f f e n d , w e n n gesagt w i r d , d i e O r g a n i s a t i o n s g e w a l t sei „ m i t d e r S t a a t s g e w a l t ipso j u r e g e g e b e n " 5 7 b z w . sie diene n u r d e r Z u s a m m e n f a s s u n g s t a a t l i c h e r H a n d l u n g e n , d i e schon i n d e n a l l g e m e i n e n A u f g a b e n u n d Z u s t ä n d i g k e i t e n des Staates e n t h a l t e n s e i e n 3 8 . W i e d i e sozialen G e b i l d e ü b e r h a u p t , ist d e r S t a a t n i c h t eine s u b s t a n t i e l l e , s o n d e r n eine W i r k u n d O r d n u n g s e i n h e i t . E r besteht als O r g a n i s a t i o n u n d d u r c h O r g a n i s a t i o n ( w e n n g l e i c h er d a r i n n i c h t aufgeht), er k a n n n u r h a n d e l n d u r c h „ O r g a n e " , l e t z t l i c h d u r c h b e s t i m m t e Menschen, m u ß also schon o r g a n i s i e r t u n d , v e r f a ß t ' sein, u m ü b e r h a u p t i n E r s c h e i n u n g t r e t e n , d . h .

nungshof, der einer obersten Behörde gleichgestellt ist. Unsicher ist dieser Behördenbegriff, der sich an den Organisationsverhältnissen des 19. Jh. ausgebildet hat, gegenüber den Anstalten, die teüs als Behörden, teüs nicht als solche gelten. Das L O G N W von 1962 (GVB1. S. 421) steüt aUe Anstalten als „Einrichtungen des Landes" (§ 14) den „Landesbehörden" gegenüber, geht aber in § 24 selbst davon aus, daß etliche dieser Einrichtungen in der Gesetzessprache bislang als Behörden angesehen werden; auf eine Definition des Behördenbegriffs wird bewußt verzichtet, vgl. Rietdorf-Sigulla-Voß, Handbuch der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen, S. 32, die darauf hinweisen, das L O G verfahre bei der Definition der Landesbehörden „pragmatisch". Auch der das L O G N W erläuternde Aufsatz von Rietdorf, Organisation der Landesverwaltung in N W : DöV 62, 593 ff. (598) gibt keine begriffliche Abgrenzung, sondern nur Umschreibungen und läßt dabei die Mehrdeutigkeit und Unklarheit der heute verwendeten Behördenbegriffe deutlich erkennen. b) Der Behördenbegriff des Verwaltungsprozeßrechts, der jede, aber auch nur diejenige Stelle umfaßt, die Verwaltungsakte erläßt (vgl. §§ 70 I, 78 I VwGO). Da dieser Behördenbegriff letztlich eine Funktion des Verwaltungsakts ist, ist er ebenso variabel und weit wie dieser. Er steUt nicht auf eine bestimmte Sachtätigkeit des Organs ab; schon die dienstrechtlichen (Hilfs-)Befugnisse CBedarfsverwaltung') zur Ermöglichung der eigentlichen Sachtätigkeit des Organs verleihen Behördencharakter. I n diesem Sinne sind Behörden ζ. B. der Bundeskanzler und Bundespräsident (als Dienstvorgesetzte der Beamten des Bundeskanzleramts und Bundespräsidialamts), die Präsidenten des Bundestags und Bundesrats; ferner der Leiter einer Schule und die Klassenkonferenz (Versetzung), die Fakultät einer Universität (Ablehnung einer Habüitation) u. a. m. c) Der verfassungsrechtliche Behördenbegriff, wie er etwa in Art. 84—87 G G verwendet wird. Er lehnt sich an den Behördenbegriff der Staatspraxis an, ohne aber mit ihm identisch zu sein; in seinem in den einzelnen Bestimmungen möglicherweise unterschiedlichen Inhalt ist er nur aus dem konkreten sachlichen Zusammenhang unter Zuhüfenahme der Entstehungsgeschichte zu ermitteln. Der an einen allgemeinen Behördenbegriff anknüpfende Bestimmungsversuch des BVerfG v. 14.7.1959 = BVerfGE 10, S. 20 (48) ist daher unzureichend. 37 Forsthoff, Verwaltungsrecht 8 , S. 384; O V G Hamburg v. 29. 8. 1956 = VerwRspr 10, S. 32 (37). I n gleichem Sinn Ermacora, Organisationsgewalt, S. 222; Herbert Krüger, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 16, S. 253; aus der älteren Literatur etwa M. v. Seydel, Bayrisches Staatsrecht, Bd. I 2 , S. 491. 38

Lutz Richter, S.6.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt staatliche Aufgaben erledigen und seine Organisation weiter ausbilden zu können 3 9 . Ausübung von Organisationsgewalt ist also Voraussetzung und zugleich notwendiger Inhalt staatlicher Tätigkeit. Allerdings ist diese Feststellung lediglich staatswissenschaftlichbeschreibender A r t . Sie bezeichnet eine notwendige sachliche Zusammengehörigkeit, besagt aber noch nichts über Zuständigkeitsfragen, auch nichts über die Plazierung der Organisationsgewalt innerhalb der Staatsfunktionen 40 . Insbesondere kann daraus nicht geschlossen werden, daß die Organisationsgewalt wegen dieser Zusammengehörigkeit dem obersten Leiter der staatlichen Exekutive ohne weiteres, unabhängig von einer ausdrücklichen verfassungsrechtlichen Zuerkennung, zustehe 41 . Dieses Argument war berechtigt i n der Verfassungssituation der konstitutionellen Monarchie. Dort stellte die Verfassung lediglich eine Beschränkung der Ausübung der Machtvollkommenheit des Monarchen dar, der seinerseits als »Träger der Staatsgewalt 1 alle i n dieser enthaltenen Rechte und Befugnisse i n sich vereinigte. I m demokratischen Verfassungsstaat hingegen ist die Verfassung nicht Beschränkung einer schon bestehenden, sondern allererst die Grundlage jedweder Ausübung der Staatsgewalt. Welches Organ befugt ist, bestimmte Funktionen der Staatsgewalt wahrzunehmen, ist hier eine Frage der ,verfaßten' Staatsgewalt, die sich erst auf dem Boden der Verfassung und nur aus dieser selbst beantworten läßt 4 2 . I I I . Neben der positiven Bestimmung bedarf der Begriff der Organisationsgewalt noch i n zweifacher Hinsicht einer Eingrenzung. 1. A m Anfang der Organisationsgewalt stand das (königliche bzw. landesherrliche) Recht, „zu Ämtern und Würden zu ernennen" 4 8 . Aus ihm hat sich die Organisationsgewalt zunächst als Annex dieses Er39 Vgl. Franz H. Mueller , Artikel Organisation, S. 36. Aus diesem Grund ist gerade für die staatliche Organisation die funktionelle Zusammenordnung der verschiedenen Wirkungsträger (durch Festlegung zusammenhängender Gleichordnungs-, Über- und Unterordnungsverhältnisse) und ihre Ausrichtung auf einen einheitlichen Wirkungszusammenhang von entscheidender Bedeutung. Eben dadurch ent- und besteht der Staat als organisatorische Einheit, wie er sich auch eben dadurch über die nur linearen Organisationsbeziehungen mittelalterlicher Herrschaftsverhältnisse erhoben h a t Die Herausbildung des modernen Staates ist zu einem wesentlichen Teil ein {behörden-)organisatorischer Vorgang, 40

So zutreffend H. Krüger, Diskussionsbeitrag, W D S t R L 16, S. 253. So Forsthoff, Verwaltungsrecht 8 , S. 384 und ähnlich E. R. Huber, W i r t schaftsverwaltungsrecht 2 I, S. 62; ferner — in Anlehnung an Forsthoff — OVG Hamburg, VerwRspr 10, S. 32. 42 Insoweit treffen die Ausführungen von Spanner, Organisationsrecht, DöV 1957, S. 641 f. und Anmerkung zu O V G Münster v. 26. 6. 1957: DöV 1958, S. 158 f. zu; ferner Köttgen, Organisationsgewalt, S. 179 ff. 43 Siehe oben A, S. 22. 41

3 Böckenförde

34

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

nennungsrechts h i s t o r i s c h e n t w i c k e l t . M i t d e r Z u n a h m e des i n s t i t u t i o n e l l e n M o m e n t s i n der s t a a t l i c h e n O r g a n i s a t i o n e r l a n g t e sie jedoch gegenüber d e m E r n e n n u n g s r e c h t eigene B e d e u t u n g u n d k e i t 4 4 . Organisationsgewalt

u n d Ernennungsrecht

a u s e i n a n d e r g e t r e t e n ; sie b i l d e n k e i n e n o t w e n d i g

Selbständig-

s i n d h e u t e sachlich zusammengehörigen

b z w . auseinander f o l g e n d e n Befugnisse m e h r , s o n d e r n t r e n n b a r e

und

tatsächlich v i e l f a c h g e t r e n n t e K o m p e t e n z b e r e i c h e 4 5 . Das E r n e n n u n g s recht als solches z ä h l t also n i c h t m e h r m i t z u r

Organisationsgewalt46.

2. Ä h n l i c h e s g i l t f ü r das V e r h ä l t n i s v o n O r g a n i s a t i o n s g e w a l t u n d D i e n s t g e w a l t . A u c h h i e r h a t sich u r s p r ü n g l i c h Z u s a m m e n h ä n g e n d e s z u sachlich s e l b s t ä n d i g e n K o m p e t e n z b e r e i c h e n d i f f e r e n z i e r t , w e n n g l e i c h eine sachliche N ä h e v e r b l i e b e n i s t u n d d a h e r Ü b e r s c h n e i d u n g e n s t a t t f i n d e n 4 7 . D i e G r e n z l i n i e w i r d m a n i n d e r Weise z u z i e h e n haben, daß z u r O r g a n i s a t i o n s g e w a l t alles g e h ö r t , w a s d i e Funktion, die amtliche T ä t i g k e i t u n d die daraus h e r r ü h r e n d e a m t l i c h e A b h ä n g i g k e i t b z w . S e l b s t ä n d i g k e i t des A m t s w a l t e r s b e t r i f f t , z u r D i e n s t g e w a l t dagegen, w a s seine persönliche Rechtsstellung u n d die daraus f o l g e n d e n Rechte u n d P f l i c h t e n a n g e h t 4 8 . D e r A m t s w a l t e r k o m m t f ü r d i e a u f das I n s t i 44 Für die deutsche Entwicklung vgl. etwa Häberlin, Handbuch des Teutschen Staatsrechts, Bd. 2, 1794, S. 191 f t (noch ungetrennt); R. v. Mohl, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, Bd. 1, 2. Aufl., 1840, S. 206/07 u. 199; H. A. Zachariae, Deutsches Staats- und Bundesrecht, Bd. 2, 3. Aufl., 1865, S. 8/9; L. v. Rönne, Das Staatsrecht der preußischen Monarchie, Bd. 1, 3. Aufl., 1869, S. 223; O. v. Sarwey, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, Bd. 2, 1883, S. 64 f. 45 Ein Schluß von Beamten-, Richter-, Offiziers-, Ministerernennungsrecht auf entsprechende Organisationsbefugnisse, wie ihn für die Weimarer Verfassung noch Poetzsch-Heffter, Kommentar, Bern. 3 zu Art. 45 vornahm (dagegen aber Anschütz, Kommentar, Bern, zu Art. 45), ist daher nicht mehr zulässig. Auch die praktische Kompetenzverteilung etwa des Grundgesetzes zeigt das sehr deutlich. Α. A. Triepel, Reichsauf sieht, S. 585; Sembritzki, S. 14/15; Rasch, Verwaltungsorganisation, S. 12/13; Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 78 I V (S. 102), wobei allerdings nicht recht deutlich wird, wieweit hier das Ernennungsrecht, also die eigentliche Personalgewalt, oder nur ein Besetzungsrecht mit bereits vorhandenen Amtswaltern gemeint ist. 47 Vielfach ist auch dasselbe Subjekt Inhaber der Organisationsgewalt und Dienstgewalt für denselben Bereich; daraus folgt aber nicht, daß diese der Rechtsgrund für jene ist, wie Köttgen, Organisationsgewalt, S. 180 f. meint. Überdies könnte die Dienst(herrn)gewalt auch sachlich immer nur Organisationsbefugnisse zur inneren Einrichtung und Gliederung tragen, keinesfalls aber außenwirksame Organisationsgewalt. Richtig ist allerdings, daß sich aus dem Beamten- und Dienstrecht Vorbedingungen und evtl. Schranken für die Dispositionsfreiheit des Inhabers der Organisationsgewalt ergeben können; dazu unten § 12. 48 ζ. B. einerseits Ausbildung, Beförderung, Versetzung, anderseits die Weisungsabhängigkeit vom (Fach-)Vorgesetzten, die Umsetzung auf ein anderes „Amt". Das Dienstrecht schafft gewissermaßen die Vorbedingungen dafür, daß die Amtswalter als personelles Element' der Organisation verwendbar sind, indem es die Pflicht zur Amtstätigkeit, zum dienstlichen Ge-

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

35

tutionelle bezogene Organisationsgewalt nur als das »persönliche Element 4 der Organisation, als amtlich Handelnder, nicht als Rechtsperson in den Blick. C. Verfassungsrechtlicher

Begriff

Aus diesem allgemein-staatswissenschaftlichen Begriff der Organisationsgewalt ergibt sich der verfassungsrechtliche Begriff durch bestimmte gegenständliche Ausgrenzungen. Diese können freilich nicht beliebig getroffen werden, sondern sind durch den systematischen Ort, den der Begriff der Organisationsgewalt als verfassungsrechtlicher Begriff hat, vorbestimmt. I. Die erste, allgemein anerkannte Ausgrenzung betrifft den Bereich der Verfassung sélbst. I m Sinne des allgemein-staatswissenschaftlichen Begriffs wäre auch die Verfassunggebung selbst, soweit sie organisatorische Regelungen trifft, Ausübung von Organisationsgewalt. I m Verfassungsstaat w i r d jedoch die Organisationsgewalt erst auf dem Boden der von der Verfassung selbst getroffenen Gnind-Organisation wirksam. Nicht vor und über, sondern erst innerhalb dieser GrundOrganisation kann sie sich als eigener, von anderen unterschiedener staatlicher Funktionsbereich entfalten. Der Umfang dieser Ausgrenzung läßt sich nicht abstrakt-begrifflich, etwa durch Ausschließung der ,obersten Verfassungsorgane 1 oder der ,unmittelbaren Staatsorgane 4 i m Sinne Georg Jellineks bestimmen 49 . Er ist abhängig von der einzelnen Verfassung und somit variabel, je nachdem, wieweit der Verfassunggeber selbst organisatorische Regelungen t r i f f t 5 0 . Eine zweite, hiermit verwandte Ausgrenzung betrifft die innere Organisation der obersten Verfassungsorgane, die diese kraft ihrer ,Autonomie' und Unabhängigkeit voneinander selbst regeln. Diese scheidet aus dem verfassungsrechtlichen Begriff der Organisationshorsam usw. begründet. Der Ansatz zu einer systematischen Differenzierung dieser Bereiche bei Hans J. Wolff , Theorie der Vertretung, S. 265 ff. (Rechte und Pflichten zum Amt aus dem Organwalterverhältnis, Rechte i m Amt und Rechte aus dem Amt), und Verwaltungsrecht I I , § 73 I I I , S. 25—31. 49 Georg Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 544. 50 Diese gehen nicht selten über die Errichtung der Verfassungsorgane hinaus, vgl. z. B. Art. 130 GG, Art. 95 GG, betreffen dann aber meist nur gewisse Grundzüge der Organisation und überlassen das weitere der »Organisationsgewalt'. Sie bleiben aber auch dahinter zurück, wie z. B. bei der Organisation der Regierung, die ebenfalls unmittelbares Verfassungsorgan ist. Schließlich kann die Verfassung auch bestimmte Behörden typen verbindlich festlegen wie etwa die Bundesoberbehörde, ohne aber selbst solche Behörden zu bilden oder zu errichten.





Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

gewalt ebenfalls aus. Eine Ausnahme hiervon besteht allerdings für die Organisation der Regierung. Diese, wie auch die Organisation der Ministerien, gehört seit je zur Organisationsgewalt und macht die ursprüngliche Zugehörigkeit der Organisationsgewalt zu einem „exekutiven Imperium" deutlich 5 1 . Nicht gerechtfertigt ist es hingegen i n der heutigen Verfassungssituation, die militärische Organisationsgewalt vom verfassungsrechtlichen Begriff der Organisationsgewalt auszunehmen. Das entsprach der Verfassungslage der konstitutionellen Monarchie, i n der die m i l i tärische Organisationsgewalt als Teil der Befehls- und Kommandogewalt überhaupt außerhalb der Verfassung verblieben war und so eine i m echten Sinne vor- und extrakonstitutionelle Befugnis darstellte. I m demokratischen Verfassungsstaat ist aber auch die m i l i tärische Organisationsgewalt, wie jede staatliche Befugnis, nur als verfassungsbegründete und innerhalb der Verfassung möglich. Sie ist damit auch in das Verfassungsrecht einbezogen und dessen Grundsätzen unterstellt 5 2 . II. Das eigentliche Problem des verfassungsrechtlichen Begriffs der Organisationgsgewalt liegt indessen bei einer anderen »Eingrenzung'. Eine verbreitete Meinung w i l l unter Berufung auf den sog. ,klassischen' Begriff der Organisationsgewalt die Organisationsgewalt von vornherein auf diejenigen Organisationsbefugnisse einschränken, die der Exekutive aus sich, unabhängig von der Ermächtigung durch ein Gesetz, zustehen 53 . A m prägnantesten hat diesen Begriff der Organisationsgewalt Forsthoff formuliert. Organisationsgewalt ist danach „das Recht..., innerhalb der gesetzlichen Schranken ohne besondere gesetzliche Ermächtigung und ohne M i t w i r k u n g der gesetzgebenden Körperschaften organisatorische Anordnungen zu erlassen" 54 . Gegen diese Begriffsbildung hat Ermacora auf der Berliner Staatsrechtslehrertagung entschiedenen Widerspruch erhoben 55 . I n der Tat 51

Zu weit in der Eingrenzung geht Maunz in Maunz-Dürig, Rdn. 5 zu Art. 84, wenn er die Organisationsgewalt in verfassungsrechtlichem Sinne auf die Befugnisse zur Organisation der Exekutivbehörden beschränken will. 52 Das schließt nicht aus, daß sie aus technischen Gründen, ζ. B. im H i n blick auf die Darstellung in einem Lehrbuch, von der Organisationsgewalt ausgegrenzt werden kann. Das sind dann aber reine Zweckgründe und keine in der Sache liegenden Gründe. 53 Vgl. etwa Röttgen, Organisationsgewalt, S. 154; Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 384; auch W. Weber und Ipsen in den Diskussionsbeiträgen, VVDStRL 16, S. 246 und 257/258; ferner die Angaben bei Ermacora, Organisationsgewalt, S. 202 mit Anm. 53. 54 Forsthoff, öffentliche Körperschaft, S. 28; sachlich gleichbedeutend Verwaltungsrecht, S. 384. 65 Organisationsgewalt, S. 231 f.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

37

handelt es sich bei dieser Frage u m mehr als eine Sache konstruktiven Beliebens oder begriffsökonomischer Zweckmäßigkeit. Beschränkt man nämlich den Begriff der Organisationsgewalt von vornherein auf die exekutiven Organisationsbefugnisse, so t r i f f t man nicht eine weitere sachlich-gegenständliche Eingrenzung i n dem oben erörterten Sinn, sondern kombiniert den Sachbegriff m i t einem Zuständigkeitsbegriff. Der Begriff Organisationsgewalt w i r d so entweder eine (nominalistische) ex-post-Zusammenfassung bestimmt gearteter Exekutivzuständigkeiten; das bedeutet, daß sein Umfang sich nicht mehr aus seinem Sach-Inhalt ergibt, sondern aus einem i h m wesensfremden Kriterium, nämlich der jeweiligen positivrechtlichen Zuständigkeitsordnung. Damit w i r d er aber als verfassungsrechtlicher und verfassungssystematischer Begriff ungeeignet. Oder der Begriff w i r d zu einem politischen Postulat-Begriff i n dem Sinne, daß er einerseits ein ,exekutives Imperium 4 (Hausgut) bezeichnet, anderseits aber doch alle Organisationsbefugnisse -umfassen soll, die damit ,-begrifflich 4 für die Exekutive reklamiert werden, ohne daß es dazu noch einer weiteren verfassungsrechtlichen oder verfassungssystematischen Begründung bedürfte. Das liefe auf eine verschleierte Bildung von Rechtstiteln hinaus, die i n dieser Weise vielleicht i n der konstitutionellen Monarchie gerechtfertigt w a r 5 6 , i m demokratischen Verfassungsstaat jedoch methodisch unzulässig ist 5 7 . Als verfassungsrechtlicher Begriff erhält der Begriff der Organisationsgewalt seine Verwendbarkeit und Bedeutung erst daraus, daß er als beschreibender Sachbegriff einen bestimmten staatlichen Funktionsbereich umfaßt. Erst damit kann er eine spezifische Stellung i m Spannungsfeld von Legislative und Exekutive erlangen und zum Indikator verfassungsrechtlicher Kompetenzverschiebungen werden. Auch Organisationsregelungen durch den Gesetzgeber, wie etwa die B i l dung und Errichtung der Bundesoberbehörden (Art. 87 I I I GG), bleiben sachlich Ausübung von Organisationsgewalt 58 . Die verfassungsrechtlichen und verfassungssystematischen Probleme der Organisationsgewalt, wie ihre allgemeine Zuordnung innerhalb der Staatsfunktionen, konkrete Zuständigkeitsvermutungen zugunsten von Legis56

Vgl. oben vor Note 41. Maunz in Maunz-Dürig, Rdn. 4 zu Art. 84 spricht zutreffend von einem „verfassungspolitischen Programm"; allerdings hält er die beiden Spielarten des auf Exekutivbefugnisse eingeschränkten Begriffs der Organisationsgewalt dabei nicht auseinander. Auch der Kritik von Spanner, Organisationsrecht: DöV 1957, S. 641 ff. ist, insoweit sie sich gegen diese Begriffsbildung richtet, zuzustimmen. 57

58 Ermacora, Organisationsgewalt, S. 231. Dieses Ergebnis wird bereits vorausgesetzt bei Obermayer, Innerdienstlicher Rechtsakt, S. 116 ff.

38

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

lative oder Exekutive u. a. m., setzen diesen Sachbegriff der Organisationsgewalt voraus 5 9 . I I I . Demnach kann der verfassungsrechtliche Begriff der Organisationsgewalt unter Aufnahme der allgemeinen Umschreibung (oben A I ) bestimmt werden als die Befugnis zur Schaffung, Veränderung, Zusammenordnung, Bestimmung der Aufgaben und (evtl.) der inneren Gliederung und Geschäftsregelung öffentlicher Funktiomsträger bzw. Handlungseinheiten auf dem Boden der i n der Verfassung selbst getroffenen Grund-Organisation .und mit Ausnahme der inneren Organisation der nicht-exekutiven unmittelbaren Verfassungsorgane.

§ 2: Funktion und Reichweite der Organisationsgewalt I. Die heute vorherrschende, auf die Staatsrechtslehre des 19. Jh. zurückgehende Lehre sieht die Funktion der Organisationsgewalt vornehmlich i n einer Hilfstätigkeit der Gesetzesvollziehung. Die Organisationsgewalt schafft danach die Einrichtungen, die den Vollzug der Gesetze ermöglichen; die organisatorischen Anordnungen sind dem materiellen Recht gegenüber sekundäre, sog. Rechtsverwirklichungsnormen, gewissermaßen ein Annex der jeweiligen Sachregelung 1 . Hier ist die Funktion der Organisationsgewalt unter dem Blickpunkt des Gesetzesstaates und i n spezifisch Juristischer' Beschränkung gesehen: Alle Funktionen des Staatslebens werden vom Gesetz her beurteilt und allein unter dem Gesichtspunkt Teilnahme an Gesetzeserlaß oder Gesetzesvollzug (einschließlich richterlicher Gesetzanwendung) erfaßt 2 . Sicherlich ist auf diese Weise ein bestimmter 69

Überblickt man die ganze Diskussion um den Begriff der Organisationsgewalt, so fühlt man sich an das Wort Haurious erinnert, daß der Jurist von seinem Beruf her nur Begriffsrealist sein könne. Zumindest für die grundlegenden verfassungsrechtlichen Begriffe dürfte das zutreffen. 1 Diese Auffassung klingt auch in BVerfGE 12, S. 205 ff. (Fernsehurteil) an, wo von der Befugnis des Bundes gemäß Art. 73, Ziff. 7 GG, die Angelegenheiten des Rundfunks zu regeln, auch auf seine Befugnis zu Regelungen über die Organisation der rundfunktechnischen Anlagen geschlossen wird (S. 237/238); ferner O V G Lüneburg, AS 11, S. 287: „Gesetzesausführung i. S. des Art. 83 GG ist auch der Erlaß von organisatorischen Maßnahmen und Verwaltungsakten, welche den Bundesgesetzen Wirksamkeit verleihen oder sichern" (S.288). 2

Typisch hierfür W. Burckhardt , Die Organisation der Rechtsgemeinschaft, S. 128—131: Organisation ist Aufgabe jeder Rechtsordnung, um zu bestimmen, „durch wen (durch welche Mitglieder der Rechtsgemeinschaft) und in welchem Verfahren entschieden wird, was im Grundsatz und Einzelfall rechtens ist und wie das als Recht Erkannte vollzogen wird" (S. 130). Zur Kritik dieser Auffassung Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 383.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

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Aspekt der Organisationsgewalt getroffen, denn die Organisationsgewalt hat auch diese Funktion, und für die Lösung bestimmter Zuständigkeitsfragen mag eine solche Betrachtung auch sinnvoll sein. Aber es handelt sich dabei doch u m eine Isolierung, die an der eigentlichen Bedeutung der Organisationsgewalt, wie eine verfassungsrechtliche Betrachtung sie ins Auge zu fassen hat, i n zweifacher Richtung vorbeigeht. 1. Organisation bzw. Ausübung von Organisationsgewalt bewirkt die Zusammenordnurig menschlicher Willenskräfte, ihre Ausrichtung und Verbindung zu einem einheitlichen Wirkungszusammenhang zur arbeitsteiligen Erledigung sachlicher Aufgaben. Insofern ist sie Vorbedingung und Ermöglichung jeder Staatstätigkeit. Der Staat als W i r k - und Ordnungseinheit kann nur i n der Zuordnung einzelmenschlicher Willenskräfte und durch sie, also kraft Organisation, handeln 8 . Insofern kann man durchaus von einer „Hilfstätigkeit" der Organisationsgewalt sprechen, allerdings einer Hilfstätigkeit für die gesamte sachliche Staatstätigkeit. Die „Organisation" ist, so gesehen, ein notwendiger Teil der Sachtätigkeit selbst. Das w i r d u m so bedeutsamer, je mehr der Staat als Leistungsträger i n Erscheinimg tritt, also selbst ,arbeitender' Staat wird. Hieraus erklärt es sich, daß überall, wo staatliche Aufgaben, gleichviel welcher Art, zu erledigen sind, der Funktion nach auch Organisationsgewalt erscheint und erscheinen muß. Auch die Gesetzgebungstätigkeit bedarf, u m ausgeübt werden zu können, der Organisation 4 ; und innerhalb der Exekutive erfordert jeder Komplex von Verwaltungsaufgaben, einerlei in welcher Instanz, zu seiner Wahrnehmung auch Organisation und Ausübung von Organisationsgewalt 5 . „Organi3 I n der juristischen Literatur wurde das zuerst und entschieden von Albert Haenel betont, vgl. Studien zum deutschen Staatsrecht, Bd. I I , 2: Das Gesetz im formellen und materiellen Sinn, 1888, S. 208, 221 f., 231. I n ähnlicher Richtung Forsthoff f Verwaltungsrecht, S. 384, wenn er die Verwaltungsorganisation als „Arbeitsinstitution zur Verwirklichung der staatlichen Zwecke" qualifiziert. 4 Und zwar einmal der Organisation des Gesetzgebungsorgans als solchem, was durch die Geschäftsordnung geregelt wird, sodann der Organisation der dem Gesetzgebungsorgan zugehörigen Bedarfsverwaltung (ζ. B. Bundestagsverwaltung, an deren Spitze der Präsident des Deutschen Bundestages steht), durch die die technischen und institutionellen Bedingungen geschaffen werden, damit das Gesetzgebungsorgan als solches tätig werden kann. Ebenso verhält es sich für Organisation und Tätigkeit der Rechtsprechungsorgane. 6 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Herbert Krüger, V V D S t R L 16, S. 254 (ähnlich jetzt ders., Staatslehre, S. 926), der deshalb die Organisationsgewalt unter Berufung auf die ältere staatsrechtliche Literatur als »formelles 4 Hoheitsrecht ansehen will, dessen jede »materielle 4 Gewalt bedarf, um sich zu verwirklichen. Dies trifft als Funktionsbeschreibung zu; die Berufung

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

sationsgewalt kommt, der Funktion nach, jeder Verwaltungseinheit zu 6 ." Dieser funktionelle Zusammenhang bewirkt, daß nicht nur die Organisation Ermöglichung und Vorbedingung sachlicher Aufgabenerledigung ist, sondern auch umgekehrt (die Inangriffnahme einer neuen A r t von Aufgaben (auf der Basis bereits bestehender Organisationszusammenhänge) notwendig zu organisatorischen Folge-Erscheinungen führt, d. h. neue organisatorische Zusammenhänge aus sich hervorbringt 7 . Diese Feststellungen gestatten allerdings keine unmittelbaren rechtliehen Schlußfolgerungen; sie betreffen einen sachlichen Furiktionszusammenhang, nicht einen rechtlichen Zuständigkeitszusammenhang. Organisationsaufgabe und Sachaufgabe, die funktionell miteinander verbunden sind, müssen nicht notwendig von ein- und demselben Organ oder i n derselben Instanz wahrgenommen werden. Hierfür ist erst die (verfassungs)rechtliche Gliederung und Aufteilung der Kompetenzen entscheidend, die durch die Feststellung von ,Sachgegebenheiten' nicht vorweggenommen werden kann. Es kann durchaus einen sachlichen, evtl. sogar verfassungsstrukturellen Sinn haben, Sach- und Organisationsaufgaben i n bestimmten Bereichen zuständigkeitsmäßig voneinander zu trennen. Sachlicher Funktionszusammenhang ist als solcher noch kein Rechtstitel; er kann allenfalls gewisse V e r m u t u n gen4 begründen und als Richtbild der Auslegung dienlich sein. 2. Staatliche Organisationstätigkeit ist aber zugleich auch selbst eine ,Sach'tätigkeit, die Erledigung einer Sachaufgabe. Und zwar deswegen, w e i l der Staat selbst Organisation ist, seine innere Struktur und seinen besonderen Charakter gerade durch die A r t seiner Organisation erhält. Die Ordnung des Staatslebens, die Stellung des einzelnen und der sozialen Gruppen i m Staat, die räumliche Gliederung und Strukturierung des Staatsgebiets, die Erhaltung, Auflösung oder Neubildung von Landschafts- und Lebensräumen, die A r t und Form der staatlichen Willensbildung selbst: alles das ist zu einem wesentlichen auf die »formellen* und »materiellen 1 Hoheitsrechte ist jedoch insofern unrichtig, als in der älteren Literatur die »formellen 4 Hoheitsrechte gerade die Vorformen der heutigen drei Staatsfunktionen waren, die materiellen hingegen einen bestimmten sachlichen Kompetenzbereich, ζ. B. Polizeigewalt, bezeichneten; vgl. dazu oben § 1 A, insbes. Note 15. 6 Klaus Stern, I960, S. 182. 7

Vertragliche Grenzen der Organisationsgewalt,

BayVBl.

Ein aufschlußreiches Beispiel dafür bietet die Studentenförderung nach dem sog. Honnefer Modell. Hier entsteht aus der Verwaltung eines Fonds und den entsprechenden Vergaberichtlinien ein »grauer* Organisationszusammenhang zwischen Bundesministerium und den akademischen Hochschulbehörden. Vgl. dazu die Ausführungen von Hans U. Scupin, W D S t R L 16, S. 261—264.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt Teil eine Frage der Gestaltung und des Ausbaus der Organisation 8 .

41 staatlichen

Als Sachtätigkeit i n diesem Sinn hat die Handhabung von Organisationsgewalt nicht nur »technischen4, sondern auch i n hohem Maße politischen Charakter 9 . Es gibt i n dieser Hinsicht eine ,sachliche Behördenpolitik 4 , eine »territoriale Behördenpolitik 4 , einen politischprogrammatischen Charakter von organisatorischen Maßnahmen 1 0 . Man braucht nur an die Ausbildung der staatlichen Behördenorganisation vom 17.—19. Jh. 1 1 , an den Übergang von der Kabinettsregierung zur verantwortlichen Ministerregierung durch die Reformen des Freiherrn vom Stein, an die stufenweise Organisierung der deutschen Einheit i m 19. Jahrhundert, die von dem lockeren Gefüge des Deutschen Bundes, über die Teilunion des Deutschen Zollvereins, Norddeutschen Bund schließlich zum bundesstaatlichen Reich führte 1 2 , zu denken, ferner an die zunehmende ,Disziplinierung von Sozialbereichen4 durch körperschaftliche Organisierung bestimmter Berufsgruppen 13 und die wachsende Beteiligung von Sachverständigen und Interessenten an der leitenden Exekutivtätigkeit durch das System der Ausschüsse und Beiräte i n der Gegenwart, tun diesen »politischen4 Charakter der Organisationsgewalt zu erkennen. Auch i m gegenwärtigen wirtschaftlich-funktionalen Zusammenwachsen Europas hat die Ausübung der Organisationsgewalt nicht die Bedeutung einer Hilfstätigkeit, sondern stellt sich vielmehr gerade als ein wirksames politisches M i t t e l dar, um den Übergang auf eine neue 8 Dem Grunde nach ist dies bereits bei A. Haenel. Deutsches Staatsrecht, S. 335 f. erkannt. Demgegenüber hält H. Krüger, Staatslehre, S. 926 daran fest, daß die Organisationsgewalt zu den „akzessorischen Gewalten" gehöre, die auf sich allein gestellt keinen Sinn erhalten würden, sondern erst dadurch, daß sie in den Dienst einer anderen Aufgabe gestellt würden. Dem kann aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden; auch die Geschichte der staatlichen Behördenorganisation beweist m. E. das Gegenteil. 9 I n der Literatur zur Organisationsgewalt ist dies zum ersten Male von Sembritzki, S. 66 f. hervorgehoben worden. Ferner R. Smend, Die politische Gewalt im Verfassungsstaat, S. 19. 10 Sembritzki, S. 66—68, 57 f. 11 Dazu Hans Hausherr, Verwaltungseinheit und Ressorttrennung, 1953, und die Übersichten bei E. Kaufmann, Artikel Verwaltung, Verwaltungsrecht: WBStVwR 2 , Bd. 3, S. 691 und Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , §75. 12 Vgl. dazu jetzt die großangelegte Darstellung von E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 2, S. 282 ff., und Bd. 3, Kap. X I bis X I I I . Es fällt allerdings auf, daß der Gesichtspunkt der Veränderung und des sachlichen Ausbaus durch Organisation, soweit ich sehe, bei Huber nicht besonders hervortritt. 13

Vgl. Köttgen, Bundesverwaltung I I , S. 228 f., 233.

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

Stufe funktionaler und technokratischer Einheit oberhalb der Staaten zu bewerkstelligen und je länger je mehr irreversibel zu machen 14 . II. Die Reichweite der Organisationsgewalt ist gegenüber der Zeit vor dem ersten Weltkrieg immens gewachsen und hat ihr auch ganz neue Formen der Wirksamkeit erschlossen. Durch die Zunahme der staatlichen Aufgaben und die ungeheure Intensivierung der Lenkimg und Regelung der Sozialabläufe durch den Staat, die seitdem eingetreten ist, mußte sich diese Ausdehnung zwangsläufig ergeben. Die Organisationsgewalt des 19. Jh. war ganz ausgerichtet auf den Ausbau und die Neuerrichtung staatlicher Behörden und die Organisierung der kommunalen Selbstverwaltung einschließlich ihrer Einordnung i n die staatliche Organisation. I m übrigen, d.h. i m Hinblick auf die organisatorische Gliederung und Strukturierung der Gesellschaft, war der Staat des 19. Jh. eher Träger der Emanzipation. Er führte die Gesellschaft' aus überkommenen institutionellen Formen und Bindungen heraus i n die allgemeine, individuelle und gesellschaftliche Freiheit 1 5 . Der Umschwung trat m i t dem ersten Weltkrieg ein. Die ungeheure nationale Kraftanstrengung, die der Krieg forderte, die Notwendigkeit, das gesamte Wirtschafts- und Gesellschaftsleben auf die nationalen' Ziele: Sicherung des Heeres- und Rüstungsbedarfs und der Volks,ernährung, auszurichten, führte zu einer bis dahin ungeahnten Intensivierung staatlicher Lenkungs r , Plânungs- und Regulierungstätigkeit. Die ,Selbstregierung der Gesellschaft 1 fand, ganz konkret, an diesen Erfordernissen der militärischen Kriegswirtschaft ihr Ende. Der Staat übernahm die Funktion des Lenkers und Organisators, des Steuermanns von Wirtschaft und Gesellschaft 116 . Dadurch wurden nicht nur neue Möglichkeiten des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft sichtbar, es vollzog sich auch ein Bewußtseinswandel über die A u f gaben des Staates und sein Verhältnis zur vormals ,autonomen' Gesellschaft. Staat und Gesellschaft leben seither i n einer beständigen 14 Hinweis von Prof. Carl Schmitt. Vgl. ferner die Besprechung des Buches von Fr. Rosenstiel, La principe de Supranationalité durch Hans Huber in der Neuen Zürcher Zeitung v. 27.11. 63, Blatt 13. 15 Vgl. Adolf Zycha, Deutsche Rechtsgeschichte der Neuzeit, 2. Aufl., 1949, §§ 42, 47, 49; F. Lütge, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 2. Aufl., 1960. Rückgliederungsversuche wurden nur vereinzelt gemacht wie etwa im Bereich der Innungen der Handwerker, denen seit 1881 wieder körperschaftliche Organisationsform verliehen wurde, nachdem die Gewerbeordnung von 1869 sie als Privatverbände organisiert hatte, vgl. dazu Forsthoff, öffentliche Körperschaft, S. 75 f. 16 Vgl. E. Heymann, Die Rechtsformen der militärischen Kriegswirtschaft, 1921), insbes. S. 132—149; E. Forsthoff, öffentliche Körperschaft, S. 82 ff.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

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und sich steigernden ,Osmose'. Diese hat durch den schon i n der Weimarer Verfassung erteilten und durch die Sozialstaatsklausel des Grundgesetzes erneut befestigten Auftrag an den Staat, ,Wegbahner des sozialen Fortschritts' zu sein, wie auch durch die Interessen der Gesellschaft selbst eine prinzipielle Legitimation und forttreibende Kraft erhalten 1 7 . Das dadurch möglich und wirklich gewordene Ausgreifen der Organisationsgewalt bedarf an dieser Stelle keiner näheren Darlegung; insoweit kann auf die eindrucksvollen Schilderungen von Gerhard Lassar, F. A. Medicus und Arnold Köttgen verwiesen werden 1 8 . N u r einige wichtige Erscheinungen seien zur Kennzeichnung kurz hervorgehoben. Das erste planmäßige Hinausgreifen der Organisationsgewalt über die »behördliche' Reichweite ergab sich aus den Notwendigkeiten der militärischen Kriegswirtschaft i m ersten Weltkrieg. Hier mußte das ganze Wirtschaftsgeschehen einer zentralen Lenkung und Ausrichtung unterworfen werden. Es entstanden eigenartige Mischformen zwischen Behörden und privaten Gesellschaften, eine erste Form der späteren „Leitungsverbände" wie die Kriegsaktiengesellschaften und KriegsGmbHs 1 9 . Sie dienten dazu, auf privatrechtlichem Wege behördliche Wirtschaftslenkung zu betreiben. Die stets zunehmende Kooperation zwischen staatlicher Verwaltung und gesellschaftlichen Interessen sowie zwischen staatlicher Verwal17 I n diesem Sinn die grundlegenden Ausführungen von Köttgen, Einfluß des Bundes I I , S. 184 ff. Vgl. ferner Hans Huber, Staat und Verbände, 1958. 18 Gerhard Lassar, Reichseigene Verwaltung unter der Weimarer Verfassung: JöR Bd. 14 (1926); F. A. Medicus, Reichs Verwaltung: JöR Bd. 20 (1932), S. 1—115; Arnold Köttgen, Der Einfluß des Bundes auf die deutsche Verwaltung und die Organisation der bundeseigenen Verwaltung (1. Bericht): JöR N. F. Bd. 3 (1954); ders., Der Einfluß des Bundes... (2. Bericht). JöR, N. F. Bd. 11 (1962). Auf diesen letzten Bericht, der eine ungeheure Materialfülle verarbeitet und sehr eingehend und konkret ,de statu rei publicae germanicae' handelt, wird noch öfters zurückzukommen sein. 19 Vgl. die Schilderungen bei E. Heymann, Rechtsformen, S. 136—144; Sembritzki, S. 81/82, der hier von „Scheinbehörden" spricht. Die Vertreter bestimmter Wirtschaftszweige wurden mit der öffentlichen Verwaltung in der Weise verbunden, daß in den Gesellschaftsorganen die Kommissare bestimmter Reichsämter ein satzungsmäßiges Mitberatungs- und Vetorecht hatten. Eine besondere Organisationsform war die Verbindung von Gesellschaften und eigens geschaffenen Behörden zu „Reichsstellen", so die „Reichsverteilungsstelle" (VO v. 21. 1. 1915, § 31), die mit Hilfe der „Kriegsgetreide-GmbH" für die Verteilung der vorhandenen Getreidevorräte auf das Reich sorgen sollte; durch VO v. 28. 6. 1915 wurde sie mit dieser zur „Reichsgetreidestelle" zusammengefaßt, die Kriegsgetreide-GmbH wurde zur „Reichsgetreidestelle, Geschäftsabt. mbH", vgl. Sembritzki, S. 79/80; Heymann, Rechtsformen, S. 134. Zur weiteren Entwicklung H. Herrfahrdt: Die Formen der wirtschaftlichen Selbstverwaltung in Deutschland: JöR 11 (1922), S. 1—37.

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

t u n g u n d (technischem) Sachverstand h a t dieses neue B e t ä t i g u n g s f e l d d a n n sehr a u s g e w e i t e t 2 0 . Es e n t s t a n d e n u n d entstehen neue O r g a n i sationsformen, w i e d i e zahlreichen, v o n I n t e r e s s e n v e r t r e t e r n oder Sachverständigen beschickten b e r a t e n d e n Ausschüsse u n d B e i r ä t e 2 1 , f e r n e r die i n einen O r g a n i s a t i o n s z u s a m m e n h a n g m i t der V e r w a l t u n g gebrachten gesellschaftlichen D a c h v e r b ä n d e 2 2 oder „ L e i t u n g s v e r b ä n d e " 2 3 , schließlich besondere, a n s t a l t l i c h o r g a n i s i e r t e V e r w a l t u n g s t r ä g e r , i n deren B e s c h l u ß g r e m i e n ( V e r w a l t u n g s r ä t e n ) die o r g a n i s i e r t e n I n t e r essen w i r t s c h a f t l i c h e r , sozialer, k u l t u r e l l e r A r t beaufsichtigend, k o n t r o l l i e r e n d , m i t e n t s c h e i d e n d an der E r l e d i g u n g ö f f e n t l i c h e r V e r w a l tungsaufgaben beteiligt s i n d 2 4 . D i e O r g a n i s a t i o n s g e w a l i e r g r e i f t h e u t e d a r ü b e r h i n a u s auch d e n ganzen Bereich der ö f f e n t l i c h e n O r g a n i s i e r u n g v o n B e r u f s g r u p p e n 20 H. Quaritsch, Kirchen und Staat: Der Staat, Bd. 1 (1962), S. 303 f., macht mit Hecht darauf aufmerksam, daß die Abstandnahme des Staates von einer monopolisierten, auf seine Amtsträger beschränkten Verwaltung nicht nur den Teilhabeforderungen der gesellschaftlichen Gruppen, sondern auch dem Interesse des Staates an der Erhaltung des (sozialen) Friedens und seiner Entlastung von Alleinverantwortlichkeit gegenüber Kritik und Auflehnung dient. Welche verfassungsrechtlichen und verfassungssystematischen Probleme sich aus dieser Beziehung gesellschaftlicher Kräfte gerade in organisationsrechtlicher Hinsicht ergeben, ist später noch zu untersuchen (vgl. § 20 B). 21 Ausweislich des Haushaltsplans 1962 und Auskünften verschiedener Bundesministerien bestehen ζ. Z. bei den verschiedenen Bundesministerien insgesamt 81 Beiräte und Ausschüsse (davon 12 technische Fachausschüsse), 9 Kommissionen (ζ. B. Urheberrechtskommission; Steuerstraf rech tskommission) und 1 „Kuratorium" mit einem Aktionsausschuß, der sich in 13 Sonderkommissionen untergliedert. Besonders verselbständigte Beiräte sind der Deutsche Wissenschaftsrat (gebildet auf Grund einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern v. 5. 7. 1957, GMB1. S. 553) und der „Sachverständigenrat" zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Gesetz v. 14. 8. 1963, BGBl. I, S. 685). 22 So erfolgte ζ. B. die Verteilung der Gelder des Bundesjugendplans an die Einzelverbände über die „mitverantwortliche Zentralstelle" des Bundesjugendrings, vgl. die Richtlinien für den Bundesjugendplan, GMB1. 1959, S. 34 ff. Einen detaillierten Einblick in die Teilnahme der Interessen verbände an der Bundesverwaltung und die entsprechenden Organisationsformen vermittelt Lorenz Schomerus, Die organisatorische Eingliederung der Interessen verbände in die Bundesverwaltung, Diss. jur. Heidelberg, 1959. 23 Die wichtigsten Verbände dieser Art waren in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg die Zwangssyndikate der Kohlenwirtschaft, vgl. dazu den Überblick bei Forsthoff, Verwaltungsrecht 8 , S. 427, Note 4 und Röttgen, Die rechtsfähige Verwaltungseinheit, 1939. 24 Vgl. etwa die „Verwaltungsräte" bei Bundesbahn (§§ 10—13 BubaG) und Bundespost (§ 5 PostverwG), aber auch die Verwaltungsräte der Rundfunk- und Fernsehgesellschaften, das „Kuratorium" der Bundeszentrale für politische Bildung. Als weitere Beispiele gehören in diesen Zusammenhang etv/a die als Anstalt errichtete „Mühlenstelle" (G. v. 4. 11. 1950, BGBl. 721, § 5) und der „Stabilisierungsfonds für Wein" (G. v. 29. 8.1961, BGBl. I 1622). Vgl. dazu im einzelnen Hans Jecht, Die öffentliche Anstalt, Berlin 1963, S. 127/128 und L. Schomerus, Eingliederung, passim; ferner unten § 20 B.

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(Anwalts-, Ärztekammern usf.) und Sozialbereichen (öffentliche Versicherungsträger) 25 . Hier w i r d sie ein M i t t e l einerseits der gesellschaftlichen Neustrukturierung, anderseits der Selbstentlastung des Staates von unmittelbaren Vorsorgeaufgaben. Endlich sei noch an den stets wachsenden „Anstaltskranz" erinnert, mit dem sich vor allem Ministerien zur Erledigung nichthoheitlicher Fachaufgaben umgeben, und an die durch die neuartigen Sachaufgaben nahegelegte vielfache Inanspruchnahme privatrechtlicher Organisationsformen. Die Organisationsgewalt ist hier dabei, sich ganz neue Möglichkeiten der Herstellung organisatorischer Zusammenhänge und der Begründung sachlicher Leitungsgewalt bei möglichster Befreiung von den starren Bindungen des öffentlichen Rechts, einschließlich der Haushaltskontrolle, zu erschließen 26 . Als Beispiel für viele andere seien die Atomforschungsgesellschaften i m Bereich des Bundesministeriums für Wissenschaftsförderimg genannt 2 7 .

§ 3: Die Akte der Organisationsgewalt I. Hinsichtlich der Einteilung und Bezeichnung der einzelnen A k t e der Organisationsgewalt sind weder Gesetzessprache noch Schrifttum zu einer auch nur einigermäßen übereinstimmenden Terminologie gelangt. Die Gesetze sprechen von „Errichtung" oder „Einrichtung" von Behörden, stellen zuweilen auch beides einander gegenüber 1 , ohne daß freilich damit auch immer voneinander abgegrenzte A k t e bezeichnet werden sollen. Der einzige Versuch einer Legaldefinition des Be26 Vgl. dazu den Überblick bei Köttgen, Einfluß des Bundes I I , S. 273 ff. Die Zahl der nach Art. 87 I I GG als bundesunmittelbare Körperschaften zu führenden Sozialversicherungsträger beträgt ausweislich des Organisationsplans des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung 143 Krankenversicherungsträger, 39 Unfallversicherungsträger, 10 Rentenversicherungsträger. 26 Köttgen, Bundesverwaltung I I , S. 290 ff. Er spricht von den „privatrechtlichen Trabanten" der Organisationsgewalt. Die Gründungen erfolgen derart, „daß der Staat als Privatrechtssubjekt die Funktionen des oder der Gründer versieht und sich durch die Satzung den erforderlichen Einfluß, welcher formell kein obrigkeitlicher ist, sichert" (Sembritzki, S. 61). 27 Vgl. dazu Wolfgang Cartellieri, Neue Wege der Forschungsförderung, S. 14 ff. Zur Zeit bestehen vier private Gesellschaften, die die Funktion von Bundes- oder Bund-Länder-Forschungsanstalten wahrnehmen. 1 Vgl. Art. 84 I, 85 I, 86 S.2 GG: „Einrichtung der Behörden"; Art. 87 I I I S. 1 u. 2: Behörden können „errichtet werden"; das Landesorganisationsgesetz N W v. 10.7.1962 (GVB1. S.421) spricht nur von „errichten" (§§ 6 I I I , 7 I I I , 151).

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

griffes ,Einrichtung', den die bayr. VO über die Einrichtung der staatlichen Behörden vom 31. 3. 54 (GVB1. S. 56) macht, spricht sich vielmehr dahin aus, daß zur „Einrichtung von Behörden i m einzelnen" die „Errichtung und Aufhebung, die Vergrößerung und Verkleinerung.. usf. von Behörden gehöre-. Hier hängt also alles vom Einzelfall ab. I m Schrifttum werden zwar ,Errichtung 4 und »Einrichtung 4 als verschiedene Akte voneinander abgegrenzt 3 und vereinzelt w i r d diesen beiden Akten noch ein dritter, die „ B i l d u n g " 4 oder die „Aufgabenzuweisung" 5 hinzugefügt. Aber die Zahl der unterschiedlichen, einander widerstreitenden Inhaltsbestimmungen dieser A k t e ist Legion. Offenbar handelt es sich jeweils um reine Zweckbegriffe, die die zahlreichen sachlich unterschiedenen Organisationshandlungen unter bestimmten zweckbestimmten Gesichtspunkten zusammenfassen sollen. Insofern ist es müßig, über die ,Richtigkeit 4 dieser Begriffsbildung zu streiten oder an Stelle der bisherigen ein neues ,System4 der organisatorischen Akte aufzustellen. Zweckbestimmte Einteilungsgesichtspunkte sind ihrem Wesen nach nahezu beliebig vermehrbar, und von Interesse kann allenfalls das die jeweilige Einteilung tragende Kriter i u m sein. 2 Vgl. § 2 I I der VO: „Zur Errichtung von Behörden im einzelnen i. S. von Absatz 1 gehören die Errichtung und Aufhebung, die Vergrößerung und Verkleinerung, die Zusammenlegung und Teilung von Behörden, die Bestimmung ihres Sitzes, die Abgrenzung ihrer Unterbezirke und die Ordnung ihrer inneren Verhältnisse, sowie ihres Verhältnisses zu vorgesetzten, gleichrangigen und nachgeordneten Behörden...". Diese Interpretation bezieht sich auf Art. 77 I I bayVerf., wo von der „Einrichtung der Behörden im einzelnen" als einer Zuständigkeit der Staatsregierung die Rede ist, diese aber nicht näher umschrieben, sondern nur der Organisation der allgemeinen Staatsverwaltung, der Regelung der Zuständigkeiten und der Art der Bestellung der Organe, die durch Gesetz erfolgen, gegenübergestellt wird. Z u den durch die Definition der VO aufgeworfenen Fragen vgl. Schwaiger, Die Errichtung der staatlichen Behörden: Bayern: BayVbl. I960, 6 ff. und bayVGH v. 18. 1. 1961: BayVbl. 1961, 217 ff. 8

Aus den zahlreichen Veröffentlichungen, einschließlich der Dissertationen zu dieser Frage, seien genannt: Franz Schmidt, Die Errichtung und Einrichtung der Staatsbehörden nach preußischem Recht, Diss. jur. Tübingen 1905, S. 4—10; J. Keller, Budgetrecht und Organisationsgewalt, Diss. jur. Heidelberg 1916; H. Triepel, Die Reichsaufsicht, 1917, S. 585 f. (unter Bezugnahme auf die Dissertation von F. Schmidt); Joh. Görke, Die Organisationsgewalt im Reiche, Diss, jur., Breslau 1925, S. 20 ff. Georg Kohl, Die Organisationsgewalt in Württemberg, Diss, jur., Tübingen 1933, S. 16—21; A. Sembritzki, Die Organisationsgewalt nach Reichsrecht, Diss, jur., Berlin 1933, S. 27 ff.; E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht 2 I, 63; W. Bickelhaupt, Die Praxis der Organisationsbestimmung im deutschen Recht, Diss, jur. Heidelberg 1958, S. 4—7. 4 Hans J. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 74 I I I a (S. 41 f.) und § 78 I I (S. 961). 5 E. Rasch, Die Behörde: VerwArch 50 (1959), 31—34 und in Anlehnung daran Maunz in Maunz-Dürig, Rdn. 20 zu Art. 84.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

47

V i e l m e h r k o m m t es d a r a u f an, zunächst d i e sachlichen O r g a n i s a t i o n s h a n d l u n g e n , die d e n V o r g a n g der Schaffung, V e r ä n d e r u n g , Z u s a m m e n o r d n u n g v o n organisatorischen F u n k t i o n s t r ä g e r n ausmachen, ins A u g e z u fassen. I n der L i t e r a t u r g i b t d a f ü r , entsprechend der geschichtlichen H e r k u n f t d e r O r g a n i s a t i o n s g e w a l t , d i e O r g a n i s i e r u n g s t a a t l i c h e r B e h ö r d e n das M o d e l l b i l d ab. Das schließt aber n i c h t aus, daß d i e d a b e i i n E r s c h e i n u n g t r e t e n d e n O r g a n i s a t i o n s h a n d l u n g e n f u n k t i o n e l l auch a u f d i e O r g a n i s i e r u n g n i c h t b e h ö r d l i c h e r , einschließlich der privatrechtlich verfaßten Funktionsträger zutreffen 6. Folgende

sachliche

Organisationshandlungen

lassen

sich

unter-

7

scheiden : a) die A n o r d n u n g , daß e i n F u n k t i o n s t r ä g e r bestehen s o l l (einschließl i c h seiner b e g r i f f l i c h e n Bezeichnung); b) d i e B e s t i m m u n g des sachlichen A u f g a b e n k r e i s e s , d. h. d e r tenz, u n d des ö r t l i c h e n W i r k u n g s k r e i s e s .

Kompe-

Die Kompetenz bedeutet gegenständlich das wahrzunehmende Geschäft, z.B. Verkehrssicherunig; als solche ist sie unterschieden von den Befugnissen und Verbindlichkeiten (Zuständigkeiten), die die Art und Weise und die Form der Wahrnehmung der Komjpetenz bestimmen, ζ. B. Zuständigkeit zum Erlaß von Polizeiverordnungen. Kompetenz ist also der Gegenstand der Zuständigkeiten, der Sachbereich, auf den diese konkret bezogen sind«. c) die Z u w e i s u n g der Z u s t ä n d i g k e i t e n z u r

Kompetenzwahrnehmimg.

Diese Zuweisung von Zuständigkeiten an einen bestimmten Funktionsträger als ein Akt „innerstaatlicher Geschäftsverteilung" 9 innerhalb des Organisationssystems ist begrifflich zu unterscheiden von der Begründung neuer Zuständigkeiten (Rechte und Pflichten) für den ,Staat* als solchen, etwa zu Eingriffen in Freiheit und Eigentum. Wiewohl tatsächlich beides oft zusammenfällt, schafft an sich die Verteilung von (bestehenden) Zuständigkeiten keine neuen Rechte und Pflichten des Staates, wie umgekehrt die Begründung von solchen Rechten und Pflichten noch keine Zuständigkeitsverteilung in sich schließt 10 . β Es entfallen namentlich die Handlungen, die sich aus institutionellem, gebildehaftem Charakter der normalen organisatorischen Funktionsträger erklären, ζ. B. die innere Organisation, Regelung der Willensbildung, die tatsächliche Einrichtung. Akte wie Gründungs-, Kompetenz- und Zuständigkeitsbestimmung, Festlegung der hierarchischen Stellung kommen indessen auch hier vor. 7 Vgl. auch die Einteilungen und Gruppierungen bei Franz Schmidt, a.a.O., S. III—17; Lutz Richter, Organisationsgewalt, S. 4—6; Sembritzki, S. 27—28, 50—52; Ermacora, Organisationsgewalt, S. 205—207. Die differenzierten Einteilungen bei Rasch, Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, Teil A, S. 10—12 sind wegen des Mangels eines einheitlichen Einteilungsgesichtspunktes unergiebig. 8 Hierzu grundlegend Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 72 I I (S. 12 f.). 9 Kohl, Organisationsgewalt in Württemberg, S. 16. 10 Darauf ist gerade in der Dissertationenliteratur zur Organisationsgewalt wiederholt hingewiesen worden, vgl. etwa Kohl, a.a.O., S. 16/17 und

48

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des G G

d) d i e F e s t l e g u n g d e r V e r f a ß t h e i t des F u n k t i o n s t r ä g e r s , also ζ. B. des Charakters als Kollegial- oder bürokratisches Organ, als rechtsfähige oder nichtrechtsfähige Einheit, der Art der Berufung der leitenden Organwalter und der äußeren Willensbildung und Vertretung; e) d i e B e s t i m m u n g d e r S t e l l u n g i n n e r h a l b d e r G e s a m t o r g a n i s a t i o n . Das betrifft etwa Ressortzugehörigkeit oder -freiheit, die hierarchischen Unterstellungsverhältnisse (Weisungs- und Aufsichtsrechte), Eigenständigkeit oder Angliederung an einen bestehenden Funktionsträger; f)

d i e innere ferate),

Organisation, z . B . innere Gliederung (Abteilungen, Re-

R e g e l u n g des Geschäftsbetriebes

und

des i n t e r n e n

Ver-

fahrens 11; g) d i e B e s c h a f f u n g d e r r ä u m l i c h e n , sachlichen u n d p e r s o n e l l e n M i t t e l , d a m i t d e r F u n k t i o n s t r ä g e r tatsächlich i n A k t i o n t r e t e n k a n n . Zur Beschaffung der personellen Mittel gehört die Einrichtung von Planstellen und die Besetzung der Stellen mit (bereits vorhandenen) Amtswaltern, nicht aber ζ. B. die Beamtenernennung oder -beförderung als solche11®. h) B e s t i m m u n g des Sitzes des F u n k t i o n s t r ä g e r s . N a c h w e l c h e n G e s i c h t s p u n k t e n k ö n n e n n u n diese sachlichen O r g a n i s a t i o n s h a n d l u n g e n s i n n v o l l u n t e r O b e r b e g r i f f e w i e »Errichtung 4 u n d »Einrichtung' oder d i e T r i a s . B i l d u n g , E r r i c h t u n g , E i n r i c h t u n g 4 z u s a m m e n g e f a ß t u n d w i e k ö n n e n diese v o n e i n a n d e r abgegrenzt w e r d e n ? Das i s t w e d e r lagisch n o c h systematisch, auch n i c h t aus d e m g e l t e n d e n Recht vorgegeben, w o h e r sich auch d i e e r w ä h n t e B e l i e b i g k e i t d e r E i n t e i l u n g e n e r k l ä r t 1 2 . Es l i e g t n a h e u n d scheint d i e Sachgegebenh e i t e n a m ehesten z u t r e f f e n , als K r i t e r i u m d e r Z u s a m m e n f a s s i m g b z w . A b g r e n z u n g d i e U n t e r s c h e i d u n g v o n n o r m a t i v e n (anordnenden) 20/21; Franz Schmidt, a.a.O., S.4; Görke, a.a.O., S.22f.; Bickelhaupt, a.a.O., S. 78 ff. Die Unterscheidung ist auch von erheblicher politischer Bedeutung, vor allem für die Frage, wie weit ein allgemeiner oder spezieller Gesetzesvorbehält für bestimmte Zuständigkeiten des Staates auch deren organisatorische Verteilung oder nur deren rechtliche Begründung ergreift, vgl. dazu unten §§ 9 und 13. 11 Uber die Abgrenzung der inneren Organisation u. interner Verfahrensregelung, die eine Materie der Organisationsgewalt ist, zur Regelung des (äußeren) Verwaltungsverfahrens vgl. näher Bettermann, Verwaltungsverfahren: W D S t R L 17 (1959), S. 130 ff., insbes. 133 f. l l a I n der Literatur bleibt meist unklar, inwieweit unter der Beschaffung der persönlichen Mittel nur die Einrichtung der Planstellen und ihre Besetzung mit (als solchen schon vorhandenen) Amtswaltern oder auch die Berufung bzw. Ernennung der Amtswalter verstanden ist. Sembritzki, a.a.O., S. 14 f. w i l l auch die gesamte Personalgewalt hierunter fassen; über deren Ausgliederung vgl. oben § 1 Β I I I . 12 Diese Beliebigkeit näher zu untersuchen und auf die jeweiligen Ausgangspunkte zurückzuführen, liegt außerhalb des Rahmens dieser Vorerörterungen.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

49

und tatsächlich ausführenden Organisationshandlungen zugrunde zu legen. Das betrifft die Modalität und schafft eine klare Abgrenzung. Aber es sind dann alle rechtlich relevanten Akte, die i n sich einen A n ordnungs- und Entscheidungsgehalt tragen, unter einen, nämlich den ,Errichtungs'-Begriff zusammengefaßt, während doch gerade diese A k t e gruppiert und gegliedert werden sollen. Diesem Mangel sucht die weitere Unterteilung der normativen Akte i n „Bildung" und „Errichtung" Rechnung zu tragen 1 3 . Wählt man für diese Abgrenzung wieder logische Merkmale wie »abstrakt' (Bildung) und »konkret* (Errichtung), so gewinnt man eine zwar formal eindeutige Abgrenzung, die aber sachlich ebenso u n k l a r bleibt wie die Begriffe »abstrakt* und »konkret' als Relationsbegriffe vieldeutig sind 1 4 . Demgegenüber ist es, gerade auch für mögliche rechtliche Unterscheidungen, ergiebiger, die Zusammenfassung und Abgrenzung statt an logischen oder modalen an sachlichen Unterschieden innerhalb der Organisationstätigkeit zu orientieren. Unter diesem Gesichtspunkt bietet sich an, die ,äußere' Errichtung eines Funktionsträgers der »inneren' Einrichtung gegenüberzustellen, eine Unterscheidung, die auch dem Sprachgebrauch von »Errichtung' und »Einrichtung* i n Literatur und Praxis oftmals zugrunde liegt 1 5 . Zur »Errichtung' würde danach alles gehören, was nötwendig ist, damit der Funktionsträger nach außen als organisatorische Einheit ausgestattet ist und wirksam werden kann, — die Organisationshandlungen zu a)—e), zur »Einrichtung* alles, was seine innere Organisation: Gliederung, Planstellen, Geschäftsbetrieb, und die tatsächliche Einrichtung betrifft, — also die Organisationshandlungen f)—h). W i l l man dann von der Errichtung noch die Bildung unterscheiden, so wäre dafür auf die Anordnung, daß ein Funktionsträger bestimmter A r t bestehen soll, abzustellen 16 . 13 Vgl. Wolff, Verwaltungsrecht I I , § 74 I I I u. I V (S. 41 f.), § 78 I I — I V (S. 96 ff.). 14 Dies sind die Bedenken gegen die Abgrenzung bei Wolff, a.a.O., § 74 I I I (S. 41 f.). Relationale Einteilungsmerkmale wie »abstrakt4 und »konkret* gewinnen einen umgrenzbaren Inhalt immer erst dann, wenn die Frage: abstrakt wovon? und: konkret woraufhin? geklärt, d. h. der Beziehungsgesichtspunkt bestimmt ist. Nicht von ungefähr spricht Wolff, a.a.O., deshalb davon, daß die (konkrete) „Errichtung" (nur) „idR" diese und jene organisatorischen Akte umfasse. 16 Vgl. die unter Note 25 angeführten Schriften von Kratzer, Haas, Hans Schneider; ferner E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht 2 I, S. 62 f. 16 Dazu gehört notwendig die sog. normative Stiftungs- oder Gründungserklärung und ein Umriß des Aufgaben- bzw. Zuständigkeitskreises, der jedoch weder detailliert noch vollständig zu sein braucht. Einen praktischen Sinn hat eine derartige Unterscheidung und Abgrenzung von .Bildung' und »Errichtung* vor allem im Bereich des Verfassungsrechts, das oftmals selbst Organe oder Behörden bildet, ihre Errichtung aber den Gesetzgebungs- oder Regierungsorganen überträgt oder überläßt, ζ. B. das oberste Bundesgericht nach Art. 95 GG, das BVerfG nach Art.93, 94 GG, der Bundesrechnungshof nach Art. 114 I I GG.

4 Böckenförde

50

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

I n diesem Sinn soll i n den weiteren Erörterungen von »Bildung 4 , ,Errichtung 4 und »Einrichtung 4 gesprochen werden, ohne daß freilich für diese Festlegung der Begriffe eine rechtliche Verbindlichkeit i n Anspruch genommen werden könnte. I I . Unabhängig davon, von welcher Unterscheidungsebene her die Begriffe Bildung, Errichtung, Einrichtung bestimmt und voneinander abgegrenzt werden, i n jedem Falle liegt i h r systematischer Sinn darin, die gesamten sachlichen Organisationshandlungen, die auf organisatorische Funktionsträger bezogen sind, zu erfassen und also i n der Einteilung erschöpfend zu sein. Die zahlreichen übrigen gebräuchlichen Einteilungen und Qualifizierungen der organisatorischen Akte können daher diesen Begriffen nicht nebengeordnet, sondern müssen ihnen zu- bzw. untergeordnet werden. 1. Die Konträrbegriffe zu Bildimg, Errichtung, Einrichtung bezeichnen die jeweiligen organisatorischen Gegenakte und korrespondieren daher dieser Einteilung. Ihre Anwendung und Einordnung ist unproblematisch. Der Bildung entspricht die Abschaffung, der Errichtung die Aufhebung, der Einrichtung die Auflösung 1 7 . 2. Die zahlreichen organisatorischen Akte, die die Veränderung bereits bestehender Funktionsträger zum Inhalt haben, wie Verzweigung bzw. Neugliederung 1 8 , Vereinigung, Teilung, Angliederung, U m b i l dung, Umordnung u. a., unterfallen, je nach ihrem Charakter, dem Bereich der Errichtung oder Einrichtung. Sie bilden keinen eigenen Bereich neben Errichtung und Einrichtung. So gehören die Ausgliederung, die Vereinigung und Teilung von Funktionsträgern, w e i l sie deren Schaffung und institutionelle Ausgestaltung betreffen, zur »Errichtung 4 , die Umbildung und Umordnung 1 9 hingegen, w e i l sie nur die 17

Vgl. dazu Wolff , Verwaltungsrecht I I , § 74 I I I (S. 42). Der Ausdruck „Verzweigung" bei Poul Meyer, Verwaltungsorganisation, S. 84, der darunter eine „strukturelle Neuschöpfung" infolge des Wachsens alter oder Entstehens neuer Aufgaben versteht. Die Verzweigung oder Ausgliederung mit dann folgender neuer hierarchischer Plazierung ist ein Grundvorgang der Ausbildung der modernen Verwaltungsorganisation seit dem 17. Jh. 19 Umbildung und Umordnung bezeichnen beide interne Organisationsvorgänge. I n Anlehnung an das Reichsgericht (RGZ 124, 85; 131, 207) wird unter Umordnung eine bloße Geschäftsplan- bzw. Geschäftsverteilungsänderung l ^ i Aufrechterhaltung der inneren Gliederung, unter Umbildung eine Änderung des inneren Behördenaufbaus verstanden, vgl. H. Martinstetter, Die Organisationsgewalt, S. 28/29; Sembritzki, S. 51 f. Rechtlich bedeutsam wird diese Unterscheidung i m Zusammenhang mit dem „Organisationsvorbehalt" des Beamtenrechts, vgl. jetzt § 26 I I BBG und §§ 19 f. BRRG und O V G Hamburg, VwRspr 10, 321, B V w G v. 23. 3. 1961, N J W 61, 1323 = JZ 62, 62 ff. mit Anm. Obermayer, wo die Umbildung der Unterbehörde zugleich mit der Umgliederung und Errichtung einer neuen Behörde verbunden war. 18

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

51

innere Organisation betreffen, zur Einrichtung. Der gleiche Gesichtspunkt gilt für die Verlagerung von Zuständigkeiten oder Kompetenzbereichen, die daher i n den Bereich der ,Errichtung 4 fällt. 3. Ebenso verhält es sich für die Akte, die die Herstellung bestimmter organisatorischer Zusammenhänge zwischen Funktionsträgern zum Inhalt haben, wie etwa Eingliederung und Ausgliederung von Funktionsträgern sowie die Institutionsleihe 2 0 . Sie alle sind spezifische Weisen der institutionellen Ausgestaltung und evtl. Regelung der äußeren Willensbildung von Funktionsträgern und stellen daher Teilakte von deren Errichtung dar. I I I . E i n besonderer Organisationsakt, der aus dem Zusammenhang der bisher behandelten heraustritt, ist die Verleihung (bzw. Entziehung) eines institutionell öffentlichen Status an Sozialgebilde oder eine (Privat)Person 21 . Sie kommt heute vor allem als Verleihimg des Status der öffentlichen Körperschaft an bereits bestehende oder eigens dazu geschaffene soziale Verbände oder Gebilde 2 2 oder als Begründung des Beliehenenstatus für einen Privaten vor. Auch die neuerdings geplante Verleihung des Kombattantenstatus an (Polizei-) Beamte würde hierher gehören 23 . Sie dient der besonderen Qualifizierung von Verbänden, Gebilden, Personen als »öffentliche 4 und damit ihrer Einbeziehung i n den Zusammenhang »öffentlicher Ordnung* und der staatlichen Gesamtorganisation, über die der Staat das Verfügungsmonopol hat. Insofern handelt es sich nicht nur historisch, sondern auch sachlich um eine Fortsetzung der alten Rechtsform des Privilegs. Funktionell kann diese Verleihung als Teil der »Errichtung* neuer Funktionsträger betrachtet werden. Aber sie geht darin nicht auf, weil sie darüber hinaus eben eine Statusdisposition trifft, die einem Gebilde oder einer Person eine spezifische »Rangerhöhung* verleiht. 20 Vgl. die Übersicht bei Wölfl Verwaltungsrecht I I , § 77 I (S. 85—88), ferner Franz Schmidt, Errichtung, S. 14/15. 21 Dazu Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 384 f. 22 Vgl. dazu Forsthoff, Verwaltungsrecht, S. 431 f. und wüVROE Art. 118. Nicht alle Körperschaften des öffentlichen Rechts werden als solche durch Verleihung qualifiziert. Die Organisationsform der öffentlichen Körperschaft kann auch dazu dienen, lediglich einen bestimmten Verwaltungsbereich in dezentralisierter Form zu organisieren, so etwa bei den kommunalen Zweckverbänden, Schulverbänden, Sparkassenverbänden, oder bestimmte Eigentümer in besonderer Weise öffentlich in Pflicht zu nehmen, wie bei den Wasser- und Bodenverbänden und den Forstverbänden. 23 Vgl. den Regierungsentwurf des „Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes über den Bundesgrenzschutz und die Errichtung von Bundesgrenzschutzbehörden", Drucksache IV/343, Art. I § 2 a und dazu die Rechtsgutachten von F. Ermacora und A. Hamann. veröffentlicht in dem Sonderdruck „Polizei muß Polizei bleiben", hrsg. v. d. Gewerkschaft der Polizei, Düsseldorf (1963). Siehe auch unten § 8 I I I a. E., S. 103.

4*

52

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

Außerdem ist sie nicht notwendig m i t einer solchen »Errichtung 4 eines (neuen) Funktionsträgers i m staatlichen Organisationszusammenhang verbunden 2 4 . So ist es sinnvoll und notwendig, sie als eigenen Organisationsakt den übrigen gegenüberzustellen.

Anhang: Die Bedeutung von »Errichtung' und »Einrichtung* nach Art. 84—87 GG Wie sich ia/us den vorhergehenden Erörterungen ergeben hat, kann durch eine theoretische Klärung u n d Festlegung der m i t den Worten »Errichtung 4 und ,Einrichtung 4 au verbindenden Begriffe noch nichts über die konkrete begriffliche Bedeutung dieser Worte i n einer bestimmten Gesetzesregelung ausgesagt werden. Das gilt a/uch für die Art. 84—87 GG. Würde man hier einfachhiin die theoretisch gewonnenen Begriffe zugrunde legen, so bedeutete ein solches Vorgehen, da es tan verbindlichen, allgemein anerkannten Begriffsbestimmungen fehlt, nicht eine Begriffserklärung, sondern eine Begriff sunterschiebung. Das ist für eine dogmatische Interpretation unzulässig. Beachtet man dies, so stellen sich für eine Interpretation der Worte »Errichtung 4 und »Einrichtung 4 i n den A r t . 84—87 GG zunächst zwei Fragen: 1. Werden m i t den Worten Errichtung u n d Einrichtung verschiedene Begriffe bezeichnet oder dienen -beide Worte zur Bezeichnung ein und desselben Begriffs? 2. Was ist der Inhalt des Begriffes oder der Begriffe, die m i t diesen Worten bezeichnet werden? Beide Fragen werden i m Schrifttum nicht genügend auseinandergehalten. Die Auseinandersetzungen gehen darum, ob unter »Einrichtung von Behörden 4 i n den Art. 841, 85 I, 86 S. 2 und ,eingerichtet werden 4 i n A r t . 87 I 2 auch die »Errichtung 4 oder nur die Einrichtung i m eigentlichen Sinne zu verstehen ist und also eine entsprechend weite oder begrenzte Zuständigkeit des Bundes bzw. der Bundesregierung (Art. 86 S. 2) besteht 25 . Dabei werden aber der Erörterung seibstζ. B. nicht bei der Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an die Religionsgesellschaften gemäß Art. 140 GG /137 V W V . 25 Vgl. etwa Maunz in Maunz-Dürig, Rdn. 20 zu Art. 84; Kratzer, Zustimmungsgesetze: AöR 77 (1952), S. 266 (268); Haas, Bundesgesetze über Organisation und Verfahren der Landesbehörden: AöR 80 (1955/56), S. 92 ff.; H. Schneider, Körperschaftliche Verbundverwaltung: AöR 83 (1958), S. 16 bis 18 mit weiterer Literatur; Rasch, Behörde, S. 36; ders., Verwaltungsorganisation und Verwaltungsverfahren, S. 87 f.

Begriff und Inhalt der Organisationsgewalt

53

gebildete oder dem Schrifttum entnommene Begriffe von »Errichtung 4 und »Einrichtung 4 zugrunde gelegt, ohne daß diese vorab daraufhin untersucht werden, ob sie m i t den von der Verfassung gemeinten Begriffen übereinstimmen. Damit knüpfen auch die vielfachen Argumentationen aus Sinn und Zusammenhang dieser Regelungen an ungeklärte Voraussetzungen an 2 6 . Für die Interpretation dieser aus sich selbst unklaren Begriffsbezeichnungen ist ein Zurückgehen auf die heute gering geschätzte Entstehungsgeschichte unerläßlich 2 7 . Diese ist auch keineswegs unergiebig. I n den Beratungen des Parlamentarischen Rates über den späteren Art. 84 war zunächst von der Regelung der „Organisation der Behörden44 die Rede, und es bestand darüber Einvernehmen, daß damit die gesamte Organisation, d. h. Aufbau und Einrichtung, umfaßt sein sollte 2 8 . Nur aus Sprachgründen, u m ein deutsches Wort zu verwenden, wurde dann „Organisation der Behörden 44 durch „Einrichtung 44 der Behörden ersetzt. Auch dieser Begriff sollte die gesamte Organisationstätigkeit, soweit sie regelnder A r t ist, umfassen 29 . Das gleiche Ergebnis folgt aus den Beratungen zu Art. 86. Auch hier wurde „Einrichtung der Behörden 44 stets i n einem Sinn verwendet, der die gesamte (regelnde) Organisationstätigkeit umfaßt, abgegrenzt nicht von der Errichtimg, sondern allenfalls von der Begründung von Eingriffs-Zuständigkeiten gegenüber den Bürgern 3 0 . Es zeigt sich also m i t großer Klarheit, daß für Art. 84, was wegen der gleichlaufenden Beratungen auch für Art. 85 zutrifft, und A r t . 86 „Einrichtung 44 der Behörden als Oberbegriff zu Errichtung i m gebräuchlichen Sinne und innerer Organisation verstanden ist 3 1 . Man w i r d diese Bedeutung auch ohne Bedenken für Art. 87 12 annehmen

26

So insbesondere bei Haas, a.a.O., S. 92, 94 f. für den engen, auf die innere Organisation bezogenen Begriff der Einrichtung; Maunz, a.a.O., Rdn. 20 und Rasch, Behörde, S. 36, der der Inhaltsermittlung seinen eigenen Begriffsraster unterlegt und im übrigen mit einer petitio principii argumentiert. 27 Allerdings müssen die Materialien und Protokolle der Ausschußberatungen herangezogen werden. Der Bericht bei v. Doemming-Füßlein-Matz, JöR N. F. 1, S. 621 ff. ist insoweit nicht eingehend genug. 28 Verhandlungen des Parl.-Rates, Ausschuß für zung, Stenogr. Bericht, 20. Sitzung, S. 9/10.

Zuständigkeitsabgren-

29

Ebd., S. 10.

30

Ebd., Stenogr. Bericht, 16. Sitzung, S. 25 und 13. Sitzung, S. 25.

31

I n diesem Sinne Köttgen, Föderalismus und Dezentralisation im deutschen Verfassungs- und Verwaltungsrecht, a.a.O., S. 281 ff., 298.

54

Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des G G

k ö n n e n , w o sie sich auch schon d u r c h d e n u n m i t t e l b a r e n

Zusammen-

hang nahelegt32.

32 M i t diesen Feststellungen dürften viele Interpretationsfragen erledigt und die Fragwürdigkeit so mancher ,Schlußfolgerung' auf Grund selbstgebildeter Begriffe dargetan sein, vgl. etwa Haas, AöR 80 (1955/56), S. 94/95. Kratzer, AöR 77 (1952), S. 268 und auch È. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht 2 I, S. 62 f., der die „Einrichtungsgewalt" der Bundesregierung nach Art. 86 S. 2 auf die innere Einrichtung beschränkt und die „Errichtung" der Bundesbehörden daher generell dem Gesetzgeber zuweist.

Zweites

Kapitel

Die Organieationsgewalt innerhalb der Staatefunktionen § 4: Begründung der Fragestellung I m folgenden soll der systematische Ort der Organisationsgewalt i n einem gewaltengliedernden demokratischen Verfassungssystem bestimmt werden. I n dieser Fragestellung ist freilich die Voraussetzung enthalten, daß die Organisationsgewalt als solche, als ein einheitlicher Funktionsbereich i n dem eingangs definierten Sinn, einer derartigen verfassungissystematischen Bestimmung zugänglich ist und daß diese Bestimmimg verfassungsrechtlichen Ertrag verspricht. I. Eben diese Voraussetzung w i r d i m neueren Schrifttum bestritten 1 . Verfassungsrechtlich, so wendet die K r i t i k ein, gäbe es gar keine Organisaüoosgewalt als einheitlichen Funktionsbereich, sondern nur bestimmte, i n Verfassung, Gesetz oder Rechtsverordnungen normierte organisatorische Einizelbefugnisse. N u r als Zusammenfassung solcher, je besonders begründeter Einzelbefugnisse könne man von einer ,Organisationsgeiwalt' sprechen. Dieser komme aber keinerlei selbständige systematische Bedeutung und verfassungsrechtliche Funktion ZJU, und insbesondere sei sie kein allgemeiner, immer subsidiär heranzuiziehender Rechtstitel für organisatorische Maßnahmen, wo eine anderweitige Rechtsgrundlage fehle 2 . 1. A n dieser K r i t i k ist zunächst richtig, daß die Organisationsgewalt aius sich heraus, von ihrem Begriff her, i m demokratischen Verfassungsstaat keinen eigenen (exekutiven) Rechtstitel darstellt. Darauf ist schon eingangs hingewiesen worden 3 . A l l e Ausübung staatlicher Funktionen beruht i m Verfassungsstaat auf verfassungsrechtlicher Grumd1 Vgl. Spanner, Organisationsgewalt und Organisationsrecht: DöV 57, S. 640 ff.; ders., Anmerkung zu O V G Münster v. 26. 6. 1957: DöV 58, S. 157 ff.; Hamann, Die Bindung der staatlichen Organisationsgewalt an die Gesetzgebung: NJW 1956, S. 1 ff.; Obermayer, Innerdienstlicher Rechtsakt, S. 117; Rasch, Behörde, S. 38. — Aus der älteren Literatur Sembritzki, Organisationsgewalt, S. 70/71, auf den sich auch Rasch stützt. Siehe auch oben § 1 A, S. 28. 2 So insbes. Spanner, DöV 58, S. 158/159. 3 Siehe oben § 1 C I I , S. 36 f.

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Die Organisationsgewalt in der Verfassungsordnung des GG

läge; jedes O r g a n k a n n n u r d i e j e n i g e n K o m p e t e n z e n w a h r n e h m e n , ziu denen es verfassungsrechtlich e r m ä c h t i g t ist, u n d n u r i n n e r h a l b d e r Grenzen, i n d e n e n es d a z u e r m ä c h t i g t i s t 4 . Das k a n n auch e i n A n h ä n ger e i n e r s e l b s t ä n d i g e n O r g a n i s a t i o n s g e w a l t n i c h t b e s t r e i t e n 5 . D i e alte R o l l e der O r g a n i s a t i o n s g e w a l t als p o l e m i s c h e r K a m p f b e g r i f f i m S p a n n i m g s f e l d v o n (monarchischer) E x e k u t i v e u n d (demokratischer) Legislative, die i n der konstitutionellen Monarchie ihre Berechtigung hatte, i s t m i t d e m U n t e r g a n g dieses Verfassungssystems gegenstandslos g e w o r d e n . D i e O r g a n i s a t i o n s g e w a l t diente h i e r , ebenso w i e d i e P a r a l l e l b e g r i f f e »auswärtige G e w a l t ' , , K o l o n i a l g e w a l t ' , , P o l i z e i g e w a l t ' , , A n s t a l t s g e w a l t ' dazu, gegenüber der a u f A u s w e i t u n g i h r e s Z u s t ä n d i g keitsbereichs bedachten L e g i s l a t i v e b e s t i m m t e Sachbereiche s t a a t l i c h e r T ä t i g k e i t als , P r ä r o g a t i v e n ' oder »materielle Hoheitsrechte' d e r E x e k u t i v e i n A n s p r u c h z u n e h m e n . Sie s o l l t e n d a d u r c h n a c h M ö g l i c h k e i t ganz, auch -soweit i n i h n e n rechtsetzende T ä t i g k e i t oder E i n g r i f f e i n F r e i h e i t u n d E i g e n t u m s t a t t f a n d e n , l e g i s l a t i v e m Z u g r i f f entzogen w e r d e n 6 . I n d e m S y s t e m e i n a n d e r begrenzender V o r b e h a l t e , Z u s t i m m u n g s u n d Z u g r i f f s r e c h t e v o n E x e k u t i v e u n d L e g i s l a t i v e , a u f d e m das V e r fassungssystem der k o n s t i t u t i o n e l l e n M o n a r c h i e u r s p r ü n g l i c h b e r u h t e 7 , 4 I m deutschen Schrifttum wohl erstmals dargelegt bei E. Kaufmann, Untersuchungsausschuß und Staatsgerichtshof, 1920, S. 11, der damit seine frühere, auf die Verfassungssituation der konstitutionellen Monarchie bezogene abweichende Lehre von dem »souveränen Ermessen' der gesetzgebenden Gewalt (Artikel Verwaltung, Verwaltungsrecht, S. 696) aufgab. Ferner Carl Schmitt, Verfassungslehre, S. 98, 58. 5 Insoweit abwegig daher Ipsen, W D S t R L 16, S. 257, wenn er das Wesen der Organisationsgewalt darin sieht, daß ihre Anwendung keiner Rechtsgrundlage bedürfe. β Dieser Zusammenhang ist klar herausgearbeitet bei E. Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, S. 698. Besonders deutlich tritt diese Abwehrfunktion gegenüber der Legislative bei dem Begriff der Anstaltsgewalt und dem des »besonderen Gewaltverhältnisses' hervor, vgl. Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. 1, S. 101—103; für die Kolonialgewalt vgl. E. Kaufmann, Auswärtige Gewalt und Kolonialgewalt, 1908. I n den Diskussionen um die »auswärtige Gewalt' hat sich diese Frontstellung bis in die Gegenwart erhalten, vgl. etwa den Bericht von W. Grewe, Die auswärtige Gewalt der Bundesrepublik: W D S t R L 12 (1954) und E. Kaufmann, Normenkontrollverfahren und völkerrechtliche Verträge. Gedächtnisschrift für Jellinek, S. 445 ff. (450—455). Für die Polizeigewalt ist wiederum auf Otto Mayer, a.a.O., Bd. 1, S. 207 ff. zu verweisen, wo der Zusammenhang („natürliche Untertanenpflicht") deutlich hervortritt; das preußische O V G hat in seinem berühmten Kreuzberg-Urteil dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts dadurch Rechnung zu tragen gesucht, daß es die Funktionsnorm des § 10 I I 17 A L R in eine Ermächtigungsgrundlage umdeutete, womit der Sache nach die exekutive Polizeigewalt erhalten blieb. Das Prinzip der süddeutschen Polizeistrafgesetzbücher mit detaillierten Straf(ermächtigungs)gesetzen bedeutete insoweit den Übergang zum echten Gesetzesvorbehalt. 7 Es ist sachlich unrichtig, daß das Verfassungssystem der konstitutionellen Monarchie auf dem Prinzip der Teilung materieller Funktionen beruht habe, wie das von der spätkonstitutionellen Staatsrechtslehre unter Voran-

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waren sie die Entsprechung zu den speziellen Gesetzesvorbehalten zugunsten der Legislative. I n veränderter Frontstellung erfüllten sie dieselbe Funktion wie die materiellen Hoheitsrechte i m ständischen Staat: Wie diese einen bestimmten Tätigkeitsbereich für den Landesherrn gegenüber den Eigenrechten der Stände sichern sollten, so jene für die monarchische Exekutive gegenüber der Volksvertretung 8 . Davon bann, wie gesagt, heute keine Rede mehr sein. »Organisationsgewalt4 ist nicht mehr ein Rechtstitel-Begriff, sondern ein beschreibender Sachbegriff für einen bestimmten staatlichen Funktionsbereich 9 . Sie steht nicht neben den staatlichen ,Gewalten 4 .bzw. Grundfunktionen als selbständige Kompetenz, sondern ist i n das System dieser Grundfunktionen, die ja die gesamte staatliche Tätigkeit i n sich erfassen, einzuordnen 10 . Und zwar i n der Weise, daß nicht die Organisationsgewalt den Inhalt der Staatsfunktion, der sie zugeordnet wird, bestimmt, sondern umgekehrt der Inhalt der einzelnen Staatsfunktionen entscheidet, wohin die Organisationsgewalt gehört. Erst von daher können sich dann Zuständigkeitsfragen ergeben. 2. I n den weiteren Folgerungen ist indessen der K r i t i k entgegenzutreten. Zwar t r i f f t es zu, daß für die verfassungsrechtliche Zuordnung der Organisationsgewalt oder bestimmter Organisationsbefugnisse an sich nicht materielle Funktionenbegriffe entscheidend sind, sondern die i n der Verfassung positiv geregelte Verteilung der Kompetenzen. Wenn etwa Art. 87 I I I GG bestimmt, daß die Errichtung von Bundesoberbehörden dem Bundesgesetzgeber vorbehalten ist, oder A r t . 86 S. 2 GG, daß die Einrichtung von Behörden der bundeseigenen Verwaltung grundsätzlich der Bundesregierung obliegt, so ist diese Kompetenzregelung verbindlich, unabhängig davon, ob die Orgianisationsgewalt an sich zum Bereich der vollziehenden oder der gesetzgebenden Gewalt oder zu beiden teilweise gehört. Darüber sollte kein Zweifel auftritt von Laband und Anschütz behauptet worden ist. Dieser Eindruck konnte nur entstehen, weil die spätkonstitutionelle Staatsrechtslehre solche angeblich »theoretischen' Funktionenbegriffe entwickelte, die inhaltlich auf die damalige positivrechtliche Kompetenzabgrenzung bezogen waren, und diese Funktionenbegriffe dann allmählich gewohnheitsrechtliche Geltung erlangten. Ich darf dafür auf meine Untersuchung „Gesetz und gesetzgebende Gewalt", 1958, Teil 3, verweisen. Ferner E. Kaufmann, Verwaltung, Verwaltungsrecht, S. 695/696 und Ermacora, Organisationsgewalt, S. 202 f. 8 Uber Funktion und Bedeutung der »Hoheitsrechte4 im Ständestaat vgl. die Bemerkungen bei L. v. Stein, Verwaltungslehre, Bd. I 2 , S. 67 f., ferner S. 278 f. 9 Siehe oben § 1 C I I , S. 37. Als Rechtstitelbegriff wird die Organisationsgewalt neuestens in dem Urteil des B G H DöV 63, 696 angewendet; kritisch dazu Rupp, Berufsregelung durch gesetzändernde Verwaltungsverordnung: DöV 63, 678 ff. 10 Zutreffend Maunz in Maunz-Dürig, Rdn. 4 zu Art. 84.

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kommen. Aber u m eben diese maßgebliche, i n der Verfassung geregelte Kompetenzverteilung i m ganzen zu ermitteln, ist es unerläßlich, die grundsätzliche Zuordnung der Organiisationsgewalt als solcher innerhalb der Staatsfunktionen zu klären. Die so wichtige Frage der »Vermutungen 4 zum Beispiel, das heißt welchem Organ oder welcher Organgruppe die Organisationsbefugniisse zustehen, soweit eine ausdrückliche Einzelnormierung fehlt, läßt sich verbindlich nur unter Rückgriff auf das Verfaissungssystem, auf die i h m entsprechende funktionelle Zuordnung der Organisationsgewalt beantworten. Das gleiche gilt für die Interpretation der Einzelnormierunigen selbst, etwa die Frage, ob i n der Verfassung statuierte organisatorische Gesetzesvorbehalte (z. B. A r t . 87 I I I GG) echte »Vorbehalte 4 sind, die als Sonderregelung gegenüber der allgemeinen Funktionsabgrenziung einschränkend interpretiert werden müssen, oder mehr deklaratorische Feststellungen, die ohnehin Bestehendes noch einmal bekräftigen bzw. verdeutlichen und daher für Analogieschlüsse verwendbar sind 1 1 . Eine derartige interpretative und lückeniausfüllencLe Heranziehung des Verfassungssystems und seiner Grundsätze ist also ein notwendiger Teil der Ermittlung der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung selbst und nicht etwa ein verfassungsrechtlich nicht legitimierter Rückgriff auf allgemeine, aiber unverbindliche Theorien. I n dieser interpretativen und ergänzenden Funktion liegt die Bedeutung, die eine Untersuchung der systematischen Stellung der Organisationsgewalt in11 Die Frage sei an einem konkreten Beispiel noch weiter verdeutlicht. Das O V G Münster (DöV 58, S. 158) hatte in einem Streitfall die Frage zu entscheiden, ob die Abgrenzung ministerieller Geschäftsbereiche in Nordrhein-Westfalen durch Gesetz erfolgen müsse oder dafür ein Beschluß der Landesregierung ausreichend sei. Unter Hinweis auf Art. 77 VerfNW, der Organisation und Zuständigkeiten der allgemeinen Landesverwaltung gesetzlicher Regelung vorbehält, argumentierte das O V G e contrario, daß dies für die Organisation der Landesregierung nicht gelte, da es dazu eines ebensolchen ausdrücklichen Vorbehalts in der Verfassung bedurft hätte. I n seiner Kritik dieses Urteils weist Spanner (DöV 58, S. 157 if.) das argumentum e contrario des O V G zurück und stellt seinerseits aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen die entgegengesetzte Vermutung auf, nämlich daß bei der Änderung solcher Zuständigkeiten eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung erforderlich sei, wenn es dazu keines Gesetzes bedürfen soll. Die Richtigkeit des einen oder anderen Ergebnisses läßt sich nur aus der Stellung der Organisationsgewalt im Verfassungssystem verbindlich ermitteln; sie entscheidet sich danach, ob die Verlagerung von Zuständigkeiten von einem auf ein anderes Organ ,an sich' zum Funktionsbereich der gesetzgebenden oder dem der vollziehenden Gewalt gehört. I n dem Spanner sich für seine Auffassung auf ,rechtsstaatliche Erwägungen' beruft, greift er selbst auf das Verfassungssystem zurück, wobei allerdings der Rückgriff auf eine rechtlich unklare Allgemein-Formel ohne weitere Begründung noch kein hinreichendes verfassungssystematisches Argument ist.

Die Oganisationsgewlt innerhalb der Staatsunktionen n e r h a l b der S t a a t s f u n k t i o n e n f ü r eine verfassamgsdogmatische

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haben k a n n u n d h a t 1 2 . I I . Diese B e d e u t s a m k e i t d e r verfassungssystematischen Z u o r d n u n g der O r g a n i s a t i o n s g e w a l t i s t f r e i l i c h a n d i e V o r a u s s e t z u n g gebunden, daß es sich b e i d e r i n F r a g e stehenden V e r f a s s u n g ü b e r h a u p t u m eine g e w a l t e n g l i e d e r n d e V e r f a s s u n g h a n d e l t . Das heißt, d i e verfassungsrechtliche K a m p e t e n z v e r t e i l u n g m u ß daraiuf ausgehen, verschiedene, d u r c h d i e K o m p e t e n z o r d n u n g n a h e r b e s t i m m t e eigenständige F u n k tionsbereiche o r g a n i s a t o r i s c h v o n e i n a n d e r z u t r e n n e n u n d d a n n i n e i n V e r h ä l t n i s wechselseitiger E i n w i r k u n g , H e m m u n g u n d K o n t r o l l e z u b r i n g e n 1 3 . Diese V o r a u s s e t z u n g t r i f f t f ü r die V e r f a s s u n g s o r d n i m g des Grundgesetzes zu, das i n A r t . 20 gesetzgebende, v o l l z i e h e n d e u n d rechtsprechende G e w a l t u n m i t t e l b a r u n d j e e i g e n s t ä n d i g k o n s t i t u i e r t u n d staatliche G e w a l t a u s z u ü b e n e r m ä c h t i g t 1 4 , u n d diese G e w a l t e n zugleich i n e i n organisatorisch-ikompetenzielles E i n w i r k u n g s - u n d K o n t r o l l v e r h ä l t n i s b r i n g t . S i e t r i f f t jedoch n i c h t z u f ü r d i e österreichische B u n d e s verfassung, d i e i n A r t . 18 I I I d e n Totalvorbehalt des Gesetzes f ü r j e d w e d e T ä t i g k e i t d e r E x e k u t i v e aiusspricht u n d d a m i t i m P r i n z i p jede funktionelle Eigenständigkeit der z u r ^Ausführung' degradierten Exek u t i v e v e r n e i n t 1 5 . Dadurch t r i t t an die Stelle funktioneller Gewalten12 Es kann daher auch für eine verfassungsdogmatische Untersuchung gar nicht darauf verzichtet werden, den Ort der Organisationsgewalt i m System der klassischen Staatsgewalten zu bestimmen. Diese Aufgabe für „unlösbar" zu erklären, wie es H. Krüger, Kartellrecht, S. 686 zu tun scheint, kommt ebenso einer Resignation gleich wie die Feststellung Smends, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 236/237, die „einzig beruhigende" Lösung des Problems sei „die durch den geschichtlichen Zufall begründete Zuständigkeit der einen oder anderen Seite" — eine für die Unergiebigkeit »geisteswissenschaftlicher' Methode in der staatsrechtlichen Dogmatik vielleicht nicht zufällige Feststellung. 13 Vgl. Hans J. Wolff , Verwaltungsrecht I, § 16 (S. 57 ff.); aus der Rechtsprechung BVerfGE 3, S.225 (247); 7, S. 183 (188) und 9, S. 268, die zutreffend den entscheidenden Wert nicht auf eine strenge Trennung materieller Funktionen, sondern auf die gegenseitige Kontrolle und Begrenzung der Organe der Legislative, Exekutive und Judikative legen. 14 Ermacora, Organisationsgewalt, S. 222 f. hebt diese Lösung des Grundgesetzes gerade von der andersartigen der österreichischen Verfassung ab. Vgl. auch v. Mangoldt-Klein, S. 598 f., wo allerdings diese Seite der Sache weniger hervortritt. 15 Art. 18 I I I österr. Bundesverfassung lautet: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden." Hierdurch ist die vollziehende Gewalt nicht mehr ein pouvoir constitué auf Grund der Verfassung, sondern nur noch Kostgänger der Legislative, die ihren Funktionsbereich nicht begrenzt, sondern allererst bestimmt. Dieser prinzipielle, ins Verfassungssystem hinübergreifende Unterschied steht auch hinter der scharfen Divergenz der Auffassungen über die Organisationsgewalt, die auf der Berliner Staatsrechtslehrertagung 19