Die Konzentrationsmaxime: Eine Untersuchung heutigen und früheren Rechts [1 ed.] 9783428512584, 9783428112586

Eines der wichtigsten Anliegen des Zivilprozesses ist seine zügige Erledigung. Während das Beschleunigungsgebot im Straf

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Die Konzentrationsmaxime: Eine Untersuchung heutigen und früheren Rechts [1 ed.]
 9783428512584, 9783428112586

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Schriften zum Prozessrecht Band 186

Die Konzentrationsmaxime Eine Untersuchung heutigen und früheren Rechts

Von Peter Willmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Peter Willmann · Die Konzentrationsmaxime

Schriften zum Prozessrecht Band 186

Die Konzentrationsmaxime Eine Untersuchung heutigen und früheren Rechts

Von

Peter Willmann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum hat diese Arbeit im Jahre 2002 / 2003 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

D 294 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 3-428-11258-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Du sollst nicht unrecht handeln im Gericht: Du sollst den Geringen nicht vorziehen und den Großen nicht begünstigen, sondern du sollst deinen Nächsten recht richten. 3. Mose 19, 15

Vorwort Vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2002/2003 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde im September 2002 abgeschlossen, spätere Veröffentlichungen aus Schrifttum und Rechtsprechung sind nicht mehr berücksichtigt. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Walter Zeiss, danke ich für die geduldige Begleitung. Ebenso danke ich Herrn Professor Dr. Klaus Schreiber für die freundliche Zweitbegutachtung und Herrn Professor Dr. Peter Windel für manche Anregung. Besonders danke ich schließlich meinen Eltern, deren Unterstützung diese Arbeit erst ermöglicht hat. Oberhausen, Advent 2003

Peter Willmann

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Erstes Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Erster Teil Vom bürgerlichen Rechtsstreit und seiner Beschleunigung im allgemeinen

23

A. Die Bedeutung schleuniger Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

23

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff der Konzentrationsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verzögerungen des äußeren Prozeßbetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verzögerungen des inneren Prozeßbetriebes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Vorbringen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tatsachen- und Beweisbehauptungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensrügen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Durchbrechungen des Beibringungsgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzögerungen durch gestaffeltes Vorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verzögerungen durch überraschendes Vorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaffeltes und überraschendes Vorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 28 29 30 30 33 34 35 36 37

C. Die Bekämpfung verzögernden Parteihandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38

Zweiter Teil Von der Bekämpfung gestaffelten Vorbringens im besonderen

40

A. Das Gemeine Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Verfahrensgang nach Gemeinem Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das erste Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das zweite Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ausschlußvorschriften des Gemeinen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der gesetzliche Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gesetzlichen Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bewährung der Ausschlußvorschriften des Gemeinen Rechts . . . . . . . .

41 42 42 46 47 47 49 50

B. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover . . . . . . . . . . . . . . I. Der Verfahrensgang nach der HPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das erste Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das zweite Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ausschlußvorschriften der HPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

51 52 52 54 55

10

Inhaltsverzeichnis 1. Der gesetzliche Regelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die gesetzlichen Ausnahmefälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bewährung der Ausschlußvorschriften der HPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55 57 57

C. Die Zivilprozeßordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Verfahrensgang nach der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ausschlußvorschriften der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Ausschluß kraft Gesetzes in der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Verbot der Klageänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensmängel der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Der Zwischenstreit über das Zeugnisverweigerungsrecht . . . . . . . . . e) Das Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Ausschluß kraft Richterspruchs in der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Urfassung der ZPO von 1877 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 252279 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) §§ 339374 und 398433 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Neufassung der ZPO von 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Neufassung der ZPO von 1976 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bewährung der Ausschlußvorschriften der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 . . . . . . . . . . . . . . a) Nachträgliches Vorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Vergleich des § 252279 mit dem § 251278 Abs. 2 . . . . . . . . bb) Die Auslegung des § 252279 nach dem Sinn und Zweck des Ausschlusses kraft Richterspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Vergleich des § 252279 mit den §§ 339374, 398433 . . . . . . . b) Grobe Nachlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Das Ermessen des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis zur Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 . . . 2. Die Auslegung der heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 . . . . . . a) Verspätetes Vorbringen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sorgfaltspflicht und Verfahrensförderungspflicht . . . . . . . . . . . . bb) Für und Wider einer Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Für und Wider einer Verfahrensförderungspflicht . . . . . . . . . . . b) Das Ermessen des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis zur Auslegung der heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 60 62 62 62 63

D. Zusammenfassung des Zweiten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64 65 66 67 70 70 74 77 79 81 82 82 82 83 86 87 89 91 91 91 91 93 95 97 99 99

Dritter Teil Von der Bekämpfung überraschenden Vorbringens im besonderen

100

A. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover . . . . . . . . . . . . . . 101 I. Das vorbereitende Verfahren der HPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 1. Der Gang des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis

11

a) Die Vorbereitung des ersten Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das regelmäßige Verfahren, §§ 184 ff.HPO . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das außergerichtliche schriftliche Verfahren, §§ 198, 207 ff.HPO b) Die Vorbereitung des zweiten Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Inhalt der schriftlichen Parteianträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung . . III. Die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der HPO . . . . . . . . . . . . . . .

101 101 103 103 104 104 105

B. Die Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern I. Das vorbereitende Verfahren der BPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Gang des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Inhalt der motivierten Anträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung . . III. Die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der BPO . . . . . . . . . . . . . . .

105 106 106 109 110 111

C. Die Zivilprozeßordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Urfassung der ZPO von 1877 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das vorbereitende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Gang des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung II. Die Neufassungen der ZPO von 1898, 1924 und 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das vorbereitende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Gang des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der sofortige Termin, §§ 262 Abs. 1 S. 1, 261 Abs. 2N98 . . . . bb) Das Verfahren vor dem Einzelrichter, §§ 348 ff.N24 . . . . . . . . . . b) Vorbereitende Maßnahmen des Gerichts, § 272bN24 . . . . . . . . . . . . . 2. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung a) Befristete Schriftsätze, §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 . . . . . . . . . . b) Unbefristete Schriftsätze, §§ 279 Abs. 2, 283 Abs. 2, 2. FallN33 . . . c) Nachgelassene Schriftsätze, § 272aN24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Neufassungen der ZPO von 1976 und 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das vorbereitende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Gang des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das schriftliche Vorverfahren, § 276 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der frühe erste Termin, § 275 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorbereitende Maßnahmen des Gerichts, §§ 273, 358a . . . . . . . . . . . aa) Vorbereitende Anordnung von Beweisen, § 273 . . . . . . . . . . . . . bb) Vorbereitende Aufnahme von Beweisen, § 358a . . . . . . . . . . . . 2. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung a) Befristete und unbefristete Schriftsätze, § 296 Abs. 1, 3, Abs. 2, 2. Fall b) Nachgelassene Schriftsätze, § 283 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Herleitung aus der Vorschrift des § 272bN24 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Auswirkungen auf die Mündlichkeit der Verhandlung . . . . . . . . . . . 3. Die Eignung zur Beschleunigung des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 112 112 112 114 115 115 117 117 117 119 122 124 124 126 127 129 130 130 131 133 135 135 137 138 138 139 140 140 142 145

D. Zusammenfassung des Dritten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148

12

Inhaltsverzeichnis Vierter Teil Von einer Neufassung der ZPO

149

A. Die Neufassung der Ausschlußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Für und Wider des Ausschlusses kraft Richterspruchs und kraft Gesetzes im allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Ausgestaltung der Ausschlußvorschriften im besonderen . . . . . . . . . . . 1. Der Verfahrensgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Ausschlußvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

149 149 154 154 157

B. Die Neufassung des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Das vorbereitende Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Gang des vorbereitenden Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das regelmäßige Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Das beschleunigte Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorbereitende Maßnahmen der Parteien und des Gerichts . . . . . . . . . . . II. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung . .

159 160 160 160 163 164 165

C. Ergänzende Überlegungen zum Anwaltsprozeß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 I. Das persönliche Erscheinen der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 II. Verfahrens- und parteifeindliches Verhalten der Rechtsanwälte . . . . . . . . . . 168 D. Zusammenfassung des Vierten Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 Zweites Fallbeispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 Gesetzesverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 A. Hannover . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 I. Bürgerliche Proceßordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 II. Gesetz, betreffend verschiedene Abänderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 B. Bayern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern 204 C. Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zivilprozeßordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1) Urfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2a) Entwurf einer Neufassung von 1898 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2b) Neufassung vom 17. Mai 1898 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3) Neufassung vom 5. Juni 1905 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4) Neufassung vom 1. Juni 1909 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5) Neufassung vom 22. Februar 1924 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6) Neufassung vom 27. Oktober 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7) Neufassung vom 12. September 1950 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8) Neufassung vom 20. Dezember 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Deutsches Gerichtskostengesetz vom 18. Juni 1878 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 219 219 237 238 240 241 242 248 250 251 251

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Abkürzungsverzeichnis abl. abw. ähnl. BPO

BR BT CPO Drucks. EI

E II

E III E31 E76 E98

FK G01 GKG1878 GStJ HPO

JRA K61 Mot.CPO

ablehnend abwägend ähnlich Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern (Amtliche Ausgabe, München 1869, neu herausgegeben von Gerhard J. Dahlmanns, Aalen 1975) Deutscher Bundesrat Deutscher Bundestag Civilprozeßordnung [Urfassung der ZPO] (RGBl. 1877, S. 83 ff.) Drucksache Entwurf einer Deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung [Erster Entwurf zur ZPO] (Königlich Preußisches Justiz-Ministerium, Berlin 1871, neu herausgegeben von Gerhard J. Dahlmanns, Aalen 1971) Entwurf einer deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung und dem Entwurfe eines Einführungsgesetzes [Zweiter Entwurf zur ZPO] (Königliche Geheime Ober-Hofbuchdruckerei, Berlin 1872) Entwurf einer Civilproceß-Ordnung und eines Einführungs-Gesetzes zu derselben [Dritter Entwurf zur ZPO] (RT-Drucks. 2 II Nr. 6) Entwurf einer Zivilprozessordnung (Reichsjustizministerium, Berlin 1931) Vorschriften des Entwurfes der Neufassung der ZPO von 1976 Entwurf eines Gesetzes, betr. Änderungen der Civilprozeßordnung [Entwurf zur Neufassung der ZPO von 1898] (herausgegeben von C. Hahn und B. Mugdan, Berlin 1898) Förster, A./Kann, Richard Vorschriften der ZPO i. d. F. bis zum 31. Dezember 2001 Deutsches Gerichtskostengesetz von 1878 (RGBl. 1878, S. 141 ff.) Gaupp, Ludwig/Stein, Friedrich/Jonas, Martin Bürgerliche Prozeßordnung für das Königreich Hannover (herausgegeben von Gerhard Adolf Leonhardt, Hannover 1861, neu herausgegeben von Gerhard J. Dahlmanns, Aalen 1971) Jüngster Reichsabschied Bericht der Kommission zur Vorbereitung einer Reform der Zivilgerichtsbarkeit (Bundesjustizministerium, Bonn 1961) Begründung des dritten Entwurfes zur ZPO (herausgegeben von Carl Hahn, Berlin 1880)

14 Mot.HPO Mot.N02 Mot.N09 Mot.N76 ndE

N02 N05 N09 N24 N33 N50 N74 N76 N98 ÖZPO prE Prot.CPO Prot.N09 RKG RKGO RT SK WL zust.

Abkürzungsverzeichnis Begründung der HPO (herausgegeben von Gerhard Adolf Leonhardt, Hannover 1861) Begründung der Neufassung der ZPO von 2002 (BT-Drucks. 14/ 3750) Begründung der Neufassung der ZPO von 1909 (herausgegeben von B. Mugdan und R. Falkmann, Leipzig 1909) Begründung der Neufassung der ZPO von 1976 (BT-Drucks. 7/2729) Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes [Norddeutscher Entwurf] (Protokolle der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes, CCCXLV–CCCXC, S. 2379 ff., Berlin 1867) Neufassung der ZPO von 2002 Neufassung der ZPO von 1905 Neufassung der ZPO von 1909 Neufassung der ZPO von 1924 Neufassung der ZPO von 1933 Neufassung der ZPO von 1950 Neufassung der ZPO von 1974 Neufassung der ZPO von 1976 Neufassung der ZPO von 1898 Österreichische Zivilprozessordnung von 1895 Entwurf einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preussischen Staat [preußischer Entwurf] (Decker, Berlin 1864) Protokolle der Gesetzeskommission zum dritten Entwurf zur ZPO (herausgegeben von Carl Hahn, Berlin 1880) Protokolle der Gesetzeskommission zur Neufassung der ZPO von 1909 (herausgegeben von B. Mugdan und R. Falkmann, Leipzig 1909) Reichskammergericht Verfahrensordnung des Reichskammergerichts Deutscher Reichstag Struckmann, J./Koch, R. Wilmowski, Gustav Karl Adolf von/Levy, Meyer zustimmend

Einleitung Die Langwierigkeit bürgerlicher Rechtsstreite1 erschwert das Rechtsleben seit zweitausend Jahren. Schon im Jahre 17 v. Chr. sah sich der römische Gesetzgeber veranlaßt, Verfahrensverzögerungen2 mit einer Prozeßverjährung 3 zu bedrohen. Er bestimmte deshalb durch die lex Iulia iudiciorum privatorum,4 daß Rechtsstreite zwischen römischen Bürgern nach achtzehn Monaten auch ohne Urteil zu beenden seien.5 Weil damit zugleich die Möglichkeit erlosch, den Rechtsstreit erneut vor Gericht zu bringen,6 waren die Parteien also gezwungen, sich um ein schleuniges Verfahren zu bemühen.7 Einen Tiefstand erlebte der bürgerliche Rechtsstreit zur Zeit des Reichskammergerichts8 zwischen dem ausgehenden fünfzehnten und dem beginnenden neunzehnten Jahrhundert. Namentlich im ausgehenden sechzehnten Jahrhundert wurden hier elf v H. der eingehenden Sachen erst binnen zwanzig bis fünfzig und vier v H. der eingehenden Sachen sogar erst binnen einhundert Jahren erledigt.9 Wie eine Untersuchung Kaiser Joseph II. (1741–1790) ergab, hatten sich 1 Der Begriff des bürgerlichen Rechtsstreits bezeichnet das Gerichtsverfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, den Zivilprozeß. 2 Kleinfeller, S. 208 a. E. f., unterschied die von den Parteien verschuldete Verfahrensverschleppung von der durch Sachzwänge verursachten Verfahrensverzögerung. 3 Die sog. mors litis. Zu den Begriffen vgl. Wetzell, S. 965; Schmidt, S. 643 (dort Fn. 1); ferner Kaser, S. 270, 496. 4 Zu den leges Iuliae vgl. Kaser, S. 115 f. 5 Gaius, IV § 104: Legitima sunt iudicia, quae in urbe Roma vel intra primum urbis Romae miliarum inter omnes cives Romanos sub uno iudice accipiuntur; eaque e lege Iulia iudiciaria, nisi in anno et sex mensibus iudicata fuerint, expirant. Et hoc est, quod vulgo dicitus e lege Iulia litem anno et sex mensibus mori; vgl. dazu Kaser, S. 270; Keller, S. 226 f. 6 Nämlich durch die exceptio rei in iudicium deductae; so allgemein für die iudicia imperio continentia Kaser, S. 270 f.; einschränkend für die hier angeführten Rechtsstreite zwischen römischen Bürgern, die iudicia legitima, Gaius, IV § 107. 7 Wetzell, S. 965; vgl. ferner Kaser, S. 270 (dort Fn. 26 a. E.), zur Verzögerung des Verfahrens durch den Beklagten und das Gericht. 8 Zum Reichskammergericht vgl. unten S. 41. 9 Diestelkamp, S. 35 f., der allerdings beschwichtigt, die Rechtsprechung des Reichskammergerichts sei erst allmählich erlahmt; so seien unmittelbar nach Errichtung des Reichskammergerichts noch fünfzig v H. der Sachen binnen zweier Jahre erledigt worden. Auch Goethe, Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, Zwölftes Buch, S. 573 ff., wies bereits darauf hin, daß die besondere Langwierigkeit der Verfahren auch auf mangelnde Anzahl und Besoldung der Richter sowie auf zahlreiche Glaubens- und Bürgerkriegswirren zurückzuführen waren. Johann Wolfgang von Goethe

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Einleitung

beim Reichskammergericht gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts zwanzigtausend Verfahren angehäuft, von denen jährlich etwa sechzig erledigt wurden.10, 11 Auch die heutige Zivilprozeßordnung (ZPO) ist in über einhundertundzwanzig Jahren mehrfach grundlegend verändert worden, um eine Beschleunigung der bürgerlichen Rechtsstreite zu erreichen. Anlaß dafür war v. a. der Umstand, daß zahlreiche Vertagungen die Verfahren häufig unerträglich in die Länge zogen.12 Viele dieser Änderungen sind jedoch ohne Wirkung geblieben, weil sie die Erfahrungen der Gerichte und Parteien mit früheren Verfahrensordnungen und sogar der ZPO selbst unbeachtet ließen. Daß das Recht gänzlich erfaßt und seine Geschichte belanglos geworden sei, wie man seit Inkrafttreten unserer großen Gesetze Ende des neunzehnten Jahrhunderts anzunehmen scheint, hat sich so als gefährlicher Irrglaube erwiesen.13 Die folgende Untersuchung knüpft darum an den Erkenntnisstand des neunzehnten Jahrhunderts an, um aus einem Vergleich heutigen und früheren Rechts Anregungen für eine Beschleunigung des bürgerlichen Rechtsstreits zu gewinnen.

war von Mai bis September 1772 als Praktikant am Reichskammergericht beschäftigt; vgl. dens., a. a. O., S. 573–580; ferner Engel, S. 132 f., und Bielschowsky, S. 155 f., 503. Er verarbeitete seine dortigen Erlebnisse u. a. im Götz von Berlichingen; vgl. sogleich Fn. 11 und unten Fn. 237. 10 Goethe, Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, Zwölftes Buch, S. 580; ebenso Schwartz, S. 125; zurückhaltender Diestelkamp, S. 33 ff. 11 Die Langwierigkeit damaliger Verfahren fand sogar Eingang in die deutsche Dichtung; vgl. Goethe, Götz von Berlichingen, zweiter Akt, letzter Aufzug: Wie lange habt ihr prozessiert? – An die acht Jahre. Ich wollte lieber noch einmal so lang das Frieren haben, als von vorn anfangen. Das ist ein Gezerre, ihr glaubt’s nicht, bis man den Perrucken ein Urteil vom Herzen reißt . . .; ferner Kleist, Michael Kohlhaas, S. 14: Die Rechtssache war in der Tat klar. . . . Gleichwohl vergingen Monate, und das Jahr war daran, abzuschließen, bevor er, von Sachsen aus, auch nur eine Erklärung über die Klage, die er daselbst anhängig gemacht hatte, geschweige denn die Resolution selbst, erhielt. Er fragte, nachdem er mehrere Male von neuem bei dem Tribunal eingekommen war, seinen Rechtsgehülfen, in einem vertrauten Briefe, was eine so übergroße Verzögerung verursache; und erfuhr, daß die Klage, auf eine höhere Insinuation, bei dem Dresdner Gerichtshofe, gänzlich niedergeschlagen worden sei. 12 Vgl. nur Peters, S. 12 ff., 15, 26 ff.; Mot.E31, S. 253; Mot.N76, S. 33 f. Dies veranlaßte Rechtssuchende immer wieder, sich von den ordentlichen Gerichten ab- und eigenen Schieds- und Sondergerichten zuzuwenden; vgl. wiederum Peters, S. 18 f.; ferner Volkmar, JW 1924, 345, 346; schließlich die Mot.E31, S. 252. 13 Ähnl. schon DahlmannsI, S. 5 f.

Erstes Fallbeispiel In Sachen Wolf gegen Fuchs:14 Am 1. Februar 1901 reichte Rechtsanwalt Isegrim eine Klage des Wolf gegen Fuchs bei der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münchhausen ein. Laut Klageschrift verlangte Wolf von Fuchs Zahlung i. H.v. eintausend Mark. Wolf habe Fuchs nämlich am 1. Juli 1900 ein zinsloses Darlehen i. H.v. eintausend Mark gewährt, das zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen gewesen sei. Obwohl Wolf ihn am 10. Januar 1901 sogar gemahnt habe, habe Fuchs den Darlehensbetrag bisher aber nicht zurückgezahlt. Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer bestimmte daraufhin einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 1. März 1901. Die Klage wurde Fuchs am 4. Februar 1901 zugestellt. Zu einer Klagebeantwortung des Fuchs kam es nicht. Im ersten Termin, am 1. März 1901, erschienen Rechtsanwalt Isegrim als Verfahrensbevollmächtigter des Wolf sowie Rechtsanwalt Reineke als Verfahrensbevollmächtigter des Fuchs. Isegrim beantragte, Fuchs zu einer Zahlung i. H.v. eintausend Mark zu verurteilen. Zur Begründung stellte er die Umstände der Darlehensgewährung dar wie in der Klageschrift mitgeteilt. Reineke beantragte, die Klage des Wolf abzuweisen. Zur Begründung trug er vor, Wolf habe an Fuchs zwar eintausend Mark gezahlt, davon aber nur siebenhundert Mark als Darlehen, die übrigen dreihundert Mark als Schadensersatz. Im März 1900 sei nämlich ein Bulle aus der Umzäunung des Wolf aus- und in die Stallungen des Fuchs eingebrochen, wo er erhebliche Verwüstungen angerichtet habe. Die Rückzahlung des Darlehens sei auch nicht schon für den 31. Dezember 1900, sondern erst für den 1. Juli 1901 vereinbart worden. Vor allem aber hätten sich Wolf und Fuchs darauf geeinigt, etwaige Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht auszutragen. Die Klage sei deshalb unzulässig. Isegrim bestritt, daß zwischen Wolf und Fuchs eine Schiedsvereinbarung bestehe. Zum Beweis der Darlehensabrede legte er eine offenbar von Wolf aufgesetzte und von Fuchs unterzeichnete Urkunde vor, nach der Fuchs von Wolf am 1. Juli 1900 eintausend Mark als zinsloses Darlehen erhalten hatte. Für das Versprechen des Fuchs, das Darlehen an Wolf zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen, benannte er außerdem Bär als Zeugen. Reineke erwiderte, die Urkunde sei ihm nicht bekannt, und bat um Vertagung, um Fuchs über deren Echtheit zu befragen. Die Frage des Gerichts, ob es Beweise für 14 Der obige Rechtsstreit ist dem bei Peters, S. 26 ff. geschilderten Verfahren nachgebildet, das sich allerdings sogar über zwanzig Termine erstreckte. Die Darstellung richtet sich nach Vorschriften der ZPO nach der Neufassung von 1898 und des BGB in der Urfassung von 1900.

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Erstes Fallbeispiel

eine Schiedsvereinbarung gebe, mußte Reineke verneinen. Daraufhin erklärte der Vorsitzende, daß das Gericht unter diesen Umständen vom Bestehen einer Schiedsvereinbarung nicht ausgehen könne. Schließlich nahm Reineke die Behauptung zurück. Der Vorsitzende vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung und bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 1. April 1901. Im zweiten Termin, am 1. April 1901, verkündete das Gericht einen Beweisbeschluß, nach dem zur Frage des Versprechens einer Rückzahlung zum 31. Dezember 1900 Bär als Zeuge vernommen werden sollte. Termin zur Beweisaufnahme und zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wurde auf den 30. April 1901 bestimmt. Am 8. April 1901 ging ein vorbereitender Schriftsatz bei Gericht und bei Isegrim ein, in dem Reineke mitteilte, Wolf habe Fuchs schon am 20. Januar 1901 eine Stundung der Rückzahlung bis zum 30. September 1901 gewährt. Am 15. April 1901 ging daraufhin ein vorbereitender Schriftsatz bei Gericht und bei Reineke ein, in dem Isegrim mitteilte, er werde als weiteren Zeugen für das Versprechen des Fuchs, das Darlehen an Wolf zum 31. Dezember 1901 zurückzuzahlen, Specht benennen. Außerdem werde er die Abrede einer Stundung bestreiten. Im dritten Termin, am 30. April 1901, erschienen Isegrim, Reineke und der Zeuge Bär. Das Gericht vernahm zur Frage des Versprechens einer Rückzahlung zum 31. Dezember 1900 den Zeugen Bär, der sich jedoch an nichts erinnern konnte. In der dann fortgesetzten mündlichen Verhandlung benannte Isegrim den Specht als Zeugen wie im Schriftsatz vom 15. April 1901 mitgeteilt. Reineke trug vor, die von Isegrim vorgelegte Urkunde sei unecht, und regte die Bestellung eines Schriftsachverständigen an. Außerdem trug er die Stundungsabrede vor und benannte dafür Dachs als Zeugen. Das Gericht ließ sich daraufhin die Vollmachtsurkunde des Reineke vorlegen und verglich die Unterschrift des Fuchs unter der Vollmachtsurkunde mit der Unterschrift unter der Darlehensurkunde. Dann erklärte der Vorsitzende, daß das Gericht die Echtheit der Unterschrift unter der Darlehensurkunde für erwiesen erachte und deshalb die Zuziehung eines Schriftsachverständigen ablehnen wolle. Gleichwohl beharrte Reineke auf der Unechtheit. Isegrim erklärte, eine Stundungsabrede bestehe nicht. I. ü. sei ihm der Zeuge Dachs unbekannt. Der Vorsitzende vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung und bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 21. Mai 1901. Im vierten Termin, am 21. Mai 1901, verkündete das Gericht einen Beweisbeschluß, nach dem zur Frage der Echtheit der Darlehensurkunde der Sachverständige Eule, zur Frage der Stundungsabrede der Zeuge Dachs und zur Frage des Rückzahlungsversprechens der Zeuge Specht vernommen werden sollte. Termin zur Beweisaufnahme und zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wurde auf den 15. Juni 1901 bestimmt. Im fünften Termin, am 15. Juni 1901, erschienen Isegrim und Reineke sowie der Sachverständige Eule und die Zeugen Specht und Dachs. Der Zeuge Specht sagte aus, Fuchs habe Wolf tatsächlich die Rückzahlung des Darlehens bis zum 31. Dezember 1900 versprochen. Der Sachverständige Eule erklärte, die

Erstes Fallbeispiel

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von ihm untersuchte Unterschrift des Fuchs unter der Darlehensurkunde sei zweifellos echt, und führte dann seine Ergebnisse im einzelnen aus. Bevor das Gericht auch den Zeugen Dachs vernehmen konnte, erklärte Isegrim, seines Wissens sei der Zeuge bereits wegen Falschaussage vorbestraft. Auf eine entsprechende Frage des Vorsitzenden bejahte Dachs seine Vorstrafe. Reineke erklärte nun, er halte die Behauptung einer Stundungsabrede nicht weiter aufrecht und verzichte auf den Zeugen Dachs. Stattdessen erklärte er, Fuchs rechne gegen Wolfs Anspruch aus dem Darlehen hilfsweise mit einem Anspruch aus einem Kaufvertrag auf. Fuchs habe Wolf nämlich Anfang April 1901 zum Preise von vierhundert Mark ein Fuhrwerk verkauft. Den Kaufpreis habe Wolf bisher nicht gezahlt. Als Zeugen für den Abschluß des Kaufvertrages benannte er Hase. Isegrim äußerte, davon sei ihm nichts bekannt, und bat um Vertagung, um sich mit Wolf zu beraten. Der Vorsitzende vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung und bestimmte einen neuen Termin auf den 30. September 1901. Im sechsten Termin, am 30. September 1901, erschienen Isegrim und Reineke und erklärten, sie hätten sich wegen Überlastung ihrer Kanzleien auf die Verhandlung nicht vorbereiten können und darum die Aufhebung des Termins vereinbart. Der Vorsitzende vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung und bestimmte einen neuen Termin auf den 15. November 1901. Im siebten Termin, am 15. November 1901, erschienen Isegrim sowie Reineke. Isegrim erklärte, Wolf habe das Fuhrwerk nicht gekauft, sondern von Fuchs zum Verkauf überlassen bekommen. Wolf makle also für Fuchs und führe das Fuhrwerk etwaigen Käufern auf Wunsch vor. Ein Kaufpreisanspruch des Fuchs gegen Wolf komme darum nicht in Betracht. Hilfsweise erkläre Wolf die Wandlung des Kaufvertrages, da daß Fuhrwerk erhebliche Mängel aufweise, die Isegrim sodann im einzelnen ausführte. Im Bestreitensfalle müsse hierzu ein Sachverständiger gehört werden. Reineke erwiderte ohne weitere Rücksprache mit Fuchs, von einer Mangelhaftigkeit des Fuhrwerks könne keine Rede sein. Der Vorsitzende vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung und bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 15. Dezember 1901. Im achten Termin, am 15. Dezember 1901, verkündete das Gericht einen Beweisbeschluß, nach dem zur Frage des Abschlusses eines Kaufvertrages Hase als Zeuge vernommen und zur Frage der Mangelhaftigkeit des Fuhrwerks Storch als Sachverständiger gehört werden sollte. Termin zur Beweisaufnahme und zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung wurde auf den 5. Januar 1902 bestimmt. Im neunten Termin, am 5. Januar 1902, erschienen Isegrim sowie Reineke, ferner der Zeuge Hase und der Sachverständige Storch. Hase bestätigte den Abschluß eines Kaufvertrages. Storch wiederum erklärte, das Fuhrwerk weise die behaupteten Mängel tatsächlich auf. Außerdem wisse er, daß sie auch bei der Übergabe des Fuhrwerks von Fuchs an Wolf schon vorgelegen hätten, da er selbst an dem Fuhrwerk kurz zuvor noch ein neues Rad angebracht habe. Der Vorsitzende vertagte daraufhin die mündliche Verhandlung und bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 31. Januar 1902.

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Erstes Fallbeispiel

Im zehnten Termin, am 31. Januar 1902, verkündete das Gericht das anliegende Endurteil.

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U RT E I L In dem Rechtsstreit des Wolf, . . . Klägers, – vertreten durch den Rechtsanwalt Isegrim, . . . – gegen den Fuchs, . . . Beklagten, – vertreten durch den Rechtsanwalt Reineke, . . . – hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Münchhausen auf die mündliche Verhandlung vom 5. Januar 1902 durch ihre Richter . . . für Recht erkannt: 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eintausend Mark zu zahlen. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar . . . Tatbestand Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Darlehens. Am 1. Juli 1900 zahlte der Kläger an den Beklagten eintausend Mark. Jedenfalls hinsichtlich eines Teilbetrages von siebenhundert Mark hatten sich die Parteien darauf geeinigt, daß der Beklagte ihn dem Kläger zurückzahlen müsse. Eine Rückzahlung erfolgte bisher jedoch nicht. Der Kläger mahnte deshalb den Beklagten mit Schreiben vom 10. Januar 1901 zur Zahlung von eintausend Mark. Der Kläger behauptet, die Parteien hätten sich auch hinsichtlich des übrigen Teilbetrages von dreihundert Mark darauf geeinigt, daß der Beklagte ihn zurückzahlen müsse. Er legt dazu eine mit dem Namen des Beklagten unterzeichnete Urkunde vor, nach deren Inhalt der Beklagte die Rückzahlung von eintausend Mark versprochen hat. Als Stichtag für die Rückzahlung sei der 31. Dezember 1900 vereinbart worden.

Erstes Fallbeispiel

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Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eintausend Mark zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er bestreitet, daß die vom Kläger vorgelegte Urkunde echt sei. Hilfsweise hat der Beklagte gegen die Klagforderung die Aufrechnung mit einer eigenen Forderung gegen den Kläger i. H.v. vierhundert Mark erklärt. Er behauptet, er habe dem Kläger Anfang April 1901 ein Fuhrwerk zum Preise von vierhundert Mark verkauft. Der Kläger habe den Kaufpreis bisher jedoch nicht gezahlt. Der Kläger hat die Wandlung des Kaufvertrages erklärt. Er behauptet, das Fuhrwerk weise Mängel auf, und zwar . . . Das Gericht hat Beweis aufgenommen aufgrund des Beweisbeschlusses vom 1. April 1901 durch Vernehmung des Zeugen Bär, aufgrund des Beweisbeschlusses vom 21. Mai 1901 durch Vernehmung des Sachverständigen Eule und des Zeugen Specht sowie aufgrund des Beweisbeschlusses vom 15. Dezember 1901 durch Vernehmung des Zeugen Hase und des Sachverständigen Storch. Entscheidungsgründe Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist dem Kläger aus einem Darlehen gem. § 607 Abs. 1 BGB zur Zahlung von eintausend Mark verpflichtet. Die Parteien haben vereinbart, daß der Beklagte vom Kläger eintausend Mark empfangen und am 31. Dezember 1900 zurückzahlen solle. Die Höhe des Darlehens ergibt sich aus der vom Kläger vorgelegten Urkunde, von deren Echtheit sich das Gericht aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Eule überzeugt hat. Der Sachverständige Eule hat erklärt, die Echtheit der Unterschrift des Fuchs unter der fraglichen Urkunde werde insbesondere an . . . deutlich. Das Gericht erachtet dieses Gutachten für nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Zur Frage des Rückzahlungszeitpunktes hat das Gericht die Zeugen Bär und Specht vernommen. Der Zeuge Bär konnte sich an den Abschluß des Darlehensvertrages nicht erinnern, so daß seine Aussage unergiebig blieb. Der Zeuge Specht sagte jedoch aus, er habe im Rahmen eines geselligen Beisammenseins eine Unterredung mitangehört, in der der Kläger den Beklagten darauf aufmerksam gemacht habe, daß man vergessen habe, einen Stichtag für die Rückzahlung auszuhandeln. Beide Seiten hätten sich dann auf den 31. Dezember 1900 als Rückzahlungszeitpunkt geeinigt. Das Gericht hält diese Aussage für schlüssig und widerspruchsfrei. Hinweise darauf, daß nach dem Abschluß der übrigen Bedingungen des Darlehensvertrages in Schriftform gem. § 125 S. 2 BGB auch die Abrede über den Rückzahlungszeitpunkt der Schriftform bedurft hätte, sind nicht ersichtlich.

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Erstes Fallbeispiel

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 389 BGB durch die Aufrechnung des Klägers erloschen. Es kann insofern dahinstehen, ob die Parteien Anfang April 1901 einen Kaufvertrag über ein Fuhrwerk zum Preise von vierhundert Mark geschlossen haben. Jedenfalls hat der Kläger aus §§ 462, 459 Abs. 1 BGB Anspruch auf Wandlung des Kaufvertrages. Das Fuhrwerk wies nämlich zur Zeit der Gefahrübergangs auf den Kläger Fehler auf, die seinen Wert nicht unerheblich mindern, §§ 459 Abs. 1, S. 1, 446 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Gericht hat sich insofern durch das Gutachten des Sachverständigen Storch davon überzeugt, daß das Fuhrwerk die vom Kläger behaupteten Mängel, nämlich . . ., aufweist und auch bei der Übergabe an den Kläger bereits aufwies. Der Sachverständige Storch hat nachvollziehbar dargestellt, . . . . Das Gericht erachtet dieses Gutachten für schlüssig und widerspruchsfrei. Ferner hat der Sachverständige Storch glaubhaft bekundet, daß er dieselben Mängel bereits bei Instandsetzungsarbeiten im März 1901 festgestellt habe, als das Fuhrwerk sich noch im Besitz des Beklagten befand. Das Gericht hält auch diese Bekundungen für schlüssig und widerspruchsfrei. . . . Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

(Unterschrift)

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Erster Teil

Vom bürgerlichen Rechtsstreit und seiner Beschleunigung im allgemeinen A. Die Bedeutung schleuniger Verfahren Ein schleuniges Verfahren entspricht dem Bedürfnis sowohl des einzelnen als auch der Allgemeinheit nach einer wirksamen Rechtspflege.15 Der Kläger strengt das Verfahren an,16 um vom Beklagten sein Recht zu erstreiten. Je länger er aber auf ein Urteil warten muß, desto weniger ist es im Zweifel wert,17 wie sich insbesondere am Beispiel der Leistungsklage zeigt.18 Wirtschaftlich betrachtet erlangt der Beklagte hier nämlich für die Dauer des Verfahrens einen Aufschub seiner Verpflichtung,19 während der Kläger seine anderweitigen Verpflichtungen fristgerecht erfüllen muß. Im günstigen Fall kann der Kläger dies geschäftlich verkraften, wird das eingeklagte Recht aber u. U. stillschweigend aufgeben. Für manchen Kaufmann mag es darum sinnvoller sein, von vornherein auf ein Recht zu verzichten, als ein teures Verfahren mit ungewissem Ausgang anzustrengen.20 Im ungünstigen Fall wird der Kläger 15 So schon Mittermaier, AcP 33, 119, 121: Der bürgerliche Rechtsstreit greife tief in das Leben aller Bürger ein, gibt dem Rechte erst Nachdruck, sichert den Kredit, den Wohlstand und die Ruhe der Familien. Vgl. zum folgenden Rosenberg2, S. 2 f.; GStJ20-Schumann, Einl. I C Rn. 4 ff.; abschwächend zum Begriff des Rechtsfriedens dagegen von Mettenheim, S. 19 a. E. f. 16 Dies setzt voraus, daß das Verfahren dem Verfügungsgrundsatz, der Dispositionsmaxime folgt, wonach die Parteien Beginn, Gegenstand und Ende des Verfahrens bestimmen; vgl. Zeiss9, Rn. 170 ff. 17 So schon die Mot.E31, S. 251; zust. Rosenberg, ZZP 57, 185, 299; Mot.N76, S. 33. 18 Leistungsklagen bilden den Großteil der vor Gericht verhandelten Sachen; vgl. Zeiss9, Rn. 272 a. E. 19 Nach der ursprünglichen Fassung des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB waren Geldschulden mit nur vier v H. für das Jahr zu verzinsen, was einem Darlehen zu Lasten des Klägers gleichkam; ähnl. schon die Mot.E31, S. 251 a. E. f.; zust. Rosenberg, ZZP 57, 185, 299. Die Neufassungen des § 288 Abs. 1 S. 1 BGB durch das sog. Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen vom 30. März 2000 (BGBl. 2000 I, S. 330 ff.) und das sog. Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. 2001 I, S. 3138 ff.) haben diese Unbilligkeit entschärft, indem sie dem Gläubiger nunmehr Verzugszinsen i. H.v. fünf v H. über dem Basiszinssatz nach § 1 des DiskontsatzÜberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 (BGBl. 1998 I, S. 1242) bzw. (inhaltsgleich) über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB n. F. zubilligen.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

aber geschäftlich vernichtet, weil er das Ausbleiben der eingeklagten Leistung nicht übersteht.21 Auch ein siegreiches Urteil dient dann nur noch der Befriedigung seiner Gläubiger. Außerdem gibt der Aufschub dem Beklagten Gelegenheit, sein Vermögen der Vollstreckung durch den Kläger zu entziehen. In diesem Fall geht das Urteil wirtschaftlich sogar gänzlich ins Leere. Der Beklagte wiederum will möglichst schnell von den Behauptungen des Klägers freigesprochen werden. Wirtschaftlich belasten nämlich auch ihn zunächst die laufenden Kosten eines langwierigen Verfahrens. Außerdem kann es seine Geschäfte aber empfindlich stören, wenn sich z. B. eine streitbefangene Sache kaum mehr verkaufen läßt oder er wegen des schwebenden Verfahrens als kreditunwürdig angesehen wird. So mag ein böswilliger Kläger einen Rechtsstreit vom Zaun brechen oder in die Länge ziehen, nur um den Beklagten geschäftlich in die Knie zu zwingen.22 Nicht zu unterschätzen ist schließlich auch die menschliche Belastung eines Rechtsstreits, die Kläger und Beklagten gleichermaßen bedrücken kann.23 20 Peters, S. 20, behauptete sogar, Kaufleute zögen im Zweifel ein schleuniges ungerechtes einem langwierigen gerechten Verfahren vor. 21 Vgl. die Mot.E31, S. 252; zust. Rosenberg, ZZP 57, 185, 299. 22 Anders ist die Lage des möglichen Beklagten, wenn sich der mögliche Kläger zwar eines Anspruchs gegen ihn berühmt und ihn damit ggf. schädigt, aber keine Klage erhebt. Nach heutigem Recht muß der mögliche Beklagte Klage auf die Feststellung erheben, daß der angebliche Anspruch des möglichen Klägers nicht bestehe, § 256 Abs. 1, die sog. negative Feststellungsklage. Dabei trägt der mögliche Kläger und Feststellungsbeklagte die Beweislast für das Bestehen seines angeblichen Anspruchs. Vgl. hierzu Schmidt, S. 720; GStJ21-Schumann, § 256 Rn. 117; ferner Zeiss9, Rn. 281. Frühere Verfahrensordnungen sahen für einen solchen Fall die sog. Provokationsklage vor, vgl. etwa die §§ 492 ff. der Bürgerlichen Proceßordnung für das Königreich Hannover vom 8. November 1850 (hier: HPO; vgl. unten S. 51 ff.) und die Artt. 569 ff. der Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern vom 29. April 1869 (hier: BPO; vgl. unten S. 105 ff.). Mit der Provokationsklage forderte der mögliche Beklagte den möglichen Kläger auf, binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist Klage zu erheben. Versäumte der mögliche Kläger die Frist, dann wurde sein Recht auf Klageerhebung für erloschen erklärt. Der mögliche Beklagte konnte sich dann gegenüber dem Berühmen auf das Provokationsurteil berufen. Ein Anklang an die frühere Provokation gegen unbekannt findet sich noch heute im Aufgebotsverfahren der §§ 946 ff. ZPO sowie in § 110 Abs. 2 Nr. 5 ZPO; die Mot.CPO, S. 121 a. E. bringen die Provokation ferner in Verbindung mit der einstweiligen Verfügung des heutigen § 938 ZPO. 23 Vgl. etwa Klemperer, S. 119 ff.,123, Tagebuchaufzeichnung vom 14. Juli 1934: . . . wahrhaft erlösend: Das Urteil im Hueberprozeß. Seine Gegenklage abgewiesen, von meiner Klage 337,20 M anerkannt; Prozeßkosten 5/7 Hueber, 2/7 ich. Danach würde ich etwa 200 M erhalten. Ich hatte schon damit rechnen müssen (nach den furchtbaren Gutachten), einige hundert Mark daraufzuzahlen. Jeden Morgen beim Rasieren überfiel mich die Angst, sooft ich zum Briefkasten ging, hatte ich Beklemmungen, und wieviel qualvollen Ärger erlitten wir beide fast volle zwei Jahre lang, und wie lastete das in allen Berechnungen auf uns! Sodann: Ich verlangte damals zu Recht 600 M und wollte mich mit 500 zufriedengeben, Hueber aber bot 250 M. Jetzt werde ich etwa 200 M bekommen, Hueber aber muß 700 M hinterlegen, falls er

A. Die Bedeutung schleuniger Verfahren

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Die Allgemeinheit hingegen muß den Schaden fürchten, den langwierige Verfahren durch Hemmung des Handels an der Volkswirtschaft24 und durch Enttäuschung über die Rechtspflege an der Staatstreue anrichten.25 Hinzu kommt, daß mit der Dauer eines Verfahrens auch die tatsächlichen Schwierigkeiten wachsen, Recht zu sprechen. So schwindet erstens die Erinnerung bei Zeugen und Parteien, so daß das Gericht Mühe hat, die Einzelheiten des Rechtsstreits noch zu erfahren.26 Je länger zweitens ein Verfahren dauert, desto weniger Aufmerksamkeit kann das Gericht anderen Verfahren schenken, die auf diese Weise ebenfalls in die Länge gezogen werden.27 Ist dann drittens die Langwierigkeit der Verfahren einmal bekannt, so ergibt sich daraus ein Anreiz z. B. für säumige Schuldner, durch einen Rechtsstreit einen Aufschub ihrer Verpflichtungen zu erlangen, und mit der Zahl der Verfahren wächst auch ihre Dauer.28 Allerdings tut dem Anliegen an einer wirksamen Rechtspflege ein zu schleuniges Verfahren ebenso Abbruch wie ein zu langwieriges Verfahren. Zu schleunig ist ein Verfahren, wenn es das Recht der Parteien mißachtet, um schnell zu einem Urteil zu gelangen. Tatsächlich hat man das Recht der Parteien in jüngerer Zeit eher durch ein zu schleuniges als durch ein zu langwieriges Verfahren gefährdet gesehen.29 Wie lange ein Verfahren dabei in Jahr und Tag dauern soll, war häufig umstritten30 und ist wegen der Verschiedenheit der Rechtsstreite auch nicht zu beziffern.31 Letztlich wiegt die wirtschaftliche Niederlage aber ebenso schwer wie die rechtliche Niederlage einer Partei.32 Ein Urteil ist

„Vollstreckung abwenden“ will, obwohl er doch schon die beiden Gutachten mit zusammen 250 M bezahlt hat. Welch ein Unsinn! Und doch, welche Erlösung. Es sei denn, Hueber ginge in die zweite Instanz, aber dann werde ich mich nicht mehr so ängstigen wie vordem, und dann habe ich auch ein paar Monate Ruhepause. 24 Klein, Vorlesungen, S. 9 ff; Neukamp, 26. DJTI, S. 235ff.; zust. Peters, S. 19 f.; Rosenberg, ZZP 57, 185, 300. Die Quellen aus der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg widmen sich der volkswirtschaftlichen Bedeutung eines schleunigen Verfahrens kaum. 25 Vgl. hierzu schon die Nachweise oben Fn. 12. Vor einer Untergrabung des Vertrauens in die Rechtspflege des Staates warnen auch die Mot.N76, S. 32. 26 Mot.E31, S. 252 f. 27 Mot.E31, S. 253; Mot.N76, S. 33 f. 28 Mot.E31, S. 252; Mot.N76, S. 33. 29 Eine solche Überbeschleunigung des Rechtsstreits befürchten etwa Baumann/Fezer, S. 18 ff., 68, und Zeiss9, Rn. 208; ähnl. Putzo, NJW 1977, 1, 5; auch Kaser, S. 270 f., der darauf hinweist, daß die Prozeßverjährung des römischem Rechts bedeutende Härten für die Parteien mit sich brachte. Eher zur Gegenmeinung neigen die Mot.E31, S. 251 ff., und Rosenberg, ZZP 57, 185, 299 a. E. f. 30 Jauernig, S. 98; vgl. dagegen Neukamp, 26. DJTI, S. 125, 223 ff. und Heinitz, 26. DJTIII, S. 511 ff., 521 ff.; sowie gegen Heinitz Peters, S. 4 ff. 31 Ähnl. EGMR NJW 1984, 2749 ff.; 1989, 650 ff. zur Frage einer Verletzung des Art. 6 Abs. 1 MRK (vgl. auch unten S. 30). 32 Ähnl. Wach, 26. DJTII, S. 7 ff.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

darum nur dann ein gerechtes Urteil, wenn es so sorgfältig und so schleunig wie möglich gefällt wird.

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren I. Der Begriff der Konzentrationsmaxime Das Streben nach Beschleunigung wird heute als Konzentrationsmaxime des bürgerlichen Rechtsstreits bezeichnet. Der Begriff wurde in Anlehnung an die Lehre von den Verfahrensgrundsätzen geprägt33, 34 und bringt das Ziel einer zeitlichen Drängung35 des Verfahrens zum Ausdruck.36 Der österreichischen Rechtslehre bereits im neunzehnten Jahrhundert bekannt,37 trat er in Deutschland zunächst nur vereinzelt auf38 und erfuhr erst nach der Neufassung der ZPO von 1924 weite Verbreitung.39, 40 Meist wird der Begriff der Konzentrationsmaxime deshalb nach dem Wortlaut des 1924 in die ZPO eingefügten früheren § 272b Abs. 1N24 bestimmt.41 Die Konzentrationsmaxime gebietet danach die Erledigung des Rechtsstreits tunlichst in einer mündlichen Verhandlung.42 Damit werden allerdings nicht nur die Eigenheiten des bürgerlichen Rechtsstreits 33 Die Lehre von den Verfahrensgrundsätzen oder Prozeßmaximen wurde begründet von Gönner, Abhandlg. VII u. ff. Zur Lehre von den Verfahrensgrundsätzen vgl. allgemein GStJ21-Leipold, vor § 128 Rn. 3 ff. 34 GStJ20-Leipold, vor § 128 Rn. 8 zählen die Konzentrationsmaxime nicht zu den Verfahrensgrundsätzen; dagegen etwa Zöller-Greger, vor § 128 Rn. 13. 35 Vgl. Duden6, Bd. 5, S. 446. 36 Ähnl. die Mot.E31, S. 258. 37 Vgl. Rosenberg, ZZP 57, 185, 305 (dort Fn. 116); Sinnutt, S. 5. 38 Vgl. Kleinfeller, S. 211. Auch die Mot.CPO, S. 30, sprachen von einem Konzentrationsprinzip. Gemeint war allerdings der Grundsatz der Konzentration der Rechtsbehelfe, welche man als Eventualmaxime bezeichnet; vgl. a. a. O., S. 26. 39 Vgl. etwa Goldschmidt2, S. 46; Sinnutt, S. 5 ff.; Rosenberg2, S. 164; Jauernig, S. 99; Zöller-Greger, vor § 128 Rn. 13; abl. Stein3, S. 46; ähnl. GStJ20-Leipold, vor § 128 Rn. 8 (oben Fn. 33). Die Mot.E31, S. 258 schienen den Begriff irrtümlich Goldschmidt zuzuschreiben; dagegen schon Rosenberg und Sinnutt (oben Fn. 37). 40 Zu den Neufassungen und -bekanntmachungen der ZPO vgl. insbesondere unten S. 59. 41 Vorschriften ohne besondere Bezeichnung sind solche der heutigen ZPO. Vorschriften der Entwürfe zur Urfassung der ZPO von 1871, 1872 und 1874 sowie der Entwürfe zu den Neufassungen der ZPO von 1898 und 1976 tragen die Abkürzung E I, E II, E III, E98 und E76 als hoch- und schräggestellten Zusatz. Vorschriften der Urfassung der ZPO von 1877 tragen, soweit sie im Jahre 1898 lediglich neu beziffert wurden, diese neue Bezifferung, soweit sie im Jahre 1898 außerdem verändert wurden, zusätzlich einen Stern, und soweit sie im Jahre 1898 ersatzlos gestichen wurden, die Abkürzung CPO als hoch- und schräggestellten Zusatz. Vorschriften der Neufassungen der ZPO von 1898, 1909, 1924, 1933, 1950, 1974/1976 und 2002 tragen die Abkürzungen N98, N09, N24, N33, N50, N74, N76 und N02, Vorschriften der Fassung bis zum 31. Dezember 2001 die Abkürzung G01 als hoch- und schräggestellten Zusatz. Zu den verschiedenen Fassungen der ZPO vgl. unten Fn. 297 ff., 362, 368, 374.

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren

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vernachlässigt,43 sondern auch die Verfahren ohne mündliche Verhandlung übersehen, vgl. etwa die §§ 128 Abs. 2, 3; 495a S. 1. Sinnvoll läßt sich die Bedeutung der Konzentrationsmaxime dagegen aus dem Begriff der Prozeßhandlung herleiten. Prozeßhandlung ist jedes Verhalten der Parteien oder des Gerichts, das das Verfahren gestaltet und in Voraussetzungen und Wirkungen dem Verfahrensrecht untersteht. Die Parteien und das Gericht können dabei als die Verfahrensbeteiligten bezeichnet werden.44 Je nachdem, welchem Beteiligten eine Prozeßhandlung obliegt, ist von Parteihandlung und Verfahren im Parteibetrieb oder von Gerichtshandlung und Verfahren im Amtsbetrieb die Rede.45 Außerdem ist zu unterscheiden zwischen sinnvollen und sinnlosen Prozeßhandlungen, je nachdem, ob sie das Verfahren inhaltlich fördern oder nicht.46 Setzt sich das Verfahren also aus den Prozeßhandlungen der Beteiligten zusammen und ist das Ziel ein möglichst schleuniges Verfahren, dann läßt sich der Begriff der Konzentrationsmaxime wie folgt bestimmen: Die Verfahrensbeteiligten sollen alle sinnvollen Prozeßhandlungen schleunigst vornehmen und alle sinnlosen Prozeßhandlungen möglichst unterlassen. Die Ursachen langwieriger Verfahren liegen demnach in der Verschleppung oder Unterlassung sinnvoller und in der Vornahme sinnloser Prozeßhandlungen sowohl durch die Parteien als auch durch das Gericht.47 Vgl. den zweiten, vierten und achten Termin des Ersten Fallbeispiels: Das Gericht war nach dem gesetzlichen Regelfall der §§ 310, 329 nicht befugt, die mündliche Verhandlung zur Verkündung eines Beweisbeschlusses zu vertagen, die ohne weiteres sogleich hätte erfolgen können.48 42 Goldschmidt2, S. 46; Sinnutt, S. 5; Rosenberg2, S. 164; GStJ13, § 278 Anm. I 2; Mot.N76, S. 34, 68; ähnl. Zöller-Greger, vor § 128 Rn. 13. 43 Vgl. dazu unten S. 140 ff. 44 Allgemein begreift das Verfahrensrecht nur die Parteien als Beteiligte, vgl. § 10 ArbGG, § 33 StPO, § 63 VwGO, § 69 SGG, § 57 FGO, ferner die Überschrift zu §§ 64 ff. Genau genommen sind damit aber nicht die Beteiligten des gerichtlichen Verfahrens, sondern die Beteiligten des sachlichen Rechtsstreits gemeint. 45 Zu den Begriffen der Prozeßhandlung, der Partei- und der Gerichtshandlung sowie des Partei- und des Amtsbetriebes vgl. Schmidt, S. 347 ff.; Weismann, S. 6 f.; Rosenberg15, S. 305, 344, 346; Zeiss9, Rn. 211; weitergehend zum Begriff der Prozeßhandlung GStJ20-Leipold, vor § 128 Rn. 160. 46 Sinnlose Parteihandlung ist etwa eine Behauptung, wo der Gegner die Darlegungslast trägt, oder ein Beweisantritt, wo den Gegner die Beweislast trifft, ferner ein Antrag, wo das Gericht von Amts wegen tätig wird, aber auch ein Hilfsvorgehen, wo das Hauptvorgehen schon Erfolg hat; sinnlose Gerichtshandlung ist etwa eine Beweisaufnahme, wo eine Behauptung schon erwiesen ist, oder die weitere Verhandlung, wo das Urteil ergehen könnte. 47 Weitere Ursache langwieriger Verfahren sind unzweckmäßige Verfahrensbestimmungen; vgl. hierzu etwa Rottleuthner, Entlastung durch Entformalisierung? Rechtstatsächliche Untersuchungen zur Praxis von § 495a ZPO und § 313 StPO. 48 Eingehend Peters, S. 29 f., der auch die Vertagung der mündlichen Verhandlung zur Verkündung des Urteils als Regelfall ablehnt.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

Eine Untersuchung verzögernden Verhaltens des Gerichts würde jedoch nicht in das bürgerliche Verfahrens-, sondern das richterliche Dienstrecht49 und die Verfassungs- und Menschenrechte50 führen. Diese Untersuchung beschränkt sich darum auf verzögerndes Verhalten der Parteien. II. Verzögerungen des äußeren Prozeßbetriebes Als äußerer Prozeßbetrieb sollen hier diejenigen Prozeßhandlungen bezeichnet werden, die dem äußeren Fortgang des Verfahrens dienen, namentlich Terminierungen, Ladungen und Zustellungen.51 Die ZPO legte den äußeren Prozeßbetrieb ursprünglich in weitem Umfang in die Hand der Parteien.52 Die Parteien konnten durch einfache Vereinbarung Fristen verlängern oder verkürzen,53 § 202224 Abs. 1,54 und Termine aufheben, § 205227 Abs. 1,55 sowie durch beiderseitiges Ausbleiben ein beliebig langes Ruhen des Verfahrens herbeiführen, § 228251, sie luden zur Verhandlung, § 191214 Abs. 1,56 und waren ausschließlich zuständig für die Zustellung von Schriftstücken, § 152166* Abs. 1, 2. Diese Herrschaft der Parteien über Fristen und Termine führte jedoch v. a. durch die mißbräuchliche Aufhebung von Terminen zu erheblichen Verzögerungen der Verfahren.57 Besonders die Rechtsan49 Wegen der in Art. 97 Abs. 1 GG gewährten Unabhängigkeit des Richters. Rechtstatsächliche Untersuchungen zu verzögerndem Verhalten der Gerichte sind bisher offenbar nicht durchgeführt worden. 50 Wegen des in Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 6 Abs. 1 EMRK (hierzu unten S. 30) gewährten Grund- und Menschenrechts auf Justizgewährung. Besonders schmerzlich sind deshalb die Fälle, in denen selbst höchsten Gerichten eine unzumutbare Verzögerung bescheinigt wird. Selbst das Bundesverfassungsgericht als Hüter des Grundgesetzes macht davon leider keine Ausnahme. Vgl. hierzu die Entscheidungen des EGMR zu Art. 6 Abs. 1 MRK, die z. B. bereits das Schweizerische Bundesgericht (NJW 1984, 2749 ff.; Verfahrensdauer: dreieinhalb Jahre), die österreichischen Agrarsenate samt dem Obersten Agrarsenat (NJW 1989, 650 ff.; Verfahrensdauer: insgesamt mehr als neunzehn Jahre), die deutschen Sozialgerichte samt dem Bundessozialgericht (NJW 1989, 653 ff.; Verfahrensdauer: insgesamt mehr als zehn Jahre), das deutsche Bundesverfassungsgericht (NJW 2001, 213 f.; Verfahrensdauer: knapp zehn Jahre; vgl. dazu auch die Entscheidung des BVerfG NJW 2001, 214 ff. zur Verfassungswidrigkeit eines fünfzehn Jahre dauernden bürgerlichen Rechtsstreits) betrafen. 51 Ähnl. Jauernig, S. 299 f.; Rosenberg15, S. 436; Schmidt, S. 348 sprach von untergeordnetem Prozeßbetrieb bzw. Prozeßbetrieb im engeren Sinne. 52 Vgl. Damrau, S. 5 ff. 53 Ausgenommen waren die Notfristen i. S. d. § 224 Abs. 1 S. 2. 54 Zur Bezeichnung der Vorschriften der ZPO vgl. oben Fn. 41. 55 Vgl. hierzu die Mot.CPO, S. 164. 56 Die Ladung von Zeugen und Sachverständigen oblag allerdings stets dem Gericht, §§ 342377*, 367402; vgl. hierzu Fischer, Gruchot 25, 620 ff., 802 ff. 57 So schon Wach, Vorträge2, S. 66 ff.; ders., 26. DJTII, S. 17 ff.; Peters, S. 15 f.; Schmidt, S. 401 ff.; Volkmar, JW 1924, 345, 346; ebenso schon für das Verfahren nach der HPO (unten S. 51 ff.) Breitling, AcP 44, 341 ff.; Mot.CPO, S. 16.

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren

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wälte gewährten einander nämlich aus falsch verstandener berufsständischer Rücksichtnahme großzügig Vertagung, wenn sich eine Seite noch nicht genügend mit dem Rechtsstreit vertraut gemacht hatte.58 Vgl. den sechsten Termin des Ersten Fallbeispiels: Auf die Erklärung Isegrims und Reineckes, man habe wegen mangelnder Vorbereitung der Sache die Aufhebung des Termins vereinbart, blieb dem Gericht nur die Bestimmung eines neuen Termins, §§ 205227 Abs. 1; 193216 Abs. 1, 195218.

Die Neufassungen der ZPO haben deshalb den äußeren Prozeßbetrieb fast vollständig den Parteien entzogen und dem Gericht übertragen.59 Dies gilt insbesondere für die Neufassung von 1924, die u. a. die Entscheidung nach Lage der Akten einfügte, §§ 251a, 331 a. Verzögerungen des äußeren Prozeßbetriebs durch die Parteien sind somit nicht mehr zu befürchten.60 III. Verzögerungen des inneren Prozeßbetriebes Als innerer Prozeßbetrieb sollen hier diejenigen Prozeßhandlungen bezeichnet werden, die dem inneren Fortgang des Verfahrens, der eigentlichen Rechtsfindung dienen.61 Der Rechtsstreit entzündet sich an gegensätzlichen Rechtsbehauptungen der Parteien, wenn der Kläger ein Recht verlangt und der Beklagte es ihm verweigert.62 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Wolf behauptete, einen Anspruch auf Zahlung von tausend Mark zu haben, was Fuchs bestritt.

Um zu einem Urteil zu gelangen, bedarf es nun zunächst der Ermittlung und dann der Bewertung des Sachverhaltes, der sich zwischen den Parteien zugetragen hat. Schon das römische Recht teilte beide Aufgaben verschiedenen Verfahrensbeteiligten zu,63 indem es den Parteien auftrug, den Sachverhalt vorzutra58 Schmidt, S. 401; die Rede war vom Vertagungsunwesen im bürgerlichen Rechtsstreit. 59 Vgl. Volkmar, JW 1924, 345, 346 f.; Nikisch, S. 198; Rosenberg15, S. 436. 60 Wenig Beachtung fand dagegen bisher die Frage, inwieweit der jetzt herrschende Amtsbetrieb das Verfahren verzögert. So bedeutet nämlich etwa die heute vorgeschriebene Zustellung aller Schriftsätze von Amts wegen, § 270 Abs. 1, einen erheblichen räumlichen und zeitlichen Umweg auf dem Weg von Partei zu Partei. Ein Hinweis auf diesen Umstand findet sich bei Baumgärtel, JZ 1971, 441, 446. 61 Ähnl. noch Stein3, S. 147; ferner Schmidt, S. 347 f., der Beweis und Urteil vom Begriff des Prozeßbetriebes allerdings ausdrücklich ausnahm. Die heutige Rechtslehre unterscheidet kaum mehr zwischen innerem und äußerem Prozeßbetrieb. Vielmehr versteht sie unter Prozeßbetrieb allein den äußeren Prozeßbetrieb; vgl. Rosenberg15, S. 436; Zeiss9, Rn. 224. 62 So im Falle der Leistungsklage; leicht abweichend in den Fällen der Feststellungs- und Gestaltungsklagen; vgl. Zeiss9, Rn. 272 ff. 63 Vgl. oben Fn. 44.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

gen, und es dem Gericht überließ, über ihn zu urteilen:64 da mihi facta, dabo tibi ius.65 Weil die Parteien regelmäßig bereits darüber stritten, was sich zwischen ihnen zugetragen hatte, wurde der Sachverhalt dabei stets aus beiderlei Sicht gehört: audiatur et altera pars.66, 67 Dieses als Beibringungsgrundsatz68 und Grundsatz rechtlichen Gehörs69 bezeichnete Vorgehen beherrscht seither den bürgerlichen Rechtsstreit70 und findet sich heute im Vorbringen der Parteien, vgl. § 282 Abs. 1, 3, und in der Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 MRK,71 § 321aN02. 1. Das Vorbringen der Parteien

a) Tatsachen- und Beweisbehauptungen Zum Vorbringen der Parteien zählt die ZPO v. a. deren Angriffs- und Verteidigungsmittel, d.h. alle Tatsachen- und Beweisbehauptungen, die sich auf das sachliche Recht beziehen, vgl. § 282 Abs. 1.72 Dabei stehen die Tatsachenbehauptungen gedanklich am Anfang: 64

Vgl. Kaser, S. 8, 275 (dort Fn. 29). D.h. Gib mir Tatsachen, ich werde dir Recht geben; auch iura novit curia, d.h. Das Gericht findet Recht; vgl. Zeiss9, Rn. 177. Dem Gericht blieben also eigene Ermittlungen erspart. Es zeigt sich, daß das Anliegen der Allgemeinheit an einer wirksamen Rechtspflege insgesamt groß, am Rechtsstreit des einzelnen jedoch gering ist; ähnl. Rosenberg2, S. 178; Zeiss9, Rn. 175. 66 Vgl. Gordianus C.7.43.3 Ab eo iudicato recedi non potest, quod vobis absentibus et ignorantibus atque indefensis dictis esse prolatum, si, ubi primum cognovistis, non ilico de statutis querellam detulistis. Ita enim firmitatem sententia, quae ita prolata est, non habebit, si ei non sit commodatus adsensus; ferner von Bar, S. 7; schließlich Kaser, S. 9, 275. Auf die Bedeutung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs für ein gerechtes Urteil wies schon Marcianus D.43.17.1 pr. hin: Divi Severi et Antonini Magni rescriptum est, ne quis absens puniatur, et hoc iure utimur, ne absentes damnentur: neque enim inaudita causa quemquam damnari aequitatis ratio patitur; vgl. auch Wetzell, S. 522 m. w. N.; schließlich Rosenberg15, S. 643. 67 Ebenso im deutschen Recht: Eines Mannes Red eine halbe Red, man verhör sie alle bed; vgl. Wetzell, S. 522; ähnl. von Bar, S. 7. 68 Rosenberg2, S. 178 ff.; Zeiss9, Rn. 174 ff. 69 Dazu Rosenberg15, S. 455 ff.; Zeiss9, Rn. 191 ff. 70 Wenig erfolgreiche Ausnahmen vom Beibringungsgrundsatz machten der preußische Corpus iuris Fridericianum von 1781 und die preußische Allgemeine Gerichtsordnung (AGO) von 1793, die die Ermittlung des Sachverhalts in die Hand des Gerichts legten und damit dem Untersuchungsgrundsatz folgten. Schon die beiden Neufassungen der AGO von 1833 und 1846 kehrten jedoch zum Beibringungsgrundsatz zurück. Vgl. hierzu Schmidt, S. 95 ff., und Levin, S. 19 ff. Das heutige Recht folgt dem Untersuchungsgrundsatz wegen der besonderen Bedeutung der Rechtsstreite für die Allgemeinheit u. a. in den Verfahren in Ehesachen, § 622, und Kindschaftssachen, § 640; vgl. Zeiss9, Rn. 179. 71 Zur Auslegung des Art. 6 Abs. 1 MRK vgl. EGMR NJW 1984, 2749 ff.; 1989, 650 ff. 65

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren

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Zunächst trägt der Kläger eine Klagebegründung vor, in der er Tatsachenbehauptungen aufstellt, die seine Rechtsbehauptung rechtfertigen.73 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Wolf behauptete, er habe Fuchs am 1. Juli 1900 eintausend Mark gezahlt, die zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen gewesen seien, was bisher aber nicht geschehen sei.

Dann kann der Beklagte eine Klagebeantwortung vortragen, in der er die Tatsachenbehauptungen des Klägers leugnet, um so seine gegenteilige Rechtsbehauptung zu rechtfertigen. Dabei kann er die Tatsachenbehauptungen des Klägers entweder ohne Einschränkung bestreiten, d.h. jeweils ihre einfache Gegenbehauptung als Responsion aufstellen, oder sie ganz oder zum Teil zugestehen, aber zugleich selbständige Gegenbehauptungen als Exceptionen aufstellen,74, 75 die das Recht des Klägers ausschließen.76, 77 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Fuchs bestritt einerseits, daß der gezahlte Betrag zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen gewesen sei (einfache Gegenbehauptung, Responsion). Andererseits gestand er zwar die Gewährung eines Darlehens zu, behauptet aber, Wolf habe ihm Stundung bis zum 31. September 1901 gewährt bzw. schulde ihm aus einem Kaufvertrag aufrechenbar vierhundert Mark (selbständige Gegenbehauptungen, Exceptionen).

Auf eine selbständige Gegenbehauptung des Beklagten darf dann der Kläger wiederum durch einfache Gegenbehauptungen, unechte Repliken, oder selbständige Gegenbehauptungen, echte Repliken, antworten,78 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Auf Fuchs’ selbständige Gegenbehauptung eines aufrechenbaren Kaufpreisanspruches leugnete Wolf einerseits, einen Kaufvertrag geschlossen zu haben (einfache Gegenbehauptung, unechte Replik), und behauptete andererseits, ein Mangel des Fuhrwerkes berechtige ihn zur Wandlung (selbständige Gegenbehauptung, echte Replik). 72 PlanckI, S. 414, zählte das Bestreiten nicht zu den Angriffs- und Verteidigungsmitteln; ähnl. von Bar, S. 40 f. Dagegen grenzt Rosenberg15, S. 351 die Beweise von den Angriffs- und Verteidigungsmitteln ab; sehr weit wiederum Schmidt, S. 354. 73 Bringt der Kläger sogar mehrere mehrere Sachverhalte vor, aus denen sich sein Recht jeweils unabhängig ergebe, stellt er damit verschiedene selbständige Klagebehauptungen auf. 74 Zum Begriff der selbständigen Gegenbehauptung vgl. Schmidt, S. 395. 75 Zu den Begriffen der Responsion und der Exception vgl. Renaud, S. 231 ff. 76 Sog. qualifiziertes Geständnis oder Einrede i. S. d. ZPO; vgl. Zeiss9, Rn. 385, 411; abl. Schmidt, S. 395. 77 Sog. schlichtes und motiviertes Klageleugnen. Die Möglichkeit eines Einlenkens des Beklagten durch Geständnis, Anerkenntnis oder Versäumnisurteil und ebenso die Geltendmachung fehlender Schlüssigkeit der Klage als bloße Rechtsausführung bleiben hier außer Betracht; vgl. zum ganzen Zeiss9, Rn. 380–384. 78 Ähnl. Zeiss9, Rn. 388; vgl. ferner Renaud, S. 242. Gegen die Bezeichnung schlechthin jeder Erwiderung des Klägers auf die Klagebeantwortung als Replik von Bar, S. 42.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

auf eine selbständige Gegenbehauptung des Klägers mag der Beklagte nochmals einfache oder selbständige Gegenbehauptungen, echte oder unechte Dupliken, erwidern,79 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Fuchs leugnete Wolfs selbständige Gegenbehauptung eines Mangels, der zur Wandlung berechtigt hätte (einfache Gegenbehauptung, unechte Duplik).

und so können sich Tripliken, Quadrupliken usw. anschließen.80 Der Wechsel von Behauptung und Gegenbehauptung läßt sich gedanklich ins Unendliche fortsetzen,81 und mit jedem Wechsel tritt der Schlagabtausch zwischen den Parteien auf eine neue Stufe.82 Den Tatsachebehauptungen folgen dann die Beweisbehauptungen. Da ein unklarer Sachverhalt nämlich nicht beurteilt werden kann,83 müssen bestrittene Tatsachenbehauptungen bewiesen werden.84 Die Beweisbehauptungen lauten dahin, daß bestimmte Beweismittel zulässig und geeignet seien, bestimmte Tatsachenbehauptungen zu belegen. Die Parteien benennen ihre Beweismittel also zum Beweisantritt,85 bringen sie dann zur Beweisbeschaffung bei und legen sie zur Beweisaufnahme vor.86 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Wolf und Fuchs behaupteten, die Gutachten der Sachverständigen Eule und Storch, der Inhalt der Darlehensurkunde und die Aussagen der Zeugen Bär, Dachs und Hase bewiesen ihre jeweils bestrittenen Behauptungen.

Die Beweisbehauptung einer Partei kann wiederum durch die Beweisgegenbehauptung oder Beweiseinrede87 bestritten werden, daß das fragliche Beweismittel unzulässig oder ungeeignet sei. Vgl. das Erste Fallbeispiel: Reineke bestritt die Echtheit der Unterschrift des Fuchs und damit die Beweiskraft der Urkunde des Wolf. Das Gericht mußte deshalb über die Beweiskraft eines Beweismittels Beweis erheben. Isegrim wiederum erschütterte die Glaubwürdigkeit des Dachs und damit ebenfalls die Beweiskraft des Zeugen, indem er das Gericht auf die Vorstrafe des Dachs hinwies. Zeiss9, Rn. 388. 80 Vgl. Wetzell, S. 166 ff., 170; von Bar, S. 42. 81 Zeiss9, Rn. 388 a. E. 82 Allerdings sind Rechtsstreite mit echten Quadrupliken als selbständigen Gegenbehauptungen auf der sechsten Stufe kaum vorstellbar, und schon echte Repliken als selbständige Gegenbehauptungen auf der dritten Stufe kommen nur selten vor; vgl. die Mot.HPO, S. 155; ähnl. Wetzell, S. 974 a. E. 83 Ähnl. zum Zusammenhang von Beibringungsgrundsatz und Beweisführung Rosenberg2, S. 358 f. 84 Vgl. Rosenberg15, S. 671; Zeiss9, Rn. 428 ff., 431. 85 Rosenberg15, S. 643 f.; Zeiss9, Rn. 436 ff. 86 Vgl. Rosenberg2, S. 359. 87 Zum Begriff der Beweiseinrede vgl. Rosenberg2, S. 358. 79

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren

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Auch dieser Wechsel von Behauptung und Gegenbehauptung vollzieht sich in Stufen und läßt sich gedanklich ins Unendliche fortsetzen. Ob eine Beweiseinrede einen Beweis wirklich verhindert, muß das Gericht spätestens im Urteil entscheiden. Im folgenden soll von der Tatsachenbehauptung und -gegenbehauptung im Zweifel als Behauptung, von der Beweisbehauptung und -gegenbehauptung im Zweifel als Beweis die Rede sein. b) Verfahrensrügen Zum Vorbringen der Parteien zählt die ZPO zum anderen die hier sog. Verfahrensrügen, d.h. alle Tatsachen- und Beweisbehauptungen, die sich auf das Verfahrensrecht beziehen, vgl. z. B. § 282 Abs. 3. Jede Prozeßhandlung beinhaltet nämlich stillschweigend auch die Behauptung, in der gesetzlich bestimmten Art und Weise vorgenommen zu werden. Sie kann daher mit der Gegenbehauptung beantwortet werden, sie mißachte diese gesetzlich bestimmte Art und Weise.88, 89 Ein solcher Verfahrensmangel führt i. d. R. zur Wirkungslosigkeit der Prozeßhandlung90 und zur Wertlosigkeit des auf ihr fußenden weiteren Verfahrens.91 Im schlimmsten Fall wird so das gesamte Verfahren hinfällig, wenn schon die Klage an einem Verfahrensmangel leidet.92 Vgl. das Erste Fallbeispiel: Mit der Klage erhob Wolf auch die Behauptung, die Erhebung der Klage sei zulässig. Dagegen erhob Fuchs die Gegenbehauptung, die Erhebung der Klage sei unzulässig, da man die Anrufung eines Schiedsgerichtes vereinbart habe. Folge einer solchen Schiedsvereinbarung ist grundsätzlich die Abweisung der Klage als unzulässig, § 1032 Abs. 1.

88 Vgl. hierzu Schmidt, S. 693 f.; GStJ11, § 274 Anm. I, II, § 295 Anm. II; ferner Weismann, S. 330 ff. 89 Ein solcher Verfahrensmangel liegt z. B. vor, wenn der Kläger die Klage vor einem unzuständigen Gericht erhebt, der Beklagte trotz mangelnder Prozeßfähigkeit vor Gericht auftritt, vgl. § 51 Abs. 1, oder ein Richter trotz Befangenheit urteilt, vgl. § 42 Abs. 2. Vgl. zur mangelnden Zuständigkeit Zeiss9, Rn. 63 ff., und allgemein zu den Verfahrensmängeln der Klage Rn. 380; außerdem zur mangelnden Prozeßfähigkeit einschränkend Weismann, S. 335. 90 Vgl. GStJ21-Leipold, Rn. 1 zu § 295; ferner zur fehlenden Prozeßfähigkeit Zeiss9, Rn. 151; abw. hinsichtlich mangelhafter Gerichtshandlungen Rosenberg15, S. 339 u. ff. 91 Ähnl. Schmidt, S. 693; vgl. auch die Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens, §§ 578 ff. 92 Vgl. eingehend Zeiss9, Rn. 264 ff. m.N. zur Gegenansicht. Die gesetzlichen Voraussetzungen der Klageerhebung werden darum auch als Prozeßvoraussetzungen bzw. Sachurteilsvoraussetzungen, ihr Fehlen z. T. als Prozeßhindernisse bezeichnet; vgl. Zeiss9, Rn. 253 ff.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

Zum Wechsel von Tatsachen- und Beweisbehauptungen gilt für Verfahrensrügen grundsätzlich dasselbe wie für Angriffs- und Verteidigungsmittel.93 Da sich die Verfahrensrügen aber nicht auf das sachliche Recht, sondern auf das Verfahrensrecht beziehen, tragen sie zur Ermittlung und Beurteilung des Sachverhaltes nur mittelbar bei. c) Durchbrechungen des Beibringungsgrundsatzes Neben den Parteien hat die ZPO allerdings stets auch das Gericht an der Ermittlung des Sachverhaltes beteiligt und sich damit in bestimmten Fällen für eine Durchbrechung des gerade beschriebenen Beibringungsgrundsatzes entschieden.94 So werden Verfahrensrügen zwar grundsätzlich von den Parteien vorgebracht, aber wo die Einhaltung des Verfahrensrechts die Belange der Allgemeinheit berührt, muß das Gericht Verfahrensmängel auch von Amts wegen beachten, vgl. §§ 56 Abs. 1; 295 Abs. 2; 296 Abs. 3.95 Aber auch Angriffs- und Verteidigungsmittel sammeln zu helfen ist heute eine wesentliche Aufgabe des Gerichts: Es besitzt das Fragerecht,96 von den Parteien die Erläuterung ihrer Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie ihr persönliches Erscheinen zu fordern, daneben von Amts wegen Urkunden, Akten und sonstige Unterlagen vorlegen sowie Augenscheins- und Sachverständigenbeweise durchführen zu lassen, §§ 139 Abs. 1,97 141; 142 f., 144,98 es unterliegt der Aufklärungspflicht,99 die Parteien auf offensichtliche rechtliche oder tatsächliche Versehen hinzuweisen, §§ 139 Abs. 1, 2,100 und es übernimmt schließlich Teile der Beweisbeschaffung, indem es Zeugen und Sachverständige lädt, § 377; §§ 402 i.V. m. 377,101 sowie in bestimmten Fällen Urkunden beschafft, §§ 421, 428, 432.

93 Erst die neuere Rechtslehre seit Bülow unterscheidet begrifflich zwischen Verfahrensmängeln der Klage einerseits und Angriffs- und Verteidigungsmittel andererseits; vgl. Wetzell, S. 136 ff. (dort Fn. 92) und unten Fn. 174. Eine unterschiedliche Behandlung erfuhren beide Rechtsbehelfe allerdings schon nach den §§ 196 f.HPO (unten S. 51 ff.); vgl. dazu die Mot.HPO, S. 147 f.; Leonhardt3, § 196, S. 146 f. (dort Fn. 4), S. 148 (dort Fn. 1); ferner unten S. 53, Fn. 281, S. 104. 94 Vgl. dagegen zum römischen Recht Kaser, S. 8. 95 Vgl. Zeiss9, Rn. 180; Thomas/Putzo22, § 295 Rn. 3. 96 Zum Begriff vgl. Nikisch, S. 193; dagegen allerdings schon GStJ19, § 139 Anm. I 1. 97 Entspr. §§ 139 Abs. 1, 273 Abs. 1 S. 2G01. 98 Zur Beweiserhebung von Amts wegen vgl. Zeiss9, Rn. 178. 99 Vgl. GStJ20-Leipold, § 139 Rn. 1 ff., § 278 Rn. 24 ff. 100 Entspr. §§ 139 Abs. 1, 278 Abs. 3G01. 101 Vgl. schon oben Fn. 56.

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren

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2. Verzögerungen durch gestaffeltes Vorbringen

Häufig können die Parteien auf einer Stufe des Rechtsstreits mehrere Behauptungen und Beweise nebeneinander geltend machen, d.h. ihnen stehen mehrere konkurrierende, gleichstufige Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Verfügung. Verzögerungen des Verfahrens drohen hier, wenn die Parteien gleichstufige Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht gleichzeitig, konzentriert,102 sondern nacheinander, sukzessive103 vorbringen.104 Dies ist ihnen möglich, weil nur eines ihrer gleichstufigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel erfolgreich sein muß, um ihnen zum Sieg zu verhelfen, während alle übrigen daneben nur hilfsweise,105 in eventu,106 für den Fall seines Scheiterns auftreten. Bei diesem gestaffelten Vorbringen setzen die Parteien darauf, daß ihr Angriffsoder Verteidigungsmittel entweder keinem Bestreiten begegnen oder sich im Beweis bewähren werde. Es ist insofern zu unterscheiden zwischen einer Staffelung auf die Antwort des Gegners, Antwortstaffelung einerseits und einer Staffelung auf den Erfolg im Beweis, Beweisstaffelung andererseits. Grund für gestaffeltes Vorbringen mag sein, daß die Partei vor ehrenrührigen Behauptungen oder Beweisen zunächst zurückschreckt, weiteren Verfahrenskosten zu entgehen versucht107 oder rettende Angriffs- oder Verteidigungsmittel schlicht erfindet.108 Folge des gestaffelten Vorbringens ist es aber, daß das Gericht auf jedes neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Partei deren Gegner erneut rechtliches

Mot.CPO, S. 26; Wetzell, S. 967, sprach von kumuliertem Vorbringen. Wetzell, S. 964. 104 Die Mot.N76, S. 38 sprechen von tropfenweiser Information des Gerichts. Wach, Vorträge1, S. 28, sah darin einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben im Prozeß; ähnl. Zeiss, Die arglistige Prozeßpartei, S. 29 a. E. f. 105 Zeiss9, Rn. 205. 106 Weismann, S. 197; Zeiss9, Rn. 205. 107 Vgl. die Nachweise und weiteren Beispiele unten S. 73 (dort Fn. 412 ff.). Beruht die Staffelung des Vorbringens lediglich auf der Nachlässigkeit der Partei, so stellt sich die politische Frage, wie weit diese Nachlässigkeit geduldet werden soll. Dabei ist zu beachten, daß im Verfahrensrecht allgemein ein strengerer Sorgfaltsmaßstab gilt als im sachlichen Recht, weil sich die Partei vor Gericht stets der rechtlichen Bedeutung ihres Handelns bewußt sein muß; vgl. GStJ11, vor § 128 Anm. V 5; ähnl. Wach, Vorträge1, S. 29: Gedankenfaulheit verdient keine Nachsicht. Danach ist im Verfahrensrecht mindestens der Maßstab des § 276 Abs. 1 S. 1 BGB anzuwenden, wonach die Partei Vorsatz und jede Fahrlässigkeit zu vertreten hat. Dies gilt um so mehr, wenn man sie zwingt, sich vor Gericht durch einen Rechtsanwalt vertreten zu lassen; ihren Schutz vor der Nachlässigkeit ihres Anwaltes kann jedenfalls nicht das Verfahrensrecht, sondern muß das Anwaltshaftungsrecht gewähren. 108 So schon Wetzell, S. 965, der ferner auf die Schwierigkeit des Gemeinen Rechts hinwies, daß die Anwälte versucht waren, das Verfahren zu verzögern, um ihre Gebühren zu steigern. Diese Gefahr besteht nach den heutigen festen Gebührensätzen, vgl. früher § 31 BRAGO, jetzt § 2 Abs. 2 RVG i.V. m. Vergütungsverzeichnis Nrn. 3100 ff. nicht mehr. 102 103

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

Gehör gewähren oder Beweis aufnehmen muß, was das Verfahren in die Länge zieht.109 Vgl. den ersten bis achten Termin des Ersten Fallbeispiels: Auf der Stufe der Klagebeantwortung leugnete Fuchs erstens die Höhe des Darlehens sowie zweitens die Fälligkeit der Rückzahlung und behauptete drittens eine Stundung sowie viertens einen aufrechenbaren Gegenanspruch. Mangelnde Fälligkeit und Stundung hätten die Klage jeweils in vollem Umfang, ein geringerer Darlehensbetrag sowie ein aufrechenbarer Gegenanspruch hätten die Klage jeweils teilweise scheitern lassen. Hätte Fuchs alle Verteidigungsmittel gleichzeitig vorgebracht, dann hätte das Gericht über sie alle gleichzeitig Beweis aufnehmen können.110 Da Fuchs die Verteidigungsmittel aber über den ersten, dritten und fünften Termin verteilt vorbrachte, mußte das Gericht die mündliche Verhandlung mehrfach zur Beweisaufnahme vertagen.

Von der Bekämpfung gestaffelten Vorbringens handelt der Zweite Teil dieser Untersuchung. 3. Verzögerungen durch überraschendes Vorbringen

Weiter können die Parteien ihre Behauptungen und Beweise so überraschend vorbringen, daß ihr Gegner nicht ohne vorherige Nachforschung oder Überlegung antworten kann. Die Gefahr derart überraschenden Vorbringens stellt eine Eigenheit des mündlich geführten Rechtsstreits dar, wo sich die Parteien gegen die Behauptungen und Beweise ihrer Gegner augenblicklich zur Wehr setzen müssen.111 Anlaß für überraschendes Vorbringen mag die Hoffnung sein, den Gegner durch einen unerwartet gezückten Trumpf zu überrennen. Diese Hoffnung ist allerdings unbegründet, da weder der Gegner noch das Gericht ein solches Ende des Rechtsstreits zulassen werden. Verzögerungen des Verfahrens ergeben sich hier nämlich gerade daraus, daß der Gegner die überraschende Behauptung vorsichtshalber bestreitet und so eine möglicherweise unnötige Beweisaufnahme veranlaßt, oder daß das Gericht dem Gegner rechtliches Gehör gewährt und dazu die mündliche Verhandlung vertagt. Vgl. den ersten, fünften und siebten Termin des Ersten Fallbeispiels: Im ersten Termin legte Isegrim eine Urkunde des Wolf vor, zu deren Echtheit sich Reineke ohne Absprache mit Fuchs nicht äußern konnte. Im fünften Termin erklärte Reineke die Aufrechnungseinrede des Fuchs, auf die sich Isegrim ohne Rücksprache mit 109 Dies gilt entsprechend für der Staffelung der Verfahrensrügen. Bedenklich deshalb die Ansicht Michels, JuS 1983, 36, nach der es nicht zu beanstanden sei, wenn, allein um Zeit zu gewinnen, Verfahrensmängel der Klage gerügt werden. 110 Zur Nachrangigkeit der Hilfsaufrechnung vgl. allerdings Zeiss9, Rn. 398 ff. 111 Dies gilt um so mehr, wenn die Parteien in der mündlichen Verhandlung nicht persönlich erscheinen, sondern lediglich von ihren Anwälten vertreten werden, vgl. § 78, weil die Anwälte leider nur selten mit allen Einzelheiten des Rechtsstreits vertraut sind.

B. Die Ursachen langwieriger Verfahren

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Wolf nicht erklären wollte. In beiden Fällen vertagte das Gericht die mündliche Verhandlung, um der jeweils überraschten Seite rechtliches Gehör zu gewähren. Im siebten Termin dagegen behauptete Isegrim überraschend einen zur Wandlung berechtigenden Mangel. Reineke bestritt unbedacht den Mangel und verursachte dadurch eine für ihn erfolglose Beweisaufnahme.

Von der Bekämpfung überraschenden Vorbringens handelt der Dritte Teil dieser Untersuchung. 4. Gestaffeltes und überraschendes Vorbringen

Wie sich aus den obigen Beispielen ergibt, können die Parteien ihre Angriffsund Verteidigungsmittel allerdings auch gestaffelt und überraschend zugleich vorbringen.112 Vgl. den fünften Termin des Ersten Fallbeispiels: Die Aufrechnungseinrede erklärte Reineke gemessen an seinen gleichstufigen Verteidigungsmitteln gestaffelt und für Isegrim überraschend.

Ob sich eine etwaige Verzögerung des Verfahrens in diesem Fall aus der Staffelung oder aus der Überraschung ergibt, kann letztlich dahinstehen. Daß gestaffeltes und überraschendes Vorbringen gleichwohl gedanklich trennbare Vorkommnisse des Rechtsstreits darstellen,113 folgt aus der Überlegung, daß einerseits selbst ein gleichzeitiges Vorbringen aller gleichstufigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel zur Vertagung der mündlichen Verhandlung führen kann, wenn es überraschend erfolgt, Vgl. den siebten Termin des Ersten Fallbeispiels: Gegen die Aufrechnungseinrede brachte Isegrim ohne vorherige Ankündigung alle Angriffsmittel des Wolf vor, indem er erstens den Kaufvertrag leugnete und zweitens die Wandlungseinrede erhob. Hätte Reineke nicht aufs Geratewohl bestritten, sondern mit Fuchs Rückspra112 Schließlich können die Parteien auch eine solche Vielzahl von Angriffs- und Verteidigungsmitteln vorbringen, daß der Rechtsstreit daran geradezu erstickt. Die Gefahr solch übermäßigen Vorbringens scheint im schriftlichen größer als im mündlichen Verfahren, weil sich die die Parteien in der Einsamkeit des Schriftwechsels häufig unnötig ereifern; vgl. zu Inhalt und Güte der Schriftsätze der Parteien Oppermann, AcP 38, 14, 21; ähnl. auch von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 7, 129, 134 f.; Baur, S. 18; Baumgärtel, JZ 1971, 441, 445; Lange, NJW 1986, 1728, 1731. Verzögerungen des Verfahrens drohen hier, wenn das Gericht mühevoll die erheblichen von den unerheblichen Angriffs- und Verteidigungsmitteln scheiden muß oder wenn die Parteien z. T. wider besseres Wissen bestreiten und so unnötige Beweisaufnahmen verursachen. Die ZPO gewährt dem Gericht darauf die Möglichkeit, das Verfahren über mehrere im Streit stehende Rechte zu trennen, § 145, oder die Verhandlung auf einzelne selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel beschränken, § 146. Als selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel werden dabei alle selbständigen Klagebehauptungen und selbständigen Gegenbehauptungen bezeichnet; vgl. GStJ20-Leipold, § 146 Rn. 4 ff. 113 Die gemeinsame Regelung beider Vorkommnisse im heutigen § 296 verschleiert dies; vgl. hierzu auch Deubner, NJW 1979, 337, 338 a. E. f.; ders., NJW 1985, 1140, 1141.

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1. Teil: Bürgerlicher Rechtsstreit und Beschleunigung allgemein

che gehalten, so hätte dieses nicht gestaffelte aber überraschende Vorbringen eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erzwungen.

und daß andererseits auch ein angekündigtes Vorbringen eine Verzögerung des Verfahrens verursachen kann, wenn es gestaffelt erfolgt. Vgl. den ersten, dritten und fünften Termin des Ersten Fallbeispiels: Isegrim benannte Bär und Specht als Zeugen für das Rückzahlungsversprechen des Fuchs. Obwohl beide Zeugen angekündigt worden waren, mußte das Gericht die Zeugen doch in zwei aufeinanderfolgen Terminen vernehmen, weil Isegrim seine Beweise gestaffelt hatte. Eine Verzögerung des Verfahrens verhinderte das Gericht nur durch die Verbindung des Beweistermins für die Vernehmung der Zeugen Specht und Dachs, wenngleich sich die Ladung des Zeugen Dachs schließlich als überflüssig erwies.114

Darum müssen gestaffeltes und überraschendes Vorbringen getrennt untersucht werden, wenn ihre unterschiedlichen Ursachen und Auswege klar aufgezeigt werden sollen.

C. Die Bekämpfung verzögernden Parteihandelns Der Bekämpfung verzögernden Parteihandelns dienen Verfahrensstrafen. Wichtigste Maßregeln gegen die Verschleppung oder Unterlassung sinnvoller Parteihandlungen sind ihr Ausschluß aus dem Verfahren, die Präklusion, und ihre Unterstellung durch das Gericht, die Fiktion.115 Im Falle eines Ausschlusses beachtet das Gericht die verschleppte Parteihandlung nicht, und das Verfahren wird ungesäumt fortgesetzt. Häufig erhält die Partei dabei Fristen und Termine zur Vornahme der Prozeßhandlung, an deren Versäumung die Ausschlußstrafe geknüpft wird, vgl. etwa § 230 ZPO.116 Im Falle einer Unterstellung ersetzt dagegen das Gesetz die unterlassene Parteihandlung, was ebenfalls eine ungesäumte Fortsetzung des Verfahrens ermöglicht. Nimmt die Partei die Prozeßhandlung schließlich doch noch vor, so bewirkt die Unterstellungsstrafe zugleich auch ihren Ausschluß, vgl. etwa § 138 Abs. 3.117 Welche der beiden Strafen angedroht wird, hängt davon ab, ob die 114

Zu den Vorzügen der sog. Beweiserfrühung vgl. insofern unten S. 155. Zum Begriff vgl. Heinrich Lehmann, S. 34. 116 Eingehend Renaud, S. 213 ff. noch zum Gemeinen Recht, 480 ff.; ferner Schmidt, S. 641 ff. zum heutigen Recht. Die ZPO unterscheidet dabei zwischen der teilweisen Versäumung einzelner Prozeßhandlungen, §§ 230 ff., und der völligen Versäumung aller Prozeßhandlungen durch Nichtverhandeln oder Nichterscheinen im Termin, der Versäumnis, §§ 330 ff.; vgl. Schmidt, S. 350 f., 550 f.; Rosenberg15, S. 375 f. Eine Besonderheit bildet § 330 Abs. 3. 117 Zur Unterstellungsstrafe des § 138 Abs. 3 vgl. Schmidt, S. 350 f.; ferner Rosenberg15, S. 376 f. Eine Merkwürdigkeit bildet in diesem Zusammenhang § 269 Abs. 2 S. 4N02, der zwar eine Unterstellungsstrafe androht, sie aber durch die Ausgestaltung der Wider115

C. Die Bekämpfung verzögernden Parteihandelns

39

Parteihandlung für das weitere Verfahren verzichtbar ist oder nicht: Im ersten Fall mag eine Ausschluß-, im zweiten kann nur eine Unterstellungsstrafe verhängt werden. Weitere Maßregel gegen die Verschleppung oder Unterlassung sinnvoller Parteihandlungen ist die Auferlegung von Kostenstrafen, vgl. etwa §§ 95 ff.118 Allerdings werden die Parteien Kostenstrafen im Zweifel auf sich nehmen, insbesondere wenn sie im Falle eines Sieges aufgewogen würden.119 Außerdem benachteiligen Kostenstrafen die arme gegenüber der reichen Partei, wenn sie sich verzögerndes Verhalten nicht leisten kann und so den kürzeren Atem hat.120 Erlaß oder Übernahme durch die öffentliche Hand scheiden insofern aus, weil damit ja Verzögerungen des Verfahrens begünstigt würden.121 Kostenstrafen sind deshalb zur Bekämpfung langwieriger Verfahren wenig geeignet122 und in der ZPO zu Recht mehr und mehr in den Hintergrund getreten.123

spruchsfrist als Notfrist mit einer Ausschlußstrafe verbindet. Der Gesetzgeber wollte damit einerseits den Beklagten zur zügigen Antwort auf das Klagezurücknahmebegehren anhalten, ihm andererseits aber auch die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewähren; vgl. die Mot.N02, S. 55. Handwerklich besser wäre es gewesen, die Bestimmung des § 269 wie folgt neu zu fassen: Die Klage kann nach dem Beginn der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache gegen den Widerspruch des Beklagten nicht zurückgenommen werden. . . . Der Widerspruch des Beklagten ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen . . . zu erheben. In diesem Falle wäre das Gesetz nämlich ohne Änderung in der Sache mit einer Ausschlußstrafe ausgekommen. 118 Ähnl. sieht § 34 Abs. 2 BVerfGG eine Maßregel gegen die mißbräuchliche Einlegung einer Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 Abs. 1 Nrn. 4a und b, der Wahlprüfungsbeschwerde nach Art. 41 Abs. 2 GG und den mißbräuchlichen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung nach § 32 BVerfGG vor. Weitere Beispiele bei Rosenberg15, S. 376. 119 Bovensiepen, DRiZ 1912, 179, 181. 120 Peters, S. 53; Mot.N76, S. 39. 121 Die Kostenstrafe des früheren § 34 GKG, jetzt § 38 GKG, trifft eine Partei darum auch dann, wenn ihr Prozeßkostenhilfe gewährt worden ist; vgl. Markl3, § 34 Rn. 2; ferner Markl2, § 34 Rn. 2, 13 m. w. N. zum früheren Armenrecht. 122 So schon Sonnenschmidt, ZZP 2, 208, 234 f., der durch die Schwäche der Kostenstrafen die Würde des Gerichts gefährdet sah, weil die Parteien den Maßregeln des Gerichts u. U. mit Gleichgültigkeit begegnen konnten; vgl. ferner die Mot.N76, S. 39. 123 Zu den Kostenstrafen der ZPO vgl. Görres, ZZP 34, 1, 102 ff.; ferner unten Fn. 507, 684. Die früheren §§ 251278 Abs. 2, 256283 Abs. 2 wurden im Rahmen der Neufassung der ZPO von 1976 gestrichen; vgl. hierzu die Mot.N76, S. 39.

Zweiter Teil

Von der Bekämpfung gestaffelten Vorbringens im besonderen Die Staffelung gleichstufiger Angriffs- oder Verteidigungsmittel läßt sich als Verschleppung sinnvoller Prozeßhandlungen begreifen. Sie wird noch heute mit einer Kostenstrafe bedroht, § 38 S. 1, 3. Fall GKG. Bedeutender sind allerdings auch hier Ausschlußstrafen, weil nur sie die Parteien in die Gefahr bringen, im Falle eines Scheiterns ihrer vorgebrachten durch die Nichtbeachtung ihrer zurückgehaltenen Angriffs- oder Verteidigungsmittel im Rechtsstreit zu unterliegen.124, 125 Vgl. den dritten Termin des Ersten Fallbeispiels: Gemessen am Zeugen Bär benannte Wolf den Zeugen Specht gestaffelt. Wäre der Zeuge Specht ausgeschlossen worden, dann wäre der Beweis des Rückzahlungsversprechens gescheitert, da die Aussage des Zeugen Bär unergiebig blieb. Die Klage hätte bereits im dritten Termin abgewiesen werden können.

Drei verschiedene Ausgestaltungen dieser Ausschlußstrafe zeigen im folgenden die Beispiele des Gemeinen Rechts, der HPO126 und der ZPO. Der Darstel-

124 Eingehend zur Frage des Ausschlusses und seiner verschiedenen Aufgaben im Verfahren Otto. 125 Im Falle gestaffelt vorgebrachter Verfahrensrügen dient der Ausschluß allerdings nicht nur der Beschleunigung, sondern auch der Sicherung des Rechtsstreits. Da ein Verfahrensmangel das auf ihm fußende Verfahren nach dem oben S. 33 Gesagten nämlich zunichte machen kann, muß das Gericht vor der Fortsetzung des Verfahrens auf den Verfahrensmangel aufmerksam werden. Es kann dann entweder den Verfahrensmangel beheben bzw. beheben lassen oder das Verfahren beenden. Die ZPO gibt deshalb den Parteien mehrfach auf, vor der Fortsetzung des Verfahrens etwaige Verfahrensrügen geltend zu machen, und schließt später angebrachte Verfahrensrügen aus dem Verfahren aus, vgl. §§ 295, 296 Abs. 3, 267 (Daß der Ausschluß in § 267 als unwiderlegbare Vermutung gefaßt ist, soll lediglich verhindern, daß die Partei unter Vorschützung einer Entschuldigung die Verfahrensrüge doch noch vorbringen kann; vgl. Seuffert, § 269 Anm. 2; ferner die Mot.CPO, S. 188.); ähnl. §§ 39 S. 1, 43; ferner § 269 Abs. 2 S. 4N02 (oben Fn. 117). Soweit der Ausschluß der Verfahrensrügen aber der Sicherung des Verfahrens dient, steht er nicht im Zusammenhang mit der Konzentrationsmaxime und bleibt im folgenden außer Betracht. I.E. ebenso schon Otto, S. 151 f.; a. A. offenbar GStJ21-Leipold, § 295 Rn. 1, der ein schnelles und sicheres Verfahren als Gesetzeszweck des § 295 betrachtet. 126 Vgl. unten S. 51 ff.

A. Das Gemeine Recht

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lung der Ausschlußstrafe geht dabei zum besseren Verständnis jeweils eine Darstellung des Verfahrensganges voraus.127

A. Das Gemeine Recht Das Verfahren nach Gemeinem Recht ging im wesentlichen auf die Verfahrensordnungen und -gebräuche des Reichskammergerichts (RKG) zurück.128 Die Errichtung des RKG wurde im Jahre 1495 durch den Reichstag zu Worms unter Kaiser Maximilian I. beschlossen, um Ersatz zu schaffen für das frühere Reichshofgericht und das frühere kaiserliche Kammergericht.129 Das RKG übte u. a. die ordentliche Gerichtsbarkeit über Reichsunmittelbare aus und war oberstes Rechtsmittelgericht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.130, 131 Seinen Sitz nahm es stets in einer freien Reichsstadt, nämlich zunächst in Frankfurt am Main, dann zeitweise in Speyer und schließlich seit 1693 in Wetzlar.132 Das RKG bestand bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806.133 Seit dem Jahre 1600 waren die deutschen Länder gehalten, ihr Verfahren der jeweiligen Reichskammergerichtsordnung (RKGO)134 nachzubilden,135 und wo ihre eigenen Verfahrensordnungen nicht ausreichten, wandten sie daneben die RKGO unmittelbar an.136 So wurde das Verfahren des RKG gemeines deut-

127

Zum Begriff des Verfahrensganges, der ordo iudicii, vgl. Renaud, S. 636. Endemann, S. 29, 33; Renaud, S. 8; Wetzell, S 6; zur Geschichte des Reichskammergerichts Schwartz, S. 67 ff. 129 Schmidt, S. 83 (dort Fn. 2); Schwartz, S. 67 ff. 130 Eingehend zur Gerichtsbarkeit des Reichskammergerichts Wetzell, S 372 f. 131 Seine Stellung als oberstes Rechtsmittelgericht des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verlor das Reichskammergericht allerdings mehr und mehr, als sich v. a. die großen deutschen Länder, namentlich Bayern, Österreich, Preußen, Sachsen und Württemberg, durch kaiserliche privilegia de non appellando seiner Rechtsprechung entzogen; vgl. Schwartz, S. 125; Wetzell, S. 365. 132 Wetzell, S. 371; Schmidt, S. 83 (dort Fn. 2). 133 Schwartz, S. 125. 134 Die RKGO von 1495, 1521/23 und 1548/55 folgten zunächst römischem und kanonischem, spätestens i. d. F. des Jüngsten Reichsabschiedes (JRA) aber auch älterem deutschen Verfahrensrecht; vgl. Renaud, S. 8 f.; Wetzell, S. 4 (dort insbes. Fn. 5) u. ff., 967 ff.; Schwartz, S. 83 f., 109 f., 116 ff. Als Reichsabschied bezeichnete man die gesammelten Beschlüsse eines Reichstages. Der letzte und somit jüngste Reichsabschied erging 1654, da der Reichstag seit 1663 ununterbrochen tagte; vgl. Brockhaus, S. 587 f. 135 Wetzell, S. 6 f., der darauf hinweist, daß die Verfahrensordnungen der Hofgerichte vieler Länder auch vor 1600 schon die jeweilige RKGO nachahmten. Zum Widerstand gegen die römischen und kanonischen Rechtsgedanken der RKGO in Sachsen Schwartz, S. 127 ff. 136 Renaud, S. 17; Wetzell, S. 6; vgl. auch DahlmannsI, S. 25 (dort Fn. 25). 128

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

sches Recht und blieb es, soweit die Länder sich nicht neue Verfahrensordnungen gaben,137 bis zum Inkrafttreten der ZPO am 1. Oktober 1879.138 I. Der Verfahrensgang nach Gemeinem Recht Das Gemeine Recht ordnete die Schriftlichkeit der Verhandlung an,139 d.h. die Parteien brachten ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in Schriftsätzen vor,140 und das Gericht urteilte aufgrund des schriftlichen Vorganges.141 Dazu reichten die Parteien ihre Schriftsätze in zweifacher Abschrift bei Gericht ein,142 von denen das Gericht die erste zu seinen Unterlagen nahm und die zweite der jeweils anderen Partei zustellen143 ließ. Außerdem bestimmte das Gemeine Recht, daß sämtliche Prozeßhandlungen in einer bestimmten Reihenfolge vorzunehmen waren,144 um einen geordneten Ablauf des Verfahrens zu sichern und eine Prozeßverwirrung145 zu vermeiden.146 Dies hatte zur Folge, daß grundsätzlich alle Verfahren den gleichen Verlauf nahmen.147 1. Das erste Verfahren

Im sog. ersten Verfahren148 hatten die Parteien Gelegenheit, ihre Behauptungen vorzubringen. Es wurde eingeleitet durch die Klageschrift, den libellus conventionis,149 in der der Kläger seine Behauptungen in einer zusammenhängen137 Aufzählungen der wichtigsten Verfahrensordnungen der Länder finden sich bei Renaud, S. 12 ff. und Endemann, S. 36 ff. 138 Renaud, S. 17 f.; GStJ11, Einleitung § 3 Anm. IV a. E. 139 So in der normalen Form des Verfahrens, während die anomale Form des summarischen Verfahrens auch mündliches Vorbringen kannte; vgl. Renaud, S. 204 ff., 636; differenzierend Endemann, S. 359 f.; ferner Wetzell, S. 898. 140 Anstelle von Schriftsätzen war es den Parteien z. T. gestattet, ihr Vorbringen zu Protokoll des Gerichts zu geben; vgl. Endemann, S. 358 f. 141 Den Ausspruch quod non est in actis, non est in mundo bezogen Schmidt, S. 77, und Rosenberg2, S. 10, auf den Schriftlichkeitsgrundsatz, Wetzell, S. 520, und von Bar, S. 6, dagegen auf den Verhandlungsgrundsatz, Goldschmidt2, S. 13, 47; 44, wiederum auf beide Grundsätze; vgl. hierzu auch PlanckI, S. 176, und DahlmannsI, S. 13 (dort Fn. 12). 142 Vgl. Renaud, S. 639, 647, 662 u. öfter. Das Gericht vermerkte dabei auf den Schriftsätzen jeweils das Eingangsdatum, auch Präsentatum; vgl. dens., S. 205; Endemann, S. 432. Zu unterscheiden war zwischen dem Rezeßverfahren, der Überreichung des Schriftsatzes in einem Termin vor dem Gericht, und dem Schriftwechselverfahren, der Einreichung des Schriftsatzes bei der Gerichtskanzlei; vgl. Wetzell, S. 896 ff.; Schmidt, S. 92. 143 Auch insinuieren; vgl. Renaud, S. 205 f.; 452, 454, ferner 644, 658 u. öfter. 144 Renaud, S. 636. 145 Zum Begriff Schmidt, S. 77, 632. 146 Vgl. Wetzell, S. 955; Schmidt, S. 634 f. 147 Schmidt, S. 77, 631 ff; vgl. ferner Wetzell, S. 937 ff., 941 ff.

A. Das Gemeine Recht

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den Geschichtserzählung150 kurz und nervose, jedoch deutlich, distincte und klar151 darstellte und so der Klage ein tatsächliches Fundament gab.152 Daneben sollte, ohne daß ein Rechtssatz genau zu bezeichnen war,153 das Begehren auch rechtlich begründet und so der Klage ein juristisches Fundament gegeben werden.154 Schließlich nannte der Kläger in der Klagbitte, dem petitum,155 den Anspruch, den er aus seiner tatsächlichen und rechtlichen Klagebegründung ableitete.156 Auf die Klageschrift antwortete das Gericht mit einer verfahrensleitenden Verfügung,157 indem es die Klage entweder durch rejektorisches Dekret als unzulässig oder unschlüssig zurückwies158 oder den Beklagten durch Kommunikativdekret159 zur Vernehmlassung auf die Klage aufforderte.160

148 Nach Gemeinem Recht wurde der Rechtsstreit in drei sog. Verfahren verhandelt, nämlich zwei Erkenntnisverfahren und einem Zwangsvollstreckungsverfahren; vgl. Renaud, S. 637. Endemann, S. 611 f., zählte als viertes sog. Verfahren das Rechtsmittelverfahren; dagegen Renaud, S. 637. 149 Mit Einreichung der Klageschrift bei Gericht wurde die Klage erhoben; vgl. Renaud, S. 638 f.; Endemann, S. 614 f. Die Rechtshängigkeit der Sache trat dagegen z. T. erst mit der Klagebeantwortung ein; vgl. Renaud, S. 181 ff., 184; Wetzell, S. 134 ff. Schon Endemann, S. 636, sah für die Rechtshängigkeit allerdings die Zustellung der Klageschrift an den Beklagten als entscheidend an. 150 Das Gemeine Recht schrieb damit die Summariklage vor. Die Artikelklage, bei der der Kläger die Tatsachen in einzelnen Behauptungen aneinanderreihen mußte, hatte der JRA (oben Fn. 134) aufgegeben; vgl. hierzu Renaud, S. 639; Wetzell, S. 946, 970 f. Zur Reihenfolge des Inhalts der Klageschrift vgl. Renaud, S. 639; ferner Endemann, S. 618 ff. 151 So wörtlich § 34 JRA. 152 Renaud, S. 226, 227, 639; Endemann, S. 618 ff. 153 Wetzell, S. 178 a. E.; Renaud, S. 226. 154 Renaud, S. 226 f.; Endemann, S. 620. Vom Beibringungsgrundsatz wich das Gemeine Recht insofern ab. Endemann, a. a. O., führte dagegen auch die Angabe des juristischen Fundaments auf den Beibringungsgrundsatz zurück. 155 Renaud, S. 639; Endemann, S. 623. 156 Renaud, S. 639; Endemann, S. 623 f. 157 Zu verfahrensleitenden Verfügungen des Gerichts allgemein vgl. Zeiss9, Rn. 522. 158 Vgl. hierzu Renaud, S. 643 f.; ferner Endemann, S. 633 ff. Der Grund der Zurückweisung war im Ausspruch enthalten, etwa ad purificandum bei beleidigenden oder ungebührlichen Äußerungen in der Klage, ad separandum bei unzulässiger Klagenhäufung u. a.m. Im Falle eines rejektorischen Dekrets wurden dem Kläger die Verfahrenskosten auferlegt. Trug jedoch sein Rechtsbeistand die Schuld an der Zurückweisung, dann trafen die Kosten ihn, und zudem wurde ihm durch das rejektorische Dekret untersagt, für die Abfassung der Klage ein Entgelt zu verlangen. 159 Vgl. Renaud, S. 449. 160 Renaud, S. 644; Endemann, S. 635. Dabei konnte es die Zustellung der Klage durch Prälokut von der Erfüllung bestimmter Auflagen durch den Kläger abhängig machen, nämlich insbesondere von der Vorlage einer Vollmacht seines Stellvertreters; vgl. Renaud, S. 645.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

In seiner Vernehmlassungsschrift hatte der Beklagte Gelegenheit, das tatsächliche Fundament der Klage durch seine Klagebeantwortung zu erschüttern.161 Auf einfache Gegenbehauptungen konnte er dabei allerdings verzichten, weil jede nicht ausdrücklich zugestandene Behauptung nach Gemeinem Recht als bestritten galt.162 Ferner konnte der Beklagte durch rechtliche Gegenschlüsse auch gegen das juristische Fundament der Klage angehen.163 Wollte er mit der Klage zugleich eine Widerklage verhandeln, dann mußte er sie außerdem bereits jetzt erheben.164 Den Abschluß der Vernehmlassungsschrift bildete regelmäßig die Gegenbitte, das petitum165 des Beklagten um Abweisung der Klage als unbegründet, absolutio ab actione.166 Eine Ausnahme vom regelmäßigen Inhalt der Vernehmlassungsschrift bestand allerdings, wenn der Beklagte bestimmte Verfahrensmängel der Klage, nämlich die fehlende Zuständigkeit, Inkompetenz des Gerichts,167 die anderweitige Rechtshängigkeit, Litispendenz168 der Sache oder die Prävention169 rügte. Mit diesen Deklinatorien170 bemühte sich der Beklagte um eine Abweisung der Klage als unzulässig, absolutio ab instantia,171 und nach Gemeinem Recht durfte er bis zur Entscheidung über die Deklinatorien172 die Verhandlung zur Hauptsache zu verweigern,173 um sich nicht vor einem ggf. unzuständigen Gericht verteidigen zu müssen. Die Deklinatorien wurden deshalb auch als prozeßhindernde Einreden bezeichnet.174 Schützte der Beklagte also Deklinatorien vor, dann konnte er zunächst auf eine Klagebeantwortung verzichten,175 und er161

Renaud, S. 646, 230 ff; zum Anerkenntnis vgl. Wetzell, S. 116; Renaud S. 647,

275 f. 162 Renaud, S. 659, 484; gerade umgekehrt die Unterstellung eines Geständnisses nach dem heutigen § 138 Abs. 3 ZPO; vgl. oben S. 38. 163 Renaud, S. 231. 164 Renaud, S. 657. 165 Wetzell, S. 943 f.; vgl. ferner Endemann S. 367 f. 166 Renaud, S. 647. Zur Reihenfolge des Inhalts der Vernehmlassungsschrift vgl. dens., S. 649. 167 Renaud, S. 107. 168 Renaud, S. 181; vgl. oben Fn. 149. 169 Von Prävention war die Rede, wenn beide Parteien unabhängig voneinander bei verschiedenen Gerichten die jeweils andere verklagt hatte. Zuständig wurde dann dasjenige Gericht, das die jeweilige Klage zuerst insinuieren ließ, bei gleichzeitiger Insinuation entschied das Los; vgl. Endemann, S. 229; Wetzell, S. 511 f.; Renaud, S. 649, 108. 170 Zum Begriff Renaud, S. 649 a. E. 171 Endemann, S. 523; Renaud, S. 237. 172 Zum Verfahren vgl. Renaud, S. 657. 173 Renaud, S. 649; Wetzell, S. 972. 174 Renaud, S. 649. Die ältere Rechtslehre legte z. T. noch anderen Verfahrensmängeln der Klage prozeßhindernde Eigenschaften bei; dagegen Renaud, S. 652 ff., 236 ff.; i. E. ähnl. Wetzell, S. 972 f.; vgl. ferner oben Fn. 93. 175 A. A. offenbar Endemann, S. 591, 658.

A. Das Gemeine Recht

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hielt erneut Gelegenheit zur Verteidigung gegen die Klage, falls sich die Deklinatorien als unbegründet erwiesen.176 I.d.R. gewährte das Gericht jedoch auf die Vernehmlassungsschrift jeweils durch Kommunikativdekret Gelegenheit zu Replik,177 Duplik, Triplik, Quadruplik usw.178 Brachte keine der Parteien mehr selbständige Gegenbehauptungen vor, dann beendete das Gericht die Verhandlung durch eine weitere verfahrensleitende Verfügung, den Aktenschluß,179 und erließ nach dem jeweiligen Sach- und Streitstand, dem status causae et controversiae, ein Urteil.180 Bedurfte es keines Beweises, dann konnte die Sache schon jetzt durch Endurteil, Definitiverkenntnis, erledigt werden,181 ansonsten erging kein End-, sondern ein Beweisurteil, das Beweisinterlokut.182 Darin stellte das Gericht die Beweissätze fest,183 d.h. welche Behauptungen aufgestellt worden waren und welche davon des Beweises bedurften, sowie die Beweisauflagen,184 d.h. welche Partei die Beweislast für die jeweilige Behauptung trug.185 Der Gestalt nach war das Beweisurteil als wirkliches Urteil, Dezisivdekret,186 unwiderruflich, der Rechtskraft fähig und außerdem mit Rechtsbehelfen selbständig angreifbar,187 dem Inhalt nach erschien es wie ein Endurteil unter der Bedingung des Beweises.188 Mit seinem Erlaß leitete das Gericht zugleich das zweite Verfahren ein.189 176 Renaud, S. 650, 658; Wetzell, S. 972. Im Falle böswilligen Vorschützens von Deklinatorien traf den Beklagten allerdings eine Kostenstrafe; vgl. Renaud, S. 650. 177 Renaud, S. 242 f., 659, 660 f.; Endemann, S. 667 ff. Außerdem mußte sich der Kläger auf eine etwaige Widerklage vernehmen lassen, während eine Klageänderung ausgeschlossen war; vgl. Renaud, S. 190, 659, 665. Die Reihenfolge des Inhalts der Replik entsprach der für die Vernehmlassungsschrift, vgl. dens., S. 663 und oben Fn. 166. 178 Renaud, S. 242 f., 664 ff.; Wetzell, S. 170; Endemann, S. 668. 179 Renaud, S. 668. 180 Renaud, S. 638; 667 ff., 669. Das Gericht konnte den Aktenschluß jedoch bis zum Urteil aufheben und wieder in die Verhandlung eintreten, vgl. dens., S. 668. 181 Renaud, S. 447, 448. Bei sofortigem Endurteil konnte der förmliche Aktenschluß unterbleiben, vgl. dens., S. 669. 182 Renaud, S. 669, 671. Das Beweisurteil zählte zu den Zwischenurteilen, sententiae interlocutoriae vim definitivae habentes, vgl. dens., S. 448; ferner Endemann, S. 518. 183 Auch Beweisthema; vgl. Renaud, S. 672 f.; ferner Endemann, S. 676; Wetzell, S. 975. Zum heutigen Recht Rosenberg2, S. 358. 184 Renaud, S. 672, 253; Wetzell, S. 975. Der Beweis für eine Gegenbehauptung wurde nur hilfsweise für den Fall aufgelegt, daß die vorangegangene Behauptung bewiesen werden konnte, vgl. Wetzell, a. a. O. 185 Anträge und Behauptungen, die das Gericht nicht in das Beweisurteil aufnahm, wurden damit stillschweigend aus dem Verfahren gewiesen; vgl. Renaud, S. 671; Wetzell, S. 975. 186 Renaud, S. 448; einschränkend hinsichtlich des Vorbehalts des Gegenbeweises ders., S. 675. 187 Renaud, S. 675, 525 f. 188 Renaud, S. 674; Endemann, S. 596.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere 2. Das zweite Verfahren

Im sog. zweiten Verfahren190 sollten die Parteien dann ihre Behauptungen beweisen. Es gliederte sich seinerseits in den Beweisantritt, die Beweisaufnahme191 und das Schlußverfahren.192 Zum Beweisantritt benannten die Parteien in einer Beweisantretungsschrift die Beweismittel,193 mit denen sie den ihnen auferlegten Beweis führen wollten.194, 195 Es folgte die Beweisaufnahme mit dem vorbereitenden Produktionsverfahren, wo die Beweiseinreden der Parteien verhandelt wurden,196 und der Beweisproduktion i. e.S., wo das Gericht die Beweise aufnahm.197 Im vorbereitenden Produktionsverfahren gab das Gericht den Parteien zunächst durch Kommunikativdekret auf, ihre Beweiseinreden in einer Beweiseinredeschrift geltend zu machen.198 Auf die Beweiseinredeschrift wurde wiederum durch Kommunikativdekret eine Beweisreplik gewährt, und ähnlich dem ersten Verfahren konnte sich so ein Schriftwechsel bis zur Beweisduplik ergeben.199 Schließlich entschied das Gericht durch Produktionsbescheid,200 ob die fraglichen Beweismittel zur Beweisproduktion i. e. S. zugelassen wurden. Das vorbereitende Produktionsverfahren konnten die Parteien allerdings z. T. umgehen, indem sie bereits im ersten Verfahren zusammen mit ihren Behauptungen ihre Beweise benannten. Auf diese Antizipation oder Erfrühung201 eines Beweismittels konnte die Gegenseite auch schon ihre Beweiseinreden vorbringen, und so mochte sich das gesamte vorbereitende Produktionsverfahren bereits im ersten Verfahren abspielen.202, 203 Im günstigsten Fall zog eine Partei 189

Renaud, S. 671; Wetzell, S. 975. Vgl. oben Fn. 148. 191 Auch Beweisproduktion; vgl. Renaud, S. 671, 685. Die Beweisaufnahme erfolgte regelmäßig in einem Termin vor dem erkennenden Gericht; vgl. Endemann, S. 837; ferner Renaud, S. 683 a. E., 690 a. E. 192 Renaud, S. 671, 685. 193 Zu den Beweismitteln des Gemeinen Rechts vgl. Renaud, S. 252. 194 Renaud, S. 686; 678 f. Die Parteien konnten außerdem Gegenbeweis antreten; vgl. dens., S. 259 ff. 195 Mit der Benennung durch den Beweisführer, den Produzenten, wurden die Beweismittel in das Verfahren eingeführt, induziert; vgl. Renaud, S. 678. 196 Renaud, S. 685. 197 Zum Begriff der Beweisproduktion vgl. oben Fn. 191. 198 Renaud, S. 686. 199 Renaud, S. 686, 687. 200 Renaud, S. 687 a. E. f. 201 Renaud, S. 422 a. E. 202 Renaud, S. 421 f.; Endemann, S. 603 ff. Erfrühte eine Partei eine Urkunde, dann mußte ihr Gegner auch seine Beweiseinreden erfrühen; durch Einreichung der Urkunde zu den Akten konnte der Beweis ferner auch schon aufgenommen werden, vgl. Renaud, S. 422, 656 a. E. f. u. öfter; Endemann, S. 604. 190

A. Das Gemeine Recht

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dann angesichts der erfrühten Beweismittel ihres Gegners eine Behauptung sogar zurück, und ein Beweis erübrigte sich. Außerdem konnte sie ein Beweismittel, das ernstzunehmenden Beweiseinreden begegnete, frühzeitig fallen lassen und so das zweite Verfahren entlasten.204, 205 Im Schlußverfahren endlich äußerten sich die Parteien zum Ergebnis der Beweisaufnahme. Zu diesem Zweck konnten sie versuchen, die gegnerische Beweisführung in einer Beweisimpugnationsschrift rechtlich oder tatsächlich zu entkräften und beantragen, sie für mißlungen zu erachten.206 Auch gegen einen solchen Angriff durften sich die Parteien wiederum jeweils durch eine Salvationsschrift wehren.207 Nach Beendung des Schlußverfahrens erließ das Gericht dann das Endurteil. II. Die Ausschlußvorschriften des Gemeinen Rechts 1. Der gesetzliche Regelfall

Hätte das Gemeine Recht gestaffeltes Vorbringen zugelassen, dann hätte der Grundsatz der Reihenfolge u. U. die Wiederholung des gesamten Verfahrensganges wegen jedes neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittels erzwungen. Hätte der Beklagte nämlich z. B. eine Exception vorgebracht und dann die Replik, Duplik usw. abgewartet, um dann von neuem eine Exception nachzuschieben, dann hätte auch jeweils von neuem eine Replik, Duplik usw. gewährt werden müssen, was die Erledigung des Rechtsstreits immer wieder verzögert hätte.208 Zum ersten schloß das Gemeine Recht deshalb mit dem Aktenschluß das Vorbringen neuer Behauptungen209, 210 und mit dem Produktionsbescheid das Vorbringen neuer Beweise211 aus. So war gesichert, daß sowohl das erste als 203 Eine Erfrühung von Behauptungen hätte dagegen dem Grundsatz der Reihenfolge widersprochen und galt darum als jedenfalls unerheblich und unzweckmäßig; vgl. Endemann, S. 591; ferner Renaud, S. 239, 641 f. 204 Wetzell, S. 960; ähnl. Endemann, S. 604. 205 Einen ähnlichen Gedanken verfolgt das heutige selbständige Beweisverfahren im Falle des § 485 Abs. 2 Nr. 3 S. 2. Hier soll gar der Rechtsstreit überhaupt vermieden werden, indem sich die Parteien vorweg von der Beweislage überzeugen. 206 Renaud, S. 698 f. 207 Ein weiterer Schriftwechsel fand hier aber nicht statt; vgl. Renaud, S. 699; a. A. Endemann, S. 837; einschränkend Wetzell, S. 954. 208 Vgl. Wetzell, S. 940, 964 f.; ferner Schmidt, S. 634, und die Mot.HPO, S. 6 a. E. 209 Renaud, S. 675 a. E. f. 210 Das späte Gemeine Recht gestattete den Parteien allerdings, nach Erlaß des Beweisurteils Beweis per aequipollens zu erbringen, d.h. den Beweis einer anderen als der ursprünglichen Behauptung, wenn beide nur zu derselben Rechtsfolge führten; vgl. Endemann, S. 676 f.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

auch das zweite Verfahren stets nur einmal durchlaufen werden mußte. Das Verfahren gliederte sich damit in nur einen Abschnitt der Behauptungen und nur einen Abschnitt der Beweise,212 so daß beim Scheitern einer Behauptung im Beweis keine neue mehr nachgeschoben werden konnte, was eine Staffelung auf den Beweis unmöglich machte. Der Beweisstaffelung setzte das Gemeine Recht also die Sonderung der Behauptung von ihrem Beweis, die Beweistrennung213 entgegen. Zum zweiten schloß das Gemeine Recht aber mit jeder verfahrensleitenden Verfügung auch schon alle neuen Behauptungen oder Beweise der zurückliegenden Stufe des Rechtsstreits aus.214 So wurde erreicht, daß keine Stufe des Rechtsstreits wiederholt durchlaufen werden mußte. Das Verfahren gliederte sich damit also weiter in Unterabschnitte von Rede und Gegenrede der Parteien, so daß beim Scheitern eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels an einer Antwort des Gegners kein neues nachgeschoben werden konnte, was auch eine Staffelung auf die Antwort ausscheiden ließ. Der Antwortstaffelung setzte das Gemeine Recht also die Sonderung des Angriffs- oder Verteidigungsmittels von der gegnerischen Antwort, die Antworttrennung entgegen. Um einen Ausschluß zu vermeiden, mußten die Parteien deshalb stets alle gleichstufigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel gleichzeitig,215 uno actu,216 vorbringen, d.h. auf alle klagebegründenden alle klagebeantwortenden Behauptungen, darauf alle Repliken, darauf alle Dupliken usw.217, 218 Daß sie ihre Behauptungen und Beweise dabei größtenteils hilfsweise, in eventu219 vorbrachten, wurde als die Eventualmaxime220 des Gemeinen Rechts bezeichnet.221 Festzu211

Renaud, S. 204, 648. Vgl. Renaud, S. 637 ff., 670 ff. 213 Schmidt, S. 634, 91. 214 Vgl. Renaud, S. 204, 648, 650. Es handelte sich dabei nicht um eine besondere Versäumnisstrafe, poena contumaciae specialis, sondern eine Maßregel eigener Art; vgl. dens., S. 482, 491, 658. Ein buchstäblich gleichzeitiges Vorbringen war demnach nicht gefordert, denn zumindest bis zur nächsten verfahrensleitenden Verfügung des Gerichts konnten Angriffs- und Verteidigungsmittel nachgeschoben werden; vgl. auch Damrau, S. 29. Unrichtig daher DahlmannsI, S. 17, der behauptet, die verschiedenen Abschnitte des Verfahrens nach Gemeinem Recht hätten sich aus den entsprechenden Fristen ergeben. 215 Wetzell, S. 940; Renaud, S. 202. 216 Endemann, S. 591. 217 Endemann, S. 826 ff. 218 Ebenso sollten auch alle Deklinatorien zugleich geltend gemacht werden; vgl. Renaud, S. 650. 219 Vgl. oben S. 35. 220 Zum Begriff der Eventualmaxime vgl. schon oben Fn. 38. 221 Vgl. nur Renaud, S. 202 ff.; Endemann, S. 589 ff.; Zeiss9, Rn. 205; Damrau, S. 27 ff. u. öfter; Kallweit, S. 132 ff.; Wetzell, S. 940, 964 ff., spricht vom Eventualprinzip. 212

A. Das Gemeine Recht

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halten bleibt, daß das Gemeine Recht den Ausschluß kraft Gesetzes in Gestalt der Antwort- und Beweistrennung bestimmte. 2. Die gesetzlichen Ausnahmefälle

Ausnahmsweise ließ das Gemeine Recht allerdings auch verspätet vorgebrachte Behauptungen und Beweise zu.222 Zunächst konnten die Parteien nämlich gegen den Ausschluß sowohl durch verfahrensleitende Verfügung als auch durch Urteil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, restitutio in integrum erreichen.223 Voraussetzung war, daß die Angriffs- oder Verteidigungsmittel neu entstanden oder entdeckt worden waren, sog. nova oder noviter reperta.224 Im Falle der noviter reperta durften die Parteien ihre Verspätung allerdings nicht durch grobe Nachlässigkeit verschuldet haben225 und mußten beeiden, daß sie die neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher gekannt hatten.226 Dasselbe Neuerungsrecht,227 beneficium novorum, stand den Parteien außerdem zu, wenn sie gegen ein Urteil Berufung, Appellation einlegten.228 Dabei mußten sie das Beweisurteil angreifen, wenn sie neue Behauptungen vorbringen wollten,229 und das Endurteil, wenn sie neue Beweise vorbringen wollten.230

222

Vgl. schon oben Fn. 210. Endemann, S. 423, 659 a. E. f., 962 ff.; Wetzell, S. 674 ff. Zum Begriff der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vgl. Renaud, S. 605. 224 Unklar Renaud, der mehrfach betont, Wiedereinsetzung gegen einfache verfahrensleitende Verfügungen werde nicht gewährt, weil nova und noviter reperta von der Eventualmaxime gar nicht betroffen würden, vgl. a. a. O. S. 204, 240, 258 f., 602, ebenso aber einräumt, Wiedereinsetzung werde unabhängig von der Versäumung einer Frist oder eines Termins gewährt gegen den unterlassenen Gebrauch einer Einrede bei der Verteidigung auf die Klage, oder eines Beweismittels bei der Beweisantretung, S. 623. Es scheint, als habe Renaud lediglich auf den Unterschied zwischen der Wiedereinsetzung gegen verfahrensleitende Verfügungen einerseits und der Wiedereinsetzung gegen Urteile andererseits hinweisen wollen, da auch er im Falle des Vorbringens von noviter reperta nach einer verfahrensleitenden Verfügung die Partei beeiden lassen wollte, daß sie das Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher kannte, vgl. S. 240, 259, und dies auf dieselben Nachweise stützte wie im Falle der Wiedereinsetzung gegen Urteile, vgl. S. 240 (dort Fn. 5) und S. 625 (dort Fn. 18). 225 Renaud, S. 607, 614; Endemann, S. 971. 226 Vgl. Renaud, S. 240, 259. 227 Auch Novenrecht; vgl. Zeiss9, Rn. 681. 228 Vgl. Renaud, S. 517 ff., 543 ff. 229 Vgl. dagegen unten Fn. 261. 230 Vgl. Renaud, S. 676. 223

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

III. Die Bewährung der Ausschlußvorschriften des Gemeinen Rechts Die Wirksamkeit der gemeinrechtlichen Ausschlußvorschriften war unter ihren Zeitgenossen anerkannt.231 Dabei sah man selbst die heute oft erwähnte Aufblähung des Verfahrens, die sich aus dem Zwang zu gleichzeitigem Vorbringen ergab,232 durch die Straffung des Verfahrensganges als wettgemacht an.233 Daß sie die Langwierigkeit der Rechtsstreite trotzdem nicht verhindern konnten, war zu einem kleinen Teil schlicht in ihrer Umgehung durch die Parteien und das Gericht begründet, zum weit größeren Teil aber in einer Schwäche des Verfahrens, die mit den Ausschlußvorschriften in keinem unmittelbaren Zusammenhang stand. Die Umgehung der Ausschlußvorschriften wurde den Parteien dabei durch eine Mißbrauch ihres Neuerungsrechts ermöglicht, indem sie Kommunikativdekrete, Aktenschlüsse, Produktionsbescheide, Beweis- und Endurteile anfochten, um verspätete Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, und so den Verfahrensgang wieder und wieder zurückwarfen.234 Viele Gerichte gewährten dagegen aus Gewohnheit oder Trägheit Schriftwechsel bis zur Duplik und weiter, auch wenn sich das Vorbringen der Parteien nur noch wiederholte,235 und schoben so das Urteil oft grundlos hinaus.236 Die entscheidende Schwäche des Verfahrens lag jedoch in der Schriftlichkeit der Verhandlung,237 weil sie Rede und Gegenrede künstlich trennte und verlangsamte. Erschwerend kam hinzu, daß sich die Parteien in ihren Schriftsätzen zudem häufig absichtlich unklar äußerten, um ihr Vorbringen nach Bedarf umdeuten zu können,238 oder bewußt unwahr vorbrachten, weil ihnen keine sofortige Erwiderung drohte,239 und so die Erörterung des Rechtsstreits erschwerten 231

Vgl. nur Linde, S. 207; Martin, S. 164 f.; Bayer, S. 18 ff. jeweils m. w. N. Vgl. etwa Grunsky, JZ 1977, 201, 204; Zeiss9, Rn. 205. 233 So Bayer, S. 18 ff. 234 Vgl. Oppermann, AcP 38, 14, 42 f. 235 Endemann, S. 668 (dort Fn. 4); Wetzell, S. 974. 236 Das Reichskammergericht war außerdem durch die Bestechlichkeit seiner Richter in Verruf geraten, die die Verfahren z. T. nur gegen Zahlung großer Geldbeträge betrieben; vgl. hierzu Schwartz, S. 125, und Diestelkamp, S. 21 f. Goethe, Götz von Berlichingen, zweiter Akt, letzter Aufzug, verewigte den wegen seiner Bestechlichkeit bekannten Reichskammergerichtsassessor Papius in der Gestalt des Sapupi: Was das ein Geldspiel kost! . . . Ist mir mancher schöne Taler nebenausgangen. Das unerhörte Blechen! – Wie meint Ihr? – Ach, da macht alles hohle Pfötchen. Der Assessor allein, Gott verzeih’s ihm, hat mir achtzehn Goldgülden abgenommen. – Wer? – Wer anders als der Sapupi! – . . . Den soll der Teufel holen, er hat mir auch funfzehn Goldgülden abgenommen. – . . . Darum fiel das Urteil so scheel aus. Du Hund! Vgl. hierzu Engel, S. 133. 237 Schwartz, S. 123; vgl. auch die Mot.HPO, S. 1 a. E., 2, und Oppermann, AcP 37, 442, 469 f. 232

B. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover

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oder mutwillig Beweisaufnahmen herbeiführten. Schon aus diesem Grunde war die Einführung einer mündlichen Verhandlung das Ziel aller neueren Verfahrensordnungen seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts.

B. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover Als großer Nachteil des gemeinrechtlichen Verfahrens wurden neben der Langwierigkeit auch die Mittelbarkeit und Heimlichkeit240 der schriftlichen Verhandlung empfunden.241 Daß sich die Parteien hinter ihrem geschriebenen Wort verbergen konnten, ließ nämlich nicht nur eine Verzögerung des Rechtsstreits, sondern auch eine erhöhte Gefahr ungerechter Urteile befürchten, und daß das Gericht den Augen der Öffentlichkeit242 entzogen war,243 schadete dem Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtspflege.244 Nachdem auch während der deutschen Revolution von 1848 die Forderung nach Mündlichkeit245 und Öffentlichkeit der Verhandlung laut geworden war,246 verkündete das Königreich Hannover deshalb am 8. November 1850247 eine 238 Oppermann, AcP 38, 14, 21, zum Verfahren nach Gemeinem Recht; über ähnliche Erfahrungen nach heutigem Recht klagte schon von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 15, 594, 598.; ebenso Lange, NJW 1986, 1728, 1729; ferner Mes, ZRP 1971, 90, 92. 239 Oppermann, AcP 38, 14, 21; Lange, NJW 1986, 1728, 1731; vgl. auch Rosenberg2, S. 186. Insofern bewahrheitet sich das Sprichwort Papier ist geduldig. 240 Zu den gleichbedeutenden Begriffen der Heimlichkeit oder Nichtöffentlichkeit des Verfahrens vgl. Renaud, S. 209 ff.; Endemann, S. 360 f.; Schmidt, S. 653 f. 241 Vgl. Schwartz, S. 123 f. Eingehend DahlmannsI, S. 23 ff. 242 Das Gemeine Recht kannte mit der Aktenversendung sogar ein Verfahren, bei dem das Gericht die Sache einer völlig unbeteiligten Stelle zum Urteil vorlegte, darunter die althergebrachten Schöffenstühle; vgl. Wetzell, S. 535 ff. 243 Vgl. Renaud, S. 210 m. w. N.; ferner allgemein zur Überwachung der Rechtsprechung durch die Öffentlichkeit Schwab/Gottwald, S. 14. Daß die Öffentlichkeit der Verhandlung fast denknotwendig von ihrer Mündlichkeit abhängt, betonen auch Endemann, S. 360, und Arens, S. 13. 244 Vgl. Rosenberg2, S. 186. 245 Zum Begriff der Mündlichkeit vgl. Alexander-Katz, S. 1 ff., 3, 5; Zeiss9, Rn. 185; ebenso die Mot.CPO, S. 21. 246 Vgl. Art. X § 178 der deutschen Reichsverfassung vom 28. März 1848: Das Gerichtsverfahren soll öffentlich und mündlich sein; ferner Mittermaier, AcP 32, 267 ff. Mündlichkeit und Öffentlichkeit der Verhandlung waren u. a. aus dem französischen code de procédure civile bekannt; vgl. unten Fn. 327. Die Öffentlichkeit des Verfahrens ergibt sich heute aus § 169 Abs. 1 S. 1 GVG und ist verfassungsrechtlich gewährleistet durch das Demokratiegebot des Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, ferner durch Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK und Art. 14 Abs. 1 S. 2 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte 1966; vgl. hierzu Schwab/Gottwald, S. 13 f. m. w. N. 247 Erst im Jahre 1847 hatte das Königreich Hannover eine Allgemeine Bürgerliche Prozeßordnung ausarbeiten lassen, die jedoch noch ein mittelbares und heimliches

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

neue Bürgerliche Proceßordnung (hier: HPO),248 die eine mündliche und öffentliche Verhandlung des Rechtsstreits zwingend vorschrieb: Allein die mündlich vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien wurden im Urteilsspruch berücksichtigt, §§ 92, 101HPO,249 und allen Erwachsenen stand der Zutritt zur Verhandlung frei, § 87 Abs. 1HPO. Dem lag die Hoffnung auf schleunigere und gerechtere Urteile zugrunde,250 weil Parteien und Rechtsanwälte251 in aller Öffentlichkeit kein unwahres Vorbringen wagen würden.252 Im übrigen war die HPO jedoch bemüht, das Verfahren des Gemeinen Rechts mit der Forderung nach Mündlichkeit und Öffentlichkeit der Verhandlung zu verbinden.253 I. Der Verfahrensgang nach der HPO254 1. Das erste Verfahren

Zu Beginn der mündlichen Verhandlung des ersten Verfahrens,255 §§ 184 ff.HPO, verlasen die Parteien mit Klagbitte und Gegenbitte ihre SchlußVerfahren vorsah und darum ohne Gesetz geworden zu sein zugunsten der HPO zurückgezogen wurde; vgl. DahlmannsI, S. 11 ff., 30 f.; ferner die auch Mot.HPO, S. 1 ff. 248 Vgl. DahlmannsI, S. 31. Die HPO war das alleinige Werk des späteren hannoverschen und preußischen Justizministers Gerhard Adolf Leonhardt, der auch entscheidenden Einfluß auf die Gesetzgebung zur ZPO hatte; vgl. DahlmannsI, S. 32; Rosenberg2, S. 11. 249 Vgl. auch die Mot.HPO, S. 3, 79 ff.; ferner DahlmannsI, S. 34: quod non in ore, non in mundo, und dazu oben Fn. 141. 250 Mot.HPO, S. 1. 251 Vor den Obergerichten und in den höheren Rechtszügen Hannovers herrschte Anwaltszwang, § 67 Abs. 1HPO; zum Aufbau der hannoverschen Gerichtsbarkeit vgl. unten Fn. 254. 252 Mittermaier, AcP 33, 119, 134 a. E.; Oppermann, AcP 38, 14, 22. 253 Eingehend Scheuerlen, AcP 46, 48 ff.; ferner DahlmannsI, S. 32 ff. 254 Die folgende Darstellung bezieht sich auf das Verfahren vor den hannoverschen Obergerichten gem. §§ 184 ff.HPO. Seit Einführung der HPO ähnelte die hannoversche Gerichtsverfassung der des heutigen GVG. So waren im wesentlichen die Amtsgerichte Eingangsgerichte für bürgerliche Rechtsstreite mit einem Streitwert von bis zu 150 Talern, ferner die Obergerichte Eingangsgerichte für alle übrigen bürgerlichen Rechtsstreite und Rechtsmittelgerichte hinsichtlich der Entscheidungen der Amtsgerichte und schließlich das Oberappellationsgericht Rechtsmittelgericht hinsichtlich der Entscheidungen der Obergerichte, § 400 Abs. 1HPO. Die Vorschriften für das Verfahren vor den Obergerichten galten entsprechend für das Verfahren vor den Amtsgerichten und in den höheren Rechtszügen, vgl. die §§ 375, 412HPO. Das Verfahren vor den hannoverschen Obergerichten ist insofern dem Verfahren vor den heutigen Landgerichten vergleichbar. Vgl. hierzu die §§ 4, 8, 9 und 10 des Gesetzes, betreffend verschiedene Abänderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 31. März 1859. 255 Die HPO gebrauchte die Begriffe des ersten und des zweiten Verfahrens nicht. Sie sollen hier zur Verdeutlichung aber auch auf das Verfahren nach der HPO angewendet werden.

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gesuche, § 98HPO, um das Gericht allgemein vom Gegenstand des Rechtsstreits in Kenntnis zu setzen.256, 257 Danach konnten sie ihre Behauptungen in freier Rede und Gegenrede vorbringen, und auch eine rechtliche Wertung der Sache stand ihnen frei, § 101HPO.258 Dabei waren sie zwar gehalten, gleichstufige Behauptungen gleichzeitig vorzubringen, vgl. § 202HPO, aber da ein Verstoß gegen dieses Gebot keine Maßregel nach sich zog, vgl. §§ 202 Abs. 1 a. E., 204HPO, stand es in ihrem Ermessen, wann sie welche Behauptung vorbrachten. So verzichtete die HPO bewußt auf eine gesetzlich bestimmte Reihenfolge der Behauptungen, um die freie Erörterung der Sache nicht zu hemmen.259 Sobald das Gericht den Rechtsstreit schließlich in tatsächlicher Hinsicht für geklärt hielt, schloß es die mündliche Verhandlung, § 100HPO, und erließ entweder ein Endurteil260 oder ein Beweisurteil, das Beweisinterlokut,261 §§ 206, 215HPO. Eine Ausnahme vom gewöhnlichen Gang des Verfahrens gewährte auch die HPO für den Fall, daß der Beklagte Verfahrensmängel der Klage als Prozeßeinreden262 vorschützte. Wie nach Gemeinem Recht durfte er nämlich aus Gründen der Billigkeit263 die Verhandlung zur Hauptsache verweigern, bis über die Prozeßeinreden durch Urteil entschieden war, §§ 196 Abs. 1, 197 Abs. 1HPO.264 Dabei bestimmte allerdings § 196 Abs. 2HPO, daß der Beklagte alle Prozeßeinreden gleichzeitig vorschützen müsse. Daß die HPO auf die freie Verhandlung der Prozeßeinreden also offenbar geringeren Wert legte, erklärte sich aus der Überlegung, daß die Entscheidung über die Prozeßeinreden lediglich eine Vorbedingung des eigentlichen Rechtsstreits darstellt265 und deshalb eine Einschränkung der Mündlichkeit der Verhandlung zuließ.266

Mot.HPO, S. 79 a. E. f. Im übrigen waren die Parteien streng gehalten, ihre Vorträge in freier Rede zu halten, § 99 Abs. 1HPO, um Frische und Leben der mündlichen Verhandlung nicht zu gefährden; vgl. die Mot.HPO, S. 79. Insbesondere war die Bezugnahme auf Schriftstücke untersagt, und nur ganz ausnahmsweise, nämlich wenn es auf ihren genauen Wortlaut ankam, durften Schriftstücke verlesen werden, § 99 Abs. 2, 3HPO. 258 Vgl. die Mot.HPO, S. 80. 259 Mot.HPO, S. 8. 260 Zum Begriff des Endurteils vgl. §§ 394 f.HPO; ferner Leonhardt3, § 395, S. 265 (dort Fn. 1). 261 Zur Urteilseigenschaft des Beweisurteils vgl. § 219HPO; ferner Leonhardt3, S. 229 (dort Fn. 1 a. E.). 262 Die HPO selbst verwendete den Begriff der Prozeßeinrede nicht; vgl. aber Leonhardt3, § 196, S. 146 f. (dort Fn. 4). 263 Mot.HPO, S. 147. 264 Vgl. auch Leonhardt3, § 196, S. 146 f. (dort Fn. 4). 265 Vgl. oben S. 34. 266 Vgl. die Mot.HPO, S. 147 f. 256 257

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere 2. Das zweite Verfahren

Auch die HPO gliederte das zweite Verfahren, §§ 215 ff.HPO, in Beweisantritt, § 223HPO, Beweisaufnahme, §§ 224 ff.HPO, und Beweisausführung,267 §§ 234 ff.HPO. Beweisantritt und Beweisausführung fanden stets in mündlicher Verhandlung vor dem erkennenden Gericht statt, §§ 223, 239 Abs. 1HPO, die Beweisaufnahme konnte aus Gründen der Zweckmäßigkeit268 in Ausnahmefällen269 einem Mitglied des Gerichts oder einem Amtsgericht übertragen werden, § 224 Abs. 1HPO.270 Zum Beweisantritt benannten die Parteien ihre Beweismittel und erhoben ihre Beweiseinreden271 ebenfalls ohne gesetzlich bestimmte Reihenfolge im Beweistermin,272 § 223HPO. Daneben war ihnen auch eine Erfrühung der Beweise im ersten Verfahren freigestellt, § 220 Abs. 1HPO,273 und hinsichtlich Urkunden sogar vorgeschrieben, §§ 188 Abs. 2, 191 Abs. 3HPO.274, 275 Das Gericht ordnete 267 Die Beweisausführung der §§ 234 ff.HPO entsprach dem Schlußverfahren des Gemeinen Rechts; vgl. oben S. 47. 268 Leonhardt3, § 223, S. 165. 269 So der eindeutige Wortlaut des § 224 Abs. 1HPO und auch die Mot.HPO, S. 165: Der Entwurf ist . . . von der Ansicht durchdrungen geblieben, daß es sich hier um einen exceptionellen Zustand handele, daß die Ausnahmen thunlichst zu beschränken seien; er ist von den der französischen und westphälischen Proceßordnung zum Grunde liegenden Ansichten, nach welchen im ordentlichen Verfahren die Beweisaufnahme stets vor beauftragten Richtern vor sich geht, sehr weit entfernt geblieben; vgl. ebenso Leonhardt3, § 223, S. 166 (dort Fn. 2). Unrichtig daher Scheuerlen, AcP 46, 48, 62, der den letzten Halbsatz des obigen Zitats überging und annahm, das Gesetz ordne die regelmäßige Verweisung der Beweisaufnahme vor ein Mitglied des erkennenden Gerichts oder ein Amtsgericht an. 270 Zur darin liegenden Beschränkung der Mündlichkeit bzw. Unmittelbarkeit des Verfahrens Leonhardt3, § 223, S. 165; abl. DahlmannsI, S. 42 f. 271 Zum Begriff vgl. § 235 Abs. 1HPO. 272 Zum Begriff vgl. die §§ 217 Abs. 1, 242HPO; ferner Leonhardt3, § 242, S. 174. 273 Ziel war auch hier eine Vereinfachung des Rechtsstreits und eine Entlastung des Beweistermins; vgl. Leonhardt3 § 220. 274 Erfrühte eine Partei ihre Beweiseinreden gegen eine Urkunde nicht, dann galt die Urkunde als anerkannt, §§ 200, 327 Abs. 1 S. 1, 201 Abs. 1HPO. A. A. Schreiber, S. 107 ff. m. w. N. Schreiber unterscheidet zwischen Urkunden zur Behauptung gem. §§ 188, 191HPO einerseits und Urkunden zum Beweis gem. §§ 134 ff.HPO andererseits. Er stützt diese Unterscheidung auf den Wortlaut der Vorschriften, wo im Falle der 188, 191HPO von Urkunden, die die thatsächliche Begründung der Klage betreffen, und im Falle der §§ 134 ff. von Beweisurkunden die Rede war. Da aber sowohl die Pflicht zur Erfrühung von Urkunden gem. § 305 Abs. 1HPO als auch die Pflicht zur Erfrühung von Beweiseinreden gem. § 200HPO sich auf Ur- oder beglaubigte Abschriften der Urkunden bezog, während die §§ 188, 191HPO die Vorlage von Ur- oder beglaubigten Abschriften der Urkunden wörtlich nicht vorschrieben, nimmt Schreiber an, daß die §§ 188, 191HPO nicht im Zusammenhang mit der Beweiserfrühung standen. Anderenfalls sei die Vorschrift des § 200HPO nämlich lückenhaft gewesen, da die Vorlage einer einfachen Abschrift zur Erfrühung des Beweismittels zwar ausgereicht, zur Erfrühung der Beweiseinreden aber nicht verpflichtet hätte. – Gegen die Ansicht

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darauf die Vernehmung der Zeugen und Sachverständigen, §§ 256 Abs. 1, 276 i.V. m. 256 Abs. 1HPO, die Einnahme des Augenscheins, § 281 Abs. 1, 3 f.HPO, und die Leistung von Eiden, §§ 286 f.HPO, an. Außerdem bestimmte es einen weiteren Termin, § 234 Abs. 2HPO, in dem die Beweisaufnahme durchgeführt, ihre Ergebnisse verhandelt und letzte Beweiseinreden erledigt wurden, § 235 Abs. 1HPO. Die Verbindung von Beweisantritt, Beweisaufnahme und Beweisausführung in nur einem Termin, die bei sofortiger Vorlegung aller Beweismittel jedenfalls möglich gewesen wäre, sah die HPO also nicht ausdrücklich vor.276 Gegen Ende des zweiten Verfahrens erließ das Gericht schließlich das Endurteil, vgl. § 343HPO. II. Die Ausschlußvorschriften der HPO 1. Der gesetzliche Regelfall

Während die HPO auf das Gebot verzichtete, daß Behauptungen und Beweise jeweils in einer bestimmten Reihenfolge vorzubringen seien, hielt sie an dem Gebot fest, daß Behauptungen in der Reihenfolge vor Beweisen vorzubringen seien. Darum bestimmte auch die HPO, daß nach dem Schluß der mündlichen Verhandlung im ersten Verfahren neue Behauptungen und nach dem Ende des Beweistermins im zweiten Verfahren neue Beweise ausgeschlossen waren, §§ 204 Halbs. 2, 242HPO.277 Sie übernahm damit aus dem Gemeinen Recht die Gliederung des Verfahrens in einen Abschnitt der Behauptungen und einen Abschnitt Schreibers spricht jedoch, daß die Mot.HPO, S. 164 gerade im Hinblick auf die §§ 188, 191HPO von dem in Urkunden bestehenden Beweis sprachen und die Zweckmäßigkeit der §§ 188, 191HPO im Zusammenhang mit der Beweiserfrühung unterstrichen. Auch Beweisurkunden dienen nämlich der tatsächlichen im Gegensatz zur rechtlichen Begründung der Klage; vgl. hierzu die schon im Gemeinen Recht gebräuchlichen Begriffe des tatsächlichen und des rechtlichen Fundaments der Klage (oben S. 43). Die in § 188 Abs. 2 S. 1HPO gewählte Redewendung könnte insofern lediglich zur Abgrenzung der Tatsachen- und Beweisurkunden von den dort ebenfalls erwähnten Vollmachtsurkunden der Rechtsanwälte gedient haben. Eine Lückenhaftigkeit des § 200HPO ließe sich außerdem verneinen, wenn man davon ausginge, daß die HPO in § 188 Abs. 2 S. 1HPO nur versehentlich nicht auf die Notwendigkeit einer Beglaubigung der Abschrift hinwies. Ausdrücklich war hier nämlich ebensowenig von einer beglaubigten wie von einer einfachen Abschrift der Urkunden die Rede. 275 Auch den Beweis für seine Prozeßeinreden mußte der Beklagte sofort antreten, § 196 Abs. 2HPO. Die HPO sah darin aber keinen Fall der Beweiserfrühung, § 221HPO, weil der Erlaß eines Beweisurteils in diesem Fall unstatthaft war, § 197 Abs. 2 S. 1HPO, so daß es gar nicht erst zur Beweistrennung kam; vgl. auch die Mot.HPO, S. 164. 276 Vgl. Scheuerlen, AcP 46, 48, 51; Mühl, ZZP 66, 178. 277 Die in das Beweisurteil aufgenommenen Behauptungen waren für die Parteien und das Gericht bindend, § 218 Abs. 1HPO.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

der Beweise und sorgte durch den Ausschluß am Ende des jeweiligen Abschnitts dafür, daß sowohl das erste als auch das zweite Verfahren stets nur einmal durchlaufen werden mußte. Einer Beweisstaffelung setzte somit auch die HPO die Beweistrennung entgegen. Dagegen stellte es die HPO den Parteien frei, wann innerhalb des ersten Verfahrens sie welche Behauptungen und wann innerhalb des zweiten Verfahrens sie welche Beweise vorbrachten. Sie gab damit die gemeinrechtliche Gliederung des Verfahrens in Unterabschnitte von Rede und Gegenrede auf. Vielmehr bildete das erste Verfahren eine Einheit, selbst wenn die mündliche Verhandlung durch Vertagungen äußerlich unterbrochen wurde, § 205HPO.278 Die damit verbundene Gefahr der Wiederholung bestimmter Stufen des Rechtsstreits einzugehen war gerechtfertigt, weil der Wechsel von Rede und Gegenrede in der mündlichen Verhandlung so beweglich und lebendig zu werden versprach, daß auch bei einer Staffelung von Behauptungen bzw. Beweisen keine Verzögerung des Rechtsstreits zu befürchten war.279 Eine Antwortstaffelung ließ die HPO also nach der hier sog. Antwortverbindung zu. Eine Ausnahme davon bildeten lediglich die Prozeßeinreden, die nicht nur gleichzeitig geltend gemacht werden mußten,280 sondern danach auch nicht mehr nachgeschoben werden konnten. Nach ihrer amtlichen Begründung281 sah die HPO nämlich die Anwendung der Eventualmaxime auf die Prozeßeinreden vor,282 so daß hier nicht nur die Beweis- sondern auch die Antworttrennung galt. So wurde jegliche Staffelung vermieden, was der gegenüber der Hauptsacheverhandlung untergeordneten Bedeutung der Prozeßeinreden nur entsprach. Hilfsweise, in eventu, mußten die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel also grundsätzlich nur vorbringen, wenn sie nicht auf ihren Erfolg in der Beweisaufnahme vertrauen konnten. Die HPO übernahm die Eventualmaxime des Gemeinen Rechts283 somit nicht uneingeschränkt,284 sondern schrieb einen Ausschluß kraft Gesetzes in Gestalt der Antwortverbindung und Beweistrennung vor.

278 Mot.HPO, S. 9; vgl. auch DahlmannsI, S. 35. Entsprechendes dürfte auch für das Vorbringen der Beweise im Beweistermin gegolten haben, obgleich die HPO darüber keine ausdrückliche Bestimmung enthielt. 279 Mot.HPO, S. 8; zust. Mittermaier, AcP 33, 119, 132 ff. 280 Vgl. oben S. 53. 281 Eine ausdrückliche Bestimmung enthielt die HPO insofern nicht, denn in § 196 Abs. 2HPO war vom Ausschluß der Prozeßeinreden allein für den Fall die Rede, daß der Beklagte in die Verhandlung zur Hauptsache eintrat. Der Ausschluß dient in diesem Fall aber nicht der Konzentrationsmaxime; vgl. oben Fn. 125. 282 Mot.HPO, S. 6 ff., 148. 283 Vgl. oben S. 48. 284 Mot.HPO, S. 6 ff.; DahlmannsI, S. 38 f.

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2. Die gesetzlichen Ausnahmefälle

Auch die HPO ließ verspätet vorgebrachte Behauptungen und Beweise ausnahmsweise zu. Zum einen durften die Parteien ähnlich dem Gemeinen Recht neu entstandene oder entdeckte Angriffs- und Verteidigungsmittel unter den Voraussetzungen einer Restitutionsklage vorbringen, §§ 204, 242HPO.285 Dazu mußten sie insbesondere durch Urkunden oder Eid beweisen, daß sie das Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher entdeckt hatten oder herbeischaffen konnten, § 450 Nr. 1HPO,286 genossen also ein eingeschränktes Neuerungsrecht. Zum anderen konnten die Parteien neu entstandene oder entdeckte Angriffsund Verteidigungsmittel aber auch vorbringen, wenn sie gegen das Beweis- oder das Endurteil Berufung einlegten, § 418 Abs. 1 S. 1HPO.287 Hier ging die HPO sogar noch weiter als das Gemeine Recht, weil sie das Vorbringen nicht von den Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abhängig machte,288 sondern ein uneingeschränktes Neuerungsrecht gewährte. III. Die Bewährung der Ausschlußvorschriften der HPO Die Ausschlußvorschriften der HPO erwiesen sich als äußerst geglückt und blieben nahezu unangefochten.289 Ihr Geheimnis lag darin, daß sie den Grundsätzen des Gemeinen Rechts zwar folgten, dessen Schwächen aber zu überwinden verstanden. Der HPO gelang es vor allem, den Mißbrauch des Neuerungsrechts durch die Parteien einzuschränken.290 Einen kleinen Anteil daran hatten Kostenstrafen, mit denen neues Vorbringen im Berufungsrechtszug bedroht wurde, § 427 Abs. 1HPO.291 Den größten Anteil aber hatte der weitgehende Verzicht auf Zwischenentscheidungen und -rechtsbehelfe, wie sie den Verfahrensgang nach Gemeinem Recht geprägt hatten. Kommunikativdekrete, Aktenschlüsse und Produktionsbescheide waren in einer einheitlichen mündlichen Verhandlung ohnehin überflüssig, weil Rede und Gegenrede sich von allein entwickelten und Ende und Ergebnis der mündlichen Verhandlung sich aus der Niederschrift oder dem Urteil ergaben.292 Gegen die einzig verbleibende Zwischenentscheidung Vgl. Leonhardt3, S. 154 (dort Fn. 2 a. E.), und die Mot.HPO, S. 174. Vgl. ferner Mittermaier, AcP 33, 119, 127. 287 Zu den Ausnahmen vgl. die §§ 417; 418 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, 3HPO. 288 Vgl. oben S. 49. 289 Die von Mühl, ZZP 66, 165, 175 ff., geltend gemachten Nachteile des Beweisurteils empfanden die Zeitgenossen der HPO jedenfalls als erträglich, vgl. Breitling, AcP 45, 27, 36 ff. 290 Vgl. Oppermann, AcP 38, 14, 24. 291 Die Entscheidung hing von keiner besonderen Beweisaufnahme, sondern allein vom richterlichen Ermessen ab, § 427 Abs. 2HPO. Zum nur mäßigen Erfolg der Kostenstrafen in der HPO vgl. allerdings unten S. 69 (dort insbes. Fn. 380). 285 286

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aber, das Beweisurteil, ließ die HPO nur noch die vorbehaltene Berufung zu. Dabei mußten die Parteien, wenn sie die Vernichtung des Beweisurteils erreichen wollten, das Endurteil mit der Begründung angreifen, ihm liege ein unrichtiges Beweisurteil zugrunde, §§ 218 Abs. 2, 394HPO.293 Dieses umständlich anmutende Verfahren hatte auch für die Parteien Vorteile: Die siegreiche Partei hielt bereits ein Endurteil in Händen, aus dem sie jedenfalls vorläufig vollstrekken konnte. Die verspätete Partei hingegen wußte nach dem Beweisverfahren und dem Endurteil besser als noch nach dem Beweisurteil, ob und ggf. welche Angriffs- oder Verteidigungsmittel es im zweiten Rechtszug neu vorzubringen lohnte. Die vorbehaltene Berufung ermöglichte ihr also erst die volle Ausschöpfung ihres Neuerungsrechts im zweiten Rechtszug.294 Mittelbar führte die Mündlichkeit der Verhandlung also auch insofern zu einer Beschleunigung der Verfahren und i. ü. auch zu größerer Wahrheit und Volksnähe der Rechtsprechung.295 Die HPO wurde darum zum Vorbild neuer Verfahrensordnungen der meisten deutschen Länder.296

C. Die Zivilprozeßordnung Die ZPO wurde am 30. Januar 1877 veröffentlicht297 und trat am 1. Oktober 1879 in Kraft.298 Sie bestimmte das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreiten erstmals einheitlich für alle Länder des Deutschen Reiches von 1871.299 Nach dem zweiten Weltkrieg trennten sich die Verfahren Ost- und Westdeutschlands wieder, und während die Bundesrepublik Deutschland an der ZPO festhielt, gab sich die Deutsche Demokratische Republik im Jahre 1976 eine neue Verfahrensordnung.300 Erst seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten im Jahre 1990 gilt die ZPO wieder in ganz Deutschland.301

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Vgl. oben S. 47, 49. AcP 38, 14, 42 f.; vgl. Scheuerlen, AcP 46, 49; vgl. ferner die Mot. , S. 163, und Oppermann, AcP 38, 14, 42 ff. 294 Breitling, AcP 45, 27, 37 f.; in diesem Sinne wohl auch die Mot.HPO, S. 163. 295 Geradezu begeistert Oppermann, AcP 37, 442 ff.; 38, 14, 21, 25 ff.; ähnl. Breitling, AcP 43, 314, 315 f., 320–331; 45, 27, 66; lobend auch Scheuerlen, AcP 46, 48 f.; Mot.CPO, S. 16; Schmidt, S. 105; vgl. ferner DahlmannsI, S. 44 m. w. N. 296 von Harrasowsky, S. 137; WL, Einleitung S. 5; DahlmannsI, S. 44. 297 RGBl. 1877, S. 83 ff. 298 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), Zivilprozeßordnung, Konkursordnung (KO), Strafprozeßordnung (StPO) und eine Reihe von Nebengesetzen traten gleichzeitig in Kraft und wurden als Reichsjustizgesetze bezeichnet; vgl. Rosenberg2, S. 12. Federführend bei der Entwicklung der ZPO war wiederum der Schöpfer der HPO, der vormalige hannoversche und jetzt preußische Justizminister Gerhard Adolf Leonhardt; vgl. oben Fn. 248 sowie eingehend DahlmannsII, S. 32 ff. 299 Zur Rechtslage vor Inkrafttreten der ZPO vgl. die Nachweise oben Fn. 137. 293 Oppermann, HPO

C. Die Zivilprozeßordnung

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Auch die ZPO bestimmt eine mündliche302 und öffentliche303 Verhandlung des Rechtsstreits, um ein schleuniges und gerechtes Urteil zu erreichen, § 128 Abs. 1, § 169 Abs. 1 S. 1 GVG.304 Ihre wichtigsten Veränderungen305, 306 hat sie durch die Neufassungen und Neubekanntmachungen von 1898,307 1905,308 1909,309 1924,310 1933,311 1950,312 1974/1976313 und 2002314 erfahren.

GBl. der DDR 1975 I, S. 533 ff.; vgl. GStJ20-Schumann, Einleitung Rn. 97 m. w. N. 301 Vgl. Art 8 i.V. m. Anlage I Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt I, II des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. August bzw. 23. September 1990 (BGBl. 1990 II, S. 885, 889 ff.). 302 Abgesehen von besonderen Verfahren kannte die ZPO ursprünglich keine Ausnahme vom Grundsatz der Mündlichkeit, vgl. § 119128 und hierzu die Mot.CPO, S. 15 f. Die Mot.CPO, S. 19 a. E. ziehen allerdings den Begriff der Unmittelbarkeit dem der Mündlichkeit vor; vgl. hierzu oben S. 51. 303 Ausnahmen vom Grundsatz der Öffentlichkeit bestimmen die §§ 170 ff. GVG namentlich für die Verhandlung in Familiensachen. 304 Schmidt, S. 439, 443 f.; Rosenberg2, S. 184; vgl. auch Mot.CPO, S. 8. 305 Vgl. zum folgenden GStJ20-Schumann, Einleitung Rn. 113 ff. 306 Die Veränderungen der ZPO während der Gewaltherrschaft zwischen 1933 und 1945 bleiben außer Betracht, soweit sie nicht durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts vom 12. September 1950 (unten Fn. 312) zu bundesdeutschem Recht erklärt worden sind. Zur Entwicklung der ZPO zwischen 1933 und 1945 vgl. Damrau, S. 477 ff. 307 RGBl. 1898, S. 256 ff. (Neufassung), S. 410 ff. (Neubekanntmachung) Die sog. BGB-Novelle brachte im wesentlichen die ZPO in Einklang mit dem am 1. Januar 1900 in Kraft tretenden Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB; RGBl. 1896, S. 195 ff.). Im Rahmen der Neubekanntmachung der ZPO von 1898 wurden die Vorschriften des Gesetzes neu durchlaufend beziffert. 308 RGBl. 1905, S. 536 ff. Die hier sog. erste Reichsgerichtsnovelle straffte den Revisionsrechtszug. 309 RGBl. 1909, S. 475 ff. Die sog. Amtsgerichtsnovelle faßte die Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten neu. 310 RGBl. 1924 I, S. 135 ff. (Neufassung), S. 437 ff. (Neubekanntmachung). Die nach dem damaligen Reichsjustizminister sog. Emminger-Novelle erging als Notverordnung aufgrund des Gesetzes zur Behebung der Not von Volk und Reich vom 8. Dezember 1923 (RGBl. 1923 I, S. 1179 ff.). An der Schöpfung der Emminger-Novelle war der damalige Ministerialrat im Reichsjustizministerium Erich Volkmar wesentlich beteiligt, weshalb dessen Äußerungen häufig gleich einer nichtamtlichen Begründung der Neufassung der ZPO von 1924 herangezogen werden. Zu den Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Gesetzgebung vgl. Curtius, JW 1924, 354; Heilberg, JW 1924, 361. 311 RGBl. 1933 I, S. 780 ff. (Neufassung), S. 821 ff. (Neubekanntmachung). Die Neufassung der ZPO von 1933 ist wesentlich beeinflußt worden von dem Entwurf einer neuen Zivilprozeßordnung aus dem Jahre 1931; vgl. GStJ20-Schumann, Einleitung Rn. 131. Vgl. i.ü. oben Fn. 306. 312 BGBl. 1950 I, S. 455 ff. (Neufassung), S. 535 ff. (Neubekanntmachung). Vgl. oben Fn. 306. 300

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I. Der Verfahrensgang nach der ZPO315 Im Verfahren nach der ZPO verlesen die Parteien zu Beginn der mündlichen Verhandlung316 ihre Anträge, §§ 137 Abs. 1, 297 Abs. 1 S. 1, um dann in freier Rede317 ihre Behauptungen und Beweise318 vorzubringen, § 137 Abs. 2. Auf das Vorbringen der Parteien nimmt das Gericht sogleich Beweis auf, § 279 Abs. 2,319 und schließt nach vollständiger Erörterung des Rechtsstreits die Verhandlung, § 136 Abs. 4, um das Urteil zu sprechen, § 300 Abs. 1. Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren,320 so z. B. wenn die Beweismittel von den Parteien nicht vorgelegt worden sind321 oder vom Gericht beschafft werden müssen,322 dann vertagt das Gericht die mündliche Verhandlung und erläßt einen Beweisbeschluß, der das zu beschaffende Beweismittel, die zu beweisende Behauptung und die behauptende Partei bezeichnet, §§ 284, 358, 359, aber weder die Parteien noch das Gericht bindet. Das gesamte Verfahren stellt sich demnach als eine einzige ungegliederte Einheit dar,323 in der Behauptung 313 Die Neufassung der ZPO von 1974, BGBl. 1974 I, S. 753, die sog. Gerichtsstandsnovelle, erfolgte im Vorgriff auf die Neufassung der ZPO von 1976, BGBl. 1976 I, S. 3281 ff., die sog. Vereinfachungsnovelle. 314 BGBl. 2001 I, S. 1887 ff., das sog. Zivilprozeßreformgesetz. Eine vergleichende Gegenüberstellung der Vorschriften der ZPO bis zum 31. Dezember 2001 und ab dem 1. Januar 2002 findet sich bei Reuschle, NJW 2001, Beilage zu Heft 36. 315 Gegenstand dieser Untersuchung ist das Verfahren vor den Landgerichten im Eingangsrechtszug, §§ 253 ff. ZPO. Soweit sich für das Verfahren vor den Amtsgerichten und in den höheren Rechtszügen bemerkenswerte Abweichungen ergeben, wird darauf jeweils in den Fußnoten hingewiesen. 316 Die seit der Neufassung der ZPO von 2002 durchzuführende Güteverhandlung, § 278N02, begreift das Gesetz seinem Wortlaut nach nicht als mündliche (Streit-) Verhandlung, § 279 Abs. 1N02. 317 Daß der gerichtliche Alltag diese gesetzliche Vorstellung durch Verlesung von bzw. Bezugnahme auf Schriftsätze fast völlig ins Gegenteil verkehrt, ist offenkundig. Ursprünglich verbot die ZPO jedoch jede Bezugnahme und nahezu jedes Verlesen, vgl. die §§ 128137 Abs. 3 S. 1, 269297. 318 So ausdrücklich der frühere § 255282 Abs. 1, der im Rahmen der Neufassung der ZPO von 1976 ohne Änderung in der Sache entfallen ist. Vgl. auch die Mot.CPO, S. 25 f., 31 a. E. f., 181 319 Entspr. § 278 Abs. 2 S. 1G01. 320 Allgemein ist im Falle eines besonderen Beweisverfahrens vom sog. förmlichen Beweisbeschluß und im Falle einer sofortigen Beweisaufnahme vom sog. formlosem Beweisbeschluß die Rede; vgl. GStJ19, § 358 Rn. 1–3. Tatsächlich ist ein formloser Beweisbeschluß dem Gesetz aber fremd, da die §§ 284, 358 den Begriff des Beweisbeschlusses nur im Sinne eines förmlichen Beweisbeschlusses verwenden; ähnlich schon Schmidt, S. 637. Gesetzlicher Oberbegriff für die schriftliche und nichtschriftliche Entscheidung des Gerichts über eine Beweisaufnahme dürfte vielmehr die Beweisanordnung sein, § 48 Abs. 1 S. 1 GKG1878. Vgl. hierzu allerdings den früheren § 509N09 und GStJ11, § 358. 321 So schon WL, § 323 Anm. 1; GStJ11, § 358. 322 Zu dieser Ausnahme vom Beibringungsgrundsatz vgl. schon oben S. 34. 323 Zum Begriff der Einheit der Verhandlung vgl. schon oben S. 56.

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und Beweis sich beliebig oft abwechseln und bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung unbegrenzt vorgebracht werden können, § 296 a.324 Wie die HPO ist die ZPO nämlich der Ansicht, daß die Parteien nicht gezwungen werden dürfen, ihre Behauptungen und ihre Beweise jeweils in einer bestimmten Reihenfolge vorzubringen, weil dies den natürlichen Zusammenhang der Verhandlung zerreiße und ihr jede Lebendigkeit entziehe.325 Auch die ZPO hat darum auf eine Gliederung des Verfahrens in Unterabschnitte von Rede und Gegenrede verzichtet und gestattet den Parteien mit der Antwortverbindung die Antwortstaffelung. Anders als die HPO geht die ZPO aber weiter davon aus, daß die Parteien ebenso nicht gezwungen werden dürfen, ihre Behauptungen in der Reihenfolge vor ihren Beweisen vorzubringen, weil auch dies mit der Mündlichkeit der Verhandlung unvereinbar sei.326 Sie verzichtet darum auch auf eine Gliederung des Verfahrens in einen Abschnitt der Behauptungen und einen Abschnitt der Beweise und gestattet den Parteien mit der Beweisverbindung die Beweisstaffelung.327

324 Die früheren §§ 251278 Abs. 1, 256283 Abs. 1 sind 1976 nur sprachlich neu gefaßt worden, um die Parteien zu frühzeitigerem Vorbringen zu bewegen, vgl. GStJ21Leipold, § 296a Rn. 2. 325 So nahezu wortgleich die Mot.HPO, S. 8, und die Mot.CPO, S. 25; zust. Wach, Vorträge1, S. 3, 5. 326 Dagegen ausdrücklich Schwartz, S. 651 ff.; ebenso Leonhardt, Processreform, S. 44 ff.; ferner Wach, Kritische Vierteljahrsschrift 14, 597 ff. Die Mot.CPO, S. 16 bescheinigten allerdings gerade der HPO die Einrichtung einer geglückten mündlichen Verhandlung. 327 Die Gründe dafür sind politischer Art. Bei Schaffung der ZPO standen sich das hier sog. Rheinische und das hier sog. Preußische Verfahren gegenüber: Die Rheinlande wendeten seit den napoleonischen Kriegen das mündliche, öffentliche und ungegliederte Verfahren des code de procédure civile an (oben Fn. 246), während in Preußen mit AGO, Gemeinem Recht u. a. schriftliche, heimliche und gegliederte Verfahren galten (oben Fn. 70). Der Gegensatz wurde aufgeworfen, weil die Rheinlande nach ihrem Anschluß an Preußen den Verlust ihres fortschrittlichen mündlich-öffentlichen Verfahrens zugunsten eines veralteten schriftlich-heimlichen Verfahrens befürchteten. So kam es zu dem Schlagwort, rheinische Mündlichkeit und Öffentlichkeit seien mit preußischer Gliederung des Verfahrens unvereinbar. Daß die HPO Mündlichkeit, Öffentlichkeit und Gliederung tatsächlich gekonnt verbunden hatte und daß der code de procédure civile lediglich die auch in Frankreich ungeliebte Neufassung einer Ordonnance von 1667 darstellte, geriet dabei völlig aus dem Blick. Vgl. eingehend DahlmannsI, S. 24 ff.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

II. Die Ausschlußvorschriften der ZPO 1. Der Ausschluß kraft Gesetzes in der ZPO

Infolge ihrer Abkehr vom Grundsatz der Reihenfolge zugunsten des Grundsatzes der Mündlichkeit bestimmt die ZPO grundsätzlich keinen Ausschluß kraft Gesetzes. Ausnahmen bestanden und bestehen nur dort, wo der Gegenstand der Verhandlung eine Einschränkung der Mündlichkeit ohnehin erzwingt:328 a) Das Verbot der Klageänderung Gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 muß der Kläger in der Klageschrift den Klagegrund angeben.329 Bringt er später Behauptungen vor, die dem Klagegrund widersprechen, dann ändert er die Klage, § 264 Nr. 1.330 Da die Klage nach Zustellung der Klageschrift an den Beklagten aber grundsätzlich nicht mehr geändert werden darf, sind ab diesem Zeitpunkt dem Klagegrund widersprechende Behauptungen des Klägers kraft Gesetzes ausgeschlossen, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, 263.331 Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist allerdings weniger die Beschleunigung des Verfahrens als der Schutz des Beklagten vor unerwarteten Veränderungen des Rechtsstreits. Die Klageänderung ist darum gem. § 263 zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder wenn das Gericht sie für sachdienlich hält,332 so daß die Auswirkungen der §§ 263, 264 auf das Verfahren gering bleiben.333, 334 328 Vgl. zur Verhandlung der Verfahrensmängel der Klage gem. §§ 247274, 248275 die Mot.CPO, S. 30, und zum Vorbereitenden Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen gem. §§ 313348 ff. die Mot.CPO, S. 237 ff. 329 Ob der Kläger sich dabei nach der Individualisierungslehre auf Rechtsbehauptungen beschränken kann oder nach der Substantiierungslehre bereits Tatsachenbehauptungen aufstellen muß, ist umstritten. Nach den Mot.CPO, S. 182 soll der Kläger bereits Tatsachenbehauptungen aufstellen; eingehend hierzu Alexander-Katz, S. 16 ff., ferner GStJ21-Schumann, § 253 Rn. 123, 125. Die schriftliche Klageerhebung gem. § 253 Abs. 1 verstößt nicht gegen die Mündlichkeit der Verhandlung, weil das Gericht sein Urteil nur aufgrund des Vorbringens in der mündlichen Verhandlung fällt; vgl. die Mot.CPO, S. 22; Alexander-Katz, S. 1 ff.; ferner Zeiss9, Rn. 185. 330 So ausdrücklich die Mot.CPO, S. 188; abw. GStJ21-Leipold, § 264 Rn. 31 ff. m. w. N. 331 Goldschmidt2, S. 46, spricht von der Anwendung des Eventualgrundsatzes; vgl. ferner Schmidt, S. 426, 637. 332 So wird außerdem der Gefahr vorgebeugt, daß der Kläger eine abgewiesene Klage geändert neu erhebt und damit die Zahl der Verfahren mehrt; vgl. die Mot.CPO, S.187 a. E., 188. Um das weitere Verfahren nicht durch nachträglichen Widerspruch des Beklagten gegen die Klageänderung zu gefährden, gilt die Zustimmung des Beklagten außerdem unwiderlegbar als erteilt, wenn er sich widerspruchslos zur Hauptsache eingelassen hat, § 267; vgl. hierzu oben Fn. 125.

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b) Verfahrensmängel der Klage Verfahrensmängel der Klage,335 heute Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, muß der Beklagte gem. § 282 Abs. 3 zum einen in der Reihenfolge vor seinen Angriffs- und Verteidigungsmitteln und zum anderen gleichzeitig vortragen. Sie können Gegenstand einer abgesonderten Verhandlung und eines eigenen Zwischenurteils sein, § 280.336 Auf diese Weise soll zweierlei verhindert werden, nämlich einerseits, daß eine Rüge, die die Zulässigkeit der Klage betrifft, das folgende Verfahren hinfällig macht,337 und andererseits, daß die Verhandlung der Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, wiederholt durchlaufen werden muß. Verspätet geltend gemachte Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, sind kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 296 Abs. 3.338 333 Wesentlich strenger § 767 Abs. 3 für die Vollstreckungsabwehrklageschrift sowie der frühere § 554N05 für die Revisionsbegründungsschrift (unten Fn. 685). Nach dem Wortlaut des § 767 Abs. 3 muß der klagende Schuldner alle Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch des beklagten Gläubigers gleichzeitig in der Klageschrift vorbringen, ohne daß Gegner oder Gericht ihn davon befreiten könnten. Nach überwiegender Ansicht ist § 767 Abs. 3 allerdings nicht in dieser Strenge anzuwenden; vgl. bereits die Mot.CPO, S. 408; ferner Thomas/Putzo22, § 767 Rn. 23 m. w. N. Gem. § 554 Abs. 6N05 mußte der Revisionskläger sein Rechtsmittel binnen eines Monats nach Ablauf der Revisionsfrist begründen. Nach Ablauf der Frist war das Vorbringen neuer Revisionsgründe ausgeschlossen; vgl. hierzu Zeiss1, S. 85. § 554 Abs. 6N05 wurde im Rahmen der Neufassung der ZPO von 1976 gestrichen. 334 Gem. § 235264* Abs. 2 Nr. 3 führte noch allein die Zustimmung des Beklagten zur Zulässigkeit der Klageänderung. Weil die Eingrenzung der Klageänderung aber Schwierigkeiten bereitete und der Widerspruch des Beklagten das Verfahren wiederum verzögern konnte, ließ schon § 264N98 die Ansicht des Gerichts genügen, daß sich die Verteidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwere, und § 264N24 schließlich forderte nur noch die Bejahung der Sachdienlichkeit durch das Gericht; vgl. hierzu die Mot.N98, S. 104 a. E. f.; zust. GStJ11, § 264 Anm. I, II 2. 335 Wegen Verfahrensmängeln der Klage, früher prozeßhindernden Einreden, durfte der Beklagte die Verhandlung zur Hauptsache wie nach Gemeinem Recht (oben S. 44) und nach der HPO (oben S. 53) ursprünglich auch nach der ZPO verweigern, § 248275 Abs. 1; vgl. hierzu die Mot.CPO, S. 194; SK, § 274 Anm. 1. Wegen der Gefahr einer Verzögerung des Verfahrens verlor der Beklagte dieses Recht jedoch i. R. d. Neufassung der ZPO von 1924, § 275 Abs. 1N24; vor dem Amtsgericht und in den höheren Rechtszügen hatte es ohnehin nie bestanden, §§ 465504, 490528* Abs. 2, 529566*. Die prozeßhindernden Einreden waren in § 247274 Abs. 2 abschließend aber unvollständig aufgezählt; vgl. GStJ11, § 274 Anm. I 4 a. E., II; Seuffert, § 274 Anm. 1. Die Aufzählung wurde deshalb i. R. d. Neufassungen der ZPO von 1898 und 1976 zunächst ergänzt und schließlich aufgegeben, § 274 Abs. 2 Nr. 3N98, § 282 Abs. 3 S. 1. 336 Zur besonderen Verhandlung über die Verfahrensmängel der Klage wegen ihrer Vorgreiflichkeit für den Rechtsstreit vgl. schon die Mot.CPO, S. 194; ferner GStJ11, § 274 Anm. I; schließlich Seuffert, § 274 Anm. 1. 337 Vgl. oben Fn. 92, 125 und die Mot.CPO, S. 194 zum früheren § 247274 Abs. 3, wo nur die gleichzeitige Geltendmachung aller Verfahrensmängel der Klage mit der Beschleunigung des Verfahrens in Verbindung gebracht wird. 338 Zwar schloß § 247274 Abs. 3 prozeßhindernde Einreden dem Wortlaut nach lediglich dann aus, wenn der Beklagte sie in der Reihenfolge nach seinen Behauptungen und Beweisen geltend machte, nicht aber dann, wenn er sie gestaffelt anbrachte. Es

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

Wegen der geringen Bedeutung der Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, haben aber auch die §§ 282 Abs. 3, 296 Abs. 3 keine spürbaren Auswirkungen auf das Verfahren. c) Das Vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen Das Vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen der früheren §§ 313348 ff. trug dem Umstand Rechnung, daß in den genannten Rechtsstreiten häufig eine solche Fülle von Ansprüchen mit einer Vielzahl von Angriffs- und Verteidigungsmitteln zu bewältigen ist, daß eine mündliche Verhandlung zu unübersichtlich würde.339 Es bot daher dem Gericht die Möglichkeit, ausnahmsweise ein schriftliches Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung durchzuführen.340 Dazu verwies die Kammer den Rechtsstreit zunächst vor einen beauftragen Richter, §§ 313348 f.,341 wo die Parteien ihre Ansprüche, Angriffs- und Verteidigungsmittel und Anträge zu Protokoll erklärten, § 315350 Abs. 1. Dann kehrte die Sache vor die Kammer zurück und wurde auf der Grundlage des Protokolls mündlich verhandelt, §§ 317352, 318353. Ansprüche und Angriffs- und Verteidigungsmittel, die eine Partei vor dem beauftragten Richter nicht vorgebracht hatten, waren jetzt kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 319354 Abs. 1, 2 Halbs. 1.342, 343

war daher zunächst umstritten, ob das gestaffelte Vorschützen prozeßhindernder Einreden überhaupt zu einem Ausschluß führen sollte; eingehend hierzu Petersen, ZZP 2, 161, 175 ff. Da für die Verfahrensmängel der Klage aber auch nach der ZPO ausdrücklich die Eventualmaxime gilt, war dem Beklagten eine Staffelung seiner prozeßhindernden Einreden untersagt. In diesem Sinne wurde der Streit wohl um 1900 beigelegt; vgl. hierzu die Mot.CPO, S. 30, 194; ferner Seuffert, § 274 Anm. 2; außerdem zur HPO oben Fn. 281, 282. 339 Mot.CPO, S. 238 f; GStJ11, vor § 348. Die §§ 313348 ff. fanden keine Anwendung im Verfahren vor den Amtsgerichten, § 496508. 340 SK, vor §§ 313 ff. Anm. 1. 341 Die Verhandlung vor dem beauftragten Richter richtete sich nach den Vorschriften über das Verfahren vor den Amtsgerichten, § 315350 Abs. 2. So entfiel insbesondere der Anwaltszwang des § 78, obwohl man nicht davon ausging, daß die Parteien ohne ihre Rechtsanwälte erscheinen würden; vgl. die Mot.CPO, S. 239 f.; GStJ11, § 350 Anm. II. 342 Vgl. GStJ11, vor §§ 348 ff.: In dem Verfahren . . . gilt . . . ausnahmsweise die Eventualmaxime. So sollte die Übersichtlichkeit des schriftlichen Verfahrens mit mündlicher Schlußverhandlung gewahrt bleiben; vgl. die Mot.CPO, S. 240 a. E., 241. 343 Ansprüche sowie Angriffs- und Verteidigungsmittel, deren späteres Entstehen oder Bekanntwerden die Partei glaubhaft machte, konnten allerdings nachgeholt werden, sofern es sich nicht um Erklärungen über Tatsachen, Urkunden oder Eideszuschiebungen handelte, § 319354 Abs. 1, Abs. 2 Halbs. 2; vgl. hierzu GStJ11, § 354 Anm. I 1; ferner zum Beweis durch Eideszuschiebung Schmidt, S. 527 ff.

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Wegen seines begrenzten Anwendungsgebietes und der allgemeinen Abneigung gegenüber der leidigen Prozedur344 der Protokollierung blieb das Vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen jedoch eine Seltenheit.345 Die Neufassung der ZPO von 1924 hat es durch das Verfahren vor dem Einzelrichter ersetzt. d) Der Zwischenstreit über das Zeugnisverweigerungsrecht Beruft sich ein Zeuge auf ein Zeugnisverweigerungsrecht i. S. d. §§ 383 ff., dann muß er es gem. § 386 Abs. 1 durch Behauptungen und Beweise begründen. Über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung entscheidet das Gericht dann nach Anhörung der Parteien, § 387 Abs. 1.346 Macht der Zeuge sein Zeugnisverweigerungsrecht jedoch vor einem beauftragten oder ersuchten Richter geltend, dann werden seine Behauptungen und Beweise zu Protokoll genommen und dem Gericht übersandt, § 389 Abs. 1.347 Über die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung entscheidet das Gericht nun nach Anhörung des Zeugen und der Parteien auf der Grundlage des Protokolls, § 389 Abs. 3. Behauptungen und Beweise, die der Zeuge vor dem beauftragten oder ersuchten Richter nicht vorgebracht hat, sind jetzt kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 389 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2.348, 349 Wie das Vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen der früheren §§ 313348 ff. stellt der Zwischenstreit über das Zeugnisverweigerungsrecht also ein schriftliches Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung dar.350 Auch Zwischenstreite über Zeugnisverweigerungsrechte gehören aber zu den Seltenheiten des Verfahrens. 344

So wörtlich Wach, Enquête, S. 110. Wach, Enquête, S. 110 ff.; Volkmar, JW 1924, 345, 351. 346 Die Entscheidung ergeht durch Zwischenurteil, das mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden kann, § 387 Abs. 3. 347 GStJ21-Schumann, § 389 Rn. 3. 348 SK, § 354: Es gilt strenge Eventualmaxime. Ähnl. Goldschmidt2, S. 46. § 389 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2 wird aber einschränkend dahin ausgelegt, daß es dem Zeugen auch nach Abschluß des Verfahrens vor dem beauftragten oder ersuchten Richter gestattet sei, sein Zeugnisverweigerungsrecht unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu begründen und dazu auch neue Behauptungen und Beweismittel vorzutragen, so wie auch die Parteien Behauptungen und Beweismittel vorbringen können, die die Rechtmäßigkeit der Zeugnisverweigerung widerlegen; so offenbar erstmals RG JW 1889, 169; ihm folgend GStJ11, § 389 Anm. II; ebenso GStJ21-Schumann, § 389 Rn. 3 m. w. N. Dem Sinn und Zweck des § 389 Abs. 3 S. 2 Halbs. 2, daß Gericht zu entlasten, widerspricht diese Auslegung allerdings. 349 So soll die Entlastung des Gerichts durch die Beweisaufnahme vor dem beauftragten oder ersuchten Richter gewahrt werden; vgl. WL, § 354 Anm. 1; die Mot.CPO, S. 313 äußern sich zu dieser Frage allerdings nicht. 350 SK, § 354. 345

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

e) Das Urteil Sobald der Rechtsstreit entschieden werden kann, schließt das Gericht die mündliche Verhandlung und erläßt das Endurteil, §§ 136 Abs. 4, 300 Abs. 1. Neue Behauptungen und Beweise können nun nicht mehr vorgebracht werden, §§ 296a, 318.351 Diesem ebenso selbstverständlichen wie besonderen Fall eines Ausschlusses kraft Gesetzes wurde ursprünglich große Bedeutung für die Beschleunigung des Verfahrens beigemessen. Da die Parteien nämlich nicht wüßten, wann das Gericht die Verhandlung schließe, müßten sie möglichst zügig vorbringen, um ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht zu verlieren.352 Durch den Erlaß von Zwischenurteilen sollte das Gericht diesen Ausschluß kraft Gesetzes außerdem auch im laufenden Verfahren in weitem Umfang anwenden.353 So ließ sich das Verfahren nach Belieben in Abschnitte gliedern354 und aus der Verbindung der Zwischenurteile das Endurteil ziehen.355 Besonderes Gewicht kam dabei dem Zwischenurteil über selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel356 gem. § 275303 zu, das Vorabentscheidungen auch über Fragen des sachlichen Rechts zuließ.357 Die meisten Gerichte scheuten allerdings die mit dem Erlaß eines Zwischenurteils verbundene Mühe,358 und vielen schien eine Gliederung des Verfahrens auch der Einheit der Verhandlung zu widersprechen.359 Später trat die heute verbreitete Ansicht hinzu, Zwischenurteile über selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel führten gar zu einer Verzögerung des Verfahrens.360 Die Neufassung der ZPO von 1924 strich daher das Vgl. Rosenberg15, S. 331; GStJ20-Leipold, § 318 Rn. 10; Otto, S. 49 ff. m. w. N. 352 Mot.CPO, S. 26 a. E., 27. Neues Vorbringen ist dann nur noch im Falle einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gem. § 156 möglich. Nach GStJ20Schumann, § 156 Rn. 2 ff. sollte das Gericht sogar allgemein verpflichtet sein, die mündliche Verhandlung gem. § 156 wiederzueröffnen, um neues Vorbringen zuzulassen. Diese Ansicht bezog sich allerdings auf den früheren § 156G01, der lediglich den heutigen § 156 Abs. 1 umfaßte, und ist seit der Anfügung des § 156 Abs. 2 i. R. d. Neufassung der ZPO von 2002 überholt. Aus dem Gegenschluß des § 156 Abs. 2 Nr. 2 ergibt sich nämlich, daß das Gericht nur dann zur Wiedereröffnung verpflichtet ist, wenn das neue Vorbringen glaubhaft gemacht wird und einen Wiederaufnahmegrund i. S. d. §§ 579, 580 bildet; vgl. hierzu auch die Mot.N02, S. 54. 353 Mot.CPO, S. 26 a. E., 27. Zwischenurteile entscheiden vorab über einzelne Streitpunkte zwischen den Parteien, vgl. Rosenberg15, S. 310 ff.; Zeiss9, Rn. 537 ff., und besitzen die Bindungswirkung des § 318. 354 Die Mot.CPO, S. 29 verneinen in diesem Zusammenhang sogar die völlige Aufhebung des Eventualprinzips. 355 Mot.CPO, S. 29 a. E. Gelobt wurde in diesem Zusammenhang insbesondere die größere Übersichtlichkeit des Verfahrens; vgl. Wach, Enquête, S. 116 a. E., S. 117 f. 356 Zum Begriff des selbständigen Angriffs- und Verteidigungsmittel vgl. oben Fn. 112 a. E. 357 Vgl. Seuffert, § 303 Anm. 2; GStJ11, § 303 Anm. II. 358 Wach, Enquête, S. 116; vgl. ferner Rosenberg15, S. 311. 359 Wach, Enquête, S. 120 a. E., 121; vgl. auch oben Fn. 354. 351

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Zwischenurteil über selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel aus § 303, und seither sind mit Ausnahme des Grundurteils gem. § 304 Zwischenurteile nur noch über verfahrensrechtliche Fragen möglich.361 Der ZPO wurde damit ein wichtiges Mittel zur Gliederung des Verfahrens genommen. 2. Der Ausschluß kraft Richterspruchs in der ZPO

Abgesehen vom vereinzelten Ausschluß kraft Gesetzes sah der erste Entwurf zur ZPO362 wegen der Einheit der Verhandlung überhaupt keinen Ausschluß gestaffelten Vorbringens vor.363 Vielmehr sollte v. a. der erzieherische Druck der öffentlichen Verhandlung genügen, um Verzögerungen des Verfahrens durch gestaffeltes Vorbringen zu verhindern. Der Gesetzgeber zählte namentlich darauf, daß die Rechtsanwälte die neuen Freiheiten des Verfahrens nur unter schwerer Beschädigung ihrer Dienstehre mißbrauchen könnten.364 Ein übriges sollten End- und Zwischenurteile sowie Kostenstrafen tun, vgl. die späteren §§ 252278 Abs. 2, 256283 Abs. 2,365 §§ 48, 94 Nr. 3 GKG1878.366 Nach heftigen Angriffen367 besann sich der zweite Entwurf zur ZPO368 jedoch auf eine Einrichtung des französischen Verfahrens, wo das Gericht nach ungeschriebenem369 Recht unernstliches, unerhebliches oder unwahrscheinliches Vorbringen370 ausschließen konnte.371 Er nahm deshalb die späteren §§ 339374, 360 Volkmar, JW 1924, 345, 353; GStJ21-Leipold, § 303 Rn. 1; abw. Bettermann, ZZP 79, 392 ff.; ihm zust. Otto, S. 53 (dort Fn. 107); dagegen Rosenberg15, S. 311; bemerkenswert Wieczorek, § 279 Anm. A: Vorabentscheidungen, wie sie im früheren Recht bekannt waren, sollten genügen, um der Prozeßverschleppung entgegenzuwirken. Worauf sich die Annahme einer Verzögerung des Verfahrens durch Zwischenurteile über selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel stützt, bleibt angesichts der geringen Erfahrung mit § 275303 unklar. 361 Vgl. die Übersicht bei Zeiss9, Rn. 538–540. 362 Entwurf einer Deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung (Königlich Preußisches Justiz-Ministerium, Berlin 1871); vgl. auch Rosenberg2, S. 11. 363 Vgl. Wach, Kritische Vierteljahrsschrift 15, 339, 348. 364 So wörtlich die Mot.CPO, S. 26 a. E. f.; dagegen schon Wach, Kritische Vierteljahrsschrift 15, 339, 349. 365 Den §§ 251278 Abs. 2, 256283 Abs. 2 entsprachen die §§ 228 Abs. 2, 232 Abs. 2E I. 366 Deutsches Gerichtskostengesetz vom 18. Juni 1878 (RGBl. 1878, S. 141 ff.). 367 Wach, Kritische Vierteljahrsschrift 15, 339, 349, nannte das Verfahren des ersten Entwurfs rand- und bandlos, weil es weder in noch außer sich Schutzmittel gegen Mißbrauch und Verschleppung biete; vgl. ferner Sonnenschmidt, ZZP 2, 208, 234 f. (dort Fn. 4). Beachtlich in diesem Zusammenhang auch der Hinweis DahlmannsI, S. 38, ein Beweisurteil schütze vor einem Zerfließen der mündlichen Verhandlung im ständigen Wechsel von Behauptung und Beweis. 368 Entwurf einer deutschen Civilprozeßordnung nebst Begründung und dem Entwurfe eines Einführungsgesetzes (Königliche Geheime Ober-Hofbuchdruckerei, Berlin 1872).

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398433 auf,372 die dem Gericht den Ausschluß gestaffelt vorgebrachter Beweise erlaubten.373 Dem fügte der dritte Entwurf zur ZPO374 mit dem späteren § 252279 noch eine Bestimmung hinzu,375 die dem Gericht auch den Ausschluß gestaffelt vorgebrachter Behauptungen ermöglichte.376 Trotz wiederum scharfer Ablehnung wurden diese neuen Ausschlußvorschriften schließlich Gesetz.377

369 So ausdrücklich Leonhardt, Processreform, S. 42; ferner Schmidt, S. 101; unklar Marquardsen, Prot.CPO, S. 89, der von einer Bestimmung im französischen Recht sprach. 370 Schmidt, S. 101; ungenau dagegen die Mot.CPO, S. 27, die von einem Ausschluß bei Gefahr einer Verzögerung des Verfahrens sprechen. Die Rheinlande hatten diese Einrichtung des französischen Verfahrens offenbar nicht übernommen; vgl. Leonhardt, Processreform, S. 42; ferner oben Fn. 327. 371 Diese Befugnis ergab sich aus der sog. Souveränität des Gerichts; zum Begriff vgl. GStJ11, § 279 Anm. I; Schmidt, S. 637 (dort Fn. 1); Klein, ZZP 19, 1, 44 f.; Görres ZZP 34, 1, 98. 372 Den §§ 339374, 398433 entsprachen die §§ 329, 361E II. 373 Ähnl. schon der preußische Entwurf einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preussischen Staat aus dem Jahre 1864 (Decker, Berlin 1864). § 324 Abs. 1prE lautete: Das Gericht ist befugt, ein Angriffs- oder Vertheidigungsmittel, dessen Berücksichtigung einen Vorbescheid oder ein Zwischenurtheil nöthig machen würde, als zur Berücksichtigung ungeeignet, zu verwerfen, wenn dasselbe nach seiner Überzeugung zum Zwecke des Verschleifs der Sache geltend gemacht wird oder zurückgehalten ist. Von dieser Befugnis hat das Gericht insbesondere Gebrauch zu machen, wenn das Angriffs- oder Vertheidigungsmittel nicht bei der ersten, sondern erst bei einer späteren mündlichen Verhandlung vorgebracht wird. 374 Entwurf einer Civilproceß-Ordnung und eines Einführungs-Gesetzes zu derselben (RT-Drucks. 2 II Nr. 6). 375 § 252279 entsprach § 242E III. 376 Vgl. die Mot.CPO, S. 27. Abl. gegenüber dieser Aufspaltung der Ausschlußvorschriften Wach, Vorträge1, S. 30. 377 Bezeichnend insofern die Entwicklung der Begründung der Entwürfe zur ZPO (Hervorhebungen durch den Verfasser): Mot.E I, S. 225: . . . Das Korrektiv gegen zu befürchtenden Mißbrauch, welches der preußische Entwurf durch die Vorschrift gewähren wollte, daß das Gericht befugt sein solle, nachträglich vorgebrachte Rechtsbehelfe zurückzuweisen, wenn es überzeugt sei, daß dieselben zum Verschleife der Sache geltend gemacht würden, ist ein mehr wie bedenkliches, weil hier nicht mehr richterliches Ermessen, sondern richterliche Willkür in Frage ist. Zulässig und schon wegen der damit verbundenen Beschwichtigung der Bedenken empfehlenswerth erscheint dagegen eine Vorschrift, durch welche das Gericht ermächtigt wird, wenn durch ein nachträgliches Vorbringen von Rechtsbehelfen die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögert wird, einer Partei, welche nach freier richterlicher Überzeugung im Stande war, den Rechtsbehelf zeitiger geltend zu machen, auch wenn dieselbe obsiegt, die Prozeßkosten ganz oder theilweise aufzuerlegen. Mot.E II, S. 28: . . . Das Korrektiv gegen zu befürchtenden Mißbrauch, welches der preußische Entwurf durch die Vorschrift gewähren wollte, daß das Gericht befugt sein solle, nachträglich vorgebrachte Rechtsbehelfe zurückzuweisen, wenn es überzeugt sei, daß dieselben zum Verschleife der Sache geltend gemacht würden, ist ein mehr wie bedenkliches, weil hier nicht mehr richterliches Ermessen, sondern richterliche Will-

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Die Gegner dieser neuen Ausschlußvorschriften hatten ebenso vor einer zu strengen wie vor einer zu lässigen Anwendung durch die Gerichte gewarnt. Einerseits ließen die Erfahrungen aus Frankreich nämlich eine willkürliche Anwendung befürchten,378 nachdem man den Parteien dort den zeitraubenden Zeugen- und Augenscheinsbeweis in über neunzig v. H. der Verfahren von vornherein abschlug.379 Andererseits aber ließ die bisherige Scheu der Gerichte schon gegenüber der Verhängung von Kostenstrafen erwarten, daß die Gerichte aus Furcht vor ungerechten Urteilen und widerstrebenden Rechtsanwälten erst recht eine Abneigung gegenüber der Verhängung von Ausschlußstrafen zeigen würden.380 Die Befürworter der neuen Ausschlußvorschriften hielten dagegen, diese Schwierigkeiten würden sich nicht ergeben, zum einen, weil in einem mündlichen und öffentlichen Verfahren die Parteien bewußt gestaffeltes Vorbringen gar nicht wagen würden, und zum anderen, weil sich ein mißbräuchlicher gekür in Frage ist. Zulässig und schon wegen der damit verbundenen Beschwichtigung der Bedenken empfehlenswerth erscheint dagegen neben den besonderen Bestimmungen der §§ 324. und 379. eine Vorschrift, durch welche das Gericht ermächtigt wird, wenn durch ein nachträgliches Vorbringen von Rechtsbehelfen die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögert wird, einer Partei, welche nach freier richterlicher Überzeugung im Stande war, den Rechtsbehelf zeitiger geltend zu machen, auch wenn dieselbe obsiegt, die Prozeßkosten ganz oder theilweise aufzuerlegen. Mot.CPO, S. 27 f.: . . . Bereits im Gebiete des französischen Rechts hat sich in der Praxis der Grundsatz entwickelt, daß das Gericht befugt sei, Angriffs-, Vertheidigungsund Beweismittel, welche nach seiner Überzeugung zum Verschleife der Sache geltend gemacht werden oder zurückgehalten sind, sofern ihre Berücksichtigung die sofortige Erlassung des Endurtheils verhindern würde, als zur Berücksichtigung nicht geeignet zu verwerfen und der preußische Entwurf § 324 hatte die Aufnahme dieses Grundsatzes in das Gesetz in Vorschlag gebracht. Soviel ist zweifellos, daß eine derartige Bestimmung mit dem mündlichen Verfahren vereinbar ist und daß ihr sachliche Bedenken nicht entgegenstehen, vorausgesetzt, daß sie richtig begrenzt wird. In Betreff der Angriffsmittel ist sie nicht erforderlich, da gegen einen Mißbrauch derselben anderweit Vorkehr getroffen werden kann. Rücksichtlich der Beweismittel ist sie nur insoweit gerechtfertigt, als sie in den §§ 329, 385 des Entwurfs Ausdruck gefunden hat. Was endlich die Vertheidigungsmittel anlangt, so besteht ein Bedürfniß für eine beschränkende Vorschrift nur hinsichtlich derjenigen Vertheidigungsmittel, welche von dem Beklagten oder von dem Widerbeklagten nachträglich geltend gemacht werden, indem nur diese Personen ein Interesse haben können, den Prozeß zu verschleppen. . . . – Zulässig und als weiteres Korrektiv gegen die beim Wegfall der Eventualmaxime befürchteten Mißbräuche erscheint endlich eine Vorschrift, durch welche das Gericht ermächtigt wird, wenn durch ein nachträgliches Vorbringen von Rechtsbehelfen die Erledigung des Rechtsstreits erheblich verzögert wird, einer Partei, welche nach freier richterlicher Überzeugung im Stande war, den Rechtsbehelf zeitiger geltend zu machen, auch wenn dieselbe obsiegt, die Prozeßkosten ganz oder theilweise aufzuerlegen. 378 So Bähr, Prot.CPO, S. 84; ebenso Leonhardt, Processreform, S. 42 f. Vgl. ferner schon die Mot.E I, S. 225 (oben Fn. 377). 379 Schmidt, S. 101 a. E., 102. Dagegen behauptete Marquardsen, Prot.CPO, S. 89, der Ausschluß erfolge in Frankreich ohne Nachteil für die Parteien. 380 Vgl. Leonhardt, Processreform, S. 43, der sich offenbar auf die Kostenstrafe des § 681HPO bezog; ferner Sonnenschmidt, ZZP 2, 208, 234 f. (dort Fn. 4).

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richtlicher Ausschluß durch eindeutige gesetzliche Tatbestände381 verhindern lasse.382, 383 Die ZPO bestimmte also statt eines Ausschlusses kraft Gesetzes einen Ausschluß kraft Richterspruchs.384 Die Ausschlußvorschriften der §§ 252279 339374, 398433, heute § 296 Abs. 2, 1. Fall, sind durch zahlreiche Neufassungen allerdings erheblich verändert worden. a) Die Urfassung der ZPO von 1877 aa) § 252279 § 252279 erlaubte dem Gericht den Ausschluß gestaffelt vorgebrachter Behauptungen,385 jedoch nur des Beklagten,386, 387 nicht auch des Klägers. Diese Beschränkung folgte aus der Überlegung, daß der Kläger bereits durch die Vorschriften über die Klageänderung388 in seinem Vorbringen begrenzt sei389 und Mot.CPO, S. 27; vgl. unten Fn. 499. Vgl. oben Fn. 364. Dies schienen Erfahrungen aus Bayern, wo die BPO (unten S. 105 ff.) ein der ZPO ähnliches Verfahren vorschrieb, zu bestätigen; vgl. Völk, Prot.CPO, S. 89; zust. WL, vor §§ 230 ff. Anm. 1. 383 Vor den Folgen zu strenger Ausschlüsse sollten die Parteien außerdem durch die Gewährung rechtlichen Gehörs vor dem Ausschluß sowie durch ein unbeschränktes Neuerungsrecht im Berufungsrechtszug geschützt werden; vgl. zum ersten die Mot.CPO, S. 27; ferner Seuffert, § 279 Anm. 2, und zum zweiten die Mot.CPO, S. 26; weiter Völk, Prot.CPO, S. 89; schließlich unten Fn. 457 a. E. Eine Einschränkung des Neuerungsrechts im Berufungsrechtszug bestand lediglich hinsichtlich der Geltendmachung neuer Ansprüche, namentlich durch Aufrechnung und Widerklage, § 491529* Abs. 2. 384 Zum Ausschluß kraft Gesetzes und kraft Richterspruchs vgl. Weismann, S. 202; ferner Damrau, S. 27. 385 Ursprünglich gebrauchte die ZPO den Begriff der Angriffs- und Verteidigungsmittel nur für Behauptungen, nicht auch für Beweise. Wenn § 252279 den Ausschluß von Verteidigungsmitteln bestimmte, waren damit also nur Behauptungen des Beklagten gemeint. Vgl. auch die §§ 251278, 256283; ferner RG JW 1883, 234; GStJ11, § 279 Anm. I; Rosenberg2, S. 170; dagegen zum heutigen Sprachgebrauch der ZPO oben S. 30. Der mißverständliche Wortlaut des § 251278 Abs. 1 zählte allerdings irrtümlicherweise auch die Widerklage zu den Verteidigungsmitteln, dagegen z. B. Seuffert, § 278 Anm. 2 m. w. N. WL, § 251 Anm. 1 sprachen in diesem Zusammenhang von Widerklagegründen. 386 Ebenso gestaffelt vorgebrachte Behauptungen des Widerbeklagten, vgl. die Mot.CPO, S. 206; von Amsberg, Prot.CPO, S. 89; WL, § 252 Anm. 2. 387 Schwierigkeiten bereiteten und bereiten dabei Aufrechnung und Widerklage des Beklagten. Während die Aufrechnung nämlich als gewöhnliches Verteidigungsmittel ausgeschlossen werden kann, muß die Widerklage als selbständiger Gegenangriff vom Gericht zur Kenntnis genommen werden. So läßt sich der Ausschluß der Aufrechnung durch Erhebung der Widerklage umgehen; vgl. GStJ11, § 279 Anm. I a. E.; Zeiss9, Rn. 401. Zur Abtrennung der Aufrechnung gem. §§ 145, 302 vgl. ferner GStJ11, § 279 Anm. I a. E. 381 382

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das Verfahren als Rechtssuchender ohnehin nicht verzögern werde.390 Dagegen könne der Beklagte vor etwaigen Benachteiligungen durch die Einräumung eines unbeschränkten Neuerungsrechts im Berufungsrechtszug391 bewahrt werden.392 In gewissem Widerspruch zu dieser Begründung stand allerdings die Vorschrift des § 251278 Abs. 2, nach der sowohl dem Kläger als auch dem Beklagten Kostenstrafen wegen verzögernden Vorbringens auferlegt werden konnten. Der äußere Tatbestand des § 252279 setzte voraus, daß die Behauptung nachträglich vorgebracht wurde, daß ihre Beachtung das Verfahren verzögert hätte und daß der Kläger den Ausschluß beantragte. Wann eine Behauptung nachträglich war, schien sich im ungegliederten Verfahren der ZPO zwar nicht allgemein bestimmen zu lassen.393 Sie sollte aber jedenfalls dann nachträglich sein, wenn sie schon in einer früheren Verhandlung möglich gewesen war,394 was das Gericht nach freiem Ermessen bestimmen sollte.395 Weiter verzögerte 388

Vgl. oben S. 62. Schmidt, S. 426, 637. Allerdings hatte bereits Grimm, Prot.CPO, S. 541 vorgeschlagen, die Klageänderung in die Kosten- und Ausschlußstrafen der späteren §§ 251278 Abs. 2, 252279 einzubeziehen. Die Vorschriften hätten demnach gelautet: § 251278. Klageänderungen, desgleichen Angriffs- und Vertheidigungsmittel, (Einreden, Widerklagen, Repliken u.s.w.) können bis zum Schlusse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Das Gericht kann, wenn durch eine Klageänderung oder durch das nachträgliche Vorbringen eines Angriffs- oder Vertheidigungsmittels die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird, der obsiegenden Partei, welche nach freier richterlicher Überzeugung im Stande war, die Klageänderung oder das Angriffs- oder Vertheidigungsmittel zeitiger geltend zu machen, die Prozeßkosten ganz oder theilweise auferlegen. § 252279. Klageänderungen, desgleichen von dem Beklagten nachträglich vorgebrachte Vertheidigungsmittel können auf Antrag zurückgewiesen werden, wenn duch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde, und das Gericht die Überzeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit ihr Vorbringen nicht zeitiger geltend gemacht hat. 390 Mot.CPO, S. 27; zust. PlanckII/2, S. 407. Diese Beschränkung kannten weder das französische Recht noch § 324prE (oben Fn. 373). 391 Vgl. oben Fn. 383. 392 Mot.CPO, S. 27 (oben Fn. 383). Anders im Berufungsrechtszug selbst: Auch dort fand § 252279 zwar gem. § 485523 Anwendung, aber weil im Revisionsrechtszug neues Vorbringen nicht möglich ist, § 545 (entspr. § 549G01), konnte der Beklagte nicht auf ein entsprechendes Neuerungsrecht verwiesen werden. Die §§ 502540, 503541 bestimmten deshalb in Anlehnung an den Urkunden- und Wechselprozeß, vgl. § 599, daß das Berufungsurteil im Falle des Ausschlusses einer Behauptung des Beklagten unter Vorbehalt ergehen und dem Beklagten ihre Geltendmachung in einem Nachverfahren innerhalb des Berufungsrechtszuges ermöglicht werden solle. Vgl. hierzu die Mot.CPO, S. 27 a. E.; Eysoldt, Prot.CPO, S. 244; GStJ11, § 540 Anm. I; PlanckII/2, S. 494 f.; ferner unten Fn. 457 a. E. 393 Vgl. die Mot.CPO, S. 27, 206. 394 Seuffert, § 278 Anm. 6; GStJ11, § 278 Anm. III; Egon Schneider, JR 1965, 328, 330; GStJ19, § 278 Anm. III 1. 389

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eine Behauptung den Rechtsstreit, wenn ihre Berücksichtigung ein Endurteil im Termin verhinderte.396 Auch eine nachträgliche Behauptung wurde also nicht ausgeschlossen, wenn das Gericht über ihren Erfolg sofort entscheiden und das Urteil sogleich erlassen konnte397 oder aber auf das Urteil auch aus anderen Gründen verzichtete. 398 Daß der Ausschluß einer Behauptung schließlich noch von einem Antrag des Klägers abhing, sollte richterlicher Willkür bei der Anwendung des § 252279 entgegenwirken.399 Der innere Tatbestand des § 252279 setzte voraus, daß die Behauptung entweder in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen400 oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden war.401 In Verschleppungsabsicht handelte, wer Behauptungen gerade um einer Verzögerung des Verfahrens willen nicht früher vorbrachte.402 Grob nachlässig handelte dagegen, wer die vor Gericht erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht ließ.403 Nachdem die Bedeutung der groben Nachlässigkeit anfangs zweifelhaft gewesen war, weil das Reichsrecht noch keine allgemeinen Bestimmungen über das Verschulden enthielt,404 wurde nach Inkrafttreten des BGB405 grobe Nachlässigkeit i. S. d. § 252279 nämlich mit grober Fahrlässigkeit i. S. d. § 276 BGB gleichgesetzt.406 Mot.CPO, S. 27. Nach heutigem Sprachgebrauch handelte es sich dabei nicht um die Ausübung eines Ermessens, sondern um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs; vgl. Maurer, § 7 Rn. 7 ff., 26 ff. 396 Vgl. die Mot.CPO, S. 27, sowie S. 248 zum insofern gleichlautenden § 339374: . . . wenn . . . in jenem Termine das Urteil nicht erlassen . . . [werden kann]. Ähnl. zum heutigen Recht GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 49 ff. 397 Seuffert, § 279 Anm. 3; Görres, ZZP 34, 1, 96; Egon Schneider, JR 1965, 328, 330; abw. GStJ19, § 279 Anm. II 1 b. 398 Görres, ZZP 34, 1, 96 nannte als Beispiel frühzeitig vorgebrachte aber noch unerledigte weitere Angriffs- und Verteidigungsmittel. Zur Frage der Ursächlichkeit vgl. Egon Schneider, JR 1965, 328, 331. GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 70 ff. will das heutige Recht um das ungeschriebene Merkmal der Zurechenbarkeit erweitern, um auszuschließen, daß pflichtwidriges Verhalten des Gerichts, des Gegners oder Dritter der vom Ausschluß bedrohten Partei zur Last fallen. 399 Mot.CPO, S. 27; scharf abl. schon Görres, ZZP 34, 1, 97, der das Antragserfordernis als nahezu unbegreiflich empfand. 400 Vgl. hierzu Bergerfurth, NJW 1960, 704, 705. 401 Gegen den Wortlaut des Gesetzes bezog die Entscheidung RG JW 1929, 103 die Verschleppungsabsicht allein auf das nachträgliche Vorbringen, die grobe Nachlässigkeit dagegen allein auf die Verzögerung des Verfahrens; zutreffend dagegen GStJ19, § 279 Anm. II 1 c. 402 Vgl. etwa Bergerfurth, NJW 1960, 704, 705. 403 Vgl. GStJ19, vor § 128 Anm. XI 3 l; ähnl. RG HRR 1931, 877, wonach die Partei jede prozessuale Sorgfalt versäumen müsse; zust. Egon Schneider, JR 1965, 328, 331. Ebenso zum heutigen Recht GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 105 (dort Fn. 175). 404 Vgl. von Völderndorff-Waradein, ZZP 1, 226, 232 ff.; GStJ2, § 252 Anm. III. 405 Vgl. oben Fn. 307. 406 Vgl. GStJ11, vor § 128 Anm. V 5, § 279 Anm. II 3, wo allerdings auf § 277 BGB verwiesen wird; GStJ19, § 279 Anm. II 1 c (dort Fn. 12); ebenso zum heutigen 395

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Nach der Rechtsprechung v. a. des Reichsgerichts galt es dabei als ausreichend sorgfältig, Behauptungen so weit vorzubringen, daß mit einem günstigen Verfahrensverlauf zu rechnen war,407, 408 und als grob nachlässig, Behauptungen zurückzuhalten, obwohl das bisherige Vorbringen keinen Erfolg versprach.409 Unzumutbares410 Vorbringen durfte stets zurückgehalten werden,411 so z. B., wenn es sich um ehrenrührige Behauptungen handelte,412 wenn persönliche Unannehmlichkeiten zu befürchten waren,413 wenn vor der Aufrechnung über die Hauptforderung entschieden werden sollte414 und sogar wenn sich weitere Verfahrenskosten vermeiden ließen.415 Wann ein Beklagter zur Behauptung verRecht GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 105 (dort Fn. 175). Der Leitsatz der Entscheidung KG JW 1926, 2462 verwendete im Hinblick auf § 252279 sogar den Begriff der groben Fahrlässigkeit. 407 Trotz einiger scheinbar anderslautender Stimmen war dabei auf eine Beurteilung aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten abzustellen; ausschlaggebend war nicht, ob der Beklagte sein bisheriges Vorbringen für ausreichend hielt, sondern ob er es für ausreichend halten durfte. Vgl. hierzu die Leitsätze der Entscheidungen KG JW 1926, 2462: . . . erwarten kann und RG JW 1931, 877: . . . ob die subjekt. Einstellung der Partei zu dem späten Vorbringen in Hinsicht auf die von ihr aufzuwendende Sorgfalt berechtigt war.; ebenso Leitsatz und Gründe der Entscheidung RG JW 1932, 2875 f.: . . . erwarten kann; ungenau dagegen wiederum (vgl. oben Fn. 401) die Entscheidung RG JW 1929, 103 a. E.: . . . jede Partei kann sich zunächst darauf beschränken, als Zeugen die Person zu benennen, von der sie am ehesten eine Bestätigung ihrer Behauptung erwartet; ähnl. Bergerfurth, NJW 1960, 704, 705. Die Anklänge an eine Beurteilung aus der Sicht der voreingenommenen Partei gehen offenbar auf RG JW 1916, 133, 134 zurück, wo sie aber erkennbar vom zu entscheidenden Fall beeinflußt wurde. Für die hier vertretene Auslegung sprach jedenfalls der Vergleich mit § 276 BGB, wo ebenfalls eine Beurteilung aus der Sicht eines unvoreingenommenen Dritten maßgeblich ist, vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Rn. 15 m. w. N.; davon zu unterscheiden ist die Vorwerfbarkeit des Verhaltens, vgl. a. a. O. Rn. 5. 408 Grob nachlässig handelte ein Beklagter daher erst recht, wenn er die Notwendigkeit weiteren Vorbringens gar nicht erst in Betracht gezogen hatte; vgl. RG HRR 1931, 877; RG JW 1932, 2875, 2876; GStJ19, § 279 Anm. II 1 c. 409 So offenbar zuerst RG JW 1916, 133, 134, danach ständige Rechtsprechung: KG JW 1926, 721, 722 mit abl. Anm. Goldschmidt; KG JW 1926, 2462, 2463 mit zust. Anm. Landsberg; RG JW 1929, 103 mit zust. Anm. Sonnen; RG HRR 1931, 877; RG JW 1932, 2875, 2876; zust. Bergerfurth, NJW 1960, 704, 705; ferner Egon Schneider, JR 1965, 328, 331 und GStJ19, § 279 Anm. II 1 c. Zur Zurückhaltung der Verjährungseinrede vgl. RG JW 1931, 3545. Die zuerst angeführte Entscheidung bezog sich auf den gleichlautenden § 339374, alle übrigen auf den ebenfalls gleichlautenden § 529 Abs. 2N24. 410 So wörtlich RG JW 1931, 3545. 411 Grundlegend RG JW 1936, 1778, 1779. 412 Vgl. etwa RG JW 1930, 549. Hier hatte der Erblasser letztwillig seinen Sohn als Erben und seine Geliebte als Vermächtnisnehmerin eingesetzt. Im nachfolgenden Rechtsstreit zwischen Sohn und Geliebter um die Gewährung des Vermächtnisses machte der Sohn erst im Berufungsverfahren geltend, die Geliebte sei vermächtnisunwürdig i. S. d. §§ 2339, 2345 BGB, weil er die Veröffentlichung des ehebrecherischen Verhältnisses seines Vaters scheute. 413 RG JW 1936, 1778,1779 zur Benennung eines neuen Zeugen. 414 RG JW 1931, 3545 mit zust. Anm. Heilberg.

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pflichtet gewesen war416 und ob er eine Behauptung demnach verspätet417 vorbrachte, mußte das Gericht also jeweils aus der Rückschau auf den Verlauf des Rechtsstreits beurteilen.418 Selbst bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen konnte das Gericht nach dem Wortlaut des § 252279 aber von einem Ausschluß absehen.419 Dies wurde empfohlen, wenn bei Abwägung der Belange beider Parteien420 ein gerechtes Urteil nur unter Berücksichtigung der nachträglich vorgebrachten Behauptung möglich erschien.421, 422 Entschloß sich das Gericht jedoch zum Ausschluß, dann sprach es dies im Endurteil aus.423 bb) §§ 339374 und 398433 Die §§ 339374 und 398433 erlaubten dem Gericht den Ausschluß gestaffelt vorgebrachter Beweise,424 und zwar sowohl des Beklagten als auch des Klägers.425 Dies leuchtet zumindest insofern ein, als die Vorschriften über die Klageänderung den Kläger zwar in seinen Behauptungen, aber nicht in seinen Be415

KG JW 1926, 2462, 2463. So wörtlich KG JW 1926, 721, 722. 417 Rosenberg9, S. 346 f.; i. E. ebenso Nikisch, S. 286; vgl. auch Blomeyer, S. 144. Zum Begriff der Verspätung vgl. bereits Seuffert § 278 Anm. 6; GStJ11, § 279 Anm. II 1, § 278 Anm. III (dort Fn. 9); Rosenberg2, S. 213. 418 Egon Schneider, JW 1965, 328, 331. Ähnl. schon die Äußerungen aus der Rechtsprechung bei Wach, Enquête, S. 107 (dort Fn. 139). 419 Vgl. auch KG NJW 1959, 1735, 1736; OLG Celle NJW 1953, 1676; GStJ11, § 279 Anm. II a. E.; Bergerfurth, NJW 1960, 704, 706; Egon Schneider, JR 1965, 328, 329. 420 Bergerfurth, NJW 1960, 704, 706. 421 KG JW 1932, 2893 f.; KG NJW 1959, 1735, 1736; ähnl. schon Völk, Prot.CPO, S. 89; Goldschmidt, Anm. zu KG JW 1926, 721 f., a. a. O.; Bergerfurth, NJW 1960, 704, 706; Egon Schneider, JR 1965, 328, 329. 422 Goldschmidt2, S. 132 empfahl sogar, nachträgliches Vorbringen nur dann auszuschließen, wenn es wahrscheinlich nicht zu beweisen war; vgl. auch GStJ19, § 279 Anm. II 3. Zum heutigen Recht GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 110 m. w. N. 423 Seuffert, § 279 Anm.3; GStJ19, § 279 Anm. III 1. Wach, Vorträge1, S. 29, lehnte eine Beweisaufnahme über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 252279 ab; abw. GStJ19, § 279 Anm. II 3. 424 Alle hier und im folgenden angeführten Nachweise beziehen sich dem Wortlaut nach nur auf Beweismittel, nicht auch auf Beweiseinreden. Da § 256283 aber Beweismittel und Beweiseinreden zusammen nannte, soll hier davon ausgegangen werden, daß sie nicht versehentlich übergangen wurden, sondern daß sich die Ausführungen zu den Beweismitteln auch auf die Beweiseinreden bezogen. 425 Anders als § 252279 (oben Fn. 392) fanden die §§ 339374, 398433 darum auch im Berufungsrechtszug unverändert Anwendung, da der Verlust gestaffelt vorgebrachter Beweismittel Kläger und Beklagten gleichermaßen treffen konnte. Ein besonderes Nachverfahren nach dem Vorbild der §§ 502540, 503541 fand nicht statt. Beweise, die im Berufungsrechtszug ausgeschlossen wurden, waren damit endgültig verloren. 416

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weisen begrenzen, so daß sich die §§ 339374, 398433 anders als § 252279 auf beide Parteien beziehen mußten.426 Auf den ersten Blick unverständlich erscheint dagegen, daß die §§ 339374, 398433 nur den Ausschluß von Zeugen bzw. Urkunden aus dem Besitz Dritter ermöglichten,427 während alle übrigen Beweise unbegrenzt vorgebracht werden konnten.428 Diese Beschränkung folgte jedoch aus der Annahme, daß Verzögerungen des Verfahrens durch die Staffelung von Beweisen grundsätzlich nicht zu befürchten seien.429 Der Gesetzgeber berief sich dabei auf die Eigenheiten der einzelnen Beweise: Urkunden aus dem Besitz Dritter und Zeugen werden gem. §§ 428 ff., 432 bzw. gem. § 377 durch das Gericht beschafft,430 so daß Verzögerungen des Verfahrens drohen, wenn das Gericht bei entsprechender Staffelung wieder und wieder bemüht wird. Dies sollten die § 339374, 398433 verhindern. Sachverständige hingegen muß das Gericht stets hören, wenn es ihm an eigener Sachkunde fehlt, darf sie aber ablehnen, wenn es sich ausreichende eigene Sachkunde zutraut431 so daß es einer besonderen Ausschlußvorschrift hierfür nicht bedurfte.432, 433 Parteieide434 durften ohnehin erst nach Abschluß aller sonstigen Beweisaufnahmen435 und auf Grund eines rechtskräftigen Vorbehaltsurteils im sog. Läuterungsverfahren abgenommen werden, §§ 418453, 426 Vgl. oben S. 70. Die Mot.CPO äußern sich zu dieser Frage allerdings nicht. Dies scheint für die Ansicht Wachs, Vorträge1, S. 30, zu sprechen, der den Grund für die abweichende Fassung der Vorschriften schlicht in ihrer unterschiedlichen Entstehungsgeschichte (oben S. 67 ff.) vermutete. 427 Gemeint waren Privatpersonen, § 393428, sowie Behörden und Beamte, § 397432, nicht aber der Prozeßgegner; vgl. die Mot.CPO, S. 270. 428 Abl. Görres, ZZP 34, 1, 99. 429 Mot.CPO, S. 27; 248. Tatsächlich bedrohte auch § 251278 Abs. 2 nur verzögernd vorgebrachte Behauptungen, nicht aber verzögernd vorgebrachte Beweise mit einer Kostenstrafe (oben Fn. 385), und auch die §§ 321356, 329364 Abs. 3 bezogen sich nicht auf gestaffelt vorgebrachte, sondern nur auf schwer zu beschaffende Beweise. 430 Zu vernachlässigen ist dabei die seltene Ausnahme, daß die Parteien ihre Zeugen unmittelbar stellen. 431 RG Z 157, 40, 49; Zeiss9, Rn. 441. 432 Seuffert, § 402; GStJ11, vor § 402 Anm. III 1; § 402 jeweils m. w. N.; Görres, ZZP 34, 1, 99. 433 Allerdings ließ der Wortlaut des Gesetzes den Schluß zu, auch der Sachverständigenbeweis könne gem. § 339374 ausgeschlossen werden, da die Vorschriften über den Zeugenbeweis auf den Sachverständigenbeweis entsprechende Anwendung finden, § 402; so tatsächlich die Rechtsprechung und der kleinere Teil des Schrifttums, vgl. RG Z 7, 389, 392 f.; PlanckII/2, S. 407; Fischer, S. 214; ferner GStJ11, § 402 (dort Fn. 2) m. w. N., der die Entscheidung RG Z 7, 389 ff. allerdings irrtümlich der Gegenansicht zuordnete; schließlich Seuffert, § 402 m. w. N. Dagegen sprach jedoch der erklärte Wille des Gesetzgebers, die §§ 339374, 398433 auf die dort genannten Fälle zu beschränken; vgl. die Mot.CPO, S. 27; 248. Es deutet darum alles darauf hin, daß § 339374 nur versehentlich nicht von der Anwendung auf den Sachverständigenbeweis ausgeschlossen wurde. 434 §§ 410445–439477. Der Parteieid wurde erst i. R. d. Neufassung der ZPO von 1933 durch die Parteivernehmung ersetzt.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

419454, 425460,436 so daß eine Staffelung das Verfahren nicht verzögern konnte.437 Urkunden aus eigenem Besitz schließlich sollen die Parteien gem. § 131 bereits vor dem Termin offenlegen, so daß man hier selbst bei einer Staffelung unverzüglich Beweis aufnehmen wollte,438 während bei Urkunden aus dem Besitz des Gegners das Vorlegungsverfahren der §§ 421 ff. ausreichen sollte, um Verzögerungen des Rechtsstreits zu verhindern.439 Unklar bleibt insofern nur, warum die ZPO nicht auch den Ausschluß des Augenscheins vorsah, da hier wie bei Urkunden aus dem Besitz Dritter und Zeugen das Gericht bemüht werden muß und insbesondere gestaffelte Ortstermine das Verfahren erheblich verzögern können.440 Hinsichtlich der Voraussetzungen für einen Ausschluß wies der Wortlaut der §§ 339374, 398433 von dem des § 252279 zwei bemerkenswerte Abweichungen auf. Zum einen war nämlich nicht von nachträglichem Vorbringen die Rede, sondern von Vorbringen nach einem Beweisbeschluß: Zeugen und Urkunden drohte der Ausschluß, wenn wegen der Behauptung, deren Beweis sie erbringen sollten, schon einmal ein Beweisbeschluß ergangen war.441 Zum anderen mußte das Gericht bei Vorliegen aller Voraussetzungen den Ausschluß aussprechen. Besondere Gründe für eine Duldung gestaffelten Vorbringens blieben also außer Betracht. Die Tatbestände der §§ 339374, 398433 waren damit in zwei entscheidenden Fragen eindeutiger gefaßt als der Tatbestand des § 252279, was den Ausschluß gestaffelter Beweise gegenüber dem Ausschluß gestaffelter Behauptungen erheblich erleichterte. Keine Abweichung von § 252279 wiesen die §§ 339374, 398433 dagegen hinsichtlich des Merkmals der Verzögerung auf:442 Ein Beweis verzögerte das Verfahren, wenn seine Berücksichtigung ein Endurteil im Termin verhinderte.443 Auch wenn ein entsprechender Beweisbeschluß also schon einmal erlassen worden war, wurde ein Beweis nicht ausgeschlossen, sofern er sofort aufgenommen 435 Ähnl. noch heute § 445 Abs. 1 für die Parteivernehmung. Das Gesetz ist von der ursprünglichen Strenge der Nachrangigkeit aber abgerückt, vgl. § 450 Abs. 2 S. 1. 436 Zum Verfahren bei Parteieiden vgl. die Mot.CPO, S. 282 a. E., 283; ferner Schmidt, S. 533 ff.; Rosenberg2, S. 400; Görres, ZZP 34, 1, 99. 437 So auch Görres, ZZP 34, 1, 99. Daß die Parteien das Verfahren verzögern konnten, indem sie ihrem Gegner überhaupt einen Eid zuschoben, ist keine Frage des gestaffelten Vorbringens. 438 Daß die Parteien das Gebot des § 131 mißachten können, blieb dabei allerdings außer Acht. 439 Mot.CPO, S. 270; Görres, ZZP 34, 1, 99 Fn. 181 vermutet daher irrtümlich einen Redaktionsfehler. 440 So schon Wach, Kritische Vierteljahrsschrift 15, 339, 348 f.; zurückhaltend Planck, Preußische Jahrbücher 31, 162, 173 f. 441 Vgl. auch die Mot.CPO, S. 248. 442 Vgl. SK, § 339 Anm. 1; GStJ11, § 374 Anm. I. 443 Mot.CPO, S. 248; vgl. bereits oben Fn. 396.

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werden und das Urteil sogleich ergehen konnte444 oder wenn das Ausbleiben des Urteil noch andere Ursachen hatte.445 Unrichtig war daher die um das Jahr 1930 auftretende Ansicht, schon der Zeitaufwand der Beweisaufnahme als solcher sei als Verzögerung i. S. d. §§ 339374, 398433 anzusehen. Gleichwohl folgerte die herkömmliche Auslegung im Gegenschluß, allgemein dürfe nur eine bei verständiger Würdigung beachtliche Verzögerung des Verfahrens zum Ausschluß eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels führen.446 Eine Stütze im Gesetz fand und findet diese Ansicht aber nicht: Soll ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel ausgeschlossen werden, weil es gestaffelt vorgebracht wird, so ist eine Verzögerung des Verfahrens nur zu bejahen, wenn seine Beachtung ein Urteil im Termin verhindern würde. Dies kann nur unpräsente, ungegenwärtige Beweismittel betreffen, deretwegen die mündliche Verhandlung vertagt werden muß. Da präsente, gegenwärtige Beweismittel nämlich sofort aufgenommen werden können, droht ihnen grundsätzlich kein Ausschluß wegen gestaffelten Vorbringens. b) Die Neufassung der ZPO von 1924 Während im ersten Jahrzehnt nach Inkrafttreten der ZPO die erzieherische Wirkung der mündlichen Verhandlung447 gestaffeltes Vorbringen tatsächlich zu verhindern schien,448 ließ schon um das Jahr 1900 die wachsende Vertrautheit der Parteien mit den Freiheiten des Verfahrens449 die Forderung nach einer Verschärfung der §§ 252279, 339374, 398433 laut werden.450, 451 RG JW 1893, 234; GStJ11, § 374 Anm. I; Seuffert, § 374 Anm. 2b. Mot.CPO, S. 248; WL, § 339 Anm. 1. 446 So offenbar zuerst RG HRR 1931, 877 zum gleichlautenden § 529 Abs. 2N24; zust. GStJ19, § 279 Anm. II 1 b; Egon Schneider, JR 1965, 328, 330 a. E., 331. Wieczorek, § 529 Anm. C III hielt selbst eine Verzögerung um drei Monate für u. U. hinnehmbar; dagegen Bergerfurth, NJW 1960, 704, 705. Vgl. auch OLG Hamburg NJW 1979, 1717 ff. zum heutigen Recht. 447 Vgl. oben Fn. 364. 448 Vgl. Wach, Enquête, S. 107 f., 109 f. Dagegen schon Sonnenschmidt, ZZP 2, 208, 234 f. (dort Fn. 4). Hierzu eingehend Damrau, S. 148 ff. 449 Vereinzelte Stimmen zu mißbräuchlichem gestaffelten Vorbringen fanden sich allerdings schon bei Wach, Enquête, S. 108 f. 450 Wach, Vorträge2, S. 35 ff., 61; ders., 26. DJTII, S. 27 f., 31; Schmidt, S. 637 (dort Fn. 2); Görres, ZZP 34, 1, 97; Bovensiepen, DRiZ 1912, 179, 182; ebenso von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 7, 129, 171, 173 zu § 502540. 451 Damrau, S. 150, weist darauf hin, daß Angriffe auf die ZPO wegen ihrer Bedeutung als erster einheitlicher Verfahrensordnung für das Deutsche Reich zunächst grundsätzlich verpönt waren; vgl. dazu Sydow, ZfR 3, 36. Dies scheint das wechselnde Urteil Wachs über das Verfahren der ZPO zu bestätigen: Dem Tadel am randund bandlosen Verfahren im Jahre 1873 (Kritische Vierteljahrsschrift 15, 339, 349; oben Fn. 367.) folgten Lob bei gleichzeitiger Brandmarkung des Antrags auf Ausschluß als gehässiger Maßregel im Jahre 1887 (Enquête, S. 107 ff., 110; oben 444 445

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

Die Neufassung der ZPO von 1924 dehnte deshalb zunächst den jetzigen § 279N24 auf gestaffelt vorgebrachte Behauptungen des Klägers aus452 und strich auch das Erfordernis eines Antrags der jeweiligen Gegenseite auf Ausschluß. Einerseits hatte sich nämlich gezeigt, daß sich die Stellung der Parteien als Kläger und Beklagter häufig zufällig ergab,453 weshalb die Begrenzung allein des Beklagten durch den früheren § 252279 doch unbillig erschien.454 Andererseits hatten die Parteien einen Antrag auf Ausschluß aber auch deshalb fast niemals gestellt, weil sie die Ausschlußvorschriften nicht kannten455 oder weil ihre Rechtsanwälte die gegnerischen Standesgenossen schonten,456 so daß die früheren §§ 252279, 339374, 398433 nahezu bedeutungslos geblieben waren.457 Weiter strich die Neufassung der ZPO von 1924 die früheren §§ 339374, 398433 und erklärte den jetzigen § 279N24 für entsprechend anwendbar auf den Ausschluß aller gestaffelt vorgebrachten Beweise, § 283 Abs. 2N24. Auf diese Weise sollte das bisherige Flickwerk458 der Ausschlußvorschriften durch eine einheitliche Ausschlußvorschrift ersetzt werden. Daß damit grundlos die eindeutigen Tatbestände der früheren §§ 339374, 398433 dem unklaren Tatbestand des Fn. 448 ff.) und wiederum Ablehnung im Jahre 1902 (26. DJTII, S. 27 f., 31; oben Fn. 450). 452 Dies fordernd schon Wach, 26. DJTII, S. 28; vgl. auch die Vorschläge des Berliner Anwaltvereins, JW 1923, 673 f. 453 Volkmar, JW 1924, 345, 348, bemängelte, es sei häufig diejenige Partei durch ihre Klägerstellung belohnt worden, die zuerst die Geduld für eine gütliche Einigung verloren habe. 454 Das Nachverfahren der §§ 502540, 503541 (oben Fn. 392) wurde damit überflüssig, weil nun beide Parteien durch einen Ausschluß im Berufungsrechtszug ihre Behauptungen endgültig verloren. Die §§ 502540, 503541 wurden deshalb ersatzlos gestrichen. 455 Wach, Vorträge2, S. 35. 456 Wach, Vorträge2, S. 35; ders., 26. DJTII, S. 28; Görres, ZZP 34, 1, 97; Bovensiepen, DRiZ 1912, 179, 182; Curtius, JW 1924 354, 358. 457 So einhellig Schmidt, S. 637 Fn. 2; Wach, Vorträge2, S. 35; ders. ebenso schon in seiner Enquête, S. 109 a. E., 110; Görres, ZZP 34, 1, 97; Konrad Schneider, S. 12, 16; GStJ11, § 279 Anm. I; Volkmar, JW 1924, 345, 347; Curtius, JW 1924, 354, 357; Heinsheimer, JW 1925, 695. Daß Wach, Vorträge2, S. 61, das Antragserfordernis eine Übertreibung des Beibringungsgrundsatzes nannte, war daher im Grunde nicht gerechtfertigt, weil das Verhalten der Rechtsanwälte das Ringen der Parteien als Kern des Beibringungsgrundsatzes ja gerade außer Kraft setzte. Bovensiepen, DRiZ 1912, 179, 182, machte für den Verzicht auf einen Ausschlußantrag im Eingangsrechtszug außerdem das nahezu unbeschränkte Neuerungsrecht im Berufungsrechtszug (oben Fn. 383) verantwortlich. Nach von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 7, 129, 171 ff., 173, wurde die Anwendung des § 252279 im Berufungsrechtszug selbst außerdem durch das in den §§ 502540, 503541 bestimmte Nachverfahren (oben Fn 392) gehemmt. Schließlich bestand aus Sicht der Gerichte kein Grund, eine Behauptung auszuschließen, über die im anschließenden Nachverfahren unter größerem Aufwand doch verhandelt werden mußte. 458 So wörtlich Wach, Vorträge2, S. 35; vgl. auch Volkmar, JW 1924, 345, 348.

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jetzigen § 279N24 zum Opfer fielen und ohne Grund eine Ausschlußvorschrift auch für den Beweis durch Sachverständige und Parteieide geschaffen wurde, blieb dabei unbemerkt.459 c) Die Neufassung der ZPO von 1976460 Brachten die Parteien aus Angst vor den verschärften Ausschlußvorschriften nach 1924 zunächst wirklich schleuniger vor,461 so machten die Gerichte dies durch die zurückhaltende Anwendung der §§ 279, 283 Abs. 2N24 schon bis 1930462 wieder zunichte.463 Grund für diese Zurückhaltung war die Furcht,464 ein ungerechtes Urteil herbeizuführen465 und die beteiligten Rechtsanwälte zu verärgern.466 Die Neufassung der ZPO von 1976 hat sich deshalb erneut um eine Straffung der Ausschlußvorschriften bemüht und die früheren §§ 279, 283 Abs. 2N24 im heutigen § 296 Abs. 2, 1. Fall vereint.467 459 Vgl. v. a. Volkmar, JW 1924, 345, 348; ferner allerdings Heilberg, JW 1924, 361, 363. Eine Erklärung für diese Ungereimtheiten könnte darin zu sehen sein, daß die Neufassung der ZPO von 1924 als Notverordnung in großer Eile erlassen wurde (oben Fn. 310). 460 Zur Entwicklung der ZPO zwischen 1933 und 1945 vgl. oben Fn. 306. 461 Mot.E31 S. 260 ff.; Rosenberg, ZZP 57, 185, 307. Zu beachten ist jedoch, daß die ebenfalls 1924 in die ZPO eingefügten Vorschriften über eine bessere Vorbereitung der mündlichen Verhandlung (unten S. 122) und das Ende der Herrschaft der Parteien über Fristen und Termine (oben S. 29) ebenfalls zur vorübergehenden Beschleunigung der Verfahren beitrugen. 462 Vgl. die Angaben in den Mot.E31 S. 260 ff. 463 Mot.E31 S. 262 a. E., 263; Rosenberg, ZZP 57, 185, 307. Für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ähnl. Bergerfurth, NJW 1960, 704; Mot.K61, S. 179; vgl. ferner Egon Schneider, JR 1965, 328 f. 464 Rosenberg, ZZP 57, 185, 307 nannte es eine falsche Psychologie der ZPO, den Gerichten den Ausschluß zu übertragen und verlangte eine Neufassung der §§ 279, 283 Abs. 2N24, die den Ausschluß zum gesetzlichen Regelfall erheben sollte; das Gericht hätte dann, ähnlich dem heutigen § 531 Abs. 2 (entspr. § 528 Abs. 1, 2G01), nur noch Ausnahmen zugunsten der Parteien zulassen dürfen. Einen ähnlichen Gedanken hatte das Reichsjustizministerium schon für die Neufassung des § 532 (entspr. § 529 Abs. 1G01) im Jahre 1924 verfolgt, konnte sich damit aber nicht durchsetzen; vgl. dazu Curtius, JW 1924, 354, 360 f.; ferner die Mot.K61, S. 179, 205 ff., 208. 465 So schon Heinsheimer, JW 1925, 695; ferner Rosenberg, ZZP 57, 185, 307, der diese Haltung jedoch mit den Mot.E31, S. 251 ablehnte; abl. ebenfalls Egon Schneider, JR 1965; 328 a. E., 329; vgl. ferner die Mot.K61, S. 179. Bergerfurth, NJW 1960, 704 teilte dagegen die Ansicht, der Ausschluß schade der Wahrheitsfindung. 466 Dies galt insbesondere für die höheren Rechtszüge, weil der Ausschluß hier zum endgültigen Verlust eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels führte (oben Fn. 392, 457 a. E.); vgl. Rosenberg, ZZP 57, 185, 307; ferner Landsberg, JW 1926, 2462, 2463. 467 Erschöpfende Untersuchungen des heutigen Rechts bieten Weth, Zurückweisung verspäteten Vorbringens im Zivilprozeß, und Kallweit, Die Prozeßförderungspflicht der Parteien und die Präklusion verspäteten Vorbringens im Zivilprozeß nach der Vereinfachungsnovelle vom 3. 12. 1976. Vgl. ferner Nottebaum, Die Zurückweisung verspäteten Vorbringens nach der Vereinfachungsnovelle.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

Im äußeren Tatbestand des § 296 Abs. 2, 1. Fall ist dabei das verspätete Vorbringen an die Stelle des nachträglichen Vorbringens getreten.468 Das Merkmal nachträglichen Vorbringens erscheint seither nur noch in § 38 S. 1, 3. Fall GKG. Ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel wird verspätet vorgebracht, wenn die Partei es nach ihrer allgemeinen Prozeßförderungspflicht früher hätte vorbringen müssen.469 Allgemeine Prozeßförderungspflicht der Partei ist es, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen, wie es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf die Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht, § 282 Abs. 1. Die Frage, wann eine sorgfältige Partei vorgebracht hätte und ob ein bestimmtes Angriffs- oder Verteidigungsmittel demnach verspätet vorgebracht wurde, ist also vom inneren in den äußeren Tatbestand verlagert worden.470 Die Bezeichnung als allgemeine Prozeßförderungspflicht soll die Gerichte dabei zu mutigerem Ausschluß ermuntern.471 Im inneren Tatbestand des § 296 Abs. 2, 1. Fall wurde das Merkmal der Verschleppungsabsicht gestrichen, weil die Gerichte diesen besonders schweren Vorwurf ohnehin kaum erhoben.472 Dagegen ist das Merkmal grober Nachlässigkeit erhalten geblieben,473 so daß sich die Frage nach dem sorgfältigen Verhalten der Parteien heute sowohl im äußeren als auch im inneren Tatbestand des § 296 Abs. 2, 1. Fall stellt. Insofern kann im äußeren Tatbestand, d.h. bei der Ermittlung der Verspätung, allein die Sorgfalt eines unvoreingenommenen Dritten maßgeblich sein,474 während im inneren Tatbestand, d.h. bei der Ermittlung des Verschuldens, allein auf die Sorgfalt der betroffenen Partei abzustellen ist.475

Vgl. auch GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 96; Weth, S. 191 ff.; Kallweit, S. 36 ff. Zu Begriff, Rechtsnatur und Umfang der allgemeinen Prozeßförderungspflicht vgl. die Mot.N76, S. 37 f.; ferner Leipold, ZZP 93, 236, 238 ff.; schließlich unten S. 91. 470 Vgl. oben S. 72 ff. 471 So jedenfalls die Mot.N76, S. 37 f. 472 So schon Wach, 26. DJTII, S. 28; ähnl. Rosenberg, ZZP 57, 185, 307, und Egon Schneider, JR 1965, 328, 331. 473 Vgl. oben Fn. 403. 474 Vgl. oben Fn. 407. 475 Der Streit um Restdauerbetrachtung nach absolutem Verzögerungsbegriff und Gesamtdauerbetrachtung nach relativem Verzögerungsbegriff soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht erörtert werden. Er bezieht sich auf die Frage, ob ein Angriffsund Verteidigunsgmittel stets dann als verzögernd anzusehen ist, wenn seine Berücksichtigung wegen späten Vorbringens die sofortige Erledigung des Rechtsstreits verhindern würde (so die Restdauerbetrachtung; vgl. etwa BGH Z 86, 31, 34; 198, 202 f.), oder ob es jedenfalls dann nicht als verzögernd anzusehen ist, wenn seine Berücksichtigung auch bei früherem Vorbringen die sofortige Erledigung des Rechtsstreits verhindert hätte (so die Gesamtdauerbetrachtung; vgl. etwa OLG Düsseldorf VersR 1979, 773, 774); vgl. hierzu eingehend Kallweit, S. 43 ff.; Weth, S. 207 ff.; ferner Zeiss9, Rn. 208, jeweils m. w. N. 468 469

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Nach allgemeinen Grundsätzen ist die Frage nach sorgfältigem Verhalten schon im äußeren Tatbestand der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 allerdings sinnwidrig. Die Feststellung, was jemand getan habe, geht der Wertung, daß er unsorgfältig gehandelt habe, nämlich notwendig voraus. Strafvorschriften i. w. S. müssen deshalb im äußeren Tatbestand zunächst bestimmen, welche bestimmte Pflicht verletzt worden sein muß, und können erst im inneren Tatbestand fragen, ob die notwendige Sorgfalt mißachtet wurde. So haftet z. B. der Schuldner niemals wegen allgemeiner Sorgfaltswidrigkeit nach Maßgabe des § 276 Abs. 1 BGB;476 vielmehr muß eine besondere Pflichtverletzung nach Maßgabe einer eigenen Vorschrift vorliegen.477 Auch für den äußeren Tatbestand der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 gilt deshalb, daß die Frage nach der allgemeinen Sorgfaltswidrigkeit ohne Bestimmung einer besonderen Pflichtverletzung leerläuft. Zwar liegt die besondere Schwierigkeit der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 gerade in der Frage, welche besondere Pflichtverletzung, d.h. welches Vorbringen zu welchem Zeitpunkt zum Ausschluß führen soll. Die Vermengung äußerer und innerer Tatbestandsmerkmale kann dabei jedoch keine Hilfe sein. III. Die Bewährung der Ausschlußvorschriften der ZPO Wie schon die §§ 252279, 339374, 398433 und die §§ 279, 283 Abs. 2N24 haben auch die §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 die Gerichte kaum zu größerer Strenge gegenüber gestaffeltem Vorbringen bewegen können.478 Der Ausschluß gestaffelten Vorbringens ist und bleibt ein ungeliebtes Kind der ZPO. Dies legt zwei Schlußfolgerungen nahe, nämlich die günstigere, daß die Ausschlußvorschriften der ZPO lediglich unrichtig ausgelegt werden, und die ungünstigere, daß der Ausschluß kraft Richterspruchs grundsätzlich nicht durchführbar ist. Hier soll zunächst die Auslegung der Ausschlußvorschriften erörtert werden.

476 So die heute fast einhellige Ansicht; vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Rn. 2 m.w. N.; Rn. 104 f. 477 § 280 Abs. 1 S. 1 BGB etwa bestimmt, daß Schadensersatz zu leisten sei, wenn der Schuldner eine bestimmte Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletze. Dies ergänzen die §§ 276 Abs. 1 S. 1 i.V. m. 280 Abs. 1 S. 2 BGB dahin, daß die Ersatzpflicht nur eintrete, wenn der Schuldner vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt habe. Während § 280 Abs. 1 S. 1 BGB also im äußeren Tatbestand eine besondere Pflichtverletzung voraussetzt, ergänzen die §§ 276 Abs. 1 S. 1, 280 Abs. 1 S. 2 BGB mit dem Verschulden im inneren Tatbestand die allgemeine Sorgfaltswidrigkeit. Ein ähnliches Verhältnis besteht auch zwischen § 15 StGB und den §§ 80 ff. StGB. 478 Vgl. Walchshöfer, ZZP 94, 179, 189 m. w. N.; Greger, ZZP 100, 377, 382; a. A. Grunsky, Prozeßtaktik, S. 82 f. Dies gilt wiederum insbesondere für die höheren Rechtszüge; vgl. Greger, ZZP 100, 377, 382, 383 f. und oben Fn. 466.

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere 1. Die Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433

Nach herkömmlicher Auslegung des § 252279 konnten Behauptungen ausgeschlossen werden, wenn die Parteien sie verspätet vorbrachten und wenn ihre Beachtung das Verfahren verzögert hätte. Eine neue Behauptung galt als verspätet vorgebracht, wenn eine sorgfältige Partei sie früher vorgebracht hätte, weil eine ältere Behauptung zu scheitern drohte.479 Diese Auslegung wird noch heute zu § 38 S. 1, 3. Fall GKG480 vertreten. a) Nachträgliches Vorbringen Dabei blieb das Merkmal nachträglichen Vorbringens neben dem Merkmal grober Nachlässigkeit allerdings bedeutungslos.481 Da das Gesetz nämlich nicht vorschrieb, wann eine Behauptung vorgebracht werden mußte, schien auch die Feststellung unmöglich, wann sie nachträglich vorgebracht wurde. Die nichtssagende Umschreibung des Merkmals nachträglichen Vorbringens lautete darum lediglich, nachträglich sei eine Behauptung dann, wenn sie früher möglich gewesen war.482 Die Verspätung einer Behauptung sollte sich dagegen aus dem Merkmal grober Nachlässigkeit ergeben.483 aa) Der Vergleich des § 252279 mit dem § 251278 Abs. 2 Gegen diese herkömmliche Auslegung sprach aber schon eine nähere Untersuchung des § 252279 selbst. Zum einen gelangte sie nämlich zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß sie letztlich ein Merkmal des äußeren Tatbestandes, das nachträgliche Vorbringen, überging und durch ein Merkmal des inneren Tatbestandes, die grobe Nachlässigkeit, ersetzte. Sie legte damit bereits den Keim für den sinnwidrigen Aufbau der heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1, die schon im äußeren Tatbestand nach dem sorgfältigen Verhalten der Parteien fragen. Zum anderen aber stand ihre Annahme, ein Merkmal des § 252279 weise eine so erhebliche Unschärfe auf, im Widerspruch zur Absicht des Gesetzgebers, richterlicher Willkür gerade durch eindeutige Tatbestände vorzubeugen.484 Gegen die herkömmliche Auslegung sprach ferner der Vergleich der Ausschlußstrafe des § 252279 mit der Kostenstrafe des § 251278 Abs. 2. Der äußere Tatbestand des § 251278 Abs. 2 setzte nämlich wie § 252279 voraus, daß eine 479

Vgl. oben S. 73. Zum früheren § 34 Abs. 1 S. 1, 3. Fall GKG, jetzt § 38 S. 1, 3. Fall GKG, vgl. oben S. 80. 481 Vgl. Bergerfurth, NJW 1960, 704, 705. 482 Vgl. oben S. 71. 483 Vgl. oben S. 74. 484 Vgl. oben S. 70. 480

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Behauptung nachträglich vorgebracht wurde. Der innere Tatbestand des § 251278 Abs. 2 setzte jedoch anders als § 252279 nicht voraus, daß die Behauptung aus grober Nachlässigkeit oder in Verschleppungsabsicht zurückgehalten worden war, sondern daß die Behauptung früher möglich gewesen war. Daß die Behauptung früher möglich gewesen war, umschrieb hier also nicht das äußere Merkmal nachträglichen Vorbringens, sondern stellte ein selbständiges inneres Merkmal dar. Danach hätte das Merkmal nachträglichen Vorbringens i. R. d. § 251278 Abs. 2 also jedenfalls eine andere Bedeutung gehabt als i. R. d. § 252279. Daß die ZPO denselben Begriff in zwei aufeinanderfolgenden Vorschriften in unterschiedlicher Bedeutung gebraucht haben soll, ist allerdings unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, daß der jüngere § 252279 dem älteren § 251278 Abs. 2 nachgebildet wurde und dieselben Begriffe in derselben Bedeutung gebrauchte.485 Deshalb konnte die Umschreibung, nachträglich sei eine Behauptung dann, wenn sie schon früher möglich gewesen war, weder für § 251278 Abs. 2 noch für § 252279 gelten. bb) Die Auslegung des § 252279 nach dem Sinn und Zweck des Ausschlusses kraft Richterspruchs Auch der gedankliche Ausgangspunkt der herkömmlichen Auslegung konnte nicht überzeugen. Bemerkenswert ist nämlich, daß während der Beratungen über die ZPO niemals erörtert wurde, wann die Parteien ihre Behauptungen denn vorbringen sollten.486 Dies spricht dafür, daß es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers für das Merkmal nachträglichen Vorbringens auf das Verstreichen eines bestimmten Zeitpunktes gar nicht ankam. Dem liegt folgende Überlegung zu Grunde: Überträgt man den Ausschluß gestaffelten Vorbringens dem Gesetz, dann wird weiteres Vorbringen allgemein nicht mehr zugelassen, sobald ein vorher bestimmter Zeitpunkt verstrichen ist. Der Ausschluß kraft Gesetzes erfolgt also nach dem Maßstab der Verspätung. Dabei werden allerdings auch solche Angriffs- oder Verteidigungsmittel ausgeschlossen, deren Berücksichtigung das Verfahren gar nicht verzögern würde. Für die Frage, ob eine Verzögerung des Verfahrens im Einzelfall eintritt, sind die allgemeinen Vorschriften eines Gesetzes nämlich blind. Überträgt man den Ausschluß gestaffelten Vorbringens dagegen dem Gericht, dann kann es weiteres Vorbringen zulassen, so lange es das Verfahren nicht verzögert. Der Ausschluß kraft Richterspruchs kann also nach dem Maßstab der Verzögerung erfolgen. Man mag daher den Ausschluß kraft Gesetzes als Folge einer Versäumung be-

Zur Entstehungsgeschichte der §§ 251278 Abs. 2, 252279 vgl. oben S. 67. Der Antrag Bährs, Prot.CPO, S. 83 ff., und der nachfolgende Streit betrafen die Einführung eines Ausschlusses kraft Gesetzes. 485 486

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trachten, nicht aber den Ausschluß kraft Richterspruchs, weil es hier auf eine Versäumung nicht ankommt.487 Dagegen nahm die herkömmliche Auslegung des § 252279 an, gestaffelten Behauptungen drohe der Ausschluß, wenn sie verspätet vorgebracht wurden und verzögernd wirkten. Eine solche Verbindung der Maßstäbe von Verspätung und Verzögerung wäre aber nicht nur sinnlos gewesen, weil in der Hand des Gerichts der Maßstab der Verzögerung ausreichend war, sondern auch unmöglich, eben weil sich im ungegliederten Verfahren der ZPO kein für eine Verspätung maßgeblicher Zeitpunkt bestimmen läßt.488 Für eine Verbindung der Maßstäbe der Verspätung und der Verzögerung schienen zwar die §§ 339374, 398433 zu sprechen, da sie den Ausschluß von Beweisen an den Erlaß eines entsprechenden Beweisbeschlusses und damit offenbar doch an einen bestimmten Zeitpunkt knüpften.489 Anlaß für diese Verknüpfung war jedoch nicht die Suche nach einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb 487 So aber Rosenberg2, S. 213 zu § 279N24; Blomeyer, S. 112 zu § 279N24; ähnl. Nikisch, S. 246. 488 Etwas anderes gilt für gegliederte Verfahren: Hier mag ein zwar verspätetes, aber nicht verzögerndes Angriffs- oder Verteidigungsmittel ausnahmsweise zugelassen werden, um die Härten des Ausschlusses kraft Gesetzes zu mildern. So in der Tat der norddeutsche Entwurf einer Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes von 1870 (Decker, Berlin 1870), der das Verfahren zwar durch ein Beweisurteil in Abschnitte der Behauptungen und der Beweise gliederte, verspätetes Vorbringen aber zuließ, wenn es das Verfahren nicht verzögerte, §§ 416, 474ndE. Zum norddeutschen Entwurf vgl. allgemein Schmidt, S. 106; Rosenberg2, S. 11; GStJ20-Schumann, Einleitung Rn. 107, und besonders zur Verfahrensgliederung DahlmannsII, S. 33. Die §§ 416, 474ndE lauteten: § 416. Ist die mündliche Verhandlung über die Hauptsache (Hauptverhandlung) geschlossen, so kann eine Partei neue selbstständige Angriffs- oder Vertheidigungsmittel (Einreden, konnexe Widerklagen, Repliken etc.) in der Instanz nur insofern geltend machen, als sie glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, dieselben schon bei der Hauptverhandlung vorzubringen. Auf Thatsachen, welche zur näheren Begründung eines selbstständigen Angriffsoder Vertheidigungsmittels dienen, sowie auf selbstständige Angriffs- und Vertheidigungsmittel, auf welche die Partei wirksam nicht verzichten kann, findet der vorstehende Absatz keine Anwendung. Werden in Gemäßheit der vorstehenden Bestimmungen (Abs. 1. und 2.) selbstständige Angriffs- oder Vertheidigungsmittel zugelassen, so sind beide Parteien in Ansehung eines neuen Vorbringens nicht beschränkt. § 474. Nach dem Schlusse der Hauptverhandlung kann eine Partei in der Instanz sich eines neuen Beweismittels nur insofern bedienen, als sie glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, das Beweismittel schon bei der Hauptverhandlung zu bezeichnen, oder das ein rechtzeitig bezeichnetes Beweismittel, an dessen Stelle das neue treten soll, ohne ihr Verschulden verloren gegangen sei. Die Eideszuschiebung ist als neues Beweismittel nicht zulässig, wenn die früher beantragte Beweisaufnahme bereits begonnen hatte. Wird das neue Beweismittel zugelassen, so kann auch die andere Partei sich neuer Beweismittel bedienen. Soweit selbstständige Angriffs- oder Vertheidigungsmittel nach den Bestimmungen des § 416 Abs. 1. später noch geltend gemacht werden können, ist in Ansehung derselben auch die Bezeichnung von Beweismitteln zulässig.

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des Verfahrens, sondern eine besondere Schwierigkeit der mündlichen Verhandlung. Während sich im schriftlichen Verfahren nämlich zweifelsfrei aus den Akten ergibt, was die Parteien vorgebracht haben, besteht im mündlichen Verfahren die Gefahr, daß ihr Vorbringen in Vergessenheit gerät.490 Um überhaupt feststellen zu können, ob gleichstufige Angriffs- und Verteidigungsmittel gestaffelt werden, muß aber ermittelt werden, wann welches Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht worden ist. Dies allein der Erinnerung des Gerichts zu überlassen, erschien dem Gesetzgeber bedenklich.491 Für den Ausschluß von Beweisen bot hier der Beweisbeschluß einen Ausweg.492 Dabei war zu unterscheiden zwischen gegenwärtigen Beweisen, die sofort aufgenommen werden konnten, und ungegenwärtigen Beweisen, deretwegen die Verhandlung vertagt werden mußte. Im ersten Fall war keine Verzögerung zu befürchten,493 so daß sich ein Ausschluß erübrigte. Im zweiten Fall konnte das Gericht dagegen den bisher ergangenen Beweisbeschlüssen sicher entnehmen, hinsichtlich welcher Behauptung bereits welcher Beweis vorgebracht worden war und ob ein neuer Beweis demnach gestaffelt vorgebracht wurde.494, 495 Für den Ausschluß von Behauptungen bot sich dagegen kein vergleichbarer Ausweg.496 Hier stand dem Gericht neben den Schriftsätzen der Parteien, dem Sitzungsprotokoll und eigenen Mitschriften nur seine Erinnerung zur Verfügung,497 so daß es insofern tatsächlich auf sein Dafürhalten, sein Ermessen498 ankam.499

489 Weismann, S. 203, sprach von der Verspätung neuer Zeugen und Urkunden nach Erlaß des fraglichen Beweisbeschlusses; ebenso schon SK, § 339 Anm. 1, 2; GStJ11, § 374 Anm. I, § 433; ähnl. die Mot.CPO, S. 206, 248, die den Beweisbeschluß als maßgeblichen Zeitpunkt für die Frage der Nachträglichkeit ansahen. 490 Mot.CPO, S. 22 a. E.; eingehend schon Leonhardt, Processreform, S. 44 ff. Abhilfe soll hier v. a. das Sitzungsprotokoll schaffen, § 159. 491 Vgl. die eingehende Erörterung dieser Frage während der Beratungen über die ZPO durch Bähr, Prot.CPO, S. 83 f., 88; Wolffsohn, Prot.CPO, S. 86 a. E.; Gneist, Prot.CPO, S. 88 a. E.; Kurlbaum, Prot.CPO, S. 90; sowie in den Mot.CPO, S. 27. 492 Gemeint ist der sog. förmliche Beweisbeschluß gem. §§ 358, 359 (oben S. 60). 493 Vgl. oben S. 77. 494 Zur Tatbestandswirkung des Beweisbeschlusses vgl. schon Schmidt, S 638 ff. 495 Daß Zeugen und Urkunden gem. §§ 339374, 398433 auch dann ausgeschlossen werden konnten, wenn sich der Beweisbeschluß zwar auf dieselbe Behauptung, aber auf eine andere Art von Beweismittel bezogen hatte, bestritt allerdings Görres, ZZP 34, 1, 99 (dort Fn. 181); dagegen Seuffert, § 374 Anm. 2 A. 496 Nicht zuletzt aus diesem Grund hatten die beiden ersten Entwürfe zur ZPO die Einführung der späteren §§ 339374, 398433 bzw. des späteren § 252279 auch abgelehnt; vgl. die MotE I, S. 225 und gleichlautend die Mot.E II, S. 28. 497 Die Tatbestände der von der ZPO ursprünglich vorgesehenen zahlreichen Zwischenurteile (oben S. 66) hätten aber eine ähnliche Wirkung gehabt; vgl. Bähr, Prot.CPO, S. 83 a. E. 498 Zum ungenauen Sprachgebrauch der Mot.CPO vgl. bereits oben Fn. 395.

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cc) Der Vergleich des § 252279 mit den §§ 339374, 398433 Dennoch konnte ein Vergleich des § 252279 mit den §§ 339374, 398433 das Merkmal nachträglichen Vorbringens genau zu bestimmen helfen. Stellte man nämlich den Aufbau des § 252279 dem Aufbau der §§ 339374, 398433 gegenüber, dann entsprachen die nachträglich vorgebrachten Behauptungen hier den nach Beweisbeschluß vorgebrachten Beweisen dort. Besondere Eigenschaft eines nach Beweisbeschluß vorgebrachten Beweises war es aber eben, daß er gegenüber seinen gleichstufigen Beweisen gestaffelt wurde. Besondere Eigenschaft einer nachträglich vorgebrachten Behauptung dürfte es darum ebenfalls schlicht gewesen sein, daß sie gegenüber ihren gleichstufigen Behauptungen gestaffelt wurde. Nachträglich bedeutete also nichts weiter als gestaffelt,500 als späterer Nachtrag zu einer früheren Stufe. Diese Erkenntnis hätte alle Ungereimtheiten der Auslegung bereinigt. Zunächst hätte sich nämlich der Tatbestand des § 252279 eindeutig bestimmen lassen, denn ob ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel nachträglich i. S. v. gestaffelt vorgebracht wurde, konnte das Gericht unzweifelhaft beantworten.501 Weiter wäre der störende § 252279 endlich auch mit seinen verwandten Vorschriften, dem § 251278 Abs. 2 einerseits und den §§ 339374, 398433 andererseits, vereinbar gewesen: Das vermeintliche Flickwerk502 der §§ 252279, 339374, 398433 erwies sich als gedankliches Ganzes, da alle drei Vorschriften gestaffeltes Vorbringen nach demselben Maßstab mit dem Ausschluß bedrohten. Die Tatbestände der §§ 251278 Abs. 2, 252279 unterschieden sich dagegen nur mehr in der Schwere des Verschuldens, wenn sie beide nachträglich i. S. v. gestaffelt verstanden. § 251278 Abs. 2 bezog sich dabei auf gestaffeltes Vorbringen, das die Par499 Leonhardt, Processreform, S. 44 ff.; Bähr, Prot.CPO, S. 88; Kurlbaum, Prot.CPO, S. 90; Völk und Mayer, Prot.CPO, S. 90 Die Mot.CPO, S. 27, führen aus: Welches Vorbringen übrigens als ein nachträgliches anzusehen sei, wird das Gericht nach freiem Ermessen zu bestimmen haben . . . und, wenn auch in manchen Fällen die Beantwortung der Frage mit Schwierigkeiten verbunden sein wird, weil sich nicht mit Sicherheit beurtheilen läßt, ob ein Vertheidigungsmittel im früheren Verlauf der Verhandlung vorgebracht sei, so ist doch in Betracht zu ziehen, daß die Voraussetzungen für die Zurückweisung eines nachträglichen Vorbringens in der Art geregelt werden können, daß richterliche Willkür ausgeschlossen bleibt. 500 So schon Wach, Vorträge1, S. 28 a. E., 29: Nachträglich heißt nicht später, als zulässig . . . Nachträglich ist die successive Einredevertheidigung, während Eventualverbindung möglich war. Diesen in den Beratungen über die ZPO offensichtlich noch unbestrittenen Befund verkannte allerdings bereits der Verfasser der Mot.CPO, als er von einem für das nachträgliche Vorbringen maßgeblichen Zeitpunkt sprach und dies mit der Frage der Erinnerung an das bisherige Vorbringen vermengte; vgl. a. a. O., S. 27 (samt dem oben Fn. 499 ausgelassenen Halbsatz), 206. 501 Gemeint ist die gedankliche Möglichkeit, ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel einer Stufe des Rechtsstreits zuzuordnen; bestehen bleibt die tatsächliche Schwierigkeit, das Vorbringen im Gedächtnis des Gerichts zu bewahren (vgl. oben S. 84). 502 Vgl oben Fn. 458.

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tei früher hätte vorbringen können, so daß die leichtere Kostenstrafe einer Partei demnach schon bei leichter Fahrlässigkeit drohte.503 § 252279 bezog sich hingegen auf gestaffeltes Vorbringen, das die Partei u. a. grob fahrlässig nicht früher vorgebracht hatte, so daß die schwerere Ausschlußstrafe einer Partei erst bei schwerer Fahrlässigkeit drohte. Damit hätte sich also sogar eine vernünftige Abstufung der Verfahrensstrafen ergeben. Und schließlich hätte die neue Auslegung auch den besonderen Umständen eines ungegliederten Verfahrens entsprochen. Das Merkmal der Nachträglichkeit mit dem Begriff der Staffelung zu übersetzen, bedeutete ja i. E., auf den Maßstab der Verspätung zu verzichten und nur noch den Maßstab der Verzögerung anzulegen: § 252279 bedrohte gestaffelte Behauptungen, die das Verfahren verzögerten, mit dem Ausschluß. Diese so einfache und darum so überraschende Deutung hätte das Gericht von der überflüssigen und unsinnigen Aufgabe befreit, in einem ungegliederten Verfahren nach verspätetem Vorbringen zu suchen. So hätte auch die Vermengung der inneren und äußeren Tatbestandsmerkmale des § 252279 unterbleiben können. Denn da sich die Frage der Verspätung nicht stellte und das Merkmal der Nachträglichkeit den entstehenden Freiraum ausfüllte, konnte das Merkmal grober Fahrlässigkeit auf die Frage des Verschuldens beschränkt bleiben. Es spricht deshalb alles dafür, daß § 252279 unter nachträglichem Vorbringen schlicht gestaffeltes Vorbringen verstand. b) Grobe Nachlässigkeit Nach herkömmlicher Auslegung durften die Parteien Angriffs- und Verteidigungsmittel ferner zurückhalten, wenn ihnen ein früheres Vorbringen nicht zugemutet werden konnte. Die Erlaubnis zu derart taktischem Zurückhalten wurde aus dem Wortlaut der §§ 252279, 339374, 398433 hergeleitet, der einen Ausschluß gestaffelten Vorbringens nur bei Verschleppungsabsicht oder grober Fahrlässigkeit, nicht aber bei Vorsatz oder leichter Fahrlässigkeit i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB anzudrohen schien. Zweifel daran mußten sich jedoch schon aus grundsätzlichen Erwägungen ergeben. Denn daß einer Partei nicht schon leichte, sondern erst grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt wurde, war zwar auch im sachlichen Recht nicht ungewöhnlich, so z. B. i. R. d. §§ 277 und 300 BGB. Daß eine Partei aber wegen vorsätzlichen Handelns unbestraft blieb, während sie schon wegen grob fahrlässigen Handelns bestraft wurde, war im übrigen Recht ohne Beispiel. Immerhin lädt die grob fahrlässig handelnde Partei, obwohl sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer Acht läßt, ja gleichwohl weniger

Wach, 26. DJTII, S. 28; GStJ11, § 278 Anm. III m. w. N., § 95 Anm. III; vgl. sodann auch Seuffert § 278 Anm. 6 a. E., § 95 Anm. 2. 503

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Schuld auf sich als die vorsätzlich handelnde Partei, die den Erfolg ihrer Tat wissentlich und willentlich herbeiführt.504 Zweifel hätte ferner ein Vergleich der §§ 252279, 339374, 398433 mit dem früheren § 97102 wecken können. Gem. § 97102 konnten Gerichtsschreibern,505 Verfahrensbevollmächtigten und Gerichtsvollziehern unnötige506 Verfahrenskosten überbürdet werden, die sie grob schuldhaft verursacht hatten.507 Hätte man diese grobe Schuldhaftigkeit des § 97102 nun wie die grobe Nachlässigkeit der §§ 252279, 339374, 398433 als grobe Fahrlässigkeit i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB verstanden, dann hätten Gerichtsschreiber, Verfahrensbevollmächtigte und Gerichtsvollzieher unnötige Verfahrenskosten zwar nicht grob fahrlässig, aber sehr wohl vorsätzlich i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB verursachen dürfen. Grobe Schuldhaftigkeit i. S. d. § 97102 konnte also nicht lediglich grob fahrlässiges, sondern mußte auch vorsätzliches Handeln i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 1, 2 BGB umfassen.508 Dies zeigte zumindest, daß sich die Verschuldensbegriffe der ZPO und des BGB nicht ohne weiteres austauschen ließen. Zur Gewißheit hätten diese Zweifel aber wiederum bei einem Vergleich der §§ 252279, 339374, 398433 mit § 251278 werden müssen. Wie gesehen handelte eine Partei nämlich schuldhaft i. S. d. § 251278 Abs. 2, wenn sie ein Angriffsund Verteidigungsmittel nicht vorbrachte, sobald sie es kannte.509 Leichte Fahrlässigkeit, grobe Fahrlässigkeit, und Absicht i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB fielen ihr hier also gleichermaßen zur Last. Daß § 251278 Abs. 2 leicht fahrlässiges Handeln bereits unter Strafe stellte, während die §§ 252279, 339374, 398433 es noch ungeschoren ließen, ließ sich dabei noch auf das geringere Gewicht der Kostenstrafe gegenüber der Ausschlußstrafe zurückführen. Daß § 251278 Abs. 2 aber auch vorsätzliches Handeln bekämpfte,510 während die §§ 252279, 339374, 398433 es gutheißen sollten, wäre unerklärlich gewesen. Vielmehr zeigte die Wertung des 251278 Abs. 2, daß den Parteien auch i. R. d. §§ 252279, 339374, 398433 grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz und Absicht, i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB, d.h. mindestens grob fahrlässiges Handeln zur Last fallen mußte.511

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Vgl. Palandt-Heinrichs, § 276 Rn. 10, 12. Die früheren Gerichtsschreibereien, § 154 GVG i. d. F. vom 27. Januar 1877 (RGBl. 1877, S. 41 ff.), wurden im Rahmen der Neufassung des GVG von 1927 durch die heutigen Geschäftsstellen ersetzt, § 153 GVG i. d. F. vom 9. Juli 1927 (RGBl. 1927 I, S. 175 ff.). 506 GStJ16, § 102 Anm. I. 507 Die Vorschrift des § 97102 wurde durch Art. 4 WertgrenzenÄndG vom 27. November 1964 (BGBl. 1964 I, S. 933 ff.) aufgehoben. Abl. hierzu GStJ19, § 102. 508 So auch Seuffert, § 102 Anm. 3; a. A. offenbar GStJ11, § 102 Anm. I 1, der allein grobe Fahrlässigkeit i. S. d. § 276 Abs. 1 S. 2 BGB erwähnt. 509 Vgl. oben S. 83. 510 Baumbach, § 278 Anm. B b wollte den Parteien allerdings auch im Rahmen des § 251278 Abs. 2 ein taktisches Zurückhalten gestatten. 505

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Taktisches Zurückhalten war ihnen also in keinem Fall erlaubt. Dies entsprach auch der ursprünglichen Erwartung des Gesetzgebers, in einem mündlichen Verfahren würden die Parteien nicht wagen, Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückzuhalten.512 c) Das Ermessen des Gerichts Schließlich stand es nach herkömmlicher Auslegung im Ermessen des Gerichts, auf einen Ausschluß gem. § 252279 selbst bei Vorliegen aller Voraussetzungen zu verzichten. Dies wurde ebenfalls aus dem Wortlaut des Gesetzes hergeleitet, nach dem das Gericht den Ausschluß offenbar zwar aussprechen konnte aber nicht mußte. Schon sehr früh wurde es allerdings auch als völlig prinzipwidrig513 bezeichnet, nachträgliches Vorbringen zu berücksichtigen, obwohl die Partei schuldhaft gehandelt hatte und obwohl das Verfahren verzögert wurde.514 Fraglich war in der Tat, wie sich ein solches Ermessen mit der Gefahr richterlicher Willkür vereinen ließ,515 zumal die §§ 339374, 398433 unbestritten kein Ermessen des erkennenden Gerichts vorsahen. Der Widerspruch zwischen § 252279 und §§ 339374, 398433 wog um so schwerer, als kein sachlicher Grund für eine derart unterschiedliche Bestimmung ersichtlich war. Vielmehr hatten die §§ 252279, 339374, 398433 wohl nur versehentlich abweichende Fassungen erhalten, weil sie zu verschiedenen Zeiten in die Entwürfe zur ZPO aufgenommen worden waren.516 Dafür sprach auch, daß die amtliche Begründung des dritten Entwurfes zur ZPO ausdrücklich sämtliche Unterschiede der drei Vorschriften zu erörtern meinte, gerade zur Frage des Ermessens aber schwieg.517 Mittelbar ging also selbst der Gesetzgeber davon aus, daß die §§ 252279, 339374, 398433 in der Frage des Ermessens übereinstimmten. Angesichts der Entstehungsgeschichte der drei Vorschriften und der Furcht vor richterlicher Willkür sprach dann aber vieles dafür, den Wortlaut der §§ 339374, 398433 für maßgeblich zu erachten, so daß also dem 511 So in der Tat schon Wach, Vorträge1, S. 29, der unter grober Nachlässigkeit i. S. d. §§ 252279, 339374, 398433 dolus sive culpa lata, d.h. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit i. S. d. späteren § 276 Abs. 1 S. 1, 2 BGB verstand, während von VölderndorffWaradein, ZZP 1, 226, 231, 234 f., sogar leichte Fahrlässigkeit i. S. d. späteren § 276 Abs. 1 S. 2 BGB einbezog. Zu den Begriffen dolus, culpa lata und culpa levis vgl. Enneccerus/Nipperdey § 211c II sowie Enneccerus/Lehmann § 43a. 512 Mot.CPO, S. 27; Völk, Prot.CPO, S. 89; vgl. schon oben Fn. 364. 513 So wörtlich Görres, ZZP 34, 1, 98. 514 Vgl. auch Wach, Vorträge1, S. 30; ferner zur ablehnenden Haltung der österreichischen Rechtslehre Damrau, S. 148 ff. m. w. N. (dort Fn. 2, 11). 515 Vgl. oben S. 69. 516 Vgl. oben S. 67 ff.; ferner zu den weiteren Unterschieden der §§ 252279, 339374, 398433 auch S. 74 f. (dort insbesondere Fn. 426). 517 Vgl. die Mot.CPO, S. 206, 248, 270.

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Gericht auch beim Ausschluß gestaffelt vorgebrachter Behauptungen kein Ermessen zustand. Ohne Gewalt löste sich diese Frage, wenn man das Können des Gerichts i. S. d. § 252279 nicht als Ermessens-Können, sondern als Zuständigkeits-Können verstand, das dem Gericht nicht für jeden Einzelfall ein Abwägungsrecht, sondern allgemein die Rechtsmacht zum Ausschluß einräumte.518 Wie gesehen gebrauchte der Gesetzgeber der ZPO die Begriffe des Ermessens ja ohnehin nicht stets im heutigen Sinne eines bestimmten Abwägungsrechts, sondern z. T. nur im Sinne eines allgemeinen Gutdünkens.519 Zieht man in Betracht, daß das richterliche Ermessen letztlich eine Frage des öffentlichen Rechts ist und daß das deutsche öffentliche Recht erst um das Jahr 1900 wissenschaftlich begründet wurde,520 dann werden diese Unschärfen der ZPO im Jahre 1877 auch entschuldbar. In dieselbe Richtung weist auch ein Vergleich der ZPO mit dem Entwurf einer Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preussischen Staat aus dem Jahre 1864. § 324 Abs. 1prE, ein Vorbild des späteren § 252279, schien seinem Wortlaut nach ein Ermessen nämlich sogar innerhalb derselben Vorschrift teils zu bejahen, teils zu verneinen:521 Während S. 1 dem Gericht die Befugnis zum Ausschluß erteilte, ihm also offenbar ein Ermessen einräumte, verneinte S. 2 ein Ermessen durch die Bestimmung, wann von dieser Befugnis Gebrauch zu machen sei.522 Diese begriffliche Verwirrung erscheint um so mehr vor dem geschichtlichen Hintergrund des § 324 Abs. 1prE und des § 252279 nachvollziehbar, denn nachdem über Jahrhunderte hinweg allein das Gesetz die Macht zum Ausschluß besessen hatte,523 wiesen beide Vorschriften erstmals dem Gericht diese Fähigkeit und Aufgabe zu. Verstand man also den Wortlaut des § 252279 tatsächlich nicht als ErmessensKönnen, sondern als Zuständigkeits-Können, dann standen alle drei Ausschlußvorschriften der ZPO im Einklang und ließen auch richterlicher Willkür keinen Raum. Es ist deshalb davon auszugehen, daß auch der Ausschluß gem. § 252279 nicht im Ermessen des Gerichts stand. 518 Ebenso zum heutigen Recht MüKoZPO-Prütting, § 296 Rn. 177. Zu den Begriffen des Ermessens-Könnens und Zuständigkeits-Könnens vgl. BVerwG E 23, 25, 29; 44, 339, 342; ferner Maurer, § 7 Rn. 9 a. E. 519 Vgl. oben S. 71 (dort Fn. 395) und 85 (dort Fn. 498). 520 Als grundlegend wird das im Jahre 1895/1896 in erster Auflage erschienene Lehrbuch Otto Mayers betrachtet; vgl. hierzu und zur Entstehung des öffentlichen Rechts in Deutschland allgemein Maurer, § 2 Rn. 8 ff. 521 Zum preußischen Entwurf und zum Wortlaut des § 324prE vgl. oben Fn. 373; ferner Leonhardt, Processreform, S. 40 ff. 522 Daß S. 2 auch keine bloße Ermessensschrumpfung bestimmen wollte, ergab sich dabei aus der Wendung insbesondere; vgl. hierzu Maurer, § 7 Rn. 9, 24. 523 Vgl. Leonhardt, Processreform, S. 42.

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d) Ergebnis zur Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 Entgegen der herkömmlichen Auslegung mußten gestaffelte Angriffs- und Verteidigungsmittel nach den §§ 252279, 339374, 398433 ausgeschlossen werden, wenn ihre Beachtung das Verfahren verzögert hätte und wenn die Parteien sie mindestens grob fahrlässig nicht früher vorgebracht hatten. Auf die Frage einer Verspätung der Angriffs- und Verteidigungsmittel kam es dabei nicht an; entscheidend war allein die Frage der Verzögerung des Verfahrens. Taktisches Zurückhalten war den Parteien ebenfalls nicht gestattet; ihnen fielen grobe Fahrlässigkeit, Vorsatz und Absicht gleichermaßen zur Last. Schließlich stand der Ausschluß auch nicht im Ermessen des Gerichts; vielmehr schrieb das Gesetz den Ausschluß bei Vorliegen aller Voraussetzungen zwingend vor. 2. Die Auslegung der heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1

Nach heutigem Recht können Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgeschlossen werden, wenn die Parteien sie verspätet vorgebracht haben und ihre Berücksichtigung das Verfahren verzögern würde, § 296 Abs. 2, 1. Fall. Ein Angriffsoder Verteidigungsmittel wird verspätet vorgebracht, wenn eine sorgfältige und auf die Förderung des Verfahrens bedachte Partei es nach der Prozeßlage zeitiger vorgebracht hätte, vgl. § 282 Abs. 1. Es scheint also, als sei der Gesetzgeber der herkömmlichen Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 weitgehend gefolgt. a) Verspätetes Vorbringen Was unter sorgfältigem und verfahrensförderndem Verhalten zu verstehen ist, d.h. bis wann ein Angriffs- und Verteidigungsmittel rechtzeitig vorgebracht wird, bestimmen die §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 allerdings nicht. Am Wortlaut des Gesetzes fällt lediglich auf, daß er die allgemeine Prozeßförderungspflicht mit zwei Begriffen umschreibt, nämlich dem der Sorgfalt und dem der Verfahrensförderung. Seine Auslegung hängt deshalb von der Frage ab, in welchem Verhältnis die beiden Begriffe zueinander stehen und welches Verhalten sie den Parteien aufgeben.524 aa) Sorgfaltspflicht und Verfahrensförderungspflicht Der Begriff der Verfahrensförderung bereitet dabei kaum Schwierigkeiten. Zwar könnte er seinem Wortsinn nach sowohl eine inhaltliche als auch eine zeitliche Bedeutung haben, d.h. die Parteien könnten ebenso zu schleunigem 524

Zum Vorrang der Wortlautauslegung vgl. Larenz, S. 307 ff.

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wie auch zu wahrem Vorbringen verpflichtet sein. Da die Wahrheitspflicht der Parteien aber bereits in § 138 Abs. 1 bestimmt ist,525 können sich die §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 in einer Beschleunigungspflicht der Parteien erschöpfen.526 Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Ausschlußvorschriften, Verzögerungen des Verfahrens zu verhindern. Die hier sog. Verfahrensförderungspflicht der Parteien i. S. d. §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 ist es also, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so schnell wie möglich vorzubringen. Was daneben der Begriff der Sorgfalt bedeuten könnte, ist allerdings fraglich. Im äußeren Tatbestand der Verfahrensstrafen527 kann die Sorgfalt der Parteien grundsätzlich nur von Bedeutung sein, wo sie dem Fortschritt des Verfahrens gilt, ist aber ohne Belang, wo sie der Sache der Parteien gilt, weil Verfahrensstrafen das Verfahren und nicht die Parteien schützen sollen. Danach müßte der Begriff der Sorgfalt die Pflicht der Parteien umschreiben, für den Fortschritt des Verfahrens zu sorgen, obwohl sich dasselbe Gebot bereits aus dem Begriff der Verfahrensförderung ergibt. Der allgemeinere Begriff der Sorgfalt liefe neben dem besonderen Begriff der Verfahrensförderung also leer. Dies legt die Frage nahe, ob die Sorgfalt der Parteien i. R. d. §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 ausnahmsweise doch ihrer eigenen Sache gelten soll. Die hier sog. Sorgfaltspflicht der Parteien i. S. d. §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 wäre es demnach, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel jeweils so weit vorzubringen, daß sie mit einem für sie günstigen Verfahrensverlauf rechnen können.528 Der Gesetzgeber hätte sich insofern bei der Neufassung der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 eng an die herkömmliche Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 angelehnt. Ein sinnvolles Verhältnis zwischen Verfahrensförderungspflicht und Sorgfaltspflicht ergäbe sich daraus allerdings noch immer nicht. Vielmehr träfen zwei Pflichten aufeinander, die sich wegen ihres unterschiedlichen Schutzzwecks, der Beschleunigung des Verfahrens einerseits und des Obsiegens der Parteien andererseits, nahezu ausschließen würden: Die Parteien müßten einerseits zwar so schleunig wie möglich vorbringen, andererseits aber auch erst, sobald sie nicht 525 Nachdem ihr Bestehen zunächst bestritten worden war, wurde die ursprünglich ungeschriebene Wahrheitspflicht der Parteien durch die Neufassung der ZPO von 1933 in § 138 Abs. 1 aufgenommen; vgl. Hellwig, S. 40 ff.; Rosenberg, ZZP 58, 283, 285 ff. 526 Ebenso GStJ21-Leipold, § 282 Rn. 4. Weth, S. 137 ff., will aus § 277 Abs. 1, 4 außerdem herleiten, daß die Parteien i. R. d. § 282 Abs. 1 zu vollständigem Vorbringen verpflichtet seien. § 277 bezieht sich aber nicht auf das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sondern auf die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung und kann deshalb für § 282 nicht unmittelbar bedeutsam sein. I. ü. ließe sich eine solche Vollständigkeitspflicht des § 282 ebensogut auch aus den §§ 129, 130 herleiten; dies wird aber, soweit ersichtlich, nicht vertreten. 527 Zu den Verfahrensstrafen allgemein vgl. oben S. 38. 528 Vgl. oben S. 73.

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mehr mit einem für sie günstigen Verfahrensverlauf rechnen könnten. Dieses Mißverhältnis läßt sich nur lösen, wenn man entgegen dem offenbar mißglückten Wortlaut des Gesetzes davon ausgeht, daß die §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 nur eine der beiden Pflichten zur allgemeinen Prozeßförderungspflicht bestimmen. Dies ist i. E. der gegenwärtige Stand von Rechtsprechung und Lehre. bb) Für und Wider einer Sorgfaltspflicht Nach einem kleinen Teil des Schrifttums sind die Parteien lediglich verpflichtet, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel jeweils so weit vorzubringen, daß sie mit einem Sieg im Rechtsstreit rechnen können.529 Gegen das Bestehen dieser Sorgfaltspflicht erheben sich allerdings sowohl aus Sicht der Parteien als auch aus Sicht des Gerichts eine ganze Reihe von Bedenken. Fraglich erscheint zunächst die Zweckmäßigkeit der Sorgfaltspflicht. Um zu bestimmen, wann ein neues Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorgebracht werden muß, wäre nämlich festzustellen, wann alle älteren Angriffs- oder Verteidigungsmittel erfolglos bleiben. Daß ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel erfolglos bleibt, steht zwar mit Sicherheit fest, wenn ein Urteil ergehen kann, d.h. wenn der Rechtsstreit spruchreif ist. Dürfte neues Vorbringen allerdings jeweils bis zur Spruchreife zurückgehalten werden, dann wären die Vorschriften der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 überflüssig, weil die Parteien sich nicht dem Ausschluß kraft Richterspruchs gem. §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1, sondern dem Ausschluß kraft Gesetzes gem. §§ 296a, 318530 beugen würden. Um der Sorgfaltspflicht zu genügen, müßten neue Angriffs- und Verteidigungsmittel also vorgebracht werden, so lange der Rechtsstreit nicht spruchreif ist. Dazu wiederum bedürfte es einer Vorhersage, wann welches Angriffs- oder Verteidigungsmittel der einen Partei welches Angriffs- oder Verteidigungsmittel der anderen Partei gefährdet. Die Parteien, die ihr Vorbringen vor einem Ausschluß bewahren wollen, stünden dabei vor großen Schwierigkeiten. Einerseits läßt sich nämlich schon ein durchschnittlich verwickelter Rechtsstreit nur mühsam stets in sämtlichen möglichen Verläufen durchdenken. Und andererseits ließe sich das Vorbringen des Gegners selbst dann nicht mit Sicherheit vorhersagen, wenn seine Angriffs- oder Verteidigungsmittel ohne Ausnahme bekannt wären. Wie die Erfahrung zeigt, hängt das Verhalten einer Partei im Rechtsstreit nämlich nur zum einen Teil von rechtlichen, zum anderen Teil aber auch von wirtschaftlichen und menschlichen Erwägungen ab.531 Die Vorhersage der Spruchreife gliche deshalb einer Rechnung mit einer großen Unbekannten. Vor noch 529 Kallweit, S. 30 ff.; Grunsky, Prozeßtaktik, S. 98 ff.; ders., JZ 1977, 201, 204; vgl. ferner BVerfG E 54, 117, 126 f. 530 Vgl. oben S. 66.

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größeren Schwierigkeiten stünde allerdings das Gericht, das das Vorbringen der Parteien ausschließen will. Es müßte sich dabei nämlich in die Lage der Parteien versetzen, um ihre Vorhersagen nachzuvollziehen, und nur wenn es den Parteien einen Fehler aufzeigen könnte, würde ein Ausschluß möglich.532 Die Unsicherheit einer solchen Vorhersage, die Ungewißheit des gegnerischen Verhaltens und die Unschärfe der gerichtlichen Rückschau müßte es den Parteien überdies zugute zu halten. Die Verspätung eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels festzustellen wäre danach so zeitraubend und fehlerträchtig,533 daß die Gerichte auf die Anwendung der Ausschlußvorschriften lieber verzichten dürften.534 Die Bejahung der Sorgfaltspflicht käme insofern einer Streichung der Ausschlußvorschriften gleich. Bedenklich stimmt aber vor allem die Rechtsunsicherheit der Sorgfaltspflicht.535 Weder die Parteien noch das Gericht wüßten nämlich genau, wann ein Angriff- oder Verteidigungsmittel rechtzeitig und wann es verspätet vorgebracht wird. Diese Verwirrung zeigte sich insbesondere vor 1976 darin, daß der Ausschluß neuen Vorbringens häufig zur Anfechtung des Urteils führte.536 Dem könnte das Gericht zwar entgehen, indem es auf die Anwendung der Ausschlußvorschriften verzichtet, um mit Sicherheit kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel unrechtmäßig auszuschließen. Diese Haltung scheint allgemein vorzuherrschen537 und ist einem mißbräuchlichen Ausschluß selbstverständlich vorzuziehen. Das Gericht könnte die Lage aber auch ausnutzen, indem es Angriffs- und Verteidigungsmittel zu Unrecht ausschließt, nur um den Rechtsstreit schnell zu erledigen. Diese Haltung scheint wenig verbreitet, obgleich einzelne Entscheidungen einen solchen Verdacht nahelegen.538 Der Willkür des Gerichts wären 531 Vgl. oben S. 73 (dort insbesondere Fn. 412 ff.). So brachte z. B. der Kläger in der Entscheidung des RG JW 1930, 549 (oben Fn. 412) sein wichtigstes Angriffsmittel bewußt erst im Berufungsrechtszug vor. 532 Vgl. insofern zum früheren § 252279 bereits oben S. 74. 533 Vgl. die bei Deubner, NJW 1987, 1583 ff. besprochenen Entscheidungen. 534 Ähnlich, wenn auch in größerem Zusammenhange, Putzo, NJW 1977, 1, 5; ebenso Franzki, DRiZ 1977, 161, 166. 535 Dies andeutend schon Putzo, NJW 1977, 1, 5. 536 Vgl. für die Zeit vor 1976 die Nachweise oben Fn. 403 ff. sowie für die Zeit nach 1976 die Nachweise bei Weth, S. 299 ff. 537 Vgl. die Nachweise oben Fn. 29. 538 Dies andeutend auch Grunsky, Prozeßtaktik, S. 82 f. Vgl. ferner die Entscheidung SächsVerfGH NJW 1998, 3266 f.: Dort klagte die Inhaberin gegen die Ausstellerin eines Verrechnungsschecks auf Zahlung, und zwar zunächst im Scheckprozeß, §§ 592 ff., 605a, später im gewöhnlichen Verfahren, § 596. Als die Beklagte im gewöhnlichen Verfahren Zeugen benannte, um Behauptungen zu beweisen, die sie schon im Scheckprozeß vorgebracht hatte, schloß das Gericht die Zeugen wegen Verstoßes gegen die allgemeine Prozeßförderungspflicht aus, weil die Beklagte verpflichtet gewesen sei, sie in Erwartung eines Verfahrenswechsels bereits im Scheckprozeß zu benennen. Der Beweis durch Zeugen ist im Scheckprozeß aber unstatthaft, §§ 595 Abs. 2, 602, 605a, so daß der Ausschluß jeder Grundlage entbehrte.

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jedenfalls Tür und Tor geöffnet. Dies erscheint um so bemerkenswerter, als man schon bei Inkrafttreten der §§ 252279, 339374, 398433 einen Ausschluß kraft Richterspruchs für unverantwortbar hielt, wenn nicht das Gesetz die Voraussetzungen eines Ausschlusses eindeutig vorgab.539 Geradezu auf den Kopf gestellt wurden die Dinge deshalb, als man bei Inkrafttreten der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 das Merkmal der Verspätung für unbestimmbar erklärte und seine Ausfüllung den Gerichten überlassen wollte.540 Sowohl unter dem Gesichtspunkt der Zweckmäßigkeit als auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit kann die allgemeine Prozeßförderungspflicht der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 deshalb nicht in einer Sorgfaltspflicht bestehen. cc) Für und Wider einer Verfahrensförderungspflicht Die Rechtsprechung und der größte Teil des Schrifttums neigen eher zu der Ansicht, die Parteien seien verpflichtet, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel so schleunig wie möglich vorzubringen.541 Für diese Verfahrensförderungspflicht spricht zunächst die Entstehungsgeschichte des § 282 Abs. 1.542 Ursprünglich waren die heutigen § 282 Abs. 1, 2 nämlich als § 282 Abs. 1 S. 1, 2E76 gefaßt.543 Dann wurde jedoch eine Teilung der beiden Sätze in Absätze vorgeschlagen, um dem neuen § 282 Abs. 1E76 folgenden S. 2 anzufügen: Beziehen sich auf denselben Anspruch mehrere selbständige Angriffs- oder Verteidigungsmittel, so kann die Partei sich auf das Vorbringen einzelner beschränken, solange sie nach dem Sach- und Streitstand davon ausgehen darf, daß diese Angriffs- und Verteidigungsmittel für ihre Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ausreichen.544 § 282 Abs. 1 S. 2E76 539

Vgl. oben S. 70. Vgl. nur Egon Schneider, MDR 1977, 793, 794 ff.: Aufgabe der Rechtsprechung wird es sein, den Bereich der Prozeßförderungspflicht zu konkretisieren und, von Fall zu Fall fortschreitend, dazu eine kasuistische Typologie zu entwickeln. Anders lassen sich wohl allgemeine Beurteilungsmaßstäbe nicht herausbilden . . . Die vom Gesetzgeber gewählte Formulierung . . . bietet kein taugliches Unterscheidungsmerkmal. Die schwierige Aufgabe der Konkretisierung ist vielmehr den Gerichten überlassen worden. Hier konnte der Gesetzgeber aber wohl auch nicht anders vorgehen, da sich eine Vielzahl der denkbaren Fälle nicht durch Subsumtion unter eine abstrakte Anweisung lösen läßt . . . Um zu konkreteren Einsichten vorzustoßen, müssen konkrete Sachverhalte untersucht werden. 541 Vgl. etwa OLG Hamm NJW-RR 1993, 1150; MüKoZPO-Prütting, § 282 Rn. 4 ff.; Thomas/Putzo22, § 282 Rn. 2; Weth, S. 125 ff., 198; Egon Schneider, MDR 1977, 793, 794; Deubner, NJW 1979, 337, 338; Leipold, ZZP 97, 395 ff.; abw. GStJ21-Leipold, § 282 Rn. 12 ff. Eine ins einzelne gehende Darstellung des gegenwärtigen Meinungsstandes haben sowohl Weth als auch Kallweit bereits geliefert. 542 Eingehend Weth, S. 137 ff. 543 So der Entwurf der Bundesregierung; vgl. die Mot.N76, S. 9. 540

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hätte damit ausdrücklich keine Verfahrensförderungspflicht, sondern eine Sorgfaltspflicht der Parteien bestimmt. Schließlich wurde dieser neue S. 2 jedoch wieder gestrichen, damit im Regelfall aufgrund der allgemeinen Prozeßförderungspflicht sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel möglichst frühzeitig vorgebracht werden.545 Die §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 bestimmen demnach eine Verfahrensförderungspflicht.546 Was deren Umfang betrifft, ist allerdings einem Mißverständnis vorzubeugen: Diese Verfahrensförderungspflicht darf nicht etwa bedeuten, daß die Parteien alle erdenklichen Angriffs- und Verteidigungsmittel schon zu Beginn des Verfahrens vorbringen müßten. Dies wäre nämlich nicht nur unzumutbar, weil die Parteien auch hier den Verfahrensverlauf vorhersagen müßten, sondern auch unzweckmäßig, weil sie eine Fülle ggf. überflüssiger Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen müßten.547 Vielmehr kann die Verfahrensförderungspflicht nur lauten, daß die Parteien jeweils alle Angriffs- und Verteidigungsmittel derselben Stufe gleichzeitig vorzubringen haben, d.h. ihr Vorbringen eben nicht staffeln dürfen. Diese Abhängigkeit der Verfahrensförderungspflicht von der Verfahrensstufe findet sich auch im Wortlaut des Gesetzes wieder, wo ja die allgemeine Prozeßförderungspflicht in Bezug zur sog. Prozeßlage gesetzt wird. Daß durch eine solche Verfahrensförderungspflicht das Verfahren übermäßig aufgebläht oder die Beschleunigung zunichte gemacht würde, erscheint in einer mündlichen Verhandlung als unnötige Befürchtung.548 Wie nämlich die Erfahrungen des Gemeinen Rechts, der HPO und selbst der ZPO zeigen, verführt nicht der Zwang zu gleichzeitigem Vorbringen, sondern vielmehr die Schriftlichkeit der Verhandlung zu solch übermäßigem Vorbringen.549 Verfahrensförderungspflicht der Parteien kann es also nur sein, gleichstufige Angriffs- und Verteidigungsmittel gleichzeitig vorzubringen. In der Sache würde dies nicht nur die handwerklichen Fehler der heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 ausbessern, sondern auch mit der hier vertretenen Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 übereinstimmen. Nach der hier vertretenen Ansicht drohten und drohen nämlich sowohl die früheren §§ 252279, 339374, 398433 als auch die heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 den Ausschluß neuen Vorbringens für den Fall der verzögernden Staffe544 So die Vorschläge des Rechtsausschusses des Bundestages; vgl. die BT-Drucks. 7/5250, S. 36. 545 So die Ansicht des Bundesrates; vgl. die BR-Drucks. 386/76, S. 3. 546 Ausdrücklich a. A. Grunsky, JZ 1977, 201, 204. 547 Insofern zutreffend Grunsky, JZ 1977, 201, 204; vgl. auch Zeiss9, Rn. 205. Ein solch strenges Gebot galt denn auch nicht einmal im Gemeinen Recht, wo die Parteien ebenfalls nur alle jene Angriffs- und Verteidigungsmittel gleichzeitig vorbringen mußten, die auf derselben Stufe des Rechtsstreits standen (oben S. 48). 548 Gegen Grunsky, JZ 1977, 201, 204 (oben Fn. 547). 549 Vgl. oben S. 50 (dort insbesondere Fn. 238 f.).

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lung an. Begrifflich unterscheiden sich die früheren und die heutigen Ausschlußvorschriften also nur dadurch, daß die §§ 252279, 339374, 398433 die Staffelung als Nachträglichkeit bezeichneten und die §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 sie Verspätung nennen. Die in der Sache unrichtige Verknüpfung der Maßstäbe der Verspätung und der Verzögerung wäre damit i. E. überwunden. Ferner spricht für die Verfahrensförderungspflicht auch deren Zweckmäßigkeit. Denn wenn die Staffelung eines Angriffs- und Verteidigungsmittels gleichbedeutend ist mit seiner Verspätung, dann wissen die Parteien ohnehin, ob sie ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel verspätet vorbringen, und das Gericht kann es verhältnismäßig leicht feststellen. Insofern gilt das oben550 zu den früheren §§ 252279, 339374, 398433 Gesagte. Die Ausschlußvorschriften der ZPO werden damit erheblich leichter anwendbar. Und schließlich ergibt sich aus der größeren Durchschaubarkeit der Ausschlußvorschriften auch eine größere Rechtssicherheit für alle Beteiligten. Unter allen denkbaren Gesichtspunkten sollte deshalb die allgemeine Prozeßförderungspflicht der §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 als Verfahrensförderungspflicht begriffen werden. Offen bliebe dann lediglich, ob Ausnahmen von dieser Verfahrensförderungspflicht zugelassen werden sollen, wie sie die herkömmliche Auslegung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 kannte, also etwa wegen ehrenrühriger Behauptungen, persönlicher Unannehmlichkeiten oder vermeidbarer Verfahrenskosten.551 Nach dem bisher Gesagten ist dies jedoch zu verneinen. Sinn und Zweck des gegenüber dem Ausschluß kraft Gesetzes freiheitlicheren Ausschlusses kraft Richterspruchs ist es, das Verfahren geschmeidiger zu gestalten, nicht aber, den Parteien Unannehmlichkeiten zu ersparen. Wer sein Recht öffentlich erstreiten will, muß seine Verhältnisse öffentlich machen. Das Bedürfnis der Allgemeinheit nach einer schleunigen Rechtspflege überwiegt insofern das Recht des einzelnen auf einen ungestörten Eigenbereich. Sobald taktisches Zurückhalten also das Verfahren verzögert, muß ihm der Ausschluß aus dem Verfahren drohen. Allgemeine Prozeßförderungspflicht der Parteien ist es somit, gleichstufige Angriffs- und Verteidigungsmittel gleichzeitig vorzubringen. Verspätet i. S. d. §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 ist jedes gestaffelte Vorbringen. b) Das Ermessen des Gerichts Nach heutigem Recht steht der Ausschluß eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels ferner im Ermessen des Gerichts.552 Um dieses Ermessen auszuüben, muß das Gericht eine Fülle von in Rechtsprechung und Lehre erörterten 550 551

S. 84 f. Vgl. oben S. 73 (dort insbesondere Fn. 412 ff.).

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2. Teil: Bekämpfung gestaffelten Vorbringens insbesondere

Ausnahmefällen beachten, die ihm einen Ausschluß trotz Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale verwehren. Die Erwägungen, die es dabei anstellen soll, entsprechen im wesentlichen den zum früheren § 252279 entwickelten Überlegungen.553 So soll ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel grundsätzlich berücksichtigt werden, wenn sein Ausschluß mit Sicherheit zu einem ungerechten Urteil führen würde,554 und ausgeschlossen werden, wenn es nur geringe Aussichten auf Erfolg hätte.555 Daneben sollen auch die Erfahrenheit der Partei556 und der Grad ihres Verschuldens557 eine Rolle spielen. Schließlich sollen um so strengere Maßstäbe anzulegen sein, je länger das Verfahren bereits gedauert hat558 und je größer seine Verzögerung voraussichtlich sein wird.559 Gegen diese Erwägungen zur Ausübung des Ermessens sind jedoch berechtigte Einwände erhoben worden. So kann ein Ausschluß nicht mit dem Hinweis auf ein mit Sicherheit ungerechtes Urteil abgelehnt werden, weil eine solche Vorhersage wohl nur im Falle sofort zu entscheidender Angriffs- und Verteidigungsmittel sicher möglich wäre, wo ein Ausschluß mangels Verzögerung aber ohnehin nicht droht. Ebenso kann ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht wegen mangelnder Aussicht auf Erfolg ausgeschlossen werden, weil das Gericht über den Erfolg eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels erst aufgrund der Verhandlung und ggf. der Beweisaufnahme entscheiden darf, § 286.560 Weiter würde eine unterschiedliche Behandlung der Parteien nach ihrer Erfahrung ihr Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzen, zumal die ZPO nicht zwischen erfahrenen und unerfahrenen Parteien unterscheidet. Desgleichen findet auch die Überlegung, den Ausschluß um so strenger zu handhaben, je länger das Verfahren dauert, im Gesetz keinen Rückhalt. Schließlich gilt sowohl für die Frage nach dem Grad des Verschuldens als auch für die Frage nach der Größe der Verzögerung, daß sie bereits in den geschriebenen Tatbestandsmerkmalen des § 296 Abs. 2, 1. Fall berücksichtigt werden und deshalb im Ermessen des Gerichts nicht erneut von Bedeutung sein können.561 552 So ausdrücklich die Mot.N76, S. 39, unter Hinweis auf das vermeintlich schon gem. § 252279 bestehende Ermessen des Gerichts: . . . das Gericht, dessen Ermessen die Präklusion von verspätetem Vorbringen auch zukünftig überlassen bleibt . . .; vgl. ferner BVerfG E 69, 145, 150; BT-Drucks. 7/5250, S. 4; GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 110 ff.; außerdem die bei Weth, S. 290 (dort Fn. 6) angeführten Nachweise. 553 Vgl. oben S. 74. 554 GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 110; Bender/Belz/Wax, Rn. 83; vgl. auch Mot.N76, S. 39. 555 GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 110 m. w. N. 556 So wörtlich Bender/Belz/Wax, Rn. 83. 557 GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 110. 558 GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 111 m. w. N. 559 GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 111; ders., a. a. O. Rn. 112 will von einem Ausschluß ferner bei übereinstimmendem Antrag beider Parteien absehen; dagegen Weth, S. 285, 286. 560 Zum Problem der vorweggenommenen Beweiswürdigung vgl. Zeiss9 Rn. 440 ff.

D. Zusammenfassung des Zweiten Teils

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Das Fehlen sachgerechter Ermessensmaßstäbe im Falle des § 296 Abs. 2, 1. Fall spricht darum für eine völlige Ermessensschrumpfung.562 Jede andere Handhabung würde richterliche Willkür bedeuten. Auch nach heutigem Recht ist das Gericht daher zum Ausschluß verpflichtet.563 c) Ergebnis zur Auslegung der heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 Gestaffelte Angriffs- und Verteidigungsmittel müssen auch nach den §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 ausgeschlossen werden, wenn ihre Beachtung das Verfahren verzögern würde und wenn die Parteien sie mindestens grob fahrlässig nicht früher vorgebracht haben. Als Verspätung i. S. d. § 296 Abs. 2, 1. Fall gilt dabei jede Staffelung. Allgemeine Prozeßförderungspflicht der Parteien i. S. d. § 282 Abs. 1 ist es nämlich, gleichstufige Angriffs- oder Verteidigungsmittel gleichzeitig vorzubringen; taktisches Zurückhalten ist dabei nicht gestattet. Schließlich steht der Ausschluß zwar grundsätzlich im Ermessen des Gerichts; das Gericht muß aber im Regelfall von einer völligen Ermessensschrumpfung ausgehen.

D. Zusammenfassung des Zweiten Teils I.

Der Ausschluß gestaffelten Vorbringens kann kraft Gesetzes oder kraft Richterspruchs erfolgen.

II. Der Ausschluß kraft Gesetzes erfolgt, sobald ein bestimmter Zeitpunkt innerhalb des Verfahrens verstrichen ist. Maßstab des Ausschlusses kraft Gesetzes ist also die Verspätung des Vorbringens. III. Der Ausschluß kraft Richterspruchs erfolgt, falls die Berücksichtigung eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels die Beendung des Verfahrens hinausschieben würde. Maßstab des Ausschlusses kraft Richterspruchs ist also die Verzögerung der Verfahrenserledigung. IV. Die ZPO wendet den Ausschluß kraft Richterspruchs an. Gem. §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 sollen die Parteien gleichstufige Angriffs- und Verteidigungsmittel gleichzeitig vorbringen, und das Gericht ist verpflichtet, verspätetes Vorbringen auszuschließen, wenn seine Berücksichtigung das Verfahren verzögern würde.

561 So schon Weth, S. 289 ff.; dagegen Leipold, ZZP 102, 486, 487 f.; dagegen wiederum MüKoZPO-Prütting § 296 Rn. 176 f. 562 Zum Begriff der Ermessensschrumpfung vgl. Maurer, § 7 Rn. 9, 24. 563 So auch Weth, S. 293; zust. MüKoZPO-Prütting § 296 Rn. 177; a. A. Leipold, ZZP 102, 486, 487 f. (oben Fn. 561).

Dritter Teil

Von der Bekämpfung überraschenden Vorbringens im besonderen Überraschendes Vorbringen stellt weder eine Verschleppung oder Unterlassung sinnvoller noch eine Vornahme sinnloser Prozeßhandlungen dar. Kann eine Partei ihrem Gegner nämlich nicht ohne vorherige Überlegung oder Erkundigung antworten, so beruht dies nicht auf einem Verdienst oder Vergehen einer der beiden Seiten, sondern auf dem raschen Wechsel von Rede und Gegenrede in der mündlichen Verhandlung.564 Um Verzögerungen des Verfahrens durch überraschendes Vorbringen zuvorzukommen, kann der mündlichen Verhandlung aber ein vorbereitendes Verfahren vorgeschaltet werden, das den Verfahrensbeteiligten die Bereitstellung der Angriffs- und Verteidigungsmittel ermöglicht. Die Mangelhaftigkeit dieser Vorbereitung läßt sich dann als Verschleppung oder Unterlassung sinnvoller bzw. als Vornahme sinnloser Prozeßhandlungen begreifen und bekämpfen. Vgl. den ersten, fünften und siebten Termin des Ersten Fallbeispiels: Im ersten Termin legte Isegrim eine Urkunde des Wolf vor, zu deren Echtheit sich Reineke ohne Absprache mit Fuchs nicht äußern konnte. Im fünften Termin erklärte Reineke die Aufrechnungseinrede des Fuchs, auf die sich Isegrim ohne Rücksprache mit Wolf nicht erklären wollte. In beiden Fällen vertagte das Gericht die mündliche Verhandlung, um der jeweils überraschten Seite rechtliches Gehör zu gewähren. Im siebten Termin behauptete Isegrim dagegen überraschend einen zur Wandlung berechtigenden Mangel. Reineke bestritt unbedacht den Mangel und verursachte dadurch eine für ihn erfolglose Beweisaufnahme. Hätten beide Seiten bereits in einem vorbereitenden Verfahren von den Behauptungen und Beweisen ihres Gegners erfahren, so hätten sie in der mündlichen Verhandlung ohne Umschweife und mit Bedacht antworten können.

Verschiedene Möglichkeiten für ein vorbereitendes Verfahren und für Maßregeln gegen mangelhafte Vorbereitung zeigen im folgenden die Beispiele der HPO, der BPO565 und der ZPO.566

Die Mot.CPO, S. 20 a. E., 25, sprechen von der Gleichzeitigkeit und Zweiseitigkeit der mündlichen Verhandlung im Gegensatz zur Ungleichzeitigkeit und Einseitigkeit der schriftlichen Verhandlung. 565 Vgl. oben S. 51 ff.; unten S. 105 ff. 564

A. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover

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A. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover567 I. Das vorbereitende Verfahren der HPO Die HPO sah als vorbereitendes Verfahren sowohl für das erste als auch für das zweite Verfahren568 einen Schriftwechsel vor,569 in dem die Parteien in sog. schriftlichen Parteianträgen ihre zukünftigen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie ihre Anträge ankündigten, §§ 92 ff.HPO.570

1. Der Gang des vorbereitenden Verfahrens

a) Die Vorbereitung des ersten Verfahrens aa) Das regelmäßige Verfahren, §§ 184 ff.HPO Zu Beginn des regelmäßigen Verfahrens der §§ 184 ff.HPO reichte der Kläger seinen Klagantrag571 auf der Gerichtsschreiberei ein, um einen Termin zur mündlichen Verhandlung des ersten Verfahrens bestimmen zu lassen, §§ 184, 187, 143 Abs. 1HPO.572 Der Gerichtsschreiber legte den Klagantrag dem zuständigen Richter vor, der den Termin binnen vierundzwanzig Stunden zu bestimmen und auf dem Klagantrag zu vermerken hatte § 143 Abs. 2HPO. Nun ließ der Kläger den Klagantrag durch einen Gerichtsvoigt an den Beklagten behändigen,573, 574 §§ 188 Abs. 1, 118 ff.HPO, und lud dabei den Beklagten zum Termin, § 184 Nr. 4HPO.575

566

Zu vorbereitenden Verfahren im römischen und englischen Recht vgl. von Bar,

S. 10. 567

Zur Geschichte der HPO vgl. oben S. 51. Vgl. oben Fn. 255. 569 Die folgende Darstellung bezieht sich wiederum auf das Verfahren vor den hannoverschen Obergerichten (oben Fn. 254). 570 Zu Sinn und Zweck des Schriftwechsels vgl. auch die Mot.HPO, S. 8, 76, 145. 571 Die HPO gebrauchte stets die Mehrzahl, sprach also von schriftlichen Parteianträgen, Klaganträgen usw., vgl. §§ 92 ff., 184 ff.HPO. 572 Die Urschriften der schriftlichen Parteianträge blieben in der Hand der Parteien; vgl. Leonhardt3, § 188, S. 143. Der Gegner erhielt eine Abschrift, und eine weitere Abschrift wurde bei Gericht niedergelegt, § 94 Abs. 1HPO. Versäumte ein Rechtsanwalt die Niederlegung bei Gericht, dann drohte ihm eine besondere Kostenstrafe; vgl. Leonhardt3, § 143, S. 110 (dort Fn. 1). 573 Die Behändigung durch Gerichtsvoigte gem. §§ 118 ff.HPO entsprach der Zustellung durch Gerichtsvollzieher gem. §§ 166 ff. 574 Mit der Zustellung des Klagantrages an den Beklagten wurde die Klage erhoben, und die Sache war rechtshängig, § 190 Abs. 1 Nr. 1HPO; vgl. hierzu Leonhardt3, § 190, S. 144 (dort Fn. 5); dagegen zum Gemeinen Recht oben Fn. 149. 568

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

Wegen dieser Bestimmung des Termins auf Tag und Stunde genau gleich zu Beginn wurde das vorbereitende Verfahren der HPO auch als Terminsystem bezeichnet.576 Es sollte Mißständen entgegenwirken, wie sie aus Frankreich bekannt geworden waren, wo sich die Rechtsanwälte oft in ausgedehnten Schriftwechseln ergingen, bevor sie den Rechtsstreit zur mündlichen Verhandlung anmeldeten, was den Parteien zusätzliche Gebühren und unerträgliche Verzögerungen bescherte.577 Zwischen der Behändigung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung mußte eine Frist von mindestens drei Wochen liegen, § 189 Abs. 1 Nr. 1HPO,578 die das Gericht bei der Bestimmung des Termins zu berücksichtigen hatte, § 187HPO. Diese Frist gab dem Beklagten Gelegenheit, einen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung zu betrauen,579 vgl. § 184 Nr. 4HPO, und dem Kläger mit einem Gegenantrag zu antworten. Seinen Gegenantrag mußte der Beklagte spätestens eine Woche vor dem Termin behändigen lassen, § 191 Abs. 1HPO, damit auch dem Kläger genügend Zeit zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung blieb.580 Damit endete bereits das regelmäßige vorbereitende Verfahren der §§ 184 ff.HPO. Die HPO ging nämlich davon aus, daß kaum ein Rechtsstreit nach Klagebegründung und Klagebeantwortung in Klagantrag und Gegenantrag noch Repliken, Dupliken usw. in weiteren schriftlichen Parteianträgen hervorbringen würde.581, 582 575 Mit Zustellungen, §§ 118HPO ff., und Ladungen, § 184 Nr. 4HPO, legte die HPO den äußeren Prozeßbetrieb weitgehend in die Hand der Parteien. 576 Vgl. Stein3, S. 132; ferner die Mot.HPO, S. 137 ff. und die Mot.CPO, S. 157 ff. 577 Mot.HPO, S. 139; von Harrasowsky, S. 4 f.; ähnl. GStJ11, § 261 Anm. II; ders., DJZ 5, 33, 34. Zu ähnlichen Verwerfungen im Gemeinen Recht vgl. oben Fn. 108. 578 Beklagten außerhalb Hannovers war eine Frist von vier Wochen zu gewähren, § 189 Abs. 1 Nr. 2. 579 Vor den Obergerichten und in den höheren Rechtszügen herrschte Anwaltszwang, § 67 Abs. 1HPO. 580 Mot.HPO, S. 145. 581 Mot.HPO, S. 155, 305 f.; vgl. auch die Überschrift vor § 207HPO: Verfahren in Ausnahmefällen. 582 Ein schriftliches Vorverfahren mit mündlicher Schlußverhandlung gem. §§ 214, 460 ff.HPO ordnete der erkennende Senat dagegen an, wenn so zahlreiche oder verwikkelte Angriffs- und Verteidigungsmittel vorgebracht wurden, daß sie in einer mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden konnten, §§ 460 Abs. 1, 461 Abs. 1HPO; vgl. auch Leonhardt3, § 461, S. 307 (dort Fn. 2). Dabei wurde der Rechtsstreit zunächst zur schriftlichen Feststellung der Angriffs- und Verteidigungsmittel vor einen beauftragten Richter verwiesen, §§ 464, 465 Abs. 1HPO, und kehrte dann zur mündlichen Schlußverhandlung vor den erkennenden Senat zurück, § 466HPO. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel waren jetzt kraft Gesetzes ausgeschlossen, § 473 Abs. 4HPO. Das schriftliche Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung diente also nicht eigentlich der Vorbereitung einer mündlichen, sondern bedeutete im wesentlichen eine schriftliche Verhandlung des Rechtsstreits. Es war darum kein vorbereitendes Verfahren im

A. Die Bürgerliche Proceßordnung für das Königreich Hannover

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bb) Das außergerichtliche schriftliche Verfahren, §§ 198, 207 ff.HPO Im ersten Termin konnte das Gericht auf Antrag der Parteien ausnahmsweise auch ein außergerichtliches schriftliches Verfahren gestatten, §§ 198, 207 ff.HPO,583 um ihnen den Wechsel weiterer584 vorbereitender Schriftsätze585 zu ermöglichen, § 212 Abs. 1HPO. In diesem Fall vertagte es die mündliche Verhandlung, so daß die Hauptsache erst im zweiten Termin verhandelt wurde, während Prozeßeinreden und Vergleichsvorschläge noch im ersten Termin erledigt werden konnten.586 Zugleich setzte es den Parteien Fristen für die Behändigung ihrer vorbereitenden Schriftsätze und bestimmte den zweiten Termin, § 209 Abs. 1, 2HPO, um eine Verzögerung des Verfahrens durch den weiteren Schriftwechsel zu verhindern.587 Spätestens mit der Duplik endete aber auch das außergerichtliche schriftliche Verfahren, § 209 Abs. 2HPO.588

b) Die Vorbereitung des zweiten Verfahrens Den Termin zur mündlichen Verhandlung im zweiten Verfahren bestimmte das Gericht im Beweisurteil auf mindestens vier Wochen hinaus, §§ 215, 217 Abs. 1HPO. Innerhalb dieser Frist sollten die Parteien ihre Beweise in vorbereitenden Schriftsätzen ankündigen, und zwar in der ersten Hälfte der Frist die Beweismittel und in der zweiten Hälfte der Frist die Beweiseinreden, § 217 Abs. 2HPO.589 Spätestens drei Tage vor dem Termin sollte kein schriftlicher Parteiantrag mehr behändigt werden, §§ 217 Abs. 2, 94 Abs. 1HPO, damit genügend Zeit zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung blieb.

Sinne dieser Untersuchung; vgl. hierzu auch die Mot.HPO, S. 305 ff. Dem Vorbild der §§ 214, 460 ff.HPO folgten später die §§ 313348 ff. (oben S. 64); vgl. die Mot.CPO, S. 237 ff. 583 Die Anordnung des außergerichtlichen schriftlichen Verfahrens oblag dem Vorsitzenden; vgl. die Mot.HPO, S. 155. Es war nicht anwendbar in den in § 208HPO und den bei Leonhardt3, § 208, S. 156 (dort Fn. 1) genannten Fällen. 584 Vgl. die Mot.HPO, S. 157 f.; ferner Oppermann, AcP 37, 442, 464; Breitling, AcP 43, 314, 319; Scheuerlen, AcP 46, 48, 70. 585 Zum Begriff des vorbereitenden Schriftsatzes vgl. schon die Mot.HPO, S. 8. 586 Vgl. die Mot.HPO, S. 139, die den ersten Termin in diesem Fall als Vortermin bezeichneten. Der Antrag auf Anordnung eines außergerichtlichen schriftlichen Verfahrens galt allerdings bereits als Verhandlung zur Hauptsache, vgl. § 196 Abs. 2HPO. 587 Vgl. die Mot.HPO, S. 139 a. E. f. 588 Oppermann, AcP 37, 442, 464, behauptete offenbar irrtümlich, das außergerichtliche schriftliche Verfahren könne bis zur Triplik reichen. 589 In der zweiten Hälfte der vierwöchigen Frist sollten die Parteien sich außerdem ihre Gegenbeweise ankündigen (oben Fn. 194).

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere 2. Der Inhalt der schriftlichen Parteianträge

In ihren schriftlichen Parteianträgen sollten die Parteien ihre Schlußgesuche590 sowie ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel ankündigen, damit sich ihr Gegner im allgemeinen wie im besonderen auf ihr Gebaren vorbereiten konnte, §§ 93 S. 1 Nr. 3, 184 Nr. 2, 217 Abs. 2HPO.591 Die schriftlichen Parteianträge sollten in tatsächlicher Hinsicht kurz, bestimmt und vollständig gehalten sein und sich in rechtlicher Hinsicht auf den Rechtsgrund des Schlußgesuches beschränken,592 so daß schließlich feststand, welche Behauptungen und Beweise vorzubringen und aufzunehmen sein würden, §§ 93 S. 1 Nr. 3, S. 2; 184 Nr. 1 Halbs. 1.HPO Für Klagantrag und Gegenantrag schrieben die §§ 188 Abs. 2, 191 Abs. 3HPO außerdem vor, daß die Parteien ihrem Gegner ihre Beweisurkunden zugänglich machten,593 damit er sich auch auf die Erfrühung von Urkunden594 vorbereiten konnte. Dazu sollten die Urkunden i. d. R. den schriftlichen Parteianträgen in Abschrift beigefügt, bereits bekannte oder sehr umfangreiche Urkunden ausnahmsweise auch nur zur Einsichtnahme angeboten werden. Auf den Wunsch des Gegners nach Einsichtnahme sollten die Urkunden dann binnen drei Tagen auf der Gerichtsschreiberei niedergelegt oder von Anwalt zu Anwalt zu übergeben werden, §§ 134, 138 Abs. 1HPO.595 Für den Gegenantrag schrieben die §§ 191 Abs. 2, 196 f., 198; 14 Abs. 1HPO schließlich vor, daß der Beklagte etwaige Prozeßeinreden,596 Anträge auf außergerichtliche schriftliche Verfahren und Widerklagen ankündigte, um dem Kläger eine Vorbereitung auch darauf zu ermöglichen. II. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Verursachte eine Partei durch die verspätete oder unterlassene Behändigung eines schriftlichen Parteiantrages oder durch die verspätete oder unterlassene Überlassung einer Beweisurkunde eine Vertagung der Verhandlung,597 dann konnten ihr die Kosten dieser Verzögerung des Verfahrens auferlegt werden, 590

Vgl. oben S. 52. Die Vorbereitung des Gerichts stand dabei im Hintergrund; vgl. die Mot.HPO, S. 79 a. E. f. und Leonhardt3, § 92, S. 76 (dort Fn. 1). 592 Im außergerichtlichen schriftlichen Verfahren waren Rechtsausführungen sogar gänzlich untersagt, § 211 Abs. 1HPO a. E. 593 Vgl. oben Fn. 274. 594 Vgl. oben S. 54. 595 Vgl. zur entsprechenden Vorschrift des § 134 die Mot.CPO, S. 130. 596 Vgl. oben S. 53. 597 Vgl. § 205HPO. 591

B. Die Prozeßordnung für das Königreich Bayern

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§§ 94 Abs. 2 Halbs. 2; 188 Abs. 2 S. 1, 191 Abs. 3, 135HPO.598 Versäumte eine Partei eine Behändigungsfrist im außergerichtlichen schriftlichen Verfahren, dann konnte ihr Gegner außerdem den zweiten Termin vorverlegen lassen, § 213HPO. Das nicht mehr angekündigte Vorbringen der säumigen Partei führte dann ggf. zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung und somit wiederum zur Kostenstrafe. Zu Nachteilen in der Sache führte eine mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung dagegen nicht, vgl. § 94 Abs. 2 Halbs. 1HPO.599 Die HPO ging davon aus, daß die Rechtsanwälte auf eine rechtzeitige und ausreichende Behändigung schriftlicher Parteianträge achten würden, weil nicht angekündigtes Vorbringen gem. § 102HPO in das Sitzungsprotokoll aufgenommen werden mußte, was die Rechtsanwälte weder sich noch ihren Standesgenossen noch dem Gericht zumuten würden.600 III. Die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der HPO Über die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der HPO liegen kaum Zeugnisse vor. Überliefert ist allerdings, daß das regelmäßige vorbereitende Verfahren der HPO meistens ausreichend war, während das außergerichtliche schriftliche Verfahren nur selten angewendet werden mußte.601 Insofern ist davon auszugehen, daß sich das vorbereitende Verfahren der HPO bewährt hat.

B. Die Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern Nachdem der 1866 aufgelöste Deutsche Bund eine bürgerliche Verfahrensordnung für alle deutschen Staaten nicht mehr in Kraft setzen konnte602 und der Norddeutsche Bund seit 1867 eine bürgerliche Verfahrensordnung für die norddeutschen Staaten erarbeiten ließ,603 gab sich Bayern am 29. April 1869 Ungenau von Harrasowsky, S. 139, der aus §§ 94, 195HPO ein Recht des Gegners herleitete, Vertagung der Verhandlung auf Kosten des säumigen Gegners zu verlangen. 599 Wegen der Ankündigung einer Widerklage vgl. aber § 14 Abs. 1HPO. 600 Oppermann, AcP 38, 14, 15 ff. 601 Oppermann, AcP 37, 442, 465; Breitling, AcP 43, 314, 322 ff., 333 ff.; Scheuerlen, AcP 46, 48, 70. 602 Als Allgemeine Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten hatte der zwischen 1862 und 1864 von einer Bundeskommission in Hannover ausgearbeitete sog. hannoversche Entwurf (Hannover 1866; s. DahlmannsII) verabschiedet werden sollen. Der preußisch-österreichische Krieg und die Auflösung des Deutschen Bundes im Jahre 1866 kamen dem aber zuvor. Vgl. hierzu Schmidt, S. 106; Rosenberg2, S. 11; DahlmannsII, S. 9 ff.; GStJ20-Schumann, Einleitung Rn. 105 ff. 603 Vgl. oben Fn. 488. 598

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

die Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern (hier: BPO).604 Die BPO ersetzte den Codex iuris bavarici iudiciarii von 1753605 und wich bereits 1877 wieder der ZPO. Ihr Verfahren war mündlich, vgl. Art. 246BPO, öffentlich, Art. 148 Abs. 1BPO,606 und i. E. ungegliedert, denn obwohl das Gericht ein Beweisurteil erließ, Artt. 328 ff.BPO, konnten die Parteien auch danach fast unbegrenzt neue Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen, Art. 345BPO.607 I. Das vorbereitende Verfahren der BPO Auch die BPO sah als vorbereitendes Verfahren einen Schriftwechsel vor,608 in dem die Parteien ihre zukünftigen Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie ihre Anträge ankündigten, Artt. 229, 230 Abs. 1BPO.609 Die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien bezeichnete sie als motivierte Anträge. 1. Der Gang des vorbereitenden Verfahrens

Der Kläger leitete das vorbereitende Verfahren der Artt. 224 ff.BPO ein, indem er dem Beklagten durch einen Gerichtsvollzieher die Klageschrift zustellen ließ und den Beklagten zur Bestellung eines Rechtsanwaltes aufforderte,610 Artt. 224, 101 Abs. 1; 226 Abs. 1BPO.611 Dem folgte der Wechsel der motivierten 604 Amtliche Ausgabe, München 1869. Zum Werdegang der BPO vgl. BarthI §§ 1 ff. Die BPO ging auf einen Entwurf aus dem Jahre 1861 zurück, der sich stark an das französische Recht anlehnte; vgl. von Harrasowsky, S. 166 f. 605 Änderungen des Codex iuris bavarici iudiciarii hatten sich zuvor ergeben aus den Gesetzen vom 28. Juli 1819, Gesetzblatt für das Königreich Baiern 1819, 59 ff., und vom 25. November 1837, Gesetzblatt für das Königreich Bayern 1837, 41 ff. 606 Zu Mündlichkeit und Öffentlichkeit des Verfahrens vgl. BarthI, S. 75; BarthII, S. 203. 607 Vgl. auch BarthII, S. 201 ff. 608 Die folgende Darstellung bezieht sich auf das Verfahren vor den bayerischen Bezirksgerichten gem. Art. 224 ff.BPO. Seit Einführung der BPO ähnelte auch die bayerische Gerichtsverfassung der des heutigen GVG. So waren im wesentlichen die Stadtund Landgerichte als Einzelngerichte Eingangsgerichte für bürgerliche Rechtsstreite mit einem Streitwert von bis zu 150 Gulden, Art. 3 Abs. 1BPO, weiter die Bezirksgerichte Eingangsgerichte für alle übrigen bürgerlichen Rechtsstreite und Rechtsmittelgerichte hinsichtlich der Entscheidungen der Einzelngerichte, Artt. 2, 696, 739BPO, ferner die Appellationsgerichte Eingangsgerichte in besonderen Fällen und Rechtsmittelgerichte hinsichtlich der Entscheidungen der Bezirksgerichte, Artt. 696, 739BPO, und schließlich der oberste Gerichtshof Kassationsgericht; vgl. BarthII, S. 567; BarthI, S. 30, 108 ff. Die Vorschriften für das Verfahren vor den Bezirksgerichten galten entsprechend für das Verfahren in den höheren Rechtszügen, Art. 710BPO, und erheblich abgewandelt auch im Verfahren vor den Einzelngerichten. Das Verfahren vor den bayerischen Bezirksgerichten ist insofern dem Verfahren vor den heutigen Landgerichten vergleichbar. Vgl. hierzu BarthI, S. 24 ff. 609 Vgl. auch BarthII, S. 29.

B. Die Prozeßordnung für das Königreich Bayern

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Anträge, für den auch die BPO lediglich zwei vorbereitende Schriftsätze vorsah:612 Zunächst sollte der Beklagte dem Kläger innerhalb einer Erscheinungsfrist von acht Tagen die Bestellung seines Rechtsanwaltes anzeigen, Art. 226BPO,613 und innerhalb einer weiteren Frist von fünfzehn Tagen seinen motivierten Antrag zustellen lassen, Art. 231 Halbs. 1BPO. Dann sollte der Kläger dem Beklagten bis spätestens drei Tage vor der Tagfahrt zur mündlichen Verhandlung seinen motivierten Antrag zustellen lassen, Art. 231 Halbs. 2BPO,614 wobei er im wesentlichen auf die Klageschrift zu verweisen hatte, Art. 230 Abs. 4BPO.615 Schon nach Ablauf der fünfzehntägigen Zustellungsfrist des Beklagten konnten sich die Parteien um die Bestimmung einer Tagfahrt bemühen, Art. 234BPO.616 Dazu meldeten sie ihren Rechtsstreit beim Gerichtsschreiber an, Art. 235 Abs. 1BPO, der alle Verfahren in der Reihenfolge ihrer Anmeldung zunächst in ein fortlaufendes Verzeichnis, das Hauptverzeichnis aufnahm, Art. 236BPO, und zum Wochenende in ein wöchentliches Verzeichnis, die Wochentabelle übertrug, Art. 237 Abs. 1BPO. Der Gerichtsvorstand bestimmte dann eine Tagfahrt zum Aufruf sämtlicher Rechtsstreite der Wochentabelle, Art. 237 Abs. 4BPO, und ließ die Wochentabelle noch am selben Tag im Sitzungssaal und auf der Gerichtsschreiberei aushängen, Art. 237 Abs. 3, 6 S. 1BPO.617 Zur Bestimmung der Tagfahrt legte er einen Wochentag fest, Art. 237 Abs. 4BPO, bei dessen dritter Wiederkehr der Aufruf erfolgte, Art. 237 Abs. 5, 2. FallBPO.618 610 Im Verfahren vor den bayerischen Bezirksgerichten herrschte Anwaltszwang, Art. 79 Abs. 1BPO; die Klageschrift wurde vom Rechtsanwalt verfaßt, Art. 225 S. 1BPO, aber auf Betreiben des Klägers zugestellt, vgl. BarthI, S. 445. Mit Zustellungen, Art. 192BPO, und Ladungen, Art. 101BPO, legte auch die BPO den äußeren Prozeßbetrieb weitgehend in die Hand der Parteien; vgl. zur HPO oben Fn. 575. 611 Mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten wurde die Klage erhoben, und die Sache war rechtshängig, Artt. 179, 224BPO. Vgl. dagegen zum Gemeinen Recht oben Fn. 149; wiederum zur HPO oben Fn. 574. 612 Die Klageschrift selbst bezeichnete die BPO nicht als motivierten Antrag; vgl. Art. 165 Abs. 1 Nr. 1BPO; ferner BarthII, S. 28 ff. 613 Vgl. auch BarthII, S. 11. 614 Gem. Artt. 184 ff.BPO konnte der Beklagte die Verhandlung zur Hauptsache verweigern, so lange eine Entscheidung über die Verfahrensmängel der Klage, die Prozeßeinreden, ausstand; vgl. oben S. 44 zum Gemeinen Recht, S. 53 zur HPO und Fn. 335 zur ZPO. Den Begriff der Prozeßeinreden gebrauchte die BPO zwar nicht; vgl. aber BarthI, S. 480 ff. Wollte der Beklagte ein Urteil allein über die Prozeßeinreden erwirken, dann betrug die Frist für die Zustellung seines motivierten Antrages nur acht Tage, Art. 232 Abs. 1BPO. Der Kläger konnte in diesem Fall auf seinen motivierten Antrag zunächst verzichten, Art. 232 Abs. 2BPO. 615 Ebenso sollten die Parteien auch nach jeder Vertagung der mündlichen Verhandlung motivierte Anträge wechseln, Art. 257 S. 2BPO; vgl. dazu BarthII, S. 62. 616 Vgl. BarthI, S. 511. 617 Befanden sich an einem Bezirksgericht mehrere Zivilsenate, dann teilte der Gerichtsvorstand die Sachen des Hauptverzeichnisses sofort den getrennten Verzeichnissen und Wochentabellen der Senate zu, Art. 238BPO. Vgl. hierzu BarthII, S. 19 f.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

Spätestens drei Tage, nachdem die Wochentabelle ausgehängt worden war, mußte die Partei, die den Rechtsstreit zum Hauptverzeichnis angemeldet hatte, ihren Gegner dann zur Tagfahrt laden, Art. 239BPO. In Anlehnung an die Bezeichnung des Hauptverzeichnisses als Rolle619 wurde dieses aus Frankreich620 stammende Verfahren auch als Rollensystem bezeichnet.621 Es diente der Vermeidung richterlicher Willkür bei der Terminbestimmung, denn da das Gericht stets an die Reihenfolge der Anmeldung der Rechtsstreite gebunden war, konnte es weder Parteien noch Rechtsanwälte durch Bestimmung einer Tagfahrt auf besonders nah oder weit hinaus bevorzugen oder benachteiligen.622 In der Tagfahrt verlasen die Parteien dann ihre motivierten Anträge und hinterlegten erstmals eine Abschrift bei Gericht, Art. 240 Abs. 1, 241 Abs. 3 S. 1BPO.623 Das Gericht entschied nicht beweisbedürftige Rechtsstreite sogleich, Art. 241 Abs. 7BPO,624 und vertagte alle übrigen Rechtsstreite auf eine neue Tagfahrt, Art. 241 Abs. 6BPO.625 Dabei sollte es den voraussichtlichen Umfang des Rechtsstreits kurz mit den Rechtsanwälten erörtern, um eine angemessene Dauer der neuen Tagfahrt bestimmen zu können. Ziel des Aufrufs zur Hinterlegung in der ersten Tagfahrt war also im wesentlichen die Vorbereitung des Aufrufs zur Verhandlung in der zweiten Tagfahrt, vgl. Artt. 241 Abs. 1, 245 Abs. 1BPO.626 Reichten die motivierten Anträge in der ersten Tagfahrt allerdings zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung in der zweiten Tagfahrt nicht aus, dann vertagte das Gericht die Hinterlegung der motivierten Anträge und bestimmte ggf. die Fortsetzung des vorbereitenden Schriftwechsels, Art. 243 Abs. 2 S. 1BPO.627 Dabei konnte es die Zahl der Schriftsätze und die Fristen für ihre 618 Vgl. BarthII, S. 16 ff., 19. Strebte der Beklagte zunächst ein Urteil über Prozeßeinreden an, dann wurde der Rechtsstreit bereits bei der zweiten Wiederkehr des Wochentages aufgerufen, Art. 237 Abs. 5, 1. FallBPO. 619 BarthII, S. 16. 620 Vgl. etwa GStJ11, § 261 Anm. II; ders., DJZ 5, 33, 34. 621 Vgl. Stein3, S. 132; ferner die Mot.HPO, S. 137 ff. und die Mot.CPO, S. 157 ff. (oben Fn. 576). 622 BarthII, S. 19. 623 Vgl. auch von Harrasowsky, S. 167. 624 Nach BarthII, S. 41, strengten die Parteien die Verfahren z. T. nur an, um dem Kläger durch sog. jugement convenu einen vollstreckbaren Titel zu verschaffen. 625 Vgl. auch von Harrasowsky, S. 168; BarthII, S. 39 ff. Auch für die zweite Tagfahrt wurde ein Sitzungsverzeichnis angefertigt, das sich zwar nicht mehr nach der Reihenfolge der Wochentabelle richten konnte, wohl aber die Reihenfolge des Hauptverzeichnisses einhielt, Art. 244 Abs. 1BPO. 626 Vgl. dagegen zur HPO Oppermann, AcP 38, 14, 18; ebenso die Mot.CPO, S. 159 a. E. 627 Der Entwurf zur BPO hatte noch einen Schriftwechsel bis zur Replik auch für das gewöhnliche vorbereitende Verfahren vorgesehen; vgl. von Harrasowsky, S. 167 (dort Fn. 2).

B. Die Prozeßordnung für das Königreich Bayern

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Zustellung nach seinem Ermessen festlegen.628 Nach Abschluß des Schriftwechsels mußten die Parteien den Rechtsstreit erneut in Hauptverzeichnis und Wochentabelle eintragen lassen, Art. 243 Abs. 2 S. 2BPO, wenn nicht das Gericht eine neue Tagfahrt bereits bei Anordnung des außergewöhnlichen vorbereitenden Verfahrens bestimmt hatte.629 In der nun folgenden Tagfahrt ging das Verfahren dann seinen gewöhnlichen Gang, vgl. Art. 240 Abs. 2BPO. 2. Der Inhalt der motivierten Anträge

Auch nach der BPO sollten die Parteien in ihren motivierten Anträgen ihre Gesuche sowie ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel ankündigen, Artt. 165 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 230 Abs. 2, 3 Halbs. 2BPO. Dabei hatten die Parteien darauf zu achten, daß ihre Gesuche wörtlich als Urteilsspruch übernommen werden konnten,630 Angriffs- und Verteidigungsmittel in bündiger Kürze dargelegt wurden631 und Rechtsausführungen nur in sehr verworrenen Fällen einflossen.632 Beweismittel mußten die Parteien allerdings in ihren motivierten Anträgen lediglich der Art nach bezeichnen und nicht im einzelnen benennen.633 Vor dem Beweisurteil sollten Beweismittel nämlich grundsätztlich nur in genere und nicht in specie vorgebracht werden, um die mündliche Verhandlung nicht zu überladen, Art. 324 Abs. 1BPO.634 Lediglich im Falle von Urkunden sollten die Parteien Behauptung und Beweis unmittelbar verbinden, worauf der jeweilige Gegner auch schon seine Beweiseinreden vorbringen mußte, Art. 370 Abs. 1, 2BPO.635 Die Parteien mußten Urkunden darum stets bei ihren Unterlagen, den Parteiakten, belassen, Art. 171BPO, so daß der jeweilige Gegner sich auf die Urkunde durch vorübergehende Überlassung der Parteiakte vorbereiten konnte, Art. 172 Abs. 1BPO.636, 637

628 Vgl. BarthII, S. 45. Das in Art. 243 Abs. 2 S. 1BPO bestimmte Erfordernis eines Antrags einer Partei bezog sich offenbar nicht auf die Bestimmung der Fristen für die weiteren motivierten Anträge, sondern auf die Vertagung der Hinterlegung überhaupt. 629 BarthII, S. 45 a. E. 630 BarthII, S. 29, 36; vgl. auch von Harrasowsky, S. 167 m. w. N. 631 Vgl. BarthII, S. 29 ff. 632 BarthI, S. 446 f. 633 Vgl. BarthII, S. 37. 634 Vgl. BarthII, S. 177 f.; Mot.CPO, S. 198; ähnl. schon die Mot.HPO, S. 160 f. 635 Vgl. auch BarthII, S. 178. Die Parteien waren gem. Art. 370BPO verpflichtet, spätestens bei Vorlage der Urkunde in der mündlichen Verhandlung ihre Beweiseinreden vorzubringen. 636 Versäumte eine Partei die Ankündigung eines Urkundsbeweises, dann mußten sie ihrem Gegner die Urkunde sogar unaufgefordert zukommen lassen, Art. 172 Abs. 4BPO.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

Der Beklagte sollte schließlich bereits in seinem motivierten Antrag eine Widerklage, Art. 157 Abs. 3BPO, und etwaige Prozeßeinreden638 ankündigen, Art. 184 Abs. 1, 3BPO, so daß der Kläger Prozeßeinreden ggf. bereits während des vorbereitenden Verfahrens ausräumen konnte.639 II. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Versäumte eine Partei eine Frist für die Zustellung eines motivierten Antrags und verzögerte sie dadurch das Verfahren, dann mußte sie für die dadurch verursachten Nachteile einstehen, Art. 251 Abs. 2 S. 1BPO. So mußte das Gericht ihr die Kosten einer etwaigen Vertagung auferlegen, Art. 251 Abs. 2 S. 2BPO, und konnte sie außerdem zum Schadensersatz an ihren Gegner verurteilen, Art. 215 Abs. 3BPO.640 Versäumte außerdem der Beklagte die Erscheinungsfrist des Art. 226BPO, dann konnte der Kläger den Rechtsstreit zum Hauptverzeichnis anmelden und, ohne die Wochentabelle abwarten zu müssen, in einer beliebigen Sitzung des Gerichts ein Versäumungsurteil gegen den Beklagten erwirken, Artt. 228, 235 Abs. 1, 237 Abs. 1, 250 Abs. 1, 297 Abs. 1 S. 1BPO. Erschien der Rechtsanwalt des Beklagten allerdings noch vor der Verkündung des Versäumungsurteils, dann ging das Verfahren ggf. mit verkürzten Fristen für die Zustellung der motivierten Anträge wieder seinen gewöhnlichen Gang, Artt. 250 Abs. 4, 237 Abs. 2BPO. Außerdem konnte der Beklagte das Verfahren ohne weiteres wieder in seine üblichen Bahnen lenken, indem er binnen acht Tagen Einspruch gegen das Versäumungsurteil einlegte, Artt. 309 ff., 312 Abs. 2, 314 Abs. 1BPO.641 Nachteile in der Sache hatte eine mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung daher auch nach der BPO nicht zur Folge, vgl. Art. 251 Abs. 1BPO.642 Nur eine scheinbare Ausnahme davon bildete auch der Ausschluß einer nicht rechtzeitig angekündigten Urkunde gem. Art. 172 Abs. 4BPO a. E. Er galt nämlich nur für die betreffende Tagfahrt und konnte somit lediglich zur Vertagung der Verhandlung führen, Art. 329 Abs. 3 S. 2BPO.643 637 Auf die kostenträchtige Anfertigung von Abschriften verzichtete die BPO dagegen, weil sie dem Gegner kein sicheres Urteil über die Echtheit der Urschrift ermöglicht hätten; vgl. BarthI, S. 457. 638 Vgl. oben Fn. 614. 639 Vgl. etwa Art. 185 Nr. 1, der die mangelnde Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten betraf. 640 Hierbei dürfte an Verdienstausfälle u. ä. zu denken gewesen sein. BarthII, S. 61 schien diese Rechtsfolge unmittelbar aus Art. 251 Abs. 2 S. 2BPO abzuleiten. 641 Vgl. hierzu BarthII, S. 56 ff., 143; ferner die heutigen §§ 331 Abs. 3 u. ff. 642 Zum Ausschluß von Prozeßeinreden wegen fehlender Ankündigung vgl. allerdings Art. 184BPO; ferner BarthII, S. 60 a. E. f. 643 Vgl. auch BarthI, S. 459.

C. Die Zivilprozeßordnung

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III. Die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der BPO Auch über die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der BPO scheint wenig bekannt geworden zu sein. Grund dafür dürfte die nur kurze Geltung der BPO bis zum Inkrafttreten der ZPO gewesen sein. Einzig die Weitschweifigkeit der Parteien in ihrem vorbereitenden Schriftwechsel ist auch für das Verfahren nach der BPO bezeugt.644

C. Die Zivilprozeßordnung645 Auch nach der ZPO dient ein Schriftwechsel zur Vorbereitung der Parteien646 und des Gerichts647 auf den Termin, § 129 Abs. 1.648 Die ZPO unterscheidet begrifflich zwischen der Mitteilung der Angriffs- und Verteidigungsmittel im vorbereitenden Schriftsatz und dem Vorbringen der Behauptungen und Beweise in der mündlichen Verhandlung, vgl. § 282 Abs. 1, 2. Während sich das vorbereitende Verfahren der ZPO ursprünglich eng an das vorbereitende Verfahren der HPO anlehnte, ist es seither allerdings mehrfach neu gefaßt und tiefgreifend verändert worden.

644 von Völderndorff-Waradein, ZZP 1, 80, 82 f., beklagte, die Akten seien im neuen mündlichen Verfahren ebenso umfangreich wie im früheren schriftlichen Verfahren. Vgl. zum Gemeinen Recht oben S. 50. 645 Zur Geschichte der ZPO vgl. oben S. 58 f. 646 Mot.CPO, S. 129. 647 Mot.CPO, S. 129; zust. SK § 121 Anm. 1, § 124 Anm. 1; Seuffert § 133 Anm. 4; Alexander-Katz S. 6 f.; zurückhaltender GStJ11, § 129 Anm. I 2, der außerdem auf die Bedeutung der Schriftsätze für die Erstellung des Tatbestandes in Protokoll und Urteil hinweist; vgl. auch GStJ20-Leipold, § 129 Rn. 31. Die Vorbereitung des Gerichts wurde während der Beratungen über die ZPO heftig bekämpft, weil das Gericht seine Unbefangenheit und die mündliche Verhandlung ihre Frische verlieren könne; vgl. Klotz, Prot.CPO, S. 43 a. E. f., 45; Herz, Prot.CPO, S. 44 u. ff.; auch von Amsberg, Prot.CPO, S. 239; dagegen etwa GStJ11, § 133 m. w. N. 648 Rechtsstreite vor den Amtsgerichten müssen dagegen grundsätzlich nicht durch Schriftsätze vorbereitet werden, § 129 Abs. 1, weil sie als rechtlich und tatsächlich einfacher gelten und ohne Rechtsanwälte verhandelt werden können, § 78 Abs. 1; vgl. die Mot.CPO, S. 128 a. E., 129. Das Gericht kann den Parteien aber den Wechsel vorbereitender Schriftsätze oder Erklärungen zum Protokoll der Geschäftsstelle aufgeben, § 129 Abs. 2. Ähnl. schon die früheren §§ 120129 Abs. 2, 457496, 458497*, 462501*.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

I. Die Urfassung der ZPO von 1877 1. Das vorbereitende Verfahren

a) Der Gang des vorbereitenden Verfahrens Zu Beginn des vorbereitenden Verfahrens reichte der Kläger seine Klageschrift auf der Gerichtsschreiberei ein, um einen Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmen zu lassen, § 233261* Abs. 1.649, 650 Der Gerichtsschreiber legte sie dann unverzüglich dem Vorsitzenden der erkennenden Kammer vor, der den Termin binnen vierundzwanzig Stunden zu bestimmen und auf der Klageschrift zu vermerken hatte, § 193216 Abs. 2.651 Nun ließ der Kläger die Klageschrift durch einen Gerichtsvollzieher dem Beklagten zustellen, §§ 233261* Abs. 2, 152166* ff.,652, 653 und lud dabei den Beklagten zum Termin, § 230253 Abs. 2 Nr. 3.654 Zwischen Zustellung und Termin mußte eine Einlassungsfrist von mindestens einem Monat liegen, § 234262* 649 Eine Abschrift jedes vorbereitenden Schriftsatzes war bei Gericht niederzulegen, § 124133. 650 Von den vorbereitenden Schriftsätzen zu unterscheiden sind die bestimmenden Schriftsätze, die nicht der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, sondern ausnahmsweise der schriftlichen Vornahme einer Prozeßhandlung dienen, namentlich bei der Eröffnung, Beendung oder Wiederaufnahme eines Verfahrens. So ist eben die Klageschrift zugleich bestimmender Schriftsatz, § 253 Abs. 1–3, 5 und vorbereitender Schriftsatz, § 253 Abs. 4; ähnlich die Berufungsschrift, § 519 Abs. 1, 2; 3, 4 (entspr. § 518 Abs. 1, 2; 3, 4G01), die Revisionsschrift, § 549 Abs. 1; 2 (entspr. § 553 Abs. 1; 2G01), und die Einspruchsschrift, § 340 Abs. 1, 2; 3 (hierzu unten Fn. 685). Den Begriff des bestimmenden Schriftsatzes gebraucht die ZPO zwar nicht, er ist aber schon seit den Beratungen über die ZPO allgemein üblich; vgl. zum ganzen die Mot.CPO, S. 22; GStJ11, § 129 Anm. I 2; GStJ20-Leipold, § 129 Rn. 1, 4; Zeiss9, Rn. 225, 227 f.; Alexander-Katz, S. 9. WL, § 120 Anm. 1, bezeichneten die bestimmenden auch als notwendige Schriftsätze; unrichtig Michel, JuS 1981, 746, 748, der bestimmende und einfache Schriftsätze unterscheiden will und auch die Klageerwiderung gem. § 277 zu den bestimmenden zählt. Während der Inhalt der Klageerwiderung wegen ihres nur vorbereitenden Wesens nämlich in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden muß, um im Urteil berücksichtigt zu werden, §§ 128 Abs. 1, 137 Abs. 3 S. 1, wird der Inhalt etwa der Klageschrift, soweit er bestimmender Art ist, allein aufgrund der schriftlichen Äußerung im Urteil berücksichtigt (hierzu unten Fn. 887). 651 Vgl. außerdem SK § 193 Anm. 1. 652 Mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten wurde die Klage erhoben, und die Sache war rechtshängig, §§ 230253 Abs. 1, 235263* Abs. 1. Vgl. dagegen zum Gemeinen Recht oben Fn. 149; wiederum zur HPO oben Fn. 574 und zur BPO oben Fn. 611. 653 Vor dem Amtsgericht konnten die Parteien die Klage außerdem schriftlich durch Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht und mündlich zum Protokoll des Gerichtsschreibers erheben, § 457496, sowie an ordentlichen Gerichtstagen ohne Ladung und Terminbestimmung zur Verhandlung erscheinen und die Klage durch mündlichen Vortrag erheben, §§ 461500, 471510. Vgl. hierzu SK, § 457 Anm. 1. 654 Vgl. hierzu schon oben S. 28.

C. Die Zivilprozeßordnung

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Abs. 1 S. 1,655 die dem Beklagten zur Entscheidung für eine Verteidigung656 und zur Bestellung eines Rechtsanwaltes diente. Nach zwei Dritteln der Einlassungsfrist sollte der Beklagte dann seine Klagebeantwortung mitteilen, § 244CPO, damit auch dem Kläger noch Gelegenheit zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung blieb.657 Damit sollte das vorbereitende Verfahren der ZPO i. d. R. bereits enden.658 Weiterer Schriftwechsel sollte nur in Ausnahmfällen stattfinden, wobei die ZPO zwischen dem Fall, in dem die Parteien vor dem Termin aus eigenem Antrieb weitere Schriftsätze wechselten, und dem Fall, in dem das Gericht im Termin zur eingehenderen Vorbereitung weiteren Schriftwechsel anordnete, unterschied: Für den ersten Fall gab sie den Parteien auf, ihre weiteren Schriftsätze so zeitig zustellen lassen, daß der Gegner ggf. erforderliche Erkundigungen noch einholen konnte, § 245272* Abs. 1. Für den zweiten Fall gab sie dagegen dem Gericht die Möglichkeit, den Parteien Fristen vorzugeben, binnen derer die weiteren Schriftsätze zuzustellen waren, § 245272* Abs. 2.659 Daneben bestimmte § 123132 Abs. 1, 1. Fall; 2 S. 1, daß vorbereitende Schriftsätze mit neuem Vorbringen bis eine Woche und mit Gegenvorbringen bis drei Tage vor dem Termin zugestellt werden sollten,660 um beiden Parteien Gelegenheit zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung zu lassen. Die ZPO übernahm also mit dem vorbereitenden Verfahren auch das Terminsystem der HPO.661 Gegen das Rollensystem war nämlich der Einwand erhoben worden, daß die Rechtsanwälte beim Aufruf nach der Wochentabelle auf die Verhandlung ihres Rechtsstreit zu lange warten müßten662 und daß sie jedenEbenso in den höheren Rechtszügen, vgl. die §§ 481520, 517555. Vor dem Amtsgericht galt dagegen allgemein eine Frist von drei bis sieben Tagen bzw. in Meß- und Marktsachen von vierundzwanzig Stunden, § 459498 Abs. 1. 656 Kleinfeller, S. 294. 657 Vgl. GStJ2, § 244. Ebenso in den höheren Rechtszügen, §§ 484 Abs. 1, 519 Abs. 1CPO, mangels Pflicht der Parteien zum vorbereitenden Schriftwechsel aber nicht vor dem Amtsgericht; vgl. SK, § 456 Anm. 4. 658 Zu den Gründen vgl. die Mot.CPO, S. 192 f.; GStJ2, § 245 Anm. I; SK § 245 Anm. 1; WL, § 245 Anm. 1; ferner zur HPO oben S. 102. 659 Die Vorschrift des § 245272* Abs. 2 sollte ein außergerichtliches schriftliches Verfahren i. S. d. §§ 207 ff.HPO ersetzen; vgl. die Mot.CPO, S. 193 ; ferner oben S. 103. Zur Frage des richterlichen Ermessens vgl. GStJ11, § 272 Anm. III; Seuffert § 272 Anm. 3. 660 Die Fristen des § 123132 galten im Rahmen des § 245272* Abs. 1 nicht; vgl. die Mot.CPO, S. 193; GStJ11, § 132 Anm. I; a. A. Wieczorek § 132 Anm. A. Der Anwendungsbereich des § 123132 war insofern äußerst beschränkt; vgl. schon die Mot.CPO, S. 130 a. E. Wie hier auch zum heutigen Recht GStJ21-Leipold, § 282 Rn. 23. 661 Ähnl. hatten sich zuvor schon die meisten deutschen Länder entschieden; vgl. die Mot.CPO, S. 160. 662 Mot.CPO, S. 160. Nach Art. 207BPO war eine Tagfahrt allerdings auf Tag und Stunde genau, zumindest aber auf den Vor- oder Nachmittag eines bestimmten Tages anzuberaumen. 655

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

falls in Frankreich in die Versuchung unnötiger Schriftwechsel geraten waren.663 Daß das Terminsystem für das Gericht die Gefahr barg, Parteien und Rechtsanwälte durch Anberaumung des Termins auf nah oder weit hinaus bevorzugen oder benachteiligen zu können, und außerdem die Schwierigkeit bot, allein aufgrund der Klageschrift den Umfang des gesamten Rechtsstreits abzuschätzen, um einen Termin von angemessener Dauer zu bestimmen, wurde dagegen mit einem Hinweis auf die Vertrauenswürdigkeit und Erfahrung der Vorsitzenden abgetan.664 b) Der Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze Gem. § 121130 Nr. 2–4 sollten auch die vorbereitenden Schriftsätze der ZPO die Anträge665 sowie die Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien enthalten. Dabei sollten die Parteien den Sachverhalt in gedrängter Kürze umreißen666 ohne den Schriftsatz mit Rechtsausführungen zu belasten667 und ebenso kurz auf die Mitteilungen des Gegners eingehen,668 so daß schließlich feststand, welche Behauptungen vorgebracht werden und welche Beweise aufzunehmen sein würden.669 Bezogen sich die vorbereitenden Schriftsätze auf Urkunden, dann sollten diese dem Gegner zur Vorbereitung überlassen werden,670 und zwar durch Beifügung in Ur- oder Abschrift, durch Niederlegung auf der Geschäftsstelle des Gerichts oder durch Mitteilung von Anwalt zu Anwalt, §§ 122131, 125134, 126135. Zur Mitteilung von prozeßhindernden Einreden671 und Widerklagen war der Beklagte dagegen nach der ZPO nicht gehalten.672 Die Vorschrift des früheren § 121130 gilt unverändert noch heute, § 130.

GStJ11, § 261 Anm. II; ders., DJZ 5, 33, 34; vgl. schon oben S. 102. So z. T. wörtlich die Mot.CPO, S. 159. 665 Vgl. auch GStJ20-Leipold, § 130 Rn. 6; Michel, JuS 1982, 114. 666 Mot.CPO, S. 129; vgl. auch GStJ20-Leipold, § 130 Rn. 7. 667 Vgl. die Mot.CPO, S. 129. Schon SK § 121 Anm. 2 a. E. hielt kurze Rechtsausführungen allerdings für nützlich; zust. GStJ11, § 130; Seuffert § 130 Anm. 8; Alexander-Katz S. 24; zurückhaltend von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 15, 594, 598, 601; GStJ20-Leipold, § 130 Rn. 8 nennt Rechtsausführungen gar allgemein nützlich und erwünscht. 668 von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 15, 594, 600. 669 GStJ11, § 130; von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 15, 594, 600; GStJ20-Leipold, § 130 Rn. 9. 670 Mot.CPO, S. 130; Seuffert § 131 Anm. 3; GStJ20-Leipold, § 131 Rn. 1, § 134 Rn.1; Schreiber, S. 50. 671 Vgl. oben Fn. 335. 672 Vgl. dagegen zur HPO oben S. 104 und zur BPO oben S. 110. 663 664

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2. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung

Verursachte eine Partei eine Vertagung der Verhandlung, dann hatte sie die dadurch entstehenden Kosten zu tragen, § 9095, und bekam u. U. eine zusätzliche Kostenstrafe i. H.v. einer Gebühr auferlegt, §§ 48, 94 Nr. 3 GKG1878.673 Beide Kostenstrafen konnten gem. § 97102 auch ihrem Rechtsanwalt auferlegt werden.674 Wie sich ausdrücklich aus dem Wortlaut des § 120129 Abs. 1 Halbs. 2 und schlüssig aus der Fassung der Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze als Soll-Vorschriften ergab,675 hatte die Partei Nachteile in der Sache dagegen auch nach der ZPO nicht zu fürchten.676 Davon bildete auch die Vorschrift des § 300335 Abs. 1 Nr. 3 keine Ausnahme,677 die einem nicht rechtzeitig mitteilenden Kläger ein Versäumnisurteil zulasten des Beklagten versagte, da sie allein den Schutz des Beklagten vor einer Verurteilung aus überraschendem Grund und nicht etwa eine Beschleunigung des Verfahrens bezweckte.678 II. Die Neufassungen der ZPO von 1898, 1924 und 1933 Das ursprüngliche vorbereitende Verfahren der ZPO erschien jedoch bald als unzweckmäßig. Den Gang des vorbereitenden Verfahrens sah man zunächst durch die starre Monatsfrist der §§ 234262* Abs. 1 S. 1, 244CPO verzögert. Einerseits verhinderte sie nämlich in den seltenen liquiden Sachen, in denen der Beklagte ein sofortiges Anerkenntnis- oder Versäumnisurteil hingenommen hätte,679 eine umgehende Erledigung des Rechtsstreits, und andererseits ließ sie in den übrigen 673

Jetzt § 38 GKG (oben S. 67). Dazu GStJ11, § 102 Anm. I 3, § 95 Anm. III; ferner oben S. 88. 675 Trotz ihres anderslautenden Wortlautes ist auch die Bestimmung des § 588 Abs. 2 über die Beifügung von Urkunden zur Widerklageschrift als Soll-Vorschrift aufzufassen; so schon RG Z 135, 123, 129; ebenso GStJ21-Grunsky, § 588 Rn. 7; a. A. Alexander-Katz S. 28. 676 Anders die als Muß-Vorschriften gefaßten Bestimmungen über die bestimmenden Schriftsätze (oben Fn. 650). Mängel des bestimmenden Schriftsatzes lassen die Prozeßhandlung darum i. d. R. scheitern, so beim Einspruch, § 341 Abs. 1, bei der Berufung, § 522 Abs. 1 S. 1 (entspr. § 519b Abs. 1G01), bei der Revision, § 552 Abs. 1 (entspr. § 554a Abs. 1G01), und bei der Wiederaufnahmeklage, § 589. Vgl. hierzu die Mot.CPO, S. 22, 130 a. E. f.; GStJ11, § 129 Anm. II; SK, § 123 Anm. 1; Zeiss9, Rn. 228; Alexander-Katz S. 10; Michel, JuS 1981, 746, 748; ferner zur Heilung der fehlenden Unterschrift bei der Klage GStJ20-Leipold, § 129 Rn. 30 m. w. N. 677 Die Vorschrift gilt noch heute; vgl. hierzu die Mot.CPO, S. 232; GStJ11, § 335 Anm. IV 2; GStJ21-Grunsky, § 335 Rn. 14. 678 Vgl. die Mot.CPO, S. 232. 679 Zum Begriff der liquiden und illiquiden Sachen vgl. die Prot.N98, S. 94, 98, wo zu den liquiden Sachen außerdem die Fälle des Vergleichs und der Klagezurücknahme 674

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

illiquiden Sachen, falls Klageschrift und Klagebeantwortung zur Vorbereitung des Termins nicht ausreichten, weiteren Schriftwechsel kaum zu.680 In all diesen Fällen mußte die mündliche Verhandlung entweder unnötig spät stattfinden oder ergebnislos vertagt werden. Dabei versprach es auch keine Hilfe, schlicht die Einlassungsfrist dem Ermessen des Gerichts zu überlassen. Anders als erwartet681 reichte nämlich der Inhalt der Klageschrift meist doch nicht aus, um den späteren Umfang des vorbereitenden Verfahrens und der mündlichen Verhandlung abzusehen, so daß die Gerichte nicht in der Lage gewesen wären, den Termin auf nah oder weit genug hinaus bzw. lang oder kurz genug zu bestimmen.682 Den Inhalt des vorbereitenden Verfahrens allein aus dem Schriftwechsel der Parteien zu ziehen, betrachtete man später ebenfalls als unzureichend,683 weil nicht nur überraschendes Vorbringen auf Seiten der Parteien eine Vertagung der mündlichen Verhandlung verursachen konnte, sondern auch überraschend geäußerte Fragen und Hinweise sowie überraschend notwendige Beweisbeschaffungen auf Seiten des Gerichts. Da die ZPO dem Beibringungsgrundsatz nicht mit aller Strenge folgt, schien es also geboten, das Gericht am vorbereitenden Verfahren zu beteiligen. Schließlich erwiesen sich auch die Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung von Anbeginn als wirkungslos, weil die Gerichte die Möglichkeit der Kostenstrafen gem. §§ 9095, 97102, §§ 48, 94 Nr. 3 GKG1878 aus Scheu vor Parteien und Rechtsanwälten weitgehend ungenutzt ließen.684 Dies führt u. a. dazu, daß viele Beklagte ihre Rechtsanwälte erst so spät bestellten, daß Klagebeantwortungen häufig gar nicht oder nicht mehr rechtzeitig zugestellt wurden.685 Die Frist des § 244CPO war insofern nicht nur hingezählt wurden; zust. Rassow, Gruchot 44, 149, 152; ähnl. Stein, DJZ 5, 33, 34; Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350. 680 Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350; Rassow, Gruchot 44, 149; laut Stein, DJZ 5, 33, 34, wurde die Monatsfrist der §§ 234262* Abs. 1 S. 1, 244CPO an großen, stark belasteten Gerichten außerdem meist überschritten. 681 Vgl. oben S. 113. 682 Vgl. Stein, DJZ 5, 33, 34; ferner Rassow, Gruchot 44, 149, 150. Verhaltene Ablehnung des Terminsystems der ZPO äußerte darum z. B. Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350, 351 ff. 683 Daß die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien überdies oft nur eine äußerst lückenhafte Mitteilung des Rechtsstreits enthielten, beklagte ferner Goldmann, JW 1930, 98 f.; ähnl. Heilberg, JW 1930, 99; schließlich schon von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 7, 129, 134 f. 684 Vgl. Stein, DJZ 5, 33, 36; Rosenberg, ZZP 57, 185, 306. Dasselbe galt für die Kostenstrafen gem. §§ 251278 Abs. 2, 256283 Abs. 2 (oben S. 67). Die Neufassung der ZPO von 1924 wandelte deshalb sämtliche Kostenstrafen von Soll- in Muß-Vorschriften um, ohne aber die Gerichte zu strengerem Vorgehen bewegen zu können; vgl. Volkmar, JW 1924, 345, 348; Meyer, JW 1925, 701, 703; ferner Bergerfurth, NJW 1960, 704; schließlich Egon Schneider, JR 1965, 328.

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derlich, sondern wurde überdies weitgehend mißachtet. Zahllose Vertagungen der mündlichen Verhandlung waren die Folge.686 Die Neufassungen der ZPO von 1898, 1924 und 1933 bemühten sich deshalb, das vorbereitende Verfahren Schritt für Schritt den Bedürfnissen der mündlichen Verhandlung anzupassen.

1. Das vorbereitende Verfahren

a) Der Gang des vorbereitenden Verfahrens aa) Der sofortige Termin, §§ 262 Abs. 1 S. 1, 261 Abs. 2N98 Die Neufassung der ZPO von 1898 wollte u. a. das Hindernis der Monatsfrist der §§ 234262* Abs. 1 S. 1, 244CPO und die Schwierigkeit der Terminsbestimmung aufgrund der Klageschrift ausräumen. Dazu sollte nach der Zustellung der Klageschrift zunächst ein hier sog. sofortiger Termin stattfinden,687, 688 in dem liquide Sachen ohne Umschweife erledigt689 und illiquide Sachen in Absprache mit den Parteien terminiert werden konnten.690, 691 Erst danach sollten 685 Eine Besonderheit bildeten dabei die Berufungs- und die Revisionsschrift. Ähnlich der Klageschrift (oben Fn. 650) stellten sie ursprünglich hinsichtlich der Einlegung des jeweiligen Rechtsmittels bestimmende und hinsichtlich der Begründung des jeweiligen Rechtsmittels vorbereitende Schriftsätze dar, §§ 479518, § 480519; 515553, § 516554; ähnlich noch heute die Wiederaufnahmeklageschrift, §§ 587, 588. Die Rechtsmittelkläger blieben die Begründung ihres Rechtsmittels aber häufig schuldig, weshalb die Rechtsmittelverfahren mangels Vorbereitung unter erheblichen Verzögerungen litten. Die Neufassungen der ZPO von 1905, 1924 und 1933 trennten darum die Rechtsmittelbegründungen von den Rechtsmitteleinlegungen ab und stellten neben die Berufungs- und die Revisionsschrift die selbständigen bestimmenden Schriftsätze der Berufungs- und der Revisionsbegründung. Seither wird das jeweilige Rechtsmittel auch bei Mangelhaftigkeit seiner Begründungsschrift als unzulässig verworfen, §§ 520, 522 Abs. 1 (entspr. §§ 519, 519bG01); §§ 551, 552 (entspr. §§ 554, 554aG01). Der verbleibende vorbereitende Teil der Berufungs- und der Revisionsschrift (oben Fn. 650) ist daneben bedeutungslos. Zu den Berufungsschriftsätzen der Parteien vor den Neufassungen der ZPO vgl. insbesondere von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 7, 129, 134 f. 686 Prot.N98, S. 95; Stein, DJZ 5, 33, 34; Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350 f.; Rassow, Gruchot 44, 149, 150. 687 Stein, DJZ 5, 33, 35, der jedoch den Begriff des sofortigen Termins nicht gebrauchte. 688 Die Prot.N98, S. 98 schlugen außerdem vor, mehrere sofortige Termine zu Sammelterminen zu bündeln; abl. Stein, DJZ 5, 33, 36; abw. Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350, 359; abl. zum Begriff des Sammeltermins Rassow, Gruchot 44, 149, 154. 689 Prot.N98, S. 94; Stein, DJZ 5, 33, 35. 690 Stein, DJZ 5, 33, 35 f., bezweifelte allerdings, daß sich der Umfang des vorbereitenden Schriftwechsels im sofortigen Termin absehen lassen werde und nahm an, der zweite Termin werde wie bisher ins Blaue hinein bestimmt werden; a. A. Petersen, Sächsisches Archiv 9,. 350, 358 f.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

die Parteien Gelegenheit zu ausreichendem vorbereitenden Schriftwechsel haben692 und regelmäßig im zweiten Termin den Rechtsstreit verhandeln. Der sofortige Termin der ZPO hätte insofern stark der ersten Tagfahrt der BPO geähnelt. Diese Vorstellungen des Gesetzgebers in Vorschriften des Gesetzes zu münzen mißlang allerdings völlig.693 Die Neufassung der ZPO von 1898 begnügte sich damit, zum einen die Frist des § 234262* Abs. 1 S. 1 auf zwei Wochen zu verkürzen, um die Bestimmung eines sofortigen Termins anzuregen, §§ 261 Abs. 2, 262 Abs. 1 S. 1N98,694 und zum anderen die Frist des § 244CPO zu streichen, um eine Klagebeantwortung vor dem sofortigen Termin zu verhindern. Gleichzeitig faßte sie den früheren § 245272* 695 im neuen § 272N98 neu: Da ein weiterreichender vorbereitender Schriftwechsel jetzt nicht mehr den gesetzlichen Ausnahme-, sondern den gesetzlichen Regelfall darstellte, wurde den Parteien nun allgemein aufgegeben, ihre Schriftsätze so zeitig zustellen lassen, daß der Gegner ggf. erforderliche Erkundigungen noch einholen konnte, § 272 Abs. 1N98, und dem Gericht allgemein die Möglichkeit gegeben, den Parteien Fristen vorzugeben, binnen derer die weiteren Schriftsätze zuzustellen waren, § 272 Abs. 2N98.696 Ausdrücklich erwähnt wurde der sofortige Termin dagegen nirgends. Bewußt legte man dem Vorsitzenden in § 261 Abs. 2N98 lediglich nahe, den Termin nicht über die neue Einlassungsfrist hinaus zu bestimmen, 691 Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350, 357, schlug vor, im sofortigen Termin auch schon prozeßhindernde Einreden des Beklagten zu entscheiden und verfahrensleitende Verfügungen etwa zur Vorlegung von Urkunden und zur Einnahme des Augenscheins gem. §§ 133142, 135144 zu treffen; dagegen Rassow, Gruchot 44, 149, 154. 692 Stein, DJZ 5, 33, 35; Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350, 358 f.; Rassow, Gruchot 44, 149, 156. 693 Stein, DJZ 5, 33, 35, klagte, nirgends habe diese Kommission ihre Eigenart, das Beabsichtigte neben das Gesetz statt in das Gesetz zu schreiben, so drastisch bethätigt wie hier. Der Grund dafür lag in der wechselvollen Geschichte der Neufassung der ZPO von 1898. Ihr Entwurf war erheblich weiter gegangen und hatte in den §§ 312347 a–eE98 die Einführung eines besonderen Vortermins mit eingeschränktem Anwaltszwang vorgesehen. Er war damit wie die §§ 231, 239 f. der österreichischen ZPO (hier: ÖZPO) vom 1. August 1895 einem Vorschlag Wachs, Enquête S. 41 gefolgt. Der Entwurf scheiterte jedoch mit seinen wichtigsten Vorschriften v. a. am Einspruch der Rechtsanwaltschaft, so daß das neue vorbereitende Verfahren in die verbleibenden Vorschriften buchstäblich hineingedeutet werden mußte. Vgl. hierzu auch die Prot.N98, S. 92–103. 694 Daß § 508N98 die Bestimmung des § 261 Abs. 2N98 vor den Amtsgerichten für unanwendbar erklärte, beruhte auf einem Redaktionsversehen im Zusammenhang mit den §§ 312347 a–eE98 (oben Fn. 693); vgl. ferner die Prot.N09, S. 59 a. E. f., 113; GStJ11, § 499 Anm. 1 (dort Fn. 2); Seuffert § 508 Anm. 1. Bereits § 507N09 hob darum diese Beschränkung wieder auf, um eine schleunigere Erledigung der Rechtsstreite vor den Amtsgerichten zu erreichen; vgl. die Mot.N09, S. 37. 695 Vgl. oben S. 113. 696 Entsprechendes galt nach Streichung der §§ 484 Abs. 1, 519 Abs. 1CPO (oben Fn. 657) auch in den höheren Rechtszügen, §§ 523, 555 (entspr. § 557G01).

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weil man die zutreffende697 Befürchtung hegte, der sofortige Termin lasse sich an stark belasteten Gerichten ohnehin oft nicht durchführen.698 Versehentlich ermöglichte man dem Vorsitzenden damit allerdings gleichzeitig, trotz Verkürzung der Einlassungsfrist und Verzicht auf eine Klagebeantwortung sogleich den Rechtsstreit verhandeln zu lassen, wodurch der Beklagte in die Gefahr von Kostenstrafen wegen überraschenden Vorbringens geriet.699 Die Durchführung eines sofortigen Termins hing also ganz davon ab, daß der Vorsitzende den Sinn und Zweck der neuen Vorschriften begriff und vom Nutzen des neuen vorbereitenden Verfahrens überzeugt war.700 Dies führte dazu, daß die Bedeutung des § 262 Abs. 1 S. 1N98 für die Durchführung eines sofortigen Termins spätestens nach dem zweiten Weltkrieg buchstäblich in Vergessenheit geriet.701 bb) Das Verfahren vor dem Einzelrichter, §§ 348 ff.N24 Die Neufassung der ZPO von 1924 schuf weiter das Verfahren vor dem Einzelrichter, §§ 348–350N24, das sie an die Stelle des früheren Vorbereitenden Verfahrens in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen, §§ 313348 ff. , setzte.702 Der Einzelrichter sollte die mündliche Verhandlung führen, bis die Kammer den Rechtsstreit in nur noch einem Termin erledigen konnte, §§ 348 S. 1, 349 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, 3N24.703, 704 Das Amt fiel einem beliebigen Mitglied der Kammer zu705 und umfaßte alle Rechte und 697 Vgl. schon GStJ11, § 261 Anm. II; ferner Baumgärtel, JZ 1971, 441, 443, der von Terminsanberaumungen fünfundvierzig Tage nach Eingang des Prozeßkostenvorschusses berichtete. 698 Vgl. die Prot.N98, S. 96; 101; Seuffert § 262 Anm. 2 nahm an, die Gerichte würden den Termin regelmäßig über die zweiwöchige Einlassungsfrist hinaus ansetzen. 699 Nach Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350, 358 sollte der Beklagte notfalls ein Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen, um Zeit zur Mitteilung seiner Verteidigungsmittel zu gewinnen; dagegen Stein, DJZ 5, 33, 36. 700 Stein, DJZ 5, 33, 36; Petersen, Sächsisches Archiv 9, 350, 357 f.; Rassow, Gruchot 44, 149, 154. 701 Vgl. Baur, S. 16, m. w. N. Lange, NJW 1986, 1728, 1729, behauptete gar, die kurze Einlassungsfrist des § 262 Abs. 1 S. 1N98 verhindere eine ausreichende Vorbereitung der mündlichen Verhandlung. 702 Vgl. oben S. 65. 703 Vgl. auch GStJ13, vor § 348 Anm. II; GStJ19, § 349 Anm. III 1; FK, §§ 348– 350 Anm. 7 A. 704 Wie die Kammer vom Inhalt des Verfahrens vor dem Einzelrichter Kenntnis erlangen sollte, ließen die §§ 348–350N24 allerdings offen. Die Vorschläge schwankten zwischen einer strengen Protokollierung i. S. d. früheren §§ 313348 ff. und einem Vortrag durch die Parteien i. S. d. § 285 Abs. 2; vgl. Sachse, JW 1924, 914, 915; Rosenberg, Hess.Rspr. 1924, 121, 125; Sinnutt, S. 32. Umstritten war auch, ob der Einzelrichter oder der Vorsitzende über die Abgabe des Rechtsstreites an die Kammer entschied; vgl. Heinsheimer, JW 1925, 695, 696. Die Neufassung der ZPO von 1933

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Pflichten des Vorsitzenden und der Kammer, § 350 Abs. 1N24.706 So sollten vor dem Einzelrichter nicht nur Behauptungen erhoben, § 349 Abs. 1 S. 2N24, sondern ggf. auch Beweise aufgenommen werden, § 349 Abs. 2 S. 2N24. Beweisaufnahmen vor dem Einzelrichter konnten das Verfahren allerdings verzögern, wenn die Kammer eine zu beweisende Behauptung später für unwesentlich oder schon erwiesen erachtete,707 und die Wahrheitsfindung erschweren, da der Kammer der unmittelbare Eindruck von der Beweisaufnahme verloren ging.708 Schon die Neufassung der ZPO von 1933 beschränkte deshalb Beweisaufnahmen auf die Fälle, in denen sie für die Verhandlung vor der Kammer wünschenswert erschienen und die Kammer des unmittelbaren Eindrucks nicht bedurfte, § 349 Abs. 2 S. 2N33.709 Umgekehrt konnte aber auch die Verhandlung vor der Kammer das Verfahren verzögern, wenn sich der Rechtsstreit in einfachen Fällen schon vor dem Einzelrichter erledigen ließ. Ausnahmsweise war der Einzelrichter darum in bestimmten Fällen zur abschließenden Entscheidung befugt,710 nämlich in liquiden Sachen, § 349 Abs. 1 S. 1, 3 Nr.3N24,711 mit dem Einverständnis der Parteien auch allgemein in vermögensrechtlichen Streiten, § 349 Abs. 3N24, bei Verweisungen zwischen der Zivilkammer und der Kammer für Handelssachen, § 349 Abs. 1 S. 3 Nr. 1N24, bei Entscheidungen über prozeßhindernde Einreden,712 § 349 Abs. 1 S. 3 Nr. 2N24,713 sowie bei Entscheidungen nach Lage der Akten gem. §§ 251a, 331aN24,714 § 349 Abs. 1 S. 3 Nrn. 4, 5N24.715 fügte deshalb § 349 Abs. 3 S. 4N33 in das Gesetz ein, wonach das letzte Wort der Kammer zustand. 705 Bei den Kammern für Handelssachen waren die beiden ehrenamtlichen Richter vom Amt des Einzelrichters ausgeschlossen, § 350 Abs. 1, 2. FallN24. Vgl. hierzu auch den heutigen § 349. 706 GStJ19, vor § 348 Anm. IV 1, § 349 Anm. III 2, 3. 707 Sachse, JW 1924, 914, 916; Dispeker, JW 1925, 690, 693; abw. Sinnutt, S. 38 f. Allgemein zur Abstimmung zwischen Einzelrichter und Vorsitzendem Leonhard, JW 1924, 917, 918, 920; Heinsheimer, JW 1925, 695, 696; Weiß, JW 1924, 920, 922, befürchtete Zündstoff in der Kammer. 708 Nach Heinsheimer, JW 1925, 695, 696, sollte darum der Einzelrichter mit der Kammer in Fühlung bleiben und seine Entscheidungen mit ihr abstimmen; zurückh. Leonhard, JW 1924, 917, 918; abl. Weiß, JW 1924, 920. 709 Vgl. GStJ19, § 349 Anm. IV 1. 710 Abw. zum Sinn und Zweck des § 349 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1–3N24 GStJ19, § 349 Anm. V 1. 711 Die Pflicht des Einzelrichters, auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits hinzuwirken, § 349 Abs. 1 S. 1N24, sollte bei den Landgerichten Ersatz schaffen für das bei den Amtsgerichten eingeführte zwingende Güteverfahren der §§ 495a, 499a–gN24. Vgl. zum damaligen Güteverfahren allgemein Volkmar, JW 1924, 345, 351, und zum heutigen Güteverfahren unten S. 131. Die §§ 495a, 499a–gN24 wurden ebenfalls durch die Neufassung der ZPO von 1924 geschaffen, durch die Neufassung der ZPO von 1950 aber wieder gestrichen, weil sie sich als unzweckmäßig erwiesen. 712 Vgl. oben Fn. 335.

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Die Furcht vor einer Verzögerung des Verfahrens durch eine Verhandlung sowohl vor dem Einzelrichter als auch vor der Kammer716 führte i.ü. dazu, daß man die Durchführung des Verfahrens vor dem Einzelrichter dem Vorsitzenden freistellen wollte,717 obwohl § 348 S. 1, 2N24 einen Verzicht auf das Verfahren vor dem Einzelrichter ausdrücklich nur erlaubte, falls der Termin vor der Kammer keiner Vorbereitung bedurfte.718 Dem ist heute der Boden entzogen, weil das Verfahren vor dem Einzelrichter schon seit der Neufassung der ZPO von 1974 stets den Rechtsstreit erledigt, § 348 Abs. 1N74, und seit dem Jahre 1993719 den gesetzlichen Regelfall darstellt, § 348 Abs. 1G01. Die Neufassung der ZPO von 2002 hat diese Entwicklung fortgesetzt, indem sie grundsätzlich sämtliche Rechtssachen zur Zuständigkeit des originären Einzelrichters erklärt und damit die Kammer ins zweite Glied gestellt hat, § 348 Abs. 1 S. 1N02. Zwar ist gem. § 348 Abs. 1 S. 2N02 eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten in der Zuständigkeit der Kammer verblieben, von denen der Gesetzgeber annimmt, daß sie rechtlich oder tatsächlich so verwickelt seien, daß der Einzelrichter mit ihrer Entscheidung überfordert wäre.720 Aber selbst in solchen Fällen, in denen eine eigene Zuständigkeit des Einzelrichters ausnahmsweise nicht begründet ist, soll die Kammer ihm wie schon gem. § 348G01 ihre Rechtssachen als obligatorischem Einzelrichter übertragen, § 348aN02, wenn die Sachen keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten aufweisen, nicht von grundsätz713 Eine Ausnahme bildeten die Einreden der Unzulässigkeit des Rechtsweges und des Schiedsvertrages; vgl. dazu GStJ19, § 349 Anm. VI 2. 714 Vgl. schon oben S. 29. 715 GStJ19, § 349 Anm. V 1. 716 So insbes. für den Urkunden- und Wechselprozeß Dispeker, JW 1925, 690, 693; Meyer, JW 1925, 701, 702; Sinnutt, S. 40; vgl. auch Sachse, JW 1924, 914, 916; Leonhard, JW 1924, 917; ferner Baumgärtel, JZ 1971, 441, 443. 717 Dabei ergab sich allerdings die Schwierigkeit, daß der Termin binnen vierundzwanzig Stunden nach Einreichung der Klageschrift bei Gericht bestimmt werden mußte, § 193216 Abs. 2, § 348 S. 1 a. E.N24, und zwar vom Einzelrichter selbst, falls er vor dem Einzelrichter stattfinden sollte, bzw. vom Vorsitzenden, falls er vor der Kammer stattfinden sollte. Die Entscheidung über ein Verfahren vor dem Einzelrichter mußte also binnen Tagesfrist fallen und konnte sich allein auf die Klageschrift stützen, obwohl deren Inhalt nach überwiegender Ansicht eine ausreichende Einschätzung des Rechtsstreits noch gar nicht zuließ; a. A. Meyer, JW 1925, 701, 702; abw. Sinnutt, S. 39 f. Der Vorsitzende hätte danach i. d. R. nur dem gesetzlichen Regelfall folgen und das Verfahren vor dem Einzelrichter zulassen können. Vgl. hierzu Weiß, JW 1924, 920, 923; Dispeker, JW 1925, 690, 693; ferner Sachse, JW 1924, 914 f., der das Verfahren vor dem Einzelrichter allerdings irrtümlich nicht als mündliche Verhandlung i. S. d. §§ 128 ff. begriff und darum eine Bestimmung des Termins nach Maßgabe der §§ 261, 262N98 ablehnte; dagegen Leonhard, JW 1924, 917. 718 So schon Weiß, JW 1924, 920, 923; Rudolf Lehmann, JW 1925, 698, 700; Sinnutt, S. 39 f.; anders noch Heilberg, JW 1924, 361, 363; Volkmar, JW 1925, 707, 711; dagegen auch Heinsheimer, JW 1925, 695. 719 Vgl. das Gesetz vom 11. Januar 1993, BGBl. 1993 I, S. 3651. 720 Vgl. die Mot.N02, S. 61 a. E., 62.

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licher Bedeutung sind und nicht schon ohne Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil vor der Kammer verhandelt wurden. Umgekehrt muß der Einzelrichter der Kammer seine Rechtssachen dagegen nur übertragen oder rückübertragen, wenn sie wider Erwarten doch besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten aufweisen oder von besonderer Bedeutung sind oder wenn die Parteien dies übereinstimmend beantragen, §§ 348 Abs. 3 S. 1 Nrn. 1–3, 348a Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 2N02. Seine vorbereitenden Eigenschaften hat das Verfahren vor dem Einzelrichter damit endgültig verloren. b) Vorbereitende Maßnahmen des Gerichts, § 272bN24 Um Vertagungen der mündlichen Verhandlung durch überraschende Verfahrenswendungen von Seiten des Gerichts zu vermeiden, gab die Neufassung der ZPO von 1924 dem Gericht im neuen § 272bN24 außerdem auf, seinem Fragerecht, seiner Aufklärungspflicht und seiner Beweisbeschaffungspflicht schon im Vorfeld der mündlichen Verhandlung nachzukommen. Sie stellte damit erstmals vorbereitende Maßnahmen des Gerichts neben die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien. Vorbilder des § 272bN24 waren mittelbar § 183ÖZPO und unmittelbar § 501N09, der eine ähnliche Bestimmung bereits für das Verfahren vor den Amtsgerichten getroffen hatte.721 So war das Gericht nun gehalten, schon vor dem Termin Angriffs- und Verteidigungsmittel zu erfragen, § 272b Abs. 2 Nr. 1, 1. FallN24,722 Parteien persönlich zu laden, § 272b Abs. 2 Nr. 3, Abs. 4 S. 3N24, Urkunden u. ä. vorlegen zu lassen, § 272b Abs. 2 Nr. 1, 2. FallN24, Augenscheins- und Sachverständigenbeweise anzuordnen und durchzuführen,723 § 272b Abs. 2 Nr. 5N24, Zeugen zu laden, § 272b Abs. 2 Nr. 4N24, und Urkunden beschaffen, § 272b Abs. 2 Nr. 2N24.724 Dabei erhielt es jetzt vor dem Termin sogar weitergehende Befugnisse als früher im Termin. Zum einen durfte es Urkunden u. ä. nun nämlich 721 Vgl. die Mot.N09, S. 34; Prot.N09, S. 58; ferner GStJ11, § 501 Anm. I (dort Fn. 1). § 501N09 wurde 1923 zunächst auch im Verfahren vor den Land- und Oberlandesgerichten für anwendbar erklärt und 1924 schließlich als § 272bN24 neu gefaßt; vgl. hierzu auch § 23 der Bekanntmachung zur Entlastung der Gerichte vom 9. September 1915 (RGBl. 1915, 562 ff.) i. d. F. des Art. I Nr. 2 der Verordnung zur Beschleunigung des Verfahrens in bürgerlichen Rechtsstreiten vom 22. Dezember 1923 (RGBl. 1923 I, 1239 ff.). Zum Streit um § 501N09 vgl. den Literaturbericht für das Jahr 1907 bei Kann, ZZP 39, 136, 229 ff. Die Unterschiede zwischen § 501N09 und § 272bN24 sind im folgenden in den Fußnoten nachgewiesen. 722 Dies fordernd schon von Sommerlatt, Sächsisches Archiv 15, 594, 604. GStJ16, § 272b Anm. III, hielten § 272b Abs. 2 Nr. 1, 1. FallN24 für besonders geeignet zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung. § 501N09 hatte eine Erfragung von Mitteilungen noch nicht vorgesehen. 723 GStJ16, § 272b Anm. III a. E. 724 So schon RG Z 132, 330, 338; Curtius, JW 1924, 354, 358; Volkmar, JW 1925, 707.

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auch dann einfordern und beschaffen, wenn die Parteien sich nicht darauf bezogen hatten725 oder sie selbst hätten beschaffen können,726 um in seiner Vorbereitung nicht beengt zu sein727 und verzögernden Beschaffungen durch die Parteien zuvorkommen zu können. Zum anderen konnte es aber auch jede andere vorbereitende Maßnahme treffen, die zur Aufklärung des Sachverhaltes dienlich erschien, § 272b Abs. 1N24,728 da die Aufzählung in § 272b Abs. 2N24 lediglich beispielhaft war.729 Eingeschränkt wurden die Befugnisse vor dem Termin allein zur Vermeidung unnötiger Kosten und Verzögerungen des Verfahrens. Einerseits sollte Beweis durch Zeugen, Augenschein und Sachverständige nämlich erst aufgenommen werden, wenn der Beklagte dem Anspruch des Klägers bereits widersprochen hatte,730 und andererseits sollten Termine ausschließlich zur Beweisaufnahme nicht stattfinden, sondern mit dem Termin zur mündlichen Verhandlung verbunden werden, § 272b Abs. 3 S. 1, 2N24. Die vorbereitenden Maßnahmen oblagen einem beliebigen Mitglied der Kammer als Berichterstatter,731 § 272b Abs. 1N24,732 und sollten die Erledigung des 725 Seit Einführung des § 272b Abs. 2 Nr. 1, 1. FallN24 wurde darum auch § 142 einschränkend dahin ausgelegt, daß die Partei sich nicht auf die Urkunde bezogen haben muß; vgl. GStJ19, § 142 Anm. I; GStJ20-Leipold, § 142 Rn. 2; Schreiber, S. 78; a. A. noch Rosenberg2, S. 181; GStJ16, § 142 Anm. II, § 272b Anm. III. § 501 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 1. FallN09 hatte dagegen noch wörtlich mit § 142 übereingestimmt. Sein Nutzen war dadurch begrenzt gewesen, da die Parteien Urkunden aus ihrem Besitz bereits gem. § 131 Abs. 1 vorlegen sollen, so daß eine Anordnung nach § 501 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 1. FallN09 das gesetzliche Gebot nur wiederholt hätte. Vgl. hierzu auch Jastrow, JW 1911, 17, 19. 726 GStJ19, § 272b Anm. III 2. 727 GStJ19, § 272b Anm. III 1 b; Schreiber, S. 74 m. w. N. Zur Einschränkung des Beibringungsgrundsatzes durch § 272bN24 vgl. Rosenberg2, S. 181; Zeiss1, S. 73 f.; ebenso zum heutigen § 273 Zeiss9, Rn. 178. 728 GStJ19, § 272b Anm. III, nannten als Beispiel die Beiziehung von Akten desselben Gerichts, die Anordnung der Vorlegung von Augenscheinsobjekten, die Gestellung z. B. angehöriger Zeugen ohne Ladung u. a.m.; ähnl. zum heutigen § 273 GStJ21-Leipold, § 273 Rn. 19. 729 Eine bloße Vereinfachung bedeutete dagegen die schriftliche Einholung von amtlichen Auskünften und Zeugenaussagen gem. § 272b Abs. 2 Nr. 2, 2. Fall, Nr. 4, 2. FallN24. Die Möglichkeit schriftlicher Zeugenaussagen gewährte die Neufassung der ZPO von 1924 dem Gericht nämlich allgemein, § 377 Abs. 3, 4N24; vgl. GStJ19, § 272b Anm. III 2, vor § 373 Anm. VII. § 501N09 hatte schriftliche Zeugenaussagen dementsprechend noch nicht vorgesehen. 730 Nach GStJ19, § 272b Anm. II 1, verblieb dem Gericht gleichwohl ein Entschließungsermessen; ebenso schon zu § 501 Abs. 2N09 die Mot.N09, S. 34 a. E., und Laubhardt, JW 1910, 1024, 1026,. 731 Rosenberg2, S. 52. Peters, S. 9, beklagte die Einsetzung eines Berichterstatters noch als eine Unart rheinischer Gerichte; vgl. dagegen zur Entwicklung der Einrichtung des Berichterstatters in HPO, hannoverschem Entwurf und rheinischem Recht DahlmannsII, S. 41 ff. 732 Da sich die vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts auf die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien stützten, sollte schon die Klageschrift die Aufforderung des

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Rechtsstreits tunlichst in einem Termin ermöglichen, § 272b Abs. 1 a. E.N24.733 Die Vorschrift des § 272bN24 wurde deshalb zum Inbegriff der Konzentrationsmaxime.734 2. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung

a) Befristete Schriftsätze, §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 Obwohl die Neufassung der ZPO von 1898 den Parteien das Gebot auferlegt hatten, ihre Schriftsätze so zeitig zustellen zu lassen, daß der Gegner ggf. erforderliche Erkundigungen noch einholen konnte, § 272 Abs. 1N98, und dem Gericht die Möglichkeit verlieh, den Parteien Fristen vorzugeben, binnen derer die weiteren Schriftsätze zuzustellen waren, § 272 Abs. 2N98,735 blieben die Parteien abgesehen von etwaigen Kostenstrafen doch weiterhin unbehelligt, wenn sie die Gebote des § 272N98 mißachteten, § 120129Abs. 1 Halbs. 2.736 Die Neufassung der ZPO von 1924 ersetzte deshalb zunächst § 272 Abs. 2N98 durch die §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24.737 War eine Partei jetzt nicht in der Lage, sich im Termin zu bestrittenen Behauptungen oder Beweisen mündlich zu äußern, dann konnte das Gericht ihr aufgeben, dies nach dem Termin innerhalb zu bestimmender Frist schriftlich nachzuholen, § 279a S. 1N24. Versäumte die Partei die Frist, dann konnte das Gericht ihre Äußerung für den Eingangsrechtszug ausschließen,738 wenn nicht die Partei die Versäumung genügend entschuldigte,739, 740 § 279a S. 2N24. Die bestrittenen Behauptungen und Beweise klär-

Klägers an den Beklagten zur Mitteilung seiner Verteidigungsmittel enthalten, § 253 Abs. 3 Nr. 1N24 bzw. § 261a Abs. 2 S. 2N50. Die Aufforderung war jedoch überflüssig, da die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel bereits gem. §§ 129, 130 umfassend mitteilen sollen; vgl. schon die Mot.CPO, S. 25. 733 Damit stand das Recht zur Anordnung vorbereitender Maßnahmen auch dem Einzelrichter gem. §§ 348 ff.N24 zu; vgl. GStJ19, § 349 Anm. III 3. 734 Vgl. GStJ19, § 272b Anm. I. 735 Vgl. oben S. 118. 736 Volkmar, JW 1924, 345, 348, nannte deshalb § 272 Abs. 2N98 eine lex imperfecta. 737 Volkmar, JW 1924, 345, 348; 1925, 707, 708. 738 Vgl. GStJ19, § 279a Anm. III 2 b, IV. Nach FK, § 279a Anm. 4, sollte das Gericht beim Ausschluß verspäteter Mitteilungen gem. § 279aN24 ähnliche Erwägungen anstellen wie beim Ausschluß nachträglichen Vorbringens gem. § 252279. 739 Die Partei mußte also ihre Entschuldigungsgründe dartun und belegen; vgl. FK, § 279a Anm. 4, 5. Unklar war allerdings sowohl die Art des Belegs als auch der Grad des Verschuldens: GStJ13, § 279a Anm. IV, FK, § 279a Anm. 5, und Baumbach, § 279a Anm. 4, schien Glaubhaftmachung auszureichen; Wieczorek, § 279a Anm. C I a, erwartete vollen Beweis. GStJ13, § 279a Anm. IV a. E. ließ einfaches Verschulden genügen; Wieczorek, § 279a Anm. C II verlangte Verschleppungsabsicht oder grobe Nachlässigkeit i. S. d. §§ 252279, 339374, 398433.

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ten sich so zwar nicht im gegenwärtigen, aber wenigstens im nächsten Termin.741 Die §§ 279a S. 2, 283 Abs. 2, 3. FallN24 führten also den Ausschluß verspätet mitgeteilter Angriffs- und Verteidigungsmittel für befristete Schriftsätze ein. Umstritten war allerdings, ob die Anordnung befristeter Schriftsätze gem. §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 auch im Rahmen der vorbereitenden Maßnahmen gem. § 272bN24 möglich war.742 Dagegen sprach, daß die §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 ihrer Entstehungsgeschichte nach auf eine Anwendung im Termin zugeschnitten waren und daß § 272b Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 1. FallN24 die Erfragung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln vor dem Termin bereits erfaßte.743 Außerdem war der Ausschluß gem. §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 der Kammer vorbehalten, während vorbereitende Maßnahmen gem. § 272bN24 beim Berichterstatter allein lagen.744 Dafür sprach allerdings, daß allein die §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 als Druckmittel des Gerichts gegenüber den Parteien auch vor dem Termin taugten745 und daß § 272bN24 die vorbereitenden Maßnahmen ausdrücklich nicht abschließend aufzählte.746 Außerdem stand der Ausschluß gem. §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 jedenfalls dem Einzelrichter im Rahmen der §§ 348 ff.N24 zu,747 so daß er auch dem Berichterstatter im Rahmen des § 272bN24 nicht verwehrt werden konnte.748 Nach überwiegender Ansicht waren die §§ 279a, 283 Abs. 2, 3. FallN24 daher auch im Rahmen des § 272bN24 anwendbar.749 Den Parteien konnte damit schon vor dem Termin 740 Ein Verschulden sollte jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn die Mitteilung für die Partei unzumutbar war; vgl. LAG Berlin ArbRSpr.1931, 3; zust. GStJ16, § 279a Anm. II a. E. Die Auslegung des § 279aN24 lehnte sich also an die herkömmliche Auslegung der §§ 252279, 339374, 398433 an (oben S. 73). 741 Vgl. GStJ13, § 279a Anm. II.; Baumbach, § 279a Anm. 3. 742 Eingehend Volkmar, JW 1925, 707 ff. m. w. N. 743 So noch GStJ13, § 272b Anm. III. 744 Einschränkend daher GStJ16, § 272b Anm. III. 745 Gem. § 272b Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 1. FallN24 konnten zur Erläuterung vorbereitender Schriftsätze zwar ebenfalls Fristen gesetzt werden, eine Ausschlußstrafe war aber an die Versäumung dieser Fristen nicht geknüpft; vgl. GStJ13, § 279a Anm. II a. E.; ferner RG Z 132, 330, 337 f. Volkmar, JW 1925, 707, 708, warnte deshalb vor einer Anwendung des § 272b Abs. 2 Nr. 1, 1. FallN24 als Messer ohne Heft und Klinge. 746 Volkmar, JW 1925, 707 f. 747 Sachse, JW 1924, 914, 916; FK, § 279a Anm. 1; Sinnutt, S. 28 f. 748 Volkmar, JW 1925, 707. Dem Hinweis, im Rahmen des § 279aN24 müsse das Gericht die aufklärungsbedürftigen Punkte genau bezeichnen, während dies im Rahmen des § 272bN24 nicht zwingend geboten sei, vgl. FK, § 279a Anm. 3a m. w. N.; ferner GStJ13, § 272b Anm. III 2; schließlich zum heutigen Recht GStJ21-Leipold, § 273 Rn. 24, wurde entgegnet, auch im vorbereitenden Schriftwechsel könnten sich bereits Fragen des Gerichts ergeben, die eine gezielte Nachfrage gem. § 279aN24 ermöglichten, vgl. GStJ16, § 279a Anm. II und III 2. 749 Vgl. etwa GStJ19, § 272b Anm. III 1 a; § 279a Anm. III 2; Baumbach, § 279a Anm. 2; Thomas/Putzo7, § 279a Anm. 1. A. A. noch Wieczorek, § 279a Anm. A.

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eine abschließende Äußerung zu bestimmten Angriffs- oder Verteidigungsmitteln aufgegeben werden. b) Unbefristete Schriftsätze, §§ 279 Abs. 2, 283 Abs. 2, 2. FallN33 Die Neufassung der ZPO von 1933 belegte dann auch den Verstoß gegen § 272 Abs. 1N98 mit einer Maßregel, §§ 279 Abs. 2, 283 Abs. 2, 2. FallN33.750 Ließ eine Partei jetzt einen vorbereitenden Schriftsatz nicht zeitig genug für die erforderlichen Erkundigungen des Gegners zustellen,751 dann konnte ihre verspätete Mitteilung gleich verspätetem Vorbringen ausgeschlossen werden.752 Die §§ 279 Abs. 2, 283 Abs. 2, 2. FallN33dehnten also den Ausschluß verspätet mitgeteilter Angriffs- und Verteidigungsmittel auf unbefristete Schriftsätze aus.753 Gleichzeitig wurde § 120129 Abs. 1 Halbs. 2 aufgehoben, der die Parteien vor Nachteilen in der Sache bewahrt hatte, selbst wenn sie die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nur mangelhaft betrieben. Allerdings bereitete der Ausschluß gem. §§ 279 Abs. 2, 283 Abs. 2, 2. FallN33erheblich größere Schwierigkeiten als der Ausschluß gem. § 279aN24. Während § 279aN24 nämlich allein die Verspätung der Mitteilung voraussetzte754 und das Verschulden der Partei zugunsten des Gerichts vermutete, verlangten die § 279 Abs. 2, 283 Abs. 2, 2. FallN33neben der Verspätung der Mitteilung zusätzlich eine Verzögerung des Verfahrens und ließen das Verschulden der Partei vom Gericht nachweisen.755 Außerdem ließ sich die Verspätung der Mitteilung im Falle des § 279aN24 leicht feststellen, wenn die Partei die ihr gesetzte Frist versäumt hatte, während im Falle des § 279 Abs. 2N33 ermittelt werden mußte, ab wann der Gegner die erforderlichen Erkundigungen nicht mehr einholen konnte.756 Vgl. hierzu GStJ16, § 278 Anm. I 2, § 279 Anm. I; abl. Egon Schneider, JR 1965, 328, der die Verwirrung der Ausschlußvorschriften der ZPO nach den Neufassungen von 1924 und 1933 beklagte. 751 Die überraschte Partei durfte ihre mangelnde Vorbereitung also nicht selbst zu verantworten haben; vgl. GStJ16, § 279 Anm. II 2 A. 752 So auch GStJ16, § 279 Anm. I. Ein Merkmal nachträglicher Mitteilung erwähnte hingegen Wieczorek, § 279 Anm. D; nicht so GStJ19, § 279 Anm. II 2 a; vgl. auch Rosenberg9, S. 331. 753 Da die Parteien vor dem Amtsgericht grundsätzlich nicht zu einem Schriftwechsel verpflichtet sind, war § 279 Abs. 2N33 im dortigen Verfahren nicht anwendbar; vgl. GStJ16, § 279 Anm. II 2 a, c; Wieczorek, § 279 Anm. D. Die Anwendbarkeit des § 279 Abs. 2N33 auf die Klageschrift war umstritten; dafür z. B. GStJ19, § 279 Anm. II 2 c m. w. N.; dagegen z. B. Wieczorek, § 279 Anm. D a. E. 754 A. A. Wieczorek, § 279a Anm. C I b, der die Verzögerung auch als Voraussetzung des § 279a S. 2N24 ansah. Das Gesetz bot dafür jedoch keinen Anhalt. 755 Verschulden der Partei i. S. d. §§ 279 Abs. 2, 283 Abs. 2N33 lag jedenfalls dann vor, wenn ihr unabhängig von § 279aN24 eine Frist zur Mitteilung gesetzt worden war; vgl. KG NJW 1959, 1735, 1736; Bergerfurth, NJW 1960, 704, 706. 750

C. Die Zivilprozeßordnung

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c) Nachgelassene Schriftsätze, § 272aN24 Schließlich fügte bereits die Neufassung der ZPO von 1924 mit dem nachgelassenen Schriftsatz757 gem. § 272aN24 auch noch eine völlig neue Maßregel in das Gesetz ein.758 Brachte eine Partei ein Angriffs- oder Verteidigungsmittel nun im Termin überraschend vor,759 weil sie sogar die Zustellungsfristen des § 132 Abs. 1 mißachtet hatte,760 dann konnte ihrem Gegner eine schriftliche Antwort nach dem Termin nachgelassen werden,761 um vorsorglichem Bestreiten oder Vertagungsbegehren zuvorzukommen.762 Das Gericht setzte dazu eine Frist für die Zustellung763 des Schriftsatzes und bestimmte einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung, § 272a S. 1N24.764 Ging der Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht ein, so wurde die Äußerung in der Entscheidung berücksichtigt,765 sonst galt das überraschende Vorbringen als zugestanden, § 272a S. 2N24.766 § 272aN24 bestrafte also die mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung, indem er das vielleicht entscheidende letzte Wort zu einer Behauptung oder einem Beweis der überraschenden Partei entzog und der überraschten Partei zuwies.767, 768 756 757

Vgl. GStJ16, § 279 Anm. 2 A. Zum Begriff vgl. Rosenberg15, S. 446; ferner Walchshöfer, NJW 1972, 1028,

1031. 758 Das Echo auf die Einführung des nachgelassenen Schriftsatzes war ausgesprochen günstig; vgl. etwa Dispeker, JW 1925, 690, 691; Sinnutt, S. 36. 759 Obwohl sich § 272aN24 seinem Wortlaut nach allein auf Behauptungen bezog, sollte er zumindest entsprechend auch auf Beweise angewendet werden; vgl. GStJ13, § 272a Anm. II 1 a; ferner FK, § 272a Anm. 2; schließlich die Nachweise bei GStJ19, § 272a Anm. II 1 a (dort Fn. 5). Umstritten war eine entsprechende Anwendung des § 272aN24 auch auf neue Anträge; vgl. dazu GStJ13 und FK, jeweils a. a. O. 760 Vgl. GStJ13, § 272a Anm. II 1 a m. w. N.; FK, § 272a Anm. 2; Baumbach, § 272a Anm. 1, 2 A b; abw. Wieczorek, § 272a Anm. A I 1. Die Überraschung durfte also nicht auf mangelnder eigener Vorbereitung beruhen; vgl. GStJ13, § 272a Anm. II 1 b. 761 Zum Ermessen des Gerichts vgl. GStJ13, § 272a Anm. II 3; FK, § 272a Anm. 4. 762 Vgl. GStJ13, § 272a Anm. I. 763 Die Neufassung der ZPO von 1924 ließ die überraschte Partei nachweisen, daß sie dem Gegner den nachgelassenen Schriftsatz hatte zustellen lassen, § 272a S. 2N24. Die Neufassung der ZPO von 1950 strich dieses Erfordernis, weil jetzt das Gericht für die Zustellung von Schriftsätzen zu sorgen hatte, §§ 272a S. 2, 261b Abs. 1, 2N50. Vgl. zum letzteren Walchshöfer, NJW 1972, 1028, 1031, sowie oben S. 29. 764 Vgl. GStJ19, § 272a Anm. II 3. 765 Vorbringen über die gewährte Antwort hinaus durfte allerdings nicht berücksichtigt werden; vgl. BGH NJW 1965, 297 f.; 1966, 1657 f.; FK, § 272a Anm. 6; GStJ19, § 272a Anm. III 1; Walchshöfer, NJW 1972, 1028, 1031 m. w. N.; a. A. RG Z 151, 193, 196; BGH NJW 1952, 222; Wieczorek, § 272a Anm. B II b 2. 766 GStJ13, § 272a Anm. II 2. Bezog man § 272aN24 auch auf Beweise, dann konnte die Versäumung des Verkündungstermins auch den Verzicht auf Beweiseinreden bedeuten. 767 GStJ13, § 272a Anm. I.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

Umstritten war zunächst, ob der nachgelassene Schriftsatz nur bis zum Fristablauf769 oder sogar bis zum Verkündungstermin rechtzeitig bei Gericht einging. Für den Fristablauf sprachen Sinn und Zweck des § 272a S. 2N24, da ein nach dem Fristablauf und vor dem Verkündungstermin eingehender nachgelassener Schriftsatz u. U. ein schon abgefaßtes Urteil wieder zunichte machen konnte.770 Für den Verkündungstermin sprach allerdings der klare Wortlaut des § 272a S. 2N24,771 so daß man schließlich tatsächlich den Verkündungstermin als maßgeblichen Zeitpunkt für den Eingang des nachgelassenen Schriftsatzes und die Zustellungsfrist als bloßen Schutz der Partei vor unerwarteten Vorverlegungen des Verkündungstermines deutete.772 Im Termin zur Verkündung einer Entscheidung wurde dann je nach Inhalt des nachgelassenen Schriftsatzes auf ein Geständnis773 das Endurteil erlassen, auf einfache Gegenbehauptungen Beweis aufgenommen774 oder auf selbständige Gegenbehauptungen die mündliche Verhandlung wiedereröffnet.775 Im günstigsten Fall ließ sich also eine Vertagung zu weiterer Beweis- und Tatsachenverhandlung verhindern. Allerdings durfte der nachgelassene Schriftsatz nur auf Antrag der überraschten Partei gewährt werden, um ihr die Entscheidung zwischen schriftlicher und mündlicher Antwort zu überlassen, § 272a S. 1N24.776, 777 Lehnte die überraschte Partei die Gewährung eines nachgelassenen Schriftsatzes also ab, dann mußte das Gericht doch zur weiterer Beweis- und Tatsachen768 § 272aN24 sollte auch im Verfahren vor dem Amtsgericht Anwendung finden, sofern das Gericht den Parteien einen vorbereitenden Schriftwechsel aufgegeben hatte; vgl. GStJ19, § 129 Anm. II 2; Baumbach, § 129 Anm. D 3; Thomas/Putzo7, § 129 Anm. 1 b; ferner oben Fn. 648. Ähnlich zum geltenden § 283 GStJ21-Leipold, § 283 Rn. 7. 769 Dafür etwa Wieczorek, § 272a Anm. B II b 2. 770 Dies einräumend Walchshöfer, NJW 1972, 1028, 1031. Dispeker, JW 1925, 690, 691 bemängelte insofern, § 272aN24 sei am grünen Tisch entstanden. Vgl. auch FK, § 272a Anm. 6. 771 Walchshöfer, NJW 1972, 1028, 1031. 772 Vgl. GStJ13, § 272a Anm. III; abw. Walchshöfer, NJW 1972, 1028, 1031. 773 Als Geständnis soll hier auch das bloße Einräumen gelten, mit dem die Partei die Bindungswirkung des § 290 nicht eingehen will; vgl. hierzu Thomas/Putzo22, § 288 Rn. 3; Zeiss9, Rn. 413. 774 Vgl. GStJ19, § 272a Anm. II 3; ähnl. zum heutigen Recht GStJ20-Leipold, § 283 Rn. 4, 21, 29. 775 Dabei wog die Ausübung der Fragepflicht des Gerichts offenbar schwerer als die Gewährung des rechtlichen Gehörs der Gegenseite; vgl. GStJ13, § 272a Anm. III 1; FK, § 272a Anm. 4, 6; Sinnutt, S. 36; GStJ19, § 272a Anm. I 2 m. w. N. (dort Fn. 3); Walchshöfer, NJW 1972, 1028, 1030. 776 GStJ13, § 272a Anm. II 2. Das Gericht konnte der überraschten Partei dabei entgegenkommen, indem es die Frist für den nachgelassenen Schriftsatz ausdehnte, und war dazu von der Pflicht zur Verkündung des Urteils binnen einer Woche befreit, § 272a S. 1 a. E.N24, § 310N98. 777 Zur Durchbrechung der Mündlichkeit durch § 272aN24 vgl. GStJ13, § 272a Anm. I, III 1, 4; FK, § 272a Anm. 1 a. E.

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verhandlung vertagen und konnte den Parteien ggf. befristete Schriftsätze gem. § 279aN24 aufgeben.778 III. Die Neufassungen der ZPO von 1976 und 2002 Gemessen an oft zahlreichen Vertagungen über häufig große Zeiträume blieben die Bemühungen der Neufassungen der ZPO von 1898, 1924 und 1933 um ein zweckmäßigeres vorbereitendes Verfahren weitgehend erfolglos.779 Dabei schienen sich in den Gang des vorbereitenden Verfahrens nämlich Widersprüche eingeschlichen zu haben, die dem Gericht die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erschwerten: So gebot § 348 S. 1N24, daß jeder Rechtsstreit zunächst vor einem Einzelrichter zu verhandeln sei, während § 272b Abs. 1N24 bestimmte, daß jeder Rechtsstreit tunlichst in einer mündlichen Verhandlung erledigt werden sollte. Weiter gab § 272b Abs. 2N24 dem Gericht umfassende vorbereitende Maßnahmen auf, während § 262 Abs. 1 S. 1N98 das Gericht zur Bestimmung des Termins nicht über zwei Wochen hinaus anhielt.780 Außerdem blieben vorbereitende Maßnahmen des Gerichts, denen die Neufassung der ZPO von 1924 erhebliche Bedeutung für eine Beschleunigung des Verfahrens beigemessen hatte, in den meisten Fällen ein unerfüllter Wunsch des Gesetzgebers. Viele Gerichte ließen die Möglichkeiten des § 272bN24 nämlich aus Abneigung oder Überlastung selbst dann nahezu ungenutzt, wenn rechtzeitig ausführliche vorbereitende Schriftsätze der Parteien vorlagen.781 Schließlich teilten die Parteien ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel auch immer noch häufig so spät und so unvollständig mit, daß weder dem jeweiligen Gegner noch dem Gericht ausreichende Gelegenheit zur Vorbereitung blieb,782 778

FK, § 272a Anm. 3. Vgl. die Mot.K61, S. 178 f.; Mot.N76, S. 34 ff.; Mes, ZRP 1971, 90, 91; Putzo, NJW 1977, 1; schließlich die Angaben in den Mot.E31 S. 260 ff. (oben Fn. 462). Baumgärtel, JZ 1971, 441, 443, 445 nannte als Gründe für die Verzögerung der Verfahren neben den hier genannten die Übergabe der Sache vom Einzelrichter an die Kammer, häufige Aktenversendungen, zu späte Entrichtung des Prozeßkostenvorschusses, fehlende Ortsansässigkeit der Parteien und die Vertretung vieler Rechtsanwälte durch Kollegen, die sich mit der Sache nicht vertraut gemacht hatten. 780 Zu § 262 Abs. 1 S. 1N98 vgl. schon oben S. 119 und dort Fn. 701. Tatsächlich bestand ein Widerspruch zwischen den drei Vorschriften allerdings nicht (hierzu unten S. 141). 781 Vgl. schon Meyer, JW 1925, 701, 703, und Heilberg, JW 1930, 99; ferner Baumgärtel, JZ 1971, 441, 443; Mes, ZRP 1971, 90, 91; Franzki, DRiZ 1977, 161. Von scheinbar anderen Erfahrungen berichtete Sinnutt, S. 36; ähnl. Rudolf Lehmann, JW 1925, 698, 700, der sich aber im wesentlichen auf die besonderen Verfahren in Wechsel- und Ehesachen bezog. 782 Baumgärtel, JZ 1971, 441, 445; Mes, ZRP 1971, 90, 91 a. E., 92. 779

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

obwohl die Neufassungen der ZPO von 1924 und 1933 bereits eine Reihe neuer Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung geschaffen hatten. Die Neufassungen der ZPO von 1976 und 2002 haben sich deshalb um eine Vereinheitlichung, Straffung und Verdeutlichung des vorbereitenden Verfahrens bemüht. Ihr Ziel ist die Erledigung des Rechtsstreits in nur einem Termin, dem Haupttermin, § 272 Abs. 1.783 1. Das vorbereitende Verfahren

a) Der Gang des vorbereitenden Verfahrens Die ZPO kennt heute zwei verschiedene vorbereitende Verfahren,784 nämlich das schriftliche Vorverfahren gem. § 276 und den frühen ersten Termin gem. § 275,785 zwischen denen der Vorsitzende gem. § 272 Abs. 2 nach freiem Ermessen wählt.786, 787 Ausschlaggebend sollen dabei die Arbeitsweise der Kammer788 sowie die Eigenart789 und der Umfang790 des Rechtsstreits sein,791 so daß z. B. der frühe erste Termin im vorläufigen Rechtsschutz und im Urkunden-, Wechsel- und Scheckprozeß,792 das schriftliche Vorverfahren dagegen bei Abrechnungsklagen und Mängelansprüchen793 angewendet werden soll.794

783 Zum Verhältnis des heutigen § 272 Abs. 1 zum früheren § 272b Abs. 1N24 vgl. die Mot.N76, S. 35. 784 Nach GStJ21-Leipold, § 272 Rn. 7 a. E., ist auch noch das vorbereitende Verfahren aus der Zeit vor der Neufassung der ZPO von 1976 anwendbar; a. A. Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 93 f. 785 Das schriftliche Vorverfahren fußt auf dem sog. Stuttgarter Modell, das nach Vorschlägen aus dem Schrifttum seit dem 1. Januar 1967 am Landgericht Stuttgart erprobt worden war. Vgl. hierzu Baur, S. 13 ff.; ferner grundlegend Bender, DRiZ 1968, 163 ff.; abl. Baumgärtel, JR 1973, 309, 311 ff., 314. 786 BGH Z 86, 31, 35; Putzo, NJW 1977, 1, 2; GStJ21-Leipold, § 272 Rn. 8. Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 59, will i. d. R. ein schriftliches Vorverfahren anordnen; a. A. wohl Lange, NJW 1986, 1728, 1730. 787 Nach Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 57, 59, soll das Gericht den Parteien seine Wahl in seiner ersten Verfügung mitteilen; die Wahl allein aufgrund der Klageschrift zu treffen sei allerdings schwierig. Es stellt sich insofern die Frage nach der Zulässigkeit eines Wechsels zwischen beiden vorbereitenden Verfahren; vgl. hierzu auch die Mot.N76, S. 35, 68; ferner Bischof, NJW 1977, 1897; Schmitz, AnwBl. 1979, 4; MüKoZPO-Lüke § 272 Rn. 12 ff.; GStJ21-Leipold, § 272 Rn. 13 ff.; Rosenberg15, S. 601 (dort Fn. 1); ähnlich schon zum Verfahren vor dem Einzelrichter gem. § 348 ff.N24 oben Fn. 717. 788 GStJ21-Leipold, § 272 Rn. 8. 789 Franzki, DRiZ 1977, 161, 162; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 57. 790 GStJ21-Leipold, § 272 Rn. 8; Franzki, DRiZ 1977, 161, 162. 791 Vgl. auch die Mot.N76, S. 35.

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Die Neufassung der ZPO von 2002 hat der mündlichen Verhandlung außerdem eine zwingende Güteverhandlung vorangestellt, § 278N02, nach deren Scheitern das Gericht unmittelbar zur Streitverhandlung übergehen soll, § 279 Abs. 1 S. 1N02. Bestimmt der Vorsitzende also einen frühen ersten Termin, dann finden im selben Termin zuerst die Güteverhandlung und dann der frühe erste Termin statt. Bestimmt der Vorsitzende hingegen ein schriftliches Vorverfahren, dann findet zuerst das schriftliche Vorvefahren und dann im selben Termin zuerst die Güteverhandlung und dann der Haupttermin statt. Da die Güteverhandlung aber gerade nicht der Vorbereitung, sondern der Vermeidung der mündlichen Verhandlung dient, soll ihr Sinn und Zweck hier nicht näher behandelt werden.795 aa) Das schriftliche Vorverfahren, § 276 Im schriftlichen Vorverfahren läßt der Vorsitzende die Klageschrift zustellen und gibt dabei dem Beklagten auf, innerhalb zweier Wochen anzuzeigen, ob er sich gegen die Klage verteidigen wolle,796 §§ 270, 271 Abs. 1, 276 Abs. 1 S. 1. Für den Fall, daß der Beklagte schweigt, kann der Kläger schon in der Klageschrift beantragen, daß die Sache noch im schriftlichen Vorverfahren durch Versäumnisurteil erledigt werde, § 331 Abs. 3.797 In dem Fall, daß der Beklagte den Klaganspruch anerkennt, ergeht dagegen ebenfalls noch im schriftlichen 792 Putzo, NJW 1977, 1, 2; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 58 m.w.Bsp.; vgl. ferner Lange, NJW 1986, 1728, 1730 f. 793 Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 59. Das schriftliche Vorverfahren des § 276 ähnelt insofern dem Vorbereitenden Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzung und ähnlichen Prozessen der §§ 313348 ff. (oben S. 64). 794 GStJ21-Leipold, § 272 Rn. 8, und Franzki, DRiZ 1977, 161, 162, wollen ferner nach der Terminlage der Kammer entscheiden, was allerdings nur zur Verhinderung eines tatsächlichen Ruhens des Verfahrens sachgerecht erscheint. 795 Die §§ 278, 279N02 gelten auch für das Verfahren vor den Amtsgerichten. Eine Ausnahme bestimmt § 278 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2N02 für den Fall, daß bereits ein Einigungsversuch vor einer außergerichtlichen Gütestelle stattgefunden hat. § 278 Abs. 2 S. 1 Halbs. 2N02 bezieht sich dabei auf den durch Gesetz vom 15. Dezember 1999 (BGBl. 1999 I, S. 2400 ff.) eingefügten § 15a EGZPO, der den Landesgesetzgebern für das Verfahren vor den Amtsgerichten die Einführung eines den früheren §§ 495a, 499a–gN24 (oben Fn. 711) vergleichbaren zwingenden Güteverfahrens erlaubt. Zum Gebrauch der einzelnen Länder von dieser Erlaubnis vgl. Zietsch/Roschmann, NJW 2001, Beilage zu Heft 51. 796 Die Frist des § 276 Abs. 1 S. 1 ist eine Notfrist i. S. d. § 224 Abs. 1 S. 2, so daß sich der Beklagte im Falle der Versäumung nur um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. §§ 230 ff. bemühen kann; abw. Schmitz, AnwBl. 1979, 4, 6 f. Vgl. zu den Schwierigkeiten im Falle der heutigen Prozeßkostenhilfe GStJ21-Leipold, § 276 Rn. 43, und im Falle des früheren Armenrechts Bischof, NJW 1977, 1897, 1898; Franzki, DRiZ 1977, 161, 163. 797 Das Versäumnisurteil bei Verstreichen der Verteidigungsfrist gem. § 331 Abs. 3 ähnelt insofern dem Versäumungsurteil nach Verstreichen der Erscheinungsfrist gem. Artt. 228, 297BPO (oben S. 110). Es muß allerdings unterbleiben, wenn das Gericht

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

Vorverfahren ohne weiteres ein Anerkenntnisurteil, § 307 Abs. 2.798 Weil die Parteien nämlich häufig vergaßen, den Antrag auf Erlaß eines Anerkenntnisurteils bereits in der Klageschrift zu stellen,799 hat die Neufassung der ZPO von 2002 das Erfordernis dieses Antrages für das schriftliche Vorverfahren und darum auch für die mündliche Verhandlung gestrichen,800 § 307 Abs. 1, 2N02. Für den Fall schließlich, daß der Beklagte seinen Verteidigungswillen bejaht, gibt der Vorsitzende ihm auf, die Sache durch Einreichung einer Klageerwiderung innerhalb zweier weiterer Wochen vorzubereiten, § 276 Abs. 1 S. 2.801 In der Klageerwiderung muß der Beklagte dann seine Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen , und seine Verteidigungsmittel, so weit es nach der Prozeßlage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozeßführung entspricht, mitteilen, §§ 282 Abs. 3 S. 2; 277 Abs. 1 S. 1.802 Diese besondere Prozeßförderungspflicht803 des § 277 Abs. 1 S. 1 reicht nicht weiter als die allgemeine Prozeßförderungspflicht des § 282 Abs. 1,804 weshalb das Mitteilungsgebot des § 277 Abs. 1 S. 1 das Mitteilungsgebot der §§ 282 Abs. 1 i.V. m. 129 Abs. 1, 130 Nrn. 3–5 nur bestätigt.805 den Beklagten nicht auf diese Gefahr hingewiesen hat, §§ 276 Abs. 2, 335 Abs. 1 Nr. 4. 798 Entgegen dem Wortlaut gebieten Sinn und Zweck des § 307 Abs. 2 ein Anerkenntnisurteil auch zu jedem späteren Zeitpunkt des schriftlichen Vorverfahrens; vgl. dazu und zur kostenrechtlichen Frage des nicht mehr sofortigen Anerkenntnisses i. S. d. § 93 GStJ21-Leipold, § 307 Rn. 46. 799 Das Gericht mußte dann zu diesem Antrag besonders auffordern; vgl. die Mot.N02, S. 59. 800 Diese Ungleichbehandlung von Anerkenntnis- und Versäumnisurteil rechtfertigt sich jedenfalls insofern, als das Anerkenntnisurteil nur mit der Berufung, das Versäumnisurteil dagegen mit dem Einspruch angefochten werden kann, weshalb es der Partei überlassen bleiben sollte, ob sie den verhältnismäßig unsicheren Titel eines Versäumnisurteils erlangen will. Vgl. dagegen noch die Mot.N76, S. 70; Franzki, DRiZ 1977, 161, 163. 801 Die Mindestfrist des § 276 Abs. 1 S. 2 wird allerdings von vielen als zu kurz empfunden. Nachdem sich der Kläger beliebig viel Zeit zur Abfassung der Klageschrift habe nehmen können, verstießen für den Beklagten insgesamt nur vier Wochen Zeit zur Abfassung der Klageerwiderung nämlich in vielen Fällen gegen den Grundsatz der Waffengleichheit der Parteien. Die Mindestfrist des § 276 Abs. 1 S. 2 solle darum je nach dem zu erwartenden Umfang der Klageerwiderung ausgedehnt werden; vgl. GStJ21-Leipold, § 276 Rn. 19; Franzki, DRiZ 1977, 161, 163; Schmitz, AnwBl. 1979, 4, 5; Lange, NJW 1986, 1728, 1731. 802 Nach fruchtlosem Verstreichen der Klageerwiderungsfrist kann das Gericht kein Versäumnisurteil erlassen, sondern muß zur Erledigung der Sache Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen; vgl. Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 120. 803 Ähnl. die Mot.N76, S. 38. 804 GStJ21-Leipold, § 282 Rn. 7; Weth, S. 126. 805 Auch der Ausschluß verspätet mitgeteilter Verteidigungsmittel gem. § 296 Abs. 1 ergäbe sich nicht erst aus § 277 Abs. 1 S. 1, sondern bereits aus §§ 282 Abs. 1, 129 Abs. 1, 130 Nrn. 3–5, da § 296 Abs. 1 sich nicht auf das Inhaltsgebot des § 277 Abs. 1 S. 1 bezieht, sondern auf das Fristgebot des § 277 Abs. 3, an dessen Stelle im

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Auf die Klageerwiderung kann der Vorsitzende dem Kläger schließlich erlauben, wiederum innerhalb zweier Wochen eine Stellungnahme einzureichen, §§ 276 Abs. 3, 277 Abs. 4, 3,806 in der auch den Kläger die besondere Prozeßförderungspflicht des § 277 Abs. 1 S. 1 trifft, § 277 Abs. 4. Das Gericht hat den vorbereitenden Schriftwechsel der Parteien durch vorbereitende Maßnahmen zu leiten und begleiten,807 §§ 273, 358a, und bestimmt schließlich nach Klageerwiderung oder Stellungnahme so früh wie möglich den Termin zur mündlichen Verhandlung als Haupttermin, § 272 Abs. 2, 2. Fall, Abs. 3. Im schriftlichen Vorverfahren soll die mündliche Verhandlung also im wesentlichen durch einen gesetzlich festgelegten und befristeten Schriftwechsel der Parteien vorbereitet werden. Es weicht insofern vom ursprünglichen Terminsystem der ZPO ab, als der Termin nicht mehr zu Beginn, sondern gegen Ende des vorbereitenden Verfahrens bestimmt wird.808 Das Gericht bestimmt den Termin deshalb auch nicht mehr binnen vierundzwanzig Stunden, § 193216 Abs. 2, sondern nur noch unverzüglich, § 216 Abs. 2. bb) Der frühe erste Termin, § 275 Im Verfahren mit frühem erstem Termin bestimmt der Vorsitzende sogleich den Termin und läßt dann die Klageschrift dem Beklagten zustellen, §§ 270, 271 Abs. 1, 272 Abs. 2, 1. Fall. Dabei gibt er dem Beklagten auf, unverzüglich seine Verteidigungsmittel mitzuteilen809 oder binnen zwei Wochen eine Klageerwiderung einzureichen,810 § 275 Abs. 1 S. 2; §§ 275 Abs. 1 S. 1, 277 Abs. 3.811 Beide vorbereitenden Schriftsätze des Beklagten entsprechen einander inhaltlich, da den Beklagten nach §§ 275 Abs. 1 S. 2 Halbs. 1, 282 Abs. 1, 129 Abs. 2, 130 Nrn. 3–5 dieselbe Mitteilungspflicht trifft wie nach §§ 275 Abs. 1 S. 1, 277 Abs. 1 S. 1.812 Allerdings ist der Beklagte nur im zweiten Fall

schriftlichen Vorverfahren allerdings sogar das Fristgebot des § 276 Abs. 1 S. 2 tritt. Zu keinem anderen Ergebnis führt auch GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 46 f. 806 Zur tatsächlichen Länge der Frist vgl. GStJ21-Leipold, § 277 Rn. 25. 807 So schon Baur, S. 15 f.; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 120; zust. Lange, NJW 1986, 1728, 1729; vgl. ferner Putzo, NJW 1977, 1, 2; ders., AnwBl. 1977, 429, 432. 808 GStJ21-Leipold, § 276 Rn. 49 wollen die Bestimmung schon mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten zulassen. Die Mot.N76, S. 36 sprechen sich allerdings dagegen aus; ebenso Bischof, NJW 1977, 1897 f. 809 Ähnl. schon die früheren §§ 262 Abs. 1 S. 1, 261N98, § 261a Abs. 2 S. 2N50; vgl. oben Fn. 732. 810 Vgl. GStJ21-Leipold, § 275 Rn. 7. 811 Lange, NJW 1986, 1728, 1731 spricht sich für die regelmäßige Anordnung einer Klageerwiderung aus. 812 Ähnl. zu § 275 Abs. 1 S. 2 schon GStJ21-Leipold, § 275 Rn. 13.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

verpflichtet, zugleich auch seine Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, mitzuteilen, § 282 Abs. 3 S. 2. Der frühe erste Termin soll so bald wie möglich stattfinden und nur die zweiwöchige Einlassungsfrist des Beklagten wahren, §§ 272 Abs. 3, 274 Abs. 3 S. 1.813 In der mündlichen Verhandlung kann das Gericht einfache Sachen erledigen814 und schwierigere Sachen vorbereiten,815 § 275 Abs. 2, also entweder einen Haupttermin816 oder einen Durchlauftermin817 abhalten. Im Falle eines Durchlauftermins gibt es dabei zur Vorbereitung des Haupttermins den Parteien die Einreichung einer Klageerwiderung und ggf. einer Stellungnahme auf, falls der Beklagte bisher weder durch eine Klageerwiderung gem. § 275 Abs. 1 S. 1 noch durch einen ausreichenden vorbereitenden Schriftsatz gem. § 275 Abs. 1 S. 2 seine Verteidigungsmittel mitgeteilt hat, § 275 Abs. 3, 4.818 Außerdem soll das Gericht sowohl vor als auch nach dem frühen ersten Termin vorbereitende Maßnahmen treffen, §§ 273, 358a; § 275 Abs. 2.819 Der frühe erste Termin soll also durch eine baldige mündliche Verhandlung entweder der Erledigung des Rechtsstreit oder der Vorbereitung des Haupttermins dienen.820 Er ähnelt damit auffällig dem früheren sofortigen Termin und steht insofern auch dem Rollensystem näher als dem Terminsystem. Ein bloßer Durchlauftermin widerspricht zwar dem Wortlaut des § 272 Abs. 1, wonach das Gericht den Rechtsstreit i. d. R. in einem einzigen Termin erledigen soll.821 Da die zweiwöchige Einlassungsfrist des § 274 Abs. 3 S. 1 aber regelmäßig nicht ausreicht, genügende Vorbereitungen zur Erledigung des Rechtsstreits zu treffen,822 könnte das Gericht einen frühen ersten Termin danach nur ausnahms813 So ausdrücklich die Mot.N76, S. 35, 68; vgl. auch Franzki, DRiZ 1977, 161, 162. Lange, NJW 1986, 1728, 1732 will den frühen ersten Termin dagegen erst zwei bis drei Wochen nach Ablauf der Klageerwiderungsfrist abhalten, um auch dem Kläger noch Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme zu geben. 814 Mot.N76, S. 35 f., 68; Franzki, DRiZ 1977, 161, 162; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 93; Lange, NJW 1986, 1728, 1729. 815 Vgl. Die Mot.N76, S. 35 f., 68; Franzki, DRiZ 1977, 161, 162; a. A. offenbar Lange, NJW 1986, 1728, 1729 a. E. Zur Doppelfunktion des frühen ersten Termins und zur Frage eines weiteren frühen ersten Termins vgl. auch Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 94, 119. 816 Vgl. die Mot.N76, S. 35; ferner Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 60; schließlich Franzki, DRiZ 1977, 161, 162 a. E., 163. 817 Zum Begriff des Durchlauftermins vgl. Deubner, NJW 1987, 1583, 1584. 818 Vgl. auch GStJ21-Leipold, § 275 Rn. 30. 819 Für vorbereitende Maßnahmen des Gerichts vor dem frühen ersten Termin spricht die Stellung der Vorschrift des § 273 über vorbereitende Maßnahmen zwischen den Vorschriften der §§ 272 Abs. 2, 275 über den frühen ersten Termin; vgl. auch die Mot.N76, S. 68, 84; ferner Putzo, NJW 1977, 1, 2; Franzki, DRiZ 1977, 161, 162; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 60. 820 Vgl. die Mot.N76, S. 35 f. 821 Putzo, NJW 1977, 1, verlangt tatsächlich die Erledigung des Rechtsstreits im frühen ersten Termin; vgl. auch das Regel-Ausnahme-Verhältnis des § 275 Abs. 2.

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weise bestimmen.823 Eine solche Ausnahmestellung widerspräche jedoch ebenfalls dem Wortlaut des § 272 Abs. 1, der den frühen ersten Termin und das schriftliche Vorverfahren gleichberechtigt nebeneinander stellt. § 272 Abs. 1 ist darum einschränkend dahin auszulegen, daß der Haupttermin in einem Durchlauftermin vorbereitet werden kann.824 b) Vorbereitende Maßnahmen des Gerichts, §§ 273, 358a aa) Vorbereitende Anordnungen von Beweisen, § 273 Die Neufassung von 1976 hat die vorbereitende Anordnung von Beweisen in § 273 und die vorbereitende Aufnahme von Beweisen in § 358a neu geregelt. Dabei entspricht der heutige § 273 im wesentlichen dem früheren § 272bN24.825 Bemerkenswert sind allein die Abweichungen vom früheren § 272b Abs. 2 Nr. 1N24. Zum einen kann das Gericht826 nicht mehr nur Angriffs- und Verteidigungsmittel erfragen, sondern auch Fristen zur Äußerung über klärungsbedürftige Punkte setzen, so daß die früher getrennten Vorschriften der §§ 272b Abs. 2 Nr. 1, 279a S. 1N24 nunmehr in § 273 Abs. 2 Nr. 1 vereinigt sind.827 Zum anderen sind die Befugnisse des Gerichts erweitert worden, Urkunden und Augenscheinsobjekte vorlegen zu lassen sowie die Einnahme des Augenscheins und die Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen. Bereits die Neufassung von 1976 bestimmte dazu in § 273 Abs. 2 Nr. 1N76, daß nicht mehr nur Urkunden, Stammbäume, Pläne, Risse und Zeichnungen, sondern neben den Urkunden sämtliche zur Niederlegung bei Gericht geeigneten Gegenstände, d.h. alle Arten von Augenscheinsobjekten eingefordert werden konnten.828 Die Neufassung von 2002 hat diese Befugnisse erneut erweitert und dabei auch das Verhältnis des 822 Die heutigen §§ 272 Abs. 1, 273; 274 Abs. 3 S. 1, 275 scheinen insofern die scheinbare Widersprüchlichkeit der früheren § 272b Abs. 1N24, § 262 Abs. 1 S. 1N98 fortgeführt zu haben (oben S. 129). 823 Zur Abgrenzung von Durchlauftermin und Haupttermin vgl. auch GStJ21-Leipold, § 275 Rn. 2, und Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 19. 824 So auch die Mot.N76, S. 35 f., 68. Der Entwurf der Bundesregierung zur Neufassung der ZPO von 1976 hatte in § 272 Abs. 2 den frühen ersten Termin ebenso wie das schriftliche Vorverfahren ausdrücklich zur Vorbereitung des Haupttermins bestimmt. Erst später wurden die Worte zur Vorbereitung gestrichen, um im frühen ersten Termin einfache Sachen auch schon erledigen zu lassen; vgl. die Mot.N76, S. 129; wie hier schon Lange, NJW 1986, 1728, 1729 a. E. f. Zum unklaren Verhältnis von frühem erstem Termin und Haupttermin vgl. auch Grunsky, JZ 1977, 201, 202. 825 Mot.N76, S. 69. Durch Gesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. 1990 I, S. 2847 ff., ist § 273 Abs. 2 Nr. 4 allerdings um die Möglichkeit erweitert worden, Zeugen das Mitbringen zweckdienlicher Aufzeichnungen gem. § 378 Abs. 1 S. 1 aufzugeben. 826 Zur Zuständigkeit des Berichterstatters vgl. GStJ21-Leipold, § 273 Rn. 11 ff. 827 Mot.N76, S. 69; GStJ21-Leipold, § 273 Rn. 21; vgl. auch oben S. 125.

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

§ 273 zu den §§ 142 ff. verändert. Anders als § 272b Abs. 2 Nr. 1N24 und § 273 Abs. 2 Nr. 1N76 trifft § 273 Abs. 2 Nr. 5N02 nämlich keine selbständige Bestimmung über die Befugnisse des Gerichts mehr, sondern verweist nur noch auf die in den §§ 142 ff. bestimmten Möglichkeiten. Nachdem die Befugnisse des Gerichts innerhalb der mündlichen Verhandlung gem. §§ 142 ff. und außerhalb der mündlichen Verhandlung gem. § 273 schon bisher im wesentlichen gleich gehandhabt wurden,829 ist diese Vereinheitlichung zu begrüßen. Inhaltlich ist der Neufassung von 2002 allerdings ein handwerklicher Fehler unterlaufen, der es in Zukunft nötig machen wird, jedenfalls § 273 Abs. 2 Nr. 5N02 i.V. m. §§ 142 ff. gegen den Wortlaut des Gesetzes auszulegen. Für Urkunden und sonstige Unterlagen bestimmt § 142 Abs. 1 nämlich, daß das Gericht ihre Vorlage nur anordnen kann, wenn sich die Partei zuvor darauf bezogen hat. Diese Beschränkung hatte bereits § 272b Abs. 2 Nr. 1N24 aufgegeben, um die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nicht zu beschränken und um verzögerndem Verhalten der Parteien vorzubeugen.830 Seither sollte deshalb nach allgemeiner Ansicht auch i. R. d. § 142 eine Bezugnahme durch die Partei nicht mehr nötig sein, um dem Gericht insofern nicht außerhalb der mündlichen Verhandlung größere Befugnisse einzuräumen als innerhalb.831 Durch den Wegfall einer selbständigen Bestimmung in § 273 ist dieser Auslegung nach dem Zusammenhang des Gesetzes aber der Boden entzogen, so daß die Auslegung nach dem Wortlaut des § 142 in den Vordergrund träte und eine Bezugnahme durch die Parteien wieder unverzichtbar machen würde. Da allerdings nicht ersichtlich ist, daß die Befugnisse des Gerichts durch die Neufassung des § 273 Abs. 2 Nr. 5N02 beschränkt werden sollten, wird § 142 Abs. 1 gegen den Wortlaut des Gesetzes auch in Zukunft so auszulegen sein, daß es einer Bezugnahme durch die Parteien nicht bedarf.832 Dafür spricht insbesondere, daß die Befugnisse des Gerichts in den §§ 142 ff., 273 Abs. 2 Nr. 5N02 auch i.ü. erweitert wurden. So kann das Gericht jetzt auch gegenüber Dritten die Vorlage von Urkunden und Augenscheinsobjekten aus ihrem Besitz anordnen, §§ 142 Abs. 1 S. 1, 144 Abs. 1 S. 2N02,833 und außerdem sowohl die Parteien als auch Dritte GStJ21-Leipold, § 273 Rn. 25. Die Mot.N76, S. 68 a. E., 69 sahen in der Neufassung des § 273 Abs. 2 Nr. 1 allerdings keine inhaltliche Veränderung gegenüber § 272b Abs. 2 Nr. 1N24. 829 Vgl. bereits oben S. 122. 830 Vgl. oben S. 122. 831 Vgl. oben Fn. 725. 832 Die teilweise Neufassung des § 273 Abs. 2 Nr. 1N76 in § 273 Abs. 2 Nr. 5N02 war im ersten Entwurf zur Neufassung der ZPO von 2002 noch nicht enthalten; vgl. die BT-Drucks. 14/3750, S. 6. Die Mot.N02, S. 53 (zu § 142), 57 (zu § 273) äußern sich daher zu dieser Frage nicht. 833 Die Trennung der Bestimmungen über sog. sonstige Unterlagen in § 142N02 einerseits und über Augenscheinsobjekte in § 144N02 andererseits ist begrifflich falsch und sachlich überholt. Denn Schriftstücke, die keine Urkunden sind, sind Augenscheinsobjekte. 828

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zur Duldung von Augenscheinseinnahme und Sachverständigenbegutachtung verpflichten, § 144 Abs. 1 S. 3N02. Zur Vorlegung kann es Parteien und Dritten schließlich eine Frist setzen, §§ 142 Abs. 1 S. 2, 144 Abs. 1 S. 2N02, die hinsichtlich der Partei mit der Ausschlußstrafe des § 296 Abs. 1N02 und hinsichtlich des Dritten mit den Ordnungsmitteln des § 390 bewehrt ist.834 Anders als im Falle des früheren § 272b Abs. 4 S. 2N24, wonach das Gericht unter Beachtung der Belange der Parteien ausnahmsweise darauf verzichten konnte, die Parteien von seinen vorbereitenden Maßnahmen zu unterrichten, bestimmt der heutige § 273 Abs. 4 S. 1 außerdem, daß das Gericht die Parteien von allen vorbereitenden Maßnahmen unterrichten muß.835 bb) Vorbereitende Aufnahme von Beweisen, § 358a Anders als § 273 ist der heutige § 358a ohne eigentlichen Vorgänger. Während § 272b Abs. 2 Nr. 5N24 eine vorbereitende Beweisaufnahme nämlich nur im Falle des Sachverständigen- und Augenscheinsbeweises kannte, hat § 358a S. 2 die vorterminliche Beweisaufnahme836 auf sämtliche Beweismittel ausgedehnt. So kann das Gericht amtliche Auskünfte einholen,837 Zeugen schriftlich befragen,838 Gutachten erstatten lassen und Augenschein einnehmen, § 358a Abs. 2 Nr. 2–5, und durch den beauftragten oder ersuchten Richter außerdem Zeugen,839 Sachverständige und Parteien vernehmen sowie Urkunden vorlegen lassen, §§ 358a Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. 375; 402, 375;840 434; 451, 375.841 Eine vorterminliche Beweisaufnahme ordnet darum auch nicht der Berichterstatter, sondern die Kammer durch vorterminlichen Beweisbeschluß842 an, § 358a 834 Die Mot.N02, S. 53 a. E. halten die Wahrung der Frist deshalb auch für letztlich nicht erzwingbar. 835 Vgl. auch GStJ21-Leipold, § 273 Rn. 34. 836 Zum Begriff vgl. etwa GStJ20-Schumann, § 358a Rn. 2 m. w. N.; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 70 ff. 837 Daneben kann auch der Berichterstatter amtliche Auskünfte vorterminlich einholen, § 273 Abs. 2 Nr. 2. Eine entsprechende Regelung wäre zumindest für die schriftliche Zeugenaussage sinnvoll gewesen. 838 Die schriftliche Beantwortung der Beweisfrage gem. § 377 Abs. 3, 4 ist durch Gesetz vom 17. Dezember 1990, BGBl. 1990 I, S. 2847 ff., erheblich vereinfacht worden. 839 Vgl. Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 71. 840 Die Möglichkeit der Vernehmung vor dem beauftragten oder ersuchten Richter, ursprünglich § 340375, ist durch das Gesetz vom 17. Dezember 1990 einerseits zugunsten der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme eingeschränkt, andererseits aber durch die Vernehmung durch den beauftragten Richter am Gerichtsort erweitert worden, § 375 Abs. 1, 1a n. F. Anders noch Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 71, zu § 375 a. F. 841 Mot.N76, S. 84. 842 Zum Begriff vgl. Bender/Belz/Wax, Rn. 11 f.; ferner die Nachweise oben Fn. 836. Auch der vorterminliche Beweisbeschluß löste bereits die Beweisgebühr des

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3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

S. 1.843 Entgegen dem Wortlaut des § 358a soll die Kammer dabei allerdings ähnlich begrenzt sein wie der Berichterstatter nach § 273 Abs. 3, 4, also etwa eine vorterminliche Beweisaufnahme erst nach dem Widerspruch des Beklagten gegen den Klaganspruch beschließen.844 Außerdem sind die Parteien zur Wahrung ihres Rechts auf Teilnahme an der Beweisaufnahme, § 357, von einer vorterminlichen Beweisaufnahme stets zu benachrichtigen.845 2. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung

a) Befristete und unbefristete Schriftsätze, § 296 Abs. 1, 3, Abs. 2, 2. Fall Nachdem die Neufassung der ZPO von 1924 mit den §§ 279a S. 1, 283 Abs. 2N24 zunächst nur einen einzigen befristeten Schriftsatz eingeführt hatte, hat die Neufassung der ZPO von 1976 mit den §§ 273 Abs. 2 Nr. 1, 275 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 3, 4, 276 Abs. 1 S. 1, 2, Abs. 3 eine große Zahl befristeter Schriftsätze eingeführt. Entsprechend wurde auch die Ausschlußvorschrift der früheren §§ 279a S. 2, 283 Abs.2N24 im heutigen § 296 Abs. 1 erweitert und verändert.846 So räumt § 296 Abs. 1 dem Gericht heute kein Ermessen mehr ein,847 so daß verspätet mitgeteilte Angriffs- und Verteidigungsmittel heute regelmäßig ausgeschlossen werden.848 Allerdings kann die Partei auch nach § 296 Abs. 1 den Ausschluß Rechtsanwalts des früheren § 31 Abs. 1 Nr. 3 BRAGO aus; vgl. GStJ20-Schumann, § 358a Rn. 45 m. w. N.; Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 72; dagegen jetzt § 2 Abs. 2 RVG i.V. m. Vergütungsverzeichnis Nr. 3104. 843 Nach dem genauen Wortlaut des § 359 ordnet der Beweisbeschluß die Aufnahme des Beweises, nicht aber die Vorlage der Beweismittel an; vgl. hierzu GStJ20Schumann, § 359 Rn. 1, § 358a Rn. 13 f. Danach könnte die Kammer zwar selbst die Beweisaufnahme gem. § 358a vorterminlich beschließen, müßte aber dem Berichterstatter die Beschaffung der Beweismittel gem. § 273 Abs. 2 überlassen. Nach verbreiteter Ansicht soll der vorterminliche Beweisbeschluß gem. § 358a aber offenbar auch die Beschaffung der fraglichen Beweismittel erfassen und so eine Beweisaufnahme unmittelbar im Haupttermin ermöglichen; vgl. Bender/Belz/Wax, Rn. 11 f.; GStJ20-Schumann, § 358a Rn. 2; ähnl. Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 72. 844 GStJ20-Schumann, § 358a Rn. 6, 25; ähnl. Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 144. 845 So auch GStJ20-Schumann, § 358a Rn. 2. 846 Vgl. die Mot.N76, S. 75. Der Entwurf der Bundesregierung zur Neufassung der ZPO von 1976 hatte die früheren §§ 279a S. 2, 283 Abs. 2, 3. FallN24 und die früheren §§ 279, 283 Abs. 2, 2. FallN33 noch zu einem gemeinsamen § 296 Abs. 1E76 zusammengefaßt; vgl. die Mot.N76, S. 9. Erst später ergab sich die getrenne Fassung der §§ 279a S. 2, 283 Abs. 2, 3. FallN24 in § 296 Abs. 1 und der §§ 279, 283 Abs. 2, 2. FallN33 in § 296 Abs. 2. Zur entsprechenden Entwicklung des heutigen § 282 Abs. 1, 2 vgl. oben S. 95. 847 Vgl. oben Fn. 738; anders noch der Entwurf der Bundesregierung zur Neufassung der ZPO von 1976; vgl. die Mot.N76, S. 9.

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verhindern, wenn sie ihre Verspätung genügend entschuldigt.849 Von besonderer Bedeutung ist ferner, daß ein Ausschluß gem. § 296 Abs. 1 nicht mehr nur die Verspätung der Mitteilung, sondern jetzt auch eine Verzögerung des Verfahrens voraussetzt.850 Dem Gericht ist damit ein Ausschluß ähnlich schwer geworden wie im Falle des früheren § 279 Abs. 2N33.851 Eine neue Ausschlußvorschrift für befristete Schriftsätze enthält außerdem § 296 Abs. 3. Teilt der Beklagte jetzt Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, in seiner Klageschrift schuldhaft nicht oder nicht rechtzeitig mit, so werden sie kraft Gesetzes aus dem Verfahren ausgeschlossen.852 Die Ausschlußvorschriften für unbefristete Schriftsätze der früheren §§ 272, 279 Abs. 2, 283 Abs. 2N33 bestehen dagegen in den heutigen §§ 282 Abs. 2, 296 Abs. 2, 2. Fall unverändert fort. b) Nachgelassene Schriftsätze, § 283 Auch die Vorschrift des früheren § 272aN24 über nachgelassene Schriftsätze besteht im heutigen § 283 fast unverändert fort.853 Zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Einreichung des nachgelassenen Schriftsatzes ist allerdings ausdrücklich der Ablauf der vom Gericht gesetzten Frist bestimmt worden. Später eingereichte nachgelassene Schriftsätze muß das Gericht nicht mehr beachten854 und kann so zwischen Fristablauf und Verkündungstermin in Ruhe das Urteil abfassen, § 283 S. 2.855 GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 23. Die Parteien müssen dabei ihren Entschuldigungsgrund glaubhaft machen, § 294 Abs. 4. Vgl. dagegen zu § 279aN24 oben Fn. 739. 850 Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist es, die übermäßige Maßregelung einer verspätet aber nicht verzögernd mitteilenden Partei zu verhindern; vgl. die Mot.N76, S. 9. 851 Vgl. oben S. 126. 852 Vgl. auch GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 42. Damit ist das Vorschützen der Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, z. T. in das vorbereitende Verfahren verlegt worden; ähnl. schon Art. 184BPO; vgl. oben Fn. 614, 642. Die ZPO wendet hier wie in der mündlichen Verhandlung die Eventualmaxime an (oben S. 63, dort insbes. Fn. 338). 853 GStJ21-Leipold, § 283 Rn. 13 f., hält allerdings bei einem Verstoß nicht nur gegen § 132, sondern auch gegen § 282 Abs. 2 ein Vorbringen für nicht rechtzeitig mitgeteilt i. S. d. § 283; vgl. dagegen oben S. 127. 854 Eine Berücksichtigung mag naheliegen, wenn sie die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert, und soll zwingend geboten sein, wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt; so jedenfalls GStJ21-Leipold, § 283 Rn. 23, und ähnl. die Mot.N76, S. 74 f. unter Hinweis auf das rechtliche Gehör. Eine solche Verpflichtung hätte allerdings im Gesetz auch bestimmt werden sollen. 855 Außerdem muß der nachgelassene Schriftsatz nicht mehr dem Gegner zugestellt worden sein, weil der Partei durch den nachgelassenen Schriftsatz das letzte Wort zusteht; vgl. die Mot.N76, S. 75; GStJ21-Leipold, § 283 Rn. 24; ferner oben Fn. 763. 848 849

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IV. Die Bewährung des vorbereitenden Verfahrens der ZPO Obwohl seit Einfügung des § 272bN24 in die ZPO alles getan wurde,856 um den Rechtsstreit möglichst in einem Termin zu erledigen,857 ist bisher keinem vorbereitenden Verfahren eine nachhaltige Beschleunigung der Verfahren gelungen. So war die Dauer der Verfahren nach der Neufassung der ZPO von 1924 zwar gesunken, hatte aber schon sechs Jahre später wieder den Stand von vor 1924 erreicht.858 Dagegen ist seit der Neufassung der ZPO von 1976 zwar die Zahl der Vertagungen,859 nicht aber die Dauer der Verfahren860 gesunken.861 Die folgenden Überlegungen zeigen, daß das Streben nach nur einem Termin, die hier sog. Lehre vom einzigen Termin, in die Irre führt. 1. Die Herleitung aus der Vorschrift des § 272bN24

Unrichtig ist bereits die Herleitung der Lehre vom einzigen Termin aus dem früheren § 272bN24, weil sie dessen Wortlaut aus dem Zusammenhang der Neufassung der ZPO von 1924 reißt. Das Gebot, den Rechtsstreit tunlichst in einer mündlichen Verhandlung zu erledigen, ergab sich nämlich wortgleich nicht nur aus § 272b Abs. 1N24, wo es sich auf die vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts bezog, sondern auch aus § 349 Abs. 2 S. 1N24, wo es sich auf das Verfahren vor dem Einzelrichter bezog. Beachtete man ferner den Wortlaut des § 348 S. 1, 2N24,862 so ergab sich der folgende Gang des Verfahrens: Jeder Rechtsstreit sollte zunächst vor dem Einzelrichter verhandelt werden,863 bis er sich in nur noch einem Termin vor der 856 Die Urfassung der ZPO betrachtete eine Vertagung der mündlichen Verhandlung zur Vorbereitung als Ausnahme, zur Beweisaufnahme dagegen als Regel, vgl. die §§ 245272* Abs. 2, 323358 und hierzu die Mot.CPO, S. 192 a. E. f., S. 198 a. E. Verzögerungen des Verfahrens durch Vertagungen zur Beweisaufnahme sollten dadurch gemildert werden, daß im Beweistermin nicht nur der Beweis aufzunehmen, sondern auch die mündliche Verhandlung fortzusetzen war, vgl. den früheren und heutigen § 335370 Abs. 1. 857 Weth, S. 142, zieht die Aussage des heutigen § 272 Abs. 1 im Rahmen der Auslegung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht der Parteien gem. § 282 Abs. 1 sogar für die Gestaltung der mündlichen Verhandlung selbst heran; ähnl. schon die Mot.N76, S. 34 ff. 858 Vgl. oben Fn. 462. 859 Walchshöfer, ZZP 94, 179, 184, 188, 192; vgl. auch Greger, ZZP 100, 377, 381, 383. 860 Vgl. die Angaben bei Kallweit, S. 3 ff. 861 Die Neufassung der ZPO von 1898 stand noch nicht unter den Vorzeichen der Lehre vom einzigen Termin. Die Neufassung der ZPO von 1933 muß dagegen jedenfalls für die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ebenfalls als erfolglos beurteilt werden; vgl. insofern oben Fn. 306 sowie die Nachweise oben Fn. 463. 862 Vgl. oben S. 121. 863 Leonhard, JW 1924, 917; dies einräumend auch Weiß, JW 1924, 920, 923.

C. Die Zivilprozeßordnung

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Kammer erledigen ließ. Bei der Übergabe des Rechtsstreits sollten dann vorbereitende Maßnahmen des Gerichts eingreifen, damit im abschließenden Termin sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel der Parteien unmittelbar vorlagen.864 Da Einzelrichter und Kammer über die Leitung des Verfahrens nämlich uneins sein konnten, war es zweckmäßig, die Vorbereitung des abschließenden Termins dem unabhängig handelnden Einzelrichter zu entziehen und dem abhängig handelnden Berichterstatter zu übertragen. So sollten das Verfahren vor dem Einzelrichter gem. §§ 348 ff.N24 und die vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts gem. § 272bN24 nacheinander durchgeführt werden, um die Erledigung des Rechtsstreits in tunlichst einer mündlichen Verhandlung vor der Kammer ermöglichen. Damit bestand i. d. R. auch kein Widerspruch zwischen der Mahnung zur kurzen Einlassungsfrist des § 262 Abs. 1 S. 1N98 und der Pflicht zu vorbereitenden Maßnahmen des § 272bN24, da die Einhaltung des § 262 Abs. 1 S. 1N98 zu Beginn des Verfahrens dem Einzelrichter und die Einhaltung des § 272bN24 bei der Übergabe des Rechtsstreits dem Berichterstatter oblag. Die Neufassung der ZPO von 1924 strebte also schon rein rechnerisch865 nicht die Erledigung des Rechtsstreits in einem Termin überhaupt,866 sondern in mindestens einem Termin vor dem Einzelrichter und höchstens einem Termin vor der Kammer an.867 Stattdessen mißachtete man jedoch den Wortlaut des § 348 S. 1, 2N24 und stellte es dem Vorsitzenden frei, ein Verfahren vor dem Einzelrichter durchzuführen.868 Das Verfahren vor dem Einzelrichter gem. §§ 348 ff.N24 und die vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts gem. § 272bN24 wurden danach bestenfalls nebeneinander durchgeführt, galten aber im Grunde als zwei verschiedene Wege zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung.869 Dies wurde noch dadurch begünstigt, daß das neue Verfahren vor dem Einzelrichter der 864 So i. E. noch Volkmar, JW 1924, 345, 347 (oben Fn. 310). Daß auch der Einzelrichter die vor ihm stattfindende Verhandlung gem. § 272bN24 vorbereiten konnte, änderte an der Aufgabe des § 272bN24 bei der Übergabe des Rechtsstreits an die Kammer nichts; vgl. hierzu Sachse, JW 1924, 914, 915; Leonhard, JW 1924, 917. Schon Sinnutt, S. 28, wollte die vorbereitenden Maßnahmen des § 272bN24 dagegen vor allem dem Einzelrichter übertragen. 865 Dies einräumend schon Sinnutt, S. 25 f.; Leonhard, JW 1924, 917, sprach von einer Verdoppelung der Terminstagungen. 866 So aber Simon, JW 1924, 913, nach dessen Ansicht die Neufassung der ZPO von 1924 die Erledigung des Rechtsstreits in einer Hauptverhandlung ähnl. dem Strafverfahren anstrebte. Diesen Vergleich schränkte Weiß, JW 1924, 920, allerdings insofern ein, als das bürgerliche Verfahren viel mehr von verschiedenen Rechtsansichten geprägt werde als das Strafverfahren und darum erheblich schwerer zu handhaben sei. 867 Zwar war bei Einführung des § 501N09 die Rede von der Erledigung der Sache auf Grund einer einzigen mündlichen Verhandlung; vgl. die Mot.N09, S. 39 und oben Fn. 721. Schon während der Beratungen über § 501N09 wurde aber klargestellt, daß dies nur in Ausnahmefällen zu erreichen sei; vgl. die Prot.N09, S. 57 f. 868 Vgl. oben S. 121. 869 So schon Simon, JW 1924, 913; ähnl. Sinnutt, S. 24, 27, 31, 38.

142

3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

§§ 348 ff.N24 das frühere Vorbereitende Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen der §§ 313348 ff. ersetzt hatte und durch diese unrichtige Stellung im Gesetz den Anschein einer besonderen Verfahrensart erwecken konnte. So kam es zur losgelösten Betrachtung des § 272bN24, der die Erledigung des Rechtsstreits in tunlichst einer mündlichen Verhandlung zu bestimmen schien. Unbeachtet blieb dabei nicht nur, daß sich § 262 Abs. 1 S. 1N98 und § 272bN24 kaum unmittelbar nebeneinander anwenden ließen,870 sondern auch, daß das Verfahren vor dem Einzelrichter kein vorbereitendes Verfahren im eigentlichen Sinne darstellte.871 Vor dem Einzelrichter wurden Angriffs- und Verteidigungsmittel nämlich nicht mitgeteilt, sondern vorgebracht, d.h. das Verfahren vor dem Einzelrichter war nicht bloße Vorbereitung, sondern vollwertiger Teil der mündlichen Verhandlung i. S. d. §§ 128 ff.872 Seine Besonderheit bestand nur darin, daß durch eine vorübergehende Drittelung der Kammer873 eine Verdreifachung der Spruchkörper874 zur schnelleren Behandlung der anstehenden Verfahren erreicht werden sollte.875

2. Die Auswirkungen auf die Mündlichkeit der Verhandlung

Bedenklich sind auch die Auswirkungen der Lehre vom einzigen Termin auf die Mündlichkeit der Verhandlung. Dies gilt besonders für eines ihrer wichtigsten Werkzeuge, den Ausschluß verspätet mitgeteilter Angriffs- und Verteidigungsmittel aus dem Verfahren.

870

Vgl. allerdings Sachse, JW 1924, 914, und Weiß, JW 1924, 923. Rosenberg, Hess.Rspr. 1924, 121, 123 lehnte darum den Begriff vorbereitend im Hinblick auf das Verfahren vor dem Einzelrichter ab. 872 Sinnutt, S. 26 m. w. N. 873 Vgl. Weiß, JW 1924, 920; Rosenberg, Hess.Rspr. 1924, 121, 123; Sinnutt, S. 26 ff. Leonhard, JW 1924, 917, 918 bezeichnete den Einzelrichter als Alleinrichter, Heilberg, JW 1924, 361, 363, als Einzelrichter des Kollegii. Unrichtig daher Sachse, JW 1924, 914 (oben Fn. 717). 874 Leonhard, JW 1924, 917, 920, bemängelte, es werde den Gerichten bereits an Räumlichkeiten für die vermehrte Zahl von Verhandlungen fehlen; ähnl. Simon, JW 1924, 913, 914; Dispeker, JW 1925, 690, 694; Meyer, JW 1925, 701, 702. Nach Heinsheimer, JW 1925, 695, 696 erfüllte das Verfahren vor dem Einzelrichter jedoch die Erwartung einer Beschleunigung der Rechtsprechung; ebenso Rudolf Lehmann, JW 1925, 698, 700. 875 Daß ein vorgeblich beweglicher Einzelrichter ein Verfahren schleuniger erledigen könne als eine angeblich schwerfällige Kammer, dürfte dagegen eine nur vorgeschobene Begründung für die Einführung der § 348 ff.N24 gewesen sein, da der Einzelrichter keine weiterreichenden Befugnisse besaß als die Kammer, die Tätigkeit des Berichterstatters der Tätigkeit des Einzelrichters insofern stark ähnelte und Klagen über eine Schwerfälligkeit der Kammern soweit ersichtlich nicht erhoben worden waren; so i. E. schon Leonhard, JW 1924, 917, 920; a. A. Sinnutt, S. 38. 871

C. Die Zivilprozeßordnung

143

Kannte noch die Urfassung der ZPO allein die Kostenstrafen der § 9095, §§ 48, 94 Nr. 3 GKG1878,876 § 97102, so ergänzten bereits die Neufassungen der ZPO von 1924 und 1933 die Ausschlußstrafen der §§ 279aN24, 279 Abs. 2N33, die die Neufassung der ZPO von 1976 in § 296 Abs. 1, 2, 2. Fall vereinheitlichte und ausweitete. Die Ausschlußstrafe soll erzwingen, daß sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel, die in der mündlichen Verhandlung vorgebracht werden sollen, im vorbereitenden Schriftwechsel mitgeteilt werden. Sie soll auf diese Weise verhindern, daß eine Vertagung der mündlichen Verhandlung eintritt, weil eine Partei auf gegnerisches Vorbringen mangels Mitteilung nicht antworten kann, und daß das Gericht unnötige Vorbereitungen trifft, weil eine Partei mit ihrem Vorbringen von ihrer Mitteilung abweicht.877 Dies ist allerdings mit dem Grundsatz der Mündlichkeit unvereinbar. Der Grundsatz der Mündlichkeit besagt, daß nur das Sprechen und Schweigen der Parteien in der mündlichen Verhandlung im Urteil berücksichtigt werden darf.878 Im Umkehrschluß bedeutet dies, daß das Sprechen und Schweigen der Parteien außerhalb der mündlichen Verhandlung im Urteil nicht berücksichtigt werden darf. Deswegen darf zwar verzögerndes Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, aber nicht verzögerndes Mitteilen im vorbereitenden Verfahren durch eine Ausschlußstrafe zu Lasten der Partei im Urteil berücksichtigt werden.879 Das heutige Recht bewirkt jedoch, daß die Parteien ihre Angriffsund Verteidigungsmittel schon vor dem Termin verbindlich darlegen müssen.880 Erhebt das Gericht außerdem vorterminlich Beweis, dann werden auf diesem Wege Behauptungen und Beweise gänzlich von der mündlichen Verhandlung in das vorbereitende Verfahren verlegt. Damit wird das mündliche Verfahren zum schriftlichen Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung.881

876

Jetzt § 38 GKG (oben S. 67). Vgl. schon Baur, S. 17 f. Die Parteien können in der mündlichen Verhandlung lediglich hinter ihre vorbereitenden Schriftsätze zurücktreten, indem sie mitgeteilte Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht vorbringen. 878 Zum Grundsatz der Mündlichkeit vgl. schon oben S. 51 (dort insbesondere Fn. 245 f.). 879 So schon die Mot.HPO, S. 145; die Mot.CPO, S. 25, ergänzten, es begrenze sinnwidrig Freiheit und Vernunft der Parteien, Angriffs- und Verteidigungsmittel in der mündlichen Verhandlung nicht zu beachten, obwohl sie im vorbereitenden Verfahren bereits bekannt geworden waren. Die letztere Ansicht ließe sich allerdings nicht nur gegen einen Ausschluß wegen verspäteter Mitteilung, sondern gegen den Ausschluß überhaupt vorbringen. 880 Nach Greger, ZZP 100, 377, 382, 384, erfolgt der Ausschluß von Angriffs- und Verteidigungsmitteln heute häufiger wegen verspäteter Mitteilung als wegen verspäteten Vorbringens. Dispeker, JW 1925, 690, 691 nahm dagegen noch an, zu vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts werde es nur selten kommen, da ausführliche vorbereitende Schriftsätze der Parteien selten zu erwarten seien. 881 Zurückhaltend bis ablehnend zu einer vorterminlichen Beweisaufnahme darum auch schon die Mot.N09, S. 34 a. E., 35; ferner GStJ11, § 501 Anm. I, III a. E.; schließ877

144

3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

Daß ein schriftliches Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung aber in Wahrheit ein schriftliches Verfahren ist, haben insbesondere die Erfahrungen mit der preußischen AGO882 gezeigt.883 Das schriftliche Verfahren führt nämlich nicht nur zur Feststellung der Behauptungen und Beweise, sondern i. d. R. auch schon zur Festlegung des Urteils,884 so daß die mündliche Schlußverhandlung zum Schauspiel verkommt. Dies begünstigen heute zusätzlich die Vorschriften der §§ 137 Abs. 3, 297 Abs. 2, nach denen die Rechtsanwälte selbst im Termin auf ihre Schriftsätze Bezug nehmen dürfen, statt in freier Rede zu verhandeln, was die mündliche Verhandlung des Rechtsstreits für die Öffentlichkeit nahezu unverständlich macht.885 So droht das mündlich und öffentlich angelegte Verfahren der ZPO schriftlich und heimlich zu werden886 mit allen Nachteilen für die Güte der Rechtsprechung und die Vertrauenswürdigkeit der Rechtspflege.887 lich die Prot.N09, S. 57; ähnlich zu vorbereitenden Maßnahmen des Gerichts allgemein Dispeker, JW 1925, 690, 691 a. E. f. 882 Zur preußischen AGO vgl. oben Fn. 70, 327. 883 Vgl. die Mot.CPO, S. 14 a. E. f.; ferner allg. die Mot.HPO, S. 2 a. E.; zust. Oppermann, AcP 37, 442, 469 f. 884 Mot.HPO, S. 2 a. E.; zust. Oppermann, AcP 37, 442, 469; vgl. auch die Prot.N09, S. 57 a. E., 58 zu § 501N09. 885 Zeiss9, Rn. 185. 886 Vor einer Verschriftlichung des Verfahrens durch Ausschlußstrafen wegen verspäteter Mitteilung gem. § 279a N24 warnten schon GStJ16, § 279a Anm. III 2. Zu beachten sind ferner die immer ausgedehnteren Möglichkeiten der Gerichte, gänzlich ohne mündliche Verhandlung zu urteilen, §§ 128 Abs. 2, 3; 495a. Die Beschränkung des § 128 Abs. 3 auf Entscheidungen über die Kosten durch die Neufassung der ZPO von 2002 soll dabei nicht der Stärkung der Mündlichkeit dienen, sondern lediglich die als Doppelung empfundenen Bestimmungen der §§ 128 Abs. 3G01, 495a bereinigen; vgl. hierzu die Mot.N02, S. 52. 887 Dabei ist gerade der Neufassung der ZPO von 1976 zuzugestehen, daß sie mit der vorbereitenden Bündelung der Angriffs- und Verteidigungsmittel eine Stärkung der mündlichen Verhandlung bezweckte; vgl. die Mot.N76, S. 34; ferner Putzo, NJW 1977, 1, 2 a. E. f. insbesondere zu § 278G01, § 137 Abs. 4. Unrichtig daher Kallweit, S. 26 f., nach dessen Ansicht die Neufassung der ZPO von 1976 das Verfahren von einem mündlichen in ein teilschriftliches umwandeln wollte. Für die Auffassung Kallweits spricht zwar der Wortlaut des § 296 Abs. 1, wo vom Vorbringen eines Angriffs- oder Verteidigungsmittels innerhalb einer Frist die Rede ist. Weil Fristen nämlich nur für die Abfassung von Schriftsätzen, nicht aber für die Äußerung in der mündlichen Verhandlung gesetzt werden können, vgl. auch GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 25, soll damit Vorbringen in Schriftsätzen gemeint sein, was in einem mündlichen Verfahren nicht denkbar wäre. Gegen die Auffassung Kallweits spricht aber schon der Wortlaut des § 296 Abs. 2, der deutlich zwischen schriftlicher Mitteilung und mündlichem Vorbringen unterscheidet; begrifflich ungenau, aber i. E. ähnl. Deubner, NJW 1977, 921, 922 a. E. Im übrigen werden Angriffs- oder Verteidigungsmittels noch immer nur dann im Urteil berücksichtigt, wenn sie in der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind, §§ 128 Abs. 1, 138, 290, und sei es durch Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze, § 137 Abs. 3 S. 1. Ein schriftliches Vorbringen kennt die ZPO also auch seit ihrer Neufassung von 1976 nicht. Der tatsächlich verfehlte Wortlaut des § 296 Abs. 1 dürfte vielmehr auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift zurückzuführen

C. Die Zivilprozeßordnung

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3. Die Eignung zur Beschleunigung des Verfahrens

Entscheidend ist jedoch, daß die Lehre vom einzigen Termin eine Beschleunigung der Verfahren kaum erreichen kann. Sie überschätzt nämlich nicht nur die Möglichkeiten eines vorbereitenden Verfahrens, sondern unterschätzt auch die wachsende Belastung der Gerichte. Grundsätzlich kann ein vorbereitendes Verfahren die Dauer einer Prozeßhandlung als solcher nämlich nicht verkürzen,888 sondern lediglich verhindern, daß die Abfolge der Prozeßhandlungen unnötig unterbrochen wird. Im günstigsten Fall mag sich so der Rechtsstreit in einem einzigen Termin erledigen lassen. Wirkungslos bleibt ein vorbereitendes Verfahren jedoch bereits, wenn eine Prozeßhandlung nicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden kann, so z. B. wenn das Gericht ein Gebäude selbst in Augenschein nehmen oder sachverständig begutachten lassen will. Ob das Gericht also erst mündlich verhandelt und dann gem. § 358 zum besonderen Beweisverfahren vertagt oder erst gem. § 358a vorterminlich Beweis aufnimmt und dann mündlich verhandelt, bleibt ohne wesentliche Auswirkung auf die Dauer des Verfahrens insgesamt. Überflüssig ist ein vorbereitendes Verfahren auch, wenn die Parteien in der mündlichen Verhandlung erklären, daß sie den begonnenen Rechtsstreit nicht führen oder ein mitgeteiltes Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht vorbringen wollen. Daß sich der Rechtsstreit überraschend als liquid herausstellt,889 weil eine Partei aufgibt oder beide Parteien sich einigen, ist zwar eher die Ausnahme.890 Zu beachten ist aber, daß bereits gegen § 501N09 der Einwand erhoben wurde, vorbereitende Maßnahmen des Gerichts könnten die Parteien zu weiterem Streit anstacheln, eine gütliche Einigung verhindern und so das Ver-

sein, die ursprünglich sowohl sämtliche Fälle verspäteter Mitteilungen als auch verspätetes Vorbringen erfassen sollte und erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahren ihre heutige Fassung erhielt (oben Fn. 846). Unrichtig darum ebenfalls GStJ21-Leipold, § 296 Rn. 44, wonach sich § 296 Abs. 1 auch auf nicht fristgerechtes Vorbringen in der mündlichen Verhandlung beziehe. Zu den Fällen gesetzlich bestimmter entsprechender Anwendung des § 296 Abs. 1 vgl. wiederum Kallweit, S. 120 a. E. ff. 888 So nimmt z. B. eine Beweisaufnahme vor, während oder nach der mündlichen Verhandlung stets dieselbe Zeit in Anspruch. Eine Ausnahme mag für die schriftliche Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gelten, jedoch nur so lange die schriftliche Aussage keine Nachfragen der Parteien oder des Gerichts verursacht. 889 Weder die Verteidigungsanzeige des Beklagten gem. § 276 noch die Beschränkung der gerichtlichen Vorbereitung auf bestrittene Klageforderungen gem. § 273 Abs. 3 S. 1 können und sollen ein sofortiges Ende des Rechtsstreits in der mündlichen Verhandlung durch Klagezurücknahme, Anerkenntnis, Erledigungserklärung verhindern. 890 Hinrichsen, JW 1907, 788, 793 f., forderte allerdings schon im Hinblick auf den späteren § 501N09 einen besonderen Vortermin zur frühzeitigen Erledigung der liquiden Sachen nach österreichischem Vorbild; vgl. hierzu oben Fn. 693; ferner Laubhardt, JW 1910, 1024, 1026; schließlich die abschreckenden Erfahrungen Jastrows, JW 1911, 17, 19.

146

3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

fahren verzögern.891 Daß eine Partei dagegen auf eine Behauptung oder einen Beweis verzichtet, weil sie deren Sinn oder Unsinn anders einschätzt als im vorbereitenden Verfahren, ist durchaus kein seltener Fall. Dies liegt sogar nahe, wenn etwa eine Behauptung samt Beweis in der vorterminlichen Beweisaufnahme gescheitert ist und in der mündlichen Verhandlung durch eine neue Behauptung samt Beweis ersetzt werden muß. Verzögernd wirkt ein vorbereitendes Verfahren schließlich sogar, wenn es die mündliche Verhandlung so weit hinausschiebt, daß es die Dauer des Rechtsstreits insgesamt verlängert. Deshalb bestimmte z. B. die Neufassung der ZPO von 1924 in § 272b Abs. 3 S. 2N24, daß vorbereitend angeordnete Beweisaufnahmen nicht zu vorgezogenen Beweisaufnahmen führen durften, die die mündliche Verhandlung nur hinausgeschoben hätten.892 Die Neufassung von 1976 hat diesen Grundsatz in § 358a jedoch aufgegeben. Dies dürfte erklären, warum nach der Neufassung der ZPO von 1976 zwar die Zahl der Vertagungen gesunken, die Dauer der Verfahren aber unverändert ist.893 Fragwürdig erscheint hier besonders das schriftliche Vorverfahren gem. § 276. Schließlich haben die Erfahrungen des Gemeinen Rechts und der HPO gezeigt, daß gerade schriftliche Verfahren zur Schwerfälligkeit neigen, während sich mündliche Verfahren durch Beweglichkeit auszeichnen.894 Die heute herrschende Vorstellung, ein schriftliches Vorverfahren könne ein mündliches Verfahren beschleunigen,895 geht schon deshalb in die Irre.896 Außerdem wächst mit der Pflicht zur Vorbereitung auch die Belastung der Gerichts, so daß auch insofern darauf zu achten ist, daß das vorbereitende Verfahren den Rechtsstreits nicht verzögert statt ihn zu beschleunigen. Zweckmäßig war insofern das vorbereitende Verfahren von 1877, in dem das Gericht lediglich den vorbereitenden Schriftwechsel der Parteien verfolgen sollte.897 Ähnli891

Hinrichsen, JW 1907, 788, 794. Vgl. oben S. 123. 893 Vgl. die Nachweise oben Fn. 859 f. 894 Nach Schwartz, S. 123, richtete die unbegreifliche Idee einer Beschleunigung durch Verschriftlichung bereits das Verfahren nach Gemeinem Recht zugrunde. Tatsächlich trägt die Überlegung, je nach Belastung des Gerichts schriftliche Vorverfahren anzuordnen, im Keim bereits wieder die Züge des Gemeinen Rechts, anhängige Rechtsstreite in den Akten zu vergessen (oben Fn. 10 f., 237, 794). 895 So zum heutigen § 276 schon Baur, S. 16 f.; ferner Arens, S. 34; GStJ21-Leipold, § 276 Rn. 2 u. einschränkend Rn. 48. 896 Dies wird noch verstärkt durch den Umstand, daß nach verbreiteter Ansicht die gesetzlich bestimmten Mindestfristen für die einzelnen Schriftsätze der Parteien aus Billigkeitserwägungen i. d. R. erheblich überschritten werden sollen, so daß das schriftliche Vorverfahren gem. § 276 noch weit mehr Zeit in Anspruch nehmen kann, als der Wortlaut des Gesetzes zunächst vermuten läßt (oben Fn. 801). Eine Verzögerung des Rechtsstreits durch das schriftliche Vorverfahren befürchtet auch Walchshöfer, ZZP 94, 179, 181; ähnl. schon Baumgärtel, JZ 1971, 441, 447 a. E. f. 897 GStJ11, § 129 Anm. I 2; § 133 Anm. I. Selbst dies lehnten einige Gerichte aber teils aus grundsätzlichen, teils aus Zweckmäßigkeitserwägungen ab; vgl. Wach, Enquête, S. 46 ff. 892

C. Die Zivilprozeßordnung

147

ches galt auch noch für das vorbereitende Verfahren von 1898, wo das Gericht ebenfalls erst im bzw. nach dem sofortigen Termin verfahrensleitend tätig werden mußte. Erstmals die Einfügung des § 501N09 gab den Amtsgerichten dann die Möglichkeit, Maßnahmen zur Vorbereitung des Termins zu treffen.898 Dies setzte allerdings voraus, daß der Amtsrichter aufgrund jedes vorbereitenden Schriftsatzes sorgfältig erwog, welcher vorbereitenden Maßnahme es bedurfte.899 Wegen der bekannten Überlastung der Amtsgerichte nahm daher selbst der Gesetzgeber an,900 die Vorschrift des § 501N09 werde nur äußerst selten zur Anwendung kommen, was sich in der Tat bewahrheitete.901 Geradewegs ins Gegenteil verkehrt wurden die Dinge jedoch nach der Einfügung des § 272bN24. Aufgrund der fehlerhaften Auslegung der §§ 272b , 348 ff.N24 erwartete man jetzt nämlich von den Gerichten, daß sie durch vorbereitende Maßnahmen den Rechtsstreit in einem einzigen Termin erledigten, womit sie geradezu über Nacht in bisher unbekanntem Maße belastet wurden. Diese Entwicklung ist durch das vorbereitende Verfahren von 1976 schließlich noch verstärkt worden. Heute obliegt dem Gericht nämlich nicht nur die Durchführung seiner eigenen vorbereitenden Maßnahmen im erweiterten Umfang der §§ 273, 358a, sondern auch die Leitung des vorbereitenden Schriftwechsels der Parteien durch die Wahl des vorbereitenden Verfahrens und eine Vielzahl von Hinweisen an die Parteien.902 Diese steigende Belastung haben die Gerichte durch Mißachtung des § 272bN24 und wohl auch der §§ 273, 358a beantwortet,903 der Gesetzgeber dagegen mit der Einführung des die Kammer mehr und mehr verdrängenden Einzelrichters.904 Auch insofern hat die Lehre vom einzigen Termin der Güte der Rechtsprechung geschadet, denn das Urteil dreier Richter ist dem Urteil eines einzelnen Richters fast immer überlegen.905 898

Vgl. oben S. 122. Hinrichsen, JW 1907, 788, 794. Dies war um so schwieriger, je weitschweifiger die vorbereitenden Schriftsätze der Parteien gerieten. 900 Prot.N09, S. 57 f. Vgl. ferner Jastrow, JW 1911, 17, 19; ähnl. schon Hinrichsen, JW 1907, 788, 793 zum Entwurf der Neufassung der ZPO von 1909 mit einem Hinweis auf ähnliche Erfahrungen in Österreich. 901 Vgl. die Berichte bei Laubhardt, JW 1910, 1024, 1026; Jastrow, JW 1911, 17, 19 f.; GStJ11, § 501 Anm. I m.w.N; GStJ13, § 272b Anm. I; Volkmar, JW 1924, 345, 347. 902 Vgl. § 139 Abs. 1, 2 (entspr. §§ 139 Abs. 1, 273 Abs. 1 S. 2, 278 Abs. 3G01), § 273 Abs. 2 Nr. 1 und hierzu GStJ20-Leipold, § 139 Rn. 4; ferner § 275 Abs. 1 S. 1, 2 Halbs. 1 a. E., Abs. 3, Abs. 4, § 276 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 277 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, § 329 Abs. 2 S. 2 und hierzu Bischof, Vereinfachungsnovelle, Rn. 126 ff.; ders., NJW 1977, 1897, 1899. In der mündlichen Verhandlung treten im Verfahren vor den Amtsgerichten § 499 sowie § 504 hinzu. Zur Ablehnung des § 139 vgl. auch Greger, ZZP 100, 377, 384. 903 Zu § 272bN24 vgl. die Nachweise oben Fn. 781; zu §§ 273, 358a vgl. Walchshöfer, ZZP 94, 179, 185 f.; Greger, ZZP 100, 377, 379 f.; dies befürchtend bereits Heilberg, JW 1924, 361. 904 Vgl. hierzu die Mot.N76, S. 41 f. 899

148

3. Teil: Bekämpfung überraschenden Vorbringens insbesondere

D. Zusammenfassung des Dritten Teils I.

Vorbereitende Verfahren sind wirkungslos, wo Prozeßhandlungen nur außerhalb der mündlichen Verhandlung vorgenommen werden können, überflüssig, wenn die Parteien in der mündlichen Verhandlung vom Rechtsstreit Abstand nehmen, und verzögernd, wenn sie die mündliche Verhandlung unangemessen hinausschieben oder die Gerichte über Gebühr belasten.

II. Ob ein Rechtsstreit in einem einzigen Termin erledigt werden kann, hängt ebenso von seiner Eigenart wie von seiner Vorbereitung ab. III. Verspätet mitgeteilte Angriffs- und Verteidigungsmittel aus dem Verfahren auszuschließen verstößt gegen den Grundsatz der Mündlichkeit der Verhandlung, nach dem nur das Tun und Lassen der Parteien in der mündlichen Verhandlung bei der Urteilsfindung berücksichtigt werden darf.

905

623.

So schon Rosenberg2, S. 48; Leonhard, JW 1924, 917, 920; Stötter, MDR 1971,

Vierter Teil

Von einer Neufassung der ZPO In diesem Vierten Teil sollen die Ergebnisse des Zweiten und Dritten Teils über eine zweckmäßige Gestaltung des Verfahrens und der Verfahrensstrafen in einen Vorschlag für eine Neufassung der ZPO einmünden. Wie sich nach diesem Vorschlag die Sache Wolf gegen Fuchs entwickelt hätte, wird im Zweiten Fallbeispiel deutlich.

A. Die Neufassung der Ausschlußvorschriften Die Zahl der Vorschläge zur Neufassung der Ausschlußvorschriften seit Inkrafttreten der ZPO ist groß. Sie sind mehrheitlich von der Frage ausgegangen, wie der bestehende Ausschluß kraft Richterspruchs zu verbessern sei, um eine befriedigende Anwendung der Vorschriften zu erreichen. Hierzu hat der Zweite Teil gezeigt, daß mancher Schwierigkeit der Ausschlußvorschriften durch eine vernünftige Auslegung des Gesetzes beizukommen ist. Dem geht denknotwendig allerdings die Frage vor, ob der Ausschluß kraft Richterspruchs zur Beschleunigung des Verfahrens überhaupt geeignet ist. Dies gilt insbesondere, weil die Einführung des Ausschlusses kraft Richterspruchs in der ZPO ein Wagnis darstellte, über dessen Gelingen Gesetzgeber, Rechtsprechung und Lehre Rechenschaft abzulegen haben.906 Diese im Zweiten Teil bereits angedeutete Frage soll hier die Überlegungen für eine Neufassung der Ausschlußvorschriften einleiten.907 I. Für und Wider des Ausschlusses kraft Richterspruchs und kraft Gesetzes im allgemeinen Im gedanklichen Ansatz ist der Ausschluß kraft Richterspruchs dem Ausschluß kraft Gesetzes überlegen. Ein mündliches Verfahren wird durch gestaffeltes Vorbringen nämlich nur verzögert, wenn es sich dabei um ungegenwärtige Angriffs- oder Verteidigungsmittel handelt, da gegenwärtige Angriffs- und Verteidigungsmittel sofort verwertet werden können, ohne daß das Urteil hin906 907

Vgl. oben Fn. 327, ferner S. 67 ff. Vgl. oben S. 81.

150

4. Teil: Neufassung der ZPO

ausgeschoben werden müßte. Vor die Wahl gestellt, nach welchem Maßstab der Ausschluß gestaffelten Vorbringens in einem mündlichen Verfahren erfolgen solle, müßte die Entscheidung demnach für den Maßstab der Verzögerung ausfallen. Der Maßstab der Verspätung hätte nämlich zur Folge, daß auch gegenwärtige gestaffelt vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel ausgeschlossen würden, obwohl sie das Verfahren nicht verzögern könnten. Wie gesehen908 läßt sich der Maßstab der Verzögerung aber nur durch einen Ausschluß kraft Richterspruchs verwirklichen. In der tatsächlichen Anwendung scheint allerdings umgekehrt der Ausschluß kraft Gesetzes dem Ausschluß kraft Richterspruchs überlegen. Denn während der Ausschluß kraft Gesetzes mit unausweichlicher Sicherheit eintritt, ist das Ausbleiben des Ausschlusses kraft Richterspruchs immer wieder beobachtet worden. Grund für dieses häufige Ausbleiben ist der mangelnde Mut der Gerichte,909 der zu einem kleinen Teil auf die Unklarheiten der Ausschlußvorschriften zurückzuführen sein mag, wie sie sich nach der herkömmlichen Auslegung des Gesetzes ergeben,910 zum größten Teil aber auf eine Ursache außerhalb aller Auslegung, nämlich der Furcht vor einem unrechten Urteil911 und vor verstimmten Rechtsanwälten.912 Dafür spricht insbesondere, daß die Schwäche des Ausschlusses kraft Richterspruchs schon bei seiner Einführung vorhergesagt wurde, als Unsicherheiten bei der Auslegung des Gesetzes noch gar nicht absehbar waren.913 Denn wenn auch seinerzeit noch keine Erfahrungen mit einem Ausschluß kraft Richterspruchs gemacht worden waren, so konnten doch die Erfahrungen mit den bekannten Kostenstrafen herangezogen werden. Zwar führten Kostenstrafen nicht zu einem Verlust des sachlichen Rechts einer Partei und bedurften insofern weniger Entscheidungsfreude des Gerichts als Ausschlußstrafen. Aber auch bei der Verhängung einer Kostenstrafe mußte den Parteien oder ihren Rechtsanwälten eine schuldhafte Verzögerung des Verfahrens nachgewiesen werden, was den Gerichten ebenso unangenehm sein mußte wie bei der Verhängung einer Ausschlußstrafe. Dabei hatte sich aber gerade gezeigt, daß die Gerichte bereits die Verhängung von Kostenstrafen aus Rücksicht auf die Rechtsanwälte vermieden.914 Mit großer Sicherheit ließ sich deshalb auch vorhersagen, daß sie erst recht die Verhängung von Ausschlußstrafen ablehnen würden. Daran konnte of908

Vgl. oben S. 83. Vgl. oben S. 79 (dort insbesondere Fn. 463 ff.) sowie S. 81 (dort insbesondere Fn. 478). 910 Vgl. oben S. 81 ff. 911 Vgl. die Nachweise oben Fn. 465. Dahinter steht der schon mehrfach angeführte Gedanke der Überbeschleunigung (oben S. 25). 912 Vgl. die Nachweise oben Fn. 466. 913 Vgl. oben S. 69 (dort Fn. 378 ff.). 914 Vgl. oben Fn. 380. 909

A. Die Neufassung der Ausschlußvorschriften

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fensichtlich auch kein Rechtsbehelf der Parteien etwas ändern, denn gerade das Antragserfordernis verhinderte ja die Anwendung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 zunächst völlig.915 Ebenso wirkungslos wäre es geblieben, als Ausweg aus der angeblich falschen Psychologie916 des Gesetzes den Ausschluß ähnlich dem heutigen § 531 Abs. 2917 zum gesetzlichen Regelfall zu machen, von dem die Gerichte nur mehr Ausnahmen zulassen dürften. Auch in einem solchen Fall liegt es nämlich beim Gericht, eine schuldhaft fehlerhafte Verfahrensführung einer Partei festzustellen, um dann hinter dem Gesetz dürftigen Schutz zu suchen. Im Ergebnis ist der Ausschluß kraft Richterspruchs zur Beschleunigung des Verfahrens daher ungeeignet. Ob damit zugleich eine Rückkehr zum Ausschluß kraft Gesetzes befürwortet werden kann, hängt allerdings davon ab, ob die gegen den Ausschluß kraft Gesetzes geltend gemachten Einwände zu Recht erhoben werden. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, daß ein Ausschluß kraft Gesetzes grundsätzlich auch zum Verlust gegenwärtiger Angriffs- und Verteidigungsmittel führen kann, obwohl sie das Verfahren nicht verzögern. Zum einen darf allerdings die Zahl gegenwärtiger Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht überschätzt werden. Eine Partei, die in der Bedrängnis nach Strohhalmen greift, und erst recht eine Partei, die das Verfahren bewußt verzögern will, wird nämlich i. d. R. gerade nicht gegenwärtige, sondern ungegenwärtige Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen. Vgl. die Beweisverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Fuchs hatte die Unechtheit der Darlehensurkunde bis zur Beweisverhandlung niemals mitgeteilt oder gar behauptet. Erst als sich ein Obsiegen des Wolf abzeichnete, schob er diese Beweiseinrede als letzte Rettung nach und benannte das ungegenwärtige Beweismittel eines Sachverständigengutachtens.

Und zum anderen können die verbleibenden Fälle, in denen gegenwärtigen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ein unnötiger Ausschluß droht, durch Ausnahmevorschriften aufgefangen werden, ohne daß damit der Ausschluß kraft Gesetzes grundsätzlich in Zweifel gezogen werden müßte.918 915 Vgl. oben S. 78. Allerdings sollte das Antragserfordernis die Anwendung der Ausschlußvorschriften ursprünglich auch nicht befördern, sondern beschränken (oben S. 72). 916 So wörtlich Rosenberg, ZZP 57, 185, 307 (oben Fn. 464). 917 Entspr. § 528 Abs. 1, 2G01. Einen Ausschluß als gesetzlichen Regelfall ähnlich dem heutigen § 531 Abs. 2 sieht auch der heutige § 296 Abs. 1, 3 vor, der sich allerdings nicht auf gestaffeltes, sondern auf überraschendes Vorbringen bzw. auf Verfahrensmängel der Klagen bezieht (oben S. 138 ff.). Soweit die Gerichte mehr zu einem Ausschluß gem. § 296 Abs. 1, 3 als gem. § 296 Abs. 2, 1. Fall neigen, dürfte dies aber eher darauf zurückzuführen sein, daß eine Fristversäumung i. S. d. §§ 296 Abs. 1 bzw. 282 Abs. 3 erheblich leichter festzustellen ist als die Verletzung der allgemeinen Prozeßförderungspflicht i. S. d. herkömmlichen Auslegung der §§ 282 Abs. 1, 296 Abs. 2, 1. Fall. 918 Vgl. oben Fn. 488.

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4. Teil: Neufassung der ZPO

Weiter ist zu fragen, ob nicht ein strenger Ausschluß gestaffelten Vorbringens die Gefahr ungerechter Urteile erhöht. Dies wäre der Fall, wenn das Verfahrensrecht dem sachlichen Recht untergeordnet wäre, d.h. wenn das sachliche Recht nicht aus Gründen des Verfahrensrechts beschnitten werden dürfte.919 Zweifel an dieser Wertung ergeben sich jedoch schon, wo die Grenze zwischen sachlichem und Verfahrensrecht verschwimmt, weil der Gesetzgeber sachliches Recht in einer Verfahrensordnung oder Verfahrensvorschriften im sachlichen Recht geregelt hat, vgl. etwa §§ 717 Abs. 2; 945 oder §§ 274; 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Ebenso sollte nachdenklich stimmen, daß Saumseligkeit oder Böswilligkeit nicht nur nach Verfahrensrecht, sondern ebenso nach sachlichem Recht zur Versagung eines Anspruches führen kann, so z. B. in Gestalt der Verjährung und des Schikaneverbotes, §§ 194 Abs. 1; 226 BGB. Daß die Parteien im gerichtlichen Verfahren eine geringere Sorgfalts- und Wohlverhaltenspflicht treffen sollte als im allgemeinen Rechtsverkehr, ist insofern nicht nur nicht einzusehen, sondern wird grundsätzlich sogar gerade im umgekehrten Sinne beantwortet.920 Wie außerdem gesehen, kann für die Parteien eine wirtschaftliche Niederlage durch ein zu langwieriges Verfahren ebenso schwer wiegen wie eine rechtliche Niederlage durch ein zu schleuniges Verfahren. Ein Urteil, das einer saumseligen oder gar böswilligen Partei ihr Recht aberkennt, kann darum ebenso gerecht sein wie ein Urteil, das jedes Gebaren der Parteien im Rechtsstreit berücksichtigt.921 Überdies ergibt sich das denkbar gerechteste Urteil im denkbar schleunigsten Verfahren dann, wenn die Parteien ihrer Pflicht zu vollständigem und wahrheitsgemäßem Vorbringen nachkommen, § 138 Abs. 1, woran das vielstufige Vorbringen mancher Partei durch die innere Widersprüchlichkeit der einzelnen Stufen erheblich zweifeln läßt.922 Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Fuchs behauptete noch auf der ersten Stufe des Rechtsstreits, er habe lediglich siebenhundert Mark als Darlehen erhalten, und das Darlehen sei auch erst zum 1. Juli 1901 zurückzuzahlen gewesen. Dann teilte er auf der zweiten Stufe des Rechtsstreits hilfsweise mit, das Darlehen sei zwar zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen gewesen, aber Wolf habe ihm eine Stundung bis zum 30. September 1901 gewährt; außerdem räumte Fuchs hilfsweise den Erhalt Zum Verhältnis von sachlichem Recht und Verfahrensrecht vgl. Rosenberg15, S. 2 ff.; ferner Blomeyer, S. 1 ff. 920 Vgl. schon oben Fn. 107. 921 Vgl. schon oben S. 25. 922 Zur Wahrheitspflicht vgl. oben Fn. 525. Zwar beachtet das Gericht widersprüchliches Vorbringen der Parteien wegen Verstoßes gegen die Wahrheitspflicht grundsätzlich nicht und nimmt insofern einen stillschweigenden Ausschluß vor; vgl. Thomas/ Putzo22, § 138 Rn. 9. Im Falle eines Ausschlusses kraft Richterspruchs erlaubt die Möglichkeit unbeschränkter Staffelung den Parteien aber, sich gedanklich ausschließende Angriffs- oder Verteidigungsmittel nacheinander vorzubringen und damit ihrer Wahrheitspflicht zu entgehen, ohne daß das Gericht dies verhindern könnte. Im Falle eines Ausschlusses kraft Gesetzes würde der Zwang zu hilfsweisem Vorbringen die Parteien hingegen zwingen, ihre sich ausschließenden Angriffs- oder Verteidigungsmittel erkennbar nebeneinander zu stellen. 919

A. Die Neufassung der Ausschlußvorschriften

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von tausend Mark als Darlehen ein, um gegen diesen Anspruch des Wolf mit dem eigenen Anspruch aus einem Kaufvertrag aufzurechnen.923

Daß ein strenger Ausschluß gestaffelt vorgebrachter Angriffs- und Verteidigungsmittel unausweichlich zu ungerechten Urteilen führe, trifft deshalb nicht zu. Schließlich ist zu erwägen, ob ein Ausschluß kraft Gesetzes die Parteien tatsächlich zwingt, eine solche Fülle von Angriffs- und Verteidigungsmitteln hilfsweise vorzubringen, daß das Verfahren gerade dadurch verzögert würde.924 Bemerkenswerterweise ist dieser Vorwurf allerdings weniger von der zeitgenössischen Rechtswissenschaft erhoben worden als vielmehr von der heutigen und entbehrt insofern der Grundlage.925 Wo die zeitgenössische Rechtswissenschaft ihn wirklich erhob, bezog er sich auch nicht auf die HPO, sondern auf das Gemeine Recht.926 Als Grund dafür sind abermals die Vorzüge der mündlichen gegenüber der schriftlichen Verhandlung zu nennen: Zum einen ist es den Parteien in einer mündlichen Verhandlung nämlich nicht möglich, übergroße Mengen von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln aufzuhäufen, weil sie sonst selbst die Übersicht über den Rechtsstreit verlören. Sie sind also gezwungen, sich verhältnismäßig klar und bescheiden zur Sache zu äußern. In einer schriftlichen Verhandlung hingegen können sich die Parteien in endlosen Ausführungen ergehen und den Rechtsstreit auf höchste Stufen treiben. Diese Weitschweifigkeit und Unehrlichkeit von Schriftsätzen hat sich deshalb auch im Verfahren nach Gemeinem Recht und der ZPO gezeigt.927 Zum anderen hatten die Parteien es in der mündlichen Verhandlung der HPO aber auch gar nicht nötig, sämtliche gleichstufigen Angriffs- oder Verteidigungsmittel gleichzeitig vorzubringen. Anders als das Gemeine Recht, wo Antwort- und Beweistrennung die Parteien zwangen, auf sämtliche Angriffs- oder Verteidigungsmittel des Gegners jeweils sämtliche eigenen Angriffs- oder Verteidigungsmittel vorzubringen, ließ es die HPO mit ihrer Antwortverbindung nämlich zu, daß die Parteien ihre Angriffsund Verteidigungsmittel jeweils im Rahmen des ersten und des zweiten Verfahrens sehr wohl bis zum Erlaß des Beweis- bzw. des Endurteils staffelten. So konnte der Rechtsstreit durchaus entschieden werden, ohne daß die Parteien sämtliche hilfsweise vorzubringenden Angriffs- und Verteidigungsmittel in das Verfahren eingeführt hätten.928 Eine Überladung des Rechtsstreits ist insofern von einem Ausschluß kraft Gesetzes nicht zu befürchten. Ähnlich Goldschmidt2, S. 46: Erstens gabst du mir kein Geld,/alles ist nicht wahr./Zweitens ward’s zurückgestellt/schon vor einem Jahr./Drittens hast du mir erklärt,/es sei mit geschenkt./Viertens aber ist’s verjährt –/und der Eid, er hängt; ferner Zeiss9, Rn. 205. 924 Vgl. oben S. 96. 925 Vgl. vielmehr die Ausführungen zugunsten der Eventualmaxime bei Linde, S. 207; Martin, S. 164 f. und Bayer, S. 18 ff. (oben Fn. 231). 926 Vgl. Bayer, S. 18 ff. (oben Fn. 231) 927 Vgl. oben S. 50 (dort insbesondere Fn. 238 f.). 923

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4. Teil: Neufassung der ZPO

Damit ist auch der letzte Einwand bereits angesprochen, nämlich die teilweise schon bei den Beratungen über die ZPO geäußerte Ansicht, die für einen Ausschluß kraft Gesetzes notwendige Gliederung des Verfahrens gefährde die Mündlichkeit des Verfahrens929 und das rechtliche Gehör der Parteien. Der Vorwurf, die Mündlichkeit der Verhandlung zu gefährden, traf das Verfahren nach der HPO zu Unrecht.930 Denn wenn es den Parteien durch die Antwortverbindung gestattete, im ersten Verfahren ihre Behauptungen und im zweiten Verfahren ihre Beweise nach Belieben zu staffeln, dann blieb die Freiheit von Rede und Gegenrede völlig gewahrt. Dies hatte die Rechtswissenschaft schon vor einhundertundfünzig Jahren erkannt, als sie der HPO eine wegweisende Verbindung des Ausschlusses kraft Gesetzes mit der Mündlichkeit bescheinigte.931 Etwas anderes galt zwar für das Gemeine Recht, wo die Antworttrennung es den Parteien unmöglich machte, irgendein Angriffs- oder Verteidigungsmittel zu staffeln. Der Vorwurf, die Mündlichkeit der Verhandlung zu gefährden, ging am schriftlichen Verfahren des Gemeinen Rechts aber ohnehin vorbei. Mit der Mündlichkeit der Verhandlung läßt sich also nicht die Antworttrennung, sehr wohl aber die Beweistrennung in Einklang bringen. Hinsichtlich des Vorwurfes, ein Ausschluß kraft Gesetzes könne das rechtliche Gehör gefährden, bleibt zu bemerken, daß es für ein gerechtes Urteil ausreicht, den Parteien genau einmal Gelegenheit zu geben, ihre gleichstufigen Angriffs- und Verteidigungsmittel vorzubringen, so daß selbst ein Ausschluß kraft Gesetzes durch eine Antworttrennung nicht gegen Art. 103 Abs. 1 GG verstieße.932 Eine Abkehr vom Ausschluß kraft Richterspruchs und eine Rückkehr zum Ausschluß kraft Gesetzes kann deshalb befürwortet werden. Die Ausschlußvorschriften der ZPO sollten nach dem eben Gesagten im wesentlichen dem Vorbild der HPO folgen. II. Die Ausgestaltung der Ausschlußvorschriften im besonderen 1. Der Verfahrensgang

In der mündlichen Verhandlung des ersten Verfahrens, der Tatsachenverhandlung, sollen die Parteien ihre Behauptungen vorbringen. Anders als nach der HPO sollen sie dabei auch ihre Beweise nicht nur erfrühen dürfen,933 sondern

928

Vgl. oben S. 53 f., 56 f. Vgl. oben S. 61 (dort insbesondere Fn. 327). 930 So i. E. auch schon die Mot.CPO, S. 16 (oben Fn. 326 a. E.). 931 Vgl. oben S. 57. 932 Vgl. BVerfG E 54, 117, 123 f.; ähnl. schon die Mot.HPO, S. 5, und von Bar, S. 7; abwägend Leipold, ZZP 97, 395, 398 ff. 933 Vgl. oben S. 54. 929

A. Die Neufassung der Ausschlußvorschriften

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erfrühen müssen. Durch diese zwingende Beweiserfrühung kann ein vorbereitendes Verfahren für die mündliche Verhandlung des zweiten Verfahrens, wie es die § 217 Abs. 2HPO vorsahen,934 und ein besonderer Termin zum Beweisantritt, wie er gem. § 233HPO i. d. R. stattfand,935 erspart und somit das Verfahren im ganzen beschleunigt werden. Außerdem erhalten die Parteien bereits Gelegenheit, die Aussichten ihrer Behauptungen und Beweise zeitig einzuschätzen, um sie ggf. gar nicht erst in die mündliche Verhandlung einzuführen. Vgl. die Tatsachenverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Nachdem Isegrim in seinem vorbereitenden Schriftsatz vom 10. März 1901 mitgeteilt hatte, daß er gegen die Glaubwürdigkeit des Zeugen Dachs dessen Vorstrafe einwenden wolle, brachte Reineke die Stundungsbehauptung samt Zeugenbeweis in der Tatsachenverhandlung bereits nicht mehr vor.936

Einer Überladung der Tatsachenverhandlung durch die Beweiserfrühung ist dabei nicht zu befürchten,937 wenn man hinsichtlich der Beweise ausnahmsweise eine Bezugnahme auf die vorbereitenden Schriftsätze gestattet, so daß eine ausführliche Erörterung einzelner Beweise nur in Zweifelsfällen nötig wird. Diese Einschränkung der Mündlichkeit ist gerechtfertigt, weil die ausdrückliche Benennung der Beweismittel i. d. R. keine Bereicherung der mündlichen Verhandlung darstellt und weil erhebliche Beweiseinreden nur selten vorkommen. Grundsätzlich soll aber die Mündlichkeit der Verhandlung nicht durch Bezugnahmen auf Schriftsätze ersetzt werden, sondern in einer Erörterung des Rechtsstreits tatsächlich stattfinden. Vgl. die Tatsachenverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Isegrim begründete die Klage des Wolf nicht durch Bezugnahme, sondern durch Wiedergabe der Klageschrift vom 1. Februar 1901 und des letzten vorbereitenden Schriftsatzes vom 1. April 1901.

Nach dem Schluß der Tatsachenverhandlung soll das Gericht dann ein Beweisurteil erlassen. Das Beweisurteil soll im wesentlichen eine Formel enthalten, die die Beweissätze und -lasten bestimmt und die Beweisantritte feststellt, ferner einen Tatbestand, der den Sach- und Streitstand wiedergibt, jedoch keine Entscheidungsgründe, da sie dem Endurteil vorbehalten bleiben. Ebenfalls dem Endurteil vorbehalten bleiben soll die Entscheidung über Kosten und Vollstreckbarkeit. Das Beweisurteils unterscheidet sich also insbesondere dadurch vom heutigen Beweisbeschluß gem. §§ 358, 359, daß es auch die unbestrittenen Behauptungen aufnimmt, und vom heutigen Endurteil gem. §§ 300, 313, daß es auch die Beweisangebote der Parteien wiedergibt.

934 935 936 937

Vgl. oben S. 103. Vgl. oben S. 55. Vgl. dagegen oben Fn. 114. Dies befürchtend die Mot.HPO, S. 160.

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4. Teil: Neufassung der ZPO

Vgl. das Beweisurteil des Zweiten Fallbeispiels: Die Formel des Beweisurteils ähnelt einem Beweisbeschluß, wie er im Ersten Fallbeispiel zu verkünden gewesen wäre. Der Tatbestand des Beweisurteils entspricht in Inhalt und Aufbau dem des Endurteils im Ersten Fallbeispiel.

Das Gericht soll das Beweisurteil regelmäßig bereits im Termin zur Tatsachenverhandlung verkünden, ausnahmsweise aber auch erst in einem besonderen Termin, der in der Tatsachenverhandlung zu bestimmen ist und nicht mehr als zwei Wochen über den Schluß der Tatsachenverhandlung hinaus angesetzt werden soll. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Mangels ausreichender Vorbereitung der mündlichen Verhandlung konnte das Gericht in der Tatsachenverhandlung noch kein Beweisurteil verkünden. Es war daher gezwungen, einen besonderen Verkündungstermin zu bestimmen.938

Bei der Verkündung des Beweisurteils bestimmt das Gericht auch den Termin zur Beweisverhandlung. Er soll nicht mehr als zwei Wochen über die Verkündung des Beweisurteils hinaus angesetzt werden. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Das Gericht bestimmte in der Tatsachenverhandlung einen besonderen Termin zur Verkündung des Beweisurteils auf den 22. Mai 1901 und einen Termin zur Beweisverhandlung innerhalb der darauf folgenden zwei Wochen auf den 5. Juni 1901.

Aufgrund des Beweisurteils soll das Gericht dann für die Beweisbeschaffung sorgen, also etwa Zeugen und Sachverständige laden. So vermeidet die zwingende Beweiserfrühung auch eine Aufspaltung des zweiten Verfahrens in einen Termin zum Beweisantritt und einen Termin zur Beweisaufnahme und -ausführung, wie sie nach der HPO wohl üblich war.939 Vgl. den Verkündungstermin des Zweiten Fallbeispiels: Nachdem das Gericht das Beweisurteil verkündet hatte, lud der Vorsitzende den Zeugen Hase und den Sachverständigen Storch.

In der mündlichen Verhandlung des zweiten Verfahrens, der Beweisverhandlung, sollen die Parteien dann ihre Behauptungen beweisen. Die Beweisverhandlung erschöpft sich wegen der zwingenden Beweiserfrühung in der Tatsachenverhandlung jedoch regelmäßig in der Beweisaufnahme und -ausführung. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Gegenstand der Beweisverhandlung war im wesentlichen die Vernehmung des Zeugen Hase und des Sachverständigen Storch.

Am Schluß der Beweisverhandlung soll das Gericht schließlich das Endurteil erlassen. Es soll im wesentlichen eine Formel enthalten, die über den Klaganspruch entscheidet, keinen Tatbestand, weil es sich insofern auf das Beweisurteil beziehen kann, aber Entscheidungsgründe, die auch das Beweisergebnis um938 Zur Frist zwischen dem Schluß der Tatsachenverhandlung und dem Verkündungstermin vgl. sogleich unten S. 166. 939 Vgl. oben S. 55.

A. Die Neufassung der Ausschlußvorschriften

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fassen. Es unterscheidet sich also vom heutigen Endurteil gem. §§ 300, 313 nur durch die Ersparung des Tatbestandes. Vgl. das Endurteil des Zweiten Fallbeispiels: Die Formel des Endurteils entpricht der des Endurteils im Ersten Fallbeispiel, ebenso die Entscheidungsgründe. Betrachtet man Beweisurteil und Endurteil des Zweiten Fallbeispiels im Zusammenhang und vergleicht es mit dem Endurteil im Ersten Fallbeispiel, dann wird deutlich, daß die hier vorgeschlagene Beweistrennung dem Gericht keine erheblichen neuen Lasten aufbürdet. Vielmehr sind die Urteile des Zweiten Fallbeispiels sogar kürzer, weil sie durch den Ausschluß der Aufrechnungseinrede als neuem Verteidigungsmittel und die Bündelung der Beweisaufnahme in der Beweisverhandlung weniger tatsächliche und rechtliche Ausführungen beinhalten.

Das Endurteil soll ähnlich dem Beweisurteil wiederum regelmäßig bereits im Termin zur Beweisverhandlung verkündet werden, ausnahmsweise auch erst in einem besonderen Termin, der in der Beweisverhandlung zu bestimmen ist und nicht mehr als zwei Wochen über den Schluß der Beweisverhandlung hinaus angesetzt werden soll. Vgl. das Endurteil des Zweiten Fallbeispiels: Nachdem der Sachverhalt durch das Beweisurteil sicher festgestellt war und es nur noch der Vernehmung des Zeugen Hase und des Sachverständigen Storch bedurfte, konnte das Gericht bereits im Termin zur Beweisverhandlung das Endurteil verkünden.

Die Gliederung des Verfahrens in einen Abschnitt der Behauptung und einen Abschnitt des Beweises soll schließlich ausnahmsweise entfallen dürfen, wenn die Behauptungen und Beweise gemeinsam in einem einzigen Termin verhandelt werden können. In diesem Falle erläßt das Gericht statt eines Beweis- und eines Endurteils nur ein Endurteil nach Maßgabe des heutigen § 313.

2. Die Ausschlußvorschriften

Mit dem Schluß der Tatsachenverhandlung sollen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, und zwar sowohl Behauptungen als auch Beweise, kraft Gesetzes ausgeschlossen sein. Das Beweisurteil bindet das Gericht und die Parteien deshalb sowohl hinsichtlich seiner Formel als auch hinsichtlich seines Tatbestandes i. S. d. des heutigen § 318.940 Vgl. die Beweisverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Die Behauptung des Fuchs, lediglich siebenhundert Mark als Darlehen, die restlichen dreihundert Mark jedoch als Schadensersatz erhalten zu haben, und die Beweiseinrede, die Darlehensurkunde des Wolf sei falsch, konnten in der Beweisverhandlung grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden.

940 Eine Erstreckung der materiellen Rechtskraft auf den gesamten Tatbestand geht damit allerdings nicht einher; vgl. hierzu Zeiss9, Rn. 572 ff.

158

4. Teil: Neufassung der ZPO

Von diesem Grundsatz gebieten allerdings Zweckmäßigkeit und Billigkeit des Verfahrens zwei Ausnahmen: Zum einen soll verspätetes Vorbringen dann noch beachtet werden, wenn es sofort verhandelt werden kann, weil dann das Verfahren nicht verzögert wird. Dies kann alle Angriffs- und Verteidigungsmittel betreffen, die nach allgemeinen Grundsätzen von der verspäteten Partei bewiesen941 oder beigebracht werden müssen, d.h. alle Behauptungen und selbständigen Gegenbehauptungen. Sie sollen im Zweifel als bestritten gelten, so daß sogleich Beweis zu erheben ist. Dagegen kann es solche Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht betreffen, die nach allgemeinen Grundsätzen die nicht verspätete Partei oder das Gericht zum Beweis bzw. zur Beibringung verpflichten, d.h. alle einfachen Gegenbehauptungen. Hier wird nämlich i. d. R. kein Beweismittel gegenwärtig sein, so daß die Verhandlung vertagt werden müßte. Diese Beschränkung der einfachen Gegenbehauptungen erscheint auch deshalb nicht unbillig, weil die Parteien zwar gewisse Gründe haben mögen, bestimmte Einreden zurückzuhalten, aber doch von Anfang an wissen sollten, ob sie die Behauptungen des Gegners bestreiten wollen oder nicht. Vgl. die Beweisverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Fuchs bestritt u. a. die Echtheit der vorgelegten Darlehensurkunde, für die Wolf nach allgemeinen Grundsätzen die Beweislast trug. Zur Beiziehung eines Schriftsachverständigen hätte es aber einer Vertagung der Verhandlung bedurft. Das Bestreiten des Fuchs mußte deshalb ausgeschlossen bleiben.

Zum anderen soll verspätetes Vorbringen auch dann noch beachtet werden, wenn die Partei glaubhaft macht, daß ein Restitutionsgrund i. S. d. § 580 vorliege.942 Mit dieser besonderen Wiedereinsetzung soll verhindert werden, daß ein Endurteil gefällt wird, das aufgrund einer Restitutionsklage wieder aufgehoben werden muß. Die Glaubhaftmachung erscheint dabei v. a. erforderlich, um Restitutionsgründe nicht vorschnell behaupten zu lassen. Dies gilt im Hinblick auf § 156 StGB vor allem für falsche Versicherungen an Eides Statt. Vgl. die Beweisverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Die Unechtheit der Darlehensurkunde hätte einen Restitutionsgrund gem. § 580 Nr. 2 dargestellt. Reineke hätte als Mittel zur Glaubhaftmachung allerdings nur eine Versicherung an Eides Statt durch Fuchs zur Verfügung gestanden. Nachdem das Gericht sich von der Echtheit der Darlehensurkunde überzeugt und auf die Strafbarkeit gem. § 156 StGB nochmals ausdrücklich hingewiesen hatte, verzichtete Fuchs auf eine Versicherung an Eides Statt, weil sie offenbar falsch gewesen wäre. Dadurch konnte das Gericht den Rechtsstreit noch im selben Termin erledigen.

941 Zum allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung vgl. Zeiss9, Rn. 462 m. w. N. 942 Ähnlich jetzt auch § 156 Abs. 2N02.

B. Die Neufassung des vorbereitenden Verfahrens

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Hat sich das Gericht hingegen ausnahmsweise vom Vorliegen eines Restitutionsgrundes überzeugt, so wird es erneut in eine Tatsachenverhandlung eintreten und ein Beweisergänzungsurteil erlassen müssen.

B. Die Neufassung des vorbereitenden Verfahrens Das Verhältnis zwischen mündlicher Verhandlung und vorbereitendem Verfahren läßt sich leicht überspitzt wie folgt beschreiben: Nach dem Beibringungsgrundsatz ist es Aufgabe der Parteien, den Sachverhalt vorzutragen, und Aufgabe des Gerichts, den Rechtsstreit zu entscheiden.943 Ort dieses Geschehens ist die mündliche Verhandlung. Da die Parteien aber bereits über den Sachverhalt nur selten einig sind, ergibt er sich erst aus der Zusammenschau ihrer Behauptungen und Beweise. Die Parteien werden also zunächst miteinander ringen, bis sämtliche Angriffs- und Verteidigungsmittel bekannt sind. Ort dieses Geschehens ist das vorbereitende Verfahren.944 Die Teilnahme des Gerichts an der mündlichen Verhandlung ist darum ein denknotwendiges Muß, die Teilnahme am vorbereitenden Verfahren dagegen eine Vergeudung seiner Arbeitskraft. Eine Neufassung des vorbereitenden Verfahrens der ZPO sollte deshalb um eine Abkehr vom Amtsbetrieb und eine Rückkehr zum Parteibetrieb bemüht sein. Die Verantwortung für das vorbereitende Verfahren läge damit im wesentlichen bei den Parteien, die Verantwortung für die mündliche Verhandlung dagegen im wesentlichen beim Gericht. Das Gericht würde so von einem bedeutenden Teil der heute verlangten Verfahrensleitung befreit und könnte sich wieder der eigentlichen Rechtsfindung widmen. Mit eben diesem Ziel wies auch schon die BPO das vorbereitende Verfahren den Parteien zu und ließ das Gericht sich erst in der mündlichen Verhandlung mit der Sache befassen. Solange der Parteibetrieb währt, mag sich das Verfahren dann auch beliebig in die Länge ziehen, weil noch keine Belange der Allgemeinheit berührt sind. Sobald aber der Amtsbetrieb einsetzt, muß das Verfahren schleunig zum Ende kommen, weil die Arbeitskraft des Gerichts nicht vergeudet werden darf. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage, wie lange ein Rechtsstreit auf seine Erledigung warten mußte, wäre danach nicht mehr der Beginn des vorbereitenden Verfahrens, sondern der Eintritt in die mündliche Verhandlung. In Anlehnung an HPO und BPO ergibt sich daraus für eine Neufassung der ZPO folgendes vorbereitende Verfahren:

943 944

Vgl. oben S. 30. Vgl. ähnlich schon oben S. 100.

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4. Teil: Neufassung der ZPO

I. Das vorbereitende Verfahren 1. Der Gang des vorbereitenden Verfahrens

a) Das regelmäßige Verfahren Das vorbereitende Verfahren soll sich in einem Schriftwechsel der Parteien erschöpfen. Dabei erscheint es ebenso billig wie zweckmäßig, wenn grundsätzlich die Parteien über die Dauer des Schriftwechsels entscheiden. Haben sie keine Eile, dann mögen sie den Schriftwechsel entsprechend ausdehnen. Dringt eine Seite aber auf ein Urteil, dann muß sie den Schriftwechsel so schnell wie möglich beenden können. Die Schriftsätze sollen deshalb innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Frist von regelmäßig zwei Wochen dem Gegner zugestellt und bei Gericht eingereicht werden. Zustellungen müssen, Einreichungen können im Auftrag der Parteien durch Gerichtsvollzieher vorgenommen werden. Alle Zustellungsfristen sollen zu Notfristen i. S. d. § 224 Abs. 1 S. 2 bestimmt werden, so daß verspätete Schriftsätze gem. § 230 nicht mehr zugestellt werden können. Auf diese Weise sind Parteien, die den Schriftwechsel so schnell wie möglich beenden wollen, davor geschützt, daß der Gegner ihn unnötig ausdehnt. Dagegen können Parteien, die eine Frist ohne ihr Verschulden versäumen, gem. §§ 233 ff. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen, abweichend von § 234 Abs. 1 allerdings nur binnen drei Tagen. Um dem Gericht die Überprüfung der Versäumung zu ermöglichen, soll mit den Schriftsätzen stets auch eine Bescheinigung über deren Zustellung eingereicht werden. Am Anfang des Schriftwechsels steht die Klageschrift. In der Klageschrift muß der Kläger seine Anträge und den Klagegrund angeben sowie seine Angriffsmittel mitteilen. Außerdem muß er den Beklagten auffordern, einen Rechtsanwalt zu bestellen, binnen zwei Wochen eine Verteidigungsanzeige i. S. d. des heutigen § 276 Abs. 1 S. 1 abzugeben und ggf. auf die Klage zu erwidern. Unterläßt der Kläger eine Aufforderung, so gelten alle darauf beruhenden Versäumungen des Beklagten als unverschuldet, und ihre Kosten fallen dem Kläger zur Last. I. ü. ist mit der Zustellung der Klageschrift die Klage erhoben, und die Sache wird rechtshängig. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Isegrim ließ die Klageschrift des Wolf am 1. Februar 1901 dem Fuchs zustellen und bei Gericht einreichen. Die Klage wurde damit rechtshängig, so daß Wolf von Fuchs zusätzlich zum Hauptanspruch Rechtshängigkeitszinsen gem. § 291 BGB seit dem 1. Februar 1901 hätte verlangen können.

Die Verteidigungsanzeige soll allerdings anders als nach heutigem Recht nicht gegenüber dem Gericht, sondern gegenüber dem Kläger abgegeben werden, um das Gericht auch insofern nicht mit dem vorbereitenden Verfahren zu belasten. Versäumt der Beklagte die Verteidigungsfrist, dann kann der Kläger

B. Die Neufassung des vorbereitenden Verfahrens

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den Erlaß eines Versäumnisurteils i. S. d. heutigen § 331 Abs. 3 beantragen, wobei vor einem Mißbrauch insbesondere § 263 StGB schützt. Hat der Beklagte aber seinen Verteidigungswillen angezeigt, dann soll er durch eine Klagebeantwortung auf die Klage erwidern, in der er ebenfalls seine Anträge sowie seine Verteidigungsmittel mitteilen soll. Zur Zustellung der Klagebeantwortung wird dem Beklagten eine längere Frist von einem Monat gewährt. Diese Ausnahme vom Grundsatz der Zweiwochenfrist wird durch die Überlegung gerechtfertigt, daß der Kläger vor Erhebung der Klage beliebig viel Zeit hatte, um seine Angriffsmittel zu sammeln, so daß es den Beklagten benachteiligen könnte, zur Beantwortung der Klage eine nur zweiwöchige Frist zu gewähren. Allerdings ist diese einmonatige Frist auch so ausreichend, daß eine weitere Verlängerung nicht gestattet werden darf. Zieht man nämlich in Betracht, daß bereits die HPO im Jahre 1850,945 die BPO im Jahre 1869946 und die ZPO im Jahre 1877947 Fristen zur Beantwortung der Klage von zwei Wochen bis zu einem Monat für genügend hielten, dann kann im Hinblick auf die heutigen Nachrichtenmittel keine längere Frist nötig sein. Mit der Zustellung der Klagebeantwortung soll das vorbereitende Verfahren regelmäßig enden. Die Parteien können darüber hinaus jedoch noch beliebig viele Schriftsätze wechseln. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Auf die Klagebeantwortung des Reineke vom 28. Februar 1901 erwiderte Isegrim einen weiteren vorbereitenden Schriftsatz am 10. März 1901, also innerhalb der regelmäßigen Frist von zwei Wochen.

Wollen sie schließlich in die mündliche Verhandlung eintreten, dann sollen sie das Gericht um die Bestimmung eines Termins und um die Ladung zur Verhandlung bitten. I.d.R. soll sich das Gericht also erst jetzt zum ersten Mal mit dem Rechtsstreit befassen. Bei der Bitte der Parteien um einen Termin ist allerdings ihr Streit um das letzte Wort948 zu beachten: Das letzte Wort versinnbildlicht den rechtlichen Vorteil, den eine Partei errungen hat, wenn ihr Gegner nicht mehr erwidern kann. In der mündlichen Verhandlung kann dieser rechtliche Vorteil das Obsiegen im Rechtsstreit bedeuten. Im vorbereitenden Verfahren bedeutet er zumindest, daß jede gegnerische Erwiderung erst in der mündlichen Verhandlung erfolgen wird und somit als überraschendes Vorbringen gezeichnet ist. Die Parteien dürfen also nicht in die Lage versetzt werden, mit ihrer Bitte um einen Termin ihrem Gegner das letzte Wort abzuschneiden. Deshalb soll diejenige Partei zur Bitte um den Termin nicht berechtigt sein, die den jeweils letzten Schriftsatz hat zustellen lassen, sondern nur diejenige Partei, die den jeweils vorletzten Schriftsatz hat zustellen lassen. 945 946 947 948

Vgl. Vgl. Vgl. Vgl.

oben S. 102. oben S. 107. oben S. 112. schon oben S. 127 sowie Fn. 855.

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4. Teil: Neufassung der ZPO

Vgl. das Erste Fallbeispiel: Nachdem ihm die Klagebeantwortung des Fuchs am 28. Februar 1901 zugestellt worden war, hätte Wolf einen Termin erbitten können, da seine Klageschrift vom 1. Februar 1901 den vorletzten Schriftsatz darstellte. Für Wolf war das letzte Wort aber noch nicht gesprochen, weshalb er am 10. März 1901 auf die Klagebeantwortung mit einem weiteren vorbereitenden Schriftsatz erwiderte, so daß nun wiederum Fuchs einen Termin hätte erbitten können.

Dies soll jedoch dann nicht gelten, wenn eine Partei eine Zustellungsfrist versäumt. Vielmehr soll in diesem Falle nach Ablauf der dreitägigen Wiedereinsetzungsfrist auch die Partei des letzten Wortes einen Termin erbitten können. Anderenfalls könnte die säumige Partei das Verfahren zum Stillstand bringen, indem sie weder um einen Termin bäte noch einen Schriftsatz zustellen ließe. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Nachdem Isegrim am 10. März 1901 einen vorbereitenden Schriftsatz des Wolf bei Reineke hatte zustellen lassen, hätte Fuchs bis zum 24. März 1901 mit einem weiteren vorbereitenden Schriftsatz antworten können. Eine Antwort des Fuchs blieb jedoch aus, und auch die Frist zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand endete am 27. März 1901 ungenutzt. Unabhängig von der Frage, ob Fuchs einen vorbereitenden Schriftsatz zustellen lassen oder einen Termin erbitten wollte, war Wolf nun zur Bitte um einen Termin berechtigt.

Die Bitte um einen Termin soll durch einen letzten vorbereitenden Schriftsatz erfolgen, in dem die Partei den Inhalt ihrer bisherigen vorbereitenden Schriftsätze zusammenfaßt. Während es im vorbereitenden Verfahren den Parteien freigestellt werden kann, wie viele Schriftsätze sie wechseln, muß nämlich beim Eintritt in die mündliche Verhandlung dafür gesorgt sein, daß sich das Gericht nicht in eine Vielzahl von Schriftsätzen vertiefen muß. Darum soll auch diejenige Partei, die den Termin nicht erbeten hat, einen letzten vorbereitenden Schriftsatz zustellen lassen. Angriffs- und Verteidigungsmittel, die erstmalig in einem letzten vorbereitenden Schriftsatz erwähnt werden, gelten als nicht mitgeteilt, wobei die Beweislast für eine frühere Mitteilung die mitteilende Partei trifft. Der Beweis einer früheren Mitteilung kann nur durch ihre vorbereitenden Schriftsätze geführt werden. Unnötig ist die Zusammenfassung der bisherigen Mitteilungen allerdings dann, wenn die Parteien jeweils nicht mehr als zwei vorbereitende Schriftsätze haben zustellen lassen. In diesem Falle soll die Partei, die um einen Termin bittet, in ihrem letzten vorbereitenden Schriftsatz auf ihre bisherigen Schriftsätze verweisen, und der Partei, die nicht um den Termin bittet, die Zustellung eines letzten vorbereitenden Schriftsatzes erlassen sein. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Isegrim bat durch letzten vorbereitenden Schriftsatz vom 1. April 1901 um einen Termin. Da er bisher nur die Klageschrift vom 1. Februar 1901 und einen weiteren vorbereitenden Schriftsatz am 10. März 1901 hatte zustellen lassen, konnte er in seinem letzten vorbereitenden Schriftsatz darauf Bezug nehmen. Da Reineke bisher ebenfalls nur seine Klagebeantwortung zustellen lassen hatte, war ihm ein letzter vorbereitender Schriftsatz erlassen.

B. Die Neufassung des vorbereitenden Verfahrens

163

Auf die entsprechende Bitte bestimmt das Gericht dann binnen vierundzwanzig Stunden einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf nicht weiter als einen Monat hinaus und lädt die Parteien zur Verhandlung. Vgl. das Erste Fallbeispiel: Nach der Einreichung eines letzten vorbereitenden Schriftsatzes durch Isegrim am 1. April 1901 bestimmte das Gericht noch am selben Tage einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 25. April 1901.

b) Das beschleunigte Verfahren Eine Ausnahme vom regelmäßigen Verfahren soll dann möglich sein, wenn der Kläger die Sache für so einfach oder gar unstreitig hält, daß er sie ohne besondere Vorbereitung für sofort zu erledigen hält. In diesem Fall kann er das Gericht bereits in der Klageschrift um einen sofortigen Termin zur mündlichen Verhandlung bitten.949 Die Aufforderung an den Beklagten zur fristgemäßen Klagebeantwortung und zur Bestellung eines Rechtsanwaltes kann dabei unterbleiben. Die Klageschrift soll jedoch einen Hinweis an den Beklagten enthalten, daß das Gericht ihn zum sofortigen Termin laden werde. Auf die Bitte des Klägers setzt das Gericht den sofortigen Termin dann wiederum binnen vierundzwanzig Stunden und lädt die Parteien zur Verhandlung. Die Frist zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin soll hier jedoch nicht mehr als zwei Wochen betragen. Erscheint eine der beiden Parteien nicht, dann ergeht Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch nur begründet ist, wenn die säumige Partei glaubhaft macht, daß ihre Versäumung unverschuldet war. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: In der Klageschrift vom 1. Februar 1901 beantragte Isegrim die Bestimmung eines sofortigen Termins und wies Fuchs auf die zu erwartende Ladung durch das Gericht hin. Am 2. Februar 1901 bestimmte daraufhin der Vorsitzende den sofortigen Termin auf den 15. Februar 1901 und lud die Parteien zur Verhandlung.

Im sofortigen Termin ist der Beklagte vom Anwaltszwang befreit. Ist die Sache nämlich wirklich so einfach oder gar unstreitig, wie der Kläger glaubte, dann kann die Bestellung eines Rechtsanwaltes erspart werden. Das Gericht führt die Parteien zunächst in den Sach- und Streitstand ein, ermittelt dann das Vorliegen etwaiger Verfahrensmängel nach Maßgabe der heutigen §§ 504, 39 S. 2 und fordert schließlich den Beklagten zur Erklärung auf, ob er sich gegen die Klage verteidigen wolle. Verneint er, dann ergeht Anerkenntnisurteil, bejaht er, dann beendet das Gericht den sofortigen Termin und verweist die Sache zum weiteren Schriftwechsel. Vgl. den sofortigen Termin des Zweiten Fallbeispiels: Das Gericht wandte sich zunächst der Behauptung des Fuchs zu, er habe mit Wolf eine Schiedsvereinbarung getroffen. Fuchs zog die Behauptung jedoch mangels Beweisen zurück. 949

Zum Gedanken eines sofortigen Termins vgl. bereits oben S. 117.

164

4. Teil: Neufassung der ZPO

I. ü. war Isegrim offensichtlich zu Unrecht davon ausgegangen, die Sache sei zur Erledigung im sofortigen Termin geeignet. Tatsächlich zeigte Fuchs sich nämlich zur Verteidigung entschlossen, so daß das Gericht den sofortigen Termin ohne Ergebnis schließen mußte.

In diesem Fall sollen die Parteien ihre Anträge erst in der Tatsachenverhandlung stellen, um dem Beklagten den Rat eines Rechtsanwaltes zu gewähren. Daher gibt der Vorsitzende dem Beklagten auf, einen Rechtsanwalt zu bestellen und fristgemäß eine Klagebeantwortung zustellen zu lassen. Die Frist zur Zustellung der Klagebeantwortung soll nicht mehr als zwei Wochen seit dem sofortigen Termin betragen. Da der Beklagte sich zur Verteidigung gegen die Klage bereits entschlossen hat, reicht dies zur Zustellung der Klagebeantwortung aus. Vgl. den sofortigen Termin des Zweiten Fallbeispiels: Der Vorsitzende forderte Fuchs auf, einen Rechtsanwalt zu bestellen und binnen zwei Wochen nach dem sofortigen Termin eine Klagebeantwortung zustellen zu lassen. Ihre Anträge stellten die Parteien hingegen erst in der Tatsachenverhandlung.

Das vorbereitende Verfahren findet ausschließlich vor der Tatsachenverhandlung statt. Eines vorbereitenden Verfahrens auch vor der Beweisverhandlung bedarf es wegen der zwingenden Beweiserfrühung nicht. 2. Vorbereitende Maßnahmen der Parteien und des Gerichts

Die vorbereitenden Maßnahmen der Parteien bestehen in der Zustellung ihrer Schriftsätze. Für den Inhalt der Schriftsätze sollen weiterhin die §§ 129, 130 gelten. Sie haben sich im Verfahren nach der ZPO und in ähnlicher Gestalt auch schon im Verfahren nach der HPO und der BPO bewährt. Weitergehende Vorschriften wie die des § 277 entfallen, da sie über die Gebote der §§ 129, 130 nicht hinausgehen können, ohne die Mündlichkeit der Verhandlung zu gefährden. Vorbereitende Maßnahmen des Gerichts finden dagegen nicht statt. Insbesondere der Vorbereitung einer Beweisaufnahme oder der Durchführung einer vorterminlichen Beweisaufnahme gem. §§ 273, 358a bedarf es nicht, weil die Beweistrennung sie für die Tatsachenverhandlung überflüssig macht bzw. weil das Gericht sie für die Beweisverhandlung aufgrund des Beweisurteils verfügt. Auch die Ausübung des Fragerechts und der Hinweispflicht des Gerichts vor der Eröffnung der mündlichen Verhandlung erscheint nach den Erfahrungen der HPO überflüssig.

B. Die Neufassung des vorbereitenden Verfahrens

165

II. Maßregeln gegen mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Als Maßregel gegen mangelnde Vorbereitung der mündliche Verhandlung lassen sich weder der Ausschluß von Angriffs- und Verteidigungsmitteln noch die Verhängung von Kostenstrafen anwenden. Wie erwähnt können Kostenstrafen Verzögerungen des Verfahrens nämlich nicht wirksam verhindern und führen obendrein zu Benachteiligungen der armen Parteien.950 Der Ausschluß eines überraschend vorgebrachten Angriffs- oder Verteidigungsmittels verletzt dagegen nicht nur die Mündlichkeit der Verhandlung, sondern entzieht der überraschend vorbringenden Partei außerdem das rechtliche Gehör. Als Ausweg bietet sich jedoch der nachgelassene Schriftsatz an. Läßt man ein überraschendes Angriffs- oder Verteidigungsmittel nämlich zu und gibt der überraschten Partei Gelegenheit, ihre Antwort in einem nachgelassenen Schriftsatz abzugeben, dann sind sowohl die Mündlichkeit der Verhandlung als auch das rechtliche Gehör der überraschenden Partei gewahrt. Berührt wird die Mündlichkeit der Verhandlung zwar insofern, als nun die überraschte Partei ihre Antwort schriftlich vorbringen muß. Das überraschende Angriffs- oder Verteidigungsmittel kann in der mündlichen Verhandlung aber bereits so weit erörtert werden, daß die überraschte Partei ihre Antwort ohne Nachteile verfassen kann. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß der nachgelassene Schriftsatz im vorgeschlagenen Verfahren mit Beweistrennung und -erfrühung erheblich nützlicher ist als im heutigen Verfahren mit Beweisverbindung. Im heutigen Verfahren gilt: Gesteht die überraschte Partei zu, dann kann das Gericht ein Endurteil erlassen. Leugnet sie dagegen mit einer einfachen Gegenbehauptung, dann muß das Gericht Beweis aufnehmen. Leugnet sie schließlich mit einer selbständigen Gegenbehauptung, dann muß das Gericht die mündliche Verhandlung wiedereröffnen, um nun der überraschten Partei rechtliches Gehör zu gewähren.951 Nur im Falle eines Geständnisses952 kann der nachgelassene Schriftsatz also zum Endurteil führen und so das Verfahren wirklich beschleunigen. Im vorgeschlagenen Verfahren kann der nachgelassene Schriftsatz dagegen zunächst nur in der Tatsachenverhandlung vorkommen, weil in der Beweisverhandlung neues Vorbringen überhaupt ausgeschlossen ist. Ziel der Tatsachenverhandlung aber ist das Beweisurteil. Also gilt: Gesteht die überraschte Partei zu, dann kann das Gericht das Beweisurteil, im günstigsten Fall sogar das Endurteil erlassen. Leugnet sie mit einer einfachen Gegenbehauptung, dann kann das Gericht eben950

Zur Frage der Kostenstrafen vgl. schon oben S. 39. Vgl. oben S. 128. Daß der nachgelassene Schriftsatz auch dazu dienen kann, bereits vorgebrachte Angriffs- und Verteidigungsmittel lediglich in tatsächlicher Hinsicht zu ergänzen, soll hier außer Betracht bleiben. 952 Vgl. oben Fn. 773. 951

166

4. Teil: Neufassung der ZPO

falls das Beweisurteil erlassen. In beiden Fällen kann der nachgelassene Schriftsatz also eine Vertagung der Tatsachenverhandlung verhindern. Leugnet die überraschte Partei allerdings mit einer selbständigen Gegenbehauptung, dann muß das Gericht der überraschenden Partei noch einmal rechtliches Gehör gewähren. Wie sich dies ohne Verzögerung des Verfahrens bewerkstelligen läßt, wird das Zweite Fallbeispiel zeigen. Auf überraschendes Vorbringen in der Tatsachenverhandlung soll der überraschten Partei deshalb nachgelassen werden, in einem Schriftsatz zu erwidern. Auf diesen nachgelassenen Schriftsatz finden hinsichtlich der Fristen, der Zustellung und der Einreichung die Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze entsprechende Anwendung. Vgl. die Tatsachenverhandlung des Zweiten Fallbeispiels: Reineke hatte die Aufrechnung des Fuchs samt dem ihr zugrundeliegenden Sachverhalt nicht durch vorbereitenden Schriftsatz mitgeteilt. In der Tatsachenverhandlung vom 25. April 1901 konnte sich Isegrim deshalb nicht zur Aufrechnung äußern. Das Gericht beschloß darum, Isegrim bis zum 8. Mai 1901 die Zustellung und Einreichung eines Schriftsatzes nachzulassen, in dem Wolf auf die Aufrechnung erwidern konnte.

Das Beweisurteil wird dementsprechend erst in einem besonderen Termin verkündet,953 der bereits in der Tatsachenverhandlung zu bestimmen ist und nicht mehr als zwei Wochen über den Ablauf der Zustellungsfrist hinaus angesetzt werden soll. Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Die Frist zur Einreichung und Zustellung des nachgelassenen Schriftsatzes des Wolf endete am 8. Mai 1901. Der Vorsitzende bestimmte deshalb bereits in der Tatsachenverhandlung vom 25. April 1901 den Termin zur Verkündung des Beweisurteils auf nicht mehr als zwei Wochen über den 8. Mai 1901 hinaus an, nämlich auf den 22. Mai 1901.954

Versäumt die überraschte Partei die Zustellungsfrist, dann kann sie vorbehaltlich einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ihren nachgelassenen Schriftsatz nicht mehr zustellen lassen, und das überraschende Vorbringen gilt als zugestanden. Bringt sie dagegen rechtzeitig eine selbständige Gegenbehauptung vor, dann soll nun auch der überraschenden Partei ein Schriftsatz nachgelassen werden, um ihr rechtliches Gehör zu gewähren. Die Zustellungs- und Einreichungsfrist für diesen nachgelassenen Schriftsatz soll allerdings nur drei Tage betragen. Dies ist mit Rücksicht auf die mangelnde Vorbereitung der mündlichen Verhandlung durch die überraschende Partei billig und mit Rücksicht auf den näherrückenden Termin zur Verkündung eines Beweisurteiles auch zweckmäßig. Im Falle einer Versäumung gilt das zur Versäumung der überraschten Partei Gesagte entsprechend. 953 954

Vgl. oben S. 156. Vgl. schon oben Fn. 938.

C. Ergänzende Überlegungen zum Anwaltsprozeß

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Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Isegrim ließ am 8. Mai 1901 den nachgelassenen Schriftsatz des Wolf bei Reineke zustellen und bei Gericht einreichen. Darin erklärte er u. a. hilfsweise die Wandlung des Kaufvertrages wegen erheblicher Mängel und benannte Storch als möglichen Sachverständigen. Die Behauptung des Fuchs, er habe einen aufrechenbaren Kaufpreisanspruch gegen Wolf, leugnete Wolf also mit einer selbständige Gegenbehauptung, auf die nun wiederum Fuchs rechtliches Gehör zustand. Reineke ließ deshalb am 11. Mai 1901 einen nachgelassenen Schriftsatz des Fuchs bei Isegrim zustellen und bei Gericht einreichen, in dem er u. a. die von Wolf behaupteten Mängel des Fuhrwerks bestritt.

Eines besonderen Beschlusses des Gerichts über die Nachlassung bedarf es nicht. Läßt die überraschende Partei einen Schriftsatz zustellen und einreichen, obwohl keine selbständige Gegenbehauptung zu beantworten ist, oder bringt sie neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor, die in keinem Zusammenhang mit der selbständigen Gegenbehauptung stehen, dann darf das Gericht diese Vorbringen nicht beachten.

C. Ergänzende Überlegungen zum Anwaltsprozeß Eine besondere Schwierigkeit bei der Vertretung durch Rechtsanwälte, wie sie in § 78 Abs. 1 für das Verfahren vor dem Landgericht und allen Gerichten der höheren Rechtszüge vorgeschrieben ist, besteht schließlich in der mangelnden Übereinstimmung zwischen Anwalt und Partei. Dieser Mangel zeigt sich im günstigsten Fall darin, daß sich der allein erschienene Anwalt in der mündlichen Verhandlung zu einer tatsächlichen Frage nicht äußern kann, im ungünstigsten Falle aber darin, daß sich der Anwalt mehr von berufsständischen Überlegungen als von den Belangen seiner Partei leiten läßt. Im ersteren Falle kann die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Partei Abhilfe schaffen. Im zweiten Fall bedarf es hingegen besonderer Verfahrensstrafengegen den pflichtvergessenen Anwalt.

I. Das persönliche Erscheinen der Parteien Während das persönliche Erscheinen der Parteien von der ZPO ursprünglich als Ausnahme betrachtet wurde, haben die bisherigen Neufassungen des Gesetzes es immer stärker zum Regelfall erhoben. So hielt es § 132141 noch für ausreichend, daß das Gericht das Erscheinen einer der beiden Parteien zur Aufklärung des Sachverhaltes anordnen könne. Ein Druckmittel, mit dem das Gericht die Partei zum Erscheinen zwingen konnte, bestand nicht, und selbst die Ladung der Partei lag nach dem allgemeinen Grundsatz des § 191214 beim Gegner. Erst § 141 Abs. 2N09 bestimmte dann die Ladung durch das Gericht, und

168

4. Teil: Neufassung der ZPO

§ 141 Abs. 3N24 gab dem Gericht gegenüber der nicht erschienenen Partei mit Ausnahme der Ordnungshaft dieselben Druckmittel wie gegenüber dem nicht erschienenen Zeugen. Die Neufassung von 1976 bestimmte schließlich, daß der heutige § 141 die Ladung beider Parteien als Regelfall betrachtet. Diese Entwicklung ist zu begrüßen. Gerade die persönliche Anwesenheit der Parteien kann nämlich zur schleunigen Klärung der Dinge beitragen und so insbesondere trotz überraschenden Vorbringens eine Vertagung der mündlichen Verhandlung erheblich besser verhindern als die alleinige Anwesenheit der letztlich doch fremden Rechtsanwälte.955 Vgl. das Zweite Fallbeispiel: Wäre Wolf in der Tatsachenverhandlung erschienen, dann hätten die beiden Schriftsätze der Parteien vom 8. und 11. Mai 1901 wohl nicht nachgelassen werden müssen. Denn obwohl Fuchs seine Aufrechnungseinrede überraschend vorbrachte, hätte Wolf darauf wahrscheinlich unmittelbar antworten können. Desgleichen hätten Wolf und Fuchs ihren Streit um den Kauf des Fuhrwerks sofort so weit ausbreiten können, daß das Gericht das Beweisurteil bereits am Ende der Tatsachenverhandlung hätten verkünden können.

II. Verfahrens- und parteifeindliches Verhalten der Rechtsanwälte Wie die Geschichte der ZPO zeigt, hat berufsständisch bedingtes Fehlverhalten der Rechtsanwälte manchen Mißstand des Verfahrens überhaupt erst verursacht. So haben v. a. Rechtsanwälte die Herrschaft der Parteien über Fristen und Termine mißbraucht, bis der Gesetzgeber den Parteibetrieb schließlich durch einen Amtsbetrieb ersetzte.956 Ebenso haben Rechtsanwälte die Anwendung der früheren §§ 252279, 339374, 398433 bewußt verhindert, indem sie den für einen Ausschluß notwendigen Antrag nicht stellten.957 Besonders ärgerlich waren beide Verhaltensweisen gerade auch für die Parteien, weil die Rechtsanwälte mit der Schonung des feindlichen Standesgenossen ihrem eigenen Mandanten oft Schaden zufügten. Die Möglichkeit der betroffenen Partei, von ihrem Anwalt in einem weiteren Rechtsstreit Schadensersatz zu fordern, ist insofern nicht ausreichend. Zum einen wird der Partei nämlich häufig der Nachweis der Ursächlichkeit der Pflichtverletzung für ihren Schaden nicht gelingen. Und zum anderen dienen die Rechtsanwälte insofern nicht nur ihrer Partei, sondern als deren selbständiges Organ auch der Rechtspflege insgesamt. Daher muß eine unmittelbare Handhabe gegen den pflichtvergessenen Rechtsanwalt geschaffen werden.

955

Vgl. hierzu OLG Stuttgart JZ 1978, 689, 690; Walchshöfer, ZZP 94, 179, 187

a.E f. 956 957

Vgl. oben S. 29. Vgl. oben S. 78.

D. Zusammenfassung des Vierten Teils

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Die Wiedereinführung des grundlos gestrichenen § 102958 und die Feststellung rechtsanwaltlichen Verschuldens im Urteil als besonderer Erlöschenstatbestand für Gebührenansprüche der Rechtsanwälte bzw. als Grundlage für spätere Gewährleistungsansprüche der Partei959 können hier ordnend eingreifen und die Rechtsanwälte zu einem Verhalten zwingen, das ihrer Verantwortung gegenüber den Parteien und dem Gericht genügt.

D. Zusammenfassung des Vierten Teils I.

Der Ausschluß kraft Richterspruchs ist zur Beschleunigung des Verfahrens ungeeignet. Die Erfahrungen der ZPO zeigen, daß im wesentlichen nicht einzelne gesetzgeberische Fehler die Anwendung ihrer Ausschlußvorschriften verhindert, sondern eine allgemeine Abneigung der Gerichte gegenüber Unstimmigkeiten mit Parteien und Rechtsanwälten gepaart mit einer Furcht vor der Beschneidung des sachlichen Rechts.

II. Die ZPO sollte darum zum Ausschluß kraft Gesetzes zurückkehren. Insbesondere das Verfahren nach der HPO kann ihr dabei als Beispiel dienen. Die heutigen §§ 296 Abs. 2, 1. Fall, 282 Abs. 1 müssen dazu neuen Vorschriften über ein Beweisurteil weichen. Die Antwortverbindung bleibt erhalten; an die Stelle der Beweisverbindung tritt jedoch eine Beweistrennung mit zwingender Beweiserfrühung. III. Das vorbereitende Verfahren der ZPO soll grundsätzlich nicht mehr dem Amts- sondern dem Parteibetrieb unterstehen. Das Gericht soll sich mit dem Rechtsstreit erst befassen müssen, wenn die Parteien ihre Angriffsund Verteidigungsmittel rückhaltlos offenlegen können und wollen. IV. Die Parteien sollen deshalb ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in einem vorbereitenden Schriftwechsel mitteilen, dessen Ausdehnung in ihrem Ermessen steht. Nach Abschluß des Schriftwechsels bitten sie das Gericht um Anberaumung eines Termins. Als Abhilfe gegenüber unterlassener Mitteilung ist der nachgelassene Schriftsatz ausreichend. V. Die unter I. bis IV. genannten Ergebnisse und Vorschläge sind geeignet, das Verfahren erheblich zu beschleunigen. So zeigt der Vergleich zwischen dem Ersten und dem Zweiten Fallbeispiel, daß sich derselbe Rechtsstreit statt binnen eines Jahres im Ersten Fallbeispiel binnen gut zwei Monaten960 Zum früheren § 102 vgl. oben S. 88, zu seiner Aufhebung GStJ19, § 102 (oben Fn. 507 a. E.). 959 Ähnlich schon das Gemeine Recht (oben Fn. 158 a. E.). 960 Im Zweiten Fallbeispiel gerechnet von der Einreichung des letzten vorbereitenden Schriftsatzes des Wolf am 1. April 1901 bis zur Verkündung des Endurteils in der Beweisverhandlung am 5. Juni 1901. Zur Berechnung vgl. oben S. 159. 958

170

4. Teil: Neufassung der ZPO

entscheiden läßt. Dabei ist einzuräumen, daß eine Vielzahl von Vertagungen, wie im Ersten Fallbeispiel geschildert, heute kaum mehr vorkommt. Dennoch ergibt sich im Zweiten Fallbeispiel ein Zeitgewinn daraus, daß die Parteien durch die zwingende Beweiserfrühung und den Ausschluß kraft Gesetzes zu schleunigerem und bescheidenerem Vorbringen gehalten sind.

Zweites Fallbeispiel In Sachen Wolf gegen Fuchs: Am 1. Februar 1901 ließ Rechtsanwalt Isegrim eine Klage des Wolf dem Fuchs zustellen und bei der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münchhausen einreichen. Laut Klageschrift verlangte Wolf von Fuchs Zahlung i. H.v. eintausend Mark. Wolf habe Fuchs nämlich am 1. Juli 1900 ein zinsloses Darlehen i. H.v. eintausend Mark gewährt, das zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen gewesen sei. Obwohl Wolf ihn am 15. Januar 1901 sogar gemahnt habe, habe Fuchs den Darlehensbetrag bisher aber nicht zurückgezahlt. Zum Beweis der Darlehensabrede benannte Isegrim die von Wolf aufgesetzte und offenbar von Fuchs unterzeichnete Urkunde, nach der Fuchs von Wolf am 1. Juli 1900 eintausend Mark als zinsloses Darlehen erhalten hatte. Eine Abschrift dieser Urkunde legte er der Klageschrift an. Zum Beweis des Versprechens, das Darlehen zum 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen, wollte Wolf den Bär und den Specht als Zeugen benennen. Mit der Einreichung der Klageschrift bei Gericht beantragte Isegrim die Bestimmung eines sofortigen Termins und die Ladung zum Termin. Die Klageschrift enthielt außerdem den Hinweis an Fuchs, daß das Gericht ihn zum sofortigen Termin laden werde. Der Vorsitzende der 2. Zivilkammer bestimmte daraufhin am 2. Februar 1901 einen sofortigen Termin auf den 15. Februar 1901 und lud die Parteien zum Termin.

Im sofortigen Termin, am 15. Februar 1901, erschienen Wolf mit seinem Verfahrensbevollmächtigten Isegrim sowie Fuchs allein. Der Vorsitzende führte die Parteien in den Sachstand ein und fragte Fuchs, ob er den Anspruch des Wolf anerkenne oder ob und warum er sich gegen die Klage verteidigen wolle. Fuchs antwortete, daß er sich gegen die Klage verteidigen wolle, da die Rückzahlung des Darlehens erst zum 1. Juli 1901 vereinbart worden sei. Vor allem aber habe man sich darauf geeinigt, etwaige Streitigkeiten vor einem Schiedsgericht auszutragen. Er könne deshalb gar nicht verstehen, wieso Wolf nun klage. Das Gericht befragte deshalb Wolf, ob eine Schiedsvereinbarung bestehe, was dieser jedoch verneinte. Dann befragte es Fuchs, ob es Beweise für eine Schiedsvereinbarung gebe, was dieser ebenfalls verneinte. Der Vorsitzende erklärte daraufhin, daß das Gericht unter diesen Umständen vom Bestehen einer Schiedsvereinbarung nicht ausgehen könne. Schließlich nahm Fuchs die Behauptung zurück. I. ü. verzichtete das Gericht im Hinblick auf die notwendige Vernehmung der zu benennenden Zeugen Bär und Specht auf ein sofortiges Endurteil. Der Vorsitzende gab Fuchs auf, einen Verfahrensbevollmächtigten zu bestellen, und wies ihn darauf hin, daß er binnen vierzehn Tagen nach dem sofortigen Termin eine Klagebeantwortung zustellen und niederlegen lassen könne. Dann schloß er den sofortigen Termin.

172

Zweites Fallbeispiel

Am 28. Februar 1901 ließ Rechtsanwalt Reineke die Klagebeantwortung des Fuchs bei Isegrim zustellen und bei Gericht einreichen. Darin teilte Reineke mit, Fuchs werde den Erhalt von siebenhundert Mark als Darlehen zugestehen, zugleich aber behaupten, die Rückzahlung sei erst zum 1. Juli 1901 vereinbart worden. Hilfsweise werde Fuchs behaupten, Wolf habe ihm am 20. Januar 1901 eine Stundung der Rückzahlung bis zum 30. September 1901 gewährt, und dafür Dachs als Zeugen benennen. Auch werde Fuchs den Erhalt von weiteren dreihundert Mark zugestehen, jedoch nicht als Darlehen, sondern als Schadensersatz. Im März 1900 sei nämlich ein Bulle aus der Umzäunung des Wolf aus- und in die Stallungen des Fuchs eingebrochen, wo er erhebliche Verwüstungen angerichtet habe. Am 10. März 1901 ließ Isegrim einen vorbereitenden Schriftsatz des Wolf bei Reineke zustellen und bei Gericht einreichen. Darin teilte Isegrim mit, Wolf werde die Gewährung einer Stundung bestreiten. Einer Aussage des Dachs werde er entgegenhalten, daß Dachs wegen Falschaussage vorbestraft sei. Eine Antwort des Reineke blieb aus. Am 1. April 1901 ließ Isegrim deshalb den letzten vorbereitenden Schriftsatz des Wolf bei Gericht einreichen, in dem er die Bestimmung eines Termins zur Tatsachenverhandlung und die Ladung zum Termin beantragte. Hinsichtlich der mitgeteilten Angriffs- und Verteidigungsmittel des Wolf verwies er auf die Klageschrift vom 1. Februar 1901 und den vorbereitenden Schriftsatz vom 10. März 1901. Der Vorsitzende bestimmte daraufhin noch am 1. April 1901 einen Termin zur Tatsachenverhandlung auf den 25. April 1901 und lud die Parteien zum Termin. Da Reineke lediglich die Klagebeantwortung vom 28. Februar 1901 mitgeteilt hatte, konnte er auf die Einreichung eines letzten vorbereitenden Schriftsatzes verzichten.

In der Tatsachenverhandlung, am 25. April 1901, erschienen Isegrim sowie Fuchs und Reineke. Wolf blieb wegen Krankheit aus. Isegrim beantragte, Fuchs zu verurteilen, eintausend Mark an Wolf zu zahlen. Dann begründete er die Klage des Wolf, indem er den Sachverhalt vorbrachte wie in der Klageschrift vom 1. Februar 1901 und im letzten vorbereitenden Schriftsatz vom 1. April 1901 mitgeteilt. Reineke beantragte, die Klage i. H.v. vierhundert Mark abzuweisen. Er behauptete nämlich nicht, wie in der Klagebeantwortung vom 28. Februar 1901 mitgeteilt, die Rückzahlung des Darlehens sei erst zum 1. Juli 1901 vereinbart worden, sondern räumte ein, die Rückzahlung des Darlehens sei bereits zum 31. Dezember 1901 vereinbart worden. Auch von einer Stundung der Rückzahlung war keine Rede. Statt dessen erklärte Reineke gegen den Anspruch des Wolf die Aufrechnung mit einem angeblichen Anspruch des Fuchs. Fuchs habe Wolf nämlich erst Anfang April 1901 zum Preise von vierhundert Mark ein Fuhrwerk verkauft. Den Kaufpreis habe Wolf bisher nicht gezahlt. Als Zeugen für den Abschluß des Kaufvertrages benannte er Hase. Isegrim äußerte, davon sei ihm nichts bekannt, er könne darauf nichts erwidern. Der Vorsitzende wies Reineke darauf hin, daß er die Aufrechnung samt dem ihr zugrundeliegenden Sachverhalt nicht durch vorbereitenden Schriftsatz mitgeteilt habe. Das Gericht beschloß deshalb, Isegrim bis zum 8. Mai 1901 die Einreichung eines

Zweites Fallbeispiel

173

Schriftsatzes nachzulassen, in dem Wolf auf die Aufrechnung des Fuchs und die damit verbundenen Behauptungen und Beweise erwidern könne. Der Vorsitzende bestimmte daraufhin den Termin zur Verkündung des Beweisurteils auf den 22. Mai 1901 und den Termin zur Beweisverhandlung auf den 5. Juni 1901. Dann schloß er die Tatsachenverhandlung. Am 8. Mai 1901 ließ Isegrim den nachgelassenen Schriftsatz des Wolf bei Reineke zustellen und bei Gericht einreichen. Darin behauptete Isegrim, Fuchs habe Wolf das Fuhrwerk nicht verkauft, sondern zum Verkauf überlassen. Wolf makle also für Fuchs und führe das Fuhrwerk etwaigen Käufern auf Wunsch vor. Ein Kaufpreisanspruch des Fuchs gegen Wolf komme darum nicht in Betracht. Hilfsweise erkläre er die Wandlung des Kaufvertrages, da das fragliche Fuhrwerk von Anfang an erhebliche Mängel aufgewiesen habe, die Isegrim dann im einzelnen ausführte. Als möglichen Sachverständigen für die Mängel des Fuhrwerks benannte Isegrim den Storch. Am 11. Mai 1901 ließ Reineke einen nachgelassenen Schriftsatz des Fuchs bei Isegrim zustellen und bei Gericht einreichen, in dem er die behaupteten Mängel des Fuhrwerks bestritt. Im Verkündungstermin, am 22. Mai 1901, verkündete das Gericht das anliegende Beweisurteil.961 Daraufhin lud der Vorsitzende den Zeugen Hase und den Sachverständigen Storch zur Beweisverhandlung. In der Beweisverhandlung, am 5. Juni 1901, erschienen Wolf und Isegrim sowie Fuchs und Reineke, ferner der Zeuge Hase und der Sachverständige Storch. Hase bestätigte den Abschluß eines Kaufvertrages. Storch erklärte, das Fuhrwerk weise tatsächlich die behaupteten Mängel auf. Außerdem wisse er, daß das Fuhrwerk dieselben Mängel bereits gezeigt habe, als es noch im Eigentum des Fuchs gestanden habe, da er es seinerzeit bereits einmal zu Arbeiten in seiner Schmiede untersucht habe. Daraufhin bestritt Reineke, daß das Darlehen eintausend Mark betragen habe. Vielmehr habe Wolf dem Fuchs, wie in der Klagebeantwortung vom 28. Februar 1901 mitgeteilt, lediglich siebenhundert Mark als Darlehen, den Rest jedoch als Schadensersatz gezahlt. Die von Wolf vorgelegte Darlehensurkunde sei demnach falsch. Notfalls müsse hierzu ein Schriftsachverständiger gehört werden. Der Vorsitzende wies Reineke darauf hin, daß er neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Beweisverhandlung nur vorbringen könne, wenn er das Vorliegen eines Restitutionsgrundes glaubhaft machen könne. Zwar stelle die Unechtheit einer Urkunde einen Restitutionsgrund dar. Es fehle aber an der Glaubhaftmachung. Nach kurzer Unterredung mit Fuchs beantragte Reineke deshalb, Fuchs zur Versicherung an Eides Statt über die Unechtheit der Urkunde zuzulassen. Das Gericht ließ sich nun die Vollmachtsurkunde des Reineke vorlegen und zog sich zur Beratung zurück, um die Unterschrift des Fuchs unter der Vollmachtsurkunde mit der Unterschrift unter der Darlehensurkunde zu vergleichen. In der dann fortgesetzten mündlichen Verhandlung teilte der Vorsitzende dem Reineke mit, daß die Kammer die 961

Vgl. sogleich S. 174.

174

Zweites Fallbeispiel

Echtheit der Unterschrift unter der Darlehensurkunde nicht bezweifle und wies Fuchs nochmals eindringlich auf die Strafbarkeit einer Falschaussage hin. Nach abermaliger Unterredung mit Fuchs erklärte Reineke dann, man ziehe die neuen Behauptungen und Beweise zurück. Das Gericht zog sich nun nochmals zur Beratung zurück und verkündete sodann das anliegende Endurteil.962. . .

***

B E W E I S U RT E I L In dem Rechtsstreit des Wolf, . . . Klägers, – vertreten durch den Rechtsanwalt Isegrim, . . . – gegen den Fuchs, . . . Beklagten, – vertreten durch den Rechtsanwalt Reineke, . . . – hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Münchhausen auf die mündliche Verhandlung vom 25. April 1901 und die nachgelassenen Schriftsätze vom 8. Mai 1901 und vom 11. Mai 1901 durch ihre Richter . . . für Recht erkannt: Es wird Beweis auferlegt 1. dem Beklagten für die Behauptung, zwischen dem Kläger und dem Beklagten sei im April 1901 ein Kaufvertrag über ein Fuhrwerk zum Preise von vierhundert Mark geschlossen worden, durch die Aussage des Zeugen Hase, vom Beklagten benannt, 2. dem Kläger für die Behauptung, das Fuhrwerk weise Mängel auf, und zwar . . ., durch das Gutachten des Sachverständigen Storch, vom Kläger benannt. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits bleibt dem Endurteil vorbehalten. Tatbestand Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Darlehens. 962

Vgl. sogleich S. 175.

Zweites Fallbeispiel

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Sie vereinbarten im Jahre 1900, daß der Kläger dem Beklagten am 1. Juli 1900 eintausend Mark zahlen solle, die der Beklagte dem Kläger am 31. Dezember 1900 zurückzuzahlen habe. Die Zahlung des Klägers erfolgte auch wie vereinbart, die Rückzahlung des Beklagten blieb jedoch aus. Am 15. Januar 1901 mahnte der Kläger den Beklagten deshalb vergeblich zur Zahlung. Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger eintausend Mark zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage i. H.v. vierhundert Mark abzuweisen. Der Beklagte hat gegen den Anspruch des Klägers die Aufrechnung mit einem angeblichen eigenen Anspruch i. H.v. vierhundert Mark erklärt. Er behauptet, er habe dem Kläger Anfang April 1901 ein Fuhrwerk zum Preise von vierhundert Mark verkauft. Der Kläger habe den Kaufpreis bisher jedoch nicht gezahlt. Der Kläger hat die Wandlung des Kaufvertrages erkärt. Er behauptet, das Fuhrwerk weise Mängel auf, und zwar . . . Das Gericht hat dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25. April 1901 nachgelassen, bis zum 8. Mai 1901 durch Schriftsatz auf die Aufrechnungserklärung des Beklagten zu erwidern. Der nachgelassene Schriftsatz des Klägers ist am 8. Mai 1901 bei Gericht eingereicht worden. Ferner ist ein nachgelassener Schriftsatz des Beklagten am 11. Mai 1901 bei Gericht eingereicht worden. (Unterschrift)

(Unterschrift)

(Unterschrift)

*** E N D U RT E I L In dem Rechtsstreit des Wolf, . . . Klägers, – vertreten durch den Rechtsanwalt Isegrim, . . . – gegen den Fuchs, . . . Beklagten, – vertreten durch den Rechtsanwalt Reineke, . . . –

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Zweites Fallbeispiel

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Münchhausen auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 1901 durch ihre Richter . . . für Recht erkannt: 1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eintausend Mark zu zahlen. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar . . . Das Gericht hat Beweis aufgenommen aufgrund des Beweisurteils vom 22. Mai 1901 durch Vernehmung des Zeugen Hase und des Sachverständigen Storch. Wegen des Tatbestandes im übrigen wird auf das Beweisurteil verwiesen. Entscheidungsgründe. Die Klage ist begründet. Der Beklagte ist dem Kläger aus § 607 Abs. 1 BGB zur Zahlung von eintausend Mark verpflichtet. Die Vereinbarung der Parteien vom 1. Juli 1900 stellte einen Darlehensvertrag dar, nach dem der Beklagte dem Kläger am 31. Dezember 1900 eintausend Mark zurückzuzahlen hatte. Der Anspruch des Klägers ist auch nicht nach § 389 BGB durch die Aufrechnung des Klägers erloschen. Es kann insofern dahinstehen, ob die Parteien Anfang April 1901 einen Kaufvertrag über ein Fuhrwerk zum Preise von vierhundert Mark geschlossen haben. Jedenfalls hat der Kläger aus §§ 462, 459 Abs. 1 BGB Anspruch auf Wandlung des Kaufvertrages. Das Fuhrwerk wies nämlich zur Zeit der Gefahrübergangs auf den Kläger Fehler auf, die seinen Wert nicht unerheblich mindern, §§ 459 Abs. 1, S. 1, 446 Abs. 1 S. 1 BGB. Das Gericht hat sich insofern durch das Gutachten des Sachverständigen Storch davon überzeugt, daß das Fuhrwerk die vom Kläger behaupteten Mängel, nämlich . . ., aufweist und auch bei der Übergabe an den Kläger bereits aufwies. Der Sachverständige Storch hat nachvollziehbar dargestellt, . . . . Das Gericht erachtet dieses Gutachten für schlüssig und widerspruchsfrei. Ferner hat der Sachverständige Storch glaubhaft bekundet, daß er dieselben Mängel bereits bei Instandsetzungsarbeiten im März 1901 festgestellt habe, als das Fuhrwerk sich noch im Besitz des Beklagten befand. Das Gericht hält auch diese Bekundungen für schlüssig und widerspruchsfrei. Diese Mängel mindern den Wert des Fuhrwerks mehr als nur unerheblich. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

(Unterschrift)

(Unterschrift)

(Unterschrift)

Gesetzesverzeichnis A. Hannover I. Bürgerliche Proceßordnung vom 8. November 1850 – Auszug – Erster Theil Allgemeine Bestimmungen Erster Titel Von der Zuständigkeit der Gerichte III. Gerichtsstände 2. Besondere Gerichtsstände g. der Wiederklage § 14. Das Proceßgericht der Klage wird für eine Wiederklage, selbst wenn diese mit jener in keiner Verbindung steht, unter der Voraussetzung zuständig, daß ihm die erforderliche Gattung der Gerichtsbarkeit zusteht, die Wiederklage zugleich mit der Klagebeantwortung erhoben und im obergerichtlichen Verfahren die Wiederklage bezielenden Anträge dem Kläger in Gemäßheit der Vorschrift des § 191 mitgetheilt wurden. Gleichzeitige Verhandlung der Klage und Wiederklage ist, unter der Voraussetzung der Vorschrift des § 112, nur zulässig, wenn die letztere zu derselben Proceßart, in welcher geklagt worden, sich eignet.

Zweiter Titel Von den streitenden Theilen IV. Vertretung der Parteien 2. Bevollmächtigte a. Nothwendigkeit der Annahme § 67. Bei den Obergerichten und dem Ober-Appellationsgerichte müssen die Parteien durch einen bei dem betreffenden Gerichte bestellten Anwalt sich vertreten las-

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sen, es wäre denn, daß sie am Gerichtsorte wohnen und zugleich ein juristisches Examen mit Erfolg bestanden hätten. Der Anwalt hat alle zur Regelmäßigkeit des Verfahrens erforderlichen Anträge und Handlungen vorzunehmen, ihm sind auch die Mittheilungen der Gegenseite zu machen und die gerichtlichen Verfügungen zuzustellen. (Vergl. jedoch § 140.) Kein Anwalt darf ohne besondere Gründe seine Dienstleistung versagen; findet eine Partei hierbei Schwierigkeiten, so hat sie sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden, auf deren Vortrag das Gericht in berathender Sitzung entscheidet, ob die Weigerung hinreichend begründet sei. Dritter Titel Allgemeine Vorschriften über das Verfahren II. Von den Gerichtssitzungen 2. Öffentlichkeit der Gerichtssitzungen § 87. Die Sitzungen der erkennenden Gerichte sind in dem Maße öffentlich, daß erwachsenen Personen der freie Zutritt gestattet ist. Eine Ausnahme von dieser Regel ist, insofern nicht die Aufrechterhaltung und Wiederherstellung der Ruhe die Entfernung sämmtlicher Zuhörer aus dem Sitzungssaale erforderlich macht, nur begründet, wenn durch die Oeffentlichkeit der Verhandlung die Sittlichkeit verletzt werden würde. Auch kann das Gericht, jedoch nur nach Anhörung der Staatsanwaltschaft, die Oeffentlichkeit ausschließen, wenn die streitenden Theile übereinstimmend dies bejahen.

3. Verhandlung in den Gerichtssitzungen b. Schriftliche Parteianträge, als Grundlage der mündlichen Verhandlung. § 92. Der Rechtsstreit wird mündlich auf der Grundlage der, die mündliche Verhandlung vorbereitenden, schriftlichen Parteianträge verhandelt. § 93. Vorbehältlich besonderer Vorschriften müssen die schriftlichen Parteianträge enthalten: 1) als Rubrik die genaue Bezeichnung der Parteien nach Namen, Stand, Wohnort und Proceßrolle, so wie ihrer Anwälte; das Gericht, bez. die Abtheilung desselben, vor welchem der Rechtsstreit anhängig; den Streitgegenstand, unter thunlichst genauer Angabe seine Wertes; die Zahl der Anlagen und deren Bezeichnung; 2) die Angabe des Verhandlungstermins, falls dieser nicht bereits der Gegenseite bekannt gemacht worden ist; 3) zur Sache das in der Gerichtssitzung zu stellende (principale und eventuelle) Gesuch, und zur Begründung desselben eine kurze, aber bestimmte und vollständige Angabe der ihm zum Grunde liegenden thatsächlichen Verhältnisse, auch erforderlichen Falls des Rechtsgrundes, so wie andererseits eine so bestimmte

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und vollständige Erklärung auf die thatsächlichen Behauptungen des Gegners, daß nicht zweifelhaft sein kann, was zugestanden und was bestritten ist. Weitere Auseinandersetzungen der thatsächlichen Verhältnisse, so wie Rechtsausführungen dürfen die schriftlichen Parteianträge nicht enthalten. § 94. Die Parteien sind gehalten, zeitig und der Regel nach mindestens drei Tage vor dem Termine ihre Anträge sowohl sich gegenseitig, als dem Gerichte durch Niederlegung auf der Gerichtsschreiberei in Abschrift mitzutheilen. Auch später und selbst in dem Termine könne die Anträge gestellt werden, doch fallen, falls die Gegenpartei die sofortige Erklärung auf das Vorbringen ablehnt, die Kosten des verzögerten Processes dem säumigen Theile zur Last. Sowohl die Abschriften der Anträge, als das Original derselben ist von den Anwälten, bez. den Parteien oder ihren bevollmächtigten Rechtsbeiständen zu unterzeichnen.

c. Die mündliche Verhandlung aa. Im Allgemeinen § 98. Nachdem die Sache durch den Gerichtsdiener aufgerufen worden ist, wird die mündliche Verhandlung dadurch eingeleitet, daß unter genauer Hervorhebung der streitenden Theile, des Streitgegenstandes und bez. der Lage des Rechtsstreits beide Theile die Schlußgesuche ihrer Anträge stellen. § 99. Die hierauf folgenden Vorträge der Parteien sind in freier geordneter Rede zu halten. Eine Bezugnahme auf die schriftlichen Anträge statt mündlichen Vortrages ist unstatthaft. Nur die Gesuche, Urkunden, Zeugenaussagen u.s.w., auf deren wörtlichen Inhalt es ankommt, dürfen abgelesen werden. § 100. Wenn das Gericht dafür hält, daß durch die beiderseitigen Vorträge die Sache hinlänglich aufgeklärt sei, so kann es die Verhandlung für geschlossen erklären; jedoch gebührt jeder Partei über das neue thatsächliche Vorbringen ihres Gegners das letzte Wort. § 101. Die mündlichen Parteivorträge müssen das ganze Streiverhältniß sowohl seinen thatsächlichen als rechtlichen Beziehungen nach umfassen, und dient in thatsächlicher Beziehung die mündliche Verhandlung als Grundlage für die richterliche Entscheidung, selbst rücksichtlich derjenigen Punkte, welche eine Abweichung von dem durch die Schrift festgestellten Vorbringen enthalten. § 102. Der Vorsitzende des Gerichts hat auf Antrag der Partei, der Gegenpartei, der beisitzenden Richter und selbst von Amtswegen zu verordnen, daß wesentliche thatsächliche Abweichungen des mündlichen Vortrages von dem schriftlichen Vorbringen durch nachträgliches schriftliches Vorbringen oder das Sitzungsprotokoll festgestellt werden. Die schriftlich festgestellten Abweichungen sind zu verlesen.

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Gesetzesverzeichnis III. Vermittelung der geschäftlichen Verbindung unter den Parteien 1. Im Allgemeinen a. Behändigung durch die Gerichtsvoigte aa. überhaupt

§ 118. Die Behändigung aller während des Laufs eines Rechtsstreits von einer Partei an die andere ergehenden Aufforderungen, Bekanntmachungen und sonstigen Mittheilungen, einschließlich der Klage und der richterlichen Verfügungen, erfolgt durch die Gerichtsvoigte, und zwar bei dem Oberappellationsgerichte und den Obergerichten ohne, bei den Amtsgerichten unter Mitwirkung des Gerichts. Die Ausnahmen bestimmt das Gesetz. bb. Zuständigkeit der Gerichtsvoigte § 119. Jeder in einem bestimmten Obergerichtsbezirke angestellte Gerichtsvoigt ist für alle innerhalb desselben vorzunehmenden Behändigungen an sich zuständig; der Gegenpartei können jedoch diejenigen Mehrkosten nicht zur Last gelegt werden, welche durch die Zuziehung eines in dem Amtsgerichtsbezirke, wo die Behändigung zu beschaffen, nicht wohnhaften Gerichtsvoigte entstanden. Der Geschäftskreis der bei den verschiedenen Gerichten angestellten Gerichtsvoigte, so wie die Verpflichtung derselben, den ihnen angewiesenen Geschäftskreis inne zu halten, soll reglementarisch bestimmt werden. ee. Behändigungsfrist § 128. Die Gerichtsvoigte haben die ihnen ertheilten Aufträge zeitig und längstens binnen einer Frist, welche, je nachdem die Behändigung an ihrem Wohnorte oder außerhalb desselben erfolgen soll, 24 Stunden oder 4 Tage nach dem Empfange beträgt, auszurichten. Sonn- und Feiertage werden jedoch nicht mitgerechnet. Die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat, neben dem Anspruche des Auftraggebers auf vollen Schadensersatz, die Verurtheilung des Gerichtsvoigts in eine Strafe bis zu 5 Thlr. zur Folge. ff. Behändigungsurkunde § 129. Über jede Behändigung hat der Gerichtsvoigt eine Urkunde aufzunehmen. Das Original derselben ist bei Vermeidung der im § 128 bezeichneten Nachteile spätestens am Tage nach der Behändigung dem Auftraggeber zuzustellen, bez. an denselben abzusenden; eine Abschrift erhält die Partei, an welche die Behändigung erfolgt. Die Behändigungsurkunde ist unter die mitzutheilende Schrift, bez. auf einen mit derselben zu verbindenden neuen Bogen zu setzen. § 130. Jede Behändigungsurkunde muß im Allgemeinen Datum der Behändigung, Namen, Stand und Wohnort des Auftraggebers, so wie derjenigen Person, an welche

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die Behändigung erfolgen soll, enthalten, die Art der geschehenen Behändigung nachweisen und von dem sie aufnehmenden Gerichtsvoigte unter Angabe seiner amtlichen Stellung unterschrieben werden. Am Schlusse sowohl des Originals als der Abschrift der Behändigungsurkunde hat der Gerichtsvoigt die dafür zu entrichtende Gebühr zu bemerken. Die ordnungsmäßig verfaßte Urkunde beweiset die Behändigung vollständig, doch ist Gegenbeweis zulässig. § 131. Verstöße gegen die Vorschriften der §§ 129, 130 haben, neben der Verantwortlichkeit gegen den Auftraggeber, Verurteilung in einer Strafe bis zu 5 Thlr. und die etwaigen Kosten des verzögerten Processes zur Folge.

2. Mittheilung von Urkunden a. Regelmäßiges Verfahren § 134. In Sachen, welche vor die Obergerichte oder das Oberappellationsgericht gehören, ist jede Partei befugt, die Gegenpartei durch einfache schriftliche Mittheilung aufzufordern, diejenigen Beweisurkunden, auf welche sie in ihren Schriftsätzen Bezug genommen hat, binnen einer Frist von drei Tagen auf der Gerichtsschreiberei des Proceßgerichts behuf deren Einsichtnahme niederzulegen. § 135. Wird die Niederlegung binnen der gedachten Frist nicht beschafft, auch nicht zeitig nachgeholt, so kann die Erklärung auf die Urkunde in der mündlichen Sitzung von der Partei nicht begehrt werden; dagegen hat diese das Recht, die Verurtheilung der Gegenpartei zur Niederlegung und zum Ersatze der Kosten des verzögerten Processes zu beantragen. § 136. Die erst nach Ablauf der gedachten Frist beschaffte Niederlegung ist von der Gegenpartei, und zwar auf ihre Kosten, der nachsuchenden Partei besonders anzuzeigen. § 137. Die niederlegende Partei kann verlangen, daß der Gerichtsschreiber eine ihm vorzulegende Bescheinigung der Niederlegung unterzeichne, und ist nach Ablauf einer Woche zur Zurücknahme der Urkunden befugt. Innerhalb dieser Frist liegen die Urkunden auf der Gerichtsschreiberei zur Einsicht der nachsuchenden Partei offen.

b. Unmittelbare Mittheilung von Anwalt zu Anwalt § 138. Den Anwälten steht es frei, statt der Niederlegung auf der Gerichtsschreiberei, eine Mittheilung der Urkunden von Hand zu Hand gegen eine Empfangsbescheinigung vorzunehmen. Die Frist zur Zurücklieferung beträgt, falls nicht der mittheilende Anwalt ein anderes bestimmt hat, eine Woche.

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Gesetzesverzeichnis IV. Von Proceßfristen und deren Versäumung 1. Proceßfristen a. Anberaumung

§ 143. Insoweit es behuf Eröffnung einer Verhandlung (Haupt- oder Nebenverhandlung) oder der Wiederaufnahme einer ausgesetzten Verhandlung der Anberaumung eines Verhandlungstermins bedarf, hat die betreffende Proecßpartei das Original ihrer Anträge (§ 93 flgde.) auf der Gerichtsschreiberei des Proceßgerichts niederzulegen. Der Gerichtsschreiber hat den überreichten Schriftsatz dem betreffenden Richter (Vorsitzenden des Gerichts, bez. der Gerichtsabtheilung, beauftragten Richter) so zeitig zu übergeben und dieser unter dem Schriftsatze den Verhandlungstermin so zeitig zu vermerken, daß derselbe binnen 24 Stunden abgefordert werden kann. Will die Partei rücksichtlich der Anberaumung des Verhandlungstermins besondere Wünsche geltend machen, so hat sie diese in einem Nachtrage zu den Anträgen anzuführen. Die auf den Verhandlungstermin anordnende richterliche Verfügung ist auf die dem Gegner mitzutheilende Abschrift der Anträge (bez. des Nachtrages) abschriftlich zu übertragen.

Zweiter Theil Das Verfahren der ersten Instanz Erster Titel Verfahren vor den Obergerichten Erster Abschnitt Verfahren bis zum Urtheile I. Regelmäßiges Verfahren 1. Klaganträge a. Inhalt § 184. Die Klaganträge müssen außer den allgemeinen äußeren Erfordernissen für schriftliche Parteianträge (§§ 93. 1, 94 S. 3) enthalten: 1) eine gedrängte, deutliche und zusammenhängende Darstellung der Thatsachen, worauf der geltend gemachte Anspruch sowohl der Hauptsache als in etwaigen Nebenpuncten rechtlich beruht; die besonderen Thatsachen, aus welchen er gerade diesem Kläger und gegen diesen Beklagten zusteht, so wie eine genaue Bezeichnung des geforderten Gegenstandes oder der begehrten Leistung oder Unterlassung; 2) ein bestimmtes Gesuch sowohl in Betreff der Hauptsache als der Nebenpuncte; 3) die Benennung des den Kläger vertretenden Anwaltes;

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4) die Aufforderung des Beklagten, an dem vom Vorsitzenden des Gerichts festgesetzten Gerichtstage, und zwar vertreten durch einen bei dem Proceßgerichte angestellten Anwalt vor diesem zu erscheinen. § 185. Bei dinglichen Klagen, mit Ausnahme der aus dem Pfandrechte bedarf es der Angabe des Erwerbsgrundes des dingliche Rechts nicht, vorbehältlich der Befugnis des Beklagten, im Wege verzögerlicher Einrede diese Angabe zu begehren. § 186. Mehrere Ansprüche sind in den Klaganträgen thunlichst gesondert zu behandeln. Die Zulässigkeit der Häufung mehrerer Klagansprüche ist durch die Zuständigkeit des Proceßgerichts und Gleichheit der Proceßart, nicht aber durch thatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang bedingt. (Vergl. jedoch § 112.) § 187. Wegen Erwirkung der Festsetzung des Gerichtstages (§ 184, 4.) greifen, unter Berücksichtigung der besonderen Bestimmungen des § 189, die Vorschriften des § 143 Platz. b. Behändigung aa. Ueberhaupt § 188. Eine Abschrift der Klaganträge ist dem Beklagten, falls weitere Beklagte vorhanden, einem jeden derselben, falls eine dritte Person zum Processe beizuladen, auch dieser, nach Vorschrift der §§ 118 flgde. schleunigst zu behändigen. Neben den Klaganträgen ist eine Abschrift der in den Händen des Klägers befindlichen Urkunden zuzustellen, welche die Bevollmächtigung des klägerischen Anwaltes, so wie die thatsächliche Begründung der Klage betreffen, widrigenfalls die durch die Nichtmittheilung herbeigeführten Kosten allein dem Kläger zur Last fallen. Insoweit die Urkunden jedoch der Gegenseite bekannt oder von bedeutendem Umfange sind, genügt statt der abschriftlichen Mittheilung die Erklärung des Klägers, Einsicht derselben gewähren zu wollen. bb. Frist § 189. Außer dringenden Fällen muß zwischen der Behändigung der Klaganträge und dem Gerichtstage, auf welchen die Vorladung lautet, ein Zeitraum liegen, welcher zum mindesten betragen soll: 1) wenn der Beklagte innerhalb des Königreiches wohnt, drei Wochen; 2) wenn der Beklagte außerhalb des Königreiches wohnt, einen Monat. Sind mehrere Beklagte vorhanden, rücksichtlich deren verschiedene Fristen laufen, so ist die längste dieser Fristen sämmtlichen Beklagten gemeinsam. cc. Wirkung § 190. Die Behändigung der Klaganträge an den Beklagten hat außer den im Civilrechte begründeten Wirkungen zur Folge:

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1) Prävention und Rechtshängigkeit; 2) Fortdauer der Gerichtsbarkeit, außer wenn die Parteien später einem anderen Gerichte unterworfen werden; 3) Das Recht zur Wiederklage. Daneben werden sämmtliche nach den bestehenden Rechten mit dem Zeitpunkte der Litiscontestation verknüpften, das Rechtsverhältniß selbst betreffenden Wirkungen auf den Zeitpunct der Behändigung der Klaganträge übertragen. 2. Gegenanträge § 191. Mindestens eine Woche vor dem festgesetzten Gerichtstage hat der Anwalt des Beklagten dem klägerischen Anwalte Abschrift seiner Gegenanträge behändigen zu lassen. Ueber den Inhalt derselben entscheiden unter Berücksichtigung der Bestimmungen der §§ 194 flgde. die Vorschriften der §§ 93 flgde. (Vergl. auch § 14.) Die Bestimmung des § 188, 2. S. greift auch hier Platz. 4. Mündliche Verhandlung a. Im Allgemeinen § 193. Die mündliche Verhandlung fällt im Allgemeinen unter die Vorschriften der §§ 98 flgde. b. Besondere Vorschriften aa. Erstreckung des Termins § 194. Im Falle der Benennung eines Autors, so wie der Streitverkündigung hat das Gericht, unter Berücksichtigung der im § 189 vorgeschriebenen Fristen, den Verhandlungstermin nöthigenfalls zu erstrecken. § 195. Auch hiervon abgesehen kann das Gericht den Termin erstrecken, wenn die Parteien oder eine derselben nicht im Stande zu sein erklärt, die Sache vollständig zu verhandeln. bb. Nebenverhandlung verzögerlicher Einreden § 196. Verzögerliche Einreden, welche das Gericht, die Parteien oder die processualische Geltendmachung des Anspruchs betreffen, befreien den Beklagten von der Verhandlung der Hauptsache. Der Beklagte hat dieselben, gleichviel ob er die Verhandlung der Hauptsache damit verbindet oder nicht, sofort und gleichzeitig vorzubringen, auch mit den Behauptungen zugleich den Beweis derselben, insoweit ein solcher überhaupt erforderlich ist, anzutreten. Das Eingehen auf die Hauptsache, wohin auch der Antrag auf Gestattung eines schriftlichen Vorverfahrens (§ 198), nicht aber die Bitte um Terminserstreckung (§§ 194, 195) zu rechnen, führt den Verlust sämmtlicher den Beklagten bereits zuste-

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henden und bekannten verzögerlichen Einreden der gedachten Art mit sich, insoweit nicht das Gesetz ein späteres Vorbringen oder eine Berücksichtigung des fraglichen Punkts von Amtswegen gestattet. § 197. Ueber die vorgeschützten verzögerlichen Einreden der gedachten Art ist vorab zu verhandeln und nach Beendigung einer etwa erforderlichen Beweisaufnahme das Urtheil abzugeben, welches jedoch, insoweit es nicht als Haupturtheil sich darstellt (§ 395, 1.), ausnahmsweise unter die Vorschriften des § 140 nicht fällt. Ein Beweisinterlocut ist unstatthaft. Wegen der Berufung vergl. §§ 395, 398. Die voraufgehenden Bestimmungen greifen jedoch, falls der Beklagte mit dem Vortrage der verzögerlichen Einreden die Verhandlung der Hauptsache verbindet, nur unter der Voraussetzung Platz, daß der Vorsitzende des Gerichts auf Antrag oder von Amtswegen die gesonderte Verhandlung verordnet. cc. Antrag auf schriftliches Vorverfahren § 198. Ueber den Antrag auf Gestattung eines schriftlichen Vorverfahrens wird in Gemäßheit der §§ 207 flgde. verfahren. dd. Verhandlung der Hauptsache § 199. Jede Partei hat sich auf die von der Gegenseite vorgebrachten Thatsachen bestimmt zu erklären. Ueber Thatsachen, welche nicht die eigenen Handlungen einer Partei betreffen, kann diese sich mit Nichtwissen erklären. Ein allgemeines Zugeständnis ist zulässig, nicht aber ein allgemeines Abläugnen. § 200. Eine gleiche Verpflichtung zur Erklärung in Gemäßheit der Vorschriften der §§ 327 flgde. liegt jeder Partei rücksichtlich der von der Gegenseite im Originale (bez. in beglaubigter Abschrift) vorgelegten Urkunden ob, vorbehältlich jedoch der im § 135 erwähnten Befugniß. § 201. Nicht bestrittene Thatsachen gelten für zugestanden, Urkunden deren Aechtheit nicht verneint wird, für anerkannt. Fehlt es der Erklärung an genügender Bestimmtheit, so greifen die Vorschriften des § 111 Platz. § 202. Mit der Erklärung auf die Klage hat der Beklagte den Vortrag seiner zerstörlichen, so wie den Anspruch selbst bezielenden verzögerlichen Einreden, unter Angabe der Thatsachen und des Rechtsgrundes, worauf sie beruhen, zu verbinden. (Vergl. jedoch § 204.) Rücksichtlich etwaiger Repliken und Dupliken findet diese Vorschrift analoge Anwendung. § 203. Der Kläger kann im Laufe der mündlichen Verhandlung seine Klaganträge verbessern. Für eine Verbesserung ist es zu halten, wenn, unter Beibehaltung der thatsächlichen Grundlagen des Hauptanspruchs und der Nebenforderungen, das Vorbrin-

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gen erläutert und näher oder richtiger bestimmt, desgleichen wenn der Betrag des Hauptanspruchs oder der Nebenleistungen erhöhet oder vermindert, so ferner, wenn statt der ursprünglich in Anspruch genommenen Sachen wegen Veräußerung oder Untergangs derselben Leistung der Entschädigung gefordert wird. Jede weitere Abweichung von den schriftlichen Klaganträgen (Klageänderung) ist zwar nicht von Amtswegen zu beachten, dagegen steht dem Beklagten das Recht zu, im Wege einer jedoch sofort zu erhebenden verzögerlichen Einrede die Unzulässigkeit der Abweichung zu rügen und demgemäß die Zurückweisung der Klaganträge in angebrachter Maße, bez. die Fortführung der Verhandlung auf Grund der ursprünglichen Klaganträge (§ 174), zu begehren. § 204. Einreden, Repliken u.s.w. können bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung unbedingt, nach diesem Zeitpunkte rücksichtlich derselben Instanz aber nur dann, und zwar unter Beobachtung der Vorschriften der §§ 480, 450 nachgeholt werden, wenn sie von der Beschaffenheit sind, daß sie, läge ein rechtskräftiges Erkenntnis in der Mitte, eine Restitutionsklage begründen würden. § 205. Die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung kann auf einen andern Termin vertagt werden, insbesondere wenn neues Vorbringen der einen Partei nähere Erkundigungen von Seiten der Gegenpartei erfordert. § 206. Nach geschlossener mündlicher Verhandlung ist endlich oder, soweit solches nicht thunlich, beweisauflegend zu erkennen, vorbehältlich jedoch der Befugnis des Gerichts, auch nach geschlossener, mündlichen Verhandlung die Befragung der Parteien zu verordnen (§ 111).

II. Verfahren in Ausnahmefällen 1. Außergerichtliches schriftliches Verfahren a. Zulässigkeit § 207. In Sachen, welche mit Rücksicht auf die zu verhandelnden Thatsachen besondere Schwierigkeiten oder Verwickelungen darbieten, kann das Gericht sowohl auf übereinstimmenden Antrag der Parteien, als auch auf einseitiges Begehren des Beklagten ein schriftliches Vorverfahren selbst bis zur Duplik gestatten. § 208. Die nachfolgenden Sachen sollen durch ein schriftliches Vorverfahren nicht aufgehalten werden: 1) Streitigkeiten über Leistungen zu laufendem oder künftigem Unterhalte; 2) Wandelungsklagen in Beziehung auf Thiere; 3) Nebenstreitigkeiten, mit Ausnahme der Verhandlung über eine für zulässig erkannte Hauptintervention. Diese Vorschrift erleidet jedoch eine Ausnahme, wenn die dem schriftlichen Vorverfahren entzogenen Sachen gleichzeitig mit anderen, rücksichtlich deren jenes Verfahren statthaft ist, zu verhandeln sind.

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b. Verfahren § 209. Indem das Gericht das schriftliche Vorverfahren gestattet, bestimmt es zugleich die Fristen, innerhalb welcher die Schriften zu wechseln und daneben den Gerichtstag, an welchem die mündliche Verhandlung der Sache vor sich gehen soll. Die Fristen sollen für die Vernehmlassung und die Replik nicht nur unter zwei Wochen, für die Duplik nicht unter einer Woche betragen; sie sind unerstrecklich. § 210. Gegen die richterliche Verfügung, welche dem Antrage auf schriftliches Vorverfahren Folge giebt oder denselben verwirft, findet kein Rechtsmittel Statt. § 211. Für den Inhalt der Schriftsätze des Vorverfahrens sind die allgemeinen Vorschriften der §§ 93 flgde., unter Berücksichtigung der in den §§ 199–202 enthaltenen Bestimmungen maßgebend; insbesondere sind Rechtsausführungen unstatthaft. Die Schriftsätze gelangen von Partei zu Partei zur Mittheilung; eine zweite Abschrift derselben ist auf der Gerichtsschreiberei zu übergeben. § 212. Die schriftliche Vorverhandlung hat zum Zwecke, den Parteien Gelegenheit zu gewähren, durch außergerichtliche Mittheilung die mündliche Verhandlung zur Hauptsache vorzubereiten und deren Gang zu beschleunigen. Die letztere schließt sich an die erstere nach Vorschriften der §§ 193, 199–206. § 213. Der Kläger kann ohne Rücksicht auf den anberaumten Gerichtstag (§ 209), nach Ablauf der dem Beklagten zur schriftlichen Erklärung gestatteten Frist den letzteren zur mündlichen Verhandlung vorladen lassen (§ 143), wenn entweder jene Erklärung ihm nicht zugestellt worden oder er auf eine schriftliche Gegenerklärung verzichtet. Eine solche Befugniß steht dem Beklagten zu, nachdem seit der Zustellung seiner Erklärung die dem Kläger zur Gegenerklärung bewilligte Frist abgelaufen ist.

2. Schriftliches Vorverfahren unter Leitung eines beauftragten Richters § 214. Das schriftliche Vorverfahren unter Leitung eines beauftragten Richters wird durch die Vorschriften der §§ 460 flgde. geregelt.

Zweiter Abschnitt Insbesondere vom Beweise I. Allgemeine Vorschriften 1. Beweisinterlocut § 215. Fehlt es am Schlusse der mündlichen Verhandlung an der rechtlichen Gewißheit erheblicher Thatsachen, so ist durch richterliche Verfügung Beweissatz und Beweislast zu bestimmen, auch daneben Termin anzuberaumen, in welchem in Gemäßheit der über die einzelnen Beweismittel ertheilten Vorschriften, Beweise und Gegen-

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beweise sowohl rücksichtlich der Klage als der Einreden u.s.w. anzutreten und über die angetretenen Beweise weiter zu verhandeln ist. (Vergl. auch §§ 460 flgde.) § 217. Zwischen der Eröffnung des Beweisinterlocuts und dem Beweistermine soll der Regel nach ein Zeitraum von mindestens 4 Wochen liegen. In dieser Zwischenzeit haben die Parteien nach Vorschrift der allgemeinen Bestimmungen der §§ 93 flgde. ihre die mündliche Verhandlung vorbereitenden Anträge zu verhandeln, und zwar in der Art, daß die erste Hälfte jener Zwischenzeit bezüglich der Beweise der Klage, Einreden u.s.w. frei bleibt, dagegen die zweite Hälfte, abgesehen von dem im § 94 gedachten dreitägigen Zeitraume, bezüglich der Gegenbeweise und der Erklärung auf die gegnerischen Anträge. § 218. Das Gericht, welches das Beweisinterlocut erlassen hat, ist an dasselbe gebunden. Dagegen unterliegt das Beweisinterlocut der Berufung, welche jedoch nur als vorbehaltene nach Maßgabe des § 394 Platz greift. § 219. Die Vorschriften der §§ 348 flgde., §§ 354 flgde., §§ 359 flgde. finden auch auf das Beweisinterlocut Anwendung. Dasselbe hat die Wirkung des Beweissatzes auf die endliche Entscheidung so bestimmt, wie die Lage der Sache es gestattet, auszusprechen. Fehlt es an einer solchen Bestimmung, so ist das Interlocut als ein unvollständiges Urtheil zu behandeln (§ 361). 2. Anticipation des Beweises § 220. Die Anticipation des Beweises ist gestattet, verpflichtet jedoch, vorbehältlich der Bestimmung des § 200, den Gegner nicht zu einer Erklärung auf dieselbe und hat auf die Frage, wem der Beweis obliege, keinen Einfluß, wofern nicht die Partei deutlich erklärt hat, die Beweislast auf sich nehmen zu wollen. Abgesehen von dem Falle, daß die Parteien ausdrücklich erklären, weitere Beweise (Gegenbeweise) nicht vorbringen zu wollen, ist stets ein Beweisinterlocut abzugeben, und gilt dieses selbst dann, wenn die anticipierte Beweisführung ein solches Ergebniß geliefert hat, daß auf einen nothwendigen Eid erkannt werden könnte. § 221. Die Fälle, für welche das Gesetz das gleichzeitige Vorbringen des Beweises mit den Behauptungen gebietet, stehen nicht unter dem Gesichtspuncte des anticipierten Beweises. 4. Verfahren a. Beweisantretung § 223. Die Beweisantretung, so wie die Verhandlung über die Zulässigkeit und Erheblichkeit der angetretenen Beweise erfolgt in der Sitzung des Proceßgerichts auf Grund der die mündliche Verhandlung vorbereitenden schriftlichen Parteianträge (§ 217).

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b. Beweisaufnahme § 224. Die Beweisaufnahme erfolgt regelmäßig in der Sitzung des Proceßgerichts, ausnahmsweise nach Anleitung der für die einzelnen Beweismittel ertheilten Vorschriften vor einem Mitgliede des Proceßgerichts oder einem Amtsgerichte (bez. einem auswärtigen Gerichte). Gegen die richterliche Verfügung, welche die Art und Weise der Aufnahme der einzelnen Beweismittel bestimmt, findet kein Rechtsmittel Statt. § 229. Das Beweisaufnahme-Verfahren richtet sich, je nachdem der beauftragte Richter ein Amtsrichter oder ein Mitglied des Proceßgerichts ist, nach den desfalligen Vorschriften für die Amtsgerichte, bez. die Obergerichte, doch fällt auch rücksichtlich der mündlichen Verhandlungen vor dem Gerichtsmitgliede die Nothwendigkeit der Vertretung der Parteien durch Anwälte weg. § 233. Der beauftragte Richter hat die Protocolle über die Beweisaufnahme im Original der Gerichtsschreiberei des Proceßgerichts ungesäumt zu übersenden. Der Gerichtsschreiber ertheilt den Parteien die erforderliche Benachrichtigung und können dieselben auf der Gerichtsschreiberei sowohl Einsicht als Abschrift jener Protocolle begehren.

c. Beweisausführung § 234. Die Beweisausführung erfolgt in der Sitzung des Proceßgerichts. Ging die Beweisaufnahme vor dem Proceßgerichte vor sich, so soll die Beweisausführung sich an jene der Regel nach anschließen; doch kann das Gericht sowohl auf Antrag als auch von Amtswegen behuf der Beweisausführung eine neue Sitzung anberaumen. Ging eine Beweisaufnahme dagegen vor einem beauftragten Richter vor sich, so erfolgt die Beweisausführung in der, von dem Vorsitzenden zugleich mit der Anordnung jener Beweisaufnahme festzusetzenden Sitzung. Ist diese Festsetzung jedoch ausnahmsweise nicht vorgenommen, so finden die Vorschriften des letzten Satzes des § 232 analoge Anwendung. § 235. Die Beweisausführung begreift die Verhandlung über das Ergebniß der Beweisaufnahme und die bislang nicht zur Entscheidung gelangten Beweiseinreden, deren Beweis sofort anzutreten und zu verhandeln ist. Schließt sich die Ausführung nicht sofort an die Aufnahme des Beweises, so haben die Parteien ihre schriftlichen Anträge, insoweit diese nicht bereits zur Mittheilung gekommen sind, sich gegenseitig wenigstens drei Tage vor dem Beweisausführungstermine behändigen zu lassen. (§ 94). § 236. Ging die Beweisaufnahme nicht vor dem Proceßgerichte vor sich, so hat das beauftragte bez. ein anderes Gerichtsmitglied das Ergebniß derselben auf Grund der Protocolle (Gutachten der Sachverständigen) vorzutragen. Den Parteien steht das Recht der Ergänzung und Berichtigung zu.

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Gesetzesverzeichnis 6. Versäumung a. Folgen

§ 239. Das einseitige Ausbleiben der Parteien hat, vorbehältlich der einzelne Beweismittel bezielenden besonderen Vorschriften, zur allgemeinen Folge: 1) rücksichtlich der Beweisantretung, für den beweisführenden Theil Ausschluß mit seiner Beweisführung, für den anderen Theil Verlust etwaiger Beweiseinreden, Ausschluß mit dem Gegenbeweise, und die Befugnis zum einseitigen Fortschreiten des Beweisführers; 2) rücksichtlich der Beweisaufnahme, Fortschreiten in der Beweisaufnahme und Ausschluß mit den Handlungen, welche der ausbleibenden Partei hierbei zustanden; 3) rücksichtlich der Beweisausführung, Ausschluß der ausbleibenden Partei mit ihrer Beweisausführung und Beurtheilung des Ergebnisses der Beweisaufnahme nach dem Inhalte der Acten (Protocolle, Gutachten der Sachverständigen) unter Berücksichtigung des Vortrages der Gegenpartei; 4) rücksichtlich der Beweiseinreden (insoweit dieselben vorher zur Kenntnis der ausbleibenden Partei gebracht waren) Annahme des Zugeständnisses der thatsächlichen Voraussetzungen derselben.

7. Nachträgliches Vorbringen von Beweismitteln § 242. Im Beweistermine nicht vorgebrachte Beweismittel werden für die Instanz nur zugelassen: 1) wenn sie an die Stelle eines vorgebrachten, aber ohne Schuld des Beweisführers verloren gegangenen Beweismittels gesetzt werden; 2) wenn sie von der Beschaffenheit sind, daß sie, läge eine rechtskräftiges Erkenntniß in der Mitte, die Restitutionsklage begründen würden (§§ 444, 445), und zwar unter Beachtung der Vorschriften der §§ 448, 450.

II. Beweis durch Zeugen 3. Verfahren b. Anordnung der Zeugenvernehmung § 256. Nach Anhörung der Parteien über die Beweisantretung hat das Gericht, wenn und insoweit die Unzulässigkeit, sei es der Beweisantretung, sei es der vorgeschlagenen Zeugen nicht völlig klar vorliegt, unter Hervorhebung der zu beweisenden Thatsachen und der abzuhörenden Zeugen, Termin zur Vernehmung derselben anzuberaumen. Gegen diese Verfügung steht der Gegenseite kein Rechtsmittel zu, doch bleiben derselben ihre Einwendungen gegen die Zulässigkeit sowohl der Beweisantretung als der vorgeschlagenen Zeugen kraft Gesetzes vorbehalten.

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III. Beweis durch Sachverständige 3. Verfahren b. Weiteres Verfahren § 276. Rücksichtlich des weiteren Verfahrens kommen im Allgemeinen die Vorschriften der §§ 256–272 analog zur Anwendung, vorbehältlich jedoch der im § 274 enthaltenen und der nachfolgenden Bestimmungen: 1) in geeigneten Fällen hat das Gericht unter Zuziehung der Parteien eine Instruction für die Sachverständigen zu entwerfen; 2) die Vorladung der nach § 275 von Amtswegen beigeordneten Sachverständigen liegt dem Beweisführer ob; 3) der von den Sachverständigen abzuleistende Eid ist durch Anlage IV. geregelt; 4) die Sachverständigen sind über die General-Fragstücke unter 8, 9 nie, über die unter 1–7 aber nur auf ausdrückliches Verlangen der einen oder andern Parteien zu vernehmen; 5) die Sachverständigen brauchen sich aus dem Gerichtssaale nicht zu entfernen, und ist es ihnen gestattet, über den zu begutachtenden Gegenstand sich zu besprechen; 6) soll die Beweisaufnahme vor einem beauftragten Richter erfolgen, so kann das Gericht diesem sowohl die Benennung des etwa gerichtsseitig beizuordnenden Sachverständigen, als auch die Entwerfung der Instruction (Nr. 1) überlassen.

IV. Beweis durch Augenschein § 281. Das Gericht kann auf Antrag der Parteien und selbst von Amtswegen die Einnahme des Augenscheines verordnen, wenn dieselbe für die Ausmittelung der Wahrheit dienlich erscheint. Die Beweisantretung geschieht durch den Antrag, den genau bezeichneten Gegenstand in Augenschein zu nehmen. Die den Augenschein anordnende Verfügung benennt erforderlichenfalls das Gerichtsmitglied bez. den Amtsrichter, welcher das Verfahren zu leiten hat und daneben (vergl. jedoch § 276, 6) einen zu beeidigenden Sachverständigen, falls die Zuziehung eines solchen von den Parteien beantragt oder von Amtswegen für angemessen erachtet wird. (Vergl. auch §§ 225, 234, S. 3.) In dem zur Augenscheins-Einnahme angesetzten Termine hat sich der Richter von allen örtlichen Umständen genau zu unterrichten, das erforderliche zu Protocoll zu nehmen und nöthigenfalls einen ungefähren Handriß beizufügen. Befindet sich ein Riß bereits bei den Acten, so ist dieser mit der Localität zu vergleichen und, wenn es erforderlich, zu berichtigen. Gegen die, die Einnahme des Augenscheins von Amtswegen anordnende richterliche Verfügung findet kein Rechtsmittel Statt.

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Gesetzesverzeichnis V. Vom Beweise durch Eid 1. Vom Eide überhaupt c. Eidesleistung

§ 286. In der Regel ist der Eid in der Sitzung des Proceßgerichts abzuleisten; das Gericht kann jedoch, wenn der Schwurpflichtige weit entfernt wohnt, Abnahme des Eides vor einem anderen Gerichte, so wie mit Rücksicht auf hohes Alter, Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere persönliche Hindernisse des Schwurpflichtigen Ableistung des Eides in dessen Wohnung durch einen beauftragten Richter verordnen. § 287. Die Eidesleistung erfolgt nach den Bestimmungen des Gesetzes über Eidesleistungen vom 25. April 1850, unter Berücksichtigung der Vorschriften des § 256. Insofern nicht aus dringenden Gründen eine Ausnahme zu machen ist, soll der Eid niemals in dem Termine abgenommen werden, in welchem der Partei, welche schwören soll, zuerst eröffnet wird, daß und worüber von ihr die Ableistung eines Eides verlangt werde, oder in dem sie sich zu einem solchen erbietet. Gegen die Verfügung, welche ausnahmsweise die sofortige Ableistung des Eides gestattet, findet kein Rechtsmittel Statt. VI. Beweis durch Urkunden 1. Beweisantretung a. Allgemeine Vorschriften aa. Vorlegung überhaupt § 305. Die Beweisantretung erfolgt durch Vorlegung der Urkunden im Originale, bez. beweisfähiger Abschrift. (§ 328) Die beweisenden Stellen der Urkunden sind zu bezeichnen und bei der Verhandlung der Sache dem Gerichte vorzutragen. Im Beweistermine vorgelegte Urkunden beweisen, selbst wenn der Beweisführer sie später fallen läßt, auch zu Gunsten des Gegners. 2. Erklärung des Gegners a. Im Allgemeinen § 327. Der Gegner hat sich über die Erheblichkeit der Beweisantretung, bezüglich sowohl der zu beweisenden Thatsachen als des Beweismittels, daneben aber über die vorgelegte Urkunde selbst nach den Vorschriften der §§ 328, 329 zu erklären, widrigenfalls die Urkunde auf Antrag des Beweisführers vom Gerichte als anerkannt angenommen wird. Eine Befreiung von der letzteren Verpflichtung tritt nur dann ein, wenn der Gegner bei öffentlichen Urkunden den Mangel solcher Merkmale hervorhebt, und sofort zu begründen vermag, durch welche die Eigenschaft der Urkunde als einer öf-

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fentlichen bedingt ist; ferner bei allen Arten von Urkunden, wenn er deren Unzulässigkeit oder völlige Beweisunfähigkeit sofort ausführen kann, oder dieselben als falsch oder verfälscht angreift. (§ 330 flgde.) Gegen die richterliche Verfügung, welche die Beweisantretung zurückweiset, oder sie gegen den Antrag des Gegners zuläßt, findet die Berufung nur in Verbindung mit der Berufung zur Hauptsache Statt.

b. Rücksichtlich öffentlicher Urkunden § 328. Öffentliche Urkunden, d.h. solche, die von einer öffentlichen Behörde oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person in solcher Eigenschaft innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse und mit Beobachtung der bestehenden Form ausgestellt werden, muß der Gegner als öffentliche Urkunden anerkennen. Den öffentlichen Urkunden stehen die beglaubigten Abschriften derselben in ihren Wirkungen gleich, vorausgesetzt, daß die Beglaubigung selbst die Erfordernisse einer öffentlichen Urkunde an sich trägt.

c. Rücksichtlich Privaturkunden § 329. Über die im Originale vorzulegenden Privaturkunden, d.h. solche, denen die Kraft einer öffentlichen Urkunde fehlt, muß, wenn sie von dem Gegner oder solchen Personen, für deren Handlung er haftet, ausgestellt sein sollen, die abzugebende Erklärung dahin gerichtet werden, daß er die Unterschrift anerkennen oder eidlich ableugnen wolle. Die Anerkennung der Namensunterschrift begründet für die Ächtheit des Inhalts einer Rechtsvermuthung, die ganz oder theilweise nur durch den Nachweis solcher Thatumstände beseitigt werden kann, welche ergeben, daß es nicht die Absicht gewesen, durch die Unterschrift der Urkunde deren Inhalt zu genehmigen. Durch die besondere Beschaffenheit der Urkunde, z. B. Rasuren, Interlineaturen u.s.w., kann jene Rechtsvermuthung geschwächt oder auch ganz aufgehoben werden. (Vergl. jedoch § 490) Ist die Privaturkunde von dritten Personen ausgestellt, für deren Handlungen der Gegner nicht haftet, so genügt zur Ableugnung die Erklärung, daß er die vorgelegte Hand- und Unterschrift als die des Dritten Ausstellers nicht kenne.

3. Verfahren über Ächtheit der Urkunden a. Im Falle behaupteter Fälschung § 330. Wer eine Urkunde als falsch oder verfälscht anfechten will, hat den thatsächlichen Grund dieser Einrede mit allen Nebenumständen bestimmt und vollständig anzugeben; der Gegner ist gehalten, auf dieses Vorbringen sich zu erklären, widrigenfalls die fragliche Urkunde als Beweismittel aus diesem Processe zurückgewiesen wird.

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Gesetzesverzeichnis Dritter Abschnitt Vom Urtheile I. Im Allgemeinen

§ 343. Sobald der Rechtsstreit zur Entscheidung reif ist, hat das Gericht ungesäumt zur Urtheilsfällung zu schreiten.

IV. Abänderung der Urtheile 3. Ergänzung § 361. Ist in dem Urtheile über einen der Entscheidung bedürfenden Streitpunct nicht verfügt, so kann jede Partei binnen der Frist einer Woche, von der Behändigung bez. Verkündigung des Urtheils angerechnet, die Ergänzung desselben beantragen; nach Ablauf dieser Frist ist die Ergänzung nur im Weg der Berufung zulässig. Etwaige Beschwerden gegen das Ergänzungsurtheil können durch eine selbstständige Berufung, müssen jedoch, wenn ohnehin gegen den übrigen Theil des Urtheils eine Berufung noch verhandelt wird, in diesem Berufungsverfahren verfolgt werden.

Zweiter Titel Verfahren vor den Amtsgerichten I. Allgemeine Vorschrift § 375. Das Verfahren vor den Amtsgerichten richtet sich im Allgemeinen, unter Berücksichtigung jedoch derjenigen Eigenthümlichkeiten, welche Folge der dem obergerichtlichen Verfahren besonderen Vorschriften des Theil I. Titel 1–3 sind, nach den im Theil II. Titel 1, Abschnitt 1–4 enthaltenen Bestimmungen über das Verfahren vor den Obergerichten.

Dritter Theil Das Rechtsmittel-Verfahren Erster Titel Die Berufung I. Zulässigkeit der Berufung § 394. Die Ausführung der Beschwerde findet entweder sofort Statt (sofortige Berufung), oder nur gegen die Entscheidung der Hauptsache, d.h. gegen das Endurtheil oder die nächste der sonstigen, sofortiger Beschwerde unterworfenen richterlichen Verfügungen, mit welcher jene Beschwerde im entscheidenden Zusammenhange steht. (Vorbehaltene Berufung).

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§ 395. Der sofortigen Berufung unterliegen nur: 1) Endurtheile, auch wenn nach erfolgter Verhandlung die Klage nur angebrachtermaßen abgewiesen worden ist; 2) richterliche Verfügungen, wodurch die Formel eines zugeschobenen oder zurückgeschobenen, eines nothwendigen, eines Diffessions-, eines Schätzungs- oder eines Editionseides festgestellt wird; 3) Urtheile, wodurch die im § 196 gedachten verzögerliche Einreden erledigt werden, insoweit dieselben nicht schon unter der Nr. 1 begriffen sind; 4) Sonstige richterliche Verfügungen, gegen welche das Gesetz sofortige Berufung ausnahmsweise zuläßt. § 398. Umgekehrt ist das Gericht in dem Fall des § 395 unter 3 befugt, auf den vor Abgabe des Urtheils gestellten Antrag, indem es die vorgeschützten verzögerlichen Einreden zurückweiset, zugleich zu verordnen, daß gegen dieses Urtheil nur eine vorbehaltene Berufung Platz greife, falls es mit dem Antragsteller dafür hält, daß jene Einreden lediglich zur Verzögerung des Rechtsstreits vorgebracht worden seien.

II. Berufungsgericht § 400. Gegen die Entscheidungen des großen Senats eines Obergerichts geht die Berufung an das Oberappellationsgericht; gegen die Entscheidungen des kleinen Senats eines Obergerichts an den großen Senat desselben, bez. eines anderen Obergerichts; von den Entscheidungen eines Amtsgerichts an den kleinen Senat des vorgesetzten Obergerichts. Eine Abänderung dieser Verfassungsvorschriften durch Privatwillkür ist unstatthaft.

VII. Berufungsverfahren § 412. Das Berufungsverfahren richtet sich im Allgemeinen nach den Theil II. Titel I Abschn. 1, 2 ertheilten Vorschriften, unter Berücksichtigung der in den §§ 413–419 folgenden Bestimmungen. § 417. In erster Instanz nicht geltend gemachte Forderungen können auch in der Berufungsinstanz nicht erhoben werden. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind: 1) zur Compensation geeignete Forderungen, sofern sie zu einer Zeit entdeckt bez. entstanden sind, wo sie in erster Instanz nicht mehr geltend gemacht werden konnten, in welcher Beziehung die Vorschriften der §§ 448, 450 analoge Anwendung finden; 2) Nebenforderungen, welche erst nach verkündetem Urtheile fällig wurden oder entstanden sind. § 418. Hiervon abgesehen, steht es jeder Partei frei, durch Vorbringen neuer Thatsachen, insbesondere neuer Einreden, Repliken, Dupliken, oder durch Benutzung neuer Beweismittel die Erheblichkeit der aufgestellten Beschwerden zu begründen oder zu bestreiten. Eine Veränderung der Klaganträge ist jedoch unzulässig.

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Gesetzesverzeichnis VIII. Berufungsurtheil

§ 427. Derjenigen Partei, welche in der Berufungsinstanz neue Thatsachen oder neue Beweise beibringt, die schon in der ersten Instanz beizubringen ihr möglich gewesen wäre, können die dem Gegner vergeblich entstandenen Kosten sowohl der ersten als der Berufungsinstanz den Umständen nach zur Last gelegt werden, wenn sie auf Grund jenes neuen Vorbringens obsiegt. Ein besonderes Beweisverfahren rücksichtlich der gedachten Möglichkeit findet jedoch nicht Statt, vielmehr wird die Beurtheilung dieser Frage dem richterlichen Ermessen, nach Würdigung der deshalb von den Parteien beigebrachten Wahrscheinlichkeitsgründe, anheimgestellt. Dritter Titel Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen rechtskräftige Erkenntnisse I. Zulässigkeit § 444. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen rechtskräftige Erkenntnisse (Restitutionsklage) findet nur Statt, wenn 1) das Urtheil sich auf einen über die Wahrheit oder das Nichtwissen geleisteten Eid irgend einer Art gründet, und erwiesen wird, daß der Schwörende wissentlich falsch geschworen hat oder im Strafverfahren rechtskräftig wegen Meineides verutheilt ist; 2) die die Restitutionsklage anstellende Partei auf den Grund einer falschen oder verfälschten Urkunde, eines absichtlich falschen Zeugnisses oder Gutachtens verutheilt oder abgewiesen ist; 3) das Urtheil durch betrügerische Handlungen der Gegenpartei, ihres Bevollmächtigten oder Rechtsbeistandes oder des eigenen Rechtsbeistandes oder Bevollmächtigten im Einverständnisse mit einer der gedachten Personen dem Gegner zu Gunsten und der eigenen Partei zum Nachtheile erwirkt ist; 4) die das Rechtsmittel verfolgende Partei vor dem rechtskräftigen Erkenntnisse bereits vorhanden gewesene Thatumstände, durch welche jedoch die Klage nicht verändert werden darf, als Einreden, Repliken und andere Vertheidigungsgründe von der Beschaffenheit neu entdeckt hat, daß, wenn sie davon in dem früheren Verfahren Gebrauch hätte machen können, in der Sache günstiger für sie erkannt sein würde. Unter neuen Thatumständen sind aber solche nicht zu verstehen, durch deren Beweis die künstliche Herstellung eines obgelegenen Beweises bewirkt werden soll; 5) die Partei für die in dem früheren Verfahren zeitig von ihr behaupteten Thatumstände schriftliche Beweismittel entweder a. neu entdeckt hat, oder b. wenn sie deren Dasein zwar früher gekannt und dieselben in dem früheren Verfahren bestimmt angezeigt hatte, darzuthun vermag, daß ihre Herbeischaffung erst gegenwärtig ihr möglich gewesen und in beiden Fällen diese schriftlichen Beweismittel von der Beschaffenheit sind, daß, wäre von ihnen zeitig Gebrauch gemacht worden, das Erkenntnis für die Partei günstiger ausgefallen sein würde;

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6) in Sachen minderjähriger oder anderer unter Curatel stehenden Personen bei Wahrnehmung ihrer Rechte während der Curatel von ihren Vertretern nicht der Grad von Fleiß angewendet worden ist, zu welchem sie gesetzlich verpflichtet sind, und dadurch ein ihnen nachtheiliges Erkenntnis veranlaßt ist. Unter Vertretern sind jedoch Bevollmächtigte und Rechtsbeistände als solche nicht zu verstehen. Dieser Grund kommt in gleicher Maße zu Statten den Kirchen und frommen Stiftungen, so wie denjenigen öffentlichen Anstalten und anderen juristischen Personen, welche den Gesetzen zufolge die Rechte der Minderjährigen genießen, nicht aber dem Fiscus, den Gemeinden, den Concursmassen und dem Gläubigercorps als solchem. § 445. Die Vorschriften des § 444 unterliegen jedoch folgenden Beschränkungen: 1) In den Fällen unter Nr. 1–5 ist die Restitutionsklage dadurch bedingt, daß die Partei den Restitutionsgrund zu einer Zeit entdeckte, wo sie davon in dem früheren Verfahren, namentlich auch mittelst Einspruchs, so wie ferner unter Berücksichtigung der Vorschriften der §§ 417, 418 keinen Gebrauch mehr machen konnte; 2) die Restitutionsgründe unter Nr. 5 und 6 finden nicht Statt, wenn im Falle der Nr. 5 das Gegenteil dessen, was durch die neueren Urkunden dargethan werden soll, im früheren Processe durch einen Wahrheitseid der Gegenpartei festgestellt ist, und im Falle der Nr. 6 es sich um eine bloße Unterlassung einer Rechtsausführung oder deren mangelhafte und zweckwidrige Beschaffenheit handelt; 3) in den Fällen der Nr. 1–3 ist die Eideszuschiebung an die Gegenpartei über die ihr selbst Schuld gegebene rechtswidrige Handlung unzulässig, dagegen sind im Falle der Nr. 4 zum Beweise der zulässigen neuen Thatsachen sämmtliche Beweismittel, insbesondere auch Zeugen gestattet. IV. Erhebung der Restitutionsklage § 448. Die Restitutionsklage wird wie jede andere Klage erhoben. Zur Sache (§ 184, 1 und 2) müssen die Klaganträge enthalten: 1) die Angabe und den Nachweis der Thatsachen, wodurch die Rechtzeitigkeit der Erhebung der Restitutionsklage bedingt ist; 2) die genaue Bezeichnung der einzelnen Restitutionsgründe, so wie die Antretung der hierauf bezüglichen Beweise; 3) den bestimmten Antrag, in welchem Umfange das frühere Erkenntniß zu beseitigen und wie statt dessen jetzt zu erkennen. VI. Verfahren § 450. Das Verfahren über die Restitutionsklage richtet sich nach den allgemeinen processualischen Bestimmungen, unter Berücksichtigung der nachfolgenden Vorschriften: 1) der Nachweis der Rechtzeitigkeit geschieht in den Fällen § 44 Nr. 1–5a. durch Urkunden oder durch den Eid, daß und wann die Partei den in Bezug genommenen Restitutionsgrund entdeckt habe; im Falle Nr. 5b. durch Urkunden oder

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durch den Eid, daß ihr die Herbeischaffung der erlangten neuen Urkunden aller angewandeten Mühe ungeachtet erst jetzt möglich geworden sei; im Falle Nr. 6 durch jede im Allgemeinen zulässige Bescheinigung über den Zeitpunct der eingetretenen Rechtskraft, der erlangten Großjährigkeit, der Aufhebung der Curatel, des Ablebens des Erblassers und der Antretung der Erbschaft; 2) der Restitutionskläger darf zum Beweise seines neuen Vorbringens von den überhaupt zulässigen Beweismitteln nur die benutzen, welche er in den Klaganträgen (§ 448) bestimmt namhaft gemacht hat; 3) der Beklagte kann zu seiner Vertheidigung neue Thatumstände, auch Beweise aller Art vorbringen, insofern solche nur das neuen Vorbringen und den Einfluß desselben auf das Erkenntnis betreffen, ohne Unterschied, ob in den vorigen Verhandlungen sie ihm schon bekannt waren oder nicht, ob er damals mit ihnen ausgeschlossen war oder nicht. Vierter Theil Außerordentliche Verfahrungsarten Vorbemerkung § 459. Die Theil II. III. gegebenen Vorschriften finden, soweit nicht nach der eigenthümlichen Natur der einzelnen außerordentlichen Verfahrungsarten ein Anderes eintritt, auch bei diesen Anwendung. Erster Titel Schriftliches Verfahren mit mündlicher Schlußverhandlung I. Zulässigkeit § 460. In Sachen, welche wegen außergewöhnlicher Ausdehnung oder Verwickelung der thatsächlichen Verhältnisse bez. des Beweises nicht geeignet erscheinen, durch mündliche Verhandlung genügend aufgeklärt zu werden, findet behuf Instruction der Sache bez. des Beweisverfahrens schriftliches Verfahren Statt. Unbedingt unzulässig ist dasselbe in den im § 208 gedachten Fällen, so wie im amtsgerichtlichen Verfahren. II. Anordnung desselben § 461. Die Anordnung des schriftlichen Verfahrens setzt stets einen hierauf gerichteten Beschluß des Gerichts selbst voraus. Sie kann auf Antrag der Parteien und selbst von Amtswegen erfolgen. § 462. Die eine schriftliche Verhandlung anordnende richterliche Verfügung bezieht sich stets nur auf das Verfahren bis zum nächsten in der Hauptsache ergehenden Erkenntnisse des Gerichts, vorbehältlich der Befugniß desselben, in jenem oder später die schriftliche Verhandlung auch für den nächstfolgenden Proceßabschnitt eintreten zu lassen.

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III. Besondere Vorschriften über das Verfahren selbst 1. Verhandlung vor dem beauftragten Richter a. Im Allgemeinen § 464. Der Beschluß des Gerichts, welcher das schriftliche Verfahren anordnet, hat zugleich ein Gerichtsmitglied mit der Leitung desselben zu beauftragen (vergl. auch § 227), und daneben, insoweit nicht besondere Gründe entgegenstehen, die Frist behuf Vornahme der ersten Proceßhandlung (Vernehmlassung, Beweisantretung) vorzuschreiben. § 465. Die Instruction der Sache geht entweder zu Protocoll oder durch Schriftwechsel vor sich. Die geschäftliche Verbindung unter den Parteien, so wie die Zuziehung dritter Personen (Zeugen u.s.w.) wird nach der Vorschrift des § 377 vermittelt. § 466. Sobald die Sache zur Abgabe des Beweisinterlocuts oder Endurtheils reif ist, hat der Richter die Parteien behuf mündlicher Schlußverhandlung in einer bestimmten Sitzung des Proceßgerichts zu verweisen.

2. Mündliche Schlußverhandlung § 473. Nach eröffneter Sitzung hat der mit der Leitung des schriftlichen Verfahrens beauftragte Richter auf Grund der Acten eine übersichtliche Darstellung des Standes der Sache vorzutragen. Diesem Vortrage kann nun eine kurze Bezeichnung der besonders in Betracht kommenden thatsächlichen und rechtlichen Fragen, nicht aber die eigene Ansicht des Berichterstatters hinzugefügt werden. Die Parteien haben die rechtlichen Gesichtspuncte des Streits zu erörtern. Abgesehen von den besonderen Vorschriften der §§ 204, 242 ist neues thatsächliches Vorbringen, insbesondere das Vorschützen neuer Einreden u.s.w., so wie das Nachholen von Beweisen unzulässig, statthaft dagegen eine Berichtigung oder Vervollständigung der Sachdarstellung nach Vorschrift des § 84 (3. S.). Das Gericht kann behuf weiterer Aufklärung der Sache das Erforderliche verfügen, insbesondere zur Fragestellung schreiten, insoweit dieses nicht bereits von dem beauftragten Richter geschehen ist. Das Urtheil erfolgt auf Grundlage der gewechselten bez. berichtigten Schriftsätze der Parteien, so wie der schriftlich festgestellten Ergebnisse der Beweisaufnahme, und finden die das Berichtigungsverfahren bezüglich des Thatbestandes im Urtheile betreffenden Vorschriften des zweiten Satzes des § 360 für das schriftliche Verfahren keine Anwendung.

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Gesetzesverzeichnis Vierter Titel Der Provocationsproceß I. Wider einen bestimmten Gegner 1. Zulässigkeit

§ 492. Abgesehen von dem, in § 497. erwähnten Falle findet eine gerichtliche Aufforderung zur Klageerhebung wider einen bestimmten Gegner nur Statt, wenn: 1) derselbe sich eines Anspruchs an den Provocanten berühmt, insofern selbiger von diesem nicht anerkannt, jedoch klagbar und fällig ist, oder 2) der Provocant der Klage des Provocaten Einreden entgegenzusetzen hat, deren Verlust oder Gefährdung bei längerer Verzögerung der Klagerhebung zu befürchten ist. Wegen der Gefahr des Verlustes von Beweismitteln, so wie in den Fällen, wo dem Provocanten eine Klage zusteht, ist die Provocation unzulässig.

2. Zuständiges Gericht und Erhebung der Provocation § 493. Die Provocation ist bei dem Amtsgerichte, in dessen Bezirke der Provocant seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, wie eine Klage anzubringen. Zur Sache (§ 184, 1 und 2 ) müssen die Anträge enthalten: 1) die Voraussetzung für die Zulässigkeit der Provocation, insbesondere die genaue Bezeichnung im Falle der Nr. 1 des Anspruchs, im Falle der Nr. 2 der Einrede; 2) die gehörigen Bescheinigungen des Grundes der Provocation.

3. Verfahren und Urteil § 494. Das Verfahren einschließlich des Urtheils hat nur die Frage, ob der Provocationsproceß zulässig sei, nicht aber den Grund oder Ungrund des Anspruches selbst zum Gegentstande. Schriftliches Vorverfahren, so wie Beweisinterlocute sind unstatthaft. § 495. Das Urtheil, welches den Anträgen des Provocanten Folge giebt, bestimmt zugleich die Frist, binnen welcher die Klage zu erheben. Diese Frist soll der Regel nach nicht unter einem Monate betragen und ist der Erstreckung fähig. Das auf Ungehorsam ergangene Urtheil unterliegt dem Einspruche. § 496. Nach unbenutztem Ablaufe der im § 495 gedachten Frist hat das Gericht auf Antrag des Provocanten im Falle der Nr. 1 des § 492 den Rechtsnachtheil des Erlöschens des fraglichen Klagrechts, im Falle der Nr. 2 den Rechtsnachtheil der Aufrechterhaltung der fraglichen Einreden auszusprechen. Der Provocat kann nicht allein vor gestelltem Antrage des Provocanten durch nachträgliche Erhebung der Klage diesen Ausspruch abwenden, sondern auch die Aufhebung desselben mittelst Einspruchs bewirken.

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II. Wider unbestimmte Gegner 1. Allgemeine Bestimmungen a. Zulässigkeit § 498. eine allgemeine Aufforderung (Edictalladung) ist zulässig, wenn der Provocant hinsichtlich eines bestimmten Gegenstandes ein rechtsbegründetes Interesse hat, gegen etwaige Ansprüche oder Rechte, deren Vorhandensein ungewiß ist, sich sichern zu können. b. Zuständiges Gericht § 499. Zuständig ist, insofern nicht durch besondere Vorschriften ein Anderes geordnet, dasjenige Amtsgericht, in dessen Bezirke der Provocant seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort hat. c. Verfahren § 500. Das Gericht hat die Ladung auf das Interesse des Provocanten nach Beschaffenheit des einzelnen Falles zu beschränken, und der anzudrohende Rechtsnachtheil darf nie über den Zweck der Ladung hinausgehen, insbesondere nicht dazu benutzt werden, dem Provocanten eine Mehreres als Sicherung gegen Verlust zu gewähren. Die Geräumigkeit des anzusetzenden Termins und die Wahl der öffentlichen Blätter hängt nach Beschaffenheit des einzelnen Falls von dem Ermessen des Gerichts ab (vergl. auch § 125 S. 3); immer aber muß die Ladung den Namen des Provocanten, den betreffenden Gegenstand, den Zweck der Aufforderung und den anzudrohenden Rechtsnachtheil deutlich enthalten. Vor Erlassung einer Ladung soll der Provocant jedesmal von dem Gerichte aufgefordert werden, die ihm bekannten Gläubiger einzeln und genau anzugeben, damit diese in der Ladung der oder durch gerichtsseitige Ertheilung besonderer Certificate von der Verpflichtung zur Anmeldung zeitig ausgenommen werden können. Weder der Provocant noch ein Dritter, zu dessen Sicherung die Edictalladung erlassen ist, kann sich auf die Ausschließung eines ihm bekannt gewesenen und von ihm nicht angegebenen Anspruchs berufen. Das Gericht darf durch Edictalladung nur die Anmeldung solcher Ansprüche verlangen, deren Vorhandensein an sich oder hinsichtlich des Berechtigten ihm unbekannt ist; namentlich gehören dazu alle solche Gläubiger, deren Forderungen im Grundoder Hypothekenbuche des ladenden Gerichts verzeichnet oder von dem Provocanten angegeben sind. Dagegen sind die regelmäßig aus dem Staats-, Communal-, Kirchen-, Schul-, Siehl- und Deichverbande entstehenden Lasten nicht Gegenstand der Ladung; etwaige Rückstände müssen indessen angemeldet werden. 3. Ausschluß § 502. Nach Ablauf des angesetzten Termins wird, und zwar, wenn die Ladung nicht von Amtswegen geschehen ist, auf Antrag des dabei Interessirten ein den ange-

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drohten Rechtsnachtheil aussprechendes Erkenntnis angegeben, und durch Anschlag an der Gerichtsstelle, so wie durch Einrückung in ein öffentliches Blatt der Provinz, oder in geringfügigen Sachen, nach dem Ermessen des Gerichts, nur durch Anschlag zur allgemeinen Kunde gebracht. Insoweit ein Antrag erforderlich, sind etwaige nach Ablauf des angesetzten Termins bis dahin, daß ein Antrag gestellt ist, erfolgende Anmeldungen noch zuzulassen. Gegen das den angedrohten Rechtsnachtheil aussprechende Ungehorsams-Urtheil findet Einspruch binnen der im § 158 gedachten Frist Statt; als Zeit der Behändigung gilt der Tag, welchen das im ersten Absatze gedachte öffentliche Blatt als Datum trägt, bez. der Tag des Anschlages. Siebenter Theil Schlußbestimmungen III. Strafvorschriften § 681. Erhebliche Verstöße wider die Vorschriften dieses Gesetzes durch die betreffenden richterlichen und sonstigen Beamten, Anwälte und Advocaten könne, falls nicht besondere Strafbestimmungen dieserhalb zur Anwendung zu bringen sind, mit einer Geldbuße von 1–10 Thaler bestraft werden.

II. Gesetz, betreffend verschiedene Abänderungen des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 31. März 1859 – Auszug – § 4. Den Amtsgerichten ist zugewiesen [. . .] III. In bürgerlichen Rechtssachen: 1) die streitige Gerichtsbarkeit angehend: a. Rechtsstreitigkeiten in Sachen bis Einhundert und fünfzig Thaler Werth einschließlich. Über die Werthsberechnung bestimmt die bürgerliche Proceßordnung das Nähere. Ohne Rücksicht auf den Werth des Streitgegenstandes: b. Rechtsstreitigkeiten über Wegegerechtigkeiten, Grenzberichtigungen (actiones finium regundorum); über Injurien; Ansprüche aus einem unehelichen Beischlafe, soweit solche überall vor die weltlichen Gerichte gehören; Streitigkeiten zwischen Dienstboten und Dienstherrn, die aus dem Dienstverhältnisse entspringen; desgleichen Streitigkeiten über Einräumung oder Verlassung einer Wohnung zwischen Miether und Vermiether; c. die Erkennung von Arresten und einstweiligen Verfügungen nach Maßgabe der Vorschriften der bürgerlichen Proceßordnung;

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d. die Leitung der Concurse, einschließlich des Erstigkeits-Erkenntnisses; e. die Erledigung aller sonst durch die Proceßordnungen und andere Gesetze den Amtsgerichten überwiesenen Handlungen. § 8. Den Obergerichten steht zu [. . .] III. In Civilsachen: 1) in erster Instanz die Entscheidung in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für welche nicht die Amtsgerichte zuständig sind; 2) in zweiter Instanz die Entscheidung über Rechtsmittel (Berufungen, Nichtigkeitsbeschwerden und sonstige Beschwerden) gegen Verfügungen der Amtsgerichte in Sachen der streitigen [. . .] Gerichtsbarkeit; 3) die Entscheidung über Rechtsmittel gegen die von den kleinen Senaten der Obergerichte selbst abgegebenen Verfügungen [. . .] in bürgerlichen Rechtssachen, insoweit nicht das Oberappellationsgericht darüber zu entscheiden hat. § 9. Den kleinen Senaten liegt ob: 1) die Urtheilsfällung in den zur Zuständigkeit der Obergerichte in erster Instanz gehörigen Civilsachen, deren Gegenstand den Werthbetrag von dreihundert Thaler nicht übersteigt; 2) die Entscheidung in den Fällen der §§ 18, 20, 557 Abs. 3 und 602 der bürgerlichen Proceßordnung [. . .]; 3) [. . .] 4) die Urtheilsfällung über Berufungen gegen Erkenntnisse der Amtsgerichte in Civilsachen [. . .], so wie über Beschwerden gegen das Verfahren der Amtsgerichte bei Ausübung der streitigen [. . .] Gerichtsbarkeit 5) die Entscheidung über Ablehnung von Amtsrichtern oder Mitgliedern des kleinen Senats. § 10. Den großen Senaten liegt neben der im § 8 unter IV. erwähnten Entscheidung ob: 1) die Urtheilsfällung in den zur Zuständigkeit der Obergerichte in erster Instanz gehörigen Civilsachen, deren Gegenstand den Werth von Dreihundert Thaler übersteigt; 2) die Urtheilsfällung über Rechtsstreitigkeiten gegen Erkenntnisse der Amtsgerichte; 3) [. . .] 4) die Entscheidung über Ablehnung von Mitgliedern des großen Senats.

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B. Bayern Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern vom 29. April 1869 – Auszug – Erstes Buch Allgemeine Bestimmungen I. Hauptstück Zuständigkeit der Gerichte Bezirksgerichte Artikel 2. Vor die Bezirksgerichte gehören im ersten Rechtszuge alle vor den bürgerlichen Gerichten zu verhandelnden Rechtsstreitigkeiten, welche nicht andern Gerichten zugewiesen sind.

Stadt- und Landgerichte Artikel 3. Vor die Einzelngerichte gehören, soweit das Gesetz nicht anders bestimmt, Klagen, welche in der Hauptsache an Geld oder Geldeswerth nicht über hundertfünfzig Gulden ohne Einrechnung der Zinsen, Kosten und Nutzungen betreffen. Wird eine Klage von mehreren Klägern erhoben oder gegen mehrere Beklagte gerichtet oder werden gegen denselben Beklagten mehrere Ansprüche in einer Klage verfolgt, so entscheidet für die Zuständigkeit der Gesammtwerth aller geltend gemachten Ansprüche.

III. Hauptstück Bevollmächtigte, Beistände, Anwälte und Gerichtsvollzieher Artikel 79. Im Verfahren vor den Bezirks-, Appellations- und HandelsappellationsGerichten, dann bei dem obersten Gerichtshofe müssen die Parteien, soweit nicht das Gesetz eine Ausnahme gestattet, sich durch Anwälte vertreten lassen (Anwaltsprozeß). Diese Vertretung kann bei dem obersten Gerichtshofe durch jeden bayerischen Advokaten, bei den übrigen in Abs. 1 genannten Gerichten nur durch die am Sitze des Prozeßgerichts wohnenden und zur anwaltschaftlichen Vertretung zugelassenen Advokaten geschehen. In eigener Sache können Advokaten ihre Prozesse selbst führen. Die Prozesse des k. Fiskus können durch Fiskale geführt werden. Beides ist jedoch bei den Bezirks-, Appellations- und Handelsappellations-Gerichten nur dann zulässig, wenn der Advokat oder Fiskal am Sitze des betreffenden Gerichts seinen Wohnsitz hat.

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Was das Gesetz über die Prozeßhandlungen der Partei-Anwälte bestimmt, ist in den in Abs. 3 bezeichneten Fällen von den Prozeßhandlungen der Fiskale und der in eigener Sache handelnden Advokaten zu verstehen. Gerichtsvollzieher Artikel 101. Die Zustellung der im Prozesse von einer Partei an die andere ergehenden Vorladungen, Bekanntmachungen, Aufforderungen und sonstigen Mittheilungen, dann der richterlichen Entscheidungen gehört, soweit das Gesetz nicht anders bestimmt, zum Dienste der Gerichtsvollzieher, deren sich die Parteien nach Maßgabe der hierüber im Gesetze getroffenen nähern Bestimmungen zu bedienen haben. Das Gleiche gilt von der Zwangsvollstreckung und der Gant. Auch außerhalb des Prozesses sind die Parteien befugt, durch die Gerichtsvollzieher alle diejenigen Zustellungen von Erklärungen, Anerbietungen etc. an Andere machen zu lassen, welche sie zur Wahrung ihrer Rechte als dienlich erachten. V. Hauptstück Allgemeine Vorschriften über das Verfahren Öffentlichkeit der Verhandlung Artikel 148. Die Verhandlungen vor den Gerichten sind öffentlich, soweit das Gesetz keine Ausnahme macht. Kinder und solche Personen, welche in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise erscheinen, haben keinen Zutritt. Schriftsätze Artikel 165. Die Schriftsätze der Anwälte (Anwaltsakte) haben zu enthalten: 1) die Bezeichnung des Schriftsatzes als Klage, motivirter Antrag u.s.w.; 2) die Anführung der Parteien nach Vor- und Familiennamen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; 3) die allgemeine Bezeichnung des Streitgegenstandes; 4) die Benennung des Gerichts, vor welchem die Sache verhandelt werden soll; 5) das Gesuch der Partei und dessen Begründung; 6) die Unterschrift des Anwalts. Besteht eine Partei aus mehreren Personen, so bedarf es einer Wiederholung der einmal geschehenen Aufzählung in den folgenden Schriftsätzen nicht. Das Gesuch muß sowohl hinsichtlich der Beschaffenheit als der Größe des Verlangten in der Haupt- und so viel möglich auch in der Nebensache genau bestimmt sein. Die thatsächliche und, wo eine solche überhaupt nöthig, auch die rechtliche Begründung ist in den Schriftsätzen nur in bündiger Kürze vorzutragen. Verbindung und Trennungen der Verhandlungen Artikel 157. Die Verbindung mehrerer bei einem Gerichte anhängigen Rechtsstreitigkeiten, welche in sachlichem und rechtlichem Zusammenhange stehen oder zwi-

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schen denselben Parteien obschweben, kann auf Antrag und selbst von Amtswegen angeordnet werden, so oft dies im Interesse der Parteien gelegen oder der Ordnung des Verfahrens angemessen erscheint. Ebenso kann in einem Rechtsstreite die Trennung der Verhandlung über einzelne Streitpunkte oder einzelnen Parteien gegenüber verfügt werden, wenn hiedurch eine zweckmäßige Vereinfachung des Verfahrens zu erwarten ist. Eine Widerklage, die nicht schon mit der Vernehmlassung auf die Hauptklage verbunden wurde, darf nur dann gleichzeitig mit dieser verhandelt werden, wenn dadurch die Verhandlung der Hauptklage keine Verzögerung erleidet. In allen Fällen steht es dem Gerichte zu, die Reihenfolge zu bestimmen, in welcher die Verhandlung über mehrere Streitpunkte einzutreten hat. Rechtsmittel finden gegen die gemäß Abs. 1–4 erlassenen Verfügungen nicht statt.

Parteiakten Artikel 171. Die Parteiakten, welche sich aus den wechselseitig mitgetheilten Aktenstücken und aus den Urkunden bilden, von denen die Partei Gebrauch gemacht hat oder nach Inhalt ihrer Schriftsätze Gebrauch machen will, sind stets vollständig und geordnet zu erhalten und sind beiden Theilen insofern gemeinschaftlich, als jede Partei nicht nur auf deren Inhalt zur Begründung ihrer Anträge vor Gericht Bezug nehmen, sondern auch von den wechselseitig zugestellten Aktenstücken im Falle des Verlustes der eigenen Aktenstücke Abschriften gegen die Schreibgebühr verlangen kann.

Mittheilung von Urkunden Artikel 172. Im Anwaltsprocesse können die Parteien gegenseitig die Mittheilung ihrer Parteiakten verlangen. Gleiches gilt von den in der Sache ergangenen Entscheidungen, aufgenommenen Protokollen und sonstigen gerichtlichen Akten, die sich in Urschrift, Ausfertigung oder Abschrift im Besitze einer Partei befinden, dem Gegentheile aber nicht zugestellt sind. So lange dem Begehren auf Mittheilung der in Abs. 1 und 2 erwähnten Urkunden nicht entsprochen ist, besteht keine Verpflichtung, auf die Verhandlung einzugehen. Auch hat das Gericht auf Antrag einer Partei, welche die Mittheilung vergeblich begehrte, dem Anwalte der Gegenpartei und zwar, wenn der Antrag nicht in der Sitzung bei der Verhandlung oder sofort nach dem Aufrufe der Sache gestellt wurde, durch einen in geheimer Sitzung zu fassenden Beschluß zur Mittheilung eine kurze Frist vorzusetzen. Erfolgt die Mittheilung innerhalb dieser Frist nicht oder nicht vollständig, so darf von den noch nicht mitgetheilten Urkunden bei der Verhandlung nur mit Zustimmung der Partei, an welche die Mittheilung zu geschehen hatte, Gebrauch gemacht werden; auch ist letztere befugt, sich von den betreffenden Urkunden auf Kosten des Gegners Ausfertigungen oder Abschriften, soweit dies ausführbar, geben zu lassen. Will eine Partei von einer in ihrem Besitze befindlichen Urkunde, worauf sie in ihren Schriftsätzen keinen Bezug genommen hat, bei einer Verhandlung Gebrauch machen, so hat sie diese Urkunde vor der Verhandlung der Gegenpartei auch ohne Aufforderung mitzutheilen, widrigenfalls auf Antrag der letztern die Vertagung der Sachen

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nach Umständen auf Kosten des Säumigen, und selbst die Ausschließung der Urkunde von der betreffenden Verhandlung verfügt werden kann.

Wirkung der Klagzustellung Artikel 179. Die Zustellung der Klage hat folgende Wirkungen: 1) die Streitsache sammt Allem, was dazu gehört, wird der Gerichtsbarkeit des angerufenen Gerichts mit Ausschluß anderer gleich zuständiger Gerichte, vor welche etwa eine spätere Ladung ergeht, unterworfen, doch erlischt diese Wirkung der Prävention wieder, wenn die Partei, welche die daraus entspringende Einrede geltend machen konnte, sich bei einem andern Gerichte einläßt; 2) die Zuständigkeit des Gerichts für die Sache dauert fort bis zu deren Beendigung; 3) der Beklagte hat die Befugniß, eine Widerklage zu erheben. Überdies treten alle nach bürgerlichen Gesetzen an die Klaganmeldung, die Vorladung oder Einlassung geknüpften Wirkungen bezüglich des Rechtsverhältnisses selbst, wie die Versetzung des Beklagten in Verzug oder bösen Glauben, das Verbot einseitiger Neuerung u.s.w., mit der Zustellung der Klage ein. Die Wirkungen der Klagzustellung werden durch die endliche Entscheidung der Sache im ersten Rechtszuge, so lange diese Entscheidung die Rechtskraft nicht beschritten hat, nicht unterbrochen.

Einreden Artikel 184. Soweit das Gesetz nicht anders bestimmt, sind Einreden, welche, ohne die Sache selbst zu berühren, nur auf Grund von Prozeßvorschriften die einstweilige Abwendung oder den Aufschub des Prozesses bezwecken, mit einander vorzubringen und ist damit die Einlassung in der Hauptsache zu verbinden. Werden solche Einreden später vorgebracht, so dürfen sie nur dann berücksichtigt werden, wenn sie erst im Verlaufe des Verfahrens zur Entstehung gelangt oder auch von Amtswegen zu berücksichtigen sind. Vorstehende Vorschriften kommen auch schon bei dem schriftlichen Vorverfahren, wo ein solches stattfindet, zur Anwendung. Artikel 185. Der Beklagte kann bis zur Beseitigung des Grundes seiner Einrede jede Antwort verweigern: 1) wenn er die Einrede der mangelnden Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten vorschützt; 2) wenn er als Erbe oder wegen bestandener Gütergemeinschaft belangt wird und sich darauf beruft, daß die ihm nach bürgerlichen Gesetzen eingeräumte Bedenkzeit sich noch im Laufe befindet; 3) wenn er die Zulässigkeit der Klage aus dem Grunde bestreitet, weil der Kläger dem in einem frühern Verfahren gegen ihn ergangenen Urtheile noch nicht Genüge geleistet hat, ungeachtet hiedurch die Zulässigkeit der gegenwärtigen Klage bedingt ist.

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Artikel 186. Zur Einlassung in der Hauptsache ist der Beklagte nicht verpflichtet: 1) wenn er die Zuständigkeit des Gerichts bestreitet oder die Verweisung an ein anderes Gericht verlangt; 2) wenn er die Einrede der nicht ordnungsmäßig erfolgten Ladung oder eine Einrede vorbringt, welche die Befähigung zur Prozeßführung betrifft; 3) wenn er die Nothwendigkeit der Beiladung weiterer Personen behauptet.

Zustellungen Artikel 192. Soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, haben im gerichtlichen Verfahren die Zustellungen auf Betreiben der Partei an die Gegenpartei selbst oder an einen von ihr aufgestellten, am Sitze des Gerichts, bei dem die Sache anhängig ist, wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten zu geschehen; im Anwaltsprozesse, wenn beide Theile durch Anwälte vertreten sind, auf Betreiben des Anwalts an den Gegenanwalt. Die in Art. 682 und 683 bezeichneten Urtheile sind im Anwaltsprozesse außer dem Anwalte auch der Partei selbst oder ihrem Zustellungsbevollmächtigten zuzustellen. Die Zustellung an den Anwalt hat vorauszugehen. Ist der Anwalt nicht mehr in Funktion, so genügt die Zustellung an die Partei oder ihren Zustellungsbevollmächtigten. In der Zustellung an die Partei oder ihren Zustellungsbevollmächtigten ist jene an den Anwalt unter Anführung des Datums derselben zu erwähnen oder der Grund der Unterlassung anzugeben. Die Aufkündigung der Vollmacht wird auch bei Zustellungsbevollmächtigten der Gegenpartei gegenüber erst mit der Anzeige der Aufkündigung wirksam.

Tagfahrten und Fristen Artikel 207. Soferne die Ladung nicht auf eine bestimmte Stunde gestellt ist, gilt die auf einen Vormittag angesetzte Tagfahrt Mittags um zwölf Uhr, die auf einen ganzen Tag oder einen Nachmittag angesetzte Abends um sechs Uhr als abgelaufen. Im Falle der Ladung auf eine bestimmte Stunde ist die Tagfahrt von der Partei versäumt, wenn diese weder bei dem Aufrufe der Sache noch vor dem Schlusse der Verhandlung sich meldet. Artikel 215. Die Nichtvornahme einer Handlung in der dazu anberaumten Tagfahrt oder innerhalb der dazu bestimmten Frist hat, soferne das Gesetz nicht anders bestimmt, den Ausschluß der säumigen Partei mit der vorzunehmenden Handlung zur Folge. Die Nachtheile versäumter Tagfahrten und Fristen treten ohne Androhung ein. Sie sind mit Ablauf der festgesetzten Zeit verwirkt, wenn nicht das Gesetz einen auf Verwirklichung des Rechtsnachtheils gerichteten Antrag des Gegners verlangt. Ist letzteres der Fall, so kann die versäumte Handlung, so lange der Antrag nicht gestellt ist, nachgeholt werden. Kosten- und Schadensersatz aus Versäumnissen ist nur auf Verlangen der Gegenpartei zuzuerkennen.

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Zweites Buch Verfahren im ersten Rechtszuge Erster Abschnitt Ordentliches Verfahren vor den Bezirksgerichten VI. Hauptstück Verfahren im Allgemeinen Verfahren vor der Sitzung Artikel 224. Die Klage wird dadurch erhoben, daß der Kläger die Klageschrift dem Beklagten zustellen läßt. Artikel 225. Die Klageschrift muß von dem zur Vertretung des Klägers bestellten Anwalte gefertigt sein. Sie soll unter genauer Bezeichnung des Streitgegenstandes eine gedrängte aber vollständige und deutliche Darstellung der den Klaganspruch begründenden Thatsache, den Rechtsgrund, aus welchem der Anspruch abgeleitet wird, und ein bestimmtes Gesuch in der Hauptsache sowohl als in den Nebenpunkten enthalten. Artikel 226. Mit der Zustellung der Klageschrift an den Beklagten ist die Aufforderung zu verbinden, innerhalb der gesetzlichen Frist aus den am Sitze des Prozeßgerichts wohnenden und zur anwaltschaftlichen Vertretung zugelassenen Advokaten einen Anwalt zu bestellen und durch ihn dem Gegenanwalte von der erfolgten Bestellung Anzeige machen zu lassen. Die Frist, in welcher der Beklagte der Aufforderung zu genügen hat (Erscheinungsfrist), beträgt acht Tage vom Tage der Klagestellung. Die Dauer der Erscheinungsfrist muß unter Berücksichtigung der Bestimmung des Art. 209 in der Zustellungsurkunde angegeben sein. Artikel 228. Ist für den Beklagten kein Anwalt bestellt worden, so kann der Anwalt des Klägers nach Ablauf der Erscheinungsfrist die Sache für die Sitzung anmelden. Artikel 229. Ist ein Anwalt für den Beklagten bestellt, so haben sich die Anwälte, soweit das Gesetz nicht anders bestimmt, wechselseitig ihre motivirten Anträge zustellen zu lassen. Artikel 230. Die motivirten Anträge dienen als Grundlage für die Verhandlung. Sie haben das bestimmte Gesuch der Partei bezüglich der zu erlassenden Entscheidung und davon gesondert in gedrängter Darstellung die zur Begründung des Gesuchs nach der Sachlage erforderlichen thatsächlichen Anführungen in Verbindung mit den wesentlichen rechtlichen Gesichtspunkten zu enthalten. Eventuelle Bitten sind dem Gesuche beizufügen, auch ist anzugeben, welche Thatsachen die Partei zu beweisen erbötig ist und welcher Arten von Beweismitteln sie sich dazu bedienen will.

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Soweit die Behauptungen und die Rechtsvertheidigung des Klägers in der Klageschrift niedergelegt sind, ist in dessen motivirtem Antrage hierauf lediglich Bezug zu nehmen. Artikel 231. Der Anwalt des Beklagten hat seinen motivirten Antrag innerhalb fünfzehn Tagen nach Ablauf der Erscheinungsfrist zustellen zu lassen, der Anwalt des Klägers den seinigen spätestens drei Tage vor der Sitzung, in welcher die Sache zum Aufrufe kommt. Artikel 232. Will der Beklagte vorläufig nur eine oder mehrere der in Art. 185 und 186 bezeichneten Einreden vorbringen, so muß er seinen auf diese Einreden beschränkten motivirten Antrag innerhalb acht Tagen nach Ablauf der Erscheinungsfrist zustellen lassen, widrigenfalls er des Rechts, solche Einreden ohne gleichzeitige Einlassung in der Hauptsache vorzubringen, verlustig wird. Dem Ermessen des Klägers bleibt in solchen Fällen anheimgegeben, ob er einen motivirten Antrag zustellen lassen will. Artikel 234. Nach Zustellung des motivirten Antrags des Beklagten oder Ablauf der dafür bestimmtem Frist ist jede Partei berechtigt, die Sache für die Sitzung anzumelden. Artikel 235. Die Anmeldung der Sache für die Sitzung (Art. 228 und 234) geschieht schriftlich oder mündlich bei dem Gerichtsschreiber. Hiebei sind Vor- und Familiennamen, Wohnort, Stand oder Gewerbe der Parteien, der Streitgegenstand, die aufgestellten Anwälte und der Tag der Klagzustellung anzugeben. Beim Vorhandensein mehrerer Kläger oder Beklagter genügt die Bezeichnung je eines von ihnen. Geschah die Klagzustellung an mehrere Beklagte an verschiedenen Tagen, so ist der Tag der letzten Zustellung anzugeben. Ist der Fall des Art. 232 gegeben, so ist dies besonders zu bemerken. Artikel 236. Alle gemäß Art. 235 angemeldeten Sachen sind unverzüglich nach der Reihenfolge der Anmeldung in ein von dem Gerichtsschreiber zu führendes Verzeichniß (Hauptverzeichniß) einzutragen. Artikel 237. Die im Laufe einer Woche in das Hauptverzeichniß eingetragenen Sachen, in welchen für den Beklagten ein Anwalt bestellt ist, hat der Gerichtsschreiber am letzten Wochentage in eine Tabelle (Wochentabelle) zu bringen. In diese Tabelle sind auch ältere Sachen, deren Lauf durch ein Zwischenurtheil oder in sonstiger Weise unterbrochen war, aufzunehmen, wenn eine Partei dem Gerichtsschreiber die Absicht, sie wieder zu betreiben, erklärt. Die Tabelle ist am Tage ihrer Anfertigung in dem Sitzungssaale und auf der Gerichtsschreiberei auf so lange anzuheften, bis die darin vorgetragenen Sachen zum Aufrufe in der Sitzung gekommen sind. Für diesen Aufruf bestimmt der Gerichtsvorstand durch eine im Sitzungssaale anzuheftende Anordnung ein für allemal einen Tag in der Woche.

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Der Aufruf hat zu erfolgen, sobald an dem bestimmten Wochentage in den Fällen des Art. 232 sechs, in den übrigen Fällen fünfzehn Tage seit Anheftung der Tabelle abgelaufen sind. Der Tag, an welchem die Sache hienach zum Aufrufe zu kommen hat, muß in der Tabelle angegeben sein. Sie muß außerdem die Namen der Parteien und Anwälte, dann die Ordnungszahl enthalten, unter der die Sache in das Hauptverzeichniß eingetragen ist. Auch hat der Gerichtsschreiber den Tag der Anheftung der Tabelle auf dieser unter Beifügung seiner Unterschrift zu bemerken. Artikel 238. Befinden sich an einem Gerichte mehrere Senate, die Civilrechtsstreitigkeiten zu entscheiden haben, so theilt der Gerichtsvorstand die in das Hauptverzeichniß eingetragenen Sachen, in welchen ein Anwalt für den Beklagten aufgestellt ist, sofort nach dem Eintrage den einzelnen Senaten zu. In diesem Falle werden bei den Senaten über die ihnen zugetheilten Sachen besondere Verzeichnisse geführt, in welche sie von dem Gerichtsschreiber sofort nach der Zutheilung einzutragen sind. Die Wochentabelle wird für die verschiedenen Senate getrennt gefertigt und angeheftet. Der Wochentag zum Aufrufe ist für jeden Senat besonders zu bestimmen. Artikel 239. Spätestens drei Tage, nachdem durch Anheftung der Wochentabelle der Sitzungstag bestimmt ist, hat in den darin vorgetragenen Sachen der Anwalt des betreibenden Theils dem Gegenanwalte die Aufforderung zum Erscheinen in der Sitzung zustellen zu lassen.

Verfahren in der Sitzung: 1) wenn ein Anwalt für den Beklagten bestellt ist: a) zur Hinterlegung der Anträge Artikel 240. In der Sitzung ist, wenn ein Anwalt für den Beklagten bestellt ist, zunächst zur Hinterlegung der Anträge zu schreiten. Die in Gemäßheit der Art. 237 und 238 oder in Folge einer Vertagung zu diesem Zwecke aufzurufenden Sachen sind nach der Reihenfolge des Hauptverzeichnisse, aber vor jenen, in welchen in der Sitzung die Verhandlung stattfinden soll, durch den diensthabenden Gerichtsvollzieher zum Aufrufe zu bringen. Artikel 241. Ist bei dem Aufrufe zur Hinterlegung der Anträge keiner der Anwälte erschienen und dem Gerichte auch kein Verhältniß bekannt geworden, wegen dessen es sich veranlaßt findet, sie Sache zu vertagen, so ist die Streichung vom Hauptverzeichnisse zu verfügen. Ist nur ein Anwalt oder von mehreren aufgestellten Anwälten nur ein Theil erschienen, so ist, wenn nicht besondere Verhältnisse entgegenstehen, sofort nach Hauptstück VIII. Antrag zu stellen. Wird dies unterlassen, so ist auch in diesem Falle die Streichung der Sache anzuordnen.

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Sind bei dem Aufrufe alle in der Sache aufgestellten Anwälte erschienen, so hat jeder von ihnen seine Gesuche, wie sie sich nach dem motivirten Antrage und den etwa nöthig befundenen Abänderungen und Zusätzen gestalten, zu verlesen und Abschrift dieses Antrags dem Vorsitzenden zu übergeben. Letzterer hat auf der übergebenen Abschrift den Tag der Hinterlegung unter Beifügung seines Namenszugs zu bemerken. Sind hinsichtlich der Gesuche Änderungen oder Zusätze gemacht worden, so bedarf es einer besondern Motivirung derselben nicht. Es ist aber in diesem Falle dem Gegenanwalte Abschrift des nunmehrigen Gesuchs spätestens bei der Hinterlegung von kurzer Hand mitzutheilen. Die bei Gericht zu hinterlegenden Anträge haben zugleich das vollständige Verzeichniß der im Prozesse befindliche Parteien nach Vor- und Familiennamen, Stand, Wohnort und Parteistellung zu enthalten. Das Gericht bestimmt, nachdem es die Anwälte über die bei der Fixirung zu berücksichtigenden Umstände vernommen hat, eine spätere Sitzung zur Verhandlung. In den in Art. 232 bezeichneten, sowie in Sachen, bei denen sich aus den verlesenen Gesuchen ergibt, daß im Wesentlichen eine Streit unter den Parteien nicht obwaltet, kann das Gericht anordnen, daß die Verhandlung noch in der nämlichen Sitzung stattzufinden habe. Artikel 242. Wird Vertagung zur Hinterlegung der Anträge nachgesucht, so ist sie sogleich nach dem Aufrufe und zwar, wenn nicht eine weitere Entscheidung des Gerichts verlangt wird, mündlich zu beantragen. Dem Vertagungsbegehren muß entsprochen werden, wen der Gegenanwalt seinen Verpflichtungen bezüglich der Mittheilung oder bezüglich der Rückgabe der Urkunden (Art. 172–174) nicht nachgekommen ist, oder den vorschriftsmäßig mitzutheilenden motivirten Antrag überhaupt nicht oder nicht spätestens drei Tage vor der Sitzung hat zustellen lassen, oder endlich durch verfrühte Anmeldung der Sache die Gegenpartei in den ihr gesetzlich gegebenen Fristen verkürzt hat. In anderen Fällen ist eine Vertagung, in welche der Gegenanwalt nicht einwilligt, nur dann zu bewilligen, wenn erhebliche Gründe glaubhaft dargelegt werden. Artikel 243. Wird dem Vertagungsbegehren entsprochen, so hat das Gericht zugleich eine andere Sitzung zur Hinterlegung der Anträge zu bestimmen. Findet eine Vertagung statt, weil die Sache wegen Verwickelung des Falls, Unzulänglichkeit der gesetzlichen Fristen oder sonstiger Hindernisse im bisherigen Vorverfahren nicht genügend vorbereitet werden konnte, so kann das Gericht auf Antrag einer Partei angemessene Fristen zu weiterem Vorverfahren festsetzen. In diesem Falle kommt die Sache erst dann wieder zum Aufrufe, wenn sie vom Gerichtsschreiber in Gemäßheit der Bestimmungen des Art. 237 Abs. 2 neuerdings in die Wochentabelle eingetragen worden ist. b) zur Verhandlung Artikel 244. Über die zur Verhandlung aufzurufenden Sachen hat der Gerichtsschreiber für jede Sitzung ein Verzeichniß (Sitzungsverzeichniß) herzustellen und dabei, soweit nicht der Senatsvorstand aus dringenden Gründen anders bestimmt, die Reihenfolge des Hauptverzeichnisses einzuhalten.

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Der Aufruf erfolgt durch den dienstthuenden Gerichtsvollzieher nach der Ordnung des Sitzungsverzeichnisses. Eine Abweichung hievon ist nur auf Verfügung des Vorsitzenden und, wenn die betheiligten Anwälte nicht zustimmen, nur wegen besonderer Umstände zuläßig. In keinem Falle darf eine Sache außer der Reihenfolge des Sitzungsverzeichnisse aufgerufen werden, wenn nicht alle in der Sache aufgestellten Anwälte nebst den etwa mit der mündlichen Rechtsvertheidigung beauftragten Personen anwesend sind. Artikel 245. Ist bei dem Aufrufe der Sache zur Verhandlung keiner der Anwälte erschienen und dem Gerichte auch kein Verhältniß bekannt geworden, wegen dessen es sich veranlaßt findet, die Sache zu vertagen, so ist die Streichung vom Hauptverzeichnisse zu verfügen. Ist nur ein Anwalt oder von mehreren aufgestellten Anwälten nur Theil erschienen, so ist gleichwohl in die Verhandlung einzutreten. Das in diesem Falle in der Sache ergehende Urtheil ist, wenn die Anträge vorher hinterlegt worden sind, auch gegenüber der bei der Verhandlung nicht vertretenen Partei als ein contradictorisches zu betrachten. Es dürfen aber alsdann weder die in den hinterlegten Anträgen enthaltenen Gesuche zum Nachtheile der nicht vertretenen Partei abgeändert, noch zu deren Begründung neue Thatsachen vorgebracht werden, ohne daß dem nicht erschienenen Anwalte durch einen spätestens am Tage vor der Verhandlung zugestellten Schriftsatz davon unter Mittheilung der betreffenden Urkunden Kenntniß gegeben worden ist. Ist dies nicht geschehen, so kann der erschienene Anwalt behufs der nachträglichen Mittheilung an den Gegenanwalt Vertagung begehren. Artikel 246. Die Verhandlung wird, soferne die besondere Natur des Streitverhältnisses nicht eine Abweichung bedingt, mit dem Vortrage des klägerischen Anwaltes begonnen. Derselbe verliest das Gesuch aus seinem hinterlegten Antrage, der ihm zu diesem Behufe zu übergeben ist, und trägt sodann unter Ablesung des erheblichen Inhalts der benützten Urkunden die weitere Ausführung in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung vor, wobei schriftliche Notizen benützt werden dürfen. In gleicher Weise folgt hierauf der Vortrag der Anwälte der Streitgenossen des Klägers, des Anwalts des Beklagten, der Anwälte seiner Verbindlichkeitsgenossen und Gewährsmänner. Der weitere Gang der Verhandlung richtet sich nach den allgemeinen Bestimmungen des V. Hauptstücks.

2) wenn für den Beklagten ein Anwalt nicht bestellt ist Artikel 250. Hat der Beklagte keinen Anwalt bestellt, so kann der Anwalt des Klägers, sobald der Eintrag in das Hauptverzeichniß erfolgt ist, ohne vorgängige Festsetzung einer Tagfahrt in jeder ihm beliebigen Sitzung und in jedem ihm beliebigen Senate, welcher Civilrechtsstreitigkeiten zu entscheiden hat, den Antrag auf Erlassung eines Versäumungsurtheils stellen. Die Absicht, dies zu thun, kann noch in der Sitzung selbst erklärt werden. Solche Sachen sind bezüglich des Aufrufs an die Reihenfolge des Sitzungsverzeichnisses nicht gebunden.

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Der Antrag ist zu verlesen, mündlich kurz zu begründen und schriftlich zu übergeben. Er darf nur das Gesuch des Klägers in der Hauptsache und in den Nebenpunkten enthalten. Tritt, ehe das Versäumungsurtheil verkündet ist, für den Beklagten ein Anwalt in der Sitzung auf, so wird die Sache zur wechselseitigen Zustellung der motivirten Anträge ausgesetzt und das Gericht bestimmt zugleich die Fristen hiefür. Die Sache kommt in diesem Falle erst wieder zum Aufrufe, wenn sie von dem Gerichtsschreiber in Gemäßheit des Art. 237 Abs. 2 neuerdings in die Wochentabelle eingetragen worden ist. Gemeinsame Bestimmungen Artikel 251. Unbeschadet der besonders verhängten Nachtheile und soweit das Gesetz nicht anders bestimmt, werden durch den Ablauf der für das Vorverfahren festgesetzten Fristen die betreffenden Handlungen nicht ausgeschlossen, sondern können die Parteien diese Handlungen noch nachträglich vornehmen oder ergänzen und selbst bei der Verhandlung noch weitere Gesuche stellen. Die Partei, welche eine Verzögerung des Prozesses durch verspätete oder unvollständige Anträge verschuldet, hat jedoch für die hieraus entspringenden Nachtheile einzustehen. Insbesondere sind, wenn in einem solchen Falle eine Vertagung nothwendig wird, der säumigen Partei die Kosten zu überbürden. Artikel 257. Die Vorschriften über das Vorverfahren gelten für alle im Prozesse aufgetretenen Haupt- und Nebenparteien. Sie finden, soweit das Gesetz nicht besondere Bestimmungen enthält, auf alle im Laufe des Prozesses vorkommenden Verhandlungen analoge Anwendung. VIII. Hauptstück Versäumungsurtheil Versäumungsurtheil gegen den Beklagten Artikel 297. Ist für den Beklagten kein Anwalt bestellt, die Klage aber nach den gesetzlichen Vorschriften erhoben und die Erscheinungsfrist abgelaufen, so soll das Gericht vorbehaltlich der Bestimmungen des Art. 324 Abs. 2 auf Antrag des klägerischen Anwalts die zur Begründung des Klaganspruchs in der Klageschrift geltend gemachten Thatsachen als zugestanden betrachten und dem daselbst gestellten Gesuche, soweit es nach jenen Thatsachen rechtlich begründet ist, entsprechen. Soweit das Gesuch rechtlich nicht begründet erscheint, ist die Abweisung der Klage auszusprechen. Ist die Klage nicht nach den gesetzlichen Vorschriften erhoben oder die Erscheinungsfrist nicht abgelaufen, so ist der klägerische Antrag zur Zeit zurückzuweisen. Einspruch gegen das Versäumungsurtheil Artikel 309. Die Partei, gegen welche ein Versäumungs-Urtheil erlassen worden ist, kann die Zurücknahme dieses Urtheils und die neuerliche Aburtheilung der Sache

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durch dasselbe Gericht veranlassen, indem sie innerhalb einer unerstreckbaren Frist von acht Tagen nach Zustellung des Urtheils Einspruch dagegen erhebt. Artikel 311. Der Einspruch wird dadurch erhoben, daß der von der Partei bestellte Anwalt der Gegenpartei einen Anwaltsakt zustellen läßt, der die Erklärung enthält, daß gegen das Versäumungsurtheil Einspruch erhoben werde. Artikel 312. Zugleich mit der Anmeldung des Einspruches oder innerhalb der darauf folgenden acht Tage hat der Anwalt des Einspruchsklägers einen motivirten Antrag zustellen zu lassen, aus dem zu entnehmen ist, in welchen Punkten, dann aus welchen sachlichen oder rechtlichen Gründen der Einspruch erhoben wird. Auf den Grund, aus welchem die Partei in der betreffenden Sitzung nicht vertreten war, hat es nicht anzukommen. Hat die Partei ihre Rechtsvertheidigung bereits früher der andern zustellen lassen, so kann hierauf Bezug genommen werden. Artikel 313. Drei Tage nach Zustellung des in Art. 312 bezeichneten Antrags oder Ablauf der hierfür gestatteten Frist steht es jeder Partei frei, die Sache zum Eintrage in die Wochentabelle anzumelden. Wenigstens drei Tage vor der Sitzung, in welcher die Sache zum Aufrufe kommt, hat die Gegenpartei ihren motivirten Antrag zustellen zu lassen, soferne dies nicht bereits früher geschehen ist. Artikel 314. Das Gericht ist durch das Versäumungsurtheil, soweit sich ihm der Verurtheilte nicht unterworfen hat, bei der neuerlichen Verhandlung der Sache nicht gebunden; es kann das frühere Urtheil sowohl bestätigen, als ganz oder theilweise abändern und zwar auch zum Nachtheile des Einspruchsklägers. Von der Entscheidung ist am Rande des Versäumungsurtheils Vermerkung zu machen. Artikel 315. Bleibt der Einspruchskläger bei der Verhandlung über den Einspruch abermals unvertreten, so ist dieser ohne weitere Prüfung zu verwerfen und findet gegen dieses Urtheil kein Einspruch mehr statt. IX. Hauptstück Beweis Beweisanerbieten und Beweismittel Artikel 324. Bleiben am Schlusse einer Verhandlung erhebliche Thatsachen zwischen den Parteien streitig und unerwiesen, so hat jede Partei in ihren schriftlichen Anträgen die Sätze aufzustellen, die sie in Bezug auf diese Thatsachen zu beweisen sich erbietet, und die Beweismittel, deren sie sich dazu bedienen will, ihrer Art nach anzugeben. Diese Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn erhebliche Thatsachen, die vom Gegner anerkannt oder nach gesetzlicher Vorschrift als anerkannt zu betrachten sind, im gegebenen Falle durch das bloße Anerkenntniß nicht in volle rechtliche Gewißheit gesetzt werden. In wie weit dies der Fall und in wie weit ein von einer Partei

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gemachtes Geständniß gegen dieselbe theilbar ist, richtet sich nach den Bestimmungen des einschlägigen Rechts.

Beweisurtheil Artikel 328. Das Gericht hat die Erheblichkeit der Beweissätze, sowie die Zuläßigkeit der vorgeschlagenen Arten von Beweismitteln zu prüfen und hienach das Beweisurtheil zu erlassen. In dem Beweisurtheile sind die Thatsachen, welche eine Partei zu beweisen hat, und die zugelassenen Arten von Beweismitteln bestimmt zu bezeichnen. Das Gericht ist hiebei an die Wortfassung der von den Parteien aufgestellten Beweissätze nicht gebunden, kann aber in dem Beweisurtheile weder eine Partei über Thatsachen zum Beweise lassen, für welche sie solche nicht bei der Verhandlung angeboten hat, noch ihr andere Arten von Beweismitteln als die angebotenen gestatten. Hält das Gericht einen nicht angebotenen Beweis für nöthig, ohne daß die betreffende Partei auf den Mangel des Anerbietens in der Verhandlung von dem Vorsitzenden aufmerksam gemacht worden ist, so ist die Wiederaufnahme der Verhandlung (Art. 274) zu verfügen. Artikel 329. Ein Urtheil auf Beweisführung durch Urkunden darf nur erlassen werden, wenn besondere Verhältnisse es der Sachlage angemessen erscheinen lassen. In Ermangelung solcher Verhältnisse ist, wenn eine Partei die zur Begründung ihrer Anträge erforderlichen Urkunden bei der Verhandlung nicht besitzt und sich angewendeten Fleißes ungeachtet bis dahin nicht verschaffen konnte, oder wenn sich die Nothwendigkeit ihrer Geltendmachung erst aus der Verhandlung ergibt, Vertagung zu bewilligen und zugleich die Frist zur Mittheilung der Urkunden festzusetzen. Auch ohne solche Vertagung ist die Benutzung bisher nicht gebrauchter Urkunden bei einer spätern Verhandlung nicht ausgeschlossen. Dies gilt auch von Urkunden, welche wegen unterlassener Mittheilung an die Gegenpartei von einer frühern Verhandlung ausgeschlossen waren (Art. 172), soferne die Mittheilung inzwischen erfolgt ist. Artikel 332. Das Beweisurtheil kann von dem Gerichte, welches dasselbe erlassen hat, vor der Beweisaufnahme nicht wieder zurückgenommen werden.

Verfahren und Urtheil nach der Beweisaufnahme Artikel 344. Hat die Beweisaufnahme in der Sitzung stattgefunden, so ist in der Regel unmittelbar darauf über die Hauptsache zu verhandeln. Vertagt das Gericht die Verhandlung in eine folgende Sitzung, so ist Zustellung motivirter Anträge gleichwohl nicht erforderlich. Im einen wie im andern Falle sind jedoch die Anträge der Parteien dem Vorsitzenden bei der Verhandlung schriftlich zu übergeben. Hat die Beweisaufnahme nicht in der Sitzung stattgefunden, so kann jede Partei nach dem Schlusse des Beweisverfahrens die Sache zur Eintragung in die Wochentabelle annmelden und haben sodann die Anwälte wenigstens drei Tage vor der zur Hinterlegung bestimmten Sitzung sich wechselseitig motivirte Anträge zustellen zu lassen.

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In diesen sind die Ergebnisse der Beweisführung, soweit sie die Partei für sich benützen will, und die zu verhandelnden Streitpunkte kurz zusammenzustellen. Die über die Beweisaufnahme geführten Protokolle werden bei der Verhandlung durch den Gerichtsschreiber in Urschrift vorgelegt. Die Anwälte können von der Gerichtsschreiberei einfache Abschriften dieser Protokolle erholen, für welche lediglich die Schreibgebühr zu entrichten ist. Artikel 345. Bei Fällung des nach durchgeführtem Beweisverfahren zu erlassenden Urtheils hat das Gericht, wo das Gesetz nicht anders bestimmt, das Ergebniß der Beweisführung nach freier Überzeugung zu würdigen. Der Inhalt des Beweisurtheils ist hiebei nur soweit bindend, als in diesem etwa auf Eidesleistung erkannt ist. Hat sich durch das Beweisverfahren Beweis über mittelbar erhebliche Thatsachen (Art. 322) ergeben, so kann das Gericht diese berücksichtigen, auch wenn das Beweisanerbieten nicht darauf gerichtet war. X. Hauptstück Urkunden Verfahren bei der Vorlage Artikel 370. Die Vorlage der Urkunden erfolgt in der Sitzung. Die Parteien haben sich spätestens in der Sitzung, in welcher die Urkunde gegen sie vorgelegt wird, über deren Ächtheit zu erklären und ihre Einreden gegen die Urkunden vorzutragen. Erfolgt auf die Aufforderung der vorlegenden Partei oder des Vorsitzenden keine bestimmte Erklärung, so ist die Urkunde als anerkannt zu betrachten. Einwendungen gegen die Erheblichkeit oder Zuläßigkeit der vorgelegten Beweisurkunden befreien an sich nicht von der Verbindlichkeit zur Erklärung über deren Ächtheit, das Gericht kann aber die Partei auf Antrag ermächtigen, die Erklärung erst nach erfolgter Entscheidung über die erhobenen Einwendungen abzugeben. Drittes Buch Rechtsmittel Erster Abschnitt Ordentliche Rechtsmittel XXVII. Hauptstück Berufung Zuständigkeit Artikel 696. Die Berufung geht gegen die Urtheile der Bezirksgerichte an das vorgesetzte Appellationsgericht, gegen die Urtheile der Handelsgerichte an das vorgesetzte Handelsappellationsgericht, gegen die Urtheile der Einzelngerichte an das vorgesetzte Bezirksgericht.

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Gesetzesverzeichnis Verfahren

Artikel 710. Verfahren und Urtheil in der Berufungsinstanz richten sich nach den für die Bezirksgerichte geltenden Vorschriften, soweit nicht diese sich ihrer Natur nach ausschließlich auf den ersten Rechtszug beziehen und nicht für die Berufungsinstanz abweichende Bestimmungen im Gesetze getroffen sind. Bei den Handelsappellationsgerichten kommen überdies die Bestimmungen der Art. 513 und 526 und, soweit es sich um Wechsel oder kaufmännische Anweisungen handelt, die Bestimmungen der Art. 547–550 zur Anwendung. Soweit dem Untergerichte die Befugniß zusteht, die wiederholte Erhebung von Beweisen anzuordnen, kann dies auch von dem Berufungsgerichte geschehen.

XXVIII. Hauptstück Beschwerde und Gegenvorstellung Beschwerde Artikel 739. Die Beschwerde geht, wo das Gesetz nicht eine Ausnahme macht, an das vorgesetzte Obergericht. Über Beschwerden gegen beauftragte Richter erkennt, wenn der Auftrag von einem Collegialgerichte erlassen ist, das Gericht, welches den Auftrag erlassen hat.

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C. Deutschland I. Zivilprozeßordnung963 1) Urfassung vom 30. Januar 1877 – Auszug – Erstes Buch Allgemeine Bestimmungen Zweiter Abschnitt Parteien Fünfter Titel Prozeßkosten § 9095. Die Partei, welche einen Termin oder eine Frist versäumt, oder die Verlegung eines Termins, die Vertagung einer Verhandlung, die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der Verhandlung oder die Verlängerung einer Frist durch ihr Verschulden veranlaßt, hat die dadurch verursachten Kosten zu tragen. § 97102. Gerichtsschreiber, gesetzliche Vertreter, Rechtsanwälte und andere Bevollmächtigte sowie Gerichtsvollzieher können durch das Prozeßgericht auch von Amtswegen zur Tragung derjenigen Kosten verurtheilt werden, welche sie durch grobes Verschulden veranlaßt haben. Dritter Abschnitt Verfahren Erster Titel Mündliche Verhandlung § 119128. Die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit vor dem erkennenden Gerichte ist eine mündliche. § 120129. In Anwaltsprozessen wird die mündliche Verhandlung durch Schriftsätze vorbereitet; die Nichtbeachtung dieser Vorschrift hat Rechtsnachtheile in der Sache selbst nicht zur Folge. In anderen Prozessen können vorbereitende Schriftsätze gewechselt werden.

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Vgl. oben Fn. 41.

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§ 121130. Die vorbereitenden Schriftsätze sollen enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und ihrer gesetzlichen Vertreter nach Namen, Stand oder Gewerbe, Wohnort und Parteistellung; die Bezeichnung des Gerichts und des Streitgegenstandes; die Zahl der Anlagen; 2. die Anträge, welche die Partei in der Gerichtssitzung zu stellen beabsichtigt; 3. die Angabe der zur Begründung der Anträge dienenden thatsächlichen Verhältnisse; 4. die Erklärung über die thatsächlichen Behauptungen des Gegners; 5. die Bezeichnung der Beweismittel, welcher sich die Partei zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen bedienen will, sowie die Erklärung über die von dem Gegner bezeichneten Beweismittel; 6. in Anwaltsprozessen die Unterschrift des Anwalts, in anderen Prozessen die Unterschrift der Partei selbst oder desjenigen, welcher für dieselbe als Bevollmächtigter oder als Geschäftsführer ohne Auftrag handelt. § 122131. Dem vorbereitenden Schriftsatze sind die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf welche in dem Schriftsatze Bezug genommen wird, in Urschrift oder in Abschrift beizufügen. Kommen nur einzelne Theile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Auszugs, welcher den Eingang, die zur Sache gehörende Stelle, den Schluß, das Datum und die Unterschrift enthält. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfange, so genügt die genaue Bezeichnung derselben mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren. § 123132. Der vorbereitende Schriftsatz, welcher neue Thatsachen oder eine anderes neues Vorbringen enthält, ist mindestens eine Woche, wenn er einen Zwischenstreit betrifft, mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen. Der vorbereitende Schriftsatz, welcher eine Gegenerklärung auf neues Vorbringen enthält, ist mindestens drei Tage vor der mündlichen Verhandlung zuzustellen. Die Zustellung einer schriftlichen Gegenerklärung ist nicht erforderlich, wenn es sich um einen Zwischenstreit handelt. § 124133. Die Parteien haben eine für das Prozeßgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen. Diese Niederlegung erfolgt zugleich mit der Überreichung der Urschrift, wenn eine Terminsbestimmung oder wenn die Zustellung unter Vermittelung des Gerichtsschreibers erwirkt werden soll, anderenfalls sofort nach erfolgter Zustellung des Schriftsatzes. § 125134. Die Partei ist, wenn sie rechtzeitig aufgefordert wird, verpflichtet, die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie in einem vorbereitenden Schriftsatze Bezug genommen hat, vor der mündlichen Verhandlung auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen und den Gegner von der Niederlegung zu benachrichtigen. Der Gegner hat zur Einsicht der Urkunden eine Frist von drei Tagen. Die Frist kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert oder abgekürzt werden.

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§ 126135. Den Rechtsanwälten steht es frei, die Mittheilung von Urkunden von Hand zu Hand gegen Empfangsbescheinigung zu bewirken. Giebt ein Rechtsanwalt die ihm eingehändigte Urkunde nicht binnen der bestimmten Frist zurück, so ist er auf Antrag nach vorgängiger mündlicher Verhandlung zur unverzüglichen Zurückgabe zu verurtheilen. Gegen das Zwischenurtheil findet sofortige Beschwerde statt. § 128137. Die mündliche Verhandlung wird dadurch eingeleitet, daß die Parteien ihre Anträge stellen. Die Vorträge der Parteien sind in freier Rede zu halten; sie haben das Streitverhältnis in thatsächlicher und rechtlicher Beziehung zu umfassen. Eine Bezugnahme auf Schriftstücke statt mündlicher Verhandlung ist unzulässig. Die Vorlesung von Schriftstücken findet nur insoweit statt, als es auf den wörtlichen Inhalt derselben ankommt. § 132141. Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhältnisses anordnen. § 133142. Das Gericht kann anordnen, daß eine Partei die in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen hat, sowie Stammbäume, Pläne, Risse und Zeichnungen vorlege. Das Gericht kann anordnen, daß die vorgelegten Schriftstücke während einer von ihm zu bestimmenden Zeit auf der Gerichtsschreiberei verbleiben. Das Gericht kann anordnen, daß von den in fremder Sprache abgefaßten Urkunden eine durch einen beeidigten Dolmetscher angefertigte Übersetzung beigebracht werde. § 135144. Das Gericht kann die Einnahme des Augenscheins, sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, welche eine auf Antrag angeordnete Einnahme des Augenscheins oder Begutachtung durch Sachverständige zum Gegenstande haben. Zweiter Titel Zustellungen § 152166*. Die Zustellungen erfolgen durch Gerichtsvollzieher. In Anwaltsprozessen ist der Gerichtsvollzieher unmittelbar zu beauftragen, in anderen Prozessen nach der Wahl der Partei entweder unmittelbar oder unter Vermittelung des Gerichtsschreibers des Prozeßgerichts. Dritter Titel Ladungen, Termine und Fristen § 191214. Die Ladung zu einem Termin erfolgt durch die Partei, welche über die Hauptsache oder über einen Zwischenstreit mündlich verhandeln will. Ist mit der Ladung zugleich eine Klageschrift oder ein anderer Schriftsatz zuzustellen, so ist die Ladung in den Schriftsatz aufzunehmen.

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§ 193216. Die Ladung ist zum Zwecke der Terminsbestimmung bei dem Gerichtsschreiber einzureichen. Die Bestimmung der Termine erfolgt binnen vierundzwanzig Stunden durch den Vorsitzenden. Auf Sonntage und allgemeine Feiertage sind Termine nur in Nothfällen anzuberaumen. § 195218. Zu Terminen, welche in verkündeten Entscheidungen bestimmt sind, ist eine Ladung der Parteien nicht erforderlich. § 202224. Durch Vereinbarung der Parteien können Fristen, mit Ausnahme der Nothfristen, verlängert oder verkürzt werden. Auf Antrag können richterliche und gesetzliche Fristen abgekürzt oder verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind, gesetzliche Fristen jedoch nur in den besonders bestimmten Fällen. Eine Anfechtung des Beschlusses, durch welchen das Gesuch um Verlängerung einer Frist zurückgewiesen wird, findet nicht statt. § 205227. Die Parteien können die Aufhebung eines Termins vereinbaren. Wird die Verlegung eines Termins beantragt, so finden die Bestimmungen über die Verlängerung einer Frist entsprechende Anwendung.

Fünfter Titel Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens § 228251. Die Parteien können vereinbaren, daß das Verfahren ruhen solle. Die Vereinbarung hat auf den Lauf der Nothfristen keinen Einfluß. Erscheinen in einem Termine zur mündlichen Verhandlung beide Parteien nicht, so ruht das Verfahren, bis eine Partei eine neue Ladung zustellen läßt.

Zweites Buch Verfahren in erster Instanz Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Erster Titel Verfahren bis zum Urtheil § 230253. Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag; 3. die Ladung des Beklagten vor das Prozeßgericht zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits.

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In der Klageschrift soll ferner der Werth des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Streitgegenstandes angegeben werden, wenn die Zuständigkeit des Gerichts von diesem Werthe abhängt. Außerdem finden die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze auch auf die Klageschrift Anwendung. § 233261*. Die Klageschrift ist zum Zwecke der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung bei dem Gerichtsschreiber des Prozeßgerichts einzureichen. Nach erfolgter Bestimmung des Termins hat der Kläger für die Zustellung der Klageschrift Sorge zu tragen. § 234262*. Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeitraum von mindestens einem Monate liegen (Einlassungsfrist). In Meß- und Marktsachen beträgt die Einlassungsfrist mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat der Vorsitzende bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu bestimmen. § 235263*. Durch die Erhebung der Klage wird die Rechtshängigkeit der Streitsache begründet. Die Rechtshängigkeit hat folgende Wirkungen: 1. wenn während der Dauer der Rechtshängigkeit von einer Partei die Streitsache anderweit anhängig gemacht wird, so kann der Gegner die Einrede der Rechtshängigkeit erheben; 2. die Zuständigkeit des Prozeßgerichts wird durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt; 3. der Kläger ist nicht berechtigt, ohne Einwilligung des Beklagten die Klage zu ändern. § 244CPO. Der Beklagte hat dem Kläger mittels vorbereitenden Schriftsatzes die Klagebeantwortung innerhalb der ersten zwei Drittheile der Zeit, welche zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegt, zustellen zu lassen. § 245272*. Insoweit die Klageschrift und die Klagebeantwortung zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung nicht genügen, hat jede Partei dem Gegner solche thatsächlichen Behauptungen, Beweismittel und Anträge, auf welche derselbe voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung mittels ferneren vorbereitenden Schriftsatzes so zeitig mitzutheilen, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Tritt eine Vertagung der mündlichen Verhandlung ein, so kann das Gericht die Fristen bestimmen, binnen welcher die noch erforderlichen vorbereitenden Schriftsätze mitzutheilen sind.

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§ 247274*. Prozeßhindernde Einreden sind gleichzeitig und vor der Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache vorzubringen. Als solche Einreden sind nur anzusehen: 1. die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, 2. die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, 3. die Einrede der Rechtshängigkeit, 4. die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten, 5. die Einrede, daß die zur Erneuerung des Rechtsstreits erforderliche Erstattung der Kosten des früheren Verfahren noch nicht erfolgt sei, 6. die Einrede der mangelnden Prozeßfähigkeit oder der mangelnden gesetzlichen Vertretung. Nach dem Beginne der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache können prozeßhindernde Einreden nur geltend gemacht werden, wenn dieselben entweder solche sind, auf welche der Beklagte wirksam nicht verzichten kann, oder wenn der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden nicht im Stande gewesen sei, dieselben vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen. § 248275. Über prozeßhindernde Einreden ist besonders zu verhandeln und durch Urtheil zu entscheiden, wenn der Beklagte auf Grund derselben die Verhandlung zur Hauptsache verweigert, oder wenn das Gericht auf Antrag oder von Amtswegen die abgesonderte Verhandlung anordnet. Das Urtheil, durch welches die prozeßhindernde Einrede verworfen wird, ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurtheil anzusehen; das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, daß zur Hauptsache zu verhandeln sei. § 251278. Angriffs- und Vertheidigungsmittel (Einreden, Widerklage, Repliken u.s.w.) können bis zum Schlusse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Das Gericht kann, wenn durch das nachträgliche Vorbringen eines Angriffs- oder Vertheidigungsmittels die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird, der obsiegenden Partei, welche nach freier richterlicher Überzeugung im Stande war, das Angriffsoder Vertheidigungsmittel zeitiger geltend zu machen, die Prozeßkosten ganz oder theilweise auferlegen. § 252279. Vertheidigungsmittel, welche von dem Beklagten nachträglich vorgebracht werden, können auf Antrag zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde, und das Gericht die Überzeugung gewinnt, daß der Beklagte in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Vertheidigungsmittel nicht früher vorgebracht hat. § 255282. Jede Partei hat unter Bezeichnung der Beweismittel, deren sie sich zum Nachweise oder zur Widerlegung thatsächlicher Behauptungen bedienen will, den Beweis anzutreten und über die von der Gegenpartei angegebenen Beweismittel sich zu erklären. In Betreff der einzelnen Beweismittel wird die Beweisantretung und die Erklärung auf dieselbe durch die Vorschriften des sechsten bis zehnten Titels bestimmt.

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§ 256283. Beweismittel und Beweiseinreden können bis zum Schlusse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urtheil ergeht, geltend gemacht werden. Auf das nachträgliche Vorbringen von Beweismitteln und Beweiseinreden findet die Vorschrift des § 251 Abs. 2 entsprechende Anwendung. § 269297. Die Anträge müssen aus den vorbereitenden Schriftsätzen verlesen werden. Soweit vorbereitende Schriftsätze nicht mitgetheilt oder die Anträge in solchen nicht enthalten sind, muß die Verlesung aus einem dem Protokolle als Anlage beizufügenden Schriftsatze erfolgen. Dasselbe gilt von Anträgen, welche von früher verlesenen in wesentlichen Punkten abweichen. Die Nichtbeachtung dieser Vorschriften hat die Nichtberücksichtigung der Anträge zur Folge. Zweiter Titel Urtheil § 275303. Ist ein einzelnes selbständiges Angriffs- oder Vertheidigungsmittel oder ein Zwischenstreit zur Entscheidung reif, so kann die Entscheidung durch Zwischenurtheil erfolgen. Dritter Titel Versäumnißurtheil § 300335. Der Antrag auf Erlassung eines Versäumnißurtheils ist zurückzuweisen, unbeschadet des Rechts der erschienenen Partei, die Vertagung der mündlichen Verhandlung zu beantragen: 1. wenn die erschienene Partei die vom Gerichte wegen eines von Amtswegen zu berücksichtigenden Umstandes erforderte Nachweisung nicht zu beschaffen vermag; 2. wenn die nicht erschienene Partei nicht ordnungsmäßig, insbesondere nicht rechtzeitig geladen war; 3. wenn der nicht erschienenen Partei ein thatsächliches mündliches Vorbringen oder ein Antrag nicht rechtzeitig mittels Schriftsatzes mitgetheilt war. Wird die Verhandlung vertagt, so ist die nicht erschienene Partei zu dem neuen Termine zu laden. Vierter Titel Vorbereitendes Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen § 313348. Stellt sich in Prozessen, welche die Nichtigkeit einer Rechnung, eine Vermögensauseinandersetzung oder ähnliche Verhältnisse zum Gegenstande haben, eine erhebliche Anzahl von streitigen Ansprüchen oder von streitigen Erinnerungen gegen eine Rechnung oder gegen ein Inventar heraus, so kann das Prozeßgericht ein vorbereitendes Verfahren vor einem beauftragten Richter anordnen.

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§ 314349. Bei der Verkündung des Beschlusses, durch welchen das vorbereitende Verfahren angeordnet wird, ist durch den Vorsitzenden der beauftragte Richter zu bezeichnen und der Termin zur Erledigung des Beschlusses zu bestimmen. Ist die Terminsbestimmung unterblieben, so erfolgt sie durch den beauftragten Richter; wird dieser verhindert, den Auftrag zu vollziehen, so ernennt der Vorsitzende ein anderes Mitglied. § 315350. In dem vorbereitenden Verfahren ist zu Protokoll festzustellen: 1. welche Ansprüche erhoben und welche Angriffs- und Vertheidigungsmittel geltend gemacht werden; 2. welche Ansprüche und welche Angriffs- und Vertheidigungsmittel streitig oder unstreitig sind; 3. in Ansehung der bestrittenen Ansprüche und der bestrittenen Angriffs- und Vertheidigungsmittel das Sachverhältniß nebst den von den Parteien bezeichneten Beweismitteln, den geltend gemachten Beweiseinreden, den abgegebenen Erklärungen über Beweismittel und Beweiseinreden und den gestellten Anträgen. Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften, welche zur Anwendung kommen würden, wenn der Rechtsstreit vor einem Amtsgerichte anhängig wäre; dasselbe ist fortzusetzen, bis der Rechtsstreit selbst oder ein Zwischenstreit zur Erlassung eines Urtheils oder eines Beweisbeschlusses reif erscheint. § 316351. Erscheint eine Partei in einem Termine vor dem beauftragten Richter nicht, so hat dieser das Vorbringen der erschienenen Partei in Gemäßheit der Bestimmungen des vorstehenden Paragraphen zu Protokoll festzustellen und einen neuen Termin anzuberaumen. Die nicht erschienene Partei ist zu dem neuen Termine unter Mittheilung einer Abschrift des Protokolls zu laden. Erscheint die Partei auch in dem neuen Termine nicht, so gelten die in dem zugestellten Protokolle enthaltenen thatsächlichen Behauptungen des Gegners als zugestanden und ist das vorbereitende Verfahren bezüglichen derselben nicht weiter fortzusetzen. § 317352. Nach dem Schlusse des vorbereitenden Verfahrens ist der Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Prozeßgerichte von Amtswegen zu bestimmen und den Parteien bekannt zu machen. § 318353. Bei der mündlichen Verhandlung haben die Parteien das Ergebniß des vorbereitenden Verfahrens auf Grund des Protokolls vorzutragen. Ist eine Partei nicht erschienen, so sind Ansprüche, welche sich in dem vorbereitenden Verfahren als unstreitig ergeben haben, durch Theilurtheil zu erledigen. Im übrigen ist auf Antrag ein Versäumnißurtheil zu erlassen. § 319354. Eine vor dem beauftragten Richter unterbliebene oder verweigerte Erklärung über Thatsachen, Urkunden oder Eideszuschiebungen kann in der mündlichen Verhandlung nicht mehr nachgeholt werden. Erklärungen einer vor dem beauftragten Richter erschienenen Partei sind nur insoweit als unterblieben anzusehen, als die Partei von dem Richter zur Abgabe einer Erklärung aufgefordert worden ist. Ansprüche, Angriffs- und Vertheidigungsmittel, Beweismittel und Beweiseinreden, welche zum Protokolle des beauftragten Richters nicht festgestellt sind, können in der

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mündlichen Verhandlung nur geltend gemacht werden, wenn glaubhaft gemacht wird, daß dieselben erst später entstanden oder der Partei bekannt geworden seien. Fünfter Titel Allgemeine Bestimmungen über die Beweisaufnahme § 321356. Steht der Aufnahme des Beweises ein Hinderniß von ungewisser Dauer entgegen, so ist auf Antrag eine Frist zu bestimmen, nach deren fruchtlosem Ablaufe das Beweismittel nur benutzt werden kann, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird. § 323358. Erfordert die Beweisaufnahme ein besonderes Verfahren, so ist dasselbe durch Beweisbeschluß anzuordnen. § 329364. Wird eine ausländische Behörde ersucht, den Beweis aufzunehmen, so kann das Gericht anordnen, daß der Beweisführer das Eruchungsschreiben zu besorgen und die Erledigung des Ersuchens zu betreiben habe. Das Gericht kann sich auf die Anordnung beschränken, daß der Beweisführer eine den Gesetzen des fremden Staates entsprechende öffentliche Urkunde über die Beweisaufnahme beizubringen habe. In beiden Fällen ist in dem Beweisbeschlusse eine Frist zu bestimmen, binnen welcher von dem Beweisführer die Urkunde auf der Gerichtsschreiberei niederzulegen ist. Nach fruchtlosem Ablaufe dieser Frist kann die Urkunde nur benutzt werden, wenn dadurch das Verfahren nicht verzögert wird. Der Beweisführer hat den Gegner, wenn möglich, von dem Orte und der Zeit der Beweisaufnahme so zeitig in Kenntniß zu setzen, daß derselbe seine Rechte in geeigneter Weise wahrzunehmen vermag. Ist die Benachrichtigung unterblieben, so hat das Gericht zu ermessen, ob und inwieweit der Beweisführer zur Benutzung der Beweisverhandlung berechtigt sei. § 335370. Erfolgt die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgerichte, so ist der Termin, in welchem die Beweisaufnahme stattfindet, zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt. In dem Beweisbeschlusse, welcher anordnet, daß die Beweisaufnahme vor einem beauftragten oder ersuchten Richter erfolgen solle, kann zugleich der Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung vor dem Prozeßgerichte bestimmt werden. Ist dies nicht geschehen, so wird nach Beendigung der Beweisaufnahme dieser Termin von Amtswegen bestimmt und den Parteien bekannt gemacht.

Siebenter Titel Zeugenbeweis § 339374. Die Vernehmung neuer Zeugen, welche nach Erlassung eines Beweisbeschlusses bezüglich des in dem selben bezeichneten streitigen Thatsachen benannt werden, ist auf Antrag zurückzuweisen, wenn durch die Vernehmung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und das Gericht die Überzeugung gewinnt,

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daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit die Zeugen nicht früher benannt hat. § 340375. Die Aufnahme des Zeugenbeweises kann einem Mitgliede des Prozeßgerichts oder einem anderen Gericht übertragen werden: 1. wenn zur Ausmittelung der Wahrheit die Vernehmung des Zeugen an Ort und Stelle dienlich erscheint; 2. wenn die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht erheblichen Schwierigkeiten unterliegen würde; 3. wenn der Zeuge verhindert ist, vor dem Prozeßgerichte zu erscheinen; 4. wenn der Zeuge in großer Entfernung von dem Sitze des Prozeßgerichts sich aufhält. Die Landesherren und die Mitglieder der landesherrlichen Familien sowie die Mitglieder der Fürstlichen Familie Hohenzollern sind durch ein Mitglied des Prozeßgerichts oder durch ein anderes Gericht in ihrer Wohnung zu vernehmen. § 342377*. Die Ladung der Zeugen ist von dem Gerichtsschreiber unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluß auszufertigen und von Amtswegen zuzustellen. Die Ladung muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien; 2. die Thatsachen, über welche die Vernehmung erfolgen soll; 3. die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Strafen in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termine zu erscheinen.

Achter Titel Beweis durch Sachverständige § 367402. Auf den Beweis durch Sachverständige finden die Vorschriften über den Beweis durch Zeugen entsprechende Anwendung, insoweit nicht in den nachfolgenden Paragraphen abweichende Bestimmungen enthalten sind.

Neunter Titel Beweis durch Urkunden § 387422*. Der Gegner ist zur Vorlegung der Urkunde verpflichtet: 1. wenn der Beweisführer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Herausgabe der Urkunde oder deren Vorlegung auch außerhalb des Prozesses verlangen kann; 2. wenn die Urkunde ihrem Inhalte nach eine für den Beweisführer und den Gegner gemeinschaftliche ist; Als gemeinschaftlich gilt eine Urkunde insbesondere für die Personen, in deren Interesse sie errichtet ist oder deren gegenseitige Rechtsverhältnisse darin beurkundet sind. Als gemeinschaftlich gelten auch die über ein Rechtsgeschäft zwischen den Betheiligten oder zwischen einem derselben und dem gemeinsamen Vermittler des Geschäfts gepflogenen schriftlichen Verhandlungen.

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§ 393428. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen eines Dritten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, zur Herbeischaffung der Urkunde eine Frist zu bestimmen. § 397432. Befindet sich die Urkunde nach der Behauptung des Beweisführers in den Händen einer öffentlichen Behörde oder eines öffentlichen Beamten, so erfolgt die Antretung des Beweises durch den Antrag, die Behörde oder den Beamten um die Mittheilung der Urkunde zu ersuchen. Diese Vorschrift findet auf Urkunden, welche die Parteien nach den gesetzlichen Vorschriften ohne Mitwirkung des Gerichts zu beschaffen im Stande sind, keine Anwendung. Verweigert die Behörde oder der Beamte die Mittheilung der Urkunde in Fällen, in welchen eine Verpflichtung zur Vorlegung auf § 387 gestützt wird, so finden die Bestimmungen der §§ 393–396 Anwendung. § 398433. Wird nach Erlassung eines Beweisbeschlusses über die in demselben bezeichneten streitigen Thatsachen Beweis in Gemäßheit der §§ 393, 397 angetreten, so ist die Beweisantretung auf Antrag zurückzuweisen, wenn durch das zur Herbeischaffung der Urkunden erforderliche Verfahren die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und das Gericht die Überzeugung gewinnt, daß die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit den Beweis nicht früher angetreten hat.

Zehnter Titel Beweis durch Eid § 410445. Die Eideszuschiebung ist nur über Thatsachen zulässig, welche in Handlungen des Gegners, seiner Rechtsvorgänger oder Vertreter bestehen oder welche Gegenstand der Wahrnehmung dieser Personen gewesen ist. § 411446. Die Eideszuschiebung über eine Thatsache, deren Gegentheil das Gericht für erwiesen erachtet, ist unzulässig. § 412447. Eine nicht beweispflichtige Partei übernimmt durch Eideszuschiebung nicht die Beweispflicht. § 413448. Die Zurückschiebung des Eides ist nur insofern zulässig, als nach den Bestimmungen des § 410 die Zuschiebung desselben zulässig sein würde. Sie findet nicht statt, wenn die Partei, welcher der Eid zugeschoben ist, nicht aber die Gegenpartei über ihre eigene Handlung oder Wahrnehmung zu schwören haben würde. § 414449. Der Eid kann nur der Partei, nicht einem Dritten zugeschoben oder zurückgeschoben werden. Die Zuschiebung oder Zurückschiebung an einen Nebenintervenienten findet nur statt, wenn dieser als Streitgenosse der Hauptpartei anzusehen ist (§ 66).

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§ 415450. Das Gericht kann anordnen, daß die in den §§ 410, 413, 414 enthaltenen Beschränkungen für die Zuschiebung und Zurückschiebung des Eides nicht zur Anwendung kommen sollen, wenn die Parteien in Betreff des zu leistenden Eides einig sind und der Eid sich auf Thatsachen bezieht. § 416451. Die Antretung des Beweises erfolgt durch die Erklärung, daß dem Gegner über die bestimmt zu bezeichnende Thatsache der Eid zugeschoben werde. § 417452. Die Partei, welcher der Eid zugeschoben ist, hat sich zu erklären, ob sie den Eid annehme oder zurückschiebe, selbst wenn sie Einwendungen in Beziehung auf die Eideszuschiebung vorbringt. Giebt die Partei keine Erklärung ab oder schiebt sie in einem Falle, in welchem die Zurückschiebung unzulässig ist, des Eid zurück, ohne denselben bedingt anzunehmen, so wird der Eid als verweigert angesehen. § 418453. Durch die Zuschiebung, Annahme oder Zurückschiebung des Eides wird die Geltendmachung anderer Beweismittel von Seiten der einen oder der anderen Partei nicht ausgeschlossen. Werden andere Beweismittel geltend gemacht, so gilt der Eid nur für den Fall als zugeschoben, daß die Antretung des Beweises durch die anderen Beweismittel erfolglos bleibt. § 419454. Werden andere Beweismittel geltend gemacht, so ist die Partei, welcher der Eid zugeschoben wurde, nicht verpflichtet, sich über die Eideszuschiebung früher zu erklären, als bis die Eideszuschiebung nach Aufnahme oder sonstiger Erledigung der anderen Beweismittel wiederholt ist. Sind andere Beweise aufgenommen, so kann die vorher abgegebene Erklärung widerrufen werden. § 420455. Wegen unterbliebener Erklärung auf eine Eideszuschiebung kann der Eid nur dann als verweigert angesehen werden, wenn die Partei durch das Gericht zur Erklärung über den Eid aufgefordert ist. § 421456. Der zurückgeschobene Eid gilt auch ohne ausdrückliche Erklärung über die Annahme als von dem Beweisführer angenommen. § 422457. Die Zurückschiebung des Eides kann außer dem Falle des § 419 Abs 2 widerrufen werden, wenn der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zurückschiebung des Eides von einer solchen Verurtheilung Kenntniß erlangt habe. § 423458. Die Annahme oder Zurückschiebung des Eides kann außer den Fällen des § 419 Abs. 2 und des § 422 nicht widerrufen werden. § 424459. Über eine Thatsache, welche in einer Handlung des Schwurpflichtigen besteht oder einen Gegenstand seiner Wahrnehmung gewesen ist, wird der Eid dahin geleistet: daß die Thatsache wahr oder nicht wahr sei.

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Ist eine solche Thatsache vom Gegner des Schwurpflichtigen behauptet und kann dem letzteren nach den Umständen des Falles nicht zugemuthet werden, daß er die Wahrheit oder Nichtwahrheit derselben beschwöre, so kann das Gericht auf Antrag die Leistung des Eides dahin anordnen: daß der Schwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung erlangt habe, daß die Thatsache wahr oder nicht wahr sei. Über andere Thatsachen wird der Eid dahin geleistet: daß der Schwurpflichtige nach sorgfältiger Prüfung und Erkundigung die Überzeugung erlangt oder nicht erlangt habe, daß die Thatsache wahr sei. § 425460. Auf die Leistung eines Eides ist durch bedingtes Endurtheil zu erkennen. Die Eidesleistung erfolgt erst nach Eintritt der Rechtskraft des Urtheils. § 426461. Sind die Parteien über die Erheblichkeit und die Norm des Eides einverstanden oder dient der Eid zur Erledigung eines Zwischenstreits, so kann die Leistung des Eides durch Beweisbeschluß angeordnet werden. Hängt die Entscheidung über einzelne selbständige Angriffs- und Vertheidigungsmittel von der Leistung eines Eides ab, so kann die Leistung des Eides durch Beweisbeschluß angeordnet oder auf dieselbe durch bedingtes Zwischenurtheil erkannt werden. In dem letzteren Falle erfolgt die Eidesleistung nur dann, wenn durch bedingtes Endurtheil rechtskräftig erkannt ist, daß es auf dieselbe für die Endentscheidung des Rechtsstreits noch ankomme. § 427462. In dem bedingten Urtheil ist die Eidesnorm und die Folge sowohl der Leistung als der Nichtleistung des Eides so genau, als die Lage der Sache dies gestattet, festzustellen. Der Eintritt dieser Folge wird durch Endurtheil ausgesprochen. § 428463. Durch Leistung des Eides wird voller Beweis der beschworenen Thatsache begründet. Der Beweis des Gegentheils findet nur unter denselben Voraussetzungen statt, unter welchen ein rechtskräftiges Urtheil wegen der Verletzung der Eidespflicht angefochten werden kann. § 429464. Die Erlassung des Eides von Seiten des Gegners hat dieselbe Wirkung, wie die Leistung des Eides. Die Verweigerung der Eidesleistung hat zur Folge, daß das Gegentheil der zu beschwörenden Thatsache als voll bewiesen gilt. § 430465*. Erscheint der Schwurpflichtige in dem zur Eidesleistung bestimmten Termine nicht, so ist auf Antrag ein Versäumnißurtheil dahin zu erlassen, daß der Eid als verweigert anzusehen sei. § 431466*. Der Schwurpflichtige, welcher frühere Behauptungen zurücknimmt oder früher bestrittene Thatsachen zugesteht, kann sich zur Leistung eines beschränkteren Eides erbieten, selbst wenn der Eid bereits durch bedingtes Urtheil auferlegt ist. Auch können unerhebliche Umstände, welche in die Eidesform aufgenommen sind, berichtigt werden.

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§ 432467. Ist der Eid durch bedingtes Urtheil auferlegt, so kann, auch nach Eintritt der Rechtskraft, die Zuschiebung sowie die Zurückschiebung des Eides widerrufen werden, wenn der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß der Gegner erst nach erfolgter Zuschiebung des Eides von einer solchen Verurtheilung Kenntniß erlangt habe. § 433468. Wenn der Schwurpflichtige stirbt, wenn er zur Leistung des Eides unfähig wird oder wenn er aufhört gesetzlicher Vetreter zu sein, so können beide Parteien in Ansehung der betreffenden Beweisführung alle Rechte ausüben, welche ihnen vor der Zuschiebung des Eides zustanden. Dasselbe gilt, wenn in Folge der Verurtheilung des Schwurpflichtigen wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides widerrufen wird. Ist der Eid durch bedingtes Urtheil auferlegt, so wird unter Aufhebung des Urtheils in der Sache anderweit erkannt. § 434469. Der Eid über eine Thatsache, welche für ein allen Streitgenossen gegenüber nur einheitlich festzustellendes Rechtsverhältnis von Einfluß ist, muß allen Streitgenossen zugeschoben oder zurückgeschoben werden, sofern nicht rücksichtlich einzelner Streitgenossen die Zuschiebung oder Zurückschiebung unzulässig ist. In solchem Falle bedarf es zur Zuschiebung oder Zurückschiebung der übereinstimmenden Erklärung aller Streitgenossen. Über die Annahme des Eides haben sich nur diejenigen Streitgenossen zu erklären, welchen der Eid zugeschoben ist. Ist der von allen oder von einigen Streitgenossen zu leistende Eid von einem oder mehreren derselben, oder ist der von einem Theile der Streitgenossen zu leistende Eid von allen Schwurpflichtigen verweigert oder als von ihnen verweigert anzusehen, so entscheidet das Gericht nach freier Überzeugung, ob die Behauptung, deren Beweis durch Eideszuschiebung angetreten ist, für wahr zu erachten sei. Erklären einzelne Streitgenossen, daß sie den Eid nicht leisten werden, so ist in Ansehung der übrigen Streitgenossen die Leistung des Eides nicht anzuordnen oder der Eid nicht abzunehmen, sofern das Gericht denselben für unerheblich erachtet. § 435470*. Ist eine Partei nicht prozeßfähig, so ist die Zuschiebung oder Zurückschiebung des Eides nur an ihren gesetzlichen Vertreter und nur insoweit zulässig, als die vertretene Partei, wenn sie den Prozeß in Person führte, oder der Vertreter, wenn er selbst Partei wäre, dieselbe zulassen müßte. Minderjährigen, welche das sechzehnte Lebensjahr zurückgelegt haben, oder Verschwendern kann über Thatsachen, welche in Handlungen derselben bestehen oder Gegenstand ihrer Wahrnehmung gewesen sind, der Eid zugeschoben oder zurückgeschoben werden, sofern dies von dem Gericht auf Antrag des Gegners nach den Umständen des Falles für zulässig erklärt wird. § 436471. Sind mehrere gesetzliche Vertreter vorhanden, so finden die Vorschriften des § 434 entsprechende Anwendung. Betrifft der Eid die eigenen Handlungen oder Wahrnehmungen nur einiger oder eines der Vertreter, so ist er von den übrigen nicht zu leisten.

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§ 437472. Ist das Ergebniß der Verhandlungen und etwaigen Beweisaufnahme nicht ausreichend, um die Überzeugung des Gerichts von der Wahrheit oder Unwahrheit der zu erweisenden Thatsache zu begründen, so kann das Gericht der einen oder der anderen Partei über eine streitige Tahtsache einen Eid auferlegen. § 438473. Der richterliche Eid kann allen Streitgenossen oder gesetzlichen Vertretern, er kann einigen oder einem derselben auferlegt werden. § 439474. Die Bestimmungen der §§ 422–433, 435 finden auf den richterlichen Eid entsprechende Anwendung. Ist der Schwurpflichtige wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilt, so ist der Antrag des Gegners, den richterlichen Eid zurückzunehmen, gerechtfertigt, wenngleich der Gegner schon vor der Auferlegung des Eides von dieser Verurtheilung Kenntniß gehabt hat. Der richterliche Eid wird durch bedingtes Urtheil auferlegt. Zweiter Abschnitt Verfahren vor den Amtsgerichten § 457496. Die Klage kann bei dem Gerichte schriftlich eingereicht oder zum Protokolle des Gerichtsschreibers angebracht werden. § 458497*. Nach erfolgter Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Gerichtsschreiber für die Zustellung der Klage Sorge zu tragen, sofern nicht der Kläger erklärt hat, dieses selbst thun zu wollen. § 459498. Die Einlassungsfrist beträgt mindestens drei Tage, wenn die Zustellung im Bezirke des Prozeßgerichts; mindestens eine Woche, wenn sie außerhalb desselben, jedoch im Deutschen Reich erfolgt; in Meß- und Marktsachen mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat das Gericht bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu bestimmen. § 461500. An ordentlichen Gerichtstagen können die Parteien zur Verhandlung des Rechtsstreits ohne Ladung und Terminsbestimmung vor Gericht erscheinen. Die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. § 462501*. Die Vorschriften der §§ 457, 458 finden entsprechende Anwendung, wenn eine Partei im Laufe des Rechtsstreits zu laden ist, insbesondere zur Verhandlung über einen Zwischenstreit, über den Antrag auf Berichtigung oder Ergänzung eines Urtheils, über den Einspruch, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder über die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens, oder wenn eine Intervention oder Streitverkündung erfolgen soll. § 465504. Die Vorschrift, daß prozeßhindernde Einreden gleichzeitig und vor der Verhandlung zur Hauptsache vorzubringen sind, findet nur insoweit Anwendung, als die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen ist.

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Ist das Amtsgericht sachlich unzuständig, so hat es vor der Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache denselben auf die Unzuständigkeit aufmerksam zu machen. Auf Grund prozeßhindernder Einreden darf die Verhandlung zur Hauptsache nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über diese Einreden auch von Amtswegen anordnen. § 471510. Wer eine Klage zu erheben beabsichtigt, kann unter Angabe des Gegenstandes seines Anspruchs zum Zwecke eines Sühneversuchs den Gegner vor das Amtsgericht laden, vor welchem dieser seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Erscheinen beide Parteien, und wird ein Vergleich geschlossen, so ist derselbe zu Protokoll festzustellen. Kommt ein Vergleich nicht zu Stande, so wird auf Antrag beider Parteien der Rechtsstreit sofort verhandelt; die Erhebung der Klage erfolgt in diesem Falle durch den mündlichen Vortrag derselben. Ist der Gegner nicht erschienen, oder der Sühneversuch erfolglos geblieben, so werden die erwachsenen Kosten als Theil der Kosten des Rechtsstreits behandelt. Drittes Buch Rechtsmittel Erster Abschnitt Berufung § 479518. Die Einlegung der Berufung erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Berufung gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil Berufung eingelegt werde; 3. die Ladung des Berufungsbeklagten vor das Berufungsgericht zur mündlichen Verhandlung über die Berufung. § 480519. Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Berufungsschrift Anwendung. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Berufungsschrift insbesondere enthalten: die Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten werde und welche Abänderungen desselben beantragt werden (Berufungsanträge), sowie die Angabe derjenigen neuen Thatsachen und Beweismittel, welche die Partei geltend zu machen beabsichtigt. § 481520. In Betreff der Frist, welche zwischen der Zustellung der Berufungsschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegen muß, finden die Vorschriften des § 234 entsprechende Anwendung. § 484CPO. Der Berufungsbeklagte hat dem Berufungskläger die Beantwortung der Berufung innerhalb der ersten zwei Drittheile der Zeit, welche zwischen der Zustellung der Berufungsschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegt, mittelst vorbereitenden Schriftsatzes zustellen zu lassen. § 485523. Auf das weitere Verfahren finden die in erster Instanz für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften entsprechende Anwendung, soweit nicht Abweichungen aus den Bestimmungen dieses Abschnitts sich ergeben.

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§ 490528*. Prozeßhindernde Einreden, auf welche die Partei wirksam verzichten kann, dürfen nur geltend gemacht werden, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, dieselben in erster Instanz vorzubringen. Die Verhandlung zur Hauptsache darf auf Grund prozeßhindernder Einreden nicht verweigert werden; das Gericht kann jedoch die abgesonderte Verhandlung über solche Einreden auch von Amtswegen anordnen. § 491529*. Die Parteien können Angriffs- und Vertheidigungsmittel, welche in erster Instanz nicht geltend gemacht sind, insbesondere neue Thatsachen und Beweismittel vorbringen. Neue Ansprüche dürfen, abgesehen von den Fällen des § 240 Nr. 2, 3, nur erhoben werden, wenn mit denselben kompensiert werden soll und wenn zugleich glaubhaft gemacht wird, daß die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, dieselben in erster Instanz geltend zu machen. § 496508. Ein nicht oder nicht unbedingt für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urtheil erster Instanz ist, insoweit dasselbe durch die Berufungsanträge nicht angefochten wird, auf den im Laufe der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag von dem Berufungsgerichte für vorläufig vollstreckbar zu erklären. § 502540. Werden nach Vorschrift des § 252 Vertheidigungsmittel zurückgewiesen, so ist die Geltendmachung derselben dem Beklagten vorzubehalten. Enthält das Urtheil keinen Vorbehalt, so kann die Ergänzung des Urtheils nach Vorschrift des § 292 beantragt werden. Das Urtheil, welches unter Vorbehalt der Geltendmachung von Vertheidigungsmitteln ergeht, ist in Betreff der Rechtsmittel und der Zwangsvollstreckung als Endurtheil anzusehen. § 503541. In Betreff der Vertheidigungsmittel, deren Geltendmachung dem Beklagten vorbehalten ist, bleibt der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz anhängig. Insoweit sich in dem weiteren Verfahren ergiebt, daß der klagend geltend gemachte Anspruch unbegründet war, ist das frühere Urtheil aufzuheben, der Kläger mit dem Anspruch abzuweisen und auf Antrag zur Erstattung des von dem Beklagten auf Grund des Urtheils Gezahlten oder Geleisteten zu verurtheilen, sowie über die Kosten anderweit zu entscheiden.

Zweiter Abschnitt Revision § 515553. Die Einlegung der Revision erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung des Urtheils, gegen welches die Revision gerichtet wird; 2. die Erklärung, daß gegen dieses Urtheil die Revision eingelegt werde; 3. die Ladung des Revisionsbeklagten vor das Revisionsgericht zur mündlichen Verhandlung über die Revision.

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§ 516554. Die allgemeinen Bestimmungen über die vorbereitenden Schriftsätze finden auch auf die Revisionsschrift Anwendung. Als vorbereitender Schriftsatz soll die Revisionsschrift insbesondere die Erklärung, inwieweit das Urtheil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge), und zur Begründung der Revisionsanträge enthalten: 1. insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet sei, die Bezeichnung der Rechtsnorm; 2. insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in Bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Thatsachen, welche den Mangel ergeben; 3. insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß unter Verletzung des Gesetzes Thatsachen festgestellt, übergangen oder als vorgebracht angenommen seien, die Bezeichnung dieser Thatsachen. In der Revisionsschrift soll ferner der Werth des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes angegeben werden, wenn die Zulässigkeit der Revision von diesem Werthe abhängt. § 517555. In Betreff der Frist, welche zwischen der Zustellung der Revisionsschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegen muß, finden die Vorschriften des § 234 entsprechende Anwendung. § 519CPO. Der Revisionsbeklagte hat dem Revisionskläger die Beantwortung der Revision innerhalb der ersten zwei Drittheile der Zeit, welche zwischen der Zustellung der Revisionsschrift und dem Termine zur mündlichen Verhandlung liegt, mittels vorbereitenden Schriftsatzes zustellen zu lassen. Der Schriftsatz soll insbesondere die Anträge und im Falle der Anschließung deren Begründung nach Vorschrift des § 516 enthalten. § 529566*. Die für die Berufung geltenden Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Versäumnißurtheile, über die Verzichtsleistung auf das Rechtsmittel und die Zurücknahme desselben, über die Vertagung der mündlichen Verhandlung, über die Verhandlung prozeßhindernder Einreden, über die Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, über den Vortrag der Parteien bei der mündlichen Verhandlung und über die Einforderung und Zurücksendung der Prozeßakten finden auf die Revision entsprechende Anwendung.

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2a) Entwurf der Neufassung von 1898 – Auszug – Erstes Buch Allgemeine Vorschriften Dritter Abschnitt Verfahren Dritter Titel Ladungen, Termine und Fristen § 193216 a. In Anwaltsprozessen hat der Vorsitzende bei der Terminsbestimmung, sofern die Ladung nicht einem Rechtsanwalte zuzustellen ist, die zu ladende Partei durch einen der Terminsbestimmung hinzuzufügenden Vermerk aufzufordern, einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Anwalt bestellen zu lassen.964

Zweites Buch Verfahren im ersten Rechtszuge Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Vierter Titel Vortermin § 312347 a. Die Bestimmung eines Vortermins zur mündlichen Verhandlung findet statt, wenn der Kläger es beantragt oder wenn nach dem Ermessen des Vorsitzenden die Lage des Falles zu der Annahme berechtigt, daß die Sache sich ohne Streitverhandlung werde erledigen lassen. § 312347 b. In dem Vortermine kann der Beklagte ohne Anwalt erscheinen. Die Vorschrift des § 193216 a findet keine Anwendung. § 312347 c. Erscheint in dem Vortermine nur der Kläger oder nur der Beklagte, so ist auf Antrag, unbeschadet der Vorschriften des § 296331 Abs. 2 und der §§ 200222, 302337 das Versäumnißurtheil zu erlassen. Erscheinen beide Parteien und kommt ein Vergleich zu Stande, so ist dieser durch das Sitzungsprotokoll festzustellen. Erledigt sich der Klaganspruch durch Zurücknahme der Klage, durch Verzicht oder durch Anerkenntniß, so ist auf Antrag das Urtheil gemäß § 243271 Abs. 3,965 277306 oder 278307 zu erlassen. 964 Mit der Einfügung des § 193216 aE98 war zugleich die Streichung des § 192215 vorgesehen; vgl. Art. I Nr. 50E98. Der Vorschlag wurde jedoch nicht Gesetz. 965 Jetzt § 269.

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Der Vorsitzende hat dahin zu wirken, daß der ohne Anwalt erschienene Beklagte die sachdienlichen Anträge stellt. Diese Anträge sind durch das Sitzungsprotokoll festzustellen. § 312347 d. Bleibt der Klageanspruch streitig, so kann im Einverständnisse mit den Parteien zur Streitverhandlung geschritten werden, wenn der Beklagte durch einen bei dem Prozeßgerichte zugelassenen Anwalt vertreten ist und das Gericht die sofortige Verhandlung für thunlich erachtet. Treffen diese Voraussetzungen nicht zu, so ist ein Termin zur Streitverhandlung anzuberaumen. Der Vorsitzende hat den Beklagten, wenn dieser ohne Anwalt erschienen ist, bei der Verkündung des Termins zur Bestellung eines Anwalts aufzufordern. § 312347 e. Wird der Rechtsstreit in dem Vortermine nicht erledigt, so findet ein neuer Vortermin nur auf übereinstimmenden Antrag der Parteien statt.

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2b) Neufassung vom 17. Mai 1898 – Auszug – Zweites Buch Verfahren in erster Instanz Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Erster Titel Verfahren bis zum Urtheil § 261. Die Klageschrift ist zum Zwecke der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung bei dem Gerichtsschreiber des Prozeßgerichts einzureichen. Der Termin soll nur soweit hinausgerückt werden, als es zur Wahrung der Einlassungsfrist geboten erscheint. Nach erfolgter Bestimmung des Termins hat der Kläger für die Zustellung der Klageschrift Sorge zu tragen. § 262. Zwischen der Zustellung der Klageschrift und dem Termin zur mündlichen Verhandlung muß ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegen (Einlassungsfrist). In Meß- und Marktsachen beträgt die Einlassungsfrist mindestens vierundzwanzig Stunden. Ist die Zustellung im Auslande vorzunehmen, so hat der Vorsitzende bei Festsetzung des Termins die Einlassungsfrist zu bestimmen.

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§ 264. Nach dem Eintritte der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage nur zuzulassen, wenn der Beklagte einwilligt oder wenn nach dem Ermessen des Gerichts durch die Änderung die Vertheidigung des Beklagten nicht wesentlich erschwert wird. § 272. Jede Partei hat dem Gegner solche thatsächlichen Behauptungen, Beweismittel und Anträge, auf welche derselbe voraussichtlich ohne vorhergehende Erkundigung keine Erklärung abgeben kann, vor der mündlichen Verhandlung mittels vorbereitenden Schriftsatzes so zeitig mitzutheilen, daß der Gegner die erforderliche Erkundigung noch einzuziehen vermag. Tritt eine Vertagung der mündlichen Verhandlung ein, so kann das Gericht die Fristen bestimmen, binnen welcher die noch erforderlichen vorbereitenden Schriftsätze mizutheilen sind. § 274. Prozeßhindernde Einreden sind gleichzeitig und vor der Verhandlung des Beklagten zu Hauptsache vorzubringen. Als solche Einreden sind nur anzusehen: 1. die Einrede der Unzuständigkeit des Gerichts, 2. die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs, 3. die Einrede, daß die Entscheidung des Rechtsstreits durch Schiedsrichter zu erfolgen habe, 4. die Einrede der Rechtshängigkeit, 5. die Einrede der mangelnden Sicherheit für die Prozeßkosten, 6. die Einrede, daß die zur Erneuerung des Rechtsstreits erforderliche Erstattung der Kosten des früheren Verfahrens noch nicht erfolgt sei, 7. die Einrede der mangelnden Parteifähigkeit, der mangelnden Prozeßfähigkeit oder der mangelnden gesetzlichen Vertretung. Nach dem Beginne der mündlichen Verhandlung des Beklagten zur Hauptsache können prozeßhindernde Einreden nur geltend gemacht werden, wenn dieselben entweder solche sind, auf welche der Beklagte wirksam nicht verzichten kann, oder wenn der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden nicht im Stande gewesen sei, dieselben vor der Verhandlung zur Hauptsache geltend zu machen. Zweiter Titel Urtheil § 310. Die Verkündung des Urtheils erfolgt in dem Termine, in welchem die mündliche Verhandlung geschlossen wird, oder in einem sofort anzuberaumenden Termine, welcher nicht über eine Woche hinaus angesetzt werden soll. Zweiter Abschnitt Verfahren vor den Amtsgerichten § 501. Die Vorschriften der §§ 496, 497 finden entsprechende Anwendung, wenn eine Partei im Laufe des Rechtsstreits zu laden ist, insbesondere zu Verhandlung über einen Zwischenstreit, über den Antrag auf Berichtigung oder Ergänzung eines Urtheils, über den Einspruch, über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder über die Aufnahme eines unterbrochenen oder ausgesetzten Verfahrens,

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oder wenn eine Intervention oder Streitverkündung erfolgen oder wenn die Klage oder der Einspruch zurückgenommen werden soll. § 508. Die Vorschriften des § 261 Abs. 2, des § 297 und der §§ 348–354 finden auf das Verfahren vor den Amtsgerichten keine Anwendung.

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3) Neufassung vom 5. Juni 1905 – Auszug – Drittes Buch Rechtsmittel Zweiter Abschnitt Revision § 554. Der Revisionskläger muß die Klage begründen. Die Revisionsbegründung erfolgt, sofern sie nicht bereits in der Revisionsschrift enthalten ist, durch Einreichung eines Schriftsatzes bei dem Revisionsgerichte. Die Frist für die Revisionsbegründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit dem Ablaufe der Revisionsfrist und kann durch Vereinbarung der Parteien nicht verlängert werden. Die Revisionsbegründung muß enthalten: 1. die Erklärung, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt werde (Revisionsanträge); 2. die Angabe der Revisionsgründe und zwar: a) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet sei, die Bezeichnung der Rechtsnorm; b) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß das Gesetz in bezug auf das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, welche den Mangel ergeben; c) insoweit die Revision darauf gestützt wird, daß unter Verletzung des Gesetzes Tatsachen festgestellt, übergangen oder als vorgebracht angenommen seien, die Bezeichnung dieser Tatsachen. In der Revisionsbegründung soll ferner der Wert des nicht in einer bestimmten Geldsumme bestehenden Beschwerdegegenstandes angegeben werden, wenn die Zulässigkeit der Revision von diesem Werte abhängt. Die Vorschriften des § 553 Abs. 2 und des § 553a Abs. 2 finden auf die Revisionsbegründung entsprechende Anwendung. Nach dem Ablaufe der Begründungsfrist ist die Geltendmachung neuer Revisionsgründe nicht zulässig.

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4) Neufassung vom 1. Juni 1909 – Auszug – Erstes Buch Allgemeine Bestimmungen Dritter Abschnitt Verfahren Erster Titel Mündliche Verhandlung § 141. Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhältnisses anordnen. Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst zuzustellen, auch wenn sie einen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat.

Zweites Buch Verfahren in erster Instanz Zweiter Abschnitt Verfahren vor den Amtsgerichten § 501. Das Gericht kann Anordnungen, die nach der Klageschrift oder den vorbereitenden Schriftsätzen zur Aufklärung des Sachverhältnisses dienlich erscheinen, schon vor der mündlichen Verhandlung treffen. Das Gericht kann insbesondere: 1. den Parteien die Vorlegung der in ihren Händen befindlichen Urkunden, auf welche sie sich bezogen haben, sowie die Vorlegung von Stammbäumen, Plänen, Rissen und sonstigen Zeichnungen aufgeben; 2. öffentliche Behörden oder öffentliche Beamte um Mitteilung von Urkunden, auf welche eine Partei sich bezogen hat, ersuchen; 3. amtliche Auskünfte von öffentlichen Behörden oder öffentlichen Beamten einziehen; 4. Zeugen, auf welche eine Partei sich bezogen hat, sowie Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden; 5. das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen; 6. die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen. Bevor eine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, in der von beiden Parteien einander widersprechende Anträge gestellt worden sind, soll eine Anordnung der unter Nr. 4 bis 6 bezeichneten Art nur ergehen, wenn der Beklagte in einem vorbereitenden Schriftsatze dem Klageantrage widersprochen hat. Die Parteien sind von der Anordnung zu benachrichtigen. Wird das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet, so finden die Vorschriften des § 141 Abs. 2 Anwendung.

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§ 507. Die Vorschriften des § 297 und der §§ 348 bis 354 finden keine Anwendung. § 509. Beschließt das Gericht eine Beweiserhebung, so soll die Aufnahme des Beweises, soweit dies tunlich ist, sofort erfolgen, insbesondere sollen Zeugen und Sachverständige, falls sie zur Stelle sind oder ihre unverzügliche Gestellung möglich ist, sofort vernommen werden.

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5) Neufassung vom 22. Februar 1924 – Auszug – Erstes Buch Allgemeine Bestimmungen Dritter Abschnitt Verfahren Erster Titel Mündliche Verhandlung § 141. Das Gericht kann das persönliche Erscheinen einer Partei zur Aufklärung des Sachverhalts anordnen; von der Anordnung soll abgesehen werden, wenn der Partei wegen weiter Entfernung ihres Aufenthaltorts vom Gerichtssitz oder aus sonstigen wichtigen Gründen die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zugemutet werden kann. Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst zuzustellen, auch wenn sie einen Prozeßbevollmächtigten bestellt hat. Bleibt die Partei im Termin aus, so können gegen sie die gleichen Strafen wie gegen einen im Vernehmungstermine nicht erschienenen Zeugen, jedoch mit Ausnahme der Haftstrafe, verhängt werden. Das gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschlusse ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.

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Zweites Buch Verfahren in erster Instanz Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Erster Titel Verfahren bis zum Urteil § 253. Die Erhebung der Klage erfolgt durch Zustellung eines Schriftsatzes. Derselbe muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien und des Gerichts; 2. die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs, sowie einen bestimmten Antrag; 3. die Ladung des Beklagten vor das Prozeßgericht zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits. Die Klageschrift soll ferner enthalten: 1. die Aufforderung, etwaige gegen die Behauptungen des Klägers vorzubringende Einwendungen und Beweismittel unverzüglich durch den zu bestellenden Anwalt (§ 215) in einem Schriftsatz dem Kläger und dem Gerichte mitzuteilen; 2. die Angabe des Wertes des Streitgegenstandes, wenn hiervon die Zuständigkeit des Gerichts abhängt und der Streitgegenstand nicht in einer bestimmten Geldsumme besteht. § 264. Nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit ist eine Änderung der Klage zulässig, wenn der Beklagte einwilligt oder das Gericht sie für sachdienlich erachtet. § 272 a. Kann eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf eine Behauptung des Gegners eine Erklärung nicht abgeben, weil ihr die Behauptung nicht rechtzeitig vor dem Termine mitgeteilt ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann, und gleichzeitig einen Termin zu Verkündung einer Entscheidung anberaumen, der auch über eine Woche hinaus angesetzt werden kann. Wird bis zu dem Termine die Zustellung des Schriftsatzes an den Gegner nachgewiesen und eine Abschrift von ihm dem Gericht eingereicht, so ist sein Inhalt bei der Entscheidung zu berücksichtigen; wird der Schriftsatz bis zu dem Termine nicht eingereicht, so gilt die Behauptung des Gegners als nicht bestritten. § 272 b. Der Vorsitzende oder ein von ihm zu bestimmendes Mitglied des Prozeßgerichts hat schon vor der mündlichen Verhandlung alle Anordnungen zu treffen, die angebracht erscheinen, damit der Rechtsstreit tunlichst in einer mündlichen Verhandlung erledigt wird. Zu diesem Zwecke kann er insbesondere 1. den Parteien die Ergänzung oder Erläuterung ihrer vorbereitenden Schriftsätze sowie die Vorlegung von Urkunden, Stammbäumen, Plänen, Rissen und Zeichnungen aufgeben; 2. Behörden oder Beamte um Mitteilung von Urkunden oder um Erteilung einer amtlichen Auskunft ersuchen;

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3. das persönliche Erscheinen der Parteien anordnen; 4. Zeugen, auf welche eine Partei sich bezogen hat, zur mündlichen Verhandlung laden oder von ihnen nach Maßgabe des § 377 Abs. 3 bis 5 schriftliche Auskünfte einholen; 5. die Einnahme des Augenscheins sowie die Begutachtung durch Sachverständige anordnen und ausführen oder Sachverständige zur mündlichen Verhandlung laden. Anordnungen der unter 4 und 5 bezeichneten Art sollen nur ergehen, wenn der Beklagte dem Klageanspruche bereits widersprochen hat. Erfordert die Ausführung der Anordnung die Abhaltung eines Termins, so ist dieser tunlichst mit dem Termine zur mündlichen Verhandlung zu verbinden. Die Parteien sind von jeder Anordnung zu benachrichtigen. Die Benachrichtigung kann unterbleiben, wenn es nach dem Ermessen des Vorsitzenden oder des von ihm beauftragten Mitglieds für die Wahrnehmung der Rechte der Parteien nicht wesentlich ist, daß sie vor dem Termine zur mündlichen Verhandlung von der Anordnung Kenntnis erhalten. Wird das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet, so finden die Vorschriften des § 141 Abs. 2, 3 Anwendung. § 275. Über prozeßhindernde Einreden ist besonders zu verhandeln und durch Urteil zu entscheiden, wenn das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die angesonderte Verhandlung anordnet. Das Urteil, durch welches die prozeßhindernde Einrede verworfen wird, ist in Betreff der Rechtsmittel als Endurteil anzusehen; das Gericht kann jedoch auf Antrag anordnen, daß zur Hauptsache zu verhandeln sei. § 279. Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die von einer Partei nachträglich vorgebracht werden, können zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und nach der freien Überzeugung des Gerichts die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit das Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher vorgebracht hat. § 279 a. Erachtet das Gericht bestimmte Punkte für aufklärungsbedürftig, so soll es den Parteien aufgeben, sich innerhalb bestimmter Frist über die streitigen Punkte zu erklären, Wird einer solchen Anordnung nicht Folge geleistet, so kann die Erklärung, wenn sie später nachgeholt wird, für die Instanz unberücksichtigt bleiben, wenn die Partei die Verspätung nicht genügend entschuldigt. § 283. Beweismittel und Beweiseinreden können bis zum Schlusse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urteil ergeht, geltend gemacht werden. Auf das nachträgliche Vorbringen von Beweismitteln und Beweiseinreden finden die Vorschriften des § 278 Abs. 2 und der §§ 279, 279a entsprechende Anwendung.

Vierter Titel Verfahren vor dem Einzelrichter § 348. Zur Vorbereitung der Entscheidung des Prozeßgerichts ist jede Sache zunächst vor dem Einzelrichter zu verhandeln, der auch den Termin hierzu bestimmt. Es

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kann jedoch nach Bestimmung des Vorsitzenden hiervon abgesehen werden, wenn eine Vorbereitung nach den Umständen nicht erforderlich erscheint. § 349. Der Einzelrichter hat zunächst die gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu versuchen. Kommt ein Vergleich nicht zustande, so hat der Einzelrichter für eine erschöpfende Erörterung des gesamten Sach- und Streitverhältnisses zu sorgen. Er hat zu entscheiden: 1. über Verweisungen in den Fällen der §§ 103, 104 des Gerichtsverfassungsgesetzes; 2. über prozeßhindernde Einreden der im § 274 Abs. 2 Nr. 1, 4 bis 7 bezeichneten Art, soweit über sie besonders verhandelt und entschieden wird; 3. bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs; 4. bei Versäumnis einer Partei. In diesem Falle kann der Einzelrichter auch eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 331a erlassen; 5. in den Fällen des § 251a, soweit der Einzelrichter hier die Entscheidung nach Lage der Akten für angezeigt hält. Im übrigen hat der Einzelrichter die Sache so weit zu fördern, daß sie tunlichst durch eine Verhandlung vor dem Prozeßgericht erledigt werden kann. Ist eine Beweisaufnahme erforderlich, so kann der Einzelrichter nach seinem Ermessen entweder selbst die Beweise anordnen und erheben oder dies dem Prozeßgerichte vorbehalten. Ist die Sache zur Verhandlung vor dem Prozeßgerichte reif, so wird der Termin hierzu von Amts wegen anberaumt. Im Einverständnis beider Parteien kann der Einzelrichter bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche an Stelle des Prozeßgerichts entscheiden. § 350. Einzelrichter im Sinne der §§ 348, 349 ist in Sachen der Zivilkammern der Vorsitzende oder ein von ihm zu bestimmendes Mitglied der Kammer, in Sachen der Kammern für Handelssachen der Vorsitzende. Für die Anfechtung von Entscheidungen des Einzelrichters gelten dieselben Vorschriften wie für die Anfechtung entsprechender Entscheidungen des Prozeßgerichts.

Siebenter Titel Zeugenbeweis § 377. Die Ladung der Zeugen ist von dem Gerichtsschreiber unter Bezugnahme auf den Beweisbeschluß auszufertigen und von Amts wegen zuzustellen. Das Gericht kann statt der Zustellung eine andere Form der Benachrichtigung anordnen. Die Ladung muß enthalten: 1. die Bezeichnung der Parteien; 2. den Gegenstand der Vernehmung; 3. die Anweisung, zur Ablegung des Zeugnisses bei Vermeidung der durch das Gesetz angedrohten Strafen in dem nach Zeit und Ort zu bezeichnenden Termine zu erscheinen. Bildet den Gegenstand der Vernehmung eine Auskunft, die der Zeuge voraussichtlich an der Hand seiner Bücher oder anderer Aufzeichnungen zu geben hat, so kann das Gericht anordnen, daß der Zeuge zum Termine nicht zu erscheinen braucht, wenn

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er vorher eine schriftliche Beantwortung der Beweisfrage unter eidesstattlicher Versicherung ihrer Richtigkeit einreicht. Das gleiche kann auch in anderen Fällen geschehen, sofern das Gericht nach Lage der Sache, insbesondere mit Rücksicht auf den Inhalt der Beweisfrage, eine schriftliche Erklärung des Zeugen für ausreichend erachtet und die Parteien damit einverstanden sind. Zweiter Abschnitt Verfahren vor den Amtsgerichten § 495 a. Der Erhebung der Klage muß ein Güteverfahren vorangehen. Dies gilt nicht, 1. wenn wegen des Anspruchs innerhalb des letzten Jahres vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle ein Ausgleich unter den Parteien erfolglos versucht worden ist; 2. wenn wegen des Anspruchs bereits ein Güteantrag wegen Aussichtslosigkeit des Anspruchs zurückgewiesen ist; 3. in Urkunden- und Wechselprozessen; 4. für Widerklagen; 5. wenn die Zustellung an den Gegner im Ausland oder durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen muß; 6. wenn nach dem Ermessen des Gerichts die alsbaldige Klageerhebung durch einen sonstigen wichtigen Grund gerechtfertigt wird, insbesondere wenn mit Rücksicht auf die Art des Anspruchs, die Verhältnisse der Beteiligten oder besondere Umstände der Versuch einer gütlichen Einigung aussichtslos erscheint. Ist nach der erfolglosen Beendigung eines Güteverfahrens ein Jahr verstrichen, so bedarf es zur Erhebung der Klage eines erneuten Güteverfahrens. § 499 a. Der Antragsteller hat in dem Güteantrag anzugeben, welche Ansprüche er gegen seinen Gegner erhebt und auf welche Tatsachen er sie stützt. Gleichzeitig soll er seine Beweismittel bezeichnen und die Gründe, aus denen der Gegner den Anspruch bestreitet, soweit sie ihm bekannt sind, mitteilen. Besitzt der Antragsteller auf die Sache bezügliche Urkunden, so soll er sie in Urschrift oder Abschrift beifügen. § 499 b. Erscheint der erhobene Anspruch von vornherein aussichtslos, so kann das Gericht den Antrag durch Beschluß zurückweisen. Die Zurückweisung ist zu begründen und unterliegt keinem Rechtsmittel. In allen anderen Fällen beraumt das Gericht unverzüglich Termin zur Güteverhandlung an. Das Gericht kann die zur Vorbereitung der Güteverhandlung ihm dienlich erscheinenden Maßnahmen treffen. Ordnet das Gericht das persönliche Erscheinen der Parteien an, so finden die Vorschriften des § 141 Abs. 2, 3 Anwendung. § 499 c. In der Güteverhandlung erörtert das Gericht das gesamte Streitverhältnis in freier Würdigung aller Umstände mit den Parteien und sucht einen gütlichen Ausgleich herbeizuführen. Zur Aufklärung des Sachverhalts kann ein Augenschein eingenommen werden. Andere Beweise können insoweit erhoben werden, als die Beweiserhebung sofort geschehen kann. Inwieweit Zeugen oder Sachverständige eidlich oder

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uneidlich vernommen werden, bleibt dem Ermessen des Gerichts überlassen. Ein Beweis durch Parteieid findet nicht statt. § 499 d. Die örtliche Zuständigkeit des Gerichts bestimmt sich nach den für das Streitverfahren geltenden Vorschriften. Ist das angegangene Amtsgericht örtlich unzuständig und ist die Unzuständigkeit von dem Antragsgegner geltend gemacht, so hat sich das Gericht durch Beschluß für unzuständig zu erklären. Die Vorschriften des § 276 finden entsprechende Anwendung. § 499 e. Einigen sich die Parteien in der Güteverhandlung nicht, so wird der Rechtsstreit auf den bis zur Beendigung der Verhandlung zu stellenden Antrag einer Partei soweit möglich sofort, sonst in einem alsbald anzuberaumenden Termine streitig verhandelt. Für das Streitverfahren gilt in diesem Falle, auch in Ansehung des Eintritts der Rechtshängigkeit, der Güteantrag als Klageschrift; es sind jedoch Änderungen und Ergänzungen zu berücksichtigen, die der Antragsteller in der Güteverhandlung etwa vorgebracht hat. Wird bei Erfolglosigkeit des Einigungsversuchs weder der Güteantrag zurückgenommen noch der Antrag auf Eintritt in das Streitverfahren gestellt, so erteilt das Gericht beiden Parteien eine Bescheinigung darüber, daß das Güteverfahren erfolglos geblieben ist. In der Bescheinigung ist anzugeben, welcher Anspruch den Gegenstand des Verfahrens gebildet hat. § 499 f. Bleiben im Termine zur Güteverhandlung beide Parteien aus, so erklärt das Gericht durch Beschluß den Güteantrag für zurückgenommen. Bleibt nur eine Partei aus, so wird auf Antrag der erschienenen Partei sofort in das Streitverfahren eingetreten. Der Güteantrag gilt auch in diesem Falle nach § 496 Abs. 1 Satz 2 als Klageschrift. Auf das weitere Verfahren finden die allgemeinen Vorschriften über das Versäumnisverfahren entsprechende Anwendung. § 499 g. Über die wesentlichen Ergebnisse der Güteverhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen. In diesem sind insbesondere festzustellen: 1. der Abschluß eines Vergleichs; 2. die Erklärung einer Zurücknahme des Güteantrags; 3. Beschlüsse des Gerichts und deren Verkündung; 4. von dem Antragsteller mündlich vorgebrachte Ergänzungen und Änderungen des Güteantrags; 5. die Aussagen von Zeugen und Sachverständigen und das Ergebnis eines Augenscheins; 6. der Eintritt in das Streitverfahren. Die Aufnahme der unter Nr. 4 und 5 vorgesehenen Erklärungen und Ergebnisse kann unterbleiben, wenn die Verhandlung noch in demselben Termine zu einer endgültigen Erledigung der Sache führt.

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Gesetzesverzeichnis Drittes Buch Rechtsmittel Erster Abschnitt Berufung

§ 529. Die Parteien können Angriffs- und Verteidigungsmittel, welche in erster Instanz nicht geltend gemacht sind, insbesondere neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen. Angriffs- und Verteidigungsmittel sowie Beweismittel und Beweiseinreden, die in erster Instanz nicht geltend gemacht worden sind, können zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und nach der freien Überzeugung des Gerichts die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit sie nicht früher vorgebracht hat. Das gleiche gilt von solchem Vorbringen, das in erster Instanz nach den §§ 279, 279a, 283 Abs. 2 zurückgewiesen worden ist. Die Vorschrift des Abs. 2 findet entsprechende Anwendung, wenn der Berufungskläger ein neues Vorbringen, dessen Geltendmachung in der Berufungsinstanz zulässig ist, entgegen der Vorschrift des § 519 nicht in der Berufungsbegründung mitgeteilt hat. Neue Ansprüche dürfen, abgesehen von den Fällen des § 268 Nr. 2, 3, nur mit Einwilligung des Gegners erhoben werden. Macht der Beklagte die Aufrechnung einer Gegenforderung geltend, so ist die hierauf gestützte Einwendung zurückzuweisen, wenn nicht der Kläger in die Geltendmachung einwilligt oder der Beklagte glaubhaft macht, daß er ohne sein Verschulden außer Stande gewesen ist, die Aufrechnung in erster Instanz geltend zu machen.

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6) Neufassung vom 27. Oktober 1933 – Auszug – Zweites Buch Verfahren im ersten Rechtszuge Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Erster Titel Verfahren bis zum Urteil § 279. Angriffs- oder Verteidigungsmittel, die von einer Partei nachträglich vorgebracht werden, können zurückgewiesen werden, wenn durch deren Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und nach der freien Überzeugung

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des Gerichts die Partei in der Absicht, den Prozeß zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit das Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht früher vorgebracht hat. Unter den in Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen können ferner Angriffs- und Verteidigungsmittel zurückgewiesen werden, deren rechtzeitige Mitteilung durch vorbereitenden Schriftsatz (§ 272) die Partei unterlassen hatte. § 283. Beweismittel und Beweiseinreden können bis zum Schlusse derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urteil ergeht, geltend gemacht werden. Auf das nachträgliche Vorbringen von Beweismitteln und Beweiseinreden finden die Vorschriften des § 278 Abs. 2 und der §§ 279, 279a entsprechende Anwendung. Vierter Titel Verfahren vor dem Einzelrichter § 349. Der Einzelrichter hat zunächst die gütliche Beilegung des Rechtsstreits zu versuchen. Kommt ein Vergleich nicht zustande, so hat der Einzelrichter für eine erschöpfende Erörterung des gesamten Sach- und Streitverhältnisses zu sorgen. Er hat zu entscheiden: 1. über Verweisungen in den Fällen der §§ 97, 98 des Gerichtsverfassungsgesetzes; 2. über prozeßhindernde Einreden der im § 274 Abs. 2 Nr. 1, 4 bis 7 bezeichneten Art, soweit über sie besonders verhandelt und entschieden wird; 3. bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs; 4. bei Versäumnis einer Partei. In diesem Falle kann der Einzelrichter auch eine Entscheidung nach Lage der Akten gemäß § 331a erlassen; 5. in den Fällen des § 251a, soweit der Einzelrichter hier eine Entscheidung nach Lage der Akten für angezeigt hält. Im übrigen hat der Einzelrichter die Sache so weit zu fördern, daß sie tunlichst durch eine Verhandlung vor dem Prozeßgericht erledigt werden kann. Er kann zu diesem Zwecke auch einzelne Beweise erheben; dies soll nur insoweit geschehen, als es zur Vereinfachung der Verhandlung vor dem Prozeßgericht wünschenswert und von vornherein anzunehmen ist, daß das Prozeßgericht das Beweisergebnis auch ohne unmittelbaren Eindruck von dem Verlauf der Beweisaufnahme sachgemäß zu würdigen vermag. Ist die Sache zur Entscheidung reif, so wird der Termin hierzu von Amts wegen anberaumt. Besteht über die Verhandlungsreife zwischen dem Einzelrichter und dem Vorsitzenden Meinungsverschiedenheit, so entscheidet das Prozeßgericht. Im Einverständnisse beider Parteien kann der Einzelrichter bei Streitigkeiten über vermögensrechtliche Ansprüche an Stelle des Prozeßgerichts entscheiden.

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Gesetzesverzeichnis 7) Neufassung vom 12. September 1950 – Auszug – Zweites Buch Verfahren im ersten Rechtszuge Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Erster Titel Verfahren bis zum Urteil

§ 261 a. Nach der Bestimmung des Termins zur mündlichen Verhandlung ist die Ladung der Parteien durch die Geschäftsstelle zu veranlassen. Dem Beklagten ist mit der Ladung die Klageschrift zuzustellen. Mit der Zustellung der Klageschrift soll, sofern die Zustellung nicht an einen Rechtsanwalt erfolgt, die Aufforderung verbunden werden, etwaige gegen die Behauptungen des Klägers vorzubringende Einwendungen und Beweismittel unverzüglich durch den zu bestellenden Anwalt in einem Schriftsatz dem Gericht mitzuteilen. § 261 b. Die Zustellungen erfolgen, soweit nicht ein anderes vorgeschrieben ist, von Amts wegen. Mit Ausnahme der Klageschrift und solcher Schriftsätze, die Sachanträge oder eine Zurücknahme der Klage enthalten, sind Schriftsätze und sonstige Erklärungen der Parteien, sofern nicht das Gericht die Zustellung anordnet, ohne besondere Form mitzuteilen. Bei Übersendung durch die Post gilt die Mitteilung, wenn die Wohnung der Partei im Bereich des Ortsbestellverkehrs liegt, an dem folgenden, im übrigen an dem zweiten Werktage nach der Aufgabe zur Post als bewirkt, wenn nicht die Partei glaubhaft macht, daß ihr die Mitteilung nicht oder erst in einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt oder die Verjährung unterbrochen werden, so tritt die Wirkung, sofern die Zustellung demnächst erfolgt, bereits mit der Einreichung oder Anbringung des Antrags oder der Erklärung ein. § 272 a. Kann eine Partei in der mündlichen Verhandlung auf eine Behauptung des Gegner eine Erklärung nicht abgeben, weil ihr die Behauptung nicht rechtzeitig vor dem Termin mitgeteilt ist, so kann auf ihren Antrag das Gericht eine Frist bestimmen, innerhalb deren sie die Erklärung in einem Schriftsatz nachbringen kann, und gleichzeitig einen Termin zu Verkündung einer Entscheidung anberaumen, der auch über eine Woche hinaus angesetzt werden kann. Ist bis zu dem Termin der Schriftsatz dem Gegner zugestellt oder gemäß § 261b Abs. 2 mitgeteilt, so ist sein Inhalt bei der Entscheidung zu berücksichtigen; wird der Schriftsatz bis zu dem Termin nicht eingereicht, so gilt die Behauptung des Gegners als nicht bestritten.

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8) Neufassung vom 20. Dezember 1974 – Auszug – Zweites Buch Verfahren im ersten Rechtszuge Erster Abschnitt Verfahren vor den Landgerichten Vierter Titel Verfahren vor dem Einzelrichter § 348. Die Zivilkammer kann den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht 1. die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder 2. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Über die Übertragung auf den Einzelrichter kann die Kammer ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Der Beschluß ist unanfechtbar. Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits in mehr als einem Termin vor der Zivilkammer zur Hauptsache verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist. Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Parteien den Rechtsstreit auf die Zivilkammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Entscheidung von grundsätzlicher Bedeutung ist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

II. Deutsches Gerichtskostengesetz vom 18. Juni 1878 – Auszug – Zweiter Abschnitt Gebühren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten § 48. Ist außer in den Fällen des § 300 der Civilprozeßordnung durch Verschulden einer Partei oder eines Vertreters derselben die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines Termins zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung veranlaßt, oder ist durch nachträgliches Vorbringen von Angriffs- oder Vertheidigungsmitteln, Beweismitteln oder Beweiseinreden, welches zeitiger erfolgen konnte, die Erledigung des Rechtsstreits verzögert worden, so kann das Gericht von Amtswegen die besondere Erhebung einer Gebühr für die verursachte weitere Verhandlung, sowie einer Gebühr für die durch das neue Vorbringen veranlaßte nochmalige Beweisanordnung beschließen. Die Gebühr besteht in der vollen Gebühr (§ 8); sie kann jedoch bis zu zwei Zehntheilen herabgesetzt werden.

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Gesetzesverzeichnis

Gegen den Beschluß findet Beschwerde nach Maßgabe der §§ 531 bis 538 der Civilprozeßordnung und des § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes statt. Sechster Abschnitt Kostenvorschuß und Kostenzahlung § 94. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten kommen folgende Vorschriften zur Anwendung: 1. Schon vor der Beendigung der Instanz werden mit dem Ablauf je eines Jahres seit Bestimmung des ersten Termins oder Stellung des ersten Antrags die bis dahin entstandenen Gebühren und Auslagen fällig. Die einjährigen Fristen können auf Antrag von dem Gericht verlängert werden. Der Ablauf der Fristen begründet nicht die Zurückforderung eines nicht verbrauchten Vorschusses. 2. In den Fällen einer Widerklage oder wechselseitig eingelegter Rechtsmittel kann jede Partei, wenn sie das von ihr beantragte Verfahren zurücknimmt, die getrennte Berechnung der Gebühren und Auslagen für dasselbe und die Zurückzahlung des von ihr gezahlten nicht verbrauchten Vorschusses fordern. 3. Eine nach § 47 Abs. 2, § 48 beschlossene Gebühr kann sofort nach dem Beschluß von der in diesem bezeichneten Partei ohne Anrechnung eines derselben obliegenden Vorschusses erhoben werden.

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Sachwortverzeichnis* Absicht, den Prozeß zu verschleppen siehe Verschulden absolutio – ab actione 44 – ab instantia 44 Aktenschluß 45, 47 Aktenversendung 51 Allgemeine Bürgerliche Prozeßordnung 51 Allgemeine Civilproceßordnung für die deutschen Bundesstaaten 105 Allgemeine Gerichtsordnung 30 Amtsbetrieb siehe Prozeßbetrieb Amtsgerichtsnovelle siehe Zivilprozeßordnung Anerkenntnis 31, 44 Anerkenntnisurteil siehe Urteil Angriffs- und Verteidigungsmittel 30, 70 – Behauptung 33 – Beweis siehe dort – Gegenbehauptung – einfache 31 – Bestreiten 31 – Responsion 31 – schlichtes Klageleugnen 31 – unechte Duplik 32 – unechte Replik 31 – selbständige 31 – echte Duplik 32 – echte Replik 31 – Einrede i. S. d. ZPO 31 – Exception 31 – motiviertes Klageleugnen 31

– Quadruplik 32 – qualifiziertes Geständnis 31 – Triplik 32 – gegenwärtige 149 – gleichstufige 35 – konkurrierende siehe gleichstufige – selbständige 37 – Stufe 32, 86 – ungegenwärtige 149 – Zugestehen 31 Antizipation siehe Erfrühung Antwort– -staffelung 35, 48, 56, 61 – -trennung 48, 56, 153 – -verbindung 56, 61, 153, 154 Appellation siehe Berufung Artikelklage siehe Klage audiatur et altera pars 30 siehe auch Grundsatz rechtlichen Gehörs Aufklärungspflicht 34, 122 Aufrechnung 70 Aufruf – zur Hinterlegung 108 – zur Verhandlung 108 Augenschein 34, 76 Ausschluß 38, 83 – Antragserfordernis 71, 78, 151 – kraft Gesetzes 49, 56, 62, 83, 99, 149, 157 – kraft Richterspruchs 70, 83, 99, 149 Ausschlußstrafe 38, 40, 144, 150 Außergerichtliches schriftliches Verfahren 103, 113

* Fettgedruckte Seitenzahlen sind die Hauptfundstellen.

Sachwortverzeichnis Bayern 41, 70, 105, 106 Behändigung 101 siehe auch Zustellung Behauptung siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Beibringungsgrundsatz siehe Verfahrensgrundsätze beneficium novorum siehe Neuerungsrecht Berichterstatter 123 Berufung 49, 57, 115 – vorbehaltene 58 Berufungs– -begründung 117 – -rechtszug 71, 74 – -schrift 112, 117 Bestreiten siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Beweis 33 – per aequipollens 47 – Produktionsbescheid 46, 47 – Produzent 46 – Salvationsschrift 47 – Schlußverfahren 46 Beweis– -angebot 155 – -anordnung 60 – -antretungsschrift 46 – -antritt 32, 46, 54 – in genere 109 – in specie 109 – -auflage 45 – -aufnahme 32, 46, 54, 60, 77, 140 – vorterminliche 137, 143, 146 – -ausführung 54, 156 – -behauptung 30, 33 – -beschaffung 32, 34, 156 – -beschluß 60, 76, 85, 155 – förmlicher 60 – formloser 60 – -duplik 46 – -einrede 32 – -einredeschrift 46 – -erfrühung 38, 46, 54, 165

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– zwingende 155, 164 -ergänzungsurteil 159 -ergebnis 156 -gegenbehauptung siehe Beweiseinrede -impugnationsschrift 47 -interlokut siehe Urteil -last 45, 158 -mittel 32, 155 – gegenwärtige 77, 85, 158 – präsente siehe gegenwärtige – ungegenwärtige 77, 85 – unpräsente siehe ungegenwärtige – -produktion 46 siehe auch Beweisaufnahme – vorbereitendes Produktionsverfahren 46 – -produktion i. e. S. 46 – -replik 46 – -satz 45, 155 – -staffelung 35, 48, 56, 61 – -termin 54, 56, 140 – -thema siehe Beweissatz – -trennung 48, 56, 153, 164, 165 – -urteil siehe Urteil – -verbindung 61, 165 – -verhandlung 156, 165 – zweites Verfahren 46, 54, 55, 103, 154 Bezugnahme 53, 60, 144, 155 BGB-Novelle siehe Zivilprozeßordnung Bürgerliche Proceßordnung 52, 101 bürgerlicher Rechtsstreit 15 Bürgerliches Gesetzbuch 59 – – – – – – –

Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes 84 code de procédure civile 51, 61 Codex iuris bavarici iudiciarii 106 Corpus iuris Fridericianum 30 culpa siehe Verschulden da mihi facta, dabo tibi ius 30 siehe auch Beibringungsgrundsatz

266

Sachwortverzeichnis

Definitiverkenntnis siehe Urteil Deklinatorien 44, 48 siehe auch Verfahrensmangel der Klage – Inkompetenz 44 – Litispendenz 44 – Prävention 44 Deutscher Bund 105 Deutsches Gerichtskostengesetz 67 Dezisivdekret siehe Urteil Dispositionsmaxime siehe Verfügungsgrundsatz dolus siehe Verschulden Duplik siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Durchlauftermin siehe Termin Ehesachen 30, 129 Eideszuschiebung 64 Eingangsdatum 42 Einheit der mündlichen Verhandlung 56, 60 Einigungsvertrag siehe Zivilprozeßordnung Einlassungsfrist 112, 118, 119, 134 Einrede i. S. d. ZPO siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Einspruch 110, 115, 163 Einspruchsschrift 112 Einzelrichter 119, 140 – obligatorischer 121 – originärer 121 Emminger-Novelle siehe Zivilprozeßordnung Endurteil siehe Urteil Entscheidung nach Lage der Akten 29, 120 Erfrühung 46, 104 siehe auch Beweiserfrühung Ermessen 72, 85, 89, 91, 97, 99, 138 Ermessens-Können 90 siehe auch Zuständigkeits-Können Ermessensschrumpfung 90, 99 Erscheinungsfrist 107, 110

erste Reichsgerichtsnovelle siehe Zivilprozeßordnung erstes Verfahren siehe Tatsachenverhandlung Eventualmaxime siehe Verfahrensgrundsätze exceptio rei in iudicium deductae 15 Exception siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Fahrlässigkeit siehe Verschulden Familiensachen 59 Fiktion siehe Unterstellung Fragerecht 34, 122, 164 Frankreich 61, 69, 102, 108, 114 früher erster Termin siehe Termin Gegenantrag siehe schriftliche Parteianträge Gegenbehauptung siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Gegenbitte siehe petitum und Schlußgesuch Gemeines Recht 41 Gerichts– -handlung siehe Prozeßhandlung – -schreiber 107, 112 – -schreiberei 88, 101, 104, 112 – -voigt 101 – -vollzieher 88, 106, 112, 160 Gerichtsstandsnovelle siehe Zivilprozeßordnung Gerichtsverfassungsgesetz siehe Reichsjustizgesetze Gesamtdauerbetrachtung 80 siehe auch relativer Verzögerungsbegriff Geschäftsstelle 88 Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen 23 Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts 23 Geständnis 31 – qualifiziertes siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel

Sachwortverzeichnis Güte– -verfahren 120 – -verhandlung 60, 131 Hannover 51 Haupt– -termin siehe Termin – -verhandlung 141 – -verzeichnis siehe Rollensystem Heimlichkeit siehe Verfahrensgrundsätze Herrschaft der Parteien über Fristen und Termine 28, 79 Hinweispflicht siehe Aufklärungspflicht Illiquidität 116 siehe auch Liquidität Individualisierungslehre 62 Inkompetenz siehe Deklinatorien Insinuation 42 siehe auch Zustellung iudicia imperio continentia 15 iudicia legitima 15 iura novit curia 30 siehe auch Beibringungsgrundsatz jugement convenu 108 Jüngster Reichsabschied 41 kaiserliches Kammergericht 41 Kindschaftssachen 30 Klag– -antrag siehe schriftliche Parteianträge – -bitte siehe petitum und Schlußgesuch Klage – Artikelklage 43 – negative Feststellungsklage 24 – Provokationsklage 24 – Summariklage 43 Klage– -änderung 45, 62, 74 – -beantwortung 31, 113, 161 – -begründung 31 – -behauptung, selbständige 31 – -erwiderung 112, 132, 133

267

– -fundament 43 siehe auch Klagebegründung – juristisches 43 – tatsächliches 43 – -grund 62 – -leugnen siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel – -schrift 42, 62, 106, 112, 133, 160 – libellus conventionis 42 – -zurücknahme 115 Kommunikativdekret siehe verfahrensleitende Verfügung Konkursordnung siehe Reichsjustizgesetze Konzentrationsmaxime siehe Verfahrensgrundsätze Kostenstrafe 39, 40, 43, 45, 57, 67, 101, 105, 110, 115, 116, 150 Ladung 28 Läuterungsverfahren 75 Lehre vom einzigen Termin 140 letztes Wort 127, 139, 161 lex Iulia iudiciorum privatorum 15 libellus conventionis siehe Klageschrift Liquidität 115 siehe auch Illiquidität Litispendenz siehe Deklinatorien Mitteilung 111 – verspätete 125, 126, 138, 142 Mittelbarkeit siehe Verfahrensgrundsätze mors litis siehe Prozeßverjährung motivierte Anträge 106 Mündlichkeit siehe Verfahrensgrundsätze Nachlässigkeit siehe Verschulden Nachverfahren 71, 74, 78 negative Feststellungsklage siehe Klage Neuerungsrecht 49, 50, 57, 58 – im Berufungsrechtszug 70, 71, 78 Nichtöffentlichkeit siehe Verfahrensgrundsätze Norddeutscher Bund 105

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Sachwortverzeichnis

Norddeutscher Entwurf siehe Civilprozeßordnung für die Staaten des Norddeutschen Bundes nova 49 noviter reperta 49 Öffentlichkeit siehe Verfahrensgrundsätze Österreich 41 Partei– -akten 109 – -betrieb siehe Prozeßbetrieb – -eid 75, 79 – -handlung siehe Prozeßhandlung – -vernehmung 75, 76 persönliches Erscheinen 34 petitum 43 – Gegenbitte 44 – Klagbitte 43 poena contumaciae 48 Präklusion siehe Ausschluß Prälokut 43 Präsentatum siehe Eingangsdatum Prävention siehe Deklinatorien Preußen 41, 61 privilegia de non appellando 41 Provokationsklage siehe Klage Prozeß– -betrieb – Amtsbetrieb 27, 28, 29, 159 – äußerer 28 – innerer 29 – Parteibetrieb 27, 159 – -einreden siehe Verfahrensmangel der Klage – -förderungspflicht – allgemeine 80, 91, 99 – besondere 132 – -handlung – Gerichtshandlung 27 – Parteihandlung 27

– -hindernde Einreden siehe Verfahrensmangel der Klage und Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen – -hindernisse 33 – -maximen siehe Verfahrensgrundsätze – -verjährung 15 – mors litis 15 – -verwirrung 42 – -voraussetzungen 33 Prozeßordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Königreich Bayern 106 Prozessordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für den Preussischen Staat 68, 90 Quadruplik siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel quod non est in actis, non est in mundo 42 quod non in ore, non in mundo 52 rechtliches Gehör siehe Verfahrensgrundsätze Rechts– -behauptung 29 – -frieden 23 – -mittel 63, 117 siehe auch Einspruch, Berufung und Revision Reichsgericht 73 Reichshofgericht 41 Reichsjustizgesetze 58 – Gerichtsverfassungsgesetz 58 – Konkursordnung 58 – Strafprozeßordnung 58 Reichskammergericht 15, 41, 50 Reihenfolge siehe Verfahrensgrundsätze rejektorisches Dekret siehe verfahrensleitende Verfügung Replik siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel 31 Responsion siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel

Sachwortverzeichnis Restdauerbetrachtung 80 siehe auch absoluter Verzögerungsbegriff restitutio in integrum siehe Wiedereinsetzung Restitutionsklage siehe Wiedereinsetzung Revision 115 Revisions– -begründung 117 – -rechtszug 59, 71 – -schrift 112, 117 Rezeßverfahren 42 Rheinlande 61 Rolle 108 Rollensystem 113 siehe auch Terminsystem – Hauptverzeichnis 107 – Wochentabelle 107 Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen 63, 132, 134, 139 siehe auch Verfahrensmangel der Klage – prozeßhindernde Einreden 63, 132 Sach- und Streitstand 45 Sachsen 41 Sachurteilsvoraussetzungen 33 Sachverhalt 29 Sachverständige 34, 75, 79, 137 Sammeltermin siehe Termin Schiedsvereinbarung 33 Schlußgesuch 53 – Gegenbitte 52 – Klagbitte 52 Schlüssigkeit 31 Schlußverfahren siehe Beweis Schöffenstuhl 51 schriftliche Parteianträge 101 – Gegenantrag 102 – Klagantrag 101 schriftliches Vorverfahren 130, 131, 146 Schriftlichkeit siehe Verfahrensgrundsätze

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Schriftsatz – befristeter 125, 138 – bestimmender 112, 115, 117 – einfacher 112 – letzter vorbereitender 162 – nachgelassener 127, 139, 166 – unbefristeter 126, 139 – vorbereitender 103, 111 Schriftwechselverfahren 42 Schuldhaftigkeit siehe Verschulden sententiae interlocutoriae vim definitivae habentes siehe Urteil sofortiger Termin siehe Termin Sorgfaltspflicht 92, 93 Sorgfaltswidrigkeit siehe Verschulden Souveränität siehe Ausschluß kraft Richterspruchs Spruchreife 93 Staffelung – auf den Beweis siehe Beweisstaffelung – auf die Antwort siehe Antwortstaffelung status causae et controversiae siehe Sachund Streitstand Stellungnahme 133, 134 Strafprozeßordnung siehe Reichsjustizgesetze Stufe siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Stuttgarter Modell 130 Substantiierungslehre 62 Summariklage siehe Klage Tagfahrt siehe Termin taktisches Zurückhalten 87, 91, 97 Tatsachenbehauptung 30, 33 Tatsachenverhandlung 154, 157 – erstes Verfahren 42, 52, 55, 101, 154 Teilurteil siehe Urteil Termin – Durchlauftermin 134 – früher erster 130, 133 – Haupttermin 130

270

Sachwortverzeichnis

– Sammeltermin 117 – sofortiger 117, 134, 163 – Tagfahrt 107 – Vortermin 103, 118, 145 Terminsystem 102 siehe auch Rollensystem Triplik siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Überbeschleunigung 25 unbestimmter Rechtsbegriff 72 Unterstellung 38, 44 Unterstellungsstrafe siehe Verfahrensstrafen Untersuchungsgrundsatz siehe Verfahrensgrundsätze Urkunden 34, 75 Urkunden- und Wechselprozeß 71 Urteil 29 – Anerkenntnisurteil 132, 163 – Beweisinterlokut 45, 53 siehe auch Beweisurteil – Beweisurteil 45, 53, 106, 155 – Definitiverkenntnis 45 – Dezisivdekret 45 – Endurteil 45, 53, 66, 156 – sententiae interlocutoriae vim definitivae habentes 45 – Teilurteil 122 – Versäumnisurteil 31, 131 – Versäumungsurteil 110 – Vorbehaltsurteil 122 – Zwischenurteil 45, 66, 122 – über den Grund 67 – über selbständige Angriffs- und Verteidigungsmittel 66, 85 – über Verfahrensmängel der Klage 63 – über Zeugnisverweigerungsrechte 65 Vereinfachungsnovelle siehe Zivilprozeßordnung Verfahren – in Ausnahmefällen 102

– regelmäßiges 101 – zweites Verfahren siehe Beweisverhandlung Verfahrens– -beteiligte 27 – -bevollmächtigte 88 – -förderungspflicht 92, 95 – -gang 41 – -gliederung 48, 55, 61, 66, 106, 154 – -grundsätze siehe dort – -leitende Verfügung 43 – Kommunikativdekret 43 – rejektorisches Dekret 43 – ad purificandum 43 – ad separandum 43 – -mangel 33, 34 – der Klage 33, 53, 56, 63, 107 – Deklinatorien siehe dort – Prozeßeinreden 53, 56 – prozeßhindernde Einreden 44 – Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen siehe dort – -rügen 33, 34 – -strafen siehe dort Verfahrensgrundsätze 26 – Beibringungsgrundsatz 30 – Eventualmaxime 48, 56, 64, 66, 139 – Heimlichkeit 51 – Konzentrationsmaxime 26, 124 – Konzentrationsprinzip 26 – Mittelbarkeit 51 – Mündlichkeit 51, 58, 61, 142, 154 – Nichtöffentlichkeit 51 – Öffentlichkeit 51, 59 – rechtliches Gehör 30, 154 – Reihenfolge 42, 47, 53, 61 – Schriftlichkeit 42, 50, 96 – Untersuchungsgrundsatz 30 – Verfügungsgrundsatz 23 Verfahrensstrafen 38, 92 – Ausschlußstrafe siehe dort – Kostenstrafe siehe dort – Unterstellungsstrafe 38

Sachwortverzeichnis Verfügungsgrundsatz siehe Verfahrensgrundsätze Vergleich 115 Vernehmlassung 43 Vernehmlassungsschrift 44 Versäumnis 38 siehe auch Versäumung Versäumnisurteil siehe Urteil Versäumung – teilweise 38 – völlige 38 Versäumungsurteil siehe Urteil Verschleppung 15 Verschulden 72, 81 – Absicht, den Prozeß zu verschleppen 72, 80, 87 – culpa lata 89 – culpa levis 89 – dolus 89 – Fahrlässigkeit 72 – grobe 88, 91 – leichte 87, 88 – grobe Nachlässigkeit 72, 80, 87 – grobe Schuldhaftigkeit 88 – Sorgfaltswidrigkeit 81 – Vorsatz 87, 91 – Vorwerfbarkeit 73 – Zurechenbarkeit 72 Verspätung 82, 83, 99, 150 Verteidigungs– -anzeige 131, 145, 160 – -frist 160 Verzögerung 15, 76, 82, 83, 99, 150 Verzögerungsbegriff – absoluter 80 siehe auch Restdauerbetrachtung – relativer 80 siehe auch Gesamtdauerbetrachtung Vollständigkeitspflicht 92 Vollstreckbarkeit 155 Vorbehaltsurteil siehe Urteil Vorbereitendes Verfahren 100, 145, 159

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Vorbereitendes Verfahren in Rechnungssachen, Auseinandersetzungen und ähnlichen Prozessen 64, 131 Vorbringen 30 – gestaffeltes 35, 40, 83, 86, 99, 149 – gleichzeitiges 35, 63 – Hilfsvorbringen 35 – in eventu 35 siehe auch Hilfsvorbringen – konzentriertes siehe gleichzeitiges – nachträgliches 71, 82 – sukzessives siehe gestaffeltes – übermäßiges 37 – überraschendes 36, 100, 127, 165, 168 – uno actu 48 siehe auch gleichzeitiges Vorbringen – verspätetes 49, 57, 74, 80, 91 – verzögerndes 71 Vorlegungsverfahren 76 Vorsatz siehe Verschulden Vortermin siehe Termin Vorwerfbarkeit siehe Verschulden Wahrheitspflicht 92, 152 Widerklage 44, 70, 104, 105, 110, 114 Wiederaufnahmeklage 115, 117 Wiedereinsetzung 158 – in den vorigen Stand 49, 160 – restitutio in integrum 49 – Restitutionsklage 57, 158 Willkür 69, 72, 89 Wochentabelle siehe Rollensystem Württemberg 41 Zeugen 34, 69, 75, 135 Zeugnisverweigerungsrecht 65 Zivilprozeß siehe bürgerlicher Rechtsstreit Zivilprozeßordnung 58, 111 siehe auch Reichsjustizgesetze – Amtsgerichtsnovelle 59 – BGB-Novelle 59

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Sachwortverzeichnis

– Einigungsvertrag 59 – Emminger-Novelle 59 – erste Reichsgerichtsnovelle 59 – Gerichtsstandsnovelle 60 – Vereinfachungsnovelle 60 – Zivilprozeßreformgesetz 60 Zugestehen siehe Angriffs- und Verteidigungsmittel Zurechenbarkeit siehe Verschulden

Zuständigkeits-Können 90 siehe auch Ermessens-Können Zustellung 28, 160 Zustellungsfrist 107, 127, 160 zweites Verfahren siehe Beweisverhandlung Zwischenstreit 65 Zwischenurteil siehe Urteil