Die Komponistenwitwe Constanze Mozart: Musik bewahren und Erinnerung gestalten 9783412212063, 9783412210823

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Die Komponistenwitwe Constanze Mozart: Musik bewahren und Erinnerung gestalten
 9783412212063, 9783412210823

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BIOGRAPHIK. Geschichte – Kritik – Praxis Herausgegeben von Joachim Grage, Melanie Unseld und Christian von Zimmermann Band 2

Gesa Finke

Die Komponistenwitwe Constanze Mozart Musik bewahren und Erinnerung gestalten

2013 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um die Druckfassung der Dissertation Constanze Mozart als Nachlassverwalterin, die im Juni 2012 an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg angenommen wurde.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Umschlagabbildung: Hans Hansen: Constanze Mozart. Internationale Stiftung Mozarteum, Salzburg

© 2013 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Weimar Wien Ursulaplatz 1, D–50668 Köln, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Gesamtherstellung: WBD Wissenschaftlicher Bücherdienst, Köln Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier ISBN 978-3-412-21082-3

Inhalt

Einleitung ............................................................................................................ 7 1. Musikkulturelle Erinnerung um 1800 ........................................................... 21

1.1. Das kulturelle Gedächtnis: Vom Aufbewahren und Ordnen .................. 1.1.1. Vom Aufbewahren: Das kulturelle Gedächtnis und die Verbürgerlichung von Kultur .......................................................... 1.1.2. Vom Ordnen: Die mediale Komponente des Gedächtnisses ........ 1.2. Der Weg zu einem musikkulturellen Gedächtnis .................................... 1.2.1. Ästhetische Autonomie und bürgerliche Emanzipation ............... 1.2.2. Autorschaft und Werkbegriff .......................................................... 1.2.3. Die Entwicklung eines musikalischen Urheberrechts ................... 1.2.4. Kanonisierung ................................................................................. 1.3. Die Komponistenwitwe als Nachlassverwalterin .................................... 1.3.1. Die Praxis der ehelichen Stellvertretung ....................................... 1.3.2. Stellvertretung und Witwenversorgung ......................................... 1.3.3. Das Gebot der Trauer .................................................................... 1.3.4. Die Möglichkeit, Erinnerung zu gestalten ..................................... 1.3.5. Der Einfluss der Witwe auf das kulturelle Gedächtnis .................

21 21 27 37 37 41 44 47 51 51 57 66 72 76

2. Bedingungen und Kontexte: Constanze Mozarts Selbstverständnis als Witwe ........................................ 87

2.1. Herausforderungen: Existenzsicherung und Versorgung ........................ 87 2.2. Musik aufführen: Erste Konzerttätigkeiten Constanze Mozarts ............ 97 2.3. Die Konzertreise 1795/96 ...................................................................... 108 2.4. Die Begegnung mit Fredrik Samuel Silverstolpe und Georg Nikolaus Nissen ........................................................................... 123 2.5. Constanze Mozarts Wiener Salon ......................................................... 136 2.6. Die Vielfalt des musikkulturellen Erinnerns in Wien ............................ 149 3. Musik drucken: Die Verlagsverhandlungen Constanze Mozarts ........................................ 161

3.1. Die Sichtung und Ordnung der Autographe ......................................... 3.2. Constanze Mozarts Interessen in den Verlagsverhandlungen .............. 3.3. Die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel .......................................... 3.4. Der Vertrag Constanze Mozarts mit Johann Anton André ..................

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Inhalt

3.5. Exkurs: Die Verhandlungen Joseph Haydns mit Breitkopf & Härtel ........................................................................... 203 3.6. Das Konzept einer Gesamtausgabe um 1800 ........................................ 210 4. Leben beschreiben: Die Entstehung einer Biographie ............................................................... 223

4.1. Der Weg zur Biographie ......................................................................... 4.2. Die Arbeit an der Biographie in Salzburg .............................................. 4.3. Die Rolle Johann Heinrich Feuersteins .................................................. 4.4. Subskription und Vertrieb ....................................................................... 4.5. Das montierte Mozartbild ...................................................................... 4.6. Das Konzept einer Komponistenbiographie 1828/29 ...........................

223 235 246 253 259 270

5. Ortswechsel der Erinnerung ...................................................................... 277

5.1. Bürgerliche »Monumenten-Manie«: Die Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg ............................ 277 5.2. Eine »immertönende Memnonsäule Mozart’s«: Die Gründung des Mozarteums ............................................................ 288 Nachwort ......................................................................................................... 299 Dank ................................................................................................................ 317 Anhang: Konzertaufführungen für oder von Constanze Mozart, 1791 bis 1799 ......... 321 Quellennachweis der Abbildungen ................................................................ 325 Quellen- und Literaturverzeichnis .................................................................. 326 Namensregister ............................................................................................... 349

Einleitung

Was Du einst auf diesem Blatte an deinen freund schriebst, eben dieses schreibe nun ich tiefgebeugt an dich Vielgeliebter Gatte! mir, und ganz Europa unvergeßlicher Mozart – auch dir ist nun wohl – auf ewig wohl!! ––– Um 1.U. nach Mitternacht vom 4tn zum 5:tn dezember dieß jahres Verließ er in seinem 36:ten jahre – O! nur allzufrühe! – diese gute –– aber undankbare Welt –– O Gott! – 8 jahren knüpfte uns daß zärtlichste, hinieden unzertrennliche Band! – O! könnte bald auf ewig mit dir verbunden seyn. deine äußerst betrübte Gattin Constance Mozart neè Weber Wien den 5tn decem: 17911

Diese Zeilen notierte Constanze Mozart im Stammbuch ihres Ehemannes Wolfgang Amadé Mozart. Sein Tod am 5. Dezember 1791 markierte einen Wendepunkt in ihrem Leben. Der emphatische Ausdruck von Trauer, Schmerz und Ohnmacht, der diesen Worten anhaftet, wich bald regen, vielseitigen erinnerungskulturellen Tätigkeiten. Wolfgang Amadé Mozart sollte in Europa unvergessen bleiben: Als Witwe Mozart gab sie dazu Konzerte in diversen europäischen Städten, bei denen sie selbst als Sängerin auftrat, um seine Musik bekannt zu machen. Sie verhandelte ab 1798 mit dem Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel, später mit dem Offenbacher Verleger Johann Anton André für eine Gesamtausgabe seiner Werke. Nochmals viele Jahre später, 1828, gab sie eine Biographie heraus, die sie mit ihrem zweiten Ehemann Georg Nikolaus Nissen verfasst hatte. Kurz vor ihrem eigenen Tod 1842 unterstützte sie die Gründung des Mozarteums in Salzburg, das sich das Andenken Wolfgang Amadé Mozarts zur Aufgabe machte. Ein Leben im Dienste der Erinnerung, die Witwe als Nachlassverwalterin: Das ist das Bild, das Constanze Mozart von sich selbst etablierte, und das sie auch der Nachwelt hinterlassen wollte. Die vielfältigen Tätigkeiten Constanze Mozarts um den Nachlass ihres Mannes darzustellen und auf ihre erinnerungskulturelle Relevanz hin zu befragen ist Ziel dieses Buches. Es handelt sich damit um ein biographisches 1 Constanze Mozart im Stammbuch ihres Mannes, Wien, 5.12.1791, in: Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, hg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum, ges. und erläutert von Wilhelm A. Bauer, Otto Erich Deutsch und Joseph Heinz Eibl, Bd. I–VI, Kassel 1956–1975 (im folgenden zitiert als B/D), Bd. IV, S. 175.

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Einleitung

Projekt, welches das Individuum in historischen Kontexten in den Blick nimmt. Das bedeutet, es geht »von einem offenen Begriff der untersuchten historischen Persönlichkeit« aus und ermöglicht die »Einsicht in die soziale Konstitution der jeweiligen Identität«2. Damit möchte ich dem biographietheoretischen Desiderat nachkommen, die Methoden biographischen Schreibens verstärkt zur Diskussion zu stellen3 und sie für kulturwissenschaftliche Perspektiven öffnen. Den Rahmen bilden dabei Aspekte der Erinnerungs- und Genderforschung, die in Vorstellungen von Witwenschaft zusammen geführt werden und ermöglichen, das Selbstbild Constanze Mozarts zum Thema zu machen. Constanze Mozart handelte als Nachlassverwalterin. Sie wollte damit auf ein musikkulturelles Gedächtnis Einfluss nehmen. Um dieses musikkulturelle Gedächtnis theoretisch zu fundieren und seine Eigenschaften zu charakterisieren, werden Ansätze der kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung verwendet. Diese ist zentral von den Arbeiten Aleida und Jan Assmanns geprägt worden.4 Das kulturelle Gedächtnis wird ihnen zufolge als »intentionale, äußerst organisierte und größtenteils institutionalisierte mnemonische Manifestation«5 definiert. Es handelt sich um ein kulturelles Wissen, das von Generation zu Generation weiter gegeben wird. Die Voraussetzung dafür ist, dass dieses Wissen nicht mehr an Personen gebunden ist, sondern externalisiert wird. Es basiert auf Ritualen, materieller Kultur und wiederholten Bildern. Das heißt, »das kulturelle Gedächtnis wird in der Kultur objektiviert«6. Externe Medien und Institutionen dienen dazu, dieses Wissen zu organisieren. Aleida Assmann unterscheidet ein Speicher- und Funktionsgedächtnis, die sich in den Instanzen Archiv und Kanon widerspiegeln.7 Damit ist vor allem 2 Hans Erich Bödeker: »Biographie. Annäherungen an den gegenwärtigen Forschungsund Diskussionsstand«, in: ders. (Hg.): Biographie schreiben, Göttingen 2003 (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft, 18), S. 9–63, hier S. 28. 3 Vgl. Anita Runge: »Wissenschaftliche Biographik«, in: Christian Klein (Hg.): Handbuch Biographie. Methoden, Traditionen, Theorien, Stuttgart 2009, S. 113–121. 4 Vgl. vor allem Aleida Assmann: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München ³2006; dies.: Der lange Schatten der Vergangenheit. Erinnerungskultur und Geschichtspolitik, München 2006; Jan Assmann: »Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität«, in: ders./Tonio Hölscher (Hg.): Kultur und Gedächtnis, Frankfurt a.M. 1988, S. 9–19; ders.: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 42002. 5 Daniel Levy: »Das kulturelle Gedächtnis«, in: Christian Gudehus/Ariane Eichenberg/ Harald Welzer (Hg.): Gedächtnis und Erinnerung: Ein interdisziplinäres Handbuch, Stuttgart 2010, S. 93–101, hier S. 93. 6 Ebd. 7 Vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 133ff, und dies.: »Speichern oder Erinnern? Das kulturelle Gedächtnis zwischen Archiv und Kanon«, in: Moritz Csáky/Peter Stachel

Einleitung

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Selektion verbunden, d. h. ein Kanon beschreibt einen Mechanismus der Auswahl der Inhalte aus einem Speichergedächtnis, die immer wieder aktualisiert werden und damit an folgende Generationen weitergegeben werden. Bisher sind Theorien zum kulturellen Gedächtnis nicht umfassend in der Musikwissenschaft reflektiert worden. Die Funktionen von Kanones in der Musik wurden jedoch bereits erörtert und dies kann als Teil einer musikwissenschaftlichen Gedächtnisdebatte verstanden werden. Auf die mit einem musikalischen Kanon verbundenen Mechanismen der In- und Exklusion wurde in einigen Arbeiten hingewiesen. Marcia Citron definiert einen musikalischen Kanon als Repertoire, d. h. ein Korpus an Werken, das über Aufführungen im Musikleben, aber auch in der akademischen Lehre etabliert werde.8 Die Konsequenz ist die Fokussierung auf wenige Komponisten und die wiederholte Aufführung ihrer Werke. Citron stellt dar, dass damit Vorstellungen von Kreativität und Professionalität einher gehen, die geschlechtlich codiert sind und zum Ausschluss der Musik von Frauen aus dem Kanon geführt haben. Die Bildung von Kanones im Sinne eines Repertoires wurde bereits historisch betrachtet und der Zeit um 1800 eine zentrale Bedeutung zuerkannt.9 Haydn, Mozart und Beethoven wurden als Trias kanonisiert, ihre Werke als klassisch definiert und ihnen damit eine überzeitliche ästhetische Qualität zugesprochen. Dieser Prozess wurde von einem bürgerlichen Kollektiv getragen, d. h. von Instanzen wie Verlagen10 und dem Musikschrifttum11, vor allem z. B. der Allgemeinen Musikalischen Zeitung in Leipzig12, und dem Konzertwesen13. Der Kanon im Sinne eines mehr oder weniger festen Repertoires setzt die Existenz der Konzepte ›Werk‹ und ›Autorschaft‹ voraus, auch die Existenz eines Speichergedächtnisses wird damit impliziert. Beides soll in diesem Buch konkreter historisch eingeordnet und in seinen medialen Bedingungen erörtert werden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Musikkultur grundsätzlich im Wandel begriffen. Die Etablierung einer Vorstellung vom

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(Hg.): Speicher des Gedächtnisses. Bibliotheken, Museen, Archive, Teil 2: Die Erfindung des Ursprungs. Die Systematisierung der Zeit, Wien 2001, S. 15–29. Vgl. Marcia Citron: Gender and the Musical Canon, Urbana u. a. ²2000, S. 22ff. Ebd., bes. S. 32–40; vgl. auch Andreas Dorschel: »Über Kanonisierung«, in: Musiktheorie 21/1 (2006), S. 6–12. Vgl. Peter Wollny: »Der neue Kanon: Zum Leipziger Verlagswesen im frühen 19. Jahrhundert«, in: Wilhelm Seidel (Hg.): Dem Stolz und der Zierde unserer Stadt: Felix Mendelssohn Bartholdy und Leipzig, Leipzig 2004, S. 59–65. Vgl. Frank Hentschel: Bürgerliche Ideologie und Musik. Politik der Musikgeschichtsschreibung in Deutschland 1776–1871, Frankfurt a.M./New York 2006. Marcus Erb-Szymanski: »Friedrich Rochlitz als Promotor Mozarts. Über die Anfänge musikalischer Kanonbildung und Hagiographie«, in: Musiktheorie 21/1 (2006), S. 13–26. Vgl. Peter Schleuning: Das 18. Jahrhundert: Der Bürger erhebt sich, Neuaufl. Stuttgart 2000.

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Komponisten als Autor seiner Musik und von Musik als Werk war ein komplexer kultureller Prozess. Voraussetzung war die Verbürgerlichung von Kultur, welche die Geschichte zum Deutungshorizont und die Musik zum Bildungsgut aufwertete. Die Konzepte ›Werk‹ und ›Autorschaft‹ führten dazu, dass Musik als Text existieren konnte und sollte. Erst damit waren die Weichen für ein musikkulturelles Gedächtnis gestellt. Hier greift der Begriff »Kanonisierung« in einer eng gefassten Bedeutung im Sinne Jan Assmanns, der damit den Übergang eines mündlichen zu einem schriftlich tradierten Gedächtnis bezeichnet.14 Dieser ist meines Erachtens in besonderer Weise auf die Musikkultur um 1800 anwendbar, und zwar nicht nur im Sinne von Kanonisierung einzelner Komponisten und Werke, sondern auf den musikkulturellen Prozess als Ganzen, mit dem dessen materielle Bedingungen in den Blick geraten. Jan Assmann bezeichnet mit Kanonisierung die Phase, in der sich die Formation eines schriftbasierten kulturellen Gedächtnisses vollzieht. In dieser Konstituierungsphase werden bestimmte Texte als Klassiker definiert. Es handelt sich um eine Phase, in der die Materialität kultureller Artefakte einen vorher nicht vorhandenen ideellen Wert erhält. Dieser Prozess betraf die Musikkultur um 1800: Es eröffnete sich überhaupt erst die Möglichkeit, Musik systematisch aufzubewahren. Der Nachlass von Komponisten galt als wichtige materielle Basis, sowie die Biographie und Gesamtausgabe als wichtige Erinnerungsformen und damit mediale Möglichkeiten, um die Zirkulation und wiederholte Aufführung von Werken zu garantieren. An dieser Konstituierung war Constanze Mozart beteiligt. Sie war sich der kulturellen Relevanz des musikalischen Nachlasses ihres Mannes bewusst und setzte sich in ihren Verhandlungen für die Konzepte Werk und Autorschaft ein, die sie als bedeutsam für ein musikkulturelles Gedächtnis erkannte. Sie beanspruchte gegenüber dem Verlag Breitkopf & Härtel, als Spezialistin aufzutreten, welche die Authentizität der Werke bezeugen konnte. Darüber hinaus argumentierte sie für eine Gesamtausgabe, die alle Werke des Komponisten umfassen sollte. Constanze Mozart legitimierte ihr Handeln als Nachlassverwalterin durch ihren Status als Witwe. Sie formulierte z. B. gegenüber Breitkopf & Härtel den Anspruch, die Interessen ihres verstorbenen Mannes zu vertreten. Die eheliche Stellvertretung wurde in patriarchalisch organisierten Gesellschaften bis ins 18. Jahrhundert praktiziert und garantierte auf diese Weise die Existenzsicherung der Familie. Dies war, wie Heide Wunder betont, an die Vorstellung

14 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 93ff.

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des Ehepaars als »Arbeitspaar« geknüpft.15 Ehefrauen übernahmen berufliche Aufgaben des Ehemannes in dessen Abwesenheit. Damit war Witwen auch gestattet, den Beruf des Ehemannes nach dessen Tod weiterzuführen, um sozio-ökonomische Herausforderungen bewältigen zu können.16 Die Stellvertretung von Frauen während Ehe und Witwenschaft findet sich vor allem in der frühen Neuzeit in allen Ständen und ist auch Ende des 18. Jahrhunderts im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft noch eine gängige Praxis. In der historischen Geschlechterforschung liegen umfangreiche Studien zum Thema Witwenschaft vor, die diesen Aspekt behandeln und die damit verbundenen Handlungsspielräume von Witwen analysieren. Witwen besaßen z. B. als Regentinnen teilweise große politische und kulturelle Macht.17 Auch die gesellschaftliche Funktion der Memoria, die Witwen leisteten, d. h. eine religiös motivierte Trauerarbeit, wird in Forschungen zur frühen Neuzeit thematisiert.18 Die Witwe bildet ein Geschlechterstereotyp, mit dem bestimmte Rollenvorgaben und Aufgabenfelder verbunden waren, die historisch gesehen vor allem in der Trauer und Totensorge bestanden.19 Diese waren teilweise als moralische Vorschriften formuliert. Weibliche Witwenschaft macht ein hierarchisch organisiertes Verhältnis der Geschlechter kenntlich: Sie war eine Lebensphase, in der die Frau ausnahmsweise keiner männlichen Autorität unterstellt war, weshalb es galt, den Gewinn an Handlungsmacht von Witwen durch Gebote zu kontrollieren. Der Wandel zur bürgerlichen Gesellschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts und die Folgen für Geschlechterverhältnisse und die Handlungsmöglichkeiten von Frauen wurden bereits in zahlreichen Studien der Geschlechterforschung,20 15 Heide Wunder: Er ist die Sonn’, sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992, S. 98. 16 Vgl. Gesa Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit. Eine kulturhistorische Studie, Frankfurt a.M. 2006, S. 47ff. 17 Vgl. neben der Studie von Gesa Ingendahl vor allem Martina Schattkowsky (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig 2003 (Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde, 6); Britta-Juliane Kruse: Witwen: Kulturgeschichte eines Standes in Spätmittelalter und Früher Neuzeit, Berlin 2007. 18 Vgl. z. B. Bernhard Jussen: Der Name der Witwe. Erkundungen zur Semantik der mittelalterlichen Bußkultur, Göttingen 2000; ders.: »Dolor und Memoria. Trauerriten, gemalte Trauer und soziale Ordnungen im späten Mittelalter«, in: Otto Gerhard Oexle (Hg.): Memoria als Kultur, Göttingen 1995 (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte, 121), S. 207–252. 19 Vgl. Gesa Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit, S. 14f. 20 Vgl. zentral Karin Hausen: »Die Polarisierung der Geschlechtscharaktere. Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben«, in: Werner Conze (Hg.): Sozialgeschichte der Familie in der Neuzeit Europas, Stuttgart 1976, S. 363–393; Ute Frevert:

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auch der musikwissenschaftlichen,21 analysiert. Die Konsequenzen für Witwen wurden hingegen kaum aufgezeigt. Eine Ausnahme bildet die Untersuchung über bildungsbürgerliche Witwen von Ursula Machtemes.22 Ausgehend von der These Ute Freverts, dass die bürgerliche Geschlechterasymmetrie vor allem über die Ehe hergestellt wurde und patriarchale Machtstrukturen damit gestärkt wurden,23 lassen sich weitere Folgen für Witwenschaft formulieren. Die bürgerliche Ehe basierte nicht mehr auf der Vorstellung des Arbeitspaars, sondern des Liebespaars. Die Trennung von Haus und Arbeitsstätte führte außerdem dazu, dass Frauen am Erwerbsleben nicht teilnehmen und auch im Falle von Witwenschaft ihren Ehemann nicht mehr beruflich vertreten konnten. Im Vergleich zu den Möglichkeiten in der frühen Neuzeit scheinen damit auf den ersten Blick die Handlungsspielräume für Witwen eingeschränkt. Das bürgerliche Ehemodell eröffnete jedoch gerade die Möglichkeiten einer neuen Form der Stellvertretung bei Witwenschaft, und zwar im Typus der Künstler- bzw. Komponistenwitwe: Indem der Komponistennachlass eine zentrale Bedeutung für das musikkulturelle Gedächtnis erhielt, eröffnete sich für die Witwe des Komponisten ein wichtiges Handlungsfeld. Dies schloss ökonomische Perspektiven durch das sich gleichzeitig entwickelnde Urheberrecht mit ein, welche die Witwe für sich geltend machen konnte. Constanze Mozart handelte als Nachlassverwalterin im Sinne dieser Stellvertretung und knüpfte damit an eine Praxis an, die im Falle von Witwenschaft seit Jahrhunderten Bestand hatte und gesellschaftlich akzeptiert war. Sie speiste ihr Selbstverständnis zusätzlich aus den normativen Vorgaben von Witwen, nämlich dem Gebot der Trauer. Es bestand in der Aufgabe, des Verstorbenen aus der Sorge um sein Seelenheil zu gedenken. Diesem ist das Moment des Erinnerns bereits immanent, wie Aleida Assmann in ihren Un»Mann und Weib, und Weib und Mann«: Geschlechterdifferenzen in der Moderne, München 1995; Claudia Opitz: Aufklärung der Geschlechter, Revolution der Geschlechterordnung. Studien zur Politik- und Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts, Münster u. a. 2002. 21 Vgl. Freia Hoffmann: Instrument und Körper: Die musizierende Frau in der bürgerlichen Kultur, Frankfurt a.M. 1991; Freia Hoffmann/Rebecca Grotjahn (Hg.): Geschlechterpolaritäten in der Musikgeschichte des 18. bis 20. Jarhhunderts, Herbolzheim 2002; Thomas Schipperges: »Das 18. Jahrhundert«, in: Annette Kreutziger-Herr/Melanie Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, Kassel 2010, S. 77–88, Melanie Unseld: »Das 19. Jahrhundert«, in: ebd., S. 87–97; Andreas Waczkat: Art. »Bürgertum«, in: ebd., S. 161–162; vgl. weitere Artikel und ausführliche Bibliographie ebd. 22 Ursula Machtemes: Leben zwischen Trauer und Pathos: Bildungsbürgerliche Witwen im 19. Jahrhundert, Osnabrück 2001. 23 Ute Frevert: »Bürgerliche Meisterdenker und das Geschlechterverhältnis. Konzepte, Erfahrungen, Visionen an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert«, in: dies. (Hg.): Bürgerinnen und Bürger. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert, Göttingen 1988 (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, 77), S. 17–48, hier S. 22.

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tersuchungen zum Totengedächtnis gezeigt hat.24 Dieses Erinnern geschieht jedoch im Familienkreis und weitgehend ohne den Aspekt der Materialsicherung bzw. Nachlasspflege. Dafür änderten sich um 1800 mit der Entstehung eines musikkulturellen Gedächtnisses jedoch die Voraussetzungen: Das Gebot der Trauer, welches der Witwe oblag, nutzte Constanze Mozart als Anspruch, um als Nachlassverwalterin die Erinnerung ihres Ehemannes zu gestalten. Constanze Mozart wurde nach dem Tod Wolfgang Amadé Mozarts 1791 aus existenziellen Sorgen heraus tätig. In Wien waren Konzerte als Benefizveranstaltungen für Witwen und Waisen etabliert, wovon Constanze Mozart profitieren konnte. Wie Ankündigungen zeigen, kamen ihr diese Akademien finanziell zugute und waren gleichzeitig als Gedenkveranstaltungen für ihren Mann organisiert. 1795/96 veranstaltete Constanze Mozart mit ihrer Schwester Aloisia Lange eine Konzertreise durch mehrere Städte Europas, wo beide als Sängerinnen auftraten. Constanze Mozart knüpfte damit ebenfalls Kontakte zu Zentren, in denen die Musik Wolfgang Amadé Mozarts bereits besonders geschätzt und aufgeführt wurde. Sie wählte die Oper La Clemenza di Tito, die sie als unbekannt ankündigte. Einige Details zu den Reisestationen konnten z. B. über die Dokumente im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig ergänzt werden. Bei Constanze Mozarts ersten Aktivitäten als Witwe handelte es sich um eine Variante des Erinnerns, bei der die Aufführung der Musik im Vordergrund stand und noch nicht die systematische, materialsichernde Nachlasspflege. Diese konnte beginnen, als Constanze Mozart in Wien zwei wichtige Bekanntschaften gemacht hatte: Sie begegnete dem dänischen Legationssekretär Georg Nikolaus Nissen und dem schwedischen Diplomaten Fredrik Samuel Silverstolpe. Zu beiden liegt umfassendes Material in Form von Briefen, Billets und Memoiren in Archiven in Kopenhagen und Stockholm vor, welches hier erstmalig detailliert ausgewertet wird. Es ergeben sich damit wichtige Einsichten in das Wiener Musikleben um 1800 und die Organisation von Constanze Mozarts Salon. Außerdem lässt sich ein reger Austausch zwischen Constanze Mozart, Georg Nikolaus Nissen und Fredrik Samuel Silverstolpe zeigen, der getragen war von einem musikalischen wie musikhistorischen Interesse und dem Bewusstsein über die Bedeutung des Mozartschen Nachlasses. Beide halfen Constanze Mozart, diesen zu sichten und zu ordnen. Der Erfolg in ihren Verhandlungen mit den Verlagen war maßgeblich davon geprägt, dass sie diese Gruppe engagierter Helfer um sich sammelte. 1798 begann Constanze Mozart ihre Verhandlungen um die Kompositionen ihres Mannes, als der Leipziger Verlag Breitkopf & Härtel sie um Koope24 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 33ff.

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ration bat mit dem Ziel, eine Gesamtausgabe der Werke zu veröffentlichen. Eine Dokumentation des Verlaufs der Verlagsverhandlungen bietet der Briefwechsel zwischen Constanze Mozart und Breitkopf & Härtel bzw. André. Die Briefe Constanze Mozarts wurden von den Verlagen archiviert, bei Breitkopf & Härtel auch in Briefkopierbücher abgeschrieben und sind daher bis heute erhalten. Die Briefe der Verlage liegen größtenteils nicht mehr vor. Constanze Mozart hat ihre eigene Korrespondenz entweder nicht aufbewahrt oder die Briefe sind verloren gegangen. Die Briefkopierbücher bei Breitkopf & Härtel enthielten zwar auch die ausgehende Korrespondenz. Die Bestände im Leipziger Staatsarchiv setzen jedoch erst 1818 ein, was auf Verluste im Zweiten Weltkrieg zurückzuführen ist.25 Briefe dokumentieren ein dialogisches Verhältnis, daher ist ein einseitig erhaltener Briefwechsel problematisch. Die Position des Verlags kann nur indirekt über Constanze Mozarts Reaktionen dokumentiert werden. Darüber hinaus sind für fundiertere Aussagen über die Interessen der Verlage Kontexte notwendig: Der Stand des Urheberrechts um 1800 wird beleuchtet sowie die Bedeutung der Gesamtausgabe für die Verlage. Viele Jahre nach den Verlagsverhandlungen begann Constanze Mozart mit Georg Nikolaus Nissen, eine Biographie zu verfassen, die sie schließlich 1828 herausgab. Hier gilt es, die Entstehung der Biographie zu rekonstruieren, was aus dem Material der Biographie, den sogenannten »Nissen-Kollektaneen« und dem in der Internationalen Stiftung Mozarteum vorhandenen Erstmanuskript der Biographie in Ansätzen gelingen kann. Für die Biographie wurden Textteile aus anderen Biographien, Zeitungsausschnitte etc. verwendet. Eine kritische Ausgabe der Biographie, welche die Herkunft dieser Quellen dokumentiert, ist weiterhin ein Desiderat. Die kürzlich erschienene, von Rudolph Angermüller kommentierte Neuausgabe der Biographie kennzeichnet diese wichtigen Quellen leider nicht.26 Anja Morgenstern, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Internationalen Stiftung Mozarteum, hingegen hat die Quellen zur Biographie ausgewertet und wird darüber in Kürze eine Publikation vorlegen.27 Der Hauptakzent dieses Buches liegt auf der Untersuchung der Aktivitäten Constanze Mozarts um das musikkulturelle Gedächtnis und damit die materiellen wie medialen Aspekte von Erinnerung, welche die Verhandlungen über eine Gesamtausgabe und die Entstehung der Biographie als Kerngebiete 25 Vgl. hierzu auch Axel Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 482f. 26 Georg Nikolaus Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Leipzig 1828, hg. und kommentiert von Rudolph Angermüller, Hildesheim 2010. 27 Anja Morgenstern: »Neues zur Entstehungsgeschichte und Autorschaft der Biographie W.A. Mozarts von Georg Nikolaus Nissen (1828/29)«, in: MJb (2012), Druck i. Vorb.

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erscheinen lässt. In den Hintergrund tritt die Zeit der Ehe Constanze und Wolfgang Amadé Mozarts bis 1791 und ihre Lebensphase als Witwe in Kopenhagen von 1810 bis 1820. Letztere wäre unter Aspekten des Kulturtransfers zu beleuchten, inwiefern die Musik Wolfgang Amadé Mozarts in Skandinavien aufgeführt und rezipiert wurde und welche Rolle Constanze Mozart in diesem Prozess spielte. Die schwedische Wissenschaftlerin Viveca Servatius widmet sich derzeit einer umfassenden Arbeit über Constanze Mozart, die einen Schwerpunkt auf die Zeit in Dänemark legt;28 sie wird meine Untersuchung auf wertvolle Weise ergänzen. Erinnern und Vergessen, Bewahren und Verlieren sind zwei Seiten einer Medaille, die hier immer wieder thematisiert werden. Spärlich ist meist das Material von Frauen, vor allem die Zeugnisse, die Auskunft über Selbstverständnis und Motivation geben sind seltener aufbewahrt worden. Bei Con­ stanze Mozart ist der Bestand vergleichsweise günstig. Eine Vielfalt an Quellen, vor allem ihrer Korrespondenz, ist durch die Mozartforschung und ihr spezielles Interesse an der Rezeption Wolfgang Amadé Mozarts erhalten und wird hier verwendet, um Constanze Mozarts Perspektive deutlich zu machen. Allerdings ist die Quellenlage unübersichtlich. Eine Quellensammlung zu Constanze Mozart gab Arthur Schurig bereits 1922 heraus.29 Darin sind 109 Briefe und Dokumente nach 1791 abgedruckt. Eine weitere zentrale Anlaufstelle bildet der vierte Band der Gesamtausgabe der Briefe Wolfgang Amadé Mozarts,30 in der Dokumente bis zum Tod des Sohnes Carl Mozarts (1858) abgedruckt sind. Darunter sind Briefe Constanze Mozarts nach 1791, die sich teilweise mit denen in der Ausgabe Schurigs überschneiden. Den größten Anteil ihrer Korrespondenz machen Briefe an die Verlage Breitkopf & Härtel sowie André aus. Einige der Briefe sind lückenhaft, da nur als Auszug oder Inhaltsangabe abgedruckt; diese betreffen vor allem die Korrespondenz mit den Söhnen. Einzelne Briefe sind im Anschluss an die Briefausgabe in Fachzeitschriften der Mozartforschung erschienen.31 Einen weiteren wichtigen Fundus macht derzeit die Internationale Stiftung Mozarteum digital zugäng­28 Viveca Servatius: Constance Mozart - en biografi, Stockholm 2012; dt. Übersetzung i. Vorb. Vgl. auch dies.: »›Il avoit dans son caractère un grand fond de noblesse et d’équité.‹ Neue Erkenntnisse zu Georg Nicolaus Nissen«, in: MJb (2011), S. 249–275. 29 Konstanze Mozart: Briefe, Aufzeichnungen, Dokumente, hg. von Arthur Schurig, Dresden 1922. 30 B/D IV. 31 Vor allem in den Mitteilungen der Internationalen Stiftung Mozarteum (1952–2002), auch im Mozart-Jahrbuch, hg. vom Institut für Mozartforschung der Internationalen Stiftung Mozarteum (1955ff ); und Acta Mozartiana. Mitteilungen der Deutschen Mozart-Gesellschaft (1954ff ).

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lich, nämlich die Briefe der Familie Mozart in ihrem Bestand.32 Diese Ausgabe kann sich damit als Teilaktualisierung der Briefgesamtausgabe von 1956 bis 1975 verstehen. Langfristig wäre dennoch eine schriftliche Dokumentation der Quellen an den verschiedenen Standorten zwischen 1791 und ca. 1850 wünschenswert.33 Über Constanze Mozart existiert bisher keine umfassende wissenschaftliche Arbeit. 1975 erschien eine Untersuchung zu Constanze Mozart von Viggo Sjøqvist auf Dänisch.34 Er legte den Schwerpunkt auf die Zeit nach 1791, die zweite Heirat mit Georg Nikolaus Nissen und den Lebensabschnitt in Kopenhagen. Dafür wurden Quellen in den dänischen Archiven ausgewertet, in der englischen Übersetzung von 199135 sind jedoch diese Quellen im Text leider nicht belegt. Agnes Selby widmete die Hälfte ihres Buches Constanze, Mozart’s Beloved der Witwenschaft Constanze Mozarts, rekonstruierte die Ereignisse während dieser Zeitspanne, allerdings ohne die Bedeutung ihrer Tätigkeiten zu thematisieren und auch ohne vertiefte Auswertung der Quellen.36 Ruth Halliwell hat sich in ihrer Arbeit The Mozart Family bereits in Ansätzen mit Aspekten der Nachlasspflege Maria Anna und Constanze Mozarts unter dem Motto »The Women and the Publishers« befasst.37 Gernot Gruber berührte das Thema ebenfalls in Mozart und die Nachwelt, worin er sich mit der Frage der Rezeption auseinander setzt; Constanze Mozarts Aktivitäten werden darin allerdings nicht zentral thematisiert.38 Gründe für die bisher nicht erfolgte wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit ihrer Person stehen meines Erachtens mit ihrem Selbstverständnis als Witwe in direktem Zusammenhang: Damit beanspruchte sie ihre eigene Sichtweise, Deutungen und Methoden, die als unwissenschaftlich disqualifiziert wurden und zu historiographischer Marginalisierung geführt haben, die den Ausgangspunkt meines Interesses an diesem Thema bildeten. Ich verstehe Musik als kulturelles Phänomen. Meine Untersuchung richtet mit 32 URL: http://dme.mozarteum.at/DME/main/cms.php?tid=110&sec=briefe&l=, letzter Zugriff: 3.3.2012. 33 Dies betont auch Ulrich Konrad, vgl. Mozart. Briefe und Aufzeichnungen. Gesamtausgabe, hg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum, ges. und erläutert von Wilhelm A. Bauer, Otto Erich Deutsch und Joseph Heinz Eibl, Bd. VIII hg. von Ulrich Konrad, Kassel/München 2005, S. 46. 34 Viggo Sjøqvist: To gange fuldkommen lykkelig: Constanze Mozarts ægteskaber, Kopenhagen 1975. 35 Viggo Sjøqvist: »Twice perfectly happy«. Constanze Mozart’s two marriages, Sydney 1991. 36 Agnes Selby: Constanze, Mozart’s Beloved, Sydney 1999. 37 Ruth Halliwell: The Mozart Family, Oxford 1998, S. 581ff. 38 Gernot Gruber: Mozart und die Nachwelt, München 1987.

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Constanze Mozart den Blick auf musikkulturelles Handeln39 und ergänzt dieses gleichzeitig um die Facette des erinnerungskulturellen Handelns. Sie ist geleitet von der Prämisse, dass Personen, die den Prozess der Erinnerung ermöglichen und gestalten, unverzichtbar sind, um Namen und Material vor dem Vergessen zu bewahren.

39 Vgl. Annette Kreutziger-Herr: Art. »Kulturelles Handeln/Musikkulturelles Handeln«, in: dies./Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, S. 320–321; Susanne Rode-Breymann: »Einleitung«, in: dies. (Hg.): Orte der Musik. Kulturelles Handeln von Frauen in der Stadt, Köln 2007 (Musik – Kultur – Gender, 3), S. 1–8.

1. Musikkulturelle Erinnerung um 1800 Wahrscheinlich ist immer nur das Vergessen, unwahrscheinlich, im Sinne von: aufwendig, anstrengend, voraussetzungsreich ist dagegen das Erinnern.1

1.1. Das kulturelle Gedächtnis: Vom Aufbewahren und Ordnen 1.1.1. Vom Aufbewahren: Das kulturelle Gedächtnis und die Verbürgerlichung von Kultur Am 3. März 2009 heulten in Köln die Sirenen. Bauarbeiten an der U-Bahn hatten dazu geführt, dass das Historische Archiv einstürzte. Dies schockierte nicht nur die wissenschaftliche Welt, sondern auch die breite Öffentlichkeit. »Der Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln ist eine kulturelle Katastrophe von unvergleichlichem Ausmaß«, hieß es als Reaktion in der Süddeutschen Zeitung.2 Der Verlust betraf nicht nur wertvolle mittelalterliche Rechtsdokumente und Urkunden, sondern vor allem auch persönliche Nachlässe etwa von Politikern und Schriftstellerinnen, insgesamt rund 800 »Lebensarchive«3, die in Wasser und Schlamm versunken waren. Es folgten Vergleiche mit dem Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar 2004 und Mahnungen über den leichtfertigen Umgang mit wertvollem Kulturgut.4 Damit rückte der Wert und die Bedeutung von Dokumenten und Archiven als Grundlage der kulturellen Überlieferung einmal mehr ins öffentliche Bewusstsein: »Archive sind das Gedächtnis der Gesellschaft«, zitierte die Süddeutsche Zeitung den Mediävisten und Gedächtnisforscher Johannes Fried.5 Aleida Assmann bezeichnet Archive, wie auch Bibliotheken und Museen, als Institutionen eines »Speichergedächtnisses«6. Dieses wiederum gilt als eine 1 Aleida Assmann: »Vier Formen des Gedächtnisses«, in: Erwägen Wissen Ethik 13/2 (2002), S. 183–190, hier S. 189. 2 Stefan Koldehoff: »Ein riesiger kultureller Verlust«, in: Süddeutsche Zeitung vom 4.3.2009. 3 Alex Rühle: »Der wertvollste Dreckhaufen der Welt«, in: Süddeutsche Zeitung vom 27.3.2009. 4 Michael Knoche: »Zehnmal schlimmer als in Weimar«, in: Süddeutsche Zeitung vom 19.3.2009. 5 Johan Schloemann: »Was wir über das Mittelalter wissen. Archive sind das Gedächtnis der Gesellschaft: Der Mediävist Johannes Fried über den Verlust der historischen Quellen Kölns«, in: Süddeutsche Zeitung vom 5.3.2009. 6 Vgl. Aleida Assmann: »Kanon und Archiv – Genderprobleme in der Dynamik des kulturellen Gedächtnisses«, in: Marlen Bidwell-Steiner/Karin S. Wozonig (Hg.): A Canon of Our Own? Kanonkritik und Kanonbildung in den Gender Studies, Innsbruck 2006, S. 20–34.

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Variante des kulturellen Gedächtnisses, welches Jan Assmann definiert als »Sammelbegriff für alles Wissen, das im spezifischen Interaktionsrahmen einer Gesellschaft Handeln und Erleben steuert und von Generation zu Generation zur wiederholten Einübung und Einweisung ansteht«7. Die Aufgabe von Archiven besteht in der Sammlung, Bewahrung und Bereitstellung von Relikten der Vergangenheit. Sie bilden eine zentrale Anlaufstelle für den Zugriff auf die Vergangenheit durch die Öffentlichkeit, vor allem für die wissenschaftliche Forschung, und liefern damit die Basis für die historische Sinnproduktion durch die Nachwelt. Quellenverluste verschließen die Türen zur Vergangenheit und bedrohen kulturelle Identität, wie die Reaktionen auf den Einsturz des Kölner Archivs eindringlich darstellten. Das systematische Speichern und Konservieren von Wissen im Archiv hat es nicht zu allen Zeiten gegeben. Die Entstehung dieser Institutionen als öffentliche Wissensspeicher inklusive ihrer Nutzung für Wissenschaft und Forschung ist gebunden an die Verbürgerlichung von Kultur, die unter den Vorzeichen der Aufklärung gegen Ende des 18. Jahrhundert einen tiefgreifenden Wandel der Wissenskulturen herbeiführte. Aleida Assmann charakterisiert diesen Wandel durch vier Punkte, die im Anschluss knapp ausgeführt werden sollen: 1. durch die Ausdifferenzierung von Wissen, Wissensvermehrung und Entwicklungsbeschleunigung, 2. durch die Historisierung, die zwischen Gegenwart und Vergangenheit trennt, 3. durch die Etablierung von Schrift als dem Leitmedium der Kultur, 4. durch den Strukturwandel der Öffentlichkeit.8 Mit dem Übergang in die bürgerliche Epoche änderten sich die kulturellen Deutungshorizonte. Aufklärung implizierte vor allem einen Traditionsbruch, der von den Revolutionsbewegungen ausging. Die Ausdifferenzierung von Wissen erfolgte, indem die Aufklärer das christliche Weltbild und damit die traditionellen Wissensbestände herausforderten. Der Mensch wurde aus kosmischen Zusammenhängen herausgelöst und als Bestandteil der Naturgeschichte verstanden.9 Die Prozesse der Säkularisierung und Rationalisierung führten zur wissenschaftlichen Revolution, die bereits vor dem 18. Jahrhundert eingesetzt hatte, aber nun ihre volle Wirkung entfaltete. Naturgeschichte und Anthropologie etablierten sich als neue universitäre Disziplinen, deren Ordnungssysteme durch Verfahren der Empirie und Klassifikation gestützt 7 Jan Assmann: »Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität«, S. 9. 8 Aleida Assmann: »Speichern oder Erinnern?«, S. 15–29. 9 Vgl. Annette Meyer: Die Epoche der Aufklärung, Berlin 2010, S. 44ff.

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wurden. Gleichzeitig brachte dies eine Entfesselung des Wissens mit sich. Die systematische Organisation des Wissens war nicht neu, allerdings gab es nun statt eines eng geführten Bildungskanons eine Vielzahl an Fächern.10 Dass sich damit die Erkenntnisinstrumente wandelten, hatte auch Konsequenzen für die Rolle der Künste.11 Die Kritik am christlichen Weltbild durch die Aufklärung hatte weitere Folgen: Der Mensch galt nicht mehr in eine statische Gesellschaftsordnung eingebunden. Die Vorstellung von Zukunft wurde nicht länger mit Heilserwartung gleichgesetzt, »sondern in ein neues theoretisches Modell der Vergangenheits-, Gegenwarts- und Zukunftsanalyse überführt«.12 Die Aufklärung war der Beginn einer neuen Zeiterfahrung: Der Mensch galt als veränderbar und damit geschichtlich. Die Konsequenz war eine umfassende Historisierung der menschlichen Bedingungen. Der Übergang in eine bürgerliche Gesellschaft war begleitet vom Historismus als geistiger Revolution der Epoche. Wie Thomas Nipperdey zusammenfasst, bezeichnet der Historismus eine wachsende Hinwendung zur Vergangenheit, zur Geschichte, ja die Interpretation der Welt als Geschichte, als Ergebnis vergangener, als Stadium geschehener Geschichte: die Welt ist kein System, sie ist Geschichte. Der Mensch, seine Werke und Institutionen, Lebensformen und Werte, ja seine Wahrheiten sind an die Zeit, die geschichtliche Zeit gebunden, sie stehen in einem ständigen zeitlichen Prozeß des Werdens und der Veränderung, sie sind geworden und sie sind werdend, sie sind entstanden, sie entwickeln sich, sie verändern sich und sie können verändert werden.13

Menschsein bedeutete Geschichtlichkeit, Veränderbarkeit, ›Perfectibilité‹, Entwicklung, Fortschritt. Damit war nicht nur ein verstärktes Interesse an der Vergangenheit verbunden, sondern für die Erkenntnis der Gegenwart war die Geschichte geradezu notwendig. Sie hatte fortan Sinnstiftungs- und Legitimationsfunktion. Mit dem Übergang in eine bürgerliche Epoche wurde die individuelle und kollektive Erinnerung ein zentraler Baustein der Identitätsbildung. Das 19. Jahrhundert, so Jürgen Osterhammel, wurde damit ein Jahrhundert der »gehegten Erinnerung«14. Diese Bezeichnung steht für die umfassende Bedeutung, die die Hinwendung zur Geschichte und das Erinnern im 19. Jahr10 Vgl. Peter Burke: Papier und Marktgeschrei. Die Geburt der Wissensgesellschaft, Berlin 2001. 11 Vgl. Kapitel 1.2. 12 Meyer: Die Epoche der Aufklärung, S. 15. 13 Thomas Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und starker Staat, München 1994, S. 498. 14 Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 2009, S. 44.

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hundert besaß, aber auch für die Vielfalt an Erinnerungsformen und -kulturen mit lebensweltlichem Bezug. Im Leben der Menschen des 19. Jahrhunderts war Geschichte im Alltag auf vielfältige Weise präsent: In politisierten Mythen, Museen, Geschichtsvereinen, Denkmalsenthüllungen und Gedenktagen. All diese Formen erfüllten vor allem auch ein affektives Erinnerungsbedürfnis. Um 1800 wurden vielfach bürgerliche Initiativen mit dem Titel »Museum« gegründet, das dieser Art eines historischen Interesses Rechnung tragen sollte. Auch das Mozarteum, als installierte Erinnerungskultur um Mozart, ist 1841 aus solch einer Museumsinitiative hervorgegangen. Wissen über die Vergangenheit wurde nun systematisch gesammelt, und zwar nicht mehr nur von einzelnen Personen, sondern von Institutionen. Das Erinnern wurde nicht nur zunehmend professionell organisiert, sondern auch akademisch, als historische Wissenschaften, institutionalisiert. Als Instrument der Wissenschaft entstand damit auch das historische Archiv. Vor allem die idealistische Philosophie hat den Historismus erkenntnistheoretisch reflektiert und zur Etablierung der historischen Wissenschaften beigetraten. Georg Wilhelm Friedrich Hegels Kategorie des Geistes war geschichtlich gedacht. Geist und Geschichte wurden bei Hegel als objektive Kategorien gefasst, die allen Menschen und Systemen immanent sind. Die philosophische Denkrichtung des Idealismus erklärte die Geschichte als Motor von Entwicklung sowie zum »Schüssel zur Erkenntnis«15. Die Geschichte erhob sich damit zum Erklärungsmodus ersten Ranges. Nicht nur sicherte sich die Geschichtswissenschaft im Laufe des 19. Jahrhunderts ihre Vormachtstellung unter den Wissenschaften, vor allem wurden auch die Geisteswissenschaften vorrangig als historische etabliert. Im Archiv werden (im Gegensatz zum Museum als Aufbewahrungsort für Dinge) schriftliche Dokumente gespeichert. Der Aspekt der Schriftlichkeit spielt, so Aleida und Jan Assmann, eine zentrale Rolle für das kulturelle Gedächtnis, das immer durch bestimmte kulturelle Techniken vermittelt wird. Denn erst durch das Medium der Schrift kann die Erinnerung ausgelagert werden: »Die Bedingung der Möglichkeit eines Archivs sind Aufzeichnungssysteme, die als externe Speichermedien fungieren, allen voran die Schrift, die das Gedächtnis aus dem Menschen auslagert und es unabhängig von lebendigen Trägern befestigt hat.«16 Dadurch kann dieses Wissen überzeitlich kommuniziert werden. Jan Assmann spricht auch von der »Zerdehnung der Kommunikationssituation«17, die durch das kulturelle Gedächtnis ermöglicht wird. Damit, so Aleida Assmann, »dient das kulturelle Gedächtnis den Bür15 Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 506. 16 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 343. 17 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 22.

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gern einer Gesellschaft dazu, in langfristiger historischer Perspektive überlebenszeitlich zu kommunizieren.«18 Durch die Schriftlichkeit ist damit die materielle Basis für die Erschließung und Deutung von Vergangenheit gegeben. Die Aufklärung erhöhte die kulturelle Bedeutung der Schrift. Buch und Brief waren die neuen Medien, die die mündliche Interaktion, welche die höfische Gesellschaft kennzeichnete, ersetzten. Albrecht Koschorke beschreibt diesen Prozess als Übergang von einer rhetorischen zu einer textuellen Kommunikationsordnung, bzw. der »Ablösung der rhetorischen Wissensadministration durch eine sich totalisierende Schriftkultur.«19 Der Wissenschaftsdiskurs wurde nun vom Umgang mit der Schrift bestimmt, vom Auslegen von Schriften aller Art; er wandelte sich von einer rhetorischen zu einer hermeneutischen Praxis.20 Darüber hinaus zeichnete sich auch jenseits der Wissenschaft die Teilhabe an Kultur durch den Zugang zu textuellem Wissen aus: »Schrift wird weniger als transzendenznaher Speicher denn als Zirkulationsmittel in Anspruch genommen, das den Austausch von Archivwissen mit empirischer Praxis oder die Induktion von literarischer Lektüre mit ›Erleben‹ gewährleisten soll.«21 Die Aufklärung war eine umfassende Alphabetisierungskampagne, die breiten Menschen Zugang zu Bildung und damit Teilhabe an einer Schriftkultur verschaffen sollte. Die große Bedeutung der Schrift für die bürgerliche Kommunikationskultur spiegelte sich auch in der Entstehung einer neuen Öffentlichkeit wider. Emanzipation von Autoritäten, allen voran Kirche und Dynastie, und die politische Umsetzung von Gleichheits- und Freiheitsidealen in einer bürgerlichen Gesellschaft waren die Ziele der Aufklärungsbewegungen. Ihre ideale Umsetzung sollte die bürgerliche Gesellschaft in einer Demokratie erfahren. Damit formierte sich eine politische Öffentlichkeit: Innerhalb der bürgerlichen Gesellschaften, die sich seit der Aufklärung und den politischen Revolutionen des 18. Jahrhunderts herausbildeten, differenzierte sich die politische Öffentlichkeit zu einem Geflecht institutioneller und kommunikativer Regularien des öffentlichen Lebens aus, wie sie auf der einen Seite in Form von Parlamenten, Parteien und staatlichen Institutionen des öffentlichen Rechts, auf der anderen Seite aber auch in der diskursiven Infrastruktur der bürgerlichen Öffentlichkeit zum Tragen kamen.22

18 Aleida Assmann: »Vier Formen des Gedächtnisses«, S. 189. 19 Albrecht Koschorke: Körperströme und Schriftverkehr. Mediologie des 18. Jahrhunderts, München 1999, S. 397. 20 Ebd., S. 395. 21 Ebd. 22 Wolfgang Schmale: Art. »Öffentlichkeit«, in: Friedrich Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 9, Stuttgart/Weimar 2009, S. 358–362, hier S. 359.

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Jürgen Habermas beschreibt diesen Prozess als »Strukturwandel der Öffentlichkeit«, dass sich nämlich mit dem Rechtsstaat eine Öffentlichkeit durch verschiedene Institutionen und Kommunikationsstrukturen herausbildete.23 Neben den staatlichen Einrichtungen wie Parlamenten und Gerichten entstanden mit Salons, Klubs, Vereinen und Lesegesellschaften weitere öffentliche Räume; diese sollten statusegalisierend sein und einen öffentlichen Meinungsaustausch fördern. Dieser war außerdem an eine Kunst- und Kulturkritik in journalistischer Form gekoppelt, d. h. die Entstehung der Publizistik und auch des Buchmarkts.24 Öffentlichkeit bedeutete damit verbesserte Zugänglichkeit für breitere Bevölkerungsgruppen zu Wissen und Bildung, und dies primär über schriftliche Medien. Zurück zum Archiv: Vor den Umwälzungen durch die französische Revolution gab es zwar bereits Archive, aber der Zugang war kontrolliert und bewacht, d. h. in der Hand von Fürsten und Klöstern. Vor allem handelte es sich um den Typus des politischen Archivs, das vorrangig Urkunden und Dokumente bewahrte, die Macht legitimierten. »Ob das Archiv eine demokratische oder repressive Institution ist, zeigt sich an seiner Zugänglichkeit. In antiliberalen und totalitären Staaten sind die Bestände geheim, in demokratischen sind sie ein öffentlicher Gemeinbesitz, der individuell genutzt und gedeutet werden kann.«25 All die genannten Faktoren, auf die im Detail im Laufe des Kapitels noch zurückzukommen ist, lassen das historische Archiv, das schriftliche Dokumente aller Art bewahrt und einen öffentlich zugänglichen Ort für Wissen über die Vergangenheit bildet, als eine moderne Erfindung darstellen. Die Bedeutung des Archivs für die Organisation kulturellen Wissens wird derzeit im Zuge medientechnischer Umwälzungen auch kulturwissenschaftlich breit diskutiert; in diesem Zusammenhang ist der Begriff »Medienarchäologie« entstanden als »Wissen vom Speicher(n)«.26 Zunächst geht es um die Feststellung, dass Ende des 18. Jahrhunderts das breite Interesse aufkam, Wissen zu speichern und Material für die Zukunft zu bewahren. Die bürgerliche Kultur entwickelte dazu spezifische Medien und Orte des Aufbewahrens. Das Archiv entstand dafür als prototypischer Ort, um diesen Bedürfnissen nachzukommen. Als Institution bildet es allerdings 23 Jürgen Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, Neuwied 1962, S. 98ff. Zur Genese und Formen der bürgerlichen Öffentlichkeit vgl. auch Gunilla Budde: Blütezeit des Bürgertums. Bürgerlichkeit im 19. Jahrhundert, Darmstadt 2009 (Geschichte kompakt), S. 15ff. 24 Vgl. Habermas: Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 84ff und S. 104ff. 25 Aleida Assmann: »Das Archiv und die neuen Medien des kulturellen Gedächtnisses«, in: Georg Stanitzek/Wilhelm Voßkamp (Hg.): Schnittstelle: Medien und Kulturwissenschaften, Köln 2001 (Mediologie 1), S. 268–281, hier S. 268f. 26 Wolfgang Ernst: »Medien@rchäologie. Provokation der Mediengeschichte«, in: ebd., S. 250–267, hier S. 250.

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eine späte Phase in der Diskussion um die materiellen bzw. medialen Voraussetzungen eines kulturellen Gedächtnisses. Diese wurden bereits um 1800 verhandelt, wie im folgenden gezeigt werden soll. 1.1.2. Vom Ordnen: Die mediale Komponente des Gedächtnisses Nachlass Das Speichern im Archiv erfolgt nicht willkürlich. Nicht nur ist die Art der Dokumente von Bedeutung, auch unterliegen sie spezifischen Ordnungskriterien. Eine Form der Ordnung ist ein Nachlass. Er besteht aus der materiellen Hinterlassenschaft eines Menschen. Seine ›Lebensreste‹ können vielfältig sein: Briefe, Tagebücher, Haushaltsbücher, Terminkalender z. B. sind Dokumente der privaten Lebensführung. Eine besondere Form des Nachlasses wiederum ist der künstlerische Nachlass. Dieser enthält zusätzlich Werkautographe, Skizzen und Entwürfe, weitere Arbeitspapiere wie Notizbücher, Lektürelisten, Exzerpte u. a. m. Indem das Material eines Menschen zusammen getragen wird, gilt das Individuum als Ordnungskriterium. Dies hat mit bürgerlichen Vorstellungen von Individualität zu tun, die sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts konkretisierten. Mit der Entscheidung zur Bewahrung eines Nachlasses erklärt das Archiv diesen Menschen für erinnerungswert und sein Material für überlieferungswürdig. Damit fand kulturgeschichtlich gesehen eine Aufwertung von Lebensdokumenten statt: Anstelle von Erzählen, das einer mündlichen Erinnerungskultur angehört und an konkrete Personen und begrenzte soziale Horizonte gebunden ist, leistet nun schriftliches Material die Erinnerung. Ihm wird diese Kraft zugestanden. Das Medium löst sich damit von der erinnernden Trägerschaft, d. h. damit ist ein Auslagerungsprozess verbunden: »Die Chance zur Abspaltung eines unsterblichen Teils der Person stellt sich mit der Schrift als einem Gedächtnismedium, das Selbstverewigung über kontinuierliche Lesbarkeit sichert.«27 Damit kann auch die Erinnerung an den Menschen aus dem zeitlichen und räumlichen Kontext gelöst werden. Die Lebensdokumente sind die Materialisierung eines Lebenslaufs und damit ist der langfristige Zugriff auf diesen Lebenslauf erst möglich. So erhielt der Brief als Medium gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine besondere Bedeutung. Diese begründete sich zunächst in seiner kommunikativen Funktion. Die Ausbildung einer bürgerlichen Privatsphäre führte zu neuen Räumen der Innerlichkeit und damit auch zu einer Kultur der Einsamkeit. Der Austausch von Briefen, so Koschorke, versuchte diese Einsamkeit zu überwin27 Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 182.

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den. Dennoch simulierte dabei der Brief die mündliche Kommunikation: Er sollte Nähe herstellen. Der Brief erfuhr eine »atmosphärische Erwärmung«28, d. h. Briefe wurden genutzt für Sympathiebekundung und Liebesbezeugung. Die neue schriftliche Kommunikation durch Briefe ging daher Hand in Hand mit der Herausbildung einer bürgerlichen Gefühlskultur. Gleichzeitig erhielt der Brief eine wichtige Erinnerungsfunktion. Für Constanze Mozart waren die Briefe als Erinnerungsmedien von Interesse, weil sie in einer Biographie veröffentlicht werden konnten. Zusätzlich zur neuen Popularität der Gattung Biographie wurde der Brief zu ihrer bevorzugten Quelle erklärt. Er erhielt damit den Wert eines Rohstoffs im Sinne eines »unbearbeiteten Materials, aus dem sich die Emanzipation des Subjekts modellieren ließ.«29 Damit wurde er als historisches Dokument aufgewertet. Quellenarbeit und -präsentation wurden in der Folge als philologische, d. h. als wissenschaftliche Methoden etabliert: Das »Bemühen um materialgesicherte historische ›Wahrheit‹ erreichte im 19. Jahrhundert eine neue Qualität.«30 Diese galt auch für die Biographik. So lautete bspw. wenig später die Forderung der biographischen Methode im Ästhetischen Lexikon 1839: Der Biograph müsse »alle nöthigen Materialien besitzen, die ihm den innern Menschen aufschließen«. Dazu gehörten »Briefe, Tagebücher, hinterlassene Schriften«.31 Auch Werkautographe erhielten in diesem Zusammenhang einen besonderen Wert. Dass sich die Vorstellung von Werk und Autorschaft gegen Ende des 18. Jahrhunderts erst entwickelte und auch auf die Musik übertragen wurde, wird im weiteren Verlauf noch Thema sein. Beim Tod Wolfgang Amadé Mozarts wurden die Autographe seiner Kompositionen nicht in ein Nachlassverzeichnis aufgenommen, weil sie weder einen ideellen noch ökonomischen Wert besaßen. Das hatte sich Mitte des 19. Jahrhunderts geändert: Aloys Fuchs, der den Nachlass des Sohnes Franz Xaver Wolfgang 1844 katalogisierte, fand darin auch Autographe des Vaters, die er als kostbare Dokumente bezeichnete und öffentlich bekannt machte.32 Das Sammeln von Autographen im 19. Jahrhundert eine neue Bedeutung, und dessen Handel wurde professionalisiert: 1801 fand die erste öffentliche Versteigerung eines Autographs in Paris statt, 1838 auch in Wien. Seit den 1830er Jahren war der

28 Koschorke: Körperströme und Schriftverkehr, S. 186. 29 Bernhard Fetz: »Der Stoff, aus dem das (Nach-)Leben ist«, in: ders. (Hg.): Die Biographie – Zur Grundlegung ihrer Theorie, Berlin 2009, S. 103–156, hier S. 108. 30 Christian von Zimmermann: Biographische Anthropologie. Menschenbilder in lebensgeschichtlicher Darstellung (1830–1940), Berlin 2006, S. 25. 31 Zitiert nach ebd., S. 25. 32 Vgl. Kapitel 5.2.

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Autographenhandel als selbständiger Zweig von Antiquariaten in Deutschland etabliert.33 Das Wort »Autographum« war zwar schon 1732 in Zedlers Lexikon enthalten und dort definiert als »das Original einer Schrift«.34 In der Musikkultur um 1800 war dieser Begriff allerdings noch nicht gebräuchlich, stattdessen der Begriff »Manuskript« bzw. »Originalmanuskript«, so auch bei Constanze Mozart, die ein Bewusstsein über den Wert des künstlerischen Nachlasses hatte, wie die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel ab 1798 zeigen: da die Originalmanuscripte in so großem werth gehalten werden, so kann ich mich nicht entschliessen sie herzugeben. Wenn sie auch keinen andern Werth hätten, so behalten sie doch ein sehr großes pretium affectionis für mich und meine Kinder, denen ihr Anblick zu einem lebhaften Sporn dienen kann.35

Constanze Mozart bezeichnete hier die »Originalmanscripte« als wertvoll, weshalb sie in ihrem Besitz verbleiben sollten. Auch betonte sie deren emotionalen Wert für sich selbst und ihre Kinder. Daher forderte sie diese auch von Breitkopf & Härtel stets zurück. Dennoch sollten die Drucke unbedingt auf Basis dieser Originale entstehen, denn nur diese könnten die Qualität der Ausgabe garantieren, wie Constanze Mozart argumentierte: »Und eben so sehen Sie richtig ein, daß Sie ohne mich nichts complettes und correctes liefern können.«36 Nachlässe, bestehend aus Lebensdokumenten und Werkautographen, weckten im 19. Jahrhundert historisches Interesse, sie wurden Teil der »hermeneutischen Praxis«: Die Bestandteile des Nachlasses erhielten einen Wert als historische Quelle, einerseits für die Biographik, darüber hinaus als Autographe künstlerischer Werke für die Editionspraxis. Biographien und Werkausgaben bilden dabei weitere Formen der bürgerlichen Erinnerungskultur, die im folgenden näher beschrieben werden sollen. Biographie Die Biographie erlebte einen Aufschwung im 18. Jahrhundert, welcher unmittelbar an die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft geknüpft ist. Das Aufbrechen feudaler Strukturen erforderte »eine Reformulierung des Verhält33 Vgl. Art. »Autograph«, in: Brockhaus Enzyklopädie, 24 Bde., 20. Aufl., Bd. 2, Leipzig 1996, S. 426. 34 Johann Heinrich Zedler: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde., Bd. 2, Leipzig/Halle 1732–1754, S. 1168. 35 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.2.1799, in: B/D IV, S. 227f. 36 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.10.1798, in: B/D IV, S. 218.

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nisses von Individuum und Gesellschaft und um die Ausbildung neuer Handlungsmuster und sozialer Rollen.«37 Die Biographie entwickelte sich damit zur zentralen Plattform für die Diskussion um neue anthropologische Konzepte. Was war der Mensch, was sollte er sein? Welche Eigenschaften sollte er idealerweise besitzen und welche waren erforderlich für seine Rolle als Bürger? Die Biographie wurde damit ein wichtiges Medium der Verständigung über bürgerliche Werte. Sie reflektierte diese Werte, indem sie Fragen nach vorbildlichem Lebenswandel und Charakter aufwarf. Damit erfüllte sie eine didaktische Funktion.38 Die moralische Besserung sowie tugendhafte Vorbildlichkeit waren von zentraler Bedeutung, denn diese machten einen Menschen biographiewürdig. Gerade die Biographik am Ende des 18. Jahrhunderts zeigte die positive und emphatische Sicht auf das Individuum und präsentierte seine gelungene persönliche Entwicklung sowie erfolgreiche gesellschaftliche Integration. Dafür wurden historische Persönlichkeiten herangezogen: Johann Gottfried Herder bspw. schuf mit seinen biographischen Essays über William Shakespeare (1773) und Johann Joachim Winckelmann (1778) derartige Vorbilder.39 Georg Forster beschrieb seinerseits mit Cook der Entdecker: Versuch eines Denkmals (1787) einen prototypischen bürgerlichen Heldentypus und präsentierte ihn als ein harmonisch ausgeglichenes Individuum.40 Diesem gelang die in der Aufklärung vielfach diskutierte Ausgewogenheit von Verstand und Gefühl. Auch hatte diese Biographie durchaus politische Implikationen: Cook wurde hier als Staatsmann präsentiert. Ein weiteres prominentes Beispiel für die ›neue‹ Biographik verfasste Johann Wolfgang Goethe ebenfalls über Winckelmann (1805).41 Er thematisierte darin vor allem die Bedeutung von Bildung für den Prozess der Selbstverwirklichung und Entfaltung von Individualität.42 Die Biographie artikulierte damit auch deutlich ein bürgerliches Selbstbewusstsein. Formal wie inhaltlich hatte die Biographik ihre Wurzeln in der Gelehrtenmemoria und religiösen Erbauungsliteratur in Form gedruckter Leichenreden, 37 von Zimmermann: Biographische Anthropologie, S. 16. 38 Vgl. Michael Maurer: Die Biographie des Bürgers. Lebensformen und Denkweisen in der formativen Phase des deutschen Bürgertums (1680–1815), Göttingen 1996, S. 100ff. 39 Johann Gottfried Herder: »Shakespear«, in: Von Deutscher Art und Kunst. Einige fliegende Blätter, Hamburg 1773, S. 71–118; »Denkmahl Johann Winckelmanns« (1778), in: Johann Gottfried Herder: Sämmtliche Werke, hg. von Bernhard Suphan, Bd. 8, Berlin 1892, S. 437–483; vgl. Helmut Scheuer: Biographie. Studien zur Funktion und zum Wandel einer literarischen Gattung vom 18. Jahrhundert bist zur Gegenwart, Stuttgart 1979, S. 21ff. 40 Vgl. Scheuer: Biographie, S. 35ff. 41 Johann Wolfgang Goethe: Winkelmann und sein Jahrhundert: In Briefen und Aufsätzen, Tübingen 1805. 42 Vgl. Scheuer: Biographie, S. 43ff.

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sog. Nekrologe. Im 18. Jahrhundert ist noch eine Vielzahl an biographischen Formen festzustellen, vor allem an »Kleinformen«43, d. h. neben dem Nekrolog auch der biographische Essay, biographische Sammelwerke oder Lexikoneinträge. Seltener ist die monographische Biographie. Was sich gegen Ende des Jahrhunderts abzeichnete, war nicht nur eine sprunghafte Zunahme biographischen Schreibens, sondern auch eine Reflexion über die Gattung bzw. ein Gattungsbewusstsein.44 Das bedeutete, dass über den Wahrheitsanspruch unterschiedlicher biographischer Formen durchaus kontrovers gestritten wurde. Auch führte diese Diskussion dazu, dass in kurzen Abständen eine Vielzahl höchst unterschiedlicher Biographien über dieselbe Person erschienen; dies wird auch im Hinblick auf die Mozartbiographik deutlich werden. Die Biographie thematisiert damit Normen und Werte am Beispiel konkreter Lebenswege und bewahrt sie gleichzeitig für die Zukunft, d. h. die Biographie stiftet damit Gedächtnis als Wertevermittlung. Sie zählt zu den »normativen und formativen Texten des kulturellen Gedächtnisses« und entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zum prototypischen Erinnerungsmedium.45 Jemanden als biographiewürdig zu bestimmen hieß nicht nur, dass er in der Gegenwart ein Vorbild sein sollte, sondern auch über diese hinaus in der Zukunft. Das Wort »Denkmal« war auch teilweise im Titel enthalten, z. B. Denkmahl Johann Winckelmanns von Johann Gottfried Herder. Damit sollte die Biographie bewusst eine Erinnerungsfunktion erfüllen. Dieser Anspruch wurde bereits in den Biographien um 1800 formuliert. Johann Gottfried Herder z. B. kritisierte in den Briefen zur Beförderung der Humanität von 1793 das ihm als anachronistisch geltende Konzept von Friedrich Schlichtegroll, der zahlreiche Nekrologe in einem Sammelband zusammen geführt hatte. Er kritisierte daran folgendes: Der Name Totenregister, ist schon ein trauriger Name. ›Laß Tote ihre Toten begraben‹; wir wollen die Gestorbenen als Lebende betrachten […] Hiermit wandelt sich auf einmal das Nekrolog in ›Athanasium‹, in ein ›Mnemmeion‹; sie sind nicht gestorben […]: denn ihre Seelen, ihre Verdienste ums Menschengeschlecht, ihr Andenken lebet.46

Die Toten sollten stattdessen weiterleben durch die biographische Würdigung, die eine »Würdigung der öffentlichen Leistung des Bürgers«47 darstellte. 43 Falko Schnicke: »18. Jahrhundert«, in: Klein (Hg.): Handbuch Biographie, S. 234–242, hier S. 234. 44 Vgl. ebd., S. 235. 45 Vgl. Astrid Erll: »Biographie und Gedächtnis«, in: ebd., S. 79–86, hier S. 79. 46 Johann Gottfried Herder: Briefe zu Beförderung der Humanität, hg. von Hans Dietrich Irmscher, Frankfurt a.M. 1991, S. 26. Zitiert nach Schnicke: »18. Jahrhundert«, S. 236f. 47 Schnicke: »18. Jahrhundert«, S. 237.

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Das bedeutete auch, auf besondere Weise den Menschen lebendig werden zu lassen: Er sollte als Individuum erscheinen in historischen Zusammenhängen, nicht exemplarisch oder typisiert.48 »Es ist wohl eine unwiderlegbare Behauptung, dass W.A. Mozart das grösste musikalische Genie nicht allein seines Zeitalters war, sondern dass er es auch höchstwahrscheinlich für alle künftigen Zeitalter bleiben wird.«49 So hieß es im Vorwort zur Biographie, die Constanze Mozart mit Georg Nikolaus Nissen verfasste und 1828 herausgab. Das Zitat verdeutlicht, dass das historische Bewusstsein mit seiner Perspektivierung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vorhanden war; implizit damit auch schon das Wissen um die Bedeutung der Biographie für die Erinnerung. Nissen bezeichnete die Biographie auch als »das beste Hilfsmittel zur Geschichte«.50 Dass einem Komponisten umfassende Biographien gewidmet werden, war um 1800 längst keine Selbstverständlichkeit. Indem Biographien Vorbilder präsentierten, boten sie auch die Möglichkeit, Personen sozial aufzuwerten. Dieses Bestreben zeigt sich mit der Biographik von Komponisten: Weit bis ins 19. Jahrhundert hinein galten Musiker und ihr Lebenswandel als wenig vorbildlich, sogar moralisch fragwürdig.51 Diese zu biographiewürdigen Personen zu erklären, beförderte die Aufwertung des Musikers zum Bürger und allgemein die gesellschaftliche Integration des Künstlers. Bis Ende des 18. Jahrhunderts waren die biographischen Formen noch vorwiegend lexikalische Einträge oder Sammelwerke. Dies betraf auch die Musikerbiographik. Johann Mattheson verfasste 1740 zahlreiche Biographien in der Grundlage einer Ehren-Pforte, woran der Tüchtigsten Capellmeister, Componisten, Musikgelehrten, Tonkünstler etc. Leben, Wercke, Verdienste etc. erscheinen sollen.52 Mit der »Ehrenpforte« wurde die moralische Aufwertung bereits über den Titel impliziert. Auch Ernst Ludwig Gerber trug durch sein Historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler 1790/1792 entscheidend zur Etablierung der musikalischen Biographie bei. Als erste Individualbiographie erschien 1760 eine Biographie des englischen Autors John Mainwaring über Georg Friedrich Händel. Diese wurde von Johann Matthe-

48 Vgl. ebd., S. 236f. 49 Vorwort Johann Heinrich Feuersteins, in: Georg Nikolaus Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Leipzig 1828, Nachdr. Hildesheim 1991, S. VII. 50 Georg Nikolaus Nissen an Knud Lyne Rahbek, o.D., zitiert nach: Servatius: »›Il avoit dans son caractère un grand fond de noblesse et d’équité.‹ Neue Erkenntnisse zu Georg Nicolaus Nissen«, S. 266. 51 Vgl. Melanie Unseld: »Musikwissenschaft«, in: Klein (Hg.): Handbuch Biographie, S. 358– 365, hier S. 358f. 52 Hamburg 1740.

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son ins Deutsche übersetzt.53 Einen richtungsweisenden Beitrag zur Gattung als monographische Individualbiographie leistete schließlich Johann Nikolaus Forkel 1802 über Johann Sebastian Bach.54 Eine Vielzahl an Biographien über Wolfgang Amadé Mozart erschienen in diesem Zeitraum. Wolfgang Amadé Mozart diente sozusagen als biographischer Modellfall. Melanie Unseld bezeichnete ihn daher auch als »Katalysator« der musikalischen Biographik. Mozart verkörperte den »Prototyp des modernen Künstlers«55 als Genie und die frühe Mozartbiographik entdeckte in der Figur Mozarts einen stilbildenden Lebensweg. Constanze Mozart unterstützte einerseits die frühe Biographik, indem sie potenziellen Biographen Informationen mitteilte und Material übersandte. Ihre eigens 1828 herausgegebene Biographie Wolfgang Amadé Mozarts, die mit Georg Nikolaus Nissen entstand, ist auch im Kontext dieses bürgerlichen Anspruchs auf Tugendhaftigkeit zu untersuchen. Gesamtausgaben Gedruckte Noten boten seit der Erfindung des Buchdrucks im 16. Jahrhundert die Möglichkeit, die flüchtige Kunstform der Musik in symbolischer Form langfristig zu fixieren und darüber hinaus in großem Umfang zu verbreiten. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts tauchte die Idee auf, Noten als »Werkausgaben« bzw. »Gesamtausgaben« eines individuellen Künstlers herauszugeben. Mehrere Aspekte kamen hier zusammen. Die Technik des Notendrucks entwickelte sich im 18. Jahrhundert rasant. Durch die Erfindung der Lithographie wurde es nun möglich, Noten massenhaft zu produzieren. Der Vorzug der Verwertung, d. h. der ökonomische Vorteil, lag allerdings fast ausschließlich bei den Verlagen, die sich rechtlich ein Druckprivileg bei ihren Landesherren sichern konnten und den Komponisten dafür meist gering entlohnten. Dennoch kam es zu massenhaftem Nachdruck von Noten durch andere Verleger und damit zur unkontrollierbaren Konkurrenz. Die Verleger entwickelten die Form der Werk- bzw. Gesamtausgabe als Strategie, um diese Konkurrenz 53 John Mainwaring: Memoirs of the Life of the Late George Frederic Handel, London 1760; dt. Übersetzung hg. von Johann Mattheson: Georg Friderich Händels Lebensbeschreibung, nebst einem Verzeichnis seiner Ausübungswerke und deren Beurtheilung, Hamburg 1761. 54 Johann Nikolaus Forkel: Johann Sebastian Bach: Leben, Kunst und Kunstwerke, Leipzig 1802, vgl. Hans Lenneberg: Art. »Biographik«, in MGG2S1 (1994), Sp. 1545–1551, hier Sp. 1548. 55 Unseld: »Musikwissenschaft«, S. 359; vgl. auch dies.: »›… ein berühmter Capellmeister, von dem die Nachwelt auch noch in Büchern lieset.‹ Mozart und die Idee der Musikerbiographie«, in: Herbert Lachmayer (Hg.): Mozart. Experiment Aufklärung im Wien des ausgehenden 18. Jahrhunderts, Essayband zur Mozart-Ausstellung, Wien 2006, S. 431–435. Vgl. auch dies.: Biographie und Musikgeschichte, Druck i. Vorb.

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zu kanalisieren. Zur gleichen Zeit entstand die Vorstellung vom Künstler als Autor, was wiederum dessen Selbstbewusstsein steigerte. Er selbst verstand sich als Schöpfer, als Produzent seiner Werke. Die Konzeption von Musik als Werk und des Komponisten als Autor setzte besondere Umwälzungen in der Musikkultur in Gang, die weiter unten geschildert werden.56 Hier bleibt vorläufig festzuhalten, dass der Schriftsteller wie der Komponist sich zunehmend als Autor verstanden. Sie wollten ihre Werke in der bestmöglichen Qualität gedruckt haben und dafür ein angemessenes Honorar erhalten. Dies konnte nur gewährleistet werden, wenn das Originalmanuskript als Vorlage für den Druck diente. Komponisten waren daher an einer Werk- oder Gesamtausgabe interessiert, weil diese ihnen erlaubte, Fassungen zu kontrollieren und autorisieren. Im Idealfall gelang es, diese Interessen von Autor und Verleger in Einklang zu bringen. Vorbildcharakter hatten dabei literarische Werkausgaben. Dafür waren die Unternehmungen des Verlegers Johann Friedrich Cotta in Tübingen Ende des 18. Jahrhunderts wegweisend. In Verhandlungen gelang es ihm, Autoren wie Goethe, Schiller, Herder und Lessing an seinen Verlag zu binden. Johann Wolfgang Goethe war bereits zu einem frühen Zeitpunkt an einer mehrbändigen Ausgabe seiner Werke interessiert. Er initiierte zuvor bei Göschen in Leipzig eine Werkausgabe, wovon acht Bände zwischen 1787 und 1790 als Goethes Schriften erschienen, darunter der Werther und Iphigenie auf Tauris.57 Im Anschluss verhandelte er mit Johann Friedrich Unger in Berlin. Dort erschienen zwischen 1792 und 1800 Goethes Neue Schriften, die eine Ergänzung zu der vorigen Ausgabe darstellten. Die Vereinbarung erfolgte bandweise. In dieser Folge wurde z. B. Wilhelm Meisters Lehrjahre veröffentlicht.58 1797 lernte Goethe über Friedrich Schiller Johann Friedrich Cotta kennen. Cotta machte ihm ein stattliches Angebot von 10.000 Reichstalern für eine neue Ausgabe, die schließlich zwischen 1806 und 1810 in 13 Bänden erschien, darunter auch bereits publizierte Werke.59 Goethe empfand die Werkausgabe selbst als Motivation und schätzte ihre Bedeutung für die eigene schriftstellerische Entwicklung. So hatte er überlegt, Faust bereits als Fragment in die Ausgabe von Göschen mit aufzunehmen.60 Für ihn war die Ausgabe ein Medium der Selbstreflexion als Künstler. Sie sei »eine Rekapitulation meines Lebens und meiner Kunst«, und durch sie werde 56 Vgl. Kapitel 1.2. 57 Vgl. Waltraud Hagen: »Werkausgaben«, in: Hans-Dieter Dahnke/Regine Otto (Hg.): Goethe Handbuch, Bd. 4/2, Stuttgart 1998, S. 1137–1147, hier S. 1138f. 58 Vgl. ebd., S. 1140. 59 Vgl. ebd., S. 1140ff. 60 Vgl. ebd., S. 1139.

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er gezwungen, »mich und meine jetzige Denckart, meine neuere Manier, nach meiner ersten zurückzubilden, das was ich nur entworfen hatte nun auszuführen, so lern’ ich mich selbst und meine Engen und Weiten recht kennen.«61 Goethe besaß damit die Vorstellung von einem schriftstellerischen »Œuvre« als einem zusammenhängenden, sich entwickelnden Ganzen. In einem weiteren Brief nannte er die Ausgabe ein »Summa Summarum meines Lebens«62. Das heißt, er begriff die Werkausgabe bereits zu diesem Zeitpunkt als eigenes künstlerisches Vermächtnis. Damit ist auch eine Erinnerungsfunktion angedeutet, die die Werkausgabe über seinen Tod hinaus gewährleisten sollte. Dass er diese implizierte, zeigen seine beständigen Verhandlungen mit Cotta: Eine weitere Werkausgabe erschien zwischen 1815 und 1819, und zuletzt eine Vollständige Ausgabe letzter Hand 1827 bis 1830. Diese bereitete er bereits seit 1822 vor. Er ordnete sämtliches Material mit einem Kreis an Helfern und holte sich Rat bei dem Jenaer Philologen Carl Wilhelm Göttling, um die höchste Präzision der Druckvorlage und eine einheitliche Orthographie zu gewährleisten.63 Bei dieser Ausgabe handelte es sich also um eine von ihm autorisierte, letztgültige Werkausgabe. Diese »besitzt einen besonderen Rang innerhalb der schriftstellerischen Entwicklung Goethes und ist in der Literaturgeschichte ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie es einem Dichter gelingt, sein Lebenswerk zum Abschluß zu bringen und es der Nachwelt geordnet und überschaubar zu hinterlassen.«64 Damit ist diese Ausgabe auch als absichtsvolle »Sicherung und Bewahrung der Zeugnisse seiner schriftstellerischen Existenz«65 anzusehen. Der Erinnerungswert einer Werkausgabe wurde damit bereits Ende des 18. Jahrhunderts formuliert, und zwar vor allem von den Literaten selbst. Die Werkausgabe umfasste aus der Sicht Goethes also idealerweise sein vollständiges Œuvre. Die von Breitkopf & Härtel angestoßene Ausgabe Wolfgang Amadé Mozarts trug den Titel »Œuvres complettes« und drückte damit den Anspruch aus, nicht nur korrekte, autorisierte Fassungen zu veröffentlichen, sondern auch die Gesamtheit der Werke Mozarts. Dies löste der Verlag jedoch nicht ein, sondern er behielt sich die Auswahl lukrativer Gattungen vor. Constanze Mozart versuchte jedoch die Herausgabe aller Werke zu erreichen und damit das Kriterium der Vollständigkeit im Sinne einer Gesamtausgabe zu erfüllen. Fest steht, dass über die Werk- bzw. Gesamtausgabe Nachlass und Edition wie im Falle der Biographie aneinander gekoppelt wurden: Die 61 Johann Wolfgang Goethe an Carl August, 11.8.1787, zitiert nach ebd., S. 1138. 62 Johann Wolfgang Goethe an Carl August, 16.2.1788, zitiert nach ebd. 63 Vgl. ebd., S. 1142ff. 64 Ebd., S. 1143. 65 Ebd.

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Autographe stellten eine Quelle für die Herausgabe von Werken dar, worin sich der Wert eines Nachlasses begründete sowie die Entscheidung, diesen für die Nachwelt zu erhalten. Einige Notenausgaben im 18. Jahrhundert standen bereits zuvor explizit im Dienste des Erinnerns. Diese umfassten allerdings noch nicht das Œuvre einer Person. So erschienen in England Kompilationen von Volksliedern mit der Intention, diese als Tradition zu bewahren und zu pflegen (1757: 30 Scots Songs, Edinburgh: Verlag R. Bremner). Auch Sammlungen von Kirchenmusik erschienen zu diesem Zweck mit dem Titel Cathedral Music: Being a collection in score of the Most Valuable and Useful Compositions for that service by the Serveral English Masters of the last Two Hundred Years (gesammelt von William Boyce, 3 Bände, London 1760–1772). In Frankreich erschien eine Anthologie françoise mit Gesängen vom 13. bis 18. Jahrhundert (herausgegeben von Jean Monnet, Paris 1765). Vergleichbar im deutschsprachigen Raum waren z. B. die von Johann Adam Hiller veröffentlichten Vierstimmigen Motetten und Arien (Leipzig: Dyk 1774).66 Diese Unternehmungen wurden im 19. Jahrhundert fortgesetzt und erhielten vielfach auch den Titel »Denkmäler-Ausgaben«. Sie versuchten damit, repräsentative Werkgruppen oder Repertoires aus einem bestimmten Zeitraum oder einer Region herauszugeben.67 Vergleichbar mit der Bedeutung Johann Friedrich Cottas für die literarische Ausgabe ist die Bedeutung des Verlags Breitkopf & Härtel für die musikalische Gesamtausgabe. Mehrere Verlage starteten Aktivitäten zu einer Gesamtausgabe, um die Konkurrenz auszuschalten, doch nur Breitkopf & Härtel setzte sich sowohl mit der Vielzahl an Komponisten als auch mit dem Umfang der Ausgaben durch. Die Qualität sicherten sie, indem sie mit den Komponisten selbst verhandelten und nicht bereits vorhandene Drucke als Vorlage benutzten. Hier kam auch Constanze Mozart ins Spiel: Als Witwe agierte sie stellvertretend für den Komponisten. 1798 startete der Verlag mit der Anfrage an sie die erste Initiative zu einer Gesamtausgabe. Es folgte Joseph Haydn 1799. Auch die Verlage Spehr in Braunschweig (1798), Simrock in Bonn (1803) sowie Haslinger (1810) und Pleyel in Paris (1815) kündigten Gesamtausgaben zu Wolfgang Amadé Mozart an, die jedoch nach wenigen Bänden abgebrochen wurden.68 Die Gesamtausgabe wurde, wie auch die Biographie, schließlich Mitte des 19. Jahrhunderts zum prototypischen Erinnerungsmedium ausgebaut. Dabei handelte es sich um auf mehrere Jahre angelegte editorische Großprojekte. Das erste dieser Art war die Entstehung der Bach-Gesamtausgabe 1851, die 66 Vgl. Dietrich Berke: Art. »Denkmäler und Gesamtausgaben«, in: MGG2S2 (1995), Sp. 1109–1155, hier Sp. 1111. 67 Vgl. ebd., Sp. 1110. 68 Vgl. ebd., Sp. 1113f.

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mit der Gründung der Bach-Gesellschaft verbunden war. Weitere Ausgaben zu Georg Friedrich Händel (ab 1858), Ludwig van Beethoven (ab 1862), Wolfgang Amadé Mozart (ab 1877), Robert Schumann (ab 1883) und anderen folgten.69 Diese basierten auf neuesten philologischen Prinzipien und dem Anspruch einer wissenschaftlich fundierten Kritik. Sie erhielten den Rang von »Klassiker-Ausgaben« im »allgemeinen, ästhetisch-normativen Sinne« und damit eine Funktion als Kulturdenkmäler, welche ein kulturelles Erbe für die Zukunft sichern sollten.70

1.2. Der Weg zu einem musikkulturellen Gedächtnis 1.2.1. Ästhetische Autonomie und bürgerliche Emanzipation Der folgende Abschnitt soll die Entstehung und Bedeutung eines musikkulturellen Gedächtnisses beschreiben. Die Künste erfuhren in der bürgerlichen Kultur eine besondere Aufwertung. Vor allem die Musik wurde zur ›Tonkunst‹ aufgewertet und spielte im bürgerlichen Emanzipationsprozess eine wichtige Rolle. Zunächst ist festzustellen, dass die Künste allgemein neben der Geschichte einen neuen Rang als Lebensinterpretation erhielten. Sie übernahmen eine sinnstiftende Funktion: Im 19. Jahrhundert hat die ästhetische Kultur, die Kunst eine neue Funktion gewonnen. Sie nimmt, bis dahin unerhört, einen zentralen Platz im bürgerlichen Leben, ja in der Lebensbilanz ein. Die Welt der Kunst hat ihr eigenes Recht, ihr eigenes Gewicht. Und sie orientiert zugleich über die Wirklichkeit und das Leben, verklärend, versöhnend oder analysierend und aufdeckend, präsentierend und diskutierend. Sie stiftet Sinn oder legt ihn dar, sie nimmt teil an dem neu in Gang gesetzten Prozeß von Individuum und Welt.71

Kunst hatte, so fasst Thomas Nipperdey weiter zusammen, dreierlei Funktion in der bürgerlichen Kultur, nämlich die von Religion, Transzendenz und Bildung.72 Das waren gewichtige Funktionen, denn damit war eine radikale

69 Vgl. ebd., Sp. 1116ff und Hanspeter Bennwitz u. a. (Hg.): Musikalisches Erbe und Gegenwart. Musiker-Gesamtausgaben in der Bundesrepublik Deutschland, Kassel 1975. 70 Annette Oppermann: Musikalische Klassiker-Ausgaben des 19. Jahrhunderts: eine Studie zur deutschen Editionsgeschichte am Beispiel von Bachs ›Wohltemperiertem Clavier‹ und Beethovens Klaviersonaten, Göttingen 2001, S. 10. 71 Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 533. 72 Thomas Nipperdey: Wie das Bürgertum die Moderne fand, Stuttgart 1988, S. 22ff. Zum bürgerlichen Kunstverständnis vgl. auch Budde: Blütezeit des Bürgertums, S. 60ff.

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Aufwertung der Kunst verbunden. Ästhetische Bildung galt als prädestiniert, Integrität und Humanität zu befördern und damit die gesellschaftliche Integration von Individuen zu gewährleisten. Diese Funktionen werden in einem Brief Georg August Griesingers über die Aufführung von Joseph Haydns Oratorium Die Jahreszeiten 1801 deutlich: Vielleicht ist es nicht überflüssig, auf den Einfluss aufmerksam zu machen, der sich von solchen musikalischen Werken auf die sittliche und ästhetische Bildung einer Nation erwarten lässt. Kein Kanzelredner ist im Stande, die Grösse des Schöpfers, seiner Werke und seiner Wohlthaten mit der eindringlichen Krafft zu schildern, die Gemüther so in Bewunderung, Dank und Ehrfurcht zu erfüllen und über die Sphäre gemeiner Sinnlichkeit zu erheben, wie es durch die vereinte Wirkung der Dicht- und Tonkunst in der Schöpfung und in den Jahreszeiten geschehen ist.73

Begründet wurde die Aufwertung der Kunst durch das Konzept der ästhetischen Autonomie. Die Künste sollten eine von Zwecken gelöste, nicht funktionalisierte Sphäre bilden. Dies machte eine Distanz zum Alltag notwendig.74 Die Künste sollten nicht der Begleitung gesellschaftlicher Veranstaltungen dienen, d. h. vorrangig Geselligkeit und Genuss bieten, sondern selbst Anlass zur Zusammenkunft geben. Ein Schlüssel für die Begründung der ästhetischen Autonomie war der Genie-Diskurs. Das Genie spielte im Gedankengut der Aufklärung im 18. Jahrhundert eine zentrale Rolle und wurde vor allem durch die Literaten des Sturm und Drang neu konzipiert. Der Künstler als Genie, d. h. als schöpferisches Subjekt, vollzog damit »den bürgerlichen Emanzipationsprozess prototypisch an sich selbst«.75 Gegenbild des Genies war der Gelehrte (Poeta Doctus), der sich der Doktrin der Nachahmung unterwarf, einer Naturdarstellung mit Hilfe von Regeln, die sich an der Antike orientierten. Der Schaffensprozess des Genies hingegen sollte nicht durch bloße Reproduktion, also dem Finden und Anwenden von Bestehendem erfolgen, sondern durch phantasiereiches Erfinden. Das Genie schaffte aus sich selbst heraus und damit autonom. Dieses autonome Schaffen konnte jedoch wiederum absolute Gültigkeit beanspruchen. Die Legitimation des Anspruchs auf Totalität erfolgte vor allem durch Johann 73 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 29.1.1801, in: Otto Biba: »Eben komme ich von Haydn…« Georg August Griesingers Korrespondenz mit Joseph Haydns Verleger Breitkopf & Härtel 1799–1819, Zürich 1987, S. 123. Georg August Griesinger verhandelte für Breitkopf & Härtel mit Joseph Haydn, vgl. dazu Kapitel 3.5. 74 Hanns-Werner Heister: Das Konzert. Theorie einer Kulturform, Wilhelmshaven 1983 (Taschenbücher zur Musikwissenschaft, 87/88), S. 47ff. 75 Jochen Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens in der deutschen Literatur, Philosophie und Politik 1750–1945, Bd. 1: Von der Aufklärung bis zum Idealismus, Darmstadt 1985, S. 4.

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Gottfried Herder, etwa in seinem berühmten Aufsatz »Shakespeare« aus dem Jahre 1773. Shakespeare verkörperte für die Dichter des Sturm und Drang das Genie schlechthin. Genialität war im Sinne Herders ein ganzheitliches Vermögen, das die künstlerische Individualität begründete: »Dies Individuelle [Hervorhebung Herders] jedes Stücks, jedes einzelnen Weltalls, geht mit Ort und Zeit und Schöpfung durch alle Stücke.«76 Ähnlich wie in der Natur konnten die schöpferischen Kräfte des Genies als Produkt ein in sich geschlossenes Ganzes schaffen. In Herders Aussage wird auch deutlich, dass der Mensch historisch verstanden wurde, indem die subjektive Zeiterfahrung hervorgehoben wurde. Um die Ganzheit zu veranschaulichen, griffen Herder und andere auf ein organologisches Modell zurück. Dieses Modell stellte das Schaffen des Genies in Analogie zum pflanzenhaften Wachstum dar: Die Pflanze existiert als in sich geschlossener, autarker Organismus; ihr Wachstumsprozess vermochte den unbewussten, irrationalen und nach eigenen Gesetzmäßigkeiten verlaufenden Entwicklungs- und Schaffensprozess des Genies zu repräsentieren. Dies bedeutete die Entstehung der Vorstellung von Kunst als ›Werk‹. Das Kunstwerk repräsentierte eine in sich geschlossene, individuell-schöpferische Ganzheit und »[…] demnach mikrokosmisch organisierte Totalität.«77 Als Merkmale, die den Schaffensprozess des schöpferischen Genies im Sturm und Drang kennzeichneten, seien folgende schlagwortartig genannt: Subjektivität, Originalität, Irrationalität, gefühlshafte Erregung, Erhebung in die Sphäre des Göttlichen, Ganzheit, Natürlichkeit, Unmittelbarkeit. Im Sturm und Drang verkörperte diese Merkmale vor allem Goethes »Prometheus«.78 In wohl keinem anderen Gedicht trat das rebellische Moment des Geniegedankens und der Anspruch, sich von alten Autoritäten zu emanzipieren, deutlicher zu Tage. Mit seiner selbstbewussten, provokanten Absage an einen transzendenten Gott avancierte Prometheus zur Symbolfigur des schöpferischen Künstlers. Des männlichen Künstlers, wohlgemerkt: Genialität galt im 18. Jahrhundert und in der Folge als eine Männern vorbehaltene Eigenschaft, welche »einer nur nachbildenden, also eher unkreativen weiblichen Reproduktion gegenübergestellt«79 wurde.

76 Herder: Sämmtliche Werke, Bd. 5, S. 224, vgl. Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens, Bd. 1, S. 173. 77 Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens, Bd. 1, S. 130. 78 Vgl. ebd., S. 4 und S. 254ff. 79 Christoph Müller-Oberhäuser: Art. »Männlichkeitsbilder. 2. Genie«, in: KreutzigerHerr/Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, S. 352–353, hier S. 353. Vgl. zu diesem Thema auch die Beiträge in folgendem Sammelband: Kordula Knaus/Susanne Kogler (Hg.): Autorschaft – Genie – Geschlecht. Musikalische Schaffensprozesse von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Köln: Böhlau 2012 (Musik – Kultur – Gender, 11).

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Der Künstler als Schöpfer war es nun, der Wahrheiten offenbaren und seine Ideen in einem künstlerischen Produkt festschreiben konnte. Eine unmittelbare Konsequenz aus der Genieästhetik waren die Konzepte von Autorschaft und Werk. Aus diesen wurden wiederum Rechtsansprüche abgeleitet, die in einem Urheberrecht ihre Umsetzung finden sollten und den Künstler auch als ökonomisches Subjekt etablierten.80 Die Konsequenzen für die Musikkultur waren erheblich, was auch damit zusammen hing, dass die Stellung der Musik unter den Künsten neu verhandelt wurde und im 19. Jahrhundert zur höchsten Kunstform erklärt wurde. Denn der musikästhetische Diskurs um Autonomie wurde als Emanzipation der Musik von den anderen Künsten, und damit auch von Wort und Bild, vorangetrieben. Als reinste Musik wurde die Instrumentalmusik angesehen, die nicht als inhaltsleer, sondern als erhaben galt, da sie das ›Unsagbare‹ zum Ausdruck bringe, an das die Sprache nicht heran kommen könne. Die Symphonie war, so Carl Dahlhaus, das »Anschauungsmodell«81 dieser Ästhetik, die die Instrumentalmusik als »absolute Musik« überhöhte, wie Ludwig Tieck darstellte: Diese Symphonien können ein so buntes, mannigfaltiges, verworrenes und schön entwickeltes Drama darstellen, wie es uns der Dichter nimmermehr geben kann; denn sie enthüllen in rätselhafter Sprache das Rätselhafteste, sie hängen von keinen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit ab, sie brauchen sich an keine Geschichte und an keine Charaktere zu schließen, sie bleiben in ihrer reinpoetischen Welt.82

Ludwig Tieck entwickelte in seiner Theorie das Poetische als Gehalt aller Künste. In der Musik sei es jedoch in reinster Form enthalten, da sie frei von Programm- und Charakterschilderung sei. Außermusikalische Zwecke hingegen verstießen gegen ihre »metaphysische Würde«83. Die Musik wurde vor allem von Literaten und Philosophen, neben Tieck auch durch Wilhelm Heinrich Wackenroder, E.T.A. Hoffmann, August Wilhelm Schlegel und Friedrich Schleiermacher metaphysisch überhöht. Die Aufwertung der Musik war damit ein umfassendes ideengeschichtliches Projekt, welches die Herausbildung einer bürgerlichen Kultur und Identität in besonderer Weise begleitete und prägte. Das junge Feld der Musikhistoriographie, das sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts etablierte, überformte dabei die Emanzipation der Musik 80 Vgl. hier auch Aleida Assmann: »Schrift und Autorschaft im Spiegel der Mediengeschichte«, in: Wolfgang Müller-Funk/Hans Ulrich Reck (Hg.): Inszenierte Imagination. Beiträge zu einer historischen Anthropologie der Medien, Wien 1996 (Ästhetik und Naturwissenschaften: Medienkultur), S. 13–24. 81 Carl Dahlhaus: Die Idee der absoluten Musik, Kassel 1978, S. 16. 82 Ludwig Tieck an Wilhelm Heinrich Wackenroder, in: Wilhelm Heinrich Wackenroder: Werke und Briefe, Heidelberg ²1967, S. 255, vgl. ebd., S. 70. 83 Ebd., S. 73.

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von den anderen Künsten zu einem politischen Programm. Es galt, die Musik zu ›befreien‹, wie auch den Bürger aus den Zwängen adliger und religiöser Macht: »Dass die Musik selbständig sei, frei von einem außer ihr liegenden Zweck, emanzipiert von Kirche und Hof. Diese Annahme führte offensichtlich zur Vorstellung, sie selbst gäbe sich ihre Gesetze. Insofern erscheint die Autonomieästhetik als Resultat und Symbol einer tatsächlichen oder eingebildeten bürgerlichen Emanzipationsgeschichte.«84 Die Neudefinition der Musik als autonome Kunst und die Übertragung der Konzepte von Autorschaft und Werk auf die Musik setzten bedeutende Umwandlungsprozesse in Gang, die das Musikleben nachhaltig verändern sollten. Gleichzeitig bot diese Neudefinition die Voraussetzung für die Etablierung eines musikkulturellen Gedächtnisses, dessen Spezifika im folgenden beleuchtet werden sollen. 1.2.2. Autorschaft und Werkbegriff Eine Bestimmung von Musik als autonomer Kunst erforderte vor allem die »Selbständigkeit des musikalischen Gegenstandes«85. Der entscheidende Schritt dazu war die Etablierung einer Vorstellung von Musik als Kunstwerk. 86 Damit ergab sich eine Neuordnung der Verhältnisse der musikalischen Akteure: Komponist, Interpret und Hörer. Und es ergab sich eine neue Sichtweise auf den Entstehungsprozess von Musik: Die Sphären der Produktion und Reproduktion von Musik, die bis ins 18. Jahrhundert noch selbstverständlich ineinander geflossen waren, galten fortan als getrennt. Dies hing damit zusammen, dass die Musik bis dahin vollständig funktionalisiert war. Kompositionen wurden als Aufträge von Hof oder Kirche verfasst und konnten für den konkreten Anlass auch situativ verändert werden, sie wurden bspw. der vor Ort befindlichen Orchesterbesetzung oder stimmlichen Fähigkeiten der Sängerinnen und Sänger angepasst. Der Komponist galt nicht als Autor bzw. Schöpfer seiner Musik. Kompositorisches Material mehrfach zu verwenden oder von anderen zu entlehnen, war eine übliche Praxis. Lydia Goehr charakterisiert

84 Hentschel: Bürgerliche Ideologie und Musik, S. 307. 85 Heister: Das Konzert, S. 52. 86 Zur Genese des Werkbegriffs vgl. Carl Dahlhaus: Musikästhetik, in: Gesammelte Schriften, hg. von Hermann Danuser, Bd. 1, Laaber 2000, S. 447–532, bes. S. 454ff; Wilhelm Seidel: Werk und Werkbegriff in der Musikgeschichte, Darmstadt 1987. Im folgenden beziehe ich mich auf die Ausführungen von Lydia Goehr: The Imaginary Museum of Musical Works: An Essay in the Philosophy of Music, Oxford 1992, Nachdr. Oxford 2002. Vgl. zur Reaktion auf Goehr auch: Michael Talbot (Hg.): The Musical Work: Reality or Invention?, Liverpool 2000.

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diese auch als »open interchange of musical material«87. Das bedeutete jedoch auch, dass die Komponisten wenig Kontrolle über den Aufführungsprozess hatten. Details der Interpretation wie Phrasierung, melodische Verzierung etc. lagen in der Verantwortung der Interpretinnen oder Interpreten. Oftmals kam es nicht einmal zur Probe. Ein größeres Maß an Einfluss des Komponisten war nur möglich, wenn dieser gleichzeitig die Aufführung leitete. Das Komponieren existierte im 18. Jahrhundert noch nicht als eigenständiges Berufsfeld. Es war z. B. ein Aufgabenfeld des Kapellmeisters neben dem eigenen Musizieren und Dirigieren. Da für bestimmte Anlässe komponiert wurde, kam eine Komposition meist nur einmalig oder wenige Male zur Aufführung. Bis Mitte des 18. Jahrhunderts wurden die in Auftrag gegebenen Kompositionen nur in seltenen Fällen gedruckt. Falls Musik publiziert wurde, erschien meist der Gönner bzw. der Anlass auf dem Titelblatt, wie z. B. im Falle von Johann Sebastian Bachs Motetten.88 Musikaliendruck beschränkte sich hauptsächlich auf Noten für die Verwendung im häuslichen Rahmen oder für Lehrzwecke. An die Stelle einer flexiblen Aufführungspraxis mit einem variablen kompositorischen Material trat nun um 1800 die Vorstellung von Musik als Werk, als Produkt eines Schöpfers, der damit seine musikalischen Ideen fixierte: »[M]usical production was now seen as the use of musical material resulting in complete and discrete, original and fixed, personally owned units. These units were musical works.«89 Das Werk war damit Ideenprodukt eines Komponisten, in Gedanken und auf dem Papier, und ›gehörte‹ damit zu allererst ihm selbst. Details der Aufführung leiteten sich nicht mehr aus dem Anlass ab, sondern lagen in seiner Hand. Daran ist ein verändertes Verständnis von Notation gebunden, die nun kompositorische Details festlegte und diese nicht mehr den Interpretinnen und Interpreten überließ. Der Komponist erhielt damit eine neue Autorität, eine neue Macht über seine Tätigkeit: »When composers began to request that their notational instructions for the performance of their music be followed to the mark, they were asserting their new authority in the strongest way they knew how.«90 Wolfgang Amadé Mozart und Joseph Haydn befanden sich noch in einer Übergangsphase des veränderten Berufsbildes vom Kapellmeister zum freischaffenden Komponisten. Sie wirkten den Großteil ihres Lebens in angestellten Positionen. Besonders Joseph Haydn bemühte sich, in Verhandlungen mit Verlagen den Druck seiner Musik zu befördern und 87 Goehr: The Imaginary Museum of Musical Works, S. 182. 88 Ebd., S. 198. 89 Ebd., S. 206. 90 Ebd., S. 224.

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damit Geld zu verdienen. Viele weitere Musiker, wie z. B. Friedrich Kuhlau, Andreas Romberg, Justus Johann Friedrich Dotzauer, Louis Spohr und auch E.T.A. Hoffmann versuchten, sich mit ihren Kompositionen auf einem Markt zu etablieren.91 Beethoven komponierte bereits in dem Bewusstsein, Werke zu schaffen und brachte dieses Selbstverständnis als Komponist auch in Verlagsverhandlungen zum Ausdruck.92 Vor allem seit Mitte des 19. Jahrhunderts bildete die Komposition damit die eigenständige Sphäre der Produktion, der die Phase der Reproduktion nicht nur gegenüberstand, sondern nachgeordnet war. Ein Werk aufzuführen bedeutete, die textlich festgelegten Intentionen des Komponisten zu Gehör zu bringen. Es sollte möglichst in vollständiger, authentischer, ›originaler‹ Fassung wiedergegeben werden. Erst dann galt das Ideal der Autonomie verwirklicht, was wiederum in ein Ideal der Werktreue übersetzt wurde. Der Komponist wurde als höchste Autorität installiert, der sich die ausführenden Musiker und Musikerinnen zu beugen hatten. Damit änderte sich das Verständnis des Interpreten, und auch des Dirigenten, die zu Mediatoren wurden und der Musik nur ein geringes Maß an kreativer Eigenleistung hinzufügen konnten. Der Begriff der »Interpretation« beinhaltet, dass das Primat des Werkes anerkannt wird; die Interpretin oder der Interpret bringt dessen Gehalt und Gestalt lediglich zum Klingen.93 Das Werk musste also aufgeführt werden durch die Interpreten, und hierfür entstand ein bestimmter Raum, nämlich das Konzert als »Realisierungsort autonomer Musik«94. Oder, konkreter formuliert: »Das Konzert entsteht und besteht, damit und weil autonome Musik – und zwar institutionell selbständig – realisiert werden soll.«95 Das Konzert war der Ort, an dem das Musikwerk einer bürgerlichen Öffentlichkeit präsentiert wurde.96 Das heißt, Produktion und Reproduktion fielen auseinander, Reproduktion und Rezeption jedoch zeitlich und räumlich zusammen. Im Sinne einer dritten Instanz war das Publikum notwendig für die vollständige Werkrealisation: Neben den Interpretinnen und Interpreten sollte es das Werk als klingendes Ereignis nachvollziehen. Das Publikum war dabei festgelegt auf die reine Rezeptivität: Es galt, sich mit der ganzen Aufmerksamkeit der Musik zu widmen. Konzentriertes Hören und kontemplatives Versenken waren dafür erforderlich. Erst dann war autonome Musik in ihrer Transzendenz und Bildungsfunktion vollständig 91 92 93 94 95 96

Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 15ff und S. 168ff. Vgl. Goehr: The Imaginary Museum of Musical Works, S. 208. Vgl. Heister: Das Konzert, S. 403. Ebd., S. 42. Ebd., S. 43. Vgl. auch Schleuning: Das 18. Jahrhundert: Der Bürger erhebt sich, S. 101ff.

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verwirklicht. Wilhelm Heinrich Wackenroder beschrieb dieses neue Hören folgendermaßen: Wenn ich in ein Konzert gehe, find’ ich, daß ich immer auf zweierlei Art die Musik genieße. Nur die eine Art des Genusses ist die wahre: sie besteht in der aufmerksamsten Beobachtung der Töne und ihrer Fortschreitung; in der völligen Hingebung der Seele in diesen fortreißenden Strom von Empfindungen; in der Entfernung und Abgezogenheit von jedem störenden Gedanken und von allen fremdartigen sinnlichen Eindrücken. Dieses geizige Einschlürfen der Töne ist mit einer gewissen Anstrengung verbunden, die man nicht allzulange aushält.97

Das Konzertwesen institutionalisierte damit die Vorstellung von autonomer Musik in ihrer Existenz als Werk. Erste Tendenzen in Richtung eines bürgerlichen Konzerwesens mit reiner Musikzentrierung fanden sich bereits im 18. Jahrhundert, so entstand z. B. in Leipzig eine modellhafte Konzertreihe, 1743 als »Großes Konzert« eingerichtet, 1781 als »Gewandhauskonzerte« weitergeführt. Die stetige Institutionalisierung zeichnete sich durch regelmäßige Veranstaltung (meist auch als Abonnement) aus sowie den Eintritt gegen Geld; damit war das Konzert prinzipiell ein öffentlicher Ort und keine geschlossene Gesellschaft, zu der man nur auf Einladung Zugang hatte. Die Trägerschaft der Konzertreihen war meist eine Konzertgesellschaft und vereinsmäßig organisiert. Ähnliche Initiativen wie in Leipzig waren die 1808 etablierte Konzertreihe der »Liebhaber Concerte« in Wien, von Joseph Sonnleithner gegründet, woraus schließlich 1812 die Gesellschaft der Musikfreunde hervorging. Auch die Gründungen der Musikalischen Akademie München 1811, der Philharmonischen Gesellschaft in Berlin 1826, und der Kölner Konzertgesellschaft 1827 sind hier zu nennen.98 Mitte des 19. Jahrhunderts war die Institutionalisierung autonomer Musik weitgehend abgeschlossen und in fast allen größeren deutschen Städten waren Konzertorchester mit Berufsmusikern gegründet worden. 1.2.3. Die Entwicklung eines musikalischen Urheberrechts Aus den Konzepten Werk und Autorschaft leiteten die Komponisten schließlich Rechtsansprüche ab, welche Mitte des 19. Jahrhunderts als »ausschließliche, doch nicht unbefristete Herrschaft des Schöpfers über das Geschaffene«99 in Form eines musikalischen Urheberrechts institutionalisiert wurden. Ein 97 Wilhelm Heinrich Wackenroder an Ludwig Tieck, 5.5.1792, in: Wackenroder: Werke und Briefe, S. 283; vgl. Dahlhaus: Die Idee der absoluten Musik, S. 86. 98 Vgl. Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866, S. 534. 99 Heinrich Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft. Über die Entstehung des Urheberrechts aus dem Geist der Goethezeit, Paderborn u. a. 1981, S. 7.

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Bewusstsein für Autorschaft war bei Komponisten bereits seit dem 15. Jahrhundert vorhanden. Einigen Komponisten im 17. und 18. Jahrhundert wie z. B. Heinrich Schütz und Johann Adolph Hasse war es auch gelungen, ein persönliches Schutzrecht durchzusetzen, das in einer kaiserlichen oder hoheitlichen Schutzurkunde bestand.100 Kern der Urheberrechtsbestrebungen der Komponisten war dabei das Veröffentlichungsrecht und die damit verbundenen Honoraransprüche, die gegenüber einem Verlag geltend gemacht werden konnten. Dieses Veröffentlichungsrecht galt als das »›wertvollste‹ Urheberrecht mit sowohl idellem [sic] wie wirtschaftlichem Gehalt«101. Veröffentlichungs- sowie Nutzungs- oder Verwertungsrechte für Autoren waren am Ende des 18. Jahrhunderts noch nicht gesetzlich verankert. Durch die Genieästhetik und das Konzept des geistigen Eigentums aber erhielten die bereits bestehenden Urheberrechtsbestrebungen einen neuen Schub. Nicht nur materielle Güter sollten als Eigentum gelten, sondern auch immaterielle wie Gedanken und Ideen. Im Kontext der neuen, vom Genie vertretenen Produktionsästhetik waren Ideen der Ausdruck einer schöpferischen Individualität und daher als Eigentum des Autors zu verstehen. Dadurch erlangten die Kunstschaffenden ein neues Selbstbewusstsein, was sich auch ökonomisch niederschlagen sollte. Friedrich Gottlieb Klopstock formulierte diesen Anspruch der Autoren 1773, an den Gewinnen auf dem Buchmarkt beteiligt zu werden: »Meine Absicht ist, zu versuchen, ob es möglich sey, dass die Gelehrten durch so eingerichtete Subscriptionen Eigenthümer ihrer Schriften werden. Denn jetzt sind sie dies nur dem Scheine nach; die Buchhändler sind die wirklichen Eigenthümer, weil ihnen die Gelehrten ihre Schriften, sollen sie anders gedruckt werden, wohl überlassen müssen.«102 England und vor allem Frankreich waren führend in der rechtlichen Umsetzung von Urheberrechten. In Frankreich wurden 1793 in den Gesetzen der Nationalversammlung neben Autoren auch bereits Komponisten berücksichtigt. Nur ihnen selbst war es gestattet, ihre Werke zu verkaufen, und zwar galt dieser Schutz bis zehn Jahre nach dem Tod. Bereits 1810 wurde die Schutzfrist ausgedehnt auf 20 Jahre nach dem Tod des Autors.103 Im deutschsprachigen Raum wurden durch die territoriale Zersplitterung entsprechende Gesetze erst später wirksam. Nach dem Vorbild der französischen bürgerlichen Ver100 Vgl. Thomas Bösche: Art. »Urheberrecht«, in: MGG2S9 (1998), Sp. 1203–1213. Vgl. auch Hansjörg Pohlmann: Zur geschichtlichen Entwicklung des Urheberrechts der Komponisten (ca. 1400–1800): Neue Materialien zu einer Geschichte des musikalischen Urheberrechts, Erlangen 1958, S. 183ff. 101 Bösche: Art. »Urheberrecht«, Sp. 1206. 102 Friedrich Gottlieb Klopstock: Subskriptionsaufruf zur »Deutschen Gelehrtenrepublik« (1773), zitiert nach: Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft, S. 37. 103 Vgl. Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft, S. 8.

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ordnungen des Code Civil setzten die Rheinbundstaaten als erste ein Urheberrecht mit einer Schutzfrist auf Lebenszeit um, zunächst Baden 1806, dann Bayern 1813.104 1815 einigten sich die Staaten des Deutschen Bundes auf eine einheitliche Regelung, die aber erst 1835 in Kraft trat. Schriftsteller und Komponisten beteiligten sich selbst aktiv an diesen Prozessen, v.a. Goethe105, und auch Beethoven wirkte 1827 an einem Gesetzesvorschlag für die Bundesversammlung mit, womit ein Urheberrecht für Komponisten umgesetzt werden sollte.106 Auch Preußen zog nach. 1837 wurden Werke in Wissenschaft und Kunst zunächst bis 10 Jahre, ab 1845 bis 30 Jahre nach dem Tod des Autors urheberrechtlich geschützt.107 In Österreich unterstützte die Gesetzgebung unter Joseph II. noch stark die Rechte der Verleger, der Nachdruck war erlaubt. Zwar wurde unterschieden zwischen inländischen und ausländischen Büchern, letztere durften nachgedruckt werden. Daran wurde jedoch bei den Entwürfen zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) Kritik geübt. Joseph von Sonnenfels, der die Justizreformen maßgeblich beeinflusste, setzte sich darüber mit dem Verleger Johann Thomas von Trattner in Wien auseinander. Auch Franz von Zeiller, der das ABGB formulierte, kritisierte hartnäckig den Nachdruck.108 Ein Urheberrecht gab es im ABGB allerdings noch nicht. Erst im Anschluss an die Entwicklungen in Preußen setzte sich dies in Österreich durch. 1846 wurde das »Allerhöchste Patent vom 19. October 1846 zum Schutze des literarischen und artistischen Eigenthums gegen unbefugte Veröffentlichung, Nachdruck und Nachbildung« als Teil der Justizgesetzsammlung erlassen. Darin wurde den Autoren ein Schutz von 30 Jahren gewährleistet.109 Dieses Patent war bis 1895 wirksam. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Urheberrecht europaweit auf 50 bzw. 70 Jahre nach dem Tod des Autors ausgedehnt. Zuvor gewährte der rechtliche Rahmen den Verlagen für die Verwertung den größeren Schutz. Das sogenannte Privilegienrecht sicherte dem Verlag in einem bestimmten Hoheitsgebiet das Recht zu, ein Werk alleinig zu verlegen. Dazu kaufte er den Komponisten ihre Werke ab zu einem Preis, der Verhandlungssache war. Mit dem Verkauf trat der Komponist alle Rechte ab, und 104 Vgl. ebd., S. 111ff. 105 Vgl. Elmar Wadle: »Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bundes und die preußische Politik«, in: ders. (Hg.): Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bd. 2, München 2003, S. 117–130. 106 Vgl. Bösche: Art. »Urheberrecht«, Sp. 1210. 107 Vgl. Bosse: Autorschaft ist Werkherrschaft, S. 9. 108 Vgl. Michael M. Walter: Österreichisches Urheberrecht: Handbuch, Wien 2008, S. 29. 109 Vgl. Sybille Gerhartl: »Vogelfrei«. Die österreichische Lösung der Urheberrechtsfrage in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts oder warum es Österreich unterließ, seine Autoren zu schützen, Wien: Dipl.-Arb. 1995, S. 12ff.

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am Gewinn wurde er grundsätzlich nicht beteiligt.110 Constanze Mozart wies bereits auf dieses Missverhältnis hin, als sie sich beschwerte, dass die Summe, die sie für eine Komposition verlangte, in keinem Verhältnis zu den Einnahmen stünden, die Breitkopf & Härtel mit dem Verkauf erzielten. Das heißt, ein Komponist konnte höchstens einen guten Preis beim Verkauf seiner Autographe aushandeln. Dies gelang ihm aber nur, wenn er bereits einen Namen hatte und im Musikleben etabliert war. So verkaufte bspw. Haydn 1801 die Jahreszeiten nach ausgedehntem Wettstreit unter den Verlegern für 4500 Gulden an Breitkopf & Härtel;111 Beethoven verlangte für seine 3. Sinfonie 1804 eine Summe von 2000 Gulden.112 Constanze Mozart forderte für ein ungedrucktes Klavierkonzert vergleichsweise wenig, nämlich 5 Dukaten (ca. 25 Gulden) und machte Breitkopf & Härtel immer wieder deutlich, zu welch vorteilhaften Preisen sie damit verhandeln würde. Das zeigt dadurch einerseits, dass sie ökonomisch unerfahren war. Andererseits befand sich Haydn, wie noch zu zeigen sein wird, durch sein breites Renommé in einer vergleichsweise luxuriösen Position gegenüber den Verlagen, die er auch zu nutzen wusste. Aus Constanze Mozarts Korrespondenz erschließt sich andererseits, dass ihr eher an einer dauerhaften Verhandlung mit Breitkopf & Härtel gelegen war, und dass es ihr darum ging, alle Kompositionen zu verkaufen und nicht für einzelne herausragende ein besonders hohes Honorar zu verlangen. Die Werk- bzw. Gesamtausgabe hatte dabei die Funktion, die Autorenposition zu stärken, sowohl ökonomisch als auch ideell. Sie ist daher als wichtiger Punkt im Prozess hin zu einem Urheberrecht anzusehen, welches damit auch die rechtliche Seite eines institutionalisierten Erinnerns über das Werk absicherte. 1.2.4. Kanonisierung Die Musikkultur begann gegen Ende des 18. Jahrhunderts, sich um den Komplex der Werktreue zu organisieren. Das Werk verkörperte eine Vorstellung von Musik als Text: Musik begann, vorrangig als Text, d. h. in schriftlich fixierter Form zu existieren und ihre Bedeutung daraus zu generieren. Werke zeichnen sich aus durch das Prinzip der formalen Geschlossenheit. Sie sollten als geschlossene Einheiten komponiert, aufgeführt und gehört werden. Damit war das Werk wiederholbar: Es konnte als Ganzes und in gleicher Form erneut aufgeführt werden. Die Musik wurde durch ihre Existenz als Werk von der konkreten Aufführungssituation gelöst. Sie war nicht mehr einem spezifi110 Vgl. auch Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 235ff. 111 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 1.7.1801, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 84. 112 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 245.

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schen geschichtlichen Moment verhaftet. Musik konnte damit überhaupt erst historisch werden, denn Werke beziehen »die Perspektive von Geschichte in sich ein. Wiederholte Aufführbarkeit und geschichtliche Dauerhaftigkeit sind im Werk als gewissermaßen inhärente Eigenschaften mitgedacht.«113 Die Prozesse, die ich mit der Entstehung des Werkbegriffs, dem Diskurs um Autorschaft und der Entwicklung des Urheberrechts zu umreißen versucht habe, bildeten die Voraussetzung für die Entstehung eines schriftlich organisierten musikkulturellen Gedächtnisses um 1800, dessen Folge es war, Komponisten und ihre Werke zu erinnern, d. h. ihre Musik zu drucken und zu verbreiten, vielfach und wiederholt aufzuführen, ihnen Biographien zu widmen und ihre Nachlässe als wertvoll zu erachten, diese dazu später in Archiven aufzubewahren und systematisch aufzubereiten. Tendenzen dieser Entwicklung lassen sich aus mediengeschichtlicher Perspektive bereits früher feststellen. Alfred Smudits bezeichnet den Buchdruck im 16. Jahrhundert als Auslöser einer sogenannten grafischen Mediamorphose, die ebendiese Prozesse auslöste: Die Entstehung des Verlagswesens ermöglichte die massenhafte Produktion von Büchern und Noten und die Entstehung eines Arbeitsmarktes für Musiker. Das bedeutete ferner, dass sich Märkte und Verlage zwischen die Kulturschaffenden und Rezipienten schoben, womit Kulturgüter ein Eigenleben jenseits der Schaffenden führen konnten. Damit ging ebenfalls die Professionalisierung des Komponisten einher und es bildete sich mit dem Urheberrecht eine rechtliche Grundlage zur Absicherung ihrer finanziellen Ansprüche.114 Smudits vertritt die These, dass die grafische Mediamorphose erst im 18. Jahrhundert ihre volle Kraft entfaltete, wobei die Erfindung der Lithographie im Jahr 1796 dabei eine besondere Rolle spielte.115 Diese These stützt meine Ausführungen in den vorangehenden Kapiteln. Indem die Vorstellungen von Werk und Autorschaft diese Form eines musikkulturellen Gedächtnis bedingten, wiesen sie dem musikalischen Text und damit der Schrift für die Musikkultur eine zentrale Rolle zu. An dieser Stelle lassen sich Aspekte der Theorie des kulturellen Gedächtnisses einbringen, die Jan Assmann entfaltet hat. Seine Ausführungen beziehen sich vor allem auf die Bedeutung der Schrift für ein kulturelles Gedächtnis, bzw. welche Faktoren die Entstehung eines schriftlich organisierten kulturellen Gedächtnisses kennzeichnen. Er beobachtet bei frühen Schriftkulturen, dass sich beim Übergang eines mündlich tradierten, auf Ritualen basierenden, kommunikativen Gedächtnisses in ein schrifliches, d. h. über Texte organisiertes, kulturelles 113 Heister: Das Konzert, S. 419. 114 Alfred Smudits: Mediamorphosen des Kulturschaffens. Kunst und Kommunikationstechnologien im Wandel, Wien 2002 (Musik und Gesellschaft, 27), S. 109f. 115 Vgl. ebd., S. 106f. Vgl. dazu auch Kapitel 3.4.

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Gedächtnis zunächst eine »Schließung des Textes« vollzieht.116 Er bezeichnet damit also eine Art Schwelle, an welcher der Text als kulturelles Gedächtnismedium eine zentrale Bedeutung erhält. Damit ist die Festlegung auf ein bestimmtes Repertoire an Texten verbunden, was er als Kanonisierung charakterisiert. Die Schriftstücke der ersten Phase der »Schließung des Textes« werden zu Referenzwerken, zu »kanonischen Texten«117. Meines Erachtens stellt die Forcierung des Werkbegriffs in der Musikkultur gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine derartige Schwellensituation dar, womit ein schriftlich organisiertes musikkulturelles Gedächtnis entstehen konnte. Es scheint kein Zufall, dass Jan Assmann diese Kanonisierung auch als »Klassik« bezeichnet.118 Musikwerke dieser Phase werden nachträglich zu kanonisierten Klassikern erklärt. Jan Assmann geht noch einen Schritt weiter, um die kulturelle Bedeutung der Texte zu umschreiben: »Der kanonische Text hat die Hochverbindlichkeit eines Vertrags.«119 Die Bedeutungszuweisung erhält der kanonische Text erst durch ein Kollektiv: »Ein kanonischer Text verkörpert […] die normativen und formativen Werte einer Gemeinschaft, die ›Wahrheit‹.«120 Jan Assmann unterscheidet hier den Text vom Ritus: Während der Ritus direkt wieder in Wirklichkeit umgesetzt werden kann, ist der kanonisierte Text durch seine Geschlossenheit nicht unmittelbar wieder belebbar. Erst wenn ein geschlossenes Werk vorliegt, kann es losgelöst von seiner ersten Aufführung erneut einstudiert und aufgeführt werden. Der Text wird allerdings auslegungsbedürftig, um aufführbar zu bleiben, er wird nicht mehr spontan und situativ belebt. Damit setzt die Wiederbelebung einen Dritten voraus, der den Text wieder lesbar macht: »Kanonische Texte können nur in der Dreiecksbeziehung von Text, Deuter und Hörer ihren Sinn entfalten.«121 Jan Assmann beschreibt den Kanonisierungprozess in enger Verzahnung mit Elitenbildung: »So entstehen überall im Umkreis kanonisierter Überlieferung Institutionen der Interpretation und damit eine neue Klasse intellektueller Eliten […].«122 Kanonisierung ist damit ein Prozess der »sozialen Differenzierung«123, und er kennzeichnet den intellektuellen und politischen Führungsanspruch des Bürgertums, der sich um 1800 herausbildete und womit das Bürgertum im 19. Jahrhundert die Gestaltung des musikkulturellen Gedächtnis einforderte, wofür es anschlie116 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 87. 117 Ebd., S. 94. 118 Ebd., S. 118ff. 119 Ebd., S. 94. 120 Ebd. 121 Ebd. 122 Ebd. 123 Ebd.

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ßend spezielle Institutionen gründete, die sich dieser ›Textpflege‹ inklusive Deutung annahmen. Um 1800, das zeigt die Situation in Wien, waren diese Institutionen noch nicht existent, die diskursiven Vorzeichen von Werk, Autorschaft, ein Bewusstsein über die Bedeutung von Bewahren und Erinnern hingegen schon, wie das Beispiel Constanze Mozart zeigen wird. Die Bedeutung eines Kanons als musikalisches Repertoire ist bereits in der Musikwissenschaft diskutiert worden,124 weniger allerdings aus der Perspektive seiner materiellen und medialen Bedingungen. Die Besonderheit ist, dass die Musik, im Unterschied zum literarischen Text, nicht bloß als Notentext existieren kann. Das musikkulturelle Gedächtnis kann daher auch nicht nur als bloßes Textarchiv existieren. Musik ist immer Werk und Ereignis, und darin liegt auch die Besonderheit des musikkulturellen Gedächtnisses: In der engen Verzahnung von Bewahrung, Deutung und Musikpraxis. In der Bedingung des Ereignisses liegt auch die besondere Kraft der Musik für das, was die kollektives Seite des Gedächtnisses betont. Der ›Übersetzungsprozess‹ in klingende Musik ist immer an lebendige Personen gebunden. Das Konzert wird zelebriert als festliches Ereignis, es kann als Ritual gelten, das Gemeinschaft stiftet. Gemeinsame Werte werden als musikalisches Gedächtnis vergegenwärtigt und versinnlicht. Aleida Assmann unterscheidet als Kennzeichen für die Gestaltung des kulturellen Gedächtnisses im 19. Jahrhundert die Verwissenschaftlichung und die Sakralisierung: »[…] Kunst und Geschichte [treten] in doppelter Gestalt auf: als wissenschaftliche Disziplin einerseits und als Gegenstand von Identitätsbildung und Orientierung andererseits.«125 Beides sind Pole, die für das musikkulturelle Gedächtnis nicht trennscharf sind: Die Verwissenschaftlichung der musikalischen Erinnerungskultur wurde erst am Ende des 19. Jahrhunderts mit der universitären Etablierung der Musikwissenschaft erreicht. Zuvor gründeten die Konzertgesellschaften und Musikvereine Archive und Bibliotheken. Sie widmeten sich also nicht nur der Musikaufführung, sondern stellten Notenmaterial bereit, sammelten Musik und betrieben damit Gedächtnispflege. Zur Sakralisierung sind Konzerte zu rechnen, in denen Musik als Ereignis gefeiert und durchaus sakralen Charakter erhielt, andererseits bspw. Gedenktage und Denkmalsenthüllungen, die Geschichte an einem Ort verankerten und als Fest inszenierten.

124 Vgl. Marcia Citron: Gender and the Musical Canon; vgl. Andreas Dorschel: »Über Kanonisierung«, S. 6–12, und weitere Beiträge im Themenheft »Kanon« der Musiktheorie 21/1 (2006). Im Druck befindet sich ferner Klaus Pietschmann: Der Kanon der Musik: Theorie und Geschichte. Ein Handbuch, München 2012; dies konnte hier allerdings nicht mehr berücksichtigt werden. 125 Aleida Assmann: »Speichern oder Erinnern?«, S. 21.

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In die Konstituierungsphase des musikkulturellen Gedächtnisses um 1800 fallen Constanze Mozarts Aktivitäten. Sie besaß ein Gespür für die große kulturelle Relevanz des musikalischen Nachlasses Wolfgang Amadé Mozarts. Sie trug Sorge um die Autographe, erstellte mit Hilfe Fredrik Samuel Silverstolpes, Georg Nikolaus Nissens und Abbé Maximilian Stadlers eine erste Werkchronologie und bemühte sich um Notendrucke nach Originalmanuskript. Die Vorstellung der Konzepte Autorschaft und Werk, so wird in Constanze Mozarts Korrespondenz mit Breitkopf & Härtel deutlich, bildeten die Basis ihrer Verhandlungen, sorgten aber auch für Zündstoff. Sie beanspruchte gegenüber dem Verlag, als Spezialistin aufzutreten, welche die Authentizität der Werke bezeugen konnte. In dieser Rolle befanden sich um 1800 weder bürgerliche Initiativen noch ausgebildete Musikwissenschaftler, d. h. kein institutionalisiertes musikkulturelles Gedächtnis. Die Rolle des Deuters war noch eine des Zeugen: Constanze Mozart trat als Zeugin auf, die durch ihre Nähe und Bekanntschaft mit dem Komponisten ihre Legitimation begründete. Ein entscheidender Schlüssel dazu ist ihr Selbstverständnis als Witwe. Constanze Mozart handelte als Witwe mit dem Anspruch einer Stellvertreterin des Komponisten. In dieser Funktion konnte sie ihre Handlungen der Nachlassverwaltung legitimieren. Dazu ist es notwendig, in einem nächsten Schritt die Witwenschaft zu thematisieren und Handlungsspielräume von Witwen zu beleuchten. Dazu zählt der Aspekt der Versorgung von Witwen, die eine Stellvertretung oftmals notwendig machte und damit gesellschaftlich akzeptiert war. Darüber hinaus war Frauen als Witwen das Gebot der Trauer auferlegt. Dadurch ergaben sich Zwänge, aber auch Freiräume, wie im folgenden diskutiert werden soll.

1.3. Die Komponistenwitwe als Nachlassverwalterin 1.3.1. Die Praxis der ehelichen Stellvertretung In den Handlungsspielräumen von Witwen lassen sich um 1800 historische Konstanten, aber auch Veränderungen beobachten. Dies wirft die Frage nach Geschlechterverhältnissen auf, woraus sich wiederum bestimmte Normen und Rollenerwartungen für Witwen ableiteten. Diese erschließen sich nur vor dem Hintergrund der Bedeutung der Ehe als zentraler gesellschaftlicher Ordnungkategorie: »Durch die Ordnung von Ehe- und Familienverhältnissen regeln Gesellschaften Erbrecht und Besitz und schaffen so eine Grundlage für ihr ökonomisches System.«126 Die christliche Ehe war dabei seit dem Mittelal126 Martina Bick/Annette Kreutziger-Herr: Art. »Ehe«, in: Kreutziger-Herr/Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, S. 197.

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ter monogam und androzentrisch gedacht. Wie Thomas A. McGinn betont, bedeutet die Analyse der Lebensbedingungen und Aufgaben von Witwen immer eine Auseinandersetzung mit dem Patriarchat, d. h. der institutionalisierten Geschlechtsvormundschaft von Männern über Frauen, die sich in der Ehe manifestierte.127 Das heißt, eine erwachsene Frau war idealerweise verheiratet, womit die Geschlechtsvormundschaft wirksam wurde. Der Stand des Ehemannes inklusive seiner ökonomischen und rechtlichen Situation bestimmte den der Frau. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass eine Witwe eine Frau mit gesellschaftlichem Sonderstatus war, weil sie keiner männlichen Autorität unterstellt war. Dies zeigt sich auch in der etymologischen Bedeutungsverlagerung des Wortes »vidua«. In der römischen Antike trug dieses Wort die neutrale Bedeutung für eine »Frau, die allein lebt«. Seit dem Mittelalter stand das Wort »vidua« ausschließlich für »Witwe« als dem einzig möglichen Typus einer alleinstehenden Frau; ein Zeichen dafür, dass die christlich-monogame Ehe bereits gesellschaftlich wirksam geworden war und Scheidung, Polygynie oder Konkubinat unterdrückt wurden.128 Die Geschlechtsvormundschaft hatte zur Konsequenz, dass der Tod des Ehemannes für die Ehefrau eine besondere Form sozialer Destabilisierung bedeutete, denn es entstand ein ökonomisches und rechtliches ›Vakuum‹ für die Hinterbliebenen. In der Umkehr hieß dies, dass der Tod der Ehefrau die gesellschaftliche Ordnung im Kern nicht berührte und die Trauerphase für Männer nicht die Bewältigung einer sozialen Krise bedeutete. Für Witwen galten daher besondere Regeln, um wieder Stabilität herzustellen. Diese leiteten sich in der frühen Neuzeit bis zu den Umbrüchen um 1800 aus der Praxis der ehelichen Stellvertretung ab, die auch für die Witwenschaft gelten konnte, dass nämlich Frauen in Ausnahmesituationen, in denen keine männliche Vormundschaft gewährleistet war und daher auf die Phase der Witwenschaft zutraf, den Beruf des Ehemanns ausüben konnten und oftmals auch mussten. In der frühen Neuzeit galt das ›Haus‹ als rechtliche Einheit, es war Produktionsstätte und bot allen beteiligten Personen eine Existenzgrundlage: »Im Verständnis der Menschen in der Frühen Neuzeit, gleich, ob Obrigkeiten oder Untertanen, stellte der rechtlich geregelte Herrschaftsraum Haushalt ein ›gemeines Wesen‹ und damit eine ›Öffentlichkeit‹ dar.«129 Dabei galt das »Ehepaar als Arbeitspaar«, wie Heide Wunder betont.130 Im Haus lebten nicht 127 Thomas A. McGinn: Widows and Patriarchy: Ancient and Modern, London 2008, S. 1f. 128 Vgl. Jussen: Der Name der Witwe, S. 36ff. 129 Heide Wunder: »Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit«, in: Ute Gerhard (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 27–54, hier S. 37. 130 Wunder: Er ist die Sonn’, sie ist der Mond, S. 98.

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nur Eltern und Kinder, sondern oft mehrere Generationen, unverheiratete Verwandte, Kostzöglinge, und darüber hinaus Bedienstete und Angestellte. Das Ehepaar stand dem Haushalt als Hausvater bzw. -mutter vor. Als Hausmutter erhielt die Ehefrau Zugang zu Autorität, Herrschaftsfunktionen sowie öffentlichem Handeln. In der Frühen Neuzeit war daher der Aspekt der Stellvertretung ein wichtiger Faktor zur Gewährleistung der finanziellen Existenz und sozialen Absicherung von Familien. Im Handwerk bspw. übernahmen Frauen im Falle der Abwesenheit oder Krankheit des Ehemannes den Betrieb und konnten dabei in einem rechtlich geschützten Raum agieren. Zwar war der soziale Stand durch den Ehemann bestimmt und die Ehefrau dem Ehemann rechtlich untergeordnet, für die gesellschaftlichen Ordnungsaufgaben waren jedoch beide zuständig und auch rechtlich ermächtigt.131 Das heißt, die Ehefrau führte den Haushalt, und musste Aufgaben übernehmen, die sie teilweise auch zu öffentlichem Handeln verpflichteten. Frauen wurden zwar nicht professionell ausgebildet, jedoch vom Vater bzw. Ehemann besonders in Handwerksbetrieben in Produktion und Geschäftsführung angelernt und eingebunden, so dass sie auch stellvertretend in Geschäft und vor Gericht eintreten konnten und mussten.132 Hierfür seien im folgenden einige Beispiele von Musikerfamilien aus dem 18. Jahrhundert und dem biographischen Umfeld Constanze Mozarts gegeben. Anna Maria Mozart (1720–1778) vertrat ihren Mann Leopold Mozart (1719–1787), als dieser mit den Kindern Maria Anna, genannt »Nannerl«, und Wolfgang Amadé auf Reisen war und sie als Wunderkinder in Europa präsentierte. Die Briefe Leopold Mozarts nach Salzburg an seine Frau enthalten immer wieder Anweisungen und Ratschläge, wie sie sich in der geschäftlichen Korrespondenz zu verhalten habe, z. B. im Zusammenhang mit den Verlagskorrespondenzen um die Violinschule, die 1756 erschienen war. Anna Maria Mozart organisierte auch den Vertrieb, sandte Exemplare an verschiedene Buchhandlungen und regelte die Finanzen.133 1777 wollte sich der Sohn als junger Musiker und Komponist jenseits von Salzburg etablieren, erhielt jedoch mit dem Vater keine Reiseerlaubnis vom Dienstherren, dem Salzburger Erzbischof. Daraufhin beantragte Wolfgang Amadé seine Entlassung, um reisen zu können.134 Leopold Mozart blieb jedoch bei seinen Dienstverpflichtungen in Salzburg, und nun kehrte sich die eheliche Stellvertretung sozusagen um: 131 Vgl. Gesa Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit, S. 46f. 132 Vgl. ebd., S. 51. 133 Vgl. Leopold Mozart an Anna Maria Mozart, 7.1.1770 und 18.9.1770, in: B/D I, S. 300 bzw. 390. Vgl. auch Melanie Unseld: Mozarts Frauen. Begegnungen in Musik und Liebe, Reinbek ²2006, S. 20 und 24f. 134 Vgl. Ulrich Konrad: Art. »(Johannes Chrysostomus) Wolfgang Theophilus Mozart«, in: MGG2P12 (2004), Sp. 591–758, hier Sp. 614.

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Anna Maria Mozart begleitete den Sohn auf der Reise über München und Mannheim nach Paris. Inwiefern Anna Maria Mozart musikalische Kenntnisse besaß, ist nicht festzustellen, aber solche sind anzunehmen. Nicht nur im Sinne der Stellvertretung war es für Musiker bei einer Heirat von Bedeutung, dass die Frau musikalisch ausgebildet war, sondern es war im beruflichen Alltag grundsätzlich notwendig. Der Berufsstand des Vaters band Tätigkeiten für viele Familienmitglieder mit ein. Das hieß in der Konsequenz, dass Kenntnisse und Fähigkeiten an Söhne und Töchter weitergegeben wurden, damit diese standesgemäß bzw. im beruflichen Milieu heiraten konnten. So konnten auch die weiblichen Mitglieder einer der berühmtesten Musikerfamilien der frühen Neuzeit, der Bachfamilie, umfassende musikalische Kenntnisse vorweisen. Anna Magdalena Wilcke (1701–1760) war eine angesehene Sängerin, als Johann Sebastian Bach sie 1721 in zweiter Ehe heiratete. Sie begleitete ihn auf Konzertreisen nach Köthen und Weißenfels, wo sie vermutlich weiter als Sängerin auftrat. Außerdem war sie als Notenkopistin tätig, ihre Handschrift ist von der Johann Sebastian Bachs in vielen Abschriften so ähnlich, dass sie nur von Spezialisten unterschieden werden kann. Im 1725 angelegten Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach skizzierte Johann Sebastian erste Melodieentwürfe und notierte eigens für sie komponierte Gesangsstücke. Es finden sich auch Frühfassungen von Instrumentalkompositionen, z. B. Partititen, sowie Kompositionsversuche der Söhne darin. Das Buch zeichnet ein lebendiges Bild der Musikpraxis im Hause Bach. Es zeigt Anna Magdalena, wie Martin Geck hervorhebt, nicht nur als »Helferin ihres Mannes, sondern zugleich Musiklehrerin ihrer Kinder, Sängerin und Cembalistin.«135 Auch Constanze Mozart entstammte einer musikalischen Familie. Ihr Vater Fridolin Weber (1733–1779) war allerdings eher unfreiwillig zur Musik gekommen, als er als Amtmann in Zell im Schwarzwald gekündigt wurde und mit der Familie nach Mannheim übersiedelte. Er war ab 1763 Angestellter der Hofkapelle in Mannheim und als Sänger, Souffleur und Notenkopist tätig.136 Für Musiker boten sich in Mannheim gute Arbeitsbedingungen. Die Mannheimer Hofkapelle hatte sich durch die großzügige Förderung des pfälzischen Kurfürstenpaares Carl Theodor und Elisabeth Augusta zu einem der bedeutendsten Orchester Europas entwickelt. Es bestand aus hervorragend ausgebildeteten, fest angestellten Musikern und kann als erstes modernes Sin135 Martin Geck: Die Bach-Söhne, Reinbek 2003, S. 11. Vgl. auch Melanie Unseld: »Musikerfamilien«, in: dies. (Hg.): Reclams Komponistenlexikon, Stuttgart 2009, S. 405–407 und Maria Hübner: Anna Magdalena Bach. Ein Leben in Dokumenten und Bildern, Leipzig ²2005. 136 Details zur Familie Weber hier und im folgenden: Vgl. Ingeborg Harer: Art. »Weber, Familie«, in: MGG2P17, Sp. 503–506.

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fonieorchester bezeichnet werden. Viele Musiker komponierten eigens für das Orchester, wie z. B. Johann und Carl Stamitz und Christian Cannabich. Sie entwickelten einen neuen Instrumentalstil, der bald als »Mannheimer Schule« gerühmt wurde. Leopold Mozart meinte 1763, »das Orchester ist ohne Widerspruch das Beste in Teutschland«137; auch Wolfgang Amadé Mozart zeigte sich bei seiner Ankunft 1778 beeindruckt.138 Zahlreiche Musikerfamilien siedelten sich in Mannheim an, nicht selten waren die Musiker über Generationen Mitglieder des Orchesters, wie bspw. die Familien Cannabich, Danzi, Grua, Lebrun, Toeschi und Wendling. Die Musikerinnen und Musiker erteilten den Kindern aus anderen Familien Unterricht. Auch wurden Ehen untereinander geschlossen. Franziska Danzi z. B. war Tochter des Hofcellisten Innocenz Danzi. Sie erhielt bei der berühmten Sängerin Dorothea Wendling Gesangsunterricht und erhielt Kompositionsunterricht bei dem Vizekapellmeister Georg Joseph Vogler. 1778 heiratete sie den Hofoboisten Ludwig August Lebrun und feierte auf mehreren Konzertreisen nach Italien und London als Sängerin große Erfolge.139 Auch die Webers sind auch zum Typus der Musikerfamilie zu rechnen. Sie war vor allem auch weit verzweigt: Carl Maria von Weber (1786–1826) war Sohn des Eutiner Hofkapellmeisters Franz Anton Weber (1734–1812), dem Bruder Fridolin Webers, und damit Cousin der Weber-Schwestern. Bei den Mannheimer Webers wurden auch im Sinne der Musikerfamilie die musikalischen Fähigkeiten an alle Familienmitglieder weitergegeben. Die Möglichkeit, im Orchester zu spielen war bei den Webers insofern ausgeschlossen, als es keine männlichen Nachkommen gab. Dennoch gab es die Möglichkeit einer musikalischen Ausbildung, und zwar als Sängerin. Aloisia Weber (1761–1839) erhielt vielleicht Unterricht bei der Sängerin Dorothea Wendling, die ihrerzeit erste Primadonna in Mannheim und eine bekannte Gesangslehrerin war.140 Aloisia und ihre Schwester Josepha (1759–1819) waren professionelle Sängerinnen. Aloisia Weber trug nach dem Tod des Vaters in Wien zum Unterhalt der Familie bei, und feierte bald als Primadonna in ganz Europa Erfolge; Josepha trat vor allem in Wien auf. Wolfgang Amadé Mozart hat für beide zahlreiche Arien komponiert und Opernrollen konzipiert (u. a. für Josepha die Königin der Nacht in der Zauberflöte; diese Rolle sang sie in Wien bis 1801). Die jüngste Weber-Schwester Sophie (1763–1846) war ebenfalls professionell tätig, aller137 Leopold Mozart an Lorenz Hagenauer, Schwetzingen, 19.7.1763, in: B/D I, S. 79. 138 Vgl. Bärbel Pelker: Art. »Mannheimer Schule«, in: MGG2S5 (1996), Sp. 1645–1662. 139 Vgl. Bärbel Pelker: Art. »Franziska Lebrun«, in: Kreutziger-Herr/Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, S. 330. 140 Ursula Mauthe gibt in Mozarts Weberin, Aloysia Weber, verh. Lange, Augsburg 1980, keinen Hinweis auf die Gesangsausbildung. Zu Dorothea Wendling vgl. Bärbel Pelker: Art. »(Maria) Dorothea Wendling«, in: MGG2P17 (2007), Sp. 767–769.

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dings als Schauspielerin, vor allem am Wiener Burgtheater. Über Constanzes musikalische Ausbildung ist nichts überliefert. Dennoch ist diese unbedingt anzunehmen, da sie aus einer Musikerfamilie stammte und damit in Mannheim in einem qualitativ hochwertigen und höchst professionell organisierten musikalischen Umfeld aufwuchs. Sie wird Klavierunterricht erhalten haben. Quellen nach dem Tod ihre Mannes bezeugen, dass sie eine aktive Klavierspielerin war: Sie musizierte regelmäßig mit Fredrik Samuel Silverstolpe am Klavier;141 auch ließ sie sich später ein Steinsches Pianoforte von Wien nach Kopenhagen liefern.142 Sehr wahrscheinlich erhielt sie auch Gesangsunterricht wie ihre Schwestern. Constanze Mozart hatte auf vielfältige Weise an den musikalischen Tätigkeiten ihres Mannes teilgenommen. Wolfgang Amadé komponierte zu Hause, während sie anwesend war; er hatte Schüler, die teilweise als Kostzöglinge im Haus wohnten wie Johann Nepomuk Hummel, dessen musikalische Entwicklung sie mitverfolgen konnte. Die Musik war im Alltag allgegenwärtig. Auch hat Wolfgang Amadé Mozart ihr die Kompositionen vorgespielt, wie sie selbst berichtete, dass »Mozart ihr jede fertiggestellte Oper brachte und sie bat, sie zu lernen.«143 Außerdem komponierte er für sie. Dass viele der Kompositionen fragmentarisch geblieben sind, wie z. B. der Sonatensatz für zwei Klaviere (KV 375c), spricht nicht für die Geringschätzung gegenüber seiner Frau, wie Melanie Unseld betont, sondern für eine hausmusikalische Tätigkeit, die spontan und improvisatorisch erfolgte.144 Womöglich ziemlich spontan komponierte Wolfgang Amadé Mozart 1783 ein Terzett im Wiener Dialekt für Sopran, Tenor und Bass, »Liebes Manndel, wo ist’s Bandel« (KV 441) anlässlich des Besuchs des Prager Musikers Emilian Gottfried von Jacquin in Wien.145 Die Gesangsstimmen waren in der Partitur bezeichnet mit »Constanze«, »Mozart« und »Jacquin«. Dieses Terzett lag Constanze Mozart besonders am Herzen, es bildete später die erste Initiative zu einem Druck von Werken ihres Mannes.146 141 Vgl. Kapitel 2.5. 142 »Mein lieber Nißen lässt mir jetzt eines von Stein aus Wien kommen; allein es wird wohl Frühjahr werden, bis ich es bekomme. Bis dahin muß ich mich schon mit einem Clavichord behelfen […].« Constanze Mozart an Carl Mozart, Kopenhagen, 13.11.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S.74. 143 Nerina Medici di Marignano und Rosemary Hughes (Hg.): Eine Wallfahrt zu Mozart. Die Reisetagebücher von Vincent und Mary Novello aus dem Jahre 1829, Bonn 1959, S. 87. Vgl. auch Unseld: Mozarts Frauen, S. 94. 144 Vgl. Unseld: Mozarts Frauen, S. 94. 145 Vgl. Joachim Steinheuer: »Die Lieder, mehrstimmigen Gesänge, Kanons und Arien«, in: Silke Leopold (Hg.): Mozart Handbuch, Kassel 2005, S. 632–673, hier S. 638. 146 Vgl. Kapitel 3.3.

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Als Sängerin trat sie später auch auf einer Konzertreise 1795/96 vor großem Publikum auf. Dazu wählte sie Arien und Duette aus La Clemenza di Tito, die sie gemeinsam mit ihrer Schwester Aloisia Lange aufführte, und Arien aus der Oper Idomeneo. Diese Arien sind teilweise sehr virtuos und zeigen, dass Constanze Mozart über gute sängerische Fähigkeiten verfügen musste, um diese darbieten zu können. Von Virtuosität zeugen auch die Solfeggien (KV 393), die Wolfgang Amadé Mozart für sie als Gesangsübungen komponierte: Das erste davon ist überschrieben mit »Per la mia cara Costanza«147. Der Ambitus umfasst mehr als drei Oktaven (vom a bis zum c‘‘‘), zahlreiche Sprünge und Sechzehntelketten beweisen eine hohe stimmliche Beweglichkeit Constanze Mozarts. Das Solfeggio Nr. 2 F-Dur148 übernahm Wolfgang Amadé Mozart als Sopransolo des Abschnitts »Christe eleison« ab T. 34 in den Kyrie-Satz der Messe c-Moll (KV 427), die kurz nach der Hochzeit 1782 entstand und fragmentarisch blieb. Teile der Messe wurden anlässlich eines Besuchs des Paares 1783 in Salzburg aufgeführt, und Constanze Mozart sang die Sopranstimme, wie Maria Anna Mozart in ihrem Tagebuch notierte.149 Constanze Mozart begleitete ihren Ehemann auf vielen Reisen. Sie hörte seine Proben und Auftritte und erlebte seinen Austausch mit anderen Komponisten und Musikerinnen. Die Freundschaften bestanden fort nach seinem Tod, sie konnte auf große Unterstützung ihres Umfelds bauen, z. B. von Baron van Swieten oder Franz Xaver und Josepha Duschek. Ihre musikalische Ausbildung und die Kenntnis seiner Kompositionen qualifizierte sie damit auch zu einer stellvertretenden Witwe, als die Frage der Versorgung nach dem Tod Wolfgang Amadé Mozarts äußerst brisant war und es akuten Handlungsbedarf gab. 1.3.2. Stellvertretung und Witwenversorgung Die Praxis der ehelichen Stellvertretung in der frühen Neuzeit hatte Konsequenzen für die Verwitwung, denn damit galt die Witwe als vollgültige Rechtsperson: 147 Faksimile in: MJb (2011), S. 245–248. Weitere Solfeggien in: Wolfgang Amadeus Mozart’s Werke: kritisch durchgesehene Gesammtausgabe, Ser. 24: Supplement Nr. 49, Leipzig: Breitkopf & Härtel, 1885 (Alte Mozart-Ausgabe, AMA). Die Herausgabe in der Neuen Mozart-Ausgabe (NMA) ist geplant (Supplementum, X/31/4). 148 Abgedruckt in: Mozart: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, NMA I/1/Abt. 1/5, Anhang II. 149 Vgl. Hartmut Schick: »Die Geistliche Musik«, in: Leopold (Hg.): Mozart Handbuch, S. 164–274, hier S. 200ff. Vgl. auch die Vorträge von Hartmut Krones: »In welchem Stil schrieb Mozart für Constanze?« und Brigitte Stradiot: »Constanze Mozart als Sängerin – das Sängerprofil damals und heute« bei der Fachtagung zu Constanze Mozart anlässlich ihres 250. Geburtstags im Mozarthaus Wien am 9. Mai 2012, Druck i. Vorb.

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Dieses wirkmächtige Deutungsmuster ehelicher Einheit prägte wesentlich die soziale Aufgabenstellung bei Verwitwung. Verwitweten Frauen und Männern, denen als verbliebener Teil der Einheit Ehe die Funktionen beider Eheleute gemeinsam übertragen wurden, erwuchsen umfassende Stellvertretungsfunktionen. Zugunsten der Fortführung des Haushalts mit seinen Ordnungsaufgaben für das Gemeinwesen wurde die geschlechtshierarchische Wahrnehmung der Geschlechter hintangesetzt. Vorher unmündige Ehefrauen erhielten als Witwen eine rechtliche Selbständigkeit wie nie zuvor.150

Die Witwe war durch die Möglichkeit der Stellvertretung rechts- und geschäftsfähig, was unabdingbar für die Existenzsicherung war. Teilweise wurde ihr auch die Vormundschaft über die unmündigen Kinder übertragen, was jedoch für Österreich nicht zutraf; Constanze Mozart musste einen Vormund für ihre beiden minderjährigen Söhne bestimmen.151 Generell gilt jedoch, dass die Witwe ihr eigenes Vermögen verwalten und den Beruf des Ehemanns ausüben konnte und eben teilweise auch musste, um die Existenz zu sichern. Die unterschiedlichen ökonomischen Voraussetzungen führten zu einem breiten Spektrum von tätigen Witwen in der frühen Neuzeit. Das Phänomen der Stellvertretung bei Verwitwung findet sich in der Frühen Neuzeit quer durch alle Schichten. Weit verbreitet war die Stellvertretung bei Witwenschaft im Bereich des Handwerks. Ein Beispiel ist die Nürnberger Druckerin Katharina Gerlach (um 1520–1592). Frauen waren in Nürnberg als Druckerinnen von Noten und Musikalien vielfach in Erscheinung getreten. 1541 heiratete Katharina Schmid, geb. Bischoff, in zweiter Ehe den Verleger Johann vom Berg, der aus Gent stammte und in Nürnberg eine Druckerei mit Ulrich Neuber betrieb. Katharina Gerlachs Haus wurde der neue Sitz der Druckerei Berg & Neuber. Als ihr Ehemann 1563 starb, übernahm Katharina Gerlach den Betrieb. Ein Jahr später wurde sie im Nürnberger Ämterbüchlein als Druckerin und Eigentümerin der Firma gelistet. Sie verlegte vor allem italienische Musik, Canzonetten und Madrigalbücher und trug zu deren Verbreitung im deutschsprachigen Raum bei. 1565 heiratete sie den Angestellten Dietrich Gerlach. Auch nach dessen Tod 1575 führte sie den Betrieb eigenständig weiter, der schließlich in den Rang einer offiziellen Druckerei des Stadtrats aufstieg und bis 1650 in Familienbesitz blieb.152 150 Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit, S. 47. 151 Vgl. Ogris: Mozart im Familien- und Erbrecht seiner Zeit, S. 124f; vgl. auch Kapitel 2.1. 152 Vgl. Susanne Rode-Breymann: »Wer war Katharina Gerlach? Über den Nutzen der Perspektive kulturellen Handelns«, in: dies. (Hg.): Orte der Musik. Kulturelles Handeln von Frauen in der Stadt, Köln 2007 (Musik – Kultur – Gender, 3), S. 269–285; Marion Fürst: Art. »Katharina Gerlach«, in: Kreutziger-Herr/Unseld (Hg.): Lexikon Musik und Gender, S. 245.

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Besonders für adlige Frauen boten sich durch ihr ökonomisches Kapital in Form von Besitz durch Erbschaft im Falle der Witwenschaft breite Handlungsspielräume. Ihr Witwenstatus war verbunden mit öffentlicher Herrschaft und Repräsentation. Adlige Witwen waren in der frühen Neuzeit, wie Martina Schattkowsky betont, keineswegs eine »marginale Randgruppe«, sondern ein »gewichtiger politischer Machtfaktor« 153. Oftmals handelten adlige Frauen bereits bei der Verheiratung einen Witwensitz aus, dieser wurde im Falle der Verwitwung Ort der Machtausübung. Eine der einflussreichsten adligen Witwen des 18. Jahrhunderts war Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807). Als ihr Ehemann Herzog Ernst August II. 1758 starb, übernahm sie die Regentschaft und konsolidierte den Etat, bis ihr Sohn 1775 mündig wurde. Sie reformierte das Schulwesen und ist vor allem für den Ausbau der Hofbibliothek bekannt, die sie auch der Öffentlichkeit zugänglich machte. In ihrem »Tafelrundenzimmer« veranstaltete sie gesellige Zirkel und Konzerte, an denen Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe, Johann Gottfried Herder und Luise von Göchhausen teilnahmen.154 Auch ließ sie sich als Witwe mit verschiedenen Musikalien porträtieren und inszenierte sich als Förderin der Kunst und der Wissenschaften. Im Festsaal des Schlosses Belvedere in Weimar ließ sie ein Deckengemälde von Apoll und den Musen anfertigen; als »Musenhof« ist ihr Witwensitz in das deutsche nationalkulturelle Gedächtnis eingegangen.155 In vielen Fällen ging Witwenschaft jedoch mit sozialem Abstieg und materieller Not einher, vor allem ergaben sich Probleme, wenn eine Witwe nicht kundig im Beruf des Ehemannes war. Darüber hinaus war die höhere Anzahl von verwitweten Frauen und ihre längere Dauer der Witwenschaft bis ins 20. Jahrhundert gesellschaftliche Realität. Das lag in der Heiratspraxis begründet: Männer heirateten zumeist mit der beruflichen Etablierung. Das durschnittliche männliche Heiratsalter war mit 31 bis 33 Jahren zwischen 1700 bis 1914 153 Martina Schattkowsky: »Einführung«, in: dies. (Hg.): Witwenschaft in der Frühen Neuzeit. Fürstliche und adlige Witwen zwischen Fremd- und Selbstbestimmung, Leipzig 2003 (Schriften zur Sächsischen Geschichte und Volkskunde, 6), S. 11–23, hier S. 29. Die geschichtswissenschaftliche Forschung zu Witwen als Regentinnen, Mäzeninnen etc. in der Frühen Neuzeit ist daher auch bereits sehr umfangreich. Vgl. dazu aktuell die Beiträge der Tagung »Frau und Herrschaft. Fürstliche Witwen in der höfischen Repräsentation in der Frühen Neuzeit« an der Universität Trier, 1./2.7.2011 unter der Leitung von Ulrike Ilg; Tagungsband in Vorb. 154 Vgl. dazu: Gabriele Busch-Salmen/Walter Salmen/Christoph Michel (Hg.): Der Weimarer Musenhof. Dichtung, Musik und Tanz, Gartenkunst, Geselligkeit, Malerei, Stuttgart/ Weimar 1998; Joachim Berger: Anna Amalia von Sachsen-Weimar-Eisenach (1739–1807): Denk- und Handlungsräume einer ›aufgeklärten‹ Herzogin, Heidelberg 2003. 155 Vgl. Georg Bollenbeck: »Weimar«, in: Etienne François/Hagen Schulze (Hg.): Deutsche Erinnerungsorte. Eine Auswahl, München 2005, S. 89–106.

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relativ konstant, und dies auch weitgehend standesunabhängig. Im 18. Jahrhundert waren Frauen durchschnittlich 22 Jahre alt, wenn sie erstmals heirateten.156 Frauen waren damit bei der Heirat einige Jahre jünger als die Männer. Im Falle der Witwenschaft und Wiederverheiratung war der Altersunterschied noch eklatanter. Falls die Ehefrau verstarb, was in Zeiten hoher Geburtenraten und der gleichzeitg hohen Mortalitätsrate im Wochenbett häufig vorkam, heirateten Männer oftmals erneut, um die häusliche Versorgung der Familie zu gewährleisten, meist wiederum eine junge ledige Frau, seltener eine Witwe mit eigenen Kindern. Damit war die häusliche Versorgung des Ehemanns bis ins hohe Alter sichergestellt, daraus resultierte aber im Umkehrschluss eine hohe Zahl verwitweter Frauen. Bei Witwen waren zugleich wesentlich längere Trauerzeiten zu beobachten, und sie gingen in vielen Fällen keine weitere Ehe ein, weil sie schlichtweg schlechte Chancen auf dem Heiratsmarkt hatten. Eine staatlich organisierte Rentenversorgung, die die Witwe mit einschloss, war für die Breite der Bevölkerung bis ins 19. Jahrhundert nicht gewährleistet. Dies bildete ein besonderes Problem für die Menschen in Lohnarbeit. Im Adel und gehobenen Bürgertum war Besitz vorhanden, der über Generationen in der Familie verblieb und die Versorgung der Witwe durch Anteile an der Erbschaft sicherte. Handwerker oder Bauern gewährleisteten über Betrieb bzw. Hof die Versorgung der Hinterbliebenen, was jedoch nicht selten bedeutete, dass die Witwe stellvertretend für den Ehemann tätig werden musste. Für angestellte Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft verkaufen mussten, d. h. unterbäuerliche Schichten, Bedienstete, niedere Beamte und seit der Reformation auch evangelische Geistliche war die Versorgung im Alter ein Problem. Diese Berufsgruppen, zu denen auch Musiker zählten, hatten lediglich den moralischen Anspruch auf ein Gnadengehalt, welches zumeist nur übergangsweise gezahlt wurde und keine lebenslange Alimentation bildete. Dies verschärfte sich im 18. Jahrhundert mit der Industrialisierung und der damit verbundenen sprunghaften Zunahme der Lohnarbeit. Die Errichtung von Witwenkassen in fast allen Berufsgruppen gegen Ende des 18. Jahrhunderts zeigt, dass die Versorgung von Frauen im Witwenstatus als ein gesellschaftliches Problem wahrgenommen wurde und es das Bestreben gab, Mittel und Lösungen zu finden, um Witwen finanziell zu unterstützen.

156 Vgl. Karin Hausen: »›… eine Ulme für das schwankende Efeu‹. Ehepaare im Bildungsbürgertum. Ideale und Wirklichkeiten im späten 18. und 19. Jahrhundert, in: Ute Frevert (Hg.): Bürgerinnen und Bürger, S. 85–117, hier S. 95; vgl. auch Anne-Charlott Trepp: »Emotion und bürgerliche Sinnstiftung oder die Metaphysik des Gefühls: Liebe am Beginn des bürgerlichen Zeitalters«, in: Manfred Hettling/Stefan-Ludwig Hoffmann (Hg.): Der bürgerliche Wertehimmel. Innenansichten des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2000, S. 23–56, hier S. 30.

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Bereits im 16. Jahrhundert etablierten sich Witwenkassen als eine Form »kollektiver Selbsthilfe«157. Diese stellten eine berufsständische Hinterbliebenenversorgung dar mit dem Ziel, »einen standesgemäßen Unterhalt oberhalb des absoluten Minimums der kirchlichen und kommunalen Almosen- und Armenversorgung sicherzustellen.«158 Die Witwenkassen bildeten gleichzeitg den Übergang zwischen Gnadenpension und staatlichem Renten- und Pensionswesen. In der Entwicklung der Witwenkassen lassen sich drei Phasen festmachen: Zunächst entstanden Pfarrwitwenkassen, als erstes 1558 in Kursachsen. Sie wurden aus Stiftungen finanziert und der Beitritt war freiwillig. Teilweise waren diese auch der Aufsicht durch den Landesherrn unterworfen, d. h. einer staatlichen Regulierung.159 Etwas später, zu Beginn des 18. Jahrhunderts, entstanden überall in Europa freie Beamtenwitwenkassen. Diese wurden schließlich in staatliche Beamtenwitwenanstalten überführt. Damit ging die Initiative zur Versorgung der Witwen an den Staat über. Sie wurde an die Altersversorgung der Ehemänner gekoppelt und wie eine Pension kalkuliert. Vorbildcharakter besaßen dafür die Bestrebungen Maria Theresias in Österreich, womit die Beamtenversorgung in ein Pensionssystem mit rechtlichem Anspruch überführt wurde. Die Verwaltungsreformen Josephs II. 1781 setzten diese Tendenz fort, die eine Vereinheitlichung der Leistungen bedeuteten. Pensionsberechtigt waren Staatsbeamte, d. h. Angehörige der Verwaltung und des Militärs. Bei mehr als 40 Dienstjahren wurde Staatsbeamten zwei Drittel des Gehalts gezahlt, unabhängig von sonstigem Vermögen. Als Witwenpension wurde ein Drittel der Besoldung bestimmt. Diese Reform galt Bayern, Baden und Preußen als Vorbild. Auch in Frankreich wurde 1790 eine einheitliche Regelung für staatliche Pensionen durchgesetzt.160 Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde dieses Pensionssystem in die bürgerlichen Verfassungsbestrebungen übernommen und auch auf andere Berufsgruppen ausgeweitet. Die erste Gruppe, die in Österreich in eine staatliche Versorgung einbezogen wurde, waren Arbeiter in Staatsbetrieben wie z. B. im Bergbau, anschließend das Schul- und Verkehrswesen. Wirtschaftsunternehmen nahmen diese Pensionsregelungen zum Vorbild und richteten ab Mitte des 19. Jahrhunderts betriebliche Pensionen ein. Selbständige Witwen- und Waisenkassen auf Beitragsbasis waren jedoch das gesamte 19. Jahrhundert

157 Bernd Wunder: »Pfarrwitwenkassen und Beamtenwitwen. Anstalten vom 16. bis 19. Jahrhundert«, in: Zeitschrift für historische Forschung 12 (1985), S. 429–498, hier S. 493. 158 Ebd., S. 493. 159 Vgl. ebd., S. 494. 160 Vgl. Josef Ehmer: Sozialgeschichte des Alters, Frankfurt a.M. 1990, S. 41f.

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existent. Eine umfassende, gesetzlich verpflichtende Rentenversicherung trat in Deutschland 1881, in Österreich erst 1938 in Kraft.161 Grundsätzlich lässt sich in dieser Entwicklung die folgende Tendenz feststellen: »Das Ziel der [staatlich organisierten] Altersvorsorge war nicht mehr die Sicherung des materiellen Existenzminimums, sondern des erworbenen sozialen Status.«162 Statussicherung ermöglichten die Witwenkassen des 18. Jahrhunderts noch nicht, wie unten am Beispiel der Wiener Witwenund Waisenkasse der Tonkünstlersocietät zu zeigen sein wird. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle: Die Existenzsicherung für Witwen war nur in höheren Schichten gewährleistet, nämlich durch Vermögen und Besitz der Familie. Alle anderen Witwen mussten sich auf eine magere Pension der Witwenkasse verlassen oder die Existenz durch die Fortsetzung des bäuerlichen, kaufmännischen oder handwerklichen Betriebs sichern.163 Auch für Musiker gab es Witwenkassen. Die Wiener Witwen- und Waisenkasse der Tonkünstlersocietät wurde 1771 gegründet. Diese Societät war eine Versorgungskasse für die Hinterbliebenen von Komponisten und Musikern und eine der ersten ihrer Art; 1801 wurden ähnliche Einrichtungen in Berlin und 1803 in Prag gegründet.164 In den Statuten wurde festgelegt, dass zum Beitritt eine Einlage von 150 Gulden sowie ein jährlicher Beitrag von 12 Gulden zu leisten war.165 Die Musiker konnten freiwillig beitreten, um im Todesfall die Versorgung ihrer Frauen und Kinder sicherzustellen. 1771 betrug die jährlich ausbezahlte Pension durchschnittlich 100 Gulden, 1811 war sie auf 250 Gulden gestiegen.166 Im Gründungsjahr bestand der Verein aus 66, 1781 aus 104 Mitgliedern.167

161 Vgl. ebd., S. 92ff, vgl. auch Wunder: »Pfarrwitwenkassen und Beamtenwitwen«, S. 473ff. 162 Ehmer: Sozialgeschichte des Alters, S. 42. 163 Es sind weitere Forschungen notwendig zur finanziellen Situation von Witwen in unterschiedlichen Berufsfeldern in Wien, um die Situation Constanze Mozarts konkreter einordnen zu können. Auszuwerten wären z. B. Steuerbücher, Heiratsverträge, Witwenrechte in Handwerksordnungen, Bitt- und Klageschriften, Listen weiterer Witwenkassen. In der Rechtsgeschichte liegt eine wichtige Unterschung vor: Ellinor Forster thematisiert die Rolle von Eigentum und die Vermögenssituation von Witwen in Wien, d. h. wie diese rechtlich über Eheverträge geregelt war. Ellinor Forster: Handlungsspielräume von Frauen und Männern im österreichischen Eherecht. Geschlechterverhältnisse im 19. Jahrhundert zwischen Rechtsnorm und Rechtspraxis, Diss. Univ. Innsbruck 2008. 164 Vgl. Carl Ferdinand Pohl: Denkschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Tonkünstler-Sozietät, Wien 1871, S. 8. 165 Vgl. ebd., S. 6. 166 Vgl. ebd., S. 29. 167 Vgl. ebd., S. 16.

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Neben Spenden vom Kaiser und Wiener Hochadel wurden zur Finanzierung der Pensionen jährlich vier Akademien als Benefiz- und Wohltätigkeitsveranstaltungen abgehalten, zwei in der Fastenzeit im März, zwei nach Weihnachten. Die Eintrittspreise zu den Akademien waren vergleichsweise niedrig, zwischen 1 und 4 Gulden, so dass darüber hinaus zahlreiche freiwillige Spenden eingegangen sein müssen. Die Akademie-Einnahmen pro Konzert variierten in den 1790er Jahren zwischen ca. 200 Gulden und ca. 2300 Gulden. Zum Vergleich: Wolfgang Amadé Mozart verdiente als »Kammermusicus« bzw. »Kammer-Kompositeur« 800 Gulden im Jahr,168 ein Beamter im Staatsdienst, z. B. ein Hofkanzlist, 400–900 Gulden.169 Die Rente war damit für Witwen von Musikern sehr dürftig. Die oben geschilderten Veränderungen der Musikkultur eröffneten nun neue Perspektiven der Versorgung wie des kulturellen Einflusses von Witwen. Dies war auch bedingt durch das bürgerliche Geschlechtermodell, wie abschließend zu zeigen sein wird. Das Eheverständnis und damit auch das Verständnis von Witwenschaft änderte sich im Zuge der Aufklärung erheblich. Der Wandel zur bürgerlichen und damit kapitalistischen Gesellschaft brachte die Trennung von Haus und Arbeitsstätte mit sich, womit sich eine männliche Erwerbssphäre heraus kristallisierte. Das Haus war nicht länger Produktions- und Arbeitsstätte, sondern gehörte in den Raum der Privatsphäre, und war Ort der Frau und Familie. Dies bedeutete den Wandel vom »Haus«, dessen Bewohnerschaft aus einer Großfamilie inklusive Bediensteten und betrieblichem Personal bestand, hin zur Klein- oder Kernfamilie.170 Zugleich wandelte sich das Eheverständnis von einer Konvenienzehe, die Status und Vermögen sichern sollte, zu einer Liebesverbindung. Soziale Bindungen sollten potenziell frei gewählt werden können und auf Zuneigung basieren, von der Freundschaft bis hin zur Ehe, und Standesgrenzen sollten bei einer Heirat im Idealfall keine Rolle spielen. Nicht länger galt das Arbeitspaar als ideales Ehemodell, das gemeinsam den Haushalt führte, sondern die intime Paarbeziehung des Liebespaars. Dieser 168 Vgl. Mozarts Anstellungsdekret aus dem Jahr 1787 und die entsprechenden Protokolle der kaiserlichen Kabinettskanzlei, in: Otto Erich Deutsch: Mozart. Die Dokumente seines Lebens, Kassel 1961 (NMA X/34), S. 269f. 169 Vgl. Josef Karl Mayr: Wien im Zeitalter Napoleons. Staatsfinanzen, Lebensverhältnisse, Beamte und Militär, Wien 1940, S. 188ff; zu weiteren Berufen vgl. Mary Sue Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna: Aspects of a Developing Musical and Social Institution, Stuyvesant 1989, S. 112ff. 170 Vgl. Ute Frevert: Frauen-Geschichte. Zwischen bürgerlicher Verbesserung und neuer Weiblichkeit, Frankfurt a.M. 1986, S. 15ff, und Ingeborg Weber-Kellermann: Die Familie. Eine Kulturgeschichte der Familie, Frankfurt a.M. 1996.

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Wandel wurde gespeist aus Gefühlsdiskursen der Empfindsamkeit, womit die Liebe bald »auf dem Weg von der Schönen Literatur über die subjektive Erfahrung bis hin zu den zeitgenössischen Lexika an die Spitze bürgerlicher Wertvorstellungen«171 gelangte. Die Vorstellung von Liebe als Basis für die eheliche Verbindung wurde im 19. Jahrhundert vielseitig im Konzept der romantischen Liebe weitergedacht.172 Dies hatte jedoch Konsequenzen für die gesellschaftliche Stellung der Frau. Die Ehe wurde zwar gesellschaftlich aufgewertet, gleichzeitig verschärfte sich darin jedoch die Geschlechterasymmetrie. Sie konnte in der frühen Neuzeit noch ausgehebelt werden: Frauen konnten als Ehefrauen eigenen Besitz haben und verwalten (abgesichert durch das eheliche Güterrecht), Kredite geben, Handel treiben, all dies in der Rolle der Stellvertreterin ihres Ehemannes. Die Abschaffung der feudalen Herrschaft bestimmte allerdings das Verhältnis von Staat und Bürger grundsätzlich neu. Der Ehemann galt nun als Staatsbürger; damit war er ökonomisches und politisches Subjekt. Die Frau hingegen war nicht zur aktiven Staatsbürgerschaft befähigt. Wie Ute Frevert betont, wurde die rechtliche Unmündigkeit der Frau in der bürgerlichen Gesellschaft über die Ehe hergestellt: »Gerade die Ehe aber war der Ort, an dem die natürliche Freiheit und Gleichheit weiblicher und männlicher Menschen von einer sozial und funktional definierten Herrschaft des Mannes über die Frau überlagert wurde.«173 Denn nun war der Ehemann, nicht mehr als Haus-, sondern als Familienvater der rechtliche Vertreter der Frau und der Familie gegenüber dem Staat. Damit verschärfte die bürgerliche Rechtskonstruktion die Geschlechterasymmetrie über die Ehe und stärkte das Patriarchat. Die Hausgemeinschaft verlor ihre Funktion als rechtliche Einheit, und die Geschlechtsvormundschaft konnte nun nicht mehr vorübergehend im Sinne der Stellvertretung ausgesetzt werden. War der Ehefrau sozio-ökonomische Teilhabe durch ihre Stellung in der Hausgemeinschaft zumindest teilweise gestattet, so hatte sie durch die Bürgerrechte, die ihr nicht zugesprochen waren, weder politische noch sozio-ökonomische Eigenständigkeit. Lediglich Formen der Geselligkeit konnte sie sich als neuen Handlungsbereich erschließen.174 Zuvor galt die Ehe als Sakrament und war Zuständigkeitsbereich der Kirche, d. h. ihr oblag die Ehegerichtsbarkeit. Nach den Umbrüchen der Aufklärung und ihren Rechtskodifikationen wurde die Ehe nicht mehr göttlich, sondern 171 Trepp: »Emotion und bürgerliche Sinnstiftung oder die Metaphysik des Gefühls«, S. 54. 172 Vgl. Werner Faulstich: »Die Entstehung von ›Liebe‹ als Kulturmedium im 18. Jahrhundert«, in: ders./Jörn Glasenapp (Hg.): Liebe als Kulturmedium, München 2002, S. 23–56. 173 Frevert: »Bürgerliche Meisterdenker und das Geschlechterverhältnis«, S. 22. 174 Vgl. Claudia Ulbrich: Art. »Ehe«, in: Jaeger (Hg.): Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 3, 2006, S. 38–44.

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staatlich legitimiert. Damit wurde auch das Familienrecht und die Funktion der Ehe und Familie neu definiert. Das Haus verlor seine Funktion als familiäre Versorgungseinheit, womit diese Bedürfnisse ausgelagert wurden: Gerichtsfunktionen, Schutzfunktionen für Alters- und Krankenfürsorge etc. Diese wurden übergreifend organisiert wie etwa in religiösen Gemeinden, Gerichtswesen, Polizei, Krankenhaus, Erziehungswesen und langfristig an den Staat übergeben. Für die rechtliche Eigenständigkeit der Frau hatte dies bedeutende Konsequenzen: Sie war nun rechtlich vollständig an den Ehemann gebunden. So z. B. in Österreich: Das Josephinische Ehepatent, gültig ab 1783, hatte die Hoheit über die Ehegesetzgebung von der Kirche an den Staat übertragen. Das Josephinische Gesetzbuch schuf damit die Basis für ein staatliches Eherecht, das im Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch Österreichs (ABGB) ausgeweitet wurde. Dieses trat 1811 in Kraft. Die geschlechtsspezifische Differenzierung wurde besonders im Familienrecht deutlich: Der Mann war die einzige Einkommensquelle und hatte die Unterhaltspflicht für Frau und Kinder, während sie nicht erwerbstätig sein sollte und die Verpflichtung zur Haushaltsführung hatte. Zwar war eine Gütertrennung über das Ehegüterrecht weiterhin möglich, d. h. die Frau konnte ein eigenes Vermögen haben. Darüber besaß der Mann jedoch das Verwaltungsrecht.175 Das Familienrecht des ABGB inklusive Unterhalts- und Ehegüterrecht basierte damit auf dem bürgerlichen Familien- bzw. Ehemodell und dessen Geschlechterverhältnis. Wie oben bereits geschildert, änderte sich damit in der bürgerlichen Gesellschaft die Form der Witwenversorgung, die durch ein staatliches Pensionssystem übernommen wurde. Die Pensionsansprüche der Witwe leiteten sich aus denen des Ehemannes ab. Hinzu kamen nun die Änderungen durch das sich durchsetzende Urheberrecht und dessen Verwertungsrechte, die sukzessiv über den Tod des Autors ausgedehnt wurden. Damit wurde der Nachlass zum potenziellen Kapital, das für die Witwe ökonomisch von Bedeutung war. Denn die darin enthaltenen urheberrechtlichen Ansprüche konnte sie als Witwe geltend machen. Der ökonomische Aspekt der Stellvertretung bei Witwenschaft, der in der Frühen Neuzeit eine Rolle gespielt hatte, blieb also auf gewisse Weise für die Künstlerwitwe bzw. Komponistenwitwe bestehen. Jenseits der ökonomischen Komponente erhielt der Nachlass von Komponisten, wie oben geschildert, eine ideelle Komponente. Er bot der Witwe die Möglichkeit, über etwas kulturell Wertvolles zu verfügen. Die Witwe erhielt die Möglichkeit der Gestaltung von Erinnerung – ein neuer, mächtiger Handlungsspielraum, der bisher in genderspezifischen Untersuchungen zu 175 Vgl. Oskar Lehner: Familie – Recht – Politik. Die Entwicklung des österreichischen Familienrechts im 19. und 20. Jahrhundert, Wien/New York 1987 (Linzer Universitätsschriften, Monographien, 13), S. 17ff.

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Einflussmöglichkeiten bürgerlicher Frauen wenig Beachtung gefunden hat.176 Im folgenden lässt sich zeigen, dass Witwen durch das Gebot der Trauer bereits seit jeher eine Aufgabe für das Gedächtnis ihres Ehemanns zu erfüllen hatten. Diese konnten sie zur Legitimation ihrer Handlungen als Nachlassverwalterinnen nutzen. Constanze Mozart spielte in diesem Prozess der Umdeutung des Gebots der Trauer in die Möglichkeit der Erinnerung eine besondere Rolle. 1.3.3. Das Gebot der Trauer Wenn die weise Herrscherin Witwe bleibt, gibt es keinen Zweifel, daß sie ihren Teil klagen und weinen wird, so wie es richtiger Treue entspricht. Eine Zeit lang nach dem Gottesdienst und der Beisetzung soll sie sich abschließen, und zwar mit wenig Tageslicht, mit Trauerkleidung und Aufmachung, wie es üblich ist. Nicht vergessen soll sie die Seele des Gatten, für die sie selbst beten soll und sehr fromm mit großer Trauer durch Messen beten lassen soll […]. Diese Erinnerung soll nicht nur eine kurze Zeit dauern, sondern ihr ganzes Leben lang.177 Einer Wittwe ist nichts anständiger, als dass sie es bis ans Ende ihres Lebens bleibe, und den Wittwenstuhl nicht verrücke, ich möchte sagen, neu beschlagen lasse, wenn es juristisch geredet wäre. Ein Weib, das den Rock auszieht, zieht die Schamhaftigkeit aus; und dieses könnte man insbesondere vom Trauerrocke sagen. Hat es nicht einen Mann verloren? und ist dieser Verlust nicht einer ewigen Trauer werth? Die Franzosen des alten Bundes behaupteten, dass ihr König nie stürbe, weil in der Minute seines Todes der Dauphin König wäre. Wittwen! eure Ehemänner sterben noch weniger, wenn ihr sie euch mit immerwährender Lebhaftigkeit darzustellen, sie mit einer Art von Platonischer Liebe euch zurück zu erinnern, und sie in ihren

176 Über bürgerliche Witwen gibt es eine wichtige wissenschaftliche Untersuchung von Ursula Machtemes: Leben zwischen Trauer und Pathos: Bildungsbürgerliche Witwen im 19. Jahrhundert, Osnabrück 2001. Auch das Buch von Irmela Körner: Witwen. Biographien und Lebensentwürfe, Düsseldorf 1997 zeigt an einzelnen Witwenbiographien ihre Tätigkeiten als Nachlassverwalterinnen und beschreibt deren Konfliktpotenzial. Dietmar Grieser: Musen leben länger. Begegnungen mit Dichterwitwen, München, Wien 1981; sowie ders.: In deinem Sinne: Begegnungen mit Künstlerwitwen, München 1985, bietet einen journalistischen Einblick in das Thema. 177 Orig.: »[…] se il avient que la sage princepse demeure veuve, n’est pas doubte qu’elle plaindra et pleurera sa partie sie que bonne foy le donne; se tendra closement meismement un temps aprés le service et obeques, a petite clarté de jour, a piteux et adoulé habit et attour selon l’onneste usage. Si n’obliera pas l’ame de son seigneur, ains en priera et fera prier tres devotement par grant soing en messe […]. Et ne durera pas pou de temps ceste memoire ne ses biensfais, mais tant qu’elle vivra.« in: Christine de Pizan: Le Livre des Trois Vertus I, 22, hg. von Charity Cannon Williard/Eric Hicks, Paris 1989 (Bibliothèque du XVe siècle, 50), S. 82. Übersetzung entnommen aus: Jussen: »Dolor und Memoria«, S. 252.

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Kindern wiederzufinden versteht; und es giebt einen geistigen Umgang, der eine Wittwe zum Engel erhebt.178

Der erste Rat stammt von Christine de Pizan aus dem Jahre 1405 und ist Beispiel eines mittelalterlichen Verhaltenskodex an die Witwe. In ihrem Buch von den drei Tugenden liefert Christine de Pizan eine ausführliche Anleitung zu angemessenem Trauerverhalten. Die Trauer stellt sich an die Witwe als Auftrag. Sie soll Buße für den Verstorbenen tun und für sein Seelenheil beten. Um diese Aufgaben zu erfüllen, ist Isolation erforderlich. Ihren Witwenstatus soll sie demonstrieren, indem sie angemessene Trauerkleidung anlegt. Vor allem aber formuliert Christine de Pizan die Trauer als lebenslange Aufgabe: Die Witwe soll durch Trauer dem verstorbenen Ehemann bestenfalls bis zum eigenen Tod die Treue halten. Das zweite Beispiel stammt von Theodor Gottlieb von Hippel, dessen Abhandlung Über die Ehe 1774 richtungsweisend für das bürgerliche Geschlechterverhältnis wurde. Hier finden sich in den Geboten für Witwen viele Entsprechungen zu Christine de Pizan: Von der »ewigen Trauer« ist die Rede, allerdings steht weniger das Gebet im Vordergrund als eine reine, geistige Liebe, die die Witwe dem Verstorbenen damit beweisen solle. Ihre Trauerkleidung soll bis ans Lebensende nicht abgelegt werden. Wiederheirat wäre nicht nur Verrat, sondern käme dem Ehebruch gleich, wie Hippel an anderer Stelle in Referenz auf Paulus betont. Durch ihre Entsagung und Fähigkeit zum Leiden könnten Witwen außerdem ein Vorbild sein: ›Das ist eine rechte Wittwe,‹ schreibt Paulus an seinen Sohn Timotheus, ›welche einsam ist;‹ und er verordnet, dass, wenn eine Witwe in die Anzahl derer aufgenommen werden wolle, welche die Gemeinde ernähre, sie die Wittwe Eines Mannes seyn müsse. Wie sehr eine Wittwe auf das Mitleiden aller Menschen rechnen könne, beweisen die Stiftungen, die für sie eingerichtet sind: da das Übel, welches sie leiden, ein Gegenstand der Einbildung ist, so wirkt es mehr auf uns, als Krankheit und vieles andere menschliche Elend. Die ganze alte Welt hatte Abscheu vor Weibern, die sich zum zweitenmal verheiratheten […]179

Beide Beispiele zeigen folgendes: Seit dem Mittelalter bis in moderne Gesellschaften bildet Witwenschaft ein Kontinuum, und die Witwe einen »sozialen Typ, der für Trauer und Totensorge zuständig ist.«180 Ihre Aufgabe der Trauerarbeit wird generell auf der Basis von zwei Argumenten legitimiert: Erstens durch das christliche Gebot der Pietät, zweitens durch die Treue. Das Gebot der Trauer an die Witwe hat seinen Ursprung im christlichen Totengedächtnis. Jan Assmann bezeichnet das Totengedächtnis als die ur178 Theodor Gottlieb von Hippel: Über die Ehe, Berlin 41793, S. 450f. 179 Ebd., S. 454. 180 Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit, S. 14.

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sprünglichste Gedächtnisform, da der Tod als Zeitpunkt erfahren wird, an dem Menschen persönlich mit dem Verlust und drohenden Vergessen eines nahestehenden Menschen konfrontiert werden: »Die ursprünglichste Form, gewissermaßen die Ur-Erfahrung jenes Bruchs zwischen Gestern und Heute, in der sich die Entscheidung zwischen Verschwinden und Bewahren stellt, ist der Tod.«181 Ob und auf welche Weise der Tote erinnert wird, ist historisch und kulturell höchst variabel. Entscheidend ist jedoch, dass das Totengedenken als die »Urform« des Erinnerns gelten kann: »Denn es handelt sich hier sicher um Ursprung und Mitte dessen, was Erinnerungskultur heißen soll.«182 In christlichen Kulturen ist, wie bereits erwähnt, die Pietät der Motivator für das Totengedenken. Aleida Assmann nennt die religiöse Dimension des Totengedenkens daher auch Pietas. Der Aspekt der Pietät ist an die Vorstellung des Purgatoriums geknüpft, als Ort, an dem weiterhin Einfluss auf das Schicksal des Verstorbenen genommen werden kann und muss. Neben dem Seelenheil des Verstorbenen ist auch das der Lebenden von der Trauerarbeit abhängig. Es gilt, die Toten zu besänftigen, damit sie nicht als Unglücksbringer zurückkehren und die Ruhe der Lebenden stören.183 Über das Gebet und weitere Rituale wird der Tote in die Gemeinschaft integriert. Dieses Gebot, den Toten zu erinnern, richtet sich in erster Linie an die Hinterbliebenen und damit an die Ehegattin. Der Ort der Erinnerung ist die Familie: »Die Familie ist die paradigmatische Gemeinschaft, die ihre Toten inkorporiert.«184 Der zweite Aspekt betrifft die moralischen Implikationen. Das Gebot der Trauer mit dem Appell an die Treue hatte eine moralische Funktion. Weibliche Witwenschaft war, wie erwähnt, in der patriarchalisch gedachten Ehe eine problematische Kategorie, weil Witwen keiner männlichen Autorität unterstellt waren. Dabei ist festzustellen, dass die Witwentugenden wie Frömmigkeit, Keuschheit, Anspruchslosigkeit generellen Frauentugenden entsprachen, die nach weiblicher Unterordnung verlangten. »Eine Witwe ist wie ein Boot ohne Ruder«, heißt es in einem in China, Portugal, Brasilien, Großbritannien und den USA geläufigen Sprichwort.185 Dieses zeigt damit auch eine transkulturelle Perspektive auf das Thema Witwenschaft. Moralische Appelle waren notwendig, um die mit dem Witwenstand verbundenen rechtlichen und sozio-ökonomischen Freiräume zu kontrollieren. Witwenschaft bedeutete: Die Frau war sexuell erfahren, und im Falle finanzieller Unabhängigkeit stellte ihr

181 Jan Assmann: Das kulturelle Gedächtnis, S. 33. 182 Ebd., S. 61. 183 Vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 38. 184 Aleida Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit, S. 22. 185 Schipper: Heirate nie eine Frau mit großen Füßen, S. 282.

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Machtgewinn eine potenzielle Bedrohung der Geschlechter- und damit der gesellschaftlichen Ordnung dar: Witwen galten […] als machtvolle, sexuell mit eigenen Ansprüchen versehene und durch häusliche Erfahrung selbstbewusst gewordene Frauen, die nicht mehr für die dienende Rolle der Ehefrau geeignet waren und dadurch die eheliche Geschlechterordnung in Unordnung brachten.186

Die vielfachen Entwürfe von Verhaltenskodizes und Witwenspiegeln waren damit nicht nur Ratgeber, sondern fungierten als mahnende sittliche Instanzen. Das Gebot der Trauer aus Gründen der Pietät und der Treue war eine Strategie, um einen zu großen Machtgewinn von Witwen zu bannen. Indem sie aus diesen Gründen als Gebot formuliert wurde, galt die Trauer gesellschaftlich als ein Aufgabenfeld für Frauen. Darüber hinaus war es eines, das streng reguliert und ritualisiert war. Das Gebot der Trauer spiegelte sich auch in Trauerpraktiken wider. Es gab bis ins 20. Jahrhundert hinein strikte Anweisungen für die Trauerphase, die in sogenannten Trauerordnungen festgehalten wurde. Diese waren keine gesetzlichen Vorschriften, aber doch Normen für angemessenes Trauerverhalten. In der frühen Neuzeit wurden die Trauerordnungen vielfach von der Obrigkeit erlassen. Diese differenzierten bei den Trauerzeiten zunächst zwischen den Ständen. So schrieb z. B. der Herzog Amadeus VIII. von Savoyen 1430 eine Trauerzeit für Herzöge von 50 Tagen, für Bürger von 20 Tagen vor; niederen Ständen wie den Handwerkern und Bauern blieb nur die Zeit zwischen Tod und Begräbnis. Die burgundische Hofdame Aliénor von Portier formulierte 1759 in ihren Richtlinien die Trauer eines Jahres für den König, für einen Herzog sechs Wochen.187 Dies beschreibt die Phase der sogenannten ›Volltrauer‹, die vor allem in höheren Schichten mit vollständiger Isolation der Frau verbunden war. Die standesabhängigen Trauerzeiten bezeugen auch, dass Trauer ein Privileg der höheren Schichten war. Grob gesehen galt über die Zeiten hinweg als Zeit der Volltrauer etwa ein Jahr, in diesem waren bestimmte Phasen zu durchlaufen und unterschiedliche Arten von Trauerkleidung anzulegen. Im 17. und 18. Jahrhundert ist vor allem in Frankreich im Zuge der Blüte der höfischen Kultur die Ausdehnung der Trauerzeit festzustellen. Vor allem der Niederadel und bürgerliche Schichten eigneten sich die Repräsentationsmacht des Trauerns an und organisierten luxuriöse Begräbnisse. Im Zuge der vernunftorientierten Aufklärung wurden die Trauerzeiten von reformwilligen Herrschern wieder reduziert, was sich an den zahlreich veröffentlichten

186 Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit, S. 35. 187 Vgl. Jussen: »Dolor und Memoria«, S. 213ff.

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Trauerordnungen im 18. Jahrhundert festellen lässt.188 Lange Trauerzeiten galten als verschwenderisch und wirtschaftlich ineffizient. Hier lohnt ein Blick auf die Trauerordnung Maria Theresias von Österreich aus dem Jahre 1747. Diese untersagte unnütze Kosten und Aufwendungen für das Begräbnis. Die Trauerzeit differenzierte weder ständisch noch per Geschlecht und war auf sechs Monate begrenzt. So wurde befohlen, dass »Erstens: Für Aeltern, auch Groß- und Schwiegerältern, für Mann und Weib, nicht minder von den liberis adoptivis für diejenige, so sie an Kindesstatt angenommen, ingleichen von den Universalerben die Klage länger nicht, als sechs Monate lang zutragen erlaubet seyn.«189 Unterschieden wurde lediglich im Verwandtschaftsgrad, d. h. für Stiefeltern z. B. wurde nur drei Monate getrauert. Für den Zeitraum der »grossen sechs Monatsklage« war aber spezielle Trauerkleidung anzulegen. Hier wurde nach Stand unterschieden, der männliche Adel durfte einen Mantel mit Schleppe tragen. Für die Frauen galt, egal welchen Standes, dass sie nicht mehr als zwei unterschiedliche Trauergewänder haben sollten; hier sollte also übermäßiger Pomp vermieden werden. Das Trauerinterieur sollte ebenfalls reduziert werden, d. h. es wurde untersagt, »die Zimmer schwarz zu spalieren«.190 Hier wurden besonders die Witwen angesprochen, womit geschlechtsspezifische Unterschiede in den Trauerpraktiken zutage treten: Die Einrichtung eines Trauerzimmers inklusive der Isolation hatte offenbar für Frauen gegolten. Für das Staatsoberhaupt galten diese Regeln dennoch nicht: Maria Theresia inszenierte sich selbst nach dem Tod ihres kaiserlichen Gemahls Franz I. Stephan 1765 als Witwe mit allen Registern und praktizierte einen intensiven Trauerkult – ihr gesamtes restliches Leben lang.191 Sie legte ihre Trauerkleidung nicht mehr ab und ließ sich auch in dieser porträtieren. Sie ließ Reliquien anfertigen, z. B. ein Armband mit Haaren ihres Gatten. Ihre Kleidung, aber auch ihr Zimmer und ihre Möbel demonstrierten permanent den Zustand der Trauer. Sie baute die Innsbrucker Hofburg um und verwandelte sein Sterbezimmer in eine Kapelle. Sie gründete ein Stift, worin adlige Damen für die Seele des Verstorbenen beten sollten. Der in Innsbruck errichtete Triumphbogen war ein Liebesdenkmal an ihren Gemahl, so auch der Doppelsarg in 188 Vgl. ebd., S. 203. 189 Supplementum Codicis Austriaci oder chronologische Sammlung aller vom 20. Oktober 1740 als vom Anbeginne der […] Regierung […] Maria Theresiae bis letzten Dezember 1758 […] erlassenen Generalien, Patent-Ordnungen, Satz-Ordnungen […], 5. Teil, Wien 1777, S. 254. 190 Ebd. 191 Vgl. Michael Yonan: Empress Maria Theresa and the Politics of Habsburg Imperial Art, University Park/Pennsylvania 2011; Natascha N. Hoefer: Schwermut und Schönheit. Als die Menschen Trauer trugen, Düsseldorf 2010, S. 136ff.

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der Kapuzinergruft in Wien.192 Maria Theresias Memoria war allgegenwärtig und öffentlich sichtbar – für die höchste Person im Staate galten die Trauergebote mit den Anweisungen zur Mäßigung offensichtlich nicht. Mit seiner aufgeklärten Reformpolitik setzte ihr Sohn Joseph II. allerdings die Reduktion der Rituale fort. Die »Josephinische Begräbnisordnung« von 1784 enthielt die drastische Maßnahme, dass der Verstorbene in einem schlichten wiederverwendbaren Holzsarg aufgebahrt und schließlich in einem Leinentuch vor den Toren der Stadt, ohne Zeremoniell, in einem Massengrab bestattet werden sollte.193 Das bedeutete, die Trauerrituale waren bis auf das Abhalten einer Totenmesse zur Zeit Constanze Mozarts in Wien auf ein Minimum reduziert. Dies führte dazu, dass sie den Sarg ihres Gatten nicht zum Grab begleitete und der Ort seiner Grabstätte nicht bekannt ist, was ihr die Nachwelt lange Zeit nicht nachgesehen hat. Die Begräbnisordnung Joseph II. erregte heftige Proteste und wurde im Anschluss wieder teilweise zurückgenommen. Im 19. Jahrhundert war insgesamt eine gegenläuftige Tendenz mit Verlängerung der Trauerzeiten festzustellen. Dabei variierte die Trauerzeit für Frauen und Männer; für Frauen waren oftmals längere Zeiten vorgesehen.194 Die Trauerzeit hatte dabei auch die Funktion, die bereits erwähnte soziale Destablisierung zu überbrücken, die der Tod des Ehemannes für die Ehefrau bedeutete. Mitte des 19. Jahrhunderts etwa betrug sie für Frauen zweieinhalb Jahre, während es Witwern gestattet war, schon direkt nach dem Tod der Gattin wieder zu heiraten.195 Es gab in adligen Schichten teilweise Trauerzimmer für die Frauen zur Isolation während des Trauerjahres, womit die Trauer von Frauen im Familienkreis und darüber hinaus sozial differenziert wurde. Festzuhalten bleibt, bei der Trauer ist eine »Arbeitsteilung der Geschlechter« zu beobachten.196 Trauer und Witwenschaft waren lange Zeit weiblich codiert. Das bedeutet auch, dass die Antworten auf »Wer erinnert?« und »Wer 192 Diese Informationen verdanke ich dem Vortrag »Maria Theresia von Österreich – die Visualität von Witwenschaft und Memoria« von Kerstin Merkel (Universität Eichstätt) auf der Tagung »Frau und Herrschaft. Fürstliche Witwen in der höfischen Repräsentation in der Frühen Neuzeit« an der Universität Trier, 1./2.7.2011. 193 Vgl. Vollständige Sammlung aller seit dem glorreichen Regierungsantritt Joseph des Zweyten für die k.k. Erbländer ergangenen höchsten Verordnungen und Gesetze, 7 Bde., Wien 1788/89, Bd. 4 (1784), Nr. 496; vgl. Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien, München ²2006, S. 436ff. 194 Vgl. Gisela Ecker: »Trauer zeigen: Inszenierung und die Sorge um den Anderen«, in: dies. (Hg.): Trauer tragen – Trauer zeigen. Inszenierungen der Geschlechter, München 1999, S. 9–26, hier S. 11; Hoefer: Schwermut und Schönheit, S. 203f; Jussen: »Dolor und Memoria«, S. 213ff. 195 Vgl. Hoefer: Schwermut und Schönheit, S. 203f. 196 Ecker: »Trauer zeigen«, S. 11.

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wird erinnert?« eindeutig ausgemacht waren. Trauer bedeutet, dass der Ehemann im Gedächtnis bewahrt wird, Frauen als Witwen sind diejenigen, die Erinnerung lebendig halten. Dies wird nicht nur im Familiengedächtnis relevant, sondern kann auch kollektiv überformt werden, z. B. in Form eines nationalen Gedächtnisses und der Darstellung von Trauer nach Kriegen. Die Männer, die ehrenvoll im Krieg ihr Leben ließen, werden in einer Trauergemeinde von Frauen erinnert, womit die Geschlechtertrennung in »handelnde Männer und trauernde Frauen«197 erfolgt. Das Zurschaustellen von Trauer entsprach dem Konsens des Gebots der Trauer für Frauen, und war gleichzeitig für Witwen eine mächtige kulturelle Ressource. Durch die Darstellung von Trauer konnte sie sich Respekt und Ansehen verdienen. Die Trauerarbeit war ein weibliches Handlungsfeld, das Frauen in rollenkonformem Gewand nicht nur eine stabile Identität, sondern auch ein gehöriges Maß an Einfluss bieten konnte. Trauer und Witwenschaft bildeten nicht nur eine Rolle, die Frauen vorgeschrieben war, sondern die sie auch bewusst ausfüllten und für eigene Interessen nutzen konnten. Somit hat sich mit den Ausdrucksformen von Trauer für die Frauen ein Feld von expressiven Möglichkeiten aufgetan, das von weiblicher Seite bereitwillig und erfindungsreich mit vielerlei Gestalt gefüllt und zu vielen unterschiedlichen Zwecken eingesetzt wird.198

Die Trauer bot damit auch Möglichkeiten der Inszenierung und öffentlichen Selbstdarstellung. Die Begräbnisfeier bspw. war ein Ereignis, zu dem die Witwe ihre Trauer zur Schau stellen und Macht demonstrieren konnte. 1.3.4. Die Möglichkeit, Erinnerung zu gestalten Gegen Ende des 18. Jahrhunderts änderten sich die Handlungsspielräume von Witwen. Um diesen Prozess zu beschreiben, ist noch einmal zur Theorie des kulturellen Gedächtnisses zurück zu kehren. Aleida Assmann stellt der religiösen Dimension des Totengedächtnisses, der Pietas, die das Handeln von Witwen bestimmte, eine weltliche an die Seite, die sie als Fama bezeichnet.199 Der Tote wird nicht erinnert aus Sorge um sein Seelenheil, sondern die Erinnerung zielt auf die Verewigung des Namens aus Gründen des Ruhms, der in die Nachwelt strahlen soll. Damit gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Pietas und Fama: Während erste über Rituale organisiert und damit 197 Aleida Assmann: »Geschlecht und kulturelles Gedächtnis«, in: Freiburger FrauenStudien 19 (2006), Bd. 1: Erinnern und Geschlecht, S. 29–46, hier S. 37. 198 Ecker: »Trauer zeigen«, S. 12. 199 Vgl. Aleida Assmann: Erinnerungsräume, S. 38ff.

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retrospektiv, ist die Fama durch gezielte Interessen für die Nachwelt gekennzeichnet, und damit grundsätzlich auf die Zukunft ausgerichtet. Oder anders gesagt: Im Kontext der Pietas würde mit dem Tod der Witwe auch die Erinnerung an den Ehemann ausgelöscht. Im Kontext der Fama ist die Erinnerung jedoch für die Zukunft gesichert. Dies ist die Gedächtnisform, die Witwen nun ermöglicht wird. Dafür gibt es ein berühmtes antikes Vorbild, dessen Bedeutung allerdings in der christlichen Kultur in den Hintergrund getreten war200 aufgrund der Bedeutung der Pietas: Die Königin Artemisia. Aulus Gellius hat ihre Geschichte in den Attischen Nächten beschrieben. Artemisia war die Ehefrau des Mausolus und konnte dessen Tod nicht verwinden. Sie wollte als Zeichen ihrer leidenschaftlichen Liebe zu seinen Ehren ein Grabmal errichten lassen und rief dafür einen Wettbewerb aus. Als dessen Ergebnis ließ sie das Mausoleum von Halikarnassos, »jenes berühmte Grabmal errichten, welches für würdig erachtet wurde, unter die sieben Wunderwerke der Welt gezählt zu werden.« 201 Artemisia zeigt damit, dass die Trauer im Denkmal zur Fama werden kann: Sie rühmt den Verstorbenen und garantiert ihm die Erinnerung auch über den Tod der Witwe hinaus. Zusätzlich zur Errichtung des Denkmals ließ Artemisia einen Lobpreisungswettstreit abhalten, in dem sich Dichter auszeichnen konnten, die Mausolus in bester Weise huldigten. Dies ist eine weitere Facette der Fama: Das Dichterlob bzw. die Ruhmesrede auf den Verstorbenen. Es lässt sich beobachten, dass die Figur der Artemisia gegen Ende des 18. Jahrhunderts populär wurde. Johann Heinrich Tischbein hat sie beispielsweise 1771 in einer Graphitzeichnung dargestellt (vgl. Abb. 2): Eine in weiß gehüllte Frau hält ihre rechte Hand auf die Urne mit der Asche des Verstorbenen. Die linke Hand wiederum umfasst einen Kelch, was auf ein weiteres Detail des Artemisia-Mythos rekurriert: Angeblich hat Artemisia die Asche in ihr Getränk gegeben und getrunken; hiermit zeigt sich die buchstäbliche ›Inkorporierung‹ der Trauer in der Person der Witwe und präsentiert ein besonders radikales, an Besessenheit grenzendes Verhalten. Auch in einem Frauenjournal von 1797 wird Artemisia mit diesem Brauch vorgestellt: Artemisia, Königin von Carien, Schwester und Gattin des Mausolus, hat sich durch ihre ehliche Zärtlichkeit unsterblich gemacht. – Da ihr Gatte starb, ließ sie ihm ein prächtiges Denkmal errichten, das unter die sieben Wunderwerke der Welt gezählt wurde. – In ganz Griechenland setzte sie beträchtliche Preise für diejenigen aus, 200 Vgl. Helga Meise: »Die Witwe und das Weltwunder. Zum Fortleben der Artemisia im siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert«, in: Ecker (Hg.): Trauer tragen – Trauer zeigen, S. 83–96. 201 Aulus Gellius: Die Attischen Nächte, übersetzt von Fritz Weiss, Bd. 2, Darmstadt 1992 (Nachdr. von 1876), X. Buch, 18. Kapitel, S. 72.

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denen es am besten gelingen würde, auf ihren Gatten eine Leichenrede zu verfertigen. Sie sammelte seine Asche, und vermischte sie mit ihrem täglichen Getränke, damit auf diese Weise ihr noch lebender Leib, seinem verweßten Leichnam zur Grabstätte diente. Nicht lange überlebte Artemisia den Tod ihres Gatten. Sie starb bey dem Grabmal, das sie ihm zu Ehren hatte errichten lassen, im Jahr 351. vor Christi Geburt. Die Nachwelt hat sie an die Spitze der kleinen Zahl der Märtyrerinnen der ehelichen Liebe gesezt.202

Das Motiv der Treue war zwar schon bei Christine de Pizan bedeutsam, wird hier jedoch dezidiert in »eheliche Liebe« umgedeutet. Daran lässt sich paradigmatisch die Veränderung der Geschlechterbeziehung gegen Ende des 18. Jahrhunderts beobachten, die sich in dem oben genannten Zitat Gottlieb Theodor Hippels schon angedeutet hatte, der die Liebe zugunsten des Gebets betonte. Weniger steht nun der Aspekt der Pietät als Motiv der Totensorge für das Handeln von Witwen im Vordergrund, sondern der Aspekt der ehelichen Liebe, der wiederum mit dem Anspruch lebenslanger Treue problemlos vereinbar war. Artemisia verkörpert Ende des 18. Jahrhunderts damit »die neue, ideal eingerichtete Ordnung der Geschlechter.«203 Gleichzeitig wird damit der Zuständigkeitsbereich von Witwen anders diskutiert: Die Aktualität der Artemisia deutet an, dass das Erinnerungsgebot an Witwen im Sinne der Pietät zugunsten der Fama in den Hintergrund treten kann. Damit ist auch der wesentliche Unterschied von Fama zur Pietas benannt: Er besteht in der Materalität. Die Erinnerung muss in Denkmal, Schrift oder ähnlichem externalisiert werden. Ikonographisch lassen sich damit das Bild der Artemisia und ein Gemälde Constanze Mozarts verbinden: Constanze Mozart ließ sich 1802 von dem dänischen Maler Hans Hansen in ihrem Selbstverständnis als Nachlassverwalterin porträtieren (vgl. Abb. 1). Sie hält schützend in der Hand das Insignum des Komponisten: die Partitur. Das Notenkonvolut ist mit »Œuvres de Mozart« betitelt. Diese ersetzt damit die Urne als Symbol für die Erinnerung an den Verstorbenen. Dennoch unterscheidet sich das Bild auch von Artemisia: Constanze Mozart ist nicht als Trauernde dargestellt. Der Blick ist nicht gesenkt und schwermütig, sie schaut stattdessen den Betrachter direkt an. Sie trägt, wie auch Tischbeins Artemisia, keine schwarze Trauerkleidung. Bei Constanze Mozart fehlt allerdings der Schleier. Es ist ein weißes Kleid mit üppigen Falten, aber doch schlicht, was einerseits auf die Ausbildung Hans Hansens in Rom zurück geht und seine klassizistische Orientierung an der Vorbildlichkeit antiker Statuen, die Affinität zu wallenden Gewändern sowie Pastellfarben zeigt. Die Farbe weiß steht gleichzeitig 202 Anonym: »Artemisia«, in: Frauen-Journal: Dem schönen Geschlecht und ihren Gönnern geweiht 2 (Februar 1797), S. 33. 203 Meise: »Die Witwe und das Weltwunder«, S. 94.

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für die Farbe der Braut und damit für Unschuld und Jugendlichkeit, sie könnte Neubeginn und Orientierung in die Zukunft symbolisieren. Eventuell wäre das Weiß damit auch als Betonung der Liebe im Gegensatz zur pietätvollen Trauer zu interpretieren. Auffällig ist außerdem, dass Constanze Mozart nicht an einem spezifischen Ort porträtiert ist. Tischbeins Artemisia hingegen befindet sich offensichtlich im häuslichen Kontext, sie sitzt an einem Tisch in einer Art Nische, ein Vorhang vorne im Bild ist angedeutet. Der Betrachter beobachtet eine Szene der andächtigen, selbstbezogenen Besinnung, die Constanze Mozart hingegen nicht ausstrahlt. Constanze Mozart deutete das Emblem der Trauer (Urne) in ein Emblem der Erinnerung mit kulturellem Wert (Partitur) um. Sie verkörperte damit eine Witwe als Nachlassverwalterin mit dem Anspruch, das Andenken ihres Mannes zu gestalten. Sie weist auf ein neues Konzept von Witwenschaft, das als ›Komponistenwitwe‹ im 19. Jahrhundert konkretere Gestalt annehmen sollte und dem zahlreiche Witwen entsprachen. Constanze Mozart inszenierte sich nach dem Tod ihres Mannes 1791 zunächst als trauernde Witwe. So hieß es im Bericht über ein Konzert in Prag, das zugunsten der Witwe veranstaltet wurde: »Mozarts Witwe und Sohn zerfloßen in Tränen der Erinnerung an ihren Verlust und des Dankes gegen eine edle Nation.«204 In Kapitel 2 wird weiter deutlich werden, welche Voraussetzungen in Wien gegeben waren, dass sie ein Selbstverständnis als erinnernde Witwe entwickelte. Sie bezeichnete sich in Verhandlungen mit Verlagen als Eigentümerin seiner Werke, womit nur sie allein das Recht hätte, diese herauszugeben. Davon würde Breitkopf & Härtel jedoch profitieren, da es die Qualität der Ausgaben garantierte: Als rechtmäßige Verleger, wenn Sie die Werke von der Eigenthümerinn, von der Witwe, erhalten, hat Ihre Unternehmung viel mehr Ansehen, viel mehr werth, viel mehr Anspruch auf Glaubwürdigkeit in Korrektheit und Vollständigkeit, viel mehr Zutrauen, bey Werken die länger, als von heute bis morgen dauern; dieses alles gibt auch mir größere Ansprüche.205

Dieses Eigentum begründete sich aus ihrer Funktion als Stellvertreterin des Komponisten. Der Nachlass sei ihre Erbschaft, woraus diese Rechte abzuleiten seien, wie sie argumentierte: Sie sagen, nur der Componist kann ein Honorar für ungestochene Sachen verlangen, und nur so lange, als er seine Sachen nicht selbst verkauft oder sonst ins Publicum gebracht hat. Aber der Componist wird von seinen Erben vertreten: sein Nachlaß ist ihre Erbschaft. hat er verkauft, fällt alles weg; wenn er sie aber nur sonst 204 Prager Neue Zeitung vom 9(?).2.1794, in: Deutsch: Mozart, S. 411. Vollständiges Zitat vgl. Kapitel 2.2. 205 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.12.1798, in: B/D IV, S. 222f.

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dadurch ins Publikum gebracht hat, daß er sie einigen Freunden mittheilte, woher das Recht, sie herauszugeben? Wer hat ein Recht, Manuscripte drukken zu lassen?206

Mit diesem Selbstbewusstsein trat sie in den Verhandlungen um den musikalischen Nachlass auf, nach welchen auch das Gemälde entstand und damit als Folge ihrer Aktivitäten zu verstehen ist. 1.3.5. Der Einfluss der Witwe auf das kulturelle Gedächtnis Ihr Gebet war erfüllt, ihr Erdenwallen gekrönt – sie konnte ihrem Mozart die Lorbeerkrone überbringen, nachdem ihm seine Mitzeit die Dornenkrone gereicht hatte. Da kam letzten Samstag Mozart’s Statue aus München Abends hier an, und in derselben Nacht starb Constanze; als wäre der steinerne Gast gekommen, sie abzuholen. Es liegt viel Poetisches in diesem Zufalle. Mozart’s Witwe vertrat in seiner Vaterstadt allein seinen Namen; aber an dem Tage, wo sein Standbild hier eintraf, war ihre Mission erfüllt – und sie folgte dem Geiste ihres Mannes nach, um ewig mit ihm zu leben. Die Theilnahme an dem Tode der Etatsräthinn Constanze von Nissen war in Salzburg allgemein – sie war eben die einzige Celebrität, welche unsere Mauer beherbergte; und man bedauerte nur, daß ihr sehnlicher Wunsch, noch das Mozartsfest zu erleben, nicht mehr erfüllt ward. […] So erwies man noch alle letzten Ehren dieser würdigen Frau, welche der Name ihres Mannes mit einer hellen Glorie umgab.207

Dieser Bericht zur Errichtung des Mozart-Denkmals im September 1842 ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Constanze Mozart konnte die Ankunft des Denkmals nicht mehr erleben, da sie am 6. März 1842 gestorben war. Laut Rezensent hat sie jedoch ihren Auftrag als Witwe mehr als erfüllt. Sie allein steht für seinen Namen. Die Wortwahl Lorbeer- vs. Dornenkrone suggeriert, dass nur sie seinen wahren Wert erkannte und dadurch in Salzburg selbst zur Berühmtheit werden konnte. Ihr Wirken galt ihr als »Mission«, die schließlich in ihrem eigenen Tod erfüllt werden konnte. Constanze Mozart wird hier nicht nur mit Respekt bedacht, sondern sie selbst erfährt Erhöhung in ihrem Tod. Eine derart emphatische Beurteilung ihres Wirkens scheint aus heutiger Perspektive deshalb bemerkenswert, weil ihr die Nachwelt vor allem hauptsächlich mit Kritik begegnet ist. Ursula Machtemes betont, dass die respektvolle Begegnung der Witwe gegenüber zunächst nicht überrascht. Die Witwe würde zumeist Achtung und öffentliche Bewunderung für ihre Tätigkeiten von der Mitwelt erfahren. Sie sei sozusagen durch das Pietätsgebot und die legitimierte Trauer geschützt. Dieser ›Schutzmantel‹ falle mit ihrem eigenen 206 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 246f. 207 Josef Mielichhofer, in: Wiener Allgemeine Musik-Zeitung 2/37 (1842), S. 150, in: Rudolph Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal. Eine Dokumentation (bis 1845) zur 150-Jahre-Enthüllungsfeier, Salzburg 1992, S. 116.

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Tod allerdings weg, womit fast immer eine »posthume gesellschaftliche Herabsetzung« verbunden sei.208 Die Witwe erfüllt im Rahmen des Trauergebots ihre Pflicht, der Blick auf ihre Tätigkeiten ändert sich jedoch grundsätzlich nach ihrem eigenen Tod. Erstens äußert sich dieser Konflikt in der Problematik Witwe versus Wissenschaftlichkeit. Die Witwe beansprucht durch ihre Tätigkeiten der Nachlasspflege die Kompetenz der Auswahl und Deutung, die nach ihrem Tod von wissenschaftlichen Instanzen übernommen wird. Ihr Wissen, nicht professionell erworben, gilt als nicht wissenschaftlich und wird daher als dilettantisch disqualifiziert. Aus der Genderperspektive geht es hier um »Bildungswissen contra Leistungswissen«, d. h. um die Konkurrenz zwischen einer »traditionell weiblichen Form des Bildungserwerbs einerseits und moderner Wissenschaft andererseits«209, die im Zuge der Professionalisierung im 19. Jahrhundert eine männliche Domäne wurde. Damit wird der Witwe nicht zugestanden, selbst auf das kulturelle Gedächtnis einzuwirken. Dies beinhaltet großes Konfliktpotenzial. Im Laufe des 19. Jahrhunderts äußert sich dies, wie Machtemes zeigt, vielfach am »Veto der Witwe«, die Position gegen die Wissenschaft bezieht. Das bedeutet, Witwe und Wissenschaft verhandeln und streiten um Deutungsperspektiven und Überlieferungsfragen. Es überrascht daher nicht, dass die besonders heftigen Attacken auf Constanze Mozart aus den wissenschaftlichen Lagern kommen. Der Konflikt wurde nicht zu ihren Lebzeiten ausgetragen, sondern historiographisch. Ein Grund liegt darin, dass die Institutionen der Erinnerung inklusive einer universitären Musikwissenschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht etabliert waren. Die Strategien, die Tätigkeiten Constanze Mozarts zu desavourieren, laufen dabei stets auf eine Verurteilung ihrer Person als Ganzes hinaus: Sie gilt als Mensch mit schlechtem Charakter, als unmusikalisch, ungebildet, berechnend, frivol und triebhaft. Am bürgerlichen Geschlechtermodell gemessen ist sie eine schlechte Haus- und Ehefrau, die der dauernden prekären finanziellen Lage im Hause Mozart nicht angemessen Abhilfe leisten konnte. Im folgenden seien einige Beispiele zusammen gestellt, die ein Zeugnis der historiographischen Kontinuität der Vorwürfe darstellen. Das erste Beispiel stammt aus der dritten Auflage des einflussreichen und breit rezipierten Riemann-Musiklexikons von 1887. Hugo Riemann (1849– 1919) war Professor an der Universität Leipzig, Gründer des dortigen musikwissenschaftlichen Instituts und damit Pionier des Fachs. Im Lexikon schilderte er Constanze Mozart folgendermaßen:

208 Machtemes: Leben zwischen Trauer und Pathos, S. 240. 209 Ebd., S. 182.

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In demselben Jahr verheiratete sich M.[Mozart] mit Konstanze Weber, der Schwester seiner Jugendliebe. Leider war diese eine schlechte Haushälterin, und die Familie befand sich daher ewig in pekuniären Verlegenheiten.210

In den weiteren Auflagen des Lexikons wurde dieses Bild gefestigt und der Wortlaut nicht geändert. So ergänzte der Musikwissenschaftler und Mozartspezialist Alfred Einstein in der 11. Auflage 1929 lediglich einen Nachsatz über Georg Nikolaus Nissen: 1782 verheiratete sich M. mit Konstanze Weber, der Schwester seiner Jugendliebe. Leider war Konstanze eine schlechte Haushälterin, und die Familie befand sich daher ewig in wirtschaftlichen Verlegenheiten. Konstanze überlebte M. und heiratete später G.N. von Nissen.211

Einstein war jüdischer Herkunft und verfasste 1945 im amerikanischen Exil eine Biographie über Mozart. Darin wurde Constanze Mozart mit besonders schlechten Eigenschaften ausgestattet. Einstein entwarf dazu das Bild der Fliege im Bernstein: Lediglich durch Wolfgang Amadé Mozart und sonst völlig unverdient sei sie mit »in die Ewigkeit« genommen worden, d. h. ins kulturelle Gedächtnis eingegangen. Letztlich diente Constanze Mozart als negative Folie dazu, um Mozart in weiteren Teilen des Buches als strahlende Lichtgestalt darzustellen. In folgendem Abschnitt wird die charakterliche Kontrastierung von Wolfgang Amadé und Constanze Mozart deutlich: Wer war Konstanze Weber, verehelichte Mozart? Ihr Ruhm besteht darin, daß Wolfgang Amadeus Mozart sie geliebt hat und damit in die Ewigkeit mitgenommen, so wie der Bernstein die Fliege; aber daraus folgt nicht, daß sie diese Liebe und diesen Ruhm verdient hat. Der Nekrolog Schlichtegrolls schreibt von ihr: ›In Wien verheiratete er sich mit Constanza Weber und fand in ihr eine gute Mutter von zwei mit ihr erzeugten Kindern, und eine würdige Gattin, die ihn noch von manchen Torheiten und Ausschweifungen abzuhalten suchte…‹ War es Scham über soviel Verdrehung der Tatsachen, die Konstanze veranlaßte, diese Stelle in der Grazer Ausgabe des Nekrologs unkenntlich zu machen? Mozart – und Torheiten und Ausschweifungen! Mozart ist mit 37 Jahren gestorben, und er hat dennoch alle Stadien des Lebens durchlaufen, nur schneller als gewöhnlich Sterbliche. Er ist mit dreißig Jahren kindlich und weise zugleich; er vereinigt höchste Schöpferkraft mit höchstem Kunstverstand; er sieht die Dinge des Lebens, und hinter die Dinge des Lebens; er kennt vor seinem Ende das Gefühl der bevorstehenden Vollendung, das darin besteht, daß das Leben jeden Reiz verliert […] ›ich kann Dir meine Empfindungen nicht erklären, es ist eine gewisse Leere – die mir halt wehe thut, – ein gewisses Sehnen, welches nie befriediget wird, folglich nie aufhört – immer fortdauert, ja von Tag zu Tag wächst…‹ Es ist ganz gewiß nicht Sehnsucht nach der

210 Hugo Riemann: Musik-Lexikon, Leipzig 31887, S. 654. 211 Hugo Riemann: Musik-Lexikon, hg. von Alfred Einstein, Berlin 111929.

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Gattin – wie er ihr weiszumachen sucht und vielleicht selber glaubt –, was hinter dieser ›gewissen Leere‹, diesem ›gewissen Sehnen‹ steckt. Es war das Vorgefühl des Todes. Ob das Konstanze verstanden hat? In solche Regionen vermochte sie Mozart nicht zu folgen. Sie war nicht einmal eine gute Hausfrau – niemals hat sie vorgesorgt, und anstatt ihrem Gatten durch äußere Behaglichkeit das Leben und Arbeiten zu erleichtern, hat sie die Bohème dieses Lebens gedankenlos mitgemacht.212

Hermann Abert, der 1923 die Biographie Mozarts von Otto Jahn aus dem Jahr 1856 neu herausgab, bemühte sich um eine differenziertere Sicht auf Constanze Mozart mit dem Vorsatz, kein Urteil über ihre Person fällen zu wollen. Dennoch attestierte er ihr gleichermaßen ein »triebhaftes, elementares Wesen«, wobei er anschließend mit dem Wandel ihrer Persönlichkeit in der zweiten Ehe argumentierte, den Georg Nikolaus Nissen verantwortete: Und Konstanze? Es ist äußerst schwer, von ihrem Wesen zur Zeit ihrer Verlobung und Ehe mit Mozart ein klares Bild zu gewinnen. Die meisten zeitgenössischen Berichte über sie stammen aus ihrer Witwenschaft und zweiten Ehe, als sich ihr Charakter unter dem Einflusse Mozarts und namentlich Nissens erheblich gewandelt hatte. Indessen kann uns eben die Tatsache dieser Wandlung den besten Aufschluß über ihr Wesen geben, das dank der leidigen Sitte mancher Biographen, die Frauen großer Männer schlankweg als Engel oder Teufel hinzustellen, bis auf den heutigen Tag noch nicht voll aufgeklärt ist. Sittenzeugnisse auszustellen gehört aber nicht zum Amt des Historikers; er hat sich einfach an die Tatsachen zu halten, und deren Gewebe liegt auch in Konstanzes Fall viel zu verwickelt, als daß man ihr ganzes Wesen mit einer mehr oder weniger schlechten Note abtun könnte. Gewiß hatte sie an der allgemeinen sittlichen Entartung ihrer Familie ihren angemessenen Anteil. Diese bestand vor allem in einem gänzlichen Mangel an innerer Zucht, an Sittlichkeit in höherem Maße. Statt dessen herrschte bei den Weberschen ein triebhaftes, elementares Wesen, das nur ein Ziel, den nächsten äußeren Vorteil kannte. […] Derartige schwankenden Charaktere aber einfach als schlecht zu bezeichnen, geht doch nicht an, denn es fehlt ihnen zum Bösen die Energie so gut wie zum Guten; wohl aber pflegen sie sich in enger Anpassung an ihrer jewilige Umgebung weiter zu entwickeln. Dafür ist gerade Konstanze ein besonders schlagendes Beispiel. Es ist außer Frage, daß sie als Mozarts Braut, unter dem Einflusse der Mutter, eine richtige ›Weberische‹ in Leopolds Sinne war. Gewiß hat sie ihn geliebt, wenn auch auf ihre, triebhaft-sinnliche Art und ohne jede Ahnung von den sittlichen Grundlagen ihrer künftigen Ehe. In den neun Jahren ihrer Ehe mit Mozart begann sich jedoch ihr Charakter unter dem Einflusse seiner Persönlichkeit merklich zu wandeln. […] Eine weitere eigentümliche Wandlung ihres Charakters erfolgte in ihrer zweiten Ehe mit Nissen. Dieser ehrenwerte, pedantische Durch212 Alfred Einstein: Mozart, Frankfurt a.M. 2005 (orig. 1945), S. 81f. Vgl. auch Gesa Finke: »Mozart als Lichtgestalt. Alfred Einstein, Nationalsozialismus und Biographik«, in: Annette Kreutziger-Herr (Hg.): Mozart im Blick. Inszenierungen, Bilder und Diskurse, Köln 2007 (Musik – Kultur – Gender, 4), S. 78–92.

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schnittsmensch brachte ihr, was ihr bisher zeitlebens gefehlt hatte: den inneren Halt, den solchen schwankenden Naturen allein eine stramme äußere Zucht und Ordnung zu gewähren vermag. War im Mozartschen Haushalt alles drunter und drüber gegangen, so erscheint Konstanze nunmehr im Nissenschen als eine geradezu musterhafte Hausfrau von peinlicher Gewissenhaftigkeit, die alle Fäden ihres Hauswesens in der Hand hält. Wäre Konstanze Mozart auch nur halb so geschäftskundig und wirtschaftlich gewesen, wie Konstanze Nissen sich in ihrem Tagebuch offenbart, so wären Mozart viel Sorgen und Elend erspart geblieben.213

Arthur Schurig, seines Zeichens ebenfalls Mozartbiograph, hielt Constanze Mozart vor allem die Vernichtung von Dokumenten vor, welche die Konsequenz ihrer »Engherzigkeit und Rachsucht« sei, die sie gegenüber Leopold Mozart empfunden hätte. Hiermit knüpft der Biograph an die Abneigung an, die bereits Leopold Mozart ihr gegenüber angeblich entgegen gebracht hätte. Auch dies ist ein konstantes Motiv in der Mozart-Biographik: 1828 veröffentlichte die Witwe Mozart die langjährige Sammelarbeit ihres am 24. März 1826 verstorbenen zweiten Gatten […]. Otto Jahn sagt von diesem Werke seines Vorgängers, es sei ›ungenießbar und müsse erst bearbeitet werden, um lesbar zu werden‹. Merkwürdigerweise ist eine solche Bearbeitung niemals geschehen, so daß Nissens Buch nach wie vor zu den biographischen Hauptquellen gerechnet werden muß. Ein Neudruck (ohne die zahlreichen Briefe der Mozarts) wäre wünschenswert. Leider hat der emsige Sammler das reiche Material, das ihm zu Gebote stand, nur einseitig benutzt. Konstanzen zuliebe verschweigt er gar manchen bedeutsamen Umstand. Ja, man kann ihm den schweren Vorwurf kaum ersparen, daß er wichtige Quellen zur Mozart-Biographie nicht gerettet hat, obwohl das gewiß in seiner Macht gestanden hätte. Oder hat die Witwe Mozart alle die Dokumente, die sie aus gewissen Gründen der Vergessenheit überliefert wissen wollte, erst nach Nissens Tod vernichtet? So fehlen uns viele Briefe Leopold Mozarts aus den Jahren 1781 bis 1787, das heißt von der Zeit ab, da Konstanze im Leben des Meisters ihre unselige Rolle zu spielen begann, bis zum Tode ihres Schwiegervaters. Konstanzes Engherzigkeit und Rachsucht, nicht aber, wie man ausgesprengt hat, lächerliche Rücksicht auf das ›Freimaurertum‹ von Vater und Sohn, ist schuld an der Vernichtung eines wichtigen Teiles von Wolfgangs Nachlaß.214

Der Schriftsteller und Essayist Wolfgang Hildesheimer zielte 1977 darauf ab, eine neue Sichtweise auf Wolfgang Amadé Mozart zu bieten. Das Bild Constanze Mozarts blieb jedoch das gleiche, wieder mit dem Vorwurf der Triebhaftigkeit:

213 Hermann Abert: W.A. Mozart, neubearbeitete und erweiterte Ausgabe von Otto Jahns Mozart, 1. Teil, Leipzig 1923, S. 990ff. 214 Arthur Schurig: Wolfgang Amadé Mozart. Sein Leben, seine Persönlichkeit, sein Werk, Leipzig 1923, Bd. 1, S. 12f.

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Constanze war eine leichtlebige, dabei triebhafte Natur, sie gewährte Mozart – und vielleicht nicht nur ihm – erotische, zumindest sexuelle Befriedigung, wäre aber unfähig gewesen, ihm jenes Glück zu spenden, dessen ein Geringerer zu seiner Selbstverwirklichung bedurft hätte.215

Die Vorwürfe bleiben auch bei Francis Carr 1986 dieselben, indem er ebenfalls auf die Geringschätzung Constanze Mozarts durch Leopold Mozart hinwies: Aber im Falle von Mozarts Werbung, Verlobung und Heirat müssen wir auch ein wenig Mitleid mit dem Vater Leopold haben, der ganz und gar dagegen war […]. Mozart hatte auf seine Umgebung schon immer höchst kritisch reagiert. […] Und selbst bei seiner zukünftigen Ehefrau macht er keine Ausnahme, wenn er sie seinem Vater gegenüber beschreibt als ›nicht hässlich, aber auch nicht schön […], sie hat gesunden Menschenverstand genug.‹ Für sich betrachtet würde man das als halbherzige Empfehlung für eine Bedienstete gerade noch hingehen lassen. […] Ein so geistreicher, charmanter und attraktiver Mann hätte sich wohl in die reichste und schönste junge Dame der Hauptstadt verlieben können.216

Besonders schwer wiegt der Vorwurf der Fälschung und Vernichtung von Dokumenten. Er ist nicht nur Thema in der Biographik, sondern vor allem auch in den wissenschaftlichen Quellensammlungen zu Wolfgang Amadé Mozart. Aus Perspektive der etablierten kritisch-philologischen Methoden wurden vor allem Constanze Mozarts biographischen Tätigkeiten als fehlerbehaftet, fälschend und ungenügend bewertet. Dieser Vorwurf bezog sich aber auch allgemein auf den Umgang mit dem Nachlass. Wilhelm Hitzig veröffentlichte 1928 zahlreiche Dokumente für den Verlag Breitkopf & Härtel, womit er Position für den Verlag und gegen Constanze Mozart bezog.217 Hitzig schrieb, dass sich aus der Korrespondenz Constanze Mozarts mit Breitkopf & Härtel »das Bild einer geradezu unglaublichen Verwirrung, eines unglaublichen Durcheinanders, einer manchmal absichtlichen Verschleierung, das Bild übelsten Betrugs und gewerbsmäßiger Fälschung in allen Fragen, die mit dem künstlerischen Nachlaß Mozarts zusammenhängen«218 ergeben würde. Indem Otto Erich Deutsch, Herausgeber der Gesamtausgabe der Mozart-Briefe, dieses Zitat im Kommentarband anführte, nahm er ebenfalls eine Herabsetzung der Tätigkeiten Constanze Mozarts vor. Er unterstellte ihr ein ausschließlich finanzielles Interesse an dem Nachlass. Dabei wird die Schwester Wolfgang Amadé Mozarts, Maria Anna »Nannerl« Mozart als positives Gegenbild angeführt: 215 Wolfgang Hildesheimer: Mozart, Frankfurt a.M. 1977, S. 253. 216 Francis Carr: Mozart und Constanze, Stuttgart 1986, S. 56f. 217 Wilhelm Hitzig: »Die Briefe Franz Xaver Niemetscheks und der Marianne Mozart an B+H«, in: Der Bär. Jahrbuch von Breitkopf & Härtel auf das Jahr 1928, S. 101ff. 218 B/D VI, S. 452.

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Nannerls rückhaltlose Bereitschaft hinsichtlich der Mitteilung von in ihren Händen befindlichen Gegenständen und Kompositionen Mozarts sticht von dem in erster Linie von taktischen und finanziellen Erwägungen bestimmten Verhalten Constanzes auffällig ab.219

Eva Rieger hat dazu konstatiert, dass während der Verhandlungen die Anforderungen der eigenen Versorgungsleistung an die Schwägerinnen völlig unterschiedlich waren: »Constanze fordert, Nannerl bittet. Constanze handelt als Geschäftsfrau, Nannerl hat nie in finanziellen Dingen eigenständig handeln dürfen, blieb als Ehefrau wie als Witwe finanziell abgesichert und erwartet keine Entschädigung. Sie ist stets ehrerbietig und voller Demut […]«220 Auch dem meiner Einleitung vorangestellten Eintrag Constanze Mozarts in das Stammbuch ihres Ehemannes, dass er in Europa unvergessen bleiben sollte, wird ihr von den Herausgebern der Briefausgabe vorgeworfen, sie hätte diesen nicht direkt am Todestag vorgenommen, sondern später nachgetragen, da sie diese Sätze einem früheren Eintrag von 1787 hinzugefügt hatte: »Daß die schwülstige Nachschrift Constanzes tatsächlich vom Todestag Mozarts stammt, darf bezweifelt werden; und sicher deuten die Worte »dieß jahres« (Z. 6) eher auf eine spätere Eintragung unter Rückdatierung hin.«221 In dieser Formulierung bleibt das allerdings Spekulation. Hätte Constanze Mozart diese Worte tatsächlich später nachgetragen, wäre zu fragen, ob sie dies tat, eben weil sie erst einige Jahre nach Wolfgang Amadé Mozarts Tod ein Verständnis als erinnernde Witwe mit der Verantwortung für den Nachlass entwickelt hatte. In Kapitel 2 wird deutlich, dass dies durchaus plausibel wäre und sogar für eine spätere Eintragung in das Stammbuch sprechen würde. In dieser Formulierung der Herausgeber wird jedoch einmal mehr an Constanze Mozart der Vorwurf der Fälschung gerichtet. Es lässt sich beobachten, dass das Bild Constanze Mozarts immer da besonders negativ ist, wo das Kanonisierungsinteresse an Mozart als Genie groß ist, d. h. je positiver Wolfgang Amadé Mozart dargestellt wird, desto düsterer wird Constanze Mozart gezeichnet. Es fällt allerdings auf, dass die Wissenschaftler, die sich mit Quellen über Constanze Mozart befasst haben, teilweise nachträglich ein milderes Urteil gefällt haben. So gesteht Arthur Schurig 1922 im Vorwort zu seiner Ausgabe der Briefe Constanze Mozarts ein: Als ich meine eben erwähnte Mozart-Biographie schrieb, kannte ich diese Materialien leider noch nicht, und so habe ich inzwischen meine Meinung über Frau Konstanze erheblich zu ihren Gunsten ändern müssen, was ich gern eingestehe. 219 B/D VI, S. 485. 220 Eva Rieger: Nannerl Mozart. Leben einer Künstlerin im 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1992, S. 248. 221 B/D VI, S. 430.

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Eine bedeutende Frau war sie nicht. […] Im Grunde aber ist Konstanze immer die gleiche geblieben: als Mademoiselle Weber, als Frau Musikus Mozart, als Frau Etatsrätin v. Nissen. Sie pflegte sich den Umständen, ihrem Führer und dessen Maximen, triebmäßig und echt weiblich, anzupassen. Und als sie im Alter von 63 Jahren zum zweitenmal Witwe ward, zeigen sich in ihrer nunmehrigen Selbständigkeit ihre Haupteigenschaften, durch die lange Lebenserfahrung vielleicht etwas geläutert, ganz deutlich: Wirtschaftlichkeit, ungemeine Hochachtung vor der Konvenienz, Anhänglichkeit, Familiensinn – und tüchtige Selbstliebe. […]222

Das Urteil über ihren Charakter ist erst in den 1980er Jahren in der Mozartforschung problematisiert worden. Gleichermaßen wurden seither auch weibliche Geschlechterstereotypen der Muse, des Sexualobjekts oder der umsorgenden Ehefrau enttarnt, so vor allem von Volkmar Braunbehrens, Ingeborg Harer, Ulrich Konrad, Elisabeth Höllerer und Melanie Unseld.223 Constanze Mozarts eigenständiger Verdienst um den Nachlass wurde dennoch bisher nicht umfassend untersucht. »Die Trauer als weiblicher Handlungsraum ist aus dem kulturellen Gedächtnis getilgt.«224 Diese Feststellung ist auszudehnen auf die Witwe als Nachlassverwalterin im Dienst des Erinnerns: Sie hat bisher keinen Platz im kulturellen Gedächtnis erhalten. Dafür gab es Versuche der Würdigung jenseits der Wissenschaft. Einige Schriftstellerinnen haben sich bemüht, Constanze Mozarts Perspektive einzunehmen in tagebuchartigen Romanen und Selbstschilderungen wie etwa von Isabelle Duquesnoy oder Lea Singer,225 die betonen, dass sie auf historischen Quellen basieren und damit auf ihre Weise versuchen, ein Korrektiv zur einseitig negativen Darstellung zu bilden. Dass sich die Perspektive auf die Tätigkeiten Constanze Mozarts verändert, wenn man kulturelle Überlieferung und den Aufbau eines kulturellen Gedächtnisses als aktive Handlungen versteht, sollte deutlich geworden sein. Verlust stets mit bewusstem Vernichten gleichzusetzen, erscheint dabei als vorschneller Schluss. Viele Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit kulturelle Überlieferung stattfindet; sie ist grundsätzlich eine fragile Angelegenheit. Der Fall Constanze Mozart zeigt, wie viele unterschiedliche Faktoren eine 222 Arthur Schurig: Vorwort, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. Xf. 223 Volkmar Braunbehrens: Mozart in Wien, München 1986, München ²2006, S. 342ff; Ingeborg Harer: Art. »(Maria) Constanze Weber«, in: MGG2P17 (2007), Sp. 504–505; Konrad: Art. »(Johannes Chrysostomus) Wolfgang Theophilus Mozart«, Sp. 628; Elisabeth Höllerer: Art. »Constanze Mozart«, in: Gernot Gruber/Joachim Brügge (Hg.): Mozart-Lexikon, Laaber 2005 (Das Mozart-Handbuch, 6), S. 450–454; Unseld: Mozarts Frauen, S. 83ff und S. 169ff. 224 Meise: »Die Witwe und das Weltwunder«, S. 94. 225 Isabelle Duquesnoy: Das Tagebuch der Constanze Mozart. Roman, Berlin 2007; Lea Singer: Das nackte Leben. Roman, München 2005.

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Rolle spielen, dass die Entscheidung zur Aufbewahrung von Material und dem bewussten Erinnern erfolgt. Diese Entscheidung ist vor allem auch eine individuelle, die vor den institutionellen Voraussetzungen zu fällen ist. Der Normalfall ist nicht das Bewahren, sondern der Verlust, und damit das Vergessen. Aleida Assmann fasst dies folgendermaßen zusammen: Es lohnt sich, das Phänomen kultureller Überlieferung einmal nicht als automatische und selbstverständliche Tatsache, sondern als etwas durch und durch ›Unwahrscheinliches‹ zu betrachten. Unwahrscheinlich nicht nur aufgrund permanent drohender Akte einer willentlichen Zerstörung durch Zensur und Vernichtung, bzw. aufgrund von Ereignissen einer unwillentlichen Zerstörung durch Wasser oder Feuer, sondern unwahrscheinlich in dem Sinne, dass viele Handlungen und Tätigkeiten sowie bestimmte institutionelle Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit sich überhaupt materielle Spuren aus der Vergangenheit für die Nachwelt erhalten.226

226 Vgl. Aleida Assmann: »Kanon und Archiv«, S. 21.

2. Bedingungen und Kontexte: Constanze Mozarts Selbstverständnis als Witwe

2.1. Herausforderungen: Existenzsicherung und Versorgung Constanze Mozart war den überwiegenden Teil ihres Lebens die Witwe Wolfgang Amadé Mozarts. 1782 hatte sie ihn im Alter von 20 Jahren in Wien geheiratet. Während ihrer Ehe war sie stets an seiner Seite und erfuhr die Höhen und Tiefen eines unsteten Musikerlebens: Sie erlebte seine Hoffnungen auf eine Festanstellung, die sich lange nicht erfüllten, Auftritte bei Akademien mit eigens komponierten Klavierkonzerten, mit denen er große Summen Geld verdiente, seine Opernerfolge in Wien, Prag und anderen europäischen Städten, wohin sie mit ihm reiste. Eine eigene Karriere als Sängerin wie ihre Schwestern verfolgte sie nicht. Im Jahr 1783 trat sie in Salzburg auf, wo sie die Sopranpartie der von ihrem Mann komponierten Messe c-Moll (KV 427) sang.1 Belegt ist ein ausgelassener, geselliger Lebensstil des Paares in Wien, wobei die zeitweisen finanziellen Sorgen ein Problem der überschüssigen Ausgaben und nicht der mangelnden Einnahmen waren.2 Sechs Kinder wurden geboren, wovon zwei das Erwachsenenalter erreichten: Carl Thomas kam 1784 zur Welt, Franz Xaver im Juli 1791, wenige Monate vor dem Tod seines Vaters. Wolfgang Amadé Mozart verstarb am 5. Dezember 1791 in Wien. Ihre Witwenschaft als »Witwe Mozart« umfasste insgesamt 50 Jahre. Constanze Mozart heiratete ein weiteres Mal 1809, den dänischen Legationsrat Georg Nikolaus Nissen, der ihr bei den vielfältigen Tätigkeiten als Nachlassverwalterin seit 1797 zur Seite gestanden hatte und auch sein eigenes Leben in den Dienst des Andenkens Wolfgang Amadé Mozarts stellte. Ihre Korrespondenz unterzeichnete sie regelmäßig als »Constanze Etatsräthin von Nissen gewesene Wittwe Mozart«3, welches ihr Selbstverständnis als Witwe im Dienst der Erinnerung betonte. Die frühe Phase ihrer Witwenschaft war geprägt von existenziellen Sorgen, da sie Schulden zu begleichen hatte. Ihre ersten Aktivitäten beinhalteten Konzerte mit Werken Wolfgang Amadé Mozarts, womit sie ihre finanzielle Situation bessern und sich bald rehabilitieren konnte. Erst einige Jahre später, 1798, starteten die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel und damit das ›nachhaltige‹ Erinnern. 1 Vgl. Unseld: Mozarts Frauen, S. 96. 2 Vgl. Günther G. Bauer: Mozart. Geld, Ruhm und Ehre, Bad Honnef 2009, S. 15ff. 3 Constanze Mozart an Abbé Maximilian Stadler, Salzburg, 31.5.1827, in: B/D IV, S. 492.

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Bedingungen und Kontexte

Als Wolfgang Amadé Mozart starb, war Constanze Mozarts finanzielle Lage prekär. Noch an seinem Todestag, dem 5. Dezember 1791, erschien der Sperrscommissionär in ihrem Haus in Wien, um den Todesfall aufzunehmen und den Nachlass zu sperren. Diese Sperrung wurde grundsätzlich vorgenommen, um die Erben rechtmäßig einzusetzen und eventuelle Gläubiger zufrieden zu stellen. Wolfgang Amadé Mozart hatte kein Testament verfasst, daher trat die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Laut Erbfolgepatent von 1786 fiel die Erbschaft an die Söhne, Constanze Mozart blieb lediglich das Nutzungsrecht an einem Teil des Nachlasses.4 Zunächst durften jedoch die Gläubiger ihre Ansprüche anmelden. Dafür wurde der Nachlass inventarisiert. Es ergab sich folgendes Bild: Ein Vermögen im Wert von 592 Gulden lag vor, allerdings waren davon nur 60 Gulden Bargeld, der Rest Möbel, Hausrat und Bücher, sowie 133 Gulden ausstehendes Gehalt, das Wolfgang Amadé Mozart noch nicht erhalten hatte. Als unbeglichene Schulden wurde im Nachlassverzeichnis die Summe von 800 Gulden genannt.5 Darüber hinaus war das Begräbnis zu organisieren, was der befreundete Baron van Swieten tat, und welches er vermutlich auch bezahlte.6 Am 17. Februar 1792 wurde ein offizielles »Gläubiger-Einberuffungsedikt« erlassen, womit die Gläubiger ihre Ansprüche anmelden konnten. Es meldete sich lediglich ein Gläubiger namens Dr. von Rößler für 1500 Gulden. Außerdem wurde ein Verzeichnis offener Rechnungen im Umfang von 918 Gulden vorgelegt, die vor allem Ausgaben an Schneider, Schuster und Apotheker betrafen.7 Interessanterweise meldeten die zwei Hauptgläubiger, Michael Puchberg und Karl Fürst Lichnowsky, keine Ansprüche an, obwohl diese zusätzlich jeweils ca. 1500 Gulden betrugen.8 Es gab also akuten finanziellen Handlungsbedarf. Kurz vor dem Einberufungsedikt im Februar 1792 hatte sich König Friedrich Wilhelm II. von Preußen bereit erklärt, Constanze Mozart acht Werke abzukaufen, mit einem Erlös von 100 Dukaten pro Stück, was ihre finanzielle Lage etwas verbesserte.9 Auch die Einnahme durch das Requiem war von Bedeutung. Die Totenmesse war ein Kompositionsauftrag, den Wolfgang Amadé Mozart wenige Wochen vor seinem Tod durch den Grafen Walsegg von Stuppach erhalten hatte. Dieser wollte es zum Gedächtnis seiner verstorbenen Frau aufführen lassen. Wolfgang Amadé Mozart konnte es vor seinem Tod nicht mehr vollenden, und Constanze Mozart beschloss, das unvollständige Werk fertig stellen 4 5 6 7 8 9

Vgl. Werner Ogris: Mozart im Familien- und Erbrecht seiner Zeit, Wien 1999, S. 121. Vgl. ebd., S. 113. Vgl. ebd., S. 103. Vgl. ebd., S. 126f. Vgl. ebd., S. 132ff. Vgl. Deutsch: Mozart, S. 386.

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zu lassen. Es hatte Vorauszahlungen gegeben, denen sie entgegenkommen musste, so dass sie die Verpflichtung zu einer vollständigen Lieferung hatte. Das restliche Honorar des Bestellers betrug 25 Dukaten. Zunächst wandte sie sich an Joseph Eybler, einem Schüler Wolfgang Amadé Mozarts, sowie an Abbé Maximilian Stadler, die jedoch ablehnten. Schließlich übernahm Franz Xaver Süßmayr, ebenfalls Schüler, die Instrumentierung der unvollständigen Sätze sowie die Komposition der noch fehlenden Teile. Lieferungstermin des Requiems sollte zur Fastenzeit sein.10 Friedrich Wilhelm II. erhielt in seiner Sammlung an Mozart-Werken über den Gesandten in Wien am 4. März 1792 auch eine Abschrift des Requiems für 100 Dukaten bzw. 450 Gulden. Zu diesem Zeitpunkt war die Arbeit daran also abgeschlossen. Direkt nach dem Tod Wolfgang Amadé Mozarts gab es Benefizveranstaltungen zugunsten der Witwe, die der finanziellen Notlage Abhilfe verschaffen sollten. In einem Auszug aller europäischen Zeitungen, der in Wien am 10. Dezember 1791 erschien, hieß es: Den 10ten Dezember haben die braven und erkenntlichen Direktoren des Wiedner Theaters für den großen Tonkünstler Mozart in der Pfarre bey St. Michael feierliche Exequien halten lassen, und man hört, daß Baron v. S** [Swieten] die Erziehung und Versorgung eines seiner Kinder übernommen. Wenn es wahr ist, so ist dem Kinde Glück zu wünschen, – daß es einen so edlen und so weisen Vater bekommen. Wer nur einige von den vielen Handlungen dies vernünftigen Menschenfreundes kennt, und sonach überzeugt ist, – wie gut, wie zwekmäßig er anzuwenden weiß, was er nothleidenden Menschen zuwendet, der muß sich dieser seiner Entschließung freuen. – Noch einmal, zur Ehre der Wiener sey es prophezeihet: – Mozarts Wittwe und Kinder werden zu Wien nicht darben!11

Knapp drei Wochen nach Wolfgang Amadé Mozarts Tod, am 23. Dezember 1791, gab es eine Akademie im Nationaltheater in Wien, deren Erlös an die Witwe gehen sollte.12 Einer Anekdote des späteren Biographen Wolfgang Amadé Mozarts, Franz Xaver Niemetschek, zufolge riet der Kaiser Constanze Mozart zu dieser Akademie und sagte ihr Unterstützung zu: »›Wenn es so ist‹, sagte der Monarch, ›da ist wohl Rath zu schaffen. Geben Sie ein Concert von seinen hinterlassenen Werken, und ich will es unterstützen.‹«13 10 Vgl. Christoph Wolff: Mozarts Requiem. Geschichte, Musik, Dokumente, Kassel 52006, S. 30ff. 11 Vgl. Cliff Eisen: Mozart. Die Dokumente seines Lebens. Addenda. Neue Folge, Kassel 1997 (NMA X/31,2), S. 75. 12 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 379. 13 Franz Xaver Niemetschek: Ich kannte Mozart. Die einzige Biografie von einem Augenzeugen, hg. und kommentiert von Jost Perfahl, München 2005 (Nachdruck der Ausgabe Prag 1798 inkl. Kennzeichnung der Zusätze der 2. Aufl. 1808), S. 56, vgl. auch Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 581.

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Am 28. Dezember 1791 gab es auch in Prag eine »Academie zugunsten der Witwe und den Kindern«, woraus ein Erlös von 1500 Gulden hervorging.14 Diese wurde von der Prager Bürgerschaft organisiert, wie Niemetschek berichtete: »[…] den 28. Dezember 1791 unternahm eine Gesellschaft wahrer Verehrer des Verstorbenen, zur Unterstützung der hinterlassenen Waisen und der Wittwe ein öffentliches Konzert im Nationaltheater […] Das Theater war voll, und die Einnahme beträchtlich.«15 In Prag war bereits am 14. Dezember eine Totenmesse abgehalten worden, in der auch Josepha Duschek gesungen hatte.16 Zur Aufführung des Requiems im Januar 1793 wurde betont, dass die Witwe auf die Unterstützung vieler Wohltäter hoffen konnte. Baron van Swieten veranstaltete die Aufführung, als Erlös wird die beträchtliche Summe von 300 Golddukaten genannt.17 Niemetschek resümiert für die Akademien: »In allen musikalischen Akademien, die der Wittwe jährlich zu ihrem Besten zugestanden werden, ist das Haus voll, und die Einnahme gut.«18 Dass die Schulden damit sukzessiv beglichen werden konnten bedeutete noch nicht, dass finanziell langfristig ausgesorgt war. Eine regelmäßige Pension stand Constanze Mozart nicht in Aussicht. Wolfgang Amadé Mozart hatte am 11. Februar 1785 einen Antrag zur Aufnahme in die Witwen- und Waisenkasse der Tonkünstlersocietät gestellt, über den jedoch nicht entschieden wurde, weil er den verlangten Taufschein nicht vorgelegt hatte.19 Bis zu seinem Tod wurde die Aufnahme nicht bestätigt. Das bedeutete, dass Constanze Mozart nach seinem Tod nicht auf Unterstützung durch die Societät hoffen konnte. Sie erhielt auf ihre Anfrage vom Verein eine offizielle Absage. 20 Aus dieser Perspektive überrascht es nicht, dass sie sehr bald aktiv wurde und es auch blieb. Sie stellte daraufhin ein Pensionsgesuch beim Kaiser, das am 12. März 1792 bewilligt wurde und ihr eine jährliche Summe von 266 Gulden, 40 Kreuzer garantierte. Diese wurde als ein Drittel von 800 Gulden errechnet, welches dem Gehalt von Wolfgang Amadé Mozarts Anstellung als Kammerkompositeur entsprach.21 Die bei Hofe angestellten Musiker hatten Beamtenstatus und waren damit auch pensionsberechtigt. Mit der Begründung, dass Wolfgang Amadé Mozart nicht die erforderlichen zehn Jahre im Dienst war, 14 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 377 und S. 379. 15 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 53f, vgl. auch Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 578. 16 Vgl. Eisen: Mozart. Die Dokumente seines Lebens. Addenda, S. 77. 17 Vgl. Magyar Hirmondó vom 4.1.1793, in: Deutsch: Mozart, S. 409. Vgl. auch Kapitel 2.2. 18 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 54. 19 Vgl. Pohl: Denkschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Tonkünstler-Sozietät, S. 17; Deutsch: Mozart, S. 209. 20 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 385. 21 Vgl. ebd., S. 269f, 378 und 390.

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um pensionsberechtigt zu sein, war damit die Pension ein »Gnadengehalt«, in der Begründung hieß es weiter: »Der verstorbene Kammerkompositor sei in die Hofdienste aufgenommen worden, damit ein Künstler von so seltenem Genie nicht bemüßigt werde, sein Brod im Auslande zu suchen. Es wäre demnach wider das Ansehen des höchsten Hofes, die Witwe dieses Mannes dem Bettelstabe zu überlassen.«22 Die Pension lag damit wesentlich höher, als die Versorgung durch die Societät gewesen wäre.23 Dennoch konnte sie damit nicht einmal die Kosten der Miete decken, die in ihrer Wiener Wohnung im »Kleinen Kaiserhaus« in der heutigen Rauhensteingasse 330 Gulden jährlich betrug.24 Neben der finanziellen Komponente war auch die Zukunft der Söhne ungewiss. Als minderjährige rechtmäßige Erben benötigten sie einen Vormund. Constanze Mozart war als Witwe nicht zur Vormundschaft berechtigt. Dazu wurde Michael Puchberg bestimmt.25 Baron van Swieten, der Constanze Mozart in vielfacher Hinsicht unterstützte, setzte sich für die Versorgung der Söhne ein. Der ältere Sohn Carl, 1784 geboren, wurde 1794 auf Veranlassung van Swietens nach Prag zu Franz Xaver Niemetschek gegeben.26 Dort war für Kost und Logis gesorgt, und er wurde von Niemetschek, der Gymnasialprofessor war, unterrichtet, ebenso von dem Komponisten und Pianisten Franz Xaver Duschek.27 In der Biographie Niemetscheks, dem Constanze Mozart dafür ausführlich Auskunft gab, heißt es zur Rolle van Swietens: »Dieser vortrefliche über alles Lob erhabene Mann blieb stets ein wahrer Freund Mozarts, und ist nun Vater seinen hinterlassenen Waisen.«28 Carl Mozart schilderte selbst viele Jahre später, dass ziemlich bald nach seiner Übersiedlung nach Prag feststand, dass nicht er, sondern sein jüngerer Bruder Franz Xaver den musikalischen Weg einschlagen sollte. 29 Constanze Mozart bemühte sich im Januar 1800 um Vermittlung Carls durch den Verleger Johann Anton André bezüglich einer Anzeige um eine Stelle im »Handlungsgeschäfte« in Hanau. Sie schrieb: »Ich möchte, mit seiner Einwilligung, einen 22 Auszug aus der Begründung des Obersthofmeisters Fürst Georg Adam von Starhemberg, Wien, 12.3.1792, in: ebd., S. 389. 23 Vgl. Pohl: Denkschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Tonkünstler-Sozietät, S. 29. Vgl. auch Kapitel 1.3.2. 24 Vgl. Bauer: Mozart. Geld, Ruhm und Ehre, S. 83f. 25 Ogris: Mozart im Familien- und Erbrecht seiner Zeit, S. 124f. 26 Vgl. Walter Hummel: W.A. Mozarts Söhne, Kassel 1956, S. 17; Prager Zeitung vom 9.4.1794, in: Deutsch: Mozart, S. 412. 27 Vgl. auch Hummel: W.A. Mozarts Söhne, S. 17f. 28 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 47. 29 Carl Mozart an Adolph Popelka vom 4. März 1856, in: Hummel: W.A. Mozarts Söhne, S. 18.

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Kaufmann aus ihm machen.«30 Carl Mozart war bereits seit 1800 zur kaufmännischen Lehre in der toskanischen Hafenstadt Livorno. Constanze Mozart begegnete seinem späteren Entschluss, sich 1806 (also mit 22 Jahren) doch der Musik zu widmen, mit Skepsis, akzeptierte jedoch seine Entscheidung: Dein Wunsch ist und bleibt auch der meine; nur bitte ich Dich, gehe mit Verstand, wie es einem Menschen in Deinem Alter zukömmt, zu Wercke! Ich wußte längst, daß Dir die Musique nicht gleichgültig sein oder bleiben könnte. Ob Du aber darinnen so fleißig warst oder sein wirst, wie Du es sein solltest, weiß ich nicht; dies mußt Du besser wißen als ich. Ich überlaße dahero alles Deiner Einsicht, und will Dir auch gewiß nicht abrathen; nur erinnere Dich stets meiner so herzlich Lehren, nämlich: daß keiner von Mozarts Söhnen mittelmäßig sein darf, um sich nicht mehr Schande als Ehre zu machen. Hast Du dieses alles überlegt, und findest Dich zu diesem schweren Fache gewachsen, so bin ich es ganz zufrieden. Sey also fleißig, doppelt fleißig! Überdies muß ich Dir sagen, daß Du an Deinem Bruder einen starken Revalen hast, dem wirs freulich nicht gestehen, um ihn nicht stolz zu machen und um seinen Fleiß zu vermehren. In der That würde es mir wehe thuen, einen Bruder über den andern geschätzt zu sehen. Seid Ihr aber alle beide brav und groß, so wird meine Freude auch umso größer sein.31

Constanze Mozart unterstützte ihn in der Suche nach einem Kompositionslehrer. Sie plante, mit Johann Simon Mayr in Bergamo Kontakt aufzunehmen, den sie aus Wien kannte.32 Joseph Haydn schrieb, womöglich auf Bitten Constanze Mozarts, einen Empfehlungsbrief an Bonifazio Asioli, Musikpädagoge und Kapellmeister am Konservatorium in Mailand, bei dem Carl schließlich Unterricht nahm.33 Constanze Mozart schickte Notendrucke und Partituren, und auch Geld zu seiner Unterstützung.34 Ihrer Bitte, eigene Kompositionen zu senden, kam er scheinbar nicht nach: Wie gehet es denn mit Deinen musiquegalischen [sic] Studien? Mir scheint, daß Du mehr Herz zum Handeln als zur Musique hast, weil Du noch so gerne schachern möchtest. Warum bekomme ich denn nie von Deinem Werke etwas zu sehen, so Du mir doch versprochen hast?35

Im September 1808 schrieb Constanze Mozart mahnend an Carl nach Mailand, er solle nach Wien zurückkehren, wo die Kompositionslehrer viel besser 30 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 15.1.1800, in: B/D IV, S. 307. 31 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 5.3.1806, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 29. 32 Vgl. Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 23.8.1806, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 34. 33 Vgl. Hummel: W.A. Mozarts Söhne, S. 37. 34 Vgl. Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 11.6.1806, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 31ff, und Wien, 29.10.1807, in: ebd., S. 42. 35 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 23.4.1808, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 43.

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seien; vor allem empfahl sie ihm Johann Georg Albrechtsberger, bei dem auch der jüngere Bruder unterrichtet wurde.36 Die Arbeitsbedingungen für Musiker seien in Wien allgemein besser, er könne Schüler nehmen und sie würde sich bemühen, ihm eine Stelle im Theater zu verschaffen. Carl Mozart ließ seine musikalischen Ambitionen jedoch fallen und wurde Beamter am Hof des Vizekönigs von Neapel in Mailand.37 Bis zu seinem Tod 1858 lebte er in Mailand. Sein jüngerer Bruder Franz Xaver Wolfgang wurde ebenfalls nach Prag in Pflege gegeben, als Constanze Mozart 1795/96 eine Konzertreise veranstaltete. Er wohnte bei dem Ehepaar Duschek im Palais Liechtenstein in Prag und erhielt ebenfalls bei Franz Xaver Duschek Klavierunterricht. 38 Die Ausbildung der Söhne war damit sehr bald sichergestellt. Vor allem die musikalische Ausbildung ihres Franz Xaver Wolfgangs überwachte und organisierte Constanze Mozart mit großer Sorgfalt, sie bemühte sich nach der Rückkehr nach Wien 1796 um Klavier- und Kompositionslehrer für ihn. Er erhielt Unterricht bei den renommiertesten Lehrern seiner Zeit, u. a. Johann Andreas Streicher, Sigismund Neukomm, Johann Georg Albrechtsberger, Antonio Salieri und Johann Nepomuk Hummel.39 Die Kosten für die musikalische Ausbildung des jüngeren Sohnes in Wien übernahm vermutlich auch van Swieten.40 Der von Constanze Mozart regelmäßig veranstaltete Salon hat für seine musikalische Entwicklung eine wichtige Rolle gespielt. Er wurde schließlich ein anerkannter Pianist und Komponist. Bis 1808 blieb er in Wien, anschließend war er in Lemberg als Klavierlehrer in diversen Adelshäusern tätig, u. a. bei Josephine Baroni-Cavalcabò. 1826 gründete er dort den Cäcilienverein, eine Institution nach dem Vorbild der Berliner Singakademie.41 Der Vergleich mit dem Vater wurde von Constanze Mozart selbst forciert; sie nannte ihn in »Wolfgang Amadeus Mozart Sohn« um und erklärte ihn damit zu seinem würdigem Nachfolger, was für den Sohn sicherlich nicht unproblematisch war.42 Fest steht jedoch, dass Constanze Mozart ihrem Sohn die ihr bestmöglichen Voraussetzungen für eine musikalische Karriere geboten hatte. Witwenschaft bedeutete für Constanze Mozart wie auch für viele andere Frauen den Eintritt in ungesicherte ökonomische Verhältnisse. Sie konnte 36 Vgl. Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 14.9.1808, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 44f. 37 Vgl. Hummel: W.A. Mozarts Söhne, S. 44. 38 Vgl. ebd., S. 20, und Karsten Nottelmann: W.A. Mozart Sohn. Der Musiker und das Erbe des Vaters, Bd. 1, Kassel 2009 (Schriftenreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum, 14,1), S. 24. 39 Vgl. ebd., S. 28ff. 40 Vgl. ebd., S. 28. 41 Vgl. ebd., S. 269ff. 42 Vgl. ebd., S. 3ff und S. 56ff.

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allerdings in Wien und Prag auf vielfältige Unterstützung bauen. Sie wurde selbst aktiv, um zu Geld zu kommen, und konnte nach relativ kurzer Zeit die Schulden begleichen. 1795 ging sie auf eine mehrmonatige Konzertreise, die mit großen Kosten verbunden gewesen sein muss, so dass davon auszugehen ist, dass sich zu diesem Zeitpunkt ihre Finanzen erholt hatten.43 1797 konnte sie für ihre Freundin Josepha Duschek eine Hypothek im Umfang von 3500 Gulden übernehmen. Diese Hypothek betraf die Villa Bertramka, auf der Constanze und Wolfgang Amadé Mozart einige Male zu Gast gewesen waren.44 Die Verhandlung mit Breitkopf & Härtel brachte ihr Geld für die Kompositionen ein, sowie der Vertragsabschluss mit André über 3150 Gulden. Teile dieser Summe legte sie in Wertpapieren an, so dass anzunehmen ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt auf das Geld nicht unmittelbar angewiesen war.45 Georg Nikolaus Nissen schrieb an Carl Mozart, dass die Konzertreisen, Konzertaufführungen und der Notenverkauf Constanze Mozart Geld eingebracht hatten: Ihre Mutter hat durch ihre Reisen, durch die Aufführung von Concerten, sowie durch den Verkauf der Originalpartituren Ihres seligen Vaters (von dessen Handschrift sie nur noch eine Menge schätzbarer Fragmente und Entwürfe hat) das Glück gehabt, nicht nur die Schulden zu bezahlen, sondern sich auch ein kleines Capital zu sammeln.46

Obwohl Constanze Mozart mit Georg Nikolaus Nissen in Wien zusammenlebte, heiratete das Paar erst 1809. Eine Wiederheirat von Witwen fand oftmals aus finanziellen Motiven statt, so dass dieser späte Zeitpunkt dafür sprechen könnte, dass Constanze Mozart versorgt war und eine neue Eheschließung lange nicht in Erwägung zog. Eventuell fand die Heirat 1809 sogar aufgrund erneuter finanzieller Unsicherheiten statt. Constanze Mozart schreibt vor ihrer Abreise nach Kopenhagen 1810 an den Sohn, dass ihre Notlage als Witwe akut sei: »Wäre ich Wittwe geblieben, so hätte ich schon lange vor Hunger sterben müßen. So hat aber der liebe Gott so wie immer mir auch hierinnen geholfen; und nun gehe ich recht gerne von hier, wo ich sonst so gerne war.«47 Nissen berichtete Carl Mozart von einer Geldeinlage, die sie in Wien zurückließen:

43 Zu den Kosten von Mozarts Reisen vgl. Bauer: Mozart. Geld, Ruhm und Ehre, S. 164–179. 44 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 422. 45 Vgl. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 352, und B/D VI, S. 542. 46 Georg Nikolaus Nissen an Carl Mozart, Wien, 13.6.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 67f. 47 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 7.5.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 64.

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Dieses [Kapital] wird mit der Hülfe des Himmels nicht geschmälert werden, und die Hälfte erwartet Sie in dem Zeitpunkte, von dem Sie und ich wünschen, daß er auf das weiteste entfernt seyn möge. Sie wird fortfahren, davon die Zinsen oder Einkünfte zu beziehen; aber die Papiere für dieses Vermögen bleiben hier bis weiter deponiert bey dem Kaufmann Johann Georg von Scheidlin.48

Das Geld sollte eingelagert bleiben, weil es zu der Zeit so wenig Wert besaß; Schuld war die massive Geldentwertung durch die Napoleonischen Kriege. Dass das Vermögen bis auf weiteres nicht angetastet werden sollte, schrieb Constanze Mozart an Carl, der um Unterstützung gebeten hatte. Die finanzielle Lage blieb allerdings tatsächlich angespannt, da Nissen in Kopenhagen zunächst eine neue Tätigkeit finden musste, bzw. auf Abruf für den nächsten diplomatischen Einsatz stand. Constanze Mozart schildert ihre Lebensbedingungen nach der Übersiedlung als sehr schlicht; sie beschäftigten z. B. keine Bediensteten, wie einem Brief 1810 zu entnehmen ist: Weißt Du wohl, daß Du soviel Einkünfte hast als mein Mann! Sein ganzes Einkommen ist 1200 Rthlr., dänische Bankzettel, und da der dänische Cours auch so schlecht ist wie der Wiener, betragen diese Einkünfte zwischen 1200 und 1500 francs. Wir leben also, wie wir es müssen, sehr eingeschränkt, halten keine Bedienten, nur eine alte Magd, und essen von einem Traiteur, der im Hause wohnt. Bisher sind wir ausgekommen und werden es, mit Gottes Hilfe, ferner und trösten uns mit der Zukunft, die einmal besser sein wird.49

Nissen wurde schließlich 1820 pensioniert. 50 Er schrieb an Silverstolpe zur finanziellen Situation 1824, dass zumindest ausgesorgt sei, er seine kleine Pension habe, die bis zu seinem Lebensende reichen würde und die seiner Frau anschließend zur Verfügung stünde, wie auch ihr eigenes kleines Vermögen. Er bezeichnet Constanze als kluge und sparsame Wirtschafterin: Um genau zu sein, habe ich eine kleine Pension (kleiner hätte sie nicht ausfallen können), meine Frau hat ein kleines Vermögen, das teilweise ich erwirtschaftet habe, und da sie ihrerseits sparsam ist, wird dies bis zu meinem Lebensende reichen; und da sie nach meinem Tod ungefähr die Hälfte meiner Pension haben wird und die Freiheit, diese vollständig aufzubrauchen, in Anbetracht dessen, dass sie aus einem Fonds der Witwenkasse kommt, werde ich ohne die geringste Sorge um ihr Wohlergehen sterben, was mir den größten erdenklichen Trost bereitet.51 48 Georg Nikolaus Nissen an Carl Mozart, Wien, 13.6.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 67f. 49 Constanze Mozart an Carl Mozart, Kopenhagen, 29.12.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 78. 50 Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 89. 51 Orig.: »Pour parler prose, j’ai une petite pension (plus petite qu’elle ne me fait offerte), ma femme a un petit Capital, crée en partie par moi, comme elle est économe de son

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In Kopenhagen ließen sie ebenfalls Erspartes zurück. Georg Nikolaus Nissen und Constanze Mozart hielten sich wiederholt in Bad Gastein zu Kur auf, welche wiederum kostspielig gewesen sein muss. Er hatte bereits 1815 begonnen, für Constanze Mozart in eine Witwenkasse einzuzahlen.52 Im selben Jahr verfasste er sein Testament, in dem er Constanze Mozart als Universalerbin einsetzte. Bei seinem Tod erbte sie eine Summe von 7580 Gulden.53 1829, drei Jahre nach Georg Nikolaus Nissens Tod, schrieb Constanze Mozart, dass sie Zinsen von einem Kapital in Kopenhagen erhalten würde: Bis zum 1. Jenner 1829 habe ich durch die Güte meiner braven Cousine Schonstrup die Zinsen von meinem Capithal, welches in Copenhagen bei dem Gewürzkrämer Holms liegt und 7200 Gulden ist, richtig erhalten. Ebenso hatte ich auch von Schuller & Comp. bis zum 1. Jenner alle Zinsen erhalten. Dies Capithal ist 15 000 schwere Gulden.54

Ihr Tagebuch belegt, dass jedes Jahr im August und im Januar Zahlungen von ca. 400 Courantmark bzw. Mark Banco aus Kopenhagen eingingen.55 Nach Georg Nikolaus Nissens Tod, so scheint es, war Constanze Mozart mehr als nur versorgt, sie hatte ein stattliches Auskommen. Sie konnte den Druck der Biographie 1828 eigenständig finanzieren. Obwohl Johann Heinrich Feuerstein ihr eine beträchtliche Summe in der Abwicklung der Biographie nicht bezahlte, hatte dies für sie keine finanziellen Konsequenzen.56 Constanze Mozart starb 1842 als wohlhabende Frau. In ihrem Testament bedachte sie 12 Personen mit einer Summe zwischen 100 und 300 Gulden, darunter ihre Schwester Sophie Haibl sowie die Söhne mit je 200 Gulden, und weitere diverse entfernte Ver-

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côté, les choses vont bien de mon vivant; et comme après mon décès elle aura à peu près la moitié de ma pension avec liberté de la manger partout, attendu qu’elle proviendra d’un fonds placé dans la Wittwenkasse, je mourrai sans la moindre inquiétude à l’égard de sa subsistance, ce qui m’est de la plus grande consolation imaginable.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Mailand, 22.1.1824, S Sr. Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 88. Das Testament ist abgedruckt in dänischer Sprache bei Erich Valentin: »Das Testament der Constanze Mozart-Nissen«, in: Neues Mozart-Jahrbuch 2 (1942), S. 128–175, S. 167f. Vgl. auch: Rudolph Angermüller: »Die Sperrsrelation des Georg Nikolaus Nissen«, in: MISM 36 (1988), S. 105–113, hier S. 111. Vgl. Constanze Nissen-Mozart: TageBuch meines BriefWechsels in Betref der Mozartischen Biographie (1828–1837), hg. und kommentiert von Rudolph Angermüller für die Internationale Stiftung Mozarteum, Bad Honnef 1999 (im folgenden zitiert als TageBuch), Eintrag vom 26.2.1829, S. 61. Vgl. z. B. Einträge vom 29.7.1831 und 10.8.1831, in: TageBuch, S. 104f. Hier handelte es sich um 450 Mark Banco, dies entsprach einer Summe von 300 Gulden. Vgl. Kapitel 4.3.

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wandte.57 Ihr Vermögen betrug 27.191 Gulden (605 Gulden Bargeld, 25.079 Gulden an Obligationen, d. h. Wertpapieren, 1405 Gulden an Sparkasseneinlagen).58 Constanze Mozarts Aktivitäten unmittelbar nach dem Tode ihres Ehemannes fanden aus finanziellen Erwägungen statt, und dies überrascht nicht in einer Zeit, als die Witwenversorgung nicht selbstverständlich gewährleistet war. Bereits die ersten Wohltätigkeitskonzerte zu ihren eigenen Gunsten dienten jedoch gleichzeitig der Erinnerung an Wolfgang Amadé Mozart und markierten den Beginn ihres Selbstverständnisses als Witwe im Dienste des Erinnerns, welches sie während ihrer Konzertreise 1795/96 weiterentwickelte, bis sie schließlich als Nachlassverwalterin in den späteren Verlagsverhandlungen auftrat.

2.2. Musik aufführen: Erste Konzerttätigkeiten Constanze Mozarts Die von und für Constanze Mozart veranstalteten Konzerte nach dem Tod Wolfgang Amadé Mozarts wurden als Akademien angekündigt. Der Begriff »Akademie« stand im 18. Jahrhundert für eine Vielzahl von Veranstaltungsformen. In Wien gab es private und öffentliche musikalische Akademien.59 Privatakademien zeichneten sich aus durch Exklusivität, sie wurden in den adligen Häusern abgehalten und bestanden aus bunt gemischten Programmen mit Sinfonien, Opernarien und Kammermusik. Meist dienten die Akademien den Adligen dazu, sich selbst musikalisch zu präsentieren. Darüber berichtete die Allgemeine Musikalische Zeitung 1800 folgendes: So genannte Privatakademien (Musik in vornehmen Häusern) giebt es hier unzählige den Winter hindurch. Da giebt’s keinen Namens-, keinen Geburtstag, wo nicht musicirt würde. […] Die meisten sind einander ziemlich ähnlich: […] Vorerst ein Quartett oder eine Symphonie, welche im Grund als nothwendiges Uebel angesehen (man muß doch mit Etwas anfangen) und also verplaudert wird. Dann erscheint aber ein Fräulein nach dem andern, legt ihre Klaviersonate – wo möglich, nicht ohne Artigkeit und Grazie, auf, und spielt sie weg, wie es nun gehen will. Dann kommen andere und singen einige Arien aus den neuesten Opern, ebenfalls so. […] Bezahlte Privat-Akademien giebt es wenige, oder wo noch eine ist, so hat, aus mancherley Ursachen, der Musiker wenig Vortheil davon.60 57 Valentin: »Das Testament der Constanze Mozart-Nissen«, S. 129ff. 58 Vgl. ebd., S. 137. 59 Zum Wiener Konzertwesen vgl. Nicole Strohmann: Art. »Konzerte in Wien«, in: Heinz Loesch/Claus Raab (Hg.): Das Beethoven-Lexikon, Laaber 2008 (Das Beethoven-Handbuch, 6), S. 418–426. 60 AMZ 3 (1800), Sp. 66–68.

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Bei den öffentlichen Akademien ist noch einmal zu unterschieden, und zwar gab es erstens Subskriptionsakademien, die als Konzerte von einem Musiker oder einer Musikerin selbst veranstaltet wurden. Oftmals präsentierte er oder sie dabei eigene Kompositionen. Auch Wolfgang Amadé Mozart hatte in den 1780er Jahren Subskriptionsakademien abgehalten, viele seiner Klavierkonzerte waren für diese Anlässe entstanden. Finanziell war diese Art der Akademien für Musiker und Musikerinnen attraktiv, da die Eintrittsgelder ihnen selbst zugute kamen. Zweitens gab es öffentliche Akademien zugunsten bedürftiger Personen, dazu dienten die Akademien der Wiener Tonkünstlersocietät zur Versorgung der Witwen und Waisen. Diese Akademien waren seit 1772 fester Bestandteil des Wiener Musiklebens und damit die erste, und auch einzige institionalisierte Konzertform, wie die Allgemeine Musikalische Zeitung berichtet: »Oeffentliche Akademien. – Festgesezte Akademien giebt es keine, außer jene vier, welche jährlich für den Wittwenfond der Musiker bestimmt sind.« 61 Diese vier Akademien wurden während der Fastenzeit veranstaltet, d. h. je zwei vor Ostern und nach Weihnachten. Sie fanden im Burgtheater statt. Das hatte den Grund, dass die Theater zu dieser Zeit nicht bespielt werden durften, also die Räume frei waren und die Opern- und Theaterveranstaltungen keine Konkurrenz bildeten. Beide Akademieformen konnten auch kombiniert werden: Bei den Akademien der Tonkünstlersocietät traten Musikerinnen und Musiker auf, um sich künstlerisch zu profilieren und als Virtuosen vorzustellen. Auch Wolfgang Amadé Mozart trat hier auf, und diese Konzerte spielten eine wichtige Rolle bei seiner Etablierung in Wien. In der Gründungsphase standen bei den Akademien der Tonkünstlersocietät hauptsächlich Oratorien auf dem Programm, so wurden die Akademiekonzerte 1772 mit einer Vertonung von La Betulia Liberata von Florian Gassmann eröffnet.62 Oratorien von Johann Adolph Hasse, Carl Ditters von Dittersdorf, Josef Bonno und Marianna Martines wurden in den 1770er und 80er Jahren in den Akademien aufgeführt. Auch Wolfgang Amadé Mozart wurde gebeten, für eine Akademie zu komponieren. Am 13. und 15. März 1785 wurde sein Oratorium Davide penitente KV 469 im Rahmen einer Akademie gegeben.63 Interessanter waren für ihn die Akademien allerdings für die Aufführung von Sinfonien und Klavierkonzerten, denn da konnte er sich nicht nur als Kompo61 AMZ 3 (1800), Sp. 45. 62 Alle Details zu den Programmen, falls nicht anders vermerkt, sind der Auflistung der Programme entnommen aus Pohl: Denkschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Tonkünstler-Sozietät, S. 57–79. 63 Vgl. Hartmut Schick: »Die Geistliche Musik«, in: Leopold (Hg.): Mozart Handbuch, S. 164–274, hier S. 237ff.

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nist, sondern auch als Solist präsentieren. Kurz nach seiner Ankunft in Wien am 3. April 1781 trat er als Pianist auf, und es wurde eine Sinfonie von ihm gespielt.64 Kurz vor Weihnachten 1785 stellte er hier sein Klavierkonzert EsDur KV 482 vor,65 Antonio Salieri dirigierte. Danach gab es erst wieder im April 1791 ein Werk von Mozart, eine große Sinfonie; es muss offen bleiben welche, weil Mozart in seinem Todesjahr keine neue Sinfonie komponierte. Im Gegensatz zur Subskriptionsakademie musste der Musiker bei den Akademien der Tonkünstlersocietät auf eine Gage verzichten, weshalb diese zwar als Forum interessant waren, weil sie ein großes Publikum garantierten, aber ein Nachteil blieb der ausbleibende finanzielle Ertrag. Dies mag übrigens auch ein Grund gewesen sein, weshalb Wolfgang Amadé Mozart der Societät letztlich nicht beitrat: Die Musiker verpflichteten sich indirekt, an den Benefizkonzerten teilzunehmen. Dies zeigt der Fall Joseph Haydn: Die Societät schlug ihm vor, dass er sich im Gegenzug für eine Beitragsreduzierung verpflichtete, regelmäßig Werke für die Akademiekonzerte zu komponieren. Haydn annulierte daraufhin seine Mitgliedschaft mit der Begründung, dass er nicht »der Gefahr solte ausgesezet seyn cassiret zu werden: Die freyen Künste, und die so schöne Wissenschaft der Composition dulden keine Handwerksfesseln.«66 Die Entwicklung der Tonkünstlersocietät nahm eine unerwartete, fast ironisch anmutende Wendung: Sie bot Haydn dann doch 1797 eine freie Mitgliedschaft an, im Anschluss führte sie fast ausschließlich seine Oratorien auf bei ihren Wohltätigkeitsakademien und trug damit maßgeblich zu Haydns Erfolg in Wien bei; der Verein nannte sich schließlich 1862 im Zuge einer Reorgansation in »Haydn-Verein« um. Festzuhalten bleibt: Akademien waren als Wohltätigkeitsveranstaltungen für Witwen und Waisen in Wien etabliert, wie auch die Subskriptionsakademien als Initiative einzelner Musiker und Musikerinnen. Beide Akademiekonzepte kamen Constanze Mozart entgegen: Die Konzerte fanden zu ihren Gunsten als Benefizkonzerte statt, dienten sie doch offensichtlich der Unterstützung einer notleidenden Witwe und ihren Kindern. Als solche wurden sie auch angekündigt. Das bot ihr jedoch ebenfalls die Möglichkeit, im Sinne einer Subskriptionsakademie als Initiatorin dieser Konzerte selbst in Erscheinung zu treten und diese als Gedenkveranstaltungen für ihren verstorbenen Ehemann umzudeuten. Es ist wichtig zu bemerken, dass all ihre Veranstaltungen eben nicht als Akademien der Tonkünstlersocietät stattfanden, denn dort war sie ja nicht pensionsberechtigt. Dennoch fanden die Akademien für die bzw. von 64 Welche genau ist unklar. Vgl. Volker Scherliess: »Die Sinfonien«, in: ebd., S. 250–325, hier S. 301. 65 Vgl. Peter Gülke: »Die Konzerte«, in: ebd., S. 328–381, hier S. 357. 66 Pohl: Denkschrift aus Anlass des hundertjährigen Bestehens der Tonkünstler-Sozietät, S. 22.

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der Witwe Mozart wie die regulären Benefizkonzerte der Tonkünstlersozietät in der Fastenzeit statt und wurden daher als solche wahrgenommen. In Wien gab es zwei Orte, an denen große öffentliche musikalische Akademien veranstaltet werden konnten: Das Burgtheater und das Kärntnerthortheater. Beide waren Hoftheater, d. h. die Orchester- und Ensemblemitglieder wurden vom Hof bezahlt, und der Spielplan oblag in letzter Entscheidung dem Kaiser. Die Verwaltung der Hoftheater wurde vom Oberstkämmereramt übernommen. Wenn man also eine Akademie veranstalten wollte, war bei diesem Amt ein Antrag zu stellen. Für Musikerinnen und Musiker, die eine Akademie planten, waren damit die Räume und Zeiten in Wien begrenzt, und die Konkurrenz groß. Constanze Mozart mag bei ihrem Antrag durch ihren Status als Witwe im Vorteil gewesen sein, denn dadurch war ihr quasi automatisch kaiserliche Protektion sicher. Der Kaiser hatte ihr schließlich im Zuge ihres Pensionsantrags persönlich zu einer Akademie geraten, weshalb Constanze Mozart das Burgtheater vergleichsweise leicht für eine Akademie anmieten konnte. Wie erwähnt, gab es am 23. Dezember 1791 eine erste Akademie für Constanze Mozart im Nationaltheater.67 Constanze Mozart wurde hier als Veranstalterin genannt: Die Wittwe Mozard hat zu ihrem Vortheile die allerhöchste Erlaubniß erhalten, vergangenen Freytag eine musikalische Akademie im Nationaltheater geben zu dörfen, bey welcher nicht nur allein der gesammte Hof sondern auch eine zahlreiche Menge Publikum sich einfanden; von Hofe aus hat sie 150 Dukaten erhalten, und in allem belief sich ihre Einnahme auf 1500 Gulden.68

In Prag fand am 14. Dezember 1791 eine große Trauerfeier für Wolfgang Amadé Mozart statt.69 Am 28. Dezember 1791 wurde in Prag auch eine Akademie angekündigt.70 Das Programm ist nicht genau bekannt, Niemetschek berichtet in seiner Biographie lediglich, »man führte einige der besten, weniger bekannten Kompositionen Mozarts auf.«71 Auf der Einladung heißt es allerdings »Musikalische Academie zum Andenken von Wolfgang Gottlieb Mozart«72. Hier war der Aspekt des Erinnerns an Wolfgang Amadé Mozart schon vorhanden. Bereits die erste Akademie als Veranstaltungsform diente

67 Vgl. Kapitel 2.1. 68 Pressburger Zeitung vom 31.12.1791, in: Deutsch: Mozart, S. 379. 69 Vgl. ebd., S. 475f. 70 Ebd., S. 377. 71 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 53. 72 Deutsch: Mozart, S. 377.

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damit erstens der eigenen Finanzierung Constanze Mozarts, und zweitens dem Gedenken des Verstorbenen. Im Frühjahr 1792 konnte Constanze Mozart keine Akademie im Wiener Burgtheater veranstalten, da Kaiser Leopold II. angeordnet hatte, dass während der Fastenzeit die Aufführung deutscher Singspiele statt Akademien stattfinden sollten.73 Als nächstes Konzert nach der Prager Akademie fand daher womöglich eine Aufführung des Requiems statt. Über diese Aufführung gibt es einige Unstimmigkeiten bezüglich des Datums. Die Anzeige in der Zeitung Magyar Hirmondó, einer ungarischsprachige Zeitung in Wien, datiert vom 4. Januar 1793: Mozart, der sich in der Musik einen unsterblichen Namen gemacht hat, hinterließ eine Witwe und zwei Waisen in Armut. Viele edle Wohltäter helfen dieser unglücklichen Frau. Vorgestern veranstaltete Baron Swieten zum Gedächtnis Mozarts an einem öffentlichen Orte eine [sic] Konzert mit gesungener Trauer-Musik. Die Witwe bekam als Erlös über 300 Golddukaten.74

Constanze Mozart erinnerte sich hingegen, dass es 1792 eine Aufführung gegeben hätte: Zur Geschichte meiner Copie des Requiems gehört noch, daß der Baron Swieten, also ein von Ihnen mit Recht hochgeschäzter Kenner, 1792. es hier hat aufführen lassen.75

Unstrittig ist, dass 1792 oder 1793 eine Aufführung des Requiems statt fand.76 An der Aufführung sind mehrere Faktoren bemerkenswert. Erstens wird Baron van Swieten als Initiator genannt, und nicht Constanze Mozart selbst. Zweitens fand die Aufführung im Jahnschen Saal statt: Laut eines Berichts von 1839 des Schuldirektors und Chorregenten in der Wiener Neustadt, Anton Herzog, wurde »zum Besten der Witwe dieses herrliche Werk in dem Jahnischen Saale zum ersten Mahle aufgeführt.«77 Auch Abbé Maximilian Stadler bestätigt diesen Aufführungsort. 78 Van Swieten scheint den Jahnschen Saal öfter für Musikveranstaltungen angemietet zu haben: Mozart war hier im November 1788 aufgetreten und führte dort seine Bearbeitung von Händels 73 Vgl. Franz Hadamowsky: Wien: Theatergeschichte. Von den Anfängen bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, Wien/München 1988 (Geschichte der Stadt Wien, 3), S. 282. 74 Magyar Hirmondó vom 4.1.1793, in: Deutsch: Mozart, S. 409. 75 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 17.11.1799, in: B/D IV, S. 296. 76 Es ist auch möglich, dass es zwei Aufführungen gegeben hat. 77 Zitiert nach Rudolf Klein: »Ein Alt-Wiener Konzertsaal. Das Etablissement Jahn in der Himmelpfortgasse«, in: ÖMZ 28/1 (1973), S. 12–18, hier S. 15. 78 Maximilian Stadler: Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiem, Wien 1826, vgl. Wolff: Mozarts Requiem, S. 150.

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Bedingungen und Kontexte

Acis und Galathea auf, die van Swieten bei ihm in Auftrag gegeben hatte. Der Jahnsche Saal war ein beliebter Ort für Musikveranstaltungen in Wien. Ignaz Jahn bewirtete den Wiener Augarten und das Schloss Schönbrunn sowie den Jahnschen Saal in der Himmelpfortgasse 6, der als bestes Restaurant der Stadt galt. Im ersten Stock des Hauses war nicht nur ein Souperzimmer, sondern auch ein Salon, der als Konzertstätte genutzt wurde.79 Es gab eine eigene Kapelle für Tanz- und Tafelmusik. In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 1804 wurde die musikalische Nutzung folgendermaßen geschildert: »Der Jahnische Saal […] fasst höchstens bis 400 Zuhörer, so dass, bey den grossen Unkosten, dem Künstler selten ein beträchtlicher kleiner Gewinn bleibt. Dessen ungeachtet folgte in diesem Jahr ein Konzert auf das andere.«80 Der Jahnsche Saal war also trotz finanzieller Einbußen für den Künstler ein lukrativer Veranstaltungsort. Das liegt daran, dass es insgesamt in Wien wenige öffentliche Räume gab, die zur Verfügung standen, um Subskriptionsakademien zu veranstalten. Man konnte den Redoutensaal in der Hofburg mieten, welcher nicht günstig und auch nur durch kaiserliche Bewilligung zu haben war. Darüber hinaus konnten die Hoftheater in der Fastenzeit für Akademiekonzerte angemietet werden, aber auch diese waren nicht leicht zu bekommen: Der Zeitraum war begrenzt und die Konkurrenz der Künstler groß, und auch hier war Protektion gefordert. Dies spricht für die Popularität des Jahnschen Saales, der vergleichsweise leicht und vor allem rund ums Jahr zu mieten war. Dass die Aufführung des Requiems damit in den Erinnerungsstrategien Constanze Mozarts sehr weit am Anfang steht, überrascht zunächst nicht. Die Totenmesse war eine religiöse Form des Erinnerns im Sinne der Pietas, und damit Aufgabe der Hinterbliebenen bzw. der Witwe. Gewöhnlich wurde die Totenmesse am ersten Jahrestag des Todes gehalten. Aus dieser Perspektive scheint es auch plausibel, dass Constanze Mozart das Requiem fertigstellen ließ: Es war womöglich eine Motivation für ihr eigenes Erinnerungsgebot, nämlich des Toten zu gedenken. Erst durch die Fertigstellung war das Werk aufführbar und konnte seinen Zweck als Totenmesse erfüllen. Allerdings wurde es nun nicht in der Kirche, sondern in einem Konzertraum aufgeführt. Weitere Akademien folgten, auch außerhalb Wiens. Im Februar 1794 reiste Constanze Mozart nach Prag. Wie bereits erwähnt, hatte die Prager Bürgerschaft sich wohlwollend gegenüber Constanze Mozart gezeigt, und direkt nach dem Tode Wolfgang Amadés im Dezember 1791 ein Benefizkonzert zugunsten der Witwe und Waisen veranstaltet. In diesem Kontext sind auch nochmals die Verbindungen Constanze Mozarts nach Prag ins Gedächtnis zu 79 Vgl. Klein: »Ein Alt-Wiener Konzertsaal«, S. 13. 80 AMZ 1804, Sp. 470, zitiert nach: ebd.

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rufen: Dort lebte Franz Xaver Niemetschek, der die Ausbildung des Sohnes Carl Mozart übernahm. Auch Franz und Josepha Duschek sind in diesem Rahmen zu nennen. Der Komponist und die Sängerin waren eng mit dem Ehepaar Mozart befreundet. Die Bekanntschaft Wolfgang Amadé Mozarts mit Josepha Duschek reichte zurück bis nach Salzburg, wo sie sich 1777 begegneten und er für sie die Arie »Ah, lo previdi« (KV 272) komponierte.81 Die Mozarts reisten mehrere Male nach Prag, u. a. hielten sie sich 1787, vor der Uraufführung des Don Giovanni, im Duschekschen Landhaus »Bertramka« bei Prag auf. Die Verbindung Constanze Mozarts zu den Duscheks blieb nach 1791 sehr eng. Vor allem spielte Josepha Duschek als Interpretin von MozartArien eine besondere Rolle. Constanze Mozart reiste 1794 erneut nach Prag. Wahrscheinlich brachte sie Carl zu Franz Xaver Niemetschek, und besuchte auch die Duscheks. Als dort am 7. Februar 1794 eine Akademie veranstaltet wurde, sang Josepha Duschek eine Arie der Vitellia aus der Oper La Clemenza di Tito, die 1791 in Prag uraufgeführt worden war. In der Neuen Prager Zeitung war zu lesen: Der Akademiesaal war stark beleuchtet. Im Hintergrund desselben über dem Orchester flammte Mozarts Name in einer Art von Tempel, zu dessen beiden Seiten zwei pyramiden mit den Inschriften »Dankbarkeit und Vergnügen« transparent illuminiert standen. Man wählte für diesen Abend die besten Stücke von Mozart. Den Eingang machte eine Sinfonie in C, dann spielte Hr. Wittassek, ein sehr hoffnungsvoller junger Böhme, das prächtigste Concert von Mozart in D-Moll auf dem Fortepiano mit ebenso viel Präcision als Gefühl. Darauf sang Böhmens beliebte Sängerin Frau Duschek das himmlische Rondo der Vitellia aus der opera seria »la clemenza di Tito« von Mozart. Ihre Kunst ist allgemein bekannt; hier begeisterte sie noch die Liebe für den großen Todten und seine gegenwärtige Fr. Witwe, deren warme Freundin sie immer gewesen ist. Den Beschluß machte eine der besten Sinfonien, die es gibt, in D-Dur von Mozart. Die Musik ging sehr gut, obgleich es kritische und meist concertirende Stücke waren: denn es exequirte das Prager Orchester und sie sind von Mozart! Man kann sich vorstellen, wenn man Prags Kunstgefühl und Liebe für Mozart’sche Musik kennt, wie voll der Saal gewesen ist. Mozarts Witwe und Sohn zerfloßen in Tränen der Erinnerung an ihren Verlust und des Dankes gegen eine edle Nation. So wurde dieser Abend auf eine schöne Art der Huldigung des Verdienstes und Genies geweiht; es war ein genußreiches Fest für gefühlvolle Herzen – und ein kleiner Zoll für das unnennbare Entzücken, das uns oft Mozarts himmlische Töne entlockten! […]82

Die Verehrung der Prager für Mozart wird in dieser Anzeige besonders hervorgehoben. Es handelte sich erneut um ein Benefizkonzert für Constanze Mozart, und besonders bemerkenswert ist ihre Inszenierung als gerührte 81 Vgl. Daniel Brandenburg: Art. »Josepha Duschek«, in: MGG2P5 (2001), Sp. 1708–1709. 82 Prager Neue Zeitung vom 9(?).2.1794, in: Deutsch: Mozart, S. 411.

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Bedingungen und Kontexte

Witwe: Ihr Auftritt wird als äußerst pathetisch geschildert. Sie nutzte damit das Konzert, um sich öffentlich als trauernde Witwe in Szene zu setzen. Auch fällt auf, dass ausschließlich Werke von Wolfgang Amadé Mozart gespielt wurden, es ist somit als erstes Konzert voll und ganz seinem Andenken gewidmet. Darüber hinaus taucht der Begriff »Genie« hier zum ersten Mal auf, den Constanze Mozart fortan immer wieder verwenden wird, um die Bedeutung Mozarts hervorzuheben. Am 29. März 1798 war sie in Wien für eine Akademie, und es stand La Clemenza di Tito auf dem Programm: Die Ouvertüre wurde gegeben, sowie ein Rondo mit Bassetthorn, gespielt von Anton Stadler und gesungen von Josepha Duschek; dies war womöglich das Rondo »Non piu di fiori«. Im Anschluss spielte Beethoven ein selbst komponiertes Klavierkonzert.83 Die Akademie fand im Jahnschen Saal statt. Es ist möglich, dass die Kontakte von Constanze Mozart zu den Duscheks in Prag den Plan reifen ließen, die Oper La Clemenza di Tito aufzuführen. Auch Josepha Duschek setzte sich fortan für die Oper ein. In der Prager Aufführung 1794 wurde also erstmalig in einer Akademie zugunsten Constanze Mozarts eine Arie aus La Clemenza di Tito gegeben. Diese Oper sollte im folgenden in ihren Erinnerungsstrategien eine besondere Rolle spielen. Sie kündigte diese nach der Rückkehr in Akademien als unbekannte Oper in Wien an: Nachricht. Die k.k. oberste Theatraldirektion hat der Unterzeichneten gnädig erlaubt, in gegenwärtiger Adventzeit eine musikalische Akademie zu ihrem Vortheile zu geben. Sie bestimmet hiezu eines der besten und letzten Werke ihres, für sie und für die Kunst, zu früh verstorbenen Mannes, des seel. k.k Hofkammerkompositors, Wolfgang Amade Mozart, nämlich die von ihm auf die Metastasische Oper: La Clemenza di Tito, geschriebene, hier noch nicht aufgeführte Musik. Der allgemeine Beyfall, womit Mozarts musikalische Produkte jederzeit aufgenommen worden sind, macht sie hoffen, das verehrungswürdige Publikum werde auch die Aufführung eines seiner letzten Meisterstücke mit seiner Gegenwart beehren. Der Tag der Aufführung dieser Musik, und die singenden Personen, werden durch den gewöhnlichen Anschlagzetel [sic] zu seiner Zeit bekannt gemacht werden. Mozart, gebohrne Weber.84

Diese Akademie fand wieder in der Fastenzeit als Benefizkonzert zu ihren Gunsten statt, am 29. Dezember 1794. Es ist überliefert, dass ihre Schwester Aloisia Lange Arien des Sesto aus La Clemenza di Tito sang, und die Kantate Bey Mozarts Grabe von Anton Eberl aufgeführt wurde. 85 Eine vollständige 83 Vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 296. 84 Wiener Zeitung vom 10.12.1794. 85 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 413 und S. 373.

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Aufführung der Oper war die Akademie damit nicht. Mit dieser Besetzung war allerdings schon die Vorbereitung für die Konzertreise 1795 und 1796 getroffen, denn Aloisia Lange und Anton Eberl sollten Constanze Mozart von Wien über Leipzig nach Hamburg begleiten. Nur wenige Monate später, im März 1795, fand jedoch noch eine weitere, ähnliche Akademie statt, bei der wiederum La Clemenza di Tito im Vordergrund stand: Unterzeichnete gibt sich hiermit die Ehre, einem hohen Adel und verehrungswürdigen Publikum anzuzeigen, dass sie von der k.k. obersten Theatraldirektion die Erlaubnis erhalten habe, in gegenwärtiger Fastenzeit eine musikalische Akademie zu ihrem Vortheile zu geben. Innigst gerührt von dem ungetheilten Beyfalle, welchen die von ihr zur Adventszeit voriges Jahr veranstaltete Aufführung des letzten Werkes ihres sel. Gatten, La clemenza di Tito, erhalten hat, findet sie sich verpflichtet, dafür wärmsten Dank abzustatten. Der für sie so schmeichelhafte, von den Liebhaber der Kunst öfters seither geäußerte Wunsch, diese Oper, derer meisterhaften Vortrag sie dem Orchester, hauptsächlich aber der unentgeldlichen freundschaftlichen Anstrengung der Sänger und Sängerinnen, mit dankbarer Erkenntlichkeit zuschreiben muß, wieder zu hören, legt ihr die Pflicht auf, diese letzte Arbeit ihre sel. Gatten zur Aufführung zu bestimmen. Sie verspricht sich um so mehr einen zahlreichen Zuspruch als die edlen Bewohner Wiens, wenn es auf Unterstützung der Witwen und Waisen ankam, immer ihrer Lieblingsneigung – Wohlzuthun – gefolget sind, den Tag der Aufführung dieser Musik und die singenden Personen werden durch den gewöhnlichen Anschlagzettel zu seiner Zeit bekannt gemacht werden. Konstanza, Wittwe Mozart.86

Im Gegensatz zur vorigen Anzeige vom Dezember 1794 unterschrieb sie hier auch als Wittwe Mozart. Sie legitimierte die wiederholte Aufführung von Ausschnitten aus La Clemenza di Tito mit der Beliebtheit beim Publikum. Im September 1795 führte sie nochmals La Clemenza di Tito auf, diesmal außerhalb der Fastenzeit und außerhalb Wiens, nämlich in Graz. Wolfgang Amadé Mozart hatte Graz selbst nie besucht. Hier hatte sich aber dennoch die stetige Pflege seiner Opern etabliert. Dies lag einerseits am Engagement der Direktoren des Grazer Theaters, Roman Waizhofer (1786 bis 1791) und Joseph Bellomo (1791 bis 1797): 1788 wurde die Entführung aus dem Serail erstaufgeführt, ebenso Die Hochzeit des Figaro, ein Jahr später Don Giovanni. Dass sich Mozarts Opern hier verstetigen konnte, lag auch am Engagement des Sängers Benedikt Schack in Graz von 1793 bis 1796. Seine Paraderolle war die des Tamino aus Der Zauberflöte, die er bereits bei der Uraufführung gesungen

86 Wiener Zeitung vom 18.3.1795; vgl. Deutsch: Mozart, S. 414.

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hatte. Es wundert nicht, dass die Erstaufführung der Zauberflöte in Graz am 29. Mai 1793 mit dem Engagement Schacks zusammenfiel. Schack war ein renommierter Mozart-Sänger, und trat in Graz nachweislich in den Rollen des Belmonte, Grafen Almaviva und des Don Giovanni auf.87 Constanze Mozart war mit Schack brieflich in Kontakt, nicht zuletzt in den Angelegenheiten um die Biographie viele Jahre später, als sie ihn bat, Material zu sammeln und zu senden.88 Es ist möglich, dass Schack die treibende Kraft hinter Constanze Mozarts Auftritt in Graz war. Es fällt auf, dass nicht nur einzelne Arien und Duette zu Gehör gebracht wurden, sondern die Oper in größerem Umfang, womöglich in voller Länge. Der Hinweis auf 20 Sänger weist zumindest darauf hin, dass die Chöre aufgeführt wurden: Am verflossenen Freytage wurde (wie in unsern Intelligenzblättern angezeigt war) die Oper: Die Güte des Trajans, mit des unsterblichen Mozarts Musik auf dem hiesigen Nationaltheater, als Akademie, zum Vortheile seiner hinterlassenen Wittwe, gegeben. 68 Tonkünstler, worunter 20 Sänger, exquirten dieses (leider) letzte Meisterstück Mozarts mit aller Präcision und Würde, und sein Geist schien über sie zu schweben. Noch nie hörte Grätz eine so vollendete Harmonie, noch nie ward das hiesige Publikum so von himmlischen Empfindungen hingerissen. Ihr alle, die Ihr uns diesen herrlichen Abend verschaft habt, verzeihet, wenn wir hier, wegen Mangel des Raumes, nur eine Müller namhaft machen, die uns durch den Zauber ihres sich selbst übertreffenden Gesanges ganz in die seligsten Empfindungen versetzt hat.89

Der ins Deutsche übersetzte Titel »Die Güte des Trajans« lässt vermuten, dass die Oper nicht auf italienisch, sondern in deutscher Übersetzung aufgeführt wurde. Das Konzert in Graz scheint eine ›Testvorführung‹ der Oper gewesen zu sein, bevor Constanze Mozart die Partitur in ihre Reisetasche packte. Besonders auf ihrer Konzertreise 1795/96 setzte sie sich für diese Oper ein. Warum wählte Constanze Mozart gerade diese Oper? Dafür sprechen mehrere Gründe. Erstens konnte sie La Clemenza di Tito als unbekannte Oper ankündigen. Dafür hatte sie die Aufführungen von Werken Wolfgang Amadé Mozarts sehr genau beobachtet, in Wien und darüber hinaus. Die Opern Die Entführung aus dem Serail, Die Hochzeit des Figaro, und vor allem die Zauberflöte wurden bereits in vielen Städten aufgeführt. Die Ankündigung in der Grätzer Zeitung vom 2. September 1795 drückt ihr Bewusstsein über den Bekanntheitsgrad dieser Opern aus: 87 Vgl. Peter A. Walner: »Die Erstaufführungen von Mozart-Opern in Graz und Mozarts Beziehungen zu Graz«, in: MJb (1959), S. 290. 88 Constanze Mozart an Benedikt Schack, Salzburg, 16.2.1826, in: B/D, S. 475ff. 89 Grätzer Zeitung Nr. 211 vom 8.9.1795.

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Man kann sagen, daß Mozarts zwar lang verkannte Muse, dennoch endlich dem ganzen Deutschen Publikum, das höchste Vergnügen gewährte, dessen Menschen durch Musik nur fähig sind. Seine Entführung aus dem Serail, sein Figaro, Don Juan und seine Zauberflöte – wo ist ein Kenner, der nicht mit Bewunderung von diesen Meisterstücken der Kunst spräche?90

In der gleichen Anzeige wurde hervorgehoben, dass der jeweilige Ort sich durch Mozart-Aufführungen bereits verdient gemacht und darum eine »Überraschung« eines neuen Werkes verdient habe: Da man übrigens seit ein paar Jahren deutlich bemerken konnte, daß der Geschmack des hiesigen verehrungswürdigen Publikums sich immer mehr für die Mozartische Musik erklärt, so hat man sich bestrebt, sein letztes Werk, die ernsthafte Oper La clemenza di Tito, die er in Prag zur Krönungsfeyer des höchstsel. Kaisers Leopold II. schrieb, hieher zu erhalten, um mit diesem außer Wien und Prag noch ganz unbekannten Meisterwerke unsere verehrungswürdigen Musikfreunde in dieser Akademie zu überraschen. Die Wittwe des Verewigten gab selbe schon zweymal als Akademie in Wien mit dem größten Beifalle.91

Dies zeigt ihre Bemühung, den Zentren, an denen sie gute persönliche Kontakte hatte und sie von einer Anerkennung der Musik ihres Mannes ausgehen konnte, eine neue Oper vorzustellen, wofür sich La Clemenza di Tito anbot, da die Oper nach ihrer Uraufführung weitestgehend unbekannt war. Das lag einerseits daran, dass es sich sowohl formal als auch inhaltlich um die nicht mehr als zeitgemäß empfundene Gattung der Opera seria handelte, die Wolfgang Amadé Mozart mit den Da Ponte-Opern Le Nozze di Figaro und Don Giovanni, und Singspielen wie der Zauberflöte längst hinter sich gelassen zu haben schien.92 In diesen Opern hatte er weitaus komplexere Figuren und dafür eine eigene Dramaturgie entwickelt, die die starre Abfolge von Rezitativ und Arie der Opera seria aufbrach. Mit ihren mythologischen und antiken Stoffen galt die Opera seria außerdem als Inbegriff der höfisch-aristokratischen Kultur. Dazu zählte auch das im 18. Jahrhundert äußerst populäre Sujet um den römischen Kaiser Titus, der den Verschwörungen Vitellias und Sestos zum Trotz Gnade und Vergebung walten lässt. Die Oper um einen milden, großzügigen Kaiser war komponiertes Herrscherlob und eine Huldigungsoper, das erklärt auch ihren Erfolg im 90 Grätzer Zeitung vom 2.9.1795, vgl. Walner: »Die Erstaufführungen von Mozart-Opern in Graz und Mozarts Beziehungen zu Graz«, S. 293. 91 Ebd. 92 Zur Rezeptionsgeschichte der Oper im 19. Jahrhundert vgl. Beate Hiltner: La Clemenza di Tito von Wolfgang Amadé Mozart im Spiegel der musikalischen Fachpresse zwischen 1800 und 1850. Rezeptionsgeschichtliche Untersuchungen und besonderer Berücksichtigung der Wiener Quellen und Verhältnisse, Frankfurt a.M. 1994.

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18. Jahrhundert. Pietro Metastasio hatte ein Libretto über Titus verfasst, das über 40 Mal vertont worden war, erstmals 1734 durch Antonio Caldara zum Namenstag Kaiser Karls IV.93 La Clemenza di Tito war darüber hinaus auch eine Festoper. Vor allem die Chöre vergrößerten den Aufwand der Aufführung und gaben ihr festlichen Charakter. Auch Wolfgang Amadé Mozart diente ein Staatsakt als Auftrag zu dieser Oper: Sie sollte anlässlich der Feierlichkeiten zur Krönung Leopolds II. zum böhmischen König am 6. September 1791 in Prag uraufgeführt werden. Die Tradition der Huldigungsoper konnte Constanze Mozart nun quasi fortsetzen, denn sie hatte ähnliche Motive: Sie war als Witwe mit finanziellen Bedürfnissen auf die Mildtätigkeit des Kaisers angewiesen und damit in Wien erfolgreich gewesen, nun setzte sie während ihrer Reise auf das Wohlwollen der Obrigkeit in den jeweiligen Städten, um das Theater vor Ort für eine Aufführung zu gewinnen. Ein weiterer Grund mag in der Besetzung liegen. Wolfgang Amadé Mozart hatte das Libretto zur Oper neu zuschneiden lassen: Der sächsische Hofdichter Catterino Mazzola veränderte die Vorlage Metastasios, und zwar so, dass statt 25 nur noch 11 Soloarien übrig blieben. Neu hinzu kamen Duette und Terzette. Diese boten sich in ihrer doppelten bzw. dreifachen Besetzung an, von Constanze Mozart und ihrer Schwester gemeinsam aufgeführt zu werden. Damit war die Oper für eine gemeinsame Konzertreise bestens geeignet.

2.3. Die Konzertreise 1795/96 Im November 1795 startete Constanze Mozart mit ihrer Schwester Aloisia Lange und dem Komponisten Anton Eberl eine mehrmonatige Konzertreise. Auf dieser Reise konnten die Schwestern ihre Interessen verbinden. Con­ stanze Mozart bot es die Möglichkeit, als erinnernde Witwe aufzutreten. Aloi­ sia Lange plante, ihre Karriere als Sängerin fortzusetzen und Wien wegen ihrer Ehekrise für eine Weile zu verlassen. Als Stationen wählten sie Leipzig, Hamburg, Berlin, und auf der Rückreise nochmals Leipzig und Dresden. Für diesen Reiseverlauf spielten die Bekanntschaften beider Schwestern eine Rolle. Wolfgang Amadé Mozart hatte 1789 eine Reise mit einer ähnlichen Route unternommen, wodurch Constanze Mozart Kontakte nach Leipzig und Dresden besaß. Im folgenden soll die Reise nach Stationen geschildert und die Wahl der Programme bzw. die Rolle der Kontakte hervorgehoben werden. Deutlich wird dabei, dass an all diesen Orten bereits ein besonderes Interesse 93 Vgl. Helga Lühning: Titus-Vertonungen im 18. Jahrhundert: Untersuchungen zur Tradition der Opera seria von Hasse bis Mozart, Köln 1983 (Analecta musicologica, 20).

Die Konzertreise 1795/96

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für die Musik Wolfgang Amadé Mozarts vorhanden war, an das Constanze Mozart anknüpfen konnte. Leipzig Ein erstes Gastspiel fand am 11. November 1795 in Leipzig statt. Es ist davon auszugehen, dass Constanze Mozart bereits vor Beginn ihrer Reise vom Engagement des Organisten, Pianisten und Flötisten August Eberhard Müller um die Musik Wolfgang Amadé Mozarts wusste. Müller richtete einen Klavierauszug zu La Clemenza di Tito ein, der 1795 im Verlag Günther & Böhme erschien. Constanze Mozart verwies auf diesen Klavierauszug, allerdings ohne Müller zu nennen, in ihrer Anzeige vom 1. Mai 1795, wo sie zur Pränumeration für einen Klavierauszug zu Idomeneo aufrief.94 Es ist möglich, dass Müller eine Partiturabschrift von ihr erhalten hatte. Die Partitur erschien erstmalig erst 1805 bei Simrock in Bonn im Druck.95 Müller kam 1794 von Magdeburg nach Leipzig, wo er eine Organistenstelle an der Nicolaikirche antrat. Er erhielt außerdem eine Stelle am Gewandhausorchester als Flötist.96 Seine Ehefrau Elisabeth Catharina Müller war Geigerin, Organistin und vor allem Pianistin.97 Bereits 1794 sind Kompositionen Mozarts in den Programmen der Gewandhauskonzerte zu finden, vorwiegend Szenen und Duette aus den Opern Così fan tutte und Don Giovanni. Am 29. Mai 1795 trat August Eberhard Müller zum ersten Mal mit einem Flötenkonzert solistisch auf.98 In der Saison 1795 waren nun regelmäßig Sinfonien von Mozart im Programm, und August Eberhard wie auch Elisabeth Catharina Müller spielten Klavierkonzerte von Mozart, wofür sie viel Anerkennung und gute Kritiken erhielten. In Gerbers Tonkünstlerlexikon heißt es: »Hier in Leipzig schienen nun seine mannichfaltigen Taten erst ihren rechten Spielraum zu finden, wo besonders der schöne Konzertsaal bald durch seinen und seiner

94 Vgl. Ankündigung Constanze Mozarts im Journal des Luxus und der Moden, Juli 1795, in: B/D IV, S. 204, vgl. auch B/D VI, S. 447. 95 Vgl. Gertraut Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart: Bibliographie, Tutzing 1986, S. 161ff, vgl. auch S. 422. 96 Vgl. Axel Beer: Art. »August Eberhard Müller«, in: MGG2P12 (2004), Sp. 789–791. 97 Vgl. Anja Herold: Art. »Elisabeth Catherina Müller«, in: Lexikon Europäischer Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts, www.sophie-drinker-institut.de/index.htm (letzter Zugriff: 15.2.2011). 98 Konzertprogramm vom 29.5.1795, in: Gewandhausprogramme, Leipziger Benefiz- und Extra-Concerte von 1793 bis 1797, D LEsm.

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kunstvollen Gattin meisterhafte Vortrag der Mozartischen Klavierkonzerte und bald durch sein fertiges Spiel auf der Flöte.«99 Im Januar 1795 waren schließlich erstmalig, und von da an besonders häufig, Ausschnitte aus La Clemenza di Tito auf dem Programm. Das bedeutet, dass vor der Ankunft Constanze Mozarts im November 1795 bereits ein Interesse an dieser Oper bestand, und Notenmaterial zu dieser Oper in Leipzig vorhanden war. Briefkontakte Constanze Mozarts zu dem Ehepaar Müller sind nicht bezeugt, aber es ist nicht auszuschließen, dass es vor der Reise Austausch gegeben hatte, und dass die Aufführungen von Ausschnitten der Oper auf die Initiative der Müllers erfolgten. August Eberhard Müller entwickelte, wahrscheinlich im Austausch mit Elisabeth Catharina Müller, eine detaillierte Interpretationskunst zu den Klavierkonzerten Mozarts, die er 1796 als Anweisung zum genauen Vortrage der Mozartschen Clavier-Concerte veröffentlichte.100 Das Programm des Konzerts am 11. November 1795 bot ausschließlich Werke von Wolfgang Amadé Mozart und war außerdem auf die Vorlieben der Sängerinnen zugeschnitten. Nach einer Sinfonie sang Aloisia die für sie komponierte Arie »No, che non sei capace« (KV 419). Anschließend spielte Anton Eberl ein Mozartsches Klavierkonzert, dann folgte das Terzett von Vitellia, Annio und Publico, »Vengo, aspettate […]«, und ein Marsch aus La Clemenza di Tito. Im zweiten Teil erklang ein Allegro-Satz (nicht näher erläutert), und wieder eine Konzertarie für Aloisia Lange, »Mia speranza adorata« (KV 416). Nach einem Quartett von Anton Eberl sangen die Schwestern das Duett zwischen Sesto und Vitellia, »Come ti piace imponi« aus La Clemenza di Tito, anschließend daraus das Quintett und den Schlusschor des ersten Aktes (vgl. Abb. 12).101 Constanze Mozart trat später auch mit August Eberhard Müller gemeinsam auf, als sie im April 1796 nochmals über Leipzig reiste. In der ersten Hälfte des Konzerts wurde das Requiem aufgeführt, und in der zweiten Hälfte spielte August Eberhard Müller ein Klavierkonzert von Wolfgang Amadé Mozart, wie die Ankündigung zeigt: Madame Mozart, die nach der ehrenvollsten Aufnahme in Berlin, jetzt wieder durch Leipzig, und nach Dresden reist, wünscht die letzte Arbeit ihres seeligen Mannes, sein großes Requiem, sicher das fleißigste und meisterhafteste Werk dieses außerordentlichen Genies, allhier aufzuführen; und alle Musikfreunde, alle Verehrer Mozarts wünschen es mit ihr. Es ist zu dieser Aufführung der Concertsaal 99 Ernst Ludwig Gerber: Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, Leipzig 1812–1814, hg. von Othmar Wessely, 4 Bde., Graz 1966–1977, Bd. 2, S. 503. 100 August Eberhard Müller: Anweisung zum genauen Vortrag der Mozartschen Clavierconcerte, hauptsächlich in Absicht richtiger Applicatur, Leipzig: Schmidt & Rau 1796. 101 Vgl. Konzertprogramm vom 11.11.1795, in: Gewandhausprogramme, D LEsm.

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im Gewandhause gütigst erlaubt worden; und Madame Mozart schmeichelt sich, künftige Mittwoche, den 20. April [1796], das Andenken ihres verewigten Mannes vor einem zahlreichen Auditorio aufs neue zu empfehlen. Das aufzuführende Stück dauert eine gute Stunde; nach dessen Beendigung wird Madame Mozart mit Gesange, und Herr Organist Müller mit einem Concert von ihrem Manne sich hören lassen. Der Anfang ist, wie gewöhnlich, um 5 Uhr. Billets zu 16 Cr. sind bey Madame Mozart, im Hotel de Saxe und beym Bibliotheksaufwärte Meyer zu haben; allwo man auch, so wie beym Eingange, gedruckte Texte zu 2 Cr. findet.102

Bei dem Klavierkonzert handelte es sich möglicherweise um das 1786 komponierte in C-Dur (KV 503). Constanze Mozart kündigte nämlich am 19. April 1796 eine Pränumeration bei Schmidt und Rau an: »Das von Madame Mozart auf Pränumeration angekündigte Clavierconcert von Mozart aus C-Dur (No. 1 aus der Verlassenschaft des Autors) ist bey uns in Commission zu haben. Der Preis ist 2 Thlr 16 Cr. Schmiedt und Rau auf dem Neumarkt No. 18«.103 Diese Initiative sollte nicht die einzige bleiben: Constanze Mozart nahm auf ihrer Station in Leipzig mit dem Verleger Christoph Gottlob Breitkopf und seiner Frau Henriette Eleonora Kontakt auf. Hier war eventuell auch August Eberhard Müllers Rolle von Bedeutung, denn er war als Korrektor und Arrangeur für Breitkopf & Härtel sowie das Bureau de Musique (Ambrosius Kühnel) in Leipzig tätig.104 In ihren späteren Verhandlungen nahm sie auf diesen Besuch in Leipzig Bezug: »Zuerst bitte ich, die Versicherung anzunehmen, daß ich für alle Ehren, die Sie mir bey meinem dortigen Aufenthalt erwiesen haben, recht dankbar war und es immer verbleibe […].«105 Von ihrer Reisestation Hamburg, die auf Leipzig folgte, schrieb Constanze Mozart am 11. Dezember 1795 an Christoph Gottlob Breitkopf. Aus diesem Brief ist zu schließen, dass sie während ihres Aufenthalts in Leipzig im November 1795 Breitkopf und seine Frau persönlich getroffen hatte. Es geht hier um den Druck des Bandel-Terzetts (KV 441), den Constanze Mozart bei Breitkopf in Auftrag gegeben hatte und dessen Erscheinen sie ungeduldig erwartete. In diesem Brief erkundigte sie sich auch, wieviel es kosten würde, eine Oper drucken zu lassen; darüber würde sie aber lieber bei ihrer Rückkehr nach Leipzig verhandeln: »gerne wolte ich bis zu meiner zurükkunft warten alles mit ihnen mündlich darüber auszumachen […]«106 Im November war also schon klar, 102 Alfred Dörffel: Geschichte der Gewandhausconzerte zu Leipzig 1781–1881, Leipzig 1884, Neuauflage Walluf bei Wiesbaden 1972, S. 44, vgl. auch Anzeige in Leipziger Zeitungen vom 20.4.1796. 103 Leipziger Zeitungen vom 19.4.1796. 104 Vgl. Beer: Art. »August Eberhard Müller«, Sp. 789. 105 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.10. 1798, in: B/D IV, S. 215. 106 Constanze Mozart an Christoph Gottlieb Breitkopf, Hamburg, 11.12.1795, in: B/D IV, S. 207.

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dass sie auf dem Rückweg noch einmal über Leipzig reisen sollte. Christoph Gottlob Breitkopf war bereits 1786 nach Wien gereist, und Wolfgang Amadé Mozart hatte ihm Noten angeboten, die er jedoch nicht veröffentlichte.107 Breitkopf wird in Wien vermutlich auch Constanze Mozart kennen gelernt haben, so dass sie einander bekannt waren, als sie ihn in Leipzig kontaktierte. Constanze Mozart konnte auf ihrer Reise die Kontakte zu Mozart-Begeisterten knüpfen und somit in Städten wie Leipzig die Mozart-Aufführungen befördern. Etwa ein halbes Jahr nach Constanze Mozarts Besuch, am 2. Oktober 1796, reiste Josepha Duschek für eine Akademie im Gewandhaus nach Leipzig, und sang Arien aus La Clemenza di Tito und Idomeneo; außerdem trat das Ehepaar Müller mit einer vierhändigen Klaviersonate von Mozart auf. Am 21. November ist ihr Name nochmals zu finden, im Theater am Rannstädter Thore trat sie wieder mit Werken Mozarts auf.108 Hamburg Die nächste Reisestation war Hamburg. Dorthin besaß Aloisia Lange wichtige Kontakte. Es war äußerst günstig für Constanze Mozart, dass die berühmte Schwester sie begleiten konnte, denn Aloisia Lange war eine der bedeutendsten und international bekanntesten Sängerinnen ihrer Zeit. Sie hatte 1780 den Schauspieler Joseph Lange geheiratet.109 Zum Zeitpunkt der Reise 1795 stand es allerdings nicht mehr sehr gut um die Ehe. Joseph Lange berichtet in seiner Autobiographie, dass seine Frau in Folge zahlreicher Entbindungen geschwächt war; sieben Kinder brachte sie zur Welt. Er spricht auch von in Wien umläufigen Gerüchten, dass Aloisia Lange ihre Stimme verloren habe. Als erfolgreiche Primadonna war Aloisia Lange immer wieder Zielscheibe verleumderischer Kritik.110 Auch thematisiert er Geldprobleme und Schulden, die zu ehelichen Spannungen führten. Obwohl eine Trennung in Erwägung gezogen wurde, versuchte das Paar, die kriselnde Ehe zu retten, Abstand von Wien zu gewinnen und sich auf Kunstreisen in Europa einen Namen zu machen. Bereits 1784 reisten sie u. a. nach Mähren, Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hannover und Bayern, 1787 nach Venedig, 1789 nach Hamburg und Berlin. Nach der letzten Reise schien allerdings keine Versöhnung mehr möglich, womit für Aloisia Lange eine Phase der beruflichen und privaten Neuorientierung begann, welcher auch die Reise mit Constanze Mozart dienen sollte. Joseph Lange stellte dies folgendermaßen dar: 107 108 109 110

Vgl. Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, S. 22f. Vgl. Konzert vom 21.11.1796, Gewandhausprogramme, D LEsm. Vgl. Unseld: Mozarts Frauen, S. 78. Vgl. ebd., S. 81f.

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Von dieser Zeit [nach 1789] an wuchs der Mißmuth und der Trübsinn meiner Frau immer mehr. Es ist allerdings traurig für eine große Künstlerinn, wenn sie ihre Kunst, zu der sie von der Natur und durch Erziehung bestimmt ist, nicht ausüben kann. Sie sann Tag und Nacht darauf, ihr Talent im Auslande geltend zu machen. Die Gelegenheit bot sich dar, als ihre Schwester Mozart eine Reise unternahm.111

Aloisia Lange besaß von ihren früheren Reisen zahlreiche Kontakte, die den Schwestern auf der Reise nützlich waren. Joseph Lange beschreibt, dass in Wien Kontakte zu dem Hamburger Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder bestanden hatten, der ab 1780 am Burgtheater in Gastrollen auftrat und ein Jahr später fest engagiert wurde. Schröder blieb vier Jahre in Wien. Seit 1776 gab es am Burgtheater keinen Generalpächter mehr, sondern einen fünfköpfigen Theaterausschuss, der den Spielplan bestimmte und wechselnd Regie führte. Lange wurde 1780 in diesen Ausschuss gewählt, Schröder 1782.112 Im folgenden kam es zur engen Zusammenarbeit der beiden. Schröder setzte sich vor allem für die Aufführung von Shakespeares Dramen im Burgtheater ein, Lange trat u. a. als Hamlet auf. 1786 kehrte Schröder nach Hamburg zurück und übernahm die Leitung des Hamburger Comödienhauses.113 Er brachte Aufführungsmaterial von Komponisten wie von Carl Ditters von Dittersdorf, Domenico Cimarosa und eben Mozart von Wien mit nach Hamburg, so dass in Hamburg regelmäßig Kompositionen von Mozart gespielt wurden. Hier lag der Akzent auf Singspielen, bzw. deutschen Übersetzungen der Opern: 1787 wurde Die Entführung aus dem Serail, 1789 Don Giovanni, 1791 Figaros Heyrath in Hamburg erstmalig gespielt, 1793 Die Zauberflöte.114 Hamburg war damit eine lohnenswerte Reisestation Constanze Mozarts, da Aloisia Lange mit Friedrich Ludwig Schröder bekannt war und sie auf ein interessiertes Publikum hoffen konnte. Die Schwestern reisten zum Jahreswechsel 1795/96 von Leipzig nach Hamburg, wo am 3. und 10. Januar 1796 La Clemenza di Tito zur Erstaufführung kam, und zwar als komplette Oper an zwei Abenden in konzertanter Fassung. Das Format der Akademie wurde beibehalten: Am 3. Januar wurde in der ersten Hälfte der 1. Akt der Oper gespielt und in der zweiten Hälfte Klaviervariationen Mozarts, 111 Joseph Lange: Biographie des Joseph Lange k.k. Hofschauspielers, Wien 1808, S. 180. 112 Vgl. Hadamowsky: Wien: Theatergeschichte, S. 271. 113 Vgl. Claudia Maurer Zenck: »Einleitung: Vom Ackermannschen Comödienhaus zum Hamburgischen Deutschen Stadt-Theater. Das Theater beym Gänsemarkt und seine Opernaufführungen«, in: dies. (Hg.): Musiktheater in Hamburg um 1800, Frankfurt a.M. 2005 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, 22), S. 11–27, hier S. 21. 114 Ebd., S. 22f, vgl. auch: Till Reininghaus: »Mozarts Dom Juan in Hamburg: Zur Don Giovanni-Rezeption im ausgehenden 18. Jahrhundert«, in: Claudia Maurer Zenck (Hg.): Musiktheater in Hamburg um 1800, Frankfurt a.M. 2005 (Hamburger Jahrbuch für Musikwissenschaft, 22), S. 91–114.

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gespielt von Eberl, und eine Sinfonie. Am 10. Januar war dann in der ersten Hälfte der zweite Akt der Oper zu hören, in der zweiten ein Klavierkonzert Mozarts, ein Rondo von Franz Danzi, gesungen von Aloisia Lange, sowie am Schluss eine Sinfonie (vgl. Abb. 9).115 Constanze Mozart und Aloisia Lange sangen die Titelrollen: Wir haben jetzt die geschriebene Partitur dieser Oper vor uns, deren Composition eine der treflichsten des unvergeßlichen Mozarts ist, wovon wir künftig mehr sagen wollen. Heute sey es genug, allen Freunden der Tonkunst anzuzeigen, daß diese vortrefliche Oper morgen, als den 3ten Januar, und hierauf am 10ten von Madame Lange und Madame Mozart im Deutschen Schauspielhause aufgeführt wird. Was wir davon zu erwarten haben, das bürgt uns der Name der großen Künstlerin, welche die Hauptrolle darin singt. Madame Lange sang schon vortreflich, als sie vor einiger Zeit bey uns war. Aber sie hat sich seit dieser Zeit noch einen höheren Grad von Vollkommenheit in dieser Kunst erworben. Außer der vortreflichen Stimme, und der ihr eigenen reinen Intonation singt sie mit so viel Einsicht und Ueberlegung, mit so viel Wahrheit des Ausdrucks, daß man ihren Vortrag zum Muster eines schönen, edlen und geschmackvollen Vortrages annehmen kann. Sie setzt nichts zu, und läßt nichts aus, was irgend gegen die Regeln der wahren Kunst ist. Ihre Manieren sind nicht gesucht, sondern so natürlich, als wenn sie nicht wegbleiben könnten. Kurz man sieht, daß sie unter Mozart[s] Leitung das geworden ist, was wenige Sängerinnen sind. Wer wird nicht wünschen, einen solche Künstlerin in einer Oper singen zu hören, die eins der vorzüglichsten Meisterwerke Mozarts, unseres Lieblings, ist!116

Aloisia Lange, so zeigt diese Ankündigung, war dem Hamburger Publikum von früheren Auftritten noch präsent; es wird außerdem deutlich, dass die Begleitung von Aloisia Lange den Erfolgsfaktor des Auftritts maßgeblich erhöhen konnte. Mit dem Beisatz »wovon wir zukünftig mehr sagen wollen« wird hervorgehoben, dass die Oper auch in Zukunft aufzuführen sei. Als vollständige, szenische Oper hatte sie jedoch keinen langfristigen Erfolg. Dies lag wahrscheinlich auch an der Sprache: Auf dem Konzertzettel zu den Aufführungen im Januar 1796 gibt es den Hinweis, italienische Textbücher seien am Eingang zu haben. Das bedeutet, dass die Oper auf italienisch gegeben wurde, was sich auf einer Singspielbühne nicht durchsetzen konnte. In obiger Rezension wird außerdem betont, dass nun auch »die geschriebene Partitur« vorlag, was wahrscheinlich bedeutete, dass vor Constanze Mozarts Ankunft 115 Konzertzettel zum Konzert Constanze Mozarts und Aloisia Lange in Hamburg, 3. und 10.1.1796, in: D Hth. Für den Hinweis auf diese und folgende Hamburger Quellen danke ich Till Reininghaus. 116 Hamburgischer unpartheyischer Correspondent vom 2.1.1796. Vgl. auch Michaela Giesing u. a. (Hg.): Mozart und Hamburg. Ausstellung zum 250. Geburtstag des Komponisten in der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg 27.1.–18.3.2006, Hamburg 2006, S. 59.

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in Hamburg zuvor keine Partitur von La Clemenza di Tito vorhanden und daher die Oper zuvor nicht vollständig aufführbar war. In der Internationalen Stiftung Mozarteum befindet sich eine Partiturabschrift der Oper, die über den Nachlass Carl Mozarts dorthin gelangte.117 Einzelne Arien sind als Stimmen eingelegt und tragen Gebrauchsspuren. Georg Nikolaus Nissen vermerkte darauf »Stimmen aus La Clemenza di Tito«118, so dass die Partitur zeitweise im Besitz Constanze Mozarts war. In Teilen der Partitur sind Sängerinnen und Sänger wie z. B. »Mad. Langerhans« »H. Rau«, »H. Krug«, »Petersen« mit Bleistift eingetragen.119 Diese waren Mitglieder des Hamburger Ensembles: Herr Krug wirkte bei der Aufführung am 3. Januar 1796 laut Konzertzettel auch als Solist einer Arie mit.120 Johanna Langerhans ist in weiteren Aufführungen von La Clemenza di Tito verzeichnet (s.u., mit Aloisia Lange). Ludwig Rau war laut Gerbers Tonkünstlerlexikon »erster Tenorist am Hamburgischen deutschen Theater« und Mitglied der »Schröderschen Gesellschaft«121. Johanna Langerhans sang außerdem die Rolle der Donna Annas, Ludwig Rau den Don Ottavio und Herr Petersen den Masetto in der Hamburger Erstaufführung des Don Giovanni 1789.122 Vielleicht handelt es sich bei der Partitur von La Clemenza di Tito um besagte »geschriebene Partitur«, wurde diese Partitur also für die ersten Aufführungen der Oper in Hamburg benutzt. Für Aloisia Lange sollte sich der Auftritt in Hamburg als günstig für die Karriere erweisen: Sie erhielt am Comödienhaus ein Engagement. Bereits am 20. Januar 1796 trat sie in Hamburg erneut mit Arien aus La Clemenza di Tito in einer Akademie auf.123 Joseph Lange schreibt, dass die langfristige Abwe117 W.A. Mozart: La Clemenza di Tito, Partiturkopie, M.N. 10b, A Sm; diese trägt auf der Titelseite den Stempel »Carlo Mozart«. Vgl. auch Wolfgang Amadé Mozart: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, hg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum, Serie 2: Bühnenwerke, Werkgruppe 5: Opern und Singspiele, Band 20: La Clemenza di Tito, Kritischer Bericht, hg. von Franz Giegling, Kassel 1991 (NMA II/5/20), S. 41 und Kapitel 5.2. 118 Z.B. auf der Arie Nr. 9 des Sesto, »Parto, ma tu ben mio«, vgl. W.A. Mozart: La Clemenza di Tito, Partiturkopie, M.N. 10b, A Sm. 119 Ebd., z. B. S. 153ff, A Sm. Auch Milada Jonášová: »Ein unbekanntes Partitur-Fragment zu ›La clemenza di Tito‹ und die frühesten Prager Quellen«, in: Mozart-Studien 19 (2010), S. 81–117, weist bereits darauf hin, dass es sich hier um die Sängerinnen und Sänger des Hamburger Ensembles handelte. 120 Vgl. Konzertzettel zum Konzert Constanze Mozarts und Aloisia Lange in Hamburg, 3.1.1796, D Hth. 121 Gerber: Neues historisch-biographisches Lexikon der Tonkünstler, hg. von Othmar Wessely, Bd. 3, Sp. 801. 122 Hier sind die Sängerinnen und Sänger ebenfalls mit Bleistift in die Partitur eingetragen. Vgl. Reininghaus: »Mozarts Dom Juan in Hamburg«, S. 105. 123 »Am Sonntage, den 20sten war die 4te musikalische Akademie. La Clemenza di Tito, componirt von Mozart. Madame Lange und Langerhans hatten ihr völlig Stück Arbeit,

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senheit seiner Frau nicht vereinbart war, sondern spricht von einer Trennung auf Zeit, so dass er mit diesem Engagement nicht einverstanden war. Dennoch machte er keinen Versuch, sie nach Wien zurückzuholen, womit die Reise den endgültigen Bruch bedeutete: Ich willigte nur auf ein halbes Jahr ein, damit sie sich Muth und Ehre sammeln solle; allein ihre Schwester kam zurück, sie seitdem nicht wieder. Sie bewährte ihren wohlerworbenen Ruhm unter Schröder in Hamburg, in Holland, und auf anderen Bühnen.124

Das hieß auch, dass sich die Wege der Schwestern in Hamburg trennten und Constanze Mozart allein nach Berlin reiste. Auch in Leipzig trat sie ohne Aloisia Lange auf, und gab stattdessen eine Akademie mit dem Requiem und Arien aus Idomeneo. Interessanterweise ist im Gewandhaus fünf Tage später eine Akademie von Aloisia Lange verzeichnet, bei der sie allein auftrat, allerdings ebenfalls mit Arien aus Idomeneo.125 Sie hielt sich wie Constanze Mozart im Hotel de Saxe auf. Eine Anekdote bezeugt, dass sich die Schwestern in Leipzig wiedertrafen: Als (Sie wissen das Jahr) die Witwe Mozarts auf ihrer Rükreise nach Wien in Leipzig war, wohnte sie bey d. H. Ernst im Hôtel de Saxe. Als sie wegreisen wollte, mußte sie verschiedene Male diesen würdigen Mann rufen lassen, um ihre Rechnung zu erfahren, und er kam nur, nachdem sie ihn durch ein Billet darum gebeten hatte. Es war in der Meßzeit, wo er also sein Quartier theuer anbringen konnte; wo er gewöhnlich seinen Gästen andre Quartiere verschaft um Vornehmere oder besser Bezahlende aufzunehmen – ihr hatte er ein großes eingeräumt und ließ sie wohnen bleiben – Sie hatte ihre Schwester drey Wochen bey sich gehabt und sich und ihr nichts abgehen lassen; war über 5. Wochen im Hause, und an Statt ihr die Rechnung zu machen, sagte er: denken Sie, ich weiß das Vergnügen, die witwe eines solchen Mannes bewirthet zu haben nicht besser zu schäzen […] nicht zu beweg etwas anzunehmen, und sie mußte durch List […] dem Aufwärter, der ein Verbot hatte, das Trinkgeld in die Hände spielen.126

welches beyde Damen denn auch zum Vergnügen des Publikums recht gut ausführten. […]«, in: Hamburgischer Briefträger 6 (1796), S. 731. 124 Lange: Biographie des Joseph Lange k.k. Hofschauspielers, S. 180f. 125 Vgl. »Concert der Madame Lange«, Konzertprogramm vom 25.4.1796, in: Gewandhausprogramme, D LEsm. 126 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.8.1799, in: B/D IV, S. 271.

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Berlin und Dresden Constanze Mozart reiste von Hamburg nach Berlin, wo sie am 28. Februar 1796 eine weitere Akademie hielt, wo ebenfalls La Clemenza di Tito aufgeführt wurde (vgl. Abb. 13). Niemetschek schreibt in seiner Biographie, dass diese Akademie von Friedrich Wilhelm II. persönlich bewilligt wurde: Sr. Königliche Majestät von Preußen etc. etc. machen sich ein wahres Vergnügen, durch die Gewährung des Wunsches der Wittwe Mozart zu beweisen, wie sehr Sie das Talent ihres verstorbenen Mannes geschätzt und die ungünstigen Umstände bedauert haben, welche ihm die Früchte seiner Werke einzuerndten [sic] verhinderten. Allerhöchst dieselben bewilligen der Wittwe Mozart zur Ausführung dessen letzter Komposition, La Clemenza di Tito, das große Opernhaus, so wie Dero eigenes Orchester […]127

Die Argumentation hier war folgende: Constanze Mozart ›erntet die Früchte‹ der Kompositionen ihres Mannes, weil er es selbst durch den frühen Tod nicht mehr konnte. Auch wird hier La Clemenza di Tito als letztes Werk vorgestellt, was de facto nicht stimmt, aber eine wirksame Strategie ist, denn damit setzte sich die Witwe selbst ins Recht, dieses zu befördern. Auf welche Kontakte konnte Constanze Mozart in Berlin zurückgreifen? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst noch einmal zurück nach Wien blicken. Wolfgang Amadé Mozart hatte 1781, acht Monate lang bis zu seiner Heirat, ein Zimmer auf dem Graben 1175, 3. Stock gemietet. Dieses Haus war in Besitz der Familie Arnstein; dort wohnte der Bankier Nathan Adam von Arnstein mit seiner Frau Fanny. Diese führte einen Salon, welcher Treffpunkt für den Adel, Künstler, Musikerinnen und Gelehrte war.128 Fredrik Samuel Silverstolpe, Georg Nikolaus Nissen, und vermutlich auch Constanze Mozart waren später öfter im Salon Arnstein zu Gast. Aloisia Lange, damals noch Weber, war 1780 zusammen mit Fanny van Arnstein bei einer Soirée im Hause Hochstedten aufgetreten, wie ein Zeitgenosse berichtete, dort »schlug eine Frau von Arnstein zum Entzücken Klavier, und Mlle. Weberin bezauberte mit ihrem Gesang.«129 Fanny von Arnstein war eine gebürtige Itzig, die in Berlin eine der angesehensten jüdischen Familien war. Auch nach ihrer Heirat hielt Fanny von 127 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 59. 128 Vgl. auch Wolfgang Grasser: »Neues aus der Stadt der Toleranz: Tolerierte und getaufte Juden, Da Ponte und Mozart«, in: Werner Hanak (Hg.): Lorenzo Da Ponte. Aufbruch in die Neue Welt, Ostfildern 2006, S. 63–79. 129 Hilde Spiel: Fanny Arnstein oder die Emanzipation. Ein Frauenleben an der Zeitenwende 1758–1818, Frankfurt a.M. 1962, S. 80.

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Arnstein enge Verbindungen nach Berlin. Aloisia Lange konnte bereits auf der Reise 1784 mit ihrem Mann von der Bekanntschaft mit Fanny Arnstein und deren Verwandtschaft in Berlin profitieren, denn sie erhielten von ihr Empfehlungsschreiben, wie Joseph Lange erklärt: »In Berlin hatte ich Empfehlungsbriefe von dem hiesigen vortrefflichen Banquier Baron v. Arnstein an die Familie Itzig, in deren Hause ich Moses Mendelsohn kennen lernte.«130 Ihre Schwester Sara hatte 1787 Samuel Salomon Levy geheiratet und führte ihrerseits in Berlin einen Salon. Sara Levy war mit Sophie und Elise Reimarus in Hamburg bekannt und führte mit diesen über mehrere Jahre einen Briefwechsel.131 Sophie Reimarus hatte von Constanze Mozarts Aufenthalt in Hamburg erfahren, und schrieb am 1. Februar 1796 an Sara Levy: […] nun reiset Mad Mozart schon morgen, also muß nur ein Brieflein sie begleiten, um Sie liebe Levy wenigstens zu überzeugen, daß ich nicht ganz zu Holz geworden bin. Mad Mozart die ich nicht persönlich, nur in ihren Talenten kenne, hat meiner Empfehlung bey Ihnen und ihrem Hause nicht nötig, das weiß ich. Kunst und ähnlicher Geschmack würde Sie zusammen bringen, aber es ist mir angenehm zu glauben, dass sie vielleicht itzt in einen frohen Augenblicke an uns dencken werden.132

Aus dieser Korrespondenz lässt sich ableiten, dass Constanze Mozart womöglich auf Empfehlung von Fanny Arnstein bei ihrer Schwester Sara Levy in Berlin zu Gast war. Auf ihrer Rückreise in Richtung Wien trat Constanze Mozart erneut in Leipzig auf wie bereits geschildert, und im Anschluss reiste sie nach Dresden, wo sie am 25. Mai 1796 im Hotel de Pologne ein Konzert gab.133 An dieser Stelle ist auf die Reise Wolfgang Amadé Mozarts 1789 zu verweisen. Er hatte dieselbe Route genommen, und war über Prag, Dresden und Leipzig nach Berlin gereist. Es war eine der wenigen Reisen, auf der Constanze Mozart ihren Mann nicht begleitet hatte. Er war mit Fürst Lichnowsky unterwegs, einem Logenbruder aus der Loge »Zur wahren Eintracht«.134 Es ist zu vermuten, dass Kontakte zu anderen Freimaurern auf dieser Reise von Bedeutung waren. Zu diesen zählte auch Johann Gottlieb Naumann (1741–1801). Er 130 Lange: Biographie des Joseph Lange k.k. Hofschauspielers, S. 124. 131 Vgl. hierzu: Thekla Keuck: Hofjuden und Kulturbürger. Die Geschichte der Familie Itzig in Berlin, Göttingen 2011 (Jüdische Religion, Geschichte und Kultur, 12), S. 349ff. 132 Sophie Reimarus an Sara Levy, Hamburg, 1.2.1796, in: Peter Wollny: »Ein förmlicher Sebastian und Philipp Emanuel Bach-Kultus«. Sara Levy und ihr musikalisches Wirken, Wiesbaden 2010 (Beiträge zur Bach-Rezeption, 2), S. 55, vgl. auch S. 28f. Für diesen Hinweis danke ich Evelyn Buyken. 133 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 419. 134 Vgl. Braunbehrens: Mozart in Wien, S. 347f.

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war seit 1786 Hofkapellmeister in Dresden und bereits seit 1774 Mitglied der Dresdner Loge »Aux vrais amis«.135 Mozart und Lichnowsky besuchten am 13. April 1789 in Dresden ein Konzert mit der Aufführung einer Messe von Naumann, die er selbst dirigierte.136 Mozart mag Naumann auch über die Duscheks kennengelernt haben. So berichtete Franz Xaver Mozart von einem Besuch Naumanns bei den Duscheks in Prag: »Der chursächsische Kapellmeister H. Naumann bezeugte erst unlängst bey seinem Aufenthalt zu Prag auf eine schöne Art seine Hochachtung und Bewunderung für Mozarts Sohn, als ihm derselbe von seiner Freundin Duschek vorgestellt wurde.«137 Auch Joseph und Aloisia Lange hatten auf ihrer Reise nach Dresden Naumann persönlich getroffen, wie Joseph Lange in seiner Biographie berichtet: So in Dresden mit dem hochberühmten, nur in hiesiger Gegend nicht genug bekannten Naumann, dessen Biographie Meißner vortrefflich lieferte. Er hatte die Lehrstunde, ein Gedicht Klopstocks, als Cantate gesetzt, die meine Frau in dem Hause des k.k. Residenten Baron v. Metzburg sehr schön sang. Durch diese Veranlassung fand ich sodann in Hamburg bey Klopstock Eingang; denn Naumann gab meiner Frau die Musik an Klopstock mit, der sie von ihr zuerst vortragen hörte.138

Es scheint auch kein Zufall zu sein, dass Josepha Duschek dieselbe Kantate in ihrer Akademie im November 1796 auf dem Programm hatte, allerdings nicht in Dresden, Naumanns Wirkungsort, sondern in Leipzig. Dort hatte sie auch schon am 22. April 1788 ein Konzert gegeben mit Werken von Mozart und Naumann.139 Es ist auch möglich, dass Naumann für Constanze Mozart den Kontakt zur Hofkapelle in Berlin herstellte, da dieser in der Gunst Friedrich Wilhelm II. stand und durch ihn mehrere Opernaufträge erhalten hatte. So war bspw. auch die Sängerin Amalie Schmalz der Berliner Hofkappelle zugehörig, sie hatte aber ab 1789 unter Naumanns Leitung am Dresdner Hof gesungen. Amalie Schmalz trat gemeinsam mit Constanze Mozart in Berlin auf (vgl. Abb. 13). Wie auch schon Wolfgang Amadé 1789 gab Constanze Mozart die Dresdner Akademie im Hotel de Pologne. Dieses besaß, wahrscheinlich ähnlich wie der Jahnsche Saal in Wien, einen Konzertsaal. In der Ankündigung heißt 135 Vgl. Gerhard Poppe: Art. »Johann Gottlieb Naumann«, in: MGG2P12 (2004), Sp. 928–936, hier Sp. 928. 136 Vgl. Wolfgang Amadé Mozart an Constanze Mozart, Dresden, 16.4.1789, in: B/D IV, S. 82ff. 137 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 69. 138 Lange: Biographie des Joseph Lange k.k. Hofschauspielers, S. 122. 139 Vgl. Dörffel: Geschichte der Gewandhausconzerte zu Leipzig 1781–1881, S. 193.

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es, die Witwe plane, »in Dresden öffentlich noch nicht gehörte Tonstücke aufzuführen«140. Das Konzertprogramm ist im Detail nicht bekannt. Es ist jedoch anzunehmen, aufgrund der Ankündigung als unbekannte Stücke, dass es sich wiederum um Auszüge aus La Clemenza di Tito oder Idomeneo handelte. Der weitere Verlauf der Reise ist unklar. Reiste Constanze Mozart auf direktem Weg zurück nach Wien? Fest steht, dass ihr ›gewohnter‹ Akademietermin zur Fastenzeit im Frühjahr bereits verstrichen war. Ihr nächster Auftritt war Ende des Jahres in Linz; und die Monate zwischen Dresden im Mai und Linz im November liegen im Dunkeln. Zu dem Konzert in Linz gibt es wiederum eine Anzeige: Am 22. November 1796 gab »Madame Mozart, Wittwe des grossen unvergeßlichen Künstlers« ein »Grosses Concert« im Landständischen Schauspielhaus und trat selbst als Sängerin auf.141 Anlass und Kontakte sind unklar. Ihrem Programm blieb sie treu: Constanze Mozart ließ sich wiederum mit La Clemenza di Tito hören, der zweite Teil präsentierte außerdem eine »Neue Sinfonie vom Hr. Mozart.«142 Am Jahresende gab sie eine weitere Akademie in Graz, wo sie auch schon 1795 gewesen war. Hatte Aloisia Lange bereits in ihrer Akademie in Leipzig Auszüge aus Idomeneo gesungen, so führte Constanze Mozart nun auch Arien aus dieser Oper vor und kündigte sie ebenfalls als unbekannte Oper an: Da dieselbe von einer langwierigen Reise nach Wien zurückkehrt: so wird sie währen ihrem Hierseyn mit hoher Bewilligung im landschaftlichen Schauspielhause künftigen Freytag den 30. dieses Monaths ein Concert zu ihrem, und ihrer unmündigen Kinder Bessten geben, wovon die erste Abtheilung in der hier noch ganz neu und unbekannten Opera seria, betitelt: Idomeneo, und die zweyte aus dem ersten Aufzuge der so beliebten Clemenza di Tito, bestehen wird. Mozart schrieb das grosse Werk Idomeneo für den churfürstlichen Hof zu München, und tiefe Musikkenner räumen diesen einer der vorzüglichen Stellen unter seinen übrigen Arbeiten ein.143

Der einleitende Satz, dass sie von einer »langwierigen Reise nach Wien zurückkehrt«, deutet darauf hin, dass sie in den Sommermonaten 1796 nicht in Wien war, sondern erst nach ihrer Station in Graz nach über 14 Monaten schließlich nach Wien zurückreiste. Eine Konzertreise dieses Umfangs ist Constanze Mozart danach nicht mehr angetreten. Vielmehr ließ sie sich in Wien nieder und nahm die Akademien 140 Deutsch: Mozart, S. 419. 141 Ebd., S. 527. 142 Ebd., S. 528. 143 Grätzer Zeitung vom 28.12.1796, vgl. B/D IV, S. 208f.

Die Konzertreise 1795/96

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zur Fastenzeit wieder auf. Direkt nach ihrer Rückkehr stellte sie einen Antrag für eine Akademie im Burgtheater, die auch bewilligt wurde und am 11. April 1797 stattfand. Wie die Wiener Zeitung berichtete, wurde erneut La Clemenza di Tito aufgeführt. Aus der Anzeige wird nicht ersichtlich, ob Constanze Mozart als Sängerin auftrat.144 Constanze Mozart widmete sich fortan auch anderen Aktivitäten: Bald nach ihrer Rückkehr bildeten die Konzerte nicht mehr das Zentrum. 1798 war sie bereits in Verlagsverhandlungen, wozu umfangreiche Vorarbeiten, d. h. das Sichten und Ordnen der musikalischen Autographe, notwendig waren, die wahrscheinlich direkt nach ihrer Rückkehr, also Anfang 1797, begannen. Hinzu kam, dass ihr Sohn Franz Xaver nun in einem Alter war, in dem sie sich über seine weitere musikalische Ausbildung Gedanken machen musste. Denn dass er Musiker werden sollte wie sein Vater, stand für sie sehr früh fest, und die Weichen waren dafür auch bereits gestellt. Er war während der Reise wie sein Bruder bei Franz Xaver Niemetschek bzw. seiner Verlobten Therese Schnell untergebracht, wie Niemetschek später berichtete: von den zwei Söhnen Mozarts kann ich Ihnen alles sagen, da der größere Karl mehr als 3 Jahre in meinem Zimmer schlief und unter meiner Aufsicht stand […] der kleinere Wolfgang war als 6jähriges Kind 1/2 Jahr bei meiner Frau, solange noch Mad. Mozart ihre Reise in Norddeutschland machte […].145

Constanze Mozart reiste im November 1797 nach Prag. Vermutlich bestand der Zweck der Reise darin, die Söhne nach Wien zurückzuholen. Karsten Nottelmann datiert die Rückkehr Franz Xaver Mozarts auf Sommer 1796,146 was möglich, aber doch unwahrscheinlich ist, da Constanze Mozart entweder noch auf Reisen war, oder spätestens Ende des Jahres mit den Stationen Linz und Graz erneut länger von Wien abwesend war. In Prag fand eine Akademie von der Witwe Mozart statt, mit »hier noch ganz unbekannten Kompositionen«147. Sie trat wieder als Sängerin auf mit Arien aus La Clemenza di Tito und weiteren Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts. Darüber hinaus nutzte sie die Akademie, um den sechsjährigen Franz Xaver der Öffentlichkeit zu präsentieren, der »anfängt dem großen Beispiele seines Vaters nachzustreben«, und eine Arie des Papageno aus der Zauberflöte sang.148 144 Wiener Zeitung vom 1.4.1797, vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 294, und Joseph Heinz Eibl: Mozart. Die Dokumente seines Lebens. Addenda und Corrigenda, Kassel 1978 (NMA X/31,1), S. 87. 145 Hitzig: »Die Briefe Franz Xaver Niemetscheks und der Marianne Mozart an Breitkopf & Härtel«, S. 110, vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 21. 146 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 25. 147 Vgl. Deutsch: Mozart, S. 420. 148 Vgl. ebd., S. 421.

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Bedingungen und Kontexte

Im Dezember 1797 findet sich keine Anzeige und kein weiterer Hinweis auf eine Akademie. Am 29. März 1798 fand eine Akademie im Jahnschen Saal mit Auszügen aus La Clemenza di Tito statt, allerdings sang Josepha Duschek. Am 8. April 1798 gab es erstmalig eine von Constanze Mozart veranstaltete Akademie außerhalb der Hoftheater, nämlich im Theater auf der Wieden, wieder mit La Clemenza di Tito.149 Aus welchen Gründen Constanze Mozart an diesen Ort ausgewichen ist, bleibt offen. Auch ließ sich bisher nicht eruieren, ob sie selbst als Sängerin auftrat. Etwas später, am 27. April 1798, fand eine weitere Akademie im Kärnterthortheater mit ebenjener Oper statt, mit Constanze Mozart und Therese Gassmann in den Titelrollen.150 Zwei Dinge lassen sich nun beobachten: Erstens wird von nun an die Oper auch im Theater an der Wieden (ab 1801 hieß es Theater an der Wien) regelmäßig gegeben. Dies erstaunt insofern, als es zu den privaten Theatern Wiens gehörte, die sehr oft die Singspiele und Opern Mozarts auf dem Programm hatten, die grundsätzlich in deutscher Sprache, bzw. in deutscher Übersetzung gespielt wurden. La Clemenza di Tito scheint dabei als Opera seria in italienischer Sprache nicht ins Programm zu passen. Tatsächlich findet sich 1801 eine Aufführung Titus der Gütige im Theater an der Wien in deutscher Fassung, auf Basis eines Textbuchs, das Joseph Ritter von Seyfried übersetzt hatte. In den Jahren 1804, 1806, 1807 und 1808 sind Aufführungen dieser Fassung im Theater an der Wien verzeichnet.151 Die Oper löste sich damit von der Aufführung in Akademien und ging, zumindest für eine Weile, in das Opernrepertoire über. Zweitens löste sich die Oper damit von dem Namen Constanze Mozarts. Dies lässt sich auch an weiteren Aufführungen in den Hoftheatern feststellen. Am 8. September 1798 trat ihre Schwester Josepha Hofer mit ihrem zweiten Ehemann Sebastian Mayer bei einer Akademie mit Arien aus der Oper im Theater auf der Wieden auf.152 Im März 1799 veranstaltete Constanze Mozart eine Akademie mit beiden zusammen.153 Es scheint ihre letzte gewesen zu sein. Vor allem Therese Gassmann, später verheiratete Rosenbaum, trat danach immer wieder mit Arien aus La Clemenza di Tito auf, so z. B. einer 149 Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 297. 150 Vgl. ebd. Zu dieser Akademie gibt es, im Gegensatz zu den vorigen, einen Eintrag in den Akten der Hofintendanz vom 19. April 1798: »Mozart Constanza, bittet im Kärtnerthortheater am 27. April eine Musikalische Academie geben zu dürfen. Hat die angesuchte Erlaubniß erhalten.« Hofarchive, Generalintendanz der Hoftheater XII/13, Sonderreihe, SR 7, Registernr. 195, S. 14, A Whh. 151 Vgl. Leopold Edlen von Sonnleithner, Materialien zur Geschichte der Oper und des Ballets in Wien, Zusatzbogen, A Wgm. 152 Vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 298 und Deutsch: Mozart, S. 423. 153 Vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 301.

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Benefizveranstaltung für die Theaterarmen im März 1801, und zwei Monate später in der von Ignaz Schuppanzigh initiierten Konzertreihe im Augarten.154 Es finden sich nach 1799 zwar noch Akademien, in denen La Clemenza di Tito gegeben wurde, aber weder zu Gunsten Constanze Mozarts, noch explizit auf ihre Initiative hin. Es mag sein, dass ihre Witwenschaft bereits zu lange währte, so dass Akademien als Wohltätigkeitsveranstaltungen nicht mehr die Zugkraft besaßen, die sie noch von 1791 bis 1795 hatten. Auch mag der finanzielle Aspekt nicht mehr zwingend notwendig gewesen sein. Aus einem weiteren Grund scheint der Zeitpunkt 1798 nicht zufällig: Markiert er doch das Jahr, in dem die Verlagsverhandlungen mit Breitkopf & Härtel begannen, die zeitintensive Korrespondenzen verlangten. Auch ist nachweisbar, dass Constanze Mozart ab ca. 1800 einen Salon führte, der dazu diente, die Musik ihres Mannes zu präsentieren, aber auch, um ihrem heranwachsenden, musikbegabten Sohn ein Forum der Förderung zu bieten. Dass sich diese Wendungen ergaben, ist vor allem auf ihr Wiener Umfeld mit Gottfried van Swieten und Joseph Haydn, vor allem aber die Bekanntschaften mit Fredrik Samuel Silverstolpe und Georg Nikolaus Nissen zurückzuführen.

2.4. Die Begegnung mit Fredrik Samuel Silverstolpe und Georg Nikolaus Nissen Constanze Mozart machte nach der Rückkehr von ihrer Reise im Wiener Augarten eine besondere Begegnung: Sie traf auf den schwedischen Diplomaten Frederik Samuel Silverstolpe (vgl. Abb. 4), der ihren Nachlassaktivitäten wichtige Impulse verleihen sollte. Er schilderte diese Begegnung in seinen Memoiren: Es war im Salon des Augarten, in dem Moment als man eine hervorragende Sinfonie von Mozart zu spielen beginnen wollte, dass ich seiner Witwe vorgestellt wurde, dieselbe Constanze Mozart, von der man sagte, dass der Verstorbene vor allem durch sie inspiriert die Rolle der Constanze in der Entführung aus dem Serail komponiert habe.155

154 Vgl. ebd., S. 309. 155 Orig.: »C’étoit dans le salon du Augarten, au moment où l’on venoit d’exécuter une superbe sinfonie de Mozart, que je fus présenté à sa veuve, cette même Constance Weber dont on m’avoit dit que le défunt s’étoit senti préférablement inspiré lorsqu’il composoit le rôle de Constance dans l’Enlèvement du sérail.« »Particularités«, Memoiren Fredrik Samuel Silverstolpes, Nr. 33, S. 63, S Uu.

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Bedingungen und Kontexte

Der Augarten war ein bevorzugter Vergnügungsort in Wien. Man nutzte den kaiserlichen Park vor allem Sonntags für Spaziergänge, das Restaurant bot Möglichkeit zur Einkehr, Geselligkeit und zum Konzertbesuch. Auch Con­ stanze Mozart besuchte regelmäßig den Augarten, vor allem auch, weil Wolfgang Amadé Mozart dort in Subskriptionskonzerten aufgetreten war und in den Konzertreihen weiterhin Kompositionen ihres Mannes gespielt wurden. Mit der Begeisterung für die Musik Wolfgang Amadé Mozarts teilte sie mit Fredrik Samuel Silverstolpe (1769–1851) eine besondere Leidenschaft. Er entstammte einer schwedischen Adelsfamilie, studierte Rechtswissenschaften in Uppsala und trat anschließend in den diplomatischen Dienst ein. Ab 1796 war er Chargé d’Affaires und wurde als diplomatischer Vertreter nach Wien gesandt, wo er bis 1803 blieb.156 Schon früh interessierte er sich für Musik und erhielt Unterricht durch seine Mutter Eleonora Catharina. Er spielte Klavier und begann zu komponieren. Auch sein Bruder Gustaf Abraham (1772–1824) teilte dieses musikalische Interesse. Zusammen förderten die Brüder den Komponisten Joseph Martin Kraus (1756–1792), der ab 1778 in Stockholm als Hofkapellmeister tätig gewesen war.157 Ein persönlicher Austausch der Brüder Silverstolpe mit Kraus ist nicht belegt.158 Dennoch versuchten beide auf vielfältige Weise, Kraus’ Musik bekannt zu machen. Fredrik Samuel Silverstolpe sammelte seine Kompositionen und fertigte Abschriften an. Die Brüder versuchten außerdem, die Werke in Druck zu bringen. Silverstolpe reiste dafür eigens auf dem Weg nach Wien über Leipzig, um mit Breitkopf & Härtel zu verhandeln. Silverstolpe bewirkte, dass eine Serie von drei Heften erschien: 1. eine Sinfonie, 2. eine italienische Arie und 3. Lieder. Sein Bruder sollte mit Breitkopf & Härtel in Kontakt bleiben und die Korrekturen betreuen. 1797 erschienen die Hefte im Druck.159 Es bestand der Plan, die Herausgabe fortzusetzen, da Silverstolpe versichern konnte, dass weitere Autographe in Stockholm vorhanden waren; dies wurde jedoch nicht verwirklicht.160 Es lässt sich aber in dem Plan einer sukzessiven Herausgabe von Werken ein Vorläu156 Vgl. Carl-Gabriel Stellan Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe. Einige Stockholmer Persönlichkeiten im Musikleben des Gustavianischen Zeitalters, Stockholm 1952, S. 245ff. 157 In der Forschung über Joseph Martin Kraus taucht immer wieder die Bezeichnung als »schwedischer Mozart« auf, was auf die parallelen Lebensdaten zurückgeführt wird. Weitere Attribute dieser Parallelisierung, die sicherlich dem Zweck der Kanonisierung diente, wären zu erforschen. Ob die Bezeichnung von Silverstolpe stammt, ließ sich in den Ego-Dokumenten nicht feststellen, wäre aber in weiteren Quellen (z. B. Silverstolpes Biographie über Kraus) zu prüfen. 158 Vgl. ebd., S. 261f. 159 Vgl. ebd., S. 311ff. 160 Vgl. ebd., S. 304.

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fer des Konzepts Gesamtausgabe erkennen, das Breitkopf & Härtel mit den Mozart-Drucken später ausbauten. Silverstolpe reiste von Leipzig nach Dresden – und hier zeigt sich wieder die Bedeutung des Netzwerks –, wo er Johann Gottlieb Naumann begegnete. Er äußerte sich in Briefen an seine Familie beeindruckt von der hohen Qualität von Naumanns Kompositionen, die er in Dresden hörte. Naumann wiederum hatte sich 1777 längere Zeit in Stockholm aufgehalten, für die Hofkapelle komponiert und war anschließend nach Kopenhagen gereist. Er war mit der Dänin Catharina von Grodtschilling verheiratet. Naumann besaß gute Verbindungen zu Skandinavien und war mit Kraus bekannt, wie er Silverstolpe erzählte.161 Er äußerte sich bestürzt über die Nachricht von dessen Tod. Im Gegensatz zu Dresden war Silverstolpe vom Wiener Musikleben zunächst nicht sehr beeindruckt, wie er seinem Vater schrieb: Ich habe hier einige Spectacles angesehen, aber ohne Vergnügen, denn hier wird mittelmässig gespielt, abscheulich deklamiert für ein schwedisches Ohr, geschmacklos und oft elendig gesungen, ausserdem tut das Orchestre selten seine Pflicht gut. Es wird viel von Concerts gesprochen, aber man gibt sie nicht um diese Jahreszeit. Nachdem man Naumanns Capelle in Dresden gehört hat, wird man recht difficile was Virtuosen anbetrifft.162

Vor allem war er enttäuscht, dass Kraus in Wien so gut wie gar nicht bekannt war. Bald darauf hörte er jedoch Mozart und änderte seine Meinung, wobei er gleich darüber nachdachte, ob er die Musik nach Schweden vermitteln könnte: Nun habe ich die Zauberflöhte [sic] spielen gesehen und von den Sujets, für welche Mozart diese Pièce geschrieben hat. Die Musik ist vortrefflich. Jedoch ist die ganze Oper auf eine solche Art zusammengesetzt, dass sie in einem schwedischen Théater sicher keinen Erfolg haben kann. Ich wünsche nicht, dass man sich damit Mühe macht. Wir sind noch nicht deutsch genug (hoc est fürs Theater).163

Bald vernetzte sich Silverstolpe mit anderen in Wien ansässigen Diplomaten und verkehrte in den adligen Häusern der Stadt. Internationaler Treffpunkt war das Haus Arnstein; dort schien er seine Vorbehalte bezüglich der Musik in Wien zu ändern: Arnsteins Haus ist das interessanteste von allen. Dort verkehren alle Gelehrten, alle Genies, eine Menge erfahrener Leute und Ausländer, von denen man eine 161 Vgl. ebd., S. 306. 162 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Vater, Wien, 4.6.1796, in: ebd., S. 307. 163 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Bruder Axel Gabriel, Wien, 24.8.1796, in: ebd., S. 308.

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Bedingungen und Kontexte

Vorstellung von anderen Ländern erhalten kann. In diesem Hause verkehre ich auf sehr familiairem Fusse und höre bisweilen gute Clavier Musik mit Gesang.164

Silverstolpe war bestrebt, die Bekanntschaft mit Joseph Haydn zu machen, was ihm auch bald gelang, und zwar bei einer Aufführung im Palais Schwarzenberg im März 1797: Am 27. März 1797, als ich eine Eintrittskarte für eines der Konzerte hatte, die im Hotel des Prinzen Schwarzenberg gegeben wurden während der Fastenzeit, da habe ich Haydn zum ersten Mal gesehen und ich wurde ihm vorgstellt durch einige meiner Freunde. Wir haben an diesem Abend Acis und Galathée von Händel gehört. Dieses Stück war Gegenstand unserer ersten Unterhaltung. […] und ich versprach ihm, einige Werke von Kraus zu senden, die ich mitgebracht hatte. Er schien sehr erfreut über diese Zusage und wies mich an, ihn bald besuchen zu kommen.165

Der Besuch fand kurz darauf statt, und sie kamen tatsächlich über Kraus ins Gespräch: Haydn sagte, er kenne nur eine Sinfonie von Kraus, hielte ihn aber für einen herausragenden Komponisten. Die erste Begegnung mündete in eine Freundschaft und zahlreiche weitere Begegnungen: Silverstolpe fuhr im Sommer 1797 mit Haydn in dessen Haus nach Gumpendorff, in das er sich zurückzog, um die Schöpfung zu komponieren. Im September reiste er mit Haydn nach Eisenstadt. Er berichtet außerdem in seinen Memoiren von gemeinsamen Besuchen im Augarten und in Schönbrunn. Silverstolpe beobachtete Haydn als Lehrer und den Entstehungsprozess seiner Kompositionen.166 Bei der Uraufführung der Schöpfung im Palais Schwarzenberg am 29. und 30. April 1798 war Silverstolpe anwesend und äußerte sich darüber enthusiastisch gegenüber seiner Familie. Er bemühte sich um die Förderung von Haynds Musik und schlug ihn als Mitglied der schwedischen Akademie vor. Auch initiierte er im Austausch mit seinem Bekannten Paul Struck, einem

164 Fredrik Samuel Silverstolpe an seine Mutter, Wien, 26.10.1796, in: ebd., S. 310. 165 Orig.: »Le 27 Mars 1797, ayant reçu un billet d’entrée à l’un des concerts, que donnoit dans son hôtel le prince de Schwarzenberg pendant le carême, je vis pour la première fois Haydn et me fis présenter à lui par quelqu’un de mes amis. Nous avions entendu ce soir-là Acis et Galathée de Händel. Cette pièce fut le premier sujet de notre conversation. […] Je promis de communiquer à Haydn quelques ouvrages de Kraus, que j’avois apportés. Il parut être fort réjoui de cette promesse et m’engagea de venir le voir bientôt.« Silverstolpe Memoiren Nr. 30, S. 57, S Uu. Der gesamte Abschnitt Nr. 30, S. 56–61, in den Memoiren betrifft die Bekanntschaft mit Joseph Haydn. Dieser ist in deutscher Übersetzung abgedruckt bei C.-G. Stellan Mörner: »Haydniana aus Schweden um 1800«, in: Haydn-Studien II/1 (1969), S. 1–33, S. 24ff. Ich verwende hier jedoch meine eigenen Übersetzungen. 166 Vgl. Silverstolpe Memoiren Nr. 30, S. 58, S Uu.

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Schüler Haydns, der nach Stockholm übersiedelte,167 dort eine Aufführung der Schöpfung 1801. Dafür übersetzte Silverstolpe auf Haydns Anweisung den Text ins Schwedische.168 Auch bei sich zu Hause organisierte Silverstolpe Konzerte im kleinen, exklusiven Kreis, wo Haydn auch zugehörte: Einige Male während des Winters veranstaltete ich bei mir, mit Hilfe des Herrn Struck, Zusammenkünfte von vier guten Streichern, die ich bezahlte, und Haydn war der Bedeutendste unter meinen Gästen. Herr [Franz Vinzenz] Krommer, selbst ein guter Komponist, dirigierte diese kleinen Konzerte. – Und über diese Abende hinaus habe ich Haydn gewinnen können, einige Male mein Gast zu sein in den Gaststätten im Augarten und in Schönbrunn, wo ich ihn in meinem Wagen hingefahren habe. Er liebte gut zu speisen, und sang am Tisch mit einer Freude, die von Herzen kam.169

Zu diesem Anlass wurden auch Werke von Kraus gespielt, wie er seinem Bruder Carl berichtete: Um Dich jetzt mit einigen Mitteilungen über meine Vergnügungen zu unterhalten, will ich Dir erzählen, dass ich vor einigen Tagen bei mir zuhause ein Concert hatte, das aus vier guten Musikern bestand. Ein Flöt-Traversist, Turner, der in Schweden gewesen ist, wirkte auch dabei mit, so dass Quintette vorgetragen werden konnten. Ausserdem Claviermusik. Haydn war einer der 4 Zuhörer und vergnügte sich gut dabei. Man spielte Musik von 3 anwesenden Meistern. Auch von Kraus wurde ein Quintett gespielt, welches eins der schönsten ist.170

Silverstolpe verbreitete Abschriften von Kraus’ Kompositionen. Er sandte seinem Freund Gustaf Sehmann in Paris die Trauersinfonie von Kraus, der sie an Ignaz Pleyel weiterleitete.171 Dieser war Schüler Joseph Haydns und in Paris als Verleger tätig. Die Brüder überlegten, wie der Absatz der Noten zu fördern sei, wobei eine Empfehlung Haydns helfen könnte, wie Gustaf Abraham vorschlug: 167 Vgl. auch Mörner: »Haydniana aus Schweden um 1800«, S. 8ff. 168 Vgl. Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 252. 169 Orig.: »Quelquefois durant les hivers j’arrangeai chez moi, à l’aide de Mr. Struck, des réunions de quatre bons violons, que je payai, et Haydn étoit alors le principal parmi mes convives. C’étoit Mr. Krommer, bon compositeur lui-même, qui dirigeoit ces petits concerts. – En outre de ces soirées, j’engageai quelquefois Haydn d’être mon hôte aux restaurations du Augarten et de Schönbrunn, le conduisant alors dans ma voiture. Il aimoit la bonne chère, et cansoit [sic] à table avec une gaïté qui partoit du cœur.« Silverstolpe Memoiren Nr. 30, S. 59f, S Uu. 170 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Bruder Carl Gudmund, Wien, 13.12.1797, in: Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 322f. 171 Vgl. Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 329.

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Bedingungen und Kontexte

Sollte der Verkauf [von Kraus’ Werken] nicht gut gehen, frage ich mich, ob es nicht möglich wäre, den Handel durch irgendeine Schrift zu animieren. Denk darüber nach und besprich die Sache mit Haydn. Seine und Naumans Recommendation könnte vielleicht für Absatz sorgen.172

Im Mai 1798 organisierte Gustaf Abraham Silverstolpe eine Gedächtnisfeier für Kraus in Stockholm, wo eine Rede gehalten wurde, die er seinem Bruder nach Wien schickte. In diesem Kontext entstand die Idee, Kraus eine Biographie zu widmen und sie in einem Journal zu veröffentlichen, das Gustaf Abraham Silverstolpe selbst herausgab: »Ich will seine Biographie in mein Journal setzen. Sammle alle Anekdoten, die Du hörst, alle Auskünfte, die sich auf die Rede beziehen, wie: bei wem er die Wissenschaft gelernt hat, u.s.w. […]«173 Sogleich begann Fredrik Samuel Silverstolpe, in Wien Informationen über Kraus zu zusammen zu tragen: »Hier, an Ort und Stelle, habe ich schon mehrere Geschichten die von Kraus handeln gesammelt, die recht unterhaltend sind.«174 Dieser erste Plan wurde nicht verwirklicht, und ein neuer Impuls kam 1801 von Fredrik Samuel Silverstolpe: Dein Plan zu Kraus’s Gedächtnis ist admirabel, und ich will gerne das Meinige dazu beitragen, damit seine Biographie verfasst wird. Ich habe die Absicht zum Winter meine aestetische Theorie fertig zu haben und gehe mit dem Plan um, in dieser Frage in der Musicalischen Academie Vorlesungen zu halten. Kann ich meine Speculationen auf diese Art ordnen, so glaube ich, dass es mir gelingen wird, Kraus’s Biographie zu schreiben.175

Doch auch diesmal wurde das Projekt nicht abgeschlossen. Fredrik Samuel Silverstolpe verfasste erst viele Jahre später die Biographie über Kraus, welche schließlich 1833 in Stockholm erschien.176 Aus Abrechnungen bzw. Kassabüchern geht hervor, dass Constanze Mozart, Fredrik Samuel Silverstolpe und auch Georg Nikolaus Nissen viel Zeit miteinander verbrachten. Silverstolpe lud zum Essen ein, sie trafen sich im Augarten, wo auch Billiardpartien mit Constanze Mozart verzeichnet sind. Der Prater war ebenfalls ein beliebtes gemeinsames Ausflugsziel.177 Silverstolpe versuchte sogleich, Constanze Mozart für Kraus zu begeistern, was

172 Gustaf Abraham an Fredrik Samuel Silverstolpe, Uppsala, 4.5.1798, in: ebd., S. 330. 173 Gustaf Abraham an Fredrik Samuel Silverstolpe, Uppsala, 4.9.1798, in: ebd., S. 333. 174 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Bruder Gustaf Abraham, Wien, 20.6.1798, in: ebd., S. 332. 175 Gustaf Abraham an Fredrik Samuel Silverstolpe, Stockholm, 29.9.1801, in: ebd., S. 379f. 176 Fredrik Samuel Silverstolpe: Biographie af Kraus, med Bilagor af Femtio Bref ifran Honom., Stockholm 1833. 177 Vgl. Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 335 und 383.

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auch gelang, denn sie bat ihn bald um dessen Kompositionen, die sie selbst singen wollte: Ich danke für die Schöne Arie, die auch sehr gut für meine Stimme ist, allein ich wünschte sie auch im Krausischen geist singen zu können, und dazu kan mir niemand besser helfen, als Herr von Silverstolpe, der ihn so gut versteht, meine Bitte gehet also dahin, mir eine von diesen Arbeiten zu schenken, wofür [ich] sehr dankbar seyn will. Ihre zugebenste Constance Mozart.178

Silverstolpe hatte ab Oktober 1798 in seiner Funktion als Diplomat die Pflicht, die Herzogin und den Herzog von Södermanland in Wien in die Gesellschaft einzuführen. Mit dem Paar besuchte er Bälle, u. a. bei dem Fürsten Esterházy, und auch Konzerte. Der Herzog war, wie Silverstolpe und sein Vater ebenfalls, bei den Freimaurern, und freute sich, dass Constanze Mozart dem Herzog Freimaurermusik ihres Mannes übermitteln konnte: Da mein lieber Vater Freimaurer ist, darf ich die Ehre haben zu berichten, dass ich dem Herzog einige Freimaurer-Cantaten verschafft habe, mit Arien, Recitativen und Choeuren […] von Mozart, welche die Witwe dieses Compositeurs mir aus dem Sammlungen ihres Mannes überlassen hat. Der Herzog hat viel Freude daran.179

Im Juni und Juli 1802 kam Gustaf Abraham Silverstolpe zu Besuch nach Wien, und auch ihn führte der Bruder zu zahlreichen Vergnügungen aus, die seine Wiener Bekanntschaften mit einschlossen. Fredrik Samuel Silverstolpe hatte eine Sommerwohnung in Penzing bei Wien, wo sie ebenfalls gemeinsam hinfuhren: »Dann wird Gösta [Kurzname Gustaf Abrahams Silverstolpes] Frau Mozarts Bekanntschaft machen. Herr Nissen, Secretair der Dänischen Legation, begleitet uns nach Penzing, wo wir alle drei die Nacht zubringen werden.«180 Silverstolpe verließ Wien im Februar 1803, nach fast sieben Jahren. Er kehrte nicht mehr dorthin zurück. Weitere Aufträge führten ihn zwischen 1805 und 1807 nach St. Petersburg, anschließend lebte er in Stockholm und widmete sich vor Ort der Förderung der Musik und musikschriftstellerischen Tätigkeiten sowie der Komposition. Für Georg Nikolaus Nissen schien die Abreise Silverstolpes ein großer Verlust zu sein: »Ich fühlte mich isoliert, einsam: Ich glaube, ich bin damit in einem neuen Lebensabschnitt angekommen. 178 Billet Constanze Mozarts an Fredrik Samuel Silverstolpe, undatiert, zitiert nach: ebd., S. 336. 179 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Bruder Carl Gudmund, Wien, 9.4.1799, in: ebd., S. 338. 180 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Vater, Wien, 3.7.1802, in: ebd., S. 391.

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Bedingungen und Kontexte

Ich frage mich oft, wo Sie sich gerade befinden. Ich spreche mit allen, die ich sehe, über Sie, und alle vermissen Sie.«181 Im Nachlass Silverstolpes sind 26 Briefe Nissens erhalten, und diese scheinen die Gesamtheit der Korrespondenz bis 1824 darzustellen. Nissen erkundigte sich wiederholt nach Silverstolpes Befinden, seine Briefe blieben aber wohl weitgehend unbeantwortet, da er in mehreren Briefen sein Bedauern darüber ausdrückte, dass Silverstolpe nicht antwortete. Der engste freundschaftliche Kontakt blieb damit die gemeinsame Zeit in Wien bis 1803. Georg Nikolaus Nissen, geboren am 22. Januar 1761 in Hadersleben in Nordschleswig, war im dänischen diplomatischen Dienst tätig (vgl. Abb. 3). Anders als Silverstolpe war er nur zu einem Teil adliger Herkunft: Seine Mutter Elisabeth enstammte der italienischen Adelsfamilie Zoëga, die 1570 nach Schleswig kam, sein Vater Jens war Kaufmann.182 Aufgrund finanzieller Schwierigkeiten des Vaters wurde Georg Nikolaus Nissen mit 12 Jahren in die Obhut seines Onkels mütterlicherseits, dem Pfarrer Vilhad Zoëga, auf das Gut Mögeltönder gegeben. Dort wuchs er mit seinem Cousin Georg Zoëga auf, der später ein angesehener Archäologe werden sollte. Mit 14 Jahren begann er eine Beamtenlaufbahn bei der Post in Kopenhagen, 1779 schrieb er sich an der Universität ein. Er war bald mit führenden Persönlichkeiten, die die dänische Aufklärungsbewegung prägten, in Kontakt, allen voran Knud Lyne Rahbek und Jens Baggesen. Über eine musikalische Ausbildung Nissens ist nichts bekannt, er besaß aber ausgeprägte literarische Interessen, und in den 1780er Jahren auch Ambitionen, selbst zu publizieren. Rahbek war 1778 bis 1780 Redakteur der Zeitschrift Det almindelige danske Bibliotek und druckte Gedichte Nissens. Dieser lernte Deutsch, Englisch und Französisch und begann 1788, womöglich als lukrativen Nebenerwerb, eine Depeschentätigkeit für Graf Frederik Christian Schack, den er über Ereignisse in Kopenhagen unterrichtete. Bald wurde er bei Andreas Peter Graf von Bernstorff vorstellig, der dänischer Außenminister und Leiter des Amts für Auswärtige Angelegenheiten war. Als Gesandter war Nissen aufgrund seiner bürgerlichen Herkunft allerdings nicht geeignet, denn die leitende diplomatische Funktion kam nur einem Adligen zu. Nissen erfüllte jedoch auch alle Voraussetzungen für die Position des Legationssekretärs. Dieser musste ledig sein, da er entweder im Haus des Gesandten wohnte 181 Orig.: »Je me trouvois isolé, seul: je crus être arrivé à une nouvelle épôque [sic] de la vie. Je me demandois souvent où Vous seriez à l’heure qu’il étoit. Je parlois de Vous avec tous ceux que je vis (et tous Vous regrettèrent.)« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, 1.3.1803, S Sr. 182 Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 37f. Zum Lebenslauf vgl. auch Servatius: »›Il avoit dans son caractère un grand fond de noblesse et d’équité.‹ Neue Erkenntnisse zu Georg Nicolaus Nissen«, S. 254ff.

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oder, wie Nissen in Wien, zu Tisch anwesend zu sein hatte und ein eigenes Zimmer mietete. Er musste sprachbegabt und eine zuverlässige Schreibkraft sein, um Depeschen zu chiffrieren und dechiffrieren und Buch zu führen. 1790 wurde Nissen als Legationssekretär angestellt und nach Regensburg geschickt. Im Februar 1793 reiste er nach Wien, wo er unter der Leitung des Gesandten Armand François Louis de Mestral de Saint-Saphorin die Tätigkeit als Legationssekretär fortsetzte. Sein Vorgesetzter erkrankte 1804 und starb 1805, womit Georg Nikolaus Nissen ihn als Chargé d’affaires in Wien bis zu seinem Rückruf nach Kopenhagen 1810 vertrat.183 Das Rigsarkivet in Kopenhagen verwahrt die diplomatischen Nachrichten aus jener Zeit,184 und es erstaunen die Regalmeter an Depeschen aus Wien: Alle drei oder vier Tage wurde ein umfassender Bericht, meist im Umfang von zwei vollständig beschriebenen Doppelbögen, nach Kopenhagen gesandt. Nissen schrieb, St. Saphorin unterzeichnete. Man kann nur erahnen, wie viele Stunden Nissen damit zubrachte, in der Dänischen Gesandtschaft Wipplingerstraße 392185 die neuesten Nachrichten zu notieren, die vermutlich St. Saphorin diktierte. Nissen hatte offiziell keine Repräsentationspflichten. Aber er trug aktiv zur Beschaffung aktueller Nachrichten und Informationen bei. Nissen und St. Saphorin erfuhren die politischen Neuigkeiten nicht nur aus der Zeitung, sondern auf zahlreichen Besuchen bei anderen Gesandten und Diplomaten in der Stadt. Nissen erledigte diese Besuche oftmals auch mit Silverstolpe zusammen, wie ein Billet an ihn zeigt: Mein lieber Freund, ich muss glauben, dass unter der großen Anzahl an Besuchen, die Sie vergangenen Freitag absolviert haben, sich keine von denen befinden, die ich noch mit Ihnen gemeinsam morgen machen wollte. Das sind die beim Herzog, beim französischen Botschafter und beim britischen Gesandten. […] Wenn von allen Projekten nur noch der Besuch bei C. Cobenzl bleibt, soll ich darauf verzichten, von Ihrem Angebot zu profitieren, weil es sich nicht gehört, dass ich diesmal hingehe. Sollten Sie also noch zum Herzog gehen, würden Sie mich verpflichten, mich erst abzuholen, nachdem Sie den ersten Ort verlassen haben.186 183 Vgl. ebd., S. 63. 184 Diplomatische Depeschen von Wien nach Kopenhagen (Jahre 1800–1810), in: Kopenhagen, Rigsarkivet. 185 Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 49. 186 Orig.: »Mon cher ami, je dois croire que parmi le grand nombre de visites que Vous avez fait vendredi passé, il n’est trouvé quelques-unes de cettes que j’avois espéré faire en commun avec Vous demain. C’etoient celles chez le Duc, chez l’Ambassadeur de France et chez l’Envoyé Brittannique. […] S’il ne Vous reste de tous Vos projets quela [sic] visite chez le C. de Cobenzl, je dois renoncer à tirer profit de Votre offre, car il n’est pas convenable que j’y aille cette fois. En cas donc que Vous aillez encore chez le Duc, Vous m’obligeriez de venir me prendre seulement après avoir quitté le premier endroit.« Billet Nr. 25 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien,

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Bedingungen und Kontexte

Johann Philipp Graf Cobenzl war seit 1792 österreichischer Staatskanzler. Eine quasi institutionalisierte Gelegenheit zum diplomatischen Austausch war das gemeinsame Essen. Zahlreiche Billets Nissens handeln von Einladungen und Verabredungen zum »Diner«, manchmal war auch ein Opernbesuch dabei eingeschlossen: »Mein Diner und die neue Inszenierung der Griselde hinderten mich daran, zu Ihnen zu eilen.«187 Auch in den Salons kam es zum Austausch mit anderen Diplomaten. Im Kontext der diplomatischen Beziehungen erscheinen die Salons in anderem Licht: Es wird deutlich, dass diese nicht nur künstlerischen Interessen und repräsentativen Zwecken ihrer Veranstalterinnen und Veranstalter dienten, sondern auch eine Bühne der Politik waren. Auf diesen Doppelcharakter weist Nissen selbst hin: Es bereitet mir ein Vergnügen, lieber Freund, Ihnen zu sagen, dass wir dort heute abend kurz nach 7 Uhr hingehen, und dass dieser Tour ohne Zweifel ein anderer Charakter beiwohnt. Auch hat man mir von der Versammlung erzählt, vielleicht wird diese mit Ball und Souper stattfinden. Was Cobenzl veranstaltet, wird auch »Tanzveranstaltung« genannt. Ganz der Ihre.188

Auch im Salon Arnstein waren beide öfters zusammen zu Gast: Ich schreibe Ihnen diese Zeilen, mein guter Freund, um Sie wissen zu lassen, dass Madame Arnstein gestern angekommen ist, und dass ich würde sie gerne heute abend mit Ihnen besuchen würde, wenn sich das mit Ihren bisherigen Zeitplänen vereinbaren lässt. Ich schlage vor, um 8 Uhr zur Festung zu kommen, wo Sie mich unter dem Zelt finden werden. Ich habe Briefe des Ehepaars Knuht erhalten, in welchen viele freundschaftliche Dinge für Sie enthalten sind, und die ich mir vorhalten, Sie lesen zu lassen oder ganz vorzulesen. Ganz der Ihre N.189

undatiert, S Sr. Die Nummerierung der Billets betrifft die Reihenfolge, in der ich die Billets am 15.3.2010 im Rigsarkivet Stockholm vorgefunden habe. 187 Orig.: »Ma diner et la nouvelle Griselde m’empêchèrent de voler chez Vous.« Billet Nr. 33 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 188 Orig.: »Je me fais un plaisir, cher ami, de Vous dire que nous y allons ce soir un plu [sic] après 7. heures, ce qui sans doute donne à cette tour un caractère différent. Aussi m’at-on parlé seulement d’assemblée; mais peutêtre [sic] celle-ci sera-t-elle combinée avec bal et souper. Ce que Cobenzl donnera, est appellé assemblée dansante. T. à V.« Billet Nr. 27 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 189 Orig.: »Je Vous fais ces lignes, mon bon ami, pour Vous faire savoir que Me Arenstein est arrivée hier, et que je voudrois bien aller lui faire visite ce soir avec Vous, si cela pût s’accorder avec la disposition que Vous avez déjà faite de Votre tems. Je Vous propose de venir à 8. heures au bastion, où Vous me trouverez sous la tente. J’ai eu des lettres de M. et Me Knuht, dans lesquelles il y a bien des choses amicales pour Vous et que je me reserve de Vous lire ou faire lire en entier. Tout à Vous N« Billet Nr. 64 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr.

Fredrik Samuel Silverstolpe undGeorg Nikolaus Nissen

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Bei dem Ehepaar Knuth handelte es sich wahrscheinlich um Adam Christopher Graf Knuth und seiner Frau Sophie Magdalene, geborene Moltke, die beide einem mecklemburgischen Adelsgeschlecht entstammten. Dass der Salon dabei mehrere Funktionen erfüllte, zeigt auch folgendes Billet Nissens, mit welchem er Silverstolpe informierte, der Geiger Conradin Kreutzer wäre im Salon Arnstein zu Gast: Der Mann, der uns gestern sah mit Ziniegg, war der berühmte Komponist und Violinspieler [Conradin] Kreuzer aus Paris, jene Stadt, die er 1796 verlassen hatte um eine Tour nach Italien zu unternehmen. Seither hat er seine gesamte Zeit für die Revolution in Frankreich eingesetzt. Ich schreibe Ihnen diese Zeilen, um Sie zu informieren, dass er sich nächsten Montag, dem Tag bei Me Sabott., bei Arnstein hören lassen wird, am Ende, für den Fall, dass Sie dort hingehen, wenn Sie mögen, kurz nach 7 Uhr, dann können wir uns treffen. Der Ihre. Schicken Sie mir die Nr. 30 der Hamburger Zeitung oder ihre Beilage. Es geht mir darum, die Anzeige für die Sammlung von Mozarts Werken zu sehen […]190

Der Kontakt Fredrik Samuel Silverstolpes zu Fanny von Arnstein kann als rege bezeichnet werden. Sie beschwerte sich z. B. gegenüber Nissen, dass Silverstolpe sie nicht häufig genug besuche: Me Arnstein beschwerte sich gestern, dass Sie sie zu selten besuchen kommen, und die Baronin K.[nuth] wünschte Sie zu sehen, in dem Fall würde sie Ihnen auch einen Platz in ihrer Loge anbieten. Aber ich habe diesen Auftrag gewissenhaft erfüllt. So ist sie. […].191

Fredrik Samuel Silverstolpe lernte Nissen direkt nach seiner Ankunft in Wien kennen, wie Silverstolpe selbst berichtet: Seine Position [im diplomatischen Dienst] führte schon ein paar Tage nach meiner Ankunft 1796 zu unserer Bekanntschaft. Das System der Neutralität im Norden 190 Orig.: »L’homme qui nous vîmes hier avec Ziniegg, est le fameux Compositeur et joueur de violon Kreuzer de Paris, laquelle ville il a cependant quitté en 1796. pour faire un tour en Italie. Au reste il a passé tout de tems de la revolution en France. Je Vous écris ces lignes pour Vous informer, que Lundi prochain, jour à [?] Me Sabott., il se fera entendre chez Arenstein, à fin que Vous Vous y rendiez, s’il Vous plait, peu après 7. heures, et que nous nous trouvions ensemble. à Vous. Envoyez moi le N. 30 de la gazette de Hambourg ou bien ses Beylage. Il s’agit de voir l’annonce de la Collection des œuvres de Mozart […]« Billet Nr. 72 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 191 Orig.: »Me Arenstein s’est plainte hier de ce que Vous veniez si rarement la voir, et la Baronne K. a désiré Vous avoir vû, en quel cas elle Vous auroit offert une place dans sa loge. Mais j’ai à m’acquitter d’une commission effective. C’est celle-ci. […]« Billet Nr. 85 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr.

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Bedingungen und Kontexte

ermöglichte unsere Verbindung, und seine persönlichen Qualitäten waren mir bald lieb und teuer.192

Nissen wurde bald ein enger Freund Silverstolpes, nachdem er bei der Nachricht vom Tod der Mutter anwesend war und ihm während der Trauerphase zur Seite stand. Silverstolpe äußert sich in seinen Memoiren ausführlich und bewundernd über Nissens Charakter: Sein immerwacher Geist wandte sich ständig den interessantesten Dingen zu, obwohl zur gleichen Zeit seine Aufmerksamkeit, die großen Dinge zu begreifen, nicht selten dazu diente, seine Neugier auf die kleinen zu richten. Wenn man ihm diese Beobachtung mitteilte, antwortete er: Nichts ist klein, nicht ist unbedeutend: Es ist meine Art, mich zu belehren, auch die geringeren Dinge als wichtig zu erachten. Diese Art der Übung, die er seinem natürlichen Scharfsinn gab, war den ganzen Formen einer Originalität seiner Gewohnheit geschuldet, die man ihm aber stets nachsah. Seine Belesenheit war immens. Mich interessierte bevorzugt die Geschichte und die Literatur aller Länder, und da er ein sehr gutes Gedächtnis hatte, konnte man ihn ansprechen wie ein Lexikon, und alle Wörter fand man ordnungsgemäß erklärt. Mit einer perfekten und skrupellosen Moral vereinte er die größtmögliche Aufrichtigkeit in seinem Verhalten; aber man musste ihn sehr gut kennen, um nicht manchmal über die Kürze seiner Antworten schockiert zu sein. Er beherrschte die französische Sprache perfekt, besonders seine Feder drückte sich durch eine besondere Klarheit und eine wahrhaft seltene Feinheit aus. Er schrieb genauso gut auf deutsch, er wurde übrigens in Holstein geboren.193

Nissen war nicht nur belesen und interessiert an Geschichte, Literatur und Musik, er besaß auch eine Liebe zum Detail, wohl manchmal mit der Neigung 192 Orig.: »Sa place déjà me procura sa connaissance peu de jours après mon arrivée dans cette ville, en 1796. Le sistème de neutralité établi dans le Nord facilita notre liaison, et ses qualités personnelles le rendirent bientôt cher à mon cœur.« Silverstolpe Memoiren Nr. 11, S. 27, S Uu. 193 Orig.: »Son esprit toujours eveillé se portoit sans cesse vers les objets les plus interessans [sic], quoique en même temps son attention à bien saisir les grandes choses ne servit pas rarement de voila à sa curiosité sur les petites. Quand on lui en fit l’observation, il répondit: rien n’est petit, rien n’est insignifiant: c’est ma manière de m’instruire que d’envisager comme importants les moindres objets. Cette espèce d’exercice qu’il donnoit à sa perspicacité naturelle avoit pris toutes les formes d’une originalité d’habitude, que l’on finit toujours par excuser. Sa lecture étoit immense. M’embrassoit préférablement l’histoire et la littérature de tous les pays; et comme il avoit la mémoire très-bonne, on pouvoit s’adresser à lui comme à un dictionnaire, où tous les mots se trouvent dûment expliqués. À une parfaite et scrupuleuse moralité il unissoit toute l’honnêté possible dans les procédés; mais il falloit le connoitre de plus près pour n’être point choqué quelquefois de la brieveté de ses repliques. Possédant parfaitement la langue française, sa plume surtout s’exprimoit avec une netteté et une finesse vraiment rares. Il écrivoit également bien allemand, étant d’ailleurs né Holsténois.« Silverstolpe Memoiren Nr. 11, S. 27, S Uu.

Fredrik Samuel Silverstolpe undGeorg Nikolaus Nissen

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zur pedantischen Akribie, wie Silverstolpe anklingen lässt. Seine Tätigkeit als Sekretär mit der Routine im Dokumentieren und Schreiben prädestinierte ihn für die Tätigkeit des leidenschaftlichen Sammlers wie auch zum aufwändigen, systematischen Ordnen des Nachlasses Wolfgang Amadé Mozarts. Wann genau es zur Bekanntschaft der beiden diplomatischen Vertreter mit Constanze Mozart kam, ist ungewiss. Nissen schreibt 1824, dass er Constanze Mozart 1797 kennengelernt habe: »Und seit 27 Jahren sind wir Weggefährten. Diese Liebe existiert so lange wie unsere Freundschaft, mein lieber Silverstolpe. Es war das Jahr 1797, das mir diese zwei Geschenke machte.«194 Diese Aussage stimmt nicht mit Silverstolpes überein, der die erste Begegnung mit Nissen einige Tage nach seiner Ankunft datiert, was im Mai oder Juni 1796 gewesen wäre (s.o.). Der Eintrag Silverstolpes in Nissens Stammbuch ist auf den 10. September 1796 datiert,195 Nissen scheint sich also in der Tat um ein Jahr geirrt zu haben in seiner Erinnerung. Seine Aussage zeigt jedoch, wie eng seine Bekanntschaft mit Constanze Mozart mit derjenigen Fredrik Samuel Silverstolpes verknüpft ist. Gesichert ist außerdem, dass Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen sich bereits kannten und in einem Haus wohnten, als Fredrik Samuel Silverstolpe Constanze Mozart kennenlernte: Er wohnte bei Madame Mozart, mit der er mich zuerst bekannt machte, die aber erst viele Jahre später seine Gattin wurde. Bei ihnen gab es mehrere Musikveranstaltungen, wo ich ohne Einschränkung eingeladen war und wo ich mich immer sehr wohl fühlte.196

Silverstolpe schreibt an anderer Stelle, dass Georg Nikolaus Nissen bei Constanze Mozart zur Untermiete wohnte: »Ich kann nicht mehr über all die Höflichkeit schweigen, mit der mir Madame Mozart begegnete, obwohl ich sicherlich dafür besonders Herrn von Nissen zu Dank verpflichtet bin, dem sie ein Zimmer untervermietete.«197 Es scheint sich also um ein Mietverhältnis zwischen Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen gehandelt zu 194 Orig.: »Et voilà 27 ans que nous sommes amis de cœurs. Cette amour date d’aussi loin que notre amitié, mon cher S[ilverstolpe]. C’est l’année 1797 que m’a fait les deux cadeaux.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Mailand, 22.1.1824, S Sr. 195 Stammbuch Georg Nikolaus Nissens, S. 117, Dk Kk. Eine Kopie des Stammbuchs befindet sich auch in der Internationalen Stiftung Mozarteum, A Sm. 196 Orig.: »Logeant chez Madame Mozart, dont il me dût la première connoissance [sic] mais qui ne devint son épouse que plusieurs années plus tard, il y eut chez eux des réunions pour la musique, aux quelles je me trouvois invité sans restrictions et où je me sentois toujours bien à mon aise.« Silverstolpe Memoiren Nr. 11, S. 28, S Uu. 197 Orig.: »Je ne puis me taire toutes les civilités que me fait Madame Mozart, quoique certainement j’en fusse surtout redevable à Mr. de Nissen, à qui elle soulouoit une chambre.« Silverstolpe Memoiren Nr. 33, S. 65, S Uu.

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Bedingungen und Kontexte

haben. Abbé Maximilian Stadler schrieb, dass er »in Gegenwart des neben ihr wohnenden Herrn von Nyssen«198 den Nachlass ordnete. Näheres ist nicht bekannt. Das Mietverhältnis machte insofern Sinn, als dass Nissen in der Nähe der Dänischen Gesandtschaft in der Wipplingerstraße unterkommen musste und als lediger Mann wahrscheinlich nicht mehr als ein Zimmer benötigte. Es ist unklar, wo sich die erste gemeinsame Wohnung befand. Im Staatsschematismus 1795 ist Nissens Adresse mit Jakobsplatz 837 angegeben.199 In diesem Jahr bereitete Constanze Mozart ihre Konzertreise vor und kehrte womöglich erst 1797 zurück. Wie erwähnt, ist ihre Wohnstätte zwischen Dezember 1794 und September 1798 unbekannt. Gab sie ihre vorige Wohnung in der Krugerstraße während der langen Abwesenheit auf? Was geschah mit ihrem Besitz, nicht zuletzt mit den Autographen? Nissens Wohnort ist 1797 in der Singerstrasse No. 942 verzeichnet.200 1798 gab Constanze Mozart gegenüber Breitkopf & Härtel ihre Adresse mit »Judengässel N.o 535« an, und unter dieser Adresse ist schließlich laut dem Wiener Adressregister auch Nissen zu finden.201 In dieser Zeit begann auch die intensive Korrespondenz mit dem Verlag, in der Nissen sie unterstützte.202

2.5. Constanze Mozarts Wiener Salon Ob Constanze Mozart in ihrer Wohnung in der Judengasse bereits musikalische Soireen und Konzerte veranstaltete, ist ungewiss. Ein Jahr später, im Oktober 1799, war sie erneut umgezogen, nun lautete ihre Adresse »auf dem Michaelerplatz N. 5. im 3ten Stok«.203 Wenn man sich heute auf die Suche nach der Nummer 5 begibt, wird man feststellen, dass kein Haus mit dieser Nummer mehr existiert. Wenn man, den Kohlmarkt im Rücken, auf dem Michaelerplatz steht, blickt man auf die geschlossene Front der Hofburg mit zwei symmetrischen Flügeln, verbunden durch ein Portal mit großer Kuppel. Im linken Flügel befand sich die Winterreitschule. Dieser Teil der Front 198 Stadler: Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiem, S. 9f. 199 Vgl. Hof- und Staats-Schematismus der röm. kaiserl. auch kaiserl. königl. und erzherzoglichen Haupt- und Residenzstadt Wien, Wien: gedr. bey Joseph Gerold 1795, S. 288. Für diesen Hinweis danke ich Viveca Servatius. 200 Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 48. 201 Vgl. ebd., S. 51. 202 Vgl. B/D IV, S. 215ff. 203 Diese Adresse gab sie am 18.10.1799 in einem Brief an Breitkopf & Härtel an, vgl. B/D IV, S. 277. Auch in einer Anzeige für die neue Gesamtausgabe in der Grätzer Zeitung am 5. September 1800 nannte sie diese, vgl. Walner: »Die Erstaufführungen von MozartOpern in Graz und Mozarts Beziehungen zu Graz«, S. 289.

Constanze Mozarts Wiener Salon

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bestand seit 1737, die gesamte Front wurde jedoch zwischen 1889 und 1893 neu, d. h. neobarock gestaltet. Im Zuge dieser Erneuerung wurde der rechte Flügel der Hofburg in dieser Form erst errichtet. Bis dahin gab es kein Tor als Eingang zur Hofburg, sondern eine offene Straße. Das heißt, vom Kohlmarkt aus sah man links die Winterreitschule, daneben das Hofburgtheater mit der Front zum Platz, und statt des heutigen rechten Flügels der Hofburg blickte man auf einen Gebäudekomplex, der die Häuser Michaelerplatz Nr. 2 bis 6 beinhaltete. In der Mitte dieses Hauses, mit Blick auf den Platz, war die Nr. 5 (vgl. Abb. 14/15).204 Hier lebte Constanze Mozart wahrscheinlich bis etwa 1806. Das nächste Umzugsdatum ist ebenfalls nicht genau zu ermitteln, sondern nur zu umreißen. Im Jahr 1805 wurden alle Bewohner Wiens in sog. Konskriptionsbögen verzeichnet, zu dem Zwecke, im Rüsten gegen Napoleon die wehrfähigen jungen Männer ausfindig zu machen. Hier taucht Constanze Mozart namentlich in einem Konskriptionsbogen als Mieterin der Dorotheergasse 1176 auf. 205 Allerdings werden vor ihr zwei weitere Mieter gelistet, die die Wohnung bewohnt haben. Der genaue Einzugstermin Constanze Mozarts steht daher nicht fest. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass zu Georgi und Michaelis Umzugstermine waren, und beide Vormieter mindestens sechs Monate in der Wohnung lebten, könnte Constanze Mozart frühestens 1806 dort eingezogen sein.206 Constanze Mozart lebte am Michaelerplatz im politischen und kulturellen Zentrum Wiens: Wenn sie auf den Platz blickte, konnte sie wahrnehmen, wer die Zufahrt zum Hof entlang fuhr, und wer die Vorstellungen des Burgtheaters besuchte. Neben der gegenüberliegenden Kirche St. Michael befand sich das neue Michaelerhaus, hier wurde die Wiener Zeitung gedruckt, in der Constanze Mozart die Anzeigen für ihre Akademien aufgegeben hatte. In dem auf der anderen Seite der Kirche liegenden alten Michaelerhaus hatte die Cembalistin und Komponistin Marianna Martines (1744–1812) mit ihrer Familie gelebt und auch Joseph Haydn als junger Domsänger unter dem Dach gewohnt. Spätestens 1786 war Marianna Martines um die Ecke in die Herrengasse Nr. 25 gezogen, wo sie samstags einen Salon führte.207 In dieser Straße bezog auch

204 Zur Geschichte der Häuser Michaelerplatz Nr. 2–6 vgl. Paul Harrer: Wien. Seine Häuser, Menschen und Kultur, Bd. 6, II. Teil, Wien 1957, S. 387f; zur Geschichte des Michaelerplatzes vgl. Corradino Corradi: Wien Michaelerplatz: Stadtarchitektur und Kulturgeschichte, Wien 1999. 205 Konskriptionsbogen Wien 1805–1807, Nr. 1110/1, A Wsa. 206 Ich danke Rita Steblin für diese Hinweise. 207 Irving Godt/John A. Rice: Marianna Martines. A Woman composer in the Vienna of Mozart and Haydn, Rochester 2010, S. 193.

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Bedingungen und Kontexte

Fanny von Arnstein mit ihrem Ehemann 1799 eine Wohnung.208 Der Name »Herrengasse« verweist schon auf die feine Gesellschaft, und in der Tat reihten sich hier die adeligen Paläste aneinander: Nicht mit Unrecht nennt man diese Straße Herrengasse, denn sie ist ein Wahrheit die Straße der vornehmsten Herren des Adels, und fast ein halbes Jahrtausend waren hier die alten Adelsgeschlechter seßhaft. Noch heute erheben sich hier die stolzen fürstlichen Paläste der Liechtensteine, Clary, Trauttmansdorff, Kinsky, der Grafen Wilczek, Herberstein, Traun, Stadion und Batthyany […], und noch heute trägt dieses ganze Stadtviertel jenen vornehm ruhigen Charakter zur Schau, der noch überdies durch seine grandiosen Bauten, durch die Abgeschiedenheit des Ortes und durch den gänzlichen Mangel an Kaufmannsläden und Gewölben in seiner vornehmen Ruhe nur noch mehr gehoben wird.209

In diesen Häusern traf sich die höfische Gesellschaft, inklusive der Diplomatie; hier waren Salons beheimatet, gab es private Bibliotheken, wurde Musik veranstaltet. Direkt am Eingang der Herrengasse, noch am Michaelerplatz, lag das Palais Dietrichstein. Moritz von Dietrichstein (1775–1864) war Hofmusikrat und Förderer Beethovens. Herrengasse Nr. 6–8 war das Palais Liechtenstein, der 1792 von Alois Joseph von Liechtenstein umgebaut wurde und eine große Bibliothek beinhaltete, die Nissen erwähnte. Das Fürstengeschlecht war bereits zu Constanze Mozarts Zeit berühmt für seine große Kunstsammlung. Einige Häuser weiter, Nr. 21, befand sich das Palais Trauttmansdorff. Ferdinand von Trauttmansdorff war österreichischer Diplomat und ab 1800 Außenminister, sein Name wird regelmäßig in den Briefen Nissens genannt. Am Ende der Herrengasse, Ecke Bankgasse, befindet sich das Palais Batthyány, einer ungarischen Adelsfamilie. Ein Fürst Batthyány wird ebenso wie Ferdinand von Trauttmansdorff als Mitglied der von Baron van Swieten gegründeten Gesellschaft der Associierten Cavaliere aufgeführt, die sich für die Förderung der Musik besonders engagierte; hierbei handelt es sich wahrscheinlich um Philipp Batthyány-Strattmann (1781–1870), der später auch die Gründung des Wiener Musikvereins unterstützte.210 Vom Michaelerplatz aus in die andere Richtung entlang der Hofburg lag keine einhundert Meter entfernt der Eingang zur Hofbibliothek. Dort gegenüber, am Josefsplatz, befindet sich bis heute das Palais der Familie Fries, einer 208 Vgl. Emily D. Bilski/Emily Braun (Hg.): Jewish Women and their salons. The power of conversation, Yale 2005, S. 35. 209 Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze Wiens und ihre historisch interessanten Häuser, Wien 1883, S. 468. 210 Vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 10; Tia DeNora: Beethoven and the Construction of Genius: Musical Politics in Vienna 1792–1803, Berkeley ²2008, S. 20ff.

Constanze Mozarts Wiener Salon

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protestantischen Schweizer Familie; Johann von Fries (1719–1785) war als Bankier und Handelsmann zu Reichtum gelangt. Sein Sohn Moritz von Fries (1777–1826) war äußerst musikliebend und Förderer Ludwig van Beethovens, dieser widmete ihm seine 7. Sinfonie. Auch die Musik von Marianna Martines förderte die Familie: Die Widmungsträgerin ihrer Kammerkantate Orgoglioso fiumicello war Mlle. Victoire Comtesse de Fries, ältere Schwester von Moritz von Fries.211 Im Palais Fries fanden, wie Fredrik Samuel Silverstolpe berichtete, regelmäßig Montags Konzerte statt. Moritz von Fries und sein Bruder Joseph waren außerdem engagierte Sammler: Sie besaßen über 300 Gemälde und Kupferstiche, und ihre Bibliothek umfasste 16.000 Bücher.212 Das Palais Fries linker Hand liegt einige Meter weiter auf der linken Seite das Palais Lobkowitz, der für die Wiener Musikszene ebenfalls bedeutsam war. Joseph Maria Karl von Lobkowitz (1725–1802) war, wie auch Moritz von Fries, Mitglied der Gesellschaft der Associierten Cavaliere. Aus einer anderen Linie der Familie stammte Franz Joseph Maximilian von Lobkowitz (1772–1816); beide Prinzen sind in zeitgenössischen Quellen nicht immer zu unterscheiden. Letzterer engagierte von 1797 bis 1813 eine eigene Kapelle mit dem Komponisten und Geiger Anton Wranitzky (1761–1820) als Leiter, 1799 ließ er dafür im Palais einen großen Konzertsaal einrichten. Joseph Franz Maximlian von Lobkowitz förderte Beethoven ebenfalls, so kaufte er dessen Quartette op. 18 und ließ die 3. Sinfonie »Eroica« im Jahr 1804 bei sich aufführen. Neben Konzerten in seinem Palais betraf seine Förderung auch die Hoftheater, als er ab 1806 nach dem Rücktritt des Pächters Baron von Braun gemeinsam mit weiteren Adligen der Associierten Cavaliere die deren Leitung übernahm. Im Jahr 1792 hatte er Maria Carolina Prinzessin von Schwarzenberg geheiratet, die einer weiteren einflussreichen adligen Familie entstammte.213 Im Palais Schwarzenberg am Neuen Markt hatte die Musik ebenfalls einen prominenten Platz. Josef Johann Nepomuk Schwarzenberg (1769–1833) und seine Frau Pauline Karolina Iris fördeten vor allem Joseph Haydn und ermöglichten die Uraufführungen seiner Oratorien Die Schöpfung (1798) und Die Jahreszeiten (1801) in ihren Räumen. Auch Fürst Lobkowitz führte die Schöpfung im März 1799 in seinem Palais auf. Darüber hinaus ließ er 500 Exemplare der Schöpfung auf seine Kosten drucken.214 Moritz von Fries

211 Vgl. Godt/Rice: Marianna Martines, S. 199. 212 Vgl. Wolfgang Kraus/Peter Müller: Wiener Palais, München u. a. 1991, S. 116. 213 Vgl. DeNora: Beethoven and the Construction of Genius, S. 22, und Jaroslav Macek: »Franz Joseph Maximilian Lobkowitz: Musikfreund und Kunstmäzen«, in: Sieghard Brandenburg/Martella Gutiérrez-Denhoff (Hg.): Beethoven und Böhmen, Bonn 1988, S. 147–202. 214 Vgl. Macek: »Franz Joseph Maximilian Lobkowitz: Musikfreund und Kunstmäzen«, S. 154ff.

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Bedingungen und Kontexte

nahm Schwarzenberg ebenfalls zum Vorbild, allerdings für eine Aufführung mit kleiner Besetzung, bei der der Fürst Lobkowitz selbst mitsang, wie der Chronist Karl Graf Zinzendorf am 4. April 1800 berichtete: Niemals hat mir die Musik zur »Schöpfung« so gut gefallen, obwohl nicht mehr als neun Instrumente Verwendung fanden, darunter überhaupt kein Blasinstrument. Frau von Schönfeld sang wie ein Engel, Reitmeyer sehr gut und der Fürst Lobkowitz trotz seines geringen Timbres mit Ausdruck. Ich blieb zusammen mit dem Lobkowitz, den Fürsten Schwarzenberg und Clary, dem russischen Botschafter und vielen anderen Leuten zum Souper.215

In der Wohnung am Michaelerplatz hielt Constanze Mozart regelmäßig musikalische Veranstaltungen. Karsten Nottelmann, der erstmalig Constanze Mozarts Salon erforscht und in seiner Bedeutung für die Ausbildung Franz Xaver Mozarts untersucht hat, datiert den Salon von ca. 1800 bis zu Con­ stanze Mozarts Übersiedlung nach Kopenhagen 1810.216 Ein definitives Datum gibt es erst 1801 durch folgende Äußerung Carl Czernys: »Durch mehrere Jahre, ungefähr von 1801 bis 1804, besuchte ich mit meinem Vater die Witwe Mozart, wo jeden Samstag musikalische Soireen stattfanden, in welchen sich der jüngere Sohn Mozarts, ein Schüler Streichers, mit vieler Geschicklichkeit produzierte.«217 Das bedeutet, spätestens ab 1801 lud Constanze Mozart regelmäßig an einem festen Wochentag zur Musik ein und reihte sich damit in die bekannten Salons Wiens ein, die sich ebenfalls durch Beständigkeit auszeichneten und einen regelmäßigen »Gesellschaftstag« mit Musikveranstaltungen hatten. Die Anlässe zur Musik in der Wohnung Constanze Mozarts waren vielfältig und bedienten unterschiedliche Bedürfnisse. Fest steht jedoch, dass die Musik ihres Mannes dabei stets im Zentrum stand. Es ist allerdings anzunehmen, dass sie schon früher, und zwar seit ihrer spätestens 1797 geschlossenen Bekanntschaft mit Fredrik Samuel Silverstolpe regelmäßig in ihrer Wohnung am Klavier musizierte. Dieses spontane, weniger formalisierte Musizieren im kleinen Kreis wäre damit als Anfang der Salontätigkeit zu beschreiben, was sich um 1800 in einem organisierten Salon verstetigte. Vom gemeinsamen Klavierspiel geben die späteren Briefe Georg Nikolaus Nissens an Silverstolpe Auskunft, worin Constanze Mozart ausrichten ließ, wie sehr sie die gemeinsamen musikalischen Abende vermisse: »Mehr als einmal hat sie mir gesagt, als sie sich an ihr Klavier gesetzt hat: Ich

215 Zitiert nach Kraus/Müller: Wiener Palais, S. 116. 216 Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 47f. 217 Carl Czerny: Erinnerungen aus meinem Leben, hg. von Walter Kolneder, Strasbourg/ Baden-Baden 1968, S. 17f.

Constanze Mozarts Wiener Salon

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mögte wol [sic] so einen Silverstolpe hier haben.«218 In einem anderen Brief schreibt Nissen folgendes über die Wertschätzung Constanze Mozarts für Fredrik Samuel Silverstolpe: Sie wird nie die zahlreichen Abende vergessen, die Sie mit ihr am Klavier verbracht haben. Da sie die Musik leidenschaftlich liebt, hätten Sie bei ihr zu keinem höheren Ansehen gelangen können als durch Ihre Neigung für die gleiche schöne Kunst und einen unermüdlichen Willen, diese in der Praxis wie in der Theorie zu vertiefen.219

Diese Aussage ist bemerkenswert, da sie die Ernsthaftigkeit und den Anspruch Constanze Mozarts ausdrückt, mit dem sie die Musik förderte und deren Zwecken auch der Salon dienen sollte. Fredrik Samuel Silverstolpes umfangreiche Musiksammlung gibt Hinweise auf das gemeinsame Repertoire: Darunter waren Abschriften von einzelnen Arien und Duetten aus den Opern La Clemenza di Tito, Idomeneo und Don Giovanni. Unter den Drucken befanden sich z. B. Opern-Arrangements von August Eberhard Müller für Klavier zur Zauberflöte, die Lieder »Abendempfindung« (KV 523), »An Chloe« (KV 524), »Trennungslied« (KV 519). Silverstolpe besaß außerdem die Bände I (sieben Klaviersonaten), V (30 Gesänge mit Begleitung des Pianoforte), V (14 verschiedene Stücke für Klavier) und VIII (sechs Stücke für Klavier zu zwei und vier Händen) der Œuvres complettes, herausgegeben von Breitkopf & Härtel. Diese Sammlung lässt vermuten, dass Fredrik Samuel Silverstolpe und Constanze Mozart ebendiese Stücke gemeinsam musizierten. Silverstolpes Sammlung ist über die Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts hinaus äußerst umfangreich: Abschriften und Drucke der Klavierwerke von Beethoven, Duschek, Gluck, Haydn, Hummel, Neukomm, Reichardt, Salieri und Stadler brachte er aus Wien mit zurück.220 Für die Gastgeberin war es durchaus üblich, sich selbst musikalisch zu präsentieren, auch im großen Rahmen. Fanny von Arnstein tat dies regelmäßig und genoß in den Anfangsjahren in Wien einen Ruf als herausragende

218 Orig.: »C’est plus d’une fois que s’asseyant à son Pianoforte elle m’a dit. Ich mögte wol [sic] so einen Silverstolpe hier haben.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Kopenhagen, 12.2.1813, S Sr. 219 Orig.: »Elle ne sauroit jamais perdre la memorie de ces soirées nombreuses que Vous lui avez fait passer avec Vous au Fortepiano. Elle-même aimant passionnément la musique, Vous ne pouviez avoir un plus grand tître accessoire à sa considération que ce penchant pour le même bel art et cette infatigable persévérance à l’approfondir en pratique comme en théorie.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, 12.11.1803, S Sr. 220 Vgl. Bertil H. van Boer/Leif Jonsson: »The Silverstolpe Music Collection in Rö, Uppland, Sweden. A preliminary catalogue«, in: Fontes Artis Musicae 29 (1982), S. 93–103.

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Bedingungen und Kontexte

Klavierspielerin. Im Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag von 1796 wurde sie unter den »Virtuosen und Dilettanten« erwähnt: Frau von Arnstein, (Fanny), die kernhaftesten und schwersten Kompositionen sind ihr Lieblingsspiel. Sie liest sehr gut, hat eine leichte Hand und meisterhaften Anschlag. In Geschwindigkeiten exzelliert sie. Es ist zu bedauern, daß sie seit einigen Jahren den Geschmack daran verlohren zu haben scheint, denn sie berührt das Fortepiano sehr wenig mehr.221

Weiter unten wird deutlich, dass Constanze Mozart im Salon auch regelmäßig La Clemenza di Tito aufführen ließ. Es ist daher anzunehmen, dass sie nicht nur am Klavier, sondern wie auf der Konzertreise auch selbst als Sängerin in ihrem Salon aufgetreten ist. Neben dem spontanen Musizieren boten Geburts- und Namenstage Gelegenheit, den Jubilar mit Musik zu feiern. Dies fand auch als Überraschung statt, so lud Constanze Mozart Fredrik Samuel Silverstolpe zu Georg Nikolaus Nissens Geburtstag ein: Ich habe morgen eine kleine Überraschung bei mir wegen Nissens Geburztage [sic], wobei mir und Nissen gewiss nichts angenehmer seyn könnte, als Herren von Silberstolbe [sic] zu sehen. Ich nehme mir daher die Freyheit Ihnen auf morgen zum Essen zu bitten, und zähle um so mehr darauf, weil Nach Tisch von meinem Manne eine Harmoni musique seyn wird, die Herr von Silberstolbe gewiss nie gehört haben, und die auch nicht länger, als höchstens eine Stunde dauern darf.222

Diese »Harmoni musique« war eine besondere Form instrumentaler Unterhaltungsmusik. Mozart hatte zahlreiche Divertimenti, Serenaden und Nachtmusiken für alle Arten geselliger Anlässe komponiert, vor allem in seiner Salzburger Zeit, wie z. B. die Lodronschen Nachtmusiken KV 247 und 287 zum Namenstag 1776 und 1777 der Salzburger Gräfin Antonia Lodron. Dies waren Divertimenti für eine gemischte Besetzung von fünf bis sieben Bläsern und Streichern. Mozart komponierte auch reine Bläserdivertimenti, und diese werden eher mit »Harmoniemusik« gemeint sein. Denn der Begriff implizierte in Wien eine Aufführungstradition für Bläserensembles, die einige Adlige fest engagierten. Dies war die kleine Variante der adligen Hauskapellen, einem vollen Orchester, welches sich z. B. Fürst Lobkowitz leistete. Diese Bläserensembles spielten Divertimenti, oder auch Arrangements von Opern oder größer be221 Johann Ferdinand von Schönfeld: Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag, Prag 1796, S. 5. 222 Billet Constanze Mozarts an Fredrik Samuel Silverstolpe, 21.1.1800, zitiert nach: Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 363; auch abgedruckt in B/D IV, S. 308.

Constanze Mozarts Wiener Salon

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setzten Werken. 1802 veröffentlichte Johann Anton André Cinque Divertimenti, wobei es sich um Divertimenti für Bläsersextett (KV 213, 240, 252, 253 und 270) handelte, die Mozart zwischen 1775 und 1777 in Salzburg komponiert hatte.223 Bei Constanze Mozarts Bezeichnung »Harmoniemusik« mag es sich um diese Divertimenti gehandelt haben. Da der Anlass hier Georg Nikolaus Nissens Geburtstag ist, ist nicht davon auszugehen, dass Constanze Mozart ein eigenes festes Bläserensemble beschäftigte. Es hat sich wahrscheinlich um eine ›ad hoc‹-Harmoniemusik gehandelt, vielleicht mit einem ›geliehenen‹ Bläsersextett. Zu Nissens 48. Geburtstag im Jahre 1809 wurden die Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts auch spontan umgestaltet, wie Constanze Mozart ihrem Sohn Carl in Mailand berichtete: Hat der Jagemann viel von uns erzählt? Hat er Dir nichts von der Mascarade, die auf Nißens Geburztage bey mir statthatte, erzählt? So wurde Nissen auch einmahl durch den Schauspieldirector Deines Vater Mozart überrascht, wozu Dein Bruder eine Arie componirte, die wircklich ihren Entzweck nicht verfehlte und die ich noch für das Beste halte, was er gemacht hat.224

Hier wird deutlich, dass Constanze Mozarts Sohn Franz Xaver sich im Salon präsentieren konnte und der Salon dazu diente, wichtige Kontakte zu knüpfen, die seine Etablierung als Komponist begünstigten.225 Auch andere junge Musiker, wie Johann Nepomuk Hummel, ehemaliger Schüler Wolfgang Amadé Mozarts, traten im Salon auf und konnten diesen als Karrieresprungbrett nutzen. Er spielte, wie Carl Czerny berichtet, mit dem Komponisten und Geiger Franz Vinzenz Krommer Violinsonaten Mozarts.226 Weitere Kammermusik, kam zur Aufführung, z. B. das Oboenquartett (KV 370): »Ich kündige Ihnen mit Vergnügen an, mein lieber Freund, dass sehr wahrscheinlich das Quartett für die Oboe von Mozart morgen abend aufgeführt wird bei Ihrem Nissen.«227 Vor allem die Streichquartette Wolfgang Amadé Mozarts erhielten im Salon einen wichtigen Platz, wie Silverstolpe sich erinnerte:

223 Vgl. Thomas Schipperges: »Die Serenaden und Divertimenti«, in: Leopold (Hg.): Mozart Handbuch, S. 562–602, hier S. 584. 224 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 1.12.1809, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 57. 225 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 42ff. 226 Vgl. Czerny: Erinnerungen aus meinem Leben, S. 18, und Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 51. 227 Orig.: »Je Vous annonces avec plaisir, mon cher ami, que très-probablement le Quatuor pour le Hautbois, de Mozart, sera exécuté demain au soir chez Votre N-n« Billet Nr. 68 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, 15. Mai o.J., S Sr.

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Bedingungen und Kontexte

Bei ihr gab es viele sehr interessante Musikveranstaltungen, ich hatte die Gelegenheit, dort die hervorragenden Quartette zu hören, die Mozart Haydn gewidmet hatte, perfekt gespielt von dem Arzt Schmidt und drei anderen, die sie auch oft vor dem Autor gespielt hatten.228

Anton Schmith war Arzt und wurde im Jahrbuch der Tonkunst 1796 als »vortrefflicher Violinspieler« bezeichnet und unter den Dilettanten gelistet. Er hatte Wolfgang Amadé Mozart persönlich gekannt.229 Auch in einem Billet Nissens an Silverstolpe ist von Quartetten die Rede: Ein Quartett erwartet Sie, die Manthey erwarten Sie, und wenn Sie mir erlauben, Ihnen zu sagen, alle erwarten Sie, denn wenn Sie schon fehlen, hören die Fragen nach Ihren Neuigkeiten nicht auf. Es ist also meine Selbstliebe, die nicht weniger interessiert ist an Ihrer Anwesenheit, als das Gefühl für das ich ganz der Ihre bin. 230

Die Wiener Salons waren bedeutend für die Etablierung des Streichquartetts. Seit 1795 veranstaltete der Geiger Ignaz Schuppanzigh Freitag morgens eine Quartettreihe im Salon des Fürst Lichnowsky, später auch bei Prinz Rasumowsky.231 Aus Veranstaltungen in eher informellem Rahmen wurden professionalisierte Konzertreihen, die später als »Liebhaberconcerte« zur Gründung der Gesellschaft der Musikfreunde beitrugen. Das Streichquartett galt dabei als prototypische Form der Musik, die nicht funktional eingesetzt, sondern um ihrer selbst willen gespielt wurde. Streichquartette aufzuführen bedeutete daher auch, der Musik Würde und Gehalt zu verleihen. Auch Kompositionen in großer Besetzung wurden bei Constanze Mozart aufgeführt. Nissen erwähnt in zwei Billets La Clemenza di Tito. Der Hinweis auf eine Wiederholung deutet auf zwei unterschiedliche Aufführungen hin:

228 Orig.: »Il y eut chez elle plusieurs réunions de musique fort intéressantes, où j’eus l’occasion d’entendre les fameux quatuors que Mozart avoit dédiés à Haydn, joués en perfection par le médecin Schmidt et trois autres, qui les avoient souvent exécutés devant l’auteur.« Silverstolpe Memoiren Nr. 33, S. 65, S Uu. 229 Vgl. Schönfeld: Jahrbuch der Tonkunst von Wien und Prag, S. 54; vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 46. 230 Orig.: »Un quartetto Vous attend, les Manthey Vous attendent, et si Vous me remettez de le dire, tous Vous attendent, car dès que Vous manquez, les demandes de Vos nouvelles ne finissent pas. C’est donc mon amour-propre qui n’est pas moins interessé à Votre présence que le sentiment par le quel je suis A Vous. Vous verrez un superbe tableau de Hansen, la sainte famille.« Billet Nr. 18 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 231 Vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 9f.

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Ich bin beauftragt, lieber Freund, Sie einzuladen, bei der wiederholten Aufführung von La Clemenza di Tito zu assistieren, die am 25. um 10 Uhr morgens bei Madame Mozart gegeben wird, und ich erfülle diesen Auftrag mit voller Freude […].232 Heute abend, lieber Freund, um halb sieben, wird La Clemenza gegeben. Sie wissen bestimmt, dass es entscheidend ist, dass man sich vor dem Beginn versammelt. Ich hinterlasse Ihnen die Uhrzeit, zu der Sie zu uns kommen können, und Sie wiederholen, dass Sie angekündigt wurden. Stadler wird dirigieren.233

Auch von der Aufführung einer Kantate ist die Rede, die womöglich von Anton Eberl geleitet wurde: »Ich bitte Sie um die Ouvertüre der hervorragenden Kantate, nachdem ich mit Eberl gesprochen habe, der nur wünscht, die Altund die 2te Violinstimme kopieren lassen zu können, die anderen können die Partitur benutzen.«234 Zu Veranstaltungen dieser Art war eine größere Chor- und Orchesterbesetzung nötig. Constanze Mozart reihte sich mit der Veranstaltung dieses Aufwands in die Reihe der »Gala-Aufführungen« ein, wie sie z. B. mit der Aufführung von Haydns Oratorien im Palais Schwarzenberg stattfanden.235 Silverstolpe nannte diese auch im selben Atemzug wie Constanze Mozarts Aufführungen: Gestern wurde Haydns Oratorium die Jahreszeiten aufgeführt. Sie werden auch heute gegeben. Binnen kurzem werden wir auch die Schöpfung zwei Tage nacheinander hören. Neulich hörte ich eine meisterhafte Litania von Michael Haydn bei Frau Mozart, mit vollem Orchestre. Ferner auch kürzlich einen schönen GesangAbend beim Preussischen Minister.236

232 Orig.: »Je suis chargé, cher ami, de Vous inviter à assister à la repetition de la Clemenza di Tito qui se donnera chez Me M. le 25. à 10 heures du matin, et je m’acquitte de cette commission avec tout le plaisir […].« Billet Nr. 71 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 233 Orig.: »C’est aujourd’hui, cher ami, à 6 1/2 heures, que la Clemenza sera donnée. Vous sentez bien qu’il est essentiel de s’y rendre avant le commencement. Je Vous abandonne l’heure où Vous voudrez trouver chez nous, et Vous repète que Vous êtes annoncé. Stadler dirige.« Billet Nr. 14 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 234 Orig.: »Je vous demande l’ouverture de la superbe cantate, en ayant parlé à Eberl qui ne désiroit que de pouvoir faire copier die Alt- und die 2te Violinstimme, les autres pouvant se servir de la partition.« Billet Nr. 17 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 235 Vgl. Morrow: Concert Life in Haydn’s Vienna, S. 10ff. 236 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Vater, Wien, 23.12.1801, in: Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 383.

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Bedingungen und Kontexte

Für den Prozess der Erinnerung ist Wiederholung wichtig, erst dann können Namen und Werke dauerhaft im kulturellen Gedächtnis verankert werden. Von besonderem Einfluss für das Erinnern Mozarts waren daher die regelmäßigen Musikveranstaltungen bei Constanze Mozart. Diese fanden zunächst samstags statt, wie Czerny beschrieb, später dann montags. Zu diesen Gelegenheiten trat Franz Xaver Mozart auf sowie Freunde und Bekannte der Familie. Dazu zählten, wie erwähnt, Johann Nepomuk Hummel und Franz Vinzenz Krommer. Auch der Pianist Joseph Lipawski, der mit Wolfgang Amadé Mozart bekannt war, stand weiter in Kontakt mit der Familie Mozart, wie einige Billets Georg Nikolaus Nissens belegen, und ist wahrscheinlich bei Constanze Mozart aufgetreten.237 Der in Wien bekannte und mit Beethoven wettstreitende Pianist Joseph Wölfl, den Constanze Mozart am 13. Februar 1799 an Breitkopf & Härtel empfahl, wäre ein weiterer Kandidat: »ich nehme mir die freyheit Ihnen den Ueberbringer dieses Herrn Woelffl, einen geschikten Musikus und Componisten, als meinen freund, auf das beßte zu empfehlen.«238 Wölfl war 1791, wie Nissen in der Biographie 1828 beschrieb, Wolfgang Amadé Mozart in Prag begegnet.239 Anton Eberls oben erwähnte Kantate wird nicht die einzige im Salon erklungene Komposition des Freundes gewesen sein, der Constanze Mozart auf ihrer Konzertreise begleitete. Eberl war wiederum in engem Austausch mit der Pianistin Josepha Auernhammer, einer Schülerin Wolfgang Amadé Mozarts, mit der er 1782 im Augarten das Konzert für zwei Klaviere (KV 365) gespielt hatte. Josepha Auernhammer konzertierte auch um 1800, bereits verheiratet mit Johann Bessenig, regelmäßig in Wien,240 und es ist sehr wahrscheinlich, dass sie auch bei Constanze Mozart auftrat.241 Dass Virtuosen von auswärts bei Constanze Mozart zu Gast waren, spricht für eine Bekanntheit ihres Salons über die Grenzen Wiens hinaus. In einem Brief an Carl schreibt sie, dass ihr Salon sehr beliebt bei reisenden Virtuosen und sie sich mit ihren Veranstaltungen gegenüber anderen Salons in der Konkurrenz um namhafte Künstler und Künstlerinnen durchsetzen konnte: Wir haben jetzt alle Montage, der schon seit ein paar Jahren mein gewöhnlicher Gesellschaftstag ist, durch die fremden Virtuosen schöne Musique bei mir. Besonders zeichnen sich aber dabei aus: die beiden Brüder Pixis aus Mannheim, der ältere auf der Violin ein Scolar von Viotti, und der jüngere auf dem Pianoforte; besonders Herr Seidler aus Berlin, ein ganz vortrefflicher Geiger, der jetzt von Paris 237 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 51f. 238 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.2.1799, in: B/D IV, S. 227. 239 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 561. 240 Vgl. Unseld: Mozarts Frauen, S. 113ff. 241 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 52f.

Constanze Mozarts Wiener Salon

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kömmt und wie man sagt dem berühmten Rode nichts nachgiebt. Den sollst Du einmahl hören Deines Vaters Quartette spiellen! Was gäbe ich nicht darum, wenn Du sie mit uns hören könntest! Es sind sehr ardige Leute. Alle geben schon öffentliche Concerte. Sie sind schon den ganzen Winter hier, und obschon sie deswegen hier sind, um Koncerte zu geben, wo sich die meisten Künstler, wie Du weißt, rahr machen, so spiellen sie doch alle Montage bei mir, und in der Tat wetteiferten sie miteinander, und ich gewinne dabei, wie Du leicht denken kannst. Ein jeder will sich hören lassen, und so höre ich sie alle und recht oft.242

Bei den Brüdern Pixis, die Constanze Mozart hier erwähnt, handelte es sich um den Geiger Friedrich Wilhelm Pixis (1786–1842) und den Pianisten Johann Peter Pixis (1788–1874), die als Wunderkindduo durch Europa reisten und auch in Wien Halt machten. Bei »Herrn Seidler« handelte es sich um den Geiger Ferdinand August Seidler aus Berlin. Auch berühmte Sängerinnen verkehrten im Salon, wie etwa Charlotte Henriette Häser, die aus Leipzig stammte und 1806 bis 1807 Mitglied der Wiener Hofoper war. Ihrem Bruder August Ferdinand Häser schenkte Constanze Mozart Teile eines Autographs von Wolfgang Amadé Mozart.243 Wahrscheinlich trat auch der bekannte Kastrat Giovanni Battista Velluti bei Constanze Mozart auf, was nur indirekt belegt ist durch einen Brief an Carl Mozart: »Ist Signor Velluti wieder in Italien? Hast Du ihn seither gesehen? Er ist ein liebenswürdiger Mann und ein großer Künstler. Schade, daß ich ihn nicht eher kennen lernte.«244 Auch die Sängerin Anna Milder, die von 1803 bis 1816 in Wien auftrat und anschließend an der Berliner Hofoper engagiert wurde, war bei ihr zu Gast.245 Ebenso die Sängerin Therese Fischer, die Mitglied der Wiener Hofoper war, wie sie Carl Mozart in Mailand berichtet: Die schönen Lieder von Asioli habe ich endlich von Artaria bekomen; die Fischer sang sie bei mir, und sie gefielen mir sehr wohl, doch kann ich Dir noch nicht genug davon schreiben, weil ich wohl einsehe, daß sie um das Karakteristische, was darin ist, ganz anderst gesungen werden müßen, welches man das erste Mahl ganz gewiß nicht treffen kann.246

Hier handelte es sich nicht um eine Aufführung von Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts, sondern um Lieder Bonifazio Asiolis, des Kompositionslehrers Carl Mozarts. Auch Carls Kompositionsversuche erbat sie, wahrschein242 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 30.1.[1807], in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 36f. 243 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 55f. 244 Constanze Mozart an Carl Mozart, Kopenhagen, 10.12.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 77. 245 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 56. 246 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 23.8.1806, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 34.

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Bedingungen und Kontexte

lich, um sie in ihrem Salon aufführen zu lassen. Allerdings kam er scheinbar ihrem Wunsch nicht nach, da sie sich später bei ihm darüber beschwerte.247 Constanze Mozart bediente alle Anlässe und Gattungen, die typisch für das Wiener Salonleben waren. Ihr Salon kann damit im Kontext eines organisierten Mäzenatentums gesehen werden, das ansässigen und reisenden Musikern und Musikerinnen wichtige Auftrittsmöglichkeiten bot. Im Gegensatz zu anderen großen Städten wie Leipzig bspw. oder auch London etwa gab es in Wien noch keine finanzstarke bürgerliche Mittelschicht, die ein öffentliches Konzertleben gefördert hätte. Außer der o.g. Akademien gab es in Wien in den 1790er Jahren und Anfang des 19. Jahrhunderts weder Räume noch Mittel für öffentliche Konzertreihen. Viele Adlige hingegen unterhielten eigene Hauskapellen und boten damit Musikern ein festes Gehalt. Das Phänomen der Hauskapellen nahm allerdings gegen Ende des 18. Jahrhunderts ab.248 Viele Musiker wurden durch die Auflösung von Hauskapellen brotlos und notgedrungen zu ›freien‹ Musikern, die sich auf einem noch nicht etablierten Markt behaupten mussten. In anderen Städten konnten sie sich bereits untereinander organisieren, in Wien war das anders: »In Vienna it was virtually impossible for a local musician to build a successful concert career without the patronage of individual concert hosts.«249 Tia DeNora erklärt, dass diese Förderung vor allem vom Adel übernommen wurde.250 Constanze Mozarts Salon ist aufgrund der zentralen Lage in direkter Nachbarschaft zu den bedeutenden adligen Salons womöglich eine der ersten Adressen der Stadt gewesen. Dennoch war sie selbst bürgerlich. Der Hochadel war bei ihr nicht zu Gast, stattdessen zahlreiche Diplomaten sowohl bürgerlicher als auch adliger Herkunft. Ihr Salon zeigt, dass die Trennlinie zwischen Adel und Bürgertum in Wien besonders fließend war. Die Bedeutung der Salons für das Musikleben begründet sich vielmehr darin, dass Individuen, d. h. vor allem auch Frauen, größere Gestaltungsmöglichkeiten hatten als in anderen Städten, wo es Konzertorganisationen oder andere Formen eines bürgerlichen Konzertwesens gab. Damit besaßen die Salons außerdem eine besondere Rolle für die Geschmacksbildung: Durch die Förderung der Musik konnten einzelne Personen, so auch Constanze Mozart, den Anspruch auf ›richtigen‹, d. h. guten Geschmack formulieren. Die Aufwertung der Musik zum ernsten Gegenstand

247 Vgl. Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 23.4.1808, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 43. 248 Vgl. DeNora: Beethoven and the Construction of Genius, S. 40ff. 249 Ebd., S. 55. 250 Ebd., S. 35.

Die Vielfalt des musikkulturellen Erinnerns in Wien

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und die Kanonisierung der Kompositionen Mozarts, Haydns und später auch Beethovens geschah in Wien vor allem auch in den Salons. Auf die Bedeutung der musikalischen Salons für den diplomatischen Austausch wurde schon hingewiesen. Hier zirkulierten Bücher und Musikalien. Constanze Mozarts Salon bildete ein Forum, wo durch Aufführungen die Bedeutung Wolfgang Amadé Mozarts hervorgehoben wurde, und zwar einem engen festen Kreis von Beteiligten und Gästen wie einem breiteren Wiener Publikum. Fredrik Samuel Silverstolpe, Georg Nikolaus Nissen und Abbé Maximilian Stadler wurden Constanze Mozarts wichtigste Vertraute und unterstützten ihre Verhandlungen um den musikalischen Nachlass. Dabei war ein historisches Bewusstsein und die Bedeutung um Notendrucke für das Erinnern vorhanden. Hierbei waren auch Baron van Swieten und Joseph Haydn einflussreich, wie im folgenden gezeigt werden soll.

2.6. Die Vielfalt des musikkulturellen Erinnerns in Wien Der Blick auf die vielfältigen Kontakte Constanze Mozarts zeigen, dass sie mit ihrem Engagement für die Musik Wolfgang Amadé Mozarts und dem Bestreben, diese aufzuführen, zu sammeln und zu bewahren, nicht allein war. Wien war eine Stadt mit einer äußerst lebendigen Musikpraxis, wo ein historisches Bewusstsein um 1800 vorhanden war und die Kanonisierung bestimmter Komponisten gezielt voran getrieben wurde, zunächst durch Aufführungen vor allem in Salons, aber auch durch die Einrichtung von Musikaliensammlungen und durch Notendrucke. Diese Bestrebungen waren in den 1790er Jahren noch deutlich von der höfisch-adligen Kultur getragen. Der kaiserliche Hof war politisches Machtzentrum und bot Möglichkeiten der internationalen Vernetzung und damit dynamischen Wissensvermittlung, an welcher der diplomatische Apparat einen wesentlichen Anteil hatte. Damit war die Richtung des Sammelns auch nicht einseitig, d. h. von außerhalb nach Wien, sondern man reiste auch gezielt an Orte, um dort Informationen zu beschaffen. Joseph Sonnleithner z. B. reiste 1799 nach Stockholm, wie Fredrik Samuel Silverstolpes Vater berichtete: Inzwischen ist ein Deutscher Musicus Sonnleithner angelangt mit mehreren Recommendationen von Dir. Er sammelt, was sich sammeln lässt, in seinem Fach; auch Schwedische Portraits von Künstlern, Gelehrten und Männern der Wissenschaft, im Auftrag des Kaisers; von welchen ich ihm ein Verzeichnis mitteile, zu näherer Nachfrage.251 251 Fredrik Silverstolpe [sen.] an Fredrik Samuel Silverstolpe, Stockholm, 15.11.1799, in: Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 345.

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Bedingungen und Kontexte

Joseph Sonnleithner schrieb Libretti, u. a. für Beethovens Fidelio, und war Sekretär des Hoftheaters. Er legte ab 1798 eine bedeutende Musiksammlung mit dem Titel Geschichte der Musik in Denkmälern von der ältesten bis auf die neueste Zeit an. Er wollte dafür Joseph Haydn, Antonio Salieri und Johann Georg Albrechtsberger gewinnen. 1801 bestimmte er Nikolaus Forkel zum Leiter des Projekts. Durch die Napoleonischen Kriege 1805 wurde das Unternehmen allerdings unterbrochen.252 Auf dieser Initiative baute jedoch die Gründung Sonnleithners der Gesellschaft der Musikfreunde im Jahre 1812 auf. Sie war der Beginn eines öffentlichen Konzertwesens in Wien und erfüllte mit dem Aufbau einer Musikaliensammlung auch archivarische und damit erinnernde Funktion. Weitere wichtige private Musiksammlungen besaßen Baron von Doblhoff-Dier, Simon Molitor, Heinrich Graf von Haugwitz und Raphael Kiesewetter.253 Letzterer gehörte auch zur ersten Generation, die die Sammlungen für musikhistorische Forschungen entdeckten. Dazu zählte auch Abbé Maximilian Stadler (1748–1833), der durch dieses historische wie musikalisches Interesse damit auch für die Nachlassordnung qualifiziert war. Er hatte 1772 in Melk die Priesterweihe erhalten und war anschließend als Organist, Pianist, Komponist in Kremsmünster tätig, danach seit 1791 Konsistorialrat in Linz. Es gibt Hinweise, dass er bereits 1792 Autographe Wolfgang Amadé Mozarts einsah.254 Nach eigenen Angaben lebte er jedoch mehrere Jahre in Linz.255 Er zog wahrscheinlich spätestens 1796 nach Wien und widmete sich intensiv der Musik. Er komponierte, und arrangierte Opern Wolfgang Amadé Mozarts für Streicher, um sie in Wiener Salons aufführen zu lassen, u. a. auch bei Constanze Mozart, wo er bei ihren musikalischen Soireen auch selbst dirigierte.256 1803 wurde er Pfarrer in Altlerchenfeld. 252 Vgl. Karl Wagner (Hg.): Abbé Maximilian Stadler. Seine Materialien zur Geschichte der Musik unter den österreichischen Regenten, Kassel u. a. 1974, S. XVIIIff. Vgl. auch Herfrid Kier: »Musikalischer Historismus im vormärzlichen Wien«, in: Walter Wiora (Hg.): Die Ausbreitung des Historismus über die Musik, Regensburg 1969 (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, 14), S. 55–69. 253 Vgl. Wagner (Hg.): Abbé Maximilian Stadler, S. XVIII. 254 Hierbei handelt es sich um eine Anmerkung »Von Abbe Stadlers eigenhändiger Notiz dto 1792. copiert« auf dem Konzertfragment KV 315f. Diese Notiz scheint jedoch nicht von Stadler selbst, sondern von Aloys Fuchs eingetragen worden zu sein. Vgl. Ulrich Konrad: Mozarts Schaffensweise. Studien zu den Werkautographen, Skizzen und Entwürfen, Göttingen 1992, S. 30, Fußnote 22. 255 »[…] verfügte mich endlich den 19. Jan 1791 nach Linz. Hier ward ich sogleich von dem hochw. Bischof Gall zum Consistorialrath ernannt, und wohnte als Referent den wöchentlichen Consistorialversammlungen mehre Jahre bey.« Vgl. Gerhard Croll: »Eine zweite, fast vergessene Selbstbiographie von Abbé Stadler«, in: MJb (1964), S. 172–184, hier S. 179f. 256 Vgl. Kapitel 2.5.

Die Vielfalt des musikkulturellen Erinnerns in Wien

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Ab 1815 lebte er wieder in Wien und begann dort musikhistorische Arbeiten. Er erstellte eine umfassende Materialiensammlung zur österreichischen Musikgeschichte.257 Eine weitere bedeutende Musikaliensammlung in Wien besaß Baron Gottfried van Swieten (1733–1803). Er spielte eine wichtige Rolle in der unmittelbaren Phase nach Wolfgang Amadé Mozarts Tod, indem er das Begräbnis organisierte, sich finanziell um Constanze Mozart und die Söhne kümmerte und die Veranstaltung von Akademien zugunsten der Witwe veranlasste. Er beeinflusste Constanze Mozart auch in ihrer Tätigkeit als Nachlassverwalterin. So schrieb sie in ihrer Korrespondenz mit Breitkopf & Härtel: »baron Swieten ist abwesend; ich kann also nicht mit ihm sprechen.«258 Der Anlass ist unbekannt, aber der Hinweis zeigt, dass Constanze Mozart Gottfried van Swieten während der Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel zu Rate zog. Dieser war ein passionierter Sammler von Musik und Literatur. Das war auch sein Beruf: Bis 1777 war er in diplomatischen Diensten Friedrich des Großen in Berlin, anschließend kam er nach Wien. Dort wirkte er am kaiserlichen Hof als k.k. Hofbibliothekar und bemühte sich, die Benutzbarkeit der Bibliothek zu verbessern und die Sammlung zu erweitern. Er veränderte nicht nur die Perspektive des Sammelns von theologischer zu wissenschaftlicher Literatur, sondern kaufte auch Bücher, Noten, Nachlässe, Inkunablen und Kupferstichsammlungen an. Vor allem hatte er das Ziel, umfassende Kataloge zu erstellen. In kürzester Zeit wurden 300.000 Titel in einen alphabetischen Katalog aufgenommen (dieser Katalog existiert als »Josefinischer Katalog« noch heute).259 Van Swieten wollte die Bibliothek damit einer Vielzahl von Personen zur Nutzung bereit stellen. Zu seiner Zeit war die Bibliothek wochentags von 8 bis 12 Uhr der Öffentlichkeit zugänglich. Sein Verständnis der Bibliothek stellte er folgendermaßen dar: Die kaiserliche Bibliothek ist zum allgemeinen Gebrauch bestimmt; die Pflicht derjenigen, welchen die Absicht darüber anvertraut ist, besteht in dem, daß diese kostbare Sammlung mit Sorgfalt erhalten, mit Einsicht vermehrt und der Genuß davon dem Publikum zu Theil werde. Eine große Zierde derselben sind die zahlreichen Manuskripte; ihre Beschreibung ist der erste Schritt, wodurch der Zugang zu diesem Schatze der gelehrten Welt eröffnet wird.260 257 Vgl. Wagner (Hg.): Abbé Maximilian Stadler; vgl. auch Johannes Prominczel: Art. »Abbé Maximilian Stadler«, in: MGG2P15 (2006), Sp. 1270–1273. 258 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.11.1799, in: B/D IV, S. 290. 259 Hans Petschar: »Kataloggeschichte – Bibliotheksgeschichte. Skizzen zum Funktionswandel der kaiserlichen Bibliothek in Wien vom 16. bis zum 18. Jahrhundert«, in: Csáky/Stachel (Hg.): Speicher des Gedächtnisses, Teil 2, S. 43–56, hier S. 49. 260 Reinhold Bernhardt: »Aus der Umwelt der Wiener Klassiker. Freiherr Gottfried van Swieten (1734–1803)«, in: Der Bär. Jahrbuch von Breitkopf und Härtel auf die Jahre

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Bedingungen und Kontexte

In seiner Nachfolge wurde Paul Strattmann 1807 Hofbibliothekar und führte van Swietens Inititative weiter. Die Bibliothek richtete sich, wie er betonte, nicht nur an die Bedürfnisse des kaiserlichen Hofes, sondern vor allem auch an die »gebildete Classe der Hauptstadt«: Die Hofbibliothek stellet sich in einem dreyfachen Gesichtspunkte dar. Sie ist die Bibliothek für die gebildete Classe der Hauptstadt. Diese erfordert von ihr die merkwürdigsten Werke des Unterrichts. Sie ist die Nazionalbibliothek des österreichischen Kaiserthums. Der Einheimische wie der Fremde erwartet bey ihr die gesuchtesten literarischen Seltenheiten anzutreffen. Sie ist endlich die Bibliothek des Kaiserhofes, von denen sie ihre Benennung hier hat.261

Es ist nicht auszuschließen, dass Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen die Bibliothek besucht haben, sie lag unweit ihrer Wohnstätte. Vielleicht hatten sie auch Zugang zu van Swietens privater Musikaliensammlung. Es lässt sich nachweisen, dass im Umfeld von Constanze Mozart verschiedene Arten an Musikalien und Literatur zirkulierten; dies ist als eine wichtige Voraussetzung für die Tätigkeit der Nachlassverwaltung einzuschätzen. Georg Nikolaus Nissen tauschte, wie erwähnt, mit Fredrik Samuel Silverstolpe Literatur und Zeitschriften aus. Er erkundigte sich bei Silverstolpe nach Literatur für die Bibliothek des Baron Liechtenstein: Der Baron Lichtenstein, der eine große Statistische Bibliothek hat, bittet mich ihm zu sagen, was über schwedische Statistik, besonders über Finanzen, in Schwedischer oder anderen Sprachen geschrieben ist. Erzeigen Sie mir daher, lieber Freund, die Gefälligkeit, mir die Titel solcher Bücher aufzuschreiben. Ihr N262

Auch aktuelle politische Literatur wechselte dabei den Leser: »Der Titel des Buches mit einer sehr anregenden und amüsanten Wirkung, das Sie sich verschaffen müssen, ist dieser: Historische Entwikkelung der Heutigen Statsverfassung des teutschen Reichs von Pütter.« 263 Dieses Buch von Stephan Pütter erschien 1798 in Göttingen und diskutierte die Rolle des Krieges bei der Herstellung eines politischen Gleichgewichts in Europa – ein wichtiges Thema für diplomatische Vertreter.264 Nissen tauschte mit Silverstolpe auch 1929/30, Leipzig 1930, S. 74–164, hier S. 126. 261 Zitiert nach Petschar: »Kataloggeschichte – Bibliotheksgeschichte«, S. 51. 262 Billet Nr. 5 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. Dieses Billet ist eines der wenigen in deutscher Sprache. 263 Orig.: »[…] Le titre du livre en effêt très-instructif et amusant que Vous devriez Vous procurer, est à peu près celui-ci: Historische Entwikkelung der Heutigen Statsverfassung des teutschen Reichs von Pütter.« Billet Nr. 34 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 264 Vgl. Meyer: Die Epoche der Aufklärung, S. 69.

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Musikzeitschriften aus: »Könnten Sie mir die neuen Ausgabe der Musikzeitung borgen, die Sie ohne Zweifel erhalten haben, so wie Sie die anderen abonniert haben, und sie mir schicken, mit der Ausgabe, von der Sie mir schon zuvor berichtet haben?«265 Baron van Swieten war ein Musikkenner und -förderer ersten Ranges. Er begeisterte sich für die Musik Johann Sebastian Bachs und Georg Friedrich Händels. Mit Carl Philipp Emanuel Bach, der als Kapellmeister bis 1768 in Berlin am preußischen Hof Friedrich II. angestellt war, blieb van Swieten weiterhin eng verbunden. Bei sonntäglichen Soireen ließ van Swieten in Wien Werke Bachs und Händels aufführen. Dazu hatte er auch Wolfgang Amadé Mozart beauftragt, Händels Werke wie z. B. Acis und Galathea (KV 566) zu bearbeiten. Es ist davon auszugehen, dass Constanze Mozart bei diesen Soireen ebenfalls anwesend war. Van Swieten besaß eine umfangreiche Notensammlung, deren Inhalt leider nur in Ansätzen rekonstuiert werden kann, da er starb, ohne ein Testament zu hinterlassen, und die Erben 1804 seinen Besitz versteigerten. Haydn schätzte den Wert von van Swietens Musikalien auf 10.000 Gulden.266 Sie enthielt u. a. Inventionen, Partiten, das Musikalische Opfer, Orgelsonaten von J.S. Bach; Klavierstücke und Sonaten von C.P.E. Bach, Klaviersuiten und Fugen von Händel, Sonaten von Domenico Scarlatti. Die Kopien in van Swietens Besitz wurden zum großen Teil in Wien angefertigt, dies lässt sich durch die Handschrift des Kopisten nachweisen. Van Swieten besaß Kontakte zu den Zentren der Bachpflege: Zu Anna Amalia, Prinzessin von Preußen in Berlin, zu Nikolaus Forkel in Göttingen, und zu Carl Philipp Emanuel Bach selbst, als dieser nach Hamburg übergesiedelt war. Von dort lieh er sich Noten oder ließ sie mitbringen, gab sie in Wien an einen Kopisten, und schickte sie anschließend zurück an den Besitzer bzw. die Besitzerin.267 Mit Karl Fürst Lichnowsky war er befeundet, auch ihn beauftragte er, Noten zu besorgen. So brachte Lichnowsky Kopien der englischen und französischen Suiten J.S. Bachs von einem Studienaufenthalt in Göttingen 1782 mit nach Wien.268 Ob Lichnowsky auf der 265 Orig.: »Veuillez me prêter les nouveaux numéros de la gazette de musique que Vous aurez sans doute reçu ainsi que les autres abonnés, et me les envoyer, avec le volume que Vous m’en avez déjà communiqué ci-devant.« Billet Nr. 32 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 266 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 2.4.1803, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 191; vgl. auch Andreas Holschneider: »Die musikalische Bibliothek Gottfried van Swietens«, in: Georg Reichert/Martin Just (Hg.): Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongress Kassel 1962, Kassel 1963, S. 174–178, hier S. 175. 267 Vgl. Holschneider: »Die musikalische Bibliothek Gottfried van Swietens«, S. 174. 268 Vgl. ebd.

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Reise mit Mozart 1789 auch im Auftrag von van Swieten unterwegs war, um Noten auszutauschen, ist nicht überliefert, mag aber bei der Reise auch eine Rolle gespielt haben. Van Swieten entsprach dem Typus des adligen, gebildeten und aufgeklärten Musikliebhabers, der Musik sammelte, um sie aufführen zu lassen und dazu großzügig Aufführungen finanzierte.269 Als Musikmäzen gründete er mit den Fürsten Schwarzenberg, Dietrichstein, Paar, Lichnowsky und Graf Johann Esterházy die »Gesellschaft der Assoziierten Cavaliere«, um die Musik in Wien zu fördern.270 Van Swieten setzte sich vor allem für die Musik Joseph Haydns ein. Er überarbeitete die Textfassung des Oratoriums Die Sieben Worte (Die Worte des Heilands am Kreuze) (Uraufführung 1796) und verfasste die Textbücher zur Schöpfung (UA 1798) und den Jahreszeiten (UA 1801). Dass er außerdem Aufführungen mit der Musik der Bachfamilie und Georg Friedrich Händels organisierte, also der Musik verstorbener Komponisten und damit weitgehend verklungener Musik, beweist deutlich sein historisches Bewusstsein. Indem van Swieten Noten sammelte und als bewahrenswert erkannte, beeinflusste er sehr wahrscheinlich Constanze Mozart in ihren Tätigkeiten und Entscheidungen. Neben der Unterstützung durch van Swieten sind auch Constanze Mozarts Verbindungen mit Joseph Haydn nachweisbar. Die Bedeutung dieser Verbindung speist sich aus seiner Erfahrung im Umgang mit Verlagen. Constanze Mozart gab in ihrer Anzeige zur Akademieankündigung in der Wiener Zeitung am 24. Dezember 1794 die »Krugerstrasse beym blauen Säbel« als ihre Adresse an.271 Erst am 1. September 1798 ist mit dem »Judengässel N.o 535« eine neue Adresse Constanze Mozarts bekannt. Interessanterweise schildert Frederik Samuel Silverstolpe in seinen Memoiren einen Besuch bei Haydn 1797 in der »Krugerstrasse zum blauen Säbel«272. Haydn hielte sich dort auf, um mit van Swieten das Textbuch zur Schöpfung zu erarbeiten. Constanze Mozart wohnte also eventuell zeitgleich mit Haydn im selben Haus. Zu Haydns Geburtstag am 8. April 1805 veranstaltete Constanze Mozart eine Akademie im Theater an der Wien. Hier präsentierte sie ihren Sohn dem Wiener Publikum, einerseits als Pianist (mit einem Klavierkonzert des Vaters) und als Komponist: Es erklang eine »Cantate auf Haydn’s 73. Geburtstag, komponiert von Mozart, 269 Vgl. hierzu auch Melanie Wald: »Der Rückzug der Aufklärung in die Musik – Gottfried van Swieten in Wien«, in: Laurenz Lütteken/Carsten Zelle (Hg.): Haydn im Jahrhundert der Aufklärung, Wolfenbüttel 2009 (Das achtzehnte Jahrhundert 33/2), S. 203–220. 270 Vgl. DeNora: Beethoven and the Construction of Genius, S. 20ff. 271 Wiener Zeitung vom 24.12.1794, vgl. auch Deutsch: Mozart, S. 413. 272 Silverstolpe Memoiren Nr. 30, S. 57, S Uu.

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dem Sohne« (WV I:I).273 Im zweiten Teil des Konzerts waren Ausschnitte aus Idomeneo zu hören, zum Abschluss spielte Franz Xaver Wolfgang Mozart seine eigens komponierten Variationen für Klavier F-Dur (WV VII:2).274 Einige Quellen dokumentieren einen weiteren Austausch zwischen Constanze Mozart und Joseph Haydn bezüglich ihrer Verhandlungen. So war Constanze Mozart bspw. über Haydns Erfolg in London informiert, der sich auch in Drucken seiner Musik niederschlug. Sie wusste nicht nur, dass England ein lukrativer Markt für den Verkauf von Musik war, sondern auch, dass dort die Autographe als wertvoll gehandelt würden. Dieses Argument brachte sie bei Breitkopf & Härtel vor: Es wäre »[…] durch einen ganzen oder theilweisen Verkauf der handschriften an Liebhaber, etwa in England, viel daraus zu lösen.«275 Es gibt weitere Quellen, die andeuten, dass Constanze Mozart gut informiert war, wie Joseph Haydns Verhandlungen voranschritten. So schlug sie Breitkopf & Härtel vor, nach Wien zu kommen und ihren ganzen Manuskriptbestand zu sichten; dies wäre auch sinnvoll hinsichtlich der »Verhältnisse mit Haydn« des Verlags: »Vielleicht könnte Ihnen diese Reise auch in Rüksicht Ihrer Verhältnisse mit Haydn wünschenswerth seyn. Wie wäre es, wenn Sie etwa den muntern Carnaval hier zubrächten?« 276 Breitkopf & Härtel hatte sich direkt an Haydn und van Swieten gewandt, um über die Herausgabe der Schöpfung zu verhandeln. Constanze Mozart war darüber informiert: »Ich höre von H. baron S., daß Sie ein duett von der Schöpfung erhalten haben: ich gratulire Ihnen dazu. Izt giebt man sie bey Schwarzenberg: den 19ten im Theater mit 181. Instrumenten.«277 Dieses Duett war als Beilage zur Allgemeinen Musikalische Zeitung erschienen.278 Breitkopf & Härtel war außerdem an der Partitur der Schöpfung interessiert, hatten aber scheinbar bei Haydn keinen Erfolg gehabt. Daher wandten sie sich an Constanze Mozart, um von ihr eine Abschrift zu bekommen.279 Dazu erteilte Constanze Mozart dem Verlag allerdings eine Absage: »Was die Partitur von der Schöpfung betrift, bin ich nicht im Stande Ihnen zu dienen, da Sie Sich, wie ich von Swieten und Haydn selbst gelegentlich erfahren habe, an sie beyde gewandt haben. Nicht 100, viel

273 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 3.4.1805, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 240ff, und Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 64. 274 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 1, S. 64. 275 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 9.11.1799, in: B/D IV, S. 286. 276 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 29.9.1799, in: B/D IV, S. 273. 277 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 2.3.1799, in: B/D IV, S. 232. 278 Vgl. Nachricht und Beilage VI zur AMZ 16 (1799), S. 255f. 279 Vgl. B/D VI, S. 463.

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weniger 20 dürfte ich Haydn anbieten.«280 Sie vertrat damit die Meinung, 100 Dukaten seien kein angemessenes Honorar für die Schöpfung, und erst recht keine Summe von 20 Dukaten. Sie verhielt sich gegenüber Haydn damit loyal. Sie wusste schließlich aus eigener Erfahrung von der Strategie des Verlags, sich nicht immer auf rechtem Wege um Kompositionen zu bemühen, seien es Originale oder Abschriften. Erst zwei Jahre später kam es durch Vermittlung Griesingers zum Vertrag über die Schöpfung zwischen Joseph Haydn und Breitkopf & Härtel. Haydn hatte nicht nur viel Erfahrung in der Vermarktung seiner Musik, sondern hatte auch in den Verhandlungen geschickt agiert, seine Position vertreten und finanzielle Erfolge verbuchen können. Er bemühte sich, seine Werke auf viele Wege in Umlauf zu bringen.281 Während seines Aufenthalts in London in den 1790er Jahren verkaufte er seine Werke an Verlage, manchmal auch an mehrere gleichzeitig. Auch in Paris und Amsterdam ließ er seine Werke drucken.282 In Wien ließ er seine Kompositionen vor allem durch Artaria & Co. herausgeben, und komponierte einige Werke speziell als Aufträge für den Verlag (z. B. 1786 die Klaviertrios Hob. Nr. 6–8).283 1786 erhielt Joseph Haydn Besuch von Christoph Gottlob Breitkopf, der daraufhin Klaviersonaten herausgeben wollte. Dieser Plan wurde jedoch nicht verwirklicht.284 Sein Geschäftspartner Gottfried Christoph Härtel übernahm eine neue Initiative zur Herausgabe der Werke Joseph Haydns, allerdings nahm der Verlag mit ihm nicht direkt Kontakt auf, sondern über Georg August Griesinger (1769–1854) als Mittelsmann. Dieser war seit 1799 Hauslehrer des Grafen Johann Hilmar Adolph von Schönfeld in Wien, und Hofmeister mit der Funktion des Hauswirtschafters und persönlichen Beraters des kursächsischen Gesandten am Wiener Kaiserhof. 1804 wurde er zum Legationssekretär für die kursächsische Gesandtschaft berufen.285 Es scheint kein Zufall, dass er als kulturell vielseitig interessierter Mann wie auch Georg Nikolaus Nissen in den diplomatischen Dienst aufgenommen wurde. Georg August Griesinger stand dabei allerdings nicht auf der Seite der Komponisten und vermittelte deren künstlerische und finanzielle Interessen, sondern auf der Seite des Verlags.286 Griesinger antwor280 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.2.1799, B/D IV, S. 228. 281 Vgl. Otto Biba: »Joseph Haydn und die Verbreitung seiner Werke«, in: Theresia Gabriel/Gerhard Winkler (Hg.): Phänomen Haydn 1732–1809: Prachtliebend – bürgerlich – gottbefohlen – crossover, Ausstellungskatalog, Eisenstadt 2009, S. 154–161. 282 Vgl. ebd., S. 157. 283 Vgl. Georg Feder: Art. »Joseph Haydn«, in: MGG2P8 (2002), Sp. 901–1094, Sp. 924. 284 Vgl. Frank Reinisch: Art. »Breitkopf & Härtel«, in: Armin Raab/Christine Siegert/ Wolfram Steinbeck (Hg.): Haydn-Lexikon, Laaber 2010, S. 124–127, hier S. 124. 285 Vgl. Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 14f. 286 Vgl. ebd., S. 14.

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tete am 25. Mai 1799, dass es zu einer ersten Begegnung mit Joseph Haydn gekommen sei;287 Anfang 1800 erschien schließlich bei Breitkopf & Härtel der erste Band der Œuvres complettes Joseph Haydns mit acht Klaviersonaten im Druck. Die Verhandlungen um die Gesamtausgabe Haydns starteten damit nach denen Constanze Mozarts, die bereits im Sommer 1798 mit Breitkopf & Härtel in Kontakt war. Das bedeutet, beide hatten zur selben Zeit intensiven Kontakt mit Breitkopf & Härtel. Ein Vergleich der Verhandlungsstrategien und -interessen sowie dem Ergebnis der Gesamtausgabe zeigt jedoch, dass sie in den Verhandlungen andere Ziel verfolgten, und damit kann Constanze Mozarts Vorgehen an Kontur gewinnen.

287 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 4.5.1799 und 25.5.1799, in: ebd., S. 23ff und 25ff.

3. Musik drucken: Die Verlagsverhandlungen Constanze Mozarts

3.1. Die Sichtung und Ordnung der Autographe Constanze Mozart war auf Hilfe angewiesen, um die Ordnung des musikalischen Nachlasses organisatorisch zu bewältigen und professionell gegenüber den Verlagen agieren zu können. Sie hatte sich bald ein enges kooperatives Netz aufgebaut. Georg Nikolaus Nissen, Fredrik Samuel Silverstolpe und Abbé Maximilian Stadler gehörten zu ihrem Helferkreis vor Ort, der den Nachlass sichtete und ordnete. Silverstolpe und Abbé Stadler betreuten dabei vorwiegend die musikalischen Fragen, während Nissen ihr bei der Korrespondenz mit den Verlagen zur Seite stand. Erwähnt sei außerdem Paul Wranitzky, der als Kommissionär den Kontakt zu Breitkopf & Härtel hielt und den Versand der Musikalien zwischen Constanze Mozart und dem Verlag organisierte. Auch Ludwig van Beethoven wurde offenbar in Einzelfällen gebeten zu helfen, wie Constanze Mozart Breitkopf & Härtel berichtete: »Zu dem Pendant des bandlterzetts habe ich Beethoven gebeten den Baß zu sezen.«1 Es ist davon auszugehen, dass Constanze Mozart bereits vor 1798 Einsicht in den Nachlass genommen hatte, schließlich hatte sie einzelne Notenausgaben initiiert. Die systematische, detaillierte Ordnung erfolgte allerdings wahrscheinlich erst auf die Anfrage Breitkopf & Härtels zu einer Gesamtausgabe im Sommer 1798. Zu diesem Zeitpunkt kannte sie auch bereits Fredrik Samuel Silverstolpe und Georg Nikolaus Nissen. Es handelte sich hier um ein Zusammenspiel vieler Faktoren, die die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel überhaupt ermöglichten. Historisches Bewusstsein, der Wunsch, einen Komponisten zu erinnern, aus persönlicher Bindung heraus und der Überzeugung von der Qualität seiner Werke, musikalische Kenntnisse, Verhandlungsgeschick, all dies war für die systematische Ordnung des Nachlasses und die Verhandlungen erforderlich. In welchem Zustand sich der Notennachlass befand, als ihr ›Expertenteam‹ ihn erstmalig zu Gesicht bekam, lässt sich nur erahnen. Constanze Mozart war bereits mindestens einmal umgezogen. Die Autographe konnten sich damit nicht mehr in dem Zustand befinden, in dem Wolfgang Amadé Mozart sie selbst hinterlassen hatte. Es handelte sich um eine große Sammlung von Einzelblättern, die identifiziert und zusammengefasst werden mussten. Stadler 1 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.5.1799, in: B/D IV, S. 240.

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hatte scheinbar abgelehnt, die Autographe an sich zu nehmen, wie Constanze Mozart vorgeschlagen hatte. Darüber berichtete er: Diese [Constanze Mozart] nähmlich ersuchte mich, jene Schriften in Ordnung zu bringen. Sie wollte mir selbe in meine Wohnung schicken. Ich verbath es mir, und versprach, so oft die Zeit es mir erlauben würde, sie zu besuchen, und, in Gegenwart des neben ihr wohnenden Herrn von Nyssen, den ganzen musikalischen Nachlaß des Verewigten durchzugehen, zu ordnen, und einen Catalog darüber zu verfertigen. Dieß geschah in kurzer Zeit, indem ich Alles angab, Herr von Nyssen Alles genau aufschrieb, und den Catalog sehr bald zu Stande brachte.2

Also fand die Sichtung des musikalischen Nachlasses in der Wohnung Con­ stanze Mozarts statt. Nun galt es zu klären: Lag eine vollständige Komposition vor? Oder ein Fragment? Eine Skizze oder eine ›fertige‹ Niederschrift? Ziel war es, eine Liste der Kompositionen zu erstellen und sie schließlich nach Gattungen zu ordnen. Wie Stadler es beschreibt, brachte er selbst dabei seine musikalische Kenntnis ein, während Nissen vorwiegend Schreibarbeiten übernahm und die Ergebnisse festhielt. Nissen notierte bspw. auch auf den Autographen, ob es sich um ein authentisches handelte, und er ergänzte eine gattungsspezifische Einordnung. Zum Beispiel befindet sich auf dem Manuskript des Fragments KV 322, das Constanze Mozart 1842 dem Dommusikverein vermachte, in der Handschrift Nissens die Anmerkung »Von Mozart und seine Handschrift«, sowie der Vermerk »M.f.d.G. [d. h. Musik für den Gesang]/ Kirchenmusik«.3 Auf Basis dieser Einordnungen sollte ein Katalog entstehen. Dieser war unverzichtbar für die Verhandlungen. Er diente zunächst dazu, Übersicht darüber gewinnen, welche Werke bereits gedruckt waren, denn die noch nicht veröffentlichten Kompositionen konnten Constanze Mozart einen größeren finanziellen Gewinn verschaffen als die bereits gedruckten. Auch Fredrik Samuel Silverstolpe erhielt neben Stadler Zugang zu den Autographen und sah sie scheinbar vollständig durch: »Ich habe mich damit vergnügt, alle Mozarts Manuscripte durchzusehen ehe die Witwe sie an den Notendrucker André in Offenbach verkauft.«4 Er berichtete, welche Bedeutung es für ihn hatte, Einsicht in den Nachlass zu bekommen und auch, in welchem Zustand sich dieser teilweise befand:

2 Stadler: Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiem, S. 9f. 3 Vgl. Wolfgang Amadeus Mozart: Neue Ausgabe sämtlicher Werke, hg. von der Internationalen Stiftung Mozarteum: Serie 1: Geistliche Gesangswerke, Werkgruppe 1: Messen und Requiem, Abteilung 1: Messen, Band 6: Kritischer Bericht, hg. von Monika Holl, Kassel 2000 (NMA I/1/Abt. 1/6), S. 17. 4 Fredrik Samuel Silverstolpe an seinen Bruder Axel Gabriel, Wien, 12.7.1800, in: Mörner: Johan Wikmanson und die Brüder Silverstolpe, S. 357.

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Die Bekanntschaft mit der besagten Witwe öffnete mir im folgenden den Weg zu außerordentlichen Schätzen, zu sämtlichen Manuskripten, die ihr erster Ehemann hinterlassen hat und zu einer Unzahl musikalischer Skizzen, traurige Gegenstände, denn sie enthielten nur die ersten Motive der Stücke, die niemals folgen sollten. Abbé Stadler, ein fundierter Tonsetzer, hat welche davon eigentümlich zusammen gestellt, und er hat sich besonders damit beschäftigt, einige Sonaten für Klavier fertigzustellen, bei denen die Ideen Mozarts genügend entwickelt zu sein schienen. Unter diesen Skizzen waren auch einige für Sinfonien, es waren Hefte von 50 bis 60 Blättern, mit Faden zusammen gebunden.5

Dabei wurde Fredrik Samuel Silverstolpe aktiv in die Tätigkeit des Ordnens eingebunden. Er war neben Stadler regelmäßig anwesend in der Wohnung Constanze Mozarts, wie aus Billets Nissens zu lesen ist: Stadler hat mir gesagt, dass er morgen, Mittwoch früh, zu mir kommen wird. Ich vermute, das wird gegen 10 Uhr sein, und ich möchte nicht verpassen, Sie davon in Kenntnis zu setzen, mein lieber Freund. Ich hoffe, dass Sie kommen können. Ganz der Ihre. N.6

Nissen begann auch selbst, die Autographe zu ordnen und befragte Silverstolpe dazu an Punkten, an denen er Zweifel bei der Einordnung von Kompositionen hatte: Ich habe schon angefangen, zu klassifizieren und für eine Weile hat es funktioniert. Aber als ich bis zu dem Stück namens Chasse und den Adagios gekommen war, habe ich aufgehört, nicht wissend, wo ich sie einsortieren sollte, ob zu den Sinfonien oder Konzerten. Allgemein habe ich noch andere Gründe, mich weiter mit den Werken zu beeilen und ich werde Schritt für Schritt weitergehen, geführt von Ihrer Güte und Ihrem Wissen.7 5 Orig.: »La connoissance que j’eus avec la dite veuve m’ouvrit par la suite le chemin à des trésors inappréciables, à tous les manuscrits que son premier mari avoit laissés et à une infinité d’esquisses musicales, tristes sujets de regards, puisqu’elles ne contenoient les premier motifs de pièces qui n’avoient jamais été poursuivies. – L’abbé Stadler, harmoniste profond, en fut singulièrement édifié, et il s’occupa même à completer quelque sonates pour le piano, où les idées de Mozart sembloient être suffisamment dévéloppées. Parmi ces esquisses il y’en avoit quelques-unes pour des sinfonies; c’etoit des cahiers de cinquante à soixante feuilles, liées ensemble avec du fil.« Silverstolpe Memoiren Nr. 33, S. 64, S Uu. 6 Orig.: »Stadler m’a fait dire qu’il viendra chez moi demain mércredi matin. Je suppose que ce sera à 10. heures ou environ, et n’ai pas voulu manquer de Vous en faire part pour Votre information, mon cher. Je désire que Vous puissiez venir. Tout a Vous. N« Billet Nr. 7 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, undatiert, S Sr. 7 Orig.: »J’avois déjà commencé à classifier & pendant quelque tems cela est allé. Mais quand j’avançai jusqu’à la piece nommé Chasse et les Adagio & [sic], je me suis arrêté, ne sachant où les ranger, parmi les simphonies ou les Concerts. En général j’ai encore d’autres raisons pour me plus précipiter l’ouvrage et irai pos à pos, guide par Votre bonté

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Die musikalische Expertise Silverstolpes hat eine große Rolle bei der Nachlassverwaltung gespielt und diese ist höher zu bewerten als bisher geschehen. Es fällt auf, dass Constanze Mozart gegenüber Breitkopf & Härtel die Namen ihrer Helfer weitgehend anonym hielt. Fredrik Samuel Silverstolpe wurde namentlich nicht erwähnt. Georg Nikolaus Nissen bezeichnete sie zu Beginn lediglich als »Schreiber«8. Als sie erwähnte, dass sie zusammen »mit einem freunde« an »Anecdoten und beyträge[n] zur lebensgeschichte« arbeitete, war wahrscheinlich ebenfalls Georg Nikolaus Nissen gemeint.9 Als sie im Juli 1799 längere Zeit nicht in Wien war, sondern einige Wochen »auf dem Lande« weilte,10 übertrug sie Georg Nikolaus Nissen die Vollmacht zur Korrespondenz mit Breitkopf & Härtel. Seine Identität blieb jedoch verdeckt, er unterschrieb anonym als »Der bevollmächtigte«, obwohl er sich in diesem Brief gleichzeitig bei dem Verlag für Komplimente bedankte, nämlich für »das Schmeichelhafte, was Sie in Betref meiner zu äussern beliebt haben«11. Hingegen erwähnte Constanze Mozart gegenüber Breitkopf & Härtel an mehreren Punkten, Abbé Maximilian Stadler zu Rate zu ziehen; sie nannte ihn einen »competenten Rathgeber und Kenner«12. Constanze Mozart machte dabei deutlich, dass sie ihn hinsichtlich der Auswahl auch selbstverantwortlich entscheiden ließ. In einem Fall ging es um den Plan, einzelne Arien aus Opern in einem oder mehreren Bänden in der Gesamtausgabe zu veröffentlichen: »Stadler ist ein ausgemachter Kenner: er hat Ambition und Talent. Er kann nichts schlechtes wählen; er wird nichts schlechtes wählen.«13 Auch fand sie das Manuskript zu dem Opernfragment Zaide unter den Noten, welches ihr vorher nicht bekannt war, und sie wollte Breitkopf & Härtel davon überzeugen, es zu veröffentlichen. Stadler wäre von der Qualität überzeugt: »Abbé Stadler sagt, es sey ganz unvergleichlich.«14 Es wird deutlich, dass sie auf Stadlers Kompetenz verwies, wenn es um ein musikalisches Urteil ging, d. h. wenn sie die besondere Qualität eines Werkes hervorhob, aber auch, wenn es um die Bezeugung von Echtheit ging. In Bezug auf die Sichtbarkeit ihrer Helfer spielte mit Sicherheit das Vertrauensverhältnis zum Verleger eine Rolle, welches sich, wie noch zu zeigen & par Vos lumières.« Billet Nr. 12 Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silver­ stolpe, Wien, undatiert, S Sr. 8 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.10.1798, in: B/D IV, S. 219. 9 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.12.1798, in: B/D IV, S. 223, vgl. auch B/D VI, S. 459. 10 Georg Nikolaus Nissen an Breitkopf & Härtel, Wien, 8.7.1799, in: B/D IV, S. 253. 11 Ebd., S. 255. 12 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 9.8.1799, in: B/D IV, S. 261. 13 Ebd. 14 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 26.8.1799, in: B/D IV, S. 267.

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wird, in Verhandlungen mit Johann Anton André in anderem Maße einstellte als mit Breitkopf & Härtel. In den Briefen an Johann Anton André wurde auch Georg Nikolaus Nissen namentlich genannt, z. B. schrieb sie »N. empfiehlt sich«15 (Abkürzungen standen für bekannte Namen). Diese Offenheit lag allerdings auch darin begründet, dass Johann Anton André nach Wien gereist war und den Nachlass sichtete, so dass er Georg Nikolaus Nissen persönlich kennen gelernt hatte. Constanze Mozart nannte Georg Nikolaus Nissen gegenüber Johann Anton André auch ihren »Geschäftsführer«16. Weiterhin diskutierte sie mit Johann Anton André über Georg Nikolaus Nissens Aufgaben. So hatte Johann Anton André offenbar vorgeschlagen, dass dieser seine Aktivitäten ausdehnen und selbst Autographe ausfindig machen sollte, was Constanze Mozart nicht als sein Aufgabengebiet ansah: »Wie können Sie glauben, daß N. die Herbeyschaffung und aufsuchung des Fehlenden übernehmen kann? hat er nichts anders zu thun? Aber aufmerksam ist er freilich und eifrig für jede gute Sache.«17 Die Rolle Georg Nikolaus Nissens bei der Korrespondenz ist an dieser Stelle zu problematisieren, weil sie in der Forschung umstritten ist. Georg Nikolaus Nissen hat seit Beginn der Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel die Briefe an den Verlag geschrieben. Bereits den ersten Brief schrieb Constanze Mozart nicht selbst, sondern er. Rund 80 Briefe aus den Jahren 1798 bis 1803 an die Verlage Breitkopf & Härtel und André sind überliefert. Bis auf zwei Briefe, die von unbekannter Handschrift sind, hat Georg Nikolaus Nissen diese Briefe geschrieben, die Constanze Mozart mit ihrem Namen unterzeichnete.18 Zu fragen ist nun, ob Georg Nikolaus Nissen die Korrespondenz auch inhaltlich führte, wovon viele Forschungen selbstverständlich ausgegangen sind. So schrieb Alfred Einstein: »alle Briefe, die sich um den Verkauf von Mozarts handschriftlichem Nachlaß an den Offenbacher Verleger André drehen, sind von Nissen veranlaßt und stilisiert.«19 Auch Viggo Sjøqvist schreibt von Nissens, nicht von Constanze Mozarts Briefen an den Verlag und meint darin einen diplomatischen Stil zu entdecken, der in Constanze Mozarts früheren Briefen nicht zu finden sei und daher Nissen als Verfasser der Briefe bestätigt.20 Diese Lesart gibt auch angeblich eine Quelle selbst vor. In der Gesamtausgabe der Briefe Wolfgang Amadé Mozarts sind immer wieder auch Inhalte von Briefen als Zusammenfassungen abgedruckt, wie z. B. vom Brief Georg 15 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 26.11.1800, in: B/D IV, S. 385. 16 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 21.2.1800, in: B/D IV, S. 319. 17 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 354. 18 Vgl. B/D IV, S. 212–432. 19 Einstein: Mozart, S. 88. 20 Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 54f.

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Nikolaus Nissens an Franz Xaver Wolfgang Mozart, den er am 5. März 1826, kurz vor seinem Tod, verfasste. Der Ausschnitt in der Gesamtausgabe lautet: Er gibt die feierliche Erklärung ab, dass er nur die sogenannten Geschäfte seiner Gattin (der Witwe Mozarts) geführt habe und dass nur er für alles, was in dieser Geschäftsführung im geringsten auffallend sein oder scheinen könnte, einzig und allein verantwortlich sei. […] Da er den Tod nahe fühlt, teilt er dem Stiefsohn mit und fügt eine Feierliche Erklärung bei: »Seit wenigen Monaten, nachdem ich (Ende 1797) das Glück gehabt hatte Mozarts Witwe, meine Gattin kennen zu lernen, habe ich vermöge meines Geschlechtes besser als Personen des ihrigen dazu fähig, und mit ihrem blinden Zutrauen beehrt, die sämtlichen sogenannten Geschäfte derselben mit der allervollkommendsten Unabhängigkeit geführt, alle Briefe geschrieben, alle Schritte gemacht. Selten hat sie die von mir geschriebenen Briefe angesehen, als um sie zu unterzeichnen…«21

Bei dieser Zusammenfassung handelt es sich bereits um eine Interpretation des Briefes, welche die These von Nissen als eigenständigem Verfasser ausbreitet. Der Blick auf den Brief selbst stellt den Sachverhalt komplizierter dar. Dieser ist im Kommentarband Nr. VI abgedruckt. Hier wird deutlich, dass die Zusammenfassung diesen Brief selbst bereits als »feierliche Erklärung« deutet, d. h. als Offenbarung Nissens, dass er selbst eigentlich der Verfasser der Briefe sei. Dies geht aus dem Brief allerdings nicht so eindeutig hervor. Es stimmt, Georg Nikolaus Nissen bat darin Franz Xaver Mozart um Verschwiegenheit über eine »feierliche Erklärung« bis zu seinem Tod: Für den nahen Fall [seines Todes] verfasse ich in demselben Augenblick, da ich die Wonne habe, daß es mir in den Sinn fällt, folgende feierliche Erklärung, von welcher ich dich in erwähntem Falle bitte, ja dir zur Pflicht zu machen wünschte allen öffentlichen Gebrauch, also auch im Druck und, an so Vielen verschiedenen Orten als es thunlich ist, disen Gebrauch zu machen […]. Nur solange ich lebe, wirst du davon Nichts unternehmen.22

Dass es sich dabei aber um eine Offenbarung als eigentlicher Verfasser der Briefe Constanze Mozarts handelt, ist aus dieser Stelle nicht direkt zu lesen. Im Gegenteil, er scheint kein großes Geheimnis darum zu machen, denn dass er die Korrespondenz Constanze Mozarts selbständig geführt hätte, sei in Wien allgemein bekannt: »Die Sache aber, das ist: meinen ganzen und alleinigen Anteil an den Geschäften, darfst du schon jetzt bei jeder Gelegenheit 21 Georg Nikolaus Nissen an Franz Xaver Wolfgang Mozart, [Salzburg, 5.3.1826], »nur Inhalt und Zitat überliefert«, in: B/D IV, S. 480f. 22 Georg Nikolaus Nissen an Franz Xaver Wolfgang Mozart, Salzburg, 5.3.1826, in: B/D VI, S. 619f.

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mündlich und in Privatbriefen erzählen; den meisten unserer Wiener Umgangsfreunde ist die Sache längstens bekannt. Aber von meiner feierlichen Erklärung wirst du keine Silbe erwähnen, so lange ich lebe, und Niemand erhält sie unversiegelt als du.«23 Es scheint sich bei dieser angekündigten »feierlichen Erklärung« vielmehr um eine ganz andere Sache zu handeln. Diese Erklärung sei, wie er ja schreibt, als gesondertes Dokument dem Brief beigelegt. Dieses Zeugnis ist allerdings nicht überliefert, weder als Anhang zu diesem Brief ist es abgedruckt, noch ist es in der Digitalen Mozart-Edition zu finden, wo der Brief im Original und transkribiert vorliegt.24 Bei der Zusammenfassung der »feierlichen Erklärung« in Band IV der Briefgesamtausgabe wäre ich daher vorsichtig ob ihrer Aussagekraft, und auch daraus die These abzuleiten, Georg Nikolaus Nissen habe die Geschäfte Constanze Mozarts selbständig, und dann auch noch heimlich geführt. Die obigen Ausführungen zeigen, dass Georg Nikolaus Nissen gegenüber Johann Anton André bekannt war, wonach Constanze Mozart ihn offen als ihren »Geschäftsführer« bezeichnete. Das Interesse an der Frage, wer genau welchen Anteil an den Nachlassarbeiten hatte, ist dabei oft auch geleitet von dem indirekten Vorwurf an Constanze Mozart, dass sie selbst als Person nur marginal an den eigentlichen Nachlasstätigkeiten beteiligt war. Unstrittig ist, dass Constanze Mozart mit einer Gruppe von Helfern agierte, ohne die sie den musikalischen Nachlass in einem derart knappen Zeitraum gar nicht hätte ordnen und die Verhandlungen führen können. Jeder Helfer brachte seine spezifischen, oben skizzierten Fähigkeiten mit, die dazu führten, dass Constanze Mozart sehr erfolgreich ihre erinnerungskulturellen wie auch finanziellen Interessen vertreten konnte. Interessant ist vielmehr die Beobachtung, dass sie konsequent nach außen als Witwe auftrat, d. h. sie selbst die Briefe unterzeichnete, hatte Nissen sie nun inhaltlich verfasst oder nicht. Meines Erachtens war der Status als Witwe entscheidend: Damit galt sie als Stellvertretin für ihren verstorbenen Mann, konnte Autorschaft und die Echtheit der Autographe bezeugen. Dies war für die Verlage von Bedeutung, wie im folgenden zu zeigen sein wird. Daher trat sie nach außen als Witwe auf und musste als solche Position beziehen, weil sie allein durch diesen Status für Glaubwürdigkeit stand.

23 Ebd., S. 620. 24 Georg Nikolaus Nissen an Franz Xaver Wolfgang Mozart, Salzburg, 5.3.1826, http://dme. mozarteum.at/DME/briefe/ letter.php?mid=1987&cat=4, letzter Zugriff: 27.2.2012.

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3.2. Constanze Mozarts Interessen in den Verlagsverhandlungen Wie in Kapitel 1.2. beschrieben, waren die Konzepte von Werk und Autorschaft eine wesentliche Voraussetzung für die Etablierung eines musikkulturellen Gedächtnisses um 1800. Die Auseinandersetzungen Constanze Mozarts mit Breitkopf & Härtel werden zeigen, dass sie in vielfältiger Weise für diese Konzepte eintrat. Ihr Handeln muss im Kontext der Bestrebungen der Komponisten gegen Ende des 18. Jahrhunderts gesehen werden, denen es ein Anliegen war, die Autorenposition zu stärken und als Urheberrecht gesetzlich zu verankern. Bevor die Interessen geschildert werden, die sie gegenüber dem Verlag vertrat, wird erst der Stand der Notendrucke zu Wolfgang Amadé Mozart beschrieben, anschließend die Interessen des Verlags Breitkopf & Härtels, der den Briefwechsel eröffnete und aus bestimmten Gründen an Verhandlungen interessiert war. Danach können Constanze Mozarts Interessen beleuchtet werden. Zunächst sei also der Blick darauf gerichtet, welche Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts sich vor Constanze Mozarts Verhandlungen im Druck oder anderweitig im Umlauf befanden. Wolfgang Amadé Mozart hatte sich selbst wenig um den Druck seiner Kompositionen bemüht. Einige seiner Kompositionen kamen zwar zu seinen Lebzeiten im Wiener Verlag Artaria in Druck, wie z. B. 1785 die sechs Joseph Haydn gewidmeten Streichquartette (KV 387, 421, 428, 458, 464, 465), wofür er offenbar auch Korrekturen las.25 Notendrucke boten ihm aber keine zentrale Einnahmequelle, und dies war durchaus typisch für Komponisten in Wien, die sich entweder auf eine Vergütung durch den mäzenatisch tätigen Adel verließen, oder wie Wolfgang Amadé Mozart durch Subskriptionsakademien hohe Summen verdienten. Das Verlagswesen in Wien war außerdem wirtschaftlich noch nicht so stark und umfassend organisiert wie die Unternehmen in Nord- und Mitteldeutschland oder gar in Paris oder London. Lange hatten die Wiener Verleger einen schlechten Ruf, ihnen wurde mangelnde Qualität durch Nachdrucke vorgeworfen sowie die schlechte Vergütung von Komponisten. So verkaufte Wolfgang Amadé Mozart seine drei Streichquartette KV 575, 589 und 590 in Zeiten materieller Not, wie er Michael Puchberg berichtete, für ein »Spottgeld«.26 Nachdrucke waren durch ein Hofdekret von 1781 sogar offiziell erlaubt, worin es hieß: »Der Nachdruck der von auswärts in die Erbländer kommenden und in den selben zugelassenen Bücher wird gestattet und als ein bloßer Zweig

25 Vgl. Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, S. 15. 26 Wolfgang Amadé Mozart an Michael Puchberg, Wien, 12.6.1790, in: B/D IV, S. 110; vgl. Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, S. 17f.

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des Kommerziums angesehen.«27 Zum Teil verfügten die Komponisten auch nicht über die Druckerlaubnis, die sich der adlige Gönner vorbehielt, der den Auftrag gegeben hatte. Notendrucke, die aus eigenständigen Verhandlungen zwischen Komponist und Verlag hervorgingen, waren in den 1780er und auch 1790er Jahren in Wien eher unüblich und boten Komponisten vor allem keine wirtschaftliche Basis. Darüber hinaus gab es in Wien lange ein ausgedehntes Kopistenwesen, d. h. Werke kamen handschriftlich in Umlauf. Kopisten übernahmen dabei durchaus eine verlegerische Funktion, indem sie mit den Abschriften selbständig handelten.28 Auch Wolfgang Amadé Mozart verkaufte Abschriften seiner Werke auf Subskription. Die Abschriften beförderten wiederum indirekt den Nachdruck, wenn diese bei den Verlegern landeten. Zu Mozarts Lebzeiten erschienen 78 Ausgaben mit 131 Werken, davon 35 Ausgaben mit 60 Werken, also gut die Hälfte der Erstdrucke, bei Artaria.29 Die meisten wurden jedoch nach Abschriften angefertigt, d. h. ohne Verhandlungen mit dem Komponisten und dessen Honorierung, und offenbar auch ohne dessen Wissen.30 Verhandlungen mit den Verlagen Breitkopf & Härtel oder André führte Wolfgang Amadé Mozart nicht. Christoph Gottlob Breitkopf war zwar 1786 nach Wien gereist und vertrieb auch Wiener Ausgaben Wolfgang Amadé Mozarts, eigene Drucke fertigte er jedoch nicht an.31 Im Kontext des Wiener Verlagswesens überrascht es nicht, dass Constanze Mozart nicht die Verlagsverhandlungen, sondern die Akademien als ihre erste Initiative ansah, um sich für die Musik ihres Mannes einzusetzen. Erst drei Jahre nach seinem Tod unternahm sie einen ersten Anlauf in Richtung Publikation: Nach ihrer Reise nach Prag 1794 veröffentlichte sie einen Aufruf zur Pränumeration eines Klavierauszugs der Oper Idomeneo, den der mit dem Ehepaar Duschek befreundete Organist Johann Wenzel angefertigt hatte.32 Eine weitere konkrete Gelegenheit ergab sich 1795 durch das Treffen mit Christoph Gottlob Breitkopf vor Ort in Leipzig.33 Hier bemühte sie sich zunächst um das Bandel-Terzett, d. h. um ein Stück, das sie selbst gern musizierte.34 Sie 27 Zitiert nach: Elmar Wadle: »Der Weg zum gesetzlichen Schutz des geistigen und gewerblichen Schaffens«, in: ders. (Hg.): Geistiges Eigentum, Bd. 2, S. 3–72, hier S. 22. 28 Vgl. Biba: »Joseph Haydn und die Verbreitung seiner Werke«, S. 154–161. 29 Vgl. Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, S. 13 und 21f. 30 Vgl. ebd., S. 18. 31 Vgl. ebd., S. 22f. 32 Vgl. Ankündigung Constanze Mozarts im Journal des Luxus und der Moden, Juli 1795, in: B/D IV, S. 204, vgl. auch B/D VI, S. 447. 33 Vgl. Kapitel 2.3. 34 Constanze Mozart an Christoph Gottlob Breitkopf, Hamburg, 11.12.1795, in: B/D IV, S. 206f.

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erkundigte sich in ihrem Brief an Breitkopf allerdings auch, was eine Oper im Druck kosten würde. D.h. sie interessierte sich dafür, großformatige Werke herauszugeben wie Opern und auch Klavierkonzerte. Hierfür war sie quasi gezwungen, sich an Verlage außerhalb Wiens zu wenden, denn Wiener Verleger druckten fast ausschließlich Kammermusik. In Wien war die Aufführung von Orchestermusik weitgehend den Privatkapellen des Adels vorbehalten, d. h. Wiener Verleger druckten selten Orchesterwerke, und größere Gattungen Wiener Komponisten erschienen fast ausschließlich außerhalb Wiens.35 Viele Jahre später resümierte Georg Nikolaus Nissen, dass diese ersten Versuche, Drucke von Mozart-Werken zu bewirken, wenig erfolgreich waren: Mozart hinterliess keine bedeutenden Werke, durch deren Herausgabe die Wittwe für sich und ihre Waisen hätte Vortheile ziehen können, denn die meisten waren schon vielfach herausgegeben ausser dem Requiem und dem Idomeneo. Ueber ersteres hatte die Wittwe nicht zu verfügen, nur von letzterer Oper kündigte sie einen Clavierauszug nach der Originalpartitur von Wenzel auf Pränumeration an, der im November 1795 erscheinen sollte, aber erst 1797 zu Stande kam, worauf sich aber niemand meldete. Und somit brachte ihr diese Ausgabe Nichts ein.36

Grundsätzlich war Constanze Mozart interessiert, Drucke zu fördern, wie sich aus den einzelnen Initiativen erkennen lässt. Die ersten Unternehmungen dazu blieben Einzelinitiativen, die nicht von Erfolg gekrönt waren. Es lässt sich daher eine besondere Diskrepanz der Publikationsdichte zu Lebzeiten und etwa zehn Jahre nach seinem Tod feststellen, als er zum meistgedruckten Komponisten seiner Zeit avancierte. Bis 1805 waren 374 Werke erstmalig erschienen, d. h. nochmal 243 Drucke nach seinem Tod.37 Dies war eine unmittelbare Folge von Constanze Mozarts Aktivitäten. Am 15. Mai 1798 trat nun Breitkopf & Härtel auf Constanze Mozart zu und bat sie um Kooperation für eine Gesamtausgabe der Werke Wolfgang Amadé Mozarts. Der Verlag konnte auf eine lange Tradition zurückblicken: Er war 1719 in Leipzig als Buchverlag von Bernhard Christoph Breitkopf gegründet worden, seit 1756 wurden auch Noten gedruckt und vertrieben. Sein Sohn Johann Gottlob Immanuel Breitkopf (1719–1794) leitete und etablierte den Musikalienhandel. Bald hatte Breitkopf & Härtel als Musikverlag überregional einen Namen. Auch die Größe der Druckerei spiegelte dies wider: Ende des 18. Jahrhunderts wurden 20 Notenpressen eingesetzt und ca. 80 Mitarbeiter beschäftigt. Der Verlag besaß ein dichtes und gut funktionierendes Netz aus 35 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 273f. 36 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 579. 37 Vgl. Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart, S. 13.

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Komissionären und Komponisten, die die Noten jeweils vor Ort vertrieben. Johann Gottlob Immanuel Breitkopf verlegte Werke der Bach-Söhne, der Brüder Graun, von Carl Ditters von Dittersdorf, Johann Adolph Hasse, Joseph Haydn, Leopold Mozart und Carl Stamitz. Breitkopfs Sohn wiederum, Christoph Gottlob Breitkopf (1750–1800), reiste 1786 nach Wien, um dort mit Christoph Willibald Gluck, Joseph Haydn und Wolfgang Amadé Mozart zu verhandeln. Ihn hatte Constanze Mozart auch während ihres Aufenthalts in Leipzig 1795 getroffen. 1794 übernahm er die Leitung des Verlags, ein Jahr später trat Gottfried Christoph Härtel (1763–1827) als Geschäftspartner hinzu. Seit 1796 führte der Verlag beide Namen und ging in den Besitz Härtels über. 38 Breitkopf & Härtel sollte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zum erfolgreichsten Musikverlag entwickeln, vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Verlag 1000 Mitarbeiter, besaß den größten Druckereisaal der Welt und war international expandiert. Die Erfolge waren bereits Ende des 18. Jahrhunderts erkennbar, das Renommé des Verlags war weit verbreitet. Der Verlag leitete daraus deutlich ein unternehmerisches Selbstbewusstsein gegenüber den Komponisten ab, wie auch in den Verhandlungen mit Constanze Mozart zu zeigen sein wird. Die Anzahl der Verlage im deutschsprachigen Gebiet war bis 1800 überschaubar und räumlich breit gestreut. So existierten Schott in Mainz (seit 1779), Simrock in Bonn (seit 1793), André in Offenbach (seit 1774) im Westen; Günther & Böhme in Hamburg (seit 1795) bedienten den nordwestdeutschen Raum. In Mitteldeutschland gab es neben Breitkopf & Härtel das Magasin de Musique von Johann Peter Spehr in Braunschweig (seit 1791) sowie Hummel (seit 1770) und Rellstab (seit 1784) in Berlin. Die große Nachfrage nach Musikalien führte um 1800 zu zahlreichen neuen Verlagsgründungen. Ganz konkret erwuchs Breitkopf & Härtel neue Konkurrenz direkt vor Ort: Am 1. Januar 1800 wurde in Leipzig von Franz Anton Hoffmeister und Ambrosius Kühnel das Bureau de Musique eröffnet.39 Aus diesem Grund kam es zu Spezialisierungen und Profilbildungen in den Verlagen. Es galt, Strategien zu entwickeln, um auf die Konkurrenz zu reagieren: Die Vorlieben des Publikums zu erforschen und dieses gezielt zu bedienen, namhafte Komponisten an sich zu binden, nur bestimmte Gattungen zu führen, und vor allem eine beispielhafte Qualität der Notenausgaben zu garantieren.40

38 Vgl. Frank Reinisch: Art. »Breitkopf & Härtel«, in: MGG2P3 (2000), Sp. 814–827. Zur Verlagsgeschichte vgl. auch Nicole Kämpken/Michael Ladenburger (Hg.): Beethoven und die Leipziger Musikverleger Breitkopf & Härtel. ›Ich gebe Ihrer Handlung den Vorzug vor allen andern‹, Bonn/Stuttgart 2007. 39 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 47f. 40 Vgl. ebd., S. 257.

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Gottfried Christoph Härtel erwies sich hier als geschickt und weitsichtig. Er spezialisierte sich dazu mit dem Konzept der Œuvres complettes. 1798 begannen die Verhandlungen mit Constanze Mozart, welches die erste Initiative zu einer Gesamtausgabe eines Verlags überhaupt sein sollte. Härtel überlegte sich neben dem Musikalienhandel weitere Strategien, um ein musikinteressiertes Publikum an seinen Verlag zu binden. Er gründete 1798 die Allgemeine Musikalischen Zeitung als musikalisches Fachblatt des Verlags, das von Friedrich Rochlitz bis 1818 betreut wurde. 41 Im Zuge der steigenden Nachfrage nach Musikalien ist insgesamt auch ein erhöhter Informationsbedarf über die Neuerscheinungen zu beobachten, worauf die Verlage mit gezielten Anzeigenschaltungen reagierten.42 In der Allgemeinen Musikalischen Zeitung war auch jeweils ein »Intelligenzblatt« enthalten, das diesem Bedürfnis nachkam und über die Neuerscheinungen im Verlag informierte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Allgemeine Musikalische Zeitung als Fachblatt nur bestimmte Käuferkreise informierte. Ein breiteres Publikum wurde über diverse Tageszeitungen erreicht, dabei auch in Hamburg (Staats- und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondeten), Berlin (Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen) und Wien (Wiener Zeitung) sowie über das überregional verbreitete und in hohen Auflagen gedruckte Journal des Luxus und der Moden, in dem auch Constanze Mozart inserierte. Breitkopf & Härtel streute seine Informationen aktiv, also oftmals wiederholt, und breit, d. h. überregional; sie gehörten mit der offensiven Anzeigenpolitik zu den »aktivsten Inserenten«43 unter den Verlagen, womit sich auch aus dieser Perspektive die Dominanz dieses Verlags auf dem Markt feststellen lässt. Aus der Perspektive Breitkopf & Härtels war die Gesamtausgabe von ökonomischem Kalkül geleitet. Es wird sich weiter zeigen, dass der Verlag mit der Anfrage zur Gesamtausgabe nicht den Plan hatte, grundsätzlich alle Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts zu veröffentlichen. Er war vor allem an vorher noch nicht publizierten Werken interessiert. Denn Autographe verloren nach der ersten Drucklegung erheblich an Wert. Dies lag in der Praxis des Nachdrucks begründet. Ein Verlag konnte sich zwar ein sogenanntes Privileg sichern, dies schützte die Noten allerdings nicht vor massenhaftem Nachdruck durch andere Verlage, vor allem in anderen Hoheitsgebieten. Nachdrucke waren billiger, da das Honorar für den Komponisten nicht mit einkalkuliert 41 Vgl. Andreas Sopart: »Breitkopf & Härtel als Verleger der Leipziger Allgemeinen Musikalischen Zeitung«, in: Kämpken/Ladenburger (Hg.): Beethoven und die Leipziger Musikverleger Breitkopf & Härtel, S. 132–148. 42 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 117ff. 43 Vgl. ebd., S. 308; vgl. auch S. 314.

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werden musste.44 Auch wenn die Nachdrucke meist fehlerhaft waren, bildeten sie doch eine starke Konkurrenz auf dem Markt für den Verlag, der die Komposition rechtmäßig vom Komponisten gekauft hatte. Mit einem Erstdruck konnte er den Verkauf einigermaßen kanalisieren. Dies erklärt eventuell auch das nachlassende Interesse Breitkopf & Härtels im Verlauf der Verhandlungen mit Constanze Mozart, als sich der Bestand an unbekannten Kompositionen langsam erschöpfte. Der Erstdruck wurde mit dem Verweis auf das Autograph legitimiert. Dabei muss berücksichtigt werden, dass die Urheberrechtsbestrebungen der Autoren teilweise von den Verlagen mitgetragen wurden, da sie selbst eine einheitliche Regelung wünschten, die die Konkurrenz im Ringen um Autoren eindeutig festlegte und damit Nachdrucke eindämmte. Es handelte sich bei den Œuvres complettes damit weniger um eine vollständig angelegte Gesamtausgabe, sondern im engeren Sinne um eine Werkausgabe, d. h. die sukzessive autorisierte Herausgabe von Werken eines Komponisten.45 Daher war es für den Verlag von Bedeutung zu betonen, dass die Werke rechtmäßig vom Eigentümer erworben wurden, denn er musste nachweisen, dass er das Druckprivileg besaß und damit das Interesse hatte, »qualitativ unanfechtbares Musiziergut« herauszugeben.46 Stellvertretend konnte die Witwe die Autographe autorisieren und damit für Qualitität bürgen. So bat Breitkopf & Härtel, Constanze Mozarts Namen anzeigen zu dürfen, um die Autorschaft auch öffentlich zu bezeugen, was sie dem Verlag erlaubte: Ich erlaube Ihnen selbst sogleich durch den druk, wo Sie wollen, bekannt zu machen, daß Sie mit mir in Verbindung sind, und daß Sie dieses mit meiner Einwilligung bekannt machen, und ich hoffe, und wünsche, oder vielmehr ich sehe es ein, daß es Ihnen unendlich vortheilhaft seyn wird. Sie dürfen auch zugleich erklären, daß ich Ihnen selbst von bekannten Sachen die Originalpartituren mittheile.47

Ein weiteres Beispiel sei an dieser Stelle angeführt, bei dem sich nämlich die Frage nach Echtheit besonders stellte, und zwar bei den Liedern. Um die Qualität ihrer Ausgabe hervorzuheben und die anderen damit als unecht zu erklären, druckte Breitkopf & Härtel im fünften Heft ein Vorwort: Wir glauben es dem Publikum und uns selbst schuldig zu seyn, gegenwärtigem fünften Hefte der Werke Mozarts einige kurze Notizen vorangehn zu lassen. Vorerst bemerken wir, dass die Gesangstücke, welche wir hier liefern, zum allergrössten Theile neu und – was die Hauptsache ist – sämmtlich gewiss von Mozarts Komposition sind. Vom ersten wird sich jeder, der die unter Mozarts Namen bisher 44 45 46 47

Vgl. ebd., S. 284. Vgl. den Abschnitt »Gesamtausgaben« in Kapitel 1.1.2. Ebd., S. 258. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 2.3.1799, in: B/D IV, S. 231.

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erschienenen Lieder kennt, leicht überzeugen; das leztere glauben wir deshalb verbürgen zu können, weil wir schlechterdings keine Stükke hier aufgenommen haben, deren Aechtheit nicht durch Mozarts eigne unverkennbare Handschrift, und durch das von ihm selbst geführte sehr vollständige Verzeichnis seiner Kompositionen, oder dadurch ausser Zweifel gesezt ist, dass wir sie im Manuscript von der Wittwe Mozart als ächt erhalten haben. Zu näherer Bestätigung dessen, verweisen wir hier auf die dem Inhaltsverzeichnisse dieses Heftes beigefügten Anmerkungen, in welchen wir die nach Mozarts Original-Manuscript abgedruckten Lieder mit MM. und die von Mozarts Witwe uns in Manuscript mitgetheilten, mit MW. und die Zeit, wenn sie, nach Mozarts Verzeichnis, componirt sind, dabei angemerkt haben. Was den vielleicht ungleichen Gehalt dieser Lieder betrifft, so wird man, ohne unser Erinnern, allerdings darauf Rücksicht nehmen, dass wahrscheinlich manche derselben von Mozart selbst nicht zur öffentlichen Herausgabe bestimmt, sondern Gelegenheits- und Gefälligkeitsstücke waren, deren doch aber wohl keines den grossen Mann verunehrt, und so manches den Stempel seines hohen Geistes und zarten Gefühls unverkennbar an sich trägt. Alle unter Mozarts Namen bisher herausgekommene und in dieser Sammlung nicht aufgenommene Lieder, sind, bis auf ein einziges: Wer unter eines Mädchens Hand etc. unächt. Auch Mozarts Witwe kennt und erkennt sie nicht als Mozarts Arbeit. Da er ihr sonst immer seine Arbeiten zu singen und zu spielen gab, so lässt es sich nicht denken, dass er sie auch nicht mit Einem derselben hätte bekannt machen sollen. Auch sind sie nicht in Mozarts eignem Verzeichnisse aufgeführt.48

Hier zeigt sich, dass Breitkopf & Härtel unterschiedliche Mittel anführte, um die Echtheit der Lieder zu beweisen: Einerseits die Handschrift Wolfgang Amadé Mozarts, dann sein eigens angelegtes Verzeichnis, und dann die Auskünfte der Witwe. Es folgen dabei zwei unterschiedliche Markierungen, die die Herkunft der Quelle beschreiben, MM. (wahrscheinlich Sigel für »Manuskript Mozarts«) oder MW. (Sigel für »Mitteilung der Witwe«). Der Blick in das Inhaltsverzeichnis dieses Heftes zeigt auch, wie diese Markierungen gemeint sind: Enthält ein Lied den Zusatz »MM.« und »MW.«, dann handelt es sich um einen Abdruck nach Vorlag des Originals, die der Verlag von Constanze Mozart erhalten hat. Wenn einem Lied lediglich mit »MW.« gekennzeichnet ist, dann hat Constanze Mozart die Echtheit des Liedes bestätigt, es lag dem Verlag jedoch kein Original davon vor. Einige Lieder enthalten keine Markierung, d. h. Breitkopf & Härtel war bereit, das Risiko einzugehen, dass ein Lied womöglich nicht von Wolfgang Amadé Mozart stammte. Interessanterweise taten sie dies, und erklärten gleichzeitig alle anderen Lieddrucke als unecht, wofür auch wieder die Bestätigung Constanze Mozarts angeführt wurde. Somit war Constanze Mozarts Rolle für den Verlag von Bedeutung. Ihr wurde dies zunehmend bewusst: Sie konnte Autorschaft und Authentizität 48 Vorwort zu Heft 5: »Trente Airs et Chansons pour le Pianoforte« der Œuvres complettes Wolfgang Amadé Mozarts, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1799].

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stellvertretend für den Komponisten bezeugen. In späteren Briefen formulierte sie dies auch als Anspruch. Gerade in der Bezeichnung der Autographe als »Originalpartituren« war sie sehr penibel. So bat sie später Johann Anton André, in Zeitungsannoncen für die Noten die Bezeichnung »authentischer Werke im Originalmanuscript« zu verwenden, anstatt die Herausgabe »authentischer Mozartscher Originalmanuscripte« anzukündigen, »denn freilich sind Originalmanuscripte correct und authentisch«49. Auch in einem anderen Brief betonte sie diesen feinen Unterschied; André sollte »Originalmanuskript« statt nur »nach Manuskript« ankündigen, es sollte also kein Zweifel an der Autorschaft bestehen.50 Was hier wie Wortklauberei anmutet, war für Constanze Mozart allerdings von großer Bedeutung, denn von der Qualität der Drucke hing ihre eigene Glaubwürdigkeit unmittelbar ab. Daher brachte sie sich selbst aktiv in den Prozess ein, die Echtheit von Werken zu bestimmen. So warnte sie die Verlage, als sich in einzelnen Fällen herausstellte, dass eingereichte Kompositionen doch nicht von Wolfgang Amadé Mozart stammten: »Das lezte Stük in dem mir mitgetheilten Verzeichnisse des Inhalts Ihres 6ten Hefts: Andantino, Thema (von Dittersdorf ) ist eben so wenig von Mozart, wiewohl es unter seinem Namen passirt hat, als: Zum Steffan sprach im Traume, welches von H. Eberle ist. In beyden diesen Stükken sind Compositionsfehler.«51 In diesem Fall ergab es sich allerdings, dass Breitkopf & Härtel Constanze Mozarts Einschätzung nicht ernst nahm, denn das Andantino wurde trotzdem als Komposition Wolfgang Amadé Mozarts gedruckt, obwohl es nicht von ihm stammte.52 Falls der Verlag selbst erkannte, dass von ihr eingesandte Kompositionen doch nicht von Wolfgang Amadé Mozart waren, erklärte sie sich auch bereit, dem Verlag das Honorar zu erstatten. So war Constanze Mozart z. B. im Falle von sechs Klaviersonaten nachträglich unsicher bezüglich der Echtheit, als der Verlag seine Zweifel geäußert hatte und die Sonaten sogar für »unwürdig Mozarts« hielt. Constanze Mozart bat daraufhin den Verlag: »Aus Achtung für ihn [W.A. Mozart] wäre es also mir wünschenswerth, daß sie nicht unter seinem Namen herauskommen.«53 Sie gab Breitkopf & Härtel die Erlaubnis, die Sonaten weiter zu prüfen und diese im Falle der bestätigten Echtheit auf eigene Verantwortung herauszugeben. Sie betonte allerdings auch, dass sie aus Rücksicht auf den potenziell anderen Verfasser im Falle der Sonaten nicht für

49 50 51 52 53

Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 13.3.1800, in: B/D IV S. 338. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 4.10.1800, in: B/D IV, S. 375. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.11.1799, in: B/D IV, S. 289. Vgl. B/D VI, S. 503. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 16.11.1800, in: B/D IV, S. 382f.

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Authentitzität bürgen könnte, d. h. sie scheute Ansprüche durch andere, die durch sie verletzt werden könnten. Diese Sorge erwähnte sie auch später in ihren Verhandlungen mit Johann Anton André. So wies sie Johann Anton André an, immer auf den Titel zu schreiben, dass es sich um ein Originalmanuskript handelte, jedoch bei Zweifeln vorsichtig zu sein und keinen Druck von einer Kopie anfertigen zu lassen: Nehmen Sie Sich aber vor allem Irthum ja in Acht, das heist: lassen Sie ja niemals aus einem Irthum drukken, daß ein Stük nach dem Originalmanuscript herausgegeben wird, was Sie nur in Kopie haben: ein solches Versehen wäre Ihnen unersezbar präjudizirlich, denn wer dieses einzelne Original hätte, würde ohne Zweifel öffentlich protestieren.54

Constanze Mozart differenzierte sehr genau zwischen dem Besitz der Autographe und dem Recht auf Herausgabe. Aus dem Eigentum leitete sich für sie das Recht auf Herausgabe ab, über welches sie zu entscheiden hatte. Breitkopf & Härtel erkaufte von ihr das Recht auf Herausgabe, die Originale blieben jedoch in ihrem Besitz, indem sie sie zurückforderte. In ihren Verhandlungen mit André war es umgekehrt: Hier kaufte der Verlag nur die Autographe. André hatte damit aber nicht automatisch das Recht an allen Werken, die Constanze Mozart zuvor an Breitkopf & Härtel geschickt hatte: Zu der herausgabe der wenigen Sachen, die Breitkopf von mir hat, habe ich Ihnen freilich kein Recht verkauft: die Originalien gehören aber Ihnen: da Breitkopf sie nicht herausgiebt, als bis er sie gebraucht hat, so kann dadurch ihnen kein Eintrag in sein erworbenes Recht geschehen, und von dieser Seite fällt gar aller Zank, worin ich verwikkelt bin, weg. Ich wünsche aber herzlich, daß Sie auch nichts davon herausgäben, damit auch Sie keinen Streit über Mozartische Sachen hätten. Sie verlören dabey nichts von einigem belang, als das oder höchstens die zwey Clavierconcerte.55

Constanze Mozart bat ihn hier ausdrücklich, die bereits gedruckten Werke nicht herauszugeben, da er damit Breitkopf & Härtels Rechte verletzen würde. So erklärt sich, dass sich André später auf Erstausgaben spezialisierte und keine neue Gesamtausgabe herausgab. Es stützt auch die These, dass er vom kulturellen Wert des Nachlasses überzeugt gewesen sein muss, denn damit hatte er eben auch Werke erworben, die ihm finanziell nichts einbringen würden. Im Laufe der Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel kristallisierten sich stetig Interessen Constanze Mozarts heraus. Diese gingen über qualititativ 54 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, Anfang 1802, in: B/D IV, S. 411. 55 Ebd., S. 412.

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hochwertige Einzelausgaben hinaus. Es lässt sich beobachten, dass sie vor allem versuchte, den Nachlass als Ganzes abzugeben. Damit wollte sie erstens alle ungedruckten Werke veröffentlichen lassen, und zweitens auch die bereits gedruckten in die Gesamtausgabe aufnehmen. Auch die Fragmente sollten gedruckt werden. Weiterhin bemühte sie sich, einen Katalog erstellen zu lassen, der zu Beginn sicherlich dazu diente, ihr eine bessere Ausgangsposition in den Verhandlungen zu verschaffen, aber später zum Selbstzweck wurde und von Johann Anton André als Werkverzeichnis fortgesetzt wurde. Diese Interessen seien im folgenden skizziert, bevor gezeigt wird, dass Breitkopf & Härtel nur bedingt darauf einging und Constanze Mozart daraus ihre Konsequenzen zog. Constanze Mozart unterstützte die Œuvres complettes mit der Einsendung der in ihrem Besitz befindlichen Autographe. Sie war sich bewusst, dass die noch nicht erschienenen Werke ihr mehr einbringen würden als die bereits gedruckten, da der Verlag daran mehr Interesse hatte und diese besser verkaufen konnte. Nach etwa einem halben Jahr versuchte sie Breitkopf & Härtel gegenüber zu argumentieren, durch die Auswertung ihrer Autographe könnte auch der Wert der bereits im Vorfeld herausgegebenen Werke, die also in der Gesamtausgabe wiederholt erscheinen sollen, gesteigert werden: Von solchen Sachen, die recht bekannt sind, bin ich erbötig, Ihnen die Originalpartituren, die ich habe, zu leihen, wenn Sie die Kosten beyderseitigen Versendungen tragen wollen, und mir dafür eine selbstbeliebige Vergütung machen. Nur auf diese Art können Sie, dünkt mich, der äussersten Correktheit Ihrer Ausgabe gewiß sein. 56

Etwas später wies sie nochmals darauf hin, dass der Verlag auch an bereits gedruckten Werken interessiert sein sollte: Was thut das, ob Sie gestochen waren oder nicht? wenn Sie sie correct herausgeben wollen, wie können Sie dessen sicher seyn, wenn Sie nicht die Originalpartitur gesehen haben? Und was würden Sie an meiner Stelle denken, wenn ich, an Ihrer, nur einige Sachen, der Correctheit wegen leihen wollte. Ueberlegen Sie dieses, wenn ich bitten darf.57

Wenn sich im Verlag herausstellte, dass eine Komposition Wolfgang Amadé Mozarts schon gedruckt war, erhielt Constanze Mozart diese zurück, meist sogar kommentarlos.58 Dazu bezog sie Stellung und gab den Rat, alte und neue Kompositionen zu mischen, denn zuerst nur die neuen herauszugeben und die bereits gedruckten am Schluss wäre dem Absatz nicht förderlich:

56 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.2.1799, in: B/D IV, S. 226. 57 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.5.1799, in: B/D IV, S. 243. 58 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 245.

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Nur scheint mir, daß Sie zu vielen Werth auf die bloße Neuheit sezen. Ihre Sammlung soll vollständig seyn, also darf ja darin das Neuere mit dem bekanntern wohl abwechseln. das erstere unterhält zwar die begierde des Publicums an sich mehr; aber wer nun eine vollständige Sammlung in einer Ausgabe haben will (und deren waren ja vor geraumer Zeit über 4000 […]) muß ja auch das bekanntere gerne nehmen. Wollten Sie hingegen mit dem bekanntern allein endigen, so würden liebhaber von andrem Geschmak Ihnen die spätern Hefte nicht abnehmen.59

Hier plädierte sie für eine Vollständigkeit der Ausgabe. Im September 1799 sprach sie die Idee erstmalig offen aus, dass sie interessiert sei, Breitkopf & Härtel alle Autographe zu verkaufen. Damit brachte sie neben der Vollständigkeit ein weiteres Argument ins Spiel: Nämlich den Eigenwert der Autographe. Sie meinte, Breitkopf & Härtel könnte diese für ein vielfaches »in England oder sonst an bibliotheken (denn warum sollten musikalische Manuscripte weniger gesucht werden als andere?) mit großem Vortheil absezen […].«60 Constanze Mozart war damit von dem dauerhaften Wert der Autographe überzeugt, der sich nicht durch den Druck erschöpfte. Interessant ist auch, dass sie als potenzielle Interessenten nicht Individuen, sondern Institutionen nennt. Constanze Mozart wies darauf hin, dass »musikalische Manuscripte« den gleichen Wert hätten wie literarische. Dies ist in ihrer Zeit ein äußerst innovativer Gedanke. Den Vergleich mit Schriftstellern brachte sie auch in Bezug auf die Fragmente Wolfgang Amadé Mozarts an: »Gibt man denn nicht Fragmente, auch noch so klein, wie z.b. von Lessing, von berühmten Schriftstellern heraus? Ich würde an Ihrer Stelle bey dem Schlusse eines jeden Fachs solche bruchstükke einrükken.«61 Constanze Mozart beobachtete damit das Potenzial des Konzepts von Werk und Autorschaft, wie es in der Literatur bereits umgesetzt wurde, und argumentierte, dass dies auch auf die Musik zutreffen würde. Dabei hat die Vorstellung von Fragment im Werkkonzept eine besondere Relevanz, denn es bestätigt quasi ›ex negativo‹ das Ideal der Vollständigkeit und Geschlossenheit des Werks. Außerdem galt Musik damit selbst in seiner Unvollständigkeit als Bruchstück einer Idee, und das musikalische Fragment als »Keimzelle« von (letztlich nicht realisierten) Kompositionen. Darauf rekurrierte auch Fredrik Samuel Silverstolpe, als er den Zustand des Nachlasses beschrieb und seinen Blick auf die Skizzen Wolfgang Amadé Mozarts: Die erste Seite enthielt den Entwurf der Instrumente und des Themas: danach gab es eine Lücke einer Zahl von Takten, bis zu einem Akkord, der eine ungewöhnliche Modulation anzeigte, einen Geistesblitz, und großer erstaunlicher Effekt durch das 59 Ebd., S. 250. 60 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 29.9.1799, in: B/D IV, S. 273. 61 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 250f.

Constanze Mozarts Interessen in den Verlagsverhandlungen

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gesamte Orchester, und hier und da einige Noten für ein Solo. Der gesamte Rest blieb ein Geheimnis, eingeschlossen im Kopf des Autors und der Welt geraubt durch seinen Tod.62

Silverstolpe verwendete hier ausdrücklich den Begriff »Autor«. Dies tat auch Constanze Mozart, und in folgendem Zitat wird ebenfalls deutlich, dass dem Fragment vor allem auch dadurch Bedeutung zugesprochen wurde, weil es lediglich den genialen Einfall festhält und damit als Kondensat von Genialität gelten kann. Constanze Mozart nannte das Fragment daher auch »Monument seines unerschöpflichen Geistes« und damit auch seine erinnerungskulturelle Bedeutung: Nachricht von Mozarts hinterlassenen Fragmenten, mitgetheilt von seiner Witwe. Fragmente von classischen Autoren, sie mögen von was immer für einer Gattung seyn, sind schäzbar. Unter den musicalischen verdienen gewiß die des Mozarts alle Achtung und Bewunderung. hätte auch dieser Meister der Tonkunst nicht so viele vollendeten werke in jedem ihrer Fächer (über deren Anzahl, wenn sie einmal beysammen sind, man erstaunen wird, wenn man bedenkt, daß er nicht 36. Jahr alt ward) geliefert, so würden diese herlichen Ueberbleibsel allein ein hinlängliches Monument seines unerschöpflichen Geistes seyn.63

Diese »Nachricht« ist der Entwurf zu einer Anzeige über die Fragmente, die Breitkopf & Härtel in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung veröffentlichen sollte. Diese Anzeige sollte daher zunächst lediglich die Existenz von Fragmenten öffentlich erwähnen. Gegenüber Breitkopf & Härtel sprach sie nicht von deren Veröffentlichung. Der nächste Schritt war zuerst die Katalogisierung. Constanze Mozart erstellte dafür ein Verzeichnis der Fragmente und schlug vor, dass diese den Gattungen gemäß in das Werkverzeichnis einsortiert werden sollten: »So wie man in Lebensbeschreibungen von Schriftstellern auch ihre hinterlassenen Fragmente erwähnt, so können vielleicht am Ende der meines Mannes einige von seinen vielen angefangenen und angelegten Compositionen thematisch angezeigt werden […].«64 Später betonte sie gegenüber Johann Anton André, dass die Fragmente noch in ihrem Besitz seien und sie diese sorgfältig verwahre: 62 Orig.: »La première page contenoit l’annonce des instrumens et le thème: ensuite il y avoit des lacunes d’un nombre de mesures, jusqu’à un accord qui indiquoit une modulation plus frappante, un trait de lumière, un grand coup d’effet frappé par tout l’orchestre, et par-ci par-l’à quelques notes d’un solo. Tout le reste étoit un mystère, enseveli dans la tête de l’auteur et dérobé au monde par sa mort.« Silverstolpe Memoiren Nr. 33, S. 64, S Uu. 63 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 1.3.1800, in: B/D IV, S. 324. 64 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 29.9.1799, in: B/D IV, S. 272.

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Als Sie diese 15. Pakken von mir kauften, sahen Sie noch eine Menge Fragmente und angelegte Sachen, von denen ich erklärte, daß ich sie nicht hergäbe. […] Ich verwahre sie sorgfältig, und wenn mein Sohn sie nicht etwa einmal benuzt, so werden sie gewiß niemals benuzt, es sey dann daß Jemand sie, so wie sie sind, curiositatis gratia, in einer Samlung herausgäbe. Alsdann könnte Niemand je durch sie mit fremden Federn prangen, und dem Mozart bliebe, was Mozarts ist.65

Sie hatte die Fragmente also nicht als Bestandteil der restlichen Autographe an André verkauft und war zögerlich bei der Herausgabe, weil sie zunächst befürchtete, die Fragmente könnten von anderen Komponisten verwendet und daher missbraucht werden. Dem wollte sie vorbeugen, und ließ hier allerdings schon anklingen, dass sie sich eine Veröffentlichung durch André vorstellen könnte. Hier zeigt sich Constanze Mozarts Rekurs auf das Konzept von Autorschaft: Missbrauch gilt als Plagiat, als gestohlenes geistiges Eigentum. Den Gedanken der Herausgabe der Fragmente verfolgte sie von da an weiter. Interessanterweise kam sie darüber auch noch einmal mit Breitkopf & Härtel ins Gespräch und bot dem Verlag die Fragmente zum Preis von 100 Dukaten an, unter der Bedingung, dass er ihr geschlossen alle Fragmente abkaufte und auch veröffentlichte, d. h. unter der Bedingung »daß sie, so wie sie sind oder jedes gröstentheils, aber sämtlich, im Druk herauskommen. Dann kann Jeder sie benuzen, und Niemand sie misbrauchen.«66 Die Aussagen Constanze Mozarts zeigen, dass selbst kleinste musikalische Gedanken ihr als geistiges Eigentum des Verfassers galten. Durch den Druck würden die Fragmente quasi vor Diebstahl geschützt: Ich habe aber noch immer große Lust, sie zur Gemeinnüzigkeit als Fragmente herauszugeben oder herausgeben zu lassen. bey meinem Tode oder durch andre Zufälle könnten sie leicht in fremde Hände kommen und gemisbraucht werden: dem würde durch den Druk sicher vorgebeugt.67

Die Fragmente wären damit durch den Druck als Gedanken Wolfgang Amadé Mozarts gekennzeichnet und ein ›Missbrauch‹ eher nachweisbar, als wenn sie, wie Constanze Mozart betonte, nach ihrem Tod in falsche Hände gerieten und die Autorschaft Wolfgang Amadé Mozarts damit nicht gesichert war. Georg Nikolaus Nissen und Abbé Maximilian Stadler verfassten einen Katalog, um Übersicht zu gewinnen, welche Werke schon gedruckt waren und damit eine gute Ausgangsposition für die Verlagsverhandlungen zu haben. Als Basis diente das von 1784 an geführte Verzeichnis Wolfgang Amadé Mozarts, 65 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 353. 66 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 21.7.1800, in: B/D IV, S. 361. 67 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 10.9.1800, in: B/D IV, S. 368f.

Constanze Mozarts Interessen in den Verlagsverhandlungen

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womit die Angaben Breitkopf & Härtels abgeglichen wurden, wie Constanze Mozart betonte: »das vollständige thematische Verzeichniß von der Hand meines Mannes selbst vom Febr. 1784. an wird in der Folge zeigen, in welchem Grade Sie Recht hatten. Es enthält bis 15. Nov. 1791. 144 Numern […]«68 Obwohl Breitkopf & Härtel mehrfach um die Zusendung dieses Katalogs bat, hielt sie ihn zurück, denn sie wusste, dass sie damit die Kontrolle abgab. Sie hätte sich dann vollständig auf Breitkopf & Härtels Aussage verlassen müssen, welche Werke schon gedruckt wären. Als es mit Johann Anton André zum Vertrag kam, erklärte sich Constanze Mozart bereit, dieses Verzeichnis einzusenden, damit es in der von Breitkopf & Härtel geplanten Biographie gedruckt werden könnte, die sie weiterhin unterstützte.69 Über den Katalog war im Kontrakt mit Johann Anton André keine Vereinbarung getroffen worden. Dennoch konnte Constanze Mozart diesen guten Gewissens an ihn abgeben, denn da durch den Kontrakt die Finanzen eindeutig geregelt waren, brauchte Constanze Mozart den Katalog nicht mehr für ihre Verhandlungsstrategien. Johann Anton André setzte die Katalogisierung daraufhin fort. Er plante daraufhin sogar, das Verzeichnis zeitnah zu veröffentlichen und schaltete dafür eine Anzeige. Daraufhin fragte Constanze Mozart noch einmal nach, ob damit ein Verzeichnis aller Kompositionen gemeint wäre oder eine Übersicht über die erworbenen Autographe, die er von Constanze Mozart erworben hatte. Sie argumentierte für einen vollständigen Katalog: »Nach Ihren briefen an mich soll es aber das Verzeichniß aller Ihnen bekannten Sachen seyn. dies ist mir auch lieber und überhaupt für das Publicum interessanter.«70 Sie schlug daraufhin vor, André sollte das Verzeichnis als erstes Heft herausgeben und gab auch Anregungen bezüglich der Form: Bei jedem Werk sollte das Entstehungsdatum ergänzt werden, und die Werke sollten chronologisch gerordnet sein. Dafür wurde auch eine Zählung in OpusNummern entwickelt.71 Auch die Fragmente sollten in dieses Verzeichnis aufgenommen werden. In diesem Zusammenhang betonte Constanze Mozart den Mehrwert eines thematischen Verzeichnisses, d. h. eines solchen, in dem die Anfangstakte, sogenannte Incipits, der Werke angeführt waren.72 Erst damit war ein Werk deutlich zu identifizieren. Es wären auch noch Fragmente in dem Verzeichnis anzuführen, die später vollendet wurden, die sie selbst nicht notiert hätte und nun in Andrés Besitz wären, d. h. sie gab die Verantwortung der Katalogisie68 69 70 71 72

Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.5.1799, in: B/D IV, S. 238. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.2.1800, in: B/D IV, S. 316. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 4.10.1800, in: B/D IV, S. 373f. Vgl. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 22.3.1801, in: B/D IV, S. 403. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 4.10.1800, in: B/D IV, S. 375.

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rung an Johann Anton André ab mit dem Hinweis, nur er hätte die Übersicht und könnte das Verzeichnis vollständig herausgeben.73 Dennoch mischte sie sich ein, wie das thematische Verzeichnis zu strukturieren sei und welche Gattungsbegriffe er benutzen solle, z. B. was unter »Serenaden« zu verstehen wäre und dass sich der Begriff »musicalische Spassereyen« nicht als Gattungsbezeichnung eignete.74 Offenbar musste sie eine Weile Überzeugungsarbeit leisten, denn sie wiederholte mehrmals, welchen Wert das Verzeichnis und die Aufnahme der Fragmente hätte.75 Dieses Verzeichnis erschien 1805 als Druckausgabe bei André, jedoch nicht öffentlich, so dass es auch, trotz Nissens wiederholter Nachfrage, nicht in die Biographie von 1828 aufgenommen wurde. Was Constanze Mozart hier erkennen lässt, kann man als quellenkritisches Bewusstsein bezeichnen. Die Echtheitsbezeugung von Werken, die Datierung, die Prüfung von Textfassungen inklusive Fragmenten und Skizzen sind Ansätze einer philologischen Textkritik, die bereits um 1800 zwar noch nicht im Umgang mit Musik, dennoch im Umgang mit Literatur etabliert war. Wichtige Grundlagen formulierte der Altphilologie Friedrich Ast 1808 in der Schrift Grundlinien der Grammatik, Hermeneutik und Kritik.76 An dessen Thesen knüpfte Friedrich Schleiermacher an und definierte 1838 die Textkritik als »Forschung […] über Alter, Echtheit und Richtigkeit der Schriften«77. Die Echtheitsbestimmung gilt dabei bis heute als Kern der philologischen Methode: Quellenkritik […] bedeutet im musikphilologischen wie im allgemein historischen Sinne die Bestimmung des urkundlichen Wertes, d. h. die Prüfung der formalen Beglaubigung und der inneren Glaubwürdigkeit einer Handschrift oder eines Drucks. Da die Beglaubigung von der Beziehung des Überlieferers zu dem Komponisten und die Glaubwürdigkeit von der Person des Überliefers abhängt, besteht die diplomatische Kritik hauptsächlich in der Herkunftskritik.78

Die Zukunft einer institutionalisierten Musikphilologie war zur Zeit Constanze Mozarts noch lange nicht erkennbar. Dennoch war bereits für sie die 73 74 75 76 77

Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 16.11.1800, in: B/D VI, S. 385. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 29.11.1800, in: B/D IV, S. 391f. Vgl. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 26.1.1801, in: B/D IV, S. 394. Landshut 1808. Friedrich Schleiermacher: Hermeneutik und Kritik: Mit besonderer Beziehung auf das Neue Testament, Berlin 1838, zitiert nach Georg Feder: Musikphilologie. Eine Einführung in die musikalische Textkritik, Hermeneutik und Editionstechnik, Darmstadt 1987, S. 38. 78 Feder: Musikphilologie, S. 42. Zum Thema Autorisation und Authentizität als Basis zur Edition vgl. auch Norbert Oellers: »Authentizität als Editionsprinzip«, in: Walther Dürr u. a. (Hg.): Der Text im musikalischen Werk. Editionsprobleme aus musikwissenschaftlicher und literaturwissenschaftlicher Sicht, Berlin 1998 (Beihefte zur Zeitschrift für Deutsche Philologie, 8), S. 43–57.

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Echtheitsbezeugung unerlässlich für eine qualitätsvolle Editionsarbeit, die ihr offensichtlich wichtig war und die sie als Textzeugin persönlich beglaubigte.

3.3. Die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel Am 15. Mai 1798 richtete der Verlag Breitkopf & Härtel also ein Schreiben an Constanze Mozart mit der Anfrage, ob sie interessiert sei, für eine Gesamtausgabe der Werke Wolfgang Amadé Mozarts zu kooperieren. Dass damit der Verlag den ersten Schritt unternahm, war nicht ungewöhnlich, deutet aber auf ein gewisses Renommé des Komponisten, denn die Initiative des Verlags zu einer Geschäftsbeziehung ging meist vom Verlag aus, wenn ein Komponist etabliert war und gute Erfolge versprach.79 Möglicherweise hatten auch die Konzertaktivitäten Constanze Mozarts dazu beigetragen. Der Verlag begründete sein Vorgehen damit, dass die »Verehrer« ihres Mannes eine »correcte und vollständige Sammlung seiner ächten Compositionen«80 schon lange gewünscht hätten. Als weiterer Grund wurde angeführt, dass bereits ein anderer Verlag eine Gesamtausgabe angekündigt hätte, nämlich der Braunschweiger Verlag Spehr. Dieses Argument war ein taktisches, denn so konnte der Verlag das Qualitätsargument anbringen und seine Kooperation mit Constanze Mozart begründen: In Zusammenarbeit mit ihr würde die Korrektheit der Drucke garantiert, da sie nicht von fehlerhaften Nachdrucken, sondern von Originalen angefertigt werden könnten. Auch führte Breitkopf & Härtel das Argument des angemessenen Honorars an, das dem Komponisten durch die Nachdrucke vorenthalten bliebe; dieses hatte Constanze Mozart scheinbar dem Verlag selbst gegenüber geäußert: Wir glaubten um desto weniger Bedenklichkeiten dabey haben zu dürfen, da die meisten Verleger Mozartscher Compositionen, wie Sie uns selbst oft versichert haben, dieselben nicht von ihm selbst gegen ein angemessenes Honorar, sondern meist durch die dritte Hand erhalten, und mithin kein eigentlich und ausschließendes Eigenthum an diesen von ihm verlegten Compositionen haben […].81

Auffällig ist hier auch das Schlüsselwort »Eigentum« im Sinne geistigen Eigentums, woraus sich Rechte des Autors auf ein »angemessenes Honorar« ableiten würden. Breitkopf & Härtel versuchte Constanze Mozart in schmeichelhaftem Ton deutlich zu machen, dass der Verlag eigentlich in ihrem Interesse handelte. Der Verlag forderte sie in diesem Schreiben gleichzeitig auf, »uns 79 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 163ff. 80 Breitkopf & Härtel an Constanze Mozart, [Leipzig,] 15.5.1798, in: B/D IV, S. 210. 81 Ebd.

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wissen zu lassen, was für ungestochene ächte Compositionen Ihres Herrn Gemahls noch in Ihren Händen sind, und uns die nach und nach gefälligst zu übersenden.«82 Sie sollte also zunächst die noch nicht gedruckten Autographe einsenden. Der Verlag gab ihr außerdem zur Kenntnis, dass er andere Besitzer von Autographen kontaktiert hätte, um diese zu erhalten. Damit hatten Breitkopf & Härtel das Ziel, ebenfalls eine Übersicht über den Notennachlass anzulegen und traten implizit zu Constanze Mozart in Konkurrenz. Andererseits war es auch üblich, dass der Verlag ein Verzeichnis der Kompositionen anforderte, aus dem er auswählen konnte.83 Die erste Antwort Constanze Mozarts auf das Angebot Breitkopf & Härtels zeigt, dass sie über den Vorstoß nicht sehr erfreut war. Sie war sensibilisiert für die ökonomischen Interessen des Verlags, die mit der Gesamtausgabe zusammenhingen, und sich im klaren, dass sie dagegen Position beziehen musste, wenn sie ihre Interessen durchsetzen wollte. In ihrer Antwort bezog sie sich auf enttäuschte Erwartungen bezüglich der Herausgabe des Bandel-Terzetts (KV 441), worüber sie mit Breitkopf & Härtel bereits 1795 verhandelte hatte. Hier hatte sich nicht nur der Druck verzögert.84 Offenbar hatte der Verlag die Vereinbarungen mit Constanze Mozart nicht eingehalten. In ihrem Brief vom 1. September 1798 bat sie Breitkopf & Härtel um die nachträgliche Bezahlung des Manuskripts.85 Am 27. Oktober 1798 sprach sie diese Angelegenheit erneut an. Hier schilderte sie die Vereinbarungen im Detail: Breitkopf & Härtel hätte ihr das Angebot gemacht, das Bandel-Terzett zu ihrem Vorteil für sie drucken zu lassen. Constanze Mozart hatte sogar angeboten, Papier und Druck zu bezahlen für eine kleine Auflage zum eigenen Gebrauch, doch Breitkopf erwiderte laut ihrer Aussage, »ich lasse das Terzett drukken und es soll Sie gar nichts kosten«86. Sie könne den Erlös aus dem Verkauf behalten, das würde ihr Gewinn bringen. Daraufhin hatte sie nicht, wie sonst üblich, eine einmalige Summe für das Manuskript als Abschlag erhalten. Das Terzett wurde gedruckt, sie bekam einige Exemplare davon, und überließ ihm den Rest der Exemplare in Kommission, d. h. der Verlag setzte den Preis fest und sorgte für den Verkauf. Dies tat er auch, allerdings ohne ihr, wie vereinbart, die Einnahmen davon zu liefern für »ihre Exemplarien«, wie sie betonte. Also forderte sie Breitkopf & Härtel in diesem Brief vom 27. Oktober 1798 auf, ihr 100 Exemplare nachträglich zu bezahlen. Den 1794 angefertigten und mit über 3000 Exemplaren sehr erfolgreich ver82 Ebd., S. 212. 83 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 182. 84 Vgl. Constanze Mozart an Christoph Gottlob Breitkopf, Hamburg, 11.12.1795, B/D IV, S. 206f, und B/D VI, S. 449. 85 Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 1.9.1798, in: B/D IV, S. 214f. 86 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.10.1798, in: B/D IV, S. 217f.

Die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel

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kauften Klavierauszug der Zauberflöte führte sie als Referenz an: Auch wenn womöglich nicht diese hohe Stückzahl des Terzetts verkauft worden sei, hätte der Verlag sicher großen Gewinn mit dem Verkauf erzielt, womit ihre Forderung von 100 Exemplaren gerechtfertigt sei. Diese Umstände lastete Constanze Mozart Breitkopf & Härtel als Unzuverlässigkeit bzw. als Wortbruch an und war nun misstrauisch gegenüber der Ansage, dass sie von den Verhandlungen um eine Gesamtausgabe in gleichem Maße wie der Verlag profitieren sollte. Ihre Antwort auf Breitkopf & Härtels Angebot vom 26. Mai 1798 lässt außerdem vermuten, dass sie die Ordnung der Autographe bereits veranlasst hatte und schließlich eigenständig mit Verlagen verhandeln wollte. Breitkopf & Härtel kam eventuell ihren eigenen Unternehmungen zuvor. Der Antwortbrief Constanze Mozarts zeigt eingangs Entrüstung darüber, dass die Ankündigung zu einer Gesamtausgabe ohne ihre vorige Konsultation erfolgte, und der Rest des Briefes bringt ihre Skepsis gegenüber Breitkopf & Härtels Absichten zum Ausdruck. Der Brief ist ein spannendes Dokument ihrer Forderungen und sei daher als längere Passage zitiert: Sie haben in Ihrem jüngst erhaltenen Schreiben richtig bemerkt, daß es mich sehr müsse befremdet haben, in einer öffentlichen Annonce ein Unternehmen zu lesen, das ohne meine Mitwirkung kühn zu unternehmen und schwer auszuführen ist. Wie viele Manuscripte besize ich nicht noch, wovon Niemand eine Abschrift (auf was immer für Art) zu besizen sich schmeicheln darf? Wer würde mir, als der Witwe Mozarts, nicht vollen Glauben beymessen, wenn ich in einem öffentlichen blatt ankündigen würde, daß durch Niemand als durch mich oder meinem Zu­ thun eine vollständige herausgabe aller Werke Mozarts ausführbar sey? Wer würde sich wohl anderswohin, als an mich wenden, wenn ich allenfals (welche Idee ich auch noch nicht aufgebe,) alle noch nicht bekannten Werke Mozarts, die Niemand als ich in originali besize, herausgebe? Wie entbehrlich wäre alsdann nicht eine neue Auflage der übrigen schon bekannten werke? Indessen könnten wir, unser beyderseitiges Interesse vereinbaren, so sollte es mir lieb seyn, von Ihnen einen annehmbaren Plan zu vernehmen; nur muß ich gestehen, daß ich mit Ihnen, meine Herren, in Connexion zu treten, mich wohl mit Vorsichtigkeit bewaffnenen will, da mir noch in zu frischem Gedächtniß ist, wie wenig Sie in betref des bewußten bandl=Terzetts Worten hielten. Wünschen Sie also von den noch erübrigten Schäzen meines unvergeßlichen Gemahls Gebrauch zu machen, so erwarte ich von Ihnen solche Anträge, und mit einer Sicherheit begleitet, die ganz meinem billigen Mistrauen und dem Werthe dieser Werke entsprechend sind. Einen Thema-Catalog aller bekannten und noch nicht bekannten Werke werde ich zwar nächstens mit aller Genauigkeit verfertigen lassen, allein dieser wird blos zu meiner eigenen Richtschnur bis zu vollständigen herausgabe aller werke nur in meinen Händen bleiben. Ich geharre mit hochachtung Ihre ergebenste freundinn Const. Mozart.87 87 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 26.5.1798, in: B/D IV, S. 213.

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Vielmehr noch, Constanze Mozart betonte, dass die Herausgabe einer Gesamtausgabe ohne eine Zusammenarbeit mit ihr nicht möglich sei. Sie bezeichnete die Autographe als Schätze und betonte den Wert der Werke Wolfgang Amadé Mozarts, weshalb der Verlag ihr ein angemessenes Angebot unterbreiten sollte. Sie forderte Respekt ein und kündigte gleichzeitig an, vorsichtig zu bleiben. Aus diesem Grund fertigte sie einen Werkkatalog an, den sie allerdings zurückhalten wollte. Sie ließ sich jedoch auf den Handel ein, weil eine Gesamtausgabe grundsätzlich in ihrem Interesse war. Am 1. September 1798 richtete sie erneut ein Schreiben an den Verlag, da sie vermutete, ihr erstes sei dort nicht eingegangen. Es scheint also erst ab September zur Kooperation gekommen zu sein. Das Procedere lief folgendermaßen ab: Die Autographe wurden nach und nach übersandt, Constanze Mozart stellte dafür jeweils eine Rechnung, und erhielt die Autographe im Anschluss zurück. Sie führte darüber Buch, welche Originale sie dem Verlag geschickt hatte: »Ich bewahre indeß fortwährend ein Verzeichnis aller Originalpartituren, die ich Ihnen leihe.«88 Sie begründete dies, wie bereits erwähnt, mit dem Wert der Autographe bzw. »Originalmanuscripte«: Da ich versäumt habe, ihn [Marsch in C, KV 408] abcopiren zu lassen, so schikke ich ihn im Original, erbitte mir ihn bey Gelegenheit zurük. da die Originalmanuscripte in so großem werth gehalten werden, so kann ich mich nicht entschliessen sie herzugeben. Wenn sie auch keinen andern Werth hätten, so behalten sie doch ein sehr großes pretium affectionis für mich und meine Kinder, denen ihr Anblick zu einem lebhaften Sporn dienen kann.

Constanze Mozart blieb hier vage, wer die Autographe für wertvoll hielte; sie deutete jedoch auf eine interessierte Öffentlichkeit hin. Sie brachte hier vor allem das Argument des emotionalen Wertes für sich selbst vor. Constanze Mozarts Vorgehen war vorsichtig. Sie kündigte an, einen Werkkatalog zu verfassen, diesen aber bei sich zu verwahren; nur so konnte sie die Oberhand über die Sammlung der Autographe behalten. Sie würde den Katalog erst einsenden, wenn ihre finanziellen Forderungen beglichen wären.89 Als nächstes taktisches Manöver bat sie ihrerseits Breitkopf & Härtel um die Zusendung ihres eigenen Katalogs, damit sie wüsste, was im Besitz des Verlags sei: […] bitte ich Sie, mir […] einen Catalog von allem dem zu schikken, was Sie haben. Alsdann ist die Uebersicht kürzer. Mir ists bey der großen Menge zu beschwerlich, besonders in der Eile, meiner Seits einen alles umfassenden Catalog verfertigen zu lassen. Indeß Sie mir den Ihrigen schikken, lasse ich den meinigen 88 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.3.1799, in: B/D IV, S. 234. 89 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 1.9.1798, in: B/D IV, S. 214.

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machen, und wenn der Ihrige ankömmt, werde ich meine Arbeit desto geschwinder machen können.90

Breitkopf & Härtel hielt ihr dieses Misstrauen scheinbar vor, zumindest verteidigte sich Constanze Mozart dafür: Auf das, was Sie, meine höchstgeehrte herren, von meinem Mistrauen in Sie erwähnen, darauf habe ich nicht viel zu erwiedern. Ist das Mistrauen, wenn man ein Geschäft von einiger Wichtigkeit nicht ohne alle Vorsicht unternimmt? Man erspart sich dadurch beyderseits künftigen Verdruß, man sichert sich beyderseits auf Sterbefälle, Ihr Gewinn ist groß; ich darf also auch für mich, die Eigenthümerinn der noch nicht herausgegebenen Sachen, gut stipulieren.91

Constanze Mozart bezeichnete sich als »Eigentümerin« der Werke, womit auch ihre stellvertretende Funktion als Nachlassverwalterin für den Komponisten deutlich wird. In diesen Briefen zeigt sich der beständige Versuch beider Parteien, sich gegenseitig zu versichern, wie sehr beide Seiten von den Verhandlungen profitieren würden. Constanze Mozart versuchte, das Misstrauen des Verlags zu mildern, indem sie in Bezug auf das Bandel-Terzett wieder einlenkte und betonte, nicht nachtragend zu sein, um die weiteren Verhandlungen zu gewährleisten: »Was das bandlterzett betrift, so habe ich davon so viel Verdruß gehabt, daß ich mich bemühen will, es zu vergessen, und nichts mehr davon sage.«92 Sie rückte von der Strategie ab, Druck aufzubauen. Constanze Mozart erfuhr, dass Breitkopf & Härtel versuchte, weitere Besitzer Mozartscher Autographe ausfindig zu machen. Auch hier kam sie dem Verlag entgegen, obwohl sie dies als Konkurrenz betrachtete. Letztlich war das in ihrem Interesse, wie sie betonte: Ich erfahre, daß Sie unter der Hand Sich alle Mühe um Ihnen unbekannte Sachen machen. Wiewohl ich vielleicht hätte erwarten können, daß Sie Sich zuerst an mich gewandt hätten, habe ich doch nichts dawieder, weil ich doch keinen sonderlichen Vortheil von solchen machen kann, die schon bekannt sind, und ermahne Sie nur fleissig fortzufahren, da es mir selbst angenehm seyn wird, wenn Sie alles, auch ohne mich erhalten.93

Die Rückversicherung des Vertrauens war in Verlagsverhandlungen stets essentiell, zum Teil auch existenziell, einmal mehr, wenn keine schriftlichen Vereinbarungen getroffen wurden, was jedoch nicht üblich war.94 Beide Par90 91 92 93 94

Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.10.1798, in: B/D IV, S. 218. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.12.1798, in: B/D IV, S. 222f. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.12.1798, in: B/D IV, S. 222. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.2.1799, in: B/D IV, S. 226. Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 170f.

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teien waren zunächst an einer längerfristigen Kooperation interessiert und mussten dies wiederholt signalisieren. Es blieb jedoch ein sensibles Austarieren von Interessen. Trotz der gegenseitigen Beschwichtigung und Kompromissbereitschaft schienen die Verhandlungen stets auf der Kippe zu stehen. Ein »Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung«95 als Voraussetzung für erfolgreiche Verhandlungen stellte sich nicht ein; dieses Ungleichgewicht war jedoch für Constanze Mozart, nicht für den Verlag, ein Problem. Es seien im folgenden einige Konfliktpunkte hervorgehoben, die letztlich zum Scheitern der Verhandlungen führten. Ein zentraler Punkt war, dass Constanze Mozart ihr Geld nicht pünktlich erhielt, und oftmals auch nicht die gewünschte Anzahl an gedruckten Exemplaren. So wandte sie sich erneut an Breitkopf & Härtel, als ihr Joseph Preindl, der den Vertrieb der Noten organisierte, meldete, es seien nicht alle Exemplare eingegangen.96 Auch ließ sich der Verlag offenbar Zeit mit der Aussage, welche von ihren Autographen zu welchem Zeitpunkt herausgegeben, bzw. ob sie überhaupt gedruckt würden. Um Breitkopf & Härtel zu schnellerer Entscheidung zu zwingen, begann sie, Konkurrenzangebote des Wiener Verlegers Johann Traeg anzuführen, so z. B. für das Harmonikaquintett (KV 617).97 Die Konflikte flammten jedoch vollends wieder auf, als sie die Verhandlungsstrategie des Verlags bezüglich der Herausgabe des Requiems durchschaute. Hier war sie gar nicht einverstanden, dass Breitkopf & Härtel sich bemühte, eine Abschrift anderweitig einzutreiben.98 Denn dies war im Falle des Requiems wegen der fremden Besitzschaft besonders brisant. Mit einem Mal sah sie alle Anlässe für ihr Misstrauen bestätigt, und äußerte: »Ich fange an zu fürchten, daß mein Vortheil zugleich mit dem Ihrigen nicht bestehen kann.«99 Es scheint, als sei dies der Tropfen in einem Fass voller Unzufriedenheit, das damit zum Überlaufen kam. In den folgenden Briefen brachte Constanze Mozart ihren Unmut zum Ausdruck. Sie fühlte sich nicht ernsthaft behandelt: Sie sandte Kompositionen im Original ein und erhielt sie von Breitkopf & Härtel so prompt zurück, dass sie glaubte, der Verlag würde sie ungesehen zurücksenden.100 Auch warf sie dem Verlag weiterhin vor, sie nicht angemessen zu vergüten: Sie müsste Breitkopf & Härtel ein Klavierkonzert für fünf

95 96 97 98

Ebd., S. 170. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.2.1799, in: B/D IV, S. 225. Vgl. ebd., und B/D VI, S. 458f. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.5.1799, in: B/D IV, S. 238. Vgl. auch Briefe vom 29.9.1799, S. 273 und 18.10.1799, S. 277f. 99 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.5.1799, in: B/D IV, S. 241. 100 Ebd., S. 242f.

Die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel

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Dukaten anbieten, für welches sie bei einem anderen Verlag das Fünffache erhalten könnte. Dies schrieb sie dem Verlag am 15. Juni 1799: Für die Uebertragung meines Rechts auf ein ungestochenes Clavierconcert, und dessen Mittheilung in Original gebe ich Ihnen mein Ehrenwort, daß Kenner mir gerathen haben, 24. ducaten zu verlangen; welch ein Abstand zu 5., die Sie mir geben wollen! Und welch ein Verhältniß haben diese zu Ihrem ungeheuren Profit, besonders nachdem Sie für so viele kein Honorar zu bezahlen haben! Ich bin nicht unbillig, wenn ich einen Mittelpreis seze und 15 ducaten verlange für das Leihen der Originalpartitur und die Uebertragung meines Eigenthumsrechts, die in diesem Leihen einbegriffen ist.101

Der Ton verschärfte sich daraufhin noch einmal: »Und alsdann können wir übereinkommen, wie der etwanige [sic] Unfug, den Sie vermuthen, gerügt werden soll.«102 Sie fühlte sich auch insofern im Nachteil, als sie selbst nicht den vollständigen Überblick darüber hatte, welche Kompositionen bereits gedruckt waren. Sie musste sich auf Breitkopf & Härtels Aussagen verlassen, bei welchen Kompositionen es sich um einen Erstdruck handelte. Breitkopf & Härtel behauptete offenbar auch, selbst einige unbekannte Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts zu besitzen. Der Verlag betonte dies offen gegenüber Constanze Mozart, worauf diese pikiert reagierte: Ich muß es gelten lassen, daß alle in diesem Verzeichnis angeführten Sachen schon gestochen sind. […] daß Sie von den spätern und bessern Compositionen Mozarts mehr unbekannte Sachen haben als ich, darauf will ich nichts antworten. Worte, die die Entfernung zu beweisen verhindert, können Ihnen und Niemanden eine Meinung benehmen.103

Das bedeutete, erst nachdem der Verlag ihre Originale gesichtet und ihr mitgeteilt hatte, ob die Komposition schon herausgegeben war, konnte sie ein Angebot machen. Abhängig davon, ob das Werk schon gedruckt war oder nicht, konnte sie unterschiedliche Preise verlangen. Sie stellte in zwei Briefen klar, dass sie sich dieser Position bewusst war und appellierte an Breitkopf & Härtels Wohlwollen: Es versteht sich, daß ich für jedes gestochene werk, welches Sie wegen des unrichtigen Stichs oder aus andern Ursachen zur Leihe verlangen, weniger fordern kann, als für solche, die nicht gestochen aber doch gut bekannt sind, und für diese weniger als für solche, die gar nicht oder so gut als gar nicht bekannt sind. Die 101 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 246. 102 Ebd., S. 244. 103 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.5.1799, in: B/D IV, S. 237f.

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Preise müssen verhältnißmäßig seyn, und daher erwarte ich immer zu erfahren, in welche Classe jedes werk, das Sie verlangen, gehört. Ich appellire an Sie selbst – würde Sie nicht an meiner Stelle wenigstens diese Einwendungen und Bedenklichkeiten machen und haben? Ich bin überzeugt, daß Sie solche in Ihrem Herzen nicht misbilligen können.104 Sie haben Recht zu sagen, daß ich nicht weiß, was alles gestochen ist. Ich kann es zwar erfahren, aber mit Mühe; diese mögte ich vermeiden, so wie auch die Verantwortlichkeit. bey Ihnen ist das umgekehrt. Sie können leicht wissen, was gestochen ist.105

In mehreren Fällen fühlte sie sich vom Verlag hintergangen: Breitkopf & Härtel machte sie im Falle eines Klavierkonzerts glauben, dass es sich um ein bereits herausgegebenes Werk handelte, was nicht der Fall war. Breitkopf & Härtel hatte 5 Dukaten geboten, den Preis für ein gestochenes Konzert. Beim ersten Mal lenkte Constanze Mozart ein: »ich könnte also auch wenn ich wollte, dieses so gut von Ihnen zurükverlangen als Sie ein andres von mir. Ich thue es aber nicht, sondern lasse den geschlossenen Handel ruhen.«106 Dies ließ sie sich jedoch nicht länger gefallen. Sie machte außerdem deutlich, dass sie nicht glücklich darüber war, den Kontakt über eine so große Distanz zu halten und alles brieflich klären zu müssen. Sie äußerte bereits im Juni 1799 den Wunsch, einen Unparteiischen hinzuzuziehen, der ihren restlichen Bestand sichtete, womit sie bereits zu diesem Zeitpunkt in Erwägung gezogen haben muss, den restlichen Nachlass vollständig zu verkaufen.107 Dass sie darüber ernsthaft nachdachte zeigte sich auch darin, dass sie sich schließlich doch entschloss, das thematische Verzeichnis an Breitkopf & Härtel zu übersenden. Der Verlag sollte damit einen Gesamtüberblick über ihren Bestand bekommen.108 Einen Monat später drückte sie nochmals den Wunsch aus, dass jemand den Nachlass sichten sollte: Haben Sie denn gar Niemand hier, auf den Sie Sich gänzlich verlassen? Meine bedingung N. 1. ist unabweichlich; ich liebe aber die offene behandlung, und beurtheilen Sie daraus meine Gesinnungen. Freilich bin ich strenge mein Recht zu behaupten; aber ich gebe auch gerne Andern Gelegenheit das ihrige zu sichern.109

Breitkopf & Härtel ging jedoch nicht auf die Vorschläge ein. Vielmehr liefen die Verhandlungen ab Sommer 1799 nur noch schleppend. Von Seiten des 104 105 106 107 108 109

Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.5.1799, in: B/D IV, S. 242f. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 244. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.8.1799, in: B/D IV, S. 264f. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 250. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 8.7.1799, in: B/D IV, S. 254. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 9.8.1799, in: B/D IV, S. 262.

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Verlags schien das Interesse deutlich nachzulassen. Constanze Mozart sah sich bestätigt in ihrer Skepsis und ließ sich daraufhin im Herbst auf einen Handel mit Johann Anton André ein, womit es im November zu einem vorläufigen Abkommen kam. Direkt danach trat sie aber noch einmal mit Breitkopf & Härtel in Kontakt, um ein letztes Mal ein Angebot zu unterbreiten: […] ich habe nun in 2. Monaten nicht das Vergnügen gehabt, briefe von Ihnen zu empfangen, welches mich wundert, da ich doch in meinen unbeantworteten manchen interessanten Vorschlag auf Ihre vorherigen Veranlassungen gemacht habe. was soll ich anders daraus schließen, als daß Ihre Geschäfte weitläufige Detailverhandlungen Ihnen nicht mit mir erlauben, und daß es Ihnen wünschenswerth seyn muß, entweder einen förmlichen alles begreifenden Contract abzuschließen oder mir alle meine vorräthigen Sachen auf einmal zum ewigen Eigenthum abzukaufen? Auch mein Vortheil wäre dieses unbezweifelt, und ich müßte selbst froh seyn, von einem fernern weitschweifigen briefwechsel befreyt zu werden.110

Constanze Mozart schloss aus der ausbleibenden Antwort Breitkopf & Härtels auf ihr bereits am 29. September 1799 geliefertes Angebot, die restlichen Autographe abzukaufen, dass dem Verlag, ebenso wie ihr, der fortwährende Briefwechsel zu zeitaufwändig sei. Im folgenden stellte sie klar, dass sie andere Angebote hätte, die nicht angemessen wären (den Namen André verschwieg sie), und verlangte von Breitkopf & Härtel die Summe von 1000 Dukaten (umgerechnet etwa 4500 Gulden).111 Sie versuchte dem Verlag deutlich zu machen, dass er der bevorzugte Vertragspartner war und auch, ihn von dem Wert der Autographe zu überzeugen, der sich in Zukunft zeigen würde: Ich wünsche sehr, daß dieses Geschäft zwischen uns gemacht würde, weil ich Ihnen, die Sie zuerst die mir so angenehme Idee gehabt haben, meinem Mann durch eine würdige Ausgabe seiner Werke ein Monument zu sezen, am liebsten den Vortheil gönnen muß und wirklich gönne. Von Ihnen erwarte ich nicht den Einwurf, daß die Sammlung Ihnen nicht so viel werth sey, denn eine solche fast vollständige Sammlung von eigner Hand des Meisters ist ein unverkennbarer Schaz, und Männer von solchen Verbindungen, wie die Ihrigen, die Vermögen genug haben um einen gelegenen Zeitpunkt abzuwarten, gewiß im Stande sind, früher oder später durch einen ganzen oder theilweisen Verkauf der handschriften an Liebhaber, etwa in England, viel daraus zu lösen.112

Dieser Passus deutet darauf hin, dass Constanze Mozart bis zuletzt das Ziel hatte, den Nachlass an Breitkopf & Härtel abzugeben. Auch sei an dieser 110 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 9.11.1799, in: B/D IV, S. 285. 111 Ebd. 112 Ebd., S. 286.

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Stelle auf die erinnerungskulturellen Schlüsselwörter verwiesen: Sie bezeichnete die Gesamtausgabe als ein »Monument«. Allerdings ignorierte der Verlag ihr Angebot und ging in einer Antwort lediglich auf Einzelheiten der vorigen Verhandlungen ein: Erwähnter Ihr lezter brief ist mir ein neuer Beweis, daß Sie nicht Zeit oder Lust haben, die Correspondenz mit mir zu unterhalten: Sie antworten mir abermal nach Ihrer Willkühr auf eine Kleinigkeit, und auf die Hauptfrage, die ich Ihnen in dem briefe, von dem ich aus dem Ihrigen sehe daß Sie ihn erhalten haben, nicht ein Wort.113

In einem weiteren Brief an Breitkopf & Härtel scheinen alle Konfliktpunkte nochmals auf: Der – aus Constanze Mozarts Perspektive – unrechtmäßige Umgang mit ihrer Kopie des Requiems; der Vorwurf, Breitkopf & Härtel hielte ihre Originale nicht für wichtig genug, sondern würde sich nicht nur anderweitig Nachdrucke beschaffen und als Vorlage nehmen, sondern sie auch zu spät um Originale bitten. Hier ging es um Klaviersonaten für das sechste Heft, das allerdings schon fast im Druck war, so dass ihre Originale nicht mehr berücksichtigt werden konnten, wie der Verlag Constanze Mozart nicht nur mitteilte, sondern ihr gleichzeitig die Schuld gab, sie hätte die Originale zu spät eingesandt. Auch beschwerte sich Constanze Mozart einmal mehr über die zögerliche oder teilweise gar nicht erfolgte Vergütung für bereits gedruckte Originale (hier im Falle von Liedern, die im fünften Heft erschienen waren). Sie beklagte sich, dass sie das fünfte Heft trotz Erscheinen immer noch nicht erhalten hätte, und auch darüber, dass sie die Originale nicht fristgerecht und oft nur auf Anfrage zurück bekam.114 Auch das mangelnde Verständnis für ihre Position hielt sie dem Verlag vor: Sie endigen Ihren brif mit dem harten Vorwurf, dass ich in jeder Sache Schwierigkeiten mache. Dieser brief und die Rechnung sind wenigstens keine Beweise: alles ist mit Ihren eignen Brifen und mit der wahrheit documentirt: die Wahrheit ist keine Chicane.115

Ende November 1799 kündigte sie Breitkopf & Härtel an, sie würde nun die restlichen Musikalien geschlossen anderweitig anbieten, »um auf ein Mal aus meiner Ungewißheit zu kommen.«116 Auch machte sie das finanzielle Argument erneut stark: »Eine Mutter muß rechnen«117, und sie setzte eine letzte 113 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 11.11.1799, in: B/D IV, S. 288. 114 Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 17.11.1799, in: B/D IV, S. 290ff. 115 Ebd., S. 294. 116 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.11.1799, in: B/D IV, S. 299. 117 Ebd.

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Frist von 14 Tagen. Sie forderte außerdem nochmals ausdrücklich ihre Originale zurück. Das Ultimatum wiederholte sie am 14. Dezember. Zwei Wochen später, am 28. Dezember 1799 thematisierte sie das Angebot nicht mehr, damit hatte sie sich wahrscheinlich bereits für André entschieden. Mit Breitkopf & Härtel blieb sie weiterhin in Kontakt, es handelte sich bei dem weiteren Austausch allerdings hauptsächlich um die Abwicklung von offenen Rechnungen. Ein umfassender Brief mit Reaktionen auf ihr Angebot und die Konsequenzen, der leider nicht erhalten ist, erreichte Constanze Mozart erst Anfang Februar 1800. In ihrer Antwort war sie erleichtert über die Zusicherung von Freundschaft und Respekt: Ihr brief hat bey mir die lebhafteste Freude über die Fortdauer Ihrer freundschlaftlichen Gesinnungen, aber auch zugleich leider inniges Bedauern erregt. hätten doch Ihre Geschäfte, Ihre Zeit, Ihnen immer erlaubt mir so zu schreiben, mir solche Beweise des Wohlwollens zu geben!118

Sie bedauerte es auch weiterhin ernsthaft, dass der Handel mit Breitkopf & Härtel nicht zustande gekommen war. Das begründete sie auch mit Sicht auf die langwährende Freundschaft: »[…] ich war Ihre alte freundinn; ich war auch nun schon in einigen Verhandlungen mit Ihnen gewesen.«119 Sie rechtfertigte sich einmal mehr für ihre Entscheidung und hielt dem Verlag alle bereits genannten Konfliktpunkte erneut vor. Sie resümierte, dass er seine geschäftlichen Interessen stets in den Vordergrund gerückt hatte, was mit ihren Bedürfnissen nicht vereinbar war: Sie sprachen immer, daß Sie nur auf das Publicum Rüksicht nehmen müßten: Sie hatten darin als ehrliebende und gescheite Kaufleute vollkommen Recht, aber war das ermunternd für mich, daß Sie Sich dadurch bewogen fanden, keinerley festen Plan mit mir zu verabreden, auf keine sichere Art mich zu beruhigen?120

Constanze Mozart ließ ihre Forderungen fallen bis auf 100 Gulden, und bat Breitkopf & Härtel, die noch ausstehenden Originale direkt an Johann Anton André zu senden. Das Projekt einer Biographie wollte sie weiterhin durch Einsendung von »Notizen« zu unterstützen, und schlug auch vor, das thematische Verzeichnis schließlich einzusenden, damit es in der Biographie abgedruckt werden könne.121 Sie hatte nun keinen Grund mehr zu fürchten, dass Breitkopf & Härtel das Verzeichnis gegen sie verwenden würde; außerdem waren

118 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.2.1800, in: B/D IV, S. 314. 119 Ebd., S. 315. 120 Ebd. 121 Vgl. ebd., S. 316.

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die Originale teilweise nun in den Händen Johann Anton Andrés.122 Was sich aus diesem Brief schließen lässt ist, dass Constanze Mozart und Breitkopf & Härtel sich nicht überwarfen, sondern an diesem Punkt beide vielmehr einsahen, dass ihre Interessen so weit auseinander lagen und eine Einigung nicht möglich war. Auch einige Jahre später drückte sie noch einmal ihr Bedauern über das Scheitern der Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel aus, als ihr Sohn Franz Xaver Wolfgang Mozart mit Breitkopf & Härtel über den Druck seiner Kompositionen in Verhandlung war, was sie wiederum unterstützte. Georg August Griesinger schrieb darüber an Gottfried Christoph Härtel: Noch ehe Sie mir von dem Vorschlage, welchen Sie dem jungen Mozart gemacht haben, schrieben, hat mich dieser und seine Mutter um Rath gefragt, ob sie darauf eingehen sollten und ich habe natürlicher Weise bejahend geantwortet. Schiken Sie mir die Materialien bald, denn der junge Mozart hat Hofnung unter guten Bedingungen in der Gegend von Lemberg angestellt zu werden. Ich sage Ihnen aber im Vertrauen dass Ihnen die Wittwe Mozart bey diesem Geschäfte nicht überflüssig seyn, und dass Sie wahrscheinlich das Meiste machen wird, in dem Ihr die Arbeiten ihres Mannes (die von seiner frühesten Jugend ausgenommen) noch besser bekannt sind als dem Sohne. Sie will aber dabey nicht genannt seyn und die Furcht, den Contrakt mit André zu verlezen, nach welchem Sie keinem andern Verleger etwas aus ihres Mannes Nachlasse geben darf, macht sie äusserst bedenklich und verlegen. Darinn wird Sie von ihren nächsten Umgebungen bestärkt und nur diesen kann ich es zuschreiben, dass ursprünglich schon der ganze Handel nicht mit Ihnen sondern mit André zu stande gekommen ist. Die Wittwe Mozart und ich haben es schon oft bedauert, dass ich damals nicht als Mittelsperson gebraucht werden konnte. Alles dieses ist nur für Ihre Privat Notiz…123

3.4. Der Vertrag Constanze Mozarts mit Johann Anton André Am 8. November 1799 schloss Constanze Mozart einen Vertrag mit Johann Anton André und es stellt sich die Frage, was diesen als Vertragspartner plötzlich so attraktiv machte. Johann Anton André, bei der Begegnung mit Constanze Mozart erst 24 Jahre alt, war musikbegeistert und musikalisch umfassend gebildet, er besaß Kenntnisse im Instrumentenbau, war Sänger und Pianist und hatte in Jena Komposition studiert. 1799 hatte er gerade nach dem Tod seines Vaters Johann André die Leitung des Verlags übernommen, der 1774 in Offenbach am Main gegründet worden war. Daher versuchte er, neue 122 Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 1.3.1800, in: B/D IV, S. 324ff. 123 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 13.7.1808, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 251f.

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Komponisten zu akquirieren und reiste dafür 1799 nach Wien. Nicht nur die Begegnung mit Constanze Mozart sollte sich als richtungsweisend herausstellen: Auf dem Weg nach Wien machte er Halt in München, und stieß dort am 26. September 1799 auf eine Zeitungsanzeige, worin Alois Senefelder und Franz Gleissner ihre Erfindung des Steindrucks (Lithographie) ankündigten. Johann Anton André nahm direkt Kontakt auf und besuchte die Werkstatt Alois Senefelders. Bereits zwei Tage später kam es zu einem Vertrag, womit sie vereinbarten, dass Senefelder gegen ein Honorar von 2000 Gulden den Steindruck im Verlag in Offenbach einführen und die Mitarbeiter darin unterweisen sollte. Seit 1796 hatte Senefelder an der Technik gefeilt, die das Druckverfahren erheblich kostengünstiger und effizienter gestaltete. Während sich die Auflage einer gestochenen Druckplatte auf einige hundert Exemplare beschränkte, war durch den Steindruck theoretisch eine unendliche Anzahl von Drucken möglich.124 Johann Anton André erkannte das Potenzial der Lithographie für den Notendruck, er probierte diese aus und setzte sie in den nächsten zwei Jahrzehnten konsequent und erfolgreich um.125 Er erwies sich mit dieser Entscheidung als visionär: Die Lithographie setzte sich im Laufe des 19. Jahrhundert als Drucktechnik durch. Damit traf er 1799 als ein junger, künstlerisch und unternehmerisch ambitionierter Verleger in Wien ein. Es lässt sich vermuten, dass er nach seiner Ankunft in Wien Constanze Mozart von dieser Begegnung in München berichtete und sie sich von Johann Anton André von der vielversprechenden innovativen Technik überzeugen ließ. Außerdem tat er das, was sie Breitkopf & Härtel schon lange vorgeschlagen hatte: Er sah sich den Nachlass persönlich an. Dies ist indirekt belegt durch eine Aussage gegenüber Johann Anton André, als es um Werke ging, »die von Ihnen am Tage Ihrer Abreise aus einem Pakken herausgenommen wurden.«126 Auch in ihrer Ankündigung, dass André den Nachlass rechtmäßig erworben hatte, erwähnte sie seinen »hiesigen Aufenthalt«127. Offenbar kam es 124 Vgl. Britta Constapel: Der Musikverlag Johann André in Offenbach am Main. Studien zur Verlagstätigkeit von Johann Anton André und Verzeichnis der Musikalien von 1800 bis 1840, Tutzing 1998, S. 26ff; Karl-Heinz Döbert: »Alois Senefelder und Johann Anton André – Die Einführung der Litographie für den Notendruck«, in: Jürgen Eichenauer/Haus der Stadtgeschichte (Hg.): Johann Anton André (1775–1842) und der Mozart-Nachlass. Ein Notenschatz in Offenbach am Main, Weimar 2006, S. 51–64; Ute-Magrit André/ Hans-Jörg André (Hg.): 225 Jahre Musikverlag André, Offenbach 1999. 125 Vgl. Constapel: Der Musikverlag Johann André in Offenbach am Main, S. 29. 126 Vgl. Constanze Mozarts Verzeichnis für Johann Anton André, (Wien, März 1800?), in: B/D IV, S. 341. 127 »Erklärung über Mozarts musicalischen Nachlaß«, Anlage zum Brief Constanze Mozarts an Johann Anton André, Wien, 12.3.1800, in: B/D IV, S. 337.

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dabei auch zum gemeinsamen Musizieren, wie Constanze Mozart erwähnte: »Sie erinnern, daß Sie an meinem Clavier einen Chor: dir Sele des weltalls etc. Und eine Arie: Dir danken wir die freude, spielten und sangen.«128 André sichtete also den Nachlass persönlich in Wien, was Breitkopf & Härtel trotz wiederholter Aufforderung nicht tat. Und er erkannte auch darin das Potenzial für seinen Verlag. Im November 1799 wurde der »Kontrakt« geschlossen. Dieser enthielt folgendes Abkommen: Für 3150 Gulden sollte Johann Anton André den restlichen Autographenbestand Constanze Mozarts »in 15 Päkken«129 erhalten. Er konnte Constanze Mozart den Wunsch erfüllen, den musikalischen Nachlass schließlich geschlossen abzugeben. Es war durchaus ungewöhnlich für einen Verlag, das Gesamtkonvolut eines Komponisten zu erwerben, denn es bedeutete für den Verleger ein Risiko. Dass Breitkopf & Härtel eine Aktion wie diese ablehnte, wurde nachträglich in ihrer Anzeige deutlich, mit der der Verlag auf Andrés Kauf reagierte: Er vertrat die Position, dass sich im Nachlass mitunter zu viele Kompositionen befänden, die sich nicht verkaufen ließen und damit letztlich wertlos seien.130 Constanze Mozart zog damit die Konsequenz aus Breitkopf & Härtels Desinteresse trotz ihres mehrmaligen Angebots. Die Hälfte der Summe, also 1575 Gulden, sollte Anfang Februar 1800 an Constanze Mozart überwiesen werden, und dann erst die Musikalien über Paul Wranitzky an André gesendet werden. Diese Zeitspanne hatte Constanze Mozart sich ausgehandelt: Sie bewahrte sich bis zum 9. Januar 1800 ein Rücktrittsrecht von dem Vertrag. Als ›Pfand‹ überließ sie jedoch André unmittelbar einen Bestand an Klavierkonzerten, Streichquintetten und -quartetten gegen eine Anzahlung von 600 Gulden. Dieser Bestand war als Anhang »Litt. A« dem Kontrakt beigefügt. André verplichtete sich, diese Musikalien bis zum 1. September 1800 zurück an Constanze Mozart zu senden, sonst würde eine weitere Summe von 600 Gulden fällig. Damit gab sie ihm selbstverständlich auch die Genehmigung zum Druck. Das heißt, über einen Teil des Notenbestands wurde ein Abkommen beschlossen, was André den Druck sofort erlaubte, unabhängig davon, ob der Vertrag über den Gesamtbestand (inklusive Verbleib der Originale bei André) in Kraft trat. Diese Klausel machte damit den Kontrakt auch für Johann Anton André interessant. Und auch für Constanze Mozart war bereits diese Klausel ein Gewinn. Mit der Entscheidung für einen bestimmten Werkkorpus nahm sie Einfluss auf die Auswahl an Kompositionen, die sie prioritär gedruckt haben wollte. Indirekt mag sie damit das Tempo der Veröffentlichung beschleunigt haben. Denn 128 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 27.2.1800, in: B/D IV, S. 321. 129 Kontrakt Constanze Mozart – Johann Anton André, 8.11.1799, in: B/D IV, S. 281. 130 Breitkopf & Härtel: »Mozarts Werke«, in: Intelligenzblatt Nr. IX zur AMZ, März 1800.

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André musste bis dahin zumindest Abschriften angefertigt haben und somit erste Schritte für den Druck in die Wege geleitet haben. Tatsächlich gehörten die darin enthaltenen Klavierkonzerte und Streichquartette zu den ersten Drucken, die noch 1800 bei André erschienen.131 Damit schien sie die direkten Konsequenzen aus ihren Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel gezogen zu haben: Dort hatte sie keinen Einfluss auf die Veröffentlichung gehabt, sobald die Originale in den Händen des Verlags waren. Weder konnte sie beeinflussen, welche Werke zuerst gedruckt würden, noch das Tempo der Drucklegung sowie der Rückgabe der Originale. In vielen Briefen hatte sie erfolglos um schnellere Rückgabe der Originale gebeten. Gegenüber André sicherte sie sich ab: Sie wollte die Originale bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurück haben, sonst würde sie weitere 600 Gulden als Entschädigung erhalten. Der Kontrakt enthielt weitere Bedingungen: Sollte Constanze Mozart weitere Originale ausfindig machen, würde sie diese an André weiterleiten. Sie handelte sich außerdem kostenlose Exemplare aus: Vier Exemplare der zu erscheinenden Bände der Ausgabe würde sie unentgeltlich erhalten, und falls André die Autographe an einen anderen Verlag weiterverkaufte, bekäme sie von diesem Verlag ebenfalls kostenlose Exemplare. Johann Anton André ließ sich auf all diese Bedingungen ein und war damit von Beginn an sehr entgegenkommend, mehr noch: Durch diesen Kontrakt war Constanze Mozart diejenige, die die Bedingungen stellen konnte. Dies war ein Grund für ihre Unzufriedenheit in den Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel gewesen. Der Briefwechsel kostete viel Kraft und Nerven, und stets musste sie als Bittstellerin auftreten. Sie erhielt die Originale oftmals nur auf Anfrage zurück, und musste sich bei einem Preisangebot auf die Aussagen Breitkopf & Härtels verlassen, ob es sich bei den eingesandten Autographen tatsächlich um ungedruckte Exemplare handelte und sie damit einen höheren Preis verlangen konnte. In der Festlegung eines einmaligen Abschlags konnte sie diese Probleme umgehen. Auch wenn ein »Kontrakt« im Verständnis der Zeit nicht als ein kaufmännischer, d. h. rechtlich abgesicherter Vertrag zu verstehen war,132 gab es nun im Gegensatz zu den vorigen Verhandlungen präzise schriftliche Vereinbarungen, was der Geschäftsbeziehung eine höhere Verbindlichkeit verlieh. Vor allem regelte der Kontrakt die finanzielle Seite. Dies kam Constanze Mozart zugute. Letztlich zeigen der Kontrakt und ihre Korrespondenz auch ein höheres Selbstbewusstsein, denn gegenüber Johann Anton André formulierte sie konkret ihre Forderungen. Sie 131 Vgl. »Litt. A« (Anhang) zum Kontrakt Constanze Mozart – Johann Anton André, 8.11.1799, in: B/D IV, S. 284 und Anhang: »Die Mozartschen Erstdrucke des Musikverlags Johann André in Offenbach am Main«, in: Haus der Stadtgeschichte/Jürgen Eichenauer (Hg.): Johann Anton André (1775–1842) und der Mozart-Nachlass, S. 127–130. 132 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 175f.

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riet ihm z. B. auch, in welchen Zeitungen er inserieren sollte, dass es zu diesem Vertrag mit ihr gekommen sei.133 Nachdem Breitkopf & Härtel ihr keine Perspektive geboten hatte, meldete sie Johann Anton André am 8. Januar 1800, dass der Vertrag damit in Kraft treten würde. Mit Breitkopf & Härtel gab es allerdings ein Nachspiel: Als sie von dem Abkommen mit André erfuhren, veröffentlichten sie am 5. März 1800 eine Anzeige im Intelligenzblatt der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, in der sie den Wert der Andréschen Ausgabe herabsetzten. André hätte lediglich »Originale schon bekannter Mozartscher Kompositionen, Arbeiten aus seiner Kindheit und frühen Jugend, und einige grössere, jedoch wenig wichtige und von ihm selbst zur Herausgabe nie bestimmte Werke«134 erworben, welche Breitkopf & Härtel bisher absichtlich nicht berücksichtigt hätte und es auch in Zukunft nicht tun würde. Gleichzeitig kündigte Breitkopf & Härtel an, dass die Herausgabe der Œuvres complettes damit nicht beeinträchtigt und wie geplant fortgesetzt würde mit der dritten Abteilung von Instrumentalkomposition – das war im Kern das Signal der Anzeige. Für diese Anzeige forderten sie anscheinend auch von Constanze Mozart eine Unterschrift, d. h. ihre öffentliche Bestätigung dieser Aussagen, die sie ihnen aber verweigerte. Auch verteidigte sie den Wert des Nachlasses, der kein »Rest« sei, sondern sie betonte, dass sie Breitkopf & Härtel mitgeteilt hatte, »in welchem hohen Grade mein gehabter Vorrath sich der Vollständigkeit näherte.«135 Sie verteidigte außerdem André, den Breitkopf & Härtel in ihrem Brief offenbar despektierlich als »Nachstecher« bezeichnet hatte: »hier erscheint nicht der Nachstecher André, sondern der möglichst rechtmäßige herausgeber einer fast vollständigen Sammlung von lauter authentischen und vollkommen correcten Arbeiten […]«136 Constanze Mozart drohte, falls der Verlag weiterhin schlechte Presse über sie machen sollte und ihren Ruf schädigte, würde sie öffentlich von Breitkopf & Härtels Verhalten ihr gegenüber berichten; dass der Verlag nämlich versuchte, sie nicht angemessen für ihre Autographe zu vergüten und sie damit zu hintergehen. Der Angriff von Breitkopf & Härtel in der Presse nötigte Johann Anton André, die restlichen Zahlungen an Constanze Mozart zurückzuhalten, bis sie ihrerseits eine öffentliche Erklärung geliefert hatte, dass er die Autographe rechtmäßig von der Witwe erhalten hatte und nicht nur im Besitz der restlichen Autographe, sondern »einer fast vollständigen Sammlung vollkommen correcter und vollkommen authentischer Mozartscher Originalmanuscripte 133 134 135 136

Vgl. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 21.2.1800, in: B/D IV, S. 318f. Breitkopf & Härtel: »Mozarts Werke«, in: Intelligenzblatt Nr. IX zur AMZ, März 1800. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.3.1800, in: B/D IV, S. 331f. Ebd., S. 333.

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von seiner Jugend bis zu seinem Tode« sei und damit die Berechtigung zur Herausgabe hätte.137 Constanze Mozart war einverstanden und handelte umgehend, diese Erklärung wurde am 4. April 1800 im Frankfurter StaatsRistretto gedruckt.138 Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung mit Breitkopf & Härtel vertrat Johann Anton André die Position, dass Constanze Mozart diese allein weiterzuführen hätte. Es war im Intelligenzblatt zur Allgemeinen Musikalischen Zeitung im April 1800 eine Gegenanzeige Breitkopf & Härtels erschienen, worin der Verlag postulierte, dass Andrés Sammlung bei weitem nicht vollständig sei, da sich viele Originale in anderen Händen befänden. André bat Constanze Mozart, darauf selbst zu antworten. Sie entschied sich allerdings, nicht zu reagieren und damit den Streit beizulegen: Nach reifer Ueberlegung habe ich den Entschluß gefaßt, kein Wort zu antworten; sonst hätte das herumzanken gar kein Ende. Breitkopf hat am Schluß seiner Anzeige sehr Recht, wenn er sagt: die Zukunft oder die Editionen werden die Wahrheit bezeugen – allerdings, aber zu Ihrem Vortheil. Uebrigens hat er den offenbaren Tort bey allen Sachen, die Sie herausgeben, Ihr bloßer Nachdrukker zu werden: denn da er diese nach dem Original nicht herausgeben kann, so muß er sie wenigstens nach der Ausgabe, die nach dem Original gemacht worden ist, herausgeben. Machen Sie nur um des himmelswillen, daß Ihre Ausgaben höchst correct werden!139

Constanze Mozart war überzeugt, dass die Qualität der Ausgaben ihr letztlich recht geben würden. Auch bereitete es ihr offenbar Genugtuung, dass die Beschimpfung als »Nachstecher« später auf Breitkopf & Härtel zutreffen müsse, wenn André die Ausgaben nach den Originalen anfertigte, die Breitkopf & Härtel nicht vorlagen. Die Wogen glätteten sich im Anschluss, und ihr Verhältnis zu Johann Anton André beeinflusste diese Auseinandersetzungen nicht. Im Gegenteil, enthusiastisch stellten sie sich den Aufgaben, wobei sich zwei Tendenzen skizzieren lassen: Es ging einerseits darum, neue Ausgaben von Noten anzufertigen, und darüber hinaus um die Bewahrung und Katalogisierung der Autographe; Aktivitäten, die die Aufbereitung des Nachlasses als Dienst an der Sache fortsetzten und für ein musikkulturelles Gedächtnis zu sichern. Dieser zweite Schritt wurde durch den Kontrakt überhaupt erst möglich, denn damit waren finanzielle Aspekte für beide Seiten zufriedenstellend geklärt worden.

137 Constanze Mozart: Erklärung über Mozarts musicalischen Nachlaß, in: B/D IV, S. 337f. 138 Vgl. B/D VI, S. 533. 139 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 352.

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Johann Anton André hatte außer den Fragmenten, so weit ersichtlich, alle Autographe erhalten, die sich in Constanze Mozarts Besitz befanden. Sie selbst attestierte dem Bestand annähernde Vollständigkeit: »Freilich ist übrigens Ihr Vorrath nicht ganz vollständig: es fehlt aber gewiß verhältnismäßig nur sehr wenig, wie die Catalogen zeigen.«140 Wie erwähnt war der Plan, ein Verzeichnis über sämtliche Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts anzulegen. Con­ stanze Mozart hatte ihr eigenes thematisches Verzeichnis dafür direkt mit den vereinbarten »Pakken« an Johann Anton André gesandt: »André hat alle meine Verzeichnisse bekommen, und mir dagegen ein vollständiges thematisches Verzeichniß aller Werke Mozarts versprochen. Ich könnte dieses, je eher je lieber, brauchen.«141 Johann Anton André erstellte fortan mehrere Verzeichnisse, worin er versuchte, die Kompositionen chronologisch zu ordnen.142 Ziel war es offensichtlich, einen möglichst vollständigen Nachlass anzulegen. Constanze Mozart hatte André im Kontrakt versichert, sich andernorts befindliche Autographe zu vermitteln. Dazu sandte sie ihm eine Liste von Hinweisen auf Leute, die zu kontaktieren wären.143 Dazu zählten auch die Autographe, die sie an Breitkopf & Härtel geschickt hatte. Diese sollten direkt an André gesendet werden: »Breitkopf und Härtel habe ich schon ersucht, die von mir in händen habenden wenigen Originalien Ihnen directe zu schikken; einen Theil von denen, die sie hatten, haben Sie schon durch mich erhalten.«144 Sie sandte auch im März 1800 ein Verzeichnis an André über die Kompositionen, die Breitkopf & Härtel ihr bereits zurückgesandt hatte,145 und bevollmächtigte André, die restlichen Kompositionen in Breitkopf & Härtels Besitz einzutreiben. In der Folge wünschte sie zu wissen, was Breitkopf & Härtel an André zurücksandte: »Melden Sie mir immer gelegentlich, was Sie aus Leipzig zurük erhalten, damit ich controlliren und ausstreichen kann.«146 Sie betonte die Bedeutung der Vollständigkeit mit ihrem Interesse einer Veröffentlichung, wozu sie versprach, alle weiteren Funde André zu überlassen: denn »es interessiert mich, daß alles, was mein Mann geschriben hat, her-

140 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, Anfang 1802, in: B/D IV, S. 411. 141 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 29.3.1800, in: B/D IV, S. 344. 142 Vgl. Wolfgang Plath: »Chronologie als Problem der Mozartforschung«, in: ChristophHellmut Mahling/Sigrid Wiesmann (Hg.): Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Bayreuth 1981, Kassel 1985, S. 371–378, S. 374ff. 143 Vgl. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 27.2.1800, in: B/D IV, S. 321ff, vgl. auch Wien, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 355ff. 144 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 21.2.1800, in: B/D IV, S. 318. 145 Vgl. Constanze Mozarts Verzeichnis für Johann Anton André, (Wien, März 1800?), in: B/D IV, S. 340f. 146 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 10.9.1800, in: B/D IV, S. 369.

Der Vertrag Constanze Mozarts mit Johann Anton André

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auskömt – dieses garantirt Ihnen mein Versprechen, wenn mein Versprechen Garantie bedürfte.«147 Constanze Mozart hielt sich an diese Vereinbarung, was bedeutete, dass sie Angebote ausschlug, anderweitig zu verkaufen und ihre Verpflichtungen gegenüber André betonte. Breitkopf & Härtel blieb hartnäckig und versuchte, Baron van Swieten die Händel-Bearbeitungen abzukaufen, die dieser bei Wolfgang Amadé Mozart in Auftrag gegeben hatte und folglich in van Swietens Besitz waren. Zwei Briefe zeigen, dass der Verlag Constanze Mozart offenbar ein Angebot gemacht hatte, sie ebenfalls dafür zu vergüten, worauf sie eine Absage erteilte: Meine Herren, als ich Ihren Brief vom 21. Januar erhielt, war mir der Gegenstand desselben, in so ferne er Ihre Verhandlung mit Sr Excellenz, dem herrn Geheimenrath Freyherrn von Swieten betrift, ganz fremde. blos aus dem mir so natürlichen Antheil an Allem, was den Namen meines sel. Mannes betrift, habe ich seitdem Erkundigung eingezogen, und bey dieser Gelegenheit einen neuen beweis der gütigen Gesinnungen des hern barons für mich erfahren. Ich sage, blos aus dem natürlichen Antheil – denn meine Verpflichtungen gegen H. André machen es mir unmöglich, mit Ihnen oder Jemanden ausser ihm mich über irgend eine Composition meines sel. Mannes einzulassen.148 In Antwort auf Ihren Brief vom 22 febr. habe ich die Ehre nochmals zu erwiedern, daß ich, wiewohl alles das, was Sie anführen, vollkommen wahr seyn mag, durch meine Vorstellung von meinen Pflichten gegen André und mich selbst durchaus abgehalten werde, mich über Ihren gutgemeinten Vorschlag auszulassen: ich habe Ihnen zu danken, daß Sie Sich die Mühe geben mich zu etwas zu überreden, was mein Nuzen ist. Ich wäre also in dem Falle einen nicht unbeträchtlichen Vortheil verlieren zu können, den mir der gütige Baron v. Swieten zuwenden wollte. Übrigens kann es Sie befremden, daß ich Gründen, die ich nicht tadle, nicht nachgebe, aber Sie werden mir es nicht übel nehmen.149

Van Swieten hatte offenbar eingewilligt, dass diese bei Breitkopf & Härtel gedruckt würden, aber unter besonderen Bedingungen, wie Georg August Griesinger noch am selben Tag berichtete: Die Wittwe Mozart hat sich gegen Swieten geäußert dass sie mit André einen Contrakt gemacht habe, krafft dessen sie ihm nicht nur die vorhandenen sondern auch die noch zu findenden Manuscripte ihre Mannes abtrette; unter solchen Umständen könne sie von Ihnen kein Honorar annehmen. Swieten findet dieses Betragen eben so delikat als billig; er wird Ihnen aber die Händel-Mozartschen Werke, sein bezahltes Eigenthum, dennoch überlassen, und etwa auf ein Geschenk 147 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 352. 148 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 17.2.1802, in: B/D IV, S. 413f. 149 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.3.1802, in: B/D IV, S. 415.

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von Musicalien an Mozarts Sohn bey Ihnen antragen. Die Originale schikt er aber nicht nach Leipzig, sondern sie sollen hier abgeschrieben werden.150

Es scheint, als hätten Constanze Mozart und Baron van Swieten eine Vereinbarung getroffen, die den Verlag zufrieden stellte und ihr doch indirekt zugute kam. Baron van Swieten kam ihr insofern entgegen, als er sich nicht bereit erklärte, die Originale der Händel-Bearbeitungen an Breitkopf & Härtel abzugeben, sondern Kopien selbst vor Ort anfertigen zu lassen. Auch schickte er sie nur an den Verlag unter der Bedingung, dass er als Gegenleistung Noten für Franz Xaver Wolfgang Mozart erhielt, was darauf schließen lässt, dass er Constanze Mozart damit einen Gefallen tat und in ihrem Interesse handelte. Darauf verwies Constanze Mozart womöglich auch in ihrer Aussage der »gütigen Gesinnungen des Barons«. Hier wird auch die enge Kooperation zwischen van Swieten und Constanze Mozart einmal mehr deutlich, und vor allem auch ihre Loyalität gegenüber Johann Anton André. Constanze Mozart erwartete sehnsüchtig die neuen Ausgaben. So bat sie André, sie bei einer neuerlichen Reise nach Wien mitzubringen, da sich diese verzögerte, sollte er sie doch schicken: »daß ich ungeduldig bin, die neuen, schönen und authentischen Ausgaben der Werke zu sehen, die für mich so einen unaussprechlichen werth haben.«151 Am 3. April 1802 bedankte sie sich überschwänglich für die zugesandten Kompositionen: Erlauben Sie mir nun aus meinem Herzen zu Ihrem Herzen zu reden. Brauche ich es Ihnen zu sagen, wie viel Vergnügen mir neue Ausgaben oder gar Ausgaben von unbekannten Werken meines Mozarts machen? Daß ich an seinem Ruhm, an seiner Ehre den wärmsten Antheil nehme? wie ungeduldig ich bin, die Werke, so geschwinde als möglich, und sie sicher alle, zu haben? Ich bitte Sie, Sich einen Augenblick an meine Stelle zu sezen, und mich an die Ihrige […]152

In der Tat kann man Johann Anton André »eine besonders glückliche Kombination der Begabungen«153 attestieren. Er war bemüht, ein ausgewogenes Verhältnis von wirtschaflichen und künstlerischen Kenntnissen und Interessen herzustellen. Viele Jahre nach den Verhandlungen mit ihr und erfahren im Verlagsgeschäft beklagte er jedoch, dass dies nicht immer leicht gelinge und die künstlerischen Interessen so oft den merkantilen weichen müssten: »Ich, u. in meiner Eigenschaft als Künstler habe den eigentlichen Musikalien Handel

150 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 17.2.1802, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 144f. 151 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 19.12.1801, in: B/D IV, S. 410. 152 Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 3.4.1802, in: B/D IV, S. 416. 153 Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 89.

Exkurs: Die Verhandlungen Joseph Haydns mit Breitkopf & Härtel

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obendrein ganz satt, da hierbei fast nur der Mode gefröhnt werden muß.«154 Es gelang ihm aus diesem Grund, mehr Verständnis für Constanze Mozarts Interessen aufzubringen. Er führte ihre Tätigkeiten der Sammlung und Katalogisierung von Autographen fort. Vielmehr noch: Er teilte ihre Auffassung, dass der Nachlass unabhängig von der wirtschaftlichen Bedeutung einen eigenen Wert für das musikkulturelle Gedächtnis besaß.

3.5. Exkurs: Die Verhandlungen Joseph Haydns mit Breitkopf & Härtel Wie bereits erwähnt, erhielt Georg August Griesinger im Mai 1799 von Gottfried Christoph Härtel den Auftrag, mit Joseph Haydn Kontakt aufzunehmen und von der Drucklegung seiner Werke bei Breitkopf & Härtel zu überzeugen. Damit hatte er Erfolg, denn Haydn nahm die Vorschläge des Verlags an, wie Griesinger Härtel berichtete: Die von Ihnen projektirte Ausgabe seiner Claviercompositionen hat seinen ganzen Beyfall und ich habe den bestimmtesten Auftrag, Sie seiner vollkommensten Genehmigung zu versichern. Da schon vieles unter seinem Namen herausgekommen ist, wovon er nicht Verfasser ist, so wünschte er von Ihnen das Verzeichnis der Compositionen zu erhalten, welche gedruckt werden sollen. Er selbst besitze die Originale nicht mehr, in seiner Jugend habe er seine meisten Partituren verschenkt.155

Hier wird deutlich, dass Breitkopf & Härtel ebenfalls die Initiative ergriff, Haydns Kompositionen in größerem Umfang zu verlegen. Bereits am 5. Juni 1799 schaltete Breitkopf & Härtel in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung eine Anzeige mit der Ankündigung der Œuvres complettes von Joseph Haydn, die »unter Zustimmung und Autorität des Verfassers selbst«156 erscheinen würde. Hier folgte der Verweis auf die Vorbildlichkeit der Ausgabe der Œuvres complettes von Wolfgang Amadé Mozart: Die Haydnsche Ausgabe würde in derselben Art gedruckt und zu denselben preislichen Konditionen vertrieben werden. Auch sollten zuerst die Klavierkompositionen erscheinen, das erste Heft bereits im Sommer 1799.157 Jährlich würden vier Hefte herausgegeben, 154 Johann Anton André an Justus Johann Friedrich Dotzauer, Offenbach, 3.1.1824, zitiert nach ebd., S. 272. 155 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 18.5.1799, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 24. 156 Intelligenzblatt Nr. XIV zur AMZ, Juni 1799. 157 Joseph Haydn: Œuvres complettes, Bd. 1: VIII Sonates pour le Pianoforte, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1799].

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und »wenn das Publikum es wünscht, mehrere Hefte folgen« 158. Hier wird einmal mehr die Bewährung beim Publikum als Breitkopf & Härtels Kriterium für die Herausgabe deutlich, wovon offensichtlich auch die Fortsetzung abhing. Joseph Haydn willigte in den Vorschlag ein, machte allerdings auch sofort deutlich, dass er ein von Verlagen umworbener Komponist war. Die Ausgangslage war bei Joseph Haydn eine völlig andere als bei Constanze Mozart: Er hatte Autographe nicht nur teilweise verschenkt, sondern bereits eine Vielzahl seiner Werke bei anderen Verlagen drucken lassen, vor allem in England. Dies erschwerte ihm, die Œuvres complettes durch Originale zu unterstützen, denn die meisten Originale seiner Kompositionen lagen ihm selbst nicht mehr vor, wie Griesinger berichtete: Hier folgt das thematische Verzeichnis der Clavierstüke; vier, welche mit Kreuzen bezeichnet sind, erkennt Haydn nicht für die seinigen. Er wunderte sich, wie Sie so viele seiner früheren Arbeiten haben zusammenbringen können, denn er selbst habe von den wenigsten weder eine Copie, noch einen Catalog; lezterer ist ihm erst vor zwei Jahren aus seinem Zimmer weggenommen worden, nachdem er ihn gegen 40 Jahre hindurch fortgeführt hatte. Es gehört jezt zu seinen Projekten, die aber vielleicht nie zur Reife kommen, einen neuen Catalog zu verfertigen. Er bat mich, ihm das von Ihnen erhaltene Simphonien Verzeichniss abschreiben zu lassen; von den 123 angemerkten Symphonien sind 107 von ihm und über ein paar steht er im Zweifel. Er hat sie nach Jahrzehnten geordnet und noch Eine, die nicht in Ihrem Verzeichnis steht angemerkt. So bald Haydn die Abschrift besorgt hat, schike ich Ihr Original.159

Der Verlag war Joseph Haydn in einer Werkübersicht offenbar voraus, dies regte ihn jedoch an, selbst ein neues Verzeichnis zu erstellen, welches mit Hilfe seines Kopisten Johann Eßler 1805 fertig gestellt wurde. Bezeichnenderweise betitelte er dieses als Verzeichnis aller derjenigen Compositionen welche ich mich beyläufig erinnere von meinem 18ten bis in das 73ste Jahr verfertiget zu haben.160 Als die Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel begannen, konnte Joseph Haydn gar nicht für sich beanspruchen, einen Gesamtüberblick über sein Schaffen zu besitzen. Daraus lässt sich auch eine andere Motivation in den Verhandlungen ableiten: Er war zwar an einer qualitativ hochwertigen Veröffentlichung einzelner Werke oder Werkgruppen interessiert, jedoch nicht zwangsläufig an einer Gesamtausgabe, während Constanze Mozart dieses Interesse immer wieder gegenüber dem Verlag äußerte. 158 Ebd. 159 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 10.2.1802, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 140f. 160 Vgl. ebd., Fußnote 253, S. 140.

Exkurs: Die Verhandlungen Joseph Haydns mit Breitkopf & Härtel

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Er war daher zunächst grundsätzlich zögerlich, auf Breitkopf & Härtels Anfragen einzugehen. Der Verlag wollte z. B. drei- und vierstimmige Gesänge Haydns in die Gesamtausgabe mit aufnehmen und machte ein Angebot von 300 Gulden. Griesinger berichtete von der Schwierigkeit, mit Haydn ins Geschäft zu kommen: »Es scheint nichts einfacheres auf der Welt zu seyn als 300 f. zu zahlen und dafür ein musicalisches Manuscipt in Empfang zu nehmen. So leicht geht es aber mit dem alten Papa nicht […]«161 Griesinger deutete an, dass man bei Haydn nur schwer Erfolg hätte: Er würde grundsätzlich immer erst die selbständige Herausgabe erwägen und es sei schwer, auch wegen van Swietens Einfluss, ihn davon abzubringen. Außerdem würde er stets andere Angebote einholen, hier etwa des Verlegers Tranquillo Mollo, der mit Sigismund Neukomm eng kooperierte und für den dieser auch einen Klavierauszug der Jahreszeiten 1802 anfertigte.162 Mollo würde für die Gesänge 500 Gulden bieten,163 Griesinger riet Breitkopf & Härtel daher, das Preisangebot zu erhöhen. Schließlich ließ Haydn sich doch mit Breitkopf & Härtel ein, die Gesänge wurden in den Bänden VIII und IX der Œuvres complettes veröffentlicht.164 Joseph Haydn war ferner nicht bereit, sämtliche Kompositionen dem Verlag zu überlassen, vor allem nicht solche, die ihm anderweitig gute finanzielle Erträge versprachen wie z. B. die Schöpfung. Diese war ein Kompositionsauftrag der Wiener Adligen der »Gesellschaft der Associierten Cavaliere«, womit Haydn ein stattliches Honorar von 500 Dukaten erhielt.165 Auch hatte ihm die Gesellschaft offenbar dazu geraten, die Partitur selbständig herauszugeben.166 Dafür schaltete er am 19. Juni 1799 in der Wiener Zeitung eine Anzeige, worin bereits 507 Bestellungen für die Partitur der Schöpfung genannt wurden.167 Auch die Erstellung eines Klavierauszugs durch Sigismund Neukomm veranlasste er selbst.168 Über die Schöpfung kam es demnach zunächst nicht zu einem Vertrag mit Breitkopf & Härtel, weil Haydn seine Interessen besser 161 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 15.1.1802, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 128. 162 Vgl. ebd., Fußnote 211, S. 112. 163 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 15.1.1802, in: ebd., S. 129. 164 Joseph Haydn: Œuvres complettes, Bd. 8: XV Airs et Chansons et Arianne à Naxos, Scène avec accompagnement du Pianoforte; Bd. 9: XXXIII Airs et Chansons avec accompagnement du Pianoforte, Leipzig: Breitkopf & Härtel [beide 1803]. 165 Vgl. Annette Oppermann: »Die Schöpfung«, in: Raab/Siegert/Steinbeck (Hg.): HaydnLexikon, S. 675–680, hier S. 678. 166 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 3.7.1799, in: ebd., S. 32f. 167 Vgl. ebd., Fußnote 24, S. 32. 168 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 15.11.1800, in: ebd., S. 40f; vgl. auch ebd., Fußnote 40, S. 40.

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durch die eigene Ausgabe gewahrt sah und es finanziell sogar lukrativer war, selbst zu verlegen. Sein Oratorium Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze hingegen bot er schon während der Entstehung Breitkopf & Härtel an, worauf der Verlag hingegen – überraschenderweise – nicht unmittelbar einging. Als Joseph Haydn mit Baron van Swieten Rücksprache hielt, entschied er sich auch in diesem Fall, das Oratorium erst einmal zurück zu halten. Griesinger erwähnt, dass van Swieten grundsätzlich zur Vorsicht riet, und Haydn alles eng mit ihm besprach: Haydn welcher fast immer von Swietens Meynung ist, will auch ehe sein Werk geendigt und einigemal aufgeführt worden ist, wegen des Verlags noch keine Maasregeln treffen. Er hofft auch mehr dafür zu bekommen, wenn der Ruf davon in alle Welt erschallt seyn wird.169

Gottfried van Swieten wird in vielen Briefen von Griesinger als einflussreicher Berater Joseph Haydns beschrieben; er sagte in Bezug auf die Publikation der Jahreszeiten, dass Haydn »ohne ihn schwerlich einen Schluss fassen wird.«170 Den Einfluss van Swietens versuchte Griesinger teilweise dadurch zu umgehen, indem er Haydn Vorschläge machte, ohne van Swieten davon in Kenntnis zu setzen: »Ihr Gedanke, Haydn eine Cantate von einem classischen Schriftsteller componiren zu lassen, ist vortrefflich und ich will ihn Haydn mittheilen. Nur muss van Swieten nichts davon wissen.«171 Im Februar 1801 kam es über die Sieben Worte schließlich doch zu einem Vertrag mit Breitkopf & Härtel, und Haydn erhielt dafür 50 Dukaten.172 Van Swieten riet Haydn jedoch weiter davon ab, die Druckplatten der Schöpfung an Breitkopf & Härtel zu verkaufen, und »Von diesem Beschluß seines Orakels wird Haydn nicht abzubringen seyn, obwohl ich gleich sehr wohl merkte, daß ihm der Selbstverlag entleydet ist«, wie Griesinger es auf den Punkt brachte.173 Griesinger schickte Breitkopf & Härtel auch eine Hochrechnung über die Einkünfte, die Haydn durch den Druck im Selbstverlag erzielen würde. Gemessen an der Schöpfung müsste Breitkopf & Härtel für

169 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 15.11.1800, in: ebd., S. 49. 170 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 1.7.1801, in: ebd., S. 84. 171 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 10.10.1801, in: ebd., S. 97. 172 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 11.2.1801, in: ebd., S. 54f. 173 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 25.3.1801, in: ebd., S. 60.

Exkurs: Die Verhandlungen Joseph Haydns mit Breitkopf & Härtel

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die Jahreszeiten 1000 bis 1500 Dukaten bieten174 – eine unglaubliche Summe, wenn man vergleicht, dass Constanze Mozart für ein ungedrucktes Klavierkonzert 15 Dukaten aushandeln wollte und sich über Breitkopf & Härtels Angebot von fünf Dukaten empörte.175 Die Schöpfung überließ Joseph Haydn schließlich Breitkopf & Härtel zu einem ähnlich exorbitanten Preis von 4500 Gulden176 – wohlgemerkt nachdem er diese bereits selbst verlegt und davon die Einnahmen erhalten hatte. Über Haydns Kalkül bemerkte Georg August Griesinger lakonisch: »Haydn hat den Stein der Weisen der auch aus Drek Gold zu machen versteht.«177 Derweil sandte Johann Anton André offenbar auch eine Person seines Vertrauens nach Wien zu Haydn, um über die Jahreszeiten zu verhandeln: Vor einigen Wochen (ich erzähle alles aus Haydns Munde) kam eine Frau hier an, deren Mann mit André in Offenbach assoziiert ist; die oder ihr Mann sticht die Noten nach einer neu erfundenen Manier auf Stein und sie zeigt Proben, welche dem schönsten Stich auf Zinn gleich kommen sollen. […] Diese Frau nun ist es, welche Haydn und Swieten sehr dringend um die Jahrezeiten ersucht, sie hat auch hier einen Agenten und steht mit Kaufleuten in Verbindung und bietet tausend Ducaten für das Werk. Haydn will es um diesen Preis lassen.178

Es schien sich um die Ehefrau Alois Senefelders zu handeln, die für André eine ähnliche Vermittlerfunktion einnahm wie Griesinger für Breitkopf & Härtel. Ähnlich wie Constanze Mozart handelte sich Joseph Haydn in den Verhandlungen mit André Bedenkzeit aus, um noch einmal mit Breitkopf & Härtel ins Geschäft zu kommen. Griesinger verwies in diesem Zusammenhang auf Constanze Mozarts Vertrag mit André, und damit auf gefährliche Konkurrenz durch André und seine Vermittlerin: »So viel wird mir Haydn gerne zugestehen, dass er der Offenbacherin keine bestimmte Antwort giebt bis die Ihrige da ist. André hat der Wittwe Mozart für vielen Wust schon einmal 600 Ducaten bezahlt; die Jahreszeiten haben bleibenden Werth…«179

174 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 15.4.1801, in: ebd., S. 71. 175 Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 15.6.1799, in: B/D IV, S. 246. 176 Vgl. Joseph Haydn an Georg August Griesinger, Eisenstadt, 3.7.1801, in: Joseph Haydn: Gesammelte Briefe und Aufzeichnungen, hg. und erläutert von Dénes Bartha, Kassel u. a. 1965, S. 368f. 177 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 25.4.1801, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 73. 178 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 16.6.1801, in: ebd., S. 79f. 179 Ebd., S. 81f.

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In dieser Aussage wird mit Blick auf den Nachlass Wolfgang Amadé Mozarts deutlich, dass Breitkopf & Härtel nicht daran interessiert war, einen gesamten Nachlass zu kaufen. André wird dargestellt, als würde er bei Werken nicht in hoch- und minderwertige unterscheiden, sondern einfach alles kaufen; Breitkopf & Härtel stünde jedoch für Qualität, wofür sich die Jahreszeiten durch ihren »bleibenden Werth« prädestinierten. Tatsächlich kam es um den 4. Juli 1801 über die Jahreszeiten zum Vertrag mit Breitkopf & Härtel für eine Summe von 2000 Gulden.180 Hier ist auffällig, dass Griesinger Haydn das Geld überreichte und anschließend erst die Partitur erhalten sollte; eine nachträgliche Vergütung wie bei Constanze Mozart erfolgte damit nicht. Im Gegenteil, hier kam es nun zu einem umgekehrten Verhältnis, in dem der Verlag der Bittsteller war, denn Haydn ließ sich Zeit mit der Lieferung der Partitur an Griesinger;181 die Verzögerung ergab sich scheinbar aber dadurch, dass Haydn sie noch nicht fertig gestellt hatte.182 Erst am 23. August 1801 erhielt Griesinger die Partitur und sandte sie nach Leipzig.183 Hier zeigt sich die günstigere Position des Verlags gegenüber Constanze Mozart im Gegensatz zu Haydn: Da Wolfgang Amadé Mozart bereits verstorben und alle Kompositionen damit abgeschlossen waren, konnte es durch Verzögerungen im Kompositionsprozess auch nicht zu verspäteten Lieferungen kommen. Joseph Haydn war es wie Constanze Mozart ein Anliegen, dass der Verlag öffentlich auf die Kooperation aufmerksam machte. In der Ankündigung der Herausgabe der Partitur und des Klavierauszugs der Jahreszeiten sollte Breitkopf & Härtel in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung darauf hinweisen, dass dieser »von Haydn gebilligt«184 sei. Interessanterweise druckte der Verlag die Partitur ohne diesen Zusatz, während er bei der Veröffentlichung von Wolfgang Amadé Mozarts so viel Wert darauf gelegt hatte zu erwähnen, dass er die Originale rechtmäßig von Constanze Mozart erhalten hatte. Womöglich war sich Breitkopf & Härtel hier des erfolgreichen Absatzes der Partitur so sicher, dass der Verlag auf diesen Hinweis verzichten konnte. Diese Einblicke in Joseph Haydns Verlagsverhandlungen zeigen, dass dieser in den Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel andere Ziele verfolgte. Er 180 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 4.7.1801, in: ebd., S. 85. 181 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 14.8.1801, in: ebd., S. 89. 182 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 22.8.1801, in: ebd., S. 90. 183 Vgl. Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 25.8.1801, in: ebd., S. 91. 184 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 10.10.1801, in: ebd., S. 95.

Exkurs: Die Verhandlungen Joseph Haydns mit Breitkopf & Härtel

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war ein allseits umworbener Komponist und seine Werke wurden in vielen Verlagen gedruckt. Er gehörte zu den Komponisten, die es aufgrund ihres hohen Renommés nicht nötig hatten, sich an einen Verlag zu binden, sondern an den Meistbietenden verkaufen konnten.185 Außerdem konnte er durch den Druck im Selbstverlag hohe Einnahmen erzielen, sogar höhere als in einer Verlagskooperation. Die Auftragskompositionen der Wiener Adligen brachten ihm ebenfalls große Summen ein. Daher war Joseph Haydn nur an einzelnen Ausgaben bei Breitkopf & Härtel interessiert. Es wird auch deutlich, dass Georg August Griesinger als Mittelsmann unbedingt notwendig war, um auf Haydn immer wieder einzuwirken und ihn zu bitten, »seinen Freund Härtel in Leipzig nicht zu vergessen.«186 Ohne Griesingers hartnäckiges Insistieren wäre es womöglich gar nicht zu Verträgen mit Joseph Haydn gekommen. Constanze Mozarts Bereitschaft zur stetigen Verhandlung mit Breitkopf & Härtel war von Beginn an wesentlich größer als Haydns, denn sie war an einer Herausgabe möglichst aller Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts interessiert. Zwei Folgen leiteten sich daraus ab: Einerseits erschienen die Bände der Œuvres complettes Wolfgang Amadé Mozarts vergleichsweise dicht, d. h. in kurzen zeitlichen Abständen. Auch erschienen, obwohl die Verhandlungen scheiterten, insgesamt mehr Bände (insgesamt 41) als bei Haydn (insgesamt 12), denn der Verlag hatte Autographe bzw. Abschriften davon vorrätig und konnte damit die Ausgabe fortsetzen. Eine weitere Folge hatte die enge Kooperation Constanze Mozarts mit den Verlagen: Die meisten der Autographe wurden als Konvolut zusammen gehalten und überliefert, anders als bei Haydn, der schon zu Lebzeiten solche verschenkte oder sie nach Drucken nicht von Verlegern zurückforderte, so dass zu einer Vielzahl seiner Werke heute keine Autographe überliefert sind. Nur zu einem Drittel seines Œuvres liegen Autographe vor,187 während sich die Anzahl bei Wolfgang Amadé Mozart auf 80 Prozent beläuft.188

185 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 241. 186 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 27.11.1802, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 174. 187 Vgl. Sonja Gerlach/Armin Raab: Art. »Autographe«, in: Raab/Siegert/Steinbeck (Hg.): Haydn-Lexikon, S. 74–79. 188 Dietrich Berke: »Philologie«, in: Leopold (Hg.): Mozart Handbuch, S. 676–691, hier S. 682.

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3.6. Das Konzept einer Gesamtausgabe um 1800 Als Breitkopf & Härtel die Œuvres complettes initiierte, war dies ein innovatives Konzept. Es wurde dezidiert als Verkaufskonzept eingesetzt, um die Marktposition zu behaupten und durch Subskription ein spezielles Publikum an sich zu binden. Georg August Griesinger äußerte diese Strategie gegenüber einem skeptischen Joseph Haydn und berichtete anschließend Gottfried Christoph Härtel: »Er [Joseph Haydn] schien empfindlich darüber zu seyn, dass Sie seine Lieder nicht als ein eigenes Werk herausgeben, sondern in die Hefte einschalten wollen. Er hält das als eine Verachtung seines Werkes, ungeachtet ich ihn versicherte, dass es blos um des Publicums willen, welches auf die Heffte subscribirt, geschehe.«189 Es sollte ein exklusives Publikum angesprochen werden. Dabei spielte auch die Drucktechnik eine Rolle, die als »Glaubensfrage« galt.190 Als traditionsreicher Verlag, wie allgemein die mittel- und norddeutschen Unternehmen, lehnte Breitkopf & Härtel die von Johann Anton André verwandte neue Technik der Lithographie ab: Statt dessen sind für das Unternehmen u. a. »Gesamtausgaben« im Typendruck charakteristisch, womit gleichzeitig die lange Tradition des Hauses unterstrichen und vergegenwärtigt wie auch die Monumentalität und Dauerhaftigkeit der »Klassiker«-Editionen hervorgehoben wurden.191

Es sollte ein Publikum gewonnen werden, das sehr gute Papier- und Druckqualität sowie prachtvolle, aufwändig gestaltete Ausgaben schätzte. Auch der französische Titel »Œuvres complettes« sollte Exklusivität suggerieren. Es wurden unterschiedliche Titelvignetten bei Kupferstechern in Auftrag gegeben, diese zierten jeweils die erste Seite der Ausgaben (vgl. Abb. 16). Der Verlag unterstrich damit sein Selbstverständnis als »Vermittler kultureller Werte«192. Hier kam auch der Begriff »Denkmal« ins Spiel, welches der Verlag sich durch eine solche Gesamtausgabe selbst setzen würde, wie Georg August Griesinger es auf den Punkt brachte: »Ich weiss auch, dass Ihnen der Wunsch, durch das Meisterwerk eines der Ersten Tonkünstler Ihrem Verlag ein dauerndes Denkmal zu sezen, nicht gleichgültig seyn kann…«193 Die Idee einer Gesamtausgabe mit dem Titel Œuvres complettes war damit ein Geschäftsmodell mit kultureller Sendung, wobei es darum ging, dem Verlag selbst und 189 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 2.4.1803, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 190. 190 Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 84. 191 Ebd. 192 Ebd., S. 290. 193 Georg August Griesinger an Gottfried Christoph Härtel, Wien, 4.7.1801, in: Biba: »Eben komme ich von Haydn…«, S. 87.

Das Konzept einer Gesamtausgabe um 1800

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nicht vorrangig dem Komponisten ein Denkmal zu setzen. Dennoch hatte es ähnliche Vorhaben bei anderen Verlagen gegeben, wie der bereits erwähnte Vorstoß des Verlags Spehr in Braunschweig. Breitkopf & Härtel grenzte sich in ihren Ankündigungen auch offensiv von diesen Konkurrenzunternehmungen ab: »Uebrigens hoffen wir, dass man diese unsre Ausgabe der Werke Haydn’s mit einer andern von einem Herrn Lehmann in Leipzig vor kurzem angekündigten, nicht verwechseln werde.«194 Die Bände der Œuvres complettes erschienen sukzessiv, und zwar in kurzen Abständen von wenigen Monaten. Bereits am 16. November 1798, also ein halbes Jahr, nachdem die Verhandlungen aufgenommen worden waren, bedankte sich Constanze Mozart für das Erscheinen des ersten Heftes mit »VII Sonates pour le Pianoforte«, welches sieben Klaviersonaten (später KV 330–333, 284, 310 und 311) enthielt (vgl. Abb. 16).195 Aus einem 1800 bei Breitkopf & Härtel gedruckten Verzeichnis musikalischer Werke, im Verlage Breitkopf & Härtel in Leipzig wird deutlich, wie die Anlage der Œuvres complettes geplant war. Zuerst sollten die »Klaviersachen« gedruckt werden (14 Bände), dann zweitens Partituren größerer Werke (hier genannt das Requiem und Don Giovanni), drittens Musik für »mehrere Instrumente«, wobei hier zunächst nur 13 Klavierkonzerte angeführt wurden.196 Dazu sollten sollten auf lange Sicht aber auch weitere Orchesterwerke sowie Kammermusik dazu zählen, wie die Anzeige vom Mai 1800 im Intelligenzblatt der Allgemeinen Musikalischen Zeitung zeigt: »Diese Hefte [der 3. Abteilung] werden nun wechseln – bald ein Klavierkonzert, bald eine Parthie Quartetten u.s.w.«197 Diese Anzeige reagierte in erster Linie auf Kritik an der Konzeption der Œuvres complettes durch die Käuferschaft. Der Vertrieb der Ausgabe lief über Pränumeration, d. h. über Vorbestellung inklusive Vorausbezahlung. Die Pränumeranten verpflichteten sich damit auch, alle Bände zu bestellen. Der Kauf von einzelnen Heften war nicht möglich, wie Breitkopf & Härtel noch während der Auslieferung der ersten Abteilung der Klaviermusik betonte: Wir bemerken ferner, dass wir einzelne Hefte der Klaviermusik nicht ablassen können; diejenigen, welche künftig einen einzelnen Heft zu besitzen wünschen sollten, können denselben nicht anders von uns erhalten, als wenn sie auch die vorhergehenden Hefte nach dem Ladenpreise übernehmen.198 194 Intelligenzblatt Nr. XIV zur AMZ, Juni 1799. 195 Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. I/1: VII Sonates pour le Pianoforte, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1798]. 196 Vgl. B/D VI, S. 456. Hier wird keine Quelle für dieses Verzeichnis genannt. Dieses ist aber identisch mit dem Verkaufskatalog in Bd. VIII der Œuvres complettes Joseph Haydns, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1800]. 197 Intelligenzblatt Nr. XIII zur AMZ, Mai 1800. 198 Intelligenzblatt Nr. II zur AMZ, Oktober 1798.

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Dies betraf allerdings nur die Bände einer Abteilung. Das heißt, die Abonnenten der ersten Abteilung mit Klaviermusik waren nicht verpflichtet, die nächste mit größeren Partituren auch zu abonnieren.199 Während der Planung der dritten Abteilung, d. h. der Orchesterwerke und Kammermusik, hatte es offenbar Kritik an dieser Verpflichtung zur Pränumeration der gesamten »Abteilung« gegeben. Es stellte sich heraus, dass nicht alle Gattungen dieser Abteilung alle Käufergruppen gleichermaßen ansprachen, sicherlich wegen der heterogenen Besetzungen. Daher gab Breitkopf & Härtel dem Wunsch des Publikums nach, Werke in unterschiedlichen Besetzungen jeweils nochmal in Untergruppen zusammen zu fassen und zum Verkauf anzubieten, so »dass also kein Klavierspieler[, der sich eben nur für die Klavierkonzerte interessierte], um ein ganzes zu haben, genöthigt wäre, Quartetten, Harmonieparthien u. dgl. zu kaufen.«200 Zu Beginn der Verhandlungen im Mai 1798 stand die Reihenfolge der Bände in ihrer Gesamtheit noch nicht fest, oder der Verlag hatte Constanze Mozart seine eventuell schon getroffene Entscheidung nicht mitgeteilt. Dies erklärt sich auch aus der Tatsache, dass Breitkopf & Härtel keinen vollständigen Überblick über den Nachlass hatte. Am 30. Januar 1799 fragte Constanze Mozart nach, an welchen Musikalien der Verlag als nächstes interessiert wäre, sie hätte Klavierkonzerte, Symphonien, Opern, Oratorien und Arien anzubieten. Sie schlug daraufhin vor, »fachweise« zu verhandeln, d. h. nach Gattungen: »Vielleicht wäre es das beßte, daß wir fachweise mit einander abmachten. Melden Sie mir gefälligst, womit von obiger Classificazion wir den Anfang machen sollen.«201 Auch zwei Wochen später schrieb sie: »Um so viel mehr bin ich also begierig auf Ihre Antwort auf meinen Brief vom 26. Jan., um zu wissen, in welcher Ordnung wir die Musicalien vornehmen.«202 Am 2. März 1799 berichtete sie, sie würde nun die Klavierkonzerte und Quartette durchsehen, was offenbar Breitkopf & Härtel angeregt hatte: »Ich werde nun zuerst nach Ihrem Wunsche die Clavierconcerte und Quartette vornehmen: ich erwarte also zuerst deren Themen von Ihnen.«203 Bereits Ende des Monats war sie damit fertig, am 27. März 1799 antwortete sie Breitkopf & Härtel: »Sie können gleich Thema’s von Clavierconcerten, mehreren Singsachen, Arien und Liedern, (von Arien habe ich recht viele) Symphonien, Quartetten für die Violine und Violinconcerte nach Ihrer Wahl und nach beliebiger Ordnung

199 200 201 202 203

Vgl. Intelligenzblatt Nr. XIX zur AMZ, September 1799. Intelligenzblatt Nr. XIII zur AMZ, Mai 1800. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 30.1.1799, in: B/D IV, S. 225. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.2.1799, in: B/D IV, S. 225f. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 2.3.1799, in: B/D IV, S. 231.

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bekommen. Die Verzeichnisse sind so gut als fertig.« 204 Es hatte scheinbar auch eine Anfrage für Sinfonien gegeben, worauf sie schrieb, dass sie »über 40. in Originalpartitur« besäße.205 Das bedeutet, sie sandte in relativ kurzen zeitlichen Abständen sämtliche Gattungen ein, von denen Breitkopf & Härtel großzügig auswählen konnte. Der Aufbau und die Reihenfolge der Ausgabe lag damit in der Hand des Verlags und Constanze Mozart respektierte dies. Sie machte allerdings selbst Vorschläge, was sie gern bald veröffentlicht sähe. Ein wichtiges Anliegen waren ihr z. B. die Lieder. Am 25. Februar 1799 sandte sie eine Liste an Liedern an den Verlag,206 die auch noch im selben Jahr im Heft 5 der Œuvres complettes erschienen.207 Hier konnte der Verlag ihrem Wunsch nachkommen und gleichzeitig der eigenen Präferenz von neuen Kompositionen stattgeben, wie auch im Vorwort der Liedausgabe betont wurde. Die Auslieferung dieses Heft wurde im September 1799 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung angekündigt.208 Dass ihr dieses Heft besonders am Herzen lag und sie es sehnsüchtig erwartete, betonte sie gegenüber dem Verlag: »Ich schmachte nach Ihrem 5ten Heft und mehrere mit mir […].«209 Am 11. November 1799, einige Tage nach dem Vertrag mit Johann Anton André, stand das sechste Heft zur Disposition, das konzeptionell so gut wie fertig war und bald erscheinen sollte.210 Constanze Mozart sandte ein Rondo (KV 511) und eine Gigue (KV 574) ein mit dem Hinweis, sie in dieses Heft noch aufzunehmen, was auch geschah. Am 20. Februar 1800 bedankte sich Maria Anna Mozart, mit der Breitkopf & Härtel zwischenzeitlich Kontakt aufgenommen hatte, für die Zusendung dieses sechsten Heftes.211 Das bedeutet, es war das letzte, in dem Constanze Mozart die Auswahl konkret beeinflusste, denn ihre Einflussnahme brach ab, als der Vertrag mit Johann Anton André am 8. Januar 1800 in Kraft trat. Im Anschluss hat es zwar auch noch Briefverkehr mit Breitkopf & Härtel gegeben, aber nicht über die inhaltliche Gestaltung der Œuvres complettes.

204 205 206 207 208 209 210 211

Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.3.1799, in: B/D IV, S. 235. Ebd., S. 233. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 25.2.1799, in: B/D IV, S. 229. Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. I/5: Trente Airs et Chansons pour le Pianoforte, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1799]. Intelligenzblatt Nr. XIV zur AMZ, Juni 1799. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 29.9.1799, in: B/D IV, S. 274. Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. I/6: XIV Différantes Pièces pour le Pianoforte, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1799]. Vgl. Maria Anna Mozart, verheiratete Berchtold zu Sonnenburg, an Breitkopf & Härtel, St. Gilgen, 20.2.1800, in: B/D IV, S. 318.

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Dennoch brachte Breitkopf & Härtel weitere Bände auf den Markt. Das Ergebnis der Œuvres complettes entsprach der angekündigten Anlage. In einer ersten »Abteilung« wurden 17 Bände gedruckt. Der Fokus war auf Klaviermusik, offensichtlich auch vorrangig für ein klavierbegeistertes Publikum gedacht. Allerdings enthielten nur acht von diesen 17 Bänden Musik für das Klavier, d. h. Sonaten zu zwei und vier Händen sowie kleinere Klavierstücke.212 Der vierte Band beinhaltete Sonaten »avec l’accompagnement d’un Violon«213, d. h. Violinsonaten, im fünften Band waren wie erwähnt 30 Lieder enthalten. Ab dem neunten Band wurde Kammermusik gedruckt, u. a. Klaviertrios und -quartette. Im zweiten Teil der Œuvres complettes wollte Breitkopf & Härtel im Interesse der Abnehmer »die Opern und Kirchen-Kompositionen immer wechselnd auf einander folgen lassen.« 214 Als erstes erschien das Requiem, das im September 1799, also noch während der Entstehungsphase der ersten Abteilung, angekündigt wurde;215 im Anschluss Don Giovanni216 und ab 1802 auch einzelne Messen,217 die Constanze Mozart im Juli 1799 dem Verlag angeboten hatte.218 In der dritten großen Abteilung erschienen schließlich die angekündigten Klavierkonzerte, insgesamt bis 1804 waren es 20 an der Zahl,219 also mehr als Breitkopf & Härtel noch 1800 angekündigt hatte. Breitkopf & Härtels Geschäftsmodell der Œuvres complettes ging offenbar auf, wie die Nachfrage zeigt. Bereits im Oktober 1798, nach Erscheinen des ersten Heftes mit Klaviersonaten, berichtete der Verlag in seinem Intelligenzblatt, dass sogar die zweite Auflage dieses Heftes bereits vergriffen und deshalb eine dritte Auflage geplant sei, womit gleichzeitig eine Entschuldigung für die verzögerte Auslieferung des nächsten Heftes erfolgte. Auch eine 212 Zur Übersicht vgl. Quellen- und Literaturverzeichnis. 213 Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. I/4: VI Sonates pour le Pianoforte avec l’accompagnement d’un Violon, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1799]. 214 Intelligenzblatt Nr. XIX zur AMZ, September 1799. 215 Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. II/1: Missa pro defunctis, Requiem. W.A. Mozarts Seelenmesse mit unterlegtem deutschen Texte, Partition, 2 cahiers, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1800]. 216 Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. II/2: Don Juan oder Der Steinerne Gast: komische Oper in zwey Aufzügen. Mit unterlegtem deutschen Texte nebst sämmtlichen von dem Komponisten später eingelegten Stücken, Partition, 2 cahiers, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1801]. 217 Wolfgang Amadeus Mozart: Œuvres complettes, Bd. II/3: Messe à quatre voix avec accompagnement de deux Violons et Basse, deux Haubois, deux Trompettes, Timbales et Orgue No. I, Partition, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1803]; Bd. II/4: Messe à quatre voix avec accompagnement de deux Violons et Basse, deux Haubois, deux Trompettes, Timbales et Orgue No. II, Partition, Leipzig: Breitkopf & Härtel [1803]. 218 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 30.7.1799, in: B/D IV, S. 258. 219 Zur Übersicht vgl. das Quellen- und Literaturverzeichnis.

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weitere Anzeige bestätigt, dass das Publikum die Herausgabe ungeduldig erwartete: »Dem Wunsche des Publikums gemäss, werden die künftigen Hefte, welche Mozarts Klavierkompositionen in ununterbrochener Folge liefern, von nun an schneller auf einander folgen.«220 Ein Verzeichnis mit Namen der Pränumeranten liegt leider nicht vor, die Auflagenhöhe lässt sich allerdings annähernd über das Druckverfahren erschließen. Der Typendruck ermöglichte etwa 300 Abzüge pro Druckplatte,221 diese Auflage ist damit pro Band der Œuvres complettes zu vermuten. Bei einer neuen Auflage musste eine neue Platte angefertigt werden, was zeitaufwändig war, und womit sich die Verzögerung in der Herausgabe erklären. Eine wiederholte Auflage war zumeist etwas kleiner, bei André in der Regel 150.222 Wenn in der Ankündigung der Œuvres complettes von einer dritten Auflage die Rede ist, und die Neuauflagen mit ca. 200 Exemplaren einzuschätzen sind, wären von der ersten Abteilung pro Band etwa 700 Exemplare in Umlauf gekommen. Es ist richtig, dass die Œuvres complettes von Breitkopf & Härtel im Ergebnis »weder vollständig […] noch kritisch«223 waren, und eine »rigorose Vollständigkeit, also auch der Abdruck von Skizzen und Entwürfen«224 hier nicht vorlag. Der Titel »Œuvres complettes« drückte das Ideal der Vollständigkeit zwar aus. Breitkopf & Härtel entwarfen diese Ausgabe jedoch im Sinne einer Werkausgabe, d. h. autorisierten, nach Originalmanuskript gedruckten Ausgabe. Die Äußerungen gegenüber Constanze Mozart und Georg August Griesinger zeigen jedoch, dass der Verlag nicht daran interessiert war, grundsätzlich alles zu publizieren, sondern sich eine Auswahl vorbehielt, die wirtschaftlich kalkuliert war. Dabei druckte Breitkopf & Härtel vorrangig Werke, die bisher nicht publiziert waren und die einen höheren Absatz erhoffen ließen, d. h. vor allem zunächst Kompositionen für Klavier und Kammermusik. Constanze Mozart plädierte für eine Gesamtausgabe, also eine textgetreue Ausgabe plus Vollständigkeit. Dieses Konzept, einem Komponisten eine Notenausgabe zu widmen, die potenziell sein gesamtes Œuvre umfasst und alle Gattungen bedient, entspricht im Kern der späteren ab Mitte des 19. Jahrhunderts veröffentlichten, sogenannten »kritischen« Gesamtausgabe. Es lässt sich jedoch feststellen, dass das Konzept der Œuvres complettes seinerzeit Vorbildlichkeit besaß.225 Es blieb nicht nur Breitkopf & Härtel vorbehalten, sondern stärkte auch in erheblichem Maße die Marktposition des Verlags. Zwar hatte 220 221 222 223 224 225

Intelligenzblatt Nr. XIV zur AMZ, Juni 1799. Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 285. Vgl. ebd., S. 285. Berke: Art. »Denkmäler und Gesamtausgaben«, Sp. 1114. Ebd., Sp. 1110. Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 261.

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der Verlag Spehr in Braunschweig 1798 ein ähnliches Vorhaben mit dem Titel »Collection complette« angekündigt, dieses wurde allerdings ein Jahr später schon wieder eingestellt und eine Vollständigkeit nicht annähernd erreicht.226 Breitkopf & Härtel gelang es damit außerdem langfristig, diese Marktposition zu behalten, denn es war sicherlich von Bedeutung, dass der Verlag sich bereits durch die Œuvres complettes Mozarts und Haydns bewährt hatte, als später die ersten historisch-kritischen Gesamtausgaben erschienen. Zwischen 1877 und 1883 erschienen 24 Serien einer weiteren Gesamtausgabe Wolfgang Amadé Mozarts mit dem Titel Werke: kritische durchgesehene Gesammtausgabe, die sogenannte Alte Mozartausgabe (AMA). Auch weitere bedeutende historischkritische Gesamtausgaben von Bach (1851–1899), Beethoven (1862–1865) und Haydn (1907–1933) wurden bei Breitkopf & Härtel herausgegeben.227 Johann Anton André kündigte am 10. Februar 1800 im Frankfurter StaatsRistretto die Herausgabe bekannter als auch unbekannter Werke Wolfgang Amadé Mozarts an und ließ damit die Reihenfolge offen. Konkreter gab er in der Anzeige bekannt, es seien »wenigstens vier seiner besten Opern und vielleicht auch mehrere Instrumental-Compositionen in Partitur« geplant.228 Constanze Mozart reagierte darauf folgendermaßen: Ihre Ankündigung ist ja allein über allen widerspruch hinaus und also authentisch genug. Ich hoffe aber immer, daß Sie mehr werke herausgeben werden als die Ankündigung verspricht. Und hiebey fällts mir ein Ihnen unter andern die Idee zu geben, aus den ältern werken, z. B. aus Bastien und Bastienne und den vielen andern, wenn Sie sie nicht gänzlich produciren wollen, die vielen leichten und gefälligen Arien, die darin sind, im Clavierauszug als eine nochmalige Liedersammlung herauszugeben.229

Sie schaltete am 28. August 1800 ihrerseits eine Anzeige in der Grätzer Zeitung, worin sie ankündigte, dass bei André »sämmtliche« bisher erschienenen und auch neue Werke herausgegeben würden.230 Dies klingt, als sei eine vollständige Neuausgabe geplant gewesen. Es ist auffällig, dass Johann Anton André sich aber gegen eine gattungsgebundene, serienmäßige Herausgabe entschied. Stattdessen veröffentlichte er Werke unterschiedlicher Gattungen in Einzelausgaben. Seine Ankündigung im Staats-Ristretto beinhaltete außerdem keine Aufforderung zur Subskription. Constanze Mozart hatte es Johann Anton 226 227 228 229 230

Vgl. Berke: Art. »Denkmäler und Gesamtausgaben«, Sp. 1124. Vgl. ebd., Sp. 1116–1129. Frankfurter Staats-Ristretto vom 10.2.1800, S. 121, vgl. auch B/D VI, S. 496. Constanze Mozart an Johann Anton André, Wien, 21.2.1800, in: B/D IV, S. 319. Grätzer Zeitung vom 28.8.1800, in: B/D IV, S. 368.

Das Konzept einer Gesamtausgabe um 1800

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André noch gegenüber Breitkopf & Härtel zugute gehalten, dass er »sich vielleicht auch dadurch empfiehlt, daß er keine Subscribenten sammelt«231, also dass seine Herausgabe nicht so unmittelbar am Publikum und damit am Absatz orientiert sei. Dabei hielt er sich erst an die von Constanze Mozart als ›Pfand‹ überlassenen Kompositionen, die er in einer Anlage »Litt. A« zum Kontrakt erhalten hatte und direkt drucken durfte. Damit begann ein Wettlauf mit Breitkopf & Härtel über die Erstausgabe von Klavierkonzerten, von denen Breitkopf & Härtel im Frühjahr 1800 ankündigte, sie nach dem Original drucken zu wollen; tatsächlich erschien eine Reihe in der dritten Abteilung der Œuvres complettes. Constanze Mozart riet André, darüber keinen Streit öffentlich auszutragen, sondern abzuwarten; Andrés Ausgaben würden sich durch Korrektheit auszeichnen und bewähren.232 Strategisch fokussierte Johann Anton André zunächst die Herausgabe von unbekannten Werken. Seit Inkrafttreten des Vertrags Anfang 1800 bis 1803 brachte er 39 Erstdrucke heraus, darunter Klavierkonzerte, die Sinfonie DDur (KV 504, »Prager Sinfonie«), Orchestermärsche, das Violinkonzert D-Dur (KV 211), Hornkonzerte und weitere Einzelwerke für Soloinstrumente mit Orchester.233 Zwar erschienen auch sechs Streichquartette, die Bevorzugung von Orchesterwerken war jedoch eindeutig. Johann Anton André baute damit auf sein Verlagsprofil, nämlich symphonische Werke zu bevorzugen. Auch konnte er indirekt damit Breitkopf & Härtel Konkurrenz machen und mit der Publikation von symphonischen Werke eine Lücke schließen. Die Œuvres complettes Breitkopf & Härtels hatten den Fokus auf Klavier- und Kammermusik gelegt; es wurden zwar auch Klavierkonzerte veröffentlicht, aber keine anderen Solokonzerte und auch keine Sinfonien. Durch die Erstdrucke ist eine besonders intensive Herausgeberschaft an Mozart-Werken durch Johann Anton André in den Jahren nach dem Nachlasserwerb zu beobachten. Dennoch zeichnete sich seine Herausgabe auch durch Langfristigkeit aus. Bis 1840 erschienen etwa 400 Ausgaben mit Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts.234 Dabei verlagerte sich der Schwerpunkt deutlich von Erstdrucken zu Bearbeitungen für unterschiedliche Kammermusikbesetzungen, womit André offenbar der Nachfrage des Publikums wieder verstärkt entgegen kam. Neben der Herausgeberschaft Andrés muss 231 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.3.1800, in: B/D IV, S. 333. 232 Constanze Mozart an Johann Anton André, 31.5.1800, in: B/D IV, S. 354. 233 Eine Übersicht über die Erstausgaben bei André ist abgedruckt als Anhang: »Die Mozartschen Erstdrucke des Musikverlags Johann André in Offenbach am Main«, in: Haus der Stadtgeschichte/Jürgen Eichenauer (Hg.): Johann Anton André (1775–1842) und der Mozart-Nachlass, S. 127–130. 234 Vgl. Constapel: Der Musikverlag Johann André in Offenbach am Main, S. 80.

218

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jedoch auch sein spezifisches Nachlassinteresse, d. h. an der Aufarbeitung und Katalogisierung der Autographe berücksichtigt werden. Wie bereits erwähnt, überließ Constanze Mozart Johann Anton André das Verzeichnis mit der Übersicht über die Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts. Er unternahm in der Folge mehrere Versuche, auf Basis der Autographe ein chronologisches Werkverzeichnis anzulegen. Wolfgang Amadé Mozart hatte 1784 selbst ein Verzeichnis erstellt und bis zu seinem Tode fortgeführt. Dieses hatten Abbé Stadler und Georg Nikolaus Nissen im Auftrag Con­ stanze Mozarts fortgesetzt. Die Herausforderung bestand für Johann Anton André nun darin, die vor 1784 entstandenen Kompositionen zu datieren und einzuordnen. 1805 erschien im Verlag André ein Verzeichnis als Druckausgabe, d. h. nicht öffentlich, das unter Mithilfe von Franz Gleissner entstanden war, und 260 Kompositionen vor 1784 listete. André kündigte im Vorwort dieser Ausgabe an, dass weitere Originalmanuskripte in seinem Besitz darauf warteten, in ein Verzeichnis aufgenommen zu werden.235 Dieses Verzeichnis von 1805 verstand André damit selbst als Provisorium. Weitere Verzeichnisse erstellte er 1828 und 1833, die allerdings ebenfalls nicht im Druck erschienen, weil sie seinen eigenen Ansprüchen, ein vollständiges chronologisches Verzeichnis vorzulegen, nicht genügten. Es stellte sich heraus, dass er Probleme mit der Datierung hatte. Er versuchte die Kompositionen auf der Basis von Wolfgang Amadé Mozarts Handschrift zu datieren, was jedoch nur bedingt gelang.236 1841 erschien schließlich ein Verzeichnis, das allerdings lediglich 280 Nummern erhielt und einen Verkaufskatalog inklusive Preisliste darstellte, als Johann Anton André sich entschlossen hatte, die Autographe zum Verkauf anzubieten. Das erste gedruckte, dem Anspruch auf Vollständigkeit genügende chronologische Werkverzeichnis erschien 1862 von Ludwig Ritter von Köchel, der die Verzeichnisse Johann Anton Andrés zum Ausgangspunkt seiner Arbeiten gemacht hatte, wie er im Vorwort schrieb.237 Auch wenn Johann Anton André letztlich kein Verzeichnis veröffentlichte, sind seine Bemühungen doch als wissenschaftliches Interesse zu bewerten, das er dem Nachlass entgegen brachte. Dafür qualifizierte ihn sein musikalisch-künstlerisches Profil und zeigt, dass das Urteilsvermögen der Verleger unterschiedlich begründet

235 Vgl. Wolfgang Plath: »Chronologie als Problem der Mozartforschung«, in: ChristophHellmut Mahling/Sigrid Wiesmann (Hg.): Bericht über den Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongreß Bayreuth 1981, Kassel 1985, S. 371–378, hier S. 372f. 236 Vgl. ebd., S. 374f. 237 Ludwig Ritter von Köchel (Hg.): Chronologisch-thematisches Verzeichnis sämtlicher Tonwerke Wolfgang Amadé Mozarts, Leipzig 1862, 7. Aufl. bearbeitet von Franz Giegling u. a., Wiesbaden 1965, S. XV.

Das Konzept einer Gesamtausgabe um 1800

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war: Bei Breitkopf & Härtel eher wirtschaftlich, bei André zusätzlich künstlerisch, d. h. »aufgrund musikalischer Einsicht«238. Beiden Verlagen war die Nachhaltigkeit ihrer Unternehmungen bewusst. Beide nutzten das Konzept, einen Komponisten zu fokussieren und seine Werke bevorzugt zu drucken, und dies im Falle Breitkopf & Härtels auch so zu vermarkten. Die Unternehmungen beider Verlage führten dazu, dass die Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts in großem Umfang in Umlauf kamen. Eine Vielzahl von Erstdrucken wurde durch die Autographe im Besitz Constanze Mozarts ermöglicht. Bald bestimmten die Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts auch bei vielen anderen Verlagen die Produktion, in den Jahren nach 1800 war er der favorisierte Komponist unter den Verlagen. 239 Durch die Ausgaben seiner Musik lässt sich zwischen 1800 und 1810 eine erste Kanonisierungswelle feststellen, die damit auch als Folge der Aktivitäten Constanze Mozarts anzusehen ist.

238 Vgl. Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 92. 239 Vgl. ebd., S. 262 und 423f, und Ulrich Drüner: »Die Frührezeption von Mozarts Werken im Musikaliendruck«, in: Acta Mozartiana 40 (1993), S. 39–49.

4. Leben beschreiben: Die Entstehung einer Biographie

4.1. Der Weg zur Biographie Viele Jahre nach den Verlagsverhandlungen beschloss Constanze Mozart mit Georg Nikolaus Nissen, eine Biographie über Wolfgang Amadé Mozart her­ auszugeben. Sie befanden sich inzwischen in völlig anderen Lebenszusammenhängen. Um die Gründe für die Entscheidung zu verstehen, zunächst ein Blick zurück: Bereits Leopold Mozart meinte, dass seinem Sohn eine Biographie gewidmet werden sollte und hielt Frau und Tochter dazu an, dafür sämtliche Briefe aufzubewahren, wie Georg Nikolaus Nissen in seinem Vorwort zur Biographie anmerkte.1 Er schrieb auch, dass Leopold Mozart plante, »die Lebensgeschichte seines Sohnes seiner Zeit in den Druck«2 zu geben. Über die Außergewöhnlichkeit Wolfgang Amadé Mozarts und die Bedeutung musikkultureller Erinnerung durch eine Biographie war sich also schon die Familie bewusst, dies schließt die Schwester Maria Anna Mozart mit ein. Leopold Mozart meinte darüber hinaus, dass es wert sei, diese Außergewöhnlichkeit zu dokumentieren, was er selbst allerdings nicht mehr in Angriff nahm. Über Wolfgang Amadé Mozart erschienen dennoch bald nach seinem Tod mehrere biographische Schriften, und ohne die Auskünfte und Bemühungen der Familienmitglieder ist diese frühe Mozartbiographik nicht denkbar. Die erste Biographie war ein Nekrolog Friedrich Schlichtegrolls 1793, für den Maria Anna Mozart umfassend Auskunft gab. 3 Die 1798 erschienene Biographie Franz Xaver Niemetscheks entstand in enger Kooperation mit Constanze Mozart.4 Constanze Mozart unterstützte außerdem ein biographisches Projekt im Zusammenhang mit den Œuvres complettes. Als sie 1798 mit Breitkopf & Härtel verhandelte, war auch eine Biographie geplant. Das belegen die Korrespondenzen mit dem Verlag. Breitkopf & Härtel fragte sie, welche Biographien ihr 1 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XIII, vgl. auch Unseld: Mozarts Frauen, S. 23; dies.: »Musikwissenschaft«, S. 359; dies.: »›… ein berühmter Capellmeister, von dem die Nachwelt auch noch in Büchern lieset‹«, S. 431ff. 2 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XIII. 3 Vgl. Fragenkatalog Friedrich Schlichtegrolls für Maria Anna Reichsfreiin von Berchtold zu Sonnenburg, [April 1792], in: B/D IV, S. 184–200. 4 Franz Xaver Niemetschek: Leben des k.k. Kapellmeisters Wolfgang Gottlieb Mozart, nach Originalquellen beschrieben, Prag 1798.

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Leben beschreiben

bekannt seien.5 Darauf antwortete sie: »Die Lebensbeschreibung betreffend, so weiß ich außer Freund Niemetscheks und den Nekrologen keine, mit welchem lezterm ich nicht zufrieden bin. Ich verpflichte mich aber, Ihnen neue Beyträge und unbekannte Anekdoten, auch wohl Briefe zu liefern.«6 Damit ist auch ein Argument gegeben, weshalb sie an einer neuen Biographie interessiert war: Diejenige Friedrich Schlichtegrolls entsprach nicht ihren Vorstellungen. Darauf wird noch zurück zu kommen sein. Breitkopf & Härtel schlug offenbar vor, die 1798 erschienene, also quasi druckfrische Biographie Niemetscheks für eine neue als Grundlage zu nehmen: Ihr Rath, die Niemetscheksche biographie auf die vorgeschlagene Art zum Grunde zu legen, ist gut und wird ausgeführt werden. Ich sende Ihnen zugleich mit den Arien die erste Abtheilung von briefschaften, von demjenigen, zu lesen und zu benuzen, dem Sie die biographie auftragen.7

Dies bestätigt ein weiterer Brief, in dem Constanze Mozart dem Vorschlag des Verlags zustimmte, in ein Exemplar Niemetscheks ihre Ergänzungen einzufügen: »Ich habe mich bedacht: ich will alle meine beyträge und Zusäze in die Niemeczeksche Biographie hineinschreiben, wenn ich sie nicht länger circuliren lasse.«8 Diese Aussage ist bemerkenswert, da Georg Nikolaus Nissen später genau so vorging, dass er die Biographie Niemetscheks als Vorlage für seine eigenen Notizen und Anmerkungen zu nutzte. Constanze Mozart ordnete also, vermutlich mit Georg Nikolaus Nissen, neben den Notenautographen auch die Dokumente für eine Biographie: »Was Anecdoten und beyträge zur lebensgeschichte betrift, so arbeite ich daran mit einem freunde, und Sie können Sich sichere Hoffnung machen.«9 Sie erklärte sich in vielen weiteren Briefen an den Verlag bereit, Anekdoten und Briefe dafür einzusenden: Ich schikke Ihnen hierin abermals Anecdoten N. 1 N. 2 und Auszüge von launigen Stellen aus Mozarts briefen, beydes für Ihre Zeitung, und wenn nicht, zur künftigen Lebensgeschichte. Mit nächster Gelegenheit sende ich Ihnen alle noch übrigen brife, die ich habe, die von dem zu lesen sind, dem Sie die biographie auftragen. diese seine nachlässig d. h. unstudirt aber gutgeschriebnen briefe sind ohne Zweifl der beßte Maaßstab seiner denkungsart, seiner Eigenthümlichkeit und seiner bildung.10 5 Vgl. Breitkopf & Härtel an Constanze Mozart, Leipzig, 6.10.1798, nur als Zitat überliefert, in: B/D IV, S. 215. 6 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.10.1798, in: B/D IV, S. 219. 7 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.8.1799, in: B/D IV, S. 269. 8 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 7.5.1800, in: B/D IV, S. 348. 9 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.12.1798, in: B/D IV, S. 223. 10 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 29.9.1799, in: B/D IV, S. 273f.

Der Weg zur Biographie

225

Als Zeitgenossin konnte sie aus persönlicher Erfahrung schöpfen und diese in Anekdoten aufschreiben. In der Aussage zeigt sich außerdem ihr Bewusstsein über die Aussagekraft und Bedeutung von Briefen für eine Biographie. Auch am 10. Oktober 1799 sandte sie »wiederum eine Menge Briefe, die von dem Herrn Biographen zu lesen sind.«11 Dafür schrieb sie auch Bekannte und Freunde Wolfgang Amadé Mozarts an, wie z. B. Anton Stoll, der ihr zusicherte, Briefe einzusenden.12 Bei den Briefen behielt sie sich selbst das Recht auf Auswahl vor: Sie [die Briefe] beweisen ferner die Ehren, die ihm, und mir, seinetwegen, späterhin erwiesen sind. die freilich geschmaklosen, aber doch sehr wizigen briefe an seine Base verdienen auch wohl eine Erwähnung, aber freilich nicht ganz gedrukt zu werden. – Ich hoffe, Sie lassen gar nicht drukken, ohne es mich vorher lesen zu lassen.13

Auch wollte sie die Biographie vor dem Druck lesen und kommentieren, und außerdem Baron van Swieten und andere in der Korrektur zu Rate ziehen: Sie schreiben einmal, daß Sie mir Ihre biographie senden würden, zur Nachsicht, ehe sie gedrukt würde. Dieses wird recht gut und nüzlich sein. Ich zeige sie alsdann d. H. Baron Swieten und Andern. Eine Idee erzeugt und erinnert an die andere, die man vielleicht vergessen haben würde, wenn die erstere nicht da wäre.14

Auch motivierte sie weitere Personen, die Biographie mit Material zu unterstützen. Dies ging jedoch nur schleppend: »Sie können nicht glauben, wie unwillig oder vielmehr träge die Leute sind, beyträge zur Biographie zu liefern.«15 Friedrich Rochlitz, der seinerzeit ein umworbener Biograph war und Mozarts Ruf als Komponist aufwerten wollte,16 sollte mit der Aufgabe der Biographie betraut werden: »dem geistreichen Herrn Rochliz, den ich für den künftigen Biographen meines sel. Mannes halte, bitte ich meine beßte Empfehlung zu machen […]«17 Constanze Mozart bot Breitkopf & Härtel sogar an, weiterhin die »Lebensbeschreibung« mit Einsendungen zu unterstützen, 11 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 10.10.1799, in: B/D IV, S. 276. 12 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.11.1800, in: B/D IV, S. 382, vgl. auch B/D VI, S. 558. 13 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.8.1799, in: B/D IV, S. 269. 14 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 12.5.1800, in: B/D IV, S. 350f. 15 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 21.7.1800, in: B/D IV, S. 361. 16 Vgl. Marcus Erb-Szymanski: »Friedrich Rochlitz als Promotor Mozarts«; Ulrich Konrad: »Friedrich Rochlitz und die Entstehung des Mozart-Bildes um 1800«, in: Hermann Jung (Hg.): Mozart – Aspekte des 19. Jahrhunderts, Mannheim 1995 (Mannheimer Hochschulschriften 1), S. 1–22. 17 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 10.10.1799, in: B/D IV, S. 275.

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falls der Verlag ihr nicht den gesamten Notenbestand abkaufte.18 Zusammen mit ihrem Ultimatum von 14 Tagen, das sie Breitkopf & Härtel gab, sich endgültig zu entscheiden, sandte sie dennoch Hinweise auf Briefe Wolfgang Amadé Mozarts weiter.19 Sie versuchte, die Verhandlungen um die Musikalien von der Unterstützung für eine Biographie zu trennen. Auch als sie bereits über die musikalischen Autographe mit Johann Anton André einen Vertrag eingegangen war, sicherte sie Breitkopf & Härtel in Briefen zu, weiteres Material einzusenden: Ihre Nachfragen wegen Mozarts Monumente und wegen des Originalporträts werde ich zum Theil sorgfältig befriedigen, und mich gerne nach briefen und allerhand Materialien ferner umsehen. Sie schreiben aber so bestimmt, daß noch mehrere Personen viele briefe von M. besizen. Ich erwarte davon eine gefällige Anzeige und werde mich unverzüglich damit beschäftigen, sie herbey zu schaffen: an ihn habe ich keine briefe mehr.20 Ich habe Ihnen in der verflossenen Woche schon zwey Male meine Achtung und meinen Eifer für Sie bewiesen, zuerst durch eine Menge Notizen zu der biographie, und hernach durch eine weitläuftige Recension der sämtlichen Mozartschen fragmente, welche beyden Sachen Sie durch Hr. Traeg erhalten werden.21

Welche Materialien Constanze Mozart außer Anekdoten und Briefen einsandte, bleibt weitgehend unklar. Ihr Brief vom 21. Juli 1800 zeigt, dass sie Breitkopf & Härtel Dokumente aller Art zur Leihgabe überließ. Hier geht es um einen Aufsatz Wolfgang Amadé Mozarts über eine Freimaurergesellschaft, die er angeblich gründen wollte, um einen Kupferstich, einen Vertrag mit Guardasoni über La Clemenza di Tito, auch ›Devotionalien‹ wie einen »Dosendekkel«.22 Unklar ist auch, ob Constanze Mozart das Material vollständig vom Verlag zurück erhielt. Auch Maria Anna Mozart schrieb im März 1800, dass sie an der Biographie interessiert sei, wenn sie erscheine,23 Breitkopf & Härtel verfolgte den Plan also scheinbar weiter. Am 13. März 1802 erkundigte sich Constanze Mozart erneut nach dem Stand der Biographie:

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Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 9.11.1799, in: B/D IV, S. 287. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 27.11.1799, in: B/D IV, S. 299f. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 17.11.1799, in: B/D IV, S. 293. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 5.3.1800, in: B/D IV, S. 335. Vgl. Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 21.7.1800, in: B/D IV, S. 360, vgl. auch B/D VI, S. 548. 23 »[…] und wegen der Biographie bitte ich mir zu schreiben, was sie kostet, da ich sie zu haben wünsche.« Maria Anna Berchtold zu Sonnenburg an Breitkopf & Härtel, St. Gilgen, 8.2.1800, in: B/D IV, S. 312.

Der Weg zur Biographie

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wie geht es denn mit der Lebensbeschreibung? Sie haben mir versprochen, daß ich sie noch im Manuskripte lesen soll: mehrere Ideen associieren sich mehreren, und so werde ich wohl im Stande seyn, Ihnen beyträge und berichtigungen zu liefern, die mir nicht von selbst einfallen.24

Das Projekt Biographie wurde jedoch von Breitkopf & Härtel nicht realisiert. Lediglich einzelne Anekdoten wurden in der Rubrik »Biographie« der Allgemeinen Musikalischen Zeitung 1799 als »Einige Anekdoten aus Mozarts Leben, von seiner hinterlassenen Gattin uns mitgetheilt« veröffentlicht.25 Aus ihrer Zusage, Material einzusenden, wird ersichtlich, dass Constanze Mozart nicht plante, selbständig eine Biographie zu verfassen. Allerdings ergab sich viele Jahre später ein Zufall, woraus ein eigenes biographisches Vorhaben entstand. Georg Nikolaus Nissen hatte seit 1805 seinen verstorbenen Vorgesetzten St. Saphorin vertreten und leitete als Chargé d’affaires die dänische Gesandtschaft in Wien. Er wartete auf den Rückruf nach Dänemark, auch aus gesundheitlichen Gründen.26 Er musste dennoch in Wien bleiben bis sein Nachfolger Frederik Anton Wedel Jarlsberg den Dienst angetreten hatte. Nissen hatte gehofft, er würde schon im Frühjahr 1807 eintreffen, wie er Fredrik Samuel Silverstolpe schrieb: Was mich angeht, lieber Freund, ja, die Stunde meiner Rückkehr ist gekommen, und meine etwaige Lage wird mir mit Sicherheit erlauben, die Wünsche zu erfüllen, die ich mich zu äußern traue. […] Der Austausch zwischen meinem Hof und dem von V.e [Wien] ist extrem eng, aber die Distanz begrenzt die Kontakte und deren Häufigkeit. Im Frühling kommt C. de W. J. [Wedel Jarlsberg], dann werde ich sofort einpacken, mit Eile, sowie Sie sich das denken können, da Sie ja meine große Lust kennen, meine Mitbürger wieder zu sehen. Ich werde eine Anstellung erhalten oder ein Wartgeld, das ich gerne in eine Rente umwandeln würde, wenn es mir nicht zu unangenehm ist, dies anzunehmen.27 24 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.3.1802, in: B/D IV, S. 415. 25 »Einige Anekdoten aus Mozarts Leben, von seiner hinterlassenen Gattin uns mitge­ theilt«, in: AMZ 19 (6.2.1799); »Noch einige Kleinigkeiten aus Mozarts Leben, von seiner Witwe mitgeheilt«, in: AMZ 50 (11.9.1799). Im Januar 1800 erschienen von Maria Anna Mozart eingesandte Anekdoten in der AMZ 17 (1800). 26 Vgl. Servatius: »›Il avoit dans son caractère un grand fond de noblesse et d’équité.‹ Neue Erkenntnisse zu Georg Nicolaus Nissen«, S. 258f. 27 Orig.: »Quant à moi, cher ami, oui, l’heure de ma retraite a sonné, et ma condition éventuelle repondra certainement aux désirs qu’il peut m’être permis de former […] Les rapports de ma Cour avec celle de V.e sont des plus intimes; mais la distance en diminue les occasions et les contacts. C’est au printems qu’arrive le C. de W. J.; et c’est dès son arrivée que je fair mes paquets avec un empressement tel que Vous ne le supposerez avec Votre connoissance de mon désir aussi ardent qu’amien de revoir les patrioslares. J’aurai un emploi ou bien un Wartgeld suffisant que j’aimerois voir convertir en une pension, si

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Leben beschreiben

Für Constanze Mozart war zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass sie Georg Nikolaus Nissen begleiten würde, wie sie ihrem Sohn schrieb: »Da es mit Dänemarck jetzt leider so trauerig aussihet, so hoffe ich noch welche Zeit hier in Wien zu verbleiben. – Kurz, ich wünscht vor meiner Abreise (die wie gesagt, noch ganz und gar nicht bestimmt ist) überzeugt zu seyn, daß Du bei recht guten Meistern […] wärest […].«28 Wedel Jarlsberg traf allerdings erst im März 1810 ein.29 Dennoch verließen sie vorzeitig Wien, denn 1809 wurden die Zeiten politisch unsicher. Als Napoleons Truppen Wien besetzten, flohen Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen von Wien nach Pressburg, wo sie heirateten. An seinen Vetter Georg Zoëga schrieb Nissen: Freilich, mein guter Freund, will ich nach Dänemark; freylich wollte ich nach Italien. Dazu giebt mir aber der Staat nichts; und ich nichts. Auch ist es beschwerlich mit Frau und Kind zu reisen – Ja, mit Frau und Kind – denn wenn ich von hier gehe heirathe ich. Ich mache eine grosse Partie; meine Frau ist von illüstrem Stamme, die Witwe. – Mozarts, und was noch mehr ist, die beste Person, die ich je sahe. Ich umarme Sie mein guter Freund und Vetter. N.«30

Zur gleichen Zeit erreichte Georg Nikolaus Nissen schließlich der ersehnte Rückruf nach Dänemark. Er kehrte mit Constanze Mozart zwar nach Wien zurück. Sie organisierten jedoch umgehend die Reise nach Kopenhagen. Deshalb lösten sie den Hausstand in Wien vollständig auf, da die Reise lang und beschwerlich war und sie bis zum Ziel eine Vielzahl an Zwischenstationen einlegen mussten. Die Autographe Wolfgang Amadé Mozarts waren nicht mehr in ihrem Besitz, sondern bei Johann Anton André. Dies war womöglich auch ein Glücksfall, denn Constanze Mozart konnte nur das Nötigste mitnehmen. Sie sorgte dafür, dass ihre Instrumente, ihr Notenbestand und weitere Dokumente an die Söhne gesandt wurden. Ihr sei es zu unsicher, diese mitzunehmen, wie sie Carl in Mailand berichtete: […] und da wir nicht wißen können, wie lange wir noch hier bleiben, so habe ich alle meine Musique in einen Verschlag zusammengepackt, und sie unter Deiner Adrehse an unsern Freund Bridi gegeben, der Dir sie bey erster Gelegenheit überschicken will. Du wirst Dich bey Empfang sehr freuen, denn es ist ein wahrer Schatz, von dem ich mich hart trennte, und ich es schwerlich gethan haben würde, wenn mir mein Mann nicht versprach, mir alles wieder in Kopenhagen zu beschaffen. Ich legte Dir auch alle Bachischen und Händelische Fugen bey. Daraus kannst Du noch Vieles lernen. […] In der Kiste oder im Verschlag, den ich je ne devois pas rougir de l’accepter.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Wien, 9.10.1806, S Sr. 28 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 29.10.1807, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 41. 29 Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 66. 30 Georg Nikolaus Nissen an Georg Zoëga, Wien, 7.5.1809, Dk Kk.

Der Weg zur Biographie

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Dir überschicke, wirst Du noch verschiedenes finden, was Dich freuen wird, unter anderem Deines Vaters Stammbuch und ich glaube das meinige auch. […] indem wir uns vorgenohmen haben, so leicht wie möglich zu reißen, und wir einsehen haben gelernt, wie lästig es ist, viel bey sich zu haben, weil man Gefahr läuft, bestohlen zu werden.31

Das Paar wollte sich nun dauerhaft in Kopenhagen niederlassen und nicht mehr nach Wien zurückkehren, wie Georg Nikolaus Nissen vor der Abreise schrieb: »Ich ergreife die Feder heute den 11. Mai, wiewohl noch weder der Tag noch sogar die Woche bestimmt ist, da wir Österreich ewiges Lebewohl sagen.«32 Im September 1810 kamen sie in Kopenhagen an. Constanze Mozart bereute bald die Trennung von ihrem ›Notenschatz‹ in Kopenhagen, wie Georg Nikolaus Nissen Carl Mozart berichtete: Es war selbstverständlich, dass meine Frau und ich für diesen ganzen Weg, den wir zurücklegen mussten, so leichte Koffer wie möglich hatten, aber das hat auch zur Folge, dass wir hinter uns Sachen aller Art gelassen haben, was wir jetzt bedauern. So ist es, dass meine Frau ihren Kindern alle Musikkompositionen überlassen hat, und dass sie mit Schmerz unter anderem das hübsche Lied »Schlaft meine Kinder« nicht mehr hat.33

Da sie nach ihrer Ankunft finanzielle Schwierigkeiten hatten, war es ihm nicht möglich, sein Versprechen einzulösen und neue Noten zu erwerben.34 Bald schienen sich die Finanzen erholt zu haben. Georg Nikolaus Nissen arbeitete zunächst als Zensor.35 Sie bezogen 1812 eine Wohnung in der Lavendelstraße in Kopenhagen, die Georg Nikolaus Nissen gekauft hatte.36 Sie bewegten sich hier weiter in diplomatischen Kreisen. Constanze Mozart berichtete ihrem Sohn Carl:

31 Constanze Mozart an Carl Mozart, Wien, 21.9.1809, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 51ff. 32 Georg Nikolaus Nissen an Carl Mozart, Wien, 13.6.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 66. 33 Orig.: »Il étoit bien naturel que ma femme et moi n’apportames pour la grande sorte que nous avions à parcourir, que de malles aussi légères que possibles. Mais il en resulta aussi que nous laissions après nous des choses de tout gense que nous sommes reduits à regretter. C’est ainsi que ma femme abandonna à ses enfans autant que toutes les compositions de musique, et qu’à sa douleur elle se voit privée entr’autres de la délicieuse chanson: Dors mon enfants.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Kopenhagen, 13.8.1811, S Sr. 34 Vgl. Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Kopenhagen, 12.2.1813, S Sr. 35 Vgl. Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Kopenhagen, 13.8.1811, S Sr, und Constanze Mozart an Carl Mozart, Kopenhagen, 13.11.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 72. 36 Vgl. Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Kopenhagen, 15.2.1812, S Sr.

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Ich eile Dir, dir Freude zu berichten, die ich hatte, als ich die Ehre gehabt habe, bey der Gräfin Schimmelmann, Frau des Staatsministers und Schwester des Baron Schubart und gewiss Deines großen Gönners, zu seyn, die mir sagte, daß ihr Bruder (nemlich Baron Schubart) dieses kommende Frühjahr hierher kommen will und daß er den König deswegen schon gebeten habe.37

Carl Mozart sollte Baron Schubart nach Kopenhagen begleiten, dazu kam es jedoch nicht. Dennoch wollte Constanze Mozart ihren Sohn unbedingt wiedersehen. Georg Nikolaus Nissen wurde 1820 pensioniert und es stand nicht gut um seine Gesundheit. Damit hatte das Paar nun einen Anlass, nach Italien aufzubrechen, um ihm einen Kuraufenthalt zu ermöglichen und Carl Mozart in Mailand zu besuchen. Georg Nikolaus Nissen musste jedoch 1826 wieder in Kopenhagen sein, um seine Pension weiterhin in Anspruch nehmen zu können.38 Im Juli 1820 verließen sie schließlich Kopenhagen und reisten mit Zwischenstationen über Travemünde, Bad Oldesloe, Altona und Augsburg in Richtung Süden.39 Am 3. November 1821 trafen sie in Mailand ein, um Carl Mozart wieder zu sehen. Im Anschluss weilten sie in Turin und diversen Kurbädern, u.a in Oleggio in der Region Piemont, etwa 60 km von Mailand entfernt. Im Januar 1824 waren sie wieder bei Carl Mozart zu Gast,40 den Sommer 37 Constanze Mozart an Carl Mozart, Kopenhagen, 10.12.1810, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 75; 38 »J’y acquiesci à condition qu’il me fut accordé de manger ma pension dans l’étrager pour un tems indéfini. Mais je ne l’obtins que pour 2 ans, lequel terme on attendant a été prolongé pour autant, et je devrai être de retour le 1er Janv. 1826.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Mailand, 22.1.1824, S Sr. 39 Vgl. auch Servatius: »›Il avoit dans son caractère un grand fond de noblesse et d’équité.‹ Neue Erkenntnisse zu Georg Nicolaus Nissen«, S. 264. Viggo Sjøqvist und ihm folgend auch Agnes Selby erwähnen die Reisestationen Weimar und Zwickau, was sie jedoch nicht belegen. Vgl. Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 93 und Selby: Constanze, Mozart’s Beloved, S. 171f. Selby vermutet, dass in Weimar schon der Kontakt zu Johann Heinrich Feuerstein entstand, doch auch dies ist bisher nicht nachgewiesen. 40 »Parti le 26 Juillet 1820 de Copenhagen, je me rendis aux bains de mer de Travemünde, fis le voyage de la partie orientale da Holstein et me finis pour l’hiver à Altona. L’été suivant fut passé dans les superbes environs de Hambourg et au bain d’Oldesloe. Ma femme, ayant en chez nous en 1819 la visite de son fils cadet, désire aller voir le sécond qui, employé ici dans l’administration, se trouvait dans l’impossibilité de lui rendre ses devoirs et le 3 Nov. 1821, elle eut le bonheur de l’embrasser après une privation de 21 années. Apprenant que Rossi avait abdiqué sa mission à Vienne et s’était rendu dans sa patrie, je gagnai l’envie de voir Turin. Et le 26 Mai 1822 nous y étions rendus. Le 19 juin nous allâmes occuper et habiter tout seuls une belle vigne sur la délicieuse colline de cette capitale jusqu’à la fin d’Oct. où nous prîmes une demeure en ville. Le 8 juin 1823 nous nous transportâmes à Oleggio près Novare dans un institut balnés-sanitaire d’eaux artificielles, et le 8 Oct. le désir de revivre avec Charles nous raména à Milan, où nous

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verbrachten sie in Bad Gastein41 und anschließend reisten sie nach Salzburg. Sie mieteten dort zunächst eine Wohnung im Haus des Bürgermeisters Ignaz Heffters am Alten Markt 5.42 Den Sommer 1825 verbrachten sie erneut in Bad Gastein43 und zogen womöglich anschließend ins Café Steiger am Alten Markt. Nach ihrer Ankunft in Salzburg kontaktierte Constanze Mozart ihre Schwägerin Maria Anna Mozart und wurde auf ihren Briefbestand aufmerksam. Es gibt einen Brief von 1826 an Benedikt Schack, in dem sie auf diese Entdeckung hinweist: Ich werfe mir vor, daß es mir hier erst einfällt, Ihnen zu melden, was mich zu meinem Unternehmen ermuntert hat. Erfahren Sie es izt. Meine Schwägerinn, die in ihrem 75st Jahre seit kurzem leider! in gänzlicher Blindheit, lebt, hat uns vor ein Paar Jahren mit ungefähr 400 Briefen beschenkt, die die vieljährige, aber nur bis 1781. gehende Korrespondenz zwischen Vater und Sohn ausmachen, und um die keiner der bisherigen Biographen das Geringste gewußt hat.44

Hierbei handelte es sich um Briefe aus Kindheit und Jugend Wolfgang Amadé Mozarts und auch einige Leopold Mozarts, die später in der Biographie abgedruckt wurden. 1830, nach dem Tod Maria Anna Mozarts, fand Constanze Mozart noch einmal »vielle Briefe von Leopold Mozart in der verlaßenschaft meiner Schwägerin«45. Notenautographe fand sie offensichtlich nicht bei ihr, wie sie Johann Anton André brieflich mitteilte: »Ich habe hoffen dürfen, bei meiner Schwägerin und in der Geburtsstadt meines sel. Mannes Allerhand [Manuskripte] zu finden. Die unermüdesten Nachforschungen haben mir Nichts weiter eingetragen.«46 Constanze Mozart schildert, dass sich konkret an diesem Brieffund die Idee entzündete, eine Biographie zu verfassen. Dass dies wahrscheinlich ausschlaggebend war, scheint auch Nissens Erfahrung mit der Entstehung einer Biographie geschuldet, für die Briefe eine besondere Bedeutung besaßen: Er unterstützte in Kopenhagen die Arbeit des Archäologen Friedrich Gottlieb

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coulons une vie agréable, et, ce qui pour moi est tout, commode et sans gêne.« Georg Nikolaus Nissen an Fredrik Samuel Silverstolpe, Mailand, 22.1.1824, S Sr. Vgl. Rudolph Angermüller/Geneviève Geffray: »Eintragungen von Georg Nikolaus Nissen ins Bad Gasteiner ›Ehrenbuch‹«, in : MISM 49/3–4 (2001), S. 131–173. Vgl. Georg Nikolaus Nissen an Abbé Maximilian Stadtler, »Im Hause des Bürgermeisters«, Salzburg, 18.4.1825, in: Konstanze Mozart: Briefe, S. 80f. Für den Hinweis auf Ignaz Heffter danke ich Prof. Joseph Wallnig. Vgl. ebd., S. 81: »Wir Alten versuchen heuer wiederum uns in Gastein zu verjüngen; voriges Jahr wollte es uns nicht glücken.« Constanze Mozart an Benedikt Schack, Salzburg, 16.2.1826, in: B/D IV, S. 477. Constanze Mozart, TageBuch, S. 89. Constanze Mozart an Johann Anton André, Salzburg, 28.10.1825, in: B/D IV, S. 471.

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Welcker über seinen 1809 verstorbenen Cousin Georg Zoëga. Die Biographie Zoega’s Leben: Sammlung seiner Briefe und Beurtheilung seiner Werke erschien 1819. Die darin abgedruckten Briefe hatte Nissen in großer Zahl für Welcker abgeschrieben.47 Im Oktober 1825 hielten sich Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen bei Maria Anna Mozart auf, anscheinend aber noch mit dem Plan, weiter zu reisen: »Hr. Staatsrath, welcher sich [sic] noch einige Wochen hier bey der Schwester Mozarts verweilt, wird dann von hier wegreisen, und wenn nicht andere Umstände seine Reiseroute abändern sollten, durch Altötting reisen um Sie persönlich zu sprechen und kennen zu lernen.«48 Dennoch verlängerte sie mit Georg Nikolaus Nissen aus diesem Anlass ihren Aufenthalt in Salzburg auf unbestimmte Zeit, wie sie zur gleichen Zeit an Johann Anton André schrieb: »Ich bin seit 5 Jahren auf Reisen und weiß nicht, wo und wann ich mich niederlasse.«49 Bei André hatte sie eine neue Bestellung seiner MozartAusgaben aufgegeben, und bat ihn nun, diese nicht nach Kopenhagen zu senden, sondern nach Salzburg. Dort begann sie nun mit Georg Nikolaus Nissen, Dokumente aller Art für eine Biographie zusammen zu tragen. Die Entstehung der Biographie war nicht nur durch die Entdeckung der Briefe motiviert, sondern ist zusätzlich vor dem Hintergrund eines anderen Ereignisses zu verstehen: dem sogenannten »Requiem-Streit«. Der Darmstädter Hofgerichtsrat und musikschriftstellerisch tätige Gottfried Weber hatte 1825 in der Zeitschrift Caecilia die Autorschaft Wolfgang Amadé Mozarts an seinem Requiem öffentlich in Frage gestellt. Er argumentierte, dass zwei widersprüchliche Aussagen zur Entstehung des Requiems vorlägen. Einerseits würden Friedrich Rochlitz wie auch Ludwig Gerber behaupten, dass Wolfgang Amadé Mozart das Requiem als vollendete Partitur hinterlassen hätte, welche dem unbekannten Besteller übergeben wurde und seither nicht zugänglich sei. Diesem stünde jedoch die Tatsache gegenüber, dass Franz Xaver Süssmayr in den Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel im Jahre 1800 zugegeben hätte, Teile des Requiems ergänzt zu haben. Die bisher vom Verlag herausgegebene Partitur würde auf Süßmayrs Fassung basieren, dennoch sei darin der Anteil Süßmayrs im Detail bisher nicht geklärt, weshalb eine Ausgabe des Requiems als Faksimile unbedingt erforderlich sei. Nach aktuellem Stand könnte 47 Vgl. Servatius: »›Il avoit dans son caractère un grand fond de noblesse et d’équité.‹ Neue Erkenntnisse zu Georg Nicolaus Nissen«, S. 266f; Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 76. 48 Anton Jähndl an Maximilian Keller, Salzburg, 29. Oktober 1825, in: Robert Münster: »Nissens ›Biographie W.A. Mozarts‹. Zu ihrer Entstehungsgeschichte«, in: Acta Mozartiana 9/1 (1962), S. 2–14, hier S. 4. 49 Constanze Mozart an Johann Anton André, Salzburg, 28.10.1825, in: B/D IV, S. 469.

Der Weg zur Biographie

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das Requiem dennoch nicht als Werk Wolfgang Amadé Mozarts gelten. Hier polemisierte Gottfried Weber heftig, dass »gerade dieses Werk ohne Anstand sein unvollkommenstes, sein wenigst vollendetes, – ja kaum wirklich ein Werk von Mozart zu nennen ist.«50 Der Requiem-Streit kann als bedeutender Schritt im Diskurs um den sich etablierenden Werkbegriff in der Musik verstanden werden. Gottfried Weber verpackte seinen Kritik so, als würde er Wolfgang Amadé Mozarts Genie und seinen Ruf als Komponist zu verteidigen versuchen. Er wollte sogar nachweisen, dass die Qualität einiger Teile des Requiems so schlecht sei, dass sie gar nicht von Mozart stammen könnten. Was jedoch durchschien war der Vorwurf, das Werk sei unvollständig und unvollkommen. Die Echtheit zu bezweifeln bedeutete, ihn nicht als Autor anzuerkennen und damit vor allem einen Angriff auf Wolfgang Amadé Mozart, womit nicht nur sein Ruf, sondern auch die Glaubwürdigkeit Constanze Mozarts geschädigt wurde: »Hier stand in der Tat die Integrität von Mozarts Genie auf dem Spiel […].«51 Gottfried Webers Kritik schlug Wellen. Sie war bewusst provokativ angelegt. Er forderte offensiv all diejenigen, die nähere Auskunft zur Entstehungsgeschichte und zu Süßmayrs Anteil am Requiem liefern könnten, zu einer Einsendung auf. Er sorgte tatsächlich für heftige Reaktionen durch alle möglichen Wortführer der Musikwelt, wie Friedrich Zelter und Ludwig Rellstab, vor allem aber durch die unmittelbar Betroffenen aus dem Umfeld Constanze Mozarts, darunter Johann Anton André, Johann Nepomuk Hummel, Friedrich Rochlitz, Friedrich Dionys Weber in Prag und vor allem Abbé Maximilian Stadler. Letzterer verfasste aus eigener Motivation und ohne Anstoß Constanze Mozarts als Antwort eine Schrift mit dem Titel Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiems, die 1826 in Wien erschien. Darin wird deutlich, wie stark Gottfried Webers Thesen als Angriff auf Mozarts Integrität verstanden wurden, die es nun zu verteidigen galt. Bei Stadler hieß es: Gottfried Weber behauptet, Mozart’s Requiem sey ohne Anstand sein unvollkomenstes, sein wenigst vollendetes, ja kaum wirklich ein Werk von Mozart zu nennen. Nein! Es ist sein vollkommenstes, sein, so weit er es vor seinem Tode ausführen konnte, vollendetes, eine echtes, reines Werk Mozart’s. Es ist nicht von Süßmayr aus Mozartischen Skizzen, Brouillons, Croquis, und Papierschnitzeln, wie Herr Weber dafür hält, zusammen gestoppelt.52

50 Gottfried Weber: »Über die Echtheit des Mozartschen Requiems«, in: Caecilia 3 (1825), S. 205–299, hier S. 205. Vgl. auch Wolff: Mozarts Requiem, S. 14. 51 Wolff: Mozarts Requiem, S. 17. 52 Stadler: Vertheidigung der Echtheit des Mozartischen Requiem, zitiert nach Wolff: Mozarts Requiem, S. 149.

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Constanze Mozart verhielt sich in dieser Angelegenheit defensiv. Eine unmittelbare Äußerung ihrerseits zu den Vorwürfen Gottfried Webers liegt nicht vor. Auch eine Einsendung an Weber gibt es nicht. Abbé Maximilian Stadlers Verteidigung war ganz in ihrem Sinne, und Georg Nikolaus Nissen drückte ihm gegenüber dafür auch seinen aufrichtigen Dank aus.53 Doch hat Constanze Mozart Gottfried Webers Vorwürfe deutlich als Affront verstanden, da sie bereits um 1800 mit Hilfe Fredrik Samuel Silverstolpes und Süßmayr selbst versucht hatte offen zu legen, welche Anteile von Wolfgang Amadé Mozart und welche von fremder Hand vorlagen.54 Dies klingt in einem späteren Brief von 1827 an, als sie Abbé Maximilian Stadlers Verteidigung lobte und Weber als »Verleumder! der sich unterstand, durch seyne uneinsichtsvolle Behaubtung, so viele VerEhren [sic] Mozarts, so tief zu kränken«55 bezeichnete. Anschließend berichtete sie Abbé Maximilian Stadler auch, dass Georg Nikolaus Nissen sie davon abgehalten hätte, auf Gottfried Weber zu reagieren, um sich selbst zu schützen: Lange schon sollten Sie Antwort von mir haben, hätte ich nicht meinem unvergeßlichen Gatten feyerlich versprochen, mich mit keinem Worte in den Prozeß des Requiem zu mischen, um alle diese Geschöpfe nicht auf den Hals zu bekommen.56

Auf Gottfried Webers Aufsatz reagierte sie lediglich auf indirektem Wege: Am 1. Januar 1826 forderte sie Johann Anton André auf, die von Weber geforderte Edition, in der die unterschiedlichen Autoren gekennzeichnet waren, anzufertigen: An Ihrer Stelle, lieber Herr André, würde ich, dünkt mich, die erhobene Frage wegen des Requiems zum Theil schlichten: ich würde das werk mit 2 verschiedenen typis herausgeben, die einen für die mozartsche, die andere für die süssmayersche Handschrift. Dann könnte Niemand bezweifeln, daß das, welches nach seiner Handschrift gegeben würde, von ihm ist: ob und was von dem Uebrigen von ihm ist, bleibt in Ewigkeit ungewiß.57

Johann Anton André schrieb seinerseits an die Caecilia, dass er eine solche Edition plane.58 Er ließ Gottfried Weber auch Briefe Constanze Mozarts ein-

53 Vgl. Abbé Maximilian Stadler an Georg Nikolaus Nissen, Wien, 3.4.1826, in: B/D VI, S. 629. 54 Vgl. die Beschreibungen Silverstolpes in seinen Memoiren Nr. 33, S. 64, S Uu, und Wolff: Mozarts Requiem, S. 21ff. 55 Constanze Mozart an Abbé Maximilian Stadler, Salzburg, 29.2.1827, in: B/D IV, S. 490. 56 Constanze Mozart an Abbé Maximilian Stadler, Salzburg, 31.5.1827, in: B/D IV, S. 491. 57 Constanze Mozart an Johann Anton André, Salzburg, 1.1.1826, in: B/D IV, S. 474. 58 Vgl. Gottfried Weber: »Weitere Nachrichten über die Echtheit des Mozartschen Requiem«, in: Caecilia 4 (1826), S. 257–352, hier S. 286f.

Die Arbeit an der Biographie in Salzburg

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sehen, um mehr Klarheit zu schaffen.59 Die Andrésche Ausgabe des Requiems erschien schließlich 1827 mit einem ausführlichen Vorwort, in dem er die Herkunft der zugrunde liegenden Manuskripte beschrieb und ebenso ausführlich, welche Teile Wolfgang Amadé Mozart zuzuschreiben wären.60 Die Arbeit zur Biographie begann bereits 1824, unabhängig von dem Requiem-Streit. Dessen Brisanz mag aber den Entschluss, eine Biographie herauszugeben, bekräftigt haben. Knapp drei Wochen nach der Aufforderung zu einer neuen Edition des Requiems an Johann Anton André bezeichnete Constanze Mozart ihrem Sohn gegenüber Georg Nikolaus Nissen als »Vertheudiger« Mozarts: Ja, so ein Vertheudiger Mozarts, wie Nissen ist, wird sich schwer mehr finden, und ich wiederhole Dir daher meine Bitte, ihm ja zu helfen, wo Du kannst, indem Du denken musst, dass alles, was er mit so vieler Mühe thuet, er nur für Dich und Deinen Bruder thuet.61

Dieser Begriff spielte im Kontext der »Verteidigung der Echtheit des Requiems« eine besondere Rolle. Die Biographie sollte nicht nur seine Erinnerung befördern, sondern auch dazu beitragen, die Integrität von Mozarts Genie wieder herzustellen.

4.2. Die Arbeit an der Biographie in Salzburg »Wissen Sie sonst Jemand, der einen Papierstriemel hat?«62 Mit dieser Frage wandte sich Constanze Mozart 1826 an Benedikt Schack in München, einen alten Bekannten. Constanze Mozart beklagte, dass nur noch wenige Menschen persönlich über die Bekanntschaft mit ihrem Mann berichten könnten. Sie bat Schack daher, seine Erinnerungen an Wolfgang Amadé Mozart zu notieren, d. h.: […] beides was den Menschen insbesondere und was den Künstler betraf, alles Charakteristische, kleine und große Ereignisse, Anekdoten, kurz was immer die Geschichte seiner Person, seines Umganges, seiner häufigsten liebsten Gespräche, seines Charakters, und die Geschichte seiner Werke im mindesten berührt, seine Art zu seyn in Ernst und Munterkeit u.s.w. u.s.w. und daß Sie dieses niederschriben, sei es in Zwang- und müheloser, die wenigste Zeit Ihnen kostender, Briefform,

59 60 61 62

Vgl. ebd., S. 262f. Abgedruckt bei Wolff: Mozarts Requiem, S. 157ff. Constanze Mozart an Carl Mozart, Salzburg, 22.1.1826, in: B/D IV, S. 474. Constanze Mozart an Benedikt Schack, Salzburg, 16.2.1826, in: B/D IV, S. 477.

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oder wie Sie es in freundschaftlichem Gespräch ungezwungen, je nachdem es Ihnen eben in den Sinn fiele, ohne mindeste Anstrengung erzählen würden.63

Sie bat Schack um Anekdoten, Briefe, Billette, auch in Abschriften, falls er die Originale nicht einsenden wollte. Sie fragte außerdem, welche Bücher und Noten Wolfgang Amadé Mozart an Schack verliehen hatte. Eine große Informationslücke, auch dies erwähnte sie ihm gegenüber, war die Zeit des Aufenthalts in Wien zwischen 1781 und 1791, »von welchem wunderbarer Weise die Biographen fast nur die Namen einiger seine Werke, Nichts von dem Menschen selbst, zu berichten gewußt haben.«64 Diese Lücke, das sei vorgegriffen, konnte letztlich nicht geschlossen werden und wurde im Ergebnis der Biographie sichtbar. Das Paar mobilisierte von Salzburg aus alle Kräfte, um über die Briefe hinaus weiteres Material für eine Biographie zusammen zu tragen. Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen fertigten Abschriften von den Briefen an und sammelten Literatur. Dafür schrieben sie einerseits an Bekannte, aber auch an die Söhne, um sie zur Mithilfe zu bewegen: Solltest Du noch etwas von Mozart nicht allein selbst von ihm sondern auch von andern geschrieben über ihn finden, so lege es bey, denn auch solge Sachen sucht der Vater auf und sitzt Tag und Nacht in einem Haufen Bücher und Zeitschriften begraben daß ich ihn nur mit Mühe sehen kann.65

Die Biographie war von Beginn an als großes Projekt angelegt und sollte umfangreich werden. Dafür sollten als Beilagen auch Noten eingefügt werden: »daß ich es auf eine, wie man sich in neuern Zeiten con amore ausdrükt, breite, ja sehr breite Biographie angelegt habe, versehen mit Beilagen in Ansehung deren es sich sagen lassen wird, daß die Noten so viel als der Text betragen, und in ihren Ursprachen.«66 Auch wurde Niemetschek als Kenner der Werke Mozarts wieder herangezogen. 1810 war es noch einmal zu einer Begegnung in Prag gekommen. Dort hatte Niemetschek auch Nissen kennen gelernt, wie er dem Verleger Ambrosius Kühnel berichtete: »Mad. Mozart – als Fr. v. Nießen mit ihm reiste durch, und ich brachte einen vergnügten Tag in ihrer Gesellschaft zu. Denn ihr Mann ist ein in jeder Hinsicht respektabler Mann.«67 Niemetschek 63 Ebd., S. 476. 64 Ebd. 65 Constanze Mozart an Carl Mozart, Salzburg, 22.1.1826, in: B/D IV, S. 474. 66 Georg Nikolaus Nissen an Franz Sales Kandler, Salzburg, 12.3.1826, in: Richard Schaal: »Unveröffentlichte Briefe von Georg Nikolaus Nissen«, MJb (1965/66), S. 195–203, hier S. 201. Vgl. B/D VI, S. 622ff. 67 Rudolph Angermüller/Sibylle Dahms-Schneider: »Neue Brieffunde zu Mozart«, in: MJb (1968/70), S. 211–241, hier S. 239.

Die Arbeit an der Biographie in Salzburg

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sollte bei der Datierung von Werken helfen. Davon zeugt ein undatierter Fragebogen, den Georg Nikolaus Nissen an Niemetschek sandte. Darin geht es um die Datierung und Aufführungsanlass früher Oratorien Mozarts, u. a. von Thamos, König von Ägypten, wozu Georg Nikolaus Nissen schreibt: »Seine Schwester und Witwe wissen nichts von der jemaligen Existenz dieser Komposition, die der Herr Rath majestätisch nennen.« In der Adressierung heißt es ihm respektvoll gegenüber: »welcher in seiner Lebensbeschreibung Mozarts diesem […] ein höchst anspruchsvolles Denkmal errichtet hat.«68 Die Bezeichnung als Denkmal zeigt einmal mehr, dass sich Georg Nikolaus Nissen und Constanze Mozart sich der Erinnerungsfunktion einer Biographie bewusst waren. Auch fanden sie kompetente Unterstützung vor Ort: Mit Anton Jähndl (1783–1861) gewannen sie einen umsichtigen Partner für ihr Großprojekt. Dieser war Chordirektor im Adeligen Damenstift auf dem Nonnberg in Salzburg. Er sichtete den Materialbestand Maria Anna Mozarts, wie ein (leider undatiertes) Billet Georg Nikolaus Nissens an Anton Jähndl belegt: die Baronin Sonnenburg fragte, warum Herr Jähndel noch nicht kommen: »Sie habe alles schon lange bereit«. Was sie unter alles versteht, weiß ich nicht. Sie will übrigens auch ihren großen Musikvorrath in Ordnung bringen, wobei ich, da ihre Augen ihr versagen, ihr helfen soll. Mich dünkt, es wäre nicht übel, wenn Sie dabei wären: wer weiß, ob da nicht seltene, alte, und mehr oder minder kostbare Musik zu sehen ist.69

Georg Nikolaus Nissen besuchte die Bibliothek im Lyzeum in Salzburg, und beriet sich mit ihm über Literatur.70 Offenbar erhielt Nissen auch Unterstützung durch einen Kopisten Anton Jähndls: Liebster Herr Jähndel, schickken Sie uns Ihren Kopisten so bald es seyn kann, lassen Sie ihn 8 musikalische Bogen mitbringen, empfehlen Sie ihm, ununterbrochen fleißig bei uns zu seyn, und erfreuen Sie uns, so oft Geschäfte es erlauben, mit Ihrer Gegenwart. Ihr Nissen Zu allen Tagen & Stunden ist der Kopist willkommen.71

Anton Jähndl pflegte außerdem Kontakte zu dem Organisten und Kapellmeister Maximilian Keller in Altötting, mit dem er Kirchenkompositionen

68 Fragebogen Georg Nikolaus Nissens an Franz Xaver Niemetschek, o.D., D Bds. 69 Billet Georg Nikolaus Nissens an Anton Jähndl, o.D., Dk Kk. Unter der Signatur NBD 2 rk befinden sich insgesamt drei undatierte Billets. 70 Weiteres Billet Georg Nikolaus Nissens an Anton Jähndl, o.D., Dk Kk. 71 Drittes Billet Georg Nikolaus Nissens an Anton Jähndl, o.D., Dk Kk.

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austauschte.72 Von Georg Nikolaus Nissen beauftragt, wandte er sich auch an Keller, um diverse Literatur für die Biographie zu beschaffen, z. B. Ausschnitte aus der Allgemeinen Musikalischen Zeitung, der Boßlerschen musikalischen Realzeitung und der Allgemeinen Wiener Musikalischen Zeitung.73 Anton Jähndl brachte seine Expertise vor allem bei der Datierung der geistlichen Werke Mozarts ein, zu der er von Constanze Mozart beauftragt war: »Über alle diese [Kirchensachen] macht ein hiesiger Chorregent Jähndel ein vollständiges Verzeichnis und sucht auch auswärts.«74 Jähndl beschrieb gegenüber Maximilian Keller, wie sehr ihn die Arbeit an der Biographie in Anspruch nähme: […] allein Mozarts Biograph hat mir seit beynahe einem Jahr sehr viel Zeit weggenommen, indem mir in Betreff seiner Kirchenkompositionen alles, was vorhanden seyn könnte auf dem Halse geworfen wurde, und ich es insoferne, was in meinen Kräften liegt, übernahm, um so mehr, da hier mehrere sind, als z. B. [Benedikt] Hacker, [Maximilian] Stadler, die sich ganz ohne tätige Theilnahme zeigen. Über zwei große Messen, welche Mozart im Jahre 1774 für die Münchener Hofkapelle geschrieben habe, sind wir noch in Ungewißheit, ob selbe wirklich ganz neu, oder ob er von seinen in Salzburg gefertigten dazu verwendete.75

Anton Jähndl war derjenige, der das Manuskript der Biographie in Salzburg anfertigte, welches schließlich über Johann Heinrich Feuerstein an Breitkopf & Härtel geschickt wurde.76 Das Manuskript entstand also in Salzburg als Auftrag Constanze Mozarts, und womöglich auch unter ihrer Aufsicht. Sie bestätigte an mehreren Stellen in ihrem Tagebuch, das eine Art Geschäftsbuch zur Entstehung der Biographie darstellt, dass Anton Jähndl als Kopist für die Biographie tätig war. Er verfasste auch Abschriften von Musikalien, so schrieb er z. B. Davide Penitente ab.77 Auch Musikabschriften für ihre Söhne

Vgl. Münster: »Nissens ›Biographie W.A. Mozarts‹«, S. 2–14. Vgl. ebd., S. 4. Constanze Mozart an Johann Anton André, Salzburg, 28.10.1825, in: B/D IV, S. 472. Anton Jähndl an Maximilan Keller, Salzburg, 13.1.1826, in: Münster: »Nissens ›Biographie W.A. Mozarts‹«, S. 5. 76 Das Erstmanuskript befindet sich im Besitz der Internationalen Stiftung Mozarteum (Doc NB 1 bis Doc NB 4, A Sm). Anja Morgenstern bestätigte die Identifizierung der Handschrift als diejenige Anton Jähndls in ihrem Vortrag bei der Jahrestagung der Gesellschaft der Musikforschung am 4.11.2010 in Rom. Vgl. dazu auch Anja Morgenstern: »Neues zur Entstehungsgeschichte und Autorschaft der Biographie W.A. Mozarts von Georg Nikolaus Nissen (1828/1829)«, in: MJb (2012), Druck i. Vorb. 77 »Am 2 9ber die abgeschriebenen Musikalien von Jähndl auf den Postwagen gegeben«; »Am 7 9ber 1828 Jähndl für Copiatur an Doctor Feuerstein 12 f bezahlt.« in: TageBuch, S. 55; vgl. auch S. 59, 97f und 100. 72 73 74 75

Die Arbeit an der Biographie in Salzburg

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hatte Constanze Mozart bei Anton Jähndl beauftragt.78 Bis 1834 stellte er Kopien bei Constanze Mozart in Rechnung.79 Am 24. Juni 1832 schrieb sie über ihn: »Jähndl hat auch die 2 Kyrie von Mozart, sowohl das Manuscript als auch die Copie. Ferner hat er alle Briefe von Feuerstein und vom alten Leopold Mozart; auch alle Rechnungen. hat mir die Kyrie und die Briefe von D Feuerstein gebracht.«80 Bei Anton Jähndl liefen anscheinend in Salzburg viele Fäden zusammen. Georg Nikolaus Nissen starb am 24. März 1826 in Salzburg. Die Arbeit an der Biographie war zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen. Constanze Mozart blieb vor Ort und vollendete das Projekt, sie brachte die Biographie schließlich bei Breitkopf & Härtel unter dem Namen Georg Nikolaus Nissens heraus. Ein umfangreicher Anhang erschien unter ihrem eigenen Namen. In welchem Stadium sich die Biographie zur Zeit von Nissens Tod befand, lässt sich nicht definitiv entscheiden. Das Endprodukt enthält Material aus bestehenden Biographien, Zeitschriften, Lexika etc. sowie Briefabschriften, die in eine neue Reihenfolge gebracht, quasi montiert wurden. Es bestand anscheinend der Plan, das Material einem Dritten zu übergeben, um daraus eine Biographie zu gestalten. Georg Nikolaus Nissen gibt Hinweise darauf noch im sogenannten »Einband«, eine seiner Quellensammlungen für die Biographie: »Verzeichnis von Schriften über Mozart, die sein Biograph mehr oder minder benüzen könnte«. Am Ende liegt eine alphabetische Liste von Personen vor, die in den Briefen vorkommen und hier von Georg Nikolaus Nissen näher charakterisiert werden. Er schreibt dazu: »Die folgenden Notizen sind zur Erklärung mancher Stellen in den […] Briefen von 1769 bis 1784 […] und zur Qualifizierung der darin genannten Personen dienlich. Ferner ist der Statskalender v. Salzburg nachzusehen.«81 An anderer Stelle heißt es: »Zur Verständlichkeit der Reisen und Erkenntniß der genannten Mappe ist dieser Absatz gemacht. Unsere Nachrichten sind in den Salzburg Stadtkalender durch Briefe und in Lipowskys musikal. Lexikon durch Briefe an die Sonnenburg und alte Leute in Salzburg z. B. [gestr.] zu suchen.«82 Diese Anmerkungen klingen wie Handreichungen und lassen vermuten, dass Georg Nikolaus Nissen sich selbst gar nicht als Biograph, sondern als Sammler verstand.

78 Vgl. Eintrag vom 17.2.1830, in: Constanze Mozart, TageBuch, S. 90. Hier ist von einer Summe von 133 Gulden die Rede, die Constanze Mozart an Anton Jähndl für ihre Söhne bezahlte. Vgl. auch S. 100. 79 Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 110. 80 Constanze Mozart, TageBuch, S. 112. 81 Georg Nikolaus Nissen: »Einband«, Doc ND 1, A Sm. 82 Ebd.

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Ein weiterer Beleg findet sich in einer anderen Quelle. Georg Nikolaus Nissen hatte sich bei der Recherche für Material an den Musikschriftsteller Franz Sales Kandler in Wien gewandt. Dieser hatte Briefe von Padre Martini vom Italienischen ins Deutsche übersetzt und in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung veröffentlicht. Georg Nikolaus Nissen bat ihn um Autographe und Briefe, z. B. Briefe Leopold Mozarts an Padre Martini. Gegenüber Kandler formulierte er auch sein Selbstverständnis sehr bescheiden. Er sei kein »Baumeister« der Biographie, nicht einmal ein »Handlanger«: Es ist eine Arbeit, der ich leichtlich unterliege, leichtlich zu schwer für meine alleinigen Schultern. Und aus dieser Ursache – und aus mehrern Ursachen – konnte ich schier wünschen, dereinst nicht zu erscheinen. Mir genügte es schier, die Steine zusammengebracht zu haben, wenn ich nur die Freude hätte, die Aufführung des Gebäudes zu sehen, und wenn keine oder nur wenige meiner Steine nicht braugt [sic] worden wären – die Hauptehre, die einzige bliebe, wie mit Recht, dem Baumeister: ich verlangte nicht einmal als Handlanger genannt zu werden. Sehr viel habe ich für Text und Noten. Aber doch giebt es Lüken, und zum Theil solche, die ausgefüllt werden müssen. […]83

Das Mozarteum verwahrt das Material zur Entstehung der Biographie, woraus Georg Nikolaus Nissens Anteile im Ergebnis deutlich werden. Der »Einband« ist ein kleines Notizheft Georg Nikolaus Nissens, in das er chronologisch Briefe der Reisen Wolfgang Amadé Mozarts vom 3. Oktober 1762 bis 14. Dezember 1768 abschrieb. Die Briefe sind in dieser Fassung und Reihenfolge in die Biographie übernommen worden, sogar die Nummerierung Georg Nikolaus Nissens wurde beibehalten.84 Weitere Briefabschriften enthalten die sogenannten »Nissen-Kollektaneen«, eine lose Sammlung an Materialien für die Biographie. 85

83 Georg Nikolaus Nissen an Franz Sales Kandler, Salzburg, 12.3.1826, in: Schaal: »Unveröffentlichte Briefe von Georg Nikolaus Nissen«, S. 201, vgl. B/D VI, S. 622ff. 84 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, bis S. 153. 85 Dieses Quellenkorpus (Doc NC 1 bis Doc NC 33) ist problematisch, weil es keinen festen Bestand bildet, sondern seit seiner Verwahrung im Mozarteum beständig verändert worden ist. So wurden bspw. Briefe von Maria Anna Mozart, die darin enthalten waren, entnommen. Auch wurden teilweise der »Einband« (Doc ND 1) und die Biographien Schlichtegrolls und Niemetscheks mit Georg Nikolaus Nissens Notizen (Doc ND 2 und Doc ND 3) zu den Kollektaneen gezählt: Die Liste, die Angermüller im Vorwort der Biographie (Ausgabe Hildesheim 1991) anführt, ist nicht mit den eingescannten Dokumenten (Stand: September 2009) im Mozarteum identisch. Über den originalen Zustand der Materialien für die Biographie kann daher keine genaue Aussage getroffen werden.

Die Arbeit an der Biographie in Salzburg

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Die Kollektaneen enthalten Briefabschriften der folgenden Reisen bis 1774, die Nissen als »Reisen Vier bis Acht« eintrug.86 Den Entstehungsprozess der Biographie kann man am eindrücklichsten anhand von zwei weiteren Quellen nachvollziehen: Die Exemplare der Biographien Schlichtegrolls und Niemetscheks in Georg Nikolaus Nissens Besitz.87 Constanze Mozart hatte ja bereits gegenüber Breitkopf & Härtel geäußert, dass sie die Biographie Niemetscheks zirkulieren lasse, damit Freunde und Bekannte ihr Wissen ergänzen könnten. Ähnlich gingen sie nun selbst vor. Georg Nikolaus Nissen schnitt ein Exemplar am Buchrücken auf, legte Seiten ein und ergänzte. Er benutzte die Biographien Schlichtegrolls und Niemetscheks damit gewissermaßen als Notizbücher. Daraus lässt sich ein Großteil der Biographie rekonstruieren. So ist die Biographie als Montage entstanden: Der Text der Biographien Schlichtegrolls und Niemetscheks wurde fast vollständig im Wortlaut übernommen, und zwischendurch immer wieder Georg Nikolaus Nissens Kommentare eingeflochten. Die »Vorrede des Verfassers« beispielsweise, also das Vorwort Georg Nikolaus Nissens, ist in Schlichtegrolls Biographie vollständig in Georg Nikolaus Nissens Handschrift enthalten.88 Die kürzeren erzählend-beschreibenden Passagen zwischen den Briefen im ersten Teil stammen hauptsächlich von Schlichtegroll, so auch die längere Einleitung, die der Schilderung der ersten Reise ab S. 20 vorangestellt ist. Georg Nikolaus Nissen hat dort teilweise eigene Kommentare eingestreut. Das Schlusskapitel »Mozart als Künstler und Mensch«89 wiederum ist nahezu vollständig mit dem gleich betitelten Schlusskapitel Niemetscheks identisch. Das bedeutet, Georg Nikolaus Nissen hatte umfangreiche Vorbereitungen getroffen, deren Reihenfolge auch übernommen wurde. Für ein fortgeschritte86 Entspricht Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 282. Darüber hinaus enthalten die Nissen-Kollektaneen (Doc NC 1 bis Doc NC 33, A Sm) Einzelstücke, wie z. B. die Briefe an Padre Martini (z. B. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 238 und 292), und interessanterweise Abschriften von sieben Briefen W. A. Mozarts an Constanze Mozart aus den Jahren 1789 und 1790, die jedoch nicht in die Biographie mit aufgenommen wurden (entsprechend B/D Nr. 1091, 1092, 1102, 1121, 1135, 1136, 1144). Weiterhin enthalten die Kollektaneen einige Notenincipits, Anekdoten über Mozart (vgl. Deutsch: Mozart, S. 428–431), einige kurze biographische Lexikoneinträge, eine Liste von Buchtiteln, ein kleines Buch mit Haushaltsnotizen Constanze Mozarts und eine Sammlung an Gedichten und Sprüchen von Klopstock, Schiller und anderen. 87 Friedrich Schlichtegroll: Mozarts Leben, Graz 1794 mit Kommentaren Georg Nikolaus Nissens, im folgenden zitiert als Nissen/Schlichtegroll, Doc ND 2; Franz Xaver Niemetschek: Lebensbeschreibung des k.k. Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart, aus Originalquellen, Prag ²1808 mit Kommentaren Georg Nikolaus Nissens, im folgenden zitiert als Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, beide A Sm. 88 Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, gegenüber S. 6. 89 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 622ff.

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nes Stadium der Biographie spricht auch die folgende Aussage Anton Jähndls in einem Brief an Keller vom 7. April 1826, also zwei Wochen nach Georg Nikolaus Nissens Tod, wonach er die Arbeit an der Biographie als fast abgeschlossen beschrieb: Die Frau Staatsräthin ersucht Ihnen in Ihrem Namen den Herrn Schack von dem Tode des Herrn Nissen in Kenntniß zu setzen, erwartet aber doch zugleich mit der größten Sehnsucht des Herrn Schacks Notizen über Mozart um die neue fast ganz vollendete Biographie Mozarts zu bereichern [durchgestr.: um] zu berichtigen und zu vervollkommnen. Die Auflage kömt bestimt und in aller Vollständigkeit ans Tageslicht.90

Demnach hatte Schack seine Notizen noch nicht eingesandt, die nun erwartet wurden. Hatte Anton Jähndl bereits vor Georg Nikolaus Nissens Tod mit einem Manuskript begonnen? Diese Frage ist weiterhin offen. Wie erwähnt, war Anton Jähndl Chordirektor im Benediktinen-Frauenstift. Dies liegt südöstlich von der Feste Hohensalzburg auf dem Nonnberg oberhalb der Stadt. Nach dem Tod Nissens zog Constanze Mozart in Salzburg in das Nonntal 23, eine Straße, die sich um den Berg windet und in 200 Metern zum Stift hinaufführt. War dies ein strategischer Umzug, um besser mit Anton Jähndl zusammen arbeiten zu können (vgl. Abb. 5/6)? Immerhin vergingen gut anderthalb Jahre nach Nissens Tod, bis Constanze Mozart im Dezember 1827 einen Verlag kontaktierte. Aus dieser Zeit sind sonst so gut wie keine Quellen bekannt, d. h. es bleibt unklar, wie genau die Arbeiten an der Biographie voranschritten. Auch das deutet darauf hin, dass es eine konkrete enge Zusammenarbeit mit Jähndl gab, die keine Korrespondenz nötig machte. Im Subskriptionsaufruf in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung stellte sie selbst ebenfalls dar, dass Georg Nikolaus Nissen die Biographie fertig hinterlassen hätte und sie sich lediglich als Herausgeberin verstand: »Diese von Nissen fertig hinterlassene Biographie nun wird, theils innerem Berufe, theils vielfältigen Aufforderungen zu Folge, die hinterlassene Witwe die Ehre haben herauszugeben […]«91 Georg Nikolaus Nissen wurde von ihr damit nachträglich zum Biographen erklärt, entgegen seines eigenen Selbstverständnisses. Constanze Mozart betonte damit auch das Andenken Georg Nikolaus Nissens, womit sie beiden Ehegatten als Witwe durch die Biographie ein Denkmal setzte. Hier bezeichnete sie ihre Witwenschaft sogar als »inneren Berufe«. Diese Funktion verdeckt auch, dass allerdings noch einige Aufgaben

90 Anton Jähndl an Maximilian Keller, Salzburg, 7.4.1826, in: Münster: »Nissens ›Biographie W.A. Mozarts‹«, S. 11. 91 Intelligenzblatt Nr. V zur AMZ, März 1828.

Die Arbeit an der Biographie in Salzburg

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von ihr erfüllt werden mussten, bis die Biographie fertig war. Zunächst musste ein Verlag gefunden werden. Constanze Mozart wählte erneut Breitkopf & Härtel. Leider sind die Briefe mit ihrer Anfrage vom Dezember 1827 nicht erhalten, woraus vielleicht deutlich würde, weshalb sie sich trotz Verhandlungsschwierigkeiten über die Gesamtausgabe wieder für Breitkopf & Härtel entschied. Allerdings waren auch beinahe 30 Jahre vergangen und die Verlagsleitung war von Gottfried Christoph Härtel an die Neffen Florens und Wilhelm Härtel weitergegeben worden.92 Breitkopf & Härtel war weiterhin der renommierteste Verlag im deutschsprachigen Raum. Die Zusage erhielt sie am 3. Januar 1828.93 Die Biographie sollte zur Ostermesse 1828 erscheinen, Breitkopf & Härtel forderte dafür das Manuskript ein. Am 20. März war es noch nicht eingetroffen, daher der Termin nicht einzuhalten und wurde auf »unbestimmt nach der Ostermesse« verschoben.94 Ab diesem Zeitpunkt wurde Johann Heinrich Feuerstein beteiligt. Ein erster Brief des Verlags an Feuerstein liegt vom 14. April 1828 vor, worin Breitkopf & Härtel für den ersten Teil des Manuskripts dankte. Der Verlag betonte ihm gegenüber auch, dass sie sich nicht als Verleger, sondern nur als Drucker der Biographie verstünden: Da wir überdem nicht die Verleger dieses Werkes sind, so hat dieselbe für alle Porto u. Insertions- und anderen Spesen, wie sich von selbst versteht, allein zu stehen; doch werden wir uns gern dem Pränumeraten Sameln und überhaupt dem Debit fürs nördliche Deutschland unterziehen […]95

Mit Insertionskosten war der Druck der Subskriptionsaufrufe gemeint, die in erheblicher Auflage von Breitkopf & Härtel angefertigt wurden, an einer Stelle ist von 1000 Exemplaren die Rede.96 Der Brief zeigt, dass das Risiko der Auflagenkalkulation einschließlich eventueller Verluste damit vollständig auf Seiten Constanze Mozarts lag. Vor allem aber bedeutete dies, dass alle organisatorischen Schritte von der Fertigstellung und dem Lektorat des Manuskripts über die Anzeigenschaltung bis hin zum Vertrieb von ihr selbst veranlasst werden mussten, womit sie sich entschloss, ihren Helferkreis erneut zu erweitern. 92 Vgl. Reinisch: Art. »Breitkopf & Härtel«, Sp. 818. 93 In den im Sächsischen Staatsarchiv vorhandenen Kopierbüchern Breitkopf & Härtels (Bestand 21081: Verlag Breitkopf & Härtel, Leipzig, 1818–1945, Kopierbücher, D LEsta) ist dies der erste Eintrag bezüglich der Biographie; Constanze Mozart hatte offenbar am 20. und 30. Dezember 1827 an den Verlag geschrieben. 94 Vgl. Breitkopf & Härtel an Constanze Nissen, 20.3.1828, in: Angermüller/DahmsSchneider: »Neue Brieffunde zu Mozart«, S. 227ff. 95 Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 14.4.1828, D LEsta. 96 Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 23.5.1828, D LEsta.

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Für die Koordination wurde Johann Heinrich Feuerstein bestimmt. Gaspare Spontini, Komponist und Kapellmeister in Berlin, sammelte dort einen Großteil an Subskribenten. Als Gegenleistung forderte Spontini, dass die Subskriptionsliste nach seiner Vorschrift abgedruckt würde. Er war in dieser Forderung ziemlich resolut: Er drohte, sonst die gedruckten Exemplare der Biographie nicht entgegen zu nehmen. Er forderte noch am 20. Dezember 1828, die Subskriptionsliste bis Ende des Jahres offen zu halten, weil er meinte, es würden sich weitere Teilnehmer finden.97 Auch aus diesem Grund verzögerte sich der Veröffentlichungstermin erheblich. In der Biographie sollten Porträts abgedruckt werden, wofür Constanze Mozart selbst die Initiative ergriff. Dazu hatte Breitkopf & Härtel ihr geraten, weil München der bessere Ort für den Druck von Lithographien sei:98 Im Bezug auf die musikal. Beilagen aber, die Portraits u. Zeichnungen, welche wohl am besten in Steine Druck ausgeführt werden dürften, sehen wir uns veranlaßt, Ihnen zu rathen, dieselben lieber in dortiger Gegend unter Ew. Wohlgeb. eigner Aufsicht fertigen zu lassen, da in Folge des in unsrer Gegend noch niedrigen Standes der lithographischen Kunst dieselben bei bedeutenderen Preisen minder gut als bei Ihnen angefertigt werden würden.99

Nachdem Constanze Mozart zunächst eine Lithographie nach dem Relief von Leonard Posch anfertigen ließ, entschied sie sich für die Abbildung nach dem unvollendet gebliebenen Porträt ihres Schwagers Joseph Lange.100 Um diese Lithographien in Auftrag zu geben, reiste sie im Sommer 1828 eigens nach München. Am 14. Juli schrieb sie an Gaspare Spontini, dass sie sich seit vier Wochen in München aufhielte.101 In diesem Brief schrieb sie auch, dass die Lithographien durch die Unterstützung des Direktors der Königlichen Akademie der Bildenden Künste, Peter von Cornelius, entstehen würden. Franz Hanfstängl, Maler an der Akademie, fertigte die Lithographien an, und

97 Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 20.12.1828, D LEsta. 98 Dies ist der Erfindung der Lithographie durch Alois Senefelder geschuldet, vgl. Kapitel 3.4. 99 Breitkopf & Härtel an Constanze Nissen, Leipzig, 3.1.1828, in: Angermüller/DahmsSchneider: »Neue Brieffunde zu Mozart«, S. 227. 100 Vgl. Richard Bauer: »Das rekonstruierte Antlitz. Die Mozart-Büste des Züricher Bildhauers Heinrich Keller in der Münchner Residenz«, in: Oberbayrisches Archiv 132 (2008), Sonderdruck, S. 1–74, bes. S. 16ff. 101 »Depuis quatre semaines je me trouve ici, à München, en Vous, mon cheri ami, ètes encore en haute souvenance, et le resterez certainement toujours, ou moi je trouve autant d’occasions de publier Votre amitié et votre attachement actif vers la famille Mozart.« Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, 20. Juli 1828, A Wn.

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in der Steindruckerei von Joseph Lacroix wurden sie gedruckt.102 Ein weiterer Kontakt in München war der Kommissionär Sebastian Pichler, der die Verbindung zum bayrischen Königspaar herstellte, das die Biographie subskribierte, er verteilte die Biographie auch an andere Personen in München.103 Er verschickte außerdem die Lithographien von Lacroix nach Pirna an Johann Heinrich Feuerstein und nach Salzburg.104 Die Bilder wurden also nachträglich in die Biographie eingelegt, und zwar nicht vom Verlag selbst, sondern von denjenigen, die die Subskription überwachten. Constanze Mozart schickte wiederum im Oktober 1828 ein Paket mit Bildern von Salzburg nach Berlin an Marie-Cathérine Célèste Spontini.105 Es zeigt sich, dass Constanze Mozart auch weiteres Material sammelte und in die Biographie integrierte, obwohl sie die Biographie öffentlich als von Georg Nikolaus Nissen abgeschlossen bezeichnet hatte. Nachträglich erklärte sie, dass sich dadurch die Herausgabe verzögert hatte, so z. B. in den Subskriptionseinladungen in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung im Juni 1828106 und in der Caecilia Nr. 33, 1828. Der Grund war, dass »sich im Verlaufe der Arbeit noch so mancher schöne Aufsatz vorfand, der des Abdruckes werth war«, und weil einige »Verehrer« noch »mehrere Zeichnungen« beisteuerten.107 Der Schluss des lebensgeschichtlichen Teils über Wolfgang Amadé Mozart nimmt eine etwas unerwartete Wendung in die Gegenwart mit dem Fokus auf den Sohn Franz Xaver Wolfgang Mozart. Seine Briefe, vor allem aus den Jahren 1826 und 1827, werden abgedruckt.108 Der Sohn widmete sich mit dem ersten Auftritt seines in Lemberg gegründeten Cäcilienvereins dem Andenken des Vaters anlässlich seines Todestages am 5. Dezember 1826. Ein Bericht dieser Feierlichkeiten ist in die Biographie eingefügt, im Erstmanuskript liegt er als Zeitungsausschnitt bei.109 Damit handelt es sich um ein Beispiel, welche Einfügungen noch nachträglich vorgenommen wurden. Mit der Entscheidung bekräftigte Constanze Mozart das Bild ihres Sohnes als dem Nachfolger ihres Mannes bzw. würdigte wiederum dessen Aktivitäten um die Erinnerung des Vaters.

102 Vgl. Constanze Mozart TageBuch, S. 129; vgl. auch S. 53, 55, 77, 84 und 92. 103 Vgl. Constanze Mozart TageBuch, S. 65ff, 71f. 104 Im Konsistorialarchiv in Salzburg (A Sd) befinden sich unter der Sign. Dommusikverein Nr. 655 zwei Briefe von Sebastian Pichler an Constanze Mozart, die dies bestätigen. 105 Vgl. Constanze Mozart TageBuch, S. 52f. 106 Intelligenzblatt Nr. VIII zur AMZ, Juni 1828. 107 »Einladung zur Subscription auf Wolfgang Amadeus Mozart’s vollständige Biographie«, Intelligenzblatt zur Caecilia 33 (1828). 108 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 596–607. 109 Ebd., S. 598ff; vgl. Erstmanuskript, Doc NB 4, A Sm.

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Als neuer Termin wurde wegen der nachträglichen Einfügungen Michaelis (der 29. September) 1828 festgelegt, die Biographie erschien letztendlich jedoch erst im Frühjahr 1829.

4.3. Die Rolle Johann Heinrich Feuersteins Einen wichtigen Beitrag zur Entstehung der Biographie leistete der Arzt Johann Heinrich Feuerstein. Dass er ein Vorwort verfasste, regte zu Vermutungen an, dass er auch weitere Teile der Biographie geschrieben haben könnte.110 Die Entstehung der Biographie vom Sammeln des Materials bis zur Herausgabe war in der Tat ein fließender Prozess, an dem mehrere Personen beteiligt waren. Vor allem aufgrund der Tatsache, dass vorwiegend vorhandenes Material verwendet wurde, sind die Verantwortlichen nicht immer leicht auszumachen. Hinzu kam, dass Georg Nikolaus Nissen, der das Material in eine erste Reihenfolge brachte, während der Arbeit an der Biographie verstarb. Es ließ sich jedoch zeigen, dass das Material in Salzburg zusammen getragen wurde. Dort wurde auch das Verlagsmanuskript von Anton Jähndl verfasst. Wenn Johann Heinrich Feuerstein konkret an der Niederschrift der Biographie beteiligt gewesen wäre, dann hätte er in Salzburg vor Ort sein müssen, um Constanze Mozart zu unterstützen. In dem Material für die Biographie ist seine Handschrift nicht zu finden, lediglich im Verlagsmanuskript. Es ist außerdem unwahrscheinlich, dass Constanze Mozart das Material aus der Hand gegeben und nach Pirna gesendet hätte. Johann Heinrich Feuersteins wichtige Aufgabe bestand nicht in der Niederschrift der Biographie, sondern im Lektorat. Er fügte letzte Korrekturen in das Verlagsmanuskript ein. Auch war er verantwortlich für die Vermittlung zwischen Constanze Mozart und dem Verlag Breitkopf & Härtel, und für die finanzielle Abwicklung. Insgesamt herrscht bis heute Unverständnis dafür, weshalb Constanze Mozart gerade ihn an der Arbeit zur Biographie beteiligte. Er entpuppte sich am Ende als wenig vertrauenswürdiger Mensch, als er, mit der Abrechnung der Subskribenten betraut, Constanze Mozart erhebliche Schwierigkeiten bereitete und ihr einen Anteil der Zahlungen nie übermitteln sollte. Zum 110 »Es ist weiterhin noch ungeklärt, wie groß Feuersteins eigener Anteil an der Biographie gewesen ist. Nach Ansicht Schurigs dürften neben dem Vorwort auch das Schlusskapital [sic] ›Mozart als künstlerischer Mensch‹ zum Teil aus seiner Feder stammen.« Rudolph Angermüller, »Vorwort«, in: Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S.IXf. Im Vorwort der neuen Ausgabe der Biographie Nissens schreibt Angermüller hingegen lediglich, dass Feuerstein womöglich die Endredaktion des Anhangs vorgenommen hätte, vgl. Rudolph Angermüller: »Einleitung«, in: Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Neuausgabe 2010, S. 4.

Die Rolle Johann Heinrich Feuersteins

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Lebensende wurde ihm eine Schizophrenie attestiert und er wurde in die Psychatrie eingewiesen. Er hatte sich jedoch früh als Mozart-Kenner und -Liebhaber ausgewiesen. Er besuchte in Weimar das Gymnasium, an dem der Kapellmeister und Mozart-Liebhaber August Eberhard Müller Musik unterrichtete.111 Konkrete Kontakte zu Müller sind nicht nachzuweisen. Feuerstein besaß jedoch ein Exemplar von Müllers Anleitung zur Interpretation von Mozarts Klavierkonzerten. Dass er sich besonders für Klaviermusik begeisterte, beweisen auch die Manuskriptkopien von drei Klavierkonzerten Carl Philipp Emanuel Bachs in seinem Besitz.112 Bald sammelte er eigenhändig Werke von Wolfgang Amadé Mozart und Michael Haydn. Es ist davon auszugehen, dass er zunächst mit Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen Kontakt aufnahm mit dem Ziel, seine Musiksammlung zu erweitern. Am 28. Februar 1826 schrieb er an Anton Jähndl und bat um ein Verzeichnis der Kirchenkompositionen von Michael Haydns und Wolfgang Amadé Mozarts. Ferner schrieb er an Anton Jähndl am 23. Januar 1827: »Wegen Ihren Arbeiten an Mozarts Biographie sind Sie zu beneiden, nur gar zu gern möchte ich schon um des Ruhmes dieses lieben Mannes willen mithelfen.«113 Diese Aussage zeigt, dass Johann Heinrich Feuerstein zu diesem Zeitpunkt noch nicht in die biographische Arbeit eingebunden war, sondern erst nach Georg Nikolaus Nissens Tod 1826.114 Vielleicht leitete Anton Jähndl diesen Wunsch zur Mithilfe weiter an Constanze Mozart. Vom Februar 1826 sind allerdings bereits Hinweise zum Kontakt zu Feuerstein überliefert: Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen schenkten ihm neun Briefe, die er sich als Autographe bestätigen ließ.115 Dies spricht dafür, dass Johann Heinrich Feuerstein möglicherweise im Februar 1826 das Paar in Salzburg persönlich aufsuchte. Dass bereits vor Nissens Tod ein Kontakt statt gefunden hat, deutet auch Feuersteins Anmerkung im Vorwort der Biographie an, dass er den Plan der Biographie gekannt hätte: »Da ich längere Zeit mit Nissen und mit dem Plane der beabsichtigten Biographie bekannt war […].«116

111 Vgl. Eric Offenbacher: »Linkage to Mozart. The Life Story of Johann Heinrich Feuerstein (1797–1850)«, Teil I, in: MJb (1993), S. 1–39, hier S. 9. 112 Diese befinden sich heute in der Sächsischen Landesbibliothek Dresden, vgl. ebd., S. 9. 113 Rudolph Angermüller: »Feuerstein, Jähndl und das Ehepaar Nissen«, in: Wiener Figaro 39 (1971), S. 9–15, hier S. 11. 114 Vgl. Offenbacher: »Linkage to Mozart«, Teil I, S. 23. 115 Ein Brief W.A. Mozarts an seinen Vater, sechs Briefe Leopold Mozarts an Maria Anna Mozart, ein Brief W.A. Mozarts an seine Schwester, ein Brief Maria Anna Mozarts an ihren Sohn Leopold; vgl. Offenbacher: »Linkage to Mozart«, Teil I, S. 26f. 116 Vorwort von Johann Heinrich Feuerstein, in: Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. IXf.

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Eine nächste verlässliche Spur gibt es erst wieder im April 1828. Ab diesem Zeitpunkt scheint Feuerstein vollständig involviert. Constanze Mozart schrieb in einem Brief an Gaspare Spontini, sich in Belangen der Übersetzung der Biographie an Johann Heinrich Feuerstein zu wenden, er sei ihr »Bevollmächtiger« und würde in Pirna die Korrektur der Biographie vornehmen: Doktor Feuerstein ist ein Gelehrter, der schon mit Begeisterung über diese Belange mit meinem Ehemann Georg Nikolaus Nissen in Kontakt war. Diesem Freund habe ich alles übertragen, auch die Korrektur. Breitkopf und Härtel erhalten alles durch seine Vermittlung, und sie senden dann alles an ihn zurück zur Korrektur.117

Noch genauer umreißen lässt sich die Art seiner Mithilfe durch einen Blick in das Erstmanuskript der Biographie, das für den Druck angefertigt wurde. Es besteht aus vier Teilen, die von Constanze Mozart an Johann Heinrich Feuerstein gesendet wurden. Er quittierte die Sendung folgendermaßen: »Dieses Paket ist die erste Sendung von Madame Nissen in Salzburg. DFst. [Dr. Feuerstein.]«118 Feuersteins Handschrift ist in Anmerkungen in schwarzer Tinte im Manuskript zu identifizieren, diese beschränken sich auf sprachliche Formulierungen und teilweise knappe Einleitungen zu den Briefen wie »Der Sohn an den Vater«. Auch daraus lässt sich schließen, dass Feuerstein das Lektorat des Manuskripts übernahm. Vom Umschlag der Manuskriptteile ist zu entnehmen, dass er das Manuskript sukzessiv an Breitkopf & Härtel sandte; darauf verweisen seine Notizen auf dem Umschlag der Teilmanuskripte, z. B.: »d. 4. Mai 28 an BH in Leipzig geschickt: Biographie bis S. 42. Beilagen Briefe bis S. 42.«119 Der 4. Mai 1828 markiert auch den Zeitpunkt, an dem Feuerstein den ersten Teil des Manuskripts an Breitkopf & Härtel übersandte. Mit der Vermittlung gebenüber Breitkopf & Härtel hatte Johann Heinrich Feuerstein keine leichte Aufgabe, sondern ein hohes Maß an Verantwortung. Entscheidungen in der Subskription, über Preis und Auflage waren von ihm zu treffen. Zu letzterem forderte Breitkopf & Härtel ihn am 14. April 1828 ebenfalls auf. Damit ergab sich ein erstes Problem: Die Auflagenhöhe war schlecht einzuschätzen, denn zu diesem Zeitpunkt war die Subskription noch in vollem Gange, auch das Manuskript wurde noch erweitert, weshalb Constanze Mozart den Preis sogar nachträglich erhöhen wollte. Davon riet

117 Orig.: »Le docteur de Feuerstein est un savant, qui fut deja en correspondence sur ces affaires avec feu mon mari Nissen. A cet ami digne je transmis le tout, et aussi la Correcture. Breitkopf et Hertel recoivent avec tout par sa mediation, et ils remettent alors tout vers lui pour la Correcture.« Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, 10. April 1828, A Wn. 118 Erstmanuskript, Doc NB 1, A Sm. 119 Ebd.

Die Rolle Johann Heinrich Feuersteins

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der Verlag ab. Im Mai 1828 wurde die Auflage mit 2100 Exemplaren angesetzt.120 Johann Heinrich Feuerstein sandte ab April 1828 das Manuskript in Teilen an den Verlag und erhielt die Druckfahnen, sogenannte »Aushängebogen«, zur Korrektur. Bereits zwei Wochen nach der ersten Einsendung bemängelte Breitkopf & Härtel, dass das Manuskript nicht vollständig sei und Beilagen fehlen würden.121 Es wird deutlich, dass Breitkopf & Härtel Vorbehalte ob des Erfolgs der Biographie hatten. Sie waren offenbar vom Konzept insgesamt nicht überzeugt: Denn wir gestehen Ihnen ganz offen, daß wir fürchten, diese Biographie werde bei Ihrem Erscheinen im Publikum kein besonderes Glück machen, u. mancher Subskribent vielleicht bei näherer Ansicht seinen Entschluß bereuen.122

Der Verlag befürchtete, die Biographie würde im Ergebnis zu umfangreich und daher »einen unförmlichen Band geben«123. Zu dieser Zeit war der Anhang auch bereits in Planung, allerdings noch im bescheidenen Umfang von zwei Bogen. Am 15. Oktober 1828 war die Biographie offensichtlich in weiten Teilen abgeschlossen, zumindest bat der Verlag Johann Heinrich Feuerstein um letzte Schritte: »Wir wiederholen heute unsere Bitte um Einsendung des Titels, Vorrede, Inhaltsverzeichnis und Notiz wegen dem Nachtrage, welche zum Schluss der Biographie kömen.«124 Johann Heinrich Feuerstein war von Constanze Mozart außerdem beauftragt worden, die Finanzen zu regeln und die Funktion eines Buchhalters zu übernehmen. Constanze Mozart begann am 19. September 1828 ein Tagebuch über ihre Korrespondenz bezüglich der Biographie zu führen. Leider sind die meisten Briefe, die sie darin erwähnt, nicht im Original erhalten, dieses Tagebuch gibt als eine Art Geschäftsbuch jedoch Aufschlüsse über die Organisation der Subskription, Abrechnungen und auch des Vertriebs der Biographie, an der Johann Heinrich Feuerstein zentral beteiligt war. Zunächst zu den Finanzen: Bei Breitkopf & Härtel fielen für den Druck Kosten an, die der Verlag durch eigene Einnahmen von Subskribenten nicht decken konnte. Im Januar 1829 schlug Johann Heinrich Feuerstein vor, dass er die Gelder von Gaspare und Marie-Cathérine Célèste Spontini, die in Berlin zahlreiche Subskribentinnen und Subskribenten sammelten, anfordern würde, was der Verlag skeptisch beurteilte: »Wir sehen daraus mit Befremden, daß Sie den 120 121 122 123 124

Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 16.5.1828, D LEsta. Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 28.4.1828, D LEsta. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 1.10.1828, D LEsta. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 19.9.1828, D LEsta. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 15.10.1828, D LEsta.

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Betrag der Exemplare, welche Hr. Ritter Spontini bestellt hat, selbst einziehen wollen, die wir doch zur Deckung unserer hohen bedrückenden Druckkosten bestimmt glaubten […].«125 Im nächsten Brief forderte der Verlag von Johann Heinrich Feuerstein die Summe von 1612 Talern, die noch keine Porto- und Insertionskosten enthielten.126 Diese Summe stellte Breitkopf & Härtel im Anschluss, womöglich weil Feuerstein nicht reagierte, Constanze Mozart im März 1829 in Rechnung.127 Im Juni 1829 erhielt Johann Heinrich Feuerstein eine Erinnerung, worin die Kosten näher definiert wurden: Gaspare Spontini hätte Exemplare für 1510 Taler erhalten. Mittlerweile hatte Feuerstein eine Summe von 390 Talern beglichen, er sollte aber unbedingt den Rest bald einsenden.128 Im nächsten Schreiben des Verlags hieß es: Wir haben das Vergnügen gehabt, Ihr geehrtes Schreiben v. 22n d. zu erhalten, können Ihnen aber leider darauf nur erwiedern, daß bis itzt weder von Mad.me Nissen noch vom Ritter Spontini eine Zahlung an uns eingegangen ist. Da Sie nun selbst mit letzterem dieses Geschäft arrangiert haben, und uns die Sache nichts weiter angeht, so müssen wir Sie angelegentlich bitten, ihn [Spontini] an die baldige Einsendung der zum größten Theil noch rückständigen Subskriptionsgelder für die Mozartsche Biographie ernstlich zu erinnern. Denn Sp. hat von uns für D. 1510 netto [?] [Exemplare] erhalten, und darauf erst D. 390 6 x. Wechselzahlung bezahlt, so daß, wenn er auch seine Auslagen und vielleicht auch eine mit Ihnen verabredete Provision abzieht, doch noch ein sehr namhafter Rest bleiben muss. Er scheint diese Angelegenheit sehr in die Länge zu ziehen und Ihre Vermittelung wird darum umso nötiger.129

Hier klingt es so, als sei Gaspare Spontini derjenige, der säumig war, und nicht Johann Heinrich Feuerstein selbst. Constanze Mozart stellte Feuerstein ihrerseits ebenfalls Beträge in Rechnung, z.B für die Kopistentätigkeiten Anton Jähndls, etwa im September 1828 eine Summe von 90 Gulden, im September 1830 von 127 Gulden.130 Sie vertraute ihm, dass er die Abrechnungen korrekt regelte. Im Juni 1830 war die Forderung Breitkopf & Härtels über den Restbetrag weiterhin offen.131 Ende September sandte Constanze Mozart

125 Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 31.1.1829, D LEsta. Vgl. auch Constanze Mozart, TageBuch, S. 63 und 91. 126 Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 16.2.1829, D LEsta. 127 Vgl. Breitkopf & Härtel an Constanze Mozart, Leipzig, 18.3.1829, in: TageBuch, S. 63f; ebenfalls abgedruckt bei Angermüller/Dahms-Schneider: »Neue Brieffunde zu Mozart«, S. 230f. 128 Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 25.4.1829, D LEsta. 129 Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 30.6.1829, D LEsta. 130 Constanze Mozart, TageBuch, S. 55, 98 und 100. 131 Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 98 und 100.

Die Rolle Johann Heinrich Feuersteins

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300 Gulden an den Verlag und stellte sie ebenfalls Feuerstein in Rechnung.132 Sie ließ sich im März 1830 von Johann Heinrich Feuerstein beschwichtigen: »von Feuerstein aus Carlsbad Brief erhalten worauf nicht zu antworten ist. Er hat mir gesagt: daß meine geschäften in der Besten ordnung sind.«133 Bald darauf gelangte Feuerstein offenbar in Verzug. Denn ein Jahr später notierte sie folgendes: »am 23. F[ebruar] 1831 an Doctor Feuerstein Nach Pirna bei Dresden geschrieben und abermahlen gebethen die geschäfte mit B ud H zu betreiben«;134 er sollte endlich eine endgültige Abrechnung vornehmen. Diese forderte er bei Breitkopf & Härtel auch an, doch nun verschob der Verlag seinerseits den Rechnungsabschluss wegen der Ostermesse.135 An dieser Stelle ist interessant, dass der Verlag seine Aktivitäten in Klärung der Finanzen einstellte, sowohl gegenüber Johann Heinrich Feuerstein als auch gegenüber Constanze Mozart. An Feuerstein gibt es nur noch zwei Briefe aus dem Jahr 1834 mit einer Forderung über 37 Taler.136 Wie ist dies zu erkären? Erst auf eine Bitte Constanze Mozarts antwortete Breitkopf & Härtel: Ew. Hochwohlgeb. hochst schätzbare Zuschrift v. 31. März höflichst entgegnend, bedauern wir herzlich, daß Sie Ursache gefunden, mit H. Dr. Feuerstein so unzufrieden zu sein, und können Ihnen nicht verhehlen, daß auch uns derselbe viele Unannehmlichkeiten verursacht hat. – Mit kaufmännischen Verhältnissen und besonders mit kaufmännischer Ordnung durchaus nicht bekannt, waren seine uns eingesandten Listen, wonach wir die Exemplare der Mozartschen Biographie verschicken sollten, mit weniger Umsicht verfaßt, so daß uns eine große Anzahl derselben zurückkamen, zum Theil weil die Empfänger dieselben von ihm oder Ihnen schon erhalten hatten, zum Theil weil die Adressen der Empfänger nicht genau und daher nur mit Mühe und Kosten angebracht werden konnten. – Wie unangenehm und zeitraubend dies Geschäft dadurch für uns wurde, können Sie wohl selbst am besten würdigen, und wir würden dasselbe vielleicht von uns gewiesen haben, hätten wir nicht gewünscht, Ihnen zu Gefallen, und den Manen Ihres frühern Gemahls zu Ehren uns der Commission zu unterziehen.137

Ferner schrieben sie, dass von der Gesamtsumme weiterhin lediglich 390 Taler beglichen worden waren, einem vorläufigen Rechnungsabschluss zufolge würden Constanze Mozart noch 145 Taler zustehen.138 Die endgültige 132 133 134 135 136

Constanze Mozart, TageBuch, S. 98. Constanze Mozart, TageBuch, S. 95. Constanze Mozart, TageBuch, S. 101. Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 9.5.1831, D LEsta. Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, Leipzig, 25.6.1834, und 10.7.1834. 137 Breitkopf & Härtel an Constanze Mozart, Leipzig, 14.4.1832, in: Angermüller/DahmsSchneider: »Neue Brieffunde zu Mozart«, S. 231. 138 Vgl. ebd.

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Rechnung wurde wegen der Messe nochmals verschoben. In dem Brief heißt es auch, dass noch 900 Exemplare der Biographie übrig wären, die der Verlag vertreiben könnte. Das bedeutet wahrscheinlich, dass der Verlag mit eigenen Einnahmen aus der Subskription und dem Guthaben Constanze Mozarts, das von Feuerstein ausgeglichen werden sollte, seine Kosten weitgehend decken konnte. Das bedeutet, dass Constanze Mozart diejenige war, die auf den Kosten sitzen blieb. Daher verlangte sie im Juli und Oktober 1832 von Johann Heinrich Feuerstein die Rechnung, ihre Gelder und auch, nicht näher definiert, »alle Manuscripten«.139 Am 20. Oktober 1832 reagierte sie verständnisvoll auf seine persönliche Krise, die sich aus der Trauer über den Tod seines Sohnes und der Scheidung von seiner Frau ergeben hatte. Constanze Mozart bat ihn, wenn er ihr nicht die Gesamtsumme senden könnte, die er ihr schulde, solle er eine erste Anzahlung machen und ihr mitteilen, wieviel noch ausstünde.140 Im Februar 1833 verschärfte sie den Ton: »an Doctor Feuerstein in Pirna derb geschrieben und gesagt: daß er mich nicht wie ein Mann von Ehren behandle und ich daher andere Wege einschlagen werde.«141 Sie erwog, ihre Rechte einzuklagen: Am 5 augus[t] 1833 An Dr von Feuerstein einen rech[t] derben Brief geschrieben u[n]d abgeschickt, ihm gesagt: daß ich mich nicht mehr bei der Nase herumführen laßen will und wenn er mir in zeit von 3 Wochen meine geschäften nicht einde [? erledige] ich ihn ohne Gnade gerichtlich verklagen werde.142

Unklar bleibt damit, welche Gelder Constanze Mozart nach der Abrechnung mit dem Verlag zugestanden hätten. 1835 war sie ihm weiterhin auf der Spur, als er sich bereits in Dresden aufhielt. Sie wandte sich für rechtliche Unterstützung an den bayrischen Landgerichtsassessor Sattler in Altdorf bei Nürnberg, dem sie mitteilte, dass Johann Heinrich Feuerstein dementierte, die 1510 Taler jemals erhalten zu haben. Gleichzeitig teilte sie mit, dass sie von Feuersteins finanzieller Not erfahren hatte, weshalb es schwer wäre, ihn zur Verantwortung zu ziehen.143 1837 wurde sein Besitz teilweise zwangsversteigert. 139 Constanze Mozart, TageBuch, S. 112f. 140 Constanze Mozart an Johann Heinrich Feuerstein, Salzburg, 20.10.1832, in: Eric Offenbacher: »Linkage to Mozart: The Life Story of Johann Heinrich Feuerstein (1797– 1850)«, Teil II, in: MJb (1994), S. 1–63, hier S. 45f. Dieser Brief ist hier in englischer Übersetzung abgedruckt, das Original befindet sich in Privatbesitz Cecil B. Oldmans. 141 Constanze Mozart, TageBuch, S. 115. 142 Constanze Mozart, TageBuch, S. 117. 143 Vgl. Constanze Mozart an Herrn Sattler, 30.4.1835, in: Ernst Fritz Schmid, »Schicksale einer Mozart-Handschrift«, in: MJb (1957), S. 43–56, hier S. 46/47. Englische Übersetzung abgedruckt bei Offenbacher: »Linkage to Mozart«, Teil II, S. 47.

Subskription und Vertrieb

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Es gibt keinen Eintrag im Tagebuch, dass die Forderungen Constanze Mozarts durch Johann Heinrich Feuerstein beglichen worden wären. Welche Dokumente forderte sie wohl zurück? Meinte sie mit »Manuscripten« das von Anton Jähndl angefertigte Erstmanuskript? Da dieses heute noch im Mozarteum vorliegt, gelangte es wahrscheinlich durch ihren Nachlass über die Söhne dorthin, also hat sie es entweder von Johann Heinrich Feuerstein oder vom Verlag direkt zurück erhalten. Möglicherweise blieben jedoch einige Originaldokumente in seinem Besitz.144 Dies wird jedoch nicht zu klären sein. Es ist nachgewiesen, dass er verarmt starb, sein Nachlass gilt als verschollen. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle: Die Entstehung der Biographie war im Übergang vom Sammeln zum Edieren aufgrund des Montageverfahrens ein fließender Prozess. Die Materialien wurden in Salzburg von Georg Nikolaus Nissen gesammelt und das Manuskript, das später für den Erstdruck verwendet wurde, von Anton Jähndl nach dessen Tod und auf Basis von dessen Vorarbeiten ebenfalls in Salzburg verfasst. Johann Heinrich Feuerstein bildete von Pirna aus die Kontaktstelle zum Verlag. Constanze Mozart fiel dabei die Rolle zu, sich nach Georg Nikolaus Nissens Tod überhaupt zur Herausgabe der Biographie zu entscheiden und die vielfältigen dazu notwendigen Schritte von Salzburg aus zu unternehmen und zu koordinieren.

4.4. Subskription und Vertrieb Die Biographie wurde ausschließlich über Subskription vertrieben, d. h. letztlich über persönliche Initiative und Kontakte. Kurz nach der Sendung des Manuskripts an Breitkopf & Härtel im April 1828 begann Constanze Mozart, die Subskription zu organisieren. In einer Anzeige in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom Juni 1828 gab sie neben den Verlagen André und Breitkopf & Härtel als mögliche Personen, bei denen zu subskribieren sei, Johann Heinrich Feuerstein in Pirna, »Ritter Spontini« in Berlin und sich selbst an.145 Die Namen der Subskribenten, die sie selbst gewinnen konnte, teilte sie Feuerstein mit, d. h. er erstellte die Gesamtliste zur Subskription.146 Wie bereits mehrfach erwähnt, wurde Constanze Mozart bei der Subskription auch durch das Ehepaar Spontini unterstützt.147 Gaspare Luigi Pacifico 144 Offenbacher: »Linkage to Mozart«, Teil II, S. 43, Fußnote 158, vermutet, dass Notenautographe, ggf. auch der Fragmente, Briefe und andere Dokumente sich noch in Feuersteins Besitz befanden. 145 Intelligenzblatt Nr. VIII der AMZ, Juni 1828. 146 Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 52. 147 Vgl. Rudolph Angermüller: »Neuerwerbungen der Bibliotheca Mozartiana«, in: MISM 41/1–2 (1993), S. 69–76; Werner Notz: »Neues zum Briefwechsel zwischen Constanze

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Spontini (1774–1851) hatte sich als Opernkomponist unter Protektion der französischen Kaiserin Joséphine in Paris etabliert, und galt nach der erfolgreichen Uraufführung seiner Oper La Vestale 1810 als »repräsentativer Komponist des Empire«148. Im selben Jahr heiratete er Marie-Cathérine Célèste Érard (1790–1878), Tochter des Pariser Klavierfabrikanten und Verlegers JeanBaptiste Érard. 1820 wurde Spontini von Friedrich Wilhelm III. nach Berlin abgeworben, wo er eine Stelle als Generalmusikdirektor am preußischen Hof erhielt. Spontini trat sowohl in Paris als auch später in Berlin als Dirigent von Mozarts Opern hervor. 1811 brachte er im Théâtre de l’Impératrice in Paris die Originalfassung des Don Giovanni zur Aufführung.149 In der Rolle des Förderers von Mozarts Musik war Spontini Constanze Mozart offensichtlich bekannt, sonst hätte sie sich nicht an ihn gewandt. Wie und wann der Kontakt zu Constanze Mozart entstanden ist, ließ sich nicht genau klären. Ihre Reise nach Berlin 1796 kommt dabei noch nicht in Frage. Gaspare Spontini hatte sich allerdings wohl 1811 an Constanze Mozart als Interessent für den Flügel Wolfgang Amadé Mozarts gewandt, den sie anlässlich ihrer Haushaltsauflösung verkaufen wollte. Sie gab ihn jedoch an den Sohn, sandte Gaspare Spontini aber eine Farblithographie.150 In ihrem Brief vom 12. November 1827 gratulierte sie ihm zu einer Auszeichnung durch den König von Bayern und dankte ihm, dass die königliche Familie die Biographie auf seine Initiative hin subskribiert hatte. Sie schrieb, dass sie froh sei, ihn persönlich kennengelernt zu haben: da ich Sie schon so lange Zeit Ihres großen Genie wegen so hoch schätze, und nun ich das noch größeres Glück hatte, Sie selbsten persönlich kennen zu lernen, und Sie so liebenswürdig gegen mich, und alles was mich angehet, so freundschaftlich sich interessieren, bin ich Ihnen auch mit ganzer Seele ergeben, und wünsche nun, daß auch ich im Stande wäre, Ihnen dienen zu können.151

Ob Constanze Mozart dafür 1827 nach München reiste oder Gaspare Spontini auf einen Besuch nach Salzburg kam, muss dabei offen bleiben.152 Constanze Mozart reiste in jedem Fall im Sommer 1828 anlässlich der PorträtangelegenMozart und dem Ehepaar Spontini«, in: MISM 40/1–4 (1992), S. 163–164. 148 Matthias Brzoska: Art. »Gaspare Luigi Pacifico Spontini«, in: MGG2P15 (2006), Sp. 1227–1238, hier Sp. 1228. 149 Vgl. ebd. 150 Vgl. Gruber 1985, S. 103 und Offenbacher: »Linkage to Mozart«, Teil II, S. 3. 151 Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, Salzburg, 12.11.1827, S Smf. In B/D IV, S. 494, ist nur ein Auszug aus diesem Brief abgedruckt. 152 Offenbacher: »Linkage to Mozart«, Teil II, S. 3, schreibt in Verweis auf den Artikel »Spontini« von Wilhelm Pfannkuch in der MGG1, Bd. 12 (1965), Sp. 1082, dass Gaspare Spontini zu Constanze Mozart 1827 nach Salzburg kam, nachdem er in München

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heiten für die Biographie nach München und wandte sich auch an den bayrischen Hof. Möglicherweise spielte auch der Kontakt zum Hofkapellmeister André Hippolyte Chélard (1798–1861) eine Rolle, an den Constanze Mozart über Spontini Grüße ausrichten ließ.153 In ihrem Tagebuch notierte sie ohne Datum vor dem 19. September 1828 Chélards Adresse in Paris.154 Gaspare Spontini begann, weitere Subskribenten zu sammeln. Im März 1828 hatte er bereits 250 Subskribenten gewinnen können. In einem Brief vom 28. März 1828 schlug Constanze Mozart ihm vor, er sollte auch das Geld der Subskribenten einsammeln und nach Salzburg schicken, falls sie nicht eine andere Lösung fände. Sie schrieb außerdem, dass sie einen Brief an den französischen Verleger Sevelinges beilege, der eine Übersetzung der Biographie anfertigen und herausbringen wolle. Am 10. April 1828 gab sie Gaspare Spontini weiterhin grünes Licht für eine französische Übersetzung.155 Er sollte dafür Einnahmen aus der Subskription verwenden. Im selben Brief schrieb sie Gaspare Spontini auch, dass sie Johann Heinrich Feuerstein zurate gezogen und ihm die Subskription übertragen hätte. Am 24. Oktober 1828 bestätigte sie in ihrem Tagebuch, dass die Gelder nun von Spontini an Feuerstein fließen würden.156 Im Oktober meldete sie allerdings grundsätzliche Bedenken gegenüber der Übersetzung an. Sie habe sie noch nicht angekündigt oder weiter verfolgt, denn Feuerstein wolle die Biographie nicht Blatt für Blatt übersenden, da dies zu teuer sei. Sie wollte warten, bis er alles abgeschlossen habe, dann würde er sich direkt an Spontini wenden.157 Der Kostenfaktor war für sie der größte Einwand gegen die Übersetzung. In der Zwischenzeit war sie ja in München gewesen und hatte die Lithographien in Auftrag gegeben, was scheinbar teurer als erwartet war: Mein geliebter Freund! schon die deutsche Ausgabe der Biographie macht mir bei den so grossen Unkosten manche denkende Stunde, wie ich diese wieder herein

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die Aufführung seiner Oper Vestalin geleitet hatte. Dies konnte allerdings nicht durch Quellen bestätigt werden. Vgl. Constanze Mozart an Marie-C. Célèste Spontini, 29.6.1830, A Wn. Bei diesem Briefbestand in der Österreichischen Nationalbibliothek (13 Briefe) handelt es sich um Abschriften bzw. französische Übersetzungen der Originalbriefe Constanze Mozarts an das Ehepaar Spontini. Die Originale liegen bis auf zwei Ausnahmen (12.11.1827, Original befindet sich in S Smf; 24.10.1828) nicht vor. Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 50. »L’affaire est donc concluse. Mr. le Chevalier Sevelinges aura la traduction de la Biographie, et Vous, mon tres cher ami, voudrez bien lui écrire, qu’il récevra tout de la manière, comme sa lettre le demande […].« Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, 10.4.1828, A Wn. Constanze Mozart, TageBuch, S. 54. Constanze Mozart an Marie-C. Célèste Spontini, 10.10.1828, A Wn.

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Leben beschreiben

bringen werde; denn nur für die Bildnisse allein habe ich in München über 1000. Gulden bezahlt; kömmt dazu erst die ganze Auflage des Buches in Leipzig! Eben aus diesen Gründen kann ich mich nur dann zur Erscheinung einer französischen Uebersetzung der Biographie bereden, wenn ich versichert bin, dass ich einigen Gewinn habe. Aus dieser zweifelvollen Lage kann mich nur ein Mann von so umfassender Weltkenntniss, wie Sie, mein bester Freund, mich reissen. Sie werden es gewiss mit Chevalier Sevelinges dahin bringen, wo es nur zum Besten der Mozart’schen Familie ausfallen kann.158

Am selben Tag schrieb sie, weiterhin skeptisch, in ihr Tagebuch: »An Spontini nach Berlin geschrieben und ihm gesagt daß ich mich nur alsdann in Betreffe der französischen übersetzung einlaßen werde wen[n] Er und Chevalier Sevelinges mir gut stehen, daß ich im voraus gesichert bin Nutzen davon zu haben.«159 Johann Heinrich Feuerstein bat den Verlag, dafür einzelne Bogen des Manskripts an Gaspare Spontini zu senden, was er auch tat.160 Dieser lehnte sie allerdings ab und bat, erst das komplette Manuskript für eine Übersetzung an ihn zu senden.161 Vielleicht spielte die problematische Logistik damit auch eine Rolle; die Übersetzung bei Sevelinges wurde letztlich nicht umgesetzt. Ein halbes Jahr später dankte sie Spontini für die pünktliche Überweisung an Feuerstein. Zu diesem Zeitpunkt schrieb sie noch nichts über Zahlungsschwierigkeiten oder andere Probleme. Nicht näher definiert dankte sie Spontini an 21. April 1829 für sein Bemühen und Unannehmlichkeiten, womöglich wegen Feuerstein. Diesen Dank wiederholte sie im Dezember 1829.162 Der Kontakt zum Ehepaar Spontini brach mit deren Parisreise 1830 ab. Constanze Mozart schrieb im August 1832 mit Bedauern, dass sie seither nichts mehr von ihren Freunden gehört hätte und hoffte, dass die Korrespondenz wieder in Gang kommen könnte, wenn die Spontinis nach Berlin zurückkehrten; doch scheint es nicht mehr zum Austausch gekommen zu sein.163 Dennoch war Gaspare Spontini ab 1836 an der Finanzierung des Mozart-Denkmals in Salzburg beteiligt.164 »Am Ersten Aprill 1829 war ich so glücklich Mozarts Biographie durch mich in Leipzig bey Breitkopf und Härthel Aufgelegt sehr schön zu bekommen,

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Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, 24.10.1828, A Wn. Constanze Mozart, TageBuch, 24.10.1828, S. 54. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, 15.10.1828, D LEsta. Vgl. Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein, 4.11.1828, D LEsta. Constanze Mozart an Marie-C. Célèste Spontini, 18.12.1829, A Wn. Constanze Mozart an Marie-C. Célèste Spontini, 8.8.1832, A Wn. Vgl. Kapitel 5.1.

Subskription und Vertrieb

257

Gott lob und Dank daß ich so weit gekommen bin.«165 Dies konnte Constanze Mozart schließlich am 1. April 1829 erleichtert in ihrem Tagebuch notieren. Sie erhielt von Breitkopf & Härtel 471 Exemplare.166 Nun ging sie daran, die Biographie den entsprechenden Personen zuzusenden. Pietro Mechetti in Wien erhielt 170 Exemplare, weitere große Stückzahlen gingen nach Graz an Franz Deyerkauf sowie an die Söhne Carl und Franz Xaver Mozart.167 Etwa zwei Monate war sie etwa damit beschäftigt, die Biographie an diverse Personen zu verschicken. Die Aussendung an ranghohe Adelige übernahm sie ebenfalls selbst. König Ludwig I. und Königin Therese von Bayern erhielten vier Exemplare; Franz I., Kaiser von Österreich, und Kaiserin Caroline Auguste Charlotte erhielten 10 Exemplare, die diese auch pflichtbewusst bezahlten.168 Auch an das dänische Königspaar ging die Biographie, persönlich über den dänischen Gesandten Graf Bernstorff am Wiener Hof. Diese Aussendung war Constanze Mozart ein besonderes Anliegen, schließlich war die dänische Königin die Widmungsträgerin der Biographie. In der Widmung heißt es: Allergnädigste Königin und Frau! Allerhöchstdieselben haben bereits so viele Beweise huldreicher Fürsorge für Beschützung und Förderung der Wissenschaften und Künste gegeben, und Sich dabei bleibende Denkmale errichtet. Auf solche Weise ward mir selbst das Glück, von Ihro Königl. Majestät zu hören, wie sehr Sie die Talente meines vorigen Gemahls anerkenneten und den Verlust durch dessen so frühen Tod bedauerten. Nicht weniger ist Ihrer Königl. Majestät mein späterer Gemahl von Nissen in seinen langjährigen königlichen Diensten für so vielseitige Beweise der Allerhöchsten Gnade den unversiegbarsten Dank schuldig. Da nun auch er nicht mehr ist, und sich mir hier eine so passende Gelegenheit zeigt, so dürfte ich wohl zunächst verpflichtet seyn, diesen Dank in tiefster Unterthänigkeit hier öffentlich auszusprechen.169

Constanze Mozart hatte damit Protektion von höchster Stelle erhalten. Die Widmungsinitiative ging auf Georg Nikolaus Nissen zurück, wie Constanze Mozart Gaspare Spontini berichtete: »Ihre Majestät die Königin von Dänemark, der mein Seel. Gatte die Biographie aller unterthänigst gewidmet hatte, war so gnädig selbe huldreich anzunehmen.«170 Die Widmung drückt sicher165 Constanze Mozart, TageBuch, S. 64. 166 Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 63. 167 Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 65f. 168 Vgl. Constanze Mozart, TageBuch, S. 66–68, S. 72f. 169 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Leipzig 1828, Rara Lit. 66, A Sm. 170 Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, Salzburg, 12.11.1827, S Smf. Bei Sjøqvist: »Twice perfectly happy«, S. 117, ist die Widmung zwar abgedruckt, über den Kontext der Widmung gibt er allerdings keine Auskunft. Dazu wird die Arbeit von Viveca Servatius mehr Aufschluss geben.

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lich eine besondere Beziehung zu Kopenhagen aus. Man kann sie aber auch als nachträgliche Respektsbekundung an Georg Nikolaus Nissen lesen, der so viel Energie in das Projekt gesteckt hatte. Dafür spricht auch, dass sie in der Biographie auf der ersten Seite seine Lithographie drucken ließ. Damit hatte die Biographie gleichzeitig zwei Denkmalfunktionen: An Wolfgang Amadé Mozart und Georg Nikolaus Nissen (vgl. Abb. 10). Es ist noch anzumerken, dass diese Widmung an die dänische Königin lediglich in der allerersten Auflage abgedruckt wurde. Der Olms-Verlag Hildesheim verzichtete in den vier »unveränderten Nachdrucken« der Biographie von 1964, 1972, 1984, 1991 und auch in der Neuausgabe von 2010 darauf. Es liest sich durchaus als Erfolgsergebnis, dass die Biographie über Subskription an über 600 Personen verkauft wurde. Constanze Mozart wie auch Gaspare Spontini legten Wert darauf, dass das Subskriptionsverzeichnis in der Biographie abgedruckt wurde. Das Subskribentenverzeichnis zeigt zunächst die Schwerpunkte der Aktivitäten Gaspare Spontinis. 110 Mitglieder der Berliner Hofkapelle kauften die Biographie, darüber hinaus 221 Berliner Bürger und Adlige.171 Wichtige Persönlichkeiten wie Alexander von Humboldt, Carl Wilhelm Gropius, Johann Gottfried Schadow, Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Tieck und Karl August Varnhagen von Ense erwarben die Biographie. Viele Musiker und Musikerinnen subskribierten, wie Felix Mendelssohn, Giacomo Meyerbeer, Ludwig Rellstab, Henriette Sontag und Friedrich Zelter. Auch Graf Johann Nepomuk Trauttmansdorf, österreichischer Gesandter in Berlin, erhielt die Biographie. Der weitere Teil der Subskribentenliste dokumentiert das dichte Netz von Bekanntschaften professioneller und persönlicher Art, das Constanze Mozart sich über die Jahre aufgebaut hatte. Johann Anton André erhielt natürlich ein Exemplar, auch der Verlag Artaria, diverse Buchhändler im deutschsprachigen Gebiet, u. a. Hoffmann und Campe in Hamburg. Friedrich Wilhelm Pixis, der Geiger, der in ihrem Salon musiziert hatte, erwarb die Biographie. Auch die Wiener Grafen Karl und Heinrich von Dietrichstein subskribierten. Aus dem Prager Bekanntenkreis sind Johann Wittaseck und Wenzel Tomaschek zu nennen. Aus ihrem Lebensabschnitt in Kopenhagen kamen weitere Subskribentinnnen und Subskribenten: Die Schriftstellerin Friederike Brun, Pauline Mäder, die später noch die Finanzen Constanze Mozarts aus Kopenhagen abwickelte, und auch der Komponist Christoph Ernst Friedrich Weyse. In München, durch die Belange um die Lithographien, waren es Mitglieder der Hofkapelle samt Intendanz, sowie die Bibliothek des Hoftheaters. Weitere In171 Vgl. hierzu die kommentierte Liste von Rudolph Angermüller: »Die Subskribenten der Mozart-Biographie von Georg Nikolaus Nissen«, in: MISM 49 (2001), S. 56–91. Diese ist auch in der von ihm 2010 herausgegebenen Ausgabe der Biographie beigefügt.

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stitutionen stellten die königliche Hof-Central-Bibliothek München dar, und die Großherzogliche Musikalienbibliothek in Darmstadt. Die Söhne sammelten außerdem viele Namen in Mailand und in Lemberg.

4.5. Das montierte Mozartbild Mit einem Gesamtumfang von 921 Seiten haben Georg Nikolaus Nissen und Constanze Mozart eine schwergewichtige Biographie vorgelegt, die in ihrem Materialgehalt den späteren philologisch orientierten Mozartbiographien des 19. Jahrhunderts, allen voran von Otto Jahn,172 wenig nachsteht. Mehrfach erwähnt wurde bereits das Prinzip der Montage von bestehendem Material. Das hat bisher für Irritationen gesorgt und daher wurde die Biographie auch bisweilen als chaotische Materialsammlung disqualifiziert.173 Das Unverständnis, das dieser Biographie vor allem ihrer formalen Anlage wegen entgegen gebracht wurde, führte dazu, dass die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Biographie bisher nur zaghaft erfolgt ist. Jüngst erschien eine Neuausgabe von Rudolph Angermüller.174 Diese wartet zwar mit überbordenden biographischen Details in den Fußnoten auf. Auch Nissens Anmerkungen aus den Kollektaneen sind in den Fußnoten zu finden. Doch worum handelt es sich genau bei diesen Anmerkungen? Hier erfolgt keine Problematisierung der Quellen oder eine Referenz auf die Inhalte der Kollektaneen, deren Bestandteile genauer definiert werden könnten. Es wird deutlich, dass lediglich Anmerkungen Nissens, die dieser nicht in den Fließtext übernommen hat, in den Fußnoten zu finden sind. Jedoch gibt es auch geringfügige Änderungen Nissens im Text, die allerdings nicht kenntlich gemacht werden. Dies betrifft auch die anderen Textteile: Die textlichen Vorlagen aus anderen Biographien, Anekdoten und Zeitungsausschnitten werden nicht transparent gemacht. Deren Provenienz wäre aber gerade interessant, um den oben genannten Prozess vom Sammeln zum Edieren sowie die Anteile der einzelnen Beteiligten besser beschreiben zu können. Eine kritische Ausgabe der Biographie bleibt damit ein Desiderat.175 Die Biographie Georg Nikolaus Nissens teilt sich zunächst in einen Hauptteil (702 Seiten) mit Lebensbeschreibung und einen Anhang (219 Seiten) mit Werkbeschreibung. Die Lebensschilderung folgt dem Prinzip der Chronologie. Der erste Teil zu Kindheit und Jugend Mozarts verwendet den Text der 172 Otto Jahn: W.A. Mozart, Bd. 1–4, Leipzig 1856–1859. 173 Schurig: Wolfgang Amadé Mozart, Bd. 1, S. 13. 174 Hildesheim 2010. 175 Diese ist im Rahmen der Digitalen Mozart-Edition (DME) geplant.

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Biographie Friedrich Schlichtegrolls, gefolgt von einer Aneinanderreihung von Originalbriefen, die Vater und Sohn von ihren Reisen an die Mutter und Lorenz Hagenauer, einem Freund der Familie Mozart in Salzburg, sandten und die hauptsächlich aus dem Bestand von Maria Anna Mozart stammten und die Georg Nikolaus Nissen in mehreren Heften abgeschrieben hatte. In Wien, wo Wolfgang Amadé Mozart ab 1781 lebte, ist ein deutlicher Bruch in der Anlage der Biographie sichtbar. Hier erfolgt hauptsächlich die ästhetische Einordnung der Opern, die auf Aussagen von Zeitgenossen beruht bzw. auf Ausschnitten aus musikalischen Zeitschriften. Am Ende des Lebenslaufes folgt ein Kapitel »Mozart als Künstler und Mensch«, welches eine Charakterschilderung vornimmt und im Wortlaut vollständig von Franz Xaver Niemetschek übernommen wurde. Der Anhang liefert ein Werkverzeichnis, das Constanze Mozart bei Johann Anton André angeregt hatte. Auch ihre Übersicht über die Fragmente, die Constanze Mozart in dieses Werkverzeichnis aufnehmen lassen wollte, erhielt hier ihren Platz. Im Anschluss daran erfolgen werkästhetische Beschreibungen. Damit kommt es zu einigen inhaltlichen Dopplungen mit dem ersten Teil. Allerdings ist an dieser Stelle wieder eine andere Textbasis vorhanden: Das Abschlusskapitel von Niemetschek, »Mozart und die Eigentümlichkeit seiner Werke«, wird übernommen.176 Ein weiterer Vorbiograph, dessen Text hier angeführt wird, ist Ignaz Ferdinand Arnold. Er hatte 1803 eine Biographie mit dem Titel Mozarts Geist verfasst.177 Arnold hatte darin die Opern bzw. die Gattungen in einzelnen Kapiteln besprochen. Diese Kapitel wurden übernommen, die Reihenfolge jedoch geändert.178 Arnold hatte auch 1810 einen Aufsatz mit dem Titel »Wolfgang Amadeus Mozart und Joseph Haydn« veröffentlicht.179 Ein Teil daraus wurde ebenfalls in der Biographie abgedruckt.180 Dies ist einerseits aus Constanze Mozarts eigener Wertschätzung Joseph Haydns zu erklären, andererseits wird hier auch die Trias Haydn – Mozart – Beethoven konstruiert, welche maßgeblich zur Kanonisierung Mozarts beitragen sollte.

176 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, Anhang, S. 23ff. 177 Diese war anonym erschienen: Mozarts Geist. Seine kurze Biografie und ästhetische Darstellung seiner Werke. Ein Bildungsbuch für junge Tonkünstler. Mit dessen Portrait, Erfurt 1803. 178 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, Anhang, S. 71ff. 179 Veröffentlicht in: Ignaz Ferdinand Arnold: Gallerie der berühmtesten Tonkünstler des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts: Ihre kurzen Biografieen, karakterisirende Anekdoten und ästhetische Darstellung ihrer Werke, Bd. 1, Erfurt 1810. 180 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, Anhang, S. 48ff, aus Arnold sind S. 113–118.

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Hier bleibt festzuhalten: Im Ergebnis der Biographie zeigt sich eine große Heterogenität des Materials, die einerseits aus dem Sammelprozess zu erklären ist. Wie ist Georg Nikolaus Nissen mit dem Material umgegangen? Welches Bild Wolfgang Amadé Mozarts wird durch die Verwendung der Texte entworfen? Was ergänzt Nissen? Einige Beispiele aus den Biographien Schlichtegrolls und Niemetscheks, die wie bereits erwähnt, Nissen für seine Notizen verwendete und vorliegen, sollen dies veranschaulichen. Georg Nikolaus Nissen beginnt, indem er Friedrich Schlichtegrolls Worte entlehnt, die auch in der Endfassung den Beginn der Biographie bilden. Der Nekrolog Schlichtegrolls bildete bei seinem Erscheinen 1793 die erste biographische Abhandlung über Mozart. 1794 kam es zu einem Nachdruck unter dem Titel Mozarts Leben. Diese Biographie ist in großen Teilen im Wortlaut in die Biographie eingegangen. Das erste Kapitel Georg Nikolaus Nissens ist mit »Die Vier und Zwanzig ersten Jahre von Mozarts Leben« überschrieben. Der Blick auf die erste Seite des von Georg Nikolaus Nissen bearbeiteten Exemplars Schlichtegrolls zeigt: Die Überschrift ist eine Collage aus dem Titel Schlichtegrolls, Mozarts Leben, und auch das dort abgedruckte Zitat von Cicero wurde wortgetreu übernommen (vgl. Abb. 11). Auch der Auftakt der Biographie, der erste Satz, ist von Schlichtegroll, »Unter den berühmten Namen, die für alle Zeiten in der Geschichte der deutschen Musik glänzen werden, steht oben an Johannes Chrisostomus Wolfgang Amad. (Gottlieb) Mozart«. Bis Seite 20, wo die ersten Briefdokumente eingestreut werden, liegt fast ausschließlich Schlichtegrolls Text (bis S. 11) vor, und er ist fast vollständig übernommen worden. In Georg Nikolaus Nissens Exemplar des Nekrologs sind zwei Sätze über Constanze und Wolfgang Amadé Mozarts ausschweifenden Lebensstil mit schwarzer Tinte durchgestrichen: »In Wien verheiratete er sich mit Constanza Weber und fand in ihr eine gute Mutter von zwei mit ihr erzeugten Kindern und eine würdige Gattin, [die ihn noch von manchen Torheiten und Ausschweifungen abzuhalten suchte. So beträchtlich sein Einkommen war, so hinterließ er doch, bei seiner überwiegenden Sinnlichkeit und häuslichen Unordnung,] den Seinigen weiter nichts als den Ruhm seines Namens und die Aufmerksamkeit eines großen Publikums auf sie, […]«181 Die Streichung deutet darauf hin, dass Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen mit der charakterlichen Einschätzung der Biographen, dass Wolfgang Amadé Mozart »zeitlebens ein Kind« war, sowie der Schilderung ihrer eigenen Person nicht einverstanden waren. In der Forschung wurde daraufhin vielfach die These geäußert, dass Constanze Mozart über Schlichtegrolls Darstellung verärgert 181 Nissen/Schlichtegroll, Doc ND 2, A Sm, S. 31.

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war und sich davon distanzieren wollte.182 Gestützt wird diese These durch eine Briefstelle Constanze Mozarts, in der sie berichtet, sie habe 600 Exemplare des Nachdrucks Mozarts Leben gekauft, um sie zu vernichten: Neulich hatte ich eine Freude, als ich das Buch: Characteristische Lebensgemälde unsrer Zeitgenossen von J.G. Meißner, Wien 1799 bei Doll, in die Hand nahm. Ich fand da auch Mozarts Namen. Aber siehe da, es war nicht als eine Copie des Necrologs oder der daraus wörtlich abgeschriebenen Lebensbeschreibung, die in Graz 1794. bey Hubek herausgekommen ist, und von der ich alle 600. Exemplarien an mich gekauft habe, um wenigstens diese zu vernichten, da ich das beykommende Heft des Necrologs nicht vernichten kann. Ich bin erbötig Ihnen alle Materialien, die ich zu der Lebensbeschreibung habe, mitzutheilen, damit Sie sie selbst ordnen und redigiren können. Mit dieser Hülfe und aus Niemetscheks Arbeit und dem guten Theil des Necrologs läßt sich schon ein Ganzes machen.183

Dies stützt wiederum das Bild von Constanze Mozart als Witwe, die Dokumente manipuliert und vernichtet. Darüber hinaus werden die gestrichenen Sätze als Beweis für ein problematisches Verhältnis zwischen den Schwägerinnen verhandelt. Tatsächlich ist der Nekrolog auf der Basis von Aussagen Maria Anna Mozarts entstanden. Sie wurde von Breitkopf & Härtel über den Vermittler Albert von Mölk gebeten, biographische Notizen an den Verlag zu senden. Die oben genannten Sätze sind allerdings keine persönliche Aussage von Maria Anna Mozart, sondern stammten von Schlichtegroll selbst.184 Aber nicht allein aus diesem Grund scheint die These von einem Konkurrenzverhältnis zu Constanze Mozart nicht haltbar.185 Über das persönliche Verhältnis der Schwägerinnen gibt es nur wenige Quellen, so dass darüber letztlich wenig gesagt werden kann. Eine briefliche Korrespondenz vor der Ankunft in Salzburg scheint nicht stattgefunden zu haben. Da jedoch die Briefentdeckung bei Maria Anna Mozart den Anstoß zur Biographie gab, haben Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen in Salzburg mit ihr kooperiert. Daraus lässt sich jedoch auf einen respektvoller Umgang schließen sowie auf das Bewusstsein beider Seiten, mit der Sorge um den Nachlass ein gemeinsames Interesse zu teilen. Constanze Mozart spricht in dem oben erwähnten Brief an Breitkopf & Härtel von einem »guten Theil« des Nekrologs. In der Tat ist der Text des 182 Vgl. Otto Erich Deutsch: »Schlichtegroll und Konstanze«, in: MISM 11 (1963), S. 3–4; Gernot Gruber: Art. »Biographik«, in: ders./Brügge (Hg.): Mozart-Lexikon, S. 116–123, hier S. 117. 183 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 13.8.1799, in: B/D IV, S. 263. 184 In den Notizen ist dieser Teil nicht in Maria Anna Mozarts Handschrift. Vgl. auch B/D VI, S. 446. 185 Ruth Halliwell hat ihre Skepsis gegenüber dieser These bereits geäußert, vgl. The Mozart Family, S.  588f. Vgl. auch Rieger: Nannerl Mozart, S. 247ff.

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Nekrologs bis auf die problematischen zwei Sätze komplett übernommen worden. Damit messen Constanze Mozart und Georg Nikolaus Nissen dem Nekrolog einen gewissen, aber nicht uneingeschränkten Stellenwert bei. Das liegt einerseits darin begründet, dass dieser fast ausschließlich Mozarts Kindheit und Jugend beschreibt, worüber ihnen selbst die biographischen Informationen fehlten. Der Nekrolog beschreibt fast ausschließlich die Kindheit und Jugend Wolfgang Amadé Mozarts und entwirft das Bild eines außergewöhnlichen, vielseitig begabten »Wunderkindes«. Hier hatte Maria Anna Mozart mit ihren Aussagen für Schlichtegroll bereits eine wichtige Quellenbasis geliefert. Voraussetzung dafür ist laut Schlichtegroll der Beweis einer hohen Begabung. Georg Nikolaus Nissen ergänzte in Schlichtegrolls Text dazu einige Details. Das emphatische Staunen über die universalen Fähigkeiten des Wunderkinds wird verstärkt, so werden etwa seine überdurchschnittlichen Gaben in anderen Bereichen als der Musik hervorgehoben: »Er war in diesen Jahren überaus gelehrig, und er begriff zu gleicher Zeit auch andere Wissenschaften; so machte ihn der mit dem Ton- und Farbensinne so innig verbundene Zahlensinn in der Folge zu einen [sic] der geübtesten Rechenmeister […].«186 Weiter ergänzte Georg Nikolaus Nissen in schwärmerischem Tonfall: »Ja, wunderbar waren seine Anlagen, und die Entwickelung und Aeusserung seines Genie’s schritt den grössten Erwartungen vor.«187 Weiterhin ist es laut Nissen notwendig, dass die Begabung erkannt und gefördert wird. Die Rolle des Förderers kommt Leopold Mozart als »Vater, Erzieher, Bilder W.A. Mozarts«188 zu, wie Nissen ihn im Vorwort beschreibt. Auch hier vertieft er die Beschreibungen Schlichtegrolls, wie z. B.: »Der Vater, aufmerksam auf die frühzeitigen Talente seines Sohnes, übernahm seine Bildung und Erziehung bereits in den Jahren, wo man den Geist der Kinder in Unthätigkeit schlummern lässt.«189 Damit lässt sich auch erklären, dass den Briefen Leopold Mozarts an seine Frau, sowie dem Briefwechsel zwischen Vater und Sohn auch eine große Bedeutung beigemessen wird, denn sie lassen erkennen, »wie viele Bildung der Vater auf den Sohn übertragen konnte«190. Die Basis für den »Götterfunke[n] des Genie’s«191 legte, so Nissen, der Vater durch seine sorgfältige Erziehung. Vom Umfang gemessen bedeutet dies, 186 Nissen/Schlichtegroll, Doc ND 2, A Sm, S. 8; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 17. 187 Ebd. 188 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XVII. 189 Nissen/Schlichtegroll, Doc ND 2, A Sm, S. 5; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 13. 190 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XVII. 191 Ebd., S. 13.

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dass fast zwei Drittel der chronologischen Lebensbeschreibung auf Kindheit und Jugend verwendet werden und ein Drittel auf die Zeit Wolfgang Amadé Mozarts in Wien, in der er sich als Komponist und Musiker etablierte.192 Dies überrascht, denn dieser Zeitraum ist mit Blick auf das künstlerische Schaffen als bedeutenderer Lebensabschnitt Wolfgang Amadé Mozarts zu bewerten. Allerdings relativiert sich dieses Missverhältnis dadurch, dass die Charakterschilderung noch einmal fast 100 Seiten umfasst und auch die Werke im Anhang ausgiebig auf etwa 150 Seiten beschrieben werden. Hier greift Georg Nikolaus Nissen auf die entsprechenden Textstellen Franz Xaver Niemetscheks zurück, wie im folgenden gezeigt wird. Die Biographie Franz Xaver Niemetscheks erschien 1798 unter dem Titel Leben des K. K. Kapellmeisters Wolfgang Gottlieb Mozart in Prag. Zehn Jahre später wurde sie mit leicht abgewandelten Formulierungen erneut herausgegeben. Diese Ausgabe von 1808 benutzte Georg Nikolaus Nissen als Textvorlage, und wiederum als ›Notizbuch‹. Niemetscheks Biographie ist wie Schlichtegrolls eine chronologische, auf Anekdoten basierende Darstellung, die jedoch über die Kindheit und Jugend hinausgeht. Interessanterweise nennt Niemetschek auch den Nekrolog Schlichtegrolls als Quelle seiner Darstellung. Inhaltlich orientierte sich Niemetschek in der Schilderung des Lebenslaufs Mozarts an Schlichtegroll, teilweise ist auch der Wortlaut gleich. Schlichtegroll brach die Erzählung dort ab, wo Mozart den Kompositionsauftrag zu Idomeneo in München erhielt mit dem Hinweis, damit sei die Ausbildung beendet und die weitere Darstellung des Lebenslaufs könnte abgekürzt werden, was er auf vier Seiten auch tut. Niemetschek setzt genau dort mit dem Kapitel »Mozart als Mann« an, welches schließlich weitere Einblicke in die Wiener Zeit ab 1781 gibt. Dieses Kapitel ist ab S. 452 Vorlage der Biographie Georg Nikolaus Nissens. Grundsätzlich lässt sich beobachten, dass die Biographie Georg Nikolaus Nissens das Bild Wolfgang Amadé Mozarts als Genie etablieren möchte. Dazu tauchen Topoi auf, die seit Goethe zur Konzeption des Genies gehörten: Originalität, natürliche Begabung, übermäßige Geisteskräfte, Regelwidrigkeit und künstlerisches Selbstbewusstsein, Phantasie, Natürlichkeit, Leichtigkeit.193 Die Musik Mozarts wird entsprechend als neu, originell, »hinreissend« und »volltönend« beschrieben.194 Um die Geniekonzeption der Biographie Georg Nikolaus Nissens zu verstehen, ist es wichtig zu betonen, dass ihre Entste192 Ab S. 446 der Biographie wird die Wiener Zeit geschildert (bis S. 622). 193 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, entsprechend S. 5, 626, 628f, 636, 650. Vgl. auch Kapitel 1.2.1. 194 Vgl. ebd., S. 641.

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hungszeit noch der »Konstitutierungs- und Konsolidierungsphase eines vernunftethischen Menschenbildes«195 zuzurechnen ist. Das bedeutet, dass in der Biographik die Darstellung von Sittlichkeit und Tugendhaftigkeit als Maßstab galt.196 Dieser Maßstab ist auch in Biographien über Literaten in den 1820er Jahren festzustellen, z. B. von Karl August Varnhagen von Ense.197 Die Schaffensprinzipien des Genies waren zwar mittlerweile frühromantisch weitergedacht und das radikal Subjektive (E.T.A. Hoffmann), die Sinnlichkeit und das Triebhafte (Artur Schopenhauer) betont worden.198 Diese Bestandteile des Geniediskurses spielten jedoch in der Biographik noch keine prominente Rolle. Aus diesem Grund konnte, wie Georg Nikolaus Nissen im Vorwort schreibt, nicht alles über Wolfgang Amadé Mozart gesagt und gezeigt werden, d. h. auch nicht alle Briefe mit allen Details veröffentlicht werden: Man will, man darf seinen Helden nicht öffentlich ganz so zeigen, wie er sich etwa selbst in Abenden der Vertraulichkeit geschildert hat: […] Er hatte Schwächen, Fehler, die er etwa später verbesserte, welches man nicht etwa Gelegenheit hat zu zeigen. Durch alle Wahrheit kann man seinem Ruhme, seiner Achtung und dem Eindrucke seiner Werke schaden.199

Dennoch hat die Tugendhaftigkeit des Künstlers in ihrer Vorbildlichkeit per se ihre Grenzen: Der Künstler sei als Genie »kein Muster zur Nachahmung für Andere«.200 Trotzdem seien seine außergewöhnlichen Qualitäten und Fertigkeiten für den »Forscher der Menschennatur als unschätzbare Kabinetstücke«201 von Interesse. Das bedeutet, dass das künstlerische Genie durch seine Außergewöhnlichkeit die tugendhafte Vorbildlichkeit des Menschen, die ihn eigentlich biographiewürdig macht, herausfordere, aber gerade deshalb von Interesse sei und dokumentiert werden solle. Die Darstellung der Genialität Wolfgang Amadé Mozarts ist das Anliegen der Biographie Georg Nikolaus Nissens, wozu als erstes die Darstellung als Wunderkind durch Friedrich Schlichtegroll unverzichtbar ist. Franz Xaver Niemetschek präsentierte zusätzlich das ›gereifte Genie‹, er nahm die Einordnung in die Riege der Genies vor allem in seinem Kapitel »Mozart als Künstler und Mensch« vor. Es handelt sich bei diesem Kapitel um eine detaillierte 195 196 197 198

von Zimmermann: Biographische Anthropologie, S. 62. Vgl. ebd., S. 62ff. Vgl. ebd., S. 72ff. Vgl. Schmidt: Die Geschichte des Genie-Gedankens, Bd. 1, S. 467ff und Bd. 2: Von der Romantik bis zum Ende des Dritten Reichs, S. 1ff. 199 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XXIf. 200 Ebd., S. 5. 201 Ebd., S. 6.

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Schilderung der Charaktereigenschaften und Fähigkeiten des Genies Wolfgang Amadé Mozarts. Dieses Kapitel wurde komplett von Georg Nikolaus Nissen übernommen und an einigen Stellen vertieft, wie im folgenden exemplarisch gezeigt werden soll. Zum Kennzeichen von Genialität gehörte für Niemetschek die Vorstellung, dass die künstlerischen Eigenschaften in einem auffälligen Äußeren, d. h. in der Physiognomie sichtbar werden. So wird Wolfgang Amadé Mozart als klein und insgesamt nicht besonders schön, sogar als unansehnlich bezeichnet.202 Georg Nikolaus Nissen ergänzt, dass das Komponieren stets auf Kosten der körperlichen Verfassung ging: Dass eine keinesweges starke Constitution eine so starke Prüfung, als seine ungemeine Arbeitsamkeit war, aushalten sollte, war nicht zu erwarten; aber dass bey fehlendem Wohlbefinden der Eifer des Tonkünstlers noch zunahm, davon liegt die Erklärung darin, dass sein Geist sich auf Kosten des Leiblichen ausbildete.203

Wolfgang Amadé Mozarts Gesundheit ist laut Niemetschek nicht besonders robust gewesen, und er hätte sich auch nicht sonderlich darum gekümmert. Auch sein früher Tod wird so erklärt.204 Der Geist hätte sich nur auf Kosten des Körpers so hoch ausbilden können. Weiterhin ist für Niemetschek die Frage von Bedeutung, wie man Genialität auch in der Musik feststellen könne. Wolfgang Amadé Mozarts Musik wird als originell, natürlich, kraftvoll beschrieben. Auch die genialen Eigenschaften von Mannigfaltigkeit, Einheit, Vollkommenheit würden seine Musik charakterisieren.205 Georg Nikolaus Nissen ergänzt, dass das Genie nicht mit Worten zu erklären sei: »Mozart will nicht besprochen, nicht erklärt, nur im Fühlen will er verstanden werden.«206 Bei seiner Musik handle es sich um ein Wunder, das man nicht mit dem Verstand begreifen könne. Als wichtige weitere Kennzeichen des Genies gelten laut Niemetschek Einbildungskraft und Phantasie.207 Mozart wird von Nissen darüber hinaus als ›Kopfkomponist‹ beschrieben: »So 202 Vgl. Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 67; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 628. 203 Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, S. 105; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 624. 204 Vgl. Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 67f; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 624. 205 Vgl. Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 69 und 77; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 629 und 640f. 206 Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, S. 100; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 629. 207 Vgl. Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm S. 141f; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 646f.

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fertigte er ganze Musikstücke im Kopfe und trug sie mit sich herum, bis er zum Niederschreiben veranlasst wurde […].«208 Dennoch sei dies nicht spielend leicht gegangen, er hätte auch stets Entwürfe gemacht. Niemetschek findet, dass seine Genialität zwar »instinctartig« angelegt war, aber dennoch ausgebildet werden musste; Mozart war auch Genie durch Fleiß.209 Hier schließt sich der Kreis zur Bedeutung des Vaters für die Ausbildung. Auch wird Mozarts Verhältnis zur Musik und zum eigenen Komponieren bei Niemetschek detailliert beschrieben. So wird konstatiert, Mozart hätte seine Musik immer äußerst ernst genommen und ausschließlich ernst komponiert. Es geht an dieser Stelle um die Aufwertung von Musik als ›Tonkunst‹ mit Bildungsfunktion und Daseinsberechtigung jenseits von Unterhaltung. Niemetschek beschreibt genau diese »Gefahr« für die Musik, dass sie nämlich stets drohe, eine »Sklavin der Mode und des Zeitgeschmacks«210 zu sein. Mozart gilt ihm stattdessen als Komponist, der sich nicht verkauft und dafür eventuell auch ›hungert‹. Nissen übernimmt diesen Teil und knüpft an diesen Diskurs anschließend noch weiter an, indem er die Geschichte der Musik von Alexandrine-Sophie Baronne de Bawr zitiert, die 1823 in Paris und 1826 auf deutsch erschien,211 wovon er Auszüge in seinem Exemplar der NiemetschekBiographie notierte212. Es wird darin nach der Entwicklung der Musik gefragt. Baronne de Bawr konstatiert, dass die Musik der Mode bzw. »Effectmusik« nicht von Dauer sei. Die Zukunft der Musik sähe anders aus, wobei auch Wolfgang Amadé Mozart eine Rolle spielen würde: »für die Zukunft der Kunst darf uns auch nicht bange seyn, so lange noch eine Partitur von Mozart vorhanden ist. Und bliebe nur eine einzige der Nachwelt übrig, so würde dieser Typus des wahrhaft Schönen zum Leuchtthurme werden, der den verirrten Schiffer stets in den sichern Hafen leitet.«213

208 Ebd. 209 Vgl. Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 86f; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 653f. 210 Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 68; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 630. 211 Alexandrine-Sophie Baronne de Bawr: Geschichte der Musik: für Freunde und Verehrer der Kunst, Nürnberg 1826, Orig.: Histoire de la Musique, Paris 1823. Vgl. dazu auch Marion Fürst: »›Les muses sont soeurs‹: die ›Histoire de la Musique‹ von Alexandrine-Sophie Baronne de Bawr, eine frühe Musikgeschichte für Frauen«, in: Annette KreutzigerHerr/Katrin Losleben (Hg.): History/Herstory: Alternative Musikgeschichten, Köln 2009 (Musik – Kultur – Gender, 5), S. 198–216. 212 Vgl. Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm S. 111, Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 631. 213 de Bawr: Geschichte der Musik, S. 184; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 632.

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Hier wird klar, inwiefern Nissen über Niemetschek hinaus geht: Er möchte nicht nur Komponenten von Wolfgang Amadé Mozarts Genialität charakterisieren, sondern ebenfalls eine Qualität begründen, die überzeitlich gültig ist und in die Zukunft strahlen wird. Baronne de Bawr nennt dafür interessanterweise die Partitur wegen ihrer Beständigkeit als Voraussetzung, und dies kann nur in Constanze Mozarts und Georg Nikolaus Nissens Sinne sein. Gleichzeitig bezeichnet sie diese mit der Metapher des Leuchtturms. Um diese Idee kreist der gesamte Textabschnitt »Mozart als Künstler und Mensch«: Die Musik Wolfgang Amadé Mozarts so zu umschreiben, um eine dauerhafte Verankerung im kulturellen Gedächtnis zu bewirken. Dieser Pfad war bereits bei Niemetschek gelegt. Mit Blick auf Mozarts geniale Fähigkeiten konstatierte er: Alle diese so seltenen, so mannigfaltigen und so innig verwebten Vorzüge bestimmen den Rang, der unserm Mozart unter den Genien der Künste gebührt. Er war einer der grossen, schöpferischen Geister, die in ihrer Kunst Epoche machen, weil sie dieselbe vervollkommnen, oder doch ihren Nachfolgern neue Ansichten und Pfade eröffnen […].214

Hier wird schon bei Niemetschek eine historische Perspektive eingenommen: Wolfgang Amadé Mozart hätte die Musik auf eine neue Stufe geführt. Dafür sind weiterhin zwei Aspekte relevant: Erstens die Umschreibung seiner Musik als »klassisch«, zweitens der Vergleich mit anderen Komponisten. Der Musik Wolfgang Amadé Mozarts wird von Niemetschek »klassischer Gehalt« bescheinigt. Dieser ist, wie er betont, erst durch wiederholtes Hören erfassbar: »Ihre Schönheit empfindet man gewöhnlich dann erst recht lebhaft, wenn man sie wiederholt gehört, und dadurch recht scharf geprüft hat.«215 Im folgenden Abschnitt nimmt Georg Nikolaus Nissen einen wichtigen Kommentar vor: Er konstatiert, dass dieser Gehalt damit eben auch erst nachträglich erfassbar sei. Wolfgang Amadé Mozarts Größe sei bei den Uraufführungen der Opern den Hörern noch nicht bewusst gewesen, wodurch die Opern fremd erschienen und auch keinen großen Beifall erfahren konnten. Die Kompositionen müssten sich bewähren durch Wiederholung, und ihre Qualität könne dann erkannt werden: »Nun kömmt es aber darauf an, ob wirklich grosser Gehalt darin ist, dann aber werden diese Werke feststehen.« 216

214 Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 68; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 630. 215 Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 70; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 632. 216 Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, S. 107; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 633.

Das montierte Mozartbild

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Dass hier die Nachwelt eine unverzichtbare Rolle spielt, erwähnt Nissen noch nicht, ist aber indirekt schon angedeutet. Um Wolfgang Amadé Mozart als herausragenden und erinnerungswürdigen Komponisten zu charakterisieren, nimmt Nissen auf der Basis von Niemetschek Vergleiche mit anderen Komponisten vor. Das dient dazu, sowohl Mozarts Einzigartigkeit als auch seine Gleichwertigkeit mit anderen Größen zu beschreiben. Niemetschek fokussiert vor allem Joseph Haydn, der seiner Zeit Mozarts herausragende Genialität bereits erkannt hätte. 217 Nissen ergänzt den Vergleich mit Johann Sebastian Bach. Dieser gilt als Vollender des Kontrapunkts, Mozart hätte seine Werke bewundert und auch intensiv studiert.218 Weiter schreibt Nissen, Mozart hingegen sei die Vollendung des Melodischen gelungen: »In Sebastian Bach hatte die contrapunctische Periode der Tonkunst ihren Gipfel und ihre Vollendung erreicht; in Verbindung mit der melodischen erlebte sie sie in Mozart.«219 Auch Luigi Cherubini wird entsprechend wie bei Niemetschek als Referenzgröße angeführt.220 Nissen geht jedoch darüber hinaus, indem er eine bewusste Wertung vornimmt, dass Wolfgang Amadé Mozart Cherubini nämlich überlegen sei. Dafür nimmt Georg Nikolaus Nissen einen Werkvergleich der Requiemkompositionen beider Komponisten vor. Einzelne Sätze seien »besser bey Mozart, über alle Vergleichung herrlich […].«221 Letztlich wird in der Vorgehensweise wie bei Schlichtegroll deutlich: Nissen übernimmt die Argumentationsstrategien Niemetscheks und verstärkt diese. Wolfgang Amadé Mozart wird aber noch offensiver in die Reihe der ›Großen‹ einsortiert, ihm eine überzeitliche Qualität attestiert und damit seine Kanonisierung bewirkt. Die Biographie Nissens beteiligte sich damit nicht nur zentral am bürgerlichen Geniediskurs, zusätzlich sollte sie auch neue Quellen präsentieren und damit formal und methodisch biographiegeschichtlich neue Wege suchen, wie im nächsten Kapitel abschließend ausgeführt wird.

217 Vgl. Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 77ff; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 642ff. 218 Vgl. Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, S. 117; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 634f. 219 Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, S. 68; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 630. 220 Vgl. Niemetschek: Lebensbeschreibung, 21808, S. 80; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 645. 221 Nissen/Niemetschek, Doc ND 3, A Sm, S. 136; Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. 645.

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Leben beschreiben

4.6. Das Konzept einer Komponistenbiographie 1828/29 In ihrer Subskriptionsanzeige in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung vom März 1828 begründete Constanze Mozart die Veröffentlichung der Biographie folgendermaßen: Eine nicht geringe Zahl von Gelehrten und Kunstverständigen versuchten es wiederholt schon die Talente und Werke Mozarts auf die ehrenvollste Weise der Welt bekannt zu machen und Manche bemühten sich auch von ihm biographische Skizzen und Notizen zu geben, welche Letztere aber immer nur auf eine damals mögliche, nicht immer richtige und vollständige Weise geschah, so dass dabey manche von selbst entstehende Fragen unbeantwortet, und Vieles zu wünschen übrig blieben, was Alles genau zu erörtern, zu vervollständigen und auseinanderzusetzen für Jemand aufgehoben zu seyn schien, der die Sache mit der grössten Sorgfalt, mit Muse und auch aus den sichersten Quellen darzustellen vermochte.222

Constanze Mozart stellte also fest, dass es bereits eine beachtliche Anzahl von Biographien zu Mozart gab, zu denen sie sich positionieren musste. Sie begründete die neue Biographie mit zwei Argumenten: Einerseits Vollständigkeit, und andererseits mit »sichersten Quellen«. Was unter »sichersten Quellen« zu verstehen sei, darüber gab Georg Nikolaus Nissen selbst in seinem Vorwort nähere Auskunft: Doch hat man seine Biographie nicht! Sogenannte giebt es wohl gegen Zwanzig, wovon D. Lichtenthal die Namen gesammelt hat; 17 oder 18 davon sind indess blosse Abschriften. Nur Schlichtegroll, Niemtschek und vielleicht der Verfasser von »Mozarts Geist« haben aus Quellen geschöpft. Sie verdienen aber alle Dank für die Versuche, die sie geliefert haben, da sie Alles gaben, was ihnen zu Gebote stand, wenn ihre Leistungen auch nur Skelette bleiben mussten, weil ihnen die Materialien fehlten. Der Nekrolog bekam die seinigen von Mozart’s Schwester, an die er gewisse bestimmte Fragen gerichtet hatte, auf deren Beantwortung sie sich einschränkte und auch nicht viel weiter hätte ausbreiten können. Niemtschek hatte W.A. Mozart selbst und seine Frau in einigen Jahren gekannt.223

Hier wird eine sehr subtile Beschreibung vorgenommen, was als biographische Quelle gilt. Andere Biographien werden als »Abschriften« bezeichnet, im Gegensatz dazu hätten Schlichtegroll, Niemetschek und auch Arnold »aus Quellen geschöpft«. Es wird auch indirekt deutlich, weshalb diese Vorlagen eben nicht als Abschrift, sondern als Quelle gelten: Sie ist begründet durch die persönliche Bekanntschaft mit Constanze Mozart bzw. im Falle des Nekrologs mit Maria Anna Mozart. Niemetschek berichtete selbst, dass seine Biographie unter Auskunft Constanze Mozarts entstanden war: »Die Mittheilung aller 222 Intelligenzblatt Nr. V zur AMZ, März 1828. 223 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XIXf.

Das Konzept einer Komponistenbiographie 1828/29

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Hülfsmittel, Schriften und Briefschaften, von seiner hinterlassenen Wittwe; der ich hier für ihre freundschaftliche Bereitwilligkeit, meinen Dank sage.«224 Die persönliche Bekanntschaft legitimierte die Biographie. Das schloss Constanze Mozart mit ein: Als persönliche Zeugin wurden ihre Aussagen besonders geschätzt. Darum nannte Constanze Mozart nun ihrerseits Niemetschek eine »Quelle«. Daraus erschließt sich auch, weshalb diese Biographien von Nissen übernommen werden, weil er sie nämlich als authentische Quelle bewertete. Koschorke bezeichnet die Methode, in der Wissen angesammelt und montiert wird, auch als Kompilation.225 Dieses Vorgehen war zu dieser Zeit allerdings schon umstritten. Constanze Mozart argumentierte selbst in der Anzeige, dass diese Quellen nicht hinreichend seien. Denn im selben Atemzug spricht sie von »Materialien«, die die Vollständigkeit der Biographie erst ermöglichen. Es trat nun eine neue Art der Quelle hinzu: der Brief. Dies begründet auch Georg Nikolaus Nissen im Vorwort: »Keiner von allen aber wusste diese Briefe, ohne welche Kenntniss nichts von einigem Belange zu leisten möglich ist […].«226 Der Biographieforscher Bernhard Fetz argumentiert, dass der Wahrheitsanspruch von Biographien stets durch das begründet wird, was als Quelle gilt: »Der biographische Diskurs über Wahrheit und Lüge verläuft durch die Quellen.«227 Christian von Zimmermann nennt dies den »Faktualitätseffekt«228, d. h. die Biographie will auf Realität verweisen; sie stellt einen Anspruch auf Authentitzität, indem sie bestimmte Dinge als Fakten darstellt. Dieser Faktualitätseffekt ist einem historischen Wandel unterworfen, der an dieser Stelle exemplarisch deutlich wird. Die Bedeutung der persönlichen Auskunft tritt zurück, der Brief als authentisches Dokument wird zur Quelle aufgewertet bzw. zum Faktum erklärt. Womit wurde nun diese Aufwertung begründet? Briefe besaßen Constanze Mozart zufolge eine besondere Aussagekraft. Das hatte sie bereits 1799 hervorgehoben, als sie das biographische Vorhaben Breitkopf & Härtels unterstützte, wie die folgenden zwei Beispiele zeigen: Mit nächster Gelegenheit sende ich Ihnen alle noch übrigen brife, die ich habe, die von dem zu lesen sind, dem Sie die biographie auftragen. diese seine nachlässig d. h. unstudirt aber gutgeschriebnen briefe sind ohne Zweifl der beßte Maaßstab seiner denkungsart, seiner Eigenthümlichkeit und seiner bildung.229

224 Niemetschek: Ich kannte Mozart, S. 96. 225 Vgl. Koschorke: Körperströme und Schriftverkehr, S. 394. 226 Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, S. XX. 227 Fetz: »Der Stoff, aus dem das (Nach-)Leben ist«, S. 108. 228 von Zimmermann: Biographische Anthropologie, S. 38. 229 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 29.9.1799, in: B/D IV, S. 273f.

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Es ist immer allerhand daraus [aus den Briefen] zu lernen für seine Characteristik. Sein Maaß von bildung, seine übergroße Zärtlichkeit für mich, seine Gutmüthigkeit, seine Erholungen, seine liebe zur Rechenkunst und zur Algeber (wovon mehrere bücher zeigen, seine Laune, die bisweilen wahrhaft shakespearsch war, wie H. Rochliz einmal von seiner musikcalischen Laune gesagt hat und wovon ich Ihnen Proben senden werde – sind darin und in den folgenden Papieren sichtbar.230

Constanze Mozart glaubte, dass Briefe als materielle Überreste Erinnerung ermöglichen und lebendig halten könnten. Sie gäben unmittelbar Aufschluss über seinen Charakter und seien Ausdruck seiner Persönlichkeit und seiner Genialität. Damit steht die Biographie an einer historischen Schnittstelle, welche Koschorke als Wandel zum hermeneutischen Paradigma bezeichnet. Das Prinzip der Kompilation, d. h. der Sammlung und Montage von Wissen, wurde abgelöst vom Prinzip der Evidenz, welches der Brief als Selbstdokument Wolfgang Amadé Mozarts garantiert und damit zur Quelle aufwertet. 231 Zeitgenössische Kritiken diskutierten eben jenen Punkt, nämlich welche Art der Quelle höher zu bewerten sei. Eine ausführliche Besprechung der Biographie Nissens, die immerhin 12 Seiten umfasst, erschien 1829 in der Zeitschrift Caecilia.232 Darin fordert der Rezensent Friedrich Deycks die Korrekturfunktion der Biographie zu älteren Biographien: »Im Allgemeinen aber wird immerhin diese Biographie als ein Correctiv aller früher vorhandenen gelten müssen, und in diesem Anspruche sich kräftig behaupten.«233 Er berücksichtigt, dass die Biographie aufgrund Georg Nikolaus Nissens Tod nicht ganz fertig gestellt werden konnte. Genau deshalb sieht er Nissen die »compilatorische Darstellung« der Biographie nach. Diese Darstellung bewertet er jedoch als negativ. Er erkennt bekannte Texte in der Biographie234 und kritisiert, dass über die Jahre in Wien nichts Neues zu erfahren sei: »Ueber die folgenden Jahre, bis zu seinem Ende, liefert die neue Biographie, im Verhältniss zu den früheren Jahren, weniger Unbekanntes. Es sind meist die bekannten Nachrichten, zum Theil mit den Worten der früheren Berichterstatter.«235 Auch dem Anhang mit Werkverzeichnis unterstellt er mangelnde Kohärenz, betont jedoch, dass viele unbekannte Werke und vor allem die Fragmente gelistet würden: »unter welchen viele gedruckt, viele blos angefangene Bruchstücke, manche, besonders aus frühern Zeiten nicht bekannt gewordenen Arbeiten sind.« 236 Die 230 Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 28.8.1799, in: B/D IV, S. 269. 231 Vgl. Körperströme und Schriftverkehr, S. 394. 232 Friedrich Deycks: Recension, in: Caecilia 10 (1829), S. 225–237. 233 Ebd., S. 226. 234 Ebd., S. 227. 235 Ebd., S. 235. 236 Ebd., S. 236.

Das Konzept einer Komponistenbiographie 1828/29

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Bedeutung von Briefen als biographisches Material wird hingegen besonders hervorgehoben. Sie lieferten viele neue Details über Mozarts Kindheit und Jugend, andererseits auch einen tiefen Eindruck in die künstlerische Persönlichkeit, aber auch in »das Innerste des Familienverhältnis«237 erlaubten. Ein Großteil der Rezension wird nun auch in deskriptivem Stil darauf verwendet, diese neuen Erkenntnisse daraus zu schildern. Auch eine Rezension in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung hebt die Bedeutung der Briefe für die Biographie hervor und damit ebenfalls ihren Wert als Quelle: […] vorzüglich da sich der Werth derselben noch dadurch bedeutend vergrössert, dass bey Weitem das Meiste aus brieflichen Mittheilungen des Vaters und Sohns, W.A. Mozart’s besteht. Eine solche Briefsammlung hat den Vorzug vor jeder andern Darstellung, dass man die beyden Männer in ihrem innern Menschenwesen weit genauer und zwar jeder Leser für sich nach seiner eigenthümlichen Art der Beschauung und Auffassung kennen lernt.238

Die Bedeutung der Briefe wird nun, genau wie von Constanze Mozart impliziert, durch die Möglichkeit der Charakterschilderung Mozarts begründet. Diese erfolgt nun im Detail. Wolfgang Amadé Mozart hätte stets zu Späßen geneigt und das Leben leicht genommen: »Alles im Leben ergriff er, wo es nur angehen wollte, von der komischen Seite, und seine Menschenschilderungen sind mit den gewöhnlichsten Worten sehr bezeichnend.«239 Sie geben Auskunft über seine »fromme Gesinnung«, und über das Verhältnis zum Vater, sowie über seine Haltung zu anderen Komponisten und Musikstilen, vor allem dem französischen.240 Im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelte sich das hermeneutische Paradigma auch zu einem musikwissenschaftlichen. Biographen wie Otto Jahn und auch Arthur Schurig warfen der Biographie Nissens einerseits eklatante Mängel vor aufgrund der Methode der Kompilation (daher der Vorwurf, sie sei ein »Materialhaufen«241), maßen ihr aber auch einen Wert bei, eben weil sie die Briefe als Quellen erstmalig veröffentlichte: »sie bezeichnet durch die umfassende Verwendung autobiographischer Dokumente einen weiteren Meilenstein in der Geschichte der Musikbiographie.«242

237 238 239 240 241 242

Ebd., S. 233. AMZ 22 (1829), S. 356–360, hier S. 356. Ebd., S. 357. Vgl. ebd. Vgl. Schurig: Wolfgang Amadé Mozart, Bd. 1, S. 13. Lenneberg: Art. »Biographik«, Sp. 1549.

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Leben beschreiben

Die Biographie war weit mehr als eine ungeordnete Sammlung. Sie reflektierte ihre Quellen, entschied letztlich jedoch nicht zwischen Kompilation und dem schriftlichem Dokument, sondern integrierte beides. Durch die Auswahl bestimmter Textvorlagen konnte Georg Nikolaus Nissen an das bereits eta­ blierte Bild von Mozart als Genie anknüpfen und dieses verstärken. Auch liegt diese Entscheidung wohl darin begründet, dass Constanze Mozart wegen ihrer mündlichen Aussagen auf ihre eigene Bedeutung als »Quelle« nicht verzichten wollte, wie eingangs gezeigt wurde. Die Bedeutung des Briefes für die Biographik hatten sie jedoch schon deutlich erkannt. Es ist möglich, dass die Biographie mit dem Abdruck von Briefen jedoch nicht nur einen neuen Erkenntnisgewinn erzielen, sondern auch eine Speicherfunktion garantieren wollte. Das Archiv als Aufbewahrungsort für Dokumente, d. h. auch Briefe, war noch nicht etabliert, so dass der Druck der Briefe in der Biographie diese Gedächtnisfunktion erfüllen konnte.

5. Ortswechsel der Erinnerung

5.1. Bürgerliche »Monumenten-Manie«1: Die Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg Der Wunsch, große und berühmte Männer des Vaterlandes wie der Vaterstadt durch Errichtung eines Denkmahls, wenn es auch nur ein einfacher Stein seyn sollte, zu ehren, und dadurch ihr segenvolles Wirken für das Wohl und Glück des Vaterlandes und der Menschheit, ihre ausgezeichneten Leistungen in was immer für einem Gebiete der Wissenschaft oder Kunst dankend anzuerkennen, wird mit den Fortschritten der wahren Bildung immer mehr und mehr rege, und schon wird im deutschen Gesammtvaterlande in dieser Beziehung vielfach und kräftig gewirkt. […] Darum dürfte es auch gerade gegenwärtig an der Zeit seyn, Salzburg selbst an eine derley heilige Pflicht zu mahnen und ein Denkmahl, wenn es auch nur ein einfacher Stein an dem Hause seiner Geburt wäre, einem Manne zu weihen, der in der Weltsprache der Harmonie alle Völker der Erde begeisterte und dessen Tonwerke wie die Thaten seiner Herrscher und die Werke Schiller’s jeder Deutsche mit Stolz und Begeisterung, jeder Fremde mit hoher Bewunderung nennt.2

So lautete der Aufruf Julius Schillings in der Salzburger Zeitung 1835 zur Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg. In der Geburtsstadt Wolfgang Amadé Mozarts sei dies eine Verpflichtung für die Salzburger Bürgerschaft, aber auch eine nationale Aufgabe, eine vaterländische Pflicht. Der Aufruf nennt weiter im Text als vorbildliches Denkmalvorhaben die Errichtung der Walhalla bei Regensburg durch Ludwig II. Hier lässt sich beobachten, dass sich ein bürgerliches Erinnerungskollektiv formierte, welches sich die Errichtung eines Mozart-Denkmals zur Aufgabe machte und von deutschnationalen Bestrebungen motiviert war.3 Die Form des Denkmals war zu diesem Zeitpunkt offenbar noch nicht entschieden, als erster Vorschlag wurde eine Gedenktafel am Geburtshaus Wolfgang Amadé Mozarts genannt. Verwirklicht wurde schließlich 1842 die Errichtung einer Statue Mozarts in Salzburg (vgl. Abb. 7). Denkmäler von Dichtern und Komponisten waren im 19. Jahrhundert zahlreich und ihre Errichtung wurde als Massenspektakel und Volksfest inszeniert. Langfristig 1 Abt Albert IV. Nagnzaun: Tagebuch, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 151f. 2 Aufruf Julius Schillings, in: Kaiserlich-Königlich privilegirte Salzburger Zeitung vom 12.8.1835, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 23. 3 Vgl. Hentschel: Bürgerliche Ideologie und Musik, S. 140ff.

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Ortswechsel der Erinnerung

gesehen bewirkten sie als bürgerliche Denkmäler die Eroberung eines öffentlichen Raumes.4 1821 wurde ein Denkmal Luthers in Wittenberg errichtet, 1837 von Gutenberg in Mainz und Dürer in Nürnberg 1837, Goethe folgte schließlich 1844 in Frankfurt. Diese Individualdenkmäler wie auch die Walhalla entsprachen dem Typus des historisch-kulturellen Nationaldenkmals bzw. des Denkmals der Kultur- und Bildungsnation. 5 Auch Denkmäler von Komponisten wurden als nationale Sache errichtet, so z. B. von Bach in Leipzig 1843 und Beethoven in Bonn 1845. Denkmäler standen im 19. Jahrhundert für die Utopie der Nation, und im Vormärz ist dabei ein besonderer Schub zu beobachten. Die Vielzahl an Denkmalerrichtungen von Geistesgrößen und politischen Persönlichkeiten im Laufe des 19. Jahrhunderts zeigt außerdem die wachsende Bedeutung eines wichtigen Leitmotivs der bürgerlichen Gesellschaft, dem Heroismus. Sie trugen damit umgekehrt zur Popularisierung dieses männlichen Helden-Kultes bei.6 Das nationale Denkmal lässt sich auch gedächtnistheoretisch reflektieren. Es bildete ein bedeutendes erinnerungskulturelles Medium, an dem sich nationale Identität manifestieren konnte. Damit erfüllte es die Funktion der Produktion »eines institutionalisierten ›kulturellen Erbes‹, das kulturelle Homogenisierung und identitäre Vergemeinschaftung unterstützt.«7 Es zeigt damit auf ganz spezielle Art die prospektive, d. h. eine auf Zukunft ausgerichtete Funktion von Erinnerung.8 Entscheidend ist dabei nicht nur die kollektive, sondern auch die individuelle Komponente. Das Denkmal ist ein realer Ort, und an diesem wird die Lesart von Vergangenheit »nicht nur vergegenständlicht, sondern auch verräumlicht, wodurch sie nicht nur allgemein sichtbar, sondern auch physisch erfahrbar gemacht werden.«9 Darin liegt ihr besonderes Potenzial: Denkmäler bieten die Möglichkeit der subjektiven Erfahrung, d. h. eine bestimmte Sichtweise von Vergangenheit kann persönlich nachvollzogen und erlebt werden.10

4 Reinhard Alings: Monument und Nation. Das Bild vom Nationalstaat im Medium Denkmal – zum Verhältnis von Nation und Staat im deutschen Kaiserreich 1871–1918, Berlin/New York 1996, S. 27ff. 5 Vgl. Thomas Nipperdey: »Nationalidee und Nationaldenkmal in Deutschland im 19. Jahrhundert«, in: Historische Zeitschrift 206 (1968), S. 529–585. 6 Vgl. Ute Frevert: »Herren und Helden. Vom Aufstieg und Niedergang des Heroismus im 19. und 20. Jahrhundert«, in: Richard van Dülmen (Hg.): Die Erfindung des Menschen: Schöpfungsräume und Körperbilder 1500–2000, Wien 1998, S. 323–344, hier S. 332. 7 Cornelia Siebeck: »Denkmale und Gedenkstätten«, in: Gudehus/Eichenberg/Welzer (Hg.): Gedächtnis und Erinnerung: Ein interdisziplinäres Handbuch, S. 177–183, hier S. 178. 8 Ebd., S. 177. 9 Ebd. 10 Vgl. ebd., S. 179 und 182.

Die Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg

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In Wien gab es bereits 1819 von Mitgliedern der Hofkapelle, federführend von Antonio Salieri, das Bestreben, in der Karlskirche in Wien ein Denkmal für Mozart und Haydn zu errichten.11 Dieses wurde allerdings nicht verwirklicht. Die nächste Initiative erfolgte 1835 durch Julius Schilling in Salzburg. Dieser war dort in einer Buchdruckerei angestellt, in Salzburger Zeitungen veröffentlichte er Gedichte und Berichte über archäologische und kunsthistorische Themen aus Salzburger Grabungen, d. h. diese waren von historischem, auch spezifisch lokalhistorischem und kulturellem Interesse befördert. Wie auch Siegmund Heinrich Kofler von Koflern, dem Mitinitiator von Julius Schilling, war er Mitglied des 1811 gegründeten Salzburger Museum-Vereins, der diesem Interesse Rechnung tragen sollte. Dieser Verein kann damit auch als indirekter Vorläufer des späteren Mozarteums gelten, obwohl er in den Anfängen noch nicht spezifisch auf die Erinnerung Wolfgang Amadé Mozarts ausgerichtet war, sondern sich dies erst durch die Denkmalsinitiative ergab.12 Der Aufruf setzte eine Spendenwelle in Gang, um das Vorhaben zu finanzieren. Angesprochen wurden vor allem Vereine, allen voran bereits bestehende Mozartvereine, die sich an der Initiative beteiligen sollten. Der Erfolg des Aufrufs zeigt die Kraft des bürgerlichen Engagements für ein Denkmal als nationale Sache, aber auch die gut funktionierende Vernetzung zahlreicher Musik- und Mozartvereine im deutschsprachigen Gebiet. Es wurden dafür zahlreiche Benefizkonzerte veranstaltet, auch vor Ort in Salzburg. Der Salzburger Museum-Verein beteiligte sich zentral an der Organisation. So fand im Juni 1836 ein Konzert unter der Leitung des Großherzoglichen Oldenburger Kapellmeister Friedrich August Pott statt.13 Er gründete auch ein Kommittee, das sich die Errichtung des Denkmals zur Aufgabe machte und die Koordination steuerte.14 Es wurde bald erweitert um den Wiener Hofrat Ignaz von Mosel, den Komponisten Sigismund Neukomm und den Juristen Franz Edler von Hilleprandt,15 der später eine zentrale Rolle in der Mozarteumsgründung spielte. Von Musikvereinen in Graz und Klagenfurt gingen 1837 erste Spenden ein. Weitere folgten aus Darmstadt, Göttingen, Frankfurt, Nürnberg, Karlsruhe, Linz, Breslau und auch aus Prag.16 Darüber hinaus gab es auch kaiserlich-königliche Protektion: Caroline Auguste, die Kaiserin Mutter, gab eine großzügige Spende. Großes Interesse und finanzielle

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Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 15ff. Vgl. ebd., S. 22. Vgl. ebd., S. 24. Vgl. ebd., S. 99. Vgl. ebd., S. 27. Vgl. ebd., S. 36; auch S. 43 und 47.

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Ortswechsel der Erinnerung

Unterstützung sagte auch Ludwig I. von Bayern zu. Gaspare Spontini konnte ebenfalls erneut als zuverlässige Hilfe gewonnen werden.17 Die Benefizkonzerte brachten die Musik Mozarts in verstärktem Maß auf die Konzertprogramme. Vor allem Auszüge aus Opern wurden gespielt, z. B. bei einem Konzert in München August 1837 mit Ausschnitten aus Don Giovanni, Idomeneo, der Zauberflöte und La Clemenza di Tito. Im November 1837 wurde in Berlin eine Aufführung des Don Giovanni gegeben und über 1000 Taler eingenommen.18 Im November 1837 waren 8000 Gulden gesammelt, 1839 waren es bereits 18.000 Gulden.19 Erst im März 1839 erfolgte ein Aufruf an die Salzburger Bürger mit der Bitte um weitere Spenden.20 Durch die Ernennung zu nationalen Sache hatte sich der Adressatenkreis der Spender so weit ausgedehnt hatte, dass die Bürger in Salzburg gewissermaßen vor vollendete Tatsachen gestellt wurden. Dennoch zeigte sich in der Spendenbereitschaft auch eine große Resonanz vor Ort. Aus Wien allerdings kam Gegenwind: Joseph Eybler sprach sich in einem Brief an das Kommittee gegen die Errichtung in Salzburg aus. Wien sei der bessere Ort dafür, denn dort hätte Mozart als Hofkapellmeister gewirkt, dort sei er begraben, und dort würden seine Werke bis dato bevorzugt aufgeführt.21 Auf der anderen Seite gab es das Bestreben, die Gelder, die für das Denkmalvorhaben in Wien bereits gesammelt worden waren, nach Salzburg zu transferieren. Ignaz von Mosel sollte sich dafür um Vermittlung bemühen.22 Als sich der Termin für die Feierlichkeiten in Salzburg verschob, wurde der 50. Todestag Wolfgang Amadé Mozarts am 6. Dezember 1841 in Wien mit einem Festakt begangen.23 Es zeigt sich darin das Ringen um den ›richtigen‹ Erinnerungsort für Wolfgang Amadé Mozarts, in dem Wien sich nicht so leicht geschlagen geben wollte. Die Spendenaktionen zur Realisierung des Denkmals schritten also schnell voran und standen von Beginn an im Dienst einer nationalen Sache. Constanze Mozart war ihrerseits an den Spendenaufrufen beteiligt. Sie nutzte ihre Kontakte und bat einzelne Personen um finanzielle Hilfe. So richtete sie z. B. ein Schreiben an die schwedische Königin Eugénie Bernardine Désirée

17 18 19 20 21 22 23

Vgl. ebd., S. 41f. Vgl. ebd., S. 47. Vgl. ebd., S. 48; S. 55. Vgl. ebd., S. 55. Vgl. ebd., S. 31. Vgl. ebd., S. 32. Vgl. ebd., S. 104.

Die Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg

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Bernadotte.24 Auch die rege Spendenbeteiligung in Kopenhagen aus Benefizkonzerten ging auf sie zurück.25 Im Dezember 1837 formulierte sie einen offiziellen Dank für die zahlreiche Beteiligung, der in der Neuen Zeitschrift für Musik veröffentlicht wurde: Den verehrlichen Kunstinstituten und Vereinen, so wie allen einzelnen Gönnern und Kunstfreunden, die Mozart auch im Grabe noch so hoch verehren und freundlich mitwirken, ihm ein würdiges Denkmal zu setzen, sage ich, von so vielfältigen Beweisen großer Teilnahme dazu getrieben, mit tiefgerührtem Herzen meinen innigsten Dank und werde ihn, so lange mir der Allgütige noch das Leben schenken wird, als eben so heiliges als freudiges Gefühl in meinem Innern bewahren. Salzburg, am 12. December 1837. Constanze Etatsräthin von Nissen gew. Wittwe Mozart.26

Constanze Mozart hatte auch vorher für die erinnerungskulturelle Form des Denkmals Interesse gezeigt. Die Biographie Georg Nikolaus Nissens listete im Anhang die bereits bestehenden Denkmäler von Wolfgang Amadé Mozart. Antonio Bridi, beim Vertrieb der Biographie beteiligt, hatte in seinem Garten im norditalienischen Roveredo ein Denkmal in Auftrag gegeben. Auch ihr Bekannter in Graz, Franz Deyerkauf, hatte 1792 eine Büste aufgestellt.27 Diese beiden Denkmäler waren private Initiativen. Ein weiteres Denkmal wurde 1799 im Garten Anna Amalias in Tiefurt bei Weimar errichtet. Es bestand aus einer Lyra, umrahmt von zwei Musen auf einem Altar, der die Inschrift trug: »Mozart und den Musen«. Dieses Denkmal bestand allerdings schon 1828, bei der Drucklegung der Biographie, nicht mehr.28 Diese Ausgestaltung von Landschaftsgärten mit Statuen von Geistesgrößen kann jedoch als Vorläufer für die Entstehung des national ausgerichteten Denkmalbewusstseins bewertet werden.29 Constanze Mozart unterstützte nicht nur die Spendenaktion auf ihre Weise, sie mischte sich auch in den Entwurf des Salzburger Denkmals ein. Im April 1837 klärte sich zunächst überhaupt die Form, die es annehmen sollte. Ludwig Schwanthaler, Bildhauer in München, Mitglied der Akademie und bevorzugter Künstler Ludwig I., schrieb an das Kommittee in Salzburg einen Brief und erklärte sich bereit, ein Denkmal anzufertigen. Es ist davon 24 Constanze Mozart an Eugénie Bernardine Désirée Bernadotte, Königin von Schweden, Salzburg, 15.4.1838, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 19. 25 Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 45. 26 NZfM 8 (1838), S. 4; vgl. auch Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 49. 27 Vgl. Nissen: Biographie W.A. Mozarts, Nachdr. 1991, Anhang, S. 176f. 28 Vgl. ebd., Anhang, S. 176. 29 Vgl. Alings: Monument und Nation, S. 20ff.

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auszugehen, dass er von Ludwig I. dafür beauftragt wurde.30 Der König von Bayern hatte 1811 eine Büste von Wolfgang Amadé Mozart bei dem Züricher Bildhauer Heinrich Keller in Auftrag gegeben.31 Er unterstützte Benefizkonzerte im Münchner Hoftheater,32 spendete selbst großzügig für das Denkmal und nahm auch 1842 an den Feierlichkeiten zur Errichtung teil. Im April 1838 lag also ein erster Entwurf für das Denkmal vor, der dem Kommittee detailliert beschrieben wurde. Dieser beinhaltete einen Sockel aus Marmor, darauf eine Statue aus Bronze, »bekränzt, ruhig stehend, im Mantel, aus dem jedoch beyde Arme und der halbe Leib (im Costüm der Zeit) sichtbar sind, in der Rechten den Griffel, in der linken die entfaltete Rolle mit einem Tonsatze inscribirt den Fuß auf einen Fels gestützt (seine Heimath) imposant, doch anspruchslos.«33 Das Kommittee stimmte diesem Entwurf zu.34 Zu diesem Zeitpunkt wurde offenbar Constanze Mozart um ihre Meinung gebeten, jedenfalls reiste sie 1839 nach München und sichtete den Entwurf. Dieser sagte ihr allerdings überhaupt nicht zu. Die Statue war nach der in München vorhandenen Büste Kellers angefertigt worden, die wiederum nach einem Relief von Leonhard Posch entstanden war. Sie präsentierte Wolfgang Amadé Mozart eher klassizistisch, d. h. mit lockiger Frisur, rundlichen Gesichtszügen und Doppelkinn. Diesen Entwurf lehnte sie ab. Sie favorisierte stattdessen das Porträt Joseph Langes, das auch als Lithographie in der Biographie Georg Nikolaus Nissens abgedruckt worden war. Dieses überließ sie nun Ludwig Schwanthaler als Vorlage. Nach dessen Vorbild, das Mozart wesentlich jünger erscheinen ließ, fertigte Schwanthaler schließlich eine Büste als Vorlage für die Statue für Salzburg. Damit nahm Constanze Mozart entscheidenden Einfluss auf die bildliche Darstellung ihres verstorbenen Ehemannes: »Mit dem Salzburger Denkmal aus der Hand Schwanthalers, auf das sie 1839 selbst Einfluss genommen hatte, setzte Constanze Mozart ein Maximum der von ihr angestrebten alterslosen Wiedergabe Wolfgang Amadés durch – selbst das Erz diente fortan dem Erinnerungsprivileg der Witwe.«35 Wegen dieses ›Einspruchs‹ Constanze Mozarts und wegen aufwändiger Reliefs auf dem Sockel verzögerte sich die Herstellung, wie der Erzgießer Johann Baptist Stiglmaier gegenüber dem Kommittee begründete:

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Vgl. Bauer: »Das rekonstruierte Antlitz«, S. 37. Vgl. ebd., S. 23ff. Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 46. Ludwig Schwanthaler und Johann Baptist Stiglmaier an das Kommittée des Denkmals, München, 15.4.1838, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 52. 34 Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 57ff. 35 Bauer: »Das rekonstruierte Antlitz«, S. 39.

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Ich muß sehr um Nachsicht bitten über die längere Verzögerung meiner schuldigen Antwort, da ich aber bis jetzt das Modell der Mozart-Statue aus Gründen, die Herr Professor Schwanthaler zu Gunsten des Denkmals hinlänglich entschuldigen kann, indem von ihm das ganze Modell mit eigener Hand überarbeitet wurde, noch nicht in die Erzgießerey abgeliefert hatte, so stellt sich die Unmöglichkeit der Anfertigung des Erzgusses und dessen Ablieferung bis Ende July von selbst heraus.36

Nach längerer Diskussion um den Standort wurde schließlich der Michaelisplatz gewählt und 1840 als Antrag des Kommittees beim Magistrat eingereicht.37 Die Statue sollte dort schließlich im Herbst 1841 aufgestellt und mit einem großen Fest mit »Zehntausende[n] von Fremden« gefeiert werden, wie das Kommittee ankündigte: Das Comité des Mozart Denkmals hofft, wenn nicht unvorgesehene Unfälle eintreten, noch im Laufe des Herbstes dieses Jahres seine Aufgabe zu lösen, das colossale Standbild des großen Tondichters Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Michaeliplatze hier bleibend aufzustellen und das Fest der Enthüllung auf eine würdige Weise zu feiern. Hierdurch wird die Stadt Salzburg ein Monument erhalten, das sich würdig an die großen Denkmale reihet, mit denen die Huld seiner Fürsten geschmückt, und das die Zahl der nach Salzburg strömenden Fremden, und sonach die Zuflüsse der Bürgerschaft bedeutend vermehrt wird, ja das Fest der Enthüllung allein wird Zehntausende von Fremden hieher ziehen und allen Gewerbsleuten der Stadt eine ergiebige Quelle des Einkommens eröffnen.38

Im April 1841 wurden dafür der 12. bis 14. September 1841 bestimmt. Der Termin verzögerte sich allerdings erneut, weil bei Grabungen für das Denkmal römische Mosaikfußböden gefunden wurden, die erst geborgen werden mussten. Dennoch nahm der Ablauf der Feierlichkeiten konkretere Form an: 1. sollte es ein feierliches Hochamt geben, 2. die Aufführung des Requiems von Mozart, 3. die Aufführung eines Festchors, und 4. zwei Konzerte.39 Das Kommittee drängte auf die baldige Errichtung des Denkmals aus Rücksicht auf Constanze Mozart angesichts ihres hohen Alters. Sie hatte offenbar auch selbst darum gebeten, den Prozess zu beschleunigen. So hieß es im Bericht der Kommittee-Sitzung vom 14. November 1841: Was den Tag des Enthüllungfestes betrifft, so habe ich stets auf möglichste Beschleunigung desselben hinzuwirken gesucht und thue es noch, und zwar theils 36 Johann Baptist Stiglmaier an Carl. F. von Hock, München, 20.1.1841, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 80. 37 Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 65. 38 Salzburger Denkmal-Comité an den Magistrat der Stadt Salzburg, Salzburg, 18.3.1841, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 85f. 39 Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 108.

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aus dem wichtigen Grunde, daß man ein gutes Werk nicht verschieben solle, weil man nicht Herr der kommenden Ereignisse ist, und theils aus ebenso wichtigen Rücksichten für die Frau Staatsräthin von Nießen, die Witwe Mozarts, die bei ihrem hohen Alter dringend wünscht, daß man diese Feyer beschleunige. Welche Rücksichten diese Dame verdient, hat sie erst neuerlich durch das großmüthige Geschenk von 400 fl. und vieler werthvoller Musikalien an den Tag gelegt, das sie dem hiesigen Mozarteum widmete, und ich kann den P.T. Herren nicht dringend genug darstellen, welche Gehässigkeit wir auf uns laden würden, wenn diese Frau stürbe, ohn – durch unsere Schuld – die Errichtung des Denkmals erlebt zu haben. […] [S]o trage ich darauf an, daß das Enthüllungsfest Sonntags den 3ten Juli gefeirt werde. […] [U]nd auf ein wenig mehr oder weniger fremde Gäste kommt es in Berücksichtigung der Witwe Mozarts, welche gewiß einer der erfreulichsten u. unerläßlichsten Gäste dieser Feyer ist, gewiß nicht an.40

Am 5. Dezember 1841 gab es zum 50jährigen Todestag Wolfgang Amadé Mozarts eine Gedenkveranstaltung in Salzburg. Mittlerweile hatte sich der Dommusik-Verein gegründet und ein Orchester zusammen gestellt, und dies hatte damit den ersten Anlass zu einem Auftritt. Aufgeführt wurde das Requiem. Constanze Mozart nahm daran teil und dankte auch hier für das besondere Engagement: Constanza von Nissen Witwe Mozart dankt hiermit allen Freunden und Verehrern ihres seelg. Gatten W.A. Mozart für die zahlreiche und gefällige Beywohnung bey dem zur 50jährigen Trauerfeyer des Todestages ihres am 5. Dez. 1791 verstorbenen Gatten W.A. Mozart am 7. Dez. d. J. im hiesigen Dom abgehaltenen feyerlichen Gottesdienste, insbesondere der hohen Geistlichkeit für die zum Seelenheiln des Verklärten zum Himel gesendeten feyerlichen Gebethe an welche sich die Herzen so vieler answesenden Gläubigen, endlich dem Dom-Musik-Verein und Mozarteum und allen seinen Mitgliedern, Angestellten und sonstigen mitwirkenden Künstlern und Musikfreunden für die eben so bereitwillige, als kunstvolle Mitwirkung bey dem bey dieser Gelegenheit mit ausgezeichneter Präcision […] aufgeführten Requiem von W.A. Mozart.41

Dennoch konnte sie die Feierlichkeiten zur Enthüllung des Denkmals im September des darauf folgenden Jahres nicht mehr erleben: Constanze Mozart starb am 6. März 1842 in Salzburg. In den unzähligen Nachrufen und Nekrologen wurde sie mit großem Respekt und Anerkennung bedacht. Es wurde betont, dass sie die Denkmalserrichtung unbedingt noch hatte erleben wollen. 40 Protocoll über die Mozarts Comitésitzung d dato 14 November 1841, Bericht des Sekretärs Dr. von Hock, in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 611, A Sd. 41 Entwurf eines Dankesschreibens, o.D., Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 2, A Sd.

Die Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg

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Sie wurde vor allem auch für das Erinnern gewürdigt: »so kannte dennoch das Andenken an ihren ersten Gatten nicht anders als mit einer stets wachsenden Macht in ihr sich geltend machen, da die höchste Poesie ihres Lebens an dem Namen Mozart haftete.«42 Sie erhielt ein aufwändiges Begräbnis mit breiter öffentlicher Wahrnehmung: »Die Beerdigung der Wittwe Mozarts erfolgte am 8ten dieses [Monats] auf eine eben so rührende wie glänzende Weise.«43 Dabei spielten die Mitglieder des Mozarteums eine wichtige Rolle. Der folgende Bericht beschreibt, dass der Leichenzug des Begräbnisses direkt zur Eröffnung des DommusikVereins und Mozarteums gezogen sei. Symbolträchtiger hätte die Übergabe der Erinnerungarbeit nicht stattfinden können: Die Leiche wurde von dem hochwürdigen Herrn Domcapitular Schumann, Edeln von Mansegg, feierlichst eingesegnet, worauf ein schöner, vom Chordirektor Daisbeck [Deißböck, Chordirektor am Mozarteum] componirter, vierstimmiger Gesang ertönte. Nach Beendigung desselben setzte sich der Zug in Bewegung. Die zahlreichen Zöglinge unter dem Namen Mozarteum seit Kurzem gegründeten Musikschule des hiesigen Dommusikvereins eröffneten denselben unter Vortritt der Harmoniemusik des Letztern. An den Sarg, der von der Dienerschaft der angesehensten Honoratioren Salzburgs getragen und umgeben wurde, schlossen sich viele hochgestellte Männer, die Glieder des Mozart-Comité’s und des Repräsentantenkörpers des Dommusikvereines.44

Der frisch gekürte Kapellmeister des Mozarteums, Alois Taux, komponierte einen Grabgesang für die Witwe, deren Text auszugsweise lautete: »Heiße Thränen mögen fließen, dass dir Gott die Frist nicht gab, doch wenn Mozarts Bild wir grüßen, schau von dort zu uns herab; Wie die Welt den Gatten ehrt, warst auch du des Gatten werth, warst auch du des Gatten werth.«45 Am nächsten Tag wurde zur Bestattung eine Messe mit dem Requiem ihres Gatten abgehalten – auch dies eine symbolträchtige Geste.46 Franz Xaver Wolfgang Mozart bedankte sich im Anschluss für die öffentliche Würdigung seiner Mutter. Sie wurde, wie auch Georg Nikolaus Nissen, auf dem Friedhof St. Sebastian in Salzburg beigesetzt (vgl. Abb. 8). Ein Modell der Statue traf in der Woche vor dem Tod Constanze Mozarts in Salzburg ein. Der Transport der ›echten‹ Statue war aufwändig und zeitintensiv, da er als festlicher Triumphzug bzw. wie eine Prozession mit 42 Kaiserlich Königlich privilegirte Salzburger Zeitung vom 11.3.1842, in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 110. 43 Ebd. 44 Ebd., S. 110f. 45 Alois Taux: »Grabgesang für die Wittwe Mozart’s«, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2/43 (1842), Musik-Beilage Nr. II. 46 Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 111.

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Ortswechsel der Erinnerung

Zwischenhalten inszeniert wurde: Die Statue war dabei auf einer Kutsche aufgebahrt wie eine Leiche. In Wasserburg am Inn veranstaltete die Liedertafel ein Musikfest zu Ehren Mozarts.47 Am 10. August 1842 traf sie endlich in Salzburg ein. Damit konnte der Festakt wie geplant im September stattfinden. Das dreitätige Fest sollte einige musikalische Höhepunkte enthalten. Dafür waren viele Berühmtheiten angekündigt: Franz Liszt, Clara Schumann, die Sängerin Wilhelmine von Hasselt-Barth und weitere Instrumentalisten von Rang und Namen.48 Franz Grillparzer wurde gebeten, einen Prolog zu sprechen. Am 4. September 1842 konnten die Feierlichkeiten beginnen. Es wurde ein Hochamt mit der Krönungsmesse Mozarts im Dom abgehalten, anschließend gab es einen Festzug zum Michaelisplatz, wo die Statue schließlich enthüllt wurde. Dort hielt Sigismund Neukomm die feierliche Eröffnungsrede, danach erklang ein Festchor, den Franz Xaver Wolfgang Mozart komponiert hatte. Für diese dreisätzige, doppelchörige Kantate hatte er musikalische Ausschnitte seines Vaters verwendet: Grundlage waren Teile des Offertoriums Venite Populi (KV 260) und ein 1788 komponierter Klaviersatz in h-Moll für (KV 540). Auch dieser war musikalisch passend zum Anlass: Ein langsamer und getragener Satz im Stil eines Trauermarschs, der bis heute gedeutet als »Meditation über den Tod«49 wird. Diese hatte Franz Xaver Wolfgang Mozart mit einem neuen Text versehen. Die erste Strophe lautete: Hier seht ihn dargestellt den Meister, er ist es, den ihr geliebt und bewundert. Kann wohl noch ein ander Volk sich rühmen so hellen Sternes am Horizont der Tonkunst, weithin strahlend, er entschwand uns. – Doch seine Werke, sie leuchten immerdar, ja sie währen länger noch als Erz und Marmor.50

Dann wurde das Denkmal enthüllt und urkundlich der Stadt Salzburg übergeben. Zum Schluss erklang ein Chor aus La Clemenza di Tito, der ebenfalls mit neuem Text unterlegt worden war. Diesen dirigierte Alois Taux, der musika-

47 Vgl. ebd., S. 121ff. 48 Ludwig Mielichhofer: Brief aus Salzburg, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2/99 (1842), S. 402–403, auch in Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 125. 49 Marie-Agnes Dittrich: »Die Klaviermusik«, in: Leopold (Hg.): Mozart Handbuch, S. 482– 559, hier S. 548. 50 Abgedruckt in: Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 142. Eine Abschrift der Kantate (Rep 760 Akz. 263 Nr. 87) befindet sich im Staatsarchiv Oldenburg, vermutlich gelangte sie über August Pott dorthin. Ich danke Dr. Wolfgang Henninger für diesen Hinweis.

Die Errichtung eines Mozart-Denkmals in Salzburg

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lische Leiter des Mozarteums.51 Am Abend fand ein Konzert in der Residenz mit 2000 Zuhörerinnen und Zuhörern statt. Dieses stand wiederum ganz im Zeichen der Musik Mozarts: Vom Klavierkonzert d-Moll (KV 466), gespielt von Franz Xaver Wolfgang Mozart, über Sinfonien und Arien aus Le Nozze di Figaro bis Zauberflöte war ein vielseitiges Programm zusammen gestellt. Zum Abschluss des Tages gab es einen Fackelzug durch die Stadt. Am nächsten Morgen ging es pünktlich weiter: Um 9 Uhr erklang das Requiem im Dom, anschließend erhielten die Mitglieder des Kommittees, allen voran August Pott, und der Bildhauer Ludwig Schwanthaler Ehrungen und die Ehrenbürgerwürde der Stadt. Am Nachmittag wurde ein Volksfest in Schloss Leopoldskron veranstaltet. Ein weiteres Festkonzert folgte, diesmal unter der Leitung August Potts, wiederum mit Werken ausschließlich von Mozart.52 Am nächsten Tag, dem 6. September, empfing der Erzbischof ausgewählte Personen. Der Rest der Feierlichkeiten beinhaltete Belustigung: Abends gab es einen großen Festball, am nächsten Tag abschließend ein Pferderennen. Die Form, Durchführung und Funktion dieses Festes besaß Vorbildlichkeit, der man sich bewusst war. Dessen herausragende Bedeutung wurde in zahlreichen Berichten hervorgehoben. So schrieb der Chronist der Veranstaltung, Ludwig Mielichhofer: Dieß wurde auch während der Mozartfeier unter Künstlern und Kunstfreunden häufig angeregt, und hatte das Projekt zur Folge: alljährlich abwechselnd in einer andern Stadt Deutschlands eine Versammlung musikalischer Notabilitäten zu veranstalten, und damit große nationale Musikfeste zu verbinden, deren Aufgabe es wäre, gute deutsche Musik zu fördern, [zu] verbreiten, zu krönen.53

Die Resonanz auf diese Enthüllungsfeier war überwältigend. Vor allem ergab sich daraus der Wunsch, das Andenken an Mozart durch Feiern regelmäßig zu begehen, aber auch eine Institution sollte in Zukunft sich der organisierten Erinnerung widmen: Der Dommusik-Verein und das Mozarteum. Damit gab es den Vorschlag, den Überschussbetrag aus den Spenden dieser Initiative gutzuschreiben. 30.000 Gulden waren als Spenden für das Denkmal zusammen gekommen und etwa 27.800 verwendet worden, davon 15.580 Gulden für die Statue. Der Restbetrag von 2200 Gulden sollte das Mozarteum unterstützen.

51 Vgl. Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 145. 52 Vgl. ebd., S. 154ff. 53 Ludwig Mielichhofer: Das Mozart-Denkmal zu Salzburg und dessen Enthüllungsfeier im September 1842. Eine Denkschrift, Salzburg 1843, in: Angermüller: Das Salzburger MozartDenkmal, S. 171.

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Ortswechsel der Erinnerung

Da jedoch nach vollständiger Herstellung des Denkmals jene Summe nicht mehr im buchstäblichen Sinne gemäß der ursprünglichen Absicht der Contribuenten verwendet werden konnte, so glaubte man am Besten im Sinne der letzteren zu handeln, und daher auch deren Zustimmung am sichersten sich versprechen zu dürfen, wenn die vorhandenen Mittel zur Gründung einer den Namen des Meisters in anderer Weise verewigenden Stiftung benützt würden. Der Genuß dieser letzteren wurde dem Mozarteum, einer mit dem hiesigen Dom-Musik-Vereine verbundenen musikalischen Lehranstalt, gegen dem überlassen, daß demselben zustehe, die jährlich entfallende Rente an angehende Jünger der Kunst, oder auch an einen seiner angestellten Musiker, und zwar eben sowohl als BelohnungsZuschuß wegen rühmlicher Dienstleistung, wie als einen in ordnungsgemäßigen Gehalt einzurechnenden Betrag – immer aber nur ganz und ungetheilt, und unter dem Titel Mozart-Stiftung zu verleihen.54

5.2. Eine »immertönende Memnonsäule Mozart’s«55: Die Gründung des Mozarteums Die Errichtung des Denkmals war Ausdruck eines überregional organisierten bürgerlichen Bestrebens, das schließlich 1841 in die Gründung des Dommusik-Vereins und Mozarteums in Salzburg mündete. Diese Institutionen sollten fortan die Erinnerung Wolfgang Amadé Mozarts gestalten. Im folgenden wird deutlich, dass Constanze Mozart an dieser Gründung beteiligt war. Die Gründung war damit einerseits Bestandteil ihrer erinnerungskulturellen Arbeit, andererseits änderte sich damit auch erheblich die erinnerungskulturelle Perspektive. Die Errichtung des Mozart-Denkmals bündelte die Kräfte einer Nationalbewegung, welche wiederum auch die Interessen vor Ort in Salzburg befeuerten. Die Gründung des Dommusik-Vereins und Mozarteums ist daher zunächst als weiterer Effekt dieser bürgerlichen Kräfte anzusehen, allerdings auch vor dem spezifischen historischen Hintergrund der Stadt Salzburg zu verstehen. Salzburg hatte politisch und kulturell schwierige Zeiten erlebt. Bis 1803 war es als Fürsterzbistum ein eigenständiges Territorium des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation. Dann erfolgte die Säkularisation, bestärkt durch den Reichsdeputationshauptschluss, welcher den Fürsterzbischof politisch entmachtete. Salzburg wurde anschließend zum Spielball zwischen

54 Kaiserlich-königlich privilegirte Salzburger Zeitung vom 20.11.1846. 55 Ludwig Mielichhofer: Brief aus Salzburg, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 2/37 (1842), S. 150–151, auch in Angermüller: Das Salzburger Mozart-Denkmal, S. 115.

Die Gründung des Mozarteums

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Österreich und Bayern.56 1816 wurde es endgültig Österreich zugeordnet, was den »Abstieg von einer landesfürstlichen Haupt- und Residenzstadt zu einer Linz untergeordneten Kreisstadt«57 zur Folge hatte. Salzburg verlor die eigenständige Administration und die höfisch-aristokratische Schicht, die diese geprägt hatte; sämtliche Beamte verließen die Stadt. Mit diesem »Provinzialisierungsprozess« war eine politische und wirtschaftliche Schwächung der ehemals prächtigen Residenzstadt verbunden. Bis eine bürgerliche Schicht diese Lücken füllte, dauerte es eine ganze Weile. Bei deren Aufstreben spielte der Museum-Verein als kultureller Treffpunkt eine wichtige Rolle. Aus dieser Perspektive kann die Errichtung des Denkmals auch als »erste große Manifestation bürgerlichen Selbstbewußtseins in Salzburg«58 gedeutet werden. Der Bedeutungsverlust des Erzbischofs hatte auch Konsequenzen für das Musikleben Salzburgs. Im 18. Jahrhundert besaß die Stadt noch eine blühende höfische Musikkultur, geprägt von Komponisten wie Heinrich Ignaz Franz Biber, Georg Muffat, Leopold Mozart und Johann Michael Haydn. Die Hofkapelle wurde 1803 aufgelöst, ihre Mitglieder suchten neue Anstellungen, vor allem in Wien. Johann Michael Haydn starb 1806, womit sich auch sein Schülerkreis auflöste.59 Das heißt, seit Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gründung des Mozarteums gab es kein der Hofkapelle gleichwertiges beständiges Ensemble an Sängern und Instrumentalisten. 1841 erfolgte zunächst die Gründung des Dommusik-Vereins. Er vereinte das Interesse an bürgerlicher Musikpflege und der Verbesserung der Situation der Kirchenmusik. Die Gründung geht vor allem auf das Engagement des Advokaten Ferdinand von Hilleprandt zurück. Er war 1826 in den Vorstand des Salzburger Museumsvereins gewählt worden60 und wandte sich 1838 an den Fürsterzbischof Friedrich zu Schwarzenberg, um ihn zu überzeugen, dem desolaten Zustand der Kirchenmusik Abhilfe zu schaffen. Die Gründung eines neuen Vereins sollte das bürgerliche und kirchliche Musikwesen zusammen führen. Dies war in katholischen Gegenden nicht unüblich: »Diese Verschrän-

56 Vgl. Robert Hoffmann: »Die Stadt Salzburg in Vormärz und Neoabsolutismus (1803– 1860)«, in: Heinz Dopsch/Hans Spatzenegger (Hg.): Geschichte Salzburgs. Stadt und Land, Bd. II/4: Neuzeit und Zeitgeschichte, Salzburg 1991, S. 2241–2280. 57 Vgl. ebd., S. 2244. 58 Ebd., S. 2261. 59 Ernst Hintermaier: »Musik – Musiker – Musikpflege«, in: Dopsch/Spatzenegger (Hg.): Geschichte Salzburgs, S. 1619–1706, hier S. 1619f. 60 Vgl. Karl Wagner: Das Mozarteum. Geschichte und Entwicklung einer kulturellen Institution, Innsbruck 1993, S. 19.

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kung von städtischer und kirchlicher Musikkultur war im 19. Jahrhundert bei vielen Kirchenmusikvereinen des katholischen Bürgertums gängige Praxis.«61 Am 22. Juni 1840 kam es zu einer konstituierenden ersten Sitzung. Der Fürsterzbischof übernahm die Stellung des Protektors, Hilleprandt wurde zum Sekretär bestimmt. Die drei Stadtpfarreien, das Domkapitel und die Museumsmitglieder schlossen sich dem Verein ebenfalls an. Einige Tage später legte der Verein dem Fürsterzbischof einen Statutenentwurf vor als Vereinssatzung.62 Dann dauerte es noch einmal ein Jahr, bis die Statuten des neu gegründeten Verein rechtlich genehmigt und behördlich bestätigt waren. 63 Diese Statuten von 1841 blieben bis 1880 wirksam. Sie zeigen, dass der Verein weniger bürgerlich-demokratisch als hierarchisch organisiert war. Dem Fürst­ erzbischof wurde die oberste Entscheidungsgewalt übertragen: Alle Anträge waren letztlich von ihm zu genehmigen, er musste sich nicht der Mehrheit des Repräsentantenkörpers beugen. So spiegelte die Organisation noch »die Gedankengänge einer absoluten Monarchie«64. Das darunter liegende Gremium, der sogenannte Repräsentantenkörper, bestimmte über Anträge auf Mitgliedschaften inklusive Ehrenmitgliedschaften, über Anstellung und Besoldung der Musiker sowie die gesamten Finanzen. Er bestand aus sieben permanenten Mitgliedern, allesamt Kirchenvertreter, darunter der Domprobst. Dazu kamen vier gewählte unterstützende Vereinsmitglieder und vier ausübende Musiker als gewählte Mitglieder. Damit lag der Einflussbereich deutlich auf Seiten der Diözese.65 Dieses Kräfteverhältnis zwischen kirchlicher und bürgerlicher Trägerschaft blieb jedoch seit der Gründung stark in der Diskussion. Als Aufgabe des Dommusik-Vereins wurde zunächst die Besoldung eines Orchesters formuliert. Im August 1841 wurden erste Verträge geschlossen, am 1. Oktober war eine Kapelle von 38 Musikern akquiriert. Sie bestand aus einem Chor mit 8 Tenören, 6 Bässen und 10 Kapellknaben, geleitet durch einen Chordirektor; und einem Orchester mit 21 Mitgliedern, geleitet von einem Kapellmeister. Dazu kamen drei fest angestellte Organisten.66 Zum ersten Kapellmeister wurde Alois Taux ernannt. Ab 1841 gab es also wieder ein festes Orchester in der Stadt. Dieses hatte in 14 Stadtkirchen einschließlich des Doms Dienste zu leisten, »Museums-Concerte« und jährlich sechs Vereinskonzerte zu absolvieren. 61 Carena Sangl: »Bürgerliche Musikkultur, Dommusikverein und Mozartkult«, in: Jürg Stenzl/Ernst Hintermaier/Gerhard Walterskirchen (Hg.): Salzburger Musikgeschichte. Vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert, Salzburg/München 2005, S. 424–435, hier S. 426. 62 Vgl. Wagner: Das Mozarteum, S. 33. 63 Vgl. ebd., S. 35f. 64 Ebd., S. 37. 65 Vgl. ebd., S. 37f und S. 272ff. 66 Vgl. ebd., S. 48.

Die Gründung des Mozarteums

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Dazu wurde in den Statuten unter § 3, Absatz 4 die Errichtung einer Musikschule mit dem Namen »Mozarteum« als Aufgabe formuliert: Der Verein wird sich angelegen seyn lassen: […] 4. zur Erhaltung der Musik eine Anstalt unter der kurzen Benennung »Mozarteum« zu errichten, in welcher Zöglinge des männlichen Geschlechts im Gesange, in der Deklamation, auf Instrumenten, im praktischen Generalbasse, und im Tonsatze gebildet werden sollen. Wenn es die Kräfte des Vereines und sonstigen Verhältnisse gestatten, so wird sich der Verein auch angelegen seyn lassen, den Unterricht im Mozarteum auch auf das weibliche Geschlecht, jedoch jedenfalls gesondert, auszudehnen.67

Die institutionelle Form des Mozarteums war noch völlig offen. Es gab weder eine eigene Leitung, ein Budget, ein Sekretariat, ein Gebäude und noch eigens angestellte Lehrer. Zunächst war die Vereinbarung so, dass den bestallten Musikern, »welche mit einer jährlichen Besoldung von 200 fl. angestellt wurden, zur Pflicht zu machen sey, täglich eine Stunde Unterricht im Mozarteum auf jenem Instrumente zu ertheilen, auf welchem sie der Kapellmeister zum Unterricht für fähig hält«68. Dafür wurden sie nicht gesondert entlohnt, das wurde erst 1855 geändert. 100 Schüler wurden aufgenommen, diese Zahl blieb auch weitgehend konstant.69 Das Mozarteum nahm jedoch in der Folge beständig Form an. Der Unterrichtsbetrieb wurde stetig ausgebaut. Neue Impulse erhielt es durch das Mozartfest zum hundertjährigen Geburtstag 1856, womit die Errichtung eines eigenen Gebäudes für die Musikschule in Angriff genommen wurde, was jedoch auf Widerstände des Repräsentantenkörpers stieß und letztlich erst 1907 realisiert werden konnte.70 Auch bei weiteren Reformen der Statuten wehrte sich der Dommusik-Verein. Die Entwicklung des Mozarteums ab 1856 kann als Weg der Emanzipation aus kirchlicher Trägerschaft gesehen werden. 1870 wurde eine internationale Stiftung gegründet, die dem Dommusik-Verein mit Einflüssen von außerhalb Salzburgs als Träger Konkurrenz machte. Ziel der Stiftung war es, langfristig den Konzertbetrieb und die Musikschule aus dem Verband herauszulösen.71 Dies gelang schließlich 1880 auch nur mit einem Bruch, d. h. der Trennung von Dommusik-Verein und Mozarteum, wobei letzteres von der Stiftung übernommen wurde.72

67 68 69 70 71 72

Statuten des Dommusik-Vereins von 1841, zitiert nach: ebd., S. 38f. Beschluss der Repräsentantensitzung am 16.8.1841, zitiert nach: ebd., S. 53. Vgl. Wagner: Das Mozarteum, S. 67. Vgl. ebd., S. 95ff. Vgl. ebd., S. 99f. Vgl. ebd., S. 103ff.

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Constanze Mozart und ihr Sohn Franz Xaver Wolfgang Mozart hatten auf Antrag des Dommusik-Vereins im Juni 1841 die Ehrenmitgliedschaft erhalten.73 Constanze Mozart stand der Gründung des Mozarteums aufgeschlossen gegenüber. Womöglich hatte sie im Prozess der Konstituierung ihre Finger im Spiel. Unter den Akten des Dommusik-Vereins findet sich folgender Briefentwurf an den Fürsterzbischof, aus dem hervorgeht, dass Constanze Mozart dessen Wunsch auf nähere Auskunft über die Gründung an das Kommittee weiter geleitet hatte: Durch die Güte der Frau Etatsräthswitwe von Nissen Witwe Mozart habe ich erfahren, daß Eure Exzellenz [die Gnade… [gestr.]] den Wunsch äußerten, sich [durch [gestr.]] aus den Statuten des zu Salzburg unter dem Protektorate Sr. Durchlaucht unsers gnädigsten Hr. Erzbischofs nun entstehenden Dom-Musik-Verein und das Mozarteum nähere Aufschlüße über die Zwecke des Vereins und die Mittel dieselben zu errichten, zu verschaffen.74

Constanze Mozart unterstützte das Mozarteum in mehrerer Hinsicht. Der Jahresbericht 1843 fasste ihre Tätigkeiten folgendermaßen zusammen: Die leider im ersten Jahre des Bestandes unseres Vereines verstorbene Wittwe des großen Meisters Mozart, gab dem Vereine einen außerordentlichen Beitrag von 400 fl. K.M., dann ein sehr gutes Fortepiano und einen nicht unbedeutenden Vorrath von Musikalien zum Geschenke. – Unter letzteren befindet sich besonders ein noch nie im Stiche erschienenes Kyrie zu einer unvollendeten Messe von der Komposition ihres verewigten Gatten, dessen Namen unsere Lehranstalt führt. Diese Manuscript ist ein unschätzbares Kleinod in der bereits geordneten Bibliothek des Vereines.75

Mit der Errichtung des Mozarteums als Musikschule war auch der Aufbau einer Bibliothek verbunden. Dafür war der Verein auf Spenden von Noten angewiesen. Constanze Mozart unterstützte den Bestand mit Teilen ihrer Notensammlung. Bei dem erwähnten Manuskript Wolfgang Amadé Mozarts handelte es sich um ein Fragment, das Kyrie in Es-Dur (KV 322). Dieses enthielt eine Widmung Constanze Mozarts, welche auch nähere Auskunft über die Inhalte der Notensammlung gibt: 73 Sitzungsprotokoll des Dom-Musikvereins vom 15.6.1841, in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 422, A Sd. 74 Brief an den Erzbischof, Entwurf o.D., in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 2, A Sd. 75 Erster Jahresbericht vorgetragen bei der Plenarsammlung des Dom-Musik-Vereines und Mozarteums zu Salzburg am 29. Jänner 1843, Salzburg 1843, S. 6. Die Summe von 400 Gulden bestätigt auch ein Briefentwurf des Dommusikvereins und Mozarteums an Constanze Mozart vom 30.9.1841, in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 1, A Sd.

Die Gründung des Mozarteums

293

Loebl: Dom-Musik-Verein und Mozarteum zu Salzburg! Ich glaube, es dürfte dem Mozarteum zu Salzburg von besonderem Interesse seyn, ein Manuscript meines seeligen Gatten W.A. Mozart als Andenken zu besitzen. Um nun dem Verein einen Beweis meiner regen Theilnahme zu geben, überlasse ich hiemit das von der eigenen Hand meines seeligen Gatten W.A. Mozart geschriebene Kyrie aus Es dur zu einer unvollendeten Messe mit dem Wunsche, daß dieses Manuscript in der musikalischen Bibliothek des Vereines stets als Andenken aufbewahret, und möglichst zum Nutzen desselben verwendet werde. Zugleich überlasse ich dem Vereine ein Exemplar der Biographie meines Gatten W.A. Mozart, die nun selten gewordene Violinschule seines Vaters Leopold Mozart, die Partitur zum mozartischen Requiem, die Clavier-Auszüge zu folgenden Opern, als. Zauberflöte, Don Juan, Idomeneo, Titus, Entführung aus dem Serail, dann zu Haydn’s Schöpfung, endlich 17 Hefte der bey Breitkopf und Härtl aufgelegten Klavierkompositionen Mozarts. Ich wünsche, daß der Verein zum Nutzen der Zöglinge hievon Gebrauch machen werde, und zeichne mich mit besonderer Hochachtung Constanze Etatsräthin von Nissen gewesene Wittwe Mozart Salzburg am 15. October 1841.76

Der Verein richtete ein Dankesschreiben an sie und versprach, dieses Geschenk in besonderen Ehren zu halten: Den schönsten Beweis der regen Theilnahme an der den Namen Ihres unsterblichen Gatten W.A. Mozart führenden musikalischen Bildungsanstalt haben Eure Wohlgeborne durch die gütige Uiberlassung des Manuskriptes Ihres gesegneten Gatten nehmlich eines Kyrie gegeben, welches der Verein als ein unschätzbares Kleinod und Andenken in seiner musikalischen Bibliothek stets ehrenvoll bewahren wird.77

Unter den Dokumenten zur Gründung des Dommusik-Vereins befindet sich auch ein Briefwechsel des Vereins mit Julius André, Sohn Johann Anton Andrés. Er sagte zu, »von allen in seinem Verlag erschienenen Werken von Mozart, soweit solche nicht vergriffen sind, 1 Exemplar Ihrem Verein »Mozarteum« unentgeldlich ablassen zu wollen […].«78 Da er in diesem Brief auch zusicherte, auf Anregung Constanze Mozarts die Statuten der »hiesigen Mozartstiftung« mitzusenden, lässt sich vermuten, dass sie den Verlag zu diesem Schritt gebeten hatte. Auch Breitkopf & Härtel stifteten ihre Gesamtausgabe zum Aufbau der Bibliothek:

76 Autographe Partitur des Kyrie in Es (KV 322) im Besitz der Internationalen Stiftung Mozarteum (A Sm), hier zitiert nach: Kritischer Bericht, hg. von Monika Holl, Kassel 2000 (NMA I/1/Abt. 1/6), S. 31f. 77 Entwurf eines Dankesschreibens des Dommusik-Vereins und Mozarteum vom 4.11.1841, in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 1, A Sd. 78 Julius André an den Dommusikverein, Offenbach, 9.11.1841, in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 1, A Sd.

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Ortswechsel der Erinnerung

Endlich ist noch bemerkenswerth, daß die Kunsthandlung J. André in Offenbach und Breitkopf & Härtel in Leipzig dem Vereine die bei ihnen aufgelegten Werke des verewigten W.A. Mozart bereitwillig und unentgeldlich überlassen, und so den ersten Grundstein zur Realisierung der Absicht des Vereines gelegt haben, die sämmtlichen Werke des unsterblichen Meisters zu sammeln, und dieselben zum Nutzen und zur Ausbildung der Jugend aufzubewahren. Möge doch dieses edle Beispiel dieser beiden Kunsthandlungen auch andere, welche Mozarts Werke im Verlage besitzen, zu gleicher edlen Handlungsweise bestimmen, dadurch das hier bestehende intellektuelle Denkmal Mozarts zu unterstützen, die sämmtlichen Werke dieses Meisters in seiner musikalischen Bibliothek der späten Nachwelt aufzubewahren!79

Die Bezeichnung als »intellektuelles Denkmal« ist ein Schlüsselbegriff, der auf eine umfassende Erinnerungs- wie auch Bildungsfunktion der Institution verweist. Das Mozarteum sollte nicht nur Musikschule bzw. Lehranstalt sein, sondern auch Bibliothek und Archiv. Constanze Mozart hatte damit nicht nur den Bestand unterstützt, sondern auch bereits vor ihrem Tod dafür gesorgt, dass Teile ihres Besitzes für die Zukunft gesichert waren. Der Rest ihres Nachlasses ging bei ihrem Tod an die Söhne über. Constanze Mozart hatte beide als Universalerben bestimmt, d. h. sie erhielten sämtlichen Besitz ihrer Mutter, wie sie in ihrem Testament bestimmte, auch »mein Piano-Forte mit allen Musikalien.«80 Nähere Details zu diesen Musikalien sowie Hinweise auf Autographe oder Briefe fehlen im Testament. Constanze Mozart hatte die restlichen Teile ihres Nachlasses damit zunächst zum Verbleib im Familienbesitz vorgesehen. Dennoch hat sie möglicherweise mit ihren Söhnen die Zukunft der Dokumente besprochen, denn beide Söhne waren kinderlos, und sie vermachten ihren Besitz in weiten Teilen auch schließlich dem Mozarteum. Franz Xaver Wolfgang Mozart starb bereits zwei Jahre später, 1844, im Alter von 53 Jahren. Er bestimmte seine Schülerin und Freundin Josephine Baroni-Cavalcabò als Erbin. Sie übernahm dabei ebenfalls die Rolle der Nachlassverwalterin, auch für die Werke seines Vaters in seinem Besitz, denn Franz Xaver Wolfgang Mozart hatte vor seinem Tod verfügt, dass dessen Dokumente für das Mozarteum bestimmt seien, wie sie gegenüber Hilleprandt äußerte: daß nächstens das große familien Bild seines Vaters, so wie dessen Klavikord seine Musikalien, die auf Mozart Bezug haben, die Correspondenz seine[s] Vaters, und Großvater’s, so wie die Zeitschriften, und Bücher über die Théorie der Musik, nach Salzburg im Mozarteum gebracht, dort aufbewahrt, und dieser Anstalt zur Pflicht gemacht werde, alle diese Effekten, für alle Zeiten, in diesem Institute aufzubewahren.81 79 Erster Jahresbericht, Salzburg 1843, S. 7. 80 Valentin: »Das Testament der Constanze Mozart-Nissen«, S. 113. 81 Josephine Baroni-Cavalcabò an Franz von Hilleprandt, 11.8.1844, in: Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 558, A Sd, zitiert nach: Karsten Not-

Die Gründung des Mozarteums

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Seine eigenen Autographe zählte Franz Xaver Wolfgang Mozart im übrigen nicht dazu, sie blieben im Besitz Josephine Baroni-Cavalcabòs und gingen zum Teil an Carl Mozart. Dies wurde später begründet, dass er gekränkt gewesen wäre, nicht zum Kapellmeister des Mozarteums bestimmt worden zu sein.82 Die Gründe mögen jedoch eher darin liegen, dass er das Mozarteum als eine Institution zur Erinnerung seines Vaters verstand und damit nicht als den adäquaten Aufbewahrungsort für seine eigenen Kompositionen. Aloys Fuchs, Vereinsmitglied und Musikaliensammler, registrierte und katalogisierte im Auftrag Josephine Baroni-Cavalcabòs den Nachlass Franz Xaver Wolfgang Mozarts.83 Er erkannte den besonderen Wert der darin befindlichen Originaldokumente, den er auch in der Wiener Allgemeinen Musik-Zeitung bekannt machte. Hierbei handelte es sich auch um Briefe, die im Besitz Constanze Mozart gewesen und in der Biographie abgedruckt worden waren: An Reliquen, seine Familie betreffend. 3. Die ganze Correspondenz zwischen den Familien-Gliedern des großen Mozart: in den eigenhändigen Originalbriefen von Leopold Mozart und W.A. Mozart, welche in der von Nissen herausgegebenen Biographie Mozarts zum größten Theil abgedruckt sind. – höchst werthvolle Dokumente!84

Es zeigt, dass schließlich Briefe als »Reliquien« einen besonderen Wert erhalten hatten, der in die Öffentlichkeit kommuniziert wurde. Auch ein von Aloys Fuchs erstelltes Verzeichnis wurde später in der Wiener Allgemeinen MusikZeitung abgedruckt. Daraus lässt sich noch genauer schließen, welche Dokumente Constanze Mozarts sich im Nachlass Franz Xaver Wolfgang Mozarts befanden: 80 Briefe Leopold Mozarts, 160 Briefe Wolfgang Amadé Mozarts, »Sechzig Stück größere und kleinere Entwürfe und unvollendete Composi-

telmann: W.A. Mozart Sohn. Der Musiker und das Erbe des Vaters, Bd. 2: Systematischchronologisches Verzeichnis der Kompositionen von W.A. Mozart Sohn, Kassel 2009 (Schriftenreihe der Internationalen Stiftung Mozarteum, 14,2), S. 8. 82 Vgl. Walter Senn: »Das Vermächtnis der Brüder Mozart an ›Dommusikverein und Mozarteum‹ in Salzburg«, in: MJb (1967), S. 52–61, vgl. auch Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 2, S. 8f. 83 Vgl. Nottelmann: W.A. Mozart Sohn, Bd. 2, S. 7. 84 Alois Fuchs: »Biographische Skizze von Wolfgang Amadeus Mozart (dem Sohne)«, in: Allgemeine Wiener Musik-Zeitung 4/111 (1844), S. 441–443, hier S. 443. Vgl. zu Fuchs außerdem: Till Reininghaus: »Der Wiener Musiksammler Aloys Fuchs im zeitgenössischen Kontext«, in: Peter Schmitz/Andrea Ammendola (Hg.): »Sacrae Musices Cultor et Propagator«. Internationale Tagung zum 150. Todesjahr des Musiksammlers, Komponisten und Bearbeiters Fortunato Santini, Tagungsbericht Münster 14.–16. September 2011, Münster 2013, S. 105–135.

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Ortswechsel der Erinnerung

tionen Mozart’s – sämtliche in dessen eigenhändiger Schrift«.85 Bei letzteren handelte es sich um die Fragmente, die Constanze Mozart damit bis zu ihrem Tod in ihrem Besitz behalten hatte. Als weiteres fragmentarisches Autograph listet das Verzeichnis eine Sinfonie in B-Dur. Darüber hinaus war darin eine Vielzahl unterschiedlicher Noten angeführt: Von Wolfgang Amadé Mozart in Partitur, in Stimmen, abgeschrieben oder gedruckt, diverse Noten anderer Komponisten. Auch ein Bücherverzeichnis war vorhanden. Nicht aufgelistet hingegen ist das Material für die Biographie, die heute sog. »Nissen-Kollektaneen«. Vielleicht sind sie jedoch mit diesen Dokumenten aus dem Nachlass Franz Xaver Wolfgang Mozarts an das Mozarteum gegeben worden. Auch Carl Mozart hinterließ bei seinem Tod 1858 seinen Nachlass dem Mozarteum, er bestimmte es testamentarisch zum Universalerben.86 Über seinen Notenbesitz gibt das Testament keine Auskunft. Dennoch gelangte ein großer Teil seiner Noten an das Mozarteum, teilweise auch schon vor seinem Tod.87 Er hatte außerdem bereits 1809 bei ihrer Abreise nach Kopenhagen88 und laut ihres Testaments eine Vielzahl an Noten und Dokumenten von Constanze Mozart erhalten, d. h. in seinem Nachlass befanden sich auch Teile ihres Besitzes, die dann auf diesem Weg in die Institution gelangten. Die Musikalienbestände des Dommusikvereins und Mozarteums wurden seit 1842 in einem sog. Repertorium verzeichnet. Darin ist als Nr. 10 eine Partitur von La Clemenza di Tito gelistet: Sie ist gekennzeichnet als »Duplikat mit ital. Text«, ferner heißt es darin: »das Duplikat ist ein Geschenk des Carl Mozart«.89 Das bedeutet einmal mehr, dass es sich hierbei um die Partitur aus dem Besitz Constanze Mozarts handeln könnte, die sie für ihre Aufführung der Oper in Hamburg benutzte.90 Die Musikalien aus den Nachlässen Franz Xaver Wolfgang und Carl Mozarts wurden in dieses Repertorium aufgenommen und erhielten die Signatur »M.N.« für »Mozart-Nachlass«. Der Dommusik-Verein führte bürgerliche und kirchliche Musikinteressen zusammen. Kern des Anliegens war, ein fest angestelltes Orchester einzurich85 Alois Fuchs: »Vermächtnis von W.A. Mozart Sohn an das Mozarteum in Salzburg«, in: Allgemeine Wiener Musikzeitung 5/60, 61 (1845), S. 237–240, hier S. 239. Auch abgedruckt bei Hummel: W.A. Mozarts Söhne, S. 330–335, hier S. 335. 86 Vgl. Testament Karl Mozarts, in: Hummel: W.A. Mozarts Söhne, S. 338–343, hier S. 338. 87 Im Repertorium: Verzeichnis der Musikalienbestände des Dommusik-Vereins und Mozarteum seit 1842, o. Sign., A Sd, befinden sich ab 1844 bereits Noten aus dem Besitz Carl Mozarts mit dem Vermerk als Schenkungen. 88 Vgl. Kapitel 4.1. 89 Repertorium: Verzeichnis der Musikalienbestände des Dommusik-Vereins und Mozarteum seit 1842, o. Sign., A Sd. 90 W.A. Mozart: La Clemenza di Tito, Abschrift der Partitur, M.N. 10b, A Sm. Vgl. Kapitel 2.3.

Die Gründung des Mozarteums

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ten und einen stetigen Konzertbetrieb in Salzburg zu ermöglichen. Das »Mozarteum« bezeichnete zunächst lediglich die angegliederte Musikschule. Diese beinhaltete den sukzessiven Aufbau einer Bibliothek, und erhielt bald auch die Funktion eines Archivs für wertvolle Autographe. Dommusik-Verein und Mozarteum zusammen erfüllten damit die Erfordernisse einer bürgerlichen Musikpraxis, wie sie in anderen europäischen Städten bereits etabliert war. Es konnte auch deutlich werden, dass die Aufgaben der Institution zunächst nicht klar umrissen war. Vielmehr gab es einen groben Entwurf und weitere Bedürfnisse kristallisierten sich Schritt für Schritt heraus. Damit lässt sich das Mozarteum als Prozess der Institutionalisierung bürgerlicher Musikpflege beschreiben – inklusive der Institutionalisierung der Erinnerung, indem es eben auch archivarische Funktion übernahm. Ganz besonders zeigt sich aber der fließende Übergang einer persönlich getragenen Erinnerung Constanze Mozarts in die institutionsgetragene, wobei sie durch die Unterstützung bei der Gründung damit Ortswechsel der Erinnerung vorbeitete und sie und ihre Söhne durch die Übergabe von Dokumenten wertvolles Material ihres Ehemannes für die Zukunft sicherten.

Nachwort

Constanze Mozart sorgte mit ihren Tätigkeiten dafür, dass Wolfgang Amadé Mozart einen Platz im musikkulturellen Gedächtnis einnehmen konnte. Ihr Selbstverständnis als Nachlassverwalterin entwickelte sie sukzessiv: Nach seinem Tod 1791 hatte sie zunächst Schulden zu begleichen, und ihre Versorgung sowie die ihrer Kinder war nicht gewährleistet. Damit gehörte sie zu den vielen Witwen, für die der neue Lebensabschnitt existenzielle Sorgen bedeutete, denen sie aus eigener Kraft begegnen musste. Aus diesem Grund veranstaltete sie Akademien zu ihren Gunsten. Benefizkonzerte waren als Witwen- und Waisenkonzerte in Wien etabliert, daher hatte sie mit diesem Konzept Erfolg und konnte sich finanziell rehabilitieren. Constanze Mozart widmete diese Akademien, wie die Ankündigungen zeigen, gleichzeitig bereits dem Andenken ihres verstorbenen Ehemannes. Während ihrer Konzertreise 1795/96 trat sie dann explizit als Witwe im Dienste des Erinnerns auf. Nach ihrer Rückkehr nach Wien begann sie, sich um seinen musikalischen Nachlass, d. h. die hinterlassenen Autographe zu kümmern. 1797 machte sie die Bekanntschaft mit dem schwedischen Diplomaten Fredrik Samuel Silverstolpe und dem dänischen Diplomaten Georg Nikolaus Nissen, die sie dabei unterstützten, wie auch der Komponist Abbé Maximilian Stadler. In ihrem Salon führte sie die Musik Wolfgang Amadé Mozarts auf und konnte damit durch Aufführungen an ihn erinnern. Constanze Mozart tauschte sich mit Gottfried van Swieten aus, der als Musikliebhaber und Sammler ihre Interessen teilte und sie bei den Verlagsverhandlungen beraten konnte. Mit van Swieten, Stadler, Silverstolpe und Nissen fand sie Gleichgesinnte, die die Verankerung Mozarts im musikkulturellen Gedächtnis erreichen wollten. Diese Kontexte in den Blick zu nehmen heißt, einen Beitrag zur Musikgeschichte Wiens zu liefern und macht deutlich, inwiefern es dort ein musikhistorisches Interesse gab, das wiederum dicht in ein diplomatisches Netzwerk eingebunden war. Der Verlag Breitkopf & Härtel initiierte 1798 unter dem Titel »Œuvres complettes« eine Gesamtausgabe der Kompositionen Wolfgang Amadé Mozarts und bat Constanze Mozart um Kooperation. Diese Initiative stellte das erste große Projekt des Verlags dieser Art dar und hatte Vorbildfunktion, womit Breitkopf & Härtel seine Marktposition gegenüber einer größer werdenden Konkurrenz behaupten und ein exklusives Publikum erreichen wollte. Um

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Nachwort

die Qualität der Ausgabe zu gewährleisten, sollten Originalmanuskripte des Komponisten und keine Abschriften als Vorlagen verwendet werden. Con­ stanze Mozart war für den Verlag eine geschätzte Verhandlungspartnerin, da sie mit ihrem Namen stellvertretend für die Authentizität der Autographe einstand. Sie sandte diese bereitwillig an den Verlag. Sie lieferte damit nicht nur die Basis für eine qualitative Herausgabe der Kompositionen, sondern nahm vor allem auch auf die Anzahl der Drucke von Mozarts Werken erheblichen Einfluss, der, wie Axel Beer und Ulrich Drüner hervorgehoben haben sowie die Quellendokumentation Gertraut Haberkamps zeigt,1 um 1800 einer der meistgedruckten Komponisten war und damit über die Vielzahl an Notendrucken einen Platz im musikkulturellen Gedächtnis erhalten konnte. In den Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel wurden jedoch auch Unterschiede in den Interessen deutlich: Genau genommen handelte es sich bei der Initiative Breitkopf & Härtels um eine Werkausgabe, aber noch nicht um eine Gesamtausgabe, die das Kriterium der Vollständigkeit erfüllte. Der Verlag behielt sich eine Auswahl an Kompositionen vor und druckte vorrangig Gattungen, die einen hohen Absatz versprachen, wie z. B. Klaviermusik. Constanze Mozart argumentierte hingegen hartnäckig für die Vollständigkeit der Ausgabe, da sie von der Erinnerungsfunktion einer Gesamtausgabe überzeugt war. Indem sie für Vollständigkeit plädierte, vertrat sie außerdem ein Konzept der Gesamtausgabe, das wegweisend für das 19. Jahrhundert werden sollte. Breitkopf & Härtel gingen nur bedingt auf ihre Forderungen ein und waren unzuverlässig in der Rücksendung von Autographen und Zahlungen, weshalb Constanze Mozart in Verhandlung mit Johann Anton André trat und ihm den Großteil der in ihrem Besitz befindlichen Autographe im Januar 1800 verkaufte. Johann Anton André stand als junger Verleger mit seiner erfolgreichen Anwendung der Lithographie für Innovation im Notendruck. Seine Herausgabe der Musik Wolfgang Amadé Mozarts war von anderen Grundsätzen als Breitkopf & Härtel geleitet: Er druckte eine Reihe von Erstausgaben, vor allem der Klavierkonzerte. Er war jedoch selbst vom Wert der Autographe überzeugt und setzte die Arbeit Constanze Mozarts und ihres Helferkreises fort: Er katalogisierte den Bestand, worüber Constanze Mozart mit ihm auch weiter in Kontakt stand. Constanze Mozart erkannte damit sehr früh den Wert des musikalischen Nachlasses Wolfgang Amadé Mozarts. Auch das biographische Interesse an Wolfgang Amadé Mozart förderte sie und gab diversen Biographen Auskunft. 1 Beer: Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum, S. 260ff; Drüner: »Die Frührezeption von Mozarts Werken im Musikaliendruck«; Haberkamp: Die Erstdrucke der Werke von Wolfgang Amadeus Mozart.

Nachwort

301

Sie engagierte sich bereits in den Verhandlungen mit Breitkopf & Härtel für eine Biographie, indem sie Material dafür einsandte. Spätestens ab 1824 arbeitete sie selbst mit Georg Nikolaus Nissen in Salzburg an einer Biographie, wofür sie Material aus Zeitschriften, anderen Biographien und persönliche Dokumente Wolfgang Amadé Mozarts zusammen trugen. Als Georg Nikolaus Nissen 1826 starb, war das Projekt noch nicht abgeschlossen. Constanze Mozart trat 1827 an Breitkopf & Härtel heran und holte sich derweil weitere Unterstützung: Den Chordirektor Anton Jähndl vor Ort, und den Arzt Johann Heinrich Feuerstein, der von Pirna aus den Kontakt zum Verlag in Leipzig hielt, das Erstmanuskript lektorierte und die Abrechnungen vornahm. Gaspare und Marie-Cathérine Célèste Spontini unterstützten zusätzlich die Subskription. Im Frühjahr 1829 konnte die Biographie schließlich erscheinen. Die Biographie entstand durch Kompilation, d. h. indem Ausschnitte aus vorhandenen Biographien verwendet wurden, die Georg Nikolaus Nissen ergänzte. Die Biographie Georg Nikolaus Nissens und Constanze Mozarts war deutlich dem bürgerlichen Geniediskurs verpflichtet und sollte dazu beitragen, Mozart als Genie in ein musikkulturelles Gedächtnis einzuschreiben. Diese Biographie beteiligte sich damit, wie Melanie Unseld zeigt, an einem allgemeinen anthropologischen Diskurs um die Biographie des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, d. h. daran, inwiefern Musiker als biographieund damit erinnerungswürdig gelten konnten.2 Erst vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der Biographie ersichtlich, dass nämlich Wolfgang Amadé Mozart aufgrund der Tätigkeiten Constanze Mozarts und Georg Nikolaus Nissens eine zentrale Rolle in dieser Diskussion spielte. Darüber hinaus wurden in der Biographie erstmalig Briefe abgedruckt und damit der Brief zur Quelle aufgewertet: Dies ist methodisch als wegweisend für die Biographik im 19. Jahrhundert zu bezeichnen. Damit bestärkte die Biographie gleichzeitig die erinnerungskulturelle Relevanz von Briefen und lieferte Gründe, diese wie auch die musikalischen Autographe aufzubewahren. Es lässt sich resümieren, dass Constanze Mozart ihr Ziel erreichen konnte, dass ihr Ehemann zu einem in »ganz Europa unvergeßlichen Mozart« wurde: Umfassende Erinnerungskulturen zu Mozart existieren bis heute. Sie erkannte die Bedeutung eines sich neu konstituierenden musikkulturellen Gedächtnisses, welches, wie sich aus den Thesen Aleida Assmann ableiten lässt, durch die Verbürgerlichung von Kultur bedingt war. Damit knüpft dieses Buch an die Bürgertumsforschung z. B. von Thomas Nipperdey, Gunilla Budde und 2 Vgl. Unseld: »Musikwissenschaft«; dies.: Biographie und Musikgeschichte. Vgl. auch von Zimmermann: Biographische Anthropologie, S. 4ff und S. 48ff; ders.: »Biographie und Anthropologie«, in: Klein (Hg.): Handbuch Biographie, S. 61–70, hier S. 62.

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Nachwort

Jürgen Osterhammel an,3 sowie an musikwissenschaftliche Forschungen zur bürgerlichen Musikkultur z. B. von Hanns-Werner Heister, Peter Schleuning, Annette Oppermann und Frank Hentschel4 und ergänzt sie um die Perspektive »Gedächtnis«, indem sie auf die Bedeutung eines musikkulturellen Gedächtnisses verweist und deren Konstituierungsphase in der Zeit um 1800 verankert. Im 19. Jahrhundert institutionalisierte sich die bürgerliche Musikkultur durch Musikvereine und Konzertveranstalter. Neben der Musikpraxis leisteten diese als Bibliotheken und Archive auch die Pflege der materiellen Seite von Musik. Die Gründung des Dommusikvereins und Mozarteums 1841/42 liefert ein Beispiel dafür, inwiefern z. B. Tätigkeiten des Sammelns von Autographen sowie die Herausgabe von Noteneditionen in Form von Gesamtausgaben von einer Institution weiter geführt wurden. Die Grundlagen für die Voraussetzungen einer solchen Musikkultur wurden jedoch, dies zeigt das Beispiel Constanze Mozarts, bereits um 1800 intensiv diskutiert und verhandelt. Die Relevanz ihrer Tätigkeiten wird damit erst aus dem Verständnis bürgerlicher Erinnerungskulturen heraus verständlich. Es wäre danach zu fragen, inwiefern weitere Personen, aber auch Instanzen wie Verlage und Musikzeitschriften um 1800 in ähnlicher Weise die Basis für ein musikkulturelles Gedächtnis lieferten. Constanze Mozarts Aktivitäten machen außerdem deutlich, dass die Nachlassverwaltung gegen Ende des 18. Jahrhunderts ein wichtiger und einflussreicher Handlungsspielraum für Witwen wurde. Die vorliegende Untersuchung ergänzt damit Studien zur historischen Genderforschung, z. B. von Gesa Ingendahl und Ursula Machtemes.5 Hier konnte ich Kontinuitäten zu Aspekten der beruflichen Stellvertretung von Witwen, die in der frühen Neuzeit praktiziert wurde, aufzeigen. Constanze Mozart nutzte außerdem das lange bestehende Gebot der Trauer für Witwen, um ihren Anspruch als Nachlassverwalterin inklusive der Gestaltung eines musikkulturellen Gedächtnisses zu legitimieren. Gegenüber Breitkopf & Härtel trat sie stellvertretend für ihren Ehemann auf. Dies schloss ökonomische Ansprüche mit ein, die sie geltend machen wollte. Diese wurden langfristig erst über die bürgerlichen Rechtskodifikationen abgesichert. Constanze Mozart trug, so lässt sich resümieren, über ihr Handeln und ihr Selbstbild zur Etablierung eines Typus der Komponistenwitwe als Nachlassverwalterin entscheidend bei. Zukünftig 3 Nipperdey: Deutsche Geschichte 1800–1866, Budde: Blütezeit des Bürgertums, Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. 4 Heister: Das Konzert; Schleuning: Das 18. Jahrhundert: Der Bürger erhebt sich; Oppermann: Musikalische Klassiker-Ausgaben des 19. Jahrhunderts; Hentschel: Bürgerliche Ideologie und Musik. 5 Ingendahl: Witwen in der Frühen Neuzeit; Machtemes: Leben zwischen Trauer und Pathos.

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wäre zu untersuchen, inwiefern sie als Vorbild für andere Witwen diente, die ein ähnliches Selbstverständnis entwickelten. Damit eröffnet sich ein neues Forschungsfeld, das musikkulturelles und erinnerungskulturelles Handeln zusammen führt: Clara Schumann, Cosima Wagner, Alma Mahler-Werfel, Luzi Korngold, Elsa Reger, Nuria Schoenberg-Nono und viele weitere Witwen widmeten sich ähnlich umfassend der Nachlassverwaltung ihrer kompositorisch tätigen Ehemänner und traten als Biographinnen, Editorinnen und Stiftungsgründerinnen hervor.6 Auch interdisziplinäre Forschungen zu Witwen von Künstlern und Schriftstellern können hier ansetzen. Der Blick auf Witwen als Nachlassverwalterinnen eröffnet außerdem weitere Perspektiven für die kulturwissenschaftliche Gedächtnisforschung. Ihre Tätigkeiten weisen auf die besondere Bedeutung von Nachlässen für ein kulturelles Gedächtnis hin. Dass Dokumente ins Archiv kommen und damit Teil eines Speichergedächtnisses werden, so zeigt es der Fall Constanze Mozart, ist gebunden an die Voraussetzung, dass Material kulturell mit Wert belegt wird. Kollektive Kräfte – in diesem Falle das Bürgertum – sorgten dafür, dass Orte als Institutionen geschaffen wurden zur Bewahrung und Aufbereitung. Wenn sich Dokumente im Archiv befinden, ist aus der gedächtnistheoretischen Perspektive schon ein langer Prozess erfolgt. Mit dem Eintritt ins Archiv hat das Material eine Grenze überschritten, der andere Schritte vorausgehen. So sei nochmals daran erinnert: »Ohne Aufmerksamkeit und Aufwand haben schriftliche Überreste in der Regel keine Überlebenschance.«7 Dem Material die Aufmerksamkeit zu schenken, bedeutet Entscheidungen zu treffen. Was einen Nachlass betrifft, wird die erste Entscheidung schon im Umfeld des Verstorbenen, d. h. im familiären Kontext getroffen. Das bedeutet auch, dass zumeist Individuen diese Entscheidungen fällen, was als erinnerungswürdig und aufbewahrenswert anerkannt wird, bevor es ein Erinnerungskollektiv tut bzw. tun kann. Der Blick auf Witwen stellt daher die Frage nach der sozialen Dimension von Erinnerung aus anderer Perspektive und gibt dem individuellen Handeln größeres Gewicht. Ein Nachlass exisitiert in den meisten Fällen nicht per se: Selten bildet die Hinterlassenschaft eines Menschen eine Einheit, die schon zu Lebzeiten zusammengehalten, gesichtet und geordnet und entweder bereits als Vorlass oder geschlossen als Nachlass einem Archiv 6 Vgl. z. B.: Elsa Reger: Mein Leben mit und für Max Reger, Leipzig 1930; Luzi Korngold: Erich Wolfgang Korngold. Ein Lebensbild, Wien 1967; vgl. auch die Beiträge zu Clara Schumann und Nuria Schoenberg-Nono in: Körner: Witwen; Beatrix Borchard: »Clara Schumann: Die Witwe als Herausgeberin«, in: Anita Runge/Lieselotte Steinbrügge (Hg.): Die Frau im Dialog. Studien zu Theorie und Geschichte des Briefes, Stuttgart 1991, S. 115–124. 7 Aleida Assmann: »Kanon und Archiv«, S. 25.

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übergeben wurde. In vielen Fällen sind Dokumente in alle Winde zerstreut. Der Prozess der kulturellen Überlieferung setzt bereits eine Stufe vor dem Archiv an. Der Akt der Nachlassverwaltung ist ein anstrengender, langwieriger Prozess, wie Constanze Mozart beweist, und beansprucht oft Jahre oder Jahrzehnte. Man könnte die Nachlassverwaltung auch als erste Ebene der Überlieferung bezeichnen, wo sich die Frage nach Erinnern oder Vergessen in brisanter Weise stellt. An dieser Stelle droht besonders häufig der Verlust. Umzüge und Reisen, aber auch Krieg, Flucht und Diebstahl können dazu führen, dass Material verloren geht oder zurückgelassen werden muss: »In dieser Weise kommt jedes Archiv immer schon zu spät; Verstreuung, Versprengung, der unwiederbringliche Verlust liegen seiner Gründung voraus.«8 Verluste von Material pauschal mit dem bewussten Vernichten und Manipulieren gleichzusetzen, scheint damit als Kurzschluss. Constanze Mozart bietet Anlass für eine Erzählung von Musikgeschichte als Kulturgeschichte, die die Herausforderung eingeht, Kultur als breites wie dichtes Gesamtfeld in den Blick zu nehmen, von dem Frauen selbstverständlicher Bestandteil sind. Damit rege ich an, auch anlässlich ihres 250. Geburtstags im Jahr 2012, die Erinnerung Constanze Mozarts selbst zu reflektieren und über ihr Handeln in vielfältiger Hinsicht neu nachzudenken.

8 Ulrich Raulff: »Ökonomien des literarischen Archivs«, in: Knut Ebeling/Stephan Günzel (Hg.): Archivologie. Theorien des Archivs in Philosophie, Medien und Künsten, Berlin 2009, S. 223–232, hier S. 230.

Abbildungen 1

Hans Hansen: Constanze Mozart, 1802.

2

Johann Heinrich Tischbein der Ältere: Artemisia, 1771.

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Abbildungen 3

Ferdinand Jagemann: Georg Nikolaus Nissen, 1809.

4

Hans Hansen: Fredrik Samuel Silverstolpe, 1802.

Abbildungen

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5

Das Wohnhaus Constanze Mozarts im Nonntal 23, Salzburg, heute Nonnberggasse 12. Im Hintergund: Klosterkirche des Benediktinenstifts Nonnberg.

6

Weitere Perspektive: Das Wohnhaus Constanze Mozarts im Nonntal 23 unterhalb der Festung, daneben das Benediktinenstift Nonnberg.

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Das Mozart-Denkmal in Salzburg, Errichtung 1842.

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Grabmal Georg Nikolaus Nissens und Constanze Mozarts auf dem Friedhof St. Sebastian in Salzburg, Vorder- und Rückseite.

Abbildungen

Abbildungen

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Konzertprogramme Aloisia Langes und Constanze Mozarts im Hamburger Schauspielhaus am 3. und 10. Januar 1796.

10 Titelblatt der Biographie W.A. Mozarts von Georg Nikolaus Nissen, hg. von Constanze Mozart, Leipzig 1828.

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Abbildungen

11 S. 1 und S. 16 der Bio­graphie Friedrich Schlichtegrolls Mozarts Leben mit Anmerkungen Georg Nikolaus Nissens.

12 Konzertprogramm Constanze Mozarts und Aloisia Langes im Leipziger Gewandhaus am 11. November 1795.

Abbildungen

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Abbildungen

Abbildungen

13 Konzertprogramm Constanze Mozarts im Berliner Opernhaus am 28. Februar 1796.

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314

Abbildungen

14 Michaelerplatz, Joseph Nagel: Plan der Inneren Stadt Wien (Ausschnitt), 1770-1773.

15 Michaelerplatz, Joseph Daniel Huber: Vogelschau-Ansicht von Wien (Ausschnitt), Federvorzeichnung der »Scenographie oder geometrisch, perspectivisches Abbild der k.k. Haupt- und Residenzstadt Wien«, Wien 1778.

Abbildungen

16 Wolfgang Amadeus Mozart: Oeuvres complettes, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1798, Bd. 1.

315

316

Abbildungen

Dank

Am Ersten Aprill 1829 war ich so glücklich Mozarts Biographie durch mich in Leipzig bey Breitkopf und Härthel Aufgelegt sehr schön zu bekommen, Gott lob und Dank daß ich so weit gekommen bin. Constanze Mozart, TageBuch, 1. April 1829.

Das Gefühl, ein großes Projekt sehr glücklich, aber auch staunend und etwas ungläubig zum Abschluss zu bringen, weil es an vielen Punkten den Eindruck eines unmöglichen Unterfangens hatte, kann ich meiner Protagonistin gut nachempfinden. Ich danke folgenden Menschen, die mich auf meinem Weg des Nachdenkens über Constanze Mozart begleitet, angeregt, ermutigt und die Entstehung dieses Buches als Dissertation mit dem Titel »Constanze Mozart als Nachlassverwalterin« am Institut für Musik der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ermöglicht haben: Ein unermesslicher Dank gilt an erster Stelle meiner Betreuerin Prof. Dr. Melanie Unseld (Oldenburg) für ihr beständiges Interesse, stetige Bestärkung und den regen Gedankenaustausch in allen Phasen der Arbeit, und auch für ihre Vorbildlichkeit, im Trubel des universitären Alltags immer wieder Freiräume für das eigenständige Forschen zu schaffen. Ein nicht minder bedeutender Dank gebührt Prof. Dr. Annette Kreutziger-Herr (Köln): Für den Anstoß, Wolfgang Amadé und Constanze Mozart 2006 in ihren Seminaren und Vorlesungen an der Musikhochschule in den Blick zu nehmen; ebenso dafür, dass ich Teil ihres Forschungsbereichs History|Herstory sein durfte und in ihrem Team mit Dr. Florian Heesch, Dr. Katrin Losleben und Philipp Lack erste Gedanken zum Thema reifen konnten. Ich danke ihr herzlich für die Ermutigung, wissenschaftlich erste Schritte zu wagen, ihr Insistieren in schwierigen Phasen und die großzügige Unterstützung, diesen Weg fortzusetzen. Den Oldenburger Kolleginnen und Kollegen am Institut für Musik danke ich für den fortwährenden wissenschaftlichen und freundschaftlichen Austausch, vor allem Carola Bebermeier, Sandra Danielczyk, Jörg Siepermann, Ina Knoth, Thomas Schopp, Lisbeth Suhrcke, Dr. Nicole K. Strohmann, Dr. Camilla Bork und Christine Fornoff. Ein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Internationalen Stiftung Mozarteum in Salzburg für die Unterstützung bei der Recherche und Auswertung von Literatur und Quellen, vor allem Dr. Anja Morgenstern, Dr. Johanna Senigl und Till Reininghaus. Für die Bereitstellung

318

Dank

von Quellen danke ich außerdem Lena Ånimmer (Riksarkivet Stockholm), Anders Edling (Universitätsbibliothek Uppsala), Prof. Dr. Otto Biba (Gesellschaft der Musikfreunde in Wien), Dr. Marko Kuhn (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig), Dr. Wolfgang Henninger (Staatsarchiv Oldenburg), sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Konsistorialarchivs Salzburg, der Handschriften- und Musikabteilung der Österreichischen Nationalbibliothek Wien, des Stadt- und Landesarchivs Wien, des Staatsarchivs Leipzig und der Handschriftenabteilung der Königlichen Bibliothek Kopenhagen. Für fachlichen Dialog danke ich Dr. Karsten Nottelmann (Luxemburg), Prof. Dr. Günther Bauer (Salzburg), Prof. Joseph Wallnig (Salzburg), Dr. Viveca Servatius (Stockholm), Prof. Dr. Barbara Paul (Oldenburg) und Prof. Dr. Susanne Binas-Preisendörfer (Oldenburg). Der Mariann Steegmann Foundation danke ich für finanzielle Unterstützung der Forschungsaufenthalte in Salzburg und Wien, dem DAAD für ein Reisestipendium nach Stockholm, Uppsala und Kopenhagen. Der VG-Wort bin ich für die Finanzierung der Druckkosten zu großem Dank verpflichtet. Den Mitgliedern, Beraterinnen und Beratern des Unabhängigen Forschungskolloquiums für Frauen- und Geschlechterforschung in der Musikwissenschaft (Ufo), gefördert von der Mariann Steegmann Foundation, danke ich für konstruktiv-kritische Textlektüre, Maren Bagge für die zuverlässige Hilfe bei der Erstellung des Quellen- und Literaturverzeichnisses, Birgit Kiupel für den Beitrag der wunderbaren Zeichnungen zu diesem Buch, Elena Mohr für die umsichtige Betreuung von Verlagsseite, sodass das Ergebnis wahrhaftig »aufgelegt sehr schön« werden konnte. Wichtige Unterstützung vielfältiger Art lieferten außerdem Petra Dittert, Anne Funk, Dr. Anja Städtler, Katrin Loraing, Wiebke Gulden, Dr. Thomas Lichtenberg, Anne Kohl, Mirjam Gerber und Angelika Silberbauer. Der entscheidende Dank gilt dem weiten Kreis meiner Familie, vor allem meinen Eltern Dr. Eberhard und Ute Finke sowie meinen Geschwistern Amrei, Jost und Arnd Finke. Ohne ihren Rückhalt hätte ich nicht immer wieder meine Kräfte bündeln können, wäre meine Dissertation nicht entstanden. Umso schöner ist es, die Freude über das Ergebnis mit ihnen zu teilen. Ihnen sei dieses Buch von Herzen gewidmet.

Anhang: Konzertaufführungen für oder von Constanze Mozart, 1791 bis 1799

Datum

Art der Veranstaltung

Ort

Programm (wenn nicht Beteiligte anders angegeben: Kompositionen W.A. Mozarts; in Klammern: InterpretInnen laut Programm)

Quelle/Quellentyp, ggf. Kommentar

14.12.1791 Trauerfeier

Prag

Exequien, Requiem von Rößler

Bericht in der Wiener Zeitung, 24.12.1791, in: Deutsch, S. 375f.

23.12.1791 Akademie zum Vorteil der Witwe

Prag: Nationaltheater

Veranstalter: Joseph Strohbach Sängerin: Josepha Duschek

Veranstalterin: Ankündigung der Constanze Mozart »Wittwe Mozard« vom 29.12. und Bericht in der Pressburger Zeitung vom 31.12.1791, in: Deutsch, S. 379.

28.12.1791 »Musikalische Prag Akademie zum Andenken von Wolfgang Gottlieb Mozart«

»einige der besten, weniger bekannten Kompositionen Mozarts« (Niemetschek)

Vgl. Deutsch, S. 377, Niemetschek 2005, S. 53.

Jan. 1792

Requiem

Constanze Mozart an Breitkopf & Härtel, Wien, 17.11.1799, in: B/D IV, S. 296.

Wien

13.6.1792

Akademie/ Trauerfeier

Idomeneo; Klavierkonzert

Veranstalter: Graf Franz Sternberg, Dr. Johann Nepomuk Vignet Gesang: Josepha Duschek, Frl. de Vignet, Frl. Mariani, Hr. Ramisch Pianist: Johann Wittasek

Vgl. Deutsch, S. 406.

2.1.1793

»Konzert mit gesungener TrauerMusik«

Wien: Jahnscher Saal

Requiem

Veranstalter: Gottfried van Swieten

Ankündigung in Magyar Hirmondó, 4.1.1793, in: Deutsch, S. 409; vgl. Morrow, S. 281; Stadler 1826, in: Wolff, S. 150.

7.2.1794

Akademie

Prag

Sinfonie in C, und in D-Dur, Arien aus La Clemenza di Tito, Klavierkonzert (KV 466)

Sängerin: Josepha Duschek Pianist: Johann Wittasek

Bericht in der Prager Zeitung, 9.?2.1794, in: Deutsch, S. 411. Constanze Mozart war anwesend.

31.3.1794

Akademie

Wien

Kantate

Veranstalterin: Vgl. Deutsch, S. 412, Constanze Mozart nur Antrag, Bewilligung für einen Tag nach Ostern.

322 Datum

Anhang Art der Veranstaltung

29.12.1794 Akademie

Ort

Programm (wenn nicht Beteiligte anders angegeben: Kompositionen W.A. Mozarts; in Klammern: InterpretInnen laut Programm)

Quelle/Quellentyp, ggf. Kommentar

Wien: Kärnt­ner­ tortheater

Auszüge aus La Clemenza di Tito, Klavierkonzert

Veranstalterin/ Sängerin?: Constanze Mozart Pianist: Anton Eberl

Ankündigung der »Wittwe Mozart« in der Wiener Zeitung, 24.12.1794, in: Deutsch, S. 413; weitere Ankündigungen in der Wiener Zeitung 10., 13., 17., 20., 27.12.1794; Morrow, S. 286. Ob Constanze Mozart auch als Sängerin auftrat, ist unklar.

Veranstalterin/ Sängerin?: Constanze Mozart Tito: Giuseppe Vigaroni Vitellia: Marianne Sessi Servilia: Mad. Marescalchi Sesto: Aloisia Lange Publico: Johann Michael Vogel Pianist: Ludwig van Beethoven

Ankündigung von »Konstanza, Wittwe Mozart« in der Wiener Zeitung, 18.3.1795, in: Deutsch, S. 414; Programm in: Wlassack, S. 98; vgl. Morrow, S. 287; weitere Ankündigungen in der Wiener Zeitung, 21., 25.3.1795.

31.3.1795

Akademie »zu Wien: ihrem VortBurgtheheile« ater

Auszüge aus La Clemenza di Tito, Klavierkonzert

4.9.1795

Akademie »zum Besten von Mozarts Witwe und Sohn«

La Clemenza di Tito, wahrsch. in dt. Sprache u. konzertant

Graz: Schauspielhaus

11.11.1795 »Concert der Leipzig: zwey Schwes- Gewandtern Madame haus Lange und Madame Mozart«

Sinfonie; Klavierkonzert (A. Eberl); Arie (KV 419) »No che non sei capace« (A. Lange); aus La Clemenza di Tito: Terzett »Vengo, aspettate« (C. Mozart, A. Lange, Hr. Richter), Marsch aus der Oper; »Ein Allegrosatz«; Konzertarie (KV 416) »Mia speranza adorata« (A. Lange); »Quartett auf dem Pianoforte« (A. Eberl); aus La Clemenza di Tito: Duett »Come ti piace« (C. Mozart, A. Lange), Quintett u. Chor »Oh Dei, che smania è questa«.

Ankündigung in der Grätzer Zeitung, 26.8.1795, in: Deutsch, S. 415; weitere Ankündigungen in der Grätzer Zeitung, 2., 18.9.1795. Gesang: Constanze Mozart, Aloisia Lange, Hr. Richter Pianist: Anton Eberl

Programm in: Dörffel, S. 195; vgl. Deutsch, S. 416; vollst. Konzertzettel mit Text in D LEsm.

323

Konzertaufführungen Datum

Art der Veranstaltung

Ort

Programm (wenn nicht Beteiligte anders angegeben: Kompositionen W.A. Mozarts; in Klammern: InterpretInnen laut Programm)

Quelle/Quellentyp, ggf. Kommentar

3.1.1796

»großes Vocal- und Instrumentalconcert«

Hamburg: »1. Abtheilung« aus La CleSchaumenza di Tito; Fantasie und spielhaus Variationen für Kl. (A. Eberl); Sinfonie

Gesang: Con­ stanze Mozart, Aloisia Lange Pianist: Anton Eberl

Konzertzettel in: Giesing, S. 59, Ankündigung in: Hamburgischer unpartheyischer Correspondent, 2.1.1796, in: ebd.

10.1.1796

»großes Vocal- und Instrumentalconcert«

Hamburg: »2. Abtheilung« von La CleSchaumenza di Tito; Klavierkonzert spielhaus (A. Eberl), Rondo von Franz Danzi (A. Lange); Sinfonie

Gesang: Con­ stanze Mozart, Aloisia Lange

Ankündigung in: Hamburgischer unpartheyischer Correspondent, 2.1.1796, in: Giesing, S. 59; Konzertzettel in D Hth.

28.2.1796

»das letzte Werk ihres verstorbenen Mannes: La Clemenza di Tito«

Berlin: kgl. Opernhaus

Ouvertüre aus der Zauberflöte; Arie (Righini); Fagottkonzert von Ritter (Ritter); Arie (Schmalz); Auszug »der wesentlichen Stücke« aus La Clemenza di Tito (alle Sänger/ Sängerinnen)

Gesang: Constanze Mozart, Henriette Righini, Herr Ritter, Amalie Schmalz, Margareta Luise Schick, Ludwig Karl Fischer, Friedrich Franz Hurka

Konzertzettel in: Genée, S. 277f; Auszüge in Deutsch, S. 417; Kritik in Berlinische Nachrichten von Staatsund gelehrten Sachen, 27.2.1796; Niemetschek 2005, S. 59.

20.4.1796

»Concert für Madame Mozart«

Leipzig: Gewandhaus

Requiem; Rez. u. Arie »Estinto è Idomeneo« aus Idomeneo; Klavierkonzert, Terzett »Pria di partir, oh Dio« aus Idomeneo; Sinfonie

Sängerin: Constanze Mozart Pianist: August Eberhard Müller Dirigent: Johann Gottfried Schicht

Ankündigung in den Leipziger Zeitungen, 20.4.1796, in: Deutsch, S. 419; Auszüge aus Programm ebd., vgl. Dörffel, S. 195, vollst. Konzertzettel mit Text in D LEsm.

25.4.1796

»Concert der Madame Lange«

Leipzig: Gewandhaus

Sinfonie; Arie von Bianchi (A. Lange); vierh. Sonaten (A.E. u. E.C. Müller); Arie (A. Lange); Sinfonie von Haydn; Rez. u. Rondo »Ah! perfido« von Danzi (A. Lange); Hymne »Preis Dir Gottheit« aus Thamos, König in Ägypten (KV 345) von Mozart; »Schlußsinfonie« von Haydn

Sängerin: Aloisia Lange Pianistin: Elisabeth Catharina Müller Pianist: August Eberhard Müller

Programm in: Dörffel S. 195, Auszüge in: Deutsch, S. 419, vollst. Konzertzettel mit Text in D LEsm. Bei diesem Konzert wirkte Constanze Mozart nicht mit, war aber wahrscheinlich anwesend.

25.5.1796

Akademie

Dresden: Hotel de Pologne

»noch nicht gehörte Tonstücke«

Veranstalterin: Ankündigung vgl. Constanze Mozart Deutsch, S. 419.

22.11.1796 »Grosses Concert«

Linz: Landständisches Schauspielhaus

Auszüge aus La Clemenza di Tito, »Neue Sinfonie«

Sängerin: Con­ stanze Mozart

30.12.1796 »Concert zu ihrem und ihrer unmündigen Kinder Bestem«

Graz: Schauspielhaus

1. Abtheilung: Idomeneo; 2. Abtheilung: 1. Aufzug aus La Clemenza di Tito

Programm in der Linzer Zeitung, 18.11.1796, Auszüge in: Deutsch, S. 527f.

Ankündigung in Grätzer Zeitung, 28.12.1796 und Steyermärkische Intelligenzblätter Nr. 320, in: Deutsch, S. 420.

324

Anhang

Datum

Art der Veranstaltung

Ort

11.4.1797

»Akademie zu Wien: ihrem VortBurgtheheile« ater

Programm (wenn nicht Beteiligte anders angegeben: Kompositionen W.A. Mozarts; in Klammern: InterpretInnen laut Programm)

Quelle/Quellentyp, ggf. Kommentar

La Clemenza di Tito

Veranstalterin: Ankündigung der Constanze Mozart »Wittwe Mozarts« in der Wiener Zeitung, 1., 8.4.1797; Morrow, S. 124 u. 294.

15.11.1797 Akademie Prag: »von ihres NationalMannes nach- theater gelassenen, hier noch ganz unbekannten Kompositionen«

Sinfonie; Arie (Mad. Campi), Klavierkonzert (J. Wittasek); Bassarie (Hr. Campi); Arie »Der Vogelfänger« aus der Zauberflöte (F.X.W. Mozart); Ouverture und Quartett aus »einer unvollendeten Oper«, Arie (Mad. Campi), Finalquartett (C. Mozart, Hr. Benedetti, Hr. Campi), »deutsche Scene mit einem Schlusschor, auf die freudenvolle Wiederkehr des Friedens« (=Chor aus La Clemenza di Tito, Text: A. Meißner)

Veranstalterin/ Sängerin: Con­ stanze Mozart Gesang: Antonia Campi, Gaetano Campi, Hr. Benedetti, Franz Xaver Wolfgang Mozart Pianist: Johann Wittasek

Programm in: Deutsch, S. 420f.

8.4.1798

Wien: Theater auf der Wieden

La Clemenza di Tito

Veranstalterin/ Sängerin?: Con­ stanze Mozart

Morrow, S. 297.

La Clemenza di Tito

Veranstalterin/ Sängerin?: Con­ stanze Mozart Gesang: Therese Gassmann, Umlauf, Stengel, Hr. Rathmeyer Gast: Fredrik Samuel Silverstolpe (Textbuch zur Oper in seinem Besitz, Eintrag: »Silverstolpe. Wien den 27. April 1798«, in S Sr)

Antrag vom 19.4.1797 in A Whh; keine Anzeige in der Wiener Zeitung zw. 3.3. und 25.4.1798; Morrow, S. 297; Deutsch, S. 422.

27.4.1798

Akademie

Wien: Kärtnertortheater

Sommer 1798?

Benefizkonzert?

Augarten

25.3.1799

Akademie

Wien: Theater auf der Wieden

Constanze Mozart Morrow, S. 298; Eibl, S. 88: Quelle ist angeblich F.S. Silverstolpe; dies konnte nicht bestätigt werden. La Clemenza di Tito; Klavierkonzert von Hoffmeister

Veranstalterin: Morrow, S. 301. Constanze Mozart Gesang: Josepha Hofer-Mayer, Sebastian Mayer Pianistin: Josepha Hofer (Tochter)

Quellennachweis der Abbildungen

Abb. 1, 3, 11: Salzburg, Internationale Stiftung Mozarteum Abb. 2: Göttingen, Kunstsammlung der Universität, Sammlung Uffenbach Abb. 4: Privatbesitz Henrik Silverstolpe, Näs, Schweden Abb. 9: Universität Hamburg, Theatersammlung Abb. 12: Leipzig, Stadtgeschichtliches Museum Abb. 13: Rudolph Genée: »Constanze Mozart in Berlin«, in: Mitteilungen für die Mozart-Gemeinde in Berlin 2/17 (1904), S. 282f Abb. 14, 15: Corradino Corradi: Wien Michaelerplatz: Stadtarchitektur und Kulturgeschichte, Wien 1999, Nr. 25, 27 bzw. S. 262 Abb. 16: Bremen, Universitätsbibliothek Abb. 5, 6, 7, 8: Gesa Finke

Quellen- und Literaturverzeichnis

Unveröffentlichte Quellen A Sm: Internationale Stiftung Mozarteum Salzburg Erstmanuskript der Biographie W.A. Mozarts von Georg Nikolaus Nissen, Doc NB 1 bis Doc NB 4. Nissen-Kollektaneen, Doc NC 1 bis Doc NC 33. Georg Nikolaus Nissen: »Einband«, Doc ND 1. Friedrich Schlichtegroll: Mozarts Leben, Graz 1794 mit Kommentaren Georg Nikolaus Nissens, Doc ND 2. Franz Xaver Niemetschek: Lebensbeschreibung des k.k. Kapellmeisters Wolfgang Amadeus Mozart, aus Originalquellen, 2. Aufl. Prag 1808 mit Kommentaren Georg Nikolaus Nissens, Doc ND 3. W.A. Mozart: La Clemenza di Tito, Abschrift der Partitur, M.N. 10b.

A Sd: Archiv der Erzdiözese Salzburg (Konsistorialarchiv) Dommusikarchiv: Bestand Dommusikverein und Mozarteum Nr. 1: Briefentwurf des Dommusik-Vereins und Mozarteum an Constanze Mozart vom 30.9.1841. Nr. 1: Entwurf eines Dankesschreibens des Dommusik-Vereins und Mozarteum vom 4.11.1841. Nr. 1: Julius André an den Dommusikverein, Offenbach, 9.11.1841. Nr. 2: Entwurf eines Dankesschreibens, o.D. Nr. 2: Brief an den Erzbischof, Entwurf o.D. Nr. 422: Sitzungsprotokoll des Dom-Musikvereins vom 15.6.1841. Nr. 558: Josephine Baroni-Cavalcabò an Franz von Hilleprandt, 11.8.1844. Nr. 611: Protocoll über die Mozarts Comitésitzung dato 14 November 1841, Bericht des Sekretärs Dr. von Hock. Repertorium: Verzeichnis der Musikalienbestände des Dommusik-Vereins und Mozarteum seit 1842, o. Sign.

A Wgm: Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Leopold Edlen von Sonnleithner: Materialien zur Geschichte der Oper und des Ballets in Wien, 1873. Leopold Edlen von Sonnleithner: Materialien zur Geschichte der Oper und des Ballets in Wien, Zusatzbogen.

Quellen- und Literaturverzeichnis

327

A Whh: Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Wien Hofarchive, Generalintendanz der Hoftheater XII/13, Sonderreihe, SR 7, Registernr. 195.

A Wn: Österreichische Nationalbibliothek, Musiksammlung Constanze Nissen (verwitwete Mozart): 13 Briefe aus den Jahren 1828–1830 und 1832 an das Ehepaar Spontini, in frz. Sprache, F50.IMBA.130.Mus. Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, Salzburg, 12.11.1827. Gaspare L.P. Sponitini an Constanze Mozart, Berlin, 28.3.1828. Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, Salzburg, 10.4.1828. Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, München, 20.7.1828. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg, 10.10.1828. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg, 24.10.1828. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg, 8.3.1829. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg, 21.4.1829. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg, 6.9.1829. Constanze Mozart an Madame Spontini, o.O., 18.12.1829. Constanze Mozart an Gaspare L.P. Spontini, Salzburg, 16.3.1830. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg, 29.6.1830. Constanze Mozart an Madame Spontini, Salzburg 8.8.1832.

A Wsa: Stadt- und Landesarchiv Wien Konskriptionsamt, 1.1.8. A 101 Konskriptionsbogen Stadt, Konskriptionsbogen Nr. 1110/1.

D Bds: Staatsbibliothek Berlin, Musikabteilung Fragebogen Georg Nikolaus Nissens an Franz Xaver Niemetschek, o.D., Mus. ep. Nissen varia 1.

D Hth: Universität Hamburg, Theatersammlung Konzertzettel zum Konzert Constanze Mozarts und Aloisia Lange in Hamburg, 3. und 10.1.1796, o. Sign.

D LEsta: Staatsarchiv Leipzig Bestand 21081: Verlag Breitkopf & Härtel, Leipzig, 1818–1945, Kopierbücher Kopierbuch Nr. 1667 Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein: Nr. 296: 14.4.1828

328

Anhang

Nr. 310: 28.4.1828 Nr. 327: 16.5.1828 Nr. 336: 23.5.1828 Nr. 343: 30.5.1828 Nr. 357: 14.6.1828 Nr. 390: 8.8.1828 Nr. 420: 19.9.1828 Nr. 436: 1.10.1828 Nr. 451: 15.10.1828 Nr. 459: 25.10.1828 Nr. 464: 4.11.1828 Nr. 494: 29.11.1828 Nr. 519: 20.12.1828 Nr. 529: 3.1.1829 Nr. 538: 10.1.1829 Nr. 566: 31.1.1829 Nr. 599: 8.2.1829 Nr. 585: 16.2.1829 Nr. 639: 4.4.1829 Nr. 647: 25.4.1829 Nr. 752: 30.6.1829 Kopierbuch Nr. 1678 Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein: Nr. 487: 9.5.1831 Kopierbuch Nr. 1679 Breitkopf & Härtel an Johann Heinrich Feuerstein: Nr. 274: 25.6.1834 Nr. 316: 10.7.1834

D LEsm: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig Gewandhausprogramme: Konzertprogramm 11.11.1795, MT/1184/2007. Konzertprogramm 25.4.1796, MT/1192/2007. Konzertprogramm 2.10.1796, MT/1199/2007. Konzertprogramm 21.11.1796, MT/1637/2006. Leipziger Benefiz- und Extra-Concerte von 1793 bis 1797, MT/136/2002.

Oldenburg, Staatsarchiv Franz Xaver Wolfgang Mozart: Kantate »Hier seht ihn vorgestellt den Meister« zur Einweihung des Mozart-Denkmals in Salzburg am 4. September 1842, Partiturabschrift, Rep 760 Akz. 263 Nr. 87.

Quellen- und Literaturverzeichnis

329

Dk Kk: Det Kongelige Bibliotek (Königliche Bibliothek Kopenhagen) Handschriftensammlung: Georg Nikolaus Nissen an Georg Zoëga, Wien, 7.5.1809, NKS 2754 4º. 3 Billets Georg Nikolaus Nissens an Anton Jähndl, o.D., NBD 2 rk. Stambog for Nicolaus Nissen (Stammbuch), MS phot 200, fol.

Kopenhagen, Rigsarkivet Diplomatische Depeschen von Wien nach Kopenhagen: D.P.V.A., Depecher Østrig Inberetninger, 2822–2833 (Jahre 1800–1810).

S Smf: Stiftelsen Musikkulturens främjande, Stockholm Brief Constanze Mozarts an Gaspare L.P. Spontini, Salzburg, 12.11.1827, Nr. 5662.

S Sr: Riksarkivet Stockholm Näs Silverstolpeska Arkivet Box 13: Wolfgang Amadeus Mozart: La Clemenza di Tito, Textbuch, Wien 1795. Box 18: 96 Billets Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe, o.D. 25 Briefe Georg Nikolaus Nissens an Fredrik Samuel Silverstolpe Wien, 1.3.1803 Wien, 19.10.1803 Wien, 12.11.1803 Wien, 8.2.1804 Wien, 9.5.1804 Wien, 22.9.1804 Wien, 16.1.1805 Wien, 23.1.1805 Wien, 19.10.1805 Wien, 9.10.1806 Kopenhagen, 13.8.1811 Kopenhagen, 9.10.1811 Kopenhagen, 23.10.1811 Kopenhagen, 15.2.1811 Kopenhagen, 20.8.1812 Kopenhagen, 12.2.1813 Kopenhagen, 11.6.1813 Kopenhagen, 17.1.1817

330

Anhang

Kopenhagen, 24.4.1817 Kopenhagen, 28.4.1818 Kopenhagen, 22.8.1818 Kopenhagen, 23.4.1818 Kopenhagen, 23.4.1819 Fredensborg, 8.8.1819 Mailand, 22.1.1824

S Uu: Uppsala Universitetsbibliotek »Particularités«, Memoiren Fredrik Samuel Silverstolpes, F 854c.

Notenausgaben Anmerkung: In den einzelnen Bänden der Œuvres complettes Mozarts und Haydns sind keine Jahreszahlen angegeben. Die folgenden Datierungen zu Abteilung I der Œuvres complettes Mozarts stammen aus dem Köchelverzeichnis, 6. Aufl., Leipzig 1969, Anhang D, S. 916f. Dort ist nur diese genau datiert. Die Datierungen zu den Abteilungen II und III sind daher meine eigenen Datierungen nach den Ankündigungen in den Intelligenzblättern der Allgemeinen Musikalischen Zeitung (AMZ), wie auch die Datierungen der Œuvres complettes Haydns. Wenn keine Ankündigung vorhanden war, ist die Datierung entsprechend gekennzeichnet mit »?«.

Haydn, Joseph: Œuvres complettes, Leipzig: Breitkopf & Härtel 1799–1806. 1: VIII Sonates pour le Pianoforte [1799] 2: XI Pièces pour le Pianoforte [1800] 3: VI Sonates pour le Pianoforte avec l’accompagnement d’un Violon et Violoncelle [1801] 4: VIII Pièces pour le Pianoforte, VI Sonates et I Air varié pour le Pianoforte seul, I Trio pour le Pianoforte avec l’accompagnement d’une Flute et Violoncelle [1802] 5: V Sonates pour le Pianoforte avec l’accompagnement de Violon et Violoncelle [1803] 6: V Sonates pour le Pianoforte avec l’accompagnement de Violon et Violoncelle [1803] 7: VI Sonates pour le Pianoforte avec l’accompagnement de Violon et Violoncelle [1803] 8: XV Airs et Chansons et Arianne à Naxos, Scène avec accompagnement du Pianoforte [1803] 9: XXXIII Airs et Chansons avec accompagnement du Pianoforte [1803] 10: VIII Sonates pour le Pianoforte, V Sonates avec accompagnement de Violon et Violoncelle, III Sonates avec accompagnement de Violon [1804] 11: XII Sonates pour le Pianoforte [?] 12: IX Pièces pour le Pianoforte [?]

Quellen- und Literaturverzeichnis

331

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332

Anhang

III/7: Concert pour le Pianoforte No. 7 [1802]. III/8: Concert pour le Pianoforte No. 8 [1802]. III/9: Concert pour le Pianoforte No. 9 [1802?]. III/10: Concert pour le Pianoforte No. 10 [1802?]. III/11: Concert pour le Pianoforte No. 11 [1803]. III/12: Concert pour le Pianoforte No. 12 [1803]. III/13: Concert pour le Pianoforte No. 13 [1803]. III/14: Concert pour le Pianoforte No. 14 [1803]. III/15: Concert pour le Pianoforte No. 15 [1804]. III/16: Concert pour le Pianoforte No. 16 [1804]. III/17: Concert pour le Pianoforte No. 17 [1804]. III/18: Concert pour le Pianoforte No. 18 [1804]. III/19: Concert pour le Pianoforte No. 19 [1804]. III/20: Concert pour le Pianoforte No. 20 [1804?].

Literatur Musikzeitschriften und Zeitungen: Allgemeine Musikalische Zeitung (AMZ), 1798–1806, 1828, 1829 Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen, 1796 Caecilia, eine Zeitschrift für die musikalische Welt, 1825, 1826, 1828, 1829 Hamburgischer unpartheyischer Correspondent, 1796 Hamburgischer Briefträger, 1796 Grätzer Zeitung, 1795 Wiener Zeitung, 1794–1798

Abkürzungen: AMZ B/D I–VII

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Anhang

Wadle, Elmar: »Goethes Gesuch um ein Nachdruckprivileg des Deutschen Bunden und die preußische Politik«, in: ders. (Hg.): Geistiges Eigentum. Bausteine zur Rechtsgeschichte, Bd. 2, München 2003, S. 117–130. Wagner, Karl (Hg.): Abbé Maximilian Stadler. Seine Materialien zur Geschichte der Musik unter den österreichischen Regenten, Kassel u.a. 1974. Wagner, Karl: Das Mozarteum. Geschichte und Entwicklung einer kulturellen Institution, Innsbruck 1993. Wald, Melanie: »Der Rückzug der Aufklärung in die Musik – Gottfried van Swieten in Wien«, in: Laurenz Lütteken/Carsten Zelle (Hg.): Haydn im Jahrhundert der Aufklärung, Wolfenbüttel 2009 (Das achtzehnte Jahrhundert 33/2), S. 203–220. Walner, Peter A.: »Die Erstaufführungen von Mozart-Opern in Graz und Mozarts Beziehungen zu Graz«, in: MJb (1959), S. 290. Walter, Michael M.: Österreichisches Urheberrecht: Handbuch, Wien 2008. Weber, Gottfried: »Weitere Nachrichten über die Echtheit des Mozartschen Requiem«, in: Caecilia 4 (1826), S. 257–352. Weber, Gottfried: »Über die Echtheit des Mozartschen Requiems«, in: Caecilia 3 (1825), S. 205–299. Weber-Kellermann, Ingeborg: Die Familie. Eine Kulturgeschichte der Familie, Frankfurt a. M. 1996. Wiora, Walter (Hg.): Die Ausbreitung des Historismus über die Musik, Regensburg 1969 (Studien zur Musikgeschichte des 19. Jahrhunderts, 14). Wlassack, Eduard: Chronik des k.k. Hof-Burgtheaters, Wien 1876. Wolff, Christoph: Mozarts Requiem. Geschichte, Musik, Dokumente, Kassel 52006. Wollny, Peter: »Der neue Kanon: Zum Leipziger Verlagswesen im frühen 19. Jahrhundert«, in: Wilhelm Seidel (Hg.): Dem Stolz und der Zierde unserer Stadt: Felix Mendelssohn Bartholdy und Leipzig, Leipzig 2004, S. 59–65. Wollny, Peter: »Ein förmlicher Sebastian und Philipp Emanuel Bach-Kultus«. Sara Levy und ihr musikalisches Wirken, Wiesbaden 2010 (Beiträge zur Bach-Rezeption, 2). Wunder, Bernd: »Pfarrwitwenkassen und Beamtenwitwen. Anstalten vom 16. bis 19. Jahrhundert«, in: Zeitschrift für historische Forschung 12 (1985), S. 429–498. Wunder, Heide: Er ist die Sonn’, sie ist der Mond. Frauen in der Frühen Neuzeit, München 1992. Wunder, Heide: »Herrschaft und öffentliches Handeln von Frauen in der Gesellschaft der Frühen Neuzeit«, in: Ute Gerhard (Hg.): Frauen in der Geschichte des Rechts. Von der Frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, München 1997, S. 27–54. Yonan, Michael: Empress Maria Theresa and the Politics of Habsburg Imperial Art, University Park/Pennsylvania 2011. Zedler, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal Lexicon aller Wissenschaften und Künste, 64 Bde., Leipzig/Halle 1732–1754. Zimmermann, Christian von: Biographische Anthropologie. Menschenbilder in lebensgeschichtlicher Darstellung (1830–1940), Berlin 2006. Zimmermann, Christian von: »Biographie und Anthropologie«, in: Christian Klein (Hg.): Handbuch Biographie. Methoden, Traditionen, Theorie, Stuttgart 2009, S. 61–70.



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Namensregister

Das Register enthält sämtliche Namen in Haupttext und Anmerkungen, sofern diese nicht Bestandteil bibliographischer Angaben sind. Abert, Hermann 79 Albrechtsberger, Johann Georg 93, 150 Aliénor von Portier 69 Amadeus VIII., Herzog von Savoyen 69 André, Johann 194 André, Johann Anton 7, 14f., 91, 94, 143, 162, 165, 167, 169, 171, 175–177, 179–182, 191, 193–202, 207f., 210, 213, 215–219, 226, 228, 231–235, 253, 258, 260, 293, 300 André, Julius 293 Angermüller, Rudolph 14, 259 Anna Amalia, Herzogin von SachsenWeimar-Eisenach 21, 59, 281 Anna Amalia, Prinzessin von Preußen 153 Arnold, Ignaz Ferdinand 260, 270 Arnstein, Fanny Freifrau von, geb. Itzig 117f., 125, 132f., 138, 141f. Arnstein, Nathan von 117f., 125, 132f. Artaria & Co. (Verlag) 147, 156, 168f., 258 Artemisia 73–75, 305 Asioli, Bonifazio 92, 147 Assmann, Aleida 8, 12, 21f., 24, 50, 68, 72, 84, 301 Assmann, Jan 8, 10, 22, 24, 48f., 67 Ast, Friedrich 182 Bach, Anna Magdalena, geb. Wilcke 54 Bach, Carl Philipp Emanuel 153, 247 Bach, Johann Sebastian 33, 42, 54, 153, 216, 269, 278 Baggesen, Jens 130 Baroni-Cavalcabò, Josephine 93, 294f. Batthyány (Familie) 138 Batthyány-Strattmann, Philipp Fürst 138 Bawr, Alexandrine-Sophie Baronne de 267

Beer, Axel 300 Beethoven, Ludwig van 9, 37, 43, 46f., 104, 138f., 141, 146, 149f., 161, 216, 260, 278 Bellomo, Joseph 105 Berg & Neuber (Druckerei) 58 Berg, Johann vom 58 Bernstorff, Andreas Peter Graf 130 Bernstorff, Christian Günther Graf von 257 Biber, Heinrich Ignaz Franz 289 Bonno, Josef 98 Boyce, William 36 Braun, Baron von 139 Braunbehrens, Volkmar 83 Breitkopf & Härtel (Verlag) 7, 10, 13–15, 29, 35f., 47, 51, 75, 81, 87, 94, 111, 123–125, 136, 141, 146, 151, 155–157, 161, 164f., 168–181, 183–217, 219, 223–227, 232, 238f., 241, 243f., 246, 248–251, 253, 256f., 262, 271, 293f., 299–302, 314f. Breitkopf, Bernhard Christoph 170 Breitkopf, Christoph Gottlob 111f., 156, 169–171 Breitkopf, Henriette Eleonora 111 Breitkopf, Johann Gottlob Immanuel 170f. Bridi, Giuseppe Antonio 228, 281 Budde, Gunilla 301 Cannabich, Christian 55 Carl Theodor, Kurfürst von der Pfalz 54 Caroline Auguste Charlotte, Kaiserin von Österreich 257, 279 Carr, Francis 81 Chélard, André Hippolyte 255 Cherubini, Luigi 269 Cimarosa, Domenico 113

350 Citron, Marcia 9 Clary (Familie) 138, 140 Cobenzl, Johann Philipp Graf 132 Cook, James 30 Cornelius, Peter von 244 Cotta, Johann Friedrich 34–36 Czerny, Carl 140, 143, 146 Da Ponte, Lorenzo 107 Dahlhaus, Carl 40 Danzi (Familie) 55 Danzi, Franz 114 Danzi, Franziska, verh. Lebrun 55 Danzi, Innocenz 55 Deißböck, Leopold 285 DeNora, Tia 148 Deutsch, Otto Erich 81 Deycks, Friedrich 272 Deyerkauf, Franz 257, 281 Dietrichstein, Heinrich Graf 258 Dietrichstein, Karl Graf 154 Dietrichstein, Moritz Graf 138 Dittersdorf, Carl Ditters von 98, 113, 171, 175 Doblhoff-Dier, Baron von 150 Doll (Verlag) 262 Dotzauer, Justus Johann Friedrich 43 Drüner, Ulrich 300 Duquesnoy, Isabelle 83 Dürer, Albrecht 278 Duschek, Franz Xaver 57, 91, 93, 103f., 119, 141, 169 Duschek, Josepha 57, 90, 93f., 103f., 112, 119, 122, 169 Dyk (Verlag) 36 Eberl, Anton 104f., 108, 110, 114, 145f., 175 Einstein, Alfred 78, 165 Elisabeth Augusta, Kurfürstin von der Pfalz 54 Érard, Jean-Baptiste 254 Ernst August II., Herzog von SachsenWeimar-Eisenach 59 Eßler, Johann 204 Esterházy, Johann Nepomuk Graf 154 Esterházy, Nikolaus Joseph Fürst 129

Namensregister

Eugénie Bernardine Désirée Bernadotte, Königin von Schweden und Norwegen 280 Eybler, Joseph 89, 280 Fetz, Bernhard 271 Feuerstein, Johann Heinrich 96, 238f., 243–253, 255f., 301 Fischer, Therese 147 Forkel, Johann Nikolaus 33, 150, 153 Forster, Georg 30 Franz I. Stephan, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 70 Franz I., Kaiser von Österreich 257 Frevert, Ute 12, 64 Fried, Johannes 21 Friedrich II., König von Preußen 153 Friedrich Wilhelm II., König von Preußen 88f., 117, 119 Friedrich Wilhelm III., König von Preußen 254 Fries (Familie) 138 Fries, Johann Graf von 139 Fries, Joseph Graf von 139 Fries, Moritz Graf von 139 Fries, Victoire Gräfin von 139 Fuchs, Aloys 28, 295 Gassmann, Florian 98 Gassmann, Therese, verh. Rosenbaum 122 Geck, Martin 54 Gellius, Aulus 73 Gerber, Ernst Ludwig 32, 109, 115, 232 Gerlach, Dietrich Gerlach, Katharina, geb. Bischoff, verw. Schmid, verw. vom Berg 58 Gleissner, Franz 195, 218 Gluck, Christoph Willibald 141, 171 Göchhausen, Luise 59 Goehr, Lydia 41 Goethe, Johann Wolfgang 30, 34f., 39, 46, 59, 264, 278 Göttling, Carl Wilhelm 35 Graun, Carl Heinrich 171 Graun, Johann Gottlieb 171 Griesinger, Georg August 38, 156, 194, 201, 203–210, 215

Namensregister

Grillparzer, Franz 286 Gropius, Carl Wilhelm 258 Grua (Familie) 55 Gruber, Gernot 16 Guardasoni, Domenico 226 Günther & Böhme (Verlag) 109, 171 Gutenberg, Johannes 278 Haberkamp, Gertraut 300 Habermas, Jürgen 26 Hacker, Benedikt 238 Hagenauer, Lorenz 260 Halliwell, Ruth 16 Händel, Georg Friedrich 32, 37, 153f., 201f, 228 Hanfstängl, Franz 244 Hansen, Hans 74, 305 Harer, Ingeborg 83 Härtel, Florens 243 Härtel, Gottfried Christoph 156, 171f., 194, 203, 210, 243 Härtel, Wilhelm 243 Häser, August Ferdinand 147 Häser, Charlotte Henriette 147 Haslinger (Verlag) 36 Hasse, Johann Adolph 45, 98, 171 Hasselt-Barth, Wilhelmine von 286 Haugwitz, Heinrich Graf von 150 Haydn, Johann Michael 247, 289 Haydn, Joseph 9, 36, 38, 42, 47, 92, 99, 123, 126–128, 137, 139, 141, 144f., 149f., 153–157, 168, 171, 203–211, 216, 260, 269, 279, 293 Heffter, Ignaz 231 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 24 Heister, Hanns-Werner 301 Hentschel, Frank 302 Herberstein (Familie) 138 Herder, Johann Gottfried 30f., 34, 39, 59 Herzog, Anton 101 Hildesheimer, Wolfgang 80 Hilleprandt, Franz Edler von 279, 289f., 294 Hiller, Johann Adam 36 Hippel, Theodor Gottlieb von 67, 74 Hitzig, Wilhelm 81 Hoffmann und Campe (Verlag) 258

351 Hoffmann, E.T.A. 40, 43, 265 Hoffmeister, Franz Anton 171 Höllerer, Elisabeth 83 Hubek (Verlag) 262 Humboldt, Alexander von 258 Hummel, Johann Nepomuk 56, 93, 141, 143, 146, 233 Ingendahl, Gesa 302 Itzig (Familie) 118 Jacquin, Emilian Gottfried von 56 Jahn, Ignaz 102 Jahn, Otto 79, 80, 259, 273 Jähndl, Anton 237–239, 242, 246f., 250, 253, 301 Joseph II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 46, 71 Joséphine de Beauharnais, Kaiserin von Frankreich 254 Kandler, Franz Sales 240 Keller, Heinrich 282 Keller, Maximilian 237f., 242 Kiesewetter, Raphael 150 Kinsky (Familie) 138 Klopstock, Friedrich Gottlieb 45, 119, 241 Knuth, Adam Christopher Graf 133 Knuth, Sophie Magdalene Gräfin, geb. Moltke 133 Kofler von Koflern, Heinrich 279 Konrad, Ulrich 16, 83 Korngold, Luzi 303 Koschorke, Albrecht 25, 27, 271 Kraus, Joseph Martin 124–129 Kreutzer, Conradin 133 Krommer, Franz Vinzenz 127, 143, 146 Krug, Herr 115 Kuhlau, Friedrich 43 Kühnel, Ambrosius (Bureau de Musique, Verlag) 111, 171, 236 Lacroix, Joseph 245 Lange, Aloisia, geb. Weber 13, 55, 57, 104f., 108, 110, 112–120, 309f. Lange, Joseph 112f., 115f., 118f., 244, 282 Langerhans, Johanna 115 Lebrun (Familie) 55 Lebrun, Ludwig August 55 Lehmann (Verlag) 211

352 Leopold II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 101, 107 Lessing, Gotthold Ephraim 34, 178 Levy, Samuel Salomon 118 Levy, Sara, geb. Itzig 118 Lichnowsky, Karl Fürst 88, 118f., 144, 153f. Lichtenthal, Peter 270 Liechtenstein (Familie) 93, 138 Liechtenstein, Alois Joseph Fürst 138, 152 Lipowsky, Felix Joseph 239 Liszt, Franz 286 Lobkowitz (Familie) 139 Lobkowitz, Franz Joseph Maximilian Fürst 139f., 142 Lobkowitz, Joseph Maria Karl Fürst 139 Lodron, Antonia Gräfin 142 Ludwig I., König von Bayern 257, 280–282 Ludwig II., König von Bayern 277 Luther, Martin 278 Machtemes, Ursula 12, 66, 76f., 302 Mahler-Werfel, Alma 302 Mainwaring, John 32 Maria Theresia, Kaiserin des Heiligen Römischen Reiches 61, 70f. Marie Sophie Friederike, Königin von Dänemark 257f. Martines, Marianna 98, 137, 139 Martini, Giambattista (Padre) 240f. Mattheson, Johann 32 Mausolus 73 Mayr, Johann Simon 92 Mazzola, Catterino 108 McGinn, Thomas 52 Mechetti, Pietro 257 Meißner, August Gottlieb 119 Meißner, Julius Gustav 262 Mendelssohn, Felix 258 Mendelssohn, Moses 118 Metastasio, Pietro 104, 108 Meyerbeer, Giacomo 258 Mielichhofer, Ludwig 287 Milder, Anna 147 Molitor, Simon 150 Mölk, Albert von 262

Namensregister

Mollo, Tranquillo 205 Monnet, Jean 36 Morgenstern, Anja 14, 238 Mosel, Ignaz von 279f Mozart, Anna Maria 53f. Mozart, Carl Thomas 15, 87, 91–95, 103, 115, 143, 146f., 228–230, 257, 295f. Mozart, Franz Xaver Wolfgang 28, 93, 155, 166, 202, 245, 286f., 292, 294–296 Mozart, Leopold 53, 55, 80f., 171, 223, 231, 239f., 247, 263, 289, 293, 295 Mozart, Maria Anna (Nannerl), verh. Berchtold zu Sonnenburg 16, 53, 57, 81, 213, 223, 226, 231f., 237, 240, 247, 260, 262f., 270 Muffat, Georg 289 Müller, August Eberhard 109–112, 141, 247 Müller, Elisabeth Catharina 109f., 112 Naumann, Catharina, geb. von Grodtschilling 125 Naumann, Johann Gottlieb 118f., 125 Neuber, Ulrich 58 Neukomm, Sigismund 93, 141, 205, 279, 286 Niemetschek, Franz Xaver 89, 90f., 100, 103, 117, 121, 223f., 236f., 240f., 260– 262, 264, 265–271 Nipperdey, Thomas 23, 37, 301 Nissen, Elisabeth, geb. Zoëga 130 Nissen, Georg Nikolaus 13f., 16, 32f., 51, 56, 76, 78–80, 83, 87, 94–96, 115, 117, 123, 128–136, 138, 140–144, 146, 149, 152, 156, 161–167, 170, 180, 182, 218, 223f., 227–232, 234, 235–242, 245– 248, 253, 257–274, 281f., 285, 295f., 299–301, 306, 308, 316 Nissen, Jens 130 Nottelmann, Karsten 121, 140 Oppermann, Annette 302 Osterhammel, Jürgen 23, 301 Paar (Familie) 154 Paulus 67 Pichler, Sebastian 245 Pixis, Friedrich Wilhelm 146, 147, 258 Pixis, Johann Peter 146f.

Namensregister

Pizan, Christine de 67, 74 Pleyel, Ignaz 36, 127 Posch, Leonard 244, 282 Pott, August Friedrich 279, 286f. Preindl, Joseph 188 Prometheus 39 Puchberg, Michael 88, 91, 168 Pütter, Stephan 152 R. Bremner (Verlag) 36 Rahbek, Knud Lyne 130 Rasumowsky, Alexander Kyrillowitsch Graf 144 Rau, Ludwig 115 Reger, Elsa 303 Reichardt, Johann Friedrich 141 Reimarus, Elise 118 Reimarus, Sophie 118 Rellstab (Verlag) 171 Rellstab, Ludwig 233, 258 Rieger, Eva 82 Riemann, Hugo 77f. Rochlitz, Friedrich 172, 225, 232f., 272 Romberg, Andreas 43 Rößler, Dr. von 88 Saint-Saphorin, Armand François Louis de Mestral de 131, 227 Salieri, Antonio 93, 99, 141, 150, 279 Scarlatti, Domenico 153 Schack, Benedikt 105f., 231, 235f., 242 Schack, Frederik Christian Graf 130 Schadow, Johann Gottfried 258 Schattkowsky, Martina 59 Scheidlin, Johann Georg von 95 Schiller, Friedrich 34, 241, 277 Schilling, Julius 277, 279 Schimmelmann, Charlotte Gräfin, geb. Schubart 230 Schinkel, Karl Friedrich 40 Schlegel, August Wilhelm 40 Schleiermacher, Friedrich 40, 182 Schleuning, Peter 301 Schlichtegroll, Friedrich 31, 78, 223f., 240f., 260–265, 269f., 316 Schmalz, Amalie 119 Schmidt & Rau (Verlag) 111 Schmith, Anton 144

353 Schnell, Therese, verh. Niemetschek 121 Schoenberg-Nono, Nuria 303 Schönfeld, Johann Hilmar Adolph Graf von 156 Schopenhauer, Artur 265 Schott (Verlag) 171 Schröder, Friedrich Ludwig 113, 115f. Schubart, Herman Baron 230 Schumann von Mansegg, Ignaz 285 Schumann, Clara 286, 302 Schumann, Robert 37 Schuppanzigh, Ignaz 123, 144 Schurig, Arthur 15, 80, 82, 246, 273 Schütz, Heinrich 45 Schwanthaler, Ludwig 281–283, 287 Schwarzenberg (Familie) 126, 139, 145, 155 Schwarzenberg, Fürsterzbischof Friedrich zu 289 Schwarzenberg, Josef Johann Nepomuk Graf 139f., 154 Schwarzenberg, Maria Carolina, Prinzessin 139 Schwarzenberg, Pauline Karolina Iris Gräfin 139 Sehmann, Gustaf 127 Seidler, Ferdinand August 146f. Senefelder, Alois 195, 207, 244, Servatius, Viveca 15, 257 Sevelinges (Verlag) 255f. Seyfried, Joseph Ritter von 122 Shakespeare, William 30, 39, 113, 272 Silverstolpe, Carl Gudmund 127 Silverstolpe, Eleonora Catharina 124 Silverstolpe, Fredrik Samuel 13, 51, 56, 95, 117, 123–131, 133, 134f., 139–145, 149, 152, 154, 161–164, 178f., 227, 234, 299, 306 Silverstolpe, Gustaf Abraham 128f. Simrock (Verlag) 36, 109, 171 Singer, Lea 83 Sjøqvist, Viggo 16, 165, 230 Smudits, Alfred 48 Södermanland, Herzog von 129 Södermanland, Herzogin von 129 Sonnenfels, Joseph von 46

354 Sonnleithner, Joseph 44, 149f. Sontag, Henriette 258 Spehr (Verlag) 36, 171, 183, 211, 216 Spohr, Louis 43 Spontini, Gaspare Luigi Pacifico 244, 248–250, 253–258, 280, 301 Spontini, Marie-Cathérine Célèste, geb. Érard 245, 249, 254–256, 301 Stadion (Familie) 138 Stadler, Abbé Maximilian 51, 89, 101, 136, 141, 145, 149–151, 161–164, 180, 218, 233f., 238, 299 Stamitz, Carl 55, 171 Stamitz, Johann 55 Stein (Familie) 56 Swieten, Gottfried Baron van 57, 88–91, 93, 101f., 123, 138, 149, 151–155, 201f., 205–207, 225, 299 Stiglmaier, Johann Baptist 282 Stoll, Anton 225 Strattmann, Paul 152 Streicher, Johann Andreas 93, 140, Struck, Paul 126, 127 Süßmayr, Franz Xaver 89, 232–234 Taux, Alois 285f., 290 Therese, Königin von Bayern 257 Tieck, Ludwig 40, 258 Tischbein, Johann Heinrich 73–75, 305 Toeschi (Familie) 55 Traeg, Johann 188, 226 Trattner, Johann Thomas von 46 Traun (Familie) 138 Trauttmansdorff (Familie) 138 Trauttmansdorff, Ferdinand Fürst 138 Trauttmansdorff, Johann Nepomuk Graf 258 Unger, Johann Friedrich 34

Namensregister

Unseld, Melanie 33, 56, 83, 301 Varnhagen von Ense, Karl August 258, 265 Velluti, Giovanni Battista 147 Vogler, Georg Joseph 55 Wackenroder, Wilhelm Heinrich 40, 44 Wagner, Cosima 302 Waizhofer, Roman 105 Walsegg von Stuppach, Franz Graf 88 Weber, Caecilia, geb. Stamm 79 Weber, Carl Maria von 55 Weber, Franz Anton 55 Weber, Fridolin 54f. Weber, Friedrich Dionys 233 Weber, Gottfried 232–234 Weber, Josepha, verw. Hofer, verh. Mayer 55, 122 Weber, Sophie, verh. Haibl 55, 96 Wedel Jarlsberg, Frederik Anton Graf 227f. Welcker, Friedrich Gottlieb 231f. Wendling (Familie) 55 Wendling, Dorothea 55 Wieland, Christoph Martin 59 Wilczek (Familie) 138 Winckelmann, Johann Joachim 30f. Wittasek, Johann August 103, 258 Wranitzky, Anton 139 Wranitzky, Paul 161, 196 Wunder, Heide 10, 52 Zeiller, Franz von 46 Zelter, Friedrich 233, 258 Zimmermann, Christian von 271 Zinzendorf, Karl Graf von 140 Zoëga, Georg 130, 228, 232 Zoëga, Vilhad 130

Musik – kultur – Gender hE R Aus g E g E B En Von An n Et t E kREut z i g ER-hERR, doRlE dRACklé, dAgmAR Von hoff und susAnnE RodE-BREymAnn



EinE AuswAhl

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Musik und Gender

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von der FrüHen neuzeit Bis zur

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Bd. 12 | susAnnE RodE-BREymAnn, AntJE tumAt (hg.)

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die MusiK von JoHannes BraHMs

Frauen in der FrüHen neuzeit

und der gescHlecHterdisKurs iM

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MELANIE UNSELD CHRISTIAN VON ZIMMERMANN (HG.)

ANEKDOTE – BIOGRAPHIE – KANON ZUR GESCHICHTSSCHREIBUNG IN DEN SCHÖNEN KÜNSTEN (BIOGRAPHIK. GESCHICHTE – KRITIK – PRAXIS, BAND 1)

Auf welche Weise greifen Leben und künstlerisches Schaffen ineinander? Welche Rolle spielt die Persönlichkeit der Schaffenden bei der Vermittlung von Kunst, Musik und Literatur? Welche Funktionen haben Anekdoten in diesem Prozess? Und welchen Einfluss nehmen Künstlerbiographien auf Geschichtsschreibung und Kanonisierung? Die hier versammelten Beiträge aus Literaturwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Komparatistik, Altertumswissenschaften, Anglistik, Skandinavistik, Kunstgeschichte und Musikwissenschaft geben unterschiedliche Antworten auf diese Fragen und gewähren dabei Einblicke in die aktuelle interdisziplinäre Biographieforschung. 2013. XVI, 389 S. 10 S/W-ABB. UND 5 NOTENBSP. BR. 155 X 230 MM. ISBN 978-3-412-20829-5

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