Die Kaiserin. Maria Theresia 9783205204480, 9783205794219

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Die Kaiserin. Maria Theresia
 9783205204480, 9783205794219

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Thomas Lau

Die Kaiserin. Maria Theresia

2016 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie | detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://portal.dnb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Maria Theresia von Österreich (1717–80), Gemälde von Jean-Etienne Liotard, 1747 (©) Rijksmuseum, Amsterdam. © 2016 by Böhlau Verlag GesmbH & Co.KG, Wien Köln Weimar Wiesingerstraße 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Lektorat: Thomas Theise, Regensburg Korrektorat: Constanze Lehmann, Berlin Umschlaggestaltung: Guido Klütsch, Köln Satz: Bettina Waringer, Wien Druck und Bindung: BALTO print, Vilnius Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the EU ISBN 978-3-205-79421-9



Inhalt Der letzte Spross des Hauses Habsburg

9

Maria Theresia Walburga Amalia Christine 9 | Die Pragmatische Sanktion und die Krise des Hauses Habsburg 12 | Zukunftsperspektiven eines ­Kaiserhauses – das unsichere Erbe der Maria Theresia 15

Die Tochter

19

Herzig und lustig – das Familienleben 19 | Erziehung und Bildung 21 | Der Lothringer 24 | Die singende Erzherzogin 26 | Der Brautpreis 29 | Das ungleiche Paar 31 | Der schwankende Koloss 33 | Hubertus auf dem Sterbebett 37 | Trauer und Auferstehung 40

Die Erbin

43

Habsburgs Kassandra 43 | Eine Monarchie in Angst 45 | Der Machiavelli von Rheinsberg 47 | Das Spiel der Königin 48 | Vor dem Sturm 51 | Der neue Blick auf Preußen 54 | Der zuverlässigste Freund der Casa Austria 56

Die Königin

59

Mollwitz 59 | Blick in den Abgrund 60 | Spiel auf Zeit 62 | Die K ­ önigin betritt die Bühne 63 | In der Konsensfalle – die Geheime Konferenz 66 | Die Krisenmanagerin – Wege aus der Sackgasse 70 | Die königliche Sphinx – Spielräume einer Monarchin 74 | Die Tränen einer Königin 78 | In der Mythenschmiede 80 | Angriff 83 | Die Standhafte – ein Mythos wird geboren 88

Die Ehefrau

93

Die Krone steht ihm nicht – Franz Stephan 93 | Eine Niederlage und ihre Folgen 95 | Endlich Kaiserin 97 | Inszenierte Harmonie 101 | Liebe und Eifersucht 104 | Nachtwachen und Wochenbetten zum Trotze 108 | ­Familienglück 111 | Die strenge Mutter 113 | Im Schatten der Gattin – der melancholische Kaiser 115 | Der Finanzmagnat 117 | Der Gelehrte 119

6   •   Inhalt

Die Landesmutter

123

Eine Niederlage wird verwaltet 123 | Kassensturz – die »Notata« des Friedrich Wilhelm von Haugwitz 124 | Die Reform der kleinen Schritte 127 | Im Labyrinth der Bürokratie 128 | Der Sanierer 131 | Der Krieg, das Geld und die Reform 133 | Das Gegenmodell 135 | Unterschiedliche Reformkonzepte 137 | Die Kaiserin entscheidet 140 | Heldengeschichten 143 | Die bürokratische Revolution 147 | Die Politikerin 152

Die Sonne des Hofes

155

Zur Krönung nach Prag – Maria Theresia wird »König von Böhmen« ­ ewegungsprofil einer Monarchin 157 | Schloss Schönbrunn – ein 155 | B ­Gegenentwurf zu Versailles 162 | Raumfolge und Raumausstattung – ­Öffentliches und Privates 164 | Ort des Staunens – der Hof und die Asien­ mode 168 | Chinesisches Porzellan und habsburgische Selbstdarstellung 170 | Die knappe Zeit einer Herrscherin 173 | Spectacle müssen sein 176 | Verkehrte Welt – Rollenspiel am Hof der Habsburger 179 | Theater 181 | Das Hofpersonal 183 | Gefühls­bande 188 | Gefühl, Vertrauen und Konflikt 190 | Die Sicherheit der Kaiserin 193 | Der Hof öffnet sich 196 | Der Hof, die Stadt und die Residenzstadt 198

Erziehungsprojekte – eine Monarchin formt ihr Volk

203

Casanova in Wien 203 | Maria Theresia – die bigotte Kaiserin? 205 | Der Sündenfall – Maria Theresia und die Juden zu Prag 208 | Widerwillige Duldung – das Dilemma der Kaiserin 211 | Protestantenverfolgung und Binnenkolonisation 212 | Der kaiserliche Vampirerlass 214 | Der Große Swieten – die Kaiserin und ihr Arzt 216 | Van Swietens Mission 218 | Waisenhaus und Theresianum – die Bildungsreformen der Kaiserin 221 | Frömmigkeit und Modernisierung – die Kaiserin und die Jansenisten 223

Die Kriegerin

227

Spielsucht – Europa und seine Risikopolitiker 227 | Das Spiel der Könige – der Plan des Wenzel Anton von Kaunitz 228 | Rollenwechsel 232 | Globale Konflikte 237 | Annäherung an Frankreich 238 | Die diplomatische Revolution 240 | Soldatenmutter – die Kaiserin und der Krieg 243 | Schönbrunn und das irdische Paradies der Habsburger 247 | Der blutige Kriegsalltag 251

Inhalt   •   7

| Schuldfragen – die Kaiserin und die Öffentlichkeit 253 | Das Ende des Siebenjährigen Krieges 255 | Der Weg zum Frieden 257 | Das Ende der Kriegspolitik 260

Die Witwe

281

Tod in Innsbruck 281 | Vom Schmerz überwältigt 283 | Was vom Kaiser­übrig blieb – steingewordene Trauer 284 | Die Trauernde 287 | Die ­Geschundene 290

Die Matriarchin

295

Die Erziehung Josephs II. 295 | Der Thronfolger 298 | Der Kaiser und seine Mutter 300 | Der Kaiser pflügt 303 | Der Charme einer Mutter 304 | Der Machtkampf 306 | Familienbande 308 | Glaubensfragen 310 | Der »Bevölkerer« 312 | Dienst an der Dynastie 313 | Der Beobachter 316 | Die Regisseurin 317 | Der perfekte Erzherzog 319 | Ein Opfer der Politik 322 | Eine deutsche Prinzessin 326 | Politik und Schwangerschaft 329 | Die Rolle einer Monarchin 331 | Der Hof der Frauen 333

Die Reformerin

335

Der merkwürdige Fürst Kaunitz 335 | Wege aus dem Schuldenstaat 337 | Maria Theresia und ihre Kirche 340 | Der neue Blick auf das Volk 343 | Der Weg zur Schulreform 344 | Das Schulwesen – ein Politikum 346 | Die Bauern der Kaiserin 349 | ... die Tortur wird abgeschafft 352

Die Fremde – Maria Theresia und der Wandel Europas

357

Das neue Rom und das alte Europa 357 | Europa am Vorabend der ersten polnischen Teilung 360 | Teilungsfieber 365 | Der Bayerische Erbfolgekrieg 371

Die Sterbende

377

Anmerkungen 381 Zeittafel 409 Bibliographie 410 Abbildungsnachweis 432 Personenregister 434



Stammbaum der Maria Theresia (Auszug)

Leopold Joseph Herzog von Lothringen (1679–1729) ∞ Elisabeth Charlotte von Orléans (1676–1744)

FRANZ I. STEPHAN, KAISER

Karl VI. Kaiser (1685–1740) ∞ Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (1691–1750)



MARIA THERESIA, KAISERIN

(1717–1780)

Herzog von Lothringen und Bar (1708–1765)

Erzherzogin Maria Anna Äbtissin (1738–1789) Erzherzog Joseph (II.) Kaiser (1741–1790) ∞ Maria Isabella von Bourbon-Parma (1741–1763) ∞ Maria Josepha von Bayern (1739–1767)

Erzherzog Maximilian Franz Kurfürst und Erzbischof von Köln (1756–1801)

Erzherzogin Maria Elisabeth Äbtissin (1743–1808) Erzherzogin Maria Amalie (1746–1804) ∞ Ferdinand, Herzog von Parma (1751–1802)

Erzherzogin Maria Christina (1742–1798) ∞ Albert Kasimir von Sachsen-Teschen (1738–1822)

Erzherzogin Maria Karoline (1752–1814) ∞ König Ferdinand III. von Bourbon-Sizilien (1751–1825)

Erzherzog Leopold (II.) Kaiser (1747–1792) ∞ Maria Ludovica Infantin von Spanien (1745–1792)

Erzherzogin Marie Antoinette (1755–1793) ∞ Ludwig XVI., König von Frankreich (1754–1793)

Maria Theresia Der letzte Spross des Hauses Habsburg

M

aria Theresia Walburga Amalia Christine

Kaiser Karl VI. befand sich am Morgen des 13. Mai 1717 noch in Laxenburg, einer Landresidenz, in der er die liebliche Frühlingszeit noch zu genießen trachtete. Es war eine seiner zahlreichen Jagdreisen, auf der er dieses Mal allerdings durch Boten der Kaiserin gestört wurde. Elisabeth Christine, so teilten diese mit, liege seit drei Uhr des Morgens in den Wehen. Karl VI. rüstete sich augenblicklich für die Rückfahrt zur Hofburg. Unerträglich musste die Spannung auf ihm lasten. Im November des vergangenen Jahres erst hatte er seinen Sohn, den Thronfolger Leopold Johann, zu Grabe tragen müssen. Karl hatte auf dieses Kind seit seiner Eheschließung 1708 sehnsüchtig gewartet und dessen Geburt am 13. April 1716 triumphal feiern lassen.1 Sein plötzlicher Tod wirkte niederschmetternd auf den Kaiser. Wenn auch die Abfolge von höfischen Festen, Ausflügen und Jagden ungeachtet des Schicksalsschlages ehern fortgeführt wurde, ließ das Tagebuch des s­ toischen Habsburgers tief blicken. Der diszplinierte Monarch, der jeden von ihm geschossenen Hasen akribisch aufzeichnete, ließ die Feder sinken. Erst die Nachricht von der erneuten Schwangerschaft seiner Gemahlin schien ihn aus seiner Melancholie zu befreien. Seine Majestät begann, die Quartbände seines Diariums wieder sorgfältig in seiner unleserlichen Handschrift zu füllen. Nicht nur Karl atmete auf. Das ganze Land wandte aufmerksam seine Blicke nach Wien.2 Wie sollte die bevorstehende Geburt gefeiert werden? An der Hofburg trat am 19.  April 1717 eigens eine Konferenz von Räten zusammen, die sich mit der Frage zu beschäftigen hatte.3 Sollte es sich um einen Jungen handeln, wofür die Untertanen des Kaisers beteten, war die Frage leicht zu beantworten. Die Taufe würde dann, wie

10   •   Der letzte Spross des Hauses Habsburg

die Hofkonferenz vorschlug, ganz den Vorgaben der letzten Feierlichkeiten folgen. Der neue Thronfolger träte in die Fußstapfen des alten. Sollte ein Mädchen das Licht der Welt erblicken, wäre die Situation deutlich diffiziler. Durch das neue Hausrecht der Habsburger bestand die Möglichkeit, dass es ihrem Vater auf dem Thron nachfolgte. Eine Tochter war ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt, solange, bis sie einen Bruder erhielt, als Kronprinzessin zu behandeln. Dies war für Wien eine Novität. Ob der Kaiser einen Jungen oder ein Mädchen in der Wiege vorfinden würde, war daher für ihn wie für sein Reich von erheblicher Bedeutung. Als er schließlich eintraf, hatte seine Frau die Antwort auf diese Frage bereits bekommen: Es war, wie Karl in seinem Tagebuch notierte, glücklich umb 7 und 20 Minuten ain Tochter Maria Theresia Walburga Amalia Christine (…) auf Welt (…) wohln hoffen, dass groß Freudt, wegen todt Sohn, ich Gott dank.4 Die Freude war zweifellos groß. Immerhin hatte das kaiserliche Paar seine Fruchtbarkeit unter Beweis gestellt. Die neue Kronprinzessin ähnlich wie ihren verstorbenen Bruder als neue Hoffnung des Reiches zu preisen, schien jedoch nicht angeraten. Allzu schnell konnten zu laute Fanfarenklänge darauf hindeuten, dass das Haus Habsburg selbst nicht mehr an die Geburt eines männlichen Thronfolgers glaubte. So entschieden sich der Kaiser und seine Räte für eine Kompromiss­lösung.5 Dem kleinen Mädchen wurden formell dieselben Ehren wie einem männlichen Erzherzog zuteil. Eine Neuauflage der Tauffeierlichkeiten für den verstorbenen Thronfolger fand indes nicht statt.6 Die Aufnahme der Tochter in den vornehmen Orden der Ritter vom Goldenen Vlies etwa musste unterbleiben – ein Mädchen konnte schwerlich zu einem neuen Gottesstreiter stilisiert werden. Auch war der Aufwand der Festivitäten, die der Taufe folgten, vergleichsweise bescheiden. Auf Salutschüsse und Illuminationen wurde verzichtet – im Lande und in der Stadt, wo der kleine Erzherzog lautstark bejubelt worden war, blieb es ruhig. Die schwierige Meinungsbildung in der Hofburg verdeutlichte, dass es sich bei der Taufe um mehr handelte als um die Spendung eines Sakra­ments. Sie war darüber hinaus ein eminent politischer Akt. Das Leben des Kindes wurde im Verlaufe der Zeremonie durch Gesten, Symbole und Worte erstmals mit Bedeutungen und Erwartungen versehen. Aus der Neugeborenen wurde eine Erzherzogin. Kostbare Reliquien umgaben dementsprechend den Tauftisch: Das Blut Christi war präsent, aber auch einer der Nägel, mit denen der Heiland gekreuzigt worden war. Das Mädchen kam erstmals mit

Maria Theresia Walburga Amalia Christine   •   11

der Heiligkeit des Hauses Habsburg in Berührung, wurde physisch mit ihr konfrontiert und dadurch verwandelt. Fünf Vornamen hatte der Vater für sie ausgesucht – Namen, die eine politisch-kulturelle Standortbestimmung bedeuteten und zugleich ein Programm für die Zukunft enthielten. Während der Vater bei der Namenswahl des Sohnes kräftige Akzente gesetzt hatte, blieb er bei der Tochter vorsichtig. Sollte sie tatsächlich seinen Thron erben, so würde dies das Reich zweifellos erschüttern. Es galt daher, sie von Beginn ihres Lebens an als Inbegriff der Kontinuität des habsburgischen Erbes zu stilisieren. Maria Theresia – der Name kombinierte die bekannte Verehrung für die Mutter Gottes mit einer Verbeugung vor der spanischen Karmelitin Teresa von Ávila aus dem 16. Jahrhundert, die für Sittenstrenge und katholische Mystik stand. Von ihrer Großmutter Eleonora, deren demonstrative Frömmigkeit selbst die habsburgischen Erwartungen übertraf, erhielt die kleine Erzherzogin daher ganz in diesem Sinne einen Ring, in dem eine Reliquie der spanischen Glaubensheldin enthalten war. Ein Leben lang sollte Maria Theresia nach dem Willen des Herrscherhauses mit ihr in Verbindung stehen. Der dritte Vorname, Walburga, signalisierte Wohlwollen gegenüber den Benediktinerinnen; der vierte, Amalia, stand für die erhoffte Nähe zur Patentante, der Kaiserinwitwe Wilhelmina Amalia; der fünfte schließlich, Christine, war als einer der habsburgischen Leitnamen wiederum dazu angetan, zu unterstreichen, dass das Erbe des Hauses Habsburg auch dann fortbestünde, wenn die männliche Linie aussterben sollte. Eine ähnliche Botschaft sandte der Kaiser dem europäischen Publikum durch die Auswahl der geladenen Gäste. Sie zeugte durchaus von der Bedeutung des Ereignisses. Die Dynastie, der Hochadel und auch Vertreter der europäischen Kronen wohnten hier der Aufnahme einer neuen Prinzessin in die Gemeinde Christi und in den aristokratischen Kosmos bei. Neben den Rittern vom Goldenen Vlies hatte etwa der Prinz von Portugal in den vorderen Reihen Platz genommen. Das ließ aufhorchen, zählte doch das Haus Braganza zu den wichtigsten Verbündeten der Habsburger. Anders als 1716 übernahmen die Portugiesen diesmal jedoch kein Patenamt. Für diese Aufgabe hatte der Kaiser neben der Großmutter des Kindes, der besagten Kaiserinwitwe Eleonore Magdalene Theresia, seine Schwägerin, Kaiserinwitwe Wilhelmina Amalia, und den Papst vorgesehen. Letzterer wurde durch den päpstlichen Nuntius, Monsignore Spinola, am Taufbecken vertreten.

12   •   Der letzte Spross des Hauses Habsburg

Standesgemäß war diese illustre Versammlung durchaus einer künftigen Königin von Ungarn und Böhmen würdig. Politisch brisant oder zukunftsweisend war sie indes nicht. Anders als dem Sohn legte der Kaiser der Tochter keine internationale Allianz in die Wiege. So war der Umgang mit der kleinen Erzherzogin Maria Theresia vor allem von Vorsicht geprägt. Der Kaiser betrachtete dieses Kind als Rückversicherung für den Fall, dass männlicher Nachwuchs ausblieb, und vermied es vorerst, das Kind gegenüber den Eliten des Reiches und den europäischen Dynastien als künftige Monarchin aufzubauen. Während der verstorbene Sohn Leopold Johann nur wenige Stunden nach seiner Geburt Adel und Klerus als fleischgewordenes Versprechen von Kontinuität und künftiger Größe präsentiert worden war, blieb das Profil der Erzherzogin unklar und wenig konturiert. Dies ließ ihr später Spielräume. Der Mangel an Bedeutungszuweisungen von außen eröffnete ihr die Chance der Selbstdefinition.7 Die war umso wichtiger, als sie in eine mehr als schwierige Situation hineingeboren wurde.

D

ie Pragmatische Sanktion und die Krise des Hauses Habsburg

Karl VI. war nicht der erste und auch nicht der letzte Herrscher Europas, der eigene Nachkommenschaft händeringend ersehnte. Der Albtraum, die Dynastie könnte erlöschen, lastete auf allen Herrscherhäusern. Gleichwohl war die Fruchtbarkeitskrise, die das Haus Österreich seit Ende des 17. Jahrhunderts durchlebte, angesichts ihrer Folgen für die politische Statik des europäischen Kontinents beispiellos. Die Vorfahren Karls VI. hatten ein beeindruckendes Imperium erobert, erheiratet und ererbt. In zwei verschwägerten Hauptlinien beherrschte das Haus Habsburg bis 1700 die Iberische Halbinsel (außer Portugal), den mittel- und den südamerikanischen Kontinent (bis auf Brasilien und Teile der Karibik), die spanischen Niederlande, große Teile Italiens, Ungarn, Böhmen, Österreich8 und weite Teile Schwabens. Der eherne Zusammenhalt zwischen Wien und Madrid, die Heiraten zwischen Onkeln und Nichten, zwischen Cousins und Cousinen hatten dafür gesorgt, dass die Casa Austria politisch und kulturell eine Einheit blieb. Die Territorien blieben in der Familie – und ebenso die Erbkrankheiten.9 Bereits Leopold I. (1640–1705), der Vater Karls VI., hatte mit Sorge regis-

Die Pragmatische Sanktion und die Krise des Hauses Habsburg    •   13

triert, dass die Zahl der Kinder – der gesunden zumal – in den Hauptlinien der Habsburger abnahm. Dass er selbst in erster Ehe seine eigene Nichte, die zugleich seine Cousine war, heiratete, trug kaum zur Lösung des Problems bei. Das Sammelsurium von Herrschaften mit jeweils eigenen Herrschaftsordnungen und Privilegien, das rechtlich gesehen nur durch die habsburgischen Häupter zusammengehalten wurde, drohte zu kollabieren. Starb das französische oder das englische Königshaus aus, bekäme dessen Reich eine neue Dynastie. Erlosch das Haus Habsburg, zerfiele sein Imperium in die Einzelteile, aus denen es bestand. Virulent wurde diese Gefahr erstmals, als bei des Kaisers Verwandten in Madrid männliche Erben auszubleiben drohten. Eine beunruhigende Nachricht, hatte doch die spanische Linie in der Hoffnung, die kostspieligen Spannungen mit Frankreich zu beruhigen, die das Land seit Beginn des 16. Jahrhunderts umtrieben, das Haus der Bourbonen zum zweiten Standbein ihrer Heiratspolitik erkoren. Das schien sinnvoll zu sein, war das französische Königshaus doch unverkennbar mit Fruchtbarkeit gesegnet. Jedoch ergab sich aus dem Heiratsbündnis ein ungewünschter Nebeneffekt: Erlosch die spanische Linie der Habsburger, würden nicht nur die deutschen Verwandten, sondern auch das Haus Bourbon Erbansprüche erheben. Obwohl Philipp IV. (1605–1665) im Alter von 56 Jahren doch noch ein Sohn geschenkt wurde, vermochte dies seinen Verwandten, Kaiser Leopold I., nicht zu beruhigen. Karl (1661–1700), der Infant, war kränklich. Was, wenn er früh starb oder zeugungsunfähig war? Der Wiener Hof begann mit aller Entschiedenheit, für seine Ansprüche zu kämpfen. Erlosch die spanische Linie, so musste die deutsche an ihre Stelle treten. Das Gleichgewicht Europas, so erklärten Leopolds Emissäre in den Kabinetten, verlange eine solche Regelung. Würde Ludwig XIV. auch noch die Iberische Halbinsel mitsamt ihren Dependancen beherrschen, werde sich ihm niemand mehr entgegenstellen können. Man befinde sich am Vorabend einer französischen Universalmonarchie.10 Die Überzeugungsarbeit der habsburgischen Diplomatie trug Früchte. Fieberhaft wurden Teilungspläne verfasst und Auswege aus dem Dilemma gesucht. Einmal erschien ein Wittelsbacher als Kompromisskandidat akzeptabel, ein anderes Mal sollte der habsburgische Thronprätendent, der spätere Karl VI., den Löwenanteil der spanischen Besitzungen erhalten. Am Ende blieb all dies Makulatur, denn Karl II. von Spanien gab im dramatischen Schlussakt seines Lebens den französischen Ansprüchen statt, indem er den

14   •   Der letzte Spross des Hauses Habsburg

Enkel Ludwigs XIV. zu seinem Universalerben einsetzte. Diese Entscheidung stürzte Europa in den vierzehnjährigen, äußerst blutigen Spanischen Erbfolgekrieg. Als die erschöpften Mächte sich schließlich in Friedensverträgen verständigten, stand Frankreichs Krone vor einem fiskalischen Trümmerhaufen. Wien ging es kaum besser. Zwar war es dem Kaiserhof gelungen, aus der Erbmasse wichtige Einzelstücke wie die spanischen Niederlande, Mailand und Neapel für sich herauszulösen, die Iberische Halbinsel und die Kolonien in Übersee gingen jedoch verloren. Ursache für diesen empfindlichen Schlag war das Übergreifen der Fruchtbarkeitskrise auf den österreichischen Zweig der Familie. Am 17. April 1711 war völlig überraschend Joseph I., Sohn und Nachfolger Leopolds I., gestorben, ohne männliche Nachkommen zu hinterlassen. An seine Stelle rückte sein Bruder Karl, der seit November 1700 bereits die spanische Krone für sich beanspruchte. Den Seemächten erschien der Umfang des gesamten Erbes, das ihm nun zufallen sollte, als deutlich zu groß, und sie zogen sich aus der Allianz gegen Frankreich zurück.11 Der Spanische Erbfolgekrieg zeigte aus Wiener Sicht zweierlei: Erstens war deutlich geworden, dass das Haus Habsburg seine Position als europäische Macht nur im Zusammenspiel mit starken Bündnispartnern erhalten konnte und dafür vor allem der Unterstützung Englands und der Niederlande bedurfte. Zweitens führte nunmehr kein Weg daran vorbei, die Weichen für die Zukunft des Hauses Habsburg neu zu stellen. Der junge Kaiser besaß bei Herrschaftsantritt keinen lebenden Bruder und keine Söhne. Nur sein eigenes Leben trennte das gewaltige europäische Imperium der Habsburger noch vom endgültigen Kollaps. Das war nicht nur für das Haus Habsburg selbst eine erschreckende Perspektive. Auch für den Hochadel, dessen Besitzungen über verschiedene Territorien seines Reiches verstreut waren, bedeutete dies eine beträchtliche Verunsicherung. Gleiches galt für die Mehrzahl der europäischen Mächte, die einen weiteren kostspieligen Erbfolgekrieg zu vermeiden suchten, zumal sich die Frage stellte, ob ein Kräftegleichgewicht auf dem Kontinent ohne das Haus Habsburg überhaupt aufrechtzuerhalten war. Um dieses Szenario zu vermeiden, hatte Leopold I. bereits 1703 ein zunächst noch geheim gehaltenes Abkommen mit seinen Söhnen getroffen, das »Pactum mutuae successionis«.12 Darin enthalten war eine Neuregelung der Erbfolge innerhalb des Hauses Habsburg, die erstmals die Möglichkeit

Zukunftsperspektiven eines Kaiserhauses   •   15

der weiblichen Thronfolge vorsah für den Fall, dass keine männlichen Erben vorhanden waren. Neu war auch, dass eine Erbteilung künftig ausgeschlossen wurde. Verbindlich war diese Veränderung des Hausrechts nur für die Habsburger selbst. Die angeheirateten und erbberechtigten Verwandten der kaiserlichen Familie, die auf den Herrscherthronen Europas saßen, würden sich im Erbfall nicht an sie gebunden fühlen. Bereits 1713, nur zwei Jahre nach seinem Herrschaftsantritt, wagte der noch junge Karl VI. daher einen Schritt, der seine weitere Regentschaft prägte: Er veröffentlichte die neue Erbregelung und verlieh ihr rechtliche Verbindlichkeit, indem er sie zu einer »Pragmatischen Sanktion«, einem kaiserlichen Erlass erklärte.13 Dies war ein durchaus riskanter Zug, der nur dann zum Erfolg führen konnte, wenn es der Hofburg gelang, die Reichsstände ebenso wie die euro­ päischen Großmächte zur Anerkennung der Pragmatischen Sanktion zu bewegen. Kein Argument war in diesem Zusammenhang so wirkungsvoll wie die Geburt zumindest eines männlichen Thronfolgers. Ein kleiner Erzherzog ließ die neue Bestimmung zu einer rein theoretischen Option werden. Ihr zuzustimmen fiel leicht, zumal das Kaiserhaus sich für einen solchen Schritt erkenntlich zu zeigen wusste. Auf der Ehefrau Karls VI., Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel, lastete damit ein immenser Druck. Die als Protestantin geborene und erzogene Prinzessin hatte der Ehe mit dem Habsburger ohnehin erst nach langem Zögern zugestimmt. Ein Konvertieren zum katholischen Glauben käme für sie nicht infrage, hatte sie verlauten lassen. Es hatte großer Überzeugungsarbeit und starkem familiären Drucks bedurft, sie umzustimmen. Nun stellte sich für sie und ihr Umfeld die Frage, ob der Herr ihren halbherzigen Übertritt zur heiligen Mutter Kirche mit Fruchtbarkeitsproblemen strafte. Alles wartete auf den Sohn.

Z

ukunftsperspektiven eines Kaiserhauses – das unsichere Erbe der Maria Theresia

Nur das älteste ihrer vier Kinder, der erwähnte früh verstorbene Erzherzog Leopold Johann, war ein Junge. Es folgten drei Mädchen: Maria Theresia, die 1718 geborene Maria Anna und schließlich Maria Amalia, die 1724 als letztes Kind des Kaiserpaars zur Welt kam und bereits 1730 verstarb. Die weibliche Erbfolge, wie sie die Pragmatische Sanktion ermöglichte, wurde langsam zu einer realistischen politischen Option und ihre Durchset-

16   •   Der letzte Spross des Hauses Habsburg

zung zu einer überlebenswichtigen Aufgabe. Nur wenn ganz Europa sie anerkannte, konnte der Zerfall des habsburgischen Imperiums verhindert werden. Auch wenn dies gelänge, blieben drängende Fragen offen. Selbst im besten Falle würde eine Erzherzogin dem Kaiser nur als Landesfürstin und Königin nachfolgen können. Sie erbte seine Herrschaftstitel in Böhmen und Ungarn, in den italienischen Territorien und im Reich, den prestigeträchtigsten Titel jedoch konnte er ihr nicht vermachen – das Kaisertum. Seit 1438 – dreihundert Jahre in Folge – hatten die Habsburger als römische Könige oder als Kaiser des Reiches Oberhäupter gestellt. Stets war es ihnen gelungen, eine Mehrheit im Kurfürstenkollegium zu erringen und damit als führende Dynastie im Reich anerkannt zu werden. Das Kaiseramt stellte gleichsam die zweite Säule des habsburgischen Herrschaftsanspruchs dar. Während sie in ihren Territorien als Landesherren wirkten, waren sie als Kaiser gekrönte Symbole und oberste Funktionsträger des überaus komplizierten Heiligen Römischen Reiches. Dessen Macht war nicht zu unterschätzen. Gerade gegenüber der Unzahl der kleineren Territorien konnte ein geschickt agierender Kaiser erheblichen Einfluss entfalten. Die von den Habsburgern mitgestaltete Reichsverfassung hatte ihnen dafür einige Möglichkeiten gegeben:14 Wiens Prinzipalkommissar beeinflusste die Geschäfte des Reichstags in erheblichem Maße und wusste diesen als Informationsquelle zu nutzen. Der vom Kaiser ernannte Reichsfiskal ließ bankrotte Reichsritter um ihre Unabhängigkeit zittern. Der Reichshofrat, eines der beiden obersten Gerichte des Reiches, verschaffte ihm die Möglichkeit, als Mediator und Entscheidungsinstanz in innere Streitigkeiten kleinerer Territorien bis hin nach Norddeutschland einzugreifen. Ähnliches galt für die Reichskanzlei, die mithilfe eines Netzwerks von Residenten an den Höfen der mächtigen Reichsfürsten präsent war und diese an Wien zu binden verstand.15 Die Kaiser des 18. Jahrhunderts verfügten damit über ein fein austariertes Instrumentarium imperialer Politik, das ihnen die Option eröffnete, die politische Bühne Zentraleuropas zu dominieren. Selbst mächtige Kurfürsten wie jene von Sachsen, Bayern oder Brandenburg konnten sich ihrem Einfluss schwerlich ganz entziehen. Doch die Kaiserkrone war mehr als nur ein weiteres Amt, das die Macht der ohnehin schon so mächtigen Dynastie weiter vermehrte. Sie war verbunden mit dem Anspruch ihres Trägers, als Protektor der Kirche und weltliches Oberhaupt der Christenheit zu fungieren. Der Kaiser war der vornehmste

Zukunftsperspektiven eines Kaiserhauses   •   17

Fürst des Abendlandes. Er beanspruchte zeremonielle Präzedenz vor allen anderen Souveränen des Kontinents. Dies war mehr als nur ehrenvoll – es war von hoher politischer Relevanz. Zahlreiche Territorien des habsburgischen Herrschaftsverbandes mochten zwar außerhalb des Alten Reiches stehen, der Glanz des Kaisertitels jedoch blieb auch hier nicht ohne Wirkung. Er gab dem mit der Pragmatischen Sanktion für unteilbar erklärten Reich an der Donau einen gemeinsamen Bezugspunkt. Durch ihn ließen sich innere Gegensätze kaschieren. Durch ihn erschien es überflüssig, nach den Grenzen des habsburgischen Reiches zu fragen und eine klare Linie zwischen innen und außen einzufordern. Nie schien der Kaisertitel wichtiger als gerade in einem Moment, in dem Habsburgs Verband der vielen Kronen vor innerem Zerfall und Aufteilung durch äußere Mächte verteidigt werden musste. Ausgerechnet die Krone des Heiligen Römischen Reiches jedoch war für eine weibliche Erbin Karls VI. unerreichbar. Zwar war niemals ein Reichsgesetz erlassen worden, das die Wahl einer Frau verbot, das Reichsherkommen jedoch sprach hier eine eindeutige Sprache. So waren selbst im Kurfürstenkolleg keine Frauen zugelassen. Eine Königin von Böhmen würde daher, das war schon früh klar, Schwierigkeiten haben, ihre Stimme als Kurfürstin geltend zu machen. Hoffnungen auf eine Wahl Maria Theresias waren dementsprechend illusionär. Die Möglichkeit wurde nicht einmal in Wien ernsthaft diskutiert. Kaiserin konnte eine Tochter Karls VI. nur auf einem Wege werden – auf jenem der Heirat.16 Die Ehefrauen der römischen Kaiser wurden unmittelbar nach der Krönung ihrer Männer als Imperatrix bezeichnet. In einigen Fällen wurde diese Würde durch eine Krönungszeremonie noch aufgewertet. Das war aber nicht nötig, da Kaiserinnnen keinerlei staatsrechtliche Funktionen im Reich besaßen.17 Auf sie konnte eine Tochter Karls VI. indes verzichten, solange ihr Mann das Amt im Einvernehmen mit ihr ausübte. Wichtiger war für sie die symbolische Aufwertung der eigenen Person. Für sie würden der Glanz des Imperiums und die Möglichkeit, Bilder und Symbole des Reiches zu vereinnahmen, um die brüchige Legitimität des eigenen Herrschaftstitels zu stabilisieren, im Vordergrund stehen. So stand Karl  VI., der letzte Kaiser der habsburgischen Dynastie, vor schwierigen Aufgaben. Wenn seine Frau nicht doch noch einen Sohn gebären würde – und danach sah es bereits Mitte der 1720er-Jahre nicht mehr aus –, musste er die politische und rechtliche Durchsetzung der Pragmati-

18   •   Der letzte Spross des Hauses Habsburg

schen Sanktion mit Hochdruck betreiben. Nur sie würde einer Tochter die Möglichkeit geben, das habsburgische Reich zusammenzuhalten. Zugleich musste er eine wichtige Grundsatzentscheidung für die Zukunft treffen – es galt, den richtigen Ehepartner für seine älteste Tochter zu finden. Es musste ein Mann sein, der die Integrität habsburgischer Tradition nicht antastete und zugleich auf die Wahl durch das Kurfürstenkollegium hoffen durfte. Während die kleine Erzherzogin Maria Theresia ihre Kindheit und Jugend verlebte, nahmen ihr Vater und seine Räte, allen voran der greise Prinz Eugen, Weichenstellungen vor, die ihr künftiges Leben bestimmten. Sie schufen die Voraussetzungen und die Rahmenbedingungen für ihr späteres Handeln. Die Bühne, auf der sie agieren würde, wurde von ihnen gestaltet.

Maria Theresia Die Tochter

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erzig und lustig – das Familienleben

Nachmittag bei Weib, kind herzig lustig – so der Tagebucheintrag Karls VI. vom 28. Februar 1724. Es war einer der wenigen, die sich nicht mit der Jagd oder politischen Angelegenheiten beschäftigten, sondern mit der eigenen Familie.1 Die traf sich gleichwohl regelmäßig. So pflegte der Kaiser, wann immer er sich in Wien aufhielt, täglich mit seiner Gattin unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu speisen. Über das Verhältnis der Familienmitglieder untereinander und ihre Gespräche hinter verschlossenen Türen lässt die schriftliche Überlieferung allerdings kaum Aussagen zu. Das gern kolportierte Bild des intakten Familienlebens, das Maria Theresia genossen habe, und des geradezu bürgerlichen Umgangs zwischen Vater und Tochter ruht auf einer überaus dünnen Quellenbasis. Über den öffentlichen, den höfischen Umgang miteinander sind wir demgegenüber ausgezeichnet unterrichtet. Gemeinsame Kirchgänge und Gastmähler wurden vom »Wienerischen Diarium« akribisch dokumentiert und einem breiteren Publikum zweimal die Woche gedruckt mitgeteilt. Gegenstand der Berichterstattung war etwa ein Pfingstausflug der Familie vom 16. bis 21. Mai 1728 nach Schloss Laxenburg.2 Der geneigte Leser erfuhr, dass die Majestäten gemeinsam die Gottesdienste besuchten und die Kaiserin am Abend des ersten Tages einen Spaziergang in die umliegenden Wälder unternahm, um dort einer Serenade zu lauschen. Am nächsten Tag habe der Monarch am Morgen mit seinen Räten die Staatsgeschäfte besprochen, um sich danach auf die Reiherjagd mittels Falken – der sogenannten Reiherbeize – zu begeben. Die Töchter wohnten diesem überaus beliebten Jagdvergnügen erstmals bei, wie das Diarium vermerkt, und wurden damit in die kaiserliche Jagdgesellschaft eingeführt.3

20   •   Die Tochter

Bei Auftritten wie diesen erschien die Familie als perfekt eingespieltes Ensemble. Sie bewies Harmonie und die Beherrschung der höfischen Etikette. Mehr noch: Kaiser, Kaiserin und Erzherzoginnen wirkten als höfische Sinngeber und Motivatoren. Ihr Verhalten verwies auf zentrale Leitnormen der höfischen Gesellschaft und forderte das Publikum auf, gleichfalls Frömmigkeit, Kunstsinn und Ritterlichkeit zu beweisen. Als Einladung an das Publikum, sich am Spiel der Monarchen zu beteiligen, konnten insbesondere emotionale Äußerungen dienen. Zeichen der Liebe – etwa das Vergießen von Tränen – festigten die höfische Gemeinschaft durch affektives Erleben, sie demonstrierten des Monarchen Fähigkeit, seinen Worten durch rhetorisches Weinen Glaubwürdigkeit zu verleihen und dienten als Beweise kaiserlicher Wertschätzung.4 Gefühlsausbrüche waren im höfischen Kontext meist als Elemente der symbolischen Kommunikation zu deuten. Dies bedeutete allerdings nicht, dass Karl seiner Gattin mit kühler Distanz begegnete, sobald man unter sich war. Tatsächlich zeugen zahlreiche seiner Tagebucheinträge von einer geradezu ängstlichen Sorge um den Gesundheitszustand seiner Frau.5 Politisches Kalkül, höfisches Spiel und emotionale Nähe waren im Umgang der Familienmitglieder untereinander kaum zu trennen.6 Als Beispiel sei das Verhältnis Karls VI. zu seiner Schwester Maria Elisabeth (1680–1740) genannt, die seit 1724 den schwierigen Posten einer Statthalterin in den ­österreichischen Niederlanden innehatte. Aufgrund der Distanz war die Pflege familiärer Kontakte mit ihr nur auf schriftlichem Wege möglich. Alle drei Tage sandten sie einander Briefe. 7 Den letzten empfing Karl VI. am 20. September 1740 – wenige Wochen vor seinem Tod. Die Schreiben an den Gnädigsten Herrn und geliebtesten Bruder begannen stets mit der Versicherung, die Schwester wolle sich dem Kaiser untertänigst zu Füßen legen, um dann rasch auf jenes Thema einzugehen, das beide brennend interessierte: das eigene körperliche Befinden. Sie habe, so Maria Elisabeth am 2. August, einen furchtbaren Husten entwickelt, der überaus lästig sei. Drei Tage später, am 5. August, hatte sich ihr Gesundheitszustand nicht gebessert. Nun habe sich der Schleim in der Lunge festgesetzt, so klagte sie. Nicht einmal mehr ruhig schlafen könne sie, so hieß es im Brief vom 9. August. Sie hoffe, der Bruder könne ihr Rat geben. Im Übrigen komme sie nicht umhin, einen ihrer brabantischen Räte für die kostenlose Aufnahme in den Adelsstand vorzuschlagen. Karl werde ihr diese kleine Bitte doch sicher erfüllen können. Der durfte am 12. August dann vernehmen, dass das empfohlene Sälzerwasser – heute besser bekannt als Selters – tatsächlich die Wende gebracht habe. Es gehe ihr merklich besser.

Erziehung und Bildung   •   21

Wenn sich auch der Stil des Briefwechsels nicht unmittelbar auf das Verhältnis des Kaisers zu Frau und Kindern übertragen lässt, so erhellt er doch, wie wichtig persönliche Bindungen für den reibungslosen Kontakt zwischen den beiden politischen Entscheidungsträgern waren. Die Schwester konnte vom Kaiser leichter einen Gefallen erbitten, der ihre eigene Position in Brüssel festigte, als andere Amtsinhaber. Ein ähnlich enges Geschwisterverhältnis wurde von den Eltern auch bei den eigenen Kindern gefördert. Maria Anna (1718–1744), die nur ein Jahr jüngere Schwester Maria Theresias, gehörte zu deren engsten Bezugspersonen. Wie eng die Beziehung war, zeigte der psychische Zusammenbruch der späteren Monarchin, als sie vom Tod der Schwester im Dezember 1744 erfuhr. Maria Anna war zu diesem Zeitpunkt Nachfolgerin ihrer Tante Maria Elisabeth als Statthalterin in Brüssel.8 So war die Familie beides – eine affektive Gemeinschaft und ein geradezu geheiligtes Zentrum des Hofes. Frau und Kinder waren indes nicht nur Statisten auf höfischer Bühne, sie waren Leitsterne eines eigenen Hofstaates, wobei jene der Töchter eher bescheidene Ausmaße besaßen.

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rziehung und Bildung

Als Erzherzog hätte des Kaisers Erstgeborener schon im Alter von sechs Jahren Anspruch auf einen stattlichen Kreis von Amtsträgern und Bediensteten gehabt. Die Töchter Karls VI. blieben dagegen auf die dem Hof der Kaiserin nachgeordnete Kinderstube beschränkt. Die bestand 1719 aus zwei Köchinnen, zwei Kammerdienern, zwei Kammertürhütern, drei Kammerheizern und einem Küchenträger. Bis 1734 traten noch ein Leibschneider, ein Sommelier, ein Silberdiener, ein Beichtvater, vier Lehrer und ein Büchsenspanner hinzu. Sie alle hatten nicht nur der Thronfolgerin zu dienen, sondern auch deren Schwestern, der 1718 geborenen Maria Anna und der 1724 geborenen Maria Amalia. Die drei Erzherzoginnen bildeten also eine Form von Wohngemeinschaft, die sie zusammenschweißte. Als Leibpersonal standen Maria Theresia lediglich eine Kammerfrau, zwei, später drei Kammerdienerinnen und ein »Kammermensch« zur Verfügung. Erst 1735, im Jahr ihrer Volljährigkeit, wurde dieser bescheidene Haushalt um einen Obersthofmeister und einen Tanzmeister erweitert.9 Hinzu kam das Lehrpersonal. Neben Unterweisungen in katholischer Theologie, die ihr von jesuitischen Lehrern nahegebracht wurde, wurde gro-

22   •   Die Tochter

ßes Gewicht auf die Sprachausbildung gelegt. Die Eltern Maria Theresias waren – wie alle Habsburger Herrscherpaare – mehrsprachig, wenn auch die Verkehrssprache innerhalb der Familie ein wienerisch geprägtes Deutsch war.10 Karl VI. bevorzugte ansonsten das Italienische, war aber auch des Spanischen mächtig. Der Gebrauch der französischen Sprache war ihm geläufig, verursachte aber, wie Prinz Eugen den Prinzen von Lothringen wissen ließ, beim Kaiser regelmäßig schlechte Laune. Das unterschied ihn von seiner welfischen Gemahlin, die am heimischen Hof in Hannover mit ihrer Familie vor allem französisch gesprochen hatte. Von Maria Theresia wurden selbstverständlich ähnlich breit gefächerte Sprachkenntnisse erwartet. In Italienisch wurde sie vom Sieneser Giovanni Claudio Pasquini unterrichtet. Der spätere Hofpoet gehörte zu den produktivsten Dichtern von Opernlibretti seiner Zeit. Hinzu trat der Unterricht in Französisch, Spanisch und im für den Verkehr mit den ungarischen Magnaten so wichtigen Latein.11 Die spätere Monarchin sprach alle genannten Sprachen fließend, bevorzugte jedoch für die gesellschaftliche Korrespondenz das Französische, für den allgemeinen Amtsverkehr das Deutsche.12 Ihre Mathematik-, Musik- und der Tanzlehrer waren Italiener, während das Fach Geschichte vom deutschsprachigen Jesuiten Johann Franz Keller und von dem lange in Italien weilenden, illustren Konvertiten Gottfried Wilhelm Spannagel vertreten wurde.13 Letzterer gehörte zu den interessantesten Persönlichkeiten im Umkreis der jungen Erzherzogin und zu den gelehrten Hauptpropagandisten des Hauses Habsburg, der dessen Rechte in Italien mit seinen Studien ebenso zu verteidigen suchte wie die Pragmatische Sanktion. Die habsburgischen Erblande, so suchte er zu beweisen, seien aus historischen wie juristischen Gründen eine untrennbare Einheit.14 Die Ausbildung der Erzherzogin war dessen ungeachtet vorwiegend auf ihre gesellschaftliche Rolle am Hof ausgerichtet. Davon, dass hier eine künftige M ­ onarchin unterrichtet wurde, war kaum etwas zu bemerken. Maria Theresia wurden weder Kenntnisse im Reichsrecht noch in Ökonomie, weder in Philosophie noch in Militärtechnik vermittelt. Die zentrale Rolle innerhalb der Kinderstube spielten ohnehin nicht die Lehrer, sondern die Aya, die Erzieherin. Ausgewählt für diese Position wurden Personen, die mit den komplexen Regeln des habsburgischen H ­ ofes bestens vertraut waren. Sie und nicht etwa die Eltern hielten die Zügel der pädagogischen Arbeit in den Händen.15 Das war nicht ungewöhnlich in den europäischen Herrscherhäusern: Den Charakter eines Fürsten oder einer

Erziehung und Bildung   •   23

Fürstin zu formen war schließlich eine schwierige Aufgabe. Sie in die Hände liebender Eltern zu geben, mochte in diesem Zusammenhang kontraproduktiv sein. Nicht mütterliche und väterliche Liebe waren hier gefragt, sondern die professionelle Distanz eines Menschen, der sich ausschließlich dieser Aufgabe widmete. Im Ergebnis blieb diese Konstellation allerdings kaum ohne Folgen für die Bindung zwischen Eltern und Kindern. Über die Beziehung Maria Theresias zu ihrem Vater können wir wenige Aussagen machen, jene zur Mutter, die am Hofe als ebenso intrigant wie politisch erfolglos galt, war offenbar eher distanziert.16 Umso herzlicher gestaltete sich ihr Verhältnis zu den besagten Ayas, deren erste vom kaiserlichen Paar schon am 4. April und damit über einen Monat vor ihrer Geburt bestimmt wurde. Anna Dorothea Gräfin von Thurn und Valsassina war die Ehefrau des verstorbenen Hofmeisters der Kaiserinwitwe Eleonora und hatte zuvor der Königin von Portugal als Obersthofmeisterin gedient.17 Sie, die bereits das kurze Leben des Erstgeborenen begleitet hatte, war präsent, wann immer die kleine Erzherzogin am Hofe aufzutreten hatte. Als die Mutter am 19. Juni 1717 erstmals das Kindbett verließ, um mit Ehemann und Kind die Messe zu besuchen, trug die Gräfin den Säugling auf einem roten Kissen in die Kirche.18 Zwei Jahre später, beim Empfang des türkischen Botschafters, nahm sie dessen Handkuss stellvertretend für ihren Schützling entgegen. Die Gräfin starb bereits im Februar des Jahres 1724. Maria Theresia war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt. Was ihr von ihrer Erzieherin blieb, war immerhin eine lebenslange Freundschaft zu deren 1694 geborener Tochter Maria Rosalia. Wie der Kontakt zwischen der jungen Frau, die im Dienste der Kaiserinmutter stand, und der Erzherzogin aufrechterhalten und gepflegt wurde, darüber wissen wir, wie über so vieles in der Kindheit und Jugend Maria Theresias, nichts. Bekannt ist, dass Maria Theresia und Rosalia, liebevoll Salerl genannt, bis zu deren Tod 1769 ein ausgesprochen enges Verhältnis pflegten. Die spärlichen Reste des Briefwechsels mit der späteren Gräfin Edling gehören zu den wenigen Zeugnissen einer tiefen menschlichen Verbundenheit, die aus ihrer Feder erhalten geblieben sind.19 Von der Gräfin von Thurn und Valsassina ging das Amt an die Gräfin Anna Isabella von Stubenberg über, die ihrer Vorgängerin bereits als Obersthofmeisterin der mittlerweile verstorbenen Kaiserinwitwe nachgefolgt war. Auch die neue Aya verweilte nur kurz in Diensten der Erzherzogin, denn sie starb im Juli 1728 in Graz. Aufgrund der zahlreichen Medikamente und der

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sommerlichen Temperaturen ging, wie es in einem Bericht heißt, ein bestialischer Gestank von ihrem Leichnam aus. Um den Trauergottesdienst durchführen zu können, habe die Kaiserin befohlen, den Sarg so rasch wie möglich zuzunageln.20 Sie sei dann von 8 Ihrer Mayestät des Kaysers, der Kayserin und der Jungfer Mariae Theresa Cammmerdienerinnen über den breiten Gang by Ihrer Mayestät der Kayserin zum meren Vorbey getragen und schließlich beigesetzt worden.21 Am 3. November 1728 stieß eine weitere Erzieherin zur jungen Erzherzogin (s. Abb. 1), die rasch zu ihrer engsten Vertrauten wurde und deren Gesundheit hinreichend stabil war, um ihr Amt dauerhaft ausfüllen zu können.22 Der Vater der Gräfin Maria Karolina von Fuchs-Mollard (1681–1754) hatte dem Hause Habsburg ebenso wie ihr früh verstorbener Ehemann in hohen Positionen gedient.23 Ihre Töchter hatten in hochgeachtete Adelsfamilien eingeheiratet. Die »Füchsin«, wie Maria Theresia sie später nennen sollte, kannte den Hof und die sie prägenden Personen nach Einschätzung der Zeitgenossen genau. Sie wusste von Stärken und Schwächen, Allianzen und Feindschaften und konnte ihrem Schützling damit unentbehrliche Hintergrundinformationen geben.

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er Lothringer

Nicht weniger als 41 junge Adelige wurden von Karl VI. 1723 anlässlich seiner Krönung zum König von Böhmen in Prag zum Ritter geschlagen. Es verstand sich von selbst, dass dieses pompöse Fest ein Treffpunkt der Eliten des Reiches war.24 Man begegnete sich, lernte sich kennen, vertiefte alte Bekanntschaften, knüpfte neue Verbindungen. Zu letzterem befand sich der junge lothringische Thronfolger Franz Stephan in der Nähe von Prag. Seine Aufgabe war es, Schadensbegrenzung nach einer Katastrophe zu betreiben. Stattgefunden hatte sie wenige Wochen zuvor, am 4. Juni 1723 in Luneville. Sein Bruder Leopold Clemens Karl von Lothringen (1707–1723), der älteste Sohn des kaiserlichen Feldherrn und gefeierten Türkenbezwingers Herzog Leopold Joseph von Lothringen, war an Pocken gestorben. Der junge Prinz war jahrelang sorgfältig auf seine zukünftigen Aufgaben als Landesfürst, vor allem aber als Gatte einer habsburgischen Prinzessin vorbereitet worden. Der Vater hatte alle seine Hoffnungen auf diesen Sohn gesetzt. Wenn es gelang, ihn dem Kaiser als idealen Schwiegersohn zu präsentieren, als einen Mann,

Der Lothringer   •   25

der Habsburgs Erbe achten würde und die Kaiserkrone erringen konnte, so durfte er hoffen, als Lohn die Rettung Lothringens fordern zu können.25 Teile des Herzogtums Lothringen waren Reichslehen, andere standen unter der Oberhoheit des französischen Königs. Die Beziehung zu den Bourbonen gestaltete sich angesichts des territorialen Ausgreifens Frankreichs in Richtung Rhein kompliziert. Bereits seit dem späten 17. Jahrhundert bildete das Herzogtum eine unförmige Exklave des Reiches inmitten französischen Territoriums, und Paris ließ keinen Zweifel daran, dass es an dessen Erwerb dringend interessiert war. So blieb den Herzögen kaum etwas anderes übrig, als sich ganz dem Haus Habsburg zu verschreiben und mit ihm verwandtschaftliche Beziehungen zu knüpfen. Das war in der Vergangenheit bereits erfolgreich geschehen. Eine Heirat zwischen dem lothringischen Thronfolger und der ältesten Tochter Karls VI. würde eine endgültige Verschmelzung beider Häuser bedeuten und die Lothringer de facto zur Seitenlinie der Habsburger machen. Mit wärmsten Worten hatten die Vertreter des Herzogs dem Kaiser dieses Projekt schmackhaft zu machen versucht. Neben politischen Aspekten waren die charakterlichen Vorzüge des Prinzen ausgiebig dargestellt worden. Er, den Zeitgenossen als trinkfreudig und ausschweifend beschrieben, geriet bei den Brautwerbern zu einem sechzehnjährigen Wunderkind, dessen herausragende Eigenschaften Intelligenz und Kühnheit seien. Karl  VI. hatte sich durchaus interessiert gezeigt, immerhin waren die Lothringer mit dem europäischen Hochadel eng vernetzt und von keinerlei Nachwuchsproblemen gebeutelt. Vor allem aber waren sie den Habsburgern auf Gedeih und Verderb verbunden. Ein lothringischer Ehemann würde, sofern die Thronfolge tatsächlich auf eine Tochter überging, das habsburgische Imperium nicht als Verfügungsmasse und Erweiterung des eigenen Familienbesitzes ansehen. Karl VI. hatte daher nach langem Zaudern dem Vorschlag zugestimmt, das lothringische Heiratsprojekt näher zu prüfen. Der Tod des jungen Prinzen drohte nun, alle Pläne des Herzogs zu durchkreuzen. Er improvisierte und ließ seinen Gesandten in Wien in Eile einen neuen Plan vorschlagen. Während er noch die Beileidsbekundungen des Kaisers entgegennahm, erklärte Lothringens Vertreter, noch zwei weitere Prinzen im Angebot zu haben. Der Plan einer engen Verbindung zwischen beiden Häusern müsse also nicht scheitern. Der überraschte Kaiser wollte nicht unhöflich sein und willigte ein, sich den Zweitgeborenen tatsächlich einmal näher anzusehen. Als Termin des

26   •   Die Tochter

Treffens wurde die Krönung in Prag vereinbart. Darauf wurde der Zweitgeborene in den folgenden Monaten fieberhaft vorbereitet. Franz Stephan erhielt einen Intensivkurs im Umgang mit dem heiklen Kaiser. Karl VI., so wurde ihm eingeschärft, würde keinen Fehler verzeihen. Sicherheit in Fragen des Zeremoniells, Gewandtheit in der aristokratischen Selbstdarstellung und die Fähigkeit, beim scheuen Habsburger Sympathie hervorzurufen, waren gefragt. Franz Stephan musste respektvoll, aber nicht demütig auftreten, selbstbewusst, aber nicht arrogant. Die Einzelheiten der ersten Begegnung waren genauestens festgelegt. Man traf im Rahmen eines Jagdausflugs am 10. August zusammen. Der Kaiser nahm den jungen Mann, der die Ehre hatte, während des Essens hinter ihm zu stehen, huldvoll auf. Die erste Prüfung bestand er. Es war dem vierzehnjährigen Prinzen sogar vergönnt, noch am selben Tage den potentiellen Lohn seiner Bemühungen kennenzulernen. Die Kaiserin und ihre beiden Töchter Maria Theresia und Maria Anna empfingen den etwas schlaksigen, gleichwohl attraktiven jungen Mann. Dass seine künftige Frau dessen äußerliche Vorzüge bereits wahrnahm, darf jedoch bezweifelt werden – sie war zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt.

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ie singende Erzherzogin

Samstag/ den 4. November/ als an dem Fest des Heil. Cardinals/ und Ertzbeschofens zu Mailand Carola Borromaei, wurde bey Hofe Ihrer Kaiser. Cathol. Majestät/ unsers Allgnädigsten Herrn/ Glorwürdigster Namens-Tag in höchst feyerlichst und kostbarster Gala begangen.26 Die Feierlichkeiten, von denen das »Wienerische Diarium« vom 8. November 1730 berichtete, gehörten zu den Höhepunkten des höfischen Festkalenders. Die geheiligte Person des Monarchen gedachte seines Namenspatrons, des glaubensstarken Mailänder Kardinals Carlo Borromeo. Der fein choreographierte Ablauf dieses Festtages begann selbstredend mit einem Kirchgang. Umrahmt von hohen geistlichen Würdenträgern und begleitet vom venezianischen Botschafter feierte die kaiserliche Familie in der Michaelerkirche die heilige Messe. Es war ein Moment der Andacht, des Dankes und der Demut. Der sich erniedrigte, der vor seinem Schöpfer kniete und sich umringt von Kirchenfürsten ganz in das Wirken eines geheiligten Bischofs versenkte, erstand vor den Augen des Betrachters als Inbegriff einer auf Gottes Schöpfung ausstrah-

Die singende Erzherzogin   •   27

lenden Tugendordnung. Nur wer seinen eigenen Stolz überwand und sich der Majestät Gottes hingeben konnte, war befähigt, als dessen Instrument in der Welt zu wirken. Gemeinsam mit seiner Gattin Elisabeth Christine und den beiden Töchtern Maria Theresia und Maria Anna kehrte der geistlich Gestärkte und Erneuerte in die Hofburg zurück. Hier empfing der allerhöchste Monarch die Glückwünsche der weltlichen Würdenträger und Diplomaten. Auf höfischer Bühne war nun er der Gegenstand der Verehrung. Jeder Schritt, jede Handreichung, jedes Wort, das an ihn gerichtet wurde, diente der Verherrlichung seiner Person, seines Reiches, seiner Krone. Das anschließende Festmahl, das dem erlauchten Paar durch seine adligen Kammerherren serviert wurde und das es zum Zeichen der herausgehobenen Bedeutung des Tages öffentlich einnahm, glich daher einem weltlich gewendeten geistlichen Hochamt. Im Hintergrund erklang eine Kantate, die die göttliche Harmonie, in der das Tugendpaar sich befand, für sein Publikum erfahrbar machte. Es verspeiste die Früchte Gottes vor den Augen seiner Untertanen. Die Majestäten verwandelten dabei den Akt der eigenen physischen Stärkung in ein Schauspiel. Nur im Zusammenspiel konnte diese Perfektion erreicht werden. Jeder, auch der Speisende, spielte seine Rolle, hatte hinter die Handgriffe, die er zu voll­ziehen hatte, zurückzutreten. Die Intensität der öffentlichen Zurschaustellung und der Huldigung der kaiserlichen Majestät verlangte nach einem kurzen Moment des Innehaltens und der Selbstreflexion. Der Erhöhte hatte seine noble Gesinnung zu beweisen, indem er sich einmal mehr selbst demütigte. Karl und Elisabeth zogen sich zum Vespergottesdienst zurück. Kaum hatte die Stille den Hof erstarren lassen, da wurde sein emsiges Treiben von der Hand der Kaiserin erneut erweckt, hatte sie doch – wie das »Wienerische Diarium« vermeldete – eine Oper in Auftrag gegeben.27 Das Libretto stammte aus der Feder des kaiserlichen Poeten und Hofhistoriographen Apostolo Zeno, die Musik war vom kaiserlichen Vizekapellmeister Antonio Caldara komponiert worden, während die Inszenierung in den Händen des kaiser­ lichen Theateringenieurs Anton Galli Bibiena lag. Eine der Sängerinnen zog bei diesen musikalischen Darbietungen besondere Aufmerksamkeit auf sich: Erzherzogin Maria Theresia. Der Titel der von ihr gesungenen Arie lautete »Germania il di che spende Sagro all Augusto nome« – die Tochter wurde zur musikalischen Verkünderin des kaiserlichen Ruhms.28 Ihre helle Stimme und die technische Brillanz ihres Vortrags lösten Erstaunen und Entzücken aus. Sie verfügte offenbar über eine geschulte

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Stimme, die sie von nun an gemeinsam mit ihrer Schwester des öfteren vor höfischem Publikum erklingen ließ. Auf der Bühne verkörperte sie Tugendfiguren, gab ihnen ein Gesicht und eine Stimme. Sie verschmolz vor den Augen und Ohren des Publikums mit jenen Eigenschaften, die die Habsburger als Fundament ihrer Herrschaft ansahen. Nicht das Geblüt allein, sondern die aus Gottes Segen und edler Herkunft resultierenden sittlichen und politischen Tugenden befähigten sie, das Schicksal anderer zu lenken. Die Erzherzogin besang jedoch nicht nur die Herrscherqualitäten ihres Vaters, sie wurde auch selbst musikalisch geehrt. Seit 1720 wurden Namenstag-Kompositionen für sie in Auftrag gegeben, was eine ungewöhnliche Neuerung am Wiener Hof darstellte, waren doch bislang die Kaiserinnen die einzigen weiblichen Mitglieder des Hauses, denen diese Ehre zuteil wurde. Die Kantaten, die zum Teil den Charakter kleiner Opern hatten, folgten ­einem immer gleichen Schema: Nach einer Sinfonia wurde durch ein Rezitativ der Anlass des musikalischen Lobgesangs bekannt gegeben. In Arien und Rezitativen begann nun ein lebhaftes Frage-Antwort-Spiel, das den Sängern all ihr virtuoses Können abverlangte. Die Botschaft dieser Panegyriken blieb im Grunde stets dieselbe: Die Tugend siegt über die Versuchung, und die Verkörperung dieser Tugend ist die besungene Erzherzogin. Während die jüngere Tochter des Kaisers, Maria Anna, für ihre Tugend, ihre Ehre und ihre Unschuld gepriesen wurde, war das Spektrum der guten Eigenschaften, die Maria Theresia zugebilligt wurden, deutlich breiter. Hier gehörten auch Klugheit, Majestät, Glück und Ruhm dazu. Auffällig war vor allem der wiederholte Auftritt der Zeit: Anders als bei der jüngeren Schwester wurde in den Kantaten auf Maria Theresia das langsame Wachstum in der Tugend besungen. Ab 1726 wurde dieses Motiv noch zusätzlich variiert. Die Zeit, so wurde verkündet, werde kommen, in der sie den Tugendthron besteigen werde. Lorbeerkränze, die ihr überreicht wurden, unterstrichen diese Botschaft zusätzlich. Auch wenn sie eine Frau war, glich sie ihren Vorfahren im Charakter und in der Fähigkeit, die eigenen Tugenden in angemessener, die zugewiesene Rolle nicht überschreitender Weise zu demonstrieren. Ganz vorsichtig wurde die junge Prinzessin zur Thronfolgerin aufgebaut. Zwar blieb ihr Hofstaat klein und sie selbst von politischer Mitsprache weitgehend ausgeschlossen, dennoch ließen die symbolischen Aufwertungen, die ihr zuteil wurden, keinen Zweifel daran, dass sie die künftige Monarchin sein würde.

Der Brautpreis   •   29

Dass sie am Spiel der Macht nicht teilnahm und auf den Aufbau eines eigenen Netzwerks verzichten musste, hatte für die Erzherzogin nicht zwingend negative Folgen. Vor ihr mussten jene, die an den Schalthebeln der Politik saßen, keine Angst haben. Sie hatte kein Ersatzpersonal aufgebaut und würde im Falle der Thronfolge auf die alten Diener ihres Vaters zurückgreifen müssen. Dass sie indes naiv und unvorbereitet diesem Tag entgegentaumelte, konnte kaum behauptet werden. Sie hatte den Wiener Hof kennengelernt, diesen Mikrokosmos, in dem sich die Konflikte des Reiches widerspiegelten und dessen Intrigen in seine Provinzen ausstrahlten. Als Erzherzogin von mindermächtiger Bedeutung hatte sie ihn von innen in all seinen Facetten erlebt. Wenn sie auch über Kriegsführung oder Finanzen allenfalls indirekt Kenntnis erhielt, das glatte Parkett des Hofes, die Kunst der Selbstdarstellung und der Manipulation kannte sie. Der hellsichtige englische Gesandte Thomas Robinson beobachtete diese Entwicklung aufmerksam und kam bereits 1733 in einem Brief an Lord Harrington zu einem überraschenden Urteil über die Sechzehnjährige: Sie ist eine Fürstin von hoher Begabung. Ihres Vater Verluste sind auch die ihren. Sie beginnt bereits darüber nachzudenken und nimmt an den Staatsgeschäften Anteil. Sie bewundert zwar ihres Vaters Tugenden aber sie verurteilt seine Misswirtschaft. Ihr Wesen ist für die Herrschaft wie geschaffen und voller Ehrgeiz betrachtet sie ihren Vater als wenig mehr denn als ihren Verwalter.29

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er Brautpreis

Einige Wochen nach der ersten Begegnung zwischen Maria Theresia und Franz Stephan war die Entscheidung bereits getroffen. Kaiser Karl VI. stimmte einer künftigen Eheschließung grundsätzlich zu, erbat allerdings Stillschweigen über diese Vereinbarung. Der künftige Gatte der Thronfolgerin reiste nun mit der restlichen Familie nach Wien. In den kommenden sechs Jahren wurde er zum ständigen Jagdbegleiter des Kaisers. Was es bedeutete, ein Habsburger zu sein, wie ein Monarch die rivalisierenden Parteien am Hofe in Schach hielt, und welche Finessen anzuwenden waren, um nicht selbst auf dem glatten Parkett des Zeremoniells auszugleiten, all das lernte Franz Stephan durch direkte Anschauung.

30   •   Die Tochter

Als er 1729 nach dem Tod des Vaters nach Lothringen zurückkehrte, war er den Interessen der Hofburg und damit seiner Zukunft mehr verpflichtet als jenen seines Herzogtums. Über die Zukunft Lothringens wurde ohnehin nicht von ihm, sondern von seinem zukünftigen Schwiegervater entschieden. Karl VI. wünschte den Ausgleich mit Frankreich und zugleich die Lösung eines Problems, das Europa seit 1733 in Atem hielt: Es ging um die polnische Thronfolge, auf die neben dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August II. auch der Schwiegervater Ludwigs XV., Stanisław Leszczyńki, Anpruch erhob. Der Kaiser hatte sich im Zuge der Auseinandersetzung, die schließlich in einen Krieg mündete, mit Russland und Preußen auf die Seite Sachsens gestellt. Wie sich zeigen würde, war dies eine eher unglückliche Wahl.30 Der polnische Erbfolgekrieg geriet zu einem ökonomischen, politischen und vor allem militärischen Desaster für den Kaiser. Mühsam suchte die Hofburg nach einem Friedensschluss, der nicht allzu blamabel aussah. Was die polnische Thronfolge anging, so gelang es tatsächlich, diese für den Sachsen zu erreichen. Auch wurde Paris die Zustimmung zur Pragmatischen Sanktion abgerungen. Doch der Preis für diese eher symbolischen Zugeständnisse war hoch. Wien musste Neapel und damit ganz Süditalien an den spanischen König abtreten. Zudem verpflichtete es sich, Stanisław zu entschädigen. Zum Ausgleich für den Verlust Polens sollte er Lothringen erhalten. Dessen Landesherr Franz Stephan wurde im Gegenzug das Erbe des kinderlosen Großherzogs der Toskana zugesagt. Die Familie Franz Stephans, vor allem seine Mutter, reagierte mit Empörung auf dieses Ansinnen – immerhin wurde hier der Sinn und Zweck der Allianz mit den Habsburgern in sein Gegenteil verkehrt. Statt sich für Lothringens Existenz als unabhängiger Reichsstand einzusetzen, hatte der Kaiser es ohne Zaudern aufgegeben. Was er für das Herzogtum als Kompensation herausgeholt hatte, erschien der Mutter des jungen Lothringers wenig attraktiv. Immerhin erfreute sich der toskanische Großherzog zum Zeitpunkt des Friedensschlusses 1735 noch bester Gesundheit. Franz Stephan sollte also die Position eines souveränen Fürsten gegen ein Versprechen eintauschen, dessen Wert zweifelhaft war. Um die erbitterten Verhandlungen, die zwischen den Kontrahenten geführt wurden, ranken sich unzählige Mythen. So soll Johann Christoph Freiherr von Bartenstein (1689–1767) Franz Stephan mit dem Satz: Keine Abtretung, keine Erzherzogin, zum Verzicht auf Lothringen gezwungen haben. Wie

Das ungleiche Paar   •   31

dessen Biographin Renate Zedinger zu Recht festhält, gibt es dafür keinerlei Beleg, und es ist zudem sehr unwahrscheinlich, dass ein kaiserlicher Rat gegenüber einem regierenden Fürsten eine solche Wortwahl an den Tag legte.31 Tatsächlich wurde rasch klar, dass das von Frankreich besetzte Herzogtum Lothringen ohnehin verloren war und es nun galt, den höchstmöglichen Preis für die formelle Aufgabe des Territoriums herauszuschlagen. Dies gelang Franz Stephan zweifellos: Er wurde zum Statthalter der österreichischen Niederlande ernannt – Statthalter Ungarns war er bereits –, durfte sämtliche seiner beweglichen Güter aus Lothringen mitnehmen, erhielt die Zusicherung der standesgemäßen Versorgung seiner Mutter und seiner Schwestern und errreichte, dass Karl VI. einer Heirat zwischen seinem Bruder Karl Alexander und der zweiten Tochter des Kaisers, Erzherzogin Maria Anna, zustimmte. Mit dieser Übereinkunft waren die Häuser Lothringen und Habsburg de facto fusioniert. Das Überleben der Casa Austria war damit an das des Hauses Lothringen gekoppelt.

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as ungleiche Paar

Die offizielle, nunmehr in ganz Europa zur Kenntnis genommene Brautwerbung fand am 31.  Januar 1736 statt. Sie begann mit einem Gespräch zwischen dem Lothringer und seinem künftigen Schwiegervater und endete mit der Überreichung seines Porträts an die achtzehnjährige Erzherzogin, der er einen Handkuss geben durfte.32 Die Zeit bis zur Eheschließung war durch intensive Verhandlungen und Vertragsabschlüsse geprägt. Es sollte ohne den Hauch eines Zweifels sichergestellt sein, dass Franz Stephan keinerlei Ansprüche auf habsburgisches Territorium erheben würde; dass für den Fall, dass dem Kaiser doch noch ein Sohn geboren wird, dieser selbstverständlich die Thronfolge beanspruchte, und dass die Thronfolge auf die jüngere Tochter überging, wenn diese zuerst einen Sohn gebären sollte. Am 12.  Februar 1736 gaben Maria Theresia und Franz Stephan sich in der Augustinerkirche in Wien schließlich das Ehegelöbnis. Ungeachtet der Tatsache, dass Franz Stephan zu diesem Zeitpunkt Lothringen noch nicht offiziell abgetreten hatte, ließ sich der ungleiche Status des Paares kaum kaschieren. Vor dem Altar stehend hatte zunächst Franz Stephan sein Jawort gegeben. Als Maria Theresia vom Nuntius gefragt wurde, ob auch sie das Ja-

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wort geben wolle, wandte die Erzherzogin sich getreu dem Zeremoniell dem kaiserlichen Paar zu, machte eine Referenz und fragte um Erlaubnis. Erst als diese ihr mit einem kaiserlichen Wink erteilt wurde, sprach sie volo, ich will. Die Braut ließ sich auch nach der Eheschließung weiterhin als Erzherzog­ liche Hoheit ansprechen – ein Titel, der, wie ein zeitgenössischer Berichterstatter kommentierte, viel höher gehalten wird als der einer Herzogin von Lothringen. Wer weiterhin das Haupt der Familie war, daran konnte also kein Zweifel bestehen.33 Der persönlichen Zuneigung des Ehepaars tat dies keinen Abbruch. Beide harmonierten ausgezeichnet, und schon weniger als ein Jahr nach der Hochzeit kam mit der Erzherzogin Maria Elisabeth (1737–1740) das erste Kind zur Welt. Das kleine Töchterchen sollte bis zur Thronbesteigung Maria Theresias 1740 noch weitere zwei Schwestern erhalten. Auch wenn der ersehnte männliche Thronfolger damit zu Lebzeiten Karls VI. noch nicht zur Welt kam, hatte das erzherzögliche Paar der Welt immerhin seine Fruchtbarkeit demonstriert. Franz Stephan hatte damit eine seiner wesentlichen Aufgaben in den Augen des Hofes erfüllt. So beruhigend dies sein mochte, in einer anderen Hinsicht hatte der Lothringer noch eine Bringschuld. Sofern der Schwiegersohn des Kaisers in der Zukunft jene Funktionen ausüben sollte, die Maria Theresia als Frau verwehrt waren, musste er eine Möglichkeit finden, aus dem Schatten der übermächtigen Habsburger her­ auszutreten. Der Tod des letzten erbberechtigten Medici im Sommer 1737 schien dafür eine ideale Möglichkeit zu bieten.34 Akribisch bereitete Franz Stephan den Einzug in sein neues Großherzogtum vor. Die Schlösser Lothringens waren mittlerweile mit beeindruckender Gründlichkeit ausgeräumt worden. Was sich an beweglichem Besitz fortschaffen ließ, hatte der junge Großherzog nach Florenz gebracht. Mit einer Flut von Porträts und Preziosen – Erinnerungsstücke an eine Jahrhundertealte Familiengeschichte – leitete Franz Stephan einen Vereinigungsprozess zwischen lothringischer, habsburgischer und toskanischer Tradition ein. Sie wurde durch die Entsendung getreuer Berater, die die Umsiedlung vorbereiteten, unterstrichen. Was fanden sie in Florenz vor? Das administrative und fiskalische Chaos, das die Medici angeblich hinterlassen haben, hat die Forschung mittlerweile als historischen Mythos entlarvt. Gleichwohl war das Gleichgewicht zwischen den Medici und den noblen Geschlechtern von Florenz Mitte des 18. Jahrhunderts fragil geworden. Die Zeit war nach dem Urteil vieler Zeit­

Der schwankende Koloss   •   33

genossen reif für Veränderungen. Genau dies versprach das neue Herrscherhaus. Mit Franz Stephan werde, so versicherte dessen diplomatische Vorhut, ein Großherzog in die Toskana einziehen, der die Besitzstände des Adels respektiert und zugleich neuen Familien Aufstiegschancen einräumt. Die kommende großherzogliche Regierung verhieß den Florentinern maßvolle Dynamik. Das Konzept überzeugte. Rund anderthalb Jahre nach Regierungsantritt war der Boden so weit bereitet, dass Franz Stephan von einem begeisterten Empfang ausgehen konnte, als er am 17. Dezember 1738 mit seiner Frau in die Toskana aufbrach. Er selbst reiste mit einem Hofstaat von 132 Personen, seine Gattin mit 62. Maria Theresia trat damit demonstrativ als die Frau an seiner Seite auf, während er die Rolle des souveränen Herrschers übernahm. In Begleitung des großherzoglichen Paares befand sich Franz Stephans Bruder Karl Alexander; auf der Rückreise traf die Reisegesellschaft in Innsbruck seine Schwester Anna Charlotte und seine Mutter Elisabeth Charlotte. Die künftige Kaiserin wurde von der lothringischen Verwandtschaft somit regelrecht umrahmt. Doch nicht nur die Familie des Lothringers spielte bei dieser Reise eine besondere Rolle. Auch das Personal, die Berater und die Künstler, die Franz Stephan seit seinem Regierungsantritt als Herzog von Lothringen 1729 um sich geschart hatte, durften ihre Effizienz und Kompetenz zeigen. Die rund drei Monate, die der Großherzog in der Toskana verbrachte, glichen in der Tat einem rauschenden, gleichwohl fein choreographierten Fest. Franz Stephan demonstrierte seinen Untertanen, mehr noch den Reichsfürsten, dass er, der Lothringer, in der Lage war, auch unter schwierigen Bedingungen als souveräner Herrscher aufzutreten. Seiner Frau, die schon bald ganz offen die Führung auch in familiären Angelegenheiten übernahm, hatte die Zeit in Italien vor Augen geführt, dass ihr Mann über ein höchst funktionsfähiges eigenes Netzwerk von Beratern verfügte, das zur rechten Zeit auch ihr von Nutzen sein konnte.

D

er schwankende Koloss

Das Reich, das sie erben würde, hatte schon bessere Tage gesehen. Das Haus Habsburg geriet auf europäischer Bühne zunehmend in die Defensive. Nach der Niederlage im Polnischen Erbfolgekrieg (1733–1738) geriet nun auch das Eingreifen Wiens in den Türkenkrieg (1736–1739) zu

34   •   Die Tochter

einem militärischen Desaster. Habsburgs Imperium wurde kleiner.35 Im Frieden von Belgrad, den Karl VI. unter Vermittlung seiner neuen französischen Freunde 1739 mit der Pforte schloss, war eine weitere Reduzierung des stolzen Donaureiches vorgesehen. Die unter der Führung des Prinzen Eugen glorreich eroberten Gebiete, die sich südlich der Save und der Donau befanden, mussten an den Sultan zurückgegeben werden. Vor allem der Verlust Belgrads wog militärisch und symbolisch schwer. Die Osmanen, die seit der gescheiterten Belagerung von Wien 1683 Niederlage um Niederlage hatten bewältigen müssen, taten alles, um ihren Sieg auszukosten und seine Wirkung propagandistisch zu verstärken.36 Ihr Großbotschafter, der die Ratifikationsurkunde des Friedensvertrags zu übergeben hatte, verwandelte seinen Aufenthalt in Wien in einen zeremoniellen Albtraum für seine Gastgeber. Er provozierte sie nach Kräften und demonstrierte dabei ganz Europa, wie schwach der Kaiserhof war. Die diplomatische Demütigung Wiens und die damit verbundene Offenlegung der militärischen Schwäche Karls VI. kam zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt. Sein Lebenswerk drohte zugrunde zu gehen. Siebenundzwanzig Jahre lang hatte der Kaiser darum gerungen, die Gefahr eines Erbfolgekrieges so weit als möglich auszuschließen.37 Nachdem die ständischen Vertretungen der einzelnen habsburgischen Herrschaftsgebiete der Pragmatischen Sanktion zugestimmt hatten, warb er mit Erfolg um deren Anerkennung seitens der Reichsfürsten und der Könige Europas. Wer immer ein Bündnis mit Karl VI. schließen wollte oder nach einer militärischen Niederlage um Frieden bat, hatte die neue Erbregelung zu akzeptieren.38 Manchem Zeitgenossen schien Karls Kampf um den juristischen Segen seiner Gegenspieler obsessive Züge anzunehmen. Eindringlich hatte sein wichtigster Ratgeber, Prinz Eugen, davor gewarnt, die Pragmatische Sanktion zu sehr in das Zentrum der habsburgischen Politik zu rücken. Weit wirkungsvoller sei es, die habsburgischen Erbländer stärker auf Wien auszurichten und sie als ein Totum, ein Ganzes, zu behandeln.39 Dies werde auch den Aufbau eines starken Heeres und einer gut gefüllten Staatskasse erleichtern. Aus e­ iner Position der Stärke heraus könne man dann auch etwaigen Ansprüchen fremder Monarchen gelassen entgegensehen.40 Dergleichen Rufe nach Reform verhallten keineswegs ungehört. Die ­Regierungszeit Karls VI. war durch eine Vielzahl von Veränderungen gekennzeichnet. Die in Wien errichteten Hofkanzleien symbolisierten den Willen der Monarchie, die Eingriffsmöglichkeiten des Zentrums zu ver-

Der schwankende Koloss   •   35

stärken. Reformen der Verwaltung und des Finanzwesens wurden durch des Kaisers Räte durchgesetzt. Zudem förderte die Monarchie konsequent neue Technologien und Wirtschaftsstandorte. Die Gründung des Freihafens von Triest im Jahre 1719, die mit aufwendigen Straßenbauprojekten verbunden war, sei als ein Beispiel unter vielen genannt. Das Reich der Habsburger veränderte sich: Die neu erworbenen Provinzen wurden in den Gesamtkorpus integriert, die Verwaltung ausgebaut und die Einnahmesituation verbessert. Manches, was angestoßen wurde, versandete indes. Die Kräfte der Beharrung, die sich gegen Reformen stemmten, waren durchaus vielfältig und erfolgreich. Die um ihre Macht fürchtenden Landstände der einzelnen Territorien zählten ebenso dazu wie Teile der Zentralverwaltung, die sich einer Straffung der Entscheidungswege vehement und trickreich widersetzten.41 Konfrontationen mit diesen Kräften waren gefährlich, und das Haus Habsburg war kaum daran interessiert, sie mit aller Schärfe zu führen. Schließlich war Karl VI. darauf angewiesen, dass der Landadel seines Reiches ebenso wie der Hochadel in Wien die neue Erbfolgeregelung akzeptierten. Würden sie die Pragmatische Sanktion nicht sanktionieren und auch nur stillschweigend gegen sie opponieren, wäre die Gefahr groß, dass das Erbe der Habsburger mit dem Tode des Kaisers zerfiel. Der mühte sich daher um Kompromisse. Vor allem ein Ausgleich mit den Ungarn schien unabdingbar, hatte doch das Land den Wechsel von der osmanischen zur habsburgischen Herrschaft noch immer nicht bewältigt und während des Spanischen Erbfolgekrieges ein weiteres Mal den Aufstand gewagt. 1712 hatte Karl VI. daher anlässlich seiner Krönung zum König von Ungarn den Vertrag von Sathmar, der die Rebellion auf Grundlage eines Kompromisses beendete, ausdrücklich gebilligt. Mit der Zustimmung des ungarischen Reichstags zur Pragmatischen Sanktion im Jahre 1723 erklärte er sich zudem bereit, die ohnehin umfangreichen Mitspracherechte des ungarischen Adels weiter zu stärken und dessen Privilegien nicht anzutasten. Statt Gegner zu marginalisieren, band er sie ein. Der Kaiser inszenierte sich als Garant der Stabilität und als Verkörperung einer Ordnung, die er als unantastbar und ewig verstanden wissen wollte. Die bislang eher verschlafene Residenzstadt Wien wurde von ihm ganz in diesem Sinne in ein imperiales Zentrum verwandelt – mit Sakralbauten und Palästen, die ihresgleichen suchten.42 Dass der Adel an dieser Metamorphose nach Kräften mitwirkte und sie mitgestaltete, ließ die Botschaft, dass dieses Reich nunmehr auf festen, ja unerschütterlichen Fundamenten ruhte, um so glaubwürdiger erscheinen. In Wien schien das Haus Habsburg gegen die

36   •   Die Tochter

eigene Vergänglichkeit anzukämpfen und seinen überzeitlichen Auftrag in Stein dokumentieren zu wollen.43 So prachtvoll des Kaisers neues Wien vom Glanz der Dynastie zu künden wusste, konnte es schwerlich von den bestehenden und mit den Niederlagen der Jahre 1737 und 1738 offenkundig werdenden Defiziten ablenken. Der habsburgische Koloss hatte sich zweifellos in vielen wichtigen Fragen bewegt. Seine Landesteile waren zusammengewachsen, seine Verwaltung gestrafft worden, der Ausgleich mit widerborstigen Landständen gelungen, und auch außenpolitisch hatte die Hofburg ihre Isolation durchbrochen.44 Der Zwang zum Kompromiss hatte den Kaiser jedoch in teure Kriege verwickelt, die die bescheidenen fiskalischen Erfolge wieder zunichte machten. Er hatte ihm in der Konfrontation mit den Ständen Fesseln angelegt, die er nicht zu zerreißen wagte. Die Option, am märchenhaften Schatz der habsburgischen Ressourcen teilzuhaben, rückte damit für manche Fürsten in greifbare Nähe, und die Versuchung, die Grundsätze der Pragmatischen Sanktion zu attackieren, wurde größer. Der Kurfürst von Bayern, mit einer Tochter Josephs I. verheiratet, stand mit seiner strikten Ablehnung der Pragmatischen Sanktion bislang allein. Doch musste dies nicht so bleiben. Das Schmieden kühner Eroberungspläne und neuer Allianzen, um diese zu verwirklichen, gehörte in Europas Kabinetten zum Alltag. Die militärische Potenz, die innere Stabilität und die politische Handlungsfähigkeit selbst etablierter Mächte wurden permanent geprüft. Die Großmächte von gestern wie Polen, Schweden oder Spanien konnten heute schon politische Verfügungsmasse werden. Es galt, wachsam zu sein und Veränderungen aufmerksam zu beobachten. Solche gab es 1740 vielfach. In Preußen, das sich unter Friedrich Wilhelm I. als zuverlässiger Alliierter erwiesen hatte, hatte im Mai mit Friedrich II. ein junger König den Thron bestiegen, dessen politische Ziele zunächst unklar waren. Auch in Russland schien ein Wechsel bevorzustehen – die Gesundheit der mit Wien eng verbundenen Zarin Anna war angegriffen. In England befand sich der Stern des bislang allmächtigen Ministers Walpole im Sinken, und in Frankreich zeigte Kardinal Fleury Zeichen der Erschöpfung. Eine neue Generation von Entscheidungsträgern formierte sich und begann ihre Handlungsmöglichkeiten zu prüfen. Die Illusion, die Stabilität des Reiches, ja, ganz Europas sei untrennbar mit dem Haus Habsburg verbunden, bedurfte gerade jetzt der permanenten Zurschaustellung.

Hubertus auf dem Sterbebett   •   37

Geradezu zwanghaft demonstrierte Wien Normalität und die unverwüstliche Gesundheit des Kaisers, obwohl an dieser bereits erste Zweifel aufgekommen waren. So erfüllte Karl VI. in stoischer Ruhe die Aufgaben, die ihm der höfische Kalender zudachte. Er feierte Geburtstag, begutachtete die Fohlen des kaiserlichen Gestüts und ging öffentlich zur Messe. Auch am 5. Oktober 1740 – der lästige osmanische Emissär hatte Wien verlassen – tat er das, was er zu dieser Jahreszeit stets zu tun pflegte: Er ging zur Jagd.

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ubertus auf dem Sterbebett

Auf 136 Jagdtage war Karl VI. noch im Jahr 1739 gekommen. Seine Leidenschaft für das Waidwerk war selbst für habsburgische Verhältnisse ungewöhnlich stark, hatte aber mit einer Flucht vor den Pflichten des Amtes nichts zu tun. Der notorisch gewissenhafte Kaiser pflegte auch auf seinen Jagdschlössern Akten zu lesen und Vorträgen zu lauschen. Dennoch konnte der eng reglementierte Tagesablauf während der Jagdausflüge etwas gelockert werden. Auf großen Treibjagden und auf der Pirsch waren Kontakte und gemeinsames Erleben möglich wie in der Hofburg kaum. Diktiert wurde der Jagdkalender durch den Lauf der Jahreszeiten. Zu Beginn des Herbstes zog Seine Majestät sich zurück nach Halbturn, um am Neusiedlersee für einige Wochen der Niederwildjagd nachzugehen. Im Vergleich zu den Großereignissen des Sommers waren dies gemächliche Tage, an denen der Kaiser die Möglichkeit hatte, ein wenig Ruhe zu finden. Dieses Mal sollte der Aufenthalt zwölf Tage dauern. Unterbrochen wurde die Pirsch lediglich von Amtsgeschäften und einem Kurzbesuch seiner Tochter Maria Theresia und ihres Gatten Franz Stephan. Die Rahmenbedingungen für die Jagd waren im Übrigen äußerst ungünstig. Gahr kalt, notierte Karl am 6. Oktober, am 10. schrieb er gar von einem fürchterlichen, am 11. von einem schandbaren Wetter, und am 12. fing es an zu schneien.45 An den beiden letzten Tagen hatte der ansonsten so unverwüstliche Kaiser den Palast nicht verlassen. Mit seiner Gesundheit schien es ohnehin nicht zum Besten zu stehen. Schon seit Wochen kämpfte er mit Übelkeit, Erbrechen und Magenschmerzen, am 13. Oktober wurden diese Beschwerden zu einem Dauerzustand. Die rasch herbeigeholten Ärzte rieten dringend zur Verlegung des Patienten – weg aus dem nasskühlen Halbturn in die angenehmer gelegene Sommerresidenz, das heutige Theresianum. Auf der viereinhalbstündigen

38   •   Die Tochter

Fahrt dorthin erbrach Karl, wie die medizinischen Berichte akribisch notierten, rund vierzigmal. Der völlig erschöpfte Kaiser fiel in Ohnmacht. In ihrer Hilflosigkeit entschieden die Ärzte, ihn mehrfach zur Ader zu lassen, was den Zustand des Patienten weiter verschlechterte. Am 19. Oktober um Mitternacht begann er kurzzeitig zu phantasieren, der Körper schwoll an, und der Kranke klagte über einen brennenden Schmerz im Herzen. Aus Mund und Nase ergoss sich ein schwarzer Brei. Die letzte Ölung wurde verabreicht. Um sieben Uhr abends verlor der Kaiser das Bewusstsein. Er starb am 20. Oktober 1740 um 1.45 Uhr früh. Dass die Krankheit tödlich verlaufen würde, hatten die Ärzte dem Kranken erst am 19. Oktober mitgeteilt. Die Zeit, um die Thronfolge zu organisieren und zugleich ein würdiges Todesspektakel zu inszenieren, war daher denkbar kurz. Am 17. Oktober waren immerhin militärische Sicherungsmaßnahmen eingeleitet worden. Da sich in der Stadt Gerüchte über des Kaisers Krankheit verbreiteten und Fremdverschulden vermutet wurde, hatte sich der Hof entschieden, die Wachen zu verdoppeln und ein Dragonerregiment in die Stadt zu verlegen. Posten- und Stafettenläufe, mit denen dringende Nachrichten verbreitet wurden, wurden untersagt, Komödien eingestellt, die Banken geschlossen. Am frühen Morgen des 19.  Oktober wurde der bevorstehende Thronwechsel eingeleitet. Seit sechs Uhr beteten die Räte in der Hofkapelle für das Leben des Kaisers.46 Es begann mit Deputierten des Kriegsrates, denen um acht Uhr Hofkammerräte folgten, sodann die Regierung, der Hof der Kaiserinwitwe, die böhmische Kanzlei, der Reichshofrat, die österreichische Hofkanzlei, die ungarische Hofkanzlei, die niederländische Kanzlei, die mailändische Kanzlei und schließlich die Leibgarde. Der Kaiser bereitete sich auf den Tod vor. Ein letztes Mal berief er seine Minister zu einer Konferenz, dankte ihnen für ihre Arbeit, belobigte den Grafen Starhemberg und gab Anweisungen, was nach seinem Ableben zu geschehen habe. Ein Testament wurde verfasst, in dem Karl VI. die Pragmatische Sanktion bestätigt, Anweisungen für den Umgang mit seinem Privatvermögen gibt und den Grafen Starhemberg bittet, der kaiserlichen Witwe beizustehen. Gegen zwei Uhr nachmittags bat er den päpstlichen Nuntius und den Weihbischof von Wien ans Sterbebett. Der Kaiser nahm das Abendmahl und hielt lange Zwiesprache mit seinem Beichtvater. Es folgte der Abschied von der Familie: zunächst von seiner Frau, dann von seiner jüngeren Tochter Maria Anna, der er den Segen erteilte. Nachdem

Hubertus auf dem Sterbebett   •   39

sie das Bett des Vater verlassen hatte, traf des Kaisers Schwiegersohn, Großherzog Franz Stephan, ein, mit dem er zwei Stunden ohne Zeugen redete. Zuletzt nahm er noch Abschied von seiner Schwester Magdalena. Die Abwesenheit der Thronfolgerin während dieser letzten Stunden des Vaters wurde mit Sorge um ihren Gesundheitszustand erklärt. Konkret wiesen Chronisten auch auf den Schock hin, den die im fünften Monat schwangere Frau bei der Nachricht erlitten habe, dass der Kaiser im Sterben lag. Man habe eine Fehlgeburt befürchtet. Diese Erklärung mochte durchaus zutreffend sein: Dass die dreiundzwanzigjährige Maria Theresia durch die Nachricht, innerhalb weniger Stunden die Verantwortung für das ungesicherte Riesenreich übernehmen zu müssen, in einen Zustand der Panik verfiel, ist nicht unwahrscheinlich. Auch versuchte der Hof, den Umstand abzumildern, dass der letzte Habsburger das Zeitliche gesegnet hatte und erstmals eine Frau als regierende Monarchin den Thron besteigen würde. Mit dem Grafen Starhemberg und Franz Stephan hatte der Kaiser zwei Männer noch auf dem Sterbebett seines besonderen Vertrauens versichert. Der Graf war unter Prinz Eugen an die Schalthebel der Macht gelangt und hatte sich als Finanzexperte profiliert. In den letzten Jahren der Regentschaft Karls VI. war er es, der wie kein anderer für die Akzeptanz der Pragmatischen Sanktion stand. Ähnliches galt für Franz Stephan. Karl VI. hatte seinen Schwiegersohn in die Entscheidungsgremien des Reiches integriert, ihm Zugang zu allen Informationen gewährt und mit höchsten Ehren versehen. Auch als er als Generalissimus der habsburgsburgischen Heere im Krieg gegen die Türken eine wenig glückliche Figur machte, blieb er in der Gnade des Kaisers. Niemand stand Karl VI. näher als der Ehemann seiner Tochter, den er wie einen adoptierten Sohn behandelte.47 Kurz vor Ende seines Lebens versuchte der letzte Habsburger noch einmal, den bevorstehenden rechtlichen und politischen Bruch mit der Vergangenheit zu kaschieren. Die beständigen Hinweise auf die Unveränderlichkeit der habsburgischen Tradition, auf die Treue seiner Eliten, auf die Katholizität der Dynastie sowie die eherne Befolgung des Zeremoniells sollten das Neue erträglich machen.

40   •   Die Tochter

T

rauer und Auferstehung

Dass die Mitglieder der Geheimen Konferenz alles andere als sicher waren, dass der Übergang der Herrschaftsgewalt reibungslos vonstatten ginge, hatte die Präsenz von Militär in Wien gezeigt. Umso wichtiger war es, diese schwierige Phase durch gemeinsames Handeln zu überbrücken. Die Zeit der Trauer wurde einer strikten Ordnung unterworfen und fing im Grunde schon am Sterbebett an. Mit der Verabschiedung seiner Diener, Berater und Ange­hörigen hatte der Kaiser die Seinen ein letztes Mal auf jene Grundprinzipien verpflichtet, die die Herrschaft seiner Tochter garantieren sollten. Jedes Zuwiderhandeln wurde damit zu einem Angriff auf das Andenken des Sterbenden. Das Werk war getan, nun galt es, würdevoll aus dem Leben zu scheiden. Zuversichtlich und ohne sichtbare Angst ging der Kaiser, so schien es jedenfalls, seinem Ende entgegen. Wer ihm in diesen letzten Stunden begegnete, zollte ihm Tribut in Form von Tränen, stillem Gebet und dem Ausdruck tiefer Niedergeschlagenheit. Im Angesicht des Todes verband noch einmal die gemeinsam zelebrierte Rührung den Monarchen und seinen Adel. Karl VI. hatte die Macht inszenierter und provozierter Gefühle nie gering geschätzt. Nun wurde auch der letzte Akt seines irdischen Daseins zu einem Spektakel der besonderen Art. Den Sinnen seiner Untertanen mussten Objekte gegeben werden, mit denen sie sich beschäftigen konnten. Den Zuschauern waren Rollen zuzuweisen, die ihnen die Möglichkeit boten, ihrer Verunsicherung Ausdruck zu geben und sie zugleich auf die erlösende Inthronisation der neuen Herrscherin vorzubereiten. Die erste, die den toten Leib berühren durfte, war Kaiserin Elisabeth Christine. Sie schloss seine Augen, küsste seine Hand und fuhr in das Salesianerkloster, um ihre Trauer mit der Kaiserin Amalia zu teilen, der Witwe Josephs I. Es war der erste Schritt in die neue Normalität des Hofes. Die Witwe zog sich aus dem Zentrum des höfischen Geschehens zurück.48 Die Regie dessen, was nun zu geschehen hatte, lag bereits bei Maria Theresia, die noch am Todestag Karls VI. mit einer Reihe von Fragen konfrontiert wurde. Eine Kommission war gebildet worden, in der die einflussreichsten Räte des Hofes Sitz und Stimme hatten. Ihre Aufgabe war es, Vorschläge zu erarbeiten, wie die umfangreichen Trauerfeierlichkeiten durchzuführen waren. Da die neue Monarchin im Zustand der Schwangerschaft unmöglich

Trauer und Auferstehung   •   41

am Sarg erscheinen konnte, waren sich die Hofräte allerdings nicht einig, welche Rolle die Schwestern Maria Theresias beim Leichenzug spielen sollten. Auch finanzielle Fragen im Umfeld der Trauerfeierlichkeiten galt es zu klären. Maria Theresia wurde erstmals mit Entscheidungen konfrontiert, in denen die Berater sich nicht einig wurden. Zunächst zögerte sie: Sie werde, so vermerkte sie am Rande des Gutachtens, die offenen Fragen später klären. Die Thronerbin bat sich Bedenkzeit aus und reichte die Entscheidung tatsächlich wenige Stunden später nach. Obwohl sie noch im Hintergrund blieb – unsichtbar für das Wiener Publikum und weite Teile des Hofes –, hatte sie begonnen, ihre Rolle als Regisseurin des Hofgeschehens zu spielen. Was nun folgte, entsprach dem bewährten Muster von Trauerfeierlichkeiten, wie Wien sie bereits anlässlich des Ablebens Leopolds I. und Josephs I. erlebt hatte. Zunächst wurde der kaiserliche Leib obduziert und einbalsamiert. Kurz darauf, vom 21. bis 24. Oktober, wurde er im Rittersaal der Hofburg aufgebahrt. Um die Trauerbühne herum hatte der Hof die Kronen und die Reichsinsignien platziert. Der Leichnam war in einen spanischen Mantel gehüllt, auf dem Kopf prangte eine Perücke, an der Seite ein Schwert, zu seinen Füßen ein silbernes Kruzifix. Vier kaiserliche Kammerherren und Kammerdiener hielten, in schwarze Mäntel gekleidet, gemeinsam mit vier Augustinereremiten der kaiserlichen Hofkirche die Totenwache. Auch die Leibgarde wich nicht von den sterblichen Überresten ihres kaiserlichen Herrn. Die Beisetzung begann am Nachmittag des 24. Oktober und zog sich bis zum späten Abend hin. Zwei kaiserliche Kammerherren trugen gemeinsam mit zwei Kammerdienern ein Gefäß mit Herz und Zunge Karls VI. in die Lorettokapelle der Augustinereremiten. Wenig später wurde ein Kessel mit seinen Eingeweiden in den Stefansdom verbracht und dort mit behörigen Ceremonien beigesetzt, wie das »Wienerische Diarium« berichtete.49 Um sieben Uhr abends schließlich war es Zeit für den Hauptakt der Trauerfeier. 24 kaiserliche Kammerherren geleiteten unter der Führung des Kardinal-Erzbischofs den Leichnam zu seiner endgültigen Ruhestätte in der Kapuzinergruft. Dieser kleinen Gruppe um den Sarg herum folgte der eigentliche Leichenzug. An seiner Spitze befanden sich der Großherzog der Toskana und die Erzherzoginnen Maria Anna und Maria Magdalena. Hinter ihnen schritten Geheime Räte, Hofdamen, Ritter, Vertreter der Landstände, der gesamte Kle-

rus der Stadt. Tausende von Kerzen, so berichtet ein zeitgenössischer Autor, erhellten den Zug und den Platz, auf dem er schließlich zu stehen kam. Ein letztes Mal hatte das Volk seinem König gehuldigt – nun war es an der Zeit, den Blick in die Zukunft zu richten.

Maria Theresia Die Erbin

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absburgs Kassandra

Franz Christoph Joseph von Demeradt war ein erfahrener, vorsichtig urteilender Diplomat. Seit 1726 wirkte er als Resident am Hofe der Hohenzollern. Auf diese Position war er auf Betreiben seines damaligen Vorgesetzten, des brillanten Friedrich Heinrich von Seckendorff, gelangt. Wie kein anderer durchschaute Demeradt den schwierigen preußischen König Friedrich Wilhelm I. Der habe, so berichtete Seckendorff seinerzeit nach Wien, an seinem Sekretär Demeradt Gefallen gefunden. Es sei ratsam, diesen zu befördern und in Berlin zu belassen. Tatsächlich sah Demeradt in den folgenden Jahren Vorgesetzte kommen und gehen – er selbst, der Resident, blieb jedoch. Als der letzte von ihnen, Joseph Wenzel von Liechtenstein, am 29. April 1729 Berlin verließ, entschied die Hofburg, Demeradt mit der Geschäftsführung der habsburgischen Vertretung zu betrauen. Karl VI. stand damit ein profunder Kenner der preußischen Verhältnisse zu Verfügung, der das Kunststück vollbringen sollte, nicht nur Informationen über die seltsame Militärmacht im Norden des Reiches zu sammeln, sondern auch die inzwischen abgekühlte Beziehung des Soldatenkönigs zum Hause Habsburg zu verbessern. Demeradt mühte sich nach Kräften, beides zu bewerkstelligen. Das Hauptaugenmerk des nüchternen Strategen galt dabei der Aussöhnung zwischen der englischen Krone und dem preußischen König. Die Interessen der Hohenzollern, so sein Kalkül, sollten an jene des Hauses Habsburg angeglichen werden – Wiens natürliche Verbündete mussten auch jene Berlins sein. Mit dem ebenso jähzornigen wie machtbewussten König wusste Demeradt geschickt umzugehen. Preußen, so erklärte er seinem Auftraggeber, ächze unter der Last absurd hoher Militärausgaben. Es sei sicher an der Zeit, das

44   •   Die Erbin

Heer zu verkleinern, die Steuern zu senken und den Löwenanteil der Staatseinnahmen für die Förderung von Handel und Landwirtschaft zu verwenden. Mancher, so Demeradt, traue dies dem jungen Thronfolger Friedrich zu. 1 Der Gesandte selbst gab sich weniger hoffnungsvoll. Sein Vater habe Friedrich nie gemocht und daran auch keinen Zweifel gelassen. Wann immer es ihm möglich war, habe er ihn gedemütigt und zurückgesetzt. Wenngleich es auch Zeichen der Versöhnung gebe, über die Demeradt getreulich berichtete, waren dies nur kurze Momente in einer langen Kette von Eklats. Als der preußische Kronprinz schließlich am 31. Mai 1740 als Friedrich II. König wurde, schrieb Demeradt der Hofburg nachdenkliche und von deutlichem Unbehagen geprägte Briefe. Ob Friedrich wirklich der Mann war, der Preußen als Friedensfürst in eine neue Ära des Wohlstandes führen würde, wollte er zwar nicht ausschließen, doch ausgemacht erschien es ihm keineswegs. Sein Zweifel wich alsbald tiefem Misstrauen. Bereits am 11. Juni warnte der Gesandte seine Wiener Auftraggeber eindringlich vor dem neuen Machthaber in Berlin.2 Friedrich II. denke gar nicht daran abzurüsten – im Gegenteil, er plane, das Heer noch weiter aufzustocken. Bis in den August verfestigte sich dieses Bild, immer düsterer wurden Demeradts Prognosen, immer schriller seine Warnungen. Der neue König, so hieß es in einem Bericht vom 18. Juni, regiere ohne die Expertise erfahrener Räte. 3 Stattdessen habe er einen Kreis ehrgeiziger junger Berater um sich geschart, die es als ihre Aufgabe ansähen, ihm zu schmeicheln und ihn in seiner sprunghaften Art zu bestärken. Dieser Mann, so Demeradt, sei völlig unberechenbar. Friedrich II. verfolge eine neue politische Agenda und diese sei wesentlich aggressiver als die seines Vaters. Gegen wen sie sich richten würde, sei, so Demeradt, vermutlich noch nicht einmal dem König selbst klar. Dass er jedoch keine Scheu habe, gegen die Interessen Habsburgs vorzugehen, ja, dass er entgegen allen Versicherungen dem Hause Habsburg feindlich gesinnt sei, daran bestehe kein Zweifel. Der König von Preußen dürfe nicht mehr als potentieller Alliierter und noch weniger als berechenbare Macht angesehen werden. Er sei eine Gefahr, vor der sich Wien zu wappnen habe.4

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Eine Monarchie in Angst   •   45

ine Monarchie in Angst

Maria Theresia empfing die vornehmsten Räte des Reiches bereits am Mittag des 20. Oktober 1740. Erstmals wurde sie als Königin tituliert und empfing den Handkuss. Ihr Mann, der am Totenbett des Kaisers eine so prominente Rolle gespielt hatte, stand bei dieser Zeremonie hinter dem Thron. Nach der Huldigung erfolgte die Bestätigung der Amtsträger in ihren Funktionen. Selbst jene, die bislang als Gegner ihres Mannes gegolten hatten, wurden – so notierte ein Beobachter überrascht – nicht übergangen. Maria Theresia und auch Franz Stephan zeigten keinerlei Neigung, alte Rechnungen zu begleichen. Spannungen wurden vermieden und Kontinuität demonstriert. Wenige Stunden nach dem Tode Karls VI. war Wien politisch wieder handlungsfähig. Die neue Monarchin gab erste Anweisungen. Ungeachtet dieses geräuschlos verlaufenden Thronwechsels war die Stimmung in Wien auffallend nervös. Das Volk, so erklärte der englische Gesandte Robinson am 22. Oktober 1740, sei der Meinung, die Regierung sei aufgelöst und der Kurfürst von Bayern werde innerhalb weniger Tage Österreich in Besitz nehmen. Die politische Elite des Landes zeigte sich keineswegs abgeklärter, wie Robinson bereits vier Tage zuvor in seinem Gesandtschaftsbericht verdeutlicht hatte. Des Kaisers Räte, so der Brite, befürchteten einen Schlag, auf den man nicht vorbereitet sei. Überall lauerten Gefahren. Das Militär sei schwach und die Staatskasse durch die vielen Kriege Karls VI. und seine Neigung, das Einverständnis des Adels zur Pragmatischen Sanktion mit Wohltaten zu erkaufen, völlig erschöpft. Zudem fehle es an Tatkraft. Ach, hätte man nur einen Prinzen Eugen, der die Kräfte bündeln und die Feinde in Schach halten könne. Die wichtigsten Funktionsträger der Monarchie, so Robinson, sähen bereits die Türken in Ungarn, die Sachsen in Böhmen und die Bayern vor den Toren Wiens. Als politische Macht im Hintergrund werde Frankreich wirken und nicht ruhen, bis das Imperium zerschlagen sei.5 Auch Preußens Haltung wurde aufmerksam beobachtet. Dass die Hohenzollern mit dem Gedanken spielen könnten, ihren Machtbereich auf Kosten des Hauses Habsburg auszuweiten, davor hatte der einflussreiche kaiserliche Rat Bartenstein bereits 1738 gewarnt. Noch konzentriere sich Berlin, so erklärte er seinerzeit, auf seine Ansprüche am Niederrhein. Doch dies könne sich ändern. Wenn sich die Hohenzollern jemals gegen das Haus Habsburg wenden würden, und diese Option sei durchaus realistisch, dann müsse man um die Sicherheit Böhmens und Schlesiens fürchten.6

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War mit dem Tode Karls VI. dieser Moment gekommen? Die Räte der Königin hegten Zweifel. Bislang hatte Preußen seine Position in Norddeutschland vor allem mithilfe des Kaisers ausbauen können. Wagte es einen Seitenwechsel oder gar einen Angriff auf das Haus Habsburg, so waren die Risiken eines solchen Handelns unabsehbar. Sachsen und Hannover konnten an der Havel leichter Beute machen als in einem Bündnis gegen die Habsburger. Preußen war noch immer eine gefährdete Regionalmacht, die von der Stabilität des Reichsgefüges profitierte. Friedrichs Räte, davon war Wien überzeugt, wussten dies, und es galt, sie in dieser Überzeugung zu bestärken. Berlins Vertreter am Habsburger Hof wurden daher mit großer Aufmerksamkeit bedacht, ja geradezu umworben. Noch hofften die Berater Maria Theresias, den Appetit des jungen ehrgeizigen Königs auf Objekte lenken zu können, die sich mit geringem Risiko erwerben ließen. Für Demeradt, den unbequemen Vertreter der Habsburger in Berlin, waren dies gefährliche Illusionen. In einem Bericht vom 22. Oktober erläuterte er – noch in Unkenntnis des Todes seines kaiserlichen Dienstherrn –, wie er den jungen Preußenkönig einschätzte.7 Friedrich werde mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln versuchen, seinen persönlichen Ruhm zu steigern. Das europäische Gleichgewicht oder die Stabilität des Reiches seien ihm völlig gleichgültig. Er sehe sich als neuer Alexander oder neuer Cyrus. Demeradt betrieb ein verzweifeltes Spiel mit Metaphern. Er wusste, dass Wien seine Berichte durchaus wahrnahm und die preußische Gefahr ins Kalkül zog. Das Problem lag nicht an einem Informationsdefizit oder am Desinteresse des Wiener Hofes, sondern in der Bewertung der Informationen aus Berlin. Maria Theresias Räte gingen von langsamen Entscheidungswegen aus, einer konservativen Risikoabschätzung und dem Glauben daran, dass letztlich alle Glieder des Reiches an dessen Stabilität Interesse hätten. Demeradt rührte an eben diesen Grundfesten habsburgischer Reichspolitik. Friedrichs Denken – dies machte er ohne Umschweife deutlich – ließ sich mit dergleichen Kategorien nicht fassen. Er stellte ihn als eine systemsprengende Kraft, einen neuen Alexander dar und musste doch wissen, dass diese Analyse zu kurz griff. Gefährlich war der Preußenkönig nur dann, wenn er auf die Unterstützung anderer Reichsstände und die wohlwollende Neutralität europäischer Großmächte rechnen konnte.

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Der Machiavelli von Rheinsberg   •   47

er Machiavelli von Rheinsberg

Dieser Todesfall wirft all meine Friedensideen über den Haufen. Ich glaube im Monat Juni wird es sich eher um Schießpulver, Soldaten, Laufgräben handeln, als um Schauspielerinnen, Ballette und Theater. Daher sehe ich mich gezwungen, den Handel, den wir vorhatten, zu vertagen. (...) Was jetzt kommt, ist für Europa von weit größerer Bedeutung. Dies ist der Augenblick der völligen Umwandlung des alten politischen Systems; der Stein hat sich gelöst, den Nebukadnezar auf das Bild aus vier Metallen rollen sah, der sie alle vier zerstörte. Tausend Dank für die Vollendung des Druckes vom »Machiavell«! Arbeiten kann ich jetzt nicht daran; ich bin mit Geschäften überlastet.8 Friedrich  II. von Preußen war 28 Jahre alt und knapp ein halbes Jahr auf dem Thron, als er diese Zeilen an Voltaire zu Papier brachte. In den Briefen zuvor hatte er sich noch als unermüdlicher Arbeiter für das wirtschaftliche Wohlergehen seiner Bauern zu präsentieren gewusst, als Musenkönig, der Mathematiker, Philosophen, Maler und Bildhauer in Dienst nehmen wollte, als Philosophenkönig, der in unerbittlicher Härte gegen Nicolò Machia­velli zu argumentieren verstand.9 Gewalt und List, so erklärte er in seinem »Anti­ machiavell«, seien eines Königs unwürdig. Mit Liebe und Ehrlichkeit solle er regieren und Kriege nur dann führen, wenn es gelte, sein Reich zu beschirmen. Eroberungsfeldzüge seien völlig abzulehnen. Die Redaktionsarbeiten an dem bemerkenswerten Werk waren noch in vollem Gange, als sich der Wind merklich drehte. Nein, aus der Schauspieltruppe, die Voltaire für ihn anwerben sollte, werde wohl nichts werden. Der Friedenskönig machte unmissverständlich klar, dass er sich zum Kriegsgott zu wandeln gedachte. Welche konkreten Pläne er verfolgte, sollten seine erstaunten Berater wenig später erfahren. Seine Majestät, so notierte der preußische Geheime Finanzrat Heinrich Graf von Podewils, habe die Gnade gehabt, ihn und den Feldmarschall General Graf zu Schwerin heute, am 29. Oktober 1740, in einem vertraulichen Gespräch in Schloss Rheinsberg mit seinen Plänen vertraut zu machen. Der Tod des Kaisers eröffne ihm, so der König, großartige Möglichkeiten. Angesichts der eigenen Stärke gedenke er Profit aus der Gelegenheit zu ziehen, die sich ihm biete. Dabei denke er nicht so sehr an Cleve-Jülich, das seine Vorfahren über Generationen für das Haus Hohenzollern hatten erwerben wollen. Sein

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Streben ziele vielmehr auf eine weitaus reizvollere Gebiets­erweiterung: Schlesien. Dieses sei fruchtbar, wirtschaftlich prosperierend und bevölkerungsreich. Er sei überzeugt, mit diesem Schritt den eigenen Ruhm und die Größe seines Hauses zu fördern. Der Gedanke, Schlesien zu erobern, erschien in der Tat reizvoll, wie auch seine Ratgeber zugaben. Die Provinz schloss unmittelbar an das brandenburgische Kernland an und gehörte zu den ertragreichsten Territorien des habsburgischen Imperiums. Zudem lag sie wie ein Sperrriegel zwischen dem ewigen Konkurrenten Sachsen und dem Königreich Polen, das nun schon zum zweiten Male einen sächsischen Kurfürsten zum König gewählt hatte. Mit der Eroberung dieser Provinz würde Preußen erheblich an politischem Gewicht gewinnen. Hatte noch Friedrichs Vater Friedrich Wilhelm I. die Pragmatische Sanktion mit dem Argument verteidigt, dass nur das Haus Habsburg die Ordnung des Reiches aufrechterhalten könne und das Wohlergehen aller Reichsstände letztlich vom Fortbestand dieser Macht abhänge, so würde mit der Einverleibung Schlesiens in den preußischen Herrschaftsbereich dieser Grundsatz nicht mehr greifen. Preußen würde zu einer europäischen Macht aufsteigen, die in der Lage sei, auch ohne und sogar gegen die habsburgische Dynastie zu handeln.

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as Spiel der Königin

Ihre königliche Majestät, so vermeldete das »Wienerische Diarium«, habe die Sommerresidenz am 26. Oktober verlassen und sei mit ihrem gesamten Hofstaat in der Burg eingetroffen.10 Zugleich würden in der Augustinerkirche alle Vorbereitungen getroffen, um die dreitägige Leichbesingnus abzuhalten. Nur zwei Tage lagen damit zwischen der Beisetzung des Vaters und dem Eintreffen Maria Theresias in der Stadt. Die sterblichen Überreste des Kaisers standen nun der Gemeinde, dem Hof und dem Reich nicht mehr als Referenzpunkt der Trauer und der Selbstvergewisserung zur Verfügung. Maria Theresia hatte diese Lücke zu füllen. Sie musste sich ihren Untertanen präsentieren und ihre Funktion als neue Regisseurin des großen habsburgischen Herrschaftstheaters erfüllen. Der erste Auftritt der Königin war schon für den 30. Oktober 1740 geplant. Maria Theresia sollte einem festlichen Hochamt in der Hofburg beiwohnen. Wie dies zu geschehen hatte, war zuvor von einer Hofkonferenz minutiös geplant und vorbereitet worden.

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Ausgehend von der Ratsstube passierte sie beide Vorzimmer, durchquerte die Ritterstube und zog von dort, gesichert durch ihre Leibgarde, zur Hofkapelle. Neben unserer Allergenädigsten Frau und Landesfürstin nahmen die Kammerherren, die Minister und die Ritter vom Goldenen Vlies an dieser Prozession teil. Alles, so hieß es im Konferenzprotokoll, solle genauso geschehen wie in der Regierungszeit des Vaters. Nicht die geringste Abweichung sollte es geben. Dass nunmehr eine Frau und nicht mehr ein Mann im Mittelpunkt der Prozession stand, wurde durch die prominente Stellung des großherzoglichen Gemahls im Zeremoniell kaschiert. Das Amt des Großmeisters der Bruderschaft vom Goldenen Vlies war von seinem Schwiegervater auf Franz Stephan übergegangen. Künftig war er das Haupt dieser familienähnlichen Gemeinschaft, die das ideelle Leitbild der Dynastie verkörperte. Diese Amtsnachfolge war durchaus richtungweisend. Der Ehegatte wurde bei diesem ersten gemeinsamen öffentlichen Auftritt der königlichen Familie als alter ego der Monarchin präsentiert, der Aufgaben und Positionen übernahm, die sie als Frau aus rechtlichen Gründen nicht wahrnehmen konnte. Er trat als das männliche Gesicht der Habsburger auf. Mit viel Geschick vermochte der Hof damit, die Geschlechterordnung unangetastet zu lassen und im gleichen Moment weibliche Herrschaft zu feiern. Er wiederholte dieses Kunststück in den folgenden Tagen und Wochen so häufig wie nur irgend möglich und präsentierte die veränderte Situation dem Publikum als etwas Selbstverständliches, ja, geradezu Natürliches. Maria Theresia führte das Schauspiel der ungebrochenen und stabilen Ordnung auf, und sie durfte darauf hoffen, dass all jene, die kein Interesse an Veränderungen hatten, dieses Deutungsangebot dankbar akzeptieren würden. Der Erfolg schien der Hofburg Recht zu geben. Die ungarischen Comitaten, denen Maria Theresia den Tod des Vaters am 22. Oktober in einem Zirkularschreiben offiziell mitgeteilt hatte, bekundeten schon am 24. Oktober ihr Beileid und erklärten ihre Treue. Die übrigen Kronländer reagierten ähnlich rasch. Alles vollzieht sich in bewunderungswürdiger und gleichsam unerwarteter Harmonie, erklärte der zunächst äußerst kritische venezianische Emissär Allessadro Zeno in seinem Bericht vom 19. November 1740. Es ist gelungen, in den Völkern die Überzeugung wachzurufen, es sei ihr Interesse, die Einheit der Monarchie zu erhalten und sie nicht zu spalten.11 Drei Tage nach der Niederschrift dieses beifälligen Kommentars wagte der Hof die Inszenierung der neuen Herrschaftsordnung im Rahmen eines eben-

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so aufwendigen wie staatsrechtlich sensiblen Zeremoniells. Nieder­österreich, jene Landschaft also, in der sich auch die Residenzstadt befand und deren Loyalität noch einen Monat zuvor von Beobachtern angezweifelt wurde, huldigte seiner neuen Erzherzogin.12 Wenngleich der Nuntius, der noch auf seine Akkreditierung wartete, ebenso wenig an dieser ersten prachtvollen Visualisierung der gelungenen Thronfolge teilnahm wie Vertreter anderer europäischer Mächte, durfte von einer gelungenen Demonstration habsburgischer Macht gesprochen werden. Unter Beteiligung aller niederösterreichischen Stände wurde eine komplizierte Abfolge von Huldigungsakten fehlerfrei durchlaufen, die den Beteiligten das Äußerste abverlangten. Es begann mit einer feierlichen Prozession von der Hofburg zum Stephansdom. Die Reihenfolge der Beteiligten war ebenso wie ihre Bekleidung genauestens festgelegt. Auf die Dienerschaft des Hofes und der Stände, die voranschritt, folgten die Leibhusaren, die Landschafts­ trompeter und Paukisten, die Abgeordneten der Stadt Wien, die kaiserlichen Räte, Mitglieder des Herren- und Ritterstandes, der Landesmarschall, die kaiserlichen Geheimräte und Kämmerer, die königlichen Edelknaben, der Erblandstallmeister, der Erblandfalkner, der Oberstlandjäger mit Jagdhund und Jägereiverwandten, der Oberstherold, der Obersterblandhofmeister, der Erblandkammerherr, der Obersterblandtruchsess, der Obersterblandmundschenk, der Obersterblandmarschall und schließlich ihro königlichen Mäyestät welche sich in einem Sessel tragen lassen, und ihrem Obrist Hofmeister Grafen von Herberstein auch bey sich neben den Sessel hatten. Neben diesem standen auch der Obersterblandstallmeister, der Obersterblandschildträger und eine Anzahl von Leibgardisten. Das Ende des Zuges bildeten die Hofkutsche der Königin, ein Wagen mit Hofdamen und die Soldaten des Stadt- und Leibregiments. Geschmeidig bewegte sich dieser imposante Zug der Mächtigen Niederösterreichs durch die Gassen Wiens. Am Stephansdom empfingen ihn der Klerus und die Ritter vom Goldenen Vlies, die nunmehr als Festgemeinde das Hochamt begingen. Gemeinsam feierten Bürger, Adel und Geistlichkeit die göttliche Gnade, die sich in der Thronfolge der jungen Habsburgerin manifestierte. Wer ihr den Respekt, der ihr zukam, erwies, beugte sich zugleich vor dem höheren Ratschluss des Herrn. Gott allein gebührten des Christen wahrer Gehorsam und hingebungsvolle Verehrung. Die eigentliche Huldigung erfolgte nunmehr in der Ritterstube. Die Landstände gelobten der Monarchin Treue, und sie erneuerte deren Privilegien. Als dritter Akt folgte das gemeinsame Mahl.

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Hunderte von Menschen waren im Verlaufe der Zeremonie auf den Beinen. Sie mussten verköstigt und für ihre Mühen entschädigt werden. Wo sie standen, wie sie sich zu bewegen hatten, welchen Platz sie in den verschiedenen Abschnitten der Huldigungsfeierlichkeit einzunehmen hatten, all dies wollte akribisch geplant sein. Das Zusammenspiel der domestizierten Körper wurde hier zur Perfektion getrieben. Sakrale und profane Riten waren in der Huldigungszeremonie eng miteinander verschränkt – in jener, die Maria Theresia galt, vielleicht noch mehr als bei ihren Vorgängern. Anders als noch ihr Vater bewältigte sie die Prozession nicht zu Pferde, sondern wurde ähnlich einem neu gewählten Bischof getragen. Dies verlieh, wie ein zeitgenössischer Beobachter bemerkte, dem ganzen Vorgang eine neue, Aufmerksamkeit und Bewunderung erzeugende Komponente. Maria Theresia verzichtete auf eine amazonenhafte Form der Selbstdarstellung und erschien als fürsorgliche und zugleich marienhaft entrückte Landesmutter. Die Aufgabe der Verteidigung des Landes wurde damit schon äußerlich den Söhnen des Landes zugewiesen, nicht aber dem Ehemann. Anders als noch am Sterbebett des Vaters, bei der ersten Audienz und dem ersten Kirchgang der Monarchin, stand er diesmal weder neben noch hinter ihr. Maria Theresia war, das konnte jedermann sehen, auch ohne ihren Gemahl handlungsfähig. Ihre nach der Huldigung geäußerte Absicht, ihren Mann zum Mitregenten zu ernennen, ließ daher ihre Autorität unangetastet.13 Im Gegenteil, die Gattin konnte sich als liebende Gefährtin präsentieren, die ohne äußeren Zwang ihrem Mann begrenzte Mitspracherechte gewährte.

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or dem Sturm

So bemerkenswert reibungslos und zügig der Übergang der Macht und die allmähliche Etablierung eines weiblichen Herrscherbildes in den Territorien des habsburgischen Imperiums gelang, so zögerlich gestaltete sich die Akzeptanz der Pragmatischen Sanktion im europäischen Kontext. Bayerns Protest erstaunte in Wien niemanden. Kurfürst Karl Albrecht, der mit einer Tochter Josephs I. verheiratet war, hatte schon seit Mitte der 1730erJahre nichts unversucht gelassen, seinen vermeintlichen Ansprüchen auf das habsburgische Erbe Nachdruck zu verleihen. Sein kurzzeitiges Bündnis mit Frankreich hatte seinerzeit in der Hofburg für Nervosität gesorgt und die Minister Karls VI. zu einer diplomatischen Gegenoffensive getrieben.14

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Die Jahre, in denen der Wittelsbacher noch eine echte Herausforderung für die Wiener darstellte, waren indes vorbei. Karl Albrecht hatte seine Partner zu häufig gewechselt, war zu hohe Risiken eingegangen und hatte sich schließlich mit seinem Kriegseinsatz gegen die Türken hoffnungslos ver­ spekuliert. Auf märchenhafte Gewinne hatte er gehofft und den Ruf eines Bezwingers der Heiden erwerben wollen. Nun blieben ihm nur Schulden und ein auf 10.000 Mann geschrumpftes Heer. Als der kurfürstlich-bayerische Gesandte Perusa noch am Todestag Karls VI. zu den österreichischen Ministern eilte, um die Erbfolge Maria Theresias anzufechten, reagierten diese kühl.15 Im Testament Kaiser Ferdinands I., auf das sich Bayern immer wieder berufe und das nach dem Tod Karls VI. nun angeblich greife, sei nichts zu finden, das die bayerischen Ansprüche begründe. München gab sich damit nicht zufrieden und verlangte das Originaldokument zu sehen. Am 3. und 4. November 1740 wurde, um jeden Zweifel zu zerstreuen, das betreffende Schriftstück den Botschaftern Preußens, Frankreichs, Russlands und Venedigs, dem päpstlichen Nuntius und schließlich auch dem bayerischen Emissär vorgelegt. Keiner der anderen diplomatischen Vertreter machte Anstalten, Bayerns Rechtsposition zu stützen, und selbst Perusa wurde angesichts der Formulierungen des Textes schwankend. Wer auch immer gegen die Thronfolge vorzugehen versuchte, war vornehmlich auf französisches Geld und französische Waffen angewiesen. So richteten sich 1740 alle Augen zunächst auf Paris. Frankreich hatte nur zwei Jahre zuvor feierlich geschworen, die Pragmatische Sanktion zu akzeptieren und zu schützen. Nun, da Maria Theresia ein Antwortschreiben auf die Todesanzeige ihres Vaters erwartete, ließ Versailles sich Zeit. Man müsse, so ließ Kardinal Fleury16, der erste Minister des Königs, den habsburgischen Emissär von Liechtenstein wissen, erst noch zeremonielle Probleme klären. Erst am 20. Januar 1741 waren die angeblichen Klärungen abgeschlossen. Von diesem Tag datiert ein Gratulationsschreiben an Maria Theresia, das an sie als Königin von Ungarn und Böhmen gerichtet war und damit ihre Ansprüche auf diese Throne anerkannte. Die Pragmatische Sanktion wurde dessen ungeachtet nicht mit einem Wort erwähnt. Fleurys monatelanges geräuschvolles Schweigen verhieß nichts Gutes. Wenn Versailles zögerte, durfte davon ausgegangen werden, dass auch die Wittelsbacher nicht so bald Ruhe geben würden. Als problematisch schätzten die Wiener Räte auch Spaniens Haltung ein. Zwar hatte Madrid die habs-

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burgische Nachfolge 1739 offiziell gebilligt, bei näherer Prüfung des Textes stellte sich jedoch heraus, dass diese Anerkennung sich nur auf einen Teil der Territorien erstreckte. Europas Monarchen warteten ab. Niemand wollte zum Sturm auf die Hofburg blasen, und doch zögerten die Großmächte, sich die Chance auf Beute entgehen zu lassen. Die Stabilität des Mächtesystems war den Entscheidungsträgern offenbar nicht annähernd so wichtig, wie die Berater Karls VI. es erhofft hatten. Erkannt hatte dies der junge preußische König, der sich, wie Demeradt warnend nach Wien schrieb, für Schlesien zu interessieren schien. Berlin sei voller Gerüchte und der Kopf des Königs voller Pläne. Am 29. Oktober werde er sich mit dem Grafen Podewils als Leiter der preußischen Diplomatie und mit General von Schwerin in Rheinsberg treffen. Er, Demeradt, erwarte wenig Gutes von dieser Zusammenkunft. Selbst die Minister des Königs waren erstaunt über dessen kühnen Angriffsplan auf die habsburgische Provinz. Und das Recht? Wie, so Heinrich Graf von Podewils, sollte man einen Angriff auf Schlesien juristisch begründen? Die vom König erwähnten Erb­ ansprüche mochten, so erläuterte er mit aller Vorsicht, nicht jeden überzeugen. Rechtsfragen, so König Friedrichs kühle Reaktion, seien Sache seiner Minister. Auch andere Einwände ließ er nicht gelten und offenbarte im Verlaufe der Diskussion mit seinen erfahrenen Ministern einen beunruhigend treffsicheren Blick für machtpolitische Gegebenheiten. So wies er Einwände, die Habsburger könnten in ihrer Not auf die südlichen Niederlande verzichten, um Frankreich zum Eingreifen zu bewegen, mit dem Hinweis zurück, dies würden die Niederlande und England niemals akzeptieren. Auch dass es dem Hof in Wien in letzter Minute gelingen würde, Bayern wieder auf seine Seite zu ziehen, schloss Friedrich aus. Habsburg könne dem Kurfürsten nichts geben, ohne in noch größere Schwierigkeiten von anderer Seite – namentlich dem wichtigen Verbündeten Savoyen – zu geraten. Nein, die Interessen Bayerns und Sachsens deckten sich kaum mit jenen der neuen Königin. Hannover und Hessen blieben schon deshalb neutral, weil sie fürchteten, zwischen Preußen und Frankreich aufgerieben zu werden. Russland habe mit sich selbst genug zu tun, Polen sei militärisch nicht ernst zu nehmen und Frankreich werde abwarten, um sich dann auf die Seite des vermeintlichen Siegers zu schlagen. Bedenken verbitte er sich, so Friedrich. Preußen besitze Geld und Truppen – zwei Dinge, die dem Gegner fehlten. Und wenn man über einen Vorteil verfüge, dann müsse man ihn auch nutzen.

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er neue Blick auf Preußen

Zur sachen mehrerer Erleutherung hast Du zu wissen, dass Niemand weniger als Preussen zu trauen ist.17

Die Instruktionen, die Maria Theresia ihrem Londoner Emissär Graf Ostein am 19. November 1740 zusandte, ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. In Wien waren die letzten Zweifel an den Absichten Friedrichs II. längst der unbequemen Gewissheit gewichen, dass der Preußenkönig militärische Schritte gegen das Habsburgerreich vorbereitete. Das war längst kein Geheimnis mehr. Neben Demeradt wusste auch der gut informierte niederländische Emissär zu berichten, dass das Haus Hohenzollern begehrliche Blicke auf Schlesien warf. Podewils, der engste Vertraute des Königs, hatte in den Salons der Stadt unbefangen über derlei Pläne berichtet. Von einer konspirativen Atmosphäre konnte in Berlin längst keine Rede mehr sein.18 Die Wiener Räte traf der preußische Mobilmachungsbefehl vom 8. November dennoch bemerkenswert unerwartet. Obwohl die Meldungen Demeradts bekannt waren, ging die Mehrzahl der Berater der Königin von einer Finte aus. Friedrich  II., so ihre Einschätzung, werde sich nicht zu einem Überfall auf eine der reichsten Provinzen des Hauses Habsburg hinreißen lassen. Die Gefahr eines Scheiterns sei viel zu groß.19 Wahrscheinlicher sei ein moderater Eroberungsfeldzug. Vermutlich wolle Friedrich II. die günstige Gelegenheit nutzen, um sich endlich Cleve-Jülichs oder Nürnbergs zu bemächtigen. Maria Theresia folgte dieser Einschätzung zunächst und bat Friedrich um Unterstützung bei der Wahl ihres Gatten zum neuen römischen Kaiser. Dass Preußen Gegenleistungen für seine Unterstützung des Hauses Habsburg erhalten und diese großzügig ausfallen würden, daran ließ die Königin keinen Zweifel. Noch hoffte Wien auf einen Bluff des Preußen. In den folgenden Tagen verdichteten sich indes die Hinweise, dass Friedrich sich nicht auf ein diplomatisches Spiel beschränkte, sondern zum Sprung ansetzte. Ein Strategiewechsel schien deshalb dringend erforderlich. Nachgiebigkeit sei, so hieß es in den Protokollen der Geheimen Konferenz vom 23. November, sicher die falsche Antwort auf die preußischen Drohszenarien. Dem König müsse unmissverständlich klar gemacht werden, dass Schle­ sien nicht zur Disposition stehe. Mit Protestnoten allein ließ sich Friedrich allerdings nicht aufhalten. Es sei dringend notwendig, einige natürlich und thunliche Vorsorge zu treffen, umb sich gegen die widrige preußische Absichten zu

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verwahren. Das war leichter gesagt als getan. Die militärischen Ressourcen Wiens waren knapp, und Preußen besaß gegenüber seinem Rivalen einen deutlichen Vorsprung. Nichts war in dieser Situation so wichtig wie zuverlässige Informationen. Die Entscheidungsträger in der Hofburg mussten wissen, ob Friedrich sich nicht doch noch umstimmen oder zumindest verunsichern lassen würde. Anton Otto Marquis Botta-Adorno sollte als Gesandter der Königin diese anspruchsvolle Aufgabe erfüllen. Seine Ernennung hatte die Königin schon am 8. November genehmigt. Angesichts der sich rasch verändernden Situa­ tion hatte sich die Hofburg jedoch gezwungen gesehen, seinen Arbeitsauftrag laufend zu überarbeiten, sodass sich seine Abreise um mehr als eine Woche verzögerte – angesichts der sich dramatisch wandelnden Rahmenbedingungen eine halbe Ewigkeit. Die Wahl des Gesandten war bezeichnend. Botta konnte nicht nur auf diplomatische Erfahrung verweisen, er gehörte auch zur Riege jener Offiziere, die schon unter dem Prinzen Eugen vor Belgrad gedient hatten. Seine militärische Expertise war damit unstrittig. Wichtiger noch war, dass er das Vertrauen Franz Stephans besaß. Die Monarchin ohne Netzwerk griff auf die Getreuen ihres Mannes zurück, um direkte Nachrichten aus einem Krisengebiet zu erhalten. Vorsichtig noch begann sie die Entscheidungsmechanismen des Hofes zu modifizieren und zu beeinflussen. Wie mit Berlin zu verfahren war, sollte nicht allein von den Räten ihres verstorbenen Vaters bestimmt werden. Was Botta dem Königspaar nach seinem Eintreffen in Berlin am 29. November zu berichten hatte, bestätigte die schlimmsten Befürchtungen – Demeradts Warnungen waren eher noch untertrieben. Botta verzichtete auf den Gebrauch der üblichen Geheimkodierungen – offenbar verfügte er über sichere postalische Verbindungen – und schrieb in einer Offenheit, die nichts zu wünschen übrig ließ. Die Truppenbewegungen hätten längst begonnen, und Friedrich zeige keine Neigung, mit dem Hause Habsburg über einen Kompromiss zu verhandeln. Er wolle Schlesien seinem Herrschaftsbereich einverleiben und werde in den nächsten Tagen ohne jeden Zweifel dieser Absicht militärische Taten folgen lassen, wovon ihn nichts abbringen könne.

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er zuverlässigste Freund der Casa Austria

Während Friedrich die Invasion Schlesiens vorbereitete, wurde sein Gesandter in Wien, Kaspar Wilhelm von Borcke, nicht müde, Maria Theresia der Sympathie seines königlichen Herrn zu versichern. Dass dies hohle Worte waren, wusste er spätestens seit dem Eintreffen seiner vom 15. November 1740 datierten neuen Instruktionen. Der Preußenkönig legte darin erstmals seine Ziele und deren offizielle Rechtfertigung dar. Sie sollte dem Gesandten dazu dienen, Wien die Akzeptanz der Besetzung Schlesiens zu erleichtern, sobald die Zeit dafür reif war. Wenn er mit seinen Soldaten auf Breslau marschiere, so tue er dies nicht nur, um eine Provinz in Besitz zu nehmen, deren Kontrolle für die Sicherheit seines Staates unentbehrlich sei, sondern auch, um den Bestand des Hauses Habsburg zu verteidigen. Tatsächlich liege es ihm fern, die Königin um ihren Thron zu bringen. Er, Friedrich, sei alles andere als ein Feind der Casa Austria. Im Gegenteil, er sei der zuverlässigste, wichtigste, am besten gerüstete Freund Maria Theresias. Auf ihn könne sie sich vorbehaltlos verlassen, während die anderen Mächte in Europa in ihren Zusagen unglaubwürdig seien. Man möge sich in Wien keinen Illusionen hingeben. Ohne preußische Unterstützung drohe der Kollaps des habsburgischen Imperiums. Und genau dies wolle er, Friedrich, verhindern. Er werde der Königin daher Waffen und Geld zur Verfügung stellen und selbstverständlich die Kandidatur ihres Mannes, Franz Stephan, für das Kaiseramt unterstützen. Alles, was er verlange, sei das erwähnte Schlesien, auf das er rechtlichen Anspruch erheben dürfe. Über Generationen habe das Haus Hohenzollern der Kaiserdynastie treu und selbstlos gedient. Nur Undank habe man dafür empfangen. Nun sei es an Maria Theresia, dies wiedergutzumachen und Preußen zu geben, was ihm gebühre. Diese neue, überaus kreative preußische Deutung des Begriffes Freundschaft wurde dem Wiener Hof schrittweise übermittelt. Zunächst begann Borcke, Warnungen vor den Machenschaften fremder Königshöfe in Wien zu formulieren. Die Königin, so ließ er wissen, werde schon bald Hilfe brauchen. Ähnliches vernahm Maria Theresia auch aus den Briefen Bottas, den Friedrich zunächst tagelang ignorierte, bis er ihn am 5. Dezember mit warmen Worten zu beruhigen suchte und ihn schließlich in einer Audienz vom 9. November auch offiziell mit der neuen Haltung Preußens konfrontierte. Die Thronfolgerin reagierte empört:

Der zuverlässigste Freund der Casa Austria   •   57

Wie ist möglich, so Maria Theresia in einem Schreiben vom 8. Dezember 1740, seinen Nachbahren von darumben feindlich anzugreiffen, weile er die ihme anbiethende hülfe nicht nötig zu haben glaubt, mithin mit abruch seiner ruhig besitzender Länder nicht erkauffen will, zugleich aber auf das freundschaftlichste dahin sich erkläret, dass wann er gegen andernwärthige feinde sie anzusuchen nöthig haben sollte, er sich drüber der billigkeit nach alsdann einverstehen würde.20 Auf Friedrichs Ansinnen einzugehen, wurde von der Königin und ihren Ministern strikt abgelehnt. Trete man Schlesien ab, so bedeute dies nicht nur eine Schmälerung dero getreuester Erblanden, man werde durch den Verlust einer katholischen Provinz an einen protestantischen Herrscher zudem seine Reputation als Schutzherr des wahren Glaubens verlieren. Gab Habsburg nach, würde diese Schwäche bald andere dazu verleiten, sich ebenfalls passende Stücke aus dem habsburgischen Erbe zu sichern. Ein Angriff auf Schle­sien, ein erfolgreicher zumal, werde ein Universalkriegsfeuer in Europa anzünden. Dies war aus Wiener Sicht eine durchaus realistische Einschätzung, denn Friedrichs Gesandte fanden an den europäischen Höfen Gehör. Hinweise auf die Gefahren, die mit einem Kriege und mehr noch der Akzeptanz eines offenen Rechts- und Bündnisbruchs verbunden waren, verhallten ungehört. Preußen begann die Krise des Hauses Habsburg, das angeblich einzig durch Friedrich gerettet werden konnte, systematisch herbeizuschreiben. Diese Krise durch entschlossenes militärisches Vorrücken doch noch abzuwenden, war kaum mehr möglich, denn die Lage des Reiches an der Donau war nach zwei verlorenen Kriegen mehr als trostlos. Die Staatsschulden beliefen sich auf über 44 Millionen Gulden. Das Heer war aufgrund finanzieller Zwänge im Sommer 1740 drastisch verkleinert worden: Statt der bisherigen 159.000 Mann belief sich die Sollstärke nun auf 141.000, der Effektivbestand auf gerade einmal 108.000 Mann. Zudem waren die Truppen über das Riesenreich verstreut. Um eine bedrohte Provinz überhaupt schützen zu können, brauchte Wien vor allem Zeit, und die wollte Friedrich den Habsburgern auf keinen Fall zugestehen. Während an der Hofburg die preußischen Drohungen zwar ernst genommen wurden, das Hauptgewicht der Abwehrmaßnahmen jedoch noch im diplomatischen Bereich lag, hatte sich der König längst zu militärischem Handeln entschlossen.21 Noch bevor Wien auf ein Ultimatum, das der Hohenzoller am 11. Dezember gestellt hatte, antworten konnte, schuf er Fakten: Am 16. Dezember 1740 –

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mitten im Winter – überschritt er an der Spitze seiner Armee die Grenze. Lieber Podewils, so schrieb der König seinem Minister noch am selben Tag, ich habe den Rubikon überschritten mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel. Seine Soldaten seien zuversichtlich, seine Generäle hungerten nach Ruhm, und er selbst werde in Berlin nicht erscheinen, ohne mich des Blutes aus dem ich entsprossen bin, würdig erwiesen zu haben, und würdige die tüchtigen Soldaten, die ich zu führen die Ehre habe.22 Worte wie diese zeigten, dass die Königin es mit einem Gegner zu tun hatte, der sich wenig um die militärischen und politischen Regeln seiner Zeit kümmerte. Dieser Mann wollte aus der zweiten Reihe der europäischen Politik heraustreten und scheute kein Risiko, dieses Ziel zu erreichen.

Maria Theresia Die Königin

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ollwitz

Wir sein (...) weit entfernt, die mindeste Schuld hierunter Dir beizumessen und erkennen vielmehr, dass Deine Anstalten sehr eifrig, vernünftig und vorsichtig waren, sein auch vollkommen gnädigst damit zufrieden, vernehmen jedoch sehr ungern, dass diese Befehle nicht so wie es hätte sein sollen, von ein und andern befolget worden.1

In Anbetracht des militärischen Desasters, das der Empfänger des Schreibens, Wilhelm Reinhard von Neipperg, zu verantworten hatte, erschienen die Worte seiner Königin ausgesprochen milde, wenn nicht gar fürsorglich zu sein. Der aus schwäbischem Geschlecht stammende Militär war von ihr aus der Festungshaft entlassen worden, zu der ihn ihr Vater verurteilt hatte, nachdem Neipperg mit dem Frieden von Belgrad die militärische Niederlage Habsburgs im Türkenkrieg durch diplomatisches Ungeschick verschlimmert hatte. Nun war er mit der Aufgabe betraut worden, Schlesien zurückzuerobern. Sein preußischer Gegenspieler hatte bis Ende Februar 1741 die Provinz weitgehend in seine Gewalt gebracht. Mit Ausnahme von Glatz, Brieg und Neiße waren die wichtigsten Zentren und militärischen Stützpunkte unter Kontrolle der Truppen Friedrichs II. Im März kam noch Glogau hinzu, das von der habsburgischen Garnison erbittert verteidigt wurde.2 Neipperg war mit der Situation in der Provinz bestens vertraut, musste aber mit einer Gegenoffensive bis Ende März warten. Geldmangel und logistische Schwierigkeiten machten den Aufmarsch seiner Truppen zu einer Nervenprobe ohnegleichen. Als das Heer schließlich einsatzbereit war, schienen die Aussichten auf einen Erfolg immerhin nicht schlecht zu sein. Während die preußischen Truppen ohne Gefechtserfahrung in einem fremden Landstrich

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operierten, verfügte Neipperg über Einheiten, die unter Prinz Eugen gefochten hatten und in Schlesien auf die Sympathie der Bevölkerung hoffen durften. Unter widrigen Wetterverhältnissen rückte Neipperg am 29. März vor und traf in Niederschlesien auf wenig Widerstand. Eine Festung wie Grottkau (Grodków) etwa ergab sich nach weniger als einer Stunde Verhandlungen. Neipperg konnte hier nahezu neunhundert feindliche Soldaten gefangen nehmen, ohne auch nur einen Schuss abzugeben. Aus preußischer Sicht war diese Entwicklung mehr als beunruhigend. Die Habsburger hatten in nur wenigen Tagen wichtige strategische Positionen eingenommen, und es bedurfte, wie Friedrich feststellte, einer Entscheidungsschlacht, um sie aufzuhalten. Inmitten eines heftigen Schneetreibens rückte der König mit über 23.000 Mann in Richtung Mollwitz (Malujowice) vor und traf dort auf ein etwa gleich starkes österreichisches Heer. Die Schlacht, welche die beiden sich nun lieferten, kostete fast 10.000 Soldaten das Leben. Sie begann mit routinierten Kavallerieattacken der Habsburger, die den rechten Flügel der Preußen in äußerste Bedrängnis brachten. Fast schien es, als würde die Blüte des jungen preußischen Mars in Mollwitz schon zu welken beginnen. Auf Rat seines Feldmarschalls Schwerin verließ Friedrich das Schlachtfeld und erfuhr so erst am Abend, dass es seinen Regimentern nach erbitterten Gefechten gelungen war, das Schlachtenglück zu wenden. Die Heere der Königin hatten das Feld räumen müssen und dem König etwas geliefert, was er händeringend brauchte – einen Beweis für die Verletzbarkeit des habsburgischen Kolosses, aber auch für die eigene Stärke. Die preußischen Heere mochten noch ungeübt und in der Schlacht unerfahren sein, eine leichte Beute für ihre habsburgischen Gegenspieler waren sie nicht. Wollte Neipperg weitere Niederlagen vermeiden, war er gezwungen, das zu tun, was Maria Theresia in ihrem Schreiben angemahnt hatte: Er musste seine Truppen neu formieren und vor allem weiteren Schaden verhindern. Die künftige Strategie der Habsburger lag damit in der Defensive. Eine Rückeroberung Schlesiens rückte in weite Ferne.3

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lick in den Abgrund

Friedrichs Vorrücken war vonseiten der Seemächte – England und den Niederlanden – mit Argwohn verfolgt worden. Beide Mächte wünschten weder eine Veränderung des Status quo auf dem Kontinent noch ein Erstarken Preußens, das im norddeutschen Raum eine hegemoni-

Blick in den Abgrund   •   61

ale Position einzunehmen drohte. Vor allem für den englischen Monarchen ­George II., der zugleich Kurfürst von Hannover war, stellte eine norddeutsche Großmacht geradezu ein Schreckensszenario dar. Wiens Drängen, er möge Friedrich Einhalt gebieten, fand daher in London erheblichen Widerhall. Schon im Dezember begann der englische König, Friedrichs Emissären unmissverständlich klarzumachen, dass ein Angriff auf das Habsburgerreich durchaus mit einer Verkleinerung Preußens enden könne. Ende Januar wurde aus der Drohung ein Projekt – der englische König regte eine Allianz aus Großbritannien, den Niederlanden, Russland und Sachsen mit dem Ziel der Teilung Preußens an. Dergleichen Vorschläge wurden von den potentiellen Verbündeten keineswegs empört zurückgewiesen. Sachsen etwa schwankte, ob es die Habsburger von der Abtretung einiger böhmischer Kreise überzeugen könnte oder ob die preußische Beute lukrativer war. Ein Gesandtentreffen der unsicheren Freunde Habsburgs fand ab dem 16. Februar 1741 in Dresden statt. Es wurden immer neue Pläne geschmiedet, wie mit Friedrich zu verfahren sei und ob nicht einer Verhandlungslösung der Vorzug gegeben werden sollte. Die Entscheidung fiel schließlich auf dem Schlachtfeld: Mit dem Sieg von Mollwitz wurden die Pläne gegen Preußen Makulatur. Maria Theresia wehte in den folgenden Monaten ein eisiger Wind entgegen. Anfang April traf in Wien eine Note der französischen Krone ein. Da die Pragmatische Sanktion die Rechte Dritter beeinträchtige, fühle man sich nicht mehr an sie gebunden. Kardinal de Fleury wechselte das Lager, und er tat dies in erstaunlicher Geschwindigkeit. Statt das direkte Bündnis mit Preußen zu suchen, wandte Versailles sich einem anderen, bislang kaum als gefährlich eingeschätzten Gegner der Königin zu: dem bayerischen Kurfürsten. Noch im April brach Charles Louis Foquet im Auftrag Fleurys zu einer Reise ins Reich auf und warb für das Projekt einer bayerischen Kaiserwahl. Als am 18. Mai 1741 die Gesandten von Frankreich, Spanien und Preußen auf Einladung des bayerischen Kurfürsten in Nymphenburg zusammentrafen, wurde die Situation zunehmend bedrohlich. Die Schlinge um das Haus Habsburg wurde langsam zugezogen. Ausgestattet mit der diplomatischen, finanziellen und militärischen Rückendeckung seiner neuen Partner, überfiel Kurfürst Karl Albrecht am 31. Juli 1741 Passau. Mit Hilfe französischer Regimenter rückte er rasch nach Süden vor und nahm am 15. September Linz ein. Das lange zögernde Sachsen, das durch ein Abkommen von 1733 zu einer Intervention zugunsten Habsburgs

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verpflichtet war, wechselte nun ebenfalls die Seiten und begann, Ansprüche auf das österreichische Erbe zu erheben. Aus Sicht Augusts III. von Sachsen schien Eile angebracht, denn die Bayern zogen von Sieg zu Sieg.4

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piel auf Zeit

Montag/ den 13. Martii. Heute in der frühe zwischen 2. und 3. Uhr seynd Ihre Majestät die Königin zu Hungarn und Böheim Erzt- Herzogin zu Oesterreich/ unsere Allergnädigste Landes-Fürstin/ und Frau/ eines schön- und wohlgestalten Ertz-Herzogen zu unaussprechlicher Freude allerhöchster Herrschaften/ wie auch zum höchsten Trost alhieisger Inwohner/ und gesamter Königlicher Erb- Königreichen und Landen glücklichst entbunden worden, von welcher glücklichen Entbindung also gleich der Ruf mithin ein immerwährendes Jubel-Geschreiy durch alle Gassen noch bey eitler Nacht erschollen.5

Zum ersten Mal seit 25 Jahren schenkte eine Königin einem Thronfolger das Leben. Der Tod ihres Vaters lag weniger als ein halbes Jahr zurück, der Einmarsch Preußens in Schlesien nur wenige Monate. Der Knabe auf ihrem Arm war ihr viertes Kind, und es kam in mehrfacher Hinsicht zur rechten Zeit. Wer glaubte, dass die Fruchtbarkeitskrise im Hause Habsburg anhalten würde, musste nunmehr ins Grübeln geraten. Mit dem kleinen Joseph (1741–1790) hatte die Dynastie wieder eine Zukunft, mehr noch, in einer Zeit der Niederlagen und des Zerfalls symbolisierte er Optimismus und Erfolg. Nach Monaten und Jahren voller Hiobsbotschaften kamen aus Wien wieder gute Nachrichten, und es gab Anlass zum Feiern – eine Tatsache, die die Wiener zu schätzen wussten.6 Maria Theresia war dieser Aspekt ihrer Herrschaftstätigkeit alles andere als unwichtig. Die Monarchin zeigte auffällig viel Präsenz in ihrer Residenzstadt und versuchte, in gut altständischer Weise mit regulierten Lebensmittelpreisen die Sympathie der Bürger auf sich zu ziehen. In Zeiten der Krise, der Erschütterungen der eigenen Position, waren gute Nachrichten gerade in und aus Wien von essentieller Bedeutung. Es galt, Gelassenheit zu demonstrieren und lokale Unruhen zur Unzeit zu vermeiden. Das allein reichte allerdings kaum aus, das Blatt zu wenden. Hierzu bedurfte es zweier knapper Ressourcen, die die Königin und ihre Berater nach

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Kräften zu mehren suchten: Geld und Zeit. Noch zeigten sich ihre Gegner auf europäischer Bühne verunsichert, und niemand wagte zumindest öffentlich, ein Szenario heraufzubeschwören, das einen völligen Zerfall des habsburgischen Reiches implizierte. Die Risiken einer solcher Entwicklung wären in der Tat unabsehbar gewesen. Selbst Preußen hatte kein Interesse an einer Destabilisierung der politischen Statik des Kontinents. Friedrich strebte daher mit allen Mitteln und allen politischen Finessen, die er beherrschte, nach einer Einigung mit Wien.

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ie Königin betritt die Bühne

Der preußische Emissär Kaspar Wilhelm von Borcke wurde seit der Jahreswende vom Sondergesandten Gustav Adolf von Gotter unterstützt.7 Beide hatten zu Neujahr 1741 einen weiteren Versuch unternommen, die Habsburger zum Einlenken zu bewegen. Ihr Gesprächspartner war Franz Stephan, dem Friedrich seine Stimme bei der Kaiserwahl versprach – eine Zusage, die er zuvor bereits den rivalisierenden Bayern gegeben hatte –, sofern man zu einer Einigung käme. Der Großherzog der Toskana empörte sich über dergleichen Anliegen, klagte über den Einmarsch der Preußen und verglich die Auseinandersetzung zwischen beiden Mächten immer wieder mit persönlichen Angriffen. Die Invasion gleiche einer Ohrfeige; die Königin könne nicht einfach mit einigen begütigenden Worten über sie hinweggehen. Auf den Einwand, Österreich könne doch ohne größeren Schaden auf die Provinz verzichten, verglich Franz Stephan Schlesien mit seinem Rockärmel – den könne er sich auch nicht einfach abtrennen lassen. Der Streit um Schlesien wurde von ihm damit als Streit um die Ehre dargestellt – als ein persönliches Duell zwischen dem Hohenzollern und dem königlichen Paar.8 Franz Stephan forderte Genugtuung, während der preußische Gesandte sich betont kühl gab und ein Tauschgeschäft vorschlug. Wenn Preußen der Königin einen Kredit einräume und sie im Gegenzug Friedrich II. Schlesien als Pfand überlasse, sei ihrer Ehre genüge getan und sie zugleich mit dem ausgestattet, was sie am dringendsten brauche: Geld. Franz Stephan hielt inne, beteuerte seinen Friedenswillen, bedauerte den Überfall auf Schle­sien, der die Verhandlungen nun so schwierig mache, und erklärte, wie sehr er ungeachtet aller Missverständnisse seinen alten Freund Friedrich schätze. Für weitere

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Verhandlungen stünden dessen Emissären übrigens alle Minister Ihrer Majestät zur Verfügung. Schwer wird es sein, fuhr er fort, doch sage ich nicht, dass alle Hoffnung verloren ist. Kaum waren seine Worte verklungen, da ertönte ein Klopfen. Seine Gemahlin, die Königin, stand hinter der halb geöffneten Tür und verwies auf die fortgeschrittene Zeit. Man möge nun zur Tafel schreiten. Die Szene ließ tief blicken. Vor den Augen des Gesandten zeigte sich das Ehepaar als ein eingespieltes Team, wobei vor allem Franz Stephan mit viel Geschick vorging. Indem er eine Diskussion über politische Interessens­ gegensätze vermied, hielt er die Situation in der Schwebe. Der Gemahl der Königin definierte keine klaren politischen Positionen oder Zielvorstellungen. Er bot seinem Gegenüber keine Argumente und keine Forderungen, die es diesem erlaubten, einen Handel einzugehen. Gleichzeitig zeigte sich der Lothringer bemüht, einen Ausgleich nicht auszuschließen. Franz Stephan forderte die Wiederherstellung seiner Ehre. Die Besetzung Schlesiens wurde von ihm vor allem als Schädigung der Reputation der Monarchie angesehen – als ein Akt, der Genugtuung verlangte. Ein solcher Hinweis war verschieden deutbar. Franz Stephan demons­ trierte zweifellos Gewaltbereitschaft. Ein Ehrenmann war gezwungen, seine Fähigkeit zu demonstrieren, sich und die Seinen zu verteidigen. Die klassische Form der Reaktion war das Duell, doch es war nicht die einzige. Die eigene Ehre ließ sich auch auf andere Weise wiederherstellen – durch eine Entschuldigung etwa oder materielle Kompensation. Wichtig war, dass die Konfliktparteien bei der Regelung des Konflikts stets die Reaktion Dritter einkalkulierten. Der Gemahl der Königin konfrontierte den Preußen auf diese Weise mit einer komplexen Aufgabe, die dieser zu lösen hatte. Er hatte Verhandlungen nicht ausgeschlossen, Borcke jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür gegeben, wie eine Lösung aussehen konnte. Mehr noch, er hatte den Preußen unter erheblichen Handlungsdruck gesetzt. Wenn dieser nun mit militärischen Drohungen reagierte, zerschlug er jede Möglichkeit einer Einigung. Friedensbereitschaft musste gegenüber dem beleidigten Aristokraten durch Mäßigung kenntlich gemacht werden. Tatsächlich stellte Borcke dem Großherzog Gegenleistungen für eine mögliche Beendigung der Kampfhandlungen in Aussicht. Ohne selbst Angebote gemacht zu haben, hatte Franz Stephan die Grenzen des preußischen Entgegenkommens ausloten können. Eine Rückgabe Schlesiens kam für König Friedrich II. nicht in Frage, doch eine Demüti-

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gung oder gar Zerschlagung des Habsburger Imperiums lag offenbar ebenfalls nicht in seinem Interesse. Für Maria Theresia, die ihre Entscheidungen bislang auf Grundlage unvollständiger Kenntnis der Ziele Preußens gefällt hatte, war dies eine wichtige Information. Auch die Art und Weise, in der die Unterredung beendet wurde, war bemerkenswert. Hatte die Königin das Gespräch durch die halb geöffnete Tür verfolgen können? Hatte sie dem Großherzog Anweisungen gegeben, wie es zu führen war, oder sich mit ihm zumindest vorab darüber verständigt? Dies wurde dem preußischen Abgesandten zumindest suggeriert. Manches sprach dafür, dass das politische Chaos in Wien nicht annähernd so groß war, wie der Preußenkönig es offenbar erhofft hatte. Franz Stephan und seine Frau beließen es jedoch nicht bei dieser unterschwelligen Botschaft. Ersterer hatte ausdrücklich auf die einheitliche Posi­ tion der Räte hingewiesen und dem Preußen unumwunden deutlich gemacht, dass es sinnlos war, auf die politische Uneinigkeit der Entscheidungsträger zu spekulieren. So wichtig es dem Lothringer war, Preußens Absichten zu eruieren, so wichtig war es ihm zugleich, seinem Gegenüber ein Signal innerer Stärke zu senden. Die Zeit des Vorschiebens männlicher Stellvertreter schien in der Tat ein Ende zu haben. Gegner und Freunde sollten wissen, dass in Wien keine Entscheidung ohne oder gar gegen die Königin getroffen werden konnte. Es galt, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Der Erste, der dies zu spüren bekam, war der englische Gesandte Sir Thomas Robinson. Dessen König George II. hatte, um die eigenen Besitzungen in Hannover nicht zu gefährden, sein Hilfsversprechen an Maria Theresia höchst eigenwillig interpretiert: Statt Soldaten schickte er Robinson als Vermittler. Die ersten Verhandlungen des Diplomaten mit der Königin fanden am 20. Juni 1741 statt. Versuche, sie zum Nachgeben zu bewegen, erwiesen sich als nutzlos: Niemals werde sie Schlesien hergeben. Die Königin habe sich klar und äußerst erregt geäußert, immer wieder habe sie ihn unterbrochen.9 Hatte Franz Stephan die Rolle des aggressiven, zu jedem Duell bereiten Aristokraten gespielt, so präsentierte sie sich – offenbar mit ähnlichem Kalkül – als Mutter, die das Gut ihrer Kinder schützt.10 Auch sie wusste ihre entschiedene Haltung mit mehr oder weniger unterschwelligen Angeboten zu verbinden. So ließ sie durchblicken, dass sie durchaus bereit war, Friedrich für einen Verzicht auf Schlesien zu entschädigen. Die spanischen Niederlande würden für einen solchen Handel durchaus in Frage kommen.

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Wie Franz Stephan spielte auch Maria Theresia meisterlich auf der Klaviatur der Emotionen. Statt sich auf eine interessenpolitische Diskussion einzulassen und dabei ihren Standpunkt klar zu definieren, zwang sie ihren Gesprächspartner zu einem Rollenspiel. Die aufgeregte Mutter wollte beruhigt werden – auch, indem ihr Gegenüber Verständnis demonstrierte und Zugeständnisse machte. Dass sie dabei stets die Zügel in der Hand behielt, zeigte sich darin, dass sie nicht nur Empörung und Kampfbereitschaft, sondern eben auch Entgegenkommen zu signalisieren in der Lage war. Die junge Königin wusste die Mutterrolle einzusetzen, ließ sich von ihr jedoch nicht davontragen. Hier agierte eine trotz ihrer Jugend bemerkenswert selbstbewusste und geschickte Monarchin, die alles andere als der Spielball ihrer Räte war. Auf diplomatischer Bühne gewann Maria Theresia damit rasch an Profil und Eigengewicht. In Berlin wurde ebenso wie in Paris und London aufmerksam wahrgenommen, dass die Königin als politische Kraft ernst zu nehmen war. Ob sich dieses Urteil festigte, hing von ihrem Geschick im Umgang mit ihren Räten ab. War die junge, in administrativen Belangen gänzlich unerfahrene Monarchin tatsächlich in der Lage, die militärische und politische Konkurrenzfähigkeit des noch immer riesigen Reiches so rasch zu verbessern, wie es nötig war?

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n der Konsensfalle – die Geheime Konferenz

Die Königin, so hieß es im Entwurf eines Schreibens an Friedrich II. vom 5. Januar 1741, gedenke nicht, ihre Regierung mit der Zerschlagung ihres Reiches zu beginnen. Sie sei es ihrer Ehre und ihrem Gewissen schuldig, die Pragmatische Sanktion gegen alle direkten und indirekten Angriffe zu verteidigen. Eine Abtretung Schlesiens komme daher keinesfalls in Frage. Sofern der König von Preußen seine Truppen aus der Provinz zurückziehe, sei sie gern bereit, die bislang so freundschaftlichen Beziehungen wiederaufzunehmen. Ein so großer Monarch wie er werde zweifellos mit ihr übereinstimmen, dass die Quelle einer ruhmreichen Regierung die Aufrechterhaltung der Reichsverfassung und des europäischen Gleichgewichts sei.11 Das Schreiben gab getreulich die politischen Leitlinien des von Maria Theresia ererbten väterlichen Regierungsapparats wieder. Über einen Zeitraum von fast drei Jahrzehnten hatten die Wiener Räte eine Politik der Bestands-

In der Konsensfalle – die Geheime Konferenz   •   67

sicherung betrieben: Sie hatten alle Strukturen gefördert, die wechselseitige Abhängigkeiten erzeugten.12 Das traf vor allem auf das Römische Reich deutscher Nation zu, dem Karl VI. besondere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Das Reich war ein europäischer Mikrokosmos, bestehend aus kleineren, mittelgroßen und einigen gewichtigen, auch auf europäischer Bühne agierenden Territorialfürsten, die sich wechselseitig in Schach hielten. Frankreich, England, Schweden und Polen waren mit diesem komplexen System von Sicherheitsgarantien, Einflussmöglichkeiten und Verpflichtungen direkt, die Niederlande, Spanien und Russland indirekt verwoben. Wer es destabilisierte und die Normen, die es zusammenhielten, missachtete, dem drohte der Entzug des Schutzes durch die Reichsverfassung: Er wurde zur Beute für seine Nachbarn. Das Verhalten Preußens war aus dieser Perspektive unverständlich und Abwarten die beste Option, darauf zu reagieren. Je mehr Zeit verging, umso deutlicher musste Friedrich II. werden, dass der Widerstand, auf den er stieß, zu groß war, um ihn zu ignorieren. Bis zur Niederlage bei Mollwitz sprach vieles dafür, diese Strategie fortzusetzen. Nach der verlorenen Schlacht war die Situation allerdings eine völlig andere. Die habsburgischen Räte hatten ganz offensichtlich die Kräfte, die trotz erheblicher Risiken eine Veränderung des Status quo wünschten, unterschätzt: Der Kurfürst von Bayern sah die Chance gekommen, im südöstlichen Teil des Reiches, der wirtschaftlich und kulturell ohnehin eng verwoben war, ein neues Machtzentrum zu bilden. Spaniens Eliten strebten danach, das im Spanischen Erbfolgekrieg Verlorene zurückzugewinnen. Frankreich warf einmal mehr begehrliche Blicke auf die Grafschaft Flandern und das Herzogtum Brabant. Schottlands Highlandclans erkannten eine Möglichkeit, sich des englischen Jochs zu entledigen. Kurzum: Der Status quo erschien vielen Entscheidungsträgern in Europa dringend revisionsbedürftig. Es war mehr als zweifelhaft, dass Versuche der Restabilisierung, der Reparatur eines vermeintlich nur kurzzeitig gestörten Systems, erfolgversprechend waren.13 Bezeichnend für den Ernst der Lage war ein Gutachten Philipp Ludwig Wenzel von Sinzendorfs vom 6. August 1741. Sinzendorf zählte zu den Architekten der Politik Karls VI. und stand nun vor dem Scherbenhaufen seines Lebenswerks. Frankreich, Bayern und Preußen, so schrieb er, hätten sich zu einer starken Allianz zusammengeschlossen, der das Haus Habsburg angesichts der finanziell erschöpften Erblande nichts entgegenzusetzen habe. Englands Angebot zu vermitteln, sei außer einem von der göttlichen Providenz einzig und allein abhangenden mittel der einzige Weg, aus dem gegenwärtigen

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unglückseligen Umbstand eluctiret zu werden.14 Maria Theresia müsse Frieden mit Preußen schließen, um zu retten, was noch zu retten war. Scheitere dieses Vorhaben, so bleibe nur noch die Hoffnung, dass England, die Niederlande und Sachsen ihre Bündnisverpflichtungen endlich erfüllten. Die Tatsache, dass Sachsen wenige Wochen nach der Niederschrift des Gutachtens in das Lager Preußens wechselte, zeigte, was von diesem Vorschlag zu halten war. Kompromisse, Gebietsabtretungen und die Hoffnung auf ein göttliches oder politisches Wunder waren die letzten Handlungsoptionen, die Sinzendorf zu formulieren wusste. Diese aus habsburgischer Sicht deprimierende Bilanz ließ immerhin erkennen, dass die Räte der Königin sich sechs Monate nach Kriegsbeginn aus den alten Wahrnehmungsmustern zu lösen begannen. Dass die Reichsfürsten oder zumindest die Seemächte Wien zu Hilfe eilen würden, sah Sinzendorf als äußerst unwahrscheinlich an. Um den Bestand der Monarchie zu retten und neue Handlungsspielräume zu gewinnen, mussten bislang undenkbare Lösungsansätze geprüft werden. Genau das erwies sich als eine schwer zu lösende Aufgabe. Das habsburgische Reich wurde von einem Kartell der Vorsicht regiert, in dessen Zentrum die Geheime Konferenz stand. Hier traf sich die Entscheidungselite des Reiches. Von den 144 wirklichen Geheimen Räten, die um 1741 in Diensten Ihrer Majestät standen, waren dies etwa elf.15 Dieser engste Kreis repräsentierte in verdichteter Form die Interessen der verschiedenen Provinzen, Familien, Klientelnetzwerke und Funktionseliten des österreichisch-böhmischen Reichsteils. Joseph Lothar Graf von KönigseggRothenfels hatte seine militärischen und diplomatischen Fähigkeiten noch in Diensten des Prinzen Eugen erworben und gehörte in den ersten Jahren der Herrschaft Maria Theresias neben Johann Franz Hermann von Nesselrode zu den wichtigsten Vertretern der Generalität in ihrem engsten Umkreis. Zugleich war er ein Klient Franz Stephans und als Reichsgraf mit kurkölnischem Hintergrund auf den Dienst für die Krone fixiert. Sein Status hing von der Gunst seiner Herrin ab. Ähnliches galt für den Elsässer Johann Christoph von Bartenstein, den Sohn eines lutherischen Philosophieprofessors, der als Schriftführer der Geheimen Konferenz eine Schlüsselposition innerhalb des komplizierten Gremiengeflechts des habsburgischen Reiches einnahm.16 Ungleich unabhängiger als die Genannten agierte der bereits erwähnte Philipp Ludwig Graf von Sinzendorff, der als Obersthofkanzler Karls VI. dessen Bündnispolitik wesentlich mitbestimmt hatte. Er besaß

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umfangreiche Grundherrschaften in Mähren und in Nieder- und Ober­ österreich, zu deren Ständen er in engem Kontakt stand. Der Graf war damit ebenso ein Klient der Königin wie ein Vertreter jenes Landadels, auf dessen Kooperation die Krone angewiesen war, um überhaupt Herrschaftshandeln entfalten zu können. Zu dieser illustren und überaus einflussreichen Gruppe zählte auch der österreichische Hochadelige Karl Maximilian von Dietrichstein, der mit Maria Anna Reichsgräfin von Khevenhüller aus der führenden Kärntner Adelsfamilie verehelicht war. Gundaker Thomas Graf von Starhemberg, der Finanzexperte Maria Theresias, konnte gar darauf verweisen, einem der drei ältesten österreichischen Geschlechter anzugehören. Er organisierte nicht nur den Schuldendienst Ihrer Majestät, sondern erleichterte auch die Kommunikation zwischen ihr und den oberösterreichischen Ständen. Aloisius Graf von Harrach war demgegenüber Haupt der niederösterreichischen Stände und kooperierte eng mit Sinzendorf. Seine Zeit neigte sich zwar dem Ende zu, doch sein Sohn Ferdinand galt als eines der hoffnungsvollsten Nachwuchs­ talente des österreichischen Hochadels. Auch Franz Ferdinand Graf Kinsky, Oberstkanzler von Böhmen, hatte sich aus den Amtsgeschäften weitgehend zurückgezogen. Verheiratet mit einer Palfy war er, wie andere Linien seines illustren Geschlechts, mit den Magnatenfamilien Ungarns verschwägert. Die einzelnen Räte waren damit nur schwer einer bestimmten Interessengruppe oder einem Territorium zuzuordnen. Sie alle besaßen militärisch-­ diplomatische Erfahrungen und waren mit den Adelseliten nicht nur eines, sondern zahlreicher Territorien verbunden. Die Geheime Konferenz bildeten Vertreter einer wahrhaft imperialen Elite. Ihre Macht war untrennbar mit dem Fortbestand des habsburgischen Reiches verbunden. Der drohende Kollaps würde sie unmittelbar betreffen. Doch wer sollte Reformen einleiten, wer die alte Politik des Ausgleichs und der wechselseitig garantierten Sicherheit in Frage stellen? Keiner der älteren Herren, die sich um Maria Theresia scharten, besaß die Autorität, die anderen zum Handeln zu drängen. Sie alle hatten Anteil an den Niederlagen der letzten Jahrzehnte gehabt. Wann immer sie sich dem Risiko verschrieben hatten, waren sie gescheitert. Jene, die 1741 in der Geheimen Konferenz saßen, hatten sich seit Jahren damit beschäftigt, die Folgen der letzten Kriege zu bewältigen. Dabei hatten sie – als vermeintliche Lehre aus den gescheiterten militärischen Abenteuern in Polen und auf dem Balkan – das Heer geschwächt und stattdessen auf die inneren Bindekräfte der Monarchie gesetzt.

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Um der Schuldenlast Herr zu werden, waren die Kosten gesenkt worden. Die Zahl der Soldaten wurde reduziert und die Finanzkraft der Territorien geschont. Die Geheimen Räte, die selbst daran interessiert waren, ihre Klienten innerhalb des Landadels zu beruhigen, hatten sich bemüht gezeigt, keine Interessengruppen innerhalb der Monarchie zu brüskieren. Selbst der drohende Verlust Schlesiens änderte daran zunächst wenig. Zwar klagten die Ratgeber der Königin unisono über die Schwäche der Armee und die Übermacht des Angreifers – Wege, die aus dieser Sackgasse führen konnten, wussten sie aber nicht zu weisen. Wie paralysiert schien die Monarchie dem Abgrund entgegenzutaumeln. Die Anweisung der jungen Monarchin, ihr Pläne zu unterbreiten, wie die Truppenstärke aufgestockt werden konnte, führte zu endlosen Diskussionen. Bezeichnend war der Verlauf der Konferenzen vom 18. Juli und 9. August 1741.17 Ihre Majestät hatte die Selbstblockade des Geheimen Rats zu durchbrechen versucht, indem sie neben den Mitgliedern der Geheimen Konferenz auch die mit ihnen oft eng verwandten Hauptprotagonisten der territorialen Ständeversammlungen in die Hofburg bat. Zu einem Durchbruch kam es jedoch nicht. Immer wieder wurde auf die geringe Belastungsfähigkeit der Länder hingewiesen. Die Steuereinnahmen seien jetzt schon unerträglich, und das Los der Bauern sei verzweifelt. Sie auch während der Erntezeit zu verpflichten, sei völlig unmöglich. Überhaupt stelle sich die Frage, warum etwa Niederösterreich zu den Waffen greifen sollte, wenn Böhmen angegriffen würde.

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ie Krisenmanagerin – Wege aus der Sackgasse

Tiefgreifende Veränderungen, das zeigten dergleichen Debatten, waren unter diesen Umständen, wenn überhaupt, dann nur langsam durchzusetzen – zu langsam, um noch in diesem Kriege wirksam zu werden. Was also war zu tun? Das Überleben der Monarchie hing von einer Reihe von Punkten ab. Zunächst musste Maria Theresia Zeit gewinnen, denn nichts war wichtiger, als die im Süden ihres Reiches stationierten Truppen an den Kriegsschauplatz im Norden zu verlegen. Erst dann würden ihre Generäle wirklich handlungsfähig sein. Bis dahin mussten die Eliten des Landes beruhigt und davon abgehalten werden, die Seiten zu wechseln. Angesichts der Stärke des Gegners führte zudem kaum ein Weg daran vorbei, die Stände

Die Krisenmanagerin – Wege aus der Sackgasse   •   71

ihrer Reiche dazu zu bewegen, ihre finanziellen Beiträge zur Kriegslast zumindest moderat zu erhöhen. Eine solche Politik bedurfte indes einer entschlossen auftretenden Zen­ tralverwaltung. Die Räte in der Geheimen Konferenz mussten ihre Politik des Ausgleiches aufgeben und die Ressourcen des Imperiums bündeln. Die eigentliche Aufgabe der Monarchin bestand also darin, die Räte zum Handeln zu treiben und sie dazu zu bewegen, alte Verhaltensmuster aufzugeben. Eine harte Haltung gegenüber den eigenen Beratern einzunehmen, war kaum ratsam. Die Königin war jung und unerfahren, ihre Autorität gegenüber dem Hochadel speiste sich aus ihrem ohnehin brüchigen Legitimitätsanspruch als Monarchin. Gegen den Widerstand jener zu regieren, die den Verwaltungsapparat genauestens kannten und die mit den regionalen Eliten eng verbunden waren, war schlechterdings unmöglich. Maria Theresia vermied daher offene Angriffe auf die älteren Herren, die schon die Regentschaft ihres Vaters begleitet hatten. Im Gegenteil, sie zeigte sich ihnen gegenüber äußerst liebenswürdig und beließ sie ausnahmslos in ihren Ämtern. In der Konferenz trat sie, wenn überhaupt, moderierend auf. Oft überließ sie das Feld mit dem Hinweis auf eine fortgeschrittene Schwangerschaft oder eine jüngst überstandene Niederkunft ihrem Mann. Freundlich, ausgleichend, aber genau beobachtend und bestens informiert, ließ sie den Debatten ihren Lauf. Keine der Interessengruppen innerhalb der Geheimen Konferenz konnte sie für ihre Seite vereinnahmen oder musste ihre Parteinahme für einen rivalisierenden Klientelverband befürchten. Gerade weil sie so schwer einzuschätzen war, zwang die ruhige Monarchin ihre Räte zur Bewegung. Die mussten um ihre Gunst werben und Handlungs­ fähigkeit beweisen. Obstruktives Verhalten bei Nachfragen war demgegenüber unbedingt zu vermeiden. Die schweigende Königin hatte damit einen durchaus dynamisierenden Einfluss auf ihre Räte. Wenn sie doch intervenierte, so tat sie dies, wie schon ihr Vater, vornehmlich indirekt. Maria Theresia begann, einen Außenseiter des Gremiums zu fördern, einen Mann, der zwischen den Interessengruppen stand: Johann Christoph von Bartenstein. Marco Foscari, zwischen 1733 und 1736 Botschafter Venedigs in Wien, war von Bartenstein bereits zu Zeiten Karls VI. aufgefallen. In den Augen des Diplo­maten war er eine eher skurrile Gestalt, ein typischer deutscher Rechtsgelehrter, dem es an jeglicher sozialer Kompetenz fehle und dessen schrift­ licher Ausdruck sich durch einen furchtbaren Stil auszeichne. Der selbst­

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gefällige Jurist pflege alles durch die Brille der Reichsgesetze zu betrachten und lasse jegliche Flexibilität vermissen. Ganz ähnlich urteilte etwa zehn Jahre später der preußische Gesandte Podewils über Barteinstein.18 Wenn auch sein Äußeres einnehmend sei und seine glühenden Augen Einbildungskraft verrieten, seien die Manieren dieses etwas zu klein geratenen Mannes die eines Emporkömmlings. Er äffe den Stil der Männer von Geburt nach, rede immer etwas zu laut und versuche die Gespräche am Hofe zu dominieren. Freunden vertraue er an, dass er sich für einen neuen Prinzen Eugen halte.19 Urteile wie diese ließen kaum einen Zweifel an der Quelle des Unbehagens, dem die Beobachter Ausdruck verliehen: Bartenstein stammte aus dem Bürgertum der ehemaligen Reichsstadt Straßburg. Zum Katholizismus war er erst konvertiert, als der Wiener Hof ihm eine lukrative Stelle anbot und zugleich durchblicken ließ, dass er diese Chance nur durch einen Konfessionswechsel werde ergreifen können. Sein Einfluss war dem hohen Adel ein Ärgernis. Eben deshalb hatte der Vater der Königin ihn gefördert. Bartenstein verunsicherte den Adel und trieb ihn zur Bewegung. Dass Maria Theresia ihm nun ihre Gunst schenkte, entsprach damit ganz den Herrschaftstechniken, die schon Karl VI. genutzt hatte. Das Verhältnis, das der Straßburger zu der neuen Monarchin aufbaute, war indes um einiges intensiver als jenes, das er zu ihrem Vater gepflegt hatte. Bartenstein wurde zu einem allgegenwärtigen, die Räte zutiefst irritierenden Element in den ersten Jahren ihrer Herrschaft. Neben den Berichten und Referaten der Geheimen Konferenz, die er seiner Monarchin als Schriftführer des Gremiums zukommen ließ, erstellte er – meist unter erheblichem Zeitdruck  – eigene Expertisen für sie.20 So entschuldigte er sich am 14. Februar 1742 mit einem offenbar während der Sitzung der Geheimen Konferenz geschriebenen kleinen Zettel bei der Königin dafür, dass er seine von ihr dringend angeforderte Stellungnahme nicht vor dem Mittagessen habe absenden können; die Diskussionen mit den anderen Räten hätten länger gedauert als erwartet. Bartenstein nahm damit eine eigenartige Doppelposition ein: Er war Mitglied der Geheimen Konferenz und zugleich Sonderberater Ihrer Majestät. Während er mit seinen Kollegen Staatsfragen debattierte und das Votum des Gremiums zu Papier brachte, verfasste er Schreiben, in welchen er nicht nur eine meist abweichende Position formulierte, sondern auch über seine Kollegen und ihre Inkompetenz urteilte. Mitten in der Nacht habe Ihre Majestät ihn aufgefordert, so Bartenstein in einem Gutachten vom 1. März 1742, zu den zentralen Fragen der militärischen Strategie und der Bündnispolitik Stellung zu beziehen. Sie habe widerstrei-

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tende Positionen zu diesen Problemfeldern gehört und bitte nun um seine Meinung. Er selbst, so Bartenstein, fühle sich in dieser Rolle äußerst unwohl. So wiederhole er fußfällig, ihn in seiner Einsamkeit verharren zu lassen und stattdessen dem Rat anderer ruhig zu folgen. Bisher habe ohnehin kein noch so gut gemeinter Rat einen Weg aus dem Unheil gewiesen. Und bin ich viel zu wenig, umb mir zu schmeichlen, dass meine gedancken, einiges Aufmercksamkeit auch fürohin verdienen. Auch habe er durch seine Kollegen nichts als Gehässigkeit für seine bisherigen Mühen geerntet. Da aber Ihre Majestät ihm ausdrücklich befohlen habe, ihr seine Analysen der Probleme des Reiches zu unterbreiten, so werde er dies tun. Was folgte, war eine gnadenlose Abrechnung mit der bisherigen Politik, die durch Inkompetenz, Ressourcenverschwendung und vor allem Zögerlichkeit gekennzeichnet sei. Bartenstein, der am fragilen Bündnis mit Frankreich selbst mitgewirkt hatte, ließ nunmehr keinen Zweifel daran, dass das Haus Habsburg auf keinen seiner Bündnispartner wirklich zählen könne. Strategie und Taktik müssten überdacht werden. Um das Haus Habsburg als Großmacht zu erhalten – ein durchaus erreichbares Ziel –, müsste eine schonungslose Bilanz der eigenen Möglichkeiten vorgenommen werden. Es habe keinen Sinn, Offensiven zu planen, die die logistischen Ressourcen des Landes überstiegen. Es gelte vielmehr, die eigenen Truppen dort zu konzentrieren, wo sie gebraucht würden, und dann zuzuschlagen. Für Bartenstein war es essentiell, nicht mehr länger zu reagieren, sondern zu agieren. Dabei widersprach er vehement all jenen, die den Krieg schon für verloren hielten. Die Nähe zur Königin sorgte dafür, dass diese Position nicht einfach übergangen werden konnte. Die Mitglieder der Geheimen Konferenz sahen sich gezwungen, die von ihm vorgetragenen taktischen Optionen und strategischen Überlegungen zumindest teilweise zu adaptieren, wenn sie nicht die Gunst der Monarchin verlieren wollten. Deren politisches Gewicht wuchs damit schon in den ersten 24 Monaten ihrer Regierung auf bemerkenswerte Weise. Es drückte sich weniger in den zahlreichen Marginalien aus, mit denen Maria Theresia vom ersten Tag ihrer Regentschaft an die Stellungnahmen der Geheimen Konferenz versah, als vielmehr in dem Druck, den sie auf die bisherigen Entscheidungseliten ausübte. So wirkte sie einerseits einer gefährlichen Panikstimmung innerhalb des Rates entgegen und forcierte andererseits Prozesse, die eine effizientere Ressourcennutzung ermöglichten.

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ie königliche Sphinx – Spielräume einer Monarchin

Die Frage, wer die wirkliche Macht im Reich Maria Theresias besaß – sie selbst, ihr Ehemann oder ihre Berater –, sollte die Diplomaten und Räte in ihrer gesamten Regentschaft in Atem halten. Eine ebenso interessante wie anfechtbare Antwort formulierte der englische Gesandte am Wiener Hof, Charles Hanbury Williams (1708–1759), in seinem Bericht vom 15. Juli 1753. Bis vor kurzem sei der Freiherr von Bartenstein der unangefochtene Herr der Hofburg gewesen. Bartenstein habe der Königin immer wieder eingeschärft, sich die Entscheidung wichtiger Fragen selbst vorzubehalten und deshalb umfänglich über die entsprechenden Tatbestände informieren zu lassen. Im Ergebnis sei die ebenso anmutige wie kluge und fleißige Königin von einer Papierlawine erschlagen worden: Eine andere Methode, die Bartenstein nutzte, um seine Macht zu erweitern, bestand darin, dass er in ihr einen Widerwillen gegen die Staatsgeschäfte erzeugte. Dies versuchte er, in dem er ihr mehr Papier sandte, als sie – wie er glaubte – bewältigen konnte und das obwohl sie sieben oder acht Sunden täglich darauf verwandte die voluminösen Akten des Reichstages in Regensburg, des Reichskammergerichtes, des Reichshofrates, der österreichischen und der böhmischen Hofkanzlei etc. zu lesen. Sie alle wurden der Kaiserin in voller Länge zugesandt. Keine Zusammenfassungen, keine Kürzung wurde jemals gemacht um ihre Augen und ihre Zeit zu schonen.21

Tag für Tag lege man ihr detaillierte Berichte über Einzelfragen vor, die niemals vor das Angesicht einer Monarchin hätten gelangen sollen. Da sie trotz aller Begabung sich unmöglich in all diese unterschiedlichen Materien ein­ arbeiten könne, sei sie letztlich vom Votum der Experten abhängig, und dieses werde unter der Aufsicht Barteinsteins formuliert. Damit dieser keine Konkurrenz durch allzu fachkundige Berater fürchten müsse, habe er die Königin davor gewarnt, Ressortchefs aus dem Netzwerk der Fachkundigen zu ernennen. Stets habe er zur Wahl inkompetenter Administratoren geraten, die, um ihr Amt auszufüllen, selbst auf fachkundigen Ratschlag angewiesen seien, und den habe er bereitgestellt. So habe Bartenstein eine Nebenadministration aufgebaut, sich zum eigentlichen Entscheidungsgeber aufgeschwungen und Maria Theresia zur Unterschriftengeberin reduziert. Der Freiherr habe dieses System schon zu Beginn der Regent-

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schaft der Königin eingerichtet, die von unfähigen Ratgebern umgeben und völlig unerfahren in den Staatsgeschäften sei. Maria Theresia war aus dieser Sicht das Opfer ihres Favoriten. Der Mann, den sie ausersehen hatte, die Selbstblockaden der Geheimen Konferenz aufzulösen und sie mit den Staats­ geschäften vertraut zu machen, war außer Kontrolle geraten. Nun war Hanbury Williams nicht nur Diplomat, sondern auch Publizist, Literat und vor allem Satiriker. Der scharfe Beobachter war ein Meister der überspitzten Formulierung, und er wusste, was sein Auftraggeber hören wollte. Vor allem musste sein Bericht den Empfänger mit der Tatsache versöhnen, dass das Haus Habsburg sich zunehmend von seinem englischen Bündnispartner distanzierte. Das Bild eines Hofes, der nicht von der tugendhaften Königin, sondern einem eitlen Pläneschmied regiert wurde, eignete sich dafür perfekt. Dabei war der Engländer als kurzzeitiger Gast in Wien kaum in der Lage, eine faktenfundierte Analyse der Entscheidungswege im Umkreis Maria Theresias zu präsentieren. Er nahm die Außendarstellung, die Gerüchte, die Fassade des Regierungsapparats wahr. Es spricht vieles dafür, dass das Bühnenbild des habsburgischen Staatstheaters erheblich von dem abwich, was hinter der Bühne geschah. Das Verhältnis zwischen Bartenstein und Maria Theresia war alles andere als das des alten Fuchses, der die unschuldige Monarchin in der Hand hatte. Tatsächlich war es die Königin selbst, die den völlig isolierten Bartenstein zu dessen Überraschung als Hauptberater entdeckt und gefördert hatte. Bemerkenswert war der Umgang, den die beiden in den Jahren ab 1741 entwickelten: Bartenstein wusste immer wieder von überraschenden Aufträgen der Königin zu berichten, von durchwachten und durchgearbeiteten Nächten, davon, dass das Schicksal der Dynastie und Europas von den Entscheidungen abhänge, die Ihre Majestät in den nächsten Stunden zu treffen hatte. Seine Briefe waren von krisenhafter Zuspitzung geprägt: Wenn er mit seiner Königin korrespondierte, schien die Welt vor dem Abgrund zu stehen, und nur sie beide konnten sie retten. Seine Treue und Verehrung brachte er im persönlichen Verkehr durch Tränen zum Ausdruck – getreu dem Lehrsatz des Cicero, dass, wer bewegen will, selbst innerlich bewegt sein muss. Nicht aristokratische Affektkontrolle war Bartensteins vornehmstes Kennzeichen, sondern die edle Leidenschaft des Dienstes für die Krone, getragen durch ein moralisches Gefühl, das dem Verstand erst die nötige Entschlossenheit und Geschmeidigkeit verlieh. Die Tränen des Ministers waren ein Bekenntnis zu seiner Herrin, sie waren Ausdruck seiner inneren Haltung, ein Geschenk

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an die Monarchin, das Gegengunst erwarten ließ, und sie waren schließlich Grundlage gemeinsamen Erlebens. Die Tränen des Dieners luden ein zur gemeinsamen emotionalen Bewegung, aber auch zur Erinnerung an durchlittene Gefahren und die glückliche Errettung daraus. Nach Worten des Grafen Tarouca (1691–1771) war dies eine überaus manipulative Art, mit der Monarchin umzugehen, doch animierte sie ihren Berater immer wieder zu dergleichen Auftritten – durch ad-hoc-Aufträge, in denen sie zum Ausdruck brachte, dass nur er das Reich retten könne, ebenso wie durch ausdrückliches, in dieser Form ungewöhnliches Lob. In der Randbemerkung zu einem Vortrag vom 17. Oktober 1740, in dem über Finanzierungspläne referiert wurde, schrieb sie etwa: Ich admiriere Bartenstein und seine Geduld, dan in negotiationen werden offt die besten sachen verdorben und die Schrifte verdrähet (...) dis ist ein hartes Metier.22 Wer hier wen manipulierte, ist schwer zu entscheiden. Immerhin wurden Szenen, in denen Bartenstein sich als Retter in der Not und treuester Berater der Monarchin präsentieren konnte, stets von Maria Theresia initiiert. So kann wohl am ehesten von einem Spiel gesprochen werden, das beiden nutzte. Das besondere Verhältnis der beiden bildete für die vornehmen Aristokraten am Hofe eine Quelle permanenter Verunsicherung und Spekulation – was der an einer Dynamisierung der politischen Entscheidungsgänge interessierten Königin ebenso zugute kam wie ihrem Minister. Der formulierte seine Gutachten zumeist ebenso knapp wie präzise. Von Versuchen, die Monarchin mit einer Flut von Informationen ruhigzustellen, konnte nicht die Rede sein. Wenn Maria Theresia sich in der Tat in zahlreiche Details einarbeitete, so hatte dies kaum mit dem Einfluss Bartensteins zu tun, sondern mit den Erwartungen, die an die Krone geknüpft wurden. Ungeachtet dessen erstreckten sich die Interventionen Ihrer Majestät selten auf Fragen von strategischer Bedeutung. Auf zentralen Politikfeldern agierte sie prinzipiell nicht ohne ausführliche Debatte mit ihren Ratgebern. Wenn es hingegen um Petitionen von Witwen ging, die eine Zuwendung erbaten, oder wenn einem Festungskommandanten Mut zugesprochen werden sollte, so handelte die Königin unmittelbar und griff zur Feder.23 Keiner ihrer Diener und Untertanen sollte sich sicher sein, ob seine Angelegenheit nicht doch vor den Augen Ihrer Majestät verhandelt würde. Ganz dem traditionellen Herrschaftsbild ihrer Untertanen entsprechend, präsentierte sich die Königin hier als undurchschaubare, strenge und doch liebende Landesmutter.

Die königliche Sphinx – Spielräume einer Monarchin   •   77

So notwendig dies sein mochte, blieb die Arbeitslast, die Maria Theresia zu bewältigen hatte, gerade angesichts dieser Kleininterventionen immens. Die von Hanbury Williams gesehene Gefahr, dass die Monarchin kaum noch eigene Akzente setzen und strategische Entscheidungen beeinflussen konnte, bestand in der Tat. Noch im ersten Jahr ihrer Regentschaft zeigte sie sich auffällig darum bemüht, dieses Risiko gering zu halten. So bat sie den Vorsitzenden des Niederländischen Rates in Wien, den portugiesischen Grafen Sylva Tarouca, bereits unmittelbar nach Regierungsantritt, sie täglich zu besuchen und zu beraten.24 Mitte 1741 erteilte sie ihm zudem den Auftrag, sie ohne Scheu zu kritisieren. Er möge sie mahnen, wann immer dies notwendig sei, und sie als ihr zweites Gewissen stets begleiten.25 Mit ironischem Unterton nannten beide sich fortan Lehrer und Schülerin, wobei der Einfluss des Grafen sich zunächst vorwiegend auf die Organisation ihres Tagesablaufs und höfischer Festveranstaltungen erstreckte. Auch in politischen Fragen wurde er von der Monarchin immer wieder zu Rate gezogen. Seinen Einfluss auf Entscheidungen Maria Theresias einzuschätzen, fällt auf Grundlage der vorhandenen Quellen allerdings schwer. Mit seiner abschätzigen Meinung über Bartenstein, dem er in inniger Abneigung verbunden war, hielt er zumindest nicht hinter dem Berg – und Maria Theresia scheint ihm aufmerksam zugehört zu haben. Tarouca war ein unabhängiger Berater: Er gehörte weder dem einflussreichen Kreis um Franz Stephan an, noch war er in die Netzwerke der alten Räte integriert. Gleichwohl wusste er selbst ein breit gefächertes Beziehungsnetz aufzubauen. Gegenüber dem jungen Grafen Ferdinand von Harrach, der als aufgehender Stern am österreichischen Adelshimmel galt, trat er beispielsweise als väterlicher Freund und Vorgesetzter auf. Maria Theresia und ihr Mann, so lobte der ebenso stilsichere wie verlässliche Portugiese, hätten die Defizite der alten Verwaltungsstrukturen klar erkannt und mischten nun den alten mit neuem Wein. Tarouca zählte sich zu den Frischzellen der Monarchie. Und er war nicht der Einzige. Die Königin scharte eine kleine, aber einflussreiche Gruppe von Vertrauten um sich. Ignatz Freiherr von Koch, ihr Privatsekretär26, zählte seit 1742 dazu, ihre Kammerfrau Sophie Amalie Baronin Schrack seit 1745. Am einflussreichsten jedoch war wohl nach wie vor ihre zur Obersthofmeisterin ernannte frühere Aya Maria Karolina Gräfin von Fuchs-Mollard.27

78   •   Die Königin

Die junge Monarchin besaß damit ein fein austariertes Netz von Beratern, das sie geschickt beweglich und damit geschmeidig hielt. Mit dessen Hilfe gelang es ihr, nach außen einheitliches Regierungshandeln zu gewährleisten, ohne dass Besucher am Wiener Hofe erkennen konnten, wie diese Kohärenz hergestellt wurde. Maria Theresia, die als fünffache Mutter 1742 gerade einmal 25 Jahre alt war, hielt sich wie erwähnt im Hintergrund. Sie war ohne Netzwerke in ihre Position gerückt und hütete sich nun davor, von einem der zahlreichen Klientelverbände am Hofe vereinnahmt zu werden. Auch verzichtete sie auf starke Gesten, die jede Niederlage ihrer Feldherren zu der ihren gemacht hätten. Dabei wusste sie ihre Schwächen in Stärken zu verwandeln. Als junge Frau erwartete niemand von ihr, dass sie als entschlossene Kriegsfürstin auftrat. Sie wollte und sollte beschützt werden. Gelang dies nicht, war die Ursache des Versagens bei den männlichen Dienern Ihrer Majestät zu suchen. Die Königin spielte je nach Bedarf die Rolle der schüchternen Schülerin, der schutzbedürftigen Mutter oder der häuslichen Ehefrau. Jede dieser Frauenrollen war dem Publikum wohlbekannt. Indem sie jedoch von einem gekrönten Haupte ausgefüllt wurden, erhielten sie eine neue Dimension. Schwäche und Allmacht, Schutzbedürftigkeit und Strenge im Urteil, Unwissenheit und Hoheit – die Königin vereinte Unvereinbares. So belehrte Tarouca eine junge Frau, die ihn jederzeit mit einem Federstrich vom Hofe entfernen konnte. Die Männer in ihrer Umgebung sahen sich so auf einem ihnen wenig vertrauten Terrain unter Zugzwang. Wie sollte ein Rat oder ein Diplomat auf die Tränen einer Königin reagieren, wie auf ihre Bitte um Hilfe und Schutz? Dergleichen Ausbrüche konnten – vor allem bei Gegnern – Verunsicherung hervorrufen, sie konnten aber auch Anknüpfungspunkt für dramatische Inszenierungen sein, die den Männern Raum zur Selbstdarstellung und Selbstverherrlichung boten. Dies zeigte sich Mitte 1741 in einer besonders prekären Situation, als die junge Königin sich zu ihrem wohl wichtigsten, aber auch unberechenbarsten Herrschaftsgebiet begab: nach Ungarn.

D

ie Tränen einer Königin

Die Betrübnis unserer Lage vermochte uns, den treuen Ständen Unseres geliebten Königreiches Ungarn über den feindlichen Einfall in Unser Erbland Oesterreich und über die Ungarn selbst noch bedrohenden Gefahr,

Die Tränen einer Königin   •   79

so wie über die Mittel dagegen schriftliche Vorlage zukommen zu lassen. Es handelt sich um das Königreich Ungarn, um unsere Person, um Unserer Kinder, um die Krone. Von Allen verlassen flüchten wir einzig und allein zur Treue der Ungarn und zu ihrer altberühmten Tapferkeit. Wir bitten die Stände, in dieser äußersten Gefahr für Unsere Person, Unsere Kinder, die Krone und das Reich ohne die geringste Versäumnis wirktätige Sorge zu tragen. Was an uns liegt, soll geschehen, um den früheren glücklichen Zustand Ungarns wieder herzustellen. In all dem werden die getreuen Stände die Wirkungen Unserer gnädigen Gesinnung erfahren.28 In ein Trauergewand gekleidet, hatte Maria Theresia sich am 11. September 1741 an die beiden Tafeln des ungarischen Landtags – die Magnaten und die Stände – gewandt, um nach mehr als zwei Monaten vergeblicher Verhandlungen und einer zusehends schwieriger werdenden militärischen Situation einen Durchbruch zu erzielen. Ihre Bitte um baldige Unterstützung, die sie den Abgeordneten in wohlgesetzten lateinischen Worten vortrug, enthielt für diese kaum etwas Neues. Die Stände waren durch ihre Räte, aber auch von ihr selbst in zahlreichen Einzelgesprächen, Empfängen und in einem Gastmahl, in dessen Verlauf sie nochmals auf die nun notwendigen Beschlüsse hinwies, auf ihre Rede vorbereitet worden. Es war der Auftritt der Königin, der die Ungarn zu einer Reaktion zwang. Bei der Erwähnung ihrer Kinder hatte die Monarchin zu weinen begonnen und ihre Rede schließlich mit tränenerstickter Stimme beendet. Der Zeitpunkt für diesen Auftritt war gut gewählt. Die Abgeordneten tagten seit dem 18. Mai 1741 in Pressburg und waren ohne Zögern übereingekommen, die Habsburgerin zur Krönung einzuladen. Die entsprechende Zeremonie war ungeachtet der schwierigen finanziellen Situation mit erstaunlicher Prachtentfaltung vollzogen worden. Maria Theresia hatte weder Kosten noch Mühen gescheut und ihre Reitkünste im Vorfeld der Feierlichkeiten aufgefrischt – immerhin war es nicht wünschenswert, mitten auf dem Krönungshügel vom Pferd zu fallen (s. Abb. 2). Nach diesem hoffnungsvollen Beginn gestalteten sich die Verhandlungen zwischen der Königin und den ungarischen Ständen allerdings ausgesprochen schwierig. Während die Vertreter der beiden Tafeln immer wieder auf Rechtsbrüche der Krone und ihre eigenen Vorrechte hinwiesen, verwies die Monarchin unter Tränen darauf, nur Sachwalterin des Amtes zu sein, das sie ihrem Nachfolger so übergeben wolle, wie sie es empfangen habe.

80   •   Die Königin

Die Gespräche über die künftigen Kontributionen, Privilegien, Gerichtsrechte und Amtsernennungen zogen sich hin. Der ungarische Adel kämpfte erbittert um seine Autonomie und um Einfluss in der Hofburg. Selbst die Frage, ob die Stände Franz Stephan als Mitregenten akzeptierten – eine Regelung, die in allen Erblanden durchgesetzt wurde, um im Falle eines vorzeitigen Todes der Königin die Regentschaft sicherzustellen –, wurde pro­ blematisiert. Ende August zeichneten sich erste Kompromisse ab. Gleichzeitig entwickelte sich der Krieg mit Preußen und Bayern äußerst ungünstig. Für die Ungarn war dies offenkundig eine schlechte Nachricht: Sie zeigten keinerlei Neigung, die kompromissbereite und in ihrem Handeln kalkulierbare Mo­ narchin gegen einen bayerischen Kurfürsten einzutauschen, der den Landtag mit seinen Ansprüchen auf den ungarischen Thron zutiefst irritierte. Noch gab es Bedenken bei den Magnaten. Manche plädierten dafür, die Schwäche der Monarchin zu nutzen und weitere Zugeständnisse zu erzwingen, während die Parteigänger Maria Theresias vor jeder weiteren Verzögerung warnten und zunehmend Gehör fanden. In dieser Situation bedurfte es nur noch eines kleinen Anstoßes, um die Schwankenden auf die Seite der Königin zu ziehen. Es galt, die Sache Habsburgs in ein respektables, wenn nicht heroisches Gewand zu kleiden, das mögliche Risiken der Einigung legitimierte. Die Tränen der jungen Mutter erwiesen sich als adäquates Mittel, die harte Realität des politischen Geschäfts in das ehrbare Licht aristokratischer Selbstverleugnung im Angesicht einer schutzlosen Frau zu tauchen. Der Auftritt der Habsburgerin gab dem Adel ein Argument in die Hand, mit dem er rechtfertigen konnte, warum er die schlesischen und österreichischen Besitztümer einer Dynastie verteidigte, die sich in Ungarn nie besonderer Beliebtheit erfreut hatte.

I

n der Mythenschmiede

Vitam nostram et sanguinem consecramus – »wir weihen (Euch) unser Leben und Blut« –, riefen die begeisterten Abgeordneten.29 Die mit ihren Tränen kämpfende Königin hatte eine emotionale Reaktion erzwungen und ein gemeinsames Handeln, die Teilnahme an einem Spektakel spontaner Treuebekundungen ermöglicht. Ihr Appell spielte mit der Bindungswirkung der Idee der ungarischen Adelsnation – ein Motiv, das auch Hofkanzler Graf Ludwig Batthyány mit einer flammenden Lobrede auf die Tapferkeit der un-

In der Mythenschmiede   •   81

garischen Vorfahren in den Fokus genommen hatte, kurz bevor die Königin selbst das Wort ergriff. Schon während der Krönungsfeierlichkeiten hatte die Königin, gekleidet in magyarische Tracht, sich als Verkörperung Ungarns inszeniert. Der neuerliche Auftritt vor dem Adel knüpfte daran an und setzte die Figur des weiblichen Ungarns in den Kontext antiker und humanistischer Klagegedichte: Roma, Germania oder Italia, die, in Trauergewänder gehüllt, ihre Söhne um Hilfe anfleht oder sie gar anklagt, gehörten zum gängigen Repertoire der klassischen wie der neuzeitlichen lateinischen Literatur. Sie gab den Autoren die Möglichkeit, einem abstrakten Gebilde wie dem Vaterland oder der Nation greifbare, Emotionen auslösende Gestalt zu geben. Der Tod für das Vaterland war nicht nur eine Sache des Verstandes, sondern auch des Herzens. Mehr noch, er stellte den Opferbereiten in eine Reihe mit seinen Vorfahren, die in den Jahrhunderten zuvor gleichfalls ihr Leben für die ewige ungarische Mutter gaben.30 Der Glaube an die Nation und das Bekenntnis zu ihr waren mit dem Neu- und Wiedererleben ihrer Geschichte verbunden – auch und gerade in emotionaler Hinsicht. Die Tränen der Rührung in den Augen der Schwörenden galten nicht nur dem eigenen Heldenmut, der hier dokumentiert wurde, sondern auch den heldenhaften Vorfahren, deren Beispiel man folgte. Appelle an die Nation waren auch deshalb Einladungen zu einer gemeinsamen Kundgebung von Emotionen. Nationale Mythenschätze waren allerdings vielschichtig und auf verschiedene Art nutzbar. Dies zeigte sich unmittelbar im Anschluss an den Schwur der Stände. Noch während die Abgeordneten den Raum verließen, verbreitete sich die Kunde, ein Berater Ihrer Majestät habe geäußert, es wäre besser gewesen, wenn die Monarchin sich dem Teufel anvertraut hätte als ausgerechnet den Ungarn. Drohworte, man möge die deutschen Minister aufhängen, waren die rasche Folge dieser Gerüchte. Der Landtag hatte der Königin gezeigt, dass sie keineswegs die alleinige Deutungshoheit über das, was ungarische Ehre war, beanspruchen konnte. Ihr Kampf für die Königin sollte sich – daran ließen die Magnaten keinen Zweifel – für Ungarn lohnen und das Gewicht des ungarischen Adels innerhalb des Imperiums deutlich stärken. Immerhin hatten die österreichischen Erblande offensichtlich versagt in ihrem Kampf gegen die Feinde Ihrer Majestät. Eine weitere Bevorzugung der deutschen Eliten auch in Ungarn war aus dieser Sicht kaum noch zu rechtfertigen.

82   •   Die Königin

Dass Maria Theresia in die Rolle der ungarischen Mutter geschlüpft war, konnte ihr durchaus noch Probleme bereiten, vor allem im Umgang mit ihren böhmischen und deutschen Untertanen. Der Erfolg von Pressburg wurde daher durch die habsburgische Propagandamaschinerie überraschend schnell in neues, auch für ein nichtungarisches Publikum genehmeres Licht gesetzt. In einem 1742 entstandenen Kupferstich etwa ließ Gottfried Bernhard Götz einen ganz Ungarn repräsentierenden Magnaten vor der Königin knien, die hier als majestätische, von allegorischen Elementen umrahmte Herrscherfigur dargestellt wird. Ein Jahr später wählte Götz eine andere Darstellung, die an eine Geschichte anknüpfte, die offenbar schon um 1743 die Runde machte: die Königin vor dem Landtag gemeinsam mit ihrem Gatten und dem kleinen Erzherzog Joseph auf dem Arm.31 Nicht als Verkörperung der ungarischen Nation, sondern als neue Jungfrau Maria, als fromme, keusche, den königlichen Knaben schützende Mutter trat sie dem Betrachter nunmehr entgegen (s. Abb. 3). Dass der junge Joseph überhaupt auf dem Landtag erschien, ist indessen mehr als zweifelhaft. Der Autor des »Diarium Diaetale« berichtet von einem Kurzbesuch am 21. September, in dessen Verlauf die Magnaten den künftigen König hochleben ließen. Dokumentiert ist die Vehemenz, mit der Maria Theresia in den nun folgenden Tagen immer wieder auf die Interessen und die Ehre der Nation hinwies und diese Rhetorik mit klugen politischen Manövern unterfütterte. Tatsächlich folgte auf den Schwur die Bewilligung von Truppen: 100.000 Mann versprach der Landtag der Königin. In der Realität sollten es schließlich nur 40.000 werden, deren Ausbildung überdies zu wünschen übrig ließ und die zudem erst ein Jahr nach dem Ende des Landtags in das Kampfgeschehen eingriffen. Auch zogen sich die Landtagsverhandlungen unter weiteren krisenhaften Zuspitzungen noch bis zum 29. Oktober 1741 hin. Dessen ungeachtet durfte der Auftritt der Königin als großer politischer Erfolg verbucht werden: Ausgerechnet jener Reichsteil, der bis in die ersten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts jede Schwäche der Dynastie genutzt hatte, um den Aufstand zu wagen, war an die Seite der Königin getreten. Die Ausgleichsbemühungen Josephs I. und Karls VI. hatten späte Früchte getragen. Wer auf einen Kollaps des Imperiums hoffte, musste sich nunmehr getäuscht sehen: Maria Theresia hatte im Oktober 1741 einen Thronfolger, einen Mitregenten und ungarische Verbündete. War Mollwitz der Grundstein für den historischen Mythos vom Feldherrnkönig Friedrich, begründete der Auftritt der Königin vor dem Landtag

Angriff   •   83

den nicht minder wirkmächtigen und liebevoll ausgeschmückten Mythos der Königin als Mutter ihrer Völker.32

A

ngriff

Als Großherzog Franz Stephan am 21. Januar 1742 in Wilhering eintraf, hatte die österreichische Seite zum ersten Mal seit Beginn des Konflikts die realistische Option, das Gesetz des Handelns zu bestimmen und den Gegner in die Defensive zu drängen.33 Wien hatte seine Truppen in einem administrativen und militärischen Kraftakt an der Nordgrenze des Reiches zusammengezogen und eine erfolgversprechende neue Strategie entwickelt. Franz Stephan war nur der nominelle Oberbefehlshaber dieses Unternehmens. Im Gepäck hatte er zwei Porträts, die er an den habsburgischen Feldmarschall Khevenhüller übergab – eines von Maria Theresia und eines von ihrem jungen Erben, dem Erzherzog Joseph. Beigelegt war dem Geschenk ein eigenhändig verfasster Brief der Monarchin: Lieber getreuer Khevenhüller, so heißt es dort, hier hast Du eine von der ganzen Welt verlassene Königin vor Augen mit ihrem männlichen Erben; was vermeinst Du, will aus diesem Kind werden? Sieh, Deine gnädigste Frau erbietet sich Dir als einem getreuen Minister; mit diesem auch ihre ganze Macht, Gewalt und alles, was Unser Reich vermag und enthält. Handle, o Held und getreuer Vasall, wie Du es vor Gott und der Welt zu verantworten Dich getrauest. Nimm die Gerechtigkeit als Schild; tue was Du recht zu sein glaubst; sei blind in der Verurteilung der Meineidigen; folge Deinem in Gott ruhenden Lehrmeister in den unsterblichen Eugenischen Taten und sei versichert, dass Du und Deine Familie zu jetzigen und Ewigen Zeiten von Unserer Majestät und allen Nachkommen alle Gnaden Gunst und Dank, von der Welt aber einen Ruhm erlanget. Solches schwören Wir Dir bei Unserer Majestät. Lebe und Streite wohl! 34 Der 57-jährige Feldmarschall Ludwig Andreas von Khevenhüller erhielt von Maria Theresia umfangreiche Vollmachten, endlich einen Befreiungsschlag gegen die anrückenden feindlichen Truppen durchzuführen. Indem sie sich einmal mehr als schutzlose Frau, nur um ihren Sohn und Thronfolger besorgt, stilisiert, lockte sie ihn mit der Position eines neuen Prinzen Eugen, der sei-

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ne militärischen Erfolge in politische Macht hatte umwandeln können. Der Mythos des Türkenbezwingers barg die Möglichkeit, die Loyalität eines Feldherrn zu festigen und ihm deutlich zu machen, dass er einen ähnlich großen Entscheidungsspielraum besaß wie etwa Friedrich II., der als Feldherr und König Risiken einging, die kein anderer Heerführer wagte. Der Diener Ihrer Majestät sollte keine Angst vor seiner eigenen Kühnheit haben. Die Zeiten Karls VI., in denen Fehler auf dem Schlachtfeld mit Festungshaft und Entzug der Huld bestraft wurden, waren endgültig vorbei. Maria Theresia konnte sich ängstliche Feldherren nicht leisten, ihre Heerführer sollten vielmehr mit dem Hohenzollernkönig oder einem Moritz von Sachsen konkurrieren können und erhielten einen erheblichen Vertrauensvorschuss. Es verwundert daher kaum, dass der mit soviel Huld Ausgestattete es sich nicht nehmen ließ, den Brief seiner Königin auf einem Gastmahl mit lauter Stimme vorzutragen.35 Die Situation des Hauses Habsburg war zu diesem Zeitpunkt ausgesprochen prekär. Preußen hatte sich zwar am 9. Oktober 1741 mit der Konvention von Klein-Schnellendorf zu einem geheimen Stillhalteabkommen mit den Habsburgern bereitgefunden, der Zusammenbruch des von Maria Theresia beanspruchten Imperiums schritt dessen ungeachtet weiter fort. Insbesondere die Eroberung Prags durch die vom Feldmarschall Moritz von Sachsen geführten französisch-bayerischen Truppen am 26. November 1741 hatte der jungen Königin einen schweren Schlag versetzt. Der Wittelsbacher Triumph schien vollständig. Bereits am 7. Dezember ließ sich Karl Albrecht in der Moldaustadt zum König von Böhmen ausrufen. Und dies war keineswegs das Ende seines Höhenflugs: Die Kaiserkrone war in greifbare Nähe gelangt. Nachdem die Kurfürsten Maria Theresias Bevollmächtigten für die böhmische Kurstimme nicht akzeptiert hatten, war seine Wahl im Grunde nur noch Formsache. Noch war die Königin jedoch nicht geschlagen. Aufmerksam hatte Wien die wachsenden Spannungen zwischen den Alliierten beobachtet und eigene Kräfte aus Ungarn und Italien gesammelt. Es war der besagte Feldmarschall Khevenhüller, der einen Plan entwickelte, wie sich seine Königin aus ihrer schwierigen Position befreien konnte. Durch die Eroberung Prags hatte der Gegner wichtige Positionen in Niederösterreich und Bayern weitgehend ungedeckt lassen müssen. In diese Lücke galt es vorzustoßen. Noch am 31. Dezember 1741 hatte er an der Spitze eines 16.000 Mann starken Heeres die Enns überschritten. Mit geschickten Manövern gelang es ihm, zunächst die Truppen des Grafen Segur in Linz einzuschließen. Am 24. Janu-

Angriff   •   85

ar – dem Tag der Wahl des bayerischen Kurfürsten zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches – fiel die oberösterreichische Hauptstadt wieder in die Hände der habsburgischen Erbin. Jene, die sich vorschnell dem neuen bayerischen Herrn als getreue Untertanen angedient hatten, sollten dies bitter bereuen: Maria Theresia zeigte ihnen gegenüber eine harte Haltung: Wer dem Feind gedient hat, habe von ihr keine Gnade zu erwarten. Es werden, wie sie in einer Notiz festhielt, noch genug andere treue und ehrliche Leute gefunden werden, diese Dienste zu versehen, und noch gehen viele Schlesier umher, die wegen ihrer Treue nicht das Brod zu essen haben, worunter schon taugliche Leute sich finden werden.36 Den ersten Erfolgen Khevenhüllers in Oberösterreich folgten weitere. Statt die alliierten Truppen direkt in Böhmen zu attackieren, wandte sich der habsburgische Heerführer den bayerischen Erblanden zu, die er – wie Maria Theresia unverblümt vorgeschlagen hatte – zu verwüsten begann. Am 12. Februar 1742 kam es noch einmal zu einer bemerkenswerten Koinzidenz – während in Frankfurt Kurfürst Karl Albrecht zum Kaiser gekrönt wurde, marschierte Khevenhüller in dessen Residenzstadt München ein. Karl VII., wie er nunmehr genannt wurde, gab sich empört und klagte unter Nutzung antiungarischer Stereotype über die Panduren, die sein Kurfürstentum verheerten. Abwenden konnte er dieses Geschick gleichwohl nicht. Längst war er von französischen Geldern und französischen Soldaten abhängig. Die Entscheidungen, wie der Krieg zu führen war, wurden in Versailles und in Potsdam getroffen.37 Immerhin hatte der preußische König sich bereit gefunden, auf Drängen des Kaisers noch einmal in den Krieg einzugreifen. Seine böhmische Intervention diente jedoch lediglich der Stabilisierung der preußischen Position: Habsburg sollte seine Feinde nicht zu rasch schlagen und Maria Theresia keine Gelegenheit bekommen, sich Schlesien zuzuwenden. Ein Versuch der in Bayern so siegreichen Habsburger, nun auch Böhmen zurückzuerlangen, scheiterte an ihm. Karl von Lothringen, Schwager Maria Theresias, wurde am 17. Mai 1742 bei Chotusitz (Chotusice, Kreis Kutná Hora/Kuttenberg) vernichtend geschlagen. So ergab sich Mitte des Jahres ein militärisches Patt: In Bayern und Österreich saßen die Habsburger, in Böhmen ihre Gegner. Der Druck auf Maria Theresia, ein Friedensangebot Friedrichs nicht mehr auszuschlagen, wuchs. Englands Emissäre hatten seit Monaten auf ein Ende der Kampfhandlungen gedrungen, und auch die Räte der Königin neigten verstärkt dazu, einen Kompromiss mit Friedrich II. anzustreben. Zu den we-

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nigen Gegnern einer solchen Lösung gehörte ausgerechnet die Monarchin selbst, die ihren Feldherrn zu entschlossenem Handeln drängte und deren Marginalien eine ausgezeichnete Kenntnis der militärisch-politischen Realitäten offenbaren.38 Nach Chotusitz rückte eine Wiedergewinnung Schlesiens allerdings in weite Ferne. Es galt nunmehr, sich Böhmen zuzuwenden und die italienischen Besitzungen der Habsburger zu sichern. Schlesien konnte man sich, wie in der Geheimen Konferenz offen diskutiert wurde, später widmen. Die in Breslau geführten Friedensverhandlungen gestalteten sich schwierig. Graf Podewils, der Unterhändler des Preußenkönigs, erhob umfangreiche Forderungen. Neben Schlesien sollten auch Teile Böhmens an Friedrich II. fallen. Die Königin zeigte sich unbeeindruckt von dieser Verhandlungstaktik. Ihren Emissär ließ sie wissen, dass sie böhmisches Territorium selbst dann nicht abtreten werde, wenn sich der Schlund der Hölle vor ihr öffne. Maria Theresia war klar, dass Friedrich lediglich den Preis hochtreiben wollte, letztlich ging es ihm einzig und allein um die Sicherung des Erreichten. Und genau dies gelang ihm mit dem Vorfrieden von Breslau vom 11. Juni 1742, dem der Berliner Friede vom 28. Juli 1742 folgte. Sachsen, das in einer Fortsetzung des Krieges ebenfalls keinerlei Vorteile mehr sah, schloss sich der Vereinbarung an. Der preußische König konnte sich nunmehr zurückziehen, die Mitglieder der bayerisch-französischen Allianz konnten es nicht: Auf sie richtete sich nunmehr die ganze Macht der habsburgischen Militärmaschinerie, die Preußen nicht mehr fürchten musste und deren Truppenstärke langsam zunahm. Als erster Schritt wurde die Rückeroberung Böhmens ins Auge gefasst. Erste Versuche, Prag im August 1742 zur Kapitulation zu zwingen, schlugen fehl, und es war durchaus bezeichnend, dass Wien auf diesen Rückschlag mit einer Hochrisikoaktion reagierte: Die habsburgischen Truppen wurden aus Bayern abgezogen und nach Böhmen verlegt. Die vorhersehbare Folge dieser Kräfteverschiebung war die Rückeroberung Münchens durch die Wittelsbacher am 7. Oktober 1742, während in Prag am 27. Dezember 1742 wieder habsburgische Truppen einzogen. Karl VII., der die militärische Lage als düster einschätzte, schrieb zu seinem ersten Jahr auf dem Thron: Es gab nur ein einziges glückliches Ereignis, nämlich den Tag meiner Wahl, im Laufe des Jahres 42, dem viel Bitterkeit sowohl folgte wie auch vorausgegangen war.39 Tatsächlich übertrafen die Katastrophen der folgenden drei Jahre die Schwierigkeiten der Anfangszeit bei Weitem. Das Ziel, eine Wittelsbacher Großmacht aufzubauen, die neben den bayeri-

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schen Erblanden auch Böhmen und Österreich umfasste, erwies sich rasch als gefährliche Illusion. Statt glänzende Siege zu feiern, hatte Karl VII. zahlreiche strategische und taktische Fehler zu beklagen. Im Sommer 1743 ging Bayern für den Wittelsbacher erneut verloren, und in der Hofburg wurde bereits laut darüber nachgedacht, ob das Kurfürstentum nicht ein hinreichender Ersatz für Schlesien war. Auch an den anderen Fronten zeigten die Habsburger ihre wiedergewonnene Stärke: Am Rhein hielten die Truppen der Königin die Franzosen in Schach, und in Italien konnten spanische Angriffe erfolgreich abgewehrt werden.40 Habsburgs Erfolge wurden in Potsdam mit Beunruhigung wahrgenommen. Hatte noch vor einem Jahr Kardinal Fleury davon gesprochen, dass das Haus Habsburg im Grunde nicht mehr existent sei, war Maria Theresia nunmehr ein fester Machtfaktor im europäischen Kräftespiel. Friedrich II. suchte ihre Entfaltungsmöglichkeiten durch eine neuerliche, durchaus bemerkenswerte Demonstration seines politischen und militärischen Könnens zu begrenzen. Durch Angriffe auf Böhmen schwächte er die österreichische Abwehr gegen Frankreich, das 1744 auf der rechten Rheinseite Fuß fassen konnte, während im gleichen Jahr der Kaiser Bayern zurückgewann. Einmal mehr hatte der Preußenkönig, den Maria Theresia als Erzunruhestifter Europas identifizierte, die habsburgischen Pläne empfindlich gestört. Als besonders unangenehm empfanden es die Feldherren Ihrer Majestät, dass Friedrich im Gegensatz zu den französischen und bayerischen Gegnern der Königin keinerlei Anstalten machte, sich im Felde schlagen zu lassen, im Gegenteil: Die Schlachten von Hohenfriedberg und Kesseldorf mehrten noch den Nimbus seines Feldherrngenies.41 So nahmen auch die Habsburger die Friedensmöglichkeit, die der Tod Karl VII. 1745 mit sich brachte, dankbar auf. Sein Nachfolger als bayerischer Kurfürst stimmte im Frieden von Füssen zu, bei der Kaiserwahl für Franz Stephan zu stimmen und die Pragmatische Sanktion anzuerkennen. Als Gegenleistung durfte er sein Territorium ungestört in Besitz nehmen. Was Preußen anging, so erhielt es im Zuge des wenige Monate später abgeschlossenen Friedens von Dresden 1745 die Garantie der territorialen Integrität seiner neuen Grenzen. Offen blieb der Konflikt zwischen Frankreich und seinen Verbündeten auf der einen und Österreich und England auf der anderen Seite. Letzteres war nach anfänglicher Neutralität ab 1742 mit Hilfsgeldern und ab 1743 auch mit Truppen an einem Krieg beteiligt, der an immer mehr Kriegsschauplätzen

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aufflammte.42 Bis 1748 zog sich diese globale Auseinandersetzung hin, die in Europa vor allem die österreichischen Niederlande und Italien in Atem hielt.43 Auch der Jakobitenaufstand in Schottland, Auseinandersetzungen um das indische Madras sowie der erfolgreiche Versuch der Habsburger Diplomatie, Russland auf ihre Seite zu ziehen, bildeten einen Teil der Geschichte dieser Spätphase des Österreichischen Erbfolgekrieges, der erst 1748 mit dem Frieden von Aachen endete.44 Acht Jahre hatte der Streit um das Erbe Karls VI. gedauert. Am Ende des Konfliktes war Maria Theresia 31 Jahre alt, Mutter von neun Kindern und besaß all das, was ihr Vater ihr nicht hinterlassen hatte: ein stabiles Netzwerk von politischen Beratern, militärische Stärke und die unangefochtene Akzeptanz der Pragmatischen Sanktion durch alle europäischen Großmächte und die Kurfürsten des Reiches.

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ie Standhafte – ein Mythos wird geboren

Gleichwie Ihro Mayestät die Königin seit dero angetrettener schweren Regierung in denen sie betroffenen großen Widerwärtigkeiten von Ihrer, die Gerechtigkeit dero Sachen lediglich zum Grund habender Standhaftigkeit vielfältige Proben gegeben, Also haben Allerhöchst dieselbe nicht minder sich angelegen seyn lassen, in jeder Vorfallenheit nach annehmender Kennzeichen dero unveränderlichen mässigung an den Tag zu legen.45

Die junge Königin, daran ließ der Gutachter – vermutlich Bartenstein – in seinem Anfang des Jahres 1743 entstandenen Schreiben keinen Zweifel, gab ihrer Umgebung Tag für Tag zahllose Beispiele ihrer Tugendhaftigkeit. Das Bild der Tugendkönigin, das er hier zeichnete und auf den folgenden Seiten liebevoll ausschmückte, zeigt die Stilisierung der Monarchin in einem noch frühen Stadium.46 Darin sind erste Elemente der Selbstüberhöhung festzustellen, die sich auf das Verhalten der Königin in den ersten Jahren ihrer Regierung beziehen. Bereits 1743 waren damit Ansätze eines Maria-­ Theresia-Mythos erkennbar, der bewusst eingesetzt wurde, um ihren politischen Handlungsspielraum zu vergrößern.47 Was waren dessen Elemente und woher gewannen sie ihre Überzeugungskraft? Die beiden Haupttugenden, die der Gutachter seiner Königin zumaß, ließen vor allem deshalb aufhorchen, weil sie auf eine Frau appliziert wurden.

Die Standhafte – ein Mythos wird geboren   •   89

Die Mäßigung – Temperantia – war eine der vier Kardinaltugenden. Lipsius hatte sie Ende des 16. Jahrhunderts in Anlehnung an die antiken Stoiker als Kern eines selbstbeherrschten Lebens in den Vordergrund seines Denkens gestellt. Sich selbst zu beherrschen, heiße die Mitte zu finden zwischen den am Verstande zerrenden Leidenschaften. Es gelte aktiv zu werden bei Angriffen, ohne sich vom Zorn davontragen zu lassen, und bei Gefahr ruhig zu bleiben, ohne phlegmatisch zu werden. Nur in den Künsten des freien Mannes Geübte könnten einen solchen Seelenzustand erreichen, während der Barbar seinen Trieben ausgeliefert sei. Frauen wurden seit der Antike von einem Teil der europäischen Gelehrten mit eben diesem Stigma belegt und daher mit Misstrauen bedacht. Nicht fähig zu innerem Gleichgewicht, sei die Frau anfällig für Verführung und müsse daher auf die häusliche Sphäre beschränkt bleiben. Dergleichen Urteile waren früh Gegenströmungen und Relativierungen unterworfen. Eine deutliche Veränderung des Urteils über die Frau und ihre Fähigkeit zu selbstbestimmtem, tugendhaftem Leben war insbesondere mit einem Wandel in der Beurteilung des Gefühls im 17. und 18. Jahrhundert verbunden. Dass Frauen als Erbinnen edlen Blutes die Schwäche ihres Geschlechts überwinden und zur Herrschaft befähigt sein konnten, hatten Zeitgenossen bereits Königin Elisabeth I. Ende des 16. Jahrhunderts zugebilligt. Mit der Vorstellung, dass Frauen nicht nur zur Mäßigung fähig waren, sondern im Zusammenspiel mit dem Mann diesen zur Ausbildung eines moralischen Gefühls befähigen konnten, wandelte sich ganz allmählich das Bild der weiblichen Herrscherin. Der Mann, der Tränen vor seiner Königin vergoss, geriet nicht außer Kontrolle, sondern wurde durch sie, ähnlich wie durch den Anblick einer Marienstatue, zu tugendhaftem und frommem Fühlen erzogen. Der Gutachter des Jahres 1743 bezog die Tugend der Mäßigung dabei auf eine zweite Tugend, die die neue weibliche Herrschaftsvorstellung noch deutlicher zutage treten lassen sollte: die Standhaftigkeit. Sie war an sich die klassische Eigenschaft des tugendhaften Kriegers, der selbst in den schwierigsten Situationen in der Lage war, die Furcht zu überwinden und tapfer allem Schrecken ins Auge zu sehen. Die Kraft zu dieser Seelenstärke gab ihm die von Gott verliehene Tugend der Mäßigung, des Gleichmuts. Eine solche durch die christlichen Tugenden motivierte Standhaftigkeit war neben dem Miles Christianus – dem christlichen Ritter – auch dem Heiligen oder der Heiligen zugeschrieben worden. Die hl. Cäcilie, die der Legende nach

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lieber in den Tod ging, als Gott zu verleugnen, sei als ein altes, vielleicht eines der ältesten und wirkungsmächtigsten Vorbilder des weiblichen Martyriums genannt. Wie Maria Theresia ihre Standhaftigkeit unter Beweis stellte, erläutert der genannte Gutachtenschreiber in den folgenden Abschnitten. Die Zahl der Feinde habe seit ihrem Regierungsantritt geradezu dramatisch zugenommen. Und durch ein wenig, oder gar kein Beispiel in der Historie findendes unbegreifliches Schicksaal hat die theils von Ihro May. Feinden künstlich ausgestreute, theils von dero freunden fälschlich geglaubte rettungs ohnmöglichkeit der widrige würkung nach sich gezogen, dass die Monarchie wie paralysiert geblieben sei. All jene Maßnahmen, die dringend erforderlich waren, um das Erzhaus zu retten, seien unterblieben. Die Königin jedoch sei ungeachtet aller Bedrohungen ruhig geblieben, und Gott habe ihr den Sieg geschenkt. Der militärische Heldenmut, der der Königin hier zugeschrieben wird, kontrastiert mit jenem, der ihrem großen Gegenspieler Friedrich II. zugebilligt wurde. Während der Hohenzollernkönig selbst im Felde stand und neue Territorien zu erobern suchte, war die duldende Tapferkeit der Königin eine defensive. Anders als ihr Gegenspieler präsentierte sie sich dem Pu­ blikum nicht als Geniekönigin. Der französische Denker François Fénelon (1651–1715) hatte deren Tun in seinem Bildungsroman »Télémarque« von 1699 mit beißendem Spott angeprangert. Alle Größe, aller Ruhm, so hatte der einflussreiche Kritiker Ludwigs XIV. verdeutlicht, ginge letztlich zu Lasten der Untertanen. Die noch so siegreichen Kriege würden die Staatskasse zugrunde richten.48 Die Gelder seien besser aufgehoben in der Förderung von Handel und Landwirtschaft. Maria Theresia, die selbst nicht im Felde stand, sondern ihre Generäle in der Verteidigung ihres Reiches unterstützte, präsentierte sich ganz in Fénelons Sinne als Genie des Bewahrens und nicht des Zerstörens. Sie trat nicht als Amazone auf, sondern als ruhender Pol. Durch Gottes Gnade blieb sie ohne Furcht und inspirierte mit dieser Standhaftigkeit ihre Räte und Generäle. Die Gefühlserzieherin und standhafte Verteidigerin bildete so einen perfekten Gegenmythos zum Preußenkönig, vor allem aber bildete sie ein Gegennarrativ zum Mythos des Prinzen Eugen, jenes übermächtigen Dieners des Hauses Habsburg, dessen langer Schatten das Verhalten seiner Nachfolger zu diktieren und zu lähmen schien. Immer wieder hatten während der Krise des Jahres 1741 Maria Theresia und ihre Umgebung nach einem neuen Eugen gefahndet – die Gegenwart erschien stets als nur defizitäre Annähe-

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rung an die Vergangenheit. Neue Lösungen hatten sich an den alten nicht zu messen, sondern mussten, um akzeptiert zu werden, Ähnlichkeiten mit dem Alten aufweisen. Wenn auch der Name des alten Prinzen noch immer ein wichtiger Referenzpunkt politischen Handelns war, hatte sich schon um 1743 etwas geändert: Die Zeitgenossen selbst hatten sich in einer Krise bewährt, die die Monarchin wiederholt als die größte bezeichnete, die das Haus Habsburg je erlitten habe. Sie hatten eigenen Ruhm erworben und dies unter der sanften Leitung einer zum Krieg getriebenen Tugendkönigin. Im Umfeld Maria Theresias sollte dieser neue Mythos, der den Zusammenhalt der Elite förderte, ihr Bezugspunkte und Erinnerungsorte gab, in den folgenden Jahren an Bedeutung gewinnen – doch nicht nur hier. Der soldatische Heros Friedrich und die Verehrung, die er in weiten Teilen des protestantischen Deutschlands erfuhr, forderte Widerspruch geradezu heraus. Der Erzählung vom großen König wurde von jenen, die die Kriegszerstörungen und den Zusammenbruch der Reichsordnung ohne Begeisterung verfolgten, die Geschichte der standhaften Königin entgegengesetzt. Schon 1743 erschien in Erfurt eine erste Biographie, der noch im selben Jahr eine sehr viel ausführlichere des Nürnbergers Christoph Gottlieb Richter folgte – eines Mannes, der die junge Königin als größte Monarchin seiner Zeit pries. Noch wurde von dem protestantischen Autor die Weiblichkeit der Maria Theresia als ein zu überwindendes Manko definiert und ihre Fähigkeit, anders zu handeln, als dies ihr Geschlecht erwarten ließ, gepriesen. Und doch ließ ihr Biograph keinen Zweifel daran, dass sie die seelischen und körperlichen Attribute der Fraulichkeit bei der Erziehung der Herzen ihrer Untertanen zu nutzen wusste. Seine Biographie gelte einer außergewöhnlichen Monarchin: Einer solchen Königin, welche bey so geringen Alter, mit Riesen-Schritten, schon so weit in der Staats-Kunst gelanget ist, als es kaum die allerberühmtesten Monarchen jemals gebracht haben; Einer Printzessin, welche von ihrem Geschlechte sonst nichts hat, als diejenige reitzende Anmuth und dieselbe majestätische Schönheit, die sich aller Hertzen unterwürffig macht.49

Maria Theresia Die Ehefrau

D

ie Krone steht ihm nicht – Franz Stephan

Er habe, so berichtete der englische Gesandte Hanbury Williams nach London, verschiedentlich Gelegenheit gehabt, mit Ihrer kaiserlichen Majestät in freie Konversation zu treten. Franz Stephan scheine ihm ein Mann zu sein, den die Natur zu etwas geschaffen habe, was ihm das Schicksal verweigere: Sie habe ihn mit den Tugenden eines gutmütigen Familienvaters und gewissenhaften Reichsfürsten gesegnet. Vom Schicksal jedoch sei er mit dem Kaisertitel geschlagen worden. Die Krone und ihre Ehrentitel passten ihm schlecht, und seine Würde missfalle ihm. Nichts widerstrebe ihm so sehr wie die burgundische Etikette, die er in Wien zu erdulden habe. Leidend ertrage er die Prozessionen und Zeremonien, die diesen Hof prägten. Glücklich sei er nur, wenn er sich vom Hofe zurückziehen und privat mit seiner Schwester oder einigen seiner Freunde in den Befestigungsanlagen spazieren gehen könne. Tatsächlich seien seine Talente wohl eher im privaten Bereich zu suchen – ein Staatsmann sei er nicht. In den politischen Gesprächen, die er mit ihm geführt habe, habe er sich jedoch davon überzeugen können, dass auf den Kaiser Verlass sei. Frankreich sei ihm so verhasst wie Preußen seiner Gemahlin, der Kaiserin. Daher sei er ehrlich darauf bedacht, das Verhältnis zum König von England so vertrauensvoll wie möglich zu gestalten. Jede nur denkbare Methode habe er, der Gesandte, angewandt, um he­ rauszufinden, wieviel diese Versicherung wert sei und welchen Einfluss der Kaiser auf die Geschäfte der Monarchie habe. Es bestehe kein Zweifel daran, dass Franz Stephan über alle Staatsangelegenheiten vollumfänglich informiert werde. Die Kaiserin habe ausdrücklich befohlen, ihm alles offenzulegen, und wäre empört, wenn einer ihrer Minister versuche, Franz Stephan vom Informationsfluss auszuschließen. Dessen ungeachtet sei deutlich, dass des

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Kaisers politisches Gewicht am Hofe äußerst gering sei. Die Kaiserin regiere, und sie regiere allein. Der Grund dafür sei nicht schwer zu eruieren. Maria Theresia sei als Politikerin ungleich talentierter als ihr Mann, und sie wache zudem eifersüchtig über ihre monarchischen Rechte. Zudem höre sie mehr auf die Ratschläge des Freiherrn von Bartenstein, der sie geschickt zu umgarnen wisse, als auf ihren oft zum Widerspruch neigenden Mann. Aus diesem Grunde habe man sich stillschweigend geeinigt, die Einflussbereiche zwischen den beiden Ehepartnern klar zu trennen. Die Kaiserin regiere die habsburgischen Territorien, während der Kaiser seine Rechte im Großherzogtum Toskana wahrnehme. Im Reich dagegen überschnitten sich ihre Interessenfelder und Machtbereiche. Hier komme es immer wieder zu Disputen. Der Einzige, dem es gelingen könne, diesen Zank beizulegen, sei der neue Favorit Maria Theresias, Graf Kaunitz. Er sei mit beiden Eheleuten befreundet. Ansonsten hat der Brite über die Vertrauten des Kaisers nichts Gutes zu berichten. Es gibt nur zehn oder zwölf Personen in Wien, mit denen er vertrauten Umgang pflegt und mit denen er allabendlich zu speisen pflegt. Leider muss ich feststellen, dass diese Gefährten schlecht gewählt wurden und ihm nicht zur Ehre gereichen. (…) Die Minister, die er zur Verwaltung seiner eigenen Angelegenheiten berufen hat, dienen ihm schlecht und beschädigen seine Ehre und seinen Stand. Toussain, sein Finanzverwalter, ist dafür bekannt, dass er Kredite auf Pfänder zu exorbitanten Zinsen gewährt.1 Hanbury Williams erweist sich mit dieser Beschreibung einmal mehr als ein meisterhafter Chronist der habsburgischen Herrschaftsfassade. Er hatte von der britischen Krone den Auftrag erhalten, Charakterbilder der wichtigsten Gestalten am Hof zu verfassen. Franz Stephan blieb ihm rätselhaft. Er hatte in Schönbrunn einen Kaiser beobachtet, der Distanz zur Etikette hielt und die politische Agenda von seiner Frau bestimmen ließ. Der Gemahl Ihrer Majestät, jener Mensch also, der die meiste Zeit mit Maria Theresia verbrachte, erschien als desinteressierter Monarch, als verhinderter Privatmann. War dieses Bild wirklich zutreffend? Der Gesandte selbst zögerte, immerhin gestand er dem Lothringer eine klar konturierte außenpolitische Position zu, zeichnete ihn als pflichtbewussten Herrscher der Toskana und wusste von Konflikten zwischen den Eheleuten in Fragen der Reichspolitik zu berichten.

Eine Niederlage und ihre Folgen   •   95

Williams Meinung, Franz Stephans Einfluss in Wien sei dessen ungeachtet gering, beruhte auf äußeren Eindrücken und vereinzelten Gesprächen, nicht aber auf Fakten. Welche Rolle er im politischen Betrieb Wiens spielte, sobald das Paar die öffentliche Bühne des Hofes verließ, blieb schwer einzuschätzen und ist bis heute unter Historikern umstritten. Der Lothringer besaß zweifellos Spielräume, die er sich gegenüber seiner Gattin eroberte oder die diese ihm zugestand. Sie veränderten sich mit den Machtkonstellationen innerhalb des Hofes. Beständig blieb die nach außen zur Schau gestellte Harmonie der Eheleute.

E

ine Niederlage und ihre Folgen

In der Ära Karls VI., so notierte Graf Khevenhüller am 11. April 1745 in sein Tagebuch, habe sich der Hochadel um den Kammerherrnschlüssel regelrecht gedrängt.2 Nach der Thronbesteigung der jetzigen Monarchin sei der Andrang auf dieses Ehrenamt jedoch schlagartig versiegt. Der Grund dafür liege auf der Hand: Maria Theresia habe ihren Mann zum Mitregenten ernannt. Für die Kammerherren hätte dies bedeutet, dass sie den einwöchigen rituellen Dienst am Monarchen, der mit ihrem Amt verbunden war, nun auch Franz Stephan leisten mussten. Was noch schlimmer war: Selbst sein Bruder hatte nach dieser Entscheidung der Königin Anspruch auf entsprechende Handreichungen. Dies aber sei als demütigend empfunden worden, und so habe keiner der Kammerherren nach dem Thronwechsel um die Bestätigung seines Titels ersucht. Die Herren von Thurn und Taxis, von Schwarzenberg, Esterházy, von Lobkowitz und von Liechtenstein, so Khevenhüller, hatten jede nur denkbare Ausflucht genutzt, um dem symbolischen Dienste am Hause Lothringen zu entgehen. Wer einst dem Kaiser nahe gestanden habe, zeige nunmehr nur geringe Neigung, den Angehörigen eines herzoglichen Geschlechts zu huldigen. Maria Theresia musste ihre ganze Autorität einsetzen, um dieser Distanzierung Einhalt zu gebieten, und sie tat dies ungeachtet ihrer Jugend mit erstaunlichem Gespür für die Schwachpunkte des jeweiligen Gegenübers. Ihre Majestät, so Khevenhüller, habe zu erkennen gegeben, dass ihr ein solches Verhalten zutiefst missfalle. Zugleich habe sie die Regeln der Hoffähigkeit dahingehend geändert, dass neben Angehörigen souveräner Häuser und hochfürstlichen Standespersonen nur noch Hofbedienstete dieses begehrten

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Privilegs teilhaftig würden.3 Alle anderen – und dies waren die meisten ehemaligen Kammerherren – waren nunmehr von allem ausgeschlossen und ohne einigen Rang und Distinction. Statt jederzeit Zugang zur Monarchin zu haben, mussten sie jetzt um Audienz bitten. Dies war nicht nur für ihre Reputation nachteilig, sondern schadete auch ihren politischen Interessen. Jene, die zuvor den Kammerschlüssel dankend abgelehnt hatten, hätten sich daher, so Khevenhüller, bemüht, ihr Versäumnis vergessen zu machen. Plötzlich habe man ihn gedrängt, bei der Kaiserin in ihrem Sinne vorzusprechen – das Ganze sei ein furchtbares Missverständnis gewesen. Selbstverständlich sei es ihnen eine Ehre, so ließen sie die Kaiserin wissen, Ihrer Majestät als Kammerherren dienen zu dürfen. Die Königin indes habe nicht so geschwind darinnen willigen wollen. Sie ließ den Hochadel ihre Macht spüren und steigerte den Wert des einst verschmähten Amtes, indem sie es erst nach langem Zögern verlieh. Auch wenn die Monarchin sich auf diese Weise schließlich durchsetzte, offenbarte der Vorfall doch, wie schwach der Status des Großherzogs am Wiener Hofe in den Jahren zwischen 1740 und 1745 war. Gewiss war sein politischer Einfluss gerade in den Anfangsjahren der Regentschaft Maria Theresias kaum zu unterschätzen. Der kundige Graf Tarouca meinte gar, er habe zeitweilig die Rolle eines Premierministers eingenommen. Maria Theresia räumte seinen Personalempfehlungen Gewicht ein, sie nutzte ihn als ihr Ohr in der Geheimen Konferenz und ließ ihn unmittelbar nach ihrer Thronbesteigung mit Vertretern fremder Kronen verhandeln. Die Briefe, die er seiner Frau schrieb, waren in einem geradezu väterlichen Ton gehalten.4 Der Großherzog wusste von diplomatischen und militärischen Sachverhalten in einer Form zu berichten, die auch für die junge Königin verständlich waren. Zudem hatte seine Familie an Einfluss gwonnen. Sein Bruder zählte zu den wichtigsten Feldherrn der Königin; seine Schwester war ab 1745 deren beständige Begleiterin. Dennoch war er nicht mehr als ein Großherzog – der Titel eines Mit­ regenten wurde eher achselzuckend zur Kenntnis genommen. Er garantierte, daß Franz Stephan im Falle des vorzeitigen Todes der Königin die Regentschaft bis zur Volljährigkeit des Thronfolgers auszuüben berechtigt war. Den Rang, den er auf dem glatten Parkett des Hofes einnahm, konnte er jedoch kaum steigern – er lebte, wie die Kammerherrenaffäre gezeigt hatte, von der geliehenen Autorität seiner Frau. Seine zeremonielle Zweitrangigkeit ließ sich kaum kaschieren.5

Endlich Kaiserin   •   97

Erst der Kaisertitel würde diese Situation ändern. Er jedoch war mit der Wahl Karl VII. zunächst in weite Ferne gerückt Das habsburgische Reich hatte seinen imperialen Glanz und symbolischen Bezugspunkt verloren.

E

ndlich Kaiserin

Ältere Personen, welche der Krönung Franz des Ersten beigewohnt, erzählten: Maria Theresia, über die Maßen schön, habe jener Feierlichkeit an einem Balkonfenster des Hauses Frauenstein, gleich neben dem Römer, zugesehen. Als nun ihr Gemahl in der seltsamen Verkleidung aus dem Dome zurückgekommen, und sich ihr sozusagen als ein Gespenst Karls des Großen dargestellt, habe er wie zum Scherz beide Hände erhoben und ihr den Reichs­ apfel, den Szepter und die wundersamen Handschuh hingewiesen, worüber sie in ein unendliches Lachen ausgebrochen; welches dem ganzen zuschauenden Volke zur größten Freude und Erbauung gedient, indem es darin das gute und natürliche Ehgattenverhältnis des allerhöchsten Paares der Christenheit mit Augen zu sehen gewürdiget worden. Als aber die Kaiserin, ihren Gemahl zu begrüßen, das Schnupftuch geschwungen und ihm selbst ein lautes Vivat zugerufen, sei der Enthusiasmus und der Jubel des Volks aufs höchste gestiegen, so daß das Freudengeschrei gar kein Ende finden können.6

Rund sechzig Jahre nach dem Ereignis widmete Goethe diesen kurzen Abschnitt seiner autobiographischen Schrift »Aus Dichtung und Wahrheit« der Kaiserkrönung Franz’ I. im Jahre 1745. Das Reich, wie es uns hier gegenübertritt, erscheint merkwürdig antiquiert. Die Riten, die es konstituieren, haben längst ihren Sinn verloren und werden selbst von jenen, die sie vollziehen, nicht mehr ernst genommen. Zugleich taucht am Horizont das Modell einer neuen, bürgerlichen Monarchie auf. König und Königin präsentieren sich als ein liebendes Ehepaar, das das Volk an seiner Belustigung teilhaben lässt. Natürlichkeit statt steifer Pomp, Humor statt aufgesetztem Ernst, Volksnähe statt Distanz – dies sind die Auswege aus der Legitimationskrise der Monarchie. Österreich und auch Preußen haben sie, wie Goethe meinte, gefunden. Das Reich jedoch, das auf der Bewahrung des Hergekommenen basierte, musste an diesem Wandel zerbrechen. Tatsächlich hat die Szene auf dem Balkon nie stattgefunden. Maria Theresia hatte lediglich im vornehmen Haus der Limpurger kurz ihr Taschen-

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tuch gezückt und ein Vivat auf ihren Mann ausgestoßen. Hinweise auf eine selbstironische Reflexion der Zeremonie gibt es nicht. Im Gegenteil, die Monarchin ließ das Obersthofmeisteramt akribisch recherchieren, um noch das kleinste Detail der Krönungszeremonie ihres Mannes den historischen Vorbildern anzupassen.7 Nicht die kleinste Abweichung sollte den Eindruck ungebrochener Kontinuität trüben. Das Spektakel in Frankfurt8, in dem Franz Stephan in hochmittelalterlichem Ornat einen Prozess der schritt­ weisen Wandlung vom Großherzog zum geheiligten Haupt der Christenheit durchlief, erzeugte Legitimität. Jeder Handgriff, jeder Gegenstand ließ den neuen Träger der Krone in Kontakt mit seinen Vorgängern treten. Er wurde Teil einer Kette von Amtsträgern, die hinter die Heiligkeit der Kaiserwürde zurücktraten. Das Kreuzesfragment, die Heilige Lanze, der in die Krone eingearbeitete Heilige Nagel vom Kreuz Christi – sie alle standen für den Tod des Herrn, aber verwiesen auch auf seine Auferstehung und seine Wiederkehr am Tage des Jüngsten Gerichts. Sie verpflichteten den gottgläubigen Kaiser auf die endzeitliche Dimension seines Amtes als des Verwalters des letzten Weltreichs und sprachen ihm zugleich jenen Segen zu, den er brauchte, um seine Aufgabe, dem Herrn den Weg zu bereiten, zu erfüllen.9 Die gescheiterte Kandidatur im Jahre 1742, der Streit um die böhmische Kurwürde, die dreijährige Herrschaft des Kaisers aus dem Hause Wittelsbach, die Proteste des Pfälzer und des brandenburgischen Kurfürsten gegen eine Wahl Franz Stephans – all diese höchst unangenehmen Vorkommnisse sollten am Tag der Krönung in den Hintergrund treten. Brüche der Tradition und Zweifel an der Legitimation des neuen Herrschers hatten hier keinen Platz. Stattdessen strebte das Haus Habsburg-Lothringen nach einer Inszenierung, die Franz Stephan als Garanten der Kontinuität und Inbegriff der ewig unwandelbaren Ordnung des Reiches erscheinen ließ. Um nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen zu lassen, dass der Großherzog der Toskana keineswegs als Marionette seiner Frau fungierte, war am Wiener Hof unmittelbar nach dem überraschenden Tod Karls VII. eine Debatte darüber entbrannt, ob Franz Stephan nicht als Schlachtenlenker in den Österreichischen Erbfolgekrieg eingreifen sollte. Das Urteil der militärisch kundigen Zeitgenossen – auch jener am Hof Maria Theresias – war angesichts der mangelnden Feldherrnbegabung des königlichen Gatten mehr als zurückhaltend. Weder im Zuge des Türkenkrieges noch während seines kurzzeitigen Engagements vor Prag hatte er – ob verschuldet oder unverschuldet – eine glückliche Figur gemacht. Ein weiterer Versuch, ihn mit

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militärischem Lorbeer zu kränzen, galt – so klagte sein Klient Khevenhüller – als zu riskant. Lieber wurden die Erfolge seines Bruders Karl Alexander als Kollektiv­triumphe der lothringischen Familie gefeiert.10 Als im Frühjahr 1745 die französischen Truppen aus dem Umfeld Frankfurts vertrieben werden mussten, um den Weg für eine neue Kaiserwahl freizumachen, drängte Franz Stephan dessen ungeachtet ein weiteres Mal darauf, ihn mit einem Kommando zu betrauen. Wenn er als Befreier der Reichsstadt und Protektor des Wahlakts in Erscheinung trete, so das Kalkül, würde der Vorwurf der persönlichen Schwäche des habsburgischen Kandidaten für das Kaiseramt von vornherein verstummen. Das Militär zeigte sich jedoch äußerst zurückhaltend und spielte auf Zeit. Die Kaiserin half dabei nach Kräften und beteuerte, es würde ihr das Herz zerreißen, wenn ihr Gatte sich einer solchen Gefahr aussetze. Geschickt wurde die Abreise des Lothringers immer weiter hinausgezögert.11 Als er im Juli 1745 schließlich vor Frankfurt eintraf und den Befehl über seine Truppeneinheiten übernahm, war der Würfel militärisch längst gefallen. Franz Stephan durfte die Früchte ernten, die er nicht gesät hatte, und als siegreicher Imperator seine Ansprüche auf den Thron anmelden. Dergleichen Demonstrationen der Stärke konnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass das neue Reichsoberhaupt, Kaiser Franz I., kaum an die imperiale Politik seines Schwiegervaters würde anknüpfen können. Die passive Haltung des Reiches im Angesicht der Rechtsbrüche des preußischen Königs hatte Spuren hinterlassen. Nicht die Reichsfürsten hatten die Königin ungeachtet aller Reichstagsbeschlüsse unterstützt, sondern der Adel der eigenen Erblande. Das hatte Folgen. Zwar wurde der Wert der Kaiserkrone noch immer hoch geschätzt, doch wurde an der Hofburg offen darüber diskutiert, wie hoch er genau zu bewerten war. Die Königin selbst hielt sich in diesem Punkt bedeckt. Das Drängen des Gatten, sich mit ihm zur Kaiserin krönen zu lassen, lehnte sie vorgeblich im Hinblick auf ihre Schwangerschaft ab. Ihr künftiges Verhältnis zum Reich ­illustriert ein von Khevenhüller kolportierter Vorfall treffend. Am 26. Oktober 1746 sei der kaiserliche Geheime Rat erstmals in Wien einberufen worden. Für beide, Maria Theresia wie Franz Stephan, war dies eine Premiere. Die Kaiserin selbst nahm an der Sitzung nicht teil, sie hatte jedoch ein Loch in die Tür des Sitzungssaals bohren lassen und ließ sich detailliert die Sitzordnung des Gremiums erklären.12 Sie war, wie auch die Protokolle des Reichshofrates bezeugen, die wohl wirkungsmächtigste Abwesende in den Reichsgremien.13

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Mit Colloredo als Reichsvizekanzler, von Wurmbrand als Reichshofrat und von Pergen als kaiserlicher Gesandter in Mainz stellte Franz Stephan ebenso erfahrene wie gut vernetzte Personen an die Spitze der Reichsverwaltung. Es folgten zahlreiche weitere Ernennungen, die von dem Willen des Kaisers und seines Umfelds zeugten, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.14 Wien beeinflusste die Besetzung von Klerikerstellen in der Reichskirche, verbesserte seinen Kontakt zu den kleinen Reichsständen, stärkte sein Netzwerk von Residenten und aktivierte seine klientelären Netzwerke auf dem Reichstag. Von einem Rückzug des Hauses Habsburg aus dem Reich konnte somit keine Rede sein. Und doch erwies sich der Versuch, an die Zeiten Karls VI. anzuknüpfen, als ein Ding der Unmöglichkeit.15 Die Verhältnisse in Frankfurt/Main verdeutlichten, wie sehr sich die Machtbalance verändert hatte. Die Reichsstadt war dem Kaiser in besonderem Maße verpflichtet und unterworfen.16 Seit den 1720er-Jahren hatten Bürger und Rat einander immer wieder vor dem kaiserlichen Gericht, dem Reichshofrat, verklagt. Dessen Kommissare und Subdeligierte waren ständige Gäste in der Mainmetropole und mühten sich, Lösungen für die inneren Konflikte der Stadt zu finden. Frankfurt, so ein geflügeltes Wort der Zeit, werde von Wien aus regiert. Als Franz I. den Thron bestieg, musste er feststellen, dass das, was noch 1741 gegolten hatte, 1745 nicht mehr galt. Wer Hilfe von Seiten eines mächtigen Verbündeten erwartete, dessen Blicke richteten sich nicht mehr automatisch nach Wien. Immer häufiger wurde Berlin als Alternative genutzt – so etwa beim Streit um den Bau einer reformierten Kirche innerhalb der Frankfurter Stadtmauern, in den sich der König von Preußen genüsslich einmischte. Der besaß in den Reichsstädten und den kleinen Territorien des Reiches mittlerweile ein eigenes Netzwerk von Informanten, diplomatischen Vertretern und Anhängern.17 Der Kaiser sah sich angesichts dieses machtvollen Gegenspielers gezwungen, bisherige Verfahrensgänge zu ändern und zu improvisieren. Die feinsäuberliche Trennung zwischen Politik und Justiz, zwischen Reichskanzlei und Reichshofrat beispielsweise wurde immer weiter verwischt – aus Sicht der Reichsjuristen ein unerhörter Vorgang. Jener Kaiser, der nach außen so ausgesprochen konservativ auftrat, zeigte intern kaum Hemmungen, den kaiserlichen Machtapparat an die neuen Realitäten anzupassen. Seine Frau erwies sich dabei als ein schwieriger Partner. Sie machte ganz im Stil ihres Vaters keinen Unterschied zwischen den Interessen des Hauses

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Habsburg und jenen des Reiches. Wenn Österreich in den Krieg zog, so sollte ganz Deutschland dies tun. Aus Sicht Franz’ I. war dies eine Illusion: Wien hatte an Einfluss verloren. Es musste diesen mühsam zurückgewinnen und durfte das bereits Erreichte nicht durch überzogene Forderungen gefährden.

I

nszenierte Harmonie

Die vollkommene Übereinstimmung zweier Persönlichkeiten sei, so erklärte Franz Stephan in einer Denkschrift an seinen Sohn Leopold (1747– 1792) vom Januar 1765, schlechterdings unmöglich. Es sei daher die Aufgabe der Ehegatten, durch Höflichkeit, Nachsicht und Sanftmut ein harmonisches Miteinander anzustreben. Es sei wenig ratsam, auf seinen Standpunkten zu bestehen, stattdessen möge der Mann vor allem bei unwichtigen Streitigkeiten nachgeben.18 Die Ratschläge seiner Ehefrau klangen ähnlich. So hieß es in einem Schreiben an die gemeinsame Tochter Maria Amalia 1769: Je mehr Freiheit Ihr Eurem Gemahl gewähret, je weniger Zwang und Pünktlichkeit Ihr von ihm verlangt, desto begehrenswerter macht Ihr Euch und umso verlangender wird er Eure Nähe suchen. Das Wichtigste ist, dass er Euch stets bei gleichem Sinn, von gleicher Freundlichkeit und Aufmerksamkeit findet. Gebt Euch wirkliche Mühe, es ihm in Eurem Hause recht zu machen, damit er sich nicht anderswo wohler zu fühlen braucht. Wenn Ihr sein Vertrauen besitzen wollt, zeigt ihm, dass Eurer Verhalten und Eure Verschwiegenheit es verdienen. Alles Glück in der Ehe besteht im gegenseitigen Vertrauen und gegenseitiger Zuvorkommenheit. Die tolle Liebe ist bald dahin – man muss einander schätzen und einer des anderen Freund sein, um in der Ehe glücklich zu leben. Nur so wird man auch die Kehrseite dieser Welt ertragen und für sein Heil sorgen können, das vornehmste Ziel wohin man auch immer gestellt sein mag.19 Von Liebe war in beiden Lehrschreiben kaum oder gar nicht die Rede. Nicht der ungebändigte Affekt, die permanente emotionale Überwältigung sollten nach Meinung der beiden Ehegatten Grundlage der Ehe sein, sondern eine klare Aufgabenteilung, wechselseitiger Respekt und das Bewusstsein, auf­ einander angewiesen zu sein.

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Gefühle konnten beim Gelingen einer solch wichtigen Unternehmung wie der Ehe, der monarchischen zumal, sogar hinderlich sein. Sie drohten das kühle Abwägen und die effiziente Kooperation der beiden Häupter eines Hofes zu gefährden. Angeraten war im Gegenteil ein beständiges Zurücknehmen des eigenen Verlangens, eine Affektkontrolle, die Gefühle nur dann zuließ, wenn sie nützlich waren. Nicht durch Ansprüche durfte der Ehegatte gebunden werden, sondern durch Geschenke und Aufmerksamkeiten. Nach außen hin galt es, geschlossen aufzutreten. Selbst die Bourbonen hatten das königliche Familienleben nicht so liebevoll und vor allem so glaubwürdig inszeniert wie dieses Ehepaar, das im Verlaufe jener dreißig Jahre, in denen es verheiratet war, sechzehn Kindern das Leben schenkte. Die Nachkommenschaft wurde gern und in allen nur denkbaren Facetten zur Schau gestellt. Wer auch immer am Fortleben der Habsburger Zweifel haben mochte, wurde von der ständig schwangeren Monarchin eines Besseren belehrt. Maria Theresia vermochte es, die Balance zwischen dynastischem Neubeginn und dynastischer Kontinuität kunstvoll zu bewahren. Schon die Namensgebung des eigenen Hauses barg Herausforderungen. Habsburg konnte es nicht heißen – denn diese Dynastie war mit dem Tod Karls VI. erloschen. Wien vermied daher zumindest vorübergehend eine Festlegung und zog sich auf den unbestimmten Terminus »Haus Österreich« zurück. Vereinzelt war auch von einem Haus Lothringen-Habsburg und schließlich vom Haus Habsburg-Lothringen die Rede. Für Franz Stephan war dies keine unerhebliche Schwerpunktverschiebung.20 Er lebte in einem Palast, in dem die habsburgischen Toten erstaunliche Präsenz entfalten konnten. So war den Kaiserwitwen die Aufgabe zugewiesen, für den Rest ihres Lebens die Erinnerung an ihre Männer aufrechtzuerhalten. Jeder Sterbetag geriet zu einem prunkvollen Fest des Gedenkens, das die Hinterbliebenen vor allem zur Selbstdarstellung nutzten. Zwar ließ Maria Theresia die Beerdigung ihrer Schwiegermutter 1745 ebenfalls aufwendig begehen, der düsteren Kraft der in der Kapuzinergruft versammelten kaiserlichen Ahnherren seiner Gattin konnte Franz Stephan dennoch kaum etwas entgegenhalten. Die Gefahr war groß, dass nach seinem Tode sich allenfalls noch Spezialisten seines Namens erinnern würden. An diesem Punkt setzte die Kaiserin an. Bereits im April 1753 – Maria Theresia war gerade einmal 36 Jahre alt – wurde mit dem Bau einer eigenen Gruft für das Kaiserpaar begonnen.21 Sie schloss unmittelbar an die alte, zuvor ver-

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größerte Kapuzinergruft an, war jedoch wesentlich aufwendiger gestaltet.22 Ein nahezu runder, von einer Kuppel gekrönter zentraler Saal ließ den Sarkophag, den der Raum aufnehmen sollte, als Zielpunkt der bisherigen Ahnenreihe erscheinen. Das Monstrum aus Blei, das Maria Theresia als Behältnis für ihren Leichnam in Auftrag gegeben hatte und das am 9. August 1754 in der Gruft aufgestellt wurde, ließ jede Zurückhaltung vermissen. In ihm sollten beide Eheleute gemeinsam Platz finden – in vollem Ornat waren sie auf einer Bettstatt dargestellt, die eher dem Ehelager als einem Totenbett glich. Umgeben von den Heldentaten, die sie in ihrer Regentschaft ermöglicht hatten, sahen sie sich ein letztes Mal oder – dies blieb dem Interpreten vorbehalten – ein erstes Mal nach der Auferstehung liebend in die Augen. Unzertrennlich war diese eheliche Gemeinschaft, ebenso unzertrennlich wie das Band zwischen den Territorien, die sie regiert hatten. Unsterblich war damit nicht nur ihre Liebe, sondern auch ihr Werk. Hier im Herzen des habsburgischen Totenkultes wurde damit der Beginn einer neuen Dynastie gefeiert, die das Haus Habsburg nicht ersetzte, sondern dessen Erbe lebendig hielt. Diese Botschaft wurde dem Hof jedoch nicht nur durch den vorweggenommenen Totenkult präsentiert, sondern auch, indem die Monarchin das kostbarste Gut, das sie zu verteilen hatte, ihrem Mann und ihrer Verwandtschaft in überreichem Maße schenkte: ihre Zeit. Zwei nahe Verwandte des Kaisers spielten am Hofe eine ausgesprochen prominente Rolle: Anna Charlotte von Lothringen, jüngste Schwester Franz Stephans, war am Tage seiner Krönung zur kaiserlichen Familie gestoßen und mit ihr nach Wien gezogen. Dort erhielt sie zunächst die Gemächer der 1742 verstorbenen Witwe Josephs I., die nach dieser benannte Amalienburg im Hofburgkomplex. Später wurde ihr ein eigenes Appartement in Schönbrunn zugeteilt. Auch ihr Bruder Karl Alexander war zu Beginn der 1740er-Jahre häufig in Wien anzutreffen. Der erfolgreiche Schlachtenlenker war seit 1744 verwitwet. Seine Ehefrau Maria Anna, die geliebte Schwester Maria Theresias, war bei der Geburt ihres ersten Kindes verstorben, und seine Schwägerin bedachte ihn nunmehr mit besonderer Aufmerksamkeit. So waren Anna Charlotte, Franz Stephan und Karl Ale­ xander zwischen 1742 und 1746 die ständige Begleitung Maria Theresias. Das Haus Lothringen rahmte die Kaiserin geradezu ein, und diese ließ damit keinen Zweifel daran, dass ihre angeheiratete Verwandtschaft alles andere als einflusslos war. Angesichts der militärischen und politischen Bedrohung, der die sich neu erfindende Dynastie ausgesetzt war, zeigte sich die Monarchin unermüdlich,

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wenn es darum ging, Einigkeit und Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Maria Theresia, ihre Mutter, ihr Mann, ihre Schwägerin, ihr Schwager, die Kinder – sie alle tauchten immer wieder gemeinsam am Hof auf und demonstrierten harmonisches Miteinander. Die Bildung von Neben- oder Gegenhöfen, wie sie noch im 17. Jahrhundert so kennzeichnend für das Haus Habsburg war, wurde strikt unterbunden. Dass Franz Stephans Bettgemach auch das ihre war, hatte auch mit der Notwendigkeit zu tun, ihn unter Kontrolle zu halten.

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iebe und Eifersucht

Das schloss nicht aus, dass das Spiel der Eintracht, welches beide so perfekt zu inszenieren wussten, bereits früh von emotionaler Bindung gestützt wurde. Maria Theresia bedachte den Gatten immer wieder mit Koseworten, wie Mäusel oder dem selbstironischen Mon Cher Alter, das Franz Stephan mit einem Ma Chère Alte beantwortete. Beide lebten, wie ein preußischer Gesandter berichtete, in einer so innigen Eintracht wie wenig Privatleute.23 Geradezu legendär ist auch jener im Nachlass der Kaiserin aufgefundene Zettel, auf dem sie akribisch die genaue Dauer ihrer Ehe in dankbarer Erinnerung festgehalten hat. Aber war Mäusel auch treu? Giacomo Casanova, der Wien 1753 bereiste, schilderte das Verhältnis der Eheleute aus der Perspektive des erweiterten Hofzirkels. Kaiser Franz I. sei ihm als ein schöner Mann in Erinnerung geblieben. Seine Gesichtszüge hätten ihm ausnehmend gut gefallen und er habe in jeder Gewandung – im Lodenwams wie im Purpurornat – eine gute Figur gemacht (s. Abb. 4). Seine Frau habe er stets mit großer Rücksicht behandelt und sie nicht daran gehindert, das Geld mit vollen Händen auszugeben. Dass sie den Staat in Schulden stürzte, sei ihm auch deshalb recht gewesen, weil er dessen Gläubiger gewesen sei. Dies wie auch seine galanten Neigungen wurde von Maria Theresia konsequent ignoriert. Sie habe ihn stets ihren Herrn genannt und die Illusion aufrechtzuerhalten versucht, dass sie ihn mit ihren weiblichen Reizen zu binden wusste. Franz Stephan, dem Unwiderstehlichen, wurden vom Hofklatsch in der Tat zahllose Affären zugeschrieben.24 Der preußische Gesandte Podewils wusste etwa von Liebesbeziehungen des Kaisers mit der Gräfin Maria Ga­ briele von Colloredo – immerhin die Ehefrau des Reichsvizekanzlers – und

Liebe und Eifersucht   •   105

der Gräfin Maria Anna von Palffy, einer Hofdame Maria Theresias, nach Berlin zu berichten.25 Mit seinen jeweiligen Eroberungen veranstalte er heimlich galante Soupers. Die eifersüchtige Kaiserin habe ihn gezwungen, sich in seinen Vergnügungen zu beschränken. Sobald sie bemerke, dass er irgendeiner Frau den Hof mache, schmolle sie und mache ihm das Leben so unangenehm wie möglich. Ein Katz-und-Maus-Spiel habe sich zwischen beiden entwickelt. Während die Kaiserin ihn an allen Orten zu überwachen suche, schlüpfe er immer wieder durch die Maschen ihres Informantennetzes. Meist dienten ihm vermeintliche Jagdausflüge als Tarnung für amouröse Treffen. Von einem ausgeprägten außerehelichen Sexualleben wusste auch Charles Joseph Fürst de Ligne zu berichten, der seit 1751 am Wiener Hof weilte und von Maria Theresia zum Kammerherrn ernannt wurde.26 Franz I. habe die Feste, die Frauen und die jungen Leute geliebt. Zeitweise hätten er, Ligne, und der Kaiser sich eine Geliebte geteilt: Maria Wilhelmina von Auersperg, die schönste Frau der Welt und die vornehmste Dame am Wiener Hof. Eines Abends, als Maria Theresia bei einem Opernbesuch in Gespräche vertieft und damit abgelenkt gewesen sei, habe der Kaiser die Gunst der Stunde genutzt und sei in die Loge seiner Geliebten gehuscht. Die aber habe sich gerade mit ihm, Ligne, vergnügt.27 Peinliche Stille habe über der Szene gelegen, die Ihre Majestät mit der Frage, welches Stück eigentlich gerade gespielt werde, zu durchbrechen wusste.28 Die Antwort war indes kaum dazu angetan, die unangenehme Situation zu entspannen, wurde doch die gefeierte Komödie Crispin rival de son maitre (»Crispin, der Rivale seines Meisters«) des französischen Schriftstellers Alain René Lesage gespielt. Um die Gräfin Auersperg ranken sich unzählige Geschichten.29 Selbst Wien-Touristen wie der Engländer Nathaniel Wraxall, der zwischen 1777 und 1779 die Höfe des Reiches bereiste, wurden mit detaillierten Berichten versorgt. Wraxall, der seinen Reisebericht 1799 in Druck gab, wusste, was er seinen Lesern schuldig war, und lieferte ihnen all die Geschichten, die er gehört hatte.30 Sie handelten von der wunderschönen, lieblichen Tochter des Marschalls Neipperg, die 1754, mit sechzehn Jahren, am kaiserlichen Hof eingeführt worden war und mit ihrer Natürlichkeit alle bezaubert habe. Schon im darauffolgenden Jahr sei sie mit dem Prinzen Johann Adam Joseph von Auersperg verheiratet worden. Die Verbindung sei aus beider Sicht überaus vorteilhaft, das Vermögen des Ehepaares selbst in Anbetracht der hohen Standards der habsburgischen Hocharistokratie beachtlich gewesen. Unglücklicherweise sei die Gräfin Auersperg der Spielsucht verfallen und

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habe ihre gesamte Mitgift in kürzester Zeit durchgebracht. Händeringend habe sie nach einem finanziell potenten Gönner gesucht und ihn in Franz Stephan gefunden. Wann immer er den argwöhnischen Blicken seiner Frau entkommen sei, habe er sich in ihre Arme geflüchtet. Im Theater etwa habe er die meisten Aufführungen hinter ihr stehend in der verschlossenen Loge seiner Geliebten zugebracht. Auch habe er ihr ein Landhaus nahe Schloss Laxenburg geschenkt. Seine Frau habe von der Affäre selbstverständlich gewusst, sich jedoch bemüht, sich öffentlich nichts anmerken zu lassen. Nach dem Tod des Kaisers habe sie sich weiter gnädig gegenüber der Gräfin gezeigt, sich aber erfolgreich bemüht, sie ohne weiteres Aufhebens vom Hof zu entfernen. Anekdoten wie diese, die stets ohne genaue Orts- und Zeitangabe berichtet wurden, lassen Fragen offen und geben zu erheblichen Zweifeln Anlass. Entsprangen Berichte über des Kaisers Amouren soliden Informationen oder waren sie eher als Hoftratsch zu bewerten? Auffällig ist die zeitliche Distanz, die in der Regel zwischen dem angeblichen Ereignis und dem Bericht liegt. Podewils’ liebevolle Kompilation von Hofklatsch etwa stammte aus dem Jahre 1747. Maria Anna von Palffy hatte Wien aber schon 1738 im Alter von 22 Jahren verlassen. Franz Stephan war zu dieser Zeit jung verheiratet und hatte mit seiner Frau zwei Kinder gezeugt. Maria Gabriele von Colloredo geb. von Starhemberg, ebenfalls eine angebliche Eroberung Ihrer Majestät, war zehn Jahre älter als Maria Theresia und hatte 1738 bereits fünf Kindern das Leben geschenkt; dreizehn weitere folgten. Die Gräfin stand einem der strahlendsten Häuser der Stadt vor: Die Gesellschaften der Colloredo waren legendär, auch Franz Stephan ging dort ein und aus. Dass es zwischen ihm und der Ehefrau seines Reichsvizekanzlers zu amourösem Geplänkel kam, er ihr Komplimente machte und sie ihm signalisierte, dass er selbstständlich der schönste und stattlichste Mann im Raume war, davon können wir ausgehen. Erfolg in der Liebe gehörte zu den erwarteten Eigenschaften eines Monar­chen – ein wahrer Edelmann war ein Liebling der Frauen. Französische Monarchen hatten daher neben ihrer Ehefrau selbstverständlich zahlreiche Geliebte, von denen halb Europa wusste.31 Die Favoritin Ludwigs XV., Madame de Pompadour, bekleidete gar den offiziellen Rang einer Maîtresseen-titre und griff aktiv in die Staatsgeschäfte ein. Im Wien Maria Theresias war derlei undenkbar. Das Haus Habsburg hatte stets Wert darauf gelegt, die eheliche Harmonie zu betonen. Auch habsburgische Kaiser hatten gewiss ihre Amouren: Joseph I. etwa war für seine eheliche Untreue berüchtigt, und selbst

Liebe und Eifersucht   •   107

Karl VI. wurden außereheliche Beziehungen nachgesagt, allerdings waren diese männlichen Geschlechts. Erwartet wurde ein diskreter Umgang mit solchen Grenzüberschreitungen. Franz Stephan war diskret. Ob er seiner Frau treu war oder doch Beziehungen zu anderen Frauen unterhielt, ist schwer zu sagen. Zumindest ist keine der ihm von Zeitgenossen nachgesagten Affären nachweisbar. Das gilt auch für seine Beziehung mit der um dreißig Jahre jüngeren Gräfin Auers­ perg. Auch hier ist die vermeintliche Gewissheit, dass die beiden das Lager teilten, umso größer, je weiter die Beobachter vom intimen Kreis um den Kaiser entfernt waren. Ausgerechnet dem Engländer Wraxall Glauben zu schenken ist gewagt. Der Gentleman zeigte sich immerhin bemüht, Wiens Monarchin als bigotte, fortschrittsfeindliche Feindin seines Heros Friedrich II. darzustellen. Abgesehen davon beruhten seine Darstellungen auf Hörensagen und erschienen 34 Jahre nach dem Ableben Ihrer Majestät. Ligne dagegen war dem Hof durchaus verbunden, doch auch sein Bericht wurde Jahre nach den Ereignissen publiziert und war von dem Bemühen gekennzeichnet, die Ebenbürtigkeit des Autors mit seinem Kaiser auf dem Felde des Liebeswerbens zu demonstrieren – seine amüsante Erzählung ist damit wohl eher dem Genre des Schürzenjägerlateins zuzuordnen. Insgesamt sind die Hinweise darauf, dass die Beziehung zwischen dem Kaiser und der jungen Schönheit den Rahmen der väterlichen Protektion überschritt, dürftig. Wenn er überhaupt eine längere außereheliche Beziehung unterhielt, dann vermutlich zu Beatrice Ligneville, mit der er bis kurz vor seinem Tod in vertraulichem Briefwechsel stand.32 Karl Joseph Maximilian Freiherr von Fürst und Kupferberg, der sich 1752 im Auftrag Friedrichs II. in Wien aufhielt, zeigte sich schon damals äußerst zurückhaltend in Bezug auf Gerüchte über Franz Stephan. Dass der Kaiser gegenüber dem schönen Geschlecht zuvorkommend sei und es liebe, stehe außer Frage. Für seine Amouren gebe es aber kaum gesicherte Erkenntnisse. Man habe ihm, dem Freiherrn, beispielsweise von einem unehelichen Sohn Franz Stephans berichtet, der in der Akademie von Krems aufgezogen werde. Bei näherer Nachfrage sei als einziger Beweis für die vermeintliche Vaterschaft die Ähnlichkeit des Knaben mit dem Lothringer angeführt worden. Vermutlich sei dies alles Unsinn. Der Kaiser ist zu gut beobachtet; er würde gar nicht im Stande seyn, eine Untreue gegen seine Gemahlin zu begehen, gesetzt auch, dass er sie nicht so liebte, wie er sie liebt, und nicht so viel Ursach dazu hätte.33

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Die in der Stadt und am Hof kursierenden Gerüchte über des Kaisers Untreue gewährten damit wohl kaum Einblick in die Intimsphäre des Monar­ chenpaars. Sie bildeten eher den Nachhall eines geschickt inszenierten Spiels. Ihren Töchtern gab die Monarchin später den Rat, über Fehltritte des Ehemanns hinwegzusehen. Freiheiten sollten sie ihnen lassen. Die Adressaten dieser Anleitung zur glücklichen Ehe befanden sich indes in einer völlig anderen Situation als die Kaiserin. Sie waren mit mächtigen Ehepartnern verheiratet, mit Souveränen, von denen sie abhängig waren. Ihre Mutter hingegen befand sich in der umgekehrten Situtation. In der Außendarstellung bestand stets die Gefahr, dass Franz Stephan als bloßes Anhängsel, als lächerliche Gestalt und seine Ehefrau als herrschsüchtig und eiskalt wahrgenommen wurden. Beides war nicht erwünscht. Die Koketterien, die sich Franz Stephan erlaubte, kehrten das Machtverhältnis um. Der Kaiser konnte sich als Mann profilieren, als erfolgreich, kühn und erotisch. Das wertete ihn auf und verlieh ihm aristokratische Respektabilität. Wichtig war auch der Effekt, den die vermeintlichen Skandale auf das Bild der Monarchin hatten. Die kühle, durchsetzungsfähige Politikerin erschien im Umgang mit ihrem Ehemann als Frau wie jede andere: empfindlich, ­eifersüchtig, voller Zweifel und doch mit ungebrochenem Stolz.34 Die Kaiserin zeigte eine menschliche Seite, sie offenbarte Schwächen und die Fähigkeit, mit diesen umzugehen. Dies nahm Männern die Angst und lud Frauen zum Mitgefühl ein. Die Rolle der um ihr Glück kämpfenden Ehefrau war interessant – mit ihr konnte der Hof und konnten ihre Untertanen sich identifizieren.

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achtwachen und Wochenbetten zum Trotze

Die Kaiserin ist eine der schönsten Prinzessinnen von Europa: allen ihren Nachtwachen und Wochenbetten zum Trotz hat sie sich sehr gut conservirt. Sei hat einen majestätischen und zugleich freundlichen Blick, selten verschwindet die Heiterkeit von ihrem Gesicht, obgleich hieran Wille und Selbstüberwindung auch zuweilen ihren Antheil haben mögen. Man nähert sich ihr nicht, ohne von Bewunderung durchdrungen zu werden.35

Die Monarchin, die Karl Joseph Maximilian Freiherr von Fürst und Kupferberg in seinem Bericht über seine Reise nach Wien 1752 beschreibt, war

Nachtwachen und Wochenbetten zum Trotze   •   109

35 Jahre alt. Dass der umtriebige Schlesier, der sich im Auftrag Friedrichs II. am Hof aufhielt, beeindruckt war, lässt sich kaum übersehen. Er hatte der Begegnung mit offenkundiger Neugier entgegengefiebert, und er wurde nicht enttäuscht. Was er sah, war eine Frau, die durch Anstrengungen der vergangenen Jahre gezeichnet, deren Energie aber ungebrochen war. Sie wusste sich überaus geschickt zu inszenieren, doch die Faszination, die von ihr ausging, entsprang nicht ihrem gut einstudierten Lächeln, sondern dem, was hinter der Leutseligkeit durchschimmerte. Wer genau hinsah – und von Fürst bemühte sich darum –, der erahnte eine Persönlichkeit, wie sie ihr Lieblingsmaler Liotard36 in einem unnachahmlichen Gemälde von 1747 eingefangen hatte: eine schöne Frau mit feinen, eleganten Gesichtszügen (s. Abb. 5). Sie war nicht mehr ganz jung: Erste Falten waren zu sehen, ein leichtes Doppelkinn hatte sich gebildet. Die Farbe des Gesichts war offensichtlich etwas blass – ein Eindruck, den die Frau auf dem Bild durch Schminke zu überdecken versuchte. Sorgsam frisiert trat sie dem Künstler entgegen, angetan mit kost­barem Schmuck, auf ihrer Brust eine prachtvolle Brosche mit dem eingefassten Porträt ihres Gatten. Ein geschmackvolles, vermutlich aus Seide hergestelltes Kleid trug sie, den kaiserlichen, mit Hermelin unterfütterten Purpurmantel lässig über die Schulter geschwungen. Hier, abseits des Publikums, ausgeliefert dem geschulten Blick eines brillanten Künstlers, blieb die eindrucksvolle Maskerade der Monarchie jedoch wirkungslos. Die Larve war gefallen, das Lächeln von den schönen Lippen der Frau gewichen – ganz leicht nur schien ein spöttisch-ironischer Zug sie zu umspielen. Beherrscht wurde dieses Gesicht von den Augen. Graublau waren sie und blickten aufmerksam, kühl abschätzend und kritisch. Es waren keine grausamen Augen, die Liotard ansahen, auch keine unsympathischen, aber sie sahen nicht mitfühlend, geschweige denn mütterlich aus. Die schöne, etwas müde Kaiserin, wie Liotard oder von Fürst sie wahrnahm, war vor allem eines: diszipliniert, stets darum bemüht, nicht aus der Rolle zu fallen und die Kontrolle über sich wie über andere zu behalten. Mit welch unbarmherziger Härte sie den eigenen Körper behandelte und sich nicht die kleinste Schwäche erlaubte, zeigte sich vor allem bei den Geburten ihrer Kinder.37 So etwa am 31. Januar 1745, als sie hochschwanger die Details einer Schlittenfahrt zu organisieren hatte, die zu Ehren der Gräfin Brühl veranstaltet wurde. Sie selbst, so bedauerte sie gegenüber der Ehefrau des wichtigen sächsischen Politikers, könne leider nicht teilnehmen. Dennoch war sie, so gut es ging, am Hof präsent und verabschiedete die aufbrechende

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Gesellschaft. Kaum war der lärmende Tross abgezogen, setzten die Wehen ein – sehr zum Verdruss der Monarchin, die für ein gutes Gelingen der Geburt in ihrer Lieblingskirche in Hietzing hatte beten wollen. Sie zögerte. Es war ihre siebte Schwangerschaft. Der wellenförmige Schmerz würde noch eine Weile anhalten. Statt sich auszuruhen und die herannahende Geburt abzuwarten, biss sie die Zähne zusammen und stieg in die Kutsche. Eilends ging es zur Pfarrkirche, zum Gebet und zurück zur Hofburg.38 Franz Stephan hatte den Tag bis dahin in Hetzendorf vermutlich bei der Jagd verbracht, die Nachricht von der bevorstehenden Niederkunft erhalten und sich unmittelbar nach Schönbrunn begeben. Die Kaiserin brauchte einen Stellvertreter. Franz Stephan begrüßte die schlittenfahrende Gesellschaft und kehrte mit ihr in die Stadt zurück. Von einem gemeinsamen Mahl im Vorzimmer der Monarchin wurde Abstand genommen, stattdessen speiste man beim Fürsten Auersperg. Der Ehemann wurde langsam nervös. In immer kürzeren Abständen trafen die Meldungen über das Befinden Ihrer Majestät ein. Schließlich entschloss er sich am späten Abend, in die Burg zu fahren. Auch das Hofpersonal hatte sich eingefunden. Spannung lag in der Luft. Man war auf alles vorbereitet – auf den Tod Maria Theresias ebenso wie auf eine glückliche Niederkunft. Das Kind indes ließ, wie so oft, auf sich warten. Erst um neun Uhr des nächsten Morgens wurde der Hof erlöst. Die Mon­ archin war von einem gesunden Knaben entbunden worden. Ihr Mann verkündete es den im Spiegelsaal Wartenden selbst und konnte dabei vor Freude kaum sprechen. Das Haus Habsburg-Lothringen besaß nunmehr einen zweiten männlichen Thronfolger. Nur Minuten später erschien die junge Mutter selbst. Noch etwas schwach auf den Beinen nahm sie die Glückwünsche der Umstehenden entgegen, stürzte mit sichtbarem Hochgefühl zum Fenster, öffnete es und rief den wenigen Wienern, die sich dort eingefunden hatten, die freudige Nachricht zu – das Reich hatte einen neuen Erzherzog. Für die Wöchnerin begann nun eine kurze Zeit relativer Ruhe. Wiederum war es Franz Stephan, der ihre Aufgaben übernahm und auch die Geheimen Konferenzen leitete. Erste kleinere Empfänge – die Hofdamen durften ihr die Hand küssen – gab es indes schon am 4. Februar, und am 11. Februar war sie als politische Entscheidungsträgerin trotz einer kurzen gesundlichen Krise zumindest hinter den Kulissen wieder präsent. Abgesehen von dem Freudenruf der Monarchin in Richtung Schlossplatz, der den Zeremonialexperten Khevenhüller eher unangenehm berührte, verlief

Familienglück   •   111

die Geburt des Erzherzogs Karl Joseph (1745–1761) nach einem Muster, das sich bis 1756, dem Jahr ihrer letzten Niederkunft, wiederholte. Obwohl sie ihre Schwangerschaften unter Beschwerden zu durchleiden hatte und ihre Geburten oft langwierig waren, zeigte sie keinerlei Schwäche. Das freundliche Gesicht der Monarchie durfte nicht aufhören zu lächeln.39 Die Rolle ihres Gemahls in dieser sechzehnfachen Demonstration von Fruchtbarkeit und körperlicher Unverwüstlichkeit der Kaiserin war die des Stellvertreters, des besorgten Beobachters und des Bewunderers.40 Nie ließ seine Frau dabei die Zügel schleifen, und stets war klar, dass er nur an zweiter Stelle stand. Dennoch konnte Maria Theresia sich auf die Unterstützung und Fürsorge dieses bemerkenswert loyalen Ehemanns vorbehaltlos verlassen. Angesichts der familiären Verwerfungen innerhalb anderer monarchischer Häuser des 18. Jahrhunderts – man denke insbesondere an die Romanows oder die Hohenzollern – war das schon sehr viel.

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amilienglück

Nasskaltes Wetter, ein schmieriger weißlicher Schimmer aus Schnee bedeckte die Dächer. Keinen Hund mochte man vor die Tür jagen. Drei Tage war die Familie jetzt schon in Wien und hatte doch noch keinen Sonnenstrahl gesehen. Dennoch hätte die Stimmung nicht besser sein können. Leopold Mozart hatte seine beiden musikalischen Wunderkinder nach Wien gezerrt. Der ehrgeizige Hof- und Cammerkomponist des Salzburger Fürsterzbischofs hatte alles auf eine Karte gesetzt. Oft war er gescheitert, dieser Sohn eines Augsburger Buchbinders, der als subalterner Bediensteter am Hof eines drittrangigen Fürsten sein Dasein fristete. Doch nun war ihm ein Geschenk des Himmels in den Schoß gefallen: Sein 1756 geborener Stammhalter war hochbegabt. Schon die Tochter, das »Nannerl«, lernte schnell, überraschend schnell sogar, doch die Auffassungsgabe des »Wolferls« war fast schon erschreckend. Mit drei Jahren wird der Vater erstmals auf die Musikalität des Jungen aufmerksam und beginnt, Buch darüber zu führen. Als Wolfgang Amadeus sechs Jahre als ist, ist er bereits ein begnadeter Klavier- und Violinvirtuose, lernt komplexe Musikstücke innerhalb weniger Minuten auswendig und kann erste Kompositionen vorweisen. Für den Vater, der seit Jahren versuchte, sich als Musikpädagoge einen Namen zu machen, war dieser Sohn die Eintrittskarte in die Welt der Rei-

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chen und Mächtigen. 1762 schien ihm der Zeitpunkt gekommen, seinen Sohn einem höfischen Publikum vorzuführen. Eine erste Probe seiner Kunst gab Wolfgang Amadeus zunächst in München, einem der bekanntesten Musen­ höfe Europas. Das Ergebnis stellte offenbar alle Seiten zufrieden, denn Leo­ pold reiste mit freundlichen Worten versehen weiter nach Wien und damit in die unangefochtene Metropole des Alten Reiches. Die Nachricht von der Begabung des Kindes verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Vater, Sohn und Tochter wurden durch die vornehmsten Salons der Stadt herumgereicht. Am 13. Oktober schließlich war es soweit: Im Spiegelsaal zu Schönbrunn sollten die Kinder Leopolds vor einem erlauchten Publikum, bestehend aus dem kaiserlichen Paar und zwölf ihrer Kinder, auftreten. Die Kaiserin, selbst eine durchaus passable Klavierspielerin, zeigte sich entzückt – nicht nur von der Leichtigkeit des Spiels, sondern auch von der ungezwungenen Natürlichkeit des Kindes. Wolfgang Amadeus, so weiß der Vater seinem Freund und Gönner Lorenz Hagenauer zu berichten, ist der Kayserin auf die schooss gesprungen, sie um den Halss bekommen, und rechtschaffen abgeküsst.41 Schenken wir dem ersten Biographen Mozarts, Georg Nikolaus Nissen, der als Gatte der Witwe des Komponisten über eigene Informationsquellen verfügte, Glauben, so strotzte der kleine Künstler nur so vor Selbstbewusstsein.42 So habe er darauf bestanden, dass der berühmte Komponist Georg Christoph Wagenseil als sein Notenwender fungiere, denn der verstehe wenigstens etwas von Musik. Nach dem Konzert sei er von zwei Prinzessinen durch das Schloss geführt worden, und als er ausglitt, habe Marie Antoinette ihn aufgehoben. Der sechsjährige Musiker habe sich sogleich revanchiert, indem er ihr einen Heiratsantrag machte. Obwohl dergleichen Geschichten mit großer Vorsicht zu lesen sind, knüpfen sie doch an ein zeitgenössisches Bild der Kaiserfamilie an, das Maria Theresia zu verbreiten suchte. Es ist jenes der allen steifen Formen abholden, geradezu bürgerlich lebenden Familie, die den ärmeren Mozarts gern unter die Arme greift – durch Lob, durch Geld und indem die Kaiserin den Kindern abgetragene, aber qualitativ noch immer hochwertige Kleider ihrer eigenen Kinder zukommen lässt. Ihren Mann stellte sie, wenn er bei Audienzen auftrat, gern als »den Herrn« vor, und auch bei diesen Anlässen unterließ sie es nicht, Besuchern die Kinder vorzuführen. Da war es wieder: das freundliche, mitfühlende Gesicht der Monarchie, das Maria Theresia so gern pflegte.43

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ie strenge Mutter

Es besteht kein Zweifel, dass die Monarchin sich intensiv um die Festigung familiärer Bande kümmerte. Das einzige, woran sie jetzt Geschmack findet, so von Fürst, ist die Regierung ihres Staates und die Erziehung der Kinder.44 Besuche bei der Nachkommenschaft fanden täglich drei- bis viermal statt. Da Schönbrunn jedoch nicht für alle Nachkommen Raum bot, blieben die Kleinsten in Wien – sie sahen die Mutter teilweise nur einmal in der Woche. Akribisch wurde von ihr festgelegt, wie die Erziehung der Söhne und Töchter zu erfolgen hatte. Das dafür zuständige Hofpersonal wurde über den gewünschten Tagesablauf, die Ernährung, die Erziehungsziele, die bevorzugte Lektüre und die Lehrinhalte detailliert ins Bild gesetzt. Die Ergebnisse prüfte die Kaiserin höchstselbst. Wie waren die Fortschritte in der französischen Sprache, wie verhielten sich die Kinder gegenüber anderen Menschen, waren sie vom christlichen Glauben und dem Gehorsam gegenüber der heiligen Mutter Kirche durchdrungen? Maria Theresia examinierte ihre Kinder regelmäßig und hielt sich mit Kritik nicht zurück. Das Haupterziehungsinstrument, dessen sie sich bediente, war der Tadel – Lob kam nur sparsam zur Anwendung. Die Mutter der großen Kinderschar war eine Meisterin darin, ihren Söhnen und Töchtern ein schlechtes Gewissen zu bereiten.45 Mit geradezu brutaler Offenheit stellte sie ihnen ihre vermeintlichen Unzulänglichkeiten vor Augen, beschwor deren Konsequenzen und klagte darüber, wie sehr das Kind das ohnehin schwere Leben der Mutter zusätzlich belaste. Ein Gegengewicht zur fordernden, kritischen Mutter bildete zumindest partiell Franz Stephan, der sich auch um jene Kinder sorgte, die nicht zu den Favoriten der Gattin gehörten – wie etwa die chronisch vernachlässigte Maria Anna (1738–1789), die die naturwissenschaftliche Begabung ihres Vaters teilte. Einen Einblick in das Gefüge dieser illustren Familie gibt uns ein 1754 entstandenes Porträt des Hofmalers Martin von Meytens. Es zeigt das kaiserliche Paar im Kreise jener elf Kinder, die zu diesem Zeitpunkt schon oder noch lebten. Das Gemälde spielt mit den Motiven familiärer Eintracht und der Erwähltheit des auf einer Sternintarsie stehenden Thronfolgers. Die Kaiserin, die auf zwei Hunde als Treuesymbole deutet, zeigt es als gestrenge Erzieherin. Auffällig ist, dass von überbordender Mütterlichkeit und inniger ehelicher Liebe hier nichts zu spüren ist. Nicht eines der Kinder wird von der Mutter in den Arm genommen oder auch nur berührt. Hier saß keine glückliche

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Kleinfamilie Porträt, deren Mitglieder sich wechselseitig Nestwärme gaben, sondern ein Geblütsverband, der reibungslos funktionieren musste, um den Herausforderungen seiner Zeit gewachsen zu sein (s. Abb. 6). Wie perfekt das Zusammenspiel der Ehegatten und Kinder funktionierte, zeigte sich nicht zuletzt in ihrer Fähigkeit zur wechselnden Selbstinszenierung. Das neue Haus Habsburg-Lothringen konnte als höfisch-dynastischer Verband ebenso auftreten wie als geradezu bürgerliche Lebensgemeinschaft. Wenn Alexandre Louis Lagier in einem Brief an Madame de Graffigny vom 24. Dezember 1756 davon berichtet, dass c’est de voir ce digne couple s’aimer comme de bons bourgois, so zeigte der Hof hier seine Fähigkeit, sich den Verhaltenserwartungen einer sozialen Schicht zu öffnen, deren Bedeutung zunahm.46 Das Spiel mit dem Unkonventionellen gelang so perfekt, dass es von Historikern bis ins 20. Jahrhundert hinein kaum hinterfragt wurde. Als Beleg dafür, dass die Habsburger ihre Nähe zum Bürgertum nicht als aristokratisch-ironisches Spiel verstanden, wurde gern ein Gemälde der Erzherzogin Marie Christine angeführt: Die Tochter Maria Theresias hatte ein Nikolausfest auf Leinwand gebannt. Wir sehen auf dem besagten Bild Franz Stephan, Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, im Morgenrock mit Zipfelmütze im Lehnstuhl. Hinter ihm steht die Kaiserin als treusorgende Hausfrau. Sie schickt sich an, ihm eine Tasse warme Schokolade zu kredenzen. Die Kinder werden in altersgerechten – oder vielmehr von der Künstlerin als solche angesehenen – Posen dargestellt. Zwei kleinere bewundern ihre Nikolaus­ geschenke, während eine ältere Tochter sich als Erzieherin eines ihrer kleineren Brüder betätigt (s. Abb. 7). Kunsthistorische Forschungen haben mittlerweile den Nachweis geführt, dass das, was wie ein Blick durch das Schlüsselloch der kaiserlichen Privatgemächer wirkt, nichts anderes ist als die Variation eines niederländischen Bildtypus.47 Die Erzherzogin, die das Werk übrigens Jahrzehnte nach dem angeblichen Ereignis malte, orientierte sich eng an zeitgenössischen Vorbildern und tauschte lediglich die Köpfe aus. Es bildet damit wohl kaum eine Erinnerung ab, sondern war ein Spiel mit der längst zum Mythos geronnenen Bürgerlichkeit des elterlichen Ehelebens. Im Grunde zeigte es, wie pro­ blemlos die Kaiserin einen Rollenwechsel vornehmen konnte und wie sinnlos es war, nach der Privatfrau Maria Theresia zu suchen – die trat, sofern es sie überhaupt gab, hinter die Ansprüche ihres Reiches zurück.

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Im Schatten der Gattin – der melancholische Kaiser   •   115

m Schatten der Gattin – der melancholische Kaiser

Dass die Tätigkeit des Großherzogs sich im Wesentlichen auf seine Rolle als Ehemann und Vater beschränkte, der seiner Frau Halt und seinen Kindern Liebe schenkt, ansonsten jedoch in den Tag hinein lebte, ist ebenfalls ein häufig kolportierter historischer Mythos. Seinen Ursprung hatte er in der Zurückhaltung, mit der Franz Stephan seine Rolle am Hof zu spielen wusste, aber auch in der schwierigen Machtkonstellation, der sich der Kaiser nach seiner Wahl im Reich gegenüber sah. Die Kaiserkrone war mit Belastungen und politischen Hypotheken, kaum jedoch mit zusätzlichen Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten verbunden. Sie versprach damit wenig Strahlkraft. Einflusslos, glücklos oder gar faul war Franz Stephan ungeachtet dieser schwierigen Bedingungen aber keineswegs, und es war bezeichnend, dass die härtesten Urteile über den Lothringer einmal mehr von jenen Beobachtern stammen, die ihn am wenigsten kannten und daher einzig die Fassade des Hofgeschehens beschreiben konnten. Otto Christoph von Podewils, der notorisch schlecht vernetzte preußische Gesandte, gehörte ganz sicher in diesen Kreis. Er berichtete nach Berlin, Franz Stephan weiß (...) sich mit keiner Arbeit gründlich zu befassen. Er hasst die Arbeit. Er ist wenig ehrgeizig und kümmert sich so wenig wie möglich um die Regierungsgeschäfte. Er will nur das Leben geniessen, es angenehm verbringen und überlässt der Kaiserin gern den Ruhm und die Sorgen der Regierung.48 Nun hatte der Diener eines schwierigen Herrn nicht nur mit dem Misstrauen seiner Wiener Gastgeber zu kämpfen, sondern auch mit dem Eigensinn seines Königs, der ungern Berichte las, die seinem Urteil widersprachen. Eine negative Stereotypisierung würde Potsdam dagegen erfreuen, auch deshalb, weil sie in das propagandistische Kalkül Friedrichs II. passte. Der hatte kein Interesse an einem starken, unabhängigen Kaisertum. Erschien Franz Stephan als ein willfähriges Instrument habsburgischer Hausmachtpolitik, ließ sich eine kaiserkritische Reichspolitik leichter und überzeugender begründen. Es waren jedoch nicht nur Unkenntnis, lothringische Zurückhaltung und böser Wille, die zu einer Verzeichnung des Wirkens Franz Stephans führten. Fürst Johann Joseph von Khevenhüller-Metsch, der den Kaiser als Obersthofmarschall nahezu täglich sah, ihn beriet und ihn gegenüber dem negativen Urteil seiner Zeitgenossen immer wieder in Schutz nahm49, konnte an seinem Herrn zeitweise regelrecht verzweifeln. Das liege nicht nur, wie er klagte, daran, dass der Lothringer das Hofzeremoniell nicht hinreichend ernst nahm,

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sondern auch an seiner unverkennbaren Neigung zur Schwermut. Im Dezember 1754 habe er fast täglich an den Soupers des Kaisers teilgenommen, da dieser nach der Abreise seiner Schwester und dem Tod der Obersthofmeisterin zu vereinsamen drohte. Franz Stephan aber brauchte, wie Khevenhüller in seinem Tagebuch notierte, permanente Betreuung und Aufheiterung. Veränderungen im persönlichen Umfeld waren ihm ein Graus. Die Melancholie liege im Erbe der Familie der Lothringer. Immerhin habe sie seine Mutter in deren letztem Lebensjahr geradezu in den Wahnsinn getrieben.50 Des Kaisers Depressionen mochten lästig sein, sie hinderten ihn aber nicht daran, seine Aufgaben zu erfüllen. Im diplomatischen Verkehr konnte er ebenso wie bei repräsentativen Auftritten durchaus überzeugen. Seine wirklichen Stärken zeigten sich indessen, wenn er fern der höfischen Bühne als Administrator und Gutachter wirkte. Franz Stephan war ein kenntnisreicher Berater, der sich nicht scheute, in zentralen Fragen der habsburgischen Politik Positionen zu beziehen, die von der Mehrheitsmeinung abwichen. Dies galt vor allem für seine Haltung gegenüber Preußen. Aus dem Kreise ihrer Berater wagte nur ihr Mann, Maria Theresia offen von einer Konfrontation mit dem nördlichen Nachbarn abzuraten. Franz Stephan verwies dabei auf die Stärke des preußischen Militärs und die strategische Sinnlosigkeit weiterer Konflikte. Einem erstarkten Preußen dürfe das Haus Habsburg zwar nicht trauen, es könne aber mit ihm leben. Statt sinnlose Kriege vom Zaune zu brechen, möge die Hofburg diese Realitäten anerkennen und ein Gleichgewicht zwischen den beiden Mächten anstreben. Immer wieder sprach der Kaiser sich für eine Politik der Deeskalation aus. Vor allem plädierte er für eine verbale Abrüstung. Die Härte, mit der die habsburgische Diplomatie sich von dem preußischen Gegenspieler abgrenze, sei kontraproduktiv. Wer auch immer – sei es im Wiener Umfeld, sei es im Reich – einer Verständigung mit Potsdam das Wort rede, werde als Preußen-Freund diffamiert. Friedrich, so machte der Kaiser deutlich, werde im Umkreis seiner Frau zu einem monströsen Feind aufgebaut, auf den sie und ihre Räte alles projizierten, was sie als Übel ihrer Zeit erkannt hätten. Er dagegen empfehle Nüchternheit. Warum sollte die Hofburg Friedrich II. nicht in jenen Fällen unterstützen, in denen sie sich selbst Vorteile davon verspricht? An die Stelle der akuten Konfrontation konnte, wie Franz Stephan deutlich machte, eine punktuelle Kooperation treten.51 Franz Stephan riet konsequent zum Frieden. Er tat dies nach dem Österreichischen Erbfolgekrieg und hatte es schon vor dem Waffengang getan. Noch bevor der erste Schuss an der schlesischen Grenze gefallen war, hatte

Der Finanzmagnat   •   117

er seiner Frau empfohlen, die Wittelsbacher Konkurrenz mit italienischen Territorien abzufinden und auch mit Friedrich II. eine Verhandlungslösung zu suchen. Es war eine Empfehlung, die er in dieser und ähnlicher Form beständig wiederholte. Die Reaktion seiner Gattin war höflich abweisend. Schreibe ihm, wenn Du willst, so Maria Theresia in einem Brief vom Februar 1742, aber er ist dessen nicht würdig und wird einen schlechten Gebrauch davon machen; erniedrige Dich nicht. Anders als Franz Stephan suchte sie eine strikte Abgrenzung gegenüber dem Preußenkönig.52 Dieses Königs süsse Worte und kräftigste Versprechungen machten, wie sie 1750 in der Retrospektive vermerkt, sogar meine Ministres irre.53 Gefährlicher als Friedrich war, wie sie klar erkannte, der von ihm selbst mitbegründete Friedrich-Mythos. Die von dem Hohenzollern ausgehende Faszination war nicht zu unterschätzen.54 Der König von Preußen inszenierte sich als aufgeklärter Musenkönig und unschlagbares Feldherrengenie, das das alte und verkrustete Haus Habsburg zur Seite fegen würde.55 Das erzeugte selbst im Inneren des Machtzirkels der Kaiserin Unsicherheit und bei einstigen Verbündeten die Lust zur Neuorientierung. Als einziges Mittel dagegen sah sie die Verteufelung des Gegners. Nur die Niederlage konnte diesen Mann bezwingen, nur der eigene Erfolg beweisen, dass das Haus Habsburg noch immer der Garant für eine stabile Ordnung im Reich und in Europa war. Die beharrlich vorgetragene Gegenposition ihres Gatten wusste sie zu ertragen, sorgte jedoch dafür, dass er keine Anhängerschaft in ihrem Umkreis gewinnen konnte. Da sie – etwa in dem besagten Schreiben aus dem Jahr 1742 – ihren Mann als liebenswerten, aber letztlich weltfremden Politiker darstellte, verbat sich jede Sympathie mit seinen Positionen von selbst. Zugleich hatte Maria Theresia mit diesem Schritt die Machtverhältnisse in ihrer Ehe unmissverständlich verdeutlicht, ohne den Gatten zu brüskieren. Schließlich konnte es niemand der Hausmutter übel nehmen, wenn sie ihren Mann davor bewahrte, das Erbe der Kinder zu verspielen.

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er Finanzmagnat

In Fragen, die nicht die Außen- oder Reichspolitik betrafen, war die Kaiserin sehr viel eher bereit, auf ihren Gatten zu hören. Finanzfach­

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leute und Administratoren, die von Franz Stephan empfohlen worden waren, konnten stets auf ihr offenes Ohr rechnen. Auch ihre Vorhaben konnten nur durch seine massive Unterstützung durchgesetzt werden. Vor allem, wenn es um die Schuldenlast der Krone und ihre Bewältigung ging, war die Meinung des Kaisers ausschlaggebend. Franz Stephans Autorität in fiskalischen Fragen speiste sich vornehmlich aus eigenen Erfolgen, auf die er Zweifler verweisen konnte. Wenn es um Geld ging, entwickelte dieser Monarch einen geradezu beunruhigenden Scharfsinn und eine beeindruckende Entschlusskraft. Sein Großherzogtum hatte er von seinem Palais in der Wallnerstraße aus einem grundlegenden Reformprozess unterzogen. Als die Toskana 1737 an ihn fiel, gehörte die wirtschaftliche Blüte des Großherzogtums längst der Vergangenheit an. Bei 890.000 Einwohnern betrug die öffentliche Verschuldung rund vierzehn Millionen Scudi.56 Der Großherzog strebte zunächst eine Einigung über das Schicksal des Privateigentums der Medici mit den noch lebenden Töchtern des letzten Großherzogs an und begann, den von ihm gesicherten Teil zu verkaufen, um den Staatshaushalt auszugleichen. Verbliebene Ländereien wurden auf ihre Wirtschaftlichkeit überprüft und einer neuen Verwaltung unterstellt. Daneben stärkte eine Justizreform die Rechtssicherheit, und durch die Förderung der Verkehrsinfrastruktur sowie des Seehandels wurden Wachstumsimpulse gegeben. Langsam, aber sicher entwickelte sich die Toskana von einem Zuschussgeschäft zu einer einträglichen Herrschaft. Das Wirtschaftsimperium des Großherzogs umfasste im Übrigen nicht nur sein Herrschaftsgebiet auf der Apennin-Halbinsel, auch das Herzogtum Teschen, die Grafschaft Falkenstein sowie eine große Zahl weiterer kleinerer und größerer Besitzungen zählten dazu. Sie alle erhielten unter der Regentschaft Franz Stephans einen deutlichen Rentabilitätsschub. Seine Vorgehensweise war stets die gleiche: Auf eine sorgfältige Bestandsaufnahme folgte der Versuch, die bestehenden Strukturen transparenter zu gestalten und die Verwaltung der Güter enger an die Wiener Zentrale anzubinden. Ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg war auch seine Bereitschaft, Investitionen zu tätigen. Die erworbenen Kapitalmittel, die er durch erfolgreiche Bankgeschäfte noch vermehrte, waren schließlich so bedeutend, dass Maria Theresia sich während der Kriege gegen Preußen gezwungen sah, ihren Gatten um erhebliche Summen zu bitten, um die Kampfhandlungen fortsetzen zu können. Franz Stephan tat dies jedoch nicht ohne Gegenleistungen. Die eine Million Gulden, die die Königin 1744 von Franz Stephan erhielt, musste durch

Der Gelehrte   •   119

Verpfändung sämtlicher böhmischer Kameralgüter auf Lebenszeit teuer erkauft werden. Der Großherzog unterzog die Domänen den üblichen Revi­ sions- und Investitionsprogrammen, sodass es ihm gelang, ihre Erträge in den zwanzig Jahren, in denen er sie bewirtschaftete, zu verdreifachen. Von Nutzen war das von ihm geschaffene gewaltige Wirtschaftsimperium schließlich seinen Erben. Joseph II. konnte mit dem Privatvermögen seines Vaters die Staatsfinanzen sanieren und verfügte über Krongüter, die wieder Erträge lieferten. Dass die Kriege Maria Theresias nicht in ein ökonomisches Chaos für Herrscherhaus und Reich mündeten, war auch ihrem Mann zu verdanken.

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er Gelehrte

Der Finanzschatz, den Franz Stephan im Laufe seines Lebens zu mehren verstand, bildete nur einen Teil seines Vermächtnisses. Nicht minder wichtig und nachhaltig war der kulturelle Einfluss, den er ausübte. Seine Interessen und seine Kontakte in die Welt der Wissenschaft waren ungewöhnlich und sollten für den Wiener Hof wegweisend wirken. Franz Stephan ließ ein Naturalienkabinett57 anlegen, das den Grundstock des späteren Naturhistorischen Museums bildete58, eine Menagerie, die nach zahlreichen Wandlungen in dem heutigen Tierpark Schönbrunn aufging, und eine Gartenanlage, die aufgrund zahlreicher technischer, vor allem bewässerungstechnischer Finessen in ganz Europa Bewunderer fand.59 Der Lothringer war bereits 1731 in den Freimaurerorden aufgenommen worden und hatte das Angebot, sich als Teil der intellektuellen Elite Europas zu verstehen, gern akzeptiert. Obwohl der Kaiser seiner Gattin in der Strenge katholischer Frömmigkeitsanforderungen in nichts nachstand, erkannte er den Nutzen, den dieses neue Forum der Kontaktaufnahme bot. So gelang es ihm, Personen an den Hof zu binden, die dem Wiener Umfeld neue Profilierungsstrategien und Wissensbestände erschlossen. Gerard van Swieten (1700–1772), der renommierte Mediziner, Bibliothekar und Rivale Hallers, war auf sein Betreiben hin in den Dienst der Habsburger getreten. Dasselbe galt für Johann Ritter von Baillou, der für das Naturalienkabinett des Lothringers verantwortlich zeichnete, oder Jean François de Marcy, der als Astronom, Bergwerksexperte und Adelserzieher in Wien deutliche Spuren hinterließ. Josef Anton Nagel, der sich mit der Bekämpfung von Heuschreckenplagen beschäftigte, gehörte ebenso zu den Klienten des Kaisers

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wie Claude-Léopold Genneté, der im Auftrag Franz Stephans durch Europa reiste, um neue Erfindungen zu sichten, und Jean-Baptiste Brequin, der unter anderem die komplizierte Wasserversorgung von Schönbrunn mitplante. Überhaupt war der Einfluss der sich um den Kaiser scharenden Experten für die Gestaltung der Schlossanlage auffällig: Jean Nicolas Jadot war wesentlich am Entwurf des Gesamtkonzepts beteiligt. Für die Ausstattung des Schlossgartens und der berühmten Menagerie, in deren Mitte der Kaiser einen von seiner Frau geliebten Pavillon errichten ließ60, waren die Erträge der Forschungsreisen des Nikolaus von Jacquin von zentraler Bedeutung. Dessen Unternehmungen waren von Franz Stephan mitfinanziert worden. Nicht weniger wichtig als die Beschaffung der Pflanzen war ihre Anordnung, die von einem weiteren kaiserlichen Klienten, Adrian van Steckhoven, nach modernen botanischen Kriterien vorgenommen wurde. Franz Stephan hatte, wie diese Beispiele zeigten, sein Palais in der Wallnerstraße nicht nur in ein Finanz-, sondern auch ein Wissenschaftszentrum verwandelt. Des Kaisers Förderung der Wissenschaften stieß nicht überall auf Begeisterung. Friedrich Nicolai, der in Friedrichs Berlin ansässige Verleger und Schriftsteller etwa, vermerkte bei seiner kurzen Beschreibung der Menagerie missfällig, dass in Gefangenschaft lebende Tiere rasch degenerierten und der wissenschaftliche Wert einer solchen Sammlung daher gering sei. In diesem Verdikt schwangen politische ebenso wie wissenschaftliche Ressentiments mit. Aus Sicht Berlins oder Göttingens war die Entwicklung eines unabhängigen, katholisch dominierten Zentrums der Forschung sicherlich alles andere als erfreulich. Unbehagen löste aber auch aus, dass der Kaiser wissenschaftliche Standards und traditionelle aristokratische Selbstdarstellung vermengte. Das Naturalienkabinett war eben beides: naturwissenschaftliche Sammlung, die wissenschaftlich relevante Forschungsobjekte barg, und Kabinett des Staunens, das des Herrschers weltumspannenden Sammlerblick und seinen Sinn für den Geschmack seiner Gäste dokumentierte. Franz Stephan verkörperte eine für das 18. Jahrhundert nicht untypische Mischung aus aristokratischem Statusbewusstsein, Stilsicherheit und wissenschaftlichem Interesse. Er fungierte als Mäzen und Förderer von Gelehrsamkeit und Kunst. Weder die Niederungen ökonomischer Betätigung noch der egalitäre Anspruch der Freimaurer schreckten ihn, im Gegenteil. Adliger Vorrang hatte sich in einer neuen Zeit neu zu rechtfertigen, und eben dies war er zu leisten bereit.

Der Gelehrte   •   121

Für seine Gattin war dieser Mann damit gleich in mehrfacher Weise ein Glücksfall. Franz Stephan verfügte selbst über bemerkenswerte Erfahrungen bei der Sanierung von maroden Strukturen, war absolut loyal und verfügte über ein weitgespanntes Netzwerk von Beratern und Experten, das sich im Sinne der Krone nutzen ließ. Seine Bedeutung für die Konzeption und Umsetzung jener Reformen, die Österreich ab 1748 so tiefgreifend veränderten, ist schwerlich zu überschätzen.

Maria Theresia Die Landesmutter

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ine Niederlage wird verwaltet

Das Herzogtum Teschen sowie die südlichen Teile der Herzogtümer Jägerndorf, Troppau und Neiße – ein schmaler Landstreifen nur, das war alles, was dem Haus Habsburg nach dem Vertrag von Berlin 1742 von Schlesien geblieben war. Zusammengefasst zum Herzogtum Schlesien sollte dieses Restgebiet künftig durch einen Präsidenten geleitet werden. Die Königin wählte für diese Aufgabe einen ebenso erfahrenen wie loyalen Diener der Monarchie: Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz (1702–1765), Sohn eines sächsischen Generals, hatte sich als Beisitzer des Breslauer Amtes und Oberamtsrat bis an die Spitze der schlesischen Provinzverwaltung hochgedient. Der preußische Diplomat und Politiker Maximilian von Fürst und Kupferberg (1717–1790) widmete Haugwitz viele Jahre später, als dieser längst zu internationaler Bekanntheit gelangt war, eine kurze Charakterzeichnung. Haugwitz, so der Preuße, sei eine irritierende Persönlichkeit: In seinem Auftreten gleiche er mehr einem Narren denn einem großen Mann, wobei die Angewohnheit, seinem Gegenüber laufend zuzuzwinkern, nervtötend sei.1 Als geschmeidiger Höfling taugte Haugwitz zeit seines Lebens gewiss nicht. Damit, dass ausgerechnet dieser undiplomatische Mann in die Gunst der Monarchin aufsteigen würde, hatte nach eigener Aussage auch er selbst zunächst nicht gerechnet. Wie viele aus Schlesien geflohene Diener Ihrer Majestät stand der Achtunddreißigjährige 1740 vor dem Nichts. 200 Dukaten hatte er sich von Freunden geliehen, um in Wien für einige Zeit leben und seine geringen Karrierechancen nutzen zu können.2 Was den nüchternen Finanzexperten und Administrator von den anderen gestrandeten Schlesiern unterschied, waren seine Beharrlichkeit und seine ausgezeichneten Kontakte in die Hofburg. Franz Stephan hatte ihn bereits

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vor dem Tod Karls VI. kennen- und schätzen gelernt. Nun lenkte Franz Stephan die Aufmerksamkeit seiner Frau auf den findigen Verwalter. Auch Graf Tarouca sowie der Kabinettssekretär von Koch und die Gräfin von Daun legten für Haugwitz offenbar ein gutes Wort ein. Das Bild, das seine Fürsprecher von ihm vermittelten, schien sich für Maria Theresia bei einem kurzen Treffen zu bestätigten. Sie fand Gefallen an dem zwar merkwürdigen, jedoch redegewandten Sachsen und betraute ihn mit der schwierigen Aufgabe, das, was vom einstigen habsburgischen Kronjuwel noch übrig war, zu einer funktionierenden Verwaltungseinheit zusammenzuschweißen. Etwas über ein Jahr später, im Dezember 1743, erschien Haugwitz erneut in Wien.3 Er war zu Beratungen über die Abgabenerhebung in seinem Verwaltungsbezirk geladen worden. Im Reisegepäck hatte er jedoch nicht nur dürre Zahlen und technische Erwägungen, vielmehr hatte er einen umfassenden Reformplan erarbeitet, den er unter Umgehung der Hofkanzlei direkt der Kaiserin übergab. Dieser Reformplan war in zwei Abschnitte unterteilt: In einem ersten Gutachten entwarf er Grundsätze einer neuen Ordnung in Restschlesien, in einem zweiten, den sogenannten Notata, legte er Reformvorschläge vor, die für den Fall einer Rückeroberung Gesamtschlesiens zum Tragen kommen sollten. Das nüchterne Dokument barg gewaltige Sprengkraft. Es zeigte nicht nur schonungslos die Defizite der habsburgischen Verwaltung auf, sondern eröffnete dem Hof einen gangbaren Weg, sie zu beseitigen. Haugwitz’ Botschaften ließen sich ohne Weiteres auf das gesamte Reich übertragen. Er erläuterte seiner Kaiserin, wie sie das Patchwork aus Ländern, das sie geerbt hatte, in einen funktionierenden Staat verwandeln konnte und welchen Nutzen sie aus dieser Wandlung ziehen würde. Der Sachse schickte sich an, die habsburgische Monarchie grundlegend umzugestalten.4

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assensturz – die »Notata« des Friedrich Wilhelm von Haugwitz

Was Maria Theresia in den Notata zu lesen bekam, musste ihr die Sprache verschlagen. Das Gutachten beschäftige sich zunächst mit einer Bestandsaufnahme, sodann mit Vorschlägen für Reformen, um die Erträge der Krone aus ihren schlesischen Ämtern zu erhöhen. Die Art und Weise, in der der Gutachter dies tat, löste ungläubiges Staunen aus: Haugwitz präsentierte ebenso

Kassensturz – die »Notata« des Friedrich Wilhelm von Haugwitz    •   125

umfassende wie deprimierende Zahlen über die Einnahmen der Provinz vor und nach dem Krieg. Dabei beschränkte er sich nicht auf den von ihm administrierten Raum, sondern weitete den Blick auf ganz Schlesien, das heißt, neben eigenen Daten berücksichtigte er auch jene der neuen preußischen Verwaltung. Der Gutachter stellte damit eine verbotene Frage: War die preußische Verwaltung etwa besser als die habsburgische? Aus fiskalischer Sicht fiel die Antwort eindeutig aus: Ja, das war sie. Selbst wenn man die hohen Steuererträge, die ihm von seinen Informanten gemeldet worden waren, abrunde, bleibe der Erfolg des neuen preußischen Landesherrn noch immer beeindruckend. Haugwitz ging davon aus, dass Friedrich II. den Steuerertrag Schlesiens von knapp dreieinhalb auf fünfeinhalb Millionen Gulden erhöht hatte, ohne nennenswerten Widerstand gegen das neue Steuerregime zu provozieren. Wo lagen die Wurzeln dieses Erfolges? Haugwitz wusste auch auf diese Frage eine Antwort: Während der habsburgischen Herrschaft in Schlesien sei die Steuerverwaltung durch eine geradezu chaotische Abgabenpraxis gekennzeichnet gewesen. Oft seien lang vergessene Gebühren neu erhoben oder Abgaben unvermutet eingeführt worden, um im Bedarfsfall an Gelder zu gelangen. Dies habe die Erbländer in Verwirrung versetzt. Der König habe sich sehr viel klüger verhalten: Friedrich II. habe zunächst alle Sonderabgaben abgeschafft und dafür im Gegenzug die regelmäßigen Steuern konsequent eingetrieben. Zudem habe er eine Steuerbereinigung durchgeführt: Alte Befreiungen seien abgeschafft und eine neue Veranlagung der Steuerzahler sei durchgeführt worden. Die Steuer sei für die Untertanen infolgedessen zwar hoch, aber berechenbar. Grundlage für ein solch transparentes Vorgehen sei eine in sich schlüssige Behördenstruktur. Die Obrigkeit müsse Daten umfassend erheben, sie verarbeiten und daraus die Konsequenzen ziehen können. Zu diesem Zwecke sollten die entsprechenden Arbeitsschritte aufeinander abgestimmt sein. Preußen habe eine einheitliche Steuerverwaltung eingerichtet. Alle Einkommensquellen der Krone wurden zentral erhoben und verwaltet. Zudem seien die politische und die Finanzverwaltung zusammengelegt worden. Bei den Habsburgern war dies anders – die Finanzverwaltung war hier zweigeteilt. Es gab eine Reihe von Zuwendungen, die der Krone aus eigenem Recht zustanden. Diese für die regulären Staatsausgaben vorgesehenen Gelder wurden von der Hofkammer verwaltet. Sämtliche außerordentlichen Kosten, insbesondere jene für das Militär, mussten durch Steuern – die sogenannten Kontributionen – gedeckt werden. Sie waren von den Landtagen der

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Einzelherrschaften zu bewilligen und wurden von der Hofkanzlei verwaltet. Gemeinsam war beiden Einnahmen, dass sie nicht ausreichten, um die steigenden Kosten der Krone zu decken. Vor allem die Situation der Hofkammer war trostlos, sie erstickte geradezu an ihren Schulden. Die Einnahmen des laufenden Jahres waren zumeist schon verpfändet, bevor sie eingingen. Hauptkreditgeber der Krone war der Adel. Er war es auch, in dessen Händen de facto die Bewilligung und die Erhebung der Kontributionen lag. Die kapitalkräftigsten Steuerzahler waren zugleich mit der Steuerverwaltung betraut. Haugwitz sah hier das Grundproblem der Monarchie. Es sei natürlich, so führte er aus, dass die Aristokraten alles täten, um ihre Belastung und die ihrer wichtigsten Klienten so niedrig zu halten wie möglich. Unter diesen Umständen sei die Kaiserin dauerhaft auf Kredite angewiesen. Das Anwachsen eines Schuldenberges, dessen Last irgendwann nicht mehr beherrschbar sei, sei unvermeidlich.5 Der einzige Ausweg aus der Misere lag, so Haugwitz, in der Übernahme der preußischen Strukturen. Wie dort müsse auch im Reich der Habsburger die Krone die gesamte Steuerverwaltung von den Ständen übernehmen: auf unterer, mittlerer wie auch höchster Ebene. Zudem musste in Wien eine neue Zentralbehörde geschaffen werden, die die Informationen aus den Territorien zugänglich machte, bewertete und politisch nutzte. Vieles von dem, was der umtriebige Sachse seiner Königin vorschlug, entsprach den Empfehlungen, die der Krone schon im 17. Jahrhundert vorgetragen worden waren. Im Vergleich zu seinen Vorläufern besaß Haugwitz jedoch ein Argument, das ungleich schlagkräftiger war als alle Erwägungen und Berechnungen, mit denen die Krone bislang zu Reformen gedrängt wurde: Er konnte zuverlässiges Zahlenmaterial vorlegen. Die Tatsache, dass jene Provinz, die ihr 1740 nicht genügend Mittel zur Verfügung gestellt hatte, um zwei Kavallerieregimenter zu unterhalten, nun ohne Murren eine ganze preußische Armee finanzierte, ließ sich nicht einfach vom Tisch wischen. Preußen, so bemerkte Haugwitz in seinen Notata maliziös, mochte der Feind sein, in Fragen der Finanzverwaltung sei es jedoch ein Vorbild. Haugwitz wies seiner Monarchin den Weg in den modernen Steuerstaat. Es war kein neuer Weg. Schon die Vorfahren Maria Theresias hatten lange und beharrlich daran gearbeitet, die Zentralverwaltung zu stärken. Gerade dies aber war ein Vorteil seines Plans – er knüpfte an bekannte Denkmuster an, die er weiterverfolgte und in geradezu beängstigender Konsequenz zu realisieren gedachte. Das konkrete Ziel, das er mit diesem riskanten Schritt

Die Reform der kleinen Schritte   •   127

verfolgte, lag auf der Hand: Haugwitz zeigte seiner Monarchin, wie sie die ihr zur Verfügung stehenden Ressourcen erweitern konnte – und zwar nicht durch militärische Expansion, sondern durch konsequente Durchsetzung ihrer Herrschaftsrechte. Nicht fremde Länder mussten erobert werden, sondern das eigene Land, das sich dem Einfluss seiner Monarchen über Jahrhunderte geschickt entzogen hatte. Dass ihr in wirtschaftlichen Fragen notorisch erfolgreicher Gatte diese Perspektive teilte, mochte den Reiz dieses Modells noch vergrößern – Maria Theresia stimmte zu. Haugwitz erhielt den Auftrag, zunächst Restschlesien nach seinen Plänen umzugestalten.

D

ie Reform der kleinen Schritte

Während Haugwitz sich der Reform eines Landstrichs an der Peripherie des Reiches widmete, wurde die Reformagenda in Wien zunächst von anderen bestimmt. Auch sie forderten Veränderung – wenn auch unter anderen Vorzeichen. Dass die Schwierigkeiten des habsburgischen Reiches nicht nur mit Zufälligkeiten der Erbfolge und dem diabolischen Eingreifen des Preußenkönigs zu tun haben konnten, war von Beratern Maria Theresias schon während des Krieges festgestellt worden. Der wohl einflussreichste dieser Mahner war ihr enger Vertrauter Johann Christoph von Bartenstein. Bartenstein hatte seine Monarchin eindringlich davor gewarnt, Erfolge überzubewerten und die Gefahr zu unterschätzen, die ein Rückfall in die selbstzufriedene Lethargie der Vorkriegszeit mit sich bringen würde. Ein Sieg der Krone konnte nach seinem Urteil langfristig sogar gefährlicher sein als jede schmerzhafte Niederlage. Bald schon würden die greisen Räte und Ständevertreter darauf verweisen, wie wohlgeordnet das Reich doch im Grunde sei und dass einige oberflächliche Korrekturen ausreichten, es neu zu festigen. Gott, so würden die Kräfte der Beharrung vortragen, hatte das Land, seine Königin und seine Eliten gesegnet und durch sein Wirken die gute alte Ordnung bewahrt. Wer so rede, erklärte Bartenstein in einem Gutachten vom 7. Dezember 1743, spiele mit dem Feuer. Gleichwie aber Gott nicht allezeit miracul thut, und zugleich die menschliche mitwürckung erfordert; also scheinet hiernächst ohnumbgänglich nöthig zu seyn, dass Euw. König. Mayt. die in eingang gegenwärtigen Referats angeführte zwey Haubtgrundsätze beständig vor augen zu haben geruhen.6

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Die Krone müsse jeden Entscheidungsgang auf seine Effizienz prüfen. Sie müsse den Sand im Getriebe identifzieren und beseitigen. Und sie dürfe keine Scheu haben, neue Entscheidungsträger zu fördern, wenn diese Erfolge vorweisen könnten. Bartenstein favorisierte einen durch zahlreiche Einzelerfahrungen vorangetriebenen Reformprozess. Statt grundsätzliche Überlegungen anzustellen, riet er zu einem freien Wettbewerb zwischen Personen, Gremien und Denkmodellen – wer erfolgreich war, sollte gefördert werden, wer nicht, sollte so rasch wie möglich entlassen werden. Dieser tastende, ergebnisoffene Reformansatz Bartensteins barg zweifellos Vorteile. Folgte die Monarchin seinem Konzept, konnte sie schleichend Veränderungsprozesse durchsetzen, ohne eine Konfrontation mit den Privilegierten zu riskieren. Das Konzept von Haugwitz, das eine tiefgreifende strukturelle Reform vorsah, würde sehr viel schwieriger durchzusetzen sein. Es stellte sich die Frage, welcher Weg erfolgversprechender war – wie tiefgreifend mussten die Veränderungen sein, die sie vornehmen musste, und wie schnell mussten sie vollzogen werden? Aus Sicht der Monarchin ließ sich diese Frage schwer beantworten. So entschied Maria Theresia, in den ersten acht Jahren ihrer Regierung beide Wege zu beschreiten. Während Haugwitz ab 1743 in Schlesien und später auch in Kärnten und Krain7 die Gelegenheit erhielt zu beweisen, dass sich die preußischen Verwaltungsstrukturen mit Erfolg auf habsburgische Territorien übertragen ließen, genehmigte die Monarchin zeitgleich Reformen der Zentralverwaltung, die die alten Strukturen im Grundsatz intakt ließen, ihre Effizienz jedoch steigern sollten.

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m Labyrinth der Bürokratie

Den Wiener Behördendschungel nicht zu roden, sondern ihn auszulichten war indes ein Vorhaben, das schon in der Vergangenheit mehrfach gescheitert war. Ein Teil des Problems lag in der Struktur des Riesenreichs: Jedes Einzelterritorium der Habsburger war im Prinzip von den anderen unabhängig und wurde nach eigenen Regeln durch eine eigene Verwaltung regiert. Es besaß dementsprechend in Wien eine nur für seine Angelegenheiten zuständige Kanzlei oder einen Rat. Unter den Regierungen Josephs I. und Karls VI. hatte sich dies eher noch verstärkt. An diesem Grundprinzip der Pluralität der Verwaltung etwas zu ändern war schwierig.8

Im Labyrinth der Bürokratie   •   129

Es gab indes einige Institutionen, die mit überterritorialen Aufgaben befasst waren. Die wohl wichtigste unter ihnen war die Hofkammer, die für die Verwaltung aller regulären landesherrlichen Einnahmen und Ausgaben zuständig war. Sie bildete gleichsam den Kern landesherrlicher Kompetenzen und lieferte sich traditionell einen erbitterten Kleinkrieg mit der österreichischen, der böhmischen und der ungarischen Hofkanzlei, die als Hochburgen landständischer Interessen galten. Die Kompetenzabgrenzung zwischen den Kanzleien einerseits und der Kammer andererseits war bestenfalls unscharf. Gemeinsam war ihnen allen ein chaotisches Innenleben. Selbst die einzelnen Fachabteilungen innerhalb der Hofkammer, die sogenannten Referate, führten einen kunstvollen Kleinkrieg um Kompetenzen und Ressourcen. Ein Behördenplan fehlte ebenso wie die Fachausbildung des Personals. Selbst eine ordentliche Buchführung suchte man vergebens. Wenn es jemandem gelingen konnte, diesen Zustand zu beenden, dann einem erfahrenen Administrator wie Gundacker Thomas Graf Starhemberg (1663–1745), der der Hofkammer über zwölf Jahre lang vorgestanden hatte. Maria Theresia hatte ihm 1744 den Auftrag erteilt, Lösungsvorschläge zu erarbeiten – doch was er vorlegte, war ein hilfloser Versuch, das Chaos zu ordnen: Die Zahl der Referate solle begrenzt, die Kommunikation zwischen ihnen verbessert und die Arbeitsgänge sollten effizienter gestaltet werden.9 Das klang gut, war aber nicht umsetzbar. Bereits wenige Monate, nachdem Maria Theresia den Plan in Kraft gesetzt hatte, wurden Proteste laut. Graf Dietrichstein etwa protestierte dagegen, dass es kein eigenes Referat für Bergbau und Münzen gebe – das müsse unbedingt korrigiert werden. Die Kaiserin gab nach und ließ eine Bergbau- und Münzkommission einrichten, die nur noch lose mit der Hofkammer verbunden war. Am Ende des Jahres 1745 war das Kompetenzwirrwarr in der Hofkammer noch größer als zu Beginn der Reform. Auch der Versuch, die Position der Experten in der Kammer zu stärken, misslang gründlich: Künftig, so hieß es in der Verordnung, sollten zwei Räte eines Referats aus der Herrenbank und einer aus der Ritterbank stammen. Bei einer Nachfrage, ob die hochadligen Herren denn qualifiziert für eine solche Tätigkeit seien, erwiderte die Monarchin, sie hoffe, dass sie sich einarbeiteten. Die Hofkammer schien ein hoffnungsloser Fall zu sein, ein Einzelfall war sie nicht. Um ein wenig Ordnung in die Wirrnis zu bringen und zumindest den Kampf zwischen den Behörden zu befrieden, hatten die habsburgischen Mon­archen immer wieder zum Instrument der Konferenzen gegriffen.

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Gremien wurden eingerichtet, in denen die Behördenleiter über die Lösung konkreter Probleme gemeinsam berieten. Die Geheime Konferenz etwa sollte den einzelnen Länderkanzleien zum Informationsaustausch dienen. Die Effizienz dieses Forums der mächtigen Kanzler, Räte und Berater stand und fiel indes mit dem Geschick, mit dem es einzelnen Persönlichkeiten gelang, den Diskussionen Struktur und Ziel zu geben. In diesen Laboratorien der Macht blühten die Netzwerker auf, die Experten des politischen Tauschhandels und der persönlichen Beeinflussung. In der Zeit Josephs I. und Karls VI. war dies der legendäre Prinz Eugen gewesen, dessen Reputation übermächtig war und der über jeden alles zu wissen schien. Eugen war es gelungen, die Einzelinstitutionen der Monarchie und die vielen Einzelinteressen, die hinter ihnen standen, auf gemeinsames Handeln zu verpflichten. Nach seinem Tod im Jahre 1736 fehlte diese gestalterische Kraft, und die Monarchie drohte in einen Zustand der Agonie zu verfallen. Ohne einen Puppenspieler, der die Fäden zog, legten sich die Gremien und Netzwerke der Monarchie gegenseitig lahm. Der Staat der Habsburger besaß eben nicht die Gestalt eines anonymen Räderwerks. Die Beschlussfassungen seiner Institutionen waren weder vorhersehbar noch regelhaft noch – zumindest für den Außenstehenden – rational. Das lag nicht zuletzt darin begründet, dass jene, die Entscheidungen fällten, in den seltensten Fällen Experten auf ihrem Gebiet waren. Fachkompetenz spielte im bunten Reigen der Ämter, Kommissionen, Referate und Kammern kaum eine Rolle. Von den drei einander heftig bekämpfenden Gremien etwa, die sich mit Militärangelegenheiten beschäftigten, bestand nicht ein einziges aus Offizieren – ein im internationalen Vergleich keineswegs ungewöhnliches Phänomen. Auch in Preußen wurde die Einrichtung eines Generalstabs erst 1803 infolge einer Denkschrift von Christian von Massenbach ernsthaft erwogen. Dieses Dilemma wurde durchaus wahrgenommen. Es gab wohl keinen Minister, keinen Ratgeber Josephs I., Karls VI. oder eben Maria Theresias, der nicht eloquent für Veränderungen warb. Am Ende der Reform stand oft nicht viel mehr als ein deutlicher Machtzuwachs für den Reformer – die Verwaltungsstruktur wurde indessen eher unübersichtlicher. Nur vereinzelt gelang es, Institutionen zu schaffen, die die Handlungsfähigkeit der Zentralverwaltung nachhaltig stärkten. Die neu eingerichtete Hof- und Staatskanzlei etwa, die künftig für die Außenpolitik zuständig war, sollte eine bemerkenswerte Tatkraft an den Tag legen.10

Der Sanierer   •   131

Das Konzept eines langsamen, Schritt für Schritt vollzogenen Umbaus der Monarchie, wie Bartenstein es seiner Königin vorgetragen hatte, konnte angesichts der eher mageren Ergebnisse und des quälend langsamen Veränderungsprozesses bereits um 1745 als gescheitert gelten. Gleichwohl war der Einfluss der konservativen Reformdebatte auf den weiteren Verlauf der Regentschaft Maria Theresias nicht zu unterschätzen. Als wichtig erwies sich insbesondere, dass sie ihren alten Eliten Raum gegeben hatte, eigene Reform­ ansätze zu formulieren, umzusetzen und deren Effekte zu erproben. Zahlen und Fakten waren zusammengetragen, bewertet und diskutiert worden. Die Kaiserin hatte den Handlungsdruck auf ihre Räte erhöht und einen Wett­ bewerb der Reformer initiiert.

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er Sanierer

Während die Reform der kleinen Schritte im Zentrum des Reiches in ein Desaster mündete, erzielte Haugwitz in Schlesien erste Erfolge. Genaue Zahlen existieren nicht, vergleicht man jedoch die Erträge der Jahre 1744 und 1763, gelang wohl annähernd eine Verdopplung der landesherrlichen Einnahmen. Wien zeigte sich beeindruckt und sandte den wendigen Sachsen weitere hoffnungslos verschuldete Territorien in der Erwartung, dass sich das selbst ernannte Fiskalgenie dort ebenso gut schlagen würde. Im Januar 1747 ging Haugwitz auf Wunsch der Hofburg zunächst in das Herzogtum Krain, wenig später nach Kärnten. Beide Territorien waren Bank­ rottkandidaten, die seit Jahren immer tiefer im Schuldensumpf versanken. In Kärnten hatte die Summe der Verpflichtungen bereits die Grenze von unglaublichen vier Millionen Gulden überschritten. Haugwitz ging zügig an die Arbeit und erstattete seiner Monarchin regelmäßig über die Fortschritte seiner Bemühungen ebenso Bericht wie über die Ursachen der Misere. Immer wieder benannte er die Landstände als Kern des Problems. Diese griffen, so Haugwitz, auch dann noch in die landesherrlichen Kassen, wenn diese eigentlich schon lange leer seien. Dass der einzige Vertreter der Krone in den Territorien, der Landeshauptmann, dem Einhalt gebieten werde, sei kaum zu erwarten. Als landesherrlicher Beamter verfüge er kaum über Mitarbeiter und empfange zudem die Hälfte seines Gehaltes von jenen, die er zu kontrollieren habe, den Ständen. Jene Stellen, die für die Gesamtinteressen des Reiches eintraten – die Landeshauptleute,

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die Hofkanzleien und die Hofkammer –, waren zu schwach und selbst zu sehr in ständischen Interessen verfangen, als dass sie den regiersüchtigen Adel in Schach halten konnten. Es sei daher notwendig, so Haugwitz, neue Strukturen zu schaffen. Wo immer er tätig wurde, richtete Haugwitz eine Zentralbehörde ein, in der politische, wirtschaftliche und fiskalische Fragen diskutiert und entschieden wurden. Bei der Besoldung und Rekrutierung der Beamten dieser Körperschaft wurde peinlich darauf geachtet, dass sie in keinem Abhängigkeitsverhältnis zu Vertretern der Landstände standen. Zumeist griff Haugwitz dabei auf entwurzelte, ihm unmittelbar verpflichtete Schlesier zurück. Den ständischen Eliten überließ Haugwitz lediglich das Justizwesen, das nach seiner Überzeugung am effizientesten von den lokalen oder regionalen Kräften verwaltet wurde. Dergleichen Umstrukturierungen bildeten nur den ersten Schritt einer weitgehenden Verdrängung der Stände aus der Staatsverwaltung. Erfolg und Misserfolg des Unternehmens entschieden sich letztlich an der Finanzfrage. Nur wenn es Haugwitz gelang, ihnen das mächtige Instrument der Steuerbewilligung zu entwinden, hätte sich die Machtachse zwischen Wien und den Landeshauptstädten tatsächlich nennenswert verschoben. Ein erbittertes Tauziehen setzte ein. Weder die Krainer noch die Kärntner zeigten sich zunächst bereit, seinen Vorschlägen zuzustimmen und der Krone eine pauschale Bewilligung von Kontributionen über einen Zeitraum von zehn Jahren zu gewähren. Nach Ablauf dieses Zeitraums, das war allen Beteiligten klar, wäre die nächste Bewilligung nur noch eine Formsache. Maria Theresia setzte in diesem Konflikt ihre stärkste Waffe ein, ihre Geduld. Sie wartete ab, bis sich der Widerstand erschöpft hatte. 1749 schließlich, als alle Beteiligten des Streits müde waren, ließ sie gegenüber den Krainer Ständen verlautbaren, der Hof befehle expresse, sie sollten sie freiwillig bewilligen. Ähnlich mühsam und letztlich doch erfolgreich verliefen die Verhandlungen in Kärnten.11 Die Kaiserin hatte in beiden Fällen gesprochen und die Debatte entschieden. Dieser Demonstration ihrer Durchsetzungsfähigkeit war allerdings jahrelange Überzeugungsarbeit vorausgegangen. Haugwitz hatte leidenschaftlich mit seinen Gegnern debattiert und ihnen vor allem klargemacht, dass angesichts der militärischen, politischen und fiskalischen Krise nichts an Veränderungen vorbeiführte. Andernfalls drohte ein Kollaps des Imperiums, an dem niemand ein Interesse haben konnte. Argumente wie diese,

Der Krieg, das Geld und die Reform   •   133

der Rückhalt, den Haugwitz aus Wien erhielt, und eine Unzahl von Kompromissen entfalteten schließlich ihre Wirkung und ließen den Widerstand zusammenbrechen.

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er Krieg, das Geld und die Reform

Maria Theresia war während des gesamten Geschehens soweit wie möglich im Hintergrund geblieben. Gewiss, sie hatte Haugwitz gefördert und ihn, sobald Widerstände auftauchten, unterstützt, doch waren gleichzeitig die Reformvorschläge der alten Eliten aufgenommen und umgesetzt worden. Niemand konnte ihr vorwerfen, nach Gunst und nicht nach dem Interesse des Gesamtstaats zu entscheiden. Auch ihr nächster Schritt zeugte von der Fähigkeit, offenem Antagonismus aus dem Weg zu gehen und sich selbst als mütterliche Sachwalterin des Staatsinteresses zu stilisieren.12 Unter dem Gebot strengster Geheimhaltung betraute sie Haugwitz im Sommer 1747 mit einer Aufgabe, deren Wichtigkeit über jeden Zweifel erhaben war. Er möge feststellen, wie das Land dauerhaft eine Truppenzahl von 108.000 Mann unterhalten könne. Die Kaiserin machte deutlich, dass es ihr bei allen Reformen einzig und allein um die militärische Stärkung der Monarchie ging. Die richtige Vorgehensweise war die, die dem Ziel diente, das Reich zu sichern. Wenn dies mit den alten Strukturen gelang, dann eben so, wenn nicht, mussten diese zerschlagen werden. Dass sie ausgerechnet Haugwitz um seine Meinung bat, war ein deutliches Zeichen dafür, dass sie allmählich der Position der Radikalsanierer zuneigte. Tatsächlich enttäuschte er ihre Erwartungen nicht. Mit der bisherigen Steuerpolitik, erklärte er, könne die gestellte Aufgabe nicht bewältigt werden. Der Unterhalt der von Maria Theresia geforderten Truppengröße würde immense Kosten verursachen, konkret 14 Millionen Gulden jährlich. Um diese Summe aufzubringen, müsse das schlesische Modell im ganzen habsburgischen Reich – außer in Ungarn – umgesetzt und die Zentralverwaltung grundlegend umgestaltet werden. Nur wenn dies geschehe, sei es möglich, die Steuererhebung neu zu organisieren. Letzteres war in der Tat dringend notwendig, denn in den meisten habsburgischen Territorien wurden die Steuern auf der Grundlage veralteter Ansätze erhoben. Viele Häuser, Bauernhöfe und Landgüter, die in den letzten zweihundert Jahren gebaut worden waren, tauchten in den Steuerlisten nicht auf – die Krone hatte das

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Wirtschaftswachstum des Landes steuerpolitisch ungenutzt gelassen. Darüber hinaus hatte sich der Adel zahllose Steuerbefreiungen ausbedungen, die in Anbetracht der drängenden Probleme der Monarchie kaum noch zeitgemäß waren. Haugwitz war sicher: Werde dies alles korrigiert, und gelinge es zudem, eine effiziente Steuerverwaltung im Zentrum aufzubauen, erhalte die Krone endlich genügend Finanzmittel, um das Heer erheblich zu vergrößern.13 Mehr noch, das vorhandene Datenmaterial und der Einsatz einer effizienten Zentralverwaltung eröffneten ihr die Möglichkeit, Staatsmanufakturen zu fördern, die Domänen zu reformieren und nur noch jene Zölle zu erheben, die der eigenen Wirtschaft nutzten. Mit den Informationen, die die Kaiserin aus den Provinzen erhalte, könne sie erstmals eine kohärente Wirtschaftspolitik betreiben und so die allgemeine Prosperität steigern. Letztlich würden alle von einem Erstarken der Hofburg profitieren. Haugwitz’ Vorhaben kam einer politischen Flächensanierung gleich. Von den vorhandenen Institutionen würde kaum etwas übrig bleiben. Als geradezu umstürzlerisch musste sein Vorschlag aufgenommen werden, die Trennung zwischen Hofkammer und Hofkanzlei aufzuheben. Um ein solches Vorhaben gründlich planen zu können, bedurfte er mächtiger und kenntnisreicher Verbündeter – die politischen und ökonomischen Eliten der Territorien wie des Zentrums mussten für das Reformprojekt gewonnen werden. Besonders wichtig war Haugwitz die Kooperation des böhmischen Adels. Dessen Egoismen hätten, so hatte er in seinen Gutachten mehrfach betont, das habsburgische Reich im Jahre 1741 an den Rand des Abgrunds gebracht. Die Gefahr war groß, dass sich die Reihen der böhmischen Nation erneut schließen würden, wenn Haugwitz dem Landtag sein Projekt vorstellte. Händeringend suchte er daher nach Entscheidungsträgern, die die Zeichen der Zeit verstanden hatten. Ideale Kandidaten für diese Rolle schienen ihm die böhmischen Kanzler Philipp Joseph Graf Kinsky (1700–1749) und Friedrich August Graf von Harrach (1696–1749) zu sein. Beide hatten sich immer wieder reformbereit gezeigt und wurden mit Wissen der Kaiserin nun früh mit den Grundprinzipien seiner Pläne vertraut gemacht. Wenn sie ihn unterstützten, so kalkulierte er, dann werde ihn kaum noch etwas aufhalten können.

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Das Gegenmodell   •   135

as Gegenmodell

Weder Kinsky noch Harrach zeigten sich jedoch bereit, dies zu tun. Dabei war ihnen, wie er richtig erkannt hatte, die verzweifelte finanzielle Lage des habsburgischen Reiches durchaus bekannt. Keiner von beiden gab sich irgendwelchen Illusionen hinsichtlich des Veränderungsdrucks hin, unter dem sie standen. Das galt insbesondere für Graf Harrach: Der böhmische Großkanzler hatte in früheren Jahren als Statthalter der österreichischen Niederlande gedient. Als Landeshauptmann von Niederösterreich hatte er die undankbare Aufgabe gehabt, zwischen Ständen und Krone zu vermitteln. Die prekäre Lage, in der sich die schwächelnde Großmacht befand, war Harrach damit ebenso bewusst wie die Insuffizienzen der ständischen Administration. In vielen Punkten stimmte er Haugwitz zu. In der entscheidenden Frage aber, in wessen Hand die Finanzadministration künftig liegen sollte, formulierte er eine Gegenposition, die er der Monarchin in einer Reihe von Gutachten vorlegte. Auch Harrach zerbrach sich den Kopf darüber, wie die Monarchie eine stehende Truppe von 108.000 Mann unterhalten könnte. Auch er ging davon aus, dass zu diesem Zweck die Ausgaben für das Militär nahezu verdoppelt werden müssten. Statt dies durch den Aufbau einer zentralen königlichen Verwaltung zu erreichen, riet er zum gegenteiligen Weg: Die Entmachtung der Stände würde, so Harrach, nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen, sie löse vielmehr keines der Probleme des Reiches. Bevor sich die Krone um die Finanzlücken kümmere, müsse sie ihre Aufmerksamkeit der unübersichtlichen Kassenlage der Monarchie widmen. Im Grunde wisse die Kaiserin doch gar nicht, wie viel sie einnehme und wie viel sie ausgebe. Jeder Reformplan werde genau an dieser Stelle scheitern. Es sei, als plane ein Architekt ein Haus, ohne das Fundament zu kennen. Nur durch einen schonungslosen Kassensturz sei es möglich, Wege aus der Misere zu erkennen. Die Krone müsse die diversen Schulden ihrer verschiedenen Kassen endlich zusammentragen und den Ausgaben gegenüberstellen. Die Kaiserin müsse wissen, wo die Gelder versickerten, und die Schwachstellen im System beseitigen. Dabei würden kleinere Reparaturmaßnahmen sicherlich nicht ausreichend sein. Auch wenn sich Harrach damit eindeutig für eine Reform großen Stils aussprach, warnte er doch davor, die Schuld an der aktuellen Malaise den Ständen zuzuschieben. Diese hätten in der Vergangenheit gewaltige Lasten

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getragen. Es sei doch im Grunde durchaus verständlich, wenn die Länder nach den jahrzehntelangen schlechten Erfahrungen nun nicht mehr bereit seien, der völlig chaotischen und überaus ausgabenfreudigen Finanzbürokratie der Krone weitere Gelder anzuvertrauen. Niemand zweifle daran, dass der Hof seinen Repräsentationspflichten nachkommen müsse und dass es überaus teuer sei, das notwendige Decorum zu erzeugen. Dem Eindruck jedoch, dass die Kosten der Hofhaltung unaufhaltsam stiegen und alle Versicherungen, man werde sparen, nichts als Lippenbekenntnisse seien, müsse die Krone entgegenwirken. Dasselbe gelte für die Militärausgaben. Die Länder würden sich nach langem Krieg danach sehnen, von den hohen Steuern befreit zu werden, mit denen die Truppen Ihrer Majestät finanziert worden seien. Dennoch gebe es Bereitschaft, die bisherigen Lasten nicht nur weiterzutragen, sondern sogar einer Erhöhung der Abgaben zuzustimmen – schließlich wisse jeder Patriot, wie schwierig die Lage der Monarchie sei. Umgeben von Feinden, müsse die Kaiserin gut gerüstet sein. Dieser Einsicht stünden jedoch Zweifel an der Effizienz der Militärverwaltung entgegen. Diese gelte es durch ein Militärbudget zu zerstreuen, in dem der Wille, die vorhandenen Mittel bestmöglich einzusetzen, erkennbar sei. Es sei nötig, bey den Militari die Ausgaaben noch mehr einzuschränken, einfolgl. allda den sich zeigenden Abgang in Erfahrung zu bringen.14 Anders als Haugwitz widmete Harrach einen Großteil seiner Ausführungen nicht der Einnahmen-, sondern der Ausgabenseite. Kein Kostenfaktor erschien dem Gutachter dabei bedrückender als die Zinslast. Hier seien Veränderungen dringend notwendig. Es müsse endlich gelingen, die Schulden der diversen Kassen der Krone zusammenzuführen, einen marktüblichen tragbaren Zinssatz dafür festzulegen und eine langfristige Tilgung der Gesamtschuld anzustreben. Auch Harrach kam zu dem Ergebnis, dass seine Politik der Ausgabenbegrenzung mit der gegenwärtigen Behördenstruktur nicht umgesetzt werden könne. An keinem anderen Beispiel lasse sich dies besser demonstrieren als an der Hofkammer: Statt die Wirtschaft anzukurbeln, behindere sie diese. Die Kammer sei chaotisch strukturiert und hoffnungslos verschuldet. Einen solchen Apparat noch weiter zu vergrößern, indem man ihn mit anderen monströsen Institutionen verschmilzt, sei indessen absurd. Sehr viel besser wäre es, die Erhebung der zahlreichen Einkünfte der Krone, die zum größeren Teil ohnehin schon an die Stände verpfändet seien, diesen komplett zu übertragen. Gelinge diese Konzentration der Finanzverwaltung in den

Unterschiedliche Reformkonzepte   •   137

Händen der Stände, so werde es diesen möglich sein, der Krone dauerhaft die Finanzierung von 104.000 Infanteristen, acht Dragoner- und acht Husa­ ren­regimentern zu garantieren. Der Vorschlag des scharfsinnigen Kanzlers brachte die Kaiserin in eine denkbar schwierige Situation: Statt die Eliten des Landes mit einem einzigen, in sich stimmigen Konzept zu konfrontieren, für das es keine realistische ­Alternative gab, lagen nunmehr zwei konkurrierende Reformvorschläge auf dem Tisch. Die offene Konfrontation zwischen Zentrum und Ländern, zwischen monarchischen und ständischen Reformern, die die Kaiserin durch eine strikte Geheimhaltungspolitik hatte vermeiden wollen, stand damit bevor. Zunächst galt es, die Kräfteverhältnisse zu eruieren und etwas Tempo aus der Reformdebatte zu nehmen. Maria Theresia leitete die vorliegenden Reformkonzepte daher zunächst an Bartenstein weiter, der sie analysierte und miteinander verglich. Erst in einem zweiten Schritt wurden die Alternativvorschläge zusammen mit Bartensteins »Generalanmerkungen« an die Minister Ihrer Majestät mit der Aufforderung verschickt, eine Stellungnahme abzugeben.

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nterschiedliche Reformkonzepte

Die Räte der Kaiserin standen an einem Wendepunkt: Es ging um die Frage, ob es gelingen würde, die Machtbalance des habsburgischen Reiches zu verschieben – von den Territorien zum Zentrum, von den Ständen hin zur Krone. Zugleich standen der Ruf und die Macht der Kaiserin auf dem Spiel. Haugwitz war ihr Vertrauter, hatte in ihrem Auftrag gearbeitet und war stets von ihr gedeckt worden. Harrachs Vorschläge mochten noch so einleuchtend sein, sie ließen sich jedoch als Misstrauensvotum gegen die Politik der Monarchin verstehen. Wenn etwas den Reformplan von Haugwitz retten konnte, dann war es die Scheu des Adels, einen solchen Schritt zu tun und die Reputation Maria Theresias zu beschädigen. Die Monarchin war unter tätiger Mithilfe ihrer Räte zum fleischgewordenen Symbol österreichischer Unbeugsamkeit, Frömmigkeit und Tugend geworden. Der Hochadel hatte sich in Lobeshymnen überschlagen und seine Monarchin damit zugleich zu einer unantastbaren Autorität gemacht, die für das Reich als Ganzes stand. Es würde schwierig sein, sich ausgerechnet gegen sie zu positionieren, deren Weisheit und Charakterstärke sie zuvor so gelobt hatten.

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Zudem neigte die Stimmung innerhalb der Elite weder zur einen noch zur anderen Seite. Bartenstein etwa, der die Zahlen der beiden Kontrahenten genau geprüft hatte, machte in seinen Gutachten kaum ein Hehl daraus, dass er der von beiden verfolgten Idee des großen Wurfes wenig abgewinnen konnte. Besonders deutlich wurde er in seinem Votum vom 30. November 1747, dem er den Titel »Traurige aber unlaugbar Wahrheiten« gegeben hatte. Geld, so erklärte er einmal mehr, sei das geringste Problem der Krone.15 Keiner der Fehler, die seit Ausbruch des Krieges gemacht wurden, sei auf ein zu kleines Militärbudget zurückzuführen. Keine Chance sei aus Geldmangel ungenutzt geblieben. Wo viel Geld sei, gebe es auch viel Verschwendung. Das Problem der habsburgischen Zentralverwaltung bestehe darin, dass die vorhandenen Ressourcen verschleudert würden und dass Entscheidungsträger zu spät und halbherzig handelten. Dabei sei die gegenwärtige Krise nicht halb so gefährlich wie jene, denen sich Leopold I. gegenübersah – und doch sei seinerzeit ein glänzender Triumph gelungen. Nicht um Strukturen gehe es letztlich, sondern um die Rekrutierung kompetenter Diener der Krone. Das Problem der Zentralverwaltung war nach seinem Dafürhalten vor allem der Mangel an guten Köpfen, die in der Lage seien, die Strukturen der Monarchie mit neuem Leben zu erfüllen. Um diese Köpfe müsse sich die Kaiserin bemühen, wenn sie Erfolg haben will. Bartenstein wusste, dass er mit dieser Position keineswegs auf taube Ohren stieß: Die Kaiserin selbst hatte stets den Mangel an persönlicher Führungsstärke bei ihren Räten beklagt und sich die Rekrutierung von schwierigen, aber brillanten Charakteren zur Aufgabe gemacht. So hatte sie mit viel Charme um Joseph Wenzel Fürst von Liechtenstein geworben, der ab 1745 die Artillerie des österreichischen Heeres modernisierte und dabei sein eigenes Vermögen einsetzte. Die Zeiten, in denen der mit dem Hause Habsburg verbundene Hochadel durch seinen persönlichen und finanziellen Einsatz das Imperium stabilisierte, waren also noch längst nicht vorüber.16 Dennoch stellte sich die Frage, ob das von Bartenstein vorgeschlagene Reformkonzept, das an die Zeiten des Prinzen Eugen anknüpfte, nicht an seine Grenzen gestoßen war. Diesen Zweifel formulierte wohl kein anderer Gutachter so nachdenklich und prononciert wie der seit 1742 als Staatskanzler amtierende Corfiz Anton Graf Ulfeld (1699–1769). Ulfeld, der von Außenstehenden gern als phantasielose Kreatur Bartensteins beschrieben wurde17, zeigte sich in seinem Votum zur Reformfrage als unabhängiger Geist. Ganz im Gegensatz zu seinem

Unterschiedliche Reformkonzepte   •   139

Mentor war er davon überzeugt, dass die Instrumente und die Strategien des 17. Jahrhunderts ungeeignet waren, aktuelle Probleme zu bewältigen – die Welt hatte sich tiefgreifend verändert.18 Die immer größer werdenden stehenden Heere setzten die Politik in ganz Europa unter Handlungsdruck. Wer nicht in der Lage sei, Finanzierungsquellen zu finden, die es ihm ermöglichten, in diesem Wettlauf mitzuhalten, werde von seinen Nachbarn einfach absorbiert werden. Der Vater Maria Theresias habe in Friedenszeiten in den hiesigen Ländern de facto nicht mehr als 70.000 bis 80.000 Mann unterhalten – eine Zahl, die in Kriegszeiten mit Hilfe der Stände aufgestockt worden sei. Wenn dieses System nach Ende des gegenwärtigen Krieges wieder aufgenommen werde, sei jene Katastrophe, die diesmal nur knapp abgewendet werden konnte, unvermeidlich. Das europäische Wettrüsten überlebe nur, wer seine Truppenzahl erhöhe und seine Einnahmen an den neuen Bedarf anpasse – in diesem Punkt teilte Ulfeld voll und ganz die Meinung von Haugwitz und Harrach.19 Die geforderten Reformen müssten zudem rasch vollzogen werden, da sich das Kräfteverhältnis in Europa grundlegend geändert habe. Noch zu Zeiten Karls VI. habe sich das habsburgische Reich in einer strategischen Lage befunden, die es vor einem Kollaps bewahrte. Den Fürsten des deutschen Reiches sei bewusst gewesen, dass das fragile Gleichgewicht zwischen ihnen nur vom Haus Habsburg gewahrt werden konnte. Damit sei es jetzt vorbei. Aus dem Haus Brandenburg – einst ein unentbehrlicher und treuer Alliierter ­Wiens – sei ein erbitterter Feind und eine unabhängige Großmacht geworden. Das Reich sei damit nicht mehr Einflusszone des Hauses Habsburg, sondern ein instabiler Raum, aus dem höchste Gefahr drohe. Aus diesem Umstand müssten dringend die richtigen diplomatischen und militärstrategischen Konsequenzen gezogen werden. Statt auf das europäische Gleichgewicht und die Stabilität des Reiches zu vertrauen, müsse das Haus Habsburg seine eigene Position stärken. Die Hofburg könne nicht länger als Stabilisator Europas agieren. Natürlich brauche die Krone mehr Soldaten, und sie brauche auch mehr Geld. Dies werde aber, so der Gutachter, auf Widerstände treffen. Die Kaiserin müsse daher Wege finden, die Untertanen in den Territorien zu besänftigen. Ein Weg könne darin bestehen, glaubhafte Vorkehrungen für den künftigen Schutz der Bevölkerung vor Kriegsfolgen zu treffen. Auch sollte die Zivilbevölkerung künftig von Einquartierungen und Beschlagnahmungen verschont werden.

140   •   Die Landesmutter

Was die beiden vorliegenden Reformpläne anging, so machte Ulfeld kein Hehl daraus, dass er der Kaiserin kaum raten könne, dem Spiel des Königs in Preussen zu folgen. Wenn die Not dies allerdings gebiete, so möge man auch in anderen rubrique bedacht seyn, dem Vorbild des nördlichen Nachbarn nachzustreben – etwa bei der Finanzierung des Hofes. Friedrich II. komme hier mit zwei Millionen Gulden aus, während die Hofburg fünf Millionen beanspruche. Die Differenz werde in Preußen in die Armee investiert. Wer sich im Übrigen näher mit den Gründen für die Effizienz der Truppen des Königs beschäftigt habe, werde bemerken, dass deren finanzielle Ausstattung nicht der einzige Grund ihrer Überlegenheit sei. Preußen habe sein Heer in einem Zeitraum von dreißig Jahren systematisch aufgebaut, es habe seine Infanterie gedrillt und diszipliniert. Zu glauben, man könne eine ähnlich perfekte Militärmaschinerie in wenigen Monaten einfach aus dem Boden stampfen, sei schlicht naiv. Dass die Vorschläge von Haugwitz Ulfeld mit Misstrauen erfüllten und dass er vor allem dessen Konzentration auf den fiskalischen Aspekt der Reform kritisierte, wurde in seinen Ausführungen mehr als deutlich. Harrachs Gegenkonzept wurde von ihm jedoch ebenso wenig favorisiert. Ulfelds Position war ambivalent: Im Grunde teilte er das Ziel beider Konzepte und war auch der Meinung, dass das Imperium sich wandeln müsse, um zu überleben. Der Weg dorthin schien ihm jedoch unklar zu sein: Immer wieder warnte er vor Fehleinschätzungen und Schwierigkeiten, vor Widerständen und Risiken. Letzlich sah er bei aller Abwägung stets nur die Nachteile.

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ie Kaiserin entscheidet

Die Sitzung vom 29.  Januar 1748 begann mit einem prägnanten Vortrag der Kaiserin.20 Die beiden gegensätzlichen Pläne von Haugwitz und Harrach seien den anwesenden Ministern ebenso zugegangen wie die schriftlichen Anmerkungen dazu. Die Aufgabe des heutigen Treffens sei einfach – es gehe um die Fassung eines gedeylichen Entschlusses. Von diesem hinge das Heyl derer Länder, und die aufrecht Erhaltung der Österreichischen Monarchie ab. Alle, die zauderten, sollten bedenken, dass es nicht nur um Ihres Erzhauses Wohlseyn sondern auch eines jeden Rettung, nebst der Religion und Christenheit Sicherheit gehe. Mit wenigen Worten hatte sie jene, die noch an ihrer Entschlossenheit zweifeln mochten, eines Besseren belehrt. Eine weitere Vertagung der An-

Die Kaiserin entscheidet   •   141

gelegenheit kam nicht infrage. Maria Theresia würde an diesem Tag eine Entscheidung treffen – ob mit oder ohne Zustimmung ihrer Räte. Wie diese aussehen würde, daran hatte ihre Argumentation kaum einen Zweifel gelassen. Wenn sie von den Gefahren sprach, die dem Reich drohten, so nahm sie umittelbar und billigend Bezug auf die schrillen Warnungen des Friedrich Wilhelm Haugwitz. Auch der Hinweis, es gehe nicht nur um das Erzhaus, sondern um die ganze Christenheit, verdeutlichte, dass die Kaiserin gewillt war, die Konfrontation zwischen Haugwitz und Harrach als einen Kampf zwischen Krone und Ständen, Altruismus und Eigennutz, Christentum und Ketzerei zu interpretieren. Widerspruch war unerwünscht. Diese Botschaft war den Beteiligten offenbar schon im Vorfeld des Treffens nahegebracht worden: Eine offene Parteinahme für die Reformen, die Harrach vorgeschlagen hatte, wagte keiner der Anwesenden. Es wurde dennoch eine äußerst langwierige, zum Teil hitzige Debatte, die damit begann, dass Staatskanzler Ulfeld sein zwanzigseitiges Gutachten verlas. Ihm folgte Harrach, dessen umfangreiches Votum ebenso in Gänze verlesen und anschließend den Zuhörern in Kopie ausgehändigt wurde. Seit Beginn der Sitzung mochten rund zwei Stunden vergangen sein – bis dahin eine einschläfernde Verlesung von Zahlenkolonnen und gewundenen Argumentationslinien. Mit den nun einsetzenden Fragen an Harrach wurde der gemächliche Gang der Sitzung schlagartig durchbrochen. Die wohl unangenehmste zielte auf Harrachs Vorschlag, die Zinssätze der Kronschulden durch kaiserliches Dekret auf 6,5 Prozent, bei einigen älteren Verpflichtungen gar auf 4,5 Prozent zu senken – nichts anderes als ein Schuldenschnitt, der, wie ein Fragesteller bemerkte, das Vertrauen des Marktes in die Wiener Stadtbank als einziges funktonierendes Kreditinstitut der Monarchie nachhaltig erschüttern würde. Harrach reagierte defensiv: So wolle er sein Projekt nicht verstanden wissen – die Gläubiger der Stadtbank müssten um die Zahlung ihrer Ansprüche selbstverständlich nicht fürchten. Harrach geriet ins Wanken und wurde nunmehr vom Kaiser selbst immer weiter in die Ecke gedrängt. Franz Stephan, dessen fiskalische Kompetenzen unumstritten waren, setzte zu einer Grundsatzkritik an: Was, so fragte er Harrach, hätten die Stände eigentlich davon, wenn sie auch noch die Schulden der Kammer übernähmen? Welche der so viel beschworenen Entlastungen kämen ihnen zugute? Harrach, der einen offenen Streit mit dem Kaiser zu vermeiden suchte, beließ es angesichts dieser Attacken bei einigen allgemeinen Bemerkungen. Der Würfel war gefallen. Harrach zog

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sein Alternativkonzept de facto zurück. Die folgenden Gutachter ergingen sich daher nur noch in kurzen, vorsichtigen finanztechnischen Betrachtungen und politischen Leerformeln. Die Bühne für Haugwitz war damit bereitet, und er wusste sie mit einem ebenso beeindruckenden wie selbstgefälligen Kurzreferat für sich zu nutzen. Mit dem ihm eigenen Pathos beschwor er zunächst einmal mehr den drohenden Untergang der Christenheit im Allgemeinen und des Hauses Österreich im Besonderen. Wenn man nicht handle, werde König Friedrich  II. bald schon wieder zu den Waffen greifen und seinem Herrschaftsgebiet Böhmen und Mähren einverleiben. Nur sein Konzept könne das Reich retten. Den Ständen hingegen würde das niemals gelingen, da ihre Vertreter – gemeint war offenbar Harrach – sich ausschließlich vom Eigennutz leiten ließen.21 Nach diesem Frontalangriff auf den Hochadel, der mit offensichtlicher Billigung des Kaiserpaars durchgeführt wurde, begann das Gremium über mögliche Ergebnisse des Treffens zu beraten. Statt sich für einen der beiden Pläne auszusprechen, wurden Einzelpunkte zusammengetragen, was, wie die Kaiserin treffend bemerkte, dem eigentlichen Ziel der Sitzung, eine ausgewogene Gesamtreform zu verabschieden, entgegenlief. Sie, die sich bislang im Hintergrund gehalten hatte, ergriff daher die Initiative: Hierauch haben allerhöchst dieselbe den Grafen von Harrach befraget, ob er sich das Systema ohne Entziehung derer Stadt-Banco und Cameral-Gefällen, denen Böhmischen Ländern und hiesigen Landschaft vorzulegen getraue? Harrach erhielt also das Angebot, als Reformer zu wirken – allerdings unter den von Haugwitz vorgeschlagenen Bedingungen. Er lehnte höflich, aber bestimmt ab, ebenso Kinsky, und die Kaiserin schritt nun, ohne das Gremium weiter zu konsultieren, zur Beschlussfassung. Haugwitz’ Reformplan wurde von ihr gebilligt. Er möge ihn den Ständen Böhmens und Mährens als Projekt und nicht etwa als royale Verordnung zur Prüfung vorlegen. Die Kaiserin hatte die Eliten des Reiches damit geschickt ausmanövriert. Alle Minister der Kaiserin hatten der Notwendigkeit zugestimmt, eine großanlegte Reform durchzuführen, und waren sich einig, dass die Vermehrung der eigenen Truppenzahl ein wesentliches Ziel dieser Reform sein müsse – über den Weg dorthin konnten sie sich jedoch nicht einigen. Zwar hatte Maria Theresia den Hochadel nicht dazu bringen können, für das Modell von Haugwitz zu stimmen, doch zeigte sich dieser umgekehrt auch nicht gewillt, eine Gegenposition zu formulieren, die ein einheitliches Oppositionshandeln ermöglicht hätte.

Heldengeschichten   •   143

Der Adel stand damit weder hinter der Monarchin, noch war er gegen sie, vielmehr war er nach Jahren der Reformdebatte verunsichert und vom entschlossenen Handeln und der Sachkenntnis der Kaiserin überrascht. Um auch die letzten Zweifler davon zu überzeugen, dass sie Widerstand nicht dulden würde, ergriff der Kaiser am Ende der denkwürdigen Sitzung noch einmal das Wort. Nun, da die Kaiserin Ihre allerhöchste Willensmeynung so klar und deütlich zu erkennen gegeben hätten, allerhöchst dieselbe nicht zweyflen wollten und könnte, dass ein jeder seine Pflicht und Schuldigkeit tun werde. Gleich welche Meinung die Räte in dieser Angelegenheit zuvor vertreten hätten, nun seien sie verpflichtet, die Befehle der Monarchin umzusetzen und ihnen weder directe noch indirecte, weder heimblich noch offentlich entgegenzuwirken. Der Thron hatte seine Muskeln spielen lassen und deutlich gemacht, dass er bereit und willens war, tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen. Wer sich dagegen aussprach, wurde in die Rolle des treulosen Dieners einer fürsorglichen Landesmutter gedrängt.

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eldengeschichten

Von Geld, Truppen und Rat entblösset sei sie gewesen, als 1740 ihr Vater starb. Umgeben von Ministern, die das komplizierte Räderwerk der Monarchie genauestens kannten, sei sie diesen Fachleuten ausgeliefert gewesen und habe sich am Anfang ihrer Regierungszeit eher als Moderatorin denn als Monarchin gesehen. Überhaupt die Minister – der einzig positive Aspekt, den Maria Theresia in den um das Jahr 1750 entstandenen »Instrucktions­ puncta« ihrem Beratergremium zugesteht, ist dessen hoher Altersdurchschnitt. Denn wann Gott nicht selbst einen Strich gemacht hätte mit Absterbung aller, so wäre sie niemals in Stand gewesen zu remedieren. Das harte Urteil, das die Monarchin hier fällte, atmet förmlich das Ringen um die Reform der habsburgischen Monarchie, das die Diskussionen in der Hofburg in den vorangegangenen Jahren geprägt hatte. Nun galt es, ihre Richtungsentscheidung in ein historisches Narrativ zu kleiden, dass diese als moralisch notwendig, politisch alternativlos und juristisch gerechtfertigt erscheinen ließ. Was lange offen geblieben war, erhielt nun den Charakter des Zwangsläufigen. Die Textgattung des politischen Testaments bot sich dafür geradezu an.22 In Frankreich und in Preußen häufig genutzt, hatte keiner der Vorgänger

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­ aria Theresias ähnlich ausführliche Anweisungen an die Nachfolger forM muliert. Karl VI. etwa hatte seiner Tochter nur wenige Zeilen zu den politischen Geschäften hinterlassen, in denen er sie nochmals auf die Pragmatische Sanktion verpflichtete. Maria Theresia griff demgegenüber gleich zweimal zur Feder. Neben den ersten Instruktionspunkten, auf die im Folgenden eingegangen wird, schrieb sie um 1756 noch einen weiteren Text, in dem sie etwas kürzer, gleichwohl prägnant ihre Position zu den politischen Grundsatzfragen ihrer Zeit unterstrich, das Erreichte nochmals bilanzierte und Lehren für die Zukunft formulierte. Adressat beider Schreiben war ihr Nachfolger, der zum Zeitpunkt der Niederschrift der ersten Instruktionspunkte jedoch erst knapp neun Jahre alt war. Das versiegelte Dokument war damit eher ein stilles Zwiegespräch mit der Zukunft und ein Versuch der Selbstrechtfertigung vor Gott und den eigenen Erben. Die Kaiserin legte dar, wie man sich ihrer erinnern sollte. Die Instruktionspunkte waren daher kaum als kühle oder gar um Unparteilichkeit bemühte Aufzählung von Fakten zu verstehen, sondern vielmehr als ein Akt der Selbstkonstruktion, der stellenweise an eine Selbstfiktionalisierung grenzte. Wenn dieses Testament auch nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war, offenbarte es doch die Leitlinien der kaiserlichen Selbststilisierung. Die historische Erzählung, die sie ihrem Erben darbot, folgte einem klaren Spannungsbogen: Am Anfang stehen Niedergang, Chaos, Gefahr und Zerfall. Schuld daran seien ihre Vorgänger gewesen, die ihre Einkünfte an die Kirche verschenkt und die Treue ihrer Diener erkauft hätten, indem sie wegsahen, wenn diese sich bereichert oder die Rechte der Krone nicht beachtet hätten. Auch ihren Vater nahm sie aus diesem Verdikt nicht aus. Zwar habe sie ihn herzlich geliebt und als Tochter seinen Verlust zutiefst betrauert, doch habe sich der Niedergang in seiner Regentschaft fortgesetzt. Zudem habe er es versäumt, seine Tochter mit den Regierungsgeschäften vertraut zu machen. Als naive junge Frau, die aus eigenem Antrieb nie nach der Herrschaft gestrebt habe, sei sie in eine übergroße Aufgabe hineingestoßen worden. Das Fundament der Wende zum Besseren sei durch die Eheschließung zwischen ihr und Franz Stephan gelegt worden. Die Hochzeit habe, so ließ sie durchblicken, einen dynastischen Neuanfang ermöglicht. Das Alte, Anzureichende, menschlich möglicherweise Liebenswerte, aber politisch zum Untergang Verurteilte war durch etwas anderes, Höherwertiges ersetzt worden. Gott selbst habe der neuen Dynastie, deren Entstehung letztlich seinem

Heldengeschichten   •   145

Wirken zu verdanken sei, seinen Segen gegeben und das Reich vor dem sicheren Untergang gerettet. Wenn es die eigene Haltung gegenüber der Rolle, die ihr von Gott zugewiesen war, zu beschreiben galt, griff sie auf eine Figur zurück, die seit Beginn ihrer Regierung zum festen Repertoire des selbstgeschaffenen Mythos gehörte: die Vorstellung einer tugendhaften, einsamen Frau und Mutter, die gegen tausendfache Widerstände das Erbe ihrer Kinder verteidigte. In den Instruktionen wurde dieses eingängige Bild allerdings auf bemerkenswerte Weise variiert – nicht dem Sohn galt all ihr Bemühen, sondern der Monarchie: Und so lieb ich auch meine Familie und Kinder habe, dergestalten, dass keinen Fleiss, Kummer, Sorgen, noch Arbeit vor selbe spahre, so hätte jedoch derer Länder allgemeines Beste denenselben allezeit vorgezogen, wann in meinen Gewissen überzeuget gewesen wäre, dass solches thun könne, oder dass dererselben Wohlstand dieses erheischete, indeme sothaner Länder allgemeine und erste Mutter bin.23 Die seit römischer Zeit bekannte Formel, derzufolge der Monarch der Vater des Vaterlands sei, wurde von Maria Theresia an dieser Stelle verweiblicht – an die Stelle des strengen Vaters trat die allverzeihende, fürsorgende Mutter. Das war umso bemerkenswerter, als sie ihre monarchischen Mutterpflichten ausdrücklich vor jene gegenüber den Kindern und Erben stellte. Die Monarchie wurde moralisch überhöht. Ihr hatten alle zu dienen – auch die Monarchin selbst. Auch in diesem Punkte wusste die Kaiserin ihre eigene Position geschickt in ein besonderes Licht zu stellen. Ihr Patriotismus nämlich, so machte sie deutlich, war ungleich selbstloser und schmerzhafter als der jedes männlichen Monarchen. Riskierte ein Feldherrnkönig wie Friedrich II. nur sein eigenes Leben, so war sie dazu verdammt, ihre Kinder, die all ihren Lebenssinn bildeten, dem Vaterland zum Opfer zu bringen. Auf diese mochte nicht der Tod warten, aber durchaus ein unglückliches Dasein, ein Verkümmern der Talente und der Seelenstärke im Dienste der Staatsräson. Nichts war für eine Mutter schwerer zu ertragen. Sie trug diese Last nicht um des eigenen Ruhmes willen, sondern für das Wohlergehen aller. Die Monarchie nämlich war aus ihrer Sicht kein Familienbetrieb, der dem Nutzen einer Dynastie zu dienen hatte, sondern ein Verband von Menschen, die von einer starken Herrscherin in ihren Rechten geschützt wurden. Als oberste Patriotin ihres Reiches stehe sie nicht über den

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Gesetzen – uralte Privilegien und feste Rechtstitel würden von ihr selbstverständlich nicht angetastet, sie sehe es vielmehr als ihre Aufgabe, diese zu verteidigen. Darum sei es ihr stets gegangen, und mit dieser Intention habe sie auch das habsburgische Imperium erbittert gegen die Angriffe Friedrichs II., dieses giftigen Lügners und skrupellosen Rechtsbrechers, verteidigt. Nicht weniger gefährlich als der König in Preußen sei der innere Feind: Er befand sich in nächster Nähe der Königin. Ihre Minister und Berater, so Maria Theresia, hätten sich zu Beginn ihrer Regierung nicht nur als unfähig erwiesen, sondern sich je länger, desto mehr als eigentliche Quelle aller Probleme offenbart. Statt für das Reich zu arbeiten, hätten sie ausschließlich ihren eigenen Nutzen im Auge gehabt. Das sei nur zum Teil auf charakterliche Defizite der Betroffenen zurückzuführen, neigten doch alle Menschen zu angeborene(m) Eigennutz und Dominierungsbegierde. Statt diese einzuhegen, seien sie von ihren Vorgängern noch gefördert worden, sodass die Minister ohne Scheu zuerst ihre eigene Macht und ihren Besitz, nicht aber die Interessen des Reiches im Blick gehabt hätten. Die habsburgischen Kaiser hätten sich mehr und mehr in die Hand ihres Adels begeben. Sie hätten sich erpressbar gemacht und zum Teil vom Kredit ihrer Diener gelebt. Der Ausweg aus diesem Dilemma lag auf der Hand. Nur die Eigen­ interessen des Monarchen waren deckungsgleich mit den Interessen des Gemeinwohls. Die Rechte der Krone zu stärken, ihre Einnahmen zu mehren, bedeutete zugleich, den Staat, einen anonymen Fürsorger der Gesamtheit, handlungsfähig zu machen. Die Stände hingegen repräsentierten in dieser Diktion Partikularinteressen, die das Reich schwächten. Sie galt es zu entmachten. Hatte ihr Bartenstein im Kampf gegen den äußeren Feind beigestanden, so unterstützte sie bei den inneren Kämpfen Haugwitz: So ist jedoch durch besondere Verhängnis und Providenz Gottes, und zum Heil dieser Länder Graf Haugwitz mir bekannt geworden, welcher aus Treu und Eifer alles in Schlesien verlassen, und hier üble Zeiten mit mir ausgestanden. (…) Um durchbrechen zu können, einen solchen Mann haben musste, der ehrlich, ohne Absicht, ohne Prädilektion und ohne Ambition, noch Anhang, der das Gute, weil es gut erkennet wird, soutenieret, nebst einem großmütigen desinteressement und Attachement vor seinem Landesfürsten, ohne Prävention, mit großer Kapazität und Freud zur Arbeit, auch beständiger Application, das Licht nicht scheuend, noch den unbilligen Hass deren interessierten sich zuzuziehen.24

Die bürokratische Revolution   •   147

Die Sendung dieses heroischen Kämpfers für die habsburgische Monarchie erwies nach Selbstdarstellung Maria Theresias vor allem eines – ihre eigene Erwähltheit. Gott hatte ein weiteres Mal eingegriffen, um die tugendhafte Frau vor dem Untergang zu bewahren. Durch diese Einordnung der Ereignisse in eine in sich stimmige Erzählung wurden die Gegner des Haugwitzschen Konzeptes zu Feinden Gottes erklärt. Haugwitz selbst erhielt zwar höchstes Lob, doch waren dessen Leistungen letztlich nur durch die Huld der Monarchin möglich. Er habe über keine Hausmacht verfügt, keine engen Freunde am Hofe, auch sei er kein Geschöpf ihres Vaters gewesen und verfüge über keinerlei Unterstützung seitens der mächtigen Provinzialstände. Haugwitz sei ein Experte, dessen Autorität sich einzig aus der vollkommenen kenntnis der Daten, der Entscheidungswege und der Regeln staatlichen Wirtschaftens speise. Das hier gezeichnete Bild des Reformkonflikts ist sicherlich in vielfacher Hinsicht anfechtbar. Es wollte aber auch gar nicht kühl abwägend die Vorzüge und die Nachteile der beschlossenen Maßnahmen darstellen, sondern vielmehr zur Parteinahme auffordern. Rationale Erwägungen wurden dabei ausdrücklich mit emotionalen Appellen verbunden. Maria Theresia machte in ihrem politischen Testament überdeutlich, dass die Zeit der Debatten vorbei war und sie nunmehr Gefolgschaft erwartete. Wer sich gegen diese von weiten Teilen der Eliten mit Misstrauen verfolgte Reform stellte, stellte sich gegen die Kaiserin.

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ie bürokratische Revolution

Zwei Tage brauchte der Schriftführer der Konferenz vom 29. Januar 1748, Johann Christoph von Bartenstein, um das Protokoll der Kaiserin in Reinschrift fertigzustellen25, die am Rande vermerkte: Placet, und ist diese sache nur allzuwahr also abgelofen; in 50 jahren wird man nicht glauben, dass dieses meine ministre waren, die von mir allein creirt worden.26 Was wie ein Stoßseufzer klingt, ist bei näherem Hinsehen Ausdruck von Selbstbewusstsein und Optimismus. Maria Theresia hatte in einem politischen Kraftakt dem Reformprozess Dynamik verliehen, hatte all ihr politisches Gewicht in die Waagschale geworfen und sich für Haugwitz eingesetzt. Jeder Versuch der Stände, das Reformprojekt zu verzögern, zu sabotieren oder zu vereinnahmen, war an ihrer entschiedenen Haltung ge-

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scheitert. Damit war nach ihrem Dafürhalten ein entscheidender Schritt getan: Künftige Minister und Räte verfügten nicht mehr über die Machtbasis, Entscheidungen des Monarchen zu behindern. In fünfzig Jahren würde sich die politische Landschaft so weit verändert haben, dass kein vom Monarchen ernannter Minister es sich noch leisten konnte, seinem Dienstherrn in den Arm zu fallen.27 Nun war das Fällen von Entscheidungen das eine, ihre Durchsetzung das andere. Nicht wenige Beobachter, allen voran Maria Theresias ewiger Widerpart, der preußische König Friedrich II., prophezeiten den Habsburgern ein katastrophales Scheitern. Friedrichs Gesandter in Wien, Otto Christoph von Podewils (1719–1781), der wusste, wie wenig der Hohenzollernkönig Widerspruch schätzte, stimmte ihm in seinen Berichten dienstbeflissen zu: Abgesehen davon, dass er (Haugwitz) nicht ein Mann von so grossem Genie ist, um ein solches Werk, wie er es unternommen hat, zu vollenden, und um alle Klippen zu vermeiden, die man ihm bereiten wird, ist die Zahl seiner Feinde zu gross und sind sie zu mächtig, als dass er nicht wahrscheinlich am Ende erliegen sollte. (...) Andererseits hat es seinen Feinden bis jetzt noch nicht gelingen wollen, seine Gunst auch nur zu verringern, und es ist nicht unmöglich, dass die Kaiserin-Königin, welche sich laut gegen alle Welt für ihn erklärt, sich schämen wird sich zurückzuziehen, und es zu einer Ehrensache machen wird, ihre Wahl zu behaupten. (...) Sie glaubt, Graf Haugwitz sei der Mann, den der Himmel ihr schicke, um sie zu erleuchten, und ihre Interesse verpflichte sie, ihn zu stützen.28 Das steuerlich ohnehin seit Jahrzehnten ausgepresste Böhmen hatte sich in der Vergangenheit als schwieriges Pflaster für Reformer erwiesen. Zudem durfte niemand erwarten, dass der vor seinen Kollegen gedemütigte Harrach sich dazu bequemen würde, seinem Widersacher zum Siege zu verhelfen. Der Zusammenstoß der beiden am 29. Januar sollte in der Tat noch ein Nachspiel haben: Der böhmische Großkanzler sann offenbar auf eine Revanche und meldete sich im April 1748 nochmals zu einem Vortrag bei der Kaiserin, der ihr sehr arg vorkam. Es sei bedauerlich, so erklärte die Monarchin in einem Schreiben an Ulfeld, dass Harrach beginne, sich selbst zu verlieren. Er hatte offenbar nicht erkannt, dass die Reputation der Kaiserin mit dem Reformplan von Haugwitz längst untrennbar verbunden war. Einen Weg zurück gab es jetzt nicht mehr.

Die bürokratische Revolution   •   149

In einem später gestrichenen Beisatz des Briefes wurde sie in diesem Punkt ganz deutlich: Es mag (...) geschehen, was immer will, ich bleibe bei meiner resolution; wer nicht gehorsamen kann, der lasse es bleiben, allein hier und vor meinen augen soll kein solcher mehr erscheinen.29 Es war bezeichnend, dass sie von der Trennung von dem reichen und einflussreichen Hochadligen schließlich doch absah.30 Harrach war noch immer mächtig genug, Zweifler um sich zu scharen und sie zu oppositionellem Handeln zu motivieren. Die Kaiserin tat gut daran, ihre Gegner im Auge zu behalten. Das politische Geschick, mit dem sie vorging, war in der Tat beeindruckend: Zu ihren wohl klügsten Schachzügen gehörte, dass sie auf eine Umsetzung der Haugwitz’schen Reformen in Ungarn verzichtete. Das Königreich war 1741 loyal geblieben, und sein Hochadel erwartete im Gegenzug, von einem Machtkampf verschont zu werden. Dergleichen Verhaltenserwartungen zu durchbrechen wäre, wie Maria Theresia klar erkannte, selbstzerstörerisch gewesen. Zudem entschied sie, die Verhandlungen über die Reform für jeden Reichsteil einzeln zu führen. Zunächst wurden mit jenen Gespräche geführt, die sich vergleichsweise leicht überzeugen ließen, um den Druck gegenüber den anderen, nunmehr isolierten Provinzen zu erhöhen. Wer heftigen Widerstand gegen die Maßnahmen der Krone erwartet hatte, sah sich getäuscht. Angesichts der kostspieligen, für die Zivilbevölkerung überaus belastenden Kampfhandlungen, mit denen viele Provinzen im Österreichischen Erbfolgekrieg konfrontiert worden waren, zeigte gerade Böhmen Bereitschaft, die Kampfkraft der habsburgischen Truppen zu stärken. Zudem hatte Haugwitz zwar die Gesamtlast der Steuern der einzelnen Provinzen erhöht, dies aber vor allem durch die Abschaffung von Steuerprivilegien und Steuerschlupflöchern bewerkstelligt. Ein erheblicher Teil des böhmischen Adels zahlte nach der Reform, wie Haugwitz vorrechnete, weniger Steuern als vorher. Die Verhandlungen über eine zunächst auf zehn Jahre befristete Übertragung der Besteuerungsrechte auf die Krone machten in den meisten Provinzen bemerkenswerte Fortschritte – mit Ausnahme von Tirol und Niederösterreich.31 Die Zuweisung neuer Kompetenzen erforderte die Einrichtung neuer Verwaltungsgremien. Neben die alten Landesbehörden traten die provisori-

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schen Deputationen, deren Mitglieder von der Monarchin ernannt wurden und direkt an sie Bericht erstatteten. Ihr Aufgabenbereich war weit gespannt und erstreckte sich auf Militärangelegenheiten, das Steuerwesen und die Kammerverwaltung. Bei den Ständen verblieb nur die Rechtsprechung. Justiz und Verwaltung wurden damit getrennt. Die neu geschaffenen lokalen Behörden, die sogenannten Kreisämter, erwiesen sich als Schlüssel zum Erfolg. Zunächst nur als lokale Aufsichtsorgane nach böhmisch-mährischem Vorbild eingerichtet, erhielten sie im weiteren Verlauf immer mehr Rechte und Personal. Diese überraschende Entwicklung war typisch für den vielschichtigen Veränderungsprozess, der nun einsetzte. Haugwitz hatte 1748 nur sehr allgemeine Vorschläge zur Reform des Habsburgerreiches unterbreitet, und die Monarchin hatte ihre Genehmigung an die Zustimmung der einzelnen Landstände gekoppelt. Es gab also Spielraum bei der Umsetzung des Plans und die Möglichkeit, ihn permanent an die Reaktion der Länder anzupassen. Im Grunde glich das ganze Prozedere einem Großversuch mit offenem Ausgang.32 Zunächst mündete dieser in eine verwirrende Vielfalt von Doppelstrukturen: Altes und Neues standen in Konkurrenz zueinander. Ein erster Versuch, das drohende Chaos abzuwenden, war ein kaiserliches Handschreiben vom 2. Mai 1749, das die große Bereinigung initiierte, die Haugwitz angestrebt hatte. Manche alten Gremien wurden mit einem Federstrich aufgelöst, andere wurden neu geschaffen. Das wichtigste war sicherlich das »Directorium in publicis et cameralibus«, das die Kompetenzen der Hofkanzlei und der Hofkammer unter einem Dach vereinte.33 Eine monströse Superbehörde war entstanden, die in den folgenden Jahren mit nie endendem Appetit immer neue Zuständigkeiten an sich zog. Dass diese Entwicklung langfristig zu Verwerfungen führen würde, war absehbar. Zunächst jedoch überwogen die Vorteile der Reform die Nachteile bei Weitem. Das galt vor allem für die Steuereinnahmen, die in die Höhe gingen. Allein die Erträge aus den Kontributionen der böhmischen und österreichischen Landstände stiegen unmittelbar nach Umsetzung der Pläne des Grafen Haugwitz von 9,2 auf 16,6 Millionen Gulden. Was die Gesamteinnahmen der Krone betraf, so stiegen sie nach 1750 auf über 30 Millionen Gulden, was einem Wachstum von mehr als 50 Prozent entsprach. Mit einem Schlag hatte die habsburgische Monarchie in ihrer Finanzkraft und der Fähigkeit, das steuerliche Potential ihrer Untertanen zu nutzen, gegenüber anderen europäischen Mächten aufgeschlossen. Der kranke Mann an der Donau war sichtlich

Die bürokratische Revolution   •   151

genesen und besaß nunmehr das Kapital, seine Militärausgaben deutlich zu erhöhen.34 Doch nicht nur die militärische Schlagkraft des Landes erhöhte sich, auch die Stellung der Krone gegenüber ihren Untertanen veränderte sich. Maria Theresia hatte die von ihr nach langen Debatten verabschiedete Steuerberichtigung, wie sie euphemistisch genannt wurde, mit eiserner Hand umsetzen lassen. Dabei konnte sie in einigen Territorien, wie etwa in Mailand, auf vielversprechende Ansätze aus der Zeit ihres Vaters zurückgreifen. Hier gelang es, auf der Grundlage exakter Landvermessungen ein Kataster zu erstellen – das erste dieser Art in ganz Europa. In Böhmen und Österreich wurde die Steuerberichtigung durch die Streichung von Steuerprivilegien und vor allem die Neueinschätzung der Steuerzahler vorangetrieben. Von Steuergerechtigkeit im modernen Sinne war dieses System weit entfernt.35 Haugwitz wollte keine Gleichheit vor dem Fiskus herstellen – Bauerngüter wurden doppelt so hoch besteuert wie Herrengüter. Dem Reformer ging es vielmehr um Steuertransparenz: Die Untertanen sollten mit einem fixen Steuersatz planen können, und die Zentralverwaltung sollte endlich wissen, welche Ressourcen ihr tatsächlich zur Verfügung standen. Aus eben diesem Grunde wurde ab 1754 die sogenannte »Seelenkonskription« durchgeführt – eine auf der Grundlage der Daten der Pfarreien und der Herrschaften vorgenommene Volkszählung.36 So zog die Krone neben den nun reichlich sprudelnen Geldmitteln einen weiteren, nicht minder wertvollen Ertrag aus der Reform: Ein Strom von Daten begann, nach Wien zu fließen.37 Das Volk, jene verschwommene, emblematische Größe, über deren Zahl, Beschaffenheit und Launen am Hofe ängstlich gerätselt wurde, bekam schärfere Konturen.38 Für jene, die einst als unentbehrliche Bindeglieder zwischen Hof und Territorien gewirkt hatten, war dies eine schlechte Nachricht. Innerhalb dieser Gruppe von vornehmen Familien hatte sich schon unmittelbar nach Verabschiedung des kaiserlichen Handbillets vom 2. Mai 1749 ängstliche Fassungslosigkeit verbreitet. Oberstkämmerer Khevenhüller notierte an diesem Tag: Als nun bekannt wurde, dass beide böhmisch- und oesterreichische Canzleien in ein Collegium zusammen gestossen, das Hoff-Marschallische Gericht und die Statthalterei zu Prag cassiret, die Regierung in zwei Departements getheilet und anmit das duch Saecula hindurch fürgedauerte Systema in judicialibus et publicis verkeret werden sollte, so fande sich alles hierüber betrof-

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fen und waren generalement die Gemüther desto nidergeschlagener, weillen mann dergleichen Revolution sich nicht erwartet und nach deren Erfolg aber noch mehrere Abänderugnen besorget, in Erwegung, das - wann einmal der Esprit de nouveauté zu regieren anfang – selber nicht leicht zu ruhen, sondern immer weiters sich auszubreiten und eine Verwirrung mit der anderen zu häuffen pflegt.39 Die Kaiserin nahm diese Unruhe durchaus wahr, und sie nahm sie ernst. Ein beträchtlicher Teil der Mehreinnahmen wurde daher von ihr genutzt, um die Verliererseite zu entschädigen. Der alte Adel erhielt Gulden und Schlösser für sein Schweigen.

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ie Politikerin

Maria Theresia hat den gewundenen Reformprozess begleitet, moderiert und mitgestaltet. Sie erwies sich als glänzende Taktikerin, die es so lange wie möglich vermied, Entscheidungen zu treffen oder sie bekannt zu geben. Die Monarchin konnte warten. Sie setzte darauf, dass ihre Gegner und Kritiker zermürbt einlenkten, wenn sie lange genug hingehalten wurden. Statt diese zu ignorieren oder in die Schranken zu weisen, ließ sie Memorandum auf Memorandum verfassen und sorgte dann dafür, dass der Entscheidungsprozess versandete, um ihn schließlich von Neuem zu beginnen. Erst wenn die Gegner geschwächt waren oder der Problemdruck zu groß wurde, begann sie eine der ihr vorliegenden Optionen zu forcieren. War ihre Entscheidung getroffen, konfrontierte sie die Funktions- und Standeseliten des Imperiums nach langer, erschöpfender Diskussion überraschend mit einer fertigen Vorlage und verlangte eine abschließende Stellungnahme. Auch in dieser Situation trat sie selten persönlich auf. Bei allen wichtigen Reformschritten war es ihr näheres Umfeld, das letzte Widerstände aus dem Wege räumte und dabei auch bereit war, erheblichen Druck auszuüben. Das entsprach durchaus dem Herrschaftsstil frühneuzeitlicher Monarchen, die ihren engsten Beraterstab als Schutzschild nutzten und damit zu einem raschen Politikwechsel, der zugleich ein Personalwechsel sein musste, bereit blieben. Die Scheu Maria Theresias, Gegner wie den Grafen Harrach unter Zeugen zu attackieren und ihm offen ihre Gunst zu entziehen, war dennoch auffällig. Die Monarchin stellte Berater, die sich als nicht mehr tragfähig erwiesen,

Die Politikerin   •   153

zwar kalt, brüskierte sie aber nicht. Zurückzuführen war dies unter anderem auf das von ihr etablierte Bild mütterlicher Herrschaft, das Aggressivität und Unversöhnlichkeit nur unter Bedingungen starker Bedrohung zuließ. Temperamentsausbrüche waren mit diesem Bild vereinbar, kühl kalkulierte politische Grausamkeiten dagegen nicht. Die Monarchin hatte tiefgreifende Strukturveränderungen angestoßen. Wissensbestände und Verhaltensmuster waren erschüttert worden – eine für den Hochadel als Garant der Tradition geradezu existenzbedrohende Entwicklung. Die wichtigste Währung des Ancien Régime, das Vertrauen in die Stabilität der Sozialstrukturen und damit die Berechenbarkeit gesellschaftlichen Handelns, drohte verloren zu gehen. Die Kaiserin antwortete auf diese Herausforderung, indem sie ein bemerkenswert monolithisches, wenig variantenreiches Herrscherprofil entwickelte. Sie schränkte ihre Reaktionsmöglichkeiten selbst ein und konnte gerade dadurch als Hort der Stabilität wahrgenommen werden. Die Rolle der verletzlichen Mutter lud zudem zur unmittelbaren emotionalen Identifikation mit einer Monarchie ein, die an Einheitlichkeit gewann. Die Mutter des Vaterlandes wurde zum personalisierten Bezugspunkt für einen potentiell beunruhigenden, anonymen Staatsapparat, der unverkennbar im Wachstum begriffen war. Das galt nicht nur für die Untertanen in den Dörfern und Städten, denen mit der mütterlichen Kaiserin das ferne Wien nahegebracht wurde, sondern auch für die Eliten am Hof, deren politische Niederlagen sie durch Gesten der Fürsorge abzumildern wusste. Das gerade im engsten Umfeld immer wieder aufs Neue geknüpfte emotionale Band zwischen Kaiserin und Adel, die Einladung zum gemeinsamen Gefühlserleben, schuf die Möglichkeit, Störungen im gegenseitigen Verhältnis zu identifizieren und auszugleichen. Der Erfolg dieser Herrschaftstechnik irritierte kaum jemanden so sehr wie den Preußenkönig. Sein Gesandter Otto Christoph von Podewils hatte Friedrich II. schon früh gewarnt, die kühle Entschlusskraft und vor allem die Beharrlichkeit dieser Ingenieurin der Macht zu unterschätzen. Deren größtes Kapital sei das völlig verfehlte Bild, das sich ihre Untertanen von ihr machten. Man vergötterte sie, so erklärte er bereits 1747, niemals erschien sie in der Öffentlichkeit, ohne dass das Volk sie mit Zurufen empfangen hätte. Indes, so machte er seinem König Hoffnung, ein angenommener Carakter ist schwer aufrecht zu erhalten.40 Das Bild der leutseligen, freundlichen, verletzbaren, fürsorglichen Frau sei nichts als eine Maske. Tatsächlich sei die Kaiserin herrschsüchtig,

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hochmütig und rachsüchtig. In nichts unterscheide sie sich von ihren männlichen Vorfahren. Dass ausgerechnet der Diener eines Königs, der seine Meinung nach Belieben wechselte und der noch jeden Bündnispartner betrogen hatte, über die Verschlagenheit der Kaiserin klagte, entbehrte nicht einer gewissen Komik. Dennoch war seine Äußerung bezeichnend. Während ihrem Gegenspieler der fintenreiche Wechsel der Masken, die Lüge auf offener Bühne verziehen wurde, dieses Verhalten bei vielen Zeitgenossen sogar Bewunderung auslöste, konnte sich Maria Theresia Ähnliches nicht leisten. Von ihr wurde eine mütterlich-weibliche Auslegung des Königsamtes erwartet – jede Abweichung davon wurde von ihren Gegenspielern gnadenlos ausgenutzt. Ihre Fähigkeit, eigene Vorstellungen umzusetzen, und damit ihre Macht als Politikerin hing wesentlich von ihrer Fähigkeit ab, das Bild, das sich andere von ihr und ihrem Verhalten machten, zu bestimmen. Wer die Wahrnehmung des Publikums lenken wollte, musste bei der Gestaltung der Bühne ansetzen. Es galt, die eigene Person in den richtigen Kontext zu stellen, ihre Worte und Gesten durch Bilder und Statuen zu ergänzen, durch Beifall und Nachahmung zu legitimieren, durch Musik, Tanz und Glanz zu überhöhen.

Maria Theresia Die Sonne des Hofes

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ur Krönung nach Prag – Maria Theresia wird »König von Böhmen«

Der Tross, der die Königin begleitete, war mehr und mehr angewachsen. Neben den eigenen Hofstaat waren Vertreter des böhmischen Adels getreten, und auch ein militärisches Ehrengeleit ritt nunmehr an ihrer Seite. Erste Gesten des Willkommens hatte das erlauchte Paar huldvoll entgegengenommen. Nur noch eine halbe Stunde war Maria Theresia vom goldenen Prag, jener umkämpften Stadt, deren Besitz sie ihren Feinden abgerungen hatte, entfernt. Noch war der Krieg nicht gewonnen, Böhmen würde sie jedoch nicht wieder aus der Hand geben. Ohne dieses Königreich musste – in diesem Punkt duldete sie keinen Widerspruch – das Haus Habsburg zugrunde gehen, und so hatte sie ihre Generäle angewiesen, den Krieg ohne Schonung zu führen, auch um den Preis der Verwüstung Böhmens. Als die Stadt schließlich vom Feinde zurückerobert worden war, ließ sich dies in Wien als kriegsentscheidender Triumph feiern. Wer dachte, Habsburg sei verloren, sah sich getäuscht, und die Königin setzte zu einem Strafgericht an. Jene, die dem bayerischen Rivalen 1741 voreilig gehuldig hatten, mussten zittern. Tatsächlich ließ die Königin Untersuchungen anstellen und verhängte Sanktionen. Neben restriktive Maßnahmen jedoch sollte eine Geste der Vergebung treten. Der böhmische Adel hatte sich mit dem Haus Habsburg zu versöhnen, und das geschah am besten durch eine prachtvolle Krönungszeremonie. Mit einem Fest der Unterwerfung und der Gnade, des Eides und der Privilegienerneuerung sollte das alte Band des Vertrauens neu geknüpft werden.1 Für einige Tage wollte Maria Theresia ihren Hof nach Böhmen verlegen, dort residieren und sich mit den Insignien der Macht ausstatten lassen. Noch – man schrieb den 29. April 1743 – war sie nicht am Ziel ihrer Reise

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angekommen. Die Türme des Kleinods an der Moldau waren noch nicht zu sehen.2 Der Hof blieb gleichwohl voll funktionsfähig. Wie in der Hofburg speiste sie auch auf offenem Feld in ihrer Antikammer, nur dass es sich hier um ein Zelt handelte. Es war von ihrem Hofschneider im türkischen Stil hergestellt und mit Dielen ausgestattet worden. In seinem Inneren saß das kaiserliche Paar an einem Tisch, der mit rotem Samt bespannt und mit Goldarbeiten geschmückt worden war. Nach dem Mahl zog sich die Monarchin wie immer in ihr Arbeitszimmer zurück, um Briefe zu lesen, zu beantworten und Befehle zu erteilen. Böhmens Stände hatten für diesen Zweck ein weiteres Zelt errichten lassen. Für kurze Zeit war auf der grünen Wiese ein Palast aus Textilien entstanden – Zentrum eines Reiches, das von Ungarn bis Brüssel reichte. Nur kurz hatte der Zug hier verharrt, nun begannen die Reiter ihre Pferde wieder bereit zu machen. Es ging in die Hauptstadt. Jubel umbrandete die Monarchin, begeisterte Bürger suchten die Tatsache vergessen zu machen, dass sie noch zwei Jahre zuvor dem Feind die Treue geschworen hatten. Die Königin ertrug es mit freundlichem Lächeln. Es galt, gewinnend aufzutreten und nicht etwa zu provozieren. Maria Theresia gab sich als Inbegriff der Kontinuität. Dass sie sich anschickte, als erste Frau in der Geschichte Böhmens zur souveränen Herrscherin gekrönt zu werden, wurde geschickt überspielt. So nahm sie wie selbstverständlich das Reichsschwert entgegen und ließ sich während des Krönungsaktes als König und nicht etwa als Königin von Böhmen titulieren. Neben dergleichen zeremoniellen Geschlechtsumwandlungen traten die traditionellen Akte der Huldigung und des Krönungseides. Die junge Habsburgerin ließ keinen Zweifel daran, dass mit ihrer Thronbesteigung die alte Rechtsordnung Böhmens zugleich erneuert und garantiert wurde. Rechtsakte und Festlichkeiten gingen während ihres Aufenthalts in Prag Hand in Hand, das gemeinsame Erleben, die Emotionen der Rührung, der Begeisterung und der Freude sollten das Band der Treue ebenso stärken wie der kühle Interessenausgleich. Dass sie in Prag nicht mehr im Zelt residierte, verstand sich von selbst. Maria Theresia wohnte in der alten Königsresidenz hoch über der Moldau, dem Hradschin. Seit dem Tod Kaiser Rudolfs II. hatte er den Habsburgern nicht mehr als permanenter Herrschersitz gedient. Nur sporadisch, meist aus Anlass von Krönungsfeierlichkeiten, erwachte der königliche Glanz zu neuem Leben.

Bewegungsprofil einer Monarchin   •   157

Wollte der böhmische Adel sich seiner Lehnsherrin nähern, musste er üblicherweise nach Wien ziehen. Zwischen Brüssel und Pressburg befanden sich unzählige Palastanlagen, die ihres Herrschers harrten. Noch im 16. Jahrhundert waren sie von habsburgischen Nebenlinien oder gar von reisenden habsburgischen Monarchen dauerhaft oder zeitweise genutzt worden. Die Nebenlinien waren ausgestorben, das Reisekönigtum wurde aufgegeben. Niemand sehnte sich nach der hektischen Verlegung eines rastlosen Hofes zurück. Dies waren immens teure Unternehmungen gewesen, denn ein Mo­ n­arch oder eine Monarchin reiste nicht allein. Ein fester Kreis von Beratern und Bediensteten fuhr mit, andernfalls drohte die Reise in ein anderes Land die Berechenbarkeit herrschaftlichen Handelns zu gefährden. Anderen Interessengruppen und fremdem höfischen Regelwerk ausgeliefert, würde ein Herrscher dem Druck der Gastgeber nicht widerstehen können und seine Entscheidungen deren Ansprüchen anpassen. Die notorisch reiseunlustige Maria Theresia war sich dieser Gefahr wohl bewusst. Nur wenn es unbedingt notwendig war, zeigte sie sich zum Besuch einzelner Landesteile bereit3: für Krönungszeremonien etwa oder wenn sie unbedingt Geld brauchte – so geschehen 1764, als sie den ungarischen Adel zu Mehrausgaben für die habsburgischen Heere zu bewegen suchte.4 Selbst in diesen Fällen wurden die Besuche jedoch so kurz wie möglich gehalten, und das Umfeld des Aufenthalts wurde dem Wiener Vorbild angepasst. Die Bühne der Monarchie sollte stabil bleiben. Paläste, die der Kaiserin kurzzeitig als Residenz dienen sollten, wurden daher tiefgreifenden baulichen Veränderungen unterzogen. Prag, Pressburg, Ofen oder Innsbruck wurden nach stets wiedererkennbarem Muster umgestaltet. Wo immer die Kaiserin sich aufhielt, sollte die Bühne, auf der sie sich bewegte, ihren Vorgaben entsprechen.

B

ewegungsprofil einer Monarchin

Noch in der Bewegung war dem Hof somit ein Element der Statik eigen. Das galt nicht nur für den reisenden Hof, sondern auch für die Selbstinszenierung der Monarchin in ihrer Residenzstadt Wien. Jene Mo­ n­archin, die sich scheute, nach Böhmen oder Ungarn zu reisen, entfaltete beeindruckende Energie, wenn es galt, die weitläufige Schlösserlandschaft an der Donau auszunutzen.

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Das entsprach durchaus der Tradition: Seit Leopold I. hatten die habsburgischen Monarchen ihre Residenzen in regelmäßigem Turnus gewechselt. Karl VI. etwa nutzte die Wiener Hofburg als Winterschloss, reiste im Frühjahr in das rund zwanzig Kilometer entfernte Laxenburg, um dann in seine Sommerresidenz Schloss Favorita (heute Theresianum) zu ziehen. Schloss Ebersdorf schließlich bildete für einige Wochen im Herbst seine Jagdresidenz. Seine Tochter behielt den jahreszeitlichen Wechsel bei, konzentrierte sich jedoch auf zwei Hauptresidenzen: die Hofburg und Schloss Schönbrunn. Der steinerne Koloss in der Wiener Innenstadt hatte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts durch zahlreiche Um- und Anbauten in ein Labyrinth der Macht verwandelt. Dass Maria Theresia ihm nichts abgewinnen konnte und den Aufenthalt in ihrer Sommerresidenz Schönbrunn nach Kräften ausdehnte, war wenig erstaunlich. Die baulichen Möglichkeiten der Hofburg waren im Wesentlichen ausgereizt: Hatte noch Leopold I. hier eigene Akzente setzen können, blieb seinen Nachfolgern allenfalls die Möglichkeit, das Bestehende zu variieren.5 Maria Theresia ließ beispielsweise die Decken erhöhen. Dergleichen Retuschen konnten das Grundproblem der Innen­ architektur des Leopoldinischen Flügels, in dem die Monarchen residierten, jedoch nicht verdecken: Die Hofburg war als Residenz eines Kaisers gebaut worden, nun jedoch wohnten hier zwei Souveräne: ein Mann und eine Frau. Daraus ergab sich eine Reihe von Problemen: So war für Audienzen bei einem Souverän in der Hofburg zwingend der Ratssaal als Ort des Geschehens vorgesehen. Maria Theresia und Franz Stephan mussten diesen Raum daher umschichtig nutzen – ein Umstand, der die Geduld der Beteiligten immer wieder strapazierte.6 Dessen ungeachtet blieb die Hofburg als steinerner Erinnerungsort habsburgischer Größe eine unverrückbare Säule monarchischer Präsenz.7 Das Gewirr von Räumen und Höfen, das den Gestaltungswillen von Generationen von Habsburgern dokumentierte, zu zerschlagen oder zu vernachlässigen, verbot sich für Maria Theresia von selbst. Zudem war die zentrale Lage von hohem Reiz, erleichterte sie es dem Kaiserpaar doch, seine diversen Verpflichtungen in der Stadt und im unmittelbaren Umland wahrzunehmen. Wie wichtig dies war, zeigt ein exemplarischer Blick in den Terminkalender Maria Theresias. Die Monate März bis Mai 1745 verliefen nicht außergewöhnlich, im Gegenteil: Sie demonstrieren das rege Unterwegssein des monarchischen Paares

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in und um Wien idealtypisch. Der März begann mit Festivitäten, Gottesdiensten und Empfängen, die sich in der Hofburg abspielten. Die Monarchin erholte sich noch von den Strapazen der Geburt ihres siebten Kindes Karl Joseph. Die diesem zu Ehren am 17. März veranstaltete Illumination in der Stadt wurde dessen ungeachtet auch von ihr bewundert.8 Drei Tage später reiste sie nach Schönbrunn, gab dort ein Essen, um noch am Abend in die Hofburg zurückzukehren. Zwischen dem 23. und 27. März waren religiöse Verpflichtungen zu erfüllen. Die Königin begab sich auf eine von heftigem Schneefall beeinträchtigte Wallfahrt zum zwei Tagesreisen entfernten Mariazell, verweilte nach ihrer Rückkehr nach Wien wieder in der Hofburg, um vier Tage später, am 31. März, erneut in die Kutsche zu steigen und einen Tagesausflug in das acht Kilometer entfernte Schloss Hetzendorf, den Wohnsitz der Königinmutter, zu unternehmen. Den April bestimmten vor allem die Karwoche und das Osterfest, aber auch Gesellschaften und Ausflüge. Eine erste Feier, die die Monarchin in die Stadt führte, fand am Freitag, dem 2. April, bei den Paulanern statt, die ihr Patronatsfest begingen. Es folgte etwas Entspannung: Am Morgen des nächsten Tages brach die königliche Familie nach Schloss Möllersdorf auf. Der Schwager Maria Theresias lud zum Mittagessen und danach zum Kartenspiel. Am Abend ging es nach Schloss Laxenburg, in dessen Garten die Gesellschaft spazieren ging. Bereits der nächste Morgen war wieder von einem Akt demonstrativer Frömmigkeit geprägt. Man feierte den »Schwarzen Sonntag«, der von Maria Theresia traditionell in der Jesuitenkirche im Rahmen einer eindrucksvollen »Todangstandacht« begangen wurde. Den Sonntagnachmittag füllte ein Ausritt durch den Prater aus. Die Zeit der Frühlingsausflüge, die in der Stadt große Beachtung fanden, begann. Nur wenige Tage später – am Donnerstag, dem 8. April, unternahm Maria Theresia gemeinsam mit der Gräfin Daun eine Kutschfahrt im modischen Biroccio durch die Gärten der Leopoldstadt. Am 11. April war Palmsonntag. Der Gottesdienst mit Palmweihe fand wie jedes Jahr in Gegenwart des kaiserlichen Paars in der Augustiner-Kirche statt, die von der Hofburg aus direkt zugänglich war. Dort feierte die Königin auch die übrigen Gottesdienste der Karwoche, in deren Mittelpunkt die drei sogenannten Pumpermetten zwischen Gründonnerstag und Karsamstag standen. In ihnen brachte das Kirchenvolk durch Lärmen auf den Kirchenbänken seine Empörung über den Verrat des Judas zum Ausdruck. Nicht minder popu-

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lär war ein weiterer mit der Karwoche untrennbar verbundener Brauch: Am Gründonnerstag lud die Königin zwölf arme Frauen im Alter zwischen 74 und 93 Jahren in die große Ratsstube der Hofburg und wusch ihnen die Füße. Ihr Mann tat dasselbe im Rittersaal bei zwölf armen Männern.9 Während der Karwoche öffnete sich die Burg damit symbolisch – die Monarchin brachte ihre Verbundenheit mit der Stadtgemeinde zum Ausdruck. Frömmigkeits­ akte prägten diese Zeit des Jahres. Lediglich am Montag nach Palmsonntag hatte die Königin kurz die Möglichkeit, eine Spazierfahrt zu unternehmen. Der Höhepunkt des Monats rückte heran. In einem prachtvollen Gottesdienst im Stephansdom wurde der Ostergottesdienst zelebriert. Neben der königlichen Familie waren selbstverständlich auch die Ritter vom Goldenen Vlies anwesend. Der Höhepunkt des Kirchenjahres erhielt in diesem Jahr eine besondere Note, wurde doch die Feier der Auferstehung Jesu Christi zum Anlass genommen, der Auferstehung des Hauses Habsburg zu gedenken. Der Sieg seiner Waffen war zugleich ein Zeichen, dass der Segen Gottes noch immer auf dem Hause Habsburg ruhte. Der Kardinal stimmte das Te Deum an, während das Militär vor der Kirche Salutschüsse abfeuerte und die Kanonen der Stadtwälle im Triumph gezündet wurden. Es war ein rauschendes Fest des Sieges über den Tod, nach dessen Abschluss sich das königliche Paar in die Hofburg zurückzog und sich erst am Nachmittag bei einer Kutschfahrt am Treiben auf den Straßen ergötzte. Mit dem Ende der Osterfeierlichkeiten konnte die Königin sich etwas aus der Stadt zurückziehen. Der Hof bezog am Freitag, dem 23. April, das neue Sommerpalais in Schönbrunn. Schon am Samstag kehrte die Monarchin jedoch in ihre Winterresidenz zurück, um mit ihrer Familie das Fest des hl. Georg in der Hofkapelle zu feiern. Immer wieder führten geistliche Pflichten sie in die Stadt. So etwa die Andachten im Stephansdom, die sie zwischen dem 25. und 27. April pro felici bello incognito besuchte. Auch am darauffolgenden Sonntag Misericordias Domini nahm sie gemeinsam mit ihrem Mann an der heiligen Messe in der Stadt teil, diesmal bei den Franziskanern. Zum Mittagessen ging es zurück nach Schönbrunn und am Abend zu einem Theaterbesuch wieder in die Burg. Die Nacht verbrachte das Paar in der Sommerresidenz. Am 5. und 6. Mai folgten Besuche bei der Königinmutter und einem Teil der Kinder, die in der Hofburg verblieben waren. Sie wurden am 13. und 19. Mai erneut von ihrer Mutter besucht, die die Aufenthalte stets zum Anlass nahm, Theatervorführungen beizuwohnen. Mit den Kindern war ein Teil des

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Haushalts in der Stadt verblieben. Auch die Teilhabe der Habsburger am geistlichen Leben der Stadtgemeinde wurde demonstrativ fortgeführt. So besuchte Maria Theresia am 15. Mai das Marienbild bei den Barnabiten und feierte dort die Messe. Kaum in Richtung Schönbrunn aufgebrochen, sei sie – so das Wienerische Diarium vom 22. Mai – in Höhe des Gasthauses »Zum Goldenen Hirschen« dem Curator der Barnabiten begegnet. Der habe sich auf dem Weg in das Karmeliterhaus (heute Salvatorgasse 6) befunden, um dort einem Kranken das Heilige Sakrament zu spenden. Die Königin sei trotz seines Hinweises, dass noch ein beträchtlicher Fußweg von rund einer halben Stunde zurückzulegen sei, aus ihrer Kutsche ausgestiegen und habe den Geistlichen begleitet. Am Ziel angelangt, habe sie im Hof kniend verharrt, bis der Seelsorger das Haus der Kranken wieder verlassen hatte. Dies alles sei unter den Augen der Wiener Bevölkerung geschehen: ein höchst-ruhmwürdig und auferbäuliches heiliges Werk. Das Leben am Hof beschränkte sich, wie dieser kurze Überblick über Maria Theresias Fahrten im Großraum Wien zeigt, nicht auf Festivitäten und Empfänge in den jeweiligen Residenzen. Wiens Plätze, Straßen und Kirchen bildeten vielmehr eine erweiterte Bühne des Hofes, auf der seine Bürger als Komparsen und Mitgestalter wirkten. Besonders eng verzahnt waren die höfische Selbstinszenierung des Monarchen und das städtische Sakralleben. Der vom Kirchenkalender vorgegebene Jahresrhythmus gab dem Kirchenvolk gemeinsame Feiertage und Handlungsmuster vor. Das erzwang Konformität, eröffnete den Teilnehmern aber auch Möglichkeiten der Selbstprofilierung. Maria Theresia wusste dies wie ihre Vorgänger zu nutzen. Sie war während der kirchlichen Feste in der Stadt sichtbar und wusste sich zugleich als demütige Repräsentantin der Gemeinde zu inszenieren, als eine von Gott gesegnete Königin voller Demut, die gerade deshalb auf Gottes Gnade hoffen durfte. Wie kein anderer Ort symbolisierte die Mariensäule im Hof diesen Anspruch. Von Leopold I. konzipiert und gestiftet, wurde sie zum Zentrum der Marienfrömmigkeit in der Stadt. Ob zu Lichtmess, Mariä Verkündigung, Mariä Geburt oder Mariä Empfängnis, stets wusste sich die Königin als demütigste aller Dienerinnen der Gottesmutter zu präsentieren. Bei all diesen öffentlichen Auftritten spiegelte sich die soziale Postion der Teilnehmer peinlich genau wider. Wer gemeinsam mit der Monarchin die Kirche betreten durfte, wer mit ihr betete und wer zurückzutreten hatte – all dies war minutiös geregelt. Die ständische Ordnung und vor allem die heilige Distanz gegenüber der Monarchin wurden in diesen sakralen Spektakeln jeweils aufs

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Neue zementiert. Zugleich ergaben sich immer wieder Situationen gemeinsamen Erlebens, wie etwa beim Lärmen während der Pumpermessen. Dies war notwendig, sollte die Anerkennung sozialer Distanz nicht in Gleichgültigkeit münden. Wien, seine Plätze und Kirchen waren unentbehrliche Bühnen der mo­ n­archischen Selbstdarstellung. Die Stadt hatte aber noch mehr zu bieten: In ihren Mauern und innerhalb ihrer Grenzen befand sich eine große Zahl von Palästen, die dem Hof immer neue Möglichkeiten gaben, sich selbst neu zu erfinden. Maria Theresia hatte diese klar erfasst und wusste sie optimal zu nutzen. Besonders beliebt war Laxenburg, das im Frühjahr und im Herbst jeweils für einige Wochen besucht wurde – sei es, um der Falkenjagd auf Reiher, der sogenannten Reiherbeitze, nachzugehen, sei es, um das Theater im Schloss zu nutzen.10 Eher selten wurde Schloss Belvedere genutzt, das seit 1752 im Besitz des Hauses Habsburg war. Immerhin wurde die imposante Anlage 1770 Schauplatz der luxuriösen Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Erzherzogin Maria Antonia und dem französischen Thronfolger, der sich durch einen Gesandten vertreten ließ. Zu den am häufigsten besuchten Palastanlagen außerhalb Wiens zählten das 1755 von Maria Theresia erworbene Schloss Hof, dessen Gartenanlagen zu den schönsten und größten Europas gehörten, sowie das benachbarte kaiserliche Jagdschloss Niederweiden. Die Monarchin wirkte jedoch nicht nur als Gastgeberin, sie folgte auch Einladungen des Hochadels. Immerhin befand sich im Umkreis von Schönbrunn eine Reihe von Landsitzen, die von der Kaiserin immer wieder mit einem Besuch gewürdigt wurden.11 Nicht nur die adligen Lustschlösser luden zum Verweilen ein, auch die Stadtpaläste der Hocharistokratie wusste die Kaiserin in ihrem Sinne mitzunutzen. Genannt sei das Palais Schwarzenberg, ein Wunderwerk der Architektur, dessen bezaubernde Gärten weithin Berühmtheit erlangten: Maria Theresia brachte dort – in Schönbrunn waren Bauarbeiten im Gange – zeitweise ihre beiden jüngsten Kinder unter, die sie regelmäßig zu sehen versuchte.

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chloss Schönbrunn – ein Gegenentwurf zu Versailles

Wien stellte der Monarchin damit eine große Zahl von Bühnen zur Verfügung. Aufgabe ihrer Residenzen, jener Schlösser also, in denen sie regelmäßig nächtigte, war es, der ruhelosen Bewegung im Raum einen Be-

Schloss Schönbrunn – ein Gegenentwurf zu Versailles   •   163

zugspunkt zu geben. Die Residenz gab dem monarchischen Leben Kontinuität. Sie vereinigte das Unvereinbare und stellte ein Gesamtkunstwerk dar, das von der Monarchin in besonderem Maße mitgestaltet wurde. Die Sommerresidenz Schloss Favorita, in dem die Königin aufgewachsen war, besaß nicht die bleierne, symbolisch aufgeladene Präsenz wie das Stadtschloss. Sie war ersetzbar. Nach ihrer Thronbesteigung begann in der Tat die Diskussion über den Bau einer neuen Palastanlage, die auf die besonderen zeremoniellen und propagandistischen Anforderungen, denen die Monarchin zu begegnen hatte, zugeschnitten sein sollte. Graf Tarouca schlug vor, Schloss Belvedere zu erwerben und es mit den Schwarzenbergischen Gärten, Schloss Favorita und dem Konvent der Salesianerinnen in einem riesigen Gesamtkomplex zu vereinen. Einen »Espèce de Sérail« nannte Tarouca diese Palaststadt vor den Toren Wiens mit einer gebührenden Portion Ironie – verglich er sie doch mit dem riesigen Baukomplex am Bosporus.12 Der Plan scheiterte an dem zu diesem Zeitpunkt noch horrenden Kaufpreis, den die Erbin des Belvedere forderte. Erst 1752 wurden beide Seiten handelseinig. Mittlerweile war die Idee einer Palaststadt in Wien zugunsten einer anderen Option verworfen worden. Die Königin entschied, in einen bislang unvollendeten Traum zu investieren, der ihr 1736 von ihrem Vater zur Hochzeit geschenkt worden war:13 Schloss Schönbrunn, das schon zu diesem Zeitpunkt eine bemerkenswerte Vergangenheit aufwies. Mitte des 16. Jahrhunderts hieß der Herrensitz noch Katternburg, erst Maximilian II. benannte ihn um. Er hatte das Anwesen am Fuße des Wienerwalds als Jagdresidenz erworben und genutzt. Seine Nachfolger bauten es vorsichtig aus, wobei Schönbrunn unter der Regentschaft Ferdinands II. und seiner Gattin Eleonore von Gonzaga eine erste musische Blüte erlebte. 1683 – im Zuge der Belagerung Wiens durch die Türken – versank der Bau in Schutt und Asche. Dass der Wiederaufbau Schönbrunn deutlich aufwerten sollte, zeigte sich, als Leopold I. 1687 dem jungen Grazer Architekten Johann Bernhard F ­ ischer den Auftrag erteilte, für seinen Sohn, den neu gewählten römischen König, eine eigene Residenz zu entwerfen. Fischer präsentierte den Entwurf eines Schlosses von 73 Fensterachsen, mit vier Flügeln und drei Ehrenhöfen. Vom Gloriettehügel aus sollte es möglich sein, bis zur ungarischen Grenze zu blicken. Finanzierbar war dieses Projekt selbstverständlich nicht, was dem Architekten wohl von vornherein klar war. Seine Pläne dienten nicht der Realisierung dieses Phantasieschlosses, sondern bedeuteten ein Bekenntnis

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zur imperialen Größe Habsburgs, das nun durch eine offensive Baupolitik Frankreich attackieren konnte. Wer Versailles schlagen wollte, musste größer und beeindruckender als der Sonnenkönig bauen. Schönbrunn war zur Bühne dieses symbolischen Rückeroberungskrieges auserkoren worden. Immerhin stimmte der Kaiser dem Bau eines sehr viel kleineren, aber durchaus ausbaufähigen Palastes zu, der auf den Grundmauern des niedergebrannten Gebäudes um 1700 für den ältesten Sohn des Kaisers errichtet wurde. So blieb Schönbrunn – ab 1711 Witwensitz von Josephs Frau – ein Erinnerungsort für das noch unerfüllte Versprechen der Habsburger, den ersten Rang unter den Herrschern Europas zurückzugewinnen. Bereits 1743 machte sich Maria Theresia daran, an diese Verheißung anzuknüpfen. Die von ihr initiierten, überwachten und mitgestalteten umfangreichen Baumaßnahmen führten zu einer deutlichen Erweiterung des Gebäudes, das schon in der Frühphase als königlich-kaiserliche Residenz konzipiert worden war. Der Großauftrag hielt die Bauherrin bis 1749 in mehrfacher Hinsicht in Atem. So behinderten sich die von ihr beauftragten Architekten gegenseitig. Neben dem Finanzierungsproblem gab es Auseinandersetzungen um Zuständigkeiten, Konflikte mit Anwohnern und viele andere Dinge mehr, die bauliche Großprojekte bis heute aufhalten. Zudem gab es immer wieder Streit um das ikonographische Programm, aber auch über die Raumaufteilung, die von Franz Stephan nach einer ersten Besichtigung empört verworfen wurde. Während die Handwerker den Palast völlig umgestalteten, waren seine Bewohner weiterhin dort ansässig.14 Das war auch angesichts des steigenden Raumbedarfs der wachsenden Familie alles andere als unproblematisch. Am Ende hatten sich die Umstände jedoch gelohnt. Um 1749 war aus dem ehemaligen Lustschloss Schönbrunn eine Residenz geworden, die Tarouca selbstbewusst mit Versailles verglich (s. Abb. 8).

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aumfolge und Raumausstattung – Öffentliches und Privates

Das Zentrum, gleichsam das Allerheiligste der Gesamtanlage, lag im Süden des Ostflügels. Hier war das Schlafzimmer untergebracht – jener Raum also, in dem der Monarch in todesähnlichem Zustand verharrte, um jeden Morgen von Neuem aufzuerstehen. Um die Besonderheit des habsburgischen Palastes zu verdeutlichen, sei ein kurzer Vergleich mit Versailles gestattet. Dort bildete das Lever (von franz. se lever, aufstehen) einen

Raumfolge und Raumausstattung – Öffentliches und Privates   •   165

der Höhepunkte höfischer Selbstdarstellung. Wer am Bett des Königs stand, gehörte zu den Vornehmsten des Landes. Nicht weniger als vierzehn Personen waren zuweilen anwesend. Es wurde gebetet, die Gesundheit des Königs untersucht, Perücken und Kleider wurden für den Tagesanlass ausgesucht und angelegt. Der Ort des Geschehens war dabei kaum als intim zu bezeichnen, es herrschte vielmehr ein reges Kommen und Gehen. Das Bettgemach war hier zu einem säkularen Weiheort geworden, wobei die Schlafräume des Königs strikt von jenen der Königin getrennt waren.15 Am habsburgischen Hof war es völlig anders: Das Schlafzimmer Ihrer Majestät war ein Rückzugsraum, in den nur Familienangehörige, engste Vertraute oder besonders bevorzugte Besucher Zutritt hatten.16 Der Monarch oder die Monarchin schlief, speiste und beriet hier – zeremonielle Funktionen hatte der Raum nicht. Auch von einem Ritual des Aufstehens konnte keine Rede sein. Selbst der standesbewusste Karl VI. ließ sich in der sogenannten Retirade lediglich ankleiden, rasieren und kämmen. Einziges Kennzeichen seines Ranges war, dass er dabei selbst nicht Hand anlegte, abgesehen vom Zuknöpfen der Beinkleider. Von einem feierlichen Akt konnte keine Rede sein. Sein Schwiegersohn Franz Stephan gestaltete das Ankleiden sogar noch nüchterner: Am Morgen wollte er außer seinem Kammerdiener niemanden um sich haben. Seine Kinder, die am Hof aufwuchsen, sahen dies ähnlich. Noch seine jüngste Tochter Marie Antoinette zeigte sich am Hofe in Versailles unangenehm von der Anwesenheit so vieler Menschen bei ihrer Morgentoilette berührt. Auch die Trennung der Bettgemächer, wie sie in Frankreich üblich war, war in Wien eher ungewöhnlich. Kaiserin und Kaiser schliefen hier entweder in einem Raum oder aber wie in Klosterneuburg in zwei nahe beieinander liegenden Gemächern.17 In Schönbrunn wurde diese Nähe noch einmal auf die Spitze getrieben, indem das gemeinsame Schlafzimmer und Beilager vor aller Welt die Harmonie des kaiserlichen Paares demonstrierte. Der Raum erhielt damit eine unverkennbar politische Bedeutung – weit mehr, als dies bei den Vorfahren der Kaiserin der Fall gewesen war. Immerhin ruhten hier zwei Souveräne. Was Kaiserin und Kaiser im Schlafgemach besprachen und was sie taten, war für das Reich von vitaler Bedeutung. Gerade dadurch, dass Informationen darüber, was hier ablief, kaum zu erhalten waren, blühten die Spekulationen. Der Hof sammelte jeden nur möglichen Anhaltspunkt, um Informationen über das kaiserliche Eheleben zu erhalten, aber auch darüber, welchen Rat der Kaiser seiner Frau wohl in politischen Dingen gab und ob sie ihn befolgte. Hier wurde aber auch der Bestand der

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Dynastie gesichert. Das Reich und Österreich trafen einander im Schlafgemach. Es war ein Ort der Fruchtbarkeit, aber auch eine Stätte der Kontrolle, in der die gekrönte Herrscherin ihren Mann zur Erfüllung seiner Pflichten anhalten konnte, was ihr offenkundig keine Schwierigkeiten bereitete. Schönbrunn besaß fünf Stockwerke mit insgesamt 307 Räumen. Die offiziellen Arbeits-, Wohn und Repräsentationsräume des kaiserlichen Paares lagen in der Beletage. Zu ihnen gelangte der Besucher am einfachsten über die Blaue Stiege im Westteil des Gebäudes. Der Weg zu einer Audienz führte von dort weiter durch das Laternenzimmer. Hier verließ man den Westflügel und ging in den Hauptteil des Palastes. Der Blick des Betrachters wurde nun unwillkürlich gefesselt von der Pracht der Großen Galerie, die das Herzstück des Paradeappartements bildete, jenes Teils des Gebäudes, in dem zeremonielle Handlungen stattfanden. Vierzig Meter lang und knapp zehn Meter breit, bildete die Große Galerie die Bühne eines Spiels, bei dem der Monarch sich als Inkarnation göttlicher Ordnung verehren ließ und die ständische Differenz zementiert wurde (s. Abb. 9). Unmittelbar an diesen repräsentativen Raum angrenzend und von ihm nur durch eine Tür getrennt, befindet sich die Kleine Galerie. Sie war nicht mehr Teil des Paradeappartements, sondern für kleinere, familiäre Anlässe vorgesehen und damit Teil des Gesellschaftsappartements – jenes Schlossteils, der der geselligen Unterhaltung diente. Besucher, die auf eine Audienz warteten, konnten bisweilen durch die Glastür die Kinder der Kaiserin beobachten, die sich hier aufhielten und die Gäste im Palast ebenso neugierig betrachteten wie umgekehrt. Selbst einige scheue Konversationen durch die halb geöffnete Tür soll es gegeben haben. Der Weg zur Audienz und damit zum Privatappartement führte den Besucher zunächst in einen Warteraum, wo sich die Wege der Gäste trennten. Besucher des Kaisers betraten dessen imposantes Vorzimmer, von dem aus es direkt ins kaiserliche Appartement ging. Dieses bestand aus der Ratsstube, in der der Kaiser sich zumeist mit Militärs oder auswärtigen Gesandten traf, und dem kostbar ausgestatteten Ankleidezimmer des Kaisers.18 Von dort führte eine Tür in das erwähnte gemeinsame Schlafgemach des kaiserlichen Paares, das auch die Raumfolge der Gemächer Maria Theresias abschloss. Auch wer sie aufsuchte, musste zunächst zum erwähnten Warteraum vordringen. Von dort wurde er auf den Saal der Leibwache verwiesen. Wer die argwöhnischen Blicke der Militärs ertragen hatte, musste nun noch zwei Vorzimmer überwinden, bevor er den Audienzsaal der Kaiserin erreichte. Diesem war ein wei-

Raumfolge und Raumausstattung – Öffentliches und Privates   •   167

terer, etwas intimerer Raum angegliedert – das heutige Millionenzimmer –, in dem Privataudienzen stattfanden. Dass die Verschränkung der beiden kaiserlichen Appartements zu ungewöhnlichen, von den Zeitgenossen bemängelten Raumarrangements führte, zeigte sich deutlich im Audienzzimmer. Wer es betrat, sah nicht unmittelbar auf den Thron, sondern musste sich um neunzig Grad wenden, um die Majestät oder die Majestäten zu erblicken – ein Bruch mit der Erwartungshaltung der Zeitgenossen. Das vielfache Nebeneinander von Funktionen, die Verschränkung von repräsentativen Räumen, Privatgemächern und Gesellschaftsräumen, die dem Spiel ebenso dienten wie der politischen Beratung, konnte nur mittels eines trickreichen Systems unsichtbarer Räume und Wege funktionieren.19 Die Privatappartements etwa wurden durch eine Vielzahl von Degagements, abgetrennten Räumen für die alltäglichen Arbeiten der Dienerschaft, ergänzt, die miteinander und auch über verschiedene Stockwerke hinweg verbunden waren, was einen geräuschlosen Betriebsablauf gewährleistete. Aber auch die Schlossbewohner selbst besaßen die Möglichkeit zum raschen Wechsel der Bühne: Über die sogenannte Schneckenstiege konnte Maria Theresia rasch in das Mezzaningeschoss gelangen, in dem ihre Kinder Wohnung bezogen hatten – letztere waren nur bei offiziellen Anlässen in den höfischen Betrieb der Beletage eingebunden. Zudem konnte sie sich in ihre Bibliothek oder ins Ankleidezimmer zurückziehen. Das an das gemeinsame Schlafzimmer angrenzende Porzellanzimmer diente ihr als Arbeits- und Spielzimmer. Eine andere, hinter der Wandvertäfelung verborgene Treppe, die sogenannte Kaunitzstiege, wurde ab 1760 vom Staatskanzler genutzt, um von seinen Gemächern im Obergeschoss unbeobachtet zu den Arbeitsräumen Ihrer Majestät zu gelangen. Während Maria Theresias Gegenspieler Friedrich II. die zeremoniellen und gesellschaftlichen Aspekte monarchischer Selbstdarstellung mit dem Neuen Palais räumlich von seinen Privatappartements in Sanssouci trennte, ging Maria Theresia den umgekehrten Weg: Alle Aspekte des kaiserlichen Lebens blieben unter einem Dach, die Grenzen zwischen ihnen wurden sogar spielerisch verwischt, zum Teil auch aufgeweicht. Das strenge Hofzeremo­ niell, wie es noch ihr Vater befolgte, gab es in Schönbrunn nicht mehr, wie ihr Obersthofmeister beklagte.20 Schönbrunn stellte damit einen reizvollen Gegenentwurf zu Sanssouci, aber auch zu Versailles dar. Es war ein Versuch, die Majestät der Monarchie

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durch deren Fähigkeit zur spielerischen Grenzüberschreitung, zum laufenden Maskenwechsel zu unterstreichen. Wie dieses komplexe Spiel verschränkter Bühnen war auch die Ausstattung der Räume – das Mobiliar ebenso wie das Bildprogramm – auf die besonderen Bedürfnisse der Kaiserin und ihres Mannes ausgerichtet. Auch hier galt es, die Ambivalenzen der habsburgischen Monarchie zur Zeit Maria Theresias zu repräsentieren und zu harmonisieren. Mann und Frau, Kaiser und Landesherrin, universaler Ordnungsanspruch und Staatsbildung mussten gleichermaßen dargestellt und in Einklang gebracht werden.

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rt des Staunens – der Hof und die Asienmode

In diesem Augenblick bringt mir der Kaiser etwas Wundervolles. Ich habe viele Sachen aus Indien, aber etwas von solcher Vollkommenheit habe ich in dieser Art noch nicht gesehen; ich schäme mich, Sie zu berauben. Wenn ich nicht wüsste, dass ich Ihnen durch die Annahme eine Freude mache, könnte ich mich nie entschliessen, Sie eines so vollkommenen Gegenstandes zu berauben. Nichts auf der Welt, alle Diamanten sind mir nichts, aber was aus Indien kommt, besonders Lacksachen und auch Stikkereien, sind die einzigen Dinge, die mir Freude machen. Sie werden ihr herrliches Möbel in Schönbrunn sehen, der Turm wandert heute den ganzen Tag mit mir herum, damit ich ihn bewundern kann, und wird neben meinem Kanapee aufgestellt werden, damit ich ihn immer sehen kann. Der hübsche kleine Sittich und der Kanarienvogel sind entzückend und bereiten mir angenehme Minuten. Ich bin Ihnen für all Ihre Geschenke unendlich verbunden.21

Josef Wenzel Fürst von Liechtenstein, einer der engsten Vertrauten Ihrer Majestät und Vater der habsburgischen Artillerie, hatte den Geschmack der Kaiserin getroffen. Das Geschenk, das der Generalkommandierende in Ungarn Maria Theresia im Februar 1753 hatte zukommen lassen – offenbar ein Vogelbauer indischer Provenienz –, war einer Kaiserin würdig. Das Leben eines Fürsten von Liechtenstein bestand darin, zu schenken und beschenkt zu werden, zu dienen und Lohn zu erhalten, Ehre zu verteidigen und Reputation zu erwerben. Habsburgs Monarchen gestatteten ihrem Adel eine Prachtentfaltung, die der französische König mit Ungnade gestraft hätte.22 Der Vater der Kaiserin hatte seinem ersten Diener und Feldherrn, dem Prinzen Eugen, mit

Ort des Staunens – der Hof und die Asienmode   •   169

dem Bau von Schloss Belvedere eine geradezu monarchische Selbstdarstellung gestattet. Die Feste der Esterházy, der Liechtenstein, der Schwarzenberg oder der Kinsky wurden mit einem Aufwand organisiert, der jenem der kaiserlichen Familie kaum nachstand. Für diese entspannte Haltung gegenüber dem Reichtum der Diener durften die Majestäten Gegenleistungen erwarten. Die edlen Familien hatten ihren Herren immer wieder aufs Neue zu beweisen, dass ihre Ehre untrennbar mit jener des ersten Adeligen im Lande verknüpft war. Doch was schenkt man einer Kaiserin? Seine Treue, gewiss, die Teilhabe an den Feiern der kaiserlichen Familie, selbstverständlich. Bei materiellen Zuwendungen wurde es schwierig. Das Geschenk durfte den Schenkenden nicht über den Beschenkten erheben: Ein Liechtenstein konnte einer Kaiserin kaum mit einem Porträt seiner selbst gegenübertreten – umgekehrt war ein solches Präsent durchaus eine Ehre. Exotische Geschenke dagegen waren rar und deshalb durchaus willkommen. Höfe waren gigantische Marktplätze, auf denen Waren – materielle wie immaterielle – bewertet und getauscht wurden. Sie waren Anziehungspunkte für Eliten, die selbst jene, die meinten, schon alles gesehen zu haben, in ungläubiges Staunen versetzten. Höfe brauchten Attraktionen. Was gestern neu und wertvoll war, wurde heute schon mit einem Schulterzucken quittiert. So waren die Impresarios des höfischen Lebens unermüdlich auf der Jagd nach dem Neuen, dem Unbekannten, dem Stilbildenden. Sie liefen der Mode der Zeit, ihrem Stil nicht hinterher, von ihnen wurde vielmehr erwartet, auf Herausforderungen zu antworten, neue Akzente zu setzen und bestehende Stilrichtungen so zu variieren, dass sie etwas erregend Neues darstellten. Der ferne Osten erschien Mitte des 18. Jahrhunderts als unerschöpfliche Quelle, um diesen Innovationsdurst zu stillen. Begonnen hatte die Faszination für chinesische Wandschirme aus Lack, japanische Keramik, indische Buchillustrationen oder persische Stoffe schon im späten 17. Jahrhundert. Gesandte aus fernen Ländern hatten das Spiel mit fremden Gegenständen und Zeichensystemen ebenso forciert wie Handelsreisende, Entdecker und Kolonisten. Am Hof Ludwigs XIV., mehr noch an dem seines Urenkels und Nachfolgers Ludwigs XV., ließen sich König und Adel auf indischen Polstermöbeln nieder, tranken türkischen Kaffee, richteten ganze Räume in chinesischem Stil ein und kleideten sich in fernöstliche Textilien. Der kaiserliche Hof in Wien war Teil dieser Entwicklung: Schon Karl VI. und seine Familie sammelten aus Asien importiertes Porzellan und trachteten danach, dessen Produktion auch in Wien zu etablieren.23 Eine

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Manufaktur wurde errichtet und durch die Gründung einer Fernhandels­ gesellschaft dafür Sorge getragen, dass das Reich der Habsburger nicht von den globalen Handelsströmen abgeschnitten wurde. Zudem wurde Wissen über die Welt außerhalb Europas gesammelt und zur Schau gestellt.24 Die Leidenschaft, mit der sich der französische Adel dem fernöstlichen Kultureinfluss hingab, ließ die Hofburg allerdings vermissen. Die Handelskompanie musste auf englischen Druck geschlossen werden, die Porzellanmanufaktur blieb ein Zuschussunternehmen und die Darstellung des Exotischen auf die Demonstration universaler Kenntnis des Erdkreises beschränkt. Es gab also gerade mit Blick auf die europäische Konkurrenz Nachholbedarf, und Maria Theresia schickte sich an, ihn zu kompensieren. Wie dies geschehen sollte, galt es sorgfältig zu erwägen – Teile des Hochadels hatten bereits auserlesene Sammlungen fernöstlicher Kunst angelegt und diese in die eigene Palastanlage integriert. Der erwähnte Josef Wenzel Fürst von Liechtenstein besaß eine der prachtvollsten Adelsresidenzen Wiens, die er mit einer geschmackvollen Sammlung von Gemälden und Preziosen ausstattete. Ende der 1730er-Jahre hatte er als kaiserlicher Gesandter in Paris gewirkt und dort den französischen Umgang mit fernöstlichen Kunstgegenständen kennengelernt. Das Kaiserpaar ließ sich von den dort gewonnenen Erkenntnissen offenbar anregen – davon zeugt nicht zuletzt der Besuch im Palais Liechtenstein am 29. Juli 1754. Er galt, wie Fürst Khevenhüller notierte, dem Porzellankabinett des Gastgebers.25 Die Majestäten bewunderten die Sammlung des Fürsten und nahmen seine Ratschläge und seine Geschenke entgegen – immerhin planten sie zum Zeitpunkt des Besuchs, ihre Sommerresidenz in Schönbrunn innen neu auszustatten. Rund fünfzehn Jahre nach ihrer Thronbesteigung schickte sich die Kaiserin an, im europäischen Reigen der Höfe eigene Akzente zu setzen und dem Wiener Hof neue Strahlkraft zu verleihen. Dabei galt es, das Wissen des Adels zu nutzen, aber auch seine Unterstützung für ihr Konzept zu sichern.

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hinesisches Porzellan und habsburgische Selbstdarstellung

Japanisches Porzellan oder chinesische Lacktafeln für die Inneneinrichtung eines Palastes zu verwenden, zeugte noch nicht von herausragender Kreativität. Hier passte sich die Kaiserin zunächst nur dem Zeitgeschmack an. Die ebenso kostspielige wie geschmackvolle Ausführung des Vorhabens

Chinesisches Porzellan und habsburgische Selbstdarstellung   •   171

sowie die Form, in der die asiatische Importware in das Gesamtensemble des Palastes eingefügt wurde, waren gleichwohl bemerkenswert: Die beiden um 1760 fertiggestellten chinesischen Kabinette der Kaiserin bildeten intime Rückzugsräume, die sich in unmittelbarer Nähe der beiden zentralen Festsäle des Palastes befanden: der Großen und der Kleinen Galerie. Hier wurde gespielt, hier wurden aber auch politische Konferenzen abgehalten (s. Abb. 10). Gegenstände, die an die Reiche des Fernen Ostens erinnerten, waren damit an Orten der politischen Entscheidungsbildung präsent. Symbole asia­ tischer Kunstfertigkeit und Regierungsweisheit standen den Räten Ihrer Majestät vor Augen. Ähnliches galt auch für den 1766 neu ausgestatteten Privataudienzraum der Kaiserin, der durch aufwendig in Rosenholz gefasste indo-persische Buchmalereien geprägt war. 1765 hatte die Kaiserin das Ankleidezimmer ihres kurz zuvor verstorbenen Gemahls in einen Erinnerungsraum der besonderen Art umgestalten lassen: Neben Porträts hatte sie eine neue Wandvertäfelung in Auftrag gegeben, wiederum aus schwarzen Lacktafeln, die dem Raum dunkle Erhabenheit verliehen. Jeder dieser Räume vereinte asiatische und europäische Einflüsse. In den chinesischen Kabinetten stand importiertes ebenso wie österreichisches Porzellan. Hier wie im Millionen- oder im Vieux-Laque-Zimmer waren die asiatischen Gegenstände zurechtgeschnitten, ergänzt und in ein Umfeld platziert worden, in dem erlesene europäische Handwerkskunst wie etwa die Intarsienarbeiten der Fußböden zu bewundern war. Die luxuriös ausgestatteten Zimmer im Herzen des Schlosses demonstrierten dem Besucher damit nicht nur Stil und Bonität des Gastgebers, sie waren zugleich Schaufenster heimischer Handwerkskunst.26 Die Monarchie präsentierte sich in diesen Räumen als Förderin technologischer Innovation, die fremdes Know-how für die eigene Wirtschaft nutzbar zu machen verstand.27 Darin erschöpfte sich der symbolisch-propagandistische Gehalt der asia­ tisch beeinflussten Raumgestaltung jedoch keineswegs. Sie spiegelte auch das Bemühen der Kaiserin wider, siebzig Jahre nach der letzten Belagerung Wiens durch die Türken die Position der Monarchie im globalen Kontext neu zu beschreiben. An die Stelle des Gegensatzes zwischen christlich und nichtchristlich trat ein sehr viel differenzierteres Weltbild. Das Andere wurde in Schönbrunn nicht mehr als naturverbunden oder barbarisch dargestellt, sondern eher als impulsgebend und interessant. Dies war eine Haltung, die von Stärke zeugen sollte. Außereuropäische Feindbilder waren verschwunden. Die Kaiserin kleidete sich spielerisch selbst in osmanische Gewänder

172   •   Die Sonne des Hofes

(s. Abb. 11) und machte damit deutlich, dass eine Bedrohung durch die Krieger des Sultans nicht mehr zu erwarten war. Nicht weniger interessant als das, was in Schönbrunn zu sehen war, war das, was nicht dargestellt wurde. Der Aufruf zur Christianisierung der Welt etwa fehlte ebenso wie die Warnung vor den stets kampfbereiten Kohorten der Ungläubigen. Stattdessen durfte der Betrachter die Erzeugnisse fremder Großreiche bestaunen. Die Idee einer polypolaren Welt, in der mehr als ein Kaiserreich Platz hatte, war in Schönbrunn geradezu mit Händen zu greifen. Noch in einem weiteren Punkt eröffneten asiatische Kunstgegenstände der Kaiserin die Möglichkeit, subtile Botschaften an den Betrachter auszusenden. China war im 18. Jahrhundert nicht einfach nur ein fremdes Großreich, es war vielmehr eine Projektionsfläche europäischer Reformdenker. In Reiseberichten wurde die Homogenität des Landes und die Macht seiner Herrscher gepriesen. In China regiere eine Zentralgewalt, die auf ständische Privilegien und insbesondere die Macht der Kirche keine Rücksicht nehmen müsse. Aus diesem Blickwinkel betrachtet, ließ sich die Begeisterung Maria Theresias für chinesische Kunst durchaus als Absichtserklärung interpretieren. Auch diese Monarchin wollte offenbar die Krone stärken, um das Land erblühen zu lassen.28 Schönbrunns Bildprogramm und Ausstattung stellten jedoch nicht nur eine Reflexion über die Stellung der Monarchie im eigenen Land, in Europa und in der Welt dar, sie waren zugleich Mittel ganz persönlicher Selbstdarstellung. Wer etwa einen Blick auf die Buchmalereien warf, die dem Millionenzimmer sein exotisches Gepräge gaben, konnte kaum umhin, die zentrale Rolle von Frauen in den hier wiedergegebenen Szenen am Hof des Mogulherrschers zu bemerken29: Wir sehen sie gemeinsam beim Besuch eines Asketen oder umsorgt von ihren Zofen in Gegenwart eines jungen Mannes, der ihre Schönheit bewundert. Sie sind als Dienerinnen des Sultans zu sehen, aber auch als Tänzerinnen, die ihn in ihren Bann ziehen. Frauen waschen hier dem Herrscher die Füße, sie sitzen aber auch auf Podesten und betätigen sich als Autorinnen, oder sie spielen in Gegenwart ihres Geliebten ein Saiten­ instrument. Frauen tauchten auf diesen festöstlichen Kunstwerken weder als Göttinnen noch als dekoratives Beiwerk auf. Auch wurden sie nicht auf ihre Mutterrolle reduziert. Ihnen wurde vielmehr eine Vielzahl von möglichen Rollen am Hofe zugestanden, vor allem aber wurden sie ins Zentrum der Kulturproduktion gerückt. Sie waren Gegenstand der Verehrung und zugleich Künstlerinnen. Sie reizten den Mann zur Tätigkeit, ohne selbst passiv zu sein.

Die knappe Zeit einer Herrscherin   •   173

Jede einzelne dieser Darstellungen war aus dem ursprünglichen Kontext gerissen worden. Wer sie aus den indischen Manuskripten entnahm und zurechtschnitt, wissen wir nicht – vermutlich waren es die Kaiserin und ihre Töchter selbst. Sie bastelten sich im wahrsten Sinne des Wortes ihr Bild des fernen Indiens und präsentierten es dem Publikum. Die Innenausstattung eines Kaiserpalastes war eben sehr viel mehr als nur eine Demonstration von Macht, Bonität und Geschmack. Für Maria Theresia bot sie die Möglichkeit, Botschaften zu formulieren. Der Besucher betrat eine steingewordene Regierungserklärung, die eine Vielzahl von Versprechungen und Rollendefinitionen enthielt.

D

ie knappe Zeit einer Herrscherin

Es entbehre sicher nicht einer gewissen Komik, so schrieb Graf Tarouca seiner Monarchin kurz nach der Thronbesteigung, wenn ausgerechnet er, der nach ihren Worten am Tage schlafe und in der Nacht arbeite, für sie einen Tagesablauf ausarbeite. Dennoch habe er, ihr kleiner Pädagoge, die Kühnheit besessen, eben dies zu tun.30 Ihre Nachtruhe sollte, so der Vorschlag, bis 8 Uhr morgens dauern. Nach dem Wecken möge sie ihren Kaffee zu sich nehmen und die Morgenandacht absolvieren, um sich dann um 9 Uhr ihrer Morgentoilette zu widmen. Zwischen 9.30 und 11.30 Uhr sollten Briefe und Berichte gelesen werden. Die Königin, so mahnte ihr Berater, möge sich am Morgen selbst mit Informationen versehen und auf Vorträge tunlichst verzichten – lesen sei effizienter als zuhören. Um 11.30 Uhr wurde in einem Gespräch mit dem Privatsekretär diese erste Arbeitsphase abgeschlossen und die weitere Tagesplanung vorgenommen. Es folgte das Mittagessen zwischen 12.15 und 13.15 Uhr, an das sich ein Kaffeetrinken bis 13.30 Uhr anschloss. Die Mittagsruhe zwischen 13.30 und 14.30 war auf keinen Fall durch Termine zu stören. Die Monarchin sollte diese Zeit zum Spiel mit ihren jüngsten Kindern nutzen. Auch die Zeit zwischen 14.30 und 15.30 Uhr war nach dem Willen Taroucas der Familie vorbehalten. Die Königin konnte in dieser Zeitspanne ihre Mutter oder ihre Kinder besuchen. Besprechungen seien erst ab 15.30 Uhr anzusetzen und sollten bis 18.00 Uhr dauern. Die Erholungsphase von der Regierungsarbeit begann mit dem Beten des Rosenkranzes zwischen 18.00 und 18.30 Uhr. Der Rest des Tages sei dem Nachtmahl, dem Spiel und

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der Ablenkung gewidmet. Um 21.30 Uhr möge die Königin sich zurückziehen und um 22 Uhr zu Bett gehen. Taroucas Plan war auf die Schonung der königlichen Gesundheit und die effiziente Verbindung der höchst unterschiedlichen Ansprüche, die an Maria Theresia gestellt wurden, bedacht. Schon ein flüchtiger Blick auf die einzelnen Tagesetappen mochte jedoch Zweifel nähren, ob sie für eine mit der Kriegsführung eines bedrohten Landes betraute Monarchin realistisch berechnet waren. Wie hatte der Tageslauf einer Königin auszusehen? Das kam auf den einzelnen Tag an: Maria Theresia hatte die Amtspflichten ihres Vaters übernommen und hatte auf die Verhaltenserwartungen ihrer Umgebung Rücksicht zu nehmen. Unverzichtbar war etwa die Teilnahme an den Hochämtern der zahlreichen kirchlichen Feiertage, die die Monarchin und ihr Gemahl gemeinsam mit den Rittern vom Goldenen Vlies zu besuchen hatten. Ausnahmen waren lediglich aus gesundheitlichen Gründen möglich und wurden durch die Tatsache erleichtert, dass die Königin selbst nicht dem Orden angehörte. Auch die sogenannten Galatage zählten zum Pflichtprogramm Maria Theresias.31 Sie umfassten alle Namens- und Geburtstage der kaiserlichen Familie und wurden mit erheblichem Aufwand begangen. Sie begannen mit Empfängen der diplomatischen Vertreter und wurden mit Gottesdiensten, Festbanketten – am Geburtstag Franz Stephans wurde für mehr als 100 Gäste gedeckt –, der Aufführung einer neuen Oper fortgesetzt und endeten mit einem Souper. Joseph II. schätzte 1767 den Kosten- und Zeitaufwand der Galatage als deutlich zu hoch ein und bestimmte, dass künftig nur noch einer im Jahr, der Neujahrstag, begangen werden sollte. Seine Mutter kritisierte dies noch 1770 scharf. Der Rückzug des Kaisers aus dem gesellschaftlichen Leben führe dazu, dass ihm die Kontrolle über den Adel entgleite. Eine steigende Zahl von Unzufriedenen, Eifersucht, Neid und Tratsch seien, so schrieb sie ihrer Tochter Marie Antoinette, die Folgen.32 Zum Zeitpunkt ihrer eigenen Thronbesteigung im Jahr 1740 war ein Eindampfen des habsburgischen Festkalenders ohnehin außerhalb des Denk­ baren. Die Monarchin musste alles tun, um dem Adel Botschaften der Kontinuität zu senden. Sie war in der dichten Abfolge der religiösen Feste, Galatage und Prozessionen gefangen. Wenn Tarouca um 1740 einen Tagesplan für sie aufstellte, so war dies eher idealtypisch zu verstehen – der Graf skizzierte eine mögliche Einteilung der Tage zwischen den unvermeidlichen Feierlichkeiten am Hof. Doch selbst in diesen Zwischenphasen waren ihrer Zeitgestaltung Grenzen gesetzt. Die

Die knappe Zeit einer Herrscherin   •   175

tägliche Messe etwa durfte ebenso wenig versäumt werden wie die Ansprüche der Untertanen auf Audienzen oder die der Räte auf Unterredungen und Entscheidungen. Freiheiten besaß Maria Theresia lediglich in Akzentverschiebungen. Eine erste bestand darin, dass sie, anders als ihr Vater, nur selten an Jagden teilnahm. Ihr Geschlecht ermöglichte ihr diese Möglichkeit des Rückzugs: Als Frau konnte sie, wie es ihre Mutter getan hatte, als Teil der Jagdgesellschaft auftreten, musste es jedoch nicht. Eine weitere Möglichkeit, sich zumindest für einige Zeit aus dem Getriebe von Erwartungen und Pflichten zurückzuziehen, boten ihre sechzehn Schwangerschaften und das nachfolgende Kindbett. Sie erleichterten es der Königin, sich bei Audienzen, Kirchbesuchen und Festivitäten zu entschuldigen. Dies fiel umso leichter, als in diesen Fällen wiederum ihr Gemahl als Stellvertreter fungierte. Hinzu kam eine Vielzahl an zeremoniellen Erleichterungen, die von ihrem Obermarschall Khevenhüller so eloquent beklagt wurden.33 Die von der älteren Forschung gern als Zeichen der Ungezwungenheit des Schönbrunner Hofes beschriebenen Abweichungen vom strengen Hofzeremoniell ihres Vaters waren nicht zuletzt auf die Notwendigkeit eines effizienten Zeitmanagements zurückzuführen. Maria Theresia konnte sich die laufenden Bekleidungs- und Ortswechsel innerhalb der Palastanlagen nicht leisten, immerhin war ein Reich zu verteidigen, eine Verwaltung zu reformieren, der Adel unter Kontrolle zu halten, der Gatte zu lieben und eine Kinderschar zu erziehen. Dass sie eine fleißige Herrscherin war, daran ließen selbst ihre Kritiker keinen Zweifel: Der preußische Gesandte Podewils etwa bescheinigte ihr nicht nur allgemeine Beliebtheit, sondern zeigte sich auch beeindruckt von ihrer Sachkenntnis. Tatsächlich pflegte sie ein intensives Aktenstudium und verfügte in den Schlüsselfragen der habsburgischen Politik über vertieftes Fachwissen. Was sie zu leisten hatte, war immens. Podewils wusste seinem preußischen Auftraggeber am 18. Januar 1747 zu berichten, dass Maria Theresia nicht um 8 Uhr am Morgen, sondern im Winter um 6 Uhr und im Sommer um 4 Uhr aufstand.34 Karoline Pichler, die Tochter der Kammerzofe und Vorleserin der Kaiserin, gibt fünf Uhr an. Kaum aufgestanden, so Pichler, riefe die Kaiserin nach ihren Zofen. Die hatten gekämmt und vollständig angekleidet zu erscheinen, mussten also noch früher aufstehen. Nun ging es ans Frisieren – in dieser Hinsicht muss Maria Theresia eine schwierige Dienstherrin gewesen sein. Auch die Kaiserin, so Pichler, sei schließlich eine Frau gewesen und habe versucht, ihre natürliche Anmut so gut als irgend möglich zur Geltung

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zu bringen.35 Aller Eitelkeit zum Trotz musste es schnell gehen. Auf keinen Fall durften die Dienstgeschäfte versäumt werden. In dieser Hinsicht sei die Kaiserin unerbittlich gewesen. Maria Theresia hasste die Hitze und arbeitete deshalb ständig bei offenem Fenster. Manches Mal, so Pichler, sei Schnee auf die Papiere gefallen, die der Monarchin vorgelesen wurden.36 Der ganze Morgen, so Podewils, sei für Geschäftsbriefe, Berichte und Konferenzen reserviert. Um 13 Uhr, in Krisenzeiten oft erst um 13.30 Uhr nehme sie, meist allein, ein Mittagessen ein. Danach gehe sie spazieren, wiederum allein. Auch der Nachmittag sei mit Dienstgeschäften ausgefüllt. Zwischen 18 und 19 Uhr spiele sie Pharo, nehme dann eine Suppe ein und gehe um 22 Uhr zu Bett. Podewils’ Angaben waren sicherlich ergänzungsbedürftig – die Kaiserin zeigte sich auch um 1747 durchaus regelmäßig ihren Kindern, versäumte selbstverständlich keine Andacht und achtete darauf, auch ihre gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht zu vernachlässigen –, insgesamt waren seine Beobachtungen jedoch richtig. Maria Theresia war eine ausgesprochen fleißige Arbeiterin von schnell zupackendem Verstand. Sie nutzte die ihr zur Verfügung stehende Zeit so effizient wie möglich und nahm dabei auf ihre Gesundheit kaum Rücksicht. Für sie war Schönbrunn vor allem ein Arbeitsort: ein Zentrum der Macht und Ausgangspunkt politischer Entscheidungen. Nicht der Tanzsaal oder die Tafel, sondern der Schreibtisch war der Ort, an dem sie sich bevorzugt aufhielt. Ihre Auftritte jenseits der Politik mussten schon aus diesem Grunde die größtmögliche Wirkung bei geringstmög­ lichem Zeitaufwand erzielen.

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pectacle müssen sein

Ist Prunk dazu da, die Macht zu festigen, oder dient die Macht der Prunkentfaltung? Ist der Monarch der große Regisseur des Hofes oder ist er in dessen Regeln gefangen? Die Antworten, die Historiker auf diese Fragen gegeben haben, sind recht unterschiedlich. Folgen wir den Äußerungen Maria Theresias, so sah sie sich offenbar als beides – als Gestalterin und als Gefangene des höfischen Festkalenders. Spectacle, so schrieb sie im Juni 1759, müssen sein, ohne dem kann man nicht hier in einer solchen großen Residenz bleiben.37 Spektakel – gemeint sind in diesem Zusammenhang Theateraufführungen – waren mehr als Zerstreu-

Spectacle müssen sein   •   177

ungen und Nervenkitzel, vielmehr Ereignisse, die Zuschauer anzogen. Wer ein Theater­stück am Hof gesehen hatte oder überhaupt einem höfischen Ereignis, einem Mahl oder einer Parade beigewohnt hatte, durfte sich erhoben gegenüber jenen fühlen, die außerhalb der Schlosstore bleiben mussten. Dabeisein war bezogen auf den Hof nicht alles, aber doch sehr viel. Auf die Kaskade des Außergewöhnlichen zu verzichten, die den Hof prägte, oder sie zumindest in ihrer Strahlkraft zu beschränken, wie Joseph II. dies später tat, war angesichts der Erwartungen des Publikums riskant. Eine Residenz, eine kaiserliche zumal, musste dem Auge, dem Ohr und dem Gaumen etwas bieten, auch dann, wenn die Kosten dafür immens waren. Dies bedeutete allerdings nicht, dass der höfische Festkalender unverrückbar war und die dort dargebotenen Attraktionen stets dieselben sein mussten, sich also lediglich in ihrer Ausgestaltung vom Vorjahr zu unterscheiden hatten. Tatsächlich besaß die Monarchin in diesen Punkten erheblichen Spielraum – vielleicht sogar einen größeren, als die Vorgänger Maria Theresias ihn je gehabt hatten. Diese waren stets Männer, und zahlreiche Hofereignisse waren vornehmlich männlich konnotiert. Die Königin hatte also die Wahl, Traditionen fortzusetzen oder einzustellen. So überließ sie die Jagd gänzlich Franz Stephan, womit die Bedeutung des Waidwerkes in den Hintergrund rückte. Bei einer anderen Festivität entschied sie anders, durchaus zur Über­ raschung der Zeitgenossen: Die Tradition der Carousselle, Tourniere und anderer Ritterspiele sei, so hieß es in einem von ihr beauftragten Gutachten, von denen ältesten Zeiten her üblich und gebräuchlich gewesen.38 Im Grunde habe der ritterliche Wettkampf seit der Antike den Wesenskern höfischen Lebens gebildet. Dass sich daran bis zum heutigen Tage nichts geändert habe, sei auf den pädagogischen Gehalt des Turniers zurückzuführen: Es erhalte den Adel nämlich in seiner Klarheit und Reinigkeit. Wer hier Erfolg haben wolle, müsse zwangsläufig einen tugendhaften Lebenswandel an den Tag legen – ein den Sinnesfreuden gewidmetes Leben sei ihm unmöglich. Die technischen Fähigkeiten auf der Reitbahn waren zudem nicht käuflich, hier mussten Disziplin, Geschick und Hartnäckigkeit unmittelbar unter Beweis gestellt werden. Der Wettkampf mit anderen, die Unterwerfung unter Regeln und insbesondere unter den Schiedsspruch des Monarchen – dies alles präge die vornehmen Recken. Gewiss habe es immer wieder auch Kritik am Turnier gegeben, doch diese betraf lediglich lebensgefährliche Praktiken des Mittelalters, die längst Teil der Geschichte seien. Dass sich das Turnier von einem lebensgefährlichen und verdammungswürdigen Gemetzel zu einem

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edlen Wettstreit der besten Techniker gewandelt habe, sei nicht zuletzt auf die wohltätige Wirkung der ehrwürdigen Vorfahren Maria Theresias zurückzuführen. Vor allem Maximilian I. und Leopold I. hätten hier Vorbildliches geleistet. Warumb, so fragte der Autor schließlich, sollte das was damahlen denen grösten Kayseren zur Ehre gereichete, wohlanständig und lobwürdig ware, anjetze verächtlich sein? Dass Maria Theresia eine Frau sei, schließe ihre Teilnahme am ritterlichen Wettkampf keineswegs aus, sei sie doch die Monarchin. Die Krone war damit gleichsam geschlechtsneutral: Die Königin konnte sich als dezidiert weibliche Herrscherin darstellen, sie konnte aber auch ihre Weiblichkeit völlig in den Hintergrund treten lassen oder diese im Licht ihres Amtes durch männliche Attribute ergänzen.39 Letzteres zu tun und ihr feminines Profil durch ritterliche Aspekte anzureichern, war für Maria Theresia ungewöhnlich. Es war wohl auf die besondere Situation zurückzuführen, die den Anlass für das sogenannte Damenkarussell vom 2. Januar 1743 lieferte. Die Krone feierte die Rückeroberung Prags – wie erwähnt ein Termin, der als Wendepunkt des Krieges wahrgenommen wurde. Eben dies galt es, der Welt zu verkünden. Es war an der Zeit, dem europäischen Publikum deutlich zu machen, dass diese Monarchin auch männliche, militärische Eigenschaften an den Tag legen konnte. Der genaue Ablauf der Festivität lässt sich dem monumentalen Gemälde Martin von Meytens’ entnehmen, der das Damenkarussell im Auftrag der Monarchin für die Nachwelt festhielt (s. Abb. 12). Maria Theresia führt den Zug der Teilnehmer auf dem Damensattel reitend an. Ihr folgen die übrigen Teilnehmerinnen, die, anders als ihre Königin, nicht hoch zu Pferde, sondern in einer Kutsche sitzen – einem Gefährt zumal, das von einem Kavalier gelenkt wird. Insassin und Wagenlenker befanden sich jedoch ebenso wenig wie die Kaiserin auf einem entspannten Trainingsritt. Tatsächlich war der Parcours, den sie zu bewältigen hatten, technisch und reiterisch anspruchsvoll. Es war indes nicht das Geschick der Damen in den Kutschen, sondern jenes der Monarchin, das am Hof und darüber hinaus große Resonanz hervorrief. Seit die Königin ihre Passion für das Reuten gezeigt habe, so notierte Khevenhüller am 23.  Dezember 1743, hatten unsere Weiber die Rage, es ihr nachzutun. Selbst die 42-jährige Fürstin Maria Aloisa von Lamperg und andere, gleichfalls bedagte Damen des Hofes seien unter dem Vorwand, dies sei gut für ihre Gesundheit, neuerdings im Sattel zu finden. Es sei noch nicht lange her, da seien reitenden Frauen fast alle Kinder auf der Gassen als etwas

Verkehrte Welt – Rollenspiel am Hof der Habsburger   •   179

seltsammen nachgeloffen. Inzwischen hätten sich die Wiener aber an das Bild gewöhnt, und es seien fast mehr Reiterinnen als Reiter auf den Straßen der Stadt zu finden.40 Maria Theresias Spiel mit der Frauenrolle, ihr Bekenntnis zu einer dezidiert weiblichen Selbstdarstellung, die sie geschickt mit einem Ausreizen der Möglichkeiten dieser Rolle kombinierte, strahlte auf den ganzen Hof aus. Frau und Mann wurden im Karussell als ein Team dargestellt, das im ritterlichen Kampf gemeinsam agierte. Dabei wurden Betätigungen, die traditionell männlich konnotiert waren, auch für Frauen, zumindest für Aristokratinnen zugänglich. Angesichts der quälenden Enge und Langeweile des Lebens von Frauen am Hofe, das von Handarbeit, Informationsbeschaffung, Tanz, Spiel, geistlicher Einkehr, Lektüre und sozialer Kontaktaufnahme geprägt war, war dies eine bedeutsame Veränderung.

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erkehrte Welt – Rollenspiel am Hof der Habsburger

Reiterliche Wettkämpfe wie das Damenkarussell blieben ungeachtet der Aufmerksamkeit, die sie erfuhren, am Hof Maria Theresias eine seltene Ausnahme. Ein Ereignis, dem die Zeitgenossen alljährlich mit spannungsgeladener Routine entgegenfieberten, war der Fasching.41 Die Zeit vor der Fastenzeit wurde mit unzähligen Vergnügungen ausgefüllt, so etwa den von den Bürgern der Stadt bestaunten höfischen Schlittenfahrten.42 Einer dieser prachtvollen Umzüge fand am 11. Februar 1754 statt.43 Voraus ritten vier kaiserliche Einspänner, ein Offizier, ein Trupp von Stangenreitern und eine von sechs Pferden gezogene sogenannte Schlitten-Wurst, in der acht Trompeter und ein Paukist dem Spektakel die notwendige akustische Wucht verliehen. Der Spitze des Zuges folgten 32 Schlitten: vornweg der Kaiser und die Kaiserin, begleitet von sechs Edelknappen zu Pferde, dicht hinter ihnen der Erbprinz von Modena und die Schwägerin der Kaiserin, daneben zwei kaiserliche Edelknappen zu Pferde. In den Schlitten hinter der kaiserlichen Familie saßen zunächst die Würklichen Kaiserlich-Königlichen Geheimen Räte, denen die Kammerherren folgten. Das Wienerische Diarium listet sie alle getreulich auf: 3. (Tit.) Hr. Fürst von Trauson die (Tit) Frau Fürstin Kinsky geborene von Hohenzollern. 4. (Tit) Hr. Graf von Weißenwolf, die (Tit) verwittibte Obrist-Hofmeisterin Frau Gräfin von Sinzendorf. 5. (Tit) Hr. Graf Rudolph von Codeck, die (Tit) Fräule von Proskau Kaiserl. Königl. Cammerfräule.

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6. (Tit) Hr. Graf Johan Codeck, (Tit) die Frau Gräfin Rosa von Harrach, Reich-hof-rats-präsidentin. 7. (Tit) Graf Nicolaus Palfi, die (Tit) Fräule von Goes, Kaserl. Königl. Kammer-Fräule. Die Liste der Teilnehmer – hier nur auszugsweise zitiert – liest sich wie ein »Who is Who« der Funktionsträger der Habsburger-Dynastie und des österreichischen, böhmischen und ungarischen Hochadels. Die Schlittenfahrten mit ihren zum Teil höchst interessanten Paarungen waren Festumzüge der besonderen Art: Der Hof feierte sich und die ihn strukturierenden Hierarchien in einem ausgelassenen Spektakel vor der ganzen Stadt. Lärmend, lachend, singend zogen die Schlitten vor den Augen der Bürger vorbei, die durch ihr Zusehen und ihren Beifall zu einem Bestandteil des Ereignisses wurden. Die Schlittenfahrt war kennzeichnend für die Doppelgesichtigkeit des Faschings: Auf der einen Seite zementierte und zelebrierte er die Standesgrenzen, auf der anderen ermöglichte er eine ungewöhnliche Annäherung zwischen Menschen, die sonst kaum Verkehr miteinander hatten. Man sah sich zu und war geneigt, Grenzmarken zu überschreiten. Die verkehrte Welt des bunten Treibens gab Bürgern wie Adligen Raum zu alternativer Selbstdarstellung: Verdrängte, streng kanalisierte Gefühle wurden in neue Bahnen gelenkt, ein soziales und emotionales Ventil wurde geöffnet. Der sich damit entladende Druck war in seiner Stärke kaum zu kalkulieren. Das Spiel bedurfte daher der Regeln und der permanenten Präsenz der Monarchin als deren Garantin. Sie hatte sicherzustellen, dass der anarchische Humor des Faschings und die Anonymität der Maske moralische und soziale Grenzlinien nicht dauerhaft beschädigten oder verwischten. Der Reigen lärmender Festlichkeiten begann unmittelbar nach dem Dreikönigstag. Zu einem rauschenden Fest wurde der Fasching aber erst im Anschluss an die feierliche Andacht an der Mariensäule anlässlich Mariä Lichtmess (2. Februar). Immer lauter, immer schriller feierten ihn die Wiener, bis der Karneval schließlich mit einem wilden Crescendo an drei närrischen Faschingstagen (Samstag, Sonntag und Dienstag) seinen Höhepunkt fand und am Aschermittwoch abrupt endete.44 Der ganze Wohlstand Wiens wurde zwischen dem Beginn des Spektakels und dem Aschermittwoch zur Schau gestellt, insbesondere am Essen wurde nicht gespart. Es war die Zeit der Tänze und des Theaterspiels, vor allem der Burleske, in der vieles erlaubt war, was zu anderer Zeit Ablehnung provoziert hätte.45 Die Masken, das Schauspiel, die Tänze, das Essen, der Alkohol – all

Theater   •   181

dies beherrschte die ausgelassenen Wochen vor dem Beginn der Fastenzeit. In dieser Zeit herrschten andere Regeln – regellos war sie jedoch wie erwähnt keineswegs. Die Kaiserin zeigte sich nicht dazu bereit, die Kontrolle über den öffentlichen Raum an ihre bunt kostümierten Untertanen abzugeben – und sei es auch nur für kurze Zeit. Mitte des 18. Jahrhunderts waren öffentliche Umzüge wie die höfischen Schlittenfahrten daher eine Ausnahme. Der Fasching war in die Häuser abgedrängt worden, und selbst dort suchte die Obrigkeit der Tradition der Vermummung und damit des so gefährlichen Identitätswechsels entgegenzuwirken. Nur noch in der Redoute, dem größten Ballsaal der Stadt, so bestimmte es Maria Theresia 1773, sollte die Maske erlaubt sein. Auch hier allerdings wurden Einschränkungen dekretiert: Nur Männern und Frauen von Stand sollte es gestattet sein, diese besondere Form der Interaktion im scheinbaren Incognito zu betreiben. Dem Adligen musste die Möglichkeit des Maskenwechsels eröffnet werden: Er musste zeigen können, wie geschmeidig er Rollen aufnahm und wieder ablegte. Es verstand sich von selbst, dass die Kaiserin von diesem Spiel nicht Abstand nehmen durfte.46 Im Gegenteil, Ihre Majestät war in Wien nicht nur durch kühne Masken etwa im türkischen Stil (s. Abb. 11), sondern auch für ihre Anmut beim Tanz berühmt.47 Das Spiel – sei es mit der Maske, sei es am Spieltisch – eröffnete den Aristokraten Möglichkeiten, sich auszuzeichnen, und war doch mehr: ein Feld des Wettbewerbs, auf dem die einzelnen Spieler wechselseitig ihre Schwächen und Stärken kennenlernten. Auf dem glatten Parkett des Hofes, dessen Spieler mit dem knappen Gut der Ehre vorsichtig umzugehen hatten, war dies von nicht zu unterschätzender Bedeutung, und so begann das spielerische Training für den Ernstfall schon in Kindertagen.

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Am Nachmittag des 4. April 1745, so notierte Khevenhüler in seinem Tagebuch, sei in der zweiten Antikammer der Hofburg eine Theaterbühne aufgebaut worden. Zu Ehren der Prinzessin Charlotte sei eine kleine Komödie aufgeführt worden, bei der die Kinder des Grafen Thun, eine Tochter des Grafen Colloredo, einer der Söhne des Landmarschalls von Harrach und ein kleiner Kinsky, der den Hanswurst gemacht, mitgespielt hätten.48 Zum Abschluss hätte sein, Khevenhüllers, Sohn Siegmund mit der siebenjährigen

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Tochter Maria Theresias, Erzherzogin Maria Anna, im Ballett getanzt. Unmittelbar nach der Vorführung habe man sich zum Spiegelsaal begeben. Dort hätten die Kinder noch einmal das Tanzbein geschwungen. Am Ende habe man in der Antikammer ein Mahl eingenommen, das den kleinen Darstellern und ihren Eltern vorbehalten war. Die kleinen Aristokraten hatten so auf der Bühne des Hofes das Rollenspiel und einander kennengelernt, wobei schon in Kindertagen aufmerksam beobachtet wurde, wer mit wem auf der Bühne agierte. Zugleich konnte diese Form des Amüsements dazu beitragen, das Verhältnis zwischen den Eltern, die ihren Sprösslingen mit unverkennbarem Stolz zuschauten, zu verbessern.49 Das Theaterleben in Wien beschränkte sich indessen nicht auf dergleichen kindliche Vergnügungen: Opern- und Theateraufführungen waren nach wie vor integraler Bestandteil des Lebens im Haushalt der Monarchin.50 Bereits im Jahr ihrer Thronbesteigung hatte sie die Verwaltung der Bühnen in neue Hände gelegt und dabei den wirtschaftlichen Engpässen der Krone ebenso Rechnung getragen wie dem wachsenden Unterhaltungsbedürfnis der Wiener Bürger. Karl Josef Selliers, Pächter der Bühne am Kärtnertor, sollte auch die Organisation der Hofbühne übernehmen.51 Im Gegenzug erhielt er die Bewilligung, das de facto leerstehende Hofballhaus am Michaelerplatz zu einem Theater umzugestalten, zum Theater nächst der Burg.52 In der Theorie funktionierte diese Verschmelzung von städtischem und höfischem Theaterbetrieb besser als in der Realität. Erst 1748 wurde auf Druck einer Gruppe von Aristokraten unter der Ägide des Barons Rocco lo Presti das Ballhaus so weit renoviert, dass es für einen regulären Theaterbetrieb geeignet war.53 Auch zeigte sich, dass das Vorhaben, die Kosten des Theaterbetriebs an einen privaten Unternehmer weiterzureichen, kaum praktikabel war. Anders als die städtischen Komödien mussten Theater- und Opernaufführungen für ein höfisches Publikum auf die eine oder andere Art und Weise bezuschusst werden. Dessen ungeachtet wurde der eingeschlagene Weg weiterverfolgt. Am 8. Januar 1744 wurde anlässlich der Hochzeit von Erzherzogin Maria Anna, der Schwester Maria Theresias, im Großen Hoftheater letztmals eine Oper aufgeführt, wie Wien sie aus der Zeit Karls VI. kannte. Es handelte sich um Pietro Metastasios »Ipermestra« in der Vertonung von Johann Adolph Hasse, in der die Hauptdarstellerin zwischen der Liebe zum Verlobten und ihrer Treue zum tyrannischen Vater wählen muss. Der Inhalt des Stücks spitzt sich auf politisch pikante Art und Weise zu: Der tyrannische Vater droht, von einer Menschenmenge gemeuchelt zu werden, wird aber schließlich durch

Das Hofpersonal   •   183

die Liebe der Tochter und den Edelmut ihres Verlobten zu guter Gesinnung bekehrt. So stellt das Stück ein Bekenntnis zur Gefühlserziehung dar: Nicht die Ratio lenkt den Menschen, sondern das veredelte Gefühl, das ihn mit Selbstverständlichkeit zur Tugend leitet. Der Komponist hatte eine Gesangspartie für die Königin in das Stück eingefügt, was zu kontroversen Debatten darüber führte, ob eine regierende Mon­ archin auf der Bühne auftreten dürfe oder nicht. Die Frage wurde schließlich positiv entschieden – wenn Ludwig XIV. auf offener Bühne habe tanzen dürfen, dann könne Maria Theresia auch ohne Schaden für ihre Reputation in einer Oper singen.54 Dass dies überhaupt eine Diskussion provozierte, verdeutlicht, dass das Fest nicht nur für das anwesende aristokratische Publikum gegeben wurde: Der Hof befand sich in fortwährender Beobachtung durch die französische Konkurrenz, durch die Fürstenhöfe des Reiches, aber auch durch das Wiener Publikum, das das Geschehen am Hof aufmerksam begleitete. 1747 schloss das Hoftheater seine Pforten. Höfisches Theater und höfische Oper im engeren Sinne wurden von jetzt an nur noch in Schönbrunn oder in Laxenburg gegeben.55 Zumeist waren die Darsteller Adlige, die von Mitgliedern des Burgtheaterensembles unterstützt wurden. Die großen Auftragsopern wie etwa Glucks »Orpheus und Eurydike« wurden jetzt im Burgtheater aufgeführt. Dort lauschten die Bürger der Stadt den Aufführungen ebenso wie ihre Mo­ narchin und der Hochadel, die das bunte Treiben von ihren Logen aus verfolgten.

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as Hofpersonal

Der Hof garantierte Beschäftigung und Aufträge für Handwerker, er bot Unterhaltung und war zugleich Ort politischer Entscheidungen, er war Symbol einer von Frömmigkeit geprägten Lebenswelt und zugleich ein Forum des Amüsements. Zugang zum Hof zu gewinnen, war damit in mehrfacher Weise attraktiv. Er versprach Reputation, Einfluss und finanzielle Vorteile. Hinzu kam, dass der Hof ein eigener Wohn- und Rechtsbezirk war. Wer Teil des Hofstaats war, genoss hier freie Unterkunft, zahlte wenig Steuern und unterstand der Rechtsprechung des Hofes. Hoffähigkeit und edles Geblüt waren eng aneinander gekoppelt. Nur wer eine strikte Ahnenprobe bestand, wurde der Auszeichnung für würdig erachtet, der kaiserlichen Majestät nahe zu sein. Maria Theresia verschärfte diese Bedingungen 1754 noch einmal. Prinzipiell bestand für den Adel Anwesenheitspflicht, wenn die Monar-

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chin eine Einladung ausgesprochen hatte, und sie endete auch erst mit einer formalen Entlassung oder Beurlaubung. De facto wohnte keineswegs jede Person, die formal einen Hofdienst verrichtete, auch am Hof. Viele strebten nach einem reinen Ehrentitel, um ihre Reputation zu mehren und beließen es dabei. Andere waren zwar nicht in Schönbrunn tätig, durchaus aber in Laxenburg oder an der Hofburg. Das permanent im Dienst stehende Personal lässt sich grob in drei Kategorien erfassen. Die große Masse der Diener war auf der unteren Ebene angesiedelt, zu ihnen zählten Kaminfeger und Köche, Posaunisten und Silberpolierer, Leibgardisten und Gärtner. Dieses Heer dienstbarer Geister erhielt den Hof als Stadt in der Stadt funktionsfähig. Manche von ihnen stammten aus Wien selbst, andere waren eingewandert, um ihr Auskommen am Hof zu finden. Sie alle zählten zum bürgerlichen Stand. Dies traf auf die Bediensteten der mittleren Ebene nicht zu. Sie bestand aus Aristokraten, die entweder in höhere Hofämter aufzusteigen suchten oder den Dienst am Hof als Sprungbrett für ihre späteren Karrieren betrachteten. Letzteres traf etwa auf die Edelknaben zu, die in Schönbrunn ausgebildet wurden, um später als Politiker, Offiziere oder höhere Hofbedienstete an anderen Höfen die in Wien gewonnenen Kenntnisse und Verbindungen zu nutzen. Auch die Hofdamen Ihrer Majestät beabsichtigten nicht, in lebenslanger Ehelosigkeit der Monarchin zu dienen. Immer wieder wurden Mitglieder der weiblichen Entourage Maria Theresias verheiratet, wobei sie diese Verbindungen nicht nur genehmigte, sondern auch nachhaltig unterstützte.56 Die oberste Stufe des Hofdienstes schließlich bildeten die Inhaber der Spitzenämter.57 Sie gehörten zu jener Gruppe der Hofbürokratie, die gleichermaßen im Dienste des Kaisers wie der Kaiserin stand. Prinzipiell bestand der Wiener Hof aus einem ganzen Bündel von Hofstaaten – dem des Kaisers, dem der Kaiserin und denen der Erzherzöge.58 Da ab 1740 jeder der beiden Ehepartner souveräner Herrscher war, aber nur die Ehefrau über die finanziellen Ressourcen für eine ihrem Rang entsprechende Hofhaltung verfügte, waren feine, aber wichtige Veränderungen im komplexen Zusammenspiel der Hofämter zu beobachten. An der Spitze der Hierarchie der höfischen Behörden stand nach wie vor der Obersthofmeisterstab. Seinem Leiter, dem Obersthofmeister, oblag die Kontrolle und Organisation des gesamten Hoflebens. Dem Obersthofmeister waren Anwesenheit und Abwesenheit von Personen am Hof zu melden,

Das Hofpersonal   •   185

ihm unterstanden der Oberststabelmeister, der Oberstsilberkämmerer, der Oberstküchenmeister und der Hofkellermeister. Jedes dieser Ämter wurde von Mitgliedern des Hochadels bekleidet, die nur bei hohen Festen die damit verbundene Funktion tatsächlich ausübten. Der Oberstabelmeister beispielsweise trat in Erscheinung, wenn das ­mo­­n­archische Paar öffentlich speiste, was nach dem Zeremoniell viermal im Jahr stattzufinden hatte. Mit einem schwarzen Stab als Zeichen seiner Würde ausgestattet, kontrollierte er, dass die Regeln des Mahls genauestens eingehalten wurden. 18 Truchsessen, zwei Vorschneider und vier Mundschenken setzten seine Anweisungen um und durften sich zugleich darauf verlassen, dass er ihre Ehre verteidigte. Schließlich war jeder von ihnen Angehöriger der Aristokratie und durfte in Ausübung der Dienste in seinem Status nicht beschädigt werden. Eine wichtige Funktion des Obersthofmeisterstabs und seiner Untergebenen bestand somit darin, die Hierarchie des Hofes durch die beständige Wiederholung von zeremoniellen Handlungen zu bestätigen. Im Dienst für den Monarchen wurde die übergeordnete Position des Lehnsherrn ebenso bestätigt wie die Pflicht des Kaisers oder der Kaiserin, den Diensttuenden zu entschädigen, das heißt jenen, der sich in die Rolle des einfachen Handlangers begab, wieder emporzuheben und ihn gleichfalls zu beschenken. Das war aber nur die eine Seite des höfischen Dienstes, die andere betraf die konkrete Organisation dieses vielköpfigen Monstrums, das gefüttert und beaufsichtigt werden musste. Im Falle des Obersthofmeisters war die Bandbreite der Kompetenzen beeindruckend groß: So war er für Fragen der Bewachung der Räumlichkeiten ebenso zuständig wie für die geschmackvolle Tapetendekoration oder die Beleuchtung der Räumlichkeiten. Er sorgte sich um das geistliche Personal des Hofes wie den Hofprediger oder die Hofkapläne ebenso wie um die Ärzte und die Leibgarde. Auch die Musiker, Schauspieler, Bibliothekare, Dolmetscher und Poeten des Hofes unterstanden ihm, und selbst die Rechnungslegung, die von drei getrennten Institutionen – der Kanzlei, dem Hofkontrollor und dem Kücheninspektor – vorgenommen wurde, oblag seiner Kontrolle. Er war damit der Major Domus, der den Betriebsablauf des gesamten Hofes sicherstellte. Mit dem Regierungsantritt Maria Theresias war die Arbeit des Obersthofmeisterstabes noch komplizierter und aufwendiger geworden. Künftig war er nicht mehr nur für den Kaiser, sondern für die Königin und ihren Mann zuständig. Dies führte zu Doppelbelastungen, denen Maria Theresia dadurch

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Rechnung trug, dass sie 1741 einen zweiten Obersthofmeisterstab einrichtete, ausgestattet mit einem zweiten Obersthofmeister und zahlreichen weiteren Bediensteten. Zugleich wurde für sie ein Frauenzimmerhofstaat mit einer eigenen Obersthofmeisterin, Kammerfräuleins, Hofdamen, Kammerdiene­ rinnen usw. eingerichtet. So blieb die Trennung zwischen dem Hof des Mannes und dem der Frau bestehen. Gleichzeitig jedoch hatte Maria Theresia sichergestellt, dass auch durch den Obersthofmeisterstab keine Entscheidung ohne ihre Zustimmung getroffen werden konnte. Die Kontrolle des Zugangs zum Monarchen oblag dem Oberstkämmerer, dessen Stab ebenfalls mit dem Regierungsantritt Maria Theresias für beide Souveräne zuständig war. Wer auch immer in die Privatgemächer des Mo­ narchen oder der Monarchin wollte, wurde mit ihm oder seinen Untergebenen konfrontiert. Der Beichtvater, die Leibärzte und Leibperückenmacher, der Kammerheizer und der Kammertorhüter, die Leibwäscherin und die Inspektoren der Kunstkammer, die Kammerzahlmeister und die Schlosshauptleute – sie alle waren Teil seines Stabes. Die Sorge um die Person des Monarchen, der Zugang zu seinen Gemächern und die Sicherheit seiner Besitztümer gehörten damit zu seinen Obliegenheiten. Er wachte über die Privatschatulle der Majestäten, aber auch über deren Kunst- und Natursammlungen, die im Verlaufe des 17. und 18. Jahrhunderts beständig anwuchsen. Die große Zahl der am Hof tätigen Persönlichkeiten und die dort geltenden komplexen Regeln machten die Einrichtung eigener Rechtsprechungsinstanzen notwendig. An ihrer Spitze stand der Obersthofmarschall, der ursprünglich die Stallungen des kaiserlichen Hofes beaufsichtigt hatte.59 Das vierte der großen Hofämter schließlich bekleidete der Oberststallmeister, der die Stallungen, die Gestüte, die Sesselträger, Büchsenspanner, die Hofwagenburg und die Hofreitschule beaufsichtigte. Er war damit für die Sicherstellung der Mobilität des Hofes ebenso zuständig wie für die Pferdezucht, die im Haus Habsburg mit besonderer Leidenschaft betrieben wurde. So wurden die jungen Fohlen des eigenen Gestüts alljährlich vom Hof besucht und bestaunt. Verglichen mit der Regierungszeit ihres Vaters nahm Maria Theresia zunächst kaum strukturelle Änderungen vor. Selbst das Obersthof- und das Landjägermeisteramt sowie das Oberstfalkenmeisteramt – zwei noch junge oberste Hofbehörden – erfuhren erst ab 1765 starke Personalkürzungen und verloren ab 1770 ihre Selbstständigkeit. Die Gesamtzahl der am Hof Beschäftigten schwankte stark, blieb aber

Das Hofpersonal   •   187

beständig auf hohem Niveau. Schon 1737 hatte Johann Basilius Küchelbecker geurteilt: Dass der kayserliche Hof einer von denen ansehnlichsten unter allen Europäischen Höfen sey, ist eine unläugbare sache, und müssen es diejenigen, so denselben gesehen und kennen, ohne das geringste einzuwenden, von sich selbst gestehen. Denn wenn man die grosse Anzahl derer Fürsten, Grafen und Herren, welche in kayserlichen Hof-Diensten stehen, erweget, und die überaus starcke Menge derer übrigen niedrigen Hof-Bedienten betrachtet, so wird man nicht leicht anderswo einen solchen nombreusen Hof finden.60 Insgesamt umfasste der Wiener Hof über 2000 Personen. Schon 1715 ergibt eine Addition aller genannten Bediensteten die stolze Zahl von 2090. Sie reduzierte sich nach dem Regierungsantritt Maria Theresias für kurze Zeit auf 1470 im Jahre 1752, schnellte dann aber bis 1765 wieder auf 2265. Die Gesamttendenz war damit deutlich steigend. Dabei setzte die Monarchin allerdings deutliche Akzente. Maria Theresia kürzte in Bereichen, deren Ertrag in ihren Augen fragwürdig war, um auf anderen Feldern der Herrrschaftsrepräsentation ihre Investitionen zu erhöhen. Da sie, anders als ihr Vater, wenig von Reisen des Hofes hielt, wurden die Kosten des Fuhrparks rigoros zusammengestrichen. Auch die Zahl der Hofmusiker wurde, da die Hofoper an einen städtischen Unternehmer abgegeben worden war, eingeschränkt. In anderen Bereichen hingegen, wie jenem der Leibgarde, war ein erheblicher personeller und finanzieller Mehrbedarf zu verzeichnen. Hier sah Maria Theresia die Chance, junge Elitenangehörige frühzeitig an sich zu binden. Wie hoch die Kosten des Hofes genau waren, ist schwer zu berechnen. Dass sie schon aufgrund des personellen Mehraufwandes stiegen, ist unstrittig. Ein Kostenfaktor der besonderen Art waren die Pensionen und Geschenke, die die Kaiserin verteilte, um Angehörige des Hofes an sich zu binden. Obersthofmeister Graf Ulfeld etwa erhielt in Diensten Maria Theresias neben einer jährlichen Pension von 30.000 Gulden weitere Zuwendungen von insgesamt 12.000 Gulden jährlich.61 Die Monarchin machte den Hof damit für den Adel interessant: Diesem anzugehören, konnte finanziell lukrativ sein. Hofämter waren begehrt als Einkommensquelle, als Sprungbrett einer höfischen Karriere und zumindest auf der höchsten Karriereebene auch wegen des mit ihnen verbundenen politischen Einflusses. Der Obersthofmeister und der Obersthofmarschall

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waren Vertraute der Monarchin. Zumeist wirkten sie vor und neben ihrem Hofamt auch als Diplomaten oder Offiziere und waren direkt oder indirekt an politischen Entscheidungsbildungsprozessen beteiligt.

G

efühlsbande

Wie leicht ein Hochadliger auf dem glatten Parkett des Hofes ausgleiten konnte, schildert Obersthofmeister Khevenhüller in seinem Tagebucheintrag vom 21. Januar 1758.62 Im Gefolge der Niederlage von Leuthen entzog Maria Theresia an diesem Tag ihrem Schwager Karl Alexander von Lothringen den militärischen Oberbefehl über die österreichischen Truppen. Der Lothringer nahm die Nachricht, wie Khevenhüller notierte, mit bemerkenswerter Contenance auf. Tatsächlich sei sie [Maria Theresia] über ein so grosse Gelassenheit fast choquiret. Er schien das Geschehene nicht zu bereuen. Die Monarchin habe erkennen müssen, dass alles, was mann ihr von dessen schwachen Character so offt und villmahlen vorgestelltet, nur gar zu wahr seie. Die Ruhe des Betroffenen wurde als Kälte, als Affektschwäche gedeutet. Ein starker Charakter besitzt aus Sicht Khevenhüllers auch starke Gefühle, die er in die richtige, konstruktive Richtung zu lenken hat. Sie bilden seine Energiequelle und müssen von der Monarchin nutzbar gemacht werden. Folgen wir den Aufzeichnungen des Obersthofmeisters, so war es die eigentliche Aufgabe des Hofes, diese Domestizierung des Gefühls zu erreichen. Die durch äußere Angriffe, wirtschaftlichen und sozialen Wandel ausgelösten Erregungszustände der Zeitgenossen bedurften eines Ventils, mussten benannt, ausgelebt und eingeordnet werden. Das Gefühl – das gemeinsam erlebte zumal – verband den Einzelnen mit der Gemeinschaft des Hofes im Allgemeinen und der Monarchin im Besonderen. Ein Mittel, gemeinsames Fühlen auszulösen, war monarchische Fürsorge. In einem Schreiben vom 31. Januar 1773 an ihre Tochter Maria Antonia, die seit 1770 mit dem französischen Thronfolger verheiratet war, beschwor sie diese regelrecht, in diesem Punkt besondere Sorgfalt walten zu lassen: Je öfter sie Zeichen der Wohltätigkeit setze und sich freigiebig zeige, umso besser. Das Verteilen von Geschenken werde gern als Verschwendungssucht gebrandmarkt, was für Monarchen und ihre Familien allerdings nicht gelte. Großzügigkeit, Güte und Aufmerksamkeit seien der Schlüssel zur Liebe der Untertanen, die der einzig feste Grund seien, auf dem ein Thron stehen könne. Statt auf die

Gefühlsbande   •   189

eigenen Talente zu vertrauen, die bei ihrer Tochter – wie Maria Theresia in wenig einfühlsamer Art und Weise erklärte – ohnehin unterentwickelt seien, oder auf die eigene Schönheit, die vergänglich sei, solle eine Monarchin ihre Güte permanent unter Beweis stellen. Das Geschenk – so machte die Kaiserin deutlich – sei ein wesentliches Instrument, um Menschen an sich zu binden.63 Maria Theresia wusste, wovon sie schrieb. Mit Geschenken, großzügigen Entschädigungen und lukrativen Dienststellen hatte sie den Adel dazu gebracht, ihre Verwaltungsreformen zu akzeptieren. Dergleichen Zuwendungen hatten natürlich vorrangig den ökonomischen Schmerz der Betroffenen gelindert, sie hatten aber auch dazu beigetragen, die emotionale Bindung zur Monarchin zu festigen. Die hatte sich zu ihnen herabgebeugt, sie hatte ihre Probleme angehört, sie hatte ihnen etwas gegeben, ohne dazu verpflichtet zu sein, und durfte Dankbarkeit erwarten. Johann Joseph von Khevenhüller-Metsch, der seit 1742 zunächst als Obersthofmarschall, dann als Oberstkämmerer und schließlich als Obersthofmeister wirkte und damit fast täglich Umgang mit der Kaiserin hatte, wusste von zahlreichen Ereignissen zu berichten, die der eben beschriebenen Maxime des Handelns entsprachen.64 Dabei waren die Zuwendungen, die das kaiserliche Paar ihrem Diener zukommen ließ, keineswegs nur finanzieller Natur, sie konnten auch im Spenden von Trostworten bestehen. Als der Bruder Khevenhüllers beim Wettbewerb um eine Bischofsstelle unterlag, brachten Kaiserin und Kaiser ihm gegenüber ihr Wohlwollen und ihr Bedauern öffentlich zum Ausdruck. Da die am Hof genüsslich erzählten, offenbar äußerst peinlichen Umstände der gescheiterten Kandidatur ihn mehr schmerzten als das Ereignis selbst, war diese Aufwertung für ihn wichtig und wurde mit großer Dankbarkeit notiert. Gleiches galt für die Fürsorge Ihrer Majestät, als er am 9. Mai 1758 von Zahnschmerzen heimgesucht wurde, der Kaiser selbst ihn am Krankenlager besuchte und die Kaiserin sich eingehend nach seinem Befinden erkundigte.65 Anteilnahme erzeugte Bindung, Dankbarkeit Treue.66 Neben dergleichen Freundlichkeiten traten finanzielle Hilfen. So trat die Kaiserin ihren Gewinn bei einer Lotterie, ein von Khevenhüller heiß begehrtes Haus, an ihn und seine Frau ab. Zum Überfluss, so notierte der Beschenkte, habe Maria Theresia so ville liebreicheste Ausdrückungen beifügeten, dass wir beide (Mann und Frau) darüber biss auf die Thränen gerührt waren.67 Ähnlich bewegt zeigte sich das Paar, als die Kaiserin ihrem Wunsch entsprach und beider Sohn in eine ehrenvolle Kommandostelle des Heeres versetzte. Doch nicht nur der Diener zeigte Schwäche und innere Bewegung, auch

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die Kaiserin selbst offenbarte in ausgewählten Momenten und vor ausgesuchtem Publikum Zeichen emotionaler Erschütterung. So zelebrierte sie die Freude bei der Geburt eines Kindes oder die Trauer beim Verlust eines Familienmitglieds in ungeahnter Intensität, etwa bei der Geburt der Erzherzogin Maria Karolina am 17. September 1748. Das zehnte Kind der Kaiserin kam mit schwacher Konstitution zur Welt und starb nach kurzer Zeit. Khevenhüller zeichnete akribisch die Sorge und das Entsetzen der Hofgesellschaft nach.68 Bestürzung und Trauer wurden von Hofdamen und Kammerherren ebenso wie von Familienmitgliedern durch Sprachlosigkeit, Mimik und Tränen zum Ausdruck gebracht.69 Der Hof wurde in Sieg und Niederlage, in Geburt und Tod zu einem Teil der monarchischen Familie. Er fühlte mit ihr. Die sich gegenseitig ihrer Rührung versichernden Höflinge bildeten eine affektive Gemeinschaft.

G

efühl, Vertrauen und Konflikt

Das fein austarierte Spiel des Gebens und Nehmens, Lachens und Weinens eröffnete der Monarchin eine Reihe von Möglichkeiten, das Handeln der Eliten zu beeinflussen oder mögliche Spannungen im Vorfeld zu erkennen. Als Maria Theresia ihren Oberstkämmerer Khevenmüller im April 1745 mit einer Gesandtschaft betrauen wollte, barg diese Ernennung durchaus das Potential eines tiefgehenden Zerwürfnisses. Immerhin, so vermerkte Khevenhüller missfällig, sei diese Aufgabe infra meam dignitatem, seines Standes nicht würdig. Gleichwohl: Mein erstes Principium, als ich zu dienen angefangen ware immer für meinen Herrn oder Frauen alle mögliche Difference und einen blinden Gehorsamm in allen billigen Sachen ohne weitere Rücksicht auf die mehr oder wenigere Anständigkeit zu bezeigen, zumahlen meines Erachtens man nicht aus Lieb dienet, wenn man mit seinem Herrn immer voraus, sozusagen pactiren und Conditionem machen will.70 Der Dienst, wie Khevenhüller ihn hier definiert, war eine Lebensentscheidung, die mit Selbstentäußerung und Disziplin verbunden war. Nun ließ sich die Position des dienenden Fürsten, der selbst über eine ansehnliche Zahl von Bediensteten verfügte, kaum mit jener eines Gärtners oder Kochs ver-

Gefühl, Vertrauen und Konflikt   •   191

gleichen. Wenn also ein Fürst von Khevenhüller-Metsch sich in den Dienst eines Monarchen stellte, so brachte er ein Opfer, das entsprechender Gegenleistung würdig war. Doch wie konnte er diesen ihm gebührenden Respekt einfordern? Eine klare Ablehnung der erwähnten Gesandtschaft kam nicht in Frage – sie wäre unhöflich und würde den Anschein erwecken, als wolle er wie ein gemeiner Bürger mit seinem Monarchen feilschen. Er ging subtiler vor: Meine Antwort also an die Königin bestunde in sehr kurtzen Worten. Der lakonische Dank ihres treuen Dieners sagte mehr, als tausend Worte des Protestes es hätten tun können. Khevenhüller verdeutlichte, dass er seinen neuen Auftrag als Ausdruck seiner Unterwerfung unter ihren Willen selbstverständlich annehmen werde – die Gesandtschaft aber nicht als eine Auszeichnung, sondern eher als Zurücksetzung betrachte. Damit war die Kaiserin wieder am Zuge. Bestand sie auf ihrem Befehl, musste er dies als Zeichen der Ungnade wahrnehmen. Dafür gab es aber offenbar keinen Anlass, sodass sie ihn selbstverständlich von der Gesandtschaft befreite. Um die Kaiserin von ihrer Meinung abzubringen oder zu erreichen, dass sie einen Befehl zurücknahm oder variierte, bedurfte es, wie das genannte Beispiel zeigt, großer Erfahrung und ausgeprägten Feingefühls. Khevenhüllers Kommunikation mit der Monarchin glich dem Tanz auf einem Drahtseil. In besonders schwierigen Fällen – so etwa bei seinen Versuchen, von ehrenvollen, aber finanziell unattraktiven Ämtern verschont zu werden – wandte er sich an den Kaiser in der Hoffnung, dass es diesem eher gelingen würde, seine Frau umzustimmen.71 Franz Stephan war nicht der Einzige, der als Mediator im Verkehr mit der schwierigen Kaiserin fungierte. Enge Berater erfüllten eine ähnliche Funktion, so Graf Tarouca, der 1744 eine Versöhnung zwischen der Monarchin und dem Grafen von Herberstein vermittelte.72 Dergleichen Bitten um Fürsprache knüpften die Bande zwischen den Mitgliedern der Hofgesellschaft in vielfacher Weise enger. Zum einen bot es die Möglichkeit, Fehlverhalten durch die Erinnerung an gemeinsames Erleben zu überschreiben und aus dem Gedächtnis zu tilgen, wobei der Akt der Vergebung Anlass für erneute Gefühlsausbrüche sein konnte. Zum anderen stärkte die Vermittlung den Mittelsmann: Jener, der der Kaiserin näher stand, nutzte diese Position nicht etwa, um andere zu überflügeln und ihnen zu schaden, sondern er zeigte sich als großzügiger Helfer und damit als ein Mann, der Freunde an seinem Glück teilhaben ließ.

192   •   Die Sonne des Hofes

Nicht jeder beherrschte das Spiel mit den feinen Nuancen, und nicht jeder musste dies auch können. Es war am Hof ein offenes Geheimnis, dass die Kaiserin mit ihren engsten Beratern und Familienmitgliedern hinter verschlossenen Türen einen überaus direkten Umgang pflegte. So drangen in unregelmäßigen Abständen Gerüchte über Spannungen zwischen den Eheleuten durch. Streit gab es auch mit einzelnen Dienern Ihrer Majestät, etwa mit Graf Bartenstein. Dieser Mann, so Khevenhüller, sei nicht der beste Courtisan (Höfling) und habe sich gegenüber Maria Theresia geweigert, in den Reformkommissionen der einzelnen Thronländer direkt mitzuwirken – dies sei nicht die Aufgabe eines Staatssekretärs. Die ohnehin schlecht gelaunte Monarchin habe ihn daraufhin mit zornigen Worten zurechtgewiesen, was wiederum ihr wichtigster Berater nicht zu akzeptieren bereit war. Es kam zu lautstarkem Wortwechsel, der selbst vor den Türen des Konferenzzimmers zu vernehmen war. Wütend sei die Kaiserin schließlich aus der Tür gestürmt und habe Khevenhüller von den Streitigkeiten berichtet. Folgen hatte der Vorfall nicht: Die Kaiserin – gleich allen lebhafften Leuthen nach gedämpfften Feuer – gabe sich endlichen herbei und schickte nach dem Grafen Ulfeld, der in dergleichen Situationen üblicherweise als Vermittler auftrat.73 Lautstarke Ausbrüche waren Khevenhüllers Sache sicher nicht, dabei hatte er allen Grund, unzufrieden zu sein. Die zahlreichen Veränderungen, die Maria Theresia am Hof einführte, wirkten auf ihn zutiefst irritierend. Dass die politischen Funktionsträger gegenüber dem Hofpersonal immer mehr an Bedeutung gewannen und auch symbolisch aufgewertet wurden, war für ihn ein unerträglicher Akt der Enteignung.74 Khevenhüllers Aufzeichnungen waren dementsprechend voller Klagen über Bartensteins Hochmut, über den realitätsfernen Haugwitz oder den unerträglich eitlen Kaunitz. Den Kaiser charakterisierte er als gutmütig, aber nicht sonderlich diszipliniert, die Kaiserin als fleißig, aber aufbrausend.75 Sie möge gute Anlagen haben, erkenne jedoch nicht – so der Grundtenor seiner Aufzeichnungen –, wer ihre wirklichen Freunde seien.76 Statt seiner würden windige Reformer mit ausgezeichneten Verbindungen gefördert.77 Ungeachtet dieses kritischen Blicks gehörte Khevenhüller zu Maria Theresias treuesten Weggefährten. Als es um die Entscheidung über die Reformvorschläge von Haugwitz ging, war er, obwohl er von dem Projekt wenig hielt, einer der wenigen, die in ihrem Gutachten dem Vorhaben im Prinzip zustimmten.78 Die Kunst der Monarchin bestand darin, die Unzufriedenheit des Adels zu dämpfen. Es galt, dessen Leidenschaften in die aus Sicht der Monarchie

Die Sicherheit der Kaiserin   •   193

richtige Richtung zu lenken. Die Grunderfahrungen von Gunst und Beschenktwerden, aber auch von Mitleiden und kollektiver Freude beschäftigten die Aristokraten und drängten andere Empfindungen in den Hintergrund. Sie bildeten Angebote der Selbstinszenierung, die ihre Energie in Anspruch nahmen. Die affektive Bindung, die der Hof zwischen den Aristokraten und ihrem Monarchen herzustellen suchte, war damit von hoher politischer Relevanz. Sie beruhigte verstörte Eliten, kanalisierte deren Erregung und wirkte als Quelle der Sinnstiftung. Dies allein war sicher nicht ausreichend, die Entstehung von Oppositionsbewegungen zu verhindern, doch konnte ein geschicktes Taktieren am Hof helfen, Zeit zu gewinnen.

D

ie Sicherheit der Kaiserin

Der Chevalier de Balde befand sich im August 1753 schon seit zwei Jahren in Wien. Grund seines Aufenthalts war ein brisanter Rechtsstreit. De Balde war ein Sohn von Elisabeth Charlotte Reichsfreiin von l’Esperance und des letzten Herzogs von Württemberg-Mömpelgard, Leopold Eberhard. Die Beziehung war – vorsichtig ausgedrückt – umstritten.79 Elisabetha Charlotte war als Tochter eines Schneiders geboren worden, den der Herzog in den Türkenkriegen kennen- und schätzen gelernt hatte. Obwohl verheiratet, unterhielt Leopold Eberhard zunächst zur älteren und nach deren Tod zur jüngeren Tochter des Kriegskameraden eine sexuelle Beziehung. Er ließ beide Frauen adeln, heiratete sie nach der Scheidung von seiner ersten Frau und adoptierte die gemeinsamen Kinder. Dennoch war der Status der vielköpfigen Nachkommenschaft ungeklärt. Von der Erbfolge waren sie durch einen Hausvertrag, in welchem sämtliche Kinder für illegitim erklärt wurden, ausgeschlossen. Immerhin hatte der württembergische Zweig der Familie, der das Erbe nunmehr antrat, zugesichert, sie standesgemäß zu versorgen. De Balde akzeptierte dies nicht und stritt vor dem Reichshofrat darum, als legitimes Kind anerkannt zu werden – ein Schritt von unabsehbaren staatsrechtlichen Folgen. Das kaiserliche Gericht spielte auf Zeit und ließ die seit 1752 eingehenden Gutachten des Antragstellers weitgehend unbeachtet.80 Am 6. August 1753 besuchte de Balde daher Schloss Schönbrunn. Herr des Reichshofrats und letzter Entscheidungsträger bei Fällen wie diesem war der Kaiser. Um eine Audienz bei ihm nachzusuchen war zwar etwas ungewöhnlich – zumeist versuchten Kläger den Referenten am Gericht zu bestechen –,

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jedoch weder ehrenrührig noch illegal. Stattdessen bat de Balde um ein außerordentliches Treffen mit der Kaiserin, von deren Einfluss er sich offenbar mehr versprach.81 Das Überbringen von Bittschriften wurde in Wien informell gehandhabt. Jeden Morgen um zehn Uhr konnten Untertanen Ihrer Majestät beim diensttuenden Kammerherrn eine Eingabe einreichen, der sie an die Kammerfrau weitergab. Auch Audienzen wurden ohne weitere Prüfung der Person gewährt, der Antragsteller hatte sich jedoch zu gedulden, bis ein Termin bei der vielbeschäftigten Kaiserin frei war. Als der Dienst-Kammerherr Duc Charles d’Ursel bemerkte, dass der zornige Chevalier keine Petition mit sich führte, wies er ihn mit der Bemerkung zurück, die Kaiserin gewähre an diesem Morgen keine Audienzen. De Balde möge sich für einen der üblichen Termine anmelden. Der Angesprochene zeigte sich von dieser Auskunft ungerührt und machte Anstalten, an d’Ursel einfach vorbeizugehen. Da dieser sich allein im Vorzimmer der Kaiserin befand – der Kammerdiener hatte sich entfernt, um seine Notdurft zu verrichten –, wurde die Situation langsam brisant. Beide Herren zogen den Degen. D’Ursel glitt aus und empfing von seinem Gegner einen Hieb durch den Rock. Der Chevalier gelangte nunmehr ins Spiegelzimmer und lief zum Kabinett der Kaiserin, die den Lärm inzwischen vernommen hatte und sich äußerst beunruhigt zeigte. Am Hof werde berichtet, so Khevenhüller, dass sie das Fenster geöffnet und die Wache gerufen habe. Dafür war es indes zu spät. Dass der Chevalier nicht in ihre Räumlichkeiten eindrang, war nicht ihrer Leibwache, sondern dem beherzten Eingreifen des Marchese Poal, des Kammerherrn von Erzherzog Josef, zu verdanken. Der hatte die Unruhe zufällig mitbekommen und war in den Spiegelsaal gestürzt, um den Eindringling aufzuhalten. De Balde zeigte sich dem neuen Gegenüber nicht gewachsen, zumal nun auch weitere Bedienstete des Hofes und schließlich die Angehörigen des Leibregiments Ihrer Majestät am Ort des Geschehens eintrafen. De Balde wurde entwaffnet und unter heftiger Gegenwehr in die Wachstube getragen. Was sollte mit dem Mann geschehen, und welcher Tat war er zu bezichtigen? De Balde wurde zunächst in das spanische Spital und später in die Zisterzienserabtei Rein in der Steiermark verbracht. Eine weitere Untersuchung des Vorfalls wies Maria Theresia zurück. Der Angreifer, so entschied sie, habe nicht im Jähzorn, sondern im Delirium gehandelt. Sein Verhalten sei Ausdruck einer Geisteskrankheit und müsse behandelt werden. Immerhin

Die Sicherheit der Kaiserin   •   195

sei er bereits in Behandlung gewesen. Der Eclat der Straf müsse vermieden werden. Statt strafrechtlich vorzugehen, wurden die Sicherheitsmaßnahmen am Hofe verstärkt. Bisher, so Khevenhüller, sei es üblich gewesen, dass nahezu jedermann bis in das Vorzimmer der Kaiserin vorgelassen wurde. Künftig wurden Besucher außerhalb der Audienzzeiten schon am Tor abgewiesen, zur Audienz selbst nur noch Personen vorgelassen, die dem Hof bekannt waren, sich ausweisen konnten oder einen Fürsprecher besaßen. Schließlich sollte im Vorzimmer der Kaiserin neben dem diensthabenden Kammerherrn ein Hauptmann der Garde anwesend sein, der gegebenenfalls tätig werden konnte. Die Person der Monarchin befand sich auch vor diesen Veränderungen selbstverständlich unter dem Schutz militärischer Einheiten. Die wichtigsten von ihnen waren die seit Beginn des 16. Jahrhunderts am Hof stationierte Trabantengarde und die berittenen Hatschiere. Mit dem Regierungsantritt Franz Stephans war darüber hinaus die Schweizer Garde in Wien eingetroffen, die mit dem Schutz seiner Person betraut war. Seine Gattin stellte noch weitere Einheiten auf: 1760 wurde die königlich-ungarische Leibgarde gegründet, 1763 die kaiserlich-königliche Arcièrenleibgarde zu Pferde und 1772 die galizische Leibgarde. Der Schutz der Kaiserin war jedoch nur eine von vielen Aufgaben, die diese Einheiten erfüllten – weit wichtiger war ihre zeremonielle und politische Funktion. Die Garden sorgten für den notwendigen Glanz des kaiserlichen Hofes und stärkten die Bindung der Landesteile, die sie stellten. Die Kaiserin legte ihren geheiligten Körper in die Hände der hoffnungsvollen Jugend ihrer Erblande. Dies festigte jenes enge Band mit dem Adel, das eine unentbehrliche Grundlage der Sicherheit Maria Theresias war. Sie vor unmittelbaren Angriffen eines kaltblütigen Attentäters zu schützen, war ohnehin kaum möglich. Die Kaiserin zeigte sich am Hof und in der Stadt immer wieder ihrem Volk. Sie war in Wien nahezu omnipräsent und ein ideales Ziel für jeden Schützen.82 Bemerkenswerterweise brauchte sie dennoch keine Angst um Leib und Leben zu haben. Wenn überhaupt Gefahren drohten, dann durch marodierende Söldner, die, wann immer das Land sich im Krieg befand, auf Reisen zu einer Gefahr werden konnten. Nicht Waffengewalt oder die Angst vor Vergeltung schützten das Leben einer Kaiserin, die, wo immer sie auftauchte, mit Begeisterung empfangen wurde. Nicht nur in Schönbrunn, auch in Wien selbst trat sie als Schenkende auf – als fürsorgliche Monarchin, die für die Nahrung ihrer Untertanen

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sorgte, die Reinheit der christlichen Lehre garantierte und unermüdlich für das Wohl ihres Landes arbeitete. Das Bild der Monarchin und ihr Auftreten durften keinesfalls auseinanderfallen. Die von Hof und Bürgern genauestens beobachtete Kaiserin durfte allenfalls in ihrem Arbeitszimmer die Maske fallen lassen. Solange die Augen des Publikums auf ihr ruhten, versuchte sie es an sich zu binden. Maria Theresia verstand es, die Gemeinschaft des Mitleidens, des Mitfreuens, des Mitweinens, des Miterlebens vom Hof auf die ganze Stadt, wenn nicht gar ihr ganzes Reich auszudehnen. Diese jähzornige, befehlsgewohnte Frau genoss gerade in den ersten Jahrzehnten ihrer Regierung den Nimbus einer geradezu unantastbaren Landesmutter. Die Liebe der Untertanen, die von der Monarchin so gern beschworen wurde, hatte jedoch auch ihre Schattenseite – sie konnte erdrückend werden.

D

er Hof öffnet sich

Seit 1752 war der Komponist Christoph Willibald Gluck in Wien ansässig und hatte zahllose Festopern, Tanzdramen und komische Opern komponiert und dirigiert. Sein Meisterwerk »Orpheus und Eurydike« war von der Kaiserin wiederholt besucht worden. Sie hatte dem Komponisten und seinem Librettisten Calzabigi sogar hundert Dukaten und einen Goldring als Zeichen ihrer Anerkennung zukommen lassen.83 Dennoch stand er in der Gunst des Hofes allenfalls an zweiter Stelle – Maria Theresia bevorzugte die eher traditionellen Werke des Italieners Pietro Metastasio und ihres früheren Gesangslehrers Johann Adolph Hasse, der ab 1764 in Wien weilte. Doch hatte die Reformoper Glucks auch am Hof ihre Anhänger. Kaunitz etwa förderte Gluck nach Kräften, ebenso wie Erzherzog Leopold, der dem Komponisten auch persönlich eng verbunden war. Sie sahen in ihm zu Recht einen Reformer des Singspiels. Gluck zerrte die Oper von dem marmornen Sockel, auf dem sie platziert worden war. Die Handlung und ihre Figuren sollten künftig psychologisch nachvollziehbar sein. Das Publikum – auch jenes, das nicht dem Hofe angehörte – wurde in die Lage versetzt, die Emotionen der Hauptdarsteller mit zu durchleben. Das Ballett, die Ouvertüre und der Chor sollten diesem Ziel ebenso dienen wie die einzelnen Arien und Duette. Die Unmittelbarkeit, mit der das Publikum Trauer und Zorn miterlebte, bereitete dem Komponisten allerdings auch immer wieder Kopfzerbrechen. Die Höllenqualen, die er in seinem Ballett »Don Juan« heraufbeschwor, lösten einiges Befremden aus.

Der Hof öffnet sich   •   197

Auch Orpheus war wegen seines unglücklichen Endes ein gefährlicher Stoff – ihn 1762 zum Namenstag des kunstsinnigen Kaisers aufzuführen war riskant, und so entschieden Komponist und Librettist kurzerhand, aus der Tragödie eine Komödie zu machen, an deren Ende Orpheus und Eurydike wieder glücklich vereint sind. Was mit dem Orpheus auch aufgrund der hinreißenden Gesangsdarbietung des Altkastraten Gaetano Guadagni so glänzend gelang84, mündete am 30. Januar 1765 in ein Desaster. Der Komponist war mit der ehrenvollen Aufgabe betraut worden, zur Hochzeit des Thronfolgers mit seiner zweiten Gattin Maria Josepha von Bayern (1739–1767) eine Festoper zu komponieren.85 Glucks Freude über den Auftrag hielt sich jedoch in Grenzen. Er war mitten in den Arbeiten an einem Ballett und einer weiteren Oper gezwungen, ein glänzendes, umfangreiches Werk vorzustellen, das dem Geschmack des Hofes entsprach. Seit längerem hatte er an einer zweiten Reformoper mit dem Titel »Il Telemaco ossia l’isola di Circe« gearbeitet. Sie sollte nun für den Geschmack des Hofes umgearbeitet werden, was angesichts des düsteren Handlungsrahmens schwerfiel. Gluck wählte daher einen traditionelleren Kompositionsstil und ließ auch das Ballett weg. Dennoch nahm das Verhängnis seinen Lauf. Fassungslos schaute das Wiener Publikum dem Treiben auf der Bühne zu, das mit dem Fluch der Circe auf Telemach endete. Kaum ein anderes Ende hätte unpassender für die Feier einer Hochzeit sein können, einer Hochzeit zumal, der Joseph nur auf Druck seiner Mutter und aus Staatsraison zugestimmt hatte. Seine nach Aussagen des Kronprinzen bemerkenswert hässliche Braut und er waren alles andere als jung Verliebte. Wien hatte damit seinen Skandal. Die Spectateurs, so Khevenhüller, seien nicht wenig choquiret gewesen.86 Der Vorführung folgte eine Tanzveranstaltung im Redoutensaal und wenig später ein Souper mit hochrangigen Gästen in der kleinen Redoute, das in einem Chaos zu enden drohte. Das Gedränge am Eingang sei so groß gewesen, dass ein Durchkommen nahezu unmöglich war. Die Kaiserin hatte nämlich aus Güthe Anweisung gegeben, so viele Menschen als möglich als Zuschauer zuzulassen. Der Andrang überforderte die Wachen. Auf einmal sei so villes Volck eingedrungen, dass – wann mann nicht alsofort die Thüren des ausseren Redouten Saals gesperret hätte – eine Panik unausweichlich gewesen wäre. Die kaiserliche Familie hätte man in einer solchen Situation kaum retten können. Maria Theresia hatte die Grenzen zwischen Hof und Stadt, zwischen Adel und Bürgern keineswegs niedergerissen, sie waren jedoch zaghaft aufgeweicht

198   •   Die Sonne des Hofes

worden. Ein breiteres Publikum verfolgte aktiv die Feste des Hofes und bildete sich über deren Gelingen oder Nichtgelingen ein Urteil, es wollte präsent sein und lechzte nach Informationen. Umkehrbar war dieser Prozess schon lange nicht mehr. Tatsächlich wurden immer mehr Räume, die zuvor den Angehörigen des Hofes vorbehalten waren, für die Stadtbevölkerung geöffnet. Bereits 1752 hatte Maria Theresia den Schlossgarten des Belvedere für die Wiener Bevölkerung geöffnet, 1766 folgte der Prater und auf Beschluss Josefs II. 1778 der Schlossgarten in Schönbrunn mitsamt der Menagerie, die nun von jedermann, der anständig gekleidet war, besucht werden durfte.87

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er Hof, die Stadt und die Residenzstadt

Wie lebten Arm und Reich, Aristokraten und Stadtbevölkerung zusammen, wie nahmen sie einander wahr? Der Maler Bernardo Bellotto, besser bekannt unter dem Namen Canaletto, wusste auf diese Frage mit spitzem Pinsel Auskunft zu geben.88 Der Venezianer hatte zwischen 1759 und 1760 dreizehn imposante Stadtansichten Wiens gemalt. Es waren detailverliebte, ironisch gebrochene Werke. Eines von ihnen – es entstand im Auftrag der Kaiserin selbst – zeigte Schloss Schönbrunn von der Gartenseite (s. Abb. 13). Der Maler hatte sich auf den kleinen Hügel begeben, auf dem später die Gloriette errichtet wurde. Von hier aus war Wien gut zu sehen. Der Stephansdom ragte aus dem Gassengewirr heraus, und auch die Kuppel der fernen Karlskirche weckte die Bewunderung des Betrachters. Wiesen, Wälder und Hecken trennten die Siedlungsstätten der Handwerker, Klosterbrüder und Kaufleute von den paradiesischen Gefilden des Schlosses. Hier wirkte eine ordnende Hand, die eine Wildnis in ein Paradies verwandelt hatte: Symmetrisch beschnittene Bäume standen in Reih und Glied, Rasenflächen waren wie Ornamente gestaltet, und breite Wege erlaubten es den erlauchten Herrschaften, in diesem Wunderwerk der Gartenbaukunst zu lustwandeln. Canaletto erlaubt dem wissbegierigen Betrachter, einen Blick auf diese formvollendete Hofgesellschaft zu werfen. Sie lebt vor allem vom Spiel der Geschlechter – zumeist laufen diese getrennt, beobachten, ja belauern einander jedoch genau. Reden zwei Herren miteinander, schaut einer über die Schulter des anderen, um die Damenzirkel nebenan aufmerksam zu taxieren. Wäre es möglich, sich ihnen zu nähern? Zwei andere Herren tun dies gerade – mit dem Ausdruck höchsten Respekts natürlich. Die prachtvoll geklei-

Der Hof, die Stadt und die Residenzstadt   •   199

deten und frisierten Hofdamen tun, als würde sie dies nicht interessieren. Sie wenden sich in die andere Richtung. Wer Teil der Hofgesellschaft ist, nimmt einander wahr. Immerhin müssen die Reaktionen auf das eigene Verhalten registriert werden. Es gilt genau zu bewerten, wer bei wem steht und wer abseits bleibt. Die Bühne der Gartenlandschaft wird kunstvoll gefüllt. Jeder Besucher sucht sich den ihm angemessenen Platz: sei es im Schatten der Hecke, im Zentrum des Gartens, in der Nähe der Palastes oder unmittelbar am Brunnen. Jeder trachtet danach, zu sehen und gesehen zu werden. Dieses Spiel der Gesten und Blicke ließ die Hofgesellschaft so eng verschmelzen, dass sie jene, die nicht an ihr Teil hatten, gar nicht wahrnahm. Bei Canaletto bildet die Welt der Gartenarbeiter eine zweite Handlungs­ ebene. Akribisch hat der Maler ihre Arbeiten eingefangen. Einfach gekleidete, zum Teil zerlumpte Gestalten schuften im Park von Schönbrunn. Mit einer von sechs Männern gezogenen Walze planieren sie die Wege, jäten Unkraut, pflegen die Bäume und den Rasen, räumen Unrat weg. Einige von ihnen haben eine Rast eingelegt. Wir sehen sie vorn im Schatten sitzen und ein wenig dösen. Rechts von der Gruppe ist eine Frau zu sehen, die ein Kind auf dem Arm hält, während sich dessen Geschwisterchen eng an die Beine der Mutter schmiegt. Deren einfache Kleidung, ihr müder Gesichtsausdruck und das Kopftuch bilden einen merkwürdigen Kontrast zur liebevollen Selbstgestaltung der nur wenige Meter entfernten Hofdamen. Nicht weniger eigenartig ist die Ignoranz, mit der die Hofgesellschaft eine kleine Gruppe von drei Gärtnern behandelt, die mitten auf dem Rasen sitzen und ihre Pause genießen. Es sieht aus, als würden zwei Gesellschaften im Schlosspark von Schönbrunn nebeneinanderherleben, Parallelgesellschaften gleichsam – jede von ihnen scheint viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um die andere wahrzunehmen. Das Volk, das wird dem Betrachter zumindest suggeriert, wird vom Hof einfach übersehen. Wenn dem so ist, wieso wurde dieses Nebeneinander dann vom Maler abgebildet? Warum retuschierte er das uninteressante Personal nicht einfach aus der Darstellung heraus? Immerhin verfolgte der Venezianer das Ziel, mit seinen Bildern seinen Auftraggeber, die Kaiserin, zufriedenzustellen. Er hatte ein Werk geschaffen, bei dem der Adel sich beim Wegsehen beobachten konnte. Offenbar gab es ein wachsendes Interesse an den unsichtbaren Außenstehenden, jenen, die nicht Teil der Hofgesellschaft waren und dennoch für deren Fortbestand einen unentbehrlichen Beitrag leisteten. Darauf deuten auch die übrigen vom Venezianer gefertigten Wiener Ansich-

200   •   Die Sonne des Hofes

ten. Auf einigen wie auf dem vorliegenden Bild erscheint das Volk als eine eher emblematische Größe – es fristet in pittoresker Armut sein kärgliches, aber sorgenfreies Dasein. In Canalettos Ansichten einzelner Wiener Plätze weicht die Uniformität einer differenzierten Betrachtung, so etwa in der Ansicht des Palais Lobkowitz: Anders als Schloss Schönbrunn befand sich diese Adelsresidenz inmitten der quirligen Residenzstadt. Ein Aristokrat, vielleicht der Fürst selbst, schaut aus dem Fenster, offenbar in Erwartung jener Kutsche, die eilig vorgefahren ist. Wendete er seinen Blick zur anderen Platzseite , sähe er eine Stellmacherwerkstatt, deren Mitarbeiter einen Teil ihrer Tätigkeit auf die Straße verlegt haben. Unweit diskutiert ein Offizier mit einem Bürger, zwei Franziskaner gehen geschäftig in Richtung Augustinerstraße. Dienstmädchen sind zu sehen, Bürgerfrauen, Gaukler und reiche Kaufleute. Dieses Getümmel verschiedener Gruppen, die in ihrer bunten und zugleich bedrohlichen Vielfalt die Straßen der Stadt bevölkern, ließ sich nicht mehr ignorieren. Wien hatte nichts mehr mit dem verschlafenen Städtchen zu tun, in das die Kaiserin 1717 hineingeboren worden war. Als sie vierzig Jahre alt wurde, zählte es bereits 175.403 Bürger. Die Stadt, in der auf den Straßen neben Deutsch auch Ungarisch, Tschechisch, Slowenisch, Italienisch und natürlich Französisch als Sprache der Kultur erklang, war damit eine der Metropolen Europas, größer als Madrid, Mailand oder Hamburg. Die Stadt an der Donau wuchs, und es ging ihr wirtschaftlich prächtig. Was der Adel im Umland erwirtschaftete, brachte er auf den Gassen der Residenzstadt durch. Der kaiserliche Hof war der mit Abstand größte Arbeitgeber, aber auch die Palais der Esterházy oder der Kinsky erwiesen sich als wichtige Wirtschaftsfaktoren. Neben den Aristokraten hatte sich unterdessen ein ebenso gebildeter und ehrgeiziger wie reicher Bürgerstand etabliert, der sich in Kleidungsstil und Auftreten kaum noch vom Landadel unterschied. Manufakturen waren gegründet worden und Handelsgesellschaften, die reiche Gewinne versprachen und an denen die Aristokratie ebenso beteiligt war wie das Bürgertum. Betrachtete Maria Theresia ihre Hauptstadt mit offenen Augen – und die rege, aufmerksame Lektüre, die sie den zahlreichen an sie gerichteten Petitionen widmete, spricht dafür, dass sie das tat –, konnte sie die Chancen und Risiken jener Entwicklungen sehen, die sich in ihrem Reich vollzogen. Dieses prosperierende Reich mit seiner wachsenden Zahl an Untertanen stellte der Kaiserin ein reichhaltiges Reservoir von Soldaten und Steuerzahlern zur Verfügung. Sie hatte mit ihren Reformen gezeigt, dass sie gewillt war, es zu nutzen.

Der Hof, die Stadt und die Residenzstadt   •   201

Es stellte sich allerdings die Frage, wie diese amorphe Masse von Untertanen zu erwünschtem Verhalten gedrängt werden konnte. Sie an die Mo­ n­archin zu binden und nicht mehr nur sporadisch, sondern immer öfter direkt oder über mediale Verbreitung am höfischen Spiel zu beteiligen mochte förderlich sein, doch es war auch gefährlich. Schließlich wurde es immer wichtiger, die Meinungen und die Reaktionen dieser neuen Mitspieler zu lenken. Dies galt umso mehr, als die bislang unantastbaren Standesgrenzen im Theater, in den Salons, im Karneval und im wirtschaftlichen Handeln aufzuweichen begannen. Sie bedurften einer gestärkten Legitimation, um weiter stabilisierend wirken zu können. Maria Theresia stand vor einer gewaltigen Erziehungsaufgabe. Was würde sie tun? Würde sie den alten Rezepten religiöser Disziplinierung und rigider Sittenkontrolle folgen oder sich gezwungen sehen, neue Wege zu gehen? Die Zeit radikaler Veränderungen war zwischen 1740 und 1765 sicher noch nicht gekommen – erst später, nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges und nach dem Tod Franz Stephans standen sie auf der Tagesordnung. Die Gegenwart war noch von tastenden Versuchen, Kontrolle über das Land zu erhalten, geprägt, von einem Sowohl-als-auch. Es war eine Zwischenphase – faszinierend, ambivalent, vielschichtig und konstitutiv für die weitere Entwicklung.



Maria Theresia Erziehungsprojekte – eine Monarchin formt ihr Volk

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asanova in Wien

Wien hatte sich nicht verändert. Es war schön, voller Luxus und Geld, doch bot die Stadt den »Anbetern der Venus« – den Kunden der Prostituierten – wie schon in früheren Jahren große Hemmnisse. Giacomo Casanova, dessen Name nach einem Pistolenduell mit dem polnischen Großhetman Franciszek Ksawery Branicki in aller Munde war, war in den letzten Dezembertagen des Jahres 1766 in der Residenzstadt eingetroffen. An seiner Seite reiste eine bildschöne, etwas undurchsichtige Frau. Abgestiegen waren die beiden im Gasthof »Zum Roten Ochsen«.1 Man hatte zwei Zimmer gebucht, übernachtete aber nur in dem ihren. Bereits am nächsten Morgen bekam das Paar Besuch. Zwei Herren stellten sich vor und fragten die Dame nach dem Grund ihres Aufenhalts und vor allem danach, welcher Art ihre Beziehung zu dem venezianischen Begleiter sei. Wenn der Herr nicht Ihr Gatte ist, werden Sie, so teilten die unfreundlichen beiden Männer Mademoiselle mit, binnen vierundzwanzig Stunden abreisen. Widerspruch sei zwecklos, da das Paar, wie die Herren kühl bemerkten, gemeinsam genächtigt habe – wie sonst ließe sich erklären, dass das Bett des Mannes unberührt geblieben sei. Wiens Sitten­wächter hatten Casanova den Morgenkaffee damit gründlich verdorben. Zwar konnte er unter Nutzung seiner ausgezeichneten Kontakte die Frist für seine Reisebegleiterin noch etwas verlängern, am Ende jedoch musste er sich beugen. Am 30. Dezember wurde die angebliche Gräfin Blasin – die unter wechselnden Namen und mit wechselnden Liebhabern Europa bereiste – in die Kutsche nach Straßburg gesetzt.

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Die Neigung der Kaiserin, ausgerechnet die Sünde der Wollust mit heiligem Zorn zu bekämpfen, hatte Casanova bereits bei seinem ersten Aufenthalt 1752 bemängelt.2 Jedes andere Laster werde von Maria Theresia entschuldigt und stillschweigend hingenommen – der Unenthaltsamkeit aber habe sie offen den Krieg erklärt. Vor allem der Straßenprostitution war sie mit dem In­ strument der sogenannten Keuschheitskommission zu Leibe gerückt, einem erbarmungslosen Spitzelsystem. Dass Wien sich damit zu einer Stadt sexueller Tugend entwickelt hatte, konnte Casanova nicht feststellen. Schon als 28-Jähriger hatte er in den adligen Salons zahlreiche Damen gefunden, die unter dem Schutz mächtiger Kunden ihrem Gewerbe nachgingen. Rund fünfzehn Jahre später bot sich dem Reisenden ein ähnliches Bild. Casanova, der den Jahreswechsel in der Donaustadt verbrachte, wurde in den ersten Januartagen von einem hübschen jungen Mädchen aufgesucht – es mochte zwölf, höchstens dreizehn Jahre alt sein –, das ihm in geschliffenen lateinischen Versen sexuelle Avancen machte. Unreife Früchte kitzelten den Gaumen doch mehr als reife. Casanova fand dies entzückend und ließ sich von ihr die Adresse ihres Wohnhauses geben. Dies alles war, wie er mutmaßte, von der Mutter arrangiert worden, die im Vorraum wartete und mit der Tochter die Verse eingeübt hatte. Noch am selben Abend schlich sich der alternde Mann in das Haus des Kindes und wurde dort von dessen Vater empfangen. Der erleichterte ihn mit Hilfe eines Komplizen um seine Geldbörse. Für den Venezianer zeitigte diese Episode unerfreuliche Folgen, da der Vater mit dem Geld unverzüglich zum illegalen Glücksspiel eilte. Auch dort lauerten die Häscher der Kaiserin: Die Kartenspieler flohen, zurück blieb ein Geldbeutel mit dem Namen Casanovas, der nun vorgeladen und des Landes verwiesen wurde.3 Seiner Darstellung der Ereignisse schenkte die Obrigkeit keinen Glauben. Empört wandte sich Casanova nun an Freunde, die ihm rieten, Staatskanzler Kaunitz zu verständigen. Es kam zu einem Treffen auf offener Straße: Kaunitz hörte dem lebhaften Italiener mit sichtbarem Vergnügen zu und leitete die Petition an die Kaiserin weiter, nicht ohne dessen brillanten Stil zu loben. Maria Theresia blieb jedoch unbeeindruckt: Casanova erhielt zwar eine Fristverlängerung, mehr jedoch nicht. Der Grund dafür sei, so signalisierte man ihm, dass die Kaiserin ihre Beamten nicht brüskieren wollte. Es war schwierig genug, Männer zu finden, die bereit waren, als Sittenwächter zu fungieren. Die Bigotterie, die er der Kaiserin attestierte, fand Casanova zutiefst unerfreulich. Getroffen hatte er sie nicht, was durchaus ungewöhnlich war, wurde

Maria Theresia – die bigotte Kaiserin?   •   205

er doch schon seit vielen Jahren durch die Salons und Höfe Europas gereicht. Als schlagfertig, amüsant und ausgezeichnet informiert galt er, und so begegnete der unermüdliche Reisende der Prominenz seiner Zeit. Mit dem Papst hatte er ebenso gesprochen wie mit der Pompadour, mit dem englischen König, Voltaire oder der russischen Zarin. Nur die Kaiserin hatte er lediglich aus der Ferne beobachtet, für den unermüdlichen Anekdotensammler zweifellos enttäuschend. Noch in seinen Memoiren ist der Schmerz über diese Lücke in seinem Erfahrungsschatz zu spüren, fühlt er sich doch bemüßigt, mit der Kaiserin zumindest einen imaginären Dialog zu führen. Obwohl er nicht von tatsächlichen Gesprächen berichten kann, weiß er doch sicher, was sie gesagt hätte, wenn er sie hätte befragen dürfen. Das Bild, das er zeichnet, zeigt eine Frau, die in jüngeren Jahren von der Angst getrieben war, ihr über die Maßen schöner Gatte könnte sie betrügen. Später war sie von der Freudlosigkeit ihres Witwendaseins geprägt und damit eine Monarchin, die ihr eigenes Leid zum Anlass nahm, auch ihren Untertanen die Lebensfreude zu nehmen. Die Ergebnisse des Moralfeldzugs waren Casanova zufolge bescheiden. In den Hinterzimmern der Paläste gab es Ausschweifungen von beunruhigender Intensität. Auch Casanova ließ sich nicht einschüchtern, sondern kostete von verbotenen Früchten. Nicht einmal vor einer Halbwüchsigen machte er halt, und jene, denen er davon berichtete, zuckten nicht mit der Wimper. So war das Wien, das der Venezianer schilderte, eine in der Öffentlichkeit frömmelnde, hinter den Haustüren jedoch verworfene Bürger- und Adelsgemeinschaft. Wer Geld und Beziehungen hatte, konnte seine Begierden ausleben. Nur die Straßenprostituierten und die kleinen Bürger mussten sich vor den gestrengen Blicken der kaiserlichen Behörden fürchten.

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aria Theresia – die bigotte Kaiserin?

Ob die von Casanova so eindrucksvoll beschriebene Keuschheitskommission tatsächlich existierte, ist alles andere als sicher. Einzelne Reisebeschreibungen wissen von dieser Institution zu berichten, unzweideutige Zeugnisse ihrer Arbeit sucht der Historiker indes vergebens. Unstrittig ist dennoch, dass Maria Theresia schon in den ersten Jahren ihrer Regierung rigoros gegen die Prostitution vorging und die obrigkeitliche Kontrolle deutlich verschärfte. Die Arrestierten wurden üblicherweise im Wiener Zucht-

206   •   Erziehungsprojekte – eine Monarchin formt ihr Volk

und Arbeitshaus untergebracht. Um dessen Überfüllung zu verhindern und gleichzeitig die Entwicklung des Banats zu fördern, griff die Krone ab 1744 zusätzlich zum Instrument der Deportation. Jahr für Jahr wurde eine wachsende Zahl von straf- oder zumindest auffällig gewordenen niederösterreichischen Untertanen in Richtung Temeswar (heute Timișoara) verschifft. Neben Prostitution, Ehebruch, Kuppelei und unsittlichem Lebenswandel wurden auch Diebe, Bettler, Vagabunden und Schmuggler in das habsburgische Sibirien überführt. Zwischen 1752 und 1761, so wies die Forschung nach, sandte die Krone insgesamt 1534 Männer und Frauen mit Gefängnisstrafen und anschließender Verbannung dorthin.4 Lagen die Ursachen für die Sittlichkeitsoffensive, wie Casanova nahelegt, in der frömmelnden Charakterstruktur einer Kaiserin, die sich die Reinigung ihrer Hauptstadt zum Lebensziel gemacht hatte? Dass Maria Theresia einer traditionellen katholischen Religiosistät verhaftet war, ist kaum zu bestreiten.5 Ihre Lektüre bestand, wenn sie nicht ins Aktenstudium vertieft war, fast ausschließlich aus Erbauungsliteratur. Romane und gar philosophische Schriften fanden ihr Interesse nicht. Ihr Leben folgte dem Rhythmus der kirchlichen Feiertage, und sie ließ kaum eine Gelegenheit aus zu zeigen, wie verbunden sie der heiligen Mutter Kirche war. Bezeichnend war die große Zahl liturgischer Gewänder, sogenannter Paramente, die sie der Kirche stiftete. Nicht wenige der prachtvollen Stickereien hatte sie, unterstützt von ihren Töchtern und Hofdamen, selbst gefertigt.6 Die Mahnungen an ihre Kinder, regelmäßig die Messe zu besuchen und zur Beichte zu gehen, waren ein Kern ihrer Erziehungsarbeit. Ihr Umgang mit religiöser Indifferenz außerhalb des engeren Familienkreises war jedoch durchaus vielschichtig. Charles Joseph de Ligne berichtet in seinen Memoiren von einem Konflikt mit der Kaiserin über sein Fernbleiben von der heiligen Messe. Patrick Franz Graf Nény, ein Vertrauter Ihrer Majestät, hatte ihm die Missbilligung der Kaiserin mitgeteilt.7 Ligne zeigte sich unbeeindruckt und verwies auf die niederländischen Wurzeln seiner Familie, die während des Aufstandes der Provinzen nur aus Treue zur Krone katholisch geblieben sei – das müsse als Ausweis konfessioneller Zuverlässigkeit reichen. Aus dem Munde eines knapp 17-jährigen Höflings war dies eine unerhörte Replik. Ligne wurde vor die Kaiserin beordert. Nun warf ihm Maria Theresia ganz offen mangelnden Glaubenseifer vor. Ligne entgegnete, das könne sein, doch zumindest sei er im Gegensatz zu vielen anderen kein Heuchler. Während des Gesprächs blendete ihn die Sonne und Tränen traten in seine Augen. Die

Maria Theresia – die bigotte Kaiserin?   •   207

Kaiserin beobachtete dies aufmerksam, schenkte seinen Worten keinen Glauben und deutete seinen feuchten Blick als Zeichen innerer Bewegtheit. Wer ein solch gutes Herz hat, so erklärte die Monarchin, könne bei ihr bleiben. Ligne war erleichtert, und zwar so sehr, dass ihm tatsächlich fast die Tränen kamen. Später klärte er den Irrtum lachend gegenüber Freunden auf. Dies sei der Monarchin zu Ohren gekommen, die ihm jedoch wie bei so vielen anderen Streichen verzieh.8 Die Sittenstrenge der Kaiserin kannte Grenzen. Konflikte über die Befolgung religiöser Verhaltensnormen konnten, wie das Beispiel zeigt, durch gemeinsames Gefühlserleben, durch Tränen und Zerknirschung überspielt werden. Warum der jeweils andere weinte, blieb offen für Interpretationen. Die Kaiserin ließ ihrem Umfeld damit Freiräume und vermied selbst gegenüber einem unbedeutenden Neuling am Hof eine offene Konfrontation, sofern ihr Gegenüber Signale der Demut aussandte. Einen wichtigen politischen Berater wie Kaunitz wegen mangelnder Frömmigkeit fallen zu lassen oder mit Demonstrationen der Rechtgläubigkeit ihre Herrschaftsposition zu gefährden, entsprach nicht ihrem Herrschaftsstil. Ob ihre Frömmigkeit politisch relevant wurde, war nicht zuletzt eine Frage der Opportunität. Einmischungen der Kirche, insbesondere solche der Beichtväter, verbat sie sich. Wenn Maria Theresia sich dezidiert als sittenstrenge Monarchin gab und konsequent die Sünde auf den Straßen ihrer Hauptstadt bekämpfte, lag es nahe, dass dieses Verhalten nicht nur gottgefällig, sondern auch politisch geboten war. Tatsächlich ging es beim Kampf gegen die Prostitution nicht nur um die Einhaltung der Gebote Gottes, sondern auch darum, das Abfließen von Kapital in den Erotikmarkt ebenso einzudämmen wie die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten. Der Kampf um die Keuschheit ließ sich also auch ökonomisch begründen. Doch es gab noch weitere durchaus erwünschte Effekte. So ließ sich mit einer Keuschheits- und Glaubensoffensive der Versuch der Kaiserin, das Leben ihrer Untertanen zu beobachten und zu lenken, religiös überhöhen. Der Hof regierte im übrigen nicht nur über ein Spitzelsystem in die Stadt hinein, sondern wurde vielfältig aktiv. So wurde 1752 ein Generalspektakeldirektor ernannt, der dafür Sorge trug, dass auf städtischen Bühnen keine unerwünschten Stücke aufgeführt wurden. Im selben Jahr wurde ein Extemporierverbot erlassen, das verhindern sollte, dass Schauspieler ihren Text spontan veränderten und »schmutzige Worte« gebrauchten. Maria Theresia knüpfte mit all diesen Maßnahmen im Grunde an ein Bild der Obrigkeit an, das zu Zeiten der konfessionellen Kämpfe geprägt worden

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war. Es wies ihr die Rolle zu, den Zorn Gottes abzuwenden, indem sie seine Gebote durchsetzte. Frühere Monarchen hatten den Untertanen ungeachtet dieses Anspruchs eine Reihe von Freiräumen gelassen, Maria Theresia schränkte sie unter dem Eindruck neuer Kontrollzwänge ein. Diese Politik des Anknüpfens an alte Verhaltensmuster hatte indes ihre Tücken. Wie leicht sie kontraproduktiv wirken, ja eine Katastrophe auslösen konnten, hatte sich schon 1745 gezeigt, als die Monarchin sie im Umgang mit religiösen Minderheiten zur Anwendung gebracht hatte.

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er Sündenfall – Maria Theresia und die Juden zu Prag

Ist es der Königin erlaubt, die Juden aus dem Königreich Böhmen zu vertreiben? Dieser schwierigen Frage hatte sich am 17. Dezember 1744 der oberste Kanzler Philipp Joseph Graf Kinsky zu stellen.9 Der enge Vertraute Maria Theresias beantwortete sie mit einem uneingeschänkten Ja. Die Vorfahren Ihrer Majestät hätten sich das Recht vorbehalten, die Juden jederzeit wieder auszuweisen.10 Dass die Juden nicht zuverlässig seien, hätten sie im letzten Krieg unter Beweis gestellt, indem sie offen mit den französischen und preußischen Besatzern kollaborierten. Zudem würden sie ihre Nahrung auf unehrliche Weise verdienen und dem Land in vielfältiger Weise Schaden zufügen. Es sei an der Zeit, sich ihrer zu entledigen. Da aber die Zahl der Juden in Böhmen hoch sei und sie in Prag annähernd 10.000 zählten, sei es unmöglich, sie sofort auszuweisen. Gerade eine Vertreibung im Winter widerspräche dem Gebot der Nächstenliebe. Die Königin möge daher eine großzügige Frist setzen, innerhalb derer die Juden das Land und seine Hauptstadt verlassen müssten. Maria Theresia ließ sich auf keinerlei Verzögerungen ein. In ihrem Ausweisungsdekret vom 18. Dezember 1744 bestimmte sie, dass alle Juden Prag bis Ende Januar 1745 zu verlassen hatten und dass bis Ende Juni im gesamten Königreich kein Jude mehr ansässig sein durfte. Die administrativen Hindernisse, die diesem Plan entgegenstanden, und die Unbill der Witterung erzwangen eine Fristverlängerung bis 31. März 1745. Es war ein traumatischer Einschnitt in der Geschichte der einflussreichen und stolzen jüdischen Gemeinde Prags. In einem langen Zug verließen ihre Mitglieder die Stadt. Die meisten ließen sich zunächst im böhmisch-mährischen Umland nieder und hofften auf eine Sinnesänderung der Monarchin.11

Der Sündenfall – Maria Theresia und die Juden zu Prag   •   209

Die große Zahl der Betroffenen – neben den erwähnten 10.000 Prager Juden waren es auch 30.000 Landjuden – zwang Maria Theresia in der Tat, ihre Befehle abzumildern. Schon am 15. Mai 1745 wurde der jüdischen Bevölkerung Böhmens der Verbleib im Lande auf unbestimmte Zeit gestattet. Prag blieb allerdings eine Ausnahme. Dieser Stadt sollten sich Juden nicht mehr nähern.12 Die Versuche eines ganzen Netzwerks von jüdischen Fürsprechern, das Ausweisungsdekret zu revidieren, begannen schon unmittelbar nach dessen Veröffentlichung. Im Zentrum der Bemühungen stand Wolf Wertheimer.13 Der Erbe des bedeutenden kaiserlichen Oberhoffaktors Samson Wertheimer befand sich 1745 wirtschaflich in einer sehr kritischen Situation. Er hatte den Fehler gemacht, mit den bayerischen Wittelsbachern in Kreditgeschäfte einzutreten, und war von seinem chronisch unterfinanzierten Kunden in den Abgrund gezogen worden. 1733 war das traditionsreiche Geldhaus Wertheimer bankrott gegangen – nicht nur für Wertheimer ein harter Schlag, sondern auch für die jüdischen Gemeinden im Habsburgerreich, hatte doch einer ihrer wichtigsten Fürsprecher erheblich an Gewicht verloren. Die Zwangs­ emigration der Prager Juden gab Wertheimer, der unerbittlich um die Wiederherstellung seiner Bonität focht, die Chance einer Rückkehr auf die ­diplomatische Bühne.14 Noch immer besaß er zahlreiche Kontakte zum Hof, im Reich und in ganz Europa. Wenn es einen Mann gab, der den Kampf um den Erhalt des böhmischen Judentums koordinieren und zum Erfolg führen konnte, dann war er es. Von Augsburg aus – dort hielt er sich auf, um offene Forderungen einzutreiben – schrieb er an jüdische und christliche Würdenträger, an politische Eliten im Reich und an fremde Königshöfe. Wertheimer ließ keinen Zweifel daran, dass sein Anliegen wichtig war, und die Argumentationslinie, die er verfolgte, war durchaus ungewöhnlich:15 Nicht an die Milde der Herrscherin sollte appelliert werden, sondern an ihre wirtschaftliche Vernunft. Die Vertreibung der jüdischen Händler aus Prag werde nicht nur die böhmische Ökonomie nachhaltig erschüttern, die Schockwellen dieses Ereignisses würden sich über ganz Europa ausbreiten. Prag sei noch immer ein wichtiger europäischer Handelsplatz: Wenn er plötzlich verschwinde oder erheblich an Bedeutung einbüße, was zu befürchten sei, würden auch alle anderen Geldhandelsplätze des Kontinents in Mitleidenschaft gezogen werden. Vor allem in England und in den Niederlanden würde man die Folgen deutlich spüren. Abgesehen davon dürften die politischen Eliten Europas es nicht zulassen, dass die Kaiserin aus reinem Gutdünken Menschen aus ihrem Reich vertrei-

210   •   Erziehungsprojekte – eine Monarchin formt ihr Volk

be, die dort seit über zwölfhundert Jahren gelebt haben. Juden waren, daran ließ er keinen Zweifel, nicht einfach eine Verfügungsmasse, die ein Fürst im Lande belässt, solange sie ihm Vorteile bringen: Sie haben Rechte und wollen nichts anderes als Gerechtigkeit. Gelingen konnte dies nur, wenn aschkenasische und sephardische, deutsche, holländische und englische Juden gemeinsam ihre Obrigkeiten von dieser Botschaft überzeugten. Die Juden Europas sollten, so Wertheimer, ihre Lenden gürten, um mit Bittschriften und Versprechungen, mit Worten und mit Geld den Zorn der Königin zu beschwichtigen. Bereits zwei Wochen nach dem Erlass Maria Theresias gingen die ersten Bitt- und Protestschreiben an ihrem Hof ein. Neben Reichsständen wie dem Erzbistum Mainz und europäischen Fürsten traten der Papst und sogar der osmanische Sultan für die jüdische Gemeinde in Prag ein. Ein erster Erfolg dieser konzertierten Aktion stellte sich im Mai 1745 ein.16 Maria Theresia gewährte den Juden Böhmens und Mährens einen Aufschub: Sie seien zunächst weiter im Lande geduldet, so hieß es. Wann diese Übergangsphase endete, ließ die Monarchin offen. Hinsichtlich der Prager Juden zeigte die Königin zunächst keine Milde – ihre Vertreibung sollte definitiv bleiben. Doch auch in diesem Punkt ließ ein Sinneswandel nicht lange auf sich warten, denn die düsteren Wirtschaftsprognosen Wertheimers erfüllten sich schneller als erwartet: Böhmen, ohnehin vom Kriege verwüstet, konnte den Verlust der jüdischen Händler nicht kompensieren. Das Land taumelte in eine Wirtschaftskrise, und selbst jene Interessengruppen, die seit Jahrzehnten eine Vertreibung der Juden gefordert hatten wie die Prager Zünfte, sehnten nun die Rückkehr der Juden herbei. Drei Jahre nach dem Ausschaffungsdekret sah sich die Krone schließlich gezwungen, dem allgemeinen Druck nachzugeben: Prags Juden durften gegen Zahlung hoher Abgaben zurückkehren – doch nur wenige taten dies auch. Der Aderlass von 1745 lastete noch lange auf der böhmischen Hauptstadt. Das Fiasko des Ausschaffungsdekrets von 1744 hinterließ auch in anderer Hinsicht Spuren: Maria Theresia hatte mit ihrer antijüdischen Politik die Tradition ihres Vaters und ihres Großvaters konsequent weitergeführt.17 Nun war es an der Zeit, diese tradierten politischen Zielvorstellungen zu überdenken.18

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Widerwillige Duldung – das Dilemma der Kaiserin   •   211

iderwillige Duldung – das Dilemma der Kaiserin

Richtiges Handeln wurde am Hof Maria Theresias anhand von statistischem Material von falschem unterschieden. Die Reformen des Grafen Haugwitz etwa waren umgesetzt worden, nachdem er seinen Standpunkt mit Zahlen untermauert hatte. Nur wer Wege fand, mehr Steuern, mehr Soldaten, mehr kriegsentscheidende Ressourcen aus einem Landstrich herauszupressen, ohne dass dies zu politischen Unruhen führte, konnte seine Position in Wien durchsetzen. Hinsichtlich der jüdischen Bevölkerungsgruppen im habsburgischen Machtbereich war mit dem Experiment von 1745 deutlich geworden, dass die Duldung der Juden profitabler war als ihre Vertreibung. Die Konsequenz aus dieser Beobachtung lag auf der Hand – die Kaiserin verzichtete künftig auf Massenvertreibungen. Von einer Toleranzpolitik konnte allerdings keine Rede sein: Die niederösterreichische Judenordnung von 1753 etwa war von äußerst restriktiven Niederlassungsbeschränkungen geprägt. Juden sollten in Wien nur dann siedeln dürfen, wenn sie wohlhabend waren, hohe Schutz­ gelder zahlten und dem Hof nützliche Dienste leisteten – durch Kreditvergabe, die Lieferung von Luxuswaren oder die Proviantierung von Heeren. Dass diese harte Haltung langfristig nicht durchzuhalten war, lag auf der Hand. Einer der prominentesten Juden, Diego d’Aguilar (1699–1759), fungierte schon seit 1726 als Pächter des österreichischen Tabakmonopols und hatte damit die einem Hofjuden zugestandenen engen Betätigungsfelder längst gesprengt. Dasselbe galt für viele seiner Glaubensgenossen. Die Kaiserin zögerte noch, das Offenkundige anzuerkennen. Dekrete, die die Handelsfreiheit für Juden ermöglichten, wurden von ihr nicht unterzeichnet. Noch am 14. Juni 1777 vermerkte sie auf dem Manuskript eines Kanzleivortrages: Ich kenne keine ärgere Pest von Staat als diese Nation, wegen Betrug, Wucher und Geldvertragen, Leüt in Bettelstand zu bringen, alle üble Handlungen ausüben (...) mithin sie, sovill sein kann, von hier abzuhalten und zu vermindern.19 Als sie dies schrieb, hatte sie allerdings schon längst zugelassen, dass jüdische Händler ihre Tätigkeitsbereiche ausweiteten. So war ihnen 1765 offiziell gestattet worden, am Kaffee-, Farbstoff- und Zuckerhandel zu partizipieren. Neben den Handel trat zeitgleich und fast unbemerkt die Investitionstätigkeit von Juden in österreichische Fabriken. Die Hofjuden Maria Theresias waren ungeachtet aller demonstrativ zur Schau gestellten antijüdischen A ­ ttituden längst als Unternehmer und Kaufleute großen Stils aktiv.

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Natürlich gab es noch immer zahlreiche Beschränkungen. Der Militärdienst etwa blieb Juden verwehrt; auch wurde diskutiert, ob Juden Zeichen an der Kleidung tragen sollten oder ob man ihr Wohnrecht auf bestimmte Gassen beschränken sollte. Umgesetzt wurden derartige Pläne nicht. Sie verdeutlichten aber, dass Juden von Seiten der Kaiserin weiterhin als gefährlich und kaum berechenbar wahrgenommen wurden. Bei Audienzen vermied Maria Theresia etwa den Blickkontakt mit Juden und verbarg sich hinter einem Paravant. Von Maßnahmen, die wirtschaftlich und steuerpolitisch kontraproduktiv sein konnten, nahmen sie und ihr Staatsrat jedoch Abstand. Überhaupt wurde der Kampf für konfessionelle Reinheit und gegen religiöse Minderheiten während ihrer Regentschaft nur dann entschlossen ausgefochten, wenn die Kaiserin den Eindruck hatte, dass die Folgen beherrschbar waren.

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rotestantenverfolgung und Binnenkolonisation

Betroffen waren von diesen Maßnahmen vor allem die protestantischen Gemeinden der Erblande. Noch im 17. Jahrhundert hatten sich zahlreiche Bürger und Adlige zur Reformation bekannt – Widerstand gegen Eingriffe der Krone in ständisches Recht und das Bekenntnis zum Protestantismus gingen damals häufig Hand in Hand. Aus diesem Grunde stuften die habsburgischen Monarchen ihre evangelischen Untertanen als Sicherheitsrisiko ein und bewegten sie, sofern sie über die entsprechenden Mittel verfügten, mit Repressalien zur Konversion. Wie viele Protestanten ihren Glauben noch praktizierten, war den Räten der Hofburg zu Beginn der Regierung Maria Theresias allerdings noch schleierhaft. Mit den verbesserten Zugriffsmöglichkeiten, die Wien im Zuge der Verwaltungsreformen des Grafen Haugwitz erhielt, begann sich der Nebel der Unsicherheit zu lichten. Die Kaiserin ließ Nachforschungen anstellen – mit schockierendem Ergebnis. In Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark hatten sich entgegen allen Erwartungen zahlreiche protestantische Gemeinden gehalten, die ihren Glauben teilweise öffentlich ausübten. Wien reagierte mit Repression. ­Missionare wurden ausgesandt und halsstarrige Lutheraner in sogenannte Konversionshäuser verwiesen, die Indoktrination mit Zwangsarbeit kombinierten. Sofern diese Behandlung fehlschlug, wurden die besonders hartnäckigen Katholizismusverweigerer nach Siebenbürgen verschifft. Einmal mehr

Protestantenverfolgung und Binnenkolonisation   •   213

griff die Kaiserin damit zum Mittel der Vertreibung: Statt die Betroffenen jedoch ganz aus dem habsburgischen Machtbereich zu entfernen, was der üblichen Politik entsprochen hätte, wurde ihnen ressourcenschonend ein strukturschwaches neues Siedlungsgebiet zugewiesen.20 Zwischen 1754 und 1758 waren insgesamt rund 3000 Menschen von diesen Maßnahmen betroffen, was sich auf die Entwicklung Siebenbürgens durchaus positiv auswirkte. Das Resultat dieser Maßnahme war ambivalent: Zwar wurde der Protestantismus in den österreichischen Erblanden geschwächt, die eigenen Bemühungen, Siebenbürgen für den katholischen Glauben zu gewinnen, jedoch untergraben.21 Diese merkwürdige, den eigenen konfessionellen Zielvorstellungen gegenläufige Entwicklung wurde zusätzlich durch die von der Krone ausdrücklich geförderte Wanderungsbewegung protestantischer Siedler aus Baden-Durlach, aus dem Hanauer Ländchen, aus Württemberg und aus dem Elsass gefördert. Im Südosten ihres Herrschaftsbereichs verfolgte die Krone andere Prio­ ritäten als im Nordwesten.22 In Siebenbürgen, einem direkt von Wien aus regierten Fürstentum, ging es der Kaiserin vorrangig darum, die Steuerkraft des Territoriums, seine militärische Widerstandskraft und seine ethnische Bindung an Wien zu stärken – gegenüber den Osmanen, möglicherweise aber auch gegenüber den Ungarn.23 Konfessionelle Erwägungen konnten hier zunächst in den Hintergrund treten. Auf den ersten Blick erschien dies als ideale Lösung des Problems: Die Protestanten wurden aus strategisch wichtigen Territorien entfernt und als Zwangsmigranten in strukturschwache Regionen geschafft.24 Doch gab es auch Kritik: Wie seinerzeit die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus Prag provozierten die antilutherischen Maßnahmen der Krone den Protest der Publizistik. Zunehmend wurde die Frage gestellt, in welcher Weise die Monarchin ihr Volk beeinflusste und formte. Der Verdacht, dass hier eine radikale Katholikin regierte, die ihre Überzeugungen rücksichtslos und mit Mitteln des vergangenen Jahrhunderts durchsetzte, verdichtete sich. Vor allem Friedrich II. liebte es, seine Gegenspielerin als Vertreterin des vergangenen Dunkels zu diffamieren, während er selbst sich als Genius seiner Zeit preisen ließ. Die Verfolgung der Protestanten spielte ihm dabei in die Hände – und nicht nur diese.

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er kaiserliche Vampirerlass

Der Dorffriedhof von Hermersdorf bot ein Bild der Verwüstung. Er war regelrecht nach Leichen durchwühlt worden. Neben dem Grab der vor achtzehn Wochen verstorbenen Marianne Saligerin wurden die Begräbnisstätten all jener geöffnet, die nach ihr beigesetzt worden waren. Jede der exhumierten Leichen wurde auf Geheiß der weltlichen und geistlichen Behörden einer genauen Untersuchung unterzogen. War der Tote hinreichend verwest oder widerstand er dem natürlichen Verfall des Körpers? Bei neunzehn der leblosen Körper schien man fündig zu werden, bei ihnen bestand Handlungsbedarf, war doch besagte Saligerin offenbar für das Schicksal der übrigen Untoten veranwortlich. Vampire töteten, so die Vermutung, ihre Opfer nicht nur, sondern verwandelten sie auch. Um einer weiteren Ausbreitung dieser Seuche Einhalt zu gebieten, beschloss die zuständige Obrigkeit daher, die betreffenden Leichname zu verbrennen.25 Der Kaiserin war der Vorfall im Februar 1755 gemeldet worden. Sie reagierte rasch, indem sie Haugwitz als obersten Kanzler anschrieb, der sich mit ihrem Leibarzt van Swieten ins Benehmen setzen sollte. Sie hoffte, dass es den beiden gelänge, einen Arzt zu finden, der nach Mähren reise, um den Dorfbewohnern von Hermersdorf zu erklären, dass sie einem Aberglauben aufgesessen seien. Van Swieten schickte schließlich zwei Mediziner an den Ort des Geschehens. Die von ihnen durchgeführte Untersuchung ergab das gewünschte Ergebnis: Zunächst stellten sie fest, dass schleppende Verwesung nicht nur das Kennzeichen der bereits verbrannten Leichen war, ähnliches wurde auch bei den übrigen exhumierten Toten erkennbar. Das sei jedoch nichts Ungewöhnliches: Nicht magische Kräfte, sondern die geringe Temperatur der letzten Wochen sowie die Bodenbeschaffenheit auf dem Friedhof seien für den Zustand der Ausgegrabenen verantwortlich. Mit Schrecken habe man feststellen müssen, dass trotz dieser auf der Hand liegenden Erklärung die lokalen Behörden das Spektakel offen gefördert hatten. In Wien verfehlte der Bericht seine Wirkung nicht. Bereits am 1. März 1755 ließ die Kaiserin einen Erlass herausgeben, der sich offen gegen den Volksglauben an Hexen und Gespenster wandte. Der Glaube an Untote sei, so hätten Untersuchungen zum jüngst zurückliegenden Fall einmal mehr gezeigt, das Ergebnis von Aberglauben und Betrug. Künftig sei die Störung der Totenruhe daher streng verboten:

Der kaiserliche Vampirerlass   •   215

Also ist unser gnädigster Befehl, dass künftig in allen derlei Sachen von der Geistlichkeit ohne Hinzuziehung der weltlichen Behörden nichts vorgenommen, sondern jedes Mal wenn ein solcher Fall eines Gespenstes, Hexerei, Schatzgräberei, oder eines angeblich vom Teufel Besessenen vorkommen sollte, derselbe der weltlichen Behörde sofort angezeigt, von dieser mit Hinzuziehung eines vernünftigen Arztes untersucht und eingesehen werden solle, ob und was für ein Betrug darunter verborgen, und wie sodann die Betrüger zu bestrafen sein werden.26 Das Edikt stellte den Versuch dar, ein Phänomen, das zu einer internationalen Peinlichkeit geworden war, abzustellen oder zumindest zu verhindern, dass eigene Amtsträger sich an der Verfolgung angeblicher Vampire beteiligten. Wenn gelehrte Zeitschriften französischer und deutscher Sprache über den Glauben an Vampire berichteten, so taten sie dies, um Unbildung und Aberglauben anzuprangern. Wer bei Nacht Tote ausgrub und verbrannte, der lebte in einem halbbarbarischen Land. Dringend bedurfte es des Lichts der Aufklärung. In einen derartigen Ruf zu geraten, war eher unattraktiv, und so versuchte die Hofburg, entsprechende Vorfälle diskret zu behandeln. Vergebens, denn die Fähigkeit der Krone zur Informationskontrolle war notorisch begrenzt. So wurden im April 1755 in zwei Berliner Nachrichtenblättern Artikel zu dem Vorfall veröffentlicht, deren Autoren sich auf den Untersuchungsbericht stützten.27 Die Beobachtungen der beiden Ärzte wurden mit viel Liebe zum Detail ausgeschmückt und um eine ebenso pikante wie sachlich falsche Mitteilung ergänzt: Die Kaiserin selbst, so hieß in den Zeitungen, habe die Exhumierung und Verbrennung der Untoten befohlen. Beide Presseorgane standen unter strenger preußischer Zensur, und es war ein offenes Geheimnis, dass der König selbst aus politischem Kalkül immer wieder in deren Berichterstattung eingriff. Die Nachrichten über die Vampirjagd in Hermersdorf waren daher vermutlich mehr als nur Ausdruck einer Verkaufsstrategie preußischer Zeitungsmacher. Darauf deutet auch die kurze Richtigstellung hin, die im kleineren der beiden Blätter im Mai 1755 erschien – Preußen wollte offenbar weitere Verwicklungen vermeiden. Rufschädigende Wirkung hatte die Meldung ohnehin schon entfaltet. Die aus den einzelnen Reichsteilen, den Kreisen und Städten seit Umsetzung der Haugwitz’schen Reformen eintreffenden Informationen konfrontierten die Krone mit erheblichen Problemen. Eines davon bestand darin, dass

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diese Nachrichten nicht nur nach Wien drangen, sondern in alle Teile Europas – statistische Erhebungen ebenso wie interessante Einzelnachrichten. Sie alle ergaben ein öffentliches Bild, das die Beurteilung eines Staates durch die Zeitung lesenden und für Entscheidungen relevanten Eliten erheblich beeinflusste. Die Stärke des Habsburgerreiches, seine Fähigkeit, das Verhalten der eigenen Untertanen zu lenken, und die Kompetenz der Krone, erkannte Mängel abzustellen – all dies wurde auf Grundlage solcher Daten evaluiert. Ihre Verbreitung und ihre Bewertung zu lenken, wurde zu einer Aufgabe von hoher politischer Relevanz. Negative wie positive Einschätzungen konnten erhebliche politische Folgen haben – eine Tatsache, die Benjamin Franklin zwei Jahrzehnte später nutzte, um mit einer brillanten Informationskampagne Frankreich in die Arme der neu entstehenden amerikanischen Republik zu treiben. Desinformation, Diffamierung und propagandistische Übertreibung wurden zu einem unentbehrlichen Teil des politischen Geschäfts, und das Haus Habsburg bedurfte eigener Experten, um dem Bild eines zwar wohlorganisierten, aber unzivilisierten Herrschaftsgebiets entgegenzuwirken. Mit einer Korrektur der Außenwahrnehmung, das hatte die Vampirjagd in Mähren eindrucksvoll gezeigt, war es dabei nicht getan: Offenkundig war eine Reihe von tradierten Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern der Obrigkeit revisionsbedürftig. Ob die katholische Geistlichkeit, in deren Händen die Verbreitung obrigkeitlicher Dekrete, die Überwachung der Untertanen und die gesamte Bildungspolitik lagen, in der Lage war, hier Änderungen vorzunehmen, durfte bezweifelt werden.

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er Große Swieten – die Kaiserin und ihr Arzt

Diesen Zweifel formulierte kaum ein anderer Vertrauter der Kaiserin so lebhaft wie jener Herr, den sie mit der Untersuchung der Vampirjagd betraut wurde: Die Rede ist von Gerard Freiherr van Swieten (1700–1772). Van Swieten gehörte zu den wichtigsten Vertretern eines neuen Modells der Volkskontrolle und Volksbildung, das mit jenem des Klerus in den habsburgischen Herrschaften ab Mitte des 18. Jahrhunderts zu konkurrieren begann. Zugleich entwickelte er sich mehr und mehr zu einem Strategen der Außendarstellung der Monarchie. Sein Einfluss hing unmittelbar mit seiner Stellung als Leibarzt Ihrer Majestät zusammen.

Der Große Swieten – die Kaiserin und ihr Arzt   •   217

Der Niederländer hatte in Löwen Medizin studiert. In seiner Heimat waren ihm als Katholiken Staatsämter verschlossen, und so wandte er sich nach Süden, wurde in habsburgischen Landen zunächst von Kaunitz gefördert und siedelte am 7. Juni 1745 schließlich nach Wien über. Es war der Tod, der zu diesem Zeitpunkt für Maria Theresia besonderen Schrecken besaß: Raffte er sie und ihre Kinder dahin, drohte womöglich der Kollaps ihres Reiches.28 Alle Mühen, alle Opfer wären angesichts der unsicheren Erbfolge umsonst gewesen. Die Königin, die eine panikartige Furcht vor den Schwarzen Pocken hatte und sie als Erzfeindin des Hauses Habsburg bezeichnete, zeigte schon aus diesem Grunde ein großes Maß von Offenheit gegenüber medizinischen Experten, von denen zu erwarten war, dass sie mit neuesten Methoden dieser Gefahr zu Leibe rücken würden. Ein niederländischer Arzt schien da die beste Wahl zu sein. Er erhielt den Auftrag, einem Team von Medizinern – ein Apotheker und fünf Chirurgen – vorzustehen und dieses zu beaufsichtigen. Sein Arbeitspen­ sum war selbst in den Augen der Habsburgerin beeindruckend: Er ließ nichts unversucht, die pharmazeutische Ausstattung der Apotheke zu verbessern. Seine Patienten betreute er bis zur Selbstaufgabe und ohne Schonung der eigenen Gesundheit. Swieten gab sich als Märtyrer der Medizin, als treuer Fürsorger des monarchischen Leibes, der dessen intimste Geheimnisse kannte. Die Kaiserin vertraute ihm vorbehaltlos und pries seine Kenntnisse und seine Erfolge in den höchsten Tönen. Leibarzt am Hof zu sein, erklärte sie später ihrem Sohn Leopold29, sei ein wenig erfreulicher Beruf: Jeder neide ihm die Position, Konkurrenten suchten ihn in ein schlechtes Licht zu rücken, und zahlreiche Laien täten alles, um mit ihren untauglichen Ratschlägen durchzudringen. Mit van Swieten habe dieses babylonische Sprachengewirr der Heilkundigen ein Ende gefunden – er habe kraft seiner Autorität alle Widersacher zum Schweigen gebracht. Wie sehr die Kaiserin ihn schätzte, wurde deutlich in den Anweisungen, die sie dem Erzieher des Thronfolgers, Graf Batthyány, gab: Im Falle von Erkrankungen solle er sich sofort an van Swieten wenden, der allein über die weitere Vorgehensweise entscheide.30 Nur bei schweren Krisen behielt sie sich das Letztentscheidungsrecht vor. Jede überstandene Krankheit wurde schon aufgrund dieser Allgegenwart seiner Heilkunst zugeschrieben. Als die Erzherzogin Josepha auf dem Wege der Genesung war, dankte die Kaiserin zunächst ihrer Erzieherin für die aufopferungsvolle Pflege: Dass ihre Tochter noch am Leben sei, habe sie neben Gott und van Swieten vor allem ihr zu verdanken. Ähnlich äußerte sie sich nach eigenen Erkrankungen.

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Der große, der fromme Swieten wurde von der Kaiserin damit gleichsam in den Kreis der ihr von Gott Gesandten eingereiht. Wer diesem Kreis angehörte wie Haugwitz, Bartenstein oder General Daun, zu dem pflegte sie ein enges persönliches Verhältnis, das die wechselseitige Bindung unterstrich und erneuerte. Die Kaiserin kümmerte sich um van Swietens Familienangelegenheiten ebenso wie um seine Gesundheit. Als sein Lebensende nahte, gab sie ihrem Sohn Ferdinand genaueste Auskunft über den langsamen Verfall des »Großen Swieten«. Nur Mitgliedern des Hauses Habsburg wurde ähnliche Aufmerksamkeit zuteil.31

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an Swietens Mission

Der Mediziner war schon früh mehr als nur ein subalterner Diener Ihrer Majestät, er war ihr Vertrauter. Er, der die Geheimnisse des Körpers rational zu erklären wusste, wurde zum Berater, wann immer die kühl abwägende Stimme der Vernunft gefragt war. Medizin und Politik, die Heilung des menschlichen wie des staatlichen Körpers wurde in Lehrschriften der Zeit ohnehin gern in Verbindung gebracht. Der Arzt rückte an die Stelle des Beichtvaters. Wie einflussreich van Swieten war, wurde erstmals deutlich, als die Kaiserin ihn 1749 ausdrücklich aufforderte, zu Haugwitz’ Verwaltungsreform Stellung zu nehmen. Dabei blieb es nicht: Seine Beratertätigkeit umfasste verschiedene Sachgebiete. Bereits unmittelbar nach seinem Eintreffen in Wien war er zum Custos der kaiserlichen Hofbibliothek bestellt worden. Er, der mehr als sechs Sprachen beherrschte, füllte auch diese Position mit ungewöhnlicher Sachkenntnis aus. Die zunächst von ihm als chaotisch bewertete Büchersammlung wurde geordnet und um verschiedene Privatbibliotheken erweitert. Die alten Einbände wurden restauriert und verzeichnet, neue Bücher nach sorgfältiger Prüfung beschafft. Van Swieten wusste seine Position als kaufkräftiger Bibliothekar geschickt dafür zu nutzen, seine Kontakte zu Gelehrten in ganz Europa zu intensivieren.32 Als 1751 die Zensurbehörde in Wien neu organisiert wurde, war seine Berufung in das Gremium nur folgerichtig. Der politische Flugschriftenmarkt bedurfte, wie Haugwitz anmahnte, dringend einer Kontrolle. In den Kaffeehäusern der Monarchie wurden dergleichen Schriften ebenso wie Zeitungen verschiedener Provenienz eifrig gelesen und diskutiert. Wien wollte die Kon­

Van Swietens Mission   •   219

trolle über diese Nachrichtenkanäle erhalten. Das Bild, das von der Monarchie im In- und Ausland verbreitet wurde, sollte von der Krone rezipiert und beeinflusst werden. Das neu eingerichtete Direktorium drängte zudem auf eine Sichtung jener Literatur, die für die Bewertung sozialer, wirtschaftlicher und politischer Fragen von Bedeutung war. Neue Wissenbestände mussten erschlossen werden, und es bedurfte eines Fachmanns, der in der Lage war, Nützliches von potentiell Gefährlichem zu unterscheiden. Der in der europäischen Gelehrtengesellschaft ausgezeichnet vernetzte van Swieten war für diese Aufgaben geradezu die Idealbesetzung. Er kannte den Publikationsmarkt und dessen Bewertungsstandards. Dabei machte er kein Hehl daraus, was er von tradierten, religiös fundierten Wissensbeständen und deren Hütern hielt, nämlich nichts. Die bis dato den Zensurbetrieb dominierenden Jesuiten wurden von ihm scharf attackiert, er forderte deren Ausschluss aus der Bücherkontrolle. So weit wollte die Monarchin nicht gehen, und so begann van Swieten einen langen, kompromisslosen Kampf gegen die Vertreter des Ordens – ein Kampf, der sich vor allem an der Frage der Zulassung eines Buches entzündete, des 1748 erschienenen Werks »De l’esprit des loix« (»Vom Geist der Gesetze«) von Charles de Montesquieu. Für van Swieten war das von Jesuiten durchgesetzte Verbot dieser Kernschrift der Aufklärung ein gefundenes Fressen. Mit Genuss spottete er über die engstirnigen Geistlichen, die nicht einmal begriffen, was sie da eigentlich verboten. Seine bissigen Kommentare und sein wachsender Einfluss bei der Kaiserin zeigten schließlich Wirkung: Maria Theresia wies die Zensoren am 8. April 1753 an, ihren Widerstand aufzugeben. Das Werk konnte erscheinen. Eine Entscheidung mit Symbolwirkung: Unter dem Einfluss van Swietens und mit ausdrücklicher Rückendeckung seiner Kaiserin konnten in Wien die Werke von Leibniz, Lessing und Diderot verkauft werden. Bei anderen Autoren wie Rousseau und Voltaire zeigte sich der Niederländer weniger offen, insgesamt jedoch gelang es dem Leibarzt, die Rolle der Jesuiten innerhalb der Zensurkommission zurückzudrängen und 1759 sogar deren Vorsitz zu übernehmen. Daneben engagierte sich van Swieten bereits ab 1749 für eine Reform der Medizinerausbildung. In jenem Jahr hatte er seiner Monarchin eine Denkschrift zum Thema überreicht: Es müsse endlich sichergestellt werden, dass angehende Mediziner in geeigneten Räumlichkeiten von Professoren unterrichtet werden, die von der Monarchin und nicht etwa vom Konsisto­ rium ernannt worden sind. Es sollten endlich angemessene Gehälter gezahlt

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werden, und der Unterricht in Chemie und Botanik sollte gewährleistet sein. Maria Theresia folgte den Vorschlägen und ernannte Swieten am 7. Februar 1749 gegen erbitterten Widerstand seiner neuen Kollegen zum Direktor der medizinischen Fakultät. Der brillante Polemiker parierte sämtliche An­griffe problemlos. Allein der Hinweis, dass von 600 in das Bürgerspital aufgenommenen Kindern 580 aufgrund der bisherigen medizinischen Betreuung gestorben waren, diskreditierte die Gegner. Swieten gestaltete die medizinische Fakultät zügig zu einer international renommierten Körperschaft aus und schickte sich an, das seiner Ansicht nach erfolgreiche Modell auf die übrigen Fakultäten zu übertragen. Die Gelegenheit dazu ergab sich 1752, als die Universität zur Staatsanstalt wurde, und 1755, als der Umzug in ein neues Gebäude anstand. Mit erstaunlicher Ausdauer begann er, seine Gegner aus den Gremien zu verdrängen und die Ausstattung der Institute zu verbessern. Seine Erklärung für den niederschmetternden Zustand der Lehranstalt war einfach: Es ist Zeit, so schrieb er an die Kaiserin, dass die Gesellschaft Jesu als diejenige erkannt werde, die sie wirklich ist (...). Die Universitäten, an denen sie herrschten, verfallen im Nichts.33 Van Swietens Furor gegen die Jesuiten, sein Eintreten für eine Verbesserung von Bildung und Wissenschaft und seine wiederholt geäußerte Meinung, Bayern sei Österreich in dieser Hinsicht voraus, stießen bei seiner Mon­archin durchaus nicht auf uneingeschränkte Gegenliebe: Ich für meine Person liebe alles das nicht, was man Ironie nennt. Niemals wird irgend Jemand durch sie gebessert, wohl aber geärgert, und ich halte sie für unvereinbar mit der Liebe des Nächsten. Wozu dieser Zeitverlust für diejenigen, die derlei schreiben und lesen? Es gibt ja noch so viele gute Dinge, welche uns abgehen; auf sie könnte und sollte man sich verlegen. Die Nachbarschaft Baierns ist mir verdächtig. Unsere Sprache ist dieser Art leichten Scherzes nicht geeignet. Gar leicht könnte man sich unter dem Deckmantel verbergen, dass diess aus Baiern komme, und die Geschichten von hier fortsezten, was ich nicht zu dulden vermöchte.34 Maria Theresia glänzte weder durch schriftstellerische Aktivitäten – wenn auch ihre französischsprachige Korrespondenz erhebliche Begabung offenbart – noch durch intensive Briefkontakte zu Aufklärern.35 Jener intensive Austausch, den die Pompadour, aber auch Katharina II. oder Friedrich II. mit Voltaire pflegten, jene Bereitschaft, sich als Aufklärer unter Aufklärern

Waisenhaus und Theresianum – die Bildungsreformen der Kaiserin   •   221

zu bewegen, die Religion zu schmähen36, in Freimaurerlogen zu verkehren, fehlten der Monarchin.37 Wie Haugwitz oder von Daun unterstützte die Monarchin auch van Swieten vornehmlich als Person. Sie erklärte ihn zu einem Mann, dem sie vertraute und an dessen charakterliche Qualitäten sie glaubte. Seinen konkreten Anliegen gegenüber konnte sie deshalb so lange auf Distanz bleiben, bis eine Entscheidung unbedingt erforderlich war. Das gab ihr Spielräume.

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aisenhaus und Theresianum – die Bildungsreformen der Kaiserin

Maria Theresia hatte den Jesuiten ihre Gunst keineswegs entzogen – noch Jahrzehnte später relativierte sie Kritik am Orden immer wieder.38 Das Haus Habsburg habe sich, so betonte sie, stets auf die treuen Dienste der Gesellschaft Jesu verlassen können. In der Tat vertraute sie die zahlreichen Bildungseinrichtungen, die sie ab 1742 ins Leben rief und die sie als fürsorgliche Erzieherin ihrer Untertanen zeigen sollten, wie selbstverständlich jesuitischem Fachpersonal an. Dem oberösterreichischen Jesuiten Ignaz Parhamer (1715–1786) etwa übertrug sie 1758 die Leitung des Waisenhauses am Rennweg. Der Seelsorger, Philosoph und Pädagoge war vor allem als strenger Sittenwächter und flammender Prediger wider die Verderbnis Wiens in Erscheinung getreten. Ab 1752 stand er vermutlich der erwähnten »Keuschheits-Kommission« vor.39 Dem Sündenbabel, das es mit Feuer und Schwert auszurotten galt, stellte Parhamer ein kaltes Paradies entgegen, das er im besagten Wiener Waisenhaus aufzubauen suchte. 1742 gegründet, wurde die Institution ab 1759 zu einem repräsentativen Ensemble erweitert. Am Rennweg stellte sich die Monarchie als liebende Mutter dar, die die ihr anvertrauten Landeskinder vor den Augen der Welt zu guten Untertanen erzieht.40 Waisenhäuser waren nicht nur in Wien, sondern auch in Zürich, Amsterdam, Hermannstadt oder Klagenfurt Orte obrigkeitlicher Selbstvergewisserung, in denen die Überlegenheit des eigenen Regiments gegenüber anderen dokumentiert wurde. In Wien geschah dies nicht nur, indem Parhamer seine Zöglinge auf einen militanten Katholizismus einschwor, sondern auch durch eine rigide vor­ militärische Erziehung. Das Individuum hatte in Parhamers Gedankenwelt die Funktion eines perfekt funktionierenden Rädchens im Getriebe.41

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Einem ähnlichen Konzept folgte das 1746 gegründete Theresianum.42 Die Monarchin hatte als Ort dieser exklusiven Ausbildungsstätte die Neue Favorita ausersehen, den Lieblingspalast ihres Vaters, in dem sie selbst aufgewachsen war.43 Die ehemalige Sommerresidenz wurde also nicht zu einem Herrschersitz zweiter Ordnung degradiert, sondern als Schule der Elite mit neuer Bedeutung versehen. Ein Theater, eine Reitschule und ein botanischer Garten kennzeichneten das ohnehin eindrucksvolle Gebäude als Lehrstätte für den jungen Adel, der hier standesgemäße und dem Staat nützliche Kenntnisse erwerben sollte. Das Theresianum war ein steingewordenes Bekenntnis der Kaiserin zu ihrem Adel, es dokumentierte ihren Willen, ihn an sich zu binden, ihn auf den Staat zu verpflichten und seine Position in der Gesellschaft neu zu fundieren.44 Die Leitung des gesamten Unternehmens wurde einmal mehr in die Hände der Jesuiten gelegt. Erster Leiter des Theresianums wurde der Wiener Ludwig de Biel (1697–1771), der sich vor allem als Mathematiker, Numismatiker und Theologe auszeichnete. Ich halte, so erklärte Maria Theresia in einem Schreiben vom 15.1.1752, viel auf diesen Mann und das Werk ist von der größten Wichtigkeit. Tatsächlich gelang es Biel, das etwas angestaubte Konzept der Ritterakademie durch neue Lehrinhalte mit Leben zu erfüllen. Die Ausbildung bestand zunächst aus den klassischen sprachlichen, historischen und philosophischen Fächern, denen eine juristische Ausbildung folgte. Angereichert wurde das Lehrangebot durch Kurse in Ökonomie, Verwaltung, Diplomatie, Mathematik, Festungsbau, Tanzen, Fechten und Reiten.45 Der Erfolg des Unternehmens stellte sich rasch ein. Johann Gottfried Groß berichtete 1752 in der Zeitschrift »Auszug aus der neuesten Weltgeschichte«, dass das hiesige Collegium Theresianum beständige wachse, die Zahl der aus dem In- und Ausland kommenden jungen Adligen sei bereits auf über einhundert angestiegen. Der Grund für die Ausstrahlungskraft des Collegiums lag nach Meinung des Autors auf der Hand: Es sei unstrittig, dass heutigs Tags der Ausbildungsgang eines jungen Kavaliers ein ganz anderer sein müsse als der eines Geistlichen, eines Richters oder eines Verwalters. Schließlich solle der Adlige einst Burger der großen Welt werden. Jesuitische Lehrer waren damit nach Meinung des Publikums durchaus in der Lage, die künftige Elite des habsburgischen Reiches auf die Herausforderungen eines sich dramatisch verändernden innen- und außenpolitischen Umfeldes vorzubereiten.46 Die Jesuiten hatten allerdings mit Konkurrenz zu kämpfen, mussten ihre Lehrinhalte anpassen und immer stärker mit weltlichen Lehrern kooperieren.

Frömmigkeit und Modernisierung – die Kaiserin und die Jansenisten   •   223

Ein wichtiger Mitbewerber auf dem Bildungsmarkt war etwa die ebenfalls 1746 gegründete Savoyische Akademie, eine Stiftung der Herzogin von Savoyen, die unter Leitung der den Jesuiten in inniger Abneigung verbundenen Piaristen ein ähnliches Bildungskonzept wie das Theresianum verfolgte.47 Ebenfalls unter dem Einfluss der Piaristen stand eine 1752 in der Wiener Neustadt eingerichtete Militärakademie. Auch sie war dem Fächerkanon der Ritterakademien verpflichtet, legte aber naturgemäß einen deutlicheren Schwerpunkt auf die militärische Ausbildung.48 Bei der Gründung der Akademie der Orientalischen Sprachen 1754 hatten wiederum die Jesuiten die Nase vorn. Die neue Lehranstalt vermittelte ihren Zöglingen sprachliche, landeskundliche und administrative Fähigkeiten. Sie wurde innerhalb weniger Jahre zu einem Zentrum der Dolmetscher- und Diplomatenausbildung.49 An all diesen praxisorientierten, nichtuniversitären Bildungsinstituten, die mit beträchtlichen Geldmitteln ausgestattet waren, griffen die Stifter massiv in die Ausgestaltung der Lehre ein. Die Jesuiten hatten dienende Funktion. Maria Theresia war gern bereit, renommierte jesuitische Lehrkräfte zu beschäftigen und die schulpolitischen Erfahrungen des Ordens für sich nutzbar zu machen, duldete aber bei der künftigen Elitenausbildung keinen Versuch, die Krone in die Position des einflusslosen Geldgebers zu drängen.50 Tatsächlich stellte sich für die Kaiserin ab Mitte des 18. Jahrhunderts angesichts des zunehmenden Erfolgs weltlicher Lehrkräfte die Frage, ob die Rolle des Ordens innerhalb der Akademien nicht reduziert werden könnte. So wurde 1754 am Theresianum darüber diskutiert, das Studium der Rechte und anderer anwendungsorientierter Wissenschaften vom Grundstudium auch administrativ zu trennen. Das Institut sollte gleichsam zweigeteilt werden, und die Kaiserin ließ keinen Zweifel daran, dass sie in der Ausbildung der höheren Semester keine jesuitische Beteiligung mehr wünschte.

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römmigkeit und Modernisierung – die Kaiserin und die Jansenisten

Der Jesuitenorden mit seinen humanistischen Bildungskonzepten wirkte in der neuen Wiener Bildungslandschaft also zunehmend unattraktiv und verstaubt. Einzelne Vertreter des Ordens mochten als wendige Pädagogen und Wissenschaftler noch immer einen guten Ruf besitzen, für die Gesellschaft Jesu selbst traf dies nur noch bedingt zu. Das hatte auch Gründe

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außerhalb des Bildungsbereichs: Nicht nur weltliche Experten, die der jesuitischen Kontrolle müde waren, zählten zu den Kritikern, auch Kleriker gingen auf Distanz. Den Jesuiten waren überall im katholischen Europa mächtige Feinde erwachsen – ihre Position in Portugal, Frankreich und Neapel war schwierig geworden, und selbst im Reich der Habsburger formierten sich die Gegner. Einer ihrer prominentesten, Kardinal Johann Joseph Graf Trautson (1707– 1751), war 1751 zum Erzbischof von Wien geweiht worden. Der aus altem niederösterreichischen Adel stammende Kleriker signalisierte in einem Hirtenbrief vom 1. Januar 1752, dass er zu tiefgreifenden Reformen bereit sei.51 Das Schreiben las sich wie ein Kooperationsangebot an die Kaiserin und eine kaum verschleierte Kriegserklärung an die mächtige Gesellschaft Jesu. Aus eigener Erfahrung, so Trautson, wisse er, wie übel es um die Bildung des Volkes stehe. Es gebe Leute, die wüssten so gut wie nichts über die Grundsätze des Christentums. Leider würden weder die Schulen noch die Prediger Abhilfe schaffen. Statt Christi Versöhnungstod am Kreuz in den Vordergrund ihrer Verkündigung zu stellen, beschäftigten sie die Gemeinde mit Rosenkränzen, Bildern und Wallfahrten. Nicht minder empörend sei es, dass manche dieser Geistlichen sich in politische Fragen einmischten und mit unbescheidenem Eifer gegen die höchste Obrigkeit polterten.52 Dass dies gegen die Jesuiten gerichtet war, war offenkundig – van Swieten konnte künftig auf einen Alliierten innerhalb des Klerus hoffen. Trautsons früher Tod verhinderte zunächst die Durchsetzung tiefgreifender Reformen. Theologisch gesehen hing er einer Spielart des Jansenismus an. Dessen Vertretern ging es um eine Reform der Kirche, eine Zurückführung auf den Kern christlicher Theologie, vor allem aber auf eine intensivierte Bildungsarbeit. Der Gläubige sollte sich seiner Vergänglichkeit und Nichtigkeit bewusst werden, er sollte erkennen, dass er nichts anderes als ein ganz der Gnade Gottes ausgeliefertes Staubkorn im unendlichen Universum ist. Dazu musste er durch strenge Predigten motiviert und eine profunde Schulausbildung befähigt werden. Trautsons Nachfolger Christoph Anton von Migazzi (1714–1803) hatte das jansenistische Reformprogramm in Rom kennengelernt und verinnerlicht. Migazzi war ein Mann der Krone: Maria Theresia hatte seine kirchliche Karriere gefördert und ihn zeitweise mit diplomatischen Missionen betraut. Seine enge Bindung an die Kaiserin blieb in seinem neuen Amt bestehen, mit ihrem Segen profilierte er sich rasch als Reformer. Bereits 1758 ließ er mit ihrer massiven Unterstützung ein Priesterseminar einrichten, im darauf-

Frömmigkeit und Modernisierung – die Kaiserin und die Jansenisten    •   225

folgenden Jahr unterstützte er van Swieten bei seinen Bemühungen um die Durchsetzung einer Universitätsreform, die nun auch in ganzem Umfang die theologische Fakultät betraf. Wann immer es ihm möglich war, schwächte Migazzi die Konkurrenz. Von der Dominanz der Jesuiten an den Hebeln der Priesterausbildung war schon wenige Jahre nach seiner Weihe nicht mehr viel übrig. Als eine besonders empfindliche Niederlage musste es die Gesellschaft Jesu empfinden, dass es dem Erzbischof gelang, sie sukzessive aus dem Umfeld der Monarchin zu verdrängen. Es begann mit Erbauungsbüchern. Migazzi ließ der Kaiserin aus seiner umfangreichen Bibliothek jansenistische Lektüre zukommen, die diese offenbar wohlwollend und interessiert aufnahm. 1760 zog mit Bernhard Gürtler auch ein erster jansenistischer Beichtvater in die Hofburg ein. Er betreute zunächst Isabella von Parma, die erste Frau Josephs II., später wurden ihm auch die jüngeren Kinder der Kaiserin anvertraut. Für die Jesuiten, die bislang wie selbstverständlich dergleichen Positionen besetzt hatten, war dies ein Schock. Die vorsichtige Hinwendung zu jansenistischen Theologen markierte keineswegs einen Bruch der Kaiserin mit der von ihr bis dahin gepflegten sehr traditionellen Frömmigkeit. Maria Theresia betete oft, versäumte kaum eine Andacht und ließ nie einen Zweifel daran, wie wichtig der Glaube für ihre persönliche Lebensführung war. Politisch war ihre stets öffentlich bekannte Katholizität von kaum zu unterschätzender Bedeutung. Mit dem Bild der sittenstrengen Ehefrau und Mutter, die keinen Gottesdienst versäumte und deren Verhalten auf tradi­ tionellen Wertvorstellungen fußte, bildete sie gerade für die bäuerliche Bevölkerung oder die Zunftbürgerschaft der Städte einen wichtigen Bezugspunkt der Selbstdefinition. Hart geprüft und Gott ergeben, zeigte sie sich als eine getreue Untertanin des Allmächtigen, die selbst als Monarchin nur das forderte, was ihr durch ihn befohlen worden war. Im Dienst für den Herrn stand sie selbstverständlich auch treu zu seiner Kirche. Deren Vertreter blieben für Maria Theresia unentbehrliche Stützen des Throns, die als Propagandisten, Lehrkräfte und soziale Dienstleister halfen, den inneren Frieden des Landes zu bewahren. Kaum eine Gelegenheit ließ sie verstreichen, den großen Dienst zu würdigen, den der Klerus ihr und ihrem Reich erwies. Dennoch hatte ihre Dankbarkeit Grenzen: So war sie nicht bereit, kirchlichen Autoritäten die Funktion von Nebenregierungen zuzugestehen. In diesem Punkte zeigte sie die unverkennbare Neigung, den staatskirchlichen Tendenzen der Preußen nachzustreben.

226   •   Erziehungsprojekte – eine Monarchin formt ihr Volk

Letztlich war die alles entscheidende Frage, ob das Reich der Habsburger aufgrund seiner Verwaltungs- und Bildungsreformen in der Lage war, gegen Friedrich II. zu bestehen. Ob eine Maßnahme richtig oder falsch war, ob die Kaiserin mit ihren Reformen weit genug gegangen war oder eben nicht, dies würde – in eigener Wahrnehmung – nicht von Theologen entschieden werden. Dies wurde auf dem Schlachtfeld entschieden.

Maria Theresia Die Kriegerin

S

pielsucht – Europa und seine Risikopolitiker

Graf Khevenhüller vermerkte am 5. Mai 1749 den Tod des kaiserlichen Kammerherrn und Stallmeisters Franz Michael Graf Halleweil. Der Verstorbene sei, so der Tagebuchschreiber, ihm vor allem als leidenschaft­ licher Spieler aufgefallen. Gemeinhin sei er der Erste am Spieltisch gewesen und der Letzte, der ihn verließ. Er sei ein lebendiges Kompendium des Pharospiels gewesen, der stundenlang von den Gewinnen und Verlusten, den Wagnissen und den Zufällen dieser noblen Kunst zu berichten wusste.1 Pharo gehörte zu den Lebenselexieren des Hofes.2 Das Einzige, was einen Aristokraten davon abhalten konnte, am Abend sein Glück zu versuchen, war akuter Geldmangel. In diesen Fällen hauchte Franz Stephan dem Spielbetrieb mit einer kräftigen Finanzsubvention neues Leben ein. Die Aristokraten mussten schließlich unterhalten werden, und was war fesselnder als ein Spiel, bei dem ganze Vermögen in rasender Geschwindigkeit den Besitzer wechselten? Gewinner und Verlierer wurden genau beobachtet. Pharo war ein aristokratischer Charaktertest: Es galt, die Wechselfälle des Schicksals hinzunehmen, ohne mit der Wimper zu zucken. Zugleich hatte der Spieler strategisches Geschick zu beweisen. Im Grunde war Pharo leicht zu erlernen. Es war ein Kartenspiel, bei dem wechselnde Spielerallianzen gegen einen Einzelspieler, die Bank, antraten und mit höchsten Einsätzen auf Karten wetteten. Eben diese Simplizität war es, die faszinierend wirkte und bei Spielern wie Beobachtern die Frage aufkeimen ließ, ob es möglich sei, Fortuna auf die Schliche zu kommen. Leonhard Euler, Daniel Bernoulli oder Abraham de Moivre, überhaupt alle, die in der Mathematik Rang und Namen hatten, stellten Berechnungen über die erfolgversprechendsten Spielstrategien an: die Geburtsstunde der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Misserfolge, darin waren

228   •   Die Kriegerin

sich alle einig, konnte auch der intelligente Spieler nicht vermeiden, langfristige Erfolge hingegen waren ohne Geschicklichkeit, ohne genaue Kenntnis der Regeln des Spiels und der Regelhaftigkeit des Zufalls kaum möglich. Das Pharospiel war damit Ausdruck und zugleich Quelle einer Risikokultur, die Erfolg für kalkulierbar hielt, und dies nicht nur am Spieltisch. Vieles von dem, was der Aristokrat Abend für Abend beobachtete, ließ sich mit Geschehnissen auf dem diplomatischen Parkett oder auf dem Schlachtfeld unmittelbar in Verbindung bringen. Nicht umsonst hielt das Vokabular des Spiels zunehmend Einzug in die Debatten der Gesandten und Generäle. Was die Räte Maria Theresias nach dem Angriff Friedrichs II. auf ihre Königin hatten erfahren müssen, durfte einen im Spiel geschulten Politiker in der Tat nicht erstaunen. Das Pharo hatte es gelehrt: Es gab keine Sicherheiten im menschlichen Leben. Der Glaube an ein europäisches Gleichgewichtssystem oder an die Stabilität der Reichsordnung war naiv. Allianzen waren im Spiel wie in der Politik nur auf Zeit angelegt. Sie konnten rasch zerbrechen, da jeder Einzelne nur an den eigenen Vorteil und nicht den der Spielgemeinschaft dachte. Wer die eigene Ausgangsposition verbessern wollte, musste daher wendig sein und einen scharfen Blick dafür besitzen, ob es sich lohnte, ein Risiko einzugehen oder nicht.

D

as Spiel der Könige – der Plan des Wenzel Anton von Kaunitz

Ich habe Kaunitz Arbeit gelesen und beschäftigte mich mit ihr einen ganzen Tag, während dessen ich an Fieber und starken Kopfschmerzen litt. Aber ich kann sagen, dass mich am Abend die Genugthuung vollständig geheilt hatte, die ich empfand, einen solchen Mann und an ihm die einzige Hülfe für mein Ministerium zu besitzen. Je mehr ich ihn schätze, desto mehr zittere ich für ihn und seine Erhaltung, und desto mehr fühle ich wie sehr er mir hier abgehen wird.3 Maria Theresias Schreiben an ihren Kabinettssekretär Koch vom 14.  Mai 1750 ließ keinen Zweifel daran, dass der mährische Magnat Wenzel Anton Kaunitz (1711–1794) ihre Gunst besaß. Neununddreißig Jahre alt war er zu diesem Zeitpunkt bereits, hatte die Rechte in Leipzig studiert, war 1734 zum niederösterreichischen Regimentsrat und 1735 zum Reichshofrat ernannt

Das Spiel der Könige – der Plan des Wenzel Anton von Kaunitz    •   229

worden. Gesandtschaftsdienste nahm er aus Finanzgründen zunächst nicht an, war doch ein beträchtlicher Anteil der dabei aufzuwendenden Mittel vom Emissär selbst zu tragen. Erst 1742 war Kaunitz erstmals in einer wichtigen außenpolitischen Angelegenheit im Auftrag der Krone an einem fremden Hofe. Maria Theresia, die neue Monarchin, hatte ihn nach Turin gesandt, um das fragile Bündnis mit dem Herzog von Savoyen zu stabilisieren. Der unerfahrene Aristokrat erwies sich ungeachtet der eher bescheidenen Resultate der Gesandtschaft als ein diplomatisches Naturtalent, das für seine Monarchin auch in schwierigen Situationen das bestmögliche Verhandlungsresultat erzielen konnte. In der Folgezeit stieg er langsam, aber kontinuierlich innerhalb des habsburgischen Verwaltungsdienstes auf. Gewiss machte ihn seine Herkunft aus einer der etwa zweihundert führenden Familien der Monarchie zum natürlichen Kandidaten für eine Karriere im Umkreis der Kaiserin, doch die Konkurrenz war groß.4 Kaunitz stand in beständigem Wettbewerb, und er bestand ihn in Wahrnehmung der Zeitgenossen durch intellektuelle Brillanz. Seine Berichte hoben sich von jenen anderer Gesandter ab. Geschickt verstand er es, Bekanntes in ein neues Licht zu setzen, indem er dem Gesamtbild neue Details hinzufügte. Seine Briefe erregten schon 1743 Maria Theresias Aufmerksamkeit, sodass 1744 die Ernennung von Kaunitz zum Minister am Hof des Generalgouverneurs in Brüssel niemanden überraschte. 1748 war er der österreichische Unterhändler auf dem Aachener Friedenskongress zur Beendigung des Österreichischen Erbfolgekrieges. Sein hier unter Beweis gestelltes Geschick brachte ihm den Ruf ein, der beste Diplomat in Diensten Ihrer Majestät zu sein. Erstmals hatte er das Ohr seiner Monarchin gewonnen und zeigte sich entschlossen, diese ­Möglichkeit zu nutzen. Das Ende des Österreichischen Erbfolgekrieges hatte die Wiener Entscheidungsträger ebenso erschöpft wie ratlos zurückgelassen. Die Strategie der Feldherren und Militärs war letztlich eine defensive. Ziel des Krieges war es, den Untergang des Reiches zu verhindern, für die weitere Zukunft bestanden keine Pläne. In diesem Punkt sah die Kaiserin Handlungsbedarf: In einer Resolution vom 7. März 1749 forderte sie sämtliche Konferenzminister auf, schriftlich Stellung zu beziehen.5 Sie erwartete Vorschläge, welche Position die Habsburger künftig gegenüber den anderen europäischen Mächten einnehmen sollten. Die Monarchin suchte ausdrücklich nach einem neuen System, das der österreichischen Außenpolitik künftig eine Richtung geben konnte. Es galt, die Risiken politischen Handelns zu minimieren und

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zugleich einen möglichst hohen Gewinn aus jenen Rahmenbedingungen zu ziehen, mit denen die habsburgischen Entscheidungsträger künftig konfrontiert werden würden. Eine Möglichkeit bestand darin, die alten Maximen politischen Handelns an die neue Situation anzupassen, sie also einer Generalüberholung zu unterziehen. Wichtigster Vertreter dieser Option war der Kaiser, der seiner Frau ein ausführliches Gutachten sandte. Franz Stephan ließ darin keinen Zweifel an seiner Einschätzung, dass sich die Gesamtsituation des Reiches gegenüber der Zeit vor der Thronbesteigung der Kaiserin eindeutig verschlechtert hatte. Früher habe sich das Haus Habsburg nur zweier natürlicher Feinde erwehren müssen: Frankreichs und des Osmanischen Reichs. Nun sei mit Preußen ein dritter, außerordentlich gefährlicher hinzugekommen. Um die strategischen Risiken, die sich daraus ergeben, zu minimieren, benennt er zwei Mittel: Das eine besteht darin, die Allianz zu den traditionellen Partnern der Donau­monarchie: Großbritannien, den Niederlanden, Russland und Sachsen, wieder zu stärken. Nicht minder wichtig jedoch sei es, die eigene Stärke zu pflegen. Das Heer müsse vergrößert und die Einnahmen der Monarchie müssten vermehrt werden. Der Kaiser plädierte für eine Strategie der Risikominimierung. Sein Ziel war es, Verluste zu vermeiden. Es zeigte sich, dass seine Frau eine andere Grundhaltung hatte: Maria Theresia suchte nach Optionen für eine offensivere Außenpolitik, und die wurden ihr von Kaunitz präsentiert. Kaunitz lieferte ihr mit dem Datum des 17. März 1749 eine schon im Umfang atemberaubende Analyse der europäischen Großwetterlage. Sie beginnt konventionell. Auch Kaunitz unterscheidet zwischen Freunden und Feinden des Hauses Habsburg. Auch er zählt die von Franz Stephan genannten Mächte zu den traditionellen Freunden der Monarchie. Anders als bei Franz Stephan ist seine Bilanz des Nutzens dieser Alliierten vorwiegend negativ: England und die Niederlande betrieben eine auf das Handelsinteresse fixierte Außenpolitik. Kriege passten nicht in dieses Konzept. Was Russland tue oder nicht tue, sei aufgrund der häufig wechselnden Herrschergestalten kaum berechenbar, und was Sachsen angehe, so sei dieses zu schwach, um dem Haus Habsburg eine Stütze im Kampf gegen seine Feinde zu sein. Wie sah es mit den alten Feinden Ihrer Majestät aus, zu denen die Franzosen und die Osmanen zählten? Was das Osmanische Reich anging, so war der jeweilige Sultan, wie Kaunitz betonte, nur schwer berechenbar. Eines aber schien klar zu sein: Die Pforte war zunächst vorwiegend mit sich selbst be-

Das Spiel der Könige – der Plan des Wenzel Anton von Kaunitz    •   231

schäftigt. Außenpolitische Abenteuer waren von dieser Seite kaum zu erwarten. Dass Frankreich sich ein weiteres Mal aufraffen würde, das Haus Habsburg anzugreifen, war zweifelhaft. Der letzte große Lenker der französischen Politik, Kardinal Fleury, habe während des Österreichischen Erbfolgekrieges noch einmal die Zeiten Ludwigs XIV. heraufbeschworen. Mit Unterstützung des Preußenkönigs sei er seinem Ziel, das Kaiserhaus zu zerstören, beunruhigend nahe gekommen, letztlich jedoch gescheitert. Doch Fleury war tot und Frankreichs Mangel an Entschlossenheit und Geschmeidigkeit nicht mehr zu verbergen. Der regierende König interessiere sich ohnehin mehr für seine Maitressen als für Politik. Hauptproblem seien seine Schulden, die schwer auf dem durch die Kriege der Vergangenheit ausgemergelten Land lasten. Und die Allianz mit Preußen, die nie sonderlich innig war, werde nur noch lustlos fortgesetzt. Dass Frankreich unter diesen Bedingungen wirklich noch als Hauptfeind des Hauses Habsburg anzusehen ist, müsse bezweifelt werden: Eine Revision dieses Urteils sei dringend notwendig. Was Preußen angehe, werde die Schärfe des Antagonismus zwischen dem Haus Habsburg und dieser neuen, expansiven Macht eher unterschätzt: So viel nun den König von Preußen betrifft, so verdient er sonder Zweifel in der Classe der natürlichen Feinde oben an und noch vor der ottomanischen Pforte gesetzt, mithin als der ärgste und gefährlichste Nachbar des durchlauchtigsten Erzhauses angesehen zu werden.6 Friedrich II. habe dem Haus Habsburg mit der Provinz Schlesien ein Kernstück der Monarchie genommen, dessen Verlust wirtschaftlich und strategisch nicht verschmerzt werden kann, was Preußen weiß. Berlin könne sich des Besitzes seiner kostbaren neuen Provinz daher erst dann sicher sein, wenn es weitere, diesmal tödliche Schläge gegen den habsburgischen Nachbarn führte. Man müsse davon ausgehen, dass Friedrich in dieser Stunde Pläne gegen die Kaiserin schmiedet, die vermutlich auf die Eroberung Böhmens zielen. Der Gegensatz zwischen Preußen und Österreich sei damit unüberbrückbar und müsse letztlich in einem militärischen Konflikt münden. Aufgabe der Politik sei es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass er gewonnen werde. Dies sei weit weniger schwierig, als gemeinhin angenommen. Kaunitz riet dazu, alte Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster abzulegen. Vor allem sollte Wien die neue Schwäche und Unsicherheit der Franzosen nutzen. Paris sei

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eine Alternative zur Erbfeindschaft mit Wien anzubieten, die die Vorteile eines Gesinnungswechsels vor Augen führt. Das müsse aber rasch geschehen, denn die Gelegenheit für die erfolgreiche Etablierung eines neuen europäischen Bündnissystems sei besser als je zuvor. Russland, davon war er überzeugt, neige der Kaiserin zu, und die Pompadour lasse sich bemerkenswert leicht beeinflussen. Wenn Maria Theresia mit Geschick handle, könne das Verlorene wieder hergebracht werden. Kaunitz schlug nicht weniger als eine diplomatische Revolution vor – Frankreich, mit dem die Habsburger fast seit dreihundert Jahren in einem Dauerkonflikt lagen, sollte als Bündnispartner gewonnen und Preußen angegriffen werden. Der Plan klang kühn, doch er eröffnete den Wiener Eliten nach Jahrzehnten der Fixierung auf die Pragmatische Sanktion eine neue Handlungsperspektive – die Möglichkeit, auf dem Spieltisch Europas wieder Gewinne zu machen. Vor allem aber versprach er eine Rückkehr zu einer stabilen europäischen Mächteordnung. Das europäische Gleichgewicht sollte wiederhergestellt werden, indem die Störfaktoren des Systems beseitigt wurden. Dieses Ziel klang durchaus konventionell – die Mittel, mit denen es erreicht werden sollte, waren indes mehr als unkonventionell. Kaunitz forderte eine neue außenpolitische Strategie, die auf kurzfristigen Interessenanalysen beruhte. Sein Spiel auf diplomatischer Bühne war von Überraschungsmomenten und dem Prinzip der Gewinnmaximierung gekennzeichnet. Stabilität und Frieden strebte auch er an – doch aus einer Position der Stärke.

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ollenwechsel

Kaunitz selbst fasste die Schwierigkeiten, vor denen die habsburgische Diplomatie stand, in einer späteren Denkschrift wie folgt zusammen: Eine Großmacht [gemeint war Frankreich] war mit der Überzeugung zu durchdringen, dass ihr ganzes bisheriges politisches System sich in entschiedenem Widerspruche befinde mit ihren wahren Interessen. Man musste ihr beweisen, dass das Mittel, das sie für das einzige ansah, um sich aus ihren Verlegenheiten England gegenüber zu ziehen, zu dem beabsichtigten Zwecke nicht tauge, und dass sie einen falschen Weg einschlage, wenn sie fortfahre, den König von Preußen zu unterstützen, den sie bisher als den Knotenpunkt all ihrer Bündnisse ansah. Mit einem Worte, es handelte sich darum, die alte

Rollenwechsel   •   233

Rivalität Frankreichs gegen das Haus Österreich vollständig auszurotten und den nationalen Charakter eines ganzen Ministeriums gründlich umzuformen. Es war dies eine Aufgabe, welche die Vorsehung allein einzugeben, zu lenken und gelingen zu machen vermochte, unter ihrer Leitung war es auch, dass man ans Werk schritt.7 Nicht unter der Führung der Kaiserin, sondern unter der des Schicksals war also nach Ansicht des Staatskanzlers die Neuordnung der Allianzen vollzogen worden. Es war das Bekenntnis eines Spielers, der kühl seine Chancen zu maximieren versuchte, letztlich jedoch auf das Ungeschick des Gegners und die Wechselfälle eines nur partiell berechenbaren Zufalls angewiesen war. Aus der Retrospektive feierte er seinen Erfolg als Ergebnis einer geschickten Spielstrategie. Er habe, daran ließ er keinen Zweifel, das Ziel des Bündniswechsels nie aus den Augen verloren. Das trifft, wie die historische Forschung seit langem weiß, nur bedingt zu.8 Tatsächlich erwogen Kaunitz und seine Kaiserin, bis es schließlich zum überraschenden Abschluss der Allianz mit Frankreich kam, eine ganze Reihe möglicher Handlungsoptionen – zu denen allerdings, und dies war richtig, seit dem bemerkenswerten Auftritt des Grafen Kaunitz vor seiner Monarchin auch die Annäherung an Versailles zählte. Das Verhältnis zwischen der Monarchin und ihrem neuen Berater war, wie der englische Botschafter am sächsischen Hofe, Charles Hanbury Williams, missfällig in einem Schreiben vom Frühsommer 1753 berichtet, ungewöhnlich stabil.9 Der Mann war laut Williams vor allem eitel: Er spricht gut und mit großer Präzision des Ausdruckes, so gut, dass ich ihn in Verdacht habe, er liebe es, sich selbst sprechen zu hören. Mit viel Geschick habe er es vermocht, sich als interessenloser Sachwalter der Monarchie darzustellen. Er wünscht das Haus Österreich jene Rolle spielen zu sehen, welche ihm zukommt, und in vielen Dingen zeigt er richtige und edelgedachte Anschauungen und Absichten, um dieses große Ziel zu erreichen. Dass die Attitude des selbstlosen Fürstendieners so erfolgreich war, war nicht nur auf die Eloquenz und die Intelligenz von Kaunitz zurückzuführen. Kaunitz hat auch noch einen anderen Vorteil, welchen Niemand außer ihm besitzt. Derselbe besteht darin, dass die Kaiserin durchaus keine Besorgnis hegt vor seinen Talenten. Sie sieht ihn als einen Mann an, der unter ihren eigenen Augen unter ihrer Anleitung zu den Geschäften herangezogen worden. Sie denkt, dass sie selbst ihn dazu ausgebildet habe, und fühlt daher

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keine Eifersucht gegen das Werk ihrer eigenen Hände, noch Verdacht wider denjenigen, den sie für ihr Geschöpf hält.10 Nur war Kaunitz anders als Haugwitz kein sozialer Aufsteiger im klassischen Sinne. Sein Großvater hatte das Amt des Reichsvizekanzlers bekleidet, sein Vater jenes des Landeshauptmanns von Mähren.11 Seine singuläre Position als allmächtiger Staatskanzler und die Härte, mit der er seine Dominanz demonstrierte, erregte bei den Standesgenossen allerdings Unwillen. Nicht nur Khevenhüller äußerte sich kritisch bis abfällig über ihn, der dem Hochadel entstammte, nun aber keinerlei Anstalten machte, als Gleicher unter Gleichen aufzutreten. In den Augen der Kaiserin, die den scharfen Intellekt des Grafen schätzte und seine Strategie befürwortete, war er der ideale Geschäftsführer der Monarchie, der die Verantwortung für harte Entscheidungen zu tragen hatte, während sie die Rolle der über den Interessen thronenden Souveränin spielen konnte. Diese Aufgabenteilung wurde bereits unmittelbar nach dem Auftritt ihrer neuen Kreatur in der Geheimen Konferenz deutlich. Kaunitz hatte dort den Rückhalt nicht nur der Monarchin, sondern auch der Mehrheit ihrer Berater erhalten. Der etwas kränkliche, distanzierte und überaus gebildete Aristokrat wurde nun mit der Aufgabe betraut, seinen kühnen Plan in die Realität umzusetzen. Seine neue Wirkungsstätte war Versailles: Maria Theresia hatte ihn zu ihrem Gesandten am Hof Ludwigs XV. ernannt.12 Die Berichte, die er von dort nach Wien schickte, waren wiederum von nüchterner Interessenanalyse geprägt. Vor allem erklärte er seiner Monarchin, dass man nicht mit der Tür ins Haus fallen dürfe, vielmehr gelte es, schrittweise vorzugehen. Zwar habe sich das Verhältnis zwischen Frankreich und der Kaiserin normalisiert, von einer Allianz sei man jedoch weit entfernt. Um überhaupt zu einem Verhandlungspartner für die Franzosen zu werden, müsse die Hofburg weiterhin ihre prinzipielle Friedfertigkeit zum Ausdruck bringen. Offene Revanchebestrebungen gegen Preußen würden letztlich nur Friedrich II. stärken und Maria Theresia machtpolitisch isolieren. Die schlesische Frage sollte zunächst ad acta gelegt werden. Es waren nicht nur dergleichen kühle Analysen, die die Kaiserin überzeugten, sondern auch das Geschick ihres Gesandten, in Versailles wertvolle Kontakte zu knüpfen. Aus dem Vertreter der Kaiserin war innerhalb kurzer Zeit ein begehrter Gesprächspartner geworden, der genauestens über die Fraktio­ nen des Hofes und deren Interessen orientiert war. Schlüssel dieses Erfolgs

Rollenwechsel   •   235

war, dass er ebenso konsequent wie glaubwürdig den Wandel Wiens von einer imperialen Macht zu einem berechenbaren europäischen Staat darzustellen wusste. Im Zentrum der Interessen Maria Theresias stehen, so vermittelte er, Österreich und dessen Erhaltung. Die Träume von einer Wiederherstellung der kaiserlichen Hegemonie in Mitteleuropa waren längst ausgeträumt. Frankreichs Aktivitäten im Reich wurden von ihm nicht mehr zwangsläufig als Angriff auf Wien gewertet – dergleichen Töne waren neu und öffneten Kaunitz in Paris die Türen. Wenngleich ein Durchbruch nicht zu vermelden war und Kaunitz zeitweise von einem Scheitern der Annäherung ausging, gelang es ihm doch, eine Gesprächsgrundlage in Paris zu schaffen. Auch an anderen politischen Machtzentren konnte die habsburgische Monarchie ihre Position deutlich verbessern. So gelang 1752 mit dem Vertrag von Aranjuez ein Interessenausgleich mit den Königen von Sardinien und von Spanien. Im selben Jahr legte Wien lang andauernde Streitigkeiten mit Venedig, der Eidgenossenschaft und den Herzögen von Mantua bei. Italien hatte stets die offene Flanke der habsburgischen Herrschaft gebildet – wann immer im Reich Probleme auftraten, drohte dieses Pulverfass zu explodieren und Wien auf einen weiteren Kriegsschauplatz zu ziehen. Diese Gefahr war nun gebannt. Zudem hatte das Haus Habsburg nun enge Kontakte zu Mächten geknüpft, die der französischen Krone nahestanden. Die Zahl der Handlungsoptionen Maria Theresias war damit größer geworden – der kühne Plan ihres Botschafters in Versailles schien tatsächlich realisierbar zu sein. Gegenüber dem europäischen Ausland blieb die Kaiserin, ganz wie Kaunitz ihr geraten hatte, ausgesprochen zurückhaltend und demonstrativ friedfertig. Statt über den Raub Schlesiens weiterhin Klage zu führen, wusste sich die in ihren frühen Dreißigern stehende dreizehnfache Mutter als Friedenskaiserin zu stilisieren. Schon 1749 hatte sie dem niederländischen Emissär Graf Bentink wortreich versichert, sie wünsche nichts mehr, als gegen Friedrich nie wieder Krieg führen zu müssen, und dem Gespräch einen unbekümmerten, offenen Charakter gegeben. Im Plauderton sprach sie von Finanzsorgen und ihrer Zuneigung zu den Seemächten, sagte aber auch, dass diese die Interessen des österreichischen Verbündeten zu wenig im Blick hätten. Emotional, ein wenig sentimental und vor allem entwaffnend ehrlich wusste sie sich zu präsentieren, und sie wies ihre Diplomaten an, die Botschaft der Friedfertigkeit an den Höfen Europas mit allem Nachdruck zu verbreiten.13 Noch 1754 schärfte sie ihrem neuen Gesandten am französischen Hof,

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dem Grafen Georg Adam von Starhemberg, die offizielle Linie ihrer öffentlichen Selbstdarstellung ein. Starhemberg sollte immer und immer wieder die friedliche Gesinnung der Kaiserin betonen und dass sie auf keinen Fall einen Krieg mit Preußen anstrebe. Immerhin habe man Friedrich II. Schlesien in einem ratifizierten Friedensvertrag abgetreten, und das Haus Habsburg pflege seine Versprechen zu halten: Wir sind gewohnt und unsere christliche Gesinnung erfordert es, das Versprochene heilig zu erfüllen und unser Gewissen vor Veranlassung eines Krieges und häufiger Vergießung von Menschenblut rein zu erhalten. Wir verabscheuen alle politischen Maßregeln, welche nur auf Ungerechtigkeit, Eigennutz und Vergrößerungssucht gebaut sind. So lang also der genannte König seinen Verbindlichkeiten genügt und nicht selbst ein neues Kriegsfeuer anbläst, hat er so wenig als jede andere Macht etwas Feindliches von uns zu besorgen.14 Die Kaiserin nahm hier sehr geschickt die Rolle einer Gegenfigur zu Friedrich II. ein – fromm und zuverlässig, friedfertig und bündnistreu, ausgleichend und berechenbar. Jede dieser Selbstzuschreibungen, die ihr Botschafter der diplomatischen Öffentlichkeit zu präsentieren hatte, barg selbstredend eine kaum versteckte Spitze gegen den Preußenkönig. Kaunitz selbst wirkte ab 1753 als Staatskanzler in Wien. Das Amt war 1742 geschaffen worden, um die Außenpolitik des Reiches besser koordinieren zu können. So wohlklingend der Titel war, hatte es der erste Amtsinhaber Corfiz Anton Graf Ulfeld gleichwohl nicht vermocht, zum Regisseur der habsburgischen Diplomatie aufzusteigen, auch weil einer seiner Mitarbeiter, Graf Bartenstein, diese Rolle selbst auszufüllen gedachte. Mit der Berufung von Kaunitz war dies vorbei. Bartenstein wurde mit neuen Aufgaben betraut, und der neue Amtsinhaber begann, die Staatskanzlei systematisch zu einem neuen Wiener Machtzentrum auszubauen. Ohne oder gegen Kaunitz konnte keine außenpolitische Entscheidung mehr getroffen werden. Dessen Idee einer Allianz mit Frankreich war in den Jahren nach 1749 lange eine Option unter vielen geblieben, was sich nun änderte. Noch war keine endgültige Entscheidung gefällt worden. Kaunitz selbst hatte lange Zeit gezweifelt, ob die Franzosen sich tatsächlich von Preußen lösen würden. Die Entwicklungen auf dem diplomatischen Parkett hatten seine Pläne gleichwohl gefördert – ein Interessenausgleich mit Paris schien

Globale Konflikte   •   237

möglich. Ein solches Manöver tatsächlich zu vollziehen, war jedoch nach wie vor riskant. Im Falle eines Scheiterns drohte der Hofburg eine Situation, in der sie ohne neue Verbündete, aber entfremdet von den alten Alliierten nur noch bedingt verteidigungsfähig war. Kaunitz zögerte. Es bedurfte eines Anknüpfungspunktes, um das Wagnis einzugehen: Paris musste vor einer Situation stehen, in der es dringend Bündnispartner brauchte und Wien sich ihm unauffällig zur Verfügung stellen konnte. Fernab vom europäischen Schauplatz, auf der anderen Seite des Atlantiks, entstand ein Konflikt um globale Ressourcen, der genau diese Bedingungen erfüllte.15

G

lobale Konflikte

Uniontown (Pennsylvania) feiert sich heute als Geburtsort des BigMac und bietet mit seinen etwa 10.000 Einwohnern ansonsten kaum touristische Attraktionen. Nichts deutet darauf hin, dass die Kleinstadt im Jahre 1754 Schauplatz eines Massakers und ein Brennpunkt der Weltpolitik war. Am Ohio prallten Mitte des 18. Jahrhunderts die Interessen französischer Händler und englischer Siedler unversöhnlich aufeinander. Frankreichs Militär suchte hier die Expansions- und Handelsmöglichkeiten der Krone zu sichern, während Virginias Kolonialverwaltung die fruchtbaren Ebenen am Ohio für sich reklamierte. Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und England hatte der nordamerikanische Kontinent schon viele gesehen, meist mit wenig glücklichem Ausgang für die englische Seite, die den Franzosen zwar zahlenmäßig überlegen war, militärisch dem Konkurrenten jedoch nicht das Wasser reichen konnte. Ein prekäres Gleichgewicht der Kräfte hatte sich zwischen beiden Kronen und den mit ihnen verbündeten mächtigen Föderationen der amerikanischen Ureinwohner ausgebildet. Es war nur eine Frage der Zeit, bis es wieder aus den Fugen geraten würde.16 Frankreich begann, im Hinterland der britischen Kolonien einen militärischen Sperrriegel zu errichten, der deren weitere Expansion dauerhaft zu hemmen drohte. Für die Briten galt es, diese existenzbedrohende Strategie im Keim zu ersticken. Robert Dwindle entsandte im März 1754 eine 160  Mann starke Miliztruppe an den Ohio. Die Nachrichten, die sie auf ihrem Weg dorthin erhielten, waren beunruhigend. Angeblich hatten über 1000 Mann starke feindliche Kräfte einen Stützpunkt der Engländer besetzt

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und diesen in Fort Duquesne umbenannt.17 Die zahlenmäßig unterlegenen Briten entschlossen sich zu einer Doppelstrategie: Sie beschränkten sich zwar aufs Beobachten, blieben jedoch in der Region präsent, errichteten selbst ein kleines Fort und intensivierten ihre Kontakte zu den indianischen Verbündeten. Einige Zeit geschah nichts. Dann, am 27. Mai, trafen Meldungen ein über feindliche Truppenbewegungen. Ein französischer Spähtrupp von zweiunddreißig Soldaten rückte in Richtung der Engländer vor. Was tun? Der Kommandant der kleinen britischen Truppe, ein unerfahrener Leutnant aus Virginia, gab Befehl, gleichfalls vorzurücken. Was nun geschah, war bereits unter Zeitgenossen und ist bis heute unter Historikern umstritten. Fest steht, dass beide Gruppen zusammentrafen, dass es zu einem Gespräch kam und dann aus ungeklärter Ursache Kampfhandlungen einsetzten. Zehn Franzosen wurden getötet, einer verwundet und einundzwanzig gefangen genommen. Unstrittig ist auch, dass einer der Gefallenen der französische Kommandant Mr. de Jumonville war und dass die Getöteten nach dem Gefecht von den indianischen Verbündeten der Briten skalpiert wurden. Bedeutsam war das Ereignis aus zwei Gründen: Zum einen trug der kommandierende britische Offizier den Namen George Washington. Zum anderen lösten die Schüsse auf den französischen Spähtrupp eine Folge von Ereignissen aus, die aus einem lokal begrenzten Konflikt eine globale Aus­ einandersetzung werden ließ. Schon im Sommer 1755 hielt die Krise auf dem amerikanischen Kontinent auch die europäischen Kabinette in Atem. Aus dem Krieg in der Wildnis war ein Seekonflikt geworden, in dessen Verlauf die britische Marine französische Schiffe beschlagnahmte. Versailles reagierte scharf und unmissverständlich – wenn die Briten nicht einlenkten, drohte ein europäischer Krieg. Die Blicke der Großmächte richteten sich nun auf ihre Verbündeten – wie würde Preußen, wie würde Österreich reagieren?18

A

nnäherung an Frankreich

Mit der Krise in Nordamerika war für Kaunitz der Moment der Entscheidung nahe gekommen. Die Frage lautete, ob Wien verpflichtet war, sich auch im Falle eines Konflikts in den Kolonien auf die Seite Englands zu stellen. Kaunitz konnte dies zumindest als zweifelhaft darstellen, immerhin lagen kriegerische Auseinandersetzungen auf der anderen Seite des Atlantiks

Annäherung an Frankreich   •   239

außerhalb des Interessengebietes der Habsburger. Weder England noch die Niederlande konnten erwarten, so Kaunitz, dass Wien sich in einen trans­ atlantischen Konflikt hineinziehen ließ. Gleichwohl war man bereit, seine guten Dienste anzubieten, um die unerfreulichen Auseinandersetzungen so rasch wie möglich zu beenden. In einem Schreiben an die englische Krone ließ Kaunitz keinen Zweifel daran, dass dies das Äußerste war, das George II. an Unterstützung erwarten konnte: Es könne nicht sein, dass England konkrete Hilfe von Wien verlange, bei Hilfeersuchen der Wiener Regierung jedoch bestenfalls abwartend reagiere. Auch zeigte sich das Haus Habsburg äußerst irritiert über die britische Militärpolitik: In Friedenszeiten erkläre man, dass die Seemächte für die Sicherheit der österreichischen Niederlande verantwortlich seien, im Krisenfall riefen dieselben Verantwortlichen nach Wien. Die Kaiserin sei es leid, die Rechnung für eine Politik zu begleichen, die nur den britischen Handel fördere und Kriegsausgaben tunlichst vermeide. Überhaupt wäre sie außerordentlich erfreut, wenn sie nicht in Angelegenheiten verwickelt würde, die sie nichts angingen – und die Kolonialkonflikte in Amerika zählten zweifellos dazu.19 London strafte diese Forderungen mit Missachtung in der Annahme, dass das Haus Habsburg ohnehin über keine politischen Alternativen zum Bündnis mit den Seemächten verfügte. Statt auf die Kaiserin zuzugehen, entdeckte der Staatskanzler Anzeichen dafür, dass England die Möglichkeit einer Annäherung an Friedrich II. prüfte. Für Kaunitz und seine Kaiserin gewann das Projekt einer Verständigung mit Paris angesichts dieses irritierenden Winkelzuges erneut an Attraktivität. In einer Depesche an den Gesandten der Kaiserin in Frankreich, Graf Starhemberg, wurde diesem befohlen, unter dem Siegel der Verschwiegenheit in Versailles vorstellig zu werden und mit Ministern Ihrer Majestät die gemeinsamen politischen Interessen Frankreichs und Österreichs zu diskutieren. Die Verhandlungen begannen am 3.  September 1755 in einem kleinen Landhaus, das sich im Besitz der Madame Pompadour befand. Starhemberg traf hier auf den Abbé von Bernis, den er von der Haltung seiner Kaiserin gegenüber dem Hilfsersuchen der Seemächte unterrichtete. Es folgten zwei weitere Konferenzen in den Wohnungen von Bernis und Starhemberg. Aufgrund der strikten Geheimhaltung, die beide wahrten, fällt die Rekonstruktion des Gesprächsverlaufs schwer. Die abschließende Antwort der Franzosen und die

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Instruktionen, die Kaunitz seinem Gesandten nach Paris schickte, ermöglichen es jedoch, die Argumentationsweise der Habsburger in den Grundzügen nachzuvollziehen: Wien bot Ludwig XV. Neutralität im sich anbahnenden Konflikt an, da ein Waffengang mit Frankreich nicht im Interesse der Kaiserin lag. Mit dem nordamerikanischen Kontinent habe sie nichts zu schaffen und sei zudem zutiefst irritiert von den Absichten Englands, ein Bündnis mit ihrem Todfeind Preußen zu schließen.20 Es war diese Anschuldigung, die den französischen Vertreter aus der Reserve lockte. Man habe, so hieß es im Antwortschreiben, die Argumentation der habsburgischen Seite zur Kenntnis genommen. Bislang deute aber nichts darauf hin, dass Friedrich II. tatsächlich eine Allianz mit London anstrebe. Preußen werde bündnistreu bleiben, und man selbst denke ebenfalls nicht daran, es im Stich zu lassen. Kaunitz ließ die Verhandlungen für einige Wochen ruhen – Frankreichs Haltung erschien unzweideutig. Immerhin war es dem gewieften Taktiker gelungen, den Blick der französischen Krone für die diplomatischen Aktivitäten Preußens zu schärfen. Dem Hohenzoller ging ohnehin der Ruf eines wendigen und wenig vertrauenswürdigen Bündnispartners voraus, der jeden Alliierten verrate, sofern es seinen Interessen nütze. Auch dass Friedrich England umgarnte, seine Bindung an das Haus Hannover unablässig betonte und auf weitere Eroberungen sann, war kein Geheimnis. Vorerst, so Kaunitz, galt es zu warten.21

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ie diplomatische Revolution

Frankreich hatte den Köder, den der Staatskanzler ausgelegt hatte, noch nicht geschluckt. Aber es war auch nicht schnöde daran vorbeigegangen. Wenn der Bourbone anbiss, war es an Kaunitz, rasch zu reagieren. Noch vor den ersten Gesprächen mit Abbé Barni hatte der Staatskanzler daher zu einer Strategiebesprechung in Wien laden lassen, in deren Verlauf er die Maske fallen ließ und sich die Genehmigung für sein weiteres Vorgehen holte. In seinem scharfsinnigen Vortrag anlässlich dieses Treffens vom 28. August 1755 formulierte er die Ziele eines Bündnisses mit Frankreich wie folgt: Richtig ist, dass Preußen muss über den Haufen geworfen werden, wenn das Erzhaus aufrecht stehen soll.22 Dem Ziel, Schlesien zurückzuerlangen und Preußen auf seinen territorialen Bestand vor Beginn des Dreißigjährigen Krieges zu reduzieren, sollte alles andere untergeordnet werden.

Die diplomatische Revolution   •   241

Die Mittel dafür seien vorhanden, denn mit einer Zerschlagung Preußens würden sich Möglichkeiten ergeben, die Verbündeten Habsburgs für ihr Engagement zu entlohnen. Russland ließ sich mit dem Hinweis auf Ostpreußen ködern, Dresden warf seit langem begehrliche Blicke auf die preußischen Südprovinzen und Schweden auf Pommern. Frankreich selbst sollte mit der Aussicht auf die österreichischen Niederlande gelockt werden – ein hoher Preis, räumte Kaunitz ein, jedoch nicht zu hoch, wenn man auf den zu erwartenden Lohn schaute. Was Kaunitz hier vorschlug, ging weit über die Pläne, die er sieben Jahre zuvor formuliert hatte, hinaus. Preußen sollte nicht nur Schlesien verlieren, es sollte hinter die Entwicklung zurückgeworfen werden, die es seit den Tagen des Großen Kurfürsten vollzogen hatte. Sobald Frankreich die Seiten wechselte, wäre Preußens Schicksal besiegelt. Dass dieser Plan tatsächlich Aussicht auf Erfolg hatte, zeigte sich am 16. Januar 1756, als Friedrich zur Bestürzung von Versailles tatsächlich einen Bund mit London schloss. Das enge Einvernehmen des Inselstaats mit Russland und der defensive Charakter des Bündnisses sprachen aus preußischer Sicht für diese Allianz. Dass er Frankreich mit diesem Schritt brüskierte, war dem Preußenkönig durchaus klar, doch schätzte er die Gefahren einer solchen Unstimmigkeit als gering ein. Als zu stabil erschien ihm das Verhältnis zu Paris und geradezu abwegig die Vorstellung, dass die Bourbonen sich auf die Seite Wiens stellen könnten. Kaunitz frohlockte. Was sein Vertreter Graf Starhemberg seinem französischen Gesprächspartner vorhergesagt hatte, war eingetroffen. Nun galt es, Nutzen aus dem taktischen Fehler des Gegners zu ziehen. Der habsburgische Vertreter am bourbonischen Hof wurde nun deutlicher: Friedrich II. hatte einen Wechsel der Allianz vorgenommen, so erklärte Starhemberg in Paris, warum sollten Österreich und Frankreich dies nicht auch tun? Unter den neuen Rahmenbedingungen wurde Kaunitz’ Offerte nun deutlich wohlwollender geprüft. Am 1. Mai 1756 willigte Ludwig XV. in die Unterzeichnung einer Defensiv­ allianz mit dem Hause Habsburg ein. Nun war Preußen am Zuge, und es reagierte ganz im Sinne von Kaunitz mit einer Offensive: Friedrich II. sah einen Krieg nunmehr als unvermeidlich an und versuchte zumindest seine militärische Ausgangsposition zu verbessern. Ohne Kriegserklärung überschritt er die sächsische Grenze. Der Bündnisfall war de facto eingetreten. Frankreich hatte sich von einem getreuen Partner Preußens in einen tödlichen Feind verwandelt.23 Als am 1. Mai 1757 die im Vorjahr geschlossene Allianz zwischen

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Österreich und Frankreich in Versailles erneuert wurde24, verständigten sich beide Partner auf eine weitgehende Zerschlagung Preußens. Zwischen der Kaiserin und dem englischen Geschäftsträger in Wien war es bereits kurz vor der Unterzeichnung des ersten Vertrags zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Es sei völlig unverständlich, so erklärte dieser, dass die Kaiserin sich in die Arme Frankreichs wirft. Sie werfe sich nicht in die Arme Ludwigs XV., so die Antwort, sondern stelle sich an seine Seite. Nicht ich habe das alte System verlassen, sondern Großbritannien verließ mich und zugleich das System, indem es den Bund einging mit Preußen. Bei der ersten Nachricht hiervon war ich wie vom Schlage gerührt. Ich und der König von Preußen sind einmal ganz unvereinbar, und keine Rücksicht der Welt kann mich jemals bewegen, in irgend ein Vertragsverhältnis zu treten, an welchem er Anteil nimmt.25 Dergleichen Argumentation entsprach kaum den Tatsachen. Das Haus Habsburg hatte den Bündniswechsel selbst erwogen, ihn dann politisch ermöglicht und schließlich herbeigeführt. Dass Maria Theresia ungeachtet dessen auf ihrer Selbstdarstellung als eine dem Frieden verpflichtete, jedoch durch heimtückische Politiker zum Krieg gedrängte Monarchin beharrte, war nachvollziehbar.26 Indem der Gesandte sie mit einer untreuen Gattin verglich, die sich in die Arme eines anderen wirft, spielte er mit Verhaltenserwartungen an ein sich dezidiert mütterlich gebendes Königtum. Wie, fragte er, passte das Bild der fürsorglichen, treuen und friedlichen Monarchin mit dem skrupellosen Akt des Bündnisbruchs zusammen, der zwangsläufig zu Kriegshandlungen führen musste? Maria Theresias Antwort war bemerkenswert kühl: In der Außenpolitik müsse sie handeln wie jeder andere Monarch. Nur so könne sie ihre Interessen und jene ihres Landes schützen. In einer Welt voller aggressiver Männer war sie gezwungen, männlich zu agieren. Das Königsamt drängte das Geschlecht in den Hintergrund. Diese Argumentationslinie war durchaus stimmig und wurde weithin akzeptiert, allerdings auch deshalb, weil sie strikt darauf geachtet hatte, auch während der komplexen Manöver, die zu der diplomatischen Revolution des Jahres 1755 führten, stets als die neutrale, den Frieden suchende Monarchin aufzutreten, die widerwillig in einen Krieg getrieben wurde.27

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Soldatenmutter – die Kaiserin und der Krieg   •   243

oldatenmutter – die Kaiserin und der Krieg

Lieber Graf von Daun!, Die Zuneigung und das Wohlwollen, so Ich für Mein Militaire trage, hat mich schon seit einigen Jahren auf den Vorschlag geführt, einen neuen Militär-Orden zu errichten, der die vorzüglichen Verdienste Meiner Offiziere sowohl durch ein öffentliches Ehrenzeichen distinguieret, als auch ihnen ein besseres Auskommen sichert.28

Das schrieb Maria Theresia dem Sieger der Schlacht von Kolin 1757. Dieser Orden sollte also nicht nur ein Zeichen ihrer Gunst sein, sondern war mit lebenslangen finanziellen Zuwendungen verbunden. Bislang war dieses Vorhaben an der mangelnden Veranlassung gescheitert. Mit anderen Worten: Angesichts der zahlreichen Niederlagen der österreichischen Armee im Erbfolgekrieg mangelte es an Gelegenheiten, österreichische Helden zu feiern. Das hatte sich durch den von eurer unterhabenden Armee erfochtenen herrlichen Sieg grundlegend geändert. Endlich war ein Triumph zu feiern, dessen noch die Nachgeborenen mit Ehrfurcht gedenken würden.29 Noch seien die Statuten nicht ausgearbeitet, eines aber könne sie ihrem General schon jetzt mitteilen: Der erste Träger der höchsten Ordensstufe, des Großkreuzes, solle er, Daun, sein, der vor Kolin seine Ordensprobe mit Auszeichnung bestanden habe. Auf den Sieg von Kolin hatte die Kaiserin lange warten müssen. Dabei war die Ausgangslage für sie ausgezeichnet. Das Bündnis mit Frankreich hatte immense Sogwirkung entfaltet: Die europäischen Nachbarn sahen die Möglichkeit, sich auf Kosten Preußens zu bereichern und ließen sie nicht ungenutzt. Mit Russland war Kaunitz schon kurz vor dem Abschluss des Vertrags von Versailles zu einer Vereinbarung gelangt; nun traten noch das Königreich Spanien, das Kurfürstentum Sachsen, das Königreich Neapel, das Königreich Schweden und das Heilige Römische Reich dem Bündnis bei. Friedrich II. selbst konnte lediglich auf die Unterstützung Englands und Portugals sowie einiger kleinerer Reichsfürsten bauen. Kaunitz hatte den Preußenkönig politisch geschickt isoliert. Dieser handelte indessen bemerkenswert schnell und kühl: Durch seinen raschen Einmarsch ins Kurfürstentum Sachsen hatte er sich einen wertvollen Versorgungsraum gesichert, den er in den folgenden Jahren auspresste. Die Last des Krieges sollte nicht Preußen treffen, sondern den südlichen Nachbarn. Gegenüber dem Feind besaß Preußen ungeachtet seiner zahlenmäßigen Unterlegenheit einige langfristig zur Geltung kommende Vorteile.

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Da war zum einen die kurze Verteidigungslinie, die vor allem von Friedrichs Bruder Heinrich bei der Abwehr von Angriffen auf Sachsen mit großem Geschick genutzt wurde. Zum anderen sprach für Preußen, dass es nicht darauf angewiesen war, die widerstrebenden Interessen und die oft unprofessionell geführten Heere von vier Großmächten zu koordinieren. Friedrich setzte seine Hoffnung vor allem auf die zu erwartenden Streitereien zwischen den beutegierigen Kriegspartnern. Wenn diese erst einmal erkannt hätten, dass er seine Haut teuer verkaufen würde, verflöge deren Enthusiasmus rasch. Frankreich bekam am 5. November 1757 einen ersten Vorgeschmack auf Preußens Wehrhaftigkeit: Soubise erlitt bei Rossbach eine krachende Niederlage. Russlands Heer, dessen Schlagkraft Friedrich ohnehin als gering einschätzte, war noch nicht einmal auf dem Kriegsschauplatz erschienen. Die Allianz, so sein Kalkül, würde zerbrechen, wenn es ihm gelänge, seinen gefährlichsten Gegner niederzuringen: die Kaiserin. Dies erschien angesichts der ausgezeichneten Ausbildung seiner Truppen kein Problem zu sein, und so sah Friedrich II. dem Ausgang des Krieges zunächst gelassen entgegen. Womit der Hohenzollernkönig nicht gerechnet hatte, war das diplomatische Geschick von Kaunitz und seiner Monarchin, die die ungleiche Allianz gemeinsam zusammenhielten. Von der diplomatischen Hilflosigkeit des Jahres 1740 war die Hofburg mittlerweile weit entfernt. Noch beunruhigender war aus Friedrichs Sicht die militärische Entwicklung, die die Donaumonarchie genommen hatte. Die Armee der Habsburger war mit jener der Schlesischen Kriege nicht mehr zu vergleichen. Ausstattung, Ausbildung und Bezahlung waren wesentlich verbessert worden.30 Ein schneller Sieg, den der Preußenkönig durch eine frühe Entscheidungsschlacht gegen das Heer Habsburgs zu erzwingen suchte, war daher nicht zu erreichen. Für Friedrich, dessen finanzielle Ressourcen zusammenschmolzen, war dies eine sehr schlechte Nachricht. Der Sieg von Kolin 1757, den Maria Theresia mit so warmen Worten feierte, war damit kein Zufallserfolg, sondern Ergebnis der geschickten Zermürbungstaktik der Heerführung, die gezeigt hatte, dass Friedrich zu schlagen war, und das war, wie Graf Ligne in seinen Memoiren berichtet, ein gutes Gefühl.31 Die Kaiserin ließ nichts unversucht, es propa­ gandistisch zu vervielfältigen und in ihrem Sinne zu nutzen. Durch die Stiftung eines Ordens konnte sie sich als mater castrorum, Mutter des Feldlagers, stilisieren – ein Ehrentitel, den sie auf einer Münze bereits 1743 für sich beansprucht hatte und der auf römische Vorbilder zurückging.32 Dieses

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Motiv ermöglichte es ihr, als gottgleiche Amazone und damit als kriegerische Staatsikone aufzutreten, ohne auf den mütterlich defensiven Aspekt ihres öffentlichen Rollenbildes verzichten zu müssen. Die allfürsorgende Mutter überwachte den Krieg und ehrte ihre Helden. Sie griff in das Kampfgeschehen ein, ohne direkt beteiligt zu sein. Dabei war ihr wichtig, sich als Schenkende und alles sehende Kaiserin zu präsentieren, die jene, die bereit waren, ihr Leben für sie zu geben, mit Ehre und Reichtum überhäufte. Die Stifterin trat dabei nicht als Haupt des Ordens in Erscheinung, bei der Verleihung blieb sie im Hintergrund und überließ diese Aufgabe ihrem Mann als Großmeister. Kunstvoll wurde eigene Großzügigkeit mit Bescheidenheit, der Gestus der Amazone mit jenem der zurückhaltenden Gattin gepaart (s. Abb. 14). Welchen persönlichen Anteil hatte sie tatsächlich an den Geschehnissen auf dem Schlachtfeld?33 Ihr Hunger nach Informationen war unersättlich. Sie hatte Feldmarschall Neipperg im Oktober 1757 angewiesen, sie täglich via Staffettenpost über die Ereignisse in Schlesien auf dem Laufenden zu halten.34 Auch über die intensiven Verhandlungen, die Kaunitz führte, um sein fragiles Bündnissystem zusammenzuhalten, wollte sie detailliert informiert werden. Die Informationsflut hatte allerdings ihre Tücken: Während Friedrich II. Befehlshaber und oberster Diplomat in einer Person war, befand sich die Kaiserin weit entfernt vom Schlachtfeld – ihre politisch motivierten Anweisungen von der militärischen Seitenlinie aus waren dabei nicht immer hilfreich. Die abwartende Haltung ihrer Generäle, die einen ressourcenschonenden Krieg führten und nachhaltige strategische Erfolge anstrebten, wurde von ihr kopfschüttelnd kommentiert. Immer und immer wieder forderte sie riskante militärische Offensiven. So sollte Breslau nach dem Sieg bei Kolin sofort angegriffen werden. Karl von Lothringen sah dies anders. Er setzte darauf, die Preußen durch die Eroberung von Schlüsselpositionen zum Rückzug aus Schlesien zu bewegen. Am Ende setzte er sich durch – das Votum der versammelten Generalität stellte die Monarchin ruhig. Ihr Stillschweigen hielt jedoch nicht lange, da Schlesien zwar kurzfristig zurückgewonnen wurde, Ende Dezember 1757 jedoch durch die Niederlage bei Leuthen wieder verloren ging. Die Kaiserin sah sich bestätigt: Einmal mehr waren ihre Generäle zu zögerlich gewesen. Immerhin unterließ sie es, ihrer Unzufriedenheit durch Strafmaßnahmen Ausdruck zu verleihen. Ungeachtet ihres aufmerksamen Blicks auf die Kriegführung und des von ihr immer wieder eingeforderten Primats der Kabinettsbeschlüsse gestand sie ihren Generälen im Felde das operative Letztentschei-

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dungsrecht zu. Manöver, die von ihnen für unsinnig, für zu riskant oder zu kostspielig erachtet wurden, unterblieben. Die wohlinformierte Kaiserin hielt an ihren Befehlshabern selbst dann fest, wenn diese auch nach Meinung militärischer Experten Fehler machten. Demütigende Verweise, wie sie der Preußenkönig aussprach, der keinerlei Hemmungen kannte, seinen Bruder August Wilhelm vor dessen Kameraden abzukanzeln, gab es von ihr nicht zu berichten. Wenn eine Entlassung unumgänglich war, wurde sie so taktvoll wie möglich gehandhabt. Karl von Lothringen etwa wurde erst auf erheblichen Druck der Allierten der Oberbefehl entzogen. Die Angelegenheit war der Monarchin denkbar peinlich – wochenlang hatte sie die Entscheidung hinausgezögert und den Schwager zum freiwilligen Rücktritt zu bewegen versucht. Karls Nachfolger Leopold Joseph Graf Daun (1705–1766) stand ihr persönlich nahe. Der Feldmarschall, der die Tochter ihrer geliebten Aya geheiratet hatte, befand sich mit Maria Theresia in nahezu täglichem Briefverkehr.35 In Sieg wie Niederlage versicherte sie ihn stets ihrer Wertschätzung. Als bereits 1758 erste Stimmen seine Abberufung mit der Begründung forderten, der Feldmarschall habe die exzellenten Möglichkeiten, die sich ihm mit dem ausgerechnet am Theresientage erfochtenen Sieg bei Hochkirch geboten hätten, nicht genutzt, sprach sie ihm ostentativ ihr Vertrauen aus.36 Ihre Beurteilung eines Menschen, so schrieb sie ihm, hänge nicht von Zufallsereignissen ab. Sie wisse um die hervorragenden Verdienste, die er sich in den letzten Monaten um das Haus Habsburg erworben habe. Er sei der beste Kriegsmann, der ihr zur Verfügung stehe. Seine Aufgabe als ehrlicher Mann und guter Staatsbürger sei es nun, sie in der Stunde der Gefahr nicht im Stich zu lassen. Neben solch warmen Worten bewilligte sie dem von Kaunitz und anderen so gescholtenen Feldherrn ein Fideikommiss in Höhe von einer Viertelmillion Gulden. Auszeichnungen wie diese unterstrichen den Vertrauensvorschuss, den sie ihren Offizieren gab. Diese durften Fehler machen. Bezeichnend war die Antwort Maria Theresias im August 1759 auf die Kritik an Daun, dem Zögerlichkeit und strategische Fehler vorgeworfen wurden: Das ist in villen wahr, wo find man aber was vollkommen? Wan der Daun bessere helffer hätte, wäre er auch größer.37 Niederlagen wurden verziehen, Gewinne hingegen zahlten sich aus. Wer für die Kaiserin focht, stritt für eine mütterlich liebende Monarchin, deren Vertrauen er sich gleich einem ritterlichen Recken würdig zu erweisen hatte. Waren Siege zu feiern, zeigte sich die Kaiserin großzügig. Nicht nur

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die Kommandanten erhielten Zeichen ihrer Wertschätzung, sondern auch die niederen Dienstgrade und die bürgerlichen Offiziere. Der Maria-Theresia-Orden stand allen offen. Für eine Aufnahme in den illustren Kreis der Helden war zumindest in der Theorie nicht der Rang oder der Stand entscheidend, sondern die mutige Tat – der Krieg adelte seine Soldaten.38 War dies schon die Morgendämmerung einer militärischen Leistungsgesellschaft, wie Napoleon sie Jahrzehnte später begründete? Allenfalls in Ansätzen. Der Kaiserin war völlig klar, dass sie mit Zeichen der Wertschätzung gegenüber Bürgerlichen vorsichtig sein musste und den Hochadel keineswegs brüskieren durfte. Für letzteren schuf sie daher 1764 den exklusiven St. Stephansorden, der dem ungarischen Hochadel vorbehalten war und ein Pendant der Ritter vom Goldenen Vlies bildete. Die Ordensstiftungen unterstrichen die Rolle, die Maria Theresia sich selbst in diesem Krieg zuwies. Ihre beständigen Versuche, einen Ausgleich zwischen den Zwängen militärischen und politischen Denkens zu finden, den Generälen den Erfolgsdruck, unter dem die Diplomatie stand, zu verdeutlichen und ihnen zugleich Spielräume zu erhalten, waren in ihrer Bedeutung nicht zu unterschätzen – ihre eigentliche Aufgabe war jedoch die Sinnstiftung. Die Kaiserin verkörperte das Bild der belohnenden, verzeihenden, mitleidenden und mitbetenden Soldaten- und Landesmutter. Sie stand für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnte. Das Lob, die Orden und die finanziellen Zuwendungen, die sie ihren Getreuen zukommen ließ, waren Fingerzeige auf die Zukunft, die diese erwartete. Mit Maria Theresia würde Österreichs goldene Zeit anbrechen. Wer daran zweifelte, mochte nur Schönbrunn besichtigen: In der Großen Galerie hatte sie es malen lassen – ihr Heilsversprechen für das Land, das Reich und die Christenheit.

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chönbrunn und das irdische Paradies der Habsburger

Die Große Galerie im Schloss Schönbrunn besaß mit vierzig Metern Länge und über zehn Metern Breite geradezu gigantische Ausmaße.39 Hier war ein zentraler Raum höfischer Selbstinszenierung geschaffen worden, in dem das Auge die Sinneseindrücke, die sich ihm boten, geradezu aufsaugte (s. Abb. 9). Der Blick ging unwillkürlich nach oben zur Decke, die in drei Gewölbe gegliedert war. Wie der Saal in seiner Offenheit und Helligkeit, seiner Leichtigkeit und Eleganz drückte auch das Bildprogramm

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das Bild aus, das die Kaiserin von sich und ihrer Herrschaft zu verbreiten wünschte. Gemalt hatte es der Italiener Gregorio Guglielmi (1713–1773) im Jahr 1760, mitten im Siebenjährigen Krieg. Er wusste, was von ihm erwartet wurde: eine farbenprächtige Verherrlichung habsburgischer Herrschertugenden und Herrschertaten. Wie wollte Maria Theresia sich dargestellt sehen? Dass sie gemeinsam mit ihrem Mann als von Gott gesandte Monarchen ikonographisch in himmlische Sphären entrückt werden mussten, verstand sich von selbst. Die zu erwartende Gleichstellung des Kaisers mit Apoll und der Kaiserin mit Athene unterblieb jedoch. In der Großen Galerie sollte offensichtlich weder vergangener Größe noch verborgener Tugendhaftigkeit gedacht werden. Hier ging es um eine strahlende Gegenwart und die Menschen, die sie gestaltet hatten. Auf dem zentralen Gemälde ist das Kaiserpaar in antikisierenden Gewändern zu entdecken – Maria Theresia und Franz Stephan brauchten den Vergleich mit den Helden des Altertums nicht zu scheuen. Die römische Bekleidung verwies zudem auf die imperiale Position des Paares und vermied ihre Zuordnung zu einer der von ihnen beherrschten Nationen. Die Paardarstellung selbst war bezeichnend und unterstrich ein Leitmotiv der Selbststilisierung habsburgischer Herrschaft unter Maria Theresia: Mann und Frau werden als untrennbare Einheit präsentiert, sie ergänzen einander in glücklicher Harmonie. Er empfängt aus den Händen eines Götterboten die Kaiserkrone, sie überreicht einem auf seinen Waffen knienden Krieger den neu gestifteten Maria-Theresia-Orden. Herkules, der stärkste aller antiken Helden, wohnt der Szene ebenso bei wie ein Genius des Friedens. Mann und Frau, Geben und Nehmen, Krieg und Frieden, göttlicher Beistand und menschlicher Heldenmut – das eine war mit dem anderen untrennbar verbunden, und das Kaiserpaar stand für die perfekte Balance dieser Prinzipien. Ungeachtet aller Harmonie liegt in der hier dargestellten Paarbeziehung eine Merkwürdigkeit: Der Mann ist es, der empfängt und fast unbeteiligt über seinem Reich thront. Sie hingegen handelt, und zwar als weise Kriegsherrin, die ihre Diener belohnt. Die Stärke des Reiches, das hier verteidigt wird, zeigt sich in der Weisheit der gemeinsamen Regierung. Das Paar ist deshalb von einem Kreis von Tugendpersonifikationen umgeben. In einem zweiten, äußeren Kreis entdeckt der Betrachter, welch segensreiche Wirkung ein von so viel Weisheit getragenes weltliches Regiment hat. Jedes der Erbländer ist durch eine scheue Jungfer vertreten. Erkennbar sind sie jeweils an ihrer Tracht, einem Wappen oder einer Krone und an den

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von ihnen und ihren Dienern ausgeübten Tätigkeiten. Die österreichischen Niederlande etwa sind bei der Textilproduktion zu bewundern. Tirol thront über einem Salzstock, der zu seinen Füßen abgebaut wird, die Toskana verweist gnädig auf die Seidenproduktion und den Weinbau. Ungarn ist von Hirten umgeben, die sich in Landestracht der Pflege des Rindviehs widmen. Böhmen sieht einer wilden Jagd zu. Jedes dieser Länder zeichnet sich durch reiche Schätze, Gewerbefleiß und eine stolze Tradition aus – ihr volles Potential können sie jedoch nur gemeinsam entfalten.40 Diese Einzelteile werden vom Herrscherpaar harmonisch zusammengeführt und gefördert. Wir sehen Symbole der Wehrhaftigkeit, des Handels, der Kunst und der Wissenschaft. Maria Theresia und ihr Mann vermehren, was sie ererbten, und regen die Kronländer zu einem Austausch an, der ihren organischen Zusammenhalt weiter stärkt. Die Erfolge des Hauses Habsburg-Lothringen, auf die hier angespielt wird, werden auf den beiden anderen Gemälden in der Großen Galerie nochmals thematisiert und konkretisiert: die Förderung der Künste und Wissenschaften sowie die militärischen Triumphe. Die Gründe für den Siegeszug des Hauses Habsburg benennt der Maler vor allem auf dem Ostfeld der Großen Galerie. Soldaten und Offiziere aus dem Siebenjährigen Krieg sind hier zu erkennen, geschult in den von der Kaiserin eingerichteten Akademien und geehrt mit den von ihr gestifteten Orden. Der Betrachter sieht zudem, wie sich Bewaffnete verschiedener ethnischer Herkunft zusammentun, um ihr gemeinsames Vaterland zu beschirmen. Heterogenität ist auch militärsch kein Nachteil. Im Gegenteil, das Heer wird durch die verschiedenartigen Talente und Temperamente seiner Nationen bereichert. Dafür, dass es nicht in Egoismen zersplittert, sorgt die ordnende Hand der Monarchie, die die auseinanderstrebenden Kräfte zu einer Einheit zusammenschweißt. Guglielmi verweist mit dem Lob auf das habsburgische Heer ganz bewusst auf unmittelbar fassbare und erlebbare Tatsachen. Er hat es nicht nötig, eine unvollkommene Realität zu verschleiern, seine Aufgabe besteht vielmehr darin, die bereits vorhandene, aber nicht für jeden erkennbare Perfektion des Reiches der Habsburger sichtbar zu machen. Dieses Reich hat es nicht nötig, fremde Länder zu rauben: Es ist wehrhaft, aber am Krieg unschuldig. Das Kaiserreich hat in der Großen Galerie nur einen kurzen, aber wichtigen Auftritt – es ist durch die Kaiserkrone vertreten, die den Erbländern der Monarchie einen gemeinsamen Bezugspunkt gibt. Das eigentliche Alte Reich, das bis an die Gestade der Nordsee reichte, bleibt unerwähnt. Was aus

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ihm werden sollte, zeigt sich in der angrenzenden Kleinen Galerie. Auch hier steht einmal mehr das Spiel zwischen dem männlichen und dem weiblichen Prinzip, das spannungsgeladene Moment der Paarbeziehung im Vordergrund. Die maskuline Komponente bildet indes kein muskulöser Held, sondern ein lorbeerbekränzter Greis. Die Krone, der Hermelin und der Reichsapfel kennzeichnen ihn als Personifikation des Reiches. Ein Adler schwebt ihm entgegen, Apoll erleuchtet in seiner Gegenwart die Welt und unterstreicht damit den Auftrag des Kaisertums, das Evangelium über den ganzen Erdkreis zu verbreiten. Würdig ist das Reich und von hohem Alter. Angesichts seines greisenhaften Auftretens erscheint es nahezu unglaublich, dass es der Last dieser Aufgabe gewachsen erscheint, wären da nicht die ihm gegenübersitzenden zwei Frauen. Deutlich jünger als der alte Herr stehen sie für Milde und Gerechtigkeit. Sie repräsentieren nicht den Anspruch, sondern die Realität der habsburgischen Gegenwart. Das wiedergeborene Haus Habsburg erweist sich als Jungbrunnen für den Greis. Wie segensreich sein Einfluss ist, zeigt sich bei der Zentralfigur, dem Kriegsgott Mars. Ihn umgeben impe­ riale Symbole wie ein Banner mit der Aufschrift SPQR (Senatus Populusque Romanus – Senat und Volk von Rom) oder eine von Zwillingen begleitete Wölfin (s. Abb. 15). Der Maler erlaubt sich an dieser Stelle einen deutlichen Hinweis auf den im Reich tobenden Krieg, an dessen Ausgang kein Zweifel bestehen konnte. Preußens Heere würden zerschmettert und die alte Vorherrschaft Wiens in Deutschland würde wiederhergestellt werden. Bei allem Spott auf das Reich, das sich in der Figur des Greises widerspiegelt, betont der Maler doch die Ernsthaftigkeit des Unterfangens. Österreichs Blüte ermöglicht die Wiedergeburt eines stabilen christlichen Europas. Seine Stärke und Vorbildhaftigkeit befähigen es, den Kontinent zu einen und zu befrieden – Wien als legitimer Erbe Roms. Nur hier werden die Antagonismen eines vielgestaltigen Kontinents ausgeglichen und zur wechselseitigen Befruchtung genutzt – nicht etwa mit harter Hand, sondern durch die liebende und schenkende Kraft eines harmonisch agierenden Kaiserpaares. Dessen Wirken ist technischen Innovationen, militärischem Fortschritt und ökonomischem Wachstum ausdrücklich zugewandt. Sein Reich hat nichts Museales, auch nicht in sozialer Hinsicht. Der Adel der Kaiserin hat es – so suggerieren die Bilder – nicht nötig, seine Vorrechte ängstlich zu verteidigen, er stellt sich vielmehr an die Spitze des Fortschritts. Das erneuerte Reich der Habsburger ist stark und imstande, auch das behäbige Römische Reich deut-

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scher Nation zu erneuern. Wer künftig nach Orientierung suchte, nach dem Genius seiner Zeit, der würde den Blick weder nach Versailles noch nach Potsdam, sondern nach Schönbrunn wenden. Bevor dieses goldene Zeitalter Europas anbrechen, bevor die Siegesfeiern beginnen konnten, war jedoch ein Krieg zu gewinnen. Dessen blutiger Alltag auf den Schlachtfeldern unterschied sich erheblich von den gefälligen Darstellungen der Deckenfresken in Schönbrunn.

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er blutige Kriegsalltag

Er sei, so Ulrich Bräker in seinem rund fünfundzwanzig Jahre nach Beginn des Siebenjährigen Krieges verfassten Lebensbericht, im Jahre 1735 als ältestes von elf Kindern eines armen Bauern im Toggenburgischen geboren worden. Bis er sechzehn war, habe er keinen Unterricht im Lesen und Schreiben erhalten. Der Vater habe die Familie mehr schlecht als recht durchgebracht und seinen kleinen Hof schließlich aufgrund untragbarer Schuldenlasten aufgeben müssen. Bis in sein neunzehntes Jahr sei ihm, Ulrich, die Welt ganz unbekannt geblieben. Doch dann sei er einem schlauen Betrüger aufgesessen, der ihm versprochen habe, ihn als Diener zu beschäftigen. Tatsächlich jedoch sei er, wohl mit Wissen des Vaters, an die preußischen Werber verkauft worden, die in ganz Europa nach Soldaten für das Heer des großen Königs Ausschau hielten. Der Schwindel flog erst auf, als Bräker sich bereits in Berlin befand und staunend eine Stadt betrachtete, die größer war als alles, was er bislang gesehen hatte.41 Dass das Soldatenleben eigenen Gesetzen gehorchte und die Angeworbenen trickreiche Wege finden mussten, sich selbst zu versorgen, begriff er schnell. Obwohl ihm das Leben im Feldlager kaum zusagte, erlernte er Taktiken, die es ihm erlaubten, den eigenen Bauch zu füllen und ein wenig Geld zu verdienen. An die Allgegenwart des Todes konnte er sich nicht gewöhnen, die sich umso mehr zeigte, je näher seine Einheit dem Feind kam. Schon auf dem Wege zum Schlachtfeld hatten er und seine Kameraden sich der Attacken der kaiserlichen Reiterei zu erwehren. Doch all das war harmlos im Vergleich zu dem Inferno, das am 1. Oktober 1756 über ihn hereinbrechen sollte: In der Nähe des kleinen böhmischen Städtchens Lobositz traf die preußische Armee auf österreichische Truppenverbände. Es folgte eine der kleineren Schlachten des Siebenjährigen Krieges – sie kostete »nur« rund 6000 Menschenleben (s. Abb. 16).

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Bräker erlebte sie als ein lärmendes Ineinandergreifen von Brutalität, Disziplin und Orientierungslosigkeit. Schon zu Beginn der Schlacht hätte er sich am liebsten in der Erde verkrochen, und eine ähnliche Angst, ja Todesblässe las man bald auf allen Gesichtern.42 Mit Alkohol habe man versucht, den Schrecken zu bändigen – umsonst. Wie Strohhalme seien seine Kameraden von den Geschossen der Österreicher hinweggefegt worden. Inmitten des Getümmels habe die preußische Kavallerie sich formiert und den Gegner attackiert. Der Angriff schlug fehl, und das Bild, das die zurückkehrenden Reiter Bräker boten, war erbärmlich: Pferde, die ihren Mann im Stegreif hängend, andere, die ihr Gedärm der Erde nach schleppten, beherrschten die Szenerie. Das Grauen um ihn herum blieb nicht ohne Effekt: Bräker verlor die Angst und begann aufmerksam zu beobachten, wie die österreichische Artillerie die Mannschaften zur Linken wie zur Rechten niederraffte. Schon jetzt war die Walstatt mit unzähligen Toten übersät gewesen. Seine Einheit wurde nun zurückgezogen – zumindest habe er dies zunächst geglaubt. Statt auf offenem Feld habe er sich in einem Weinberg befunden, dort einige Trauben gegessen und sich entspannt, bis die Befehls­haber ihn und seine Kameraden immer weiter den Hügel hinauftrieben und er schließlich von einem Kugelhagel empfangen wurde. Ein unbeschreibliches Blutbad habe nun begonnen, und er sei über einen Hügel von Toten und Verwundeten hinweggestolpert. In der Hitze des Gefechts habe er wild um sich geschossen, wobei er nahezu sicher sei, niemanden getroffen zu haben. Zu seinen Füßen lagen Preußen und Österreicher wild durcheinander, und wer einen verletzten Feind sah, zertrümmerte ihm mit dem Kolben des Gewehrs den Schädel oder spießte ihn mit dem Bajonett auf. Von Lobositz in der Ferne ging eine unbeschreibliche Kakophonie aus: Es krachte und donnerte, als ob Himmel und Erde hätten zergehen wollen; wo das unaufhörliche Rumperln vieler hundert Trommeln, das herzerschneidende und herzerhebende Ertönen aller Art Feldmusick, das Rufen so vieler Commandeurs und das Brüllen ihrer Adjutanten, das Zetter- und Mordiogeheul so vieler tausend elenden, zerquetschten, halbtodten Opfer dieses Tages alle Sinnen betäubte.43 Preußen hatte gesiegt, und Bräker hatte das Schlachtgetümmel genutzt, um sich aus dem Staub zu machen. In wildem Galopp sei er davongerannt. Österreichischen Soldaten, denen er begegnete, habe er seine Waffen übergeben.

Schuldfragen – die Kaiserin und die Öffentlichkeit   •   253

Von ihnen sei er zu einem Sammelpunkt geführt worden, an dem er viele Hundert weitere preußische Deserteure getroffen habe. Wie diese habe er nur eines im Sinn gehabt – so rasch wie möglich nach Hause zu kommen. Die Schrecken der Schlacht und das Leid der Opfer spotteten in der Tat jeder Beschreibung. Dabei gehörte die Schlacht von Lobositz, die Bräker hier aus der Retrospektive beschreibt, wie erwähnt zu den kleineren militärischen Auseinandersetzungen des Siebenjährigen Krieges. Ungleich größer war das Chaos und das Gemetzel etwa bei der Schlacht von Torgau am 3. November 1760, in deren Verlauf über 30.000 Menschen getötet wurden – weit mehr als in jeder Schlacht des Dreißigjährigen Krieges, mehr auch als in der zweiten Schlacht von Höchstädt 1704. Die Zahl der auf dem europäischen Kriegsschauplatz im Verlauf dieses Krieges getöteten Soldaten wird auf mehr als eine halbe Million geschätzt. Österreich ging von einem Gesamtverlust von rund 300.000 Menschen aus, davon 140.000 Soldaten und 160.000 Zivilisten. Die Verluste an Gütern und Kapital waren kaum zu beziffern.44

S

chuldfragen – die Kaiserin und die Öffentlichkeit

Wer trug für dieses Gemetzel, diese Orgie der Zerstörung die Verantwortung?45 Für die Kaiserin lag die Antwort auf der Hand: Schuld war der König von Preußen. Sie selbst, so äußerte sie gegenüber dem Botschafter der Republik Venedig am 17. Juli 1757, hege gegen niemanden irgendeine böse Absicht, ihr einziger Feind sei der König von Preußen, dessen Macht sie zu brechen versuche, um künftig in Ruhe leben zu können. Ihr Gegner sei, so hieß es in einem Schreiben an den Grafen Esterházy vom 23. Dezember 1757, im Gegensatz zu ihr ein Mann des Krieges, der den Frieden als eine Zeitspanne begreift, die es zu nutzen gilt, um sich auf den nächsten Krieg vorzubereiten. Unablässig ziele er darauf, dem Haus Habsburg den Todesstreich zu versetzen, und ergriff dabei jedes Mittel. Verträge gelten ihm nichts. Dieser Mann, dem kein feierliches Versprechen heilig sei, habe sogar die Stirn, sich als Verteidiger des Protestantismus aufzuspielen und den Religionshass erneut ins Reich zu tragen. Ärger als die Türken und die Tartaren führten die Preußen ihre Kriege. Während erstere die eroberten Völker in die Sklaverei führten, würden sie vom Hohenzollernkönig sogar gezwungen, Eide gegenüber ihren Landesherren zu brechen und bei ihm Soldaten zu werden. Friedrich sei ein Menschenräuber, der seine Regierungsform so eingerichtet habe, dass auch

254   •   Die Kriegerin

von seinen Nachfolgern nichts besseres zu erwarten sei. Je schneller es mit den Preußen zu Ende gehe, umso besser.46 Einschätzungen wie diese wurden von der Kaiserin nicht nur gegenüber Diplomaten und Hochadligen geäußert, auch dem gemeinen Volk wurden sie mit Hilfe der Druckerpresse nahegebracht.47 Dass Friedrich sich in der preußischen Publizistik als deutscher Heros feiern ließ und der geneigten Leserschaft Protokolle und Schreiben zugänglich machte, die den eigenen Standpunkt stützten, wurde von habsburgischer Seite aufmerksam registriert.48 Dem galt es, etwas entgegenzusetzen. Das Blendwerk des Königs in Preußen war bereits 1756 Thema eines sogenannten kaiserlichen »Circular Rescripts«, in dem der Leser über die angeblichen Machenschaften Friedrichs aufgeklärt wurde.49 Weitere Stellungnahmen mit demselben Titel folgten. Hinzu kamen Biographien der bekanntesten Protagonisten des Krieges, so 1759 die Schrift »Triumph der Tugend«, in der der Autor die Taten There­ siens der Großen beschreibt und sie als deutsche Heldin preist.50 Im selben Jahr erschien eine mehrteilige Lobesschrift auf Feldmarschall Daun, den der Autor als deutschen Fabius Cunctator feiert, als einen genialen Strategen, der den Gegner ausmanövriert, statt ihn in blutigen Schlachten zu schlagen.51 Noch umfangreicher war eine 1761 veröffentlichte Beschreibung der Taten des Feldmarschallleutnants Laudon, der dem Autor zufolge nicht nur ein tapferer Soldat, sondern auch ein geschickter Führer seiner Soldaten war: Laudon verstehe es, aufzusteigen und zugleich beliebt zu bleiben. Anders als viele hochmütige Menschen, die schnell jene vergäßen, denen sie ihren Ruhm verdankten, habe er die Früchte seiner Taten stets mit seinen Helfern geteilt.52 Schriften wie diese zeigten, dass das Urteil der Öffentlichkeit und der Zeitungsleser auch in der Hofburg keineswegs ignoriert wurde.53 In einem Brief von 1757 teilte der Kaiser seinem Bruder mit möglichst schonenden Worten mit, warum das Kaiserpaar an ihm als Befehlshaber der Truppen nicht mehr festhalten konnte. Ein wesentlicher Grund, der aufgeführt wurde, war das Urteil der Bevölkerung. Dieses Urteil, so Franz Stephan, sei zwar ungerecht, insofern es sich nur an den äußeren Erfolgen eines Feldherrn orientiere, doch könne ein Monarch die Meinung und das Begehren des Volkes nicht ignorieren. Die Strahlkraft des Feldherrn und der Krone, für die er stand, war aus Sicht der Zeitgenossen für den Kriegserfolg offenbar wichtig. Die zitierte Darstellung von Ulrich Bräker gibt einen Hinweis darauf, warum dies so war. Der Personalbedarf der Heeresmaschinerien des 18. Jahrhunderts war

Das Ende des Siebenjährigen Krieges    •   255

gewaltig, und kaum ein Territorium war in der Lage, ihn zu decken – im Falle des schwach bevölkerten Preußens war dies evident. So hatte Friedrich II. die Armee des eroberten Sachsens in seine eigene integriert. Zudem zeigten preußische Werber wie geschildert kaum Hemmungen, in ganz Mitteleuropa nach tauglichen Rekruten Ausschau zu halten. In den habsburgischen Territorien war der Problemdruck in dieser Hinsicht geringer, das Phänomen der Massendesertation war dennoch in ganz Europa und so auch bei den Österreichern bekannt.54 Um ihm entgegenzuwirken, reichten Repressionen allein kaum aus. Sie waren, gerade wenn es sich um Teile der eigenen Bauernschaft handelte, auch kaum praktikabel. Neben strafrechtliche Maßnahmen traten daher propagandistische: Wie der Preußenkönig bemühte sich nun auch die Kaiserin, die affektiven Bindungen ihrer Soldaten an die Krone, das Vaterland und die eigene Einheit zu stärken.

D

as Ende des Siebenjährigen Krieges

Am 16. August 1759 fuhren die beiden kaiserlichen Majestäten um halb elf Uhr von Schönbrunn aus zur Kirche der Augustinereremiten, um das Rochusfest zu begehen.55 Kaum zurückgekehrt, ritt im Schlosshof Oberstleutant von Kinsky an der Spitze eines Zuges von zwanzig Bläsern und vier Postmeistern ein: Er überbrachte eine Siegesbotschaft ihres Feldherrn Laudon. Der Kaiser und die Kaiserin waren überwältigt. Kinsky wurde mit einer goldenen Tabaksdose, einem Brillantring und dem Titel eines Obersten gnädig entlassen. Niemand, der an diesem Triumph beteiligt war, sollte ohne ein Zeichen der Gunst bleiben. Es war ein Tag des Glücks – das siegreiche Ende des Krieges schien unmittelbar bevorzustehen. Die Szene, die der fleißige Tagebuchschreiber Khevenhüller so eindrucksvoll beschreibt, hinterließ die Anwesenden mit dem Gefühl, Zeugen eines Wendepunkts gewesen zu sein. Deutlich wird dies auch auf dem von Canaletto zwischen 1759 und 1760 gemalten Bild der Hofseite des Schlosses Schönbrunn. Zu sehen ist die besagte historische Szene: der Empfang des Siegesboten Graf Kinsky (s. Abb. 17). Noch ist der Ehrenhof erfüllt von Bittstellern, diskutierenden Mönchen und spielenden Kindern. Kaum jemand scheint auf die Kutschen zu achten, die dem Ostflügel des Schlosses entgegeneilen. Eile kennzeichnet auch die Reiterei, die in vollem Galopp folgt, während die verwirrten Passanten eilig

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den Hut ziehen. Nur eine scheint frühzeitig zu erkennen, dass etwas Besonderes, Außerordentliches geschehen ist: die Kaiserin. Sie steht, gekleidet in ein prachtvolles blaues Gewand, inmitten ihres Hofstaats am Balkon und wartet. Um sie herum hat sich bereits eine neugierige Menschenmenge gebildet, die in wenigen Minuten die frohe Botschaft vernehmen wird. Canaletto weiß die Spannung unmittelbar vor der Verkündung einzufangen – er zeigt das Warten ebenso wie den unvermeidlich guten Ausgang. Schönbrunn spielt in diesem Ensemble eine Hauptrolle. Der Hof umfängt die Eintreffenden in mütterlicher Fürsorge. Der Zuschauer kann geradezu mit Händen fassen, dass der Erfolg des Unternehmens, die Disziplin und Entschlossenheit der siegreichen Soldaten hier in diesem Palast ihren Ursprung haben. Dies ist der Ort, der wie kein anderer die segensreiche Erziehungsarbeit der Monarchin widerspiegelt. Er gleicht einem Verdichtungspunkt jener Ordnung, die durch die Waffen Ihrer Majestät nun auch an den Grenzen ihres Reiches wiederhergestellt ist. Mit dem Sieg von Kunersdorf am 12. August 1759, der hier festlich begangen wird, schien Maria Theresia tatsächlich am Ziel zu sein. Österreichische und russische Truppen hatten endlich zu einer schlagkräftigen Streitmacht zusammengefunden und das brandenburgische Kernland bedroht. Friedrich, dessen Südflanke von seinem Bruder mit meisterhafter defensiver Strategie gehalten wurde, sah sich zum Handeln gezwungen. 1757 hatte er die Bedrohung durch die Franzosen durch einen vernichtenden Angriff bei Rossbach aufgehalten, nun sollte bei Kunersdorf ein ähnlicher Schlag gegen die Russen und ihre österreichischen Alliierten gelingen. Mittlerweile waren die Kräfte des preußischen Heeres jedoch deutlich schwächer geworden. Jeder der glorreichen Erfolge gegen die Habsburger hatte erheblichen Blutzoll gefordert und die Ressourcen des Königreichs geschwächt. Gleich Hannibal, mit dem Maria Theresia ihn maliziös verglich, schien er sich zu Tode gesiegt zu haben. Dieses Mal hielten die Reihen der Verbündeten stand – der Weg nach Berlin schien dem Feind offen zu stehen. In einem oft zitierten Brief vom 12. August 1759 an den Kabinettsminister Karl Wilhelm Graf Finck von Finckenstein (1714–1800) fasste König Friedrich II. die Situation wie folgt zusammen: Heute morgen um 11 Uhr habe ich den Feind angegriffen. Wir haben ihn bis an den Judenkirchhof bei Frankfurt getrieben. Alle meine Truppen haben Wunder verrichtet, aber dieser Kirchhof hat uns ungeheure Verluste gebracht. Unsere Leute gerieten in Verwirrung, ich habe sie dreimal wieder gesammelt;

Der Weg zum Frieden   •   257

schließlich wäre ich beinah selbst in Gefangenschaft geraten und musste das Schlachtfeld räumen. Mein Rock ist von Kugeln durchbohrt; zwei Pferde sind mir unter dem Leibe erschossen. Zu meinem Unglück lebe ich noch. Unser Verlust ist sehr beträchtlich; von einem Heere von 48.000 Mann habe ich jetzt, wo ich dies schreibe, keine 3000. Alles flieht, und ich bin nicht mehr Herr meiner Leute. Man wird in Berlin gut tun, an seine Sicherheit zu denken. Das ist ein grausamer Schlag, ich werde ihn nicht überleben. Die Folgen davon werden schlimmer sein als die Sache selbst. Ich habe keine Hilfsmittel mehr; ungelogen, ich halte alles für verloren. Den Untergang meines Vaterlandes werde ich nicht überleben. Adieu für immer.56 Am 16. August, jenem Tag, an dem Kinsky die Siegesbotschaft offiziell in Wien überbrachte, erneuerte Friedrich sein deprimiertes Urteil in einem Schreiben an seinen Bruder Heinrich: Glücklich die Toten, sie sind über den Gram und alle Unruhe hinweg. Von einem angekündigten Selbstmord ist in diesem Brief allerdings keine Rede mehr. Friedrich versprach dem Bruder bereits, ungeachtet der widrigen Umstände bis zuletzt seine Pflicht zu erfüllen. Ein vorsichtiger Optimismus war aus diesen Zeilen herauszulesen, denn statt auf Berlin zu marschieren, diskutierten die Österreicher und Russen über die weiteren Schritte. Dieses Zögern, das das Überleben des Hauses Hohenzollern und des preußischen Staates ermöglichte – zumindest aus Sicht Friedrichs –, war bezeichnend für den Verlauf des Krieges: Die drei gegen den König kämpfenden Mächte vermochten es nicht, ihre Kräfte zu bündeln und den Feind gemeinsam zu bezwingen. Die langen Nachschubwege und der strategische Vorteil der Defensivposition Preußens taten das ihre, um die Abnutzungs­ taktik, die Friedrich nach 1759 zunehmend einschlug, zum Erfolg zu führen. Doch dies waren nicht die einzigen Gründe für sein politisches Überleben. Der Krieg mochte in seiner globalen Dimension durchaus ein Weltkrieg sein, von denjenigen des 19. und 20. Jahrhunderts unterschied ihn der fehlende Vernichtungswille der kriegführenden Mächte.

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er Weg zum Frieden

Bis auf das Haus Habsburg hatte keiner der Alliierten ein Inte­ resse daran, die Zerschlagung Preußens durchzusetzen. Selbst Maria Theresia,

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die ein solches Szenario wohl am nachdrücklichsten befürwortete, handelte nicht aus reinem Vernichtungswillen. Ihre Hauptmaxime bestand in der Sicherung ihrer eigenen Position, die sie durch Preußen nachhaltig gefährdet sah. Darüber hinaus strebte sie wie ihr preußischer Widerpart nach Ausweitung ihres Herrschaftsgebiets. Beides erschien mit den Mitteln des Krieges ab 1760 als nicht mehr erreichbar: Jede weitere Schlacht führte unweigerlich zu einer sinnlosen Erschöpfung der Staatskassen, einer Verheerung jener Länder, die die Monarchin erobern wollte, und einer Schädigung des eigenen Rufs. Der Konflikt wurde daher auf das diplomatische Parkett verlagert. Der Siebenjährige Krieg wurde wie beschrieben keineswegs als Gentle­ men’s Sport betrieben, bei dem jener gewann, der seine Bataillone am geschicktesten verschob, ohne eine Kugel abzugeben. Was die militärischen Auseinandersetzungen zur Zeit der Kaiserin von jenen des Dreißigjährigen Krieges ebenso wie von jenen des 20. Jahrhunderts unterschied, war die Möglichkeit, sie vergleichsweise rasch zu beenden. Hatten ihre Vorfahren sich in blutige Auseinandersetzungen verstrickt, die aufgrund der zahlreichen Konfliktlinien, die ineinander verwoben waren, kaum noch zu befrieden waren, befand sich Maria Theresia in einer deutlich anderen Position: Die Zahl der relevanten Mächte hatte abgenommen; die zahllosen Kleinpotentaten, die noch Mitte des 17. Jahrhunderts das Bild so unübersichtlich gemacht hatten, waren entweder von der Bildfläche verschwunden oder, wie Sachsen und Bayern leidvoll erfahren mussten, zu Mächten zweiter Ordnung degradiert worden. Sie konnten bei Friedensschlüssen zwar nicht völlig übergangen, aber doch durch kollektiven politischen Druck diszipliniert werden. Die nach wie vor bestehenden konfessionellen Antagonismen waren zwar entschärft worden, doch – wie die Kaiserin missfällig bemerkte – noch immer bedeutsam, wenn es galt, die eigene Position propagandistisch zu untermauern.57 Auch konnten sie das Knüpfen von politischen Kontakten erleichtern oder erschweren. Die schweren Störungen der Kommunikation, die sie im vergangenen  Jahrhundert zwischen den Großmächten verursacht hatten, waren aber nicht mehr gegeben. Die europäischen Eliten waren über säkulare Expertenforen und ein transkonfessionelles kulturelles Zeichensystem hinreichend vernetzt, um Brüche dieser Art ausgleichen zu können. Sobald die Gewinnerwartungen mit den Risiken einer Fortsetzung des Krieges nicht mehr in Einklang zu bringen waren, ließ sich der Weg zum Frieden vergleichsweise unproblematisch beschreiten. Der Wechsel der Allianzen im Jahre 1756 hatte diese neue Flexi-

Der Weg zum Frieden   •   259

bilität begünstigt. Die Zahl der möglichen Bündnisse und damit auch der Handlungsoptionen und Gewinnmöglichkeiten hatte sich mit dem Ende des französisch-österreichischen Antagonismus vervielfacht. Das erkannte niemand hellsichtiger als Kaunitz: Der Staatskanzler war ein Meister darin, sich den Realitäten geschmeidig anzupassen, eine neue Strategie zu entwerfen und aus Feinden Freunde zu machen. Nun, da sich Preußens Macht nicht zerschlagen ließ, musste die habsburgische Position anderweitig gestärkt und stabilisiert werden. Widerstand von Seiten des einflussreicher werdenden Bürgertums hatte er dabei nicht zu befürchten. Ungeachtet aller patriotischen und nationalen Versatzstücke, derer sich die Kriegspropaganda beider Seiten bediente, entfalteten diese im Siebenjährigen Kriege keine massenmobilisierende Wirkung. Der totale Krieg des 20. Jahrhunderts, der Kräfte entfesselte, die der Staat letztlich nicht mehr steuern konnte, und Schlachten heraufbeschwor, die niemand mehr beenden konnte, war dem 18. Jahrhundert fremd.58 So blutig und verheerend der von Hochrisikopolitikern heraufbeschworene Konflikt auch sein mochte, er wurde anders als die Kriege des Industriezeitalters nicht unter Aufbietung aller Kräfte und mit letzter destruktiver Konsequenz geführt. Er blieb ein Ringen um Provinzen und politische Dominanz, ein Vernichtungskrieg war er nicht. Sein Ende war ab 1760 absehbar. Auf dem Kontinent hielten sich Preußen und Österreich wechselseitig in Schach, in Amerika und Indien war den Briten der Durchbruch gelungen: Frankreich war bezwungen. Angesichts der hohen Kriegskosten machten die unterlegenen Mächte auf dem Kontinent wie in den Kolonien allerdings noch einzelne Versuche, die Stärke des Gegners zu testen: Möglicherweise ließ sich durch einen längeren Atem bei geringeren Einsätzen doch noch ein Erfolg erzielen.59 Spätestens mit dem Scheitern der letzten französisch-spanischen Offensive in Nordamerika 1762 und dem Bündniswechsel Russlands zugunsten Preußens im selben Jahre wurde jedoch auch diese Strategie aufgegeben. Der Krieg wurde 1763 mit den Friedensschlüssen von Hubertusburg und Paris beendet.60 Sein Ertrag war aus Sicht Maria Theresias ebenso ernüchternd wie aus jener ihres Gegners – weder Preußen noch Österreich hatten ihre Vorstellungen durchsetzen können. Die bestehenden Großmächte waren zu stark, als dass sie einander mit Waffengewalt zerschlagen und ausrauben konnten. Man musste mit ihnen leben und sich auf künftige Konflikte mit ihnen vorbereiten. Das schien umso dringlicher, als der Krieg die beteilig-

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ten Länder in einem Zustand der Erschöpfung zurückgelassen hatte. In der Konfrontation mit dem Feind hatten die Reiche Europas Schwächen offenbart – Schwächen, die sie sich nicht leisten konnten. Noch während des Schlachtengetümmels hatte man in Wien begonnen, die erkannten Defizite abzustellen.

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as Ende der Kriegspolitik

Einer der ersten, die erkannten, dass dringender Handlungsbedarf bestand, war Staatskanzler Kaunitz. Die Reformen des Grafen Haugwitz waren auf die Finanzierung eines vergrößerten Heeres in Friedenszeiten ausgerichtet gewesen, die Kosten eines langwierigen Eroberungskrieges überforderten die von ihm geschaffenen Strukturen jedoch. Schlimmer noch, der von Haugwitz geschaffene neue Verwaltungsapparat erwies sich als erschreckend unbeweglich und ineffizient. Als um 1760 die militärische Lage immer kritischer wurde, war für den Staatskanzler der Zeitpunkt gekommen, eine Reform der Reformen einzuleiten. Am 9. Dezember 1760 zeichnete er gegenüber der Kaiserin in einem Vortrag ein denkbar düsteres Bild der kaiserlichen Verwaltung. Haugwitz, so machte er deutlich, hatte ein unkontrollierbares Monstrum geschaffen, eine bürokratische Maschinerie, in der keine persönlichen Verantwortlichkeiten mehr zu benennen waren. Statt miteinander arbeitete man gegeneinander und durchkreuzte, was der jeweils andere an Initiativen entfaltete. Wenn dem nicht schnell Einhalt geboten würde, sei der Staatsbankrott unaufhaltsam und der Untergang des Hauses Habsburg stehe bevor.61 Das von Kaunitz entworfene Schreckensszenario glich in vielem jenem, das einst Haugwitz beschworen hatte: Wieder drohte der Untergang der Christenheit und wieder gab es ein Allheilmittel. Die Kaiserin möge, so Kaunitz, ein beratendes Zentralgremium ernennen, in dem die Rivalitäten ausgeglichen werden konnten. Was wie die Wiederkehr der Geheimen Konferenz klang, sollte nach dem Willen von Kaunitz eine Körperschaft eigener Art sein: Bestehend aus drei Staatsministern und drei Staatsräten sollten die Mitglieder des Staatsrates mit Ausnahme des Staatskanzlers aller anderen Ämter ledig sein und uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen erhalten.62 Ihre Kompetenzen sollten allumfassend und ihre Verhandlungen nach dem Prinzip der schriftlichen Umfrage organisiert werden. Maria Theresia stimm-

Das Ende der Kriegspolitik   •   261

te zu. Kaunitz habe mit seinen Ausführungen vollkommen Recht – im Grunde sei die Situation noch schlechter als geschildert. Sie genehmigte die vorgeschlagenen Maßnahmen in vollem Umfang. Einer der ersten Staatsminister, der auf Betreiben des Kanzlers ernannt wurde, war Haugwitz, der damit seine Stellung im Direktorium verlor. Zu seinem Nachfolger wurde Johann Karl Graf Chotek (1704–1787) ernannt, einer der erbittertsten Gegner des Reformers. Ein erster Schritt hin zu einer Revision des neuen Staatsapparats war damit vollzogen worden. Ein zweiter folgte am 29. Dezember 1761. Nach harten Debatten besiegelt die Kaiserin den Sturz des Directoriums. An seine Stelle traten die »böhmische und österreichische Hofkanzlei« als politische Zentralbehörde, die Hofkammer, die für die Einnahmen der Krone zuständig war, die Generalkasse, die die Ausgaben verwaltete, und die Hofrechenkammer, die für die Rechnungsrevision verantwortlich war. Noch war die genaue Aufgabenteilung zwischen den einzelnen Behörden unklar, und so begann ab 1761 eine heftige Auseinandersetzung darüber, wie die Reform der Reform zu interpretieren und zu gestalten war. Die Gebrüder Chotek plädierten dafür, vor allem auf der Ebene der Territorien die Stände wieder stärker an der Administration zu beteiligen. Sie standen für eine modifizierte Rückkehr zu den Verhältnissen vor 1749. Der noch immer einflussreiche und überaus rührige Haugwitz beschwor die Kaiserin demgegenüber, die Trennung zwischen der Exekutiv- und der Finanzverwaltung wieder rückgängig zu machen. Kaunitz schließlich drang darauf, die Zentralverwaltung in Funktionseinheiten aufzugliedern und die weitgehende Entmachtung der Stände nicht zu revidieren. Die Kaiserin blieb wie so oft in ähnlichen Situationen schweigsam und zurückhaltend. Sie versicherte allen Beteiligten ihrer persönlichen Sympathie und bedachte sie mit großzügigen finanziellen Zuwendungen. Zugleich bat sie um Gutachten ihrer Räte und ließ die Mächtigen der Hofburg debattieren. Vier Jahre sah sie geduldig zu, wie Rudolph Reichsgraf Chotek, Wenzel Anton Graf Kaunitz und Friedrich Wilhelm Graf von Haugwitz ihre Anhänger mobilisierten und um ihr Modell fochten – als alle hinreichend erschöpft waren, beendete sie die Debatte und traf eine Entscheidung. Mit dem 14. Mai 1765 wurde die von Haugwitz eingerichtete Direktorialbehörde endgültig zu Grabe getragen. Neben die böhmisch-österreichische Hofkanzlei trat nunmehr eine erneuerte, die verschiedenen Aspekte der Finanzverwaltung bündelnde Hofkammer. Auf den ersten Blick war damit der alte Gegensatz zwischer Kammer und Kanzlei wiederhergestellt. Tatsächlich hat-

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ten die beiden Behörden mit ihren Vorgängern gleichen Namens kaum noch etwas gemein. Waren die alten Institutionen Dachorganisationen gewesen, die diverse, über Jahrhunderte angesammelte Kompetenzen und Einnahmequellen bündelten, bildeten die neuen Behörden Körperschaften mit sachlich begründeten Kompetenzzuschreibungen. Auch wenn die hier vorgenommene Entflechtung auf dem Papier schlüssiger aussah als in der Realität, bildeten die Beschlüsse des Jahres 1765 eine wichtige Wegmarke in der Entwicklung der Donaumonarchie. Noch zu Beginn des 18. Jahrhunderts war die Krone in den Territorien vor allem im Krisenfall präsent: Bei Seuchen, inneren Unruhen, wirtschaftlichen Krisen oder Kriegen wurden Informationen erhoben, geordnet und geeignet erscheinende Maßnahmen ergriffen. Sobald kein akuter Handlungsbedarf mehr bestand, begann der Fluss der Informationen zu versiegen, das gesammelte Wissen wurde abgelegt, meist jedoch eher verlegt. Damit sollte es jetzt vorbei sein. Mit der Verstetigung des Informationsflusses von Seiten der Kreise und der Professionalisierung der Informationsverarbeitung im Zentrum erschien es möglich, Krisen im Vorfeld zu verhindern. Zwei Jahre nach dem Ende des Siebenjährigen Krieges hatte die Monarchie damit eine interessante Konsequenz aus ihrer De-facto-Niederlage gezogen: Die Zeiten der Expansion und der Hochrisikopolitik waren vorbei. Wenn das Reich der Habsburger konkurrenzfähig bleiben sollte, konnte dies nur gelingen, wenn Wien die Ressourcen des eigenen Landes konsequent weiterentwickelte und ausbeutete. Kriege würden eine solche Entwicklung nur stören. Maria Theresia war des Spiels müde – übrigens nicht nur am Kabinetts-, sondern auch am Pharotisch. Wie kritisch sie den Einfluss der Karten mittlerweile sah, berichtete sie viele Jahre später ihrer Tochter Maria Antonia, die seit 1774 als Marie Antoinette auf dem französischen Thron saß, in eindringlichen Worten: Wer spielt, betrügt sich selbst, denn letztlich wird er mehr verlieren als gewinnen. Zudem begibt er sich in schlechte Gesellschaft, denn Spieler handeln unmoralisch und führen ebensolche Reden. Es ist daher das Beste, sich von dieser Leidenschaft loszureißen. Wer konnte dies glaubwürdiger fordern als sie, die einst selbst der Spielsucht verfallen war.63 Die veränderte Haltung der Kaiserin gegenüber riskanten Projekten fußte gewiss auf Erfahrungen: Sie hatte genug verarmte Adlige gesehen, die das Spielen nicht lassen konnten und doch glaubten, am nächsten Tag Fortuna überlisten zu können. Auch hatte sie genug kühne Versprechungen gehört, die ihr Wege aufzeigten, wie die preußische Konkurrenz zu schlagen sei. Die

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Träume von gestern hatten sich stets als die Albträume von heute erwiesen. Zu dieser ernüchternden Schlussfolgerung kam eine persönliche Erfahrung, die sie zutiefst erschütterte. Der Tod war für eine sechzehnfache Mutter ein permanenter Begleiter: Fünf ihrer Kinder hatten bereits das Zeitliche gesegnet, und sie selbst hatte bei jeder Geburt das Risiko, dabei vorzeitig zu sterben, einkalkulieren müssen. 1765 schlug das Unheil von unerwarteter Seite zu: Franz Stephan starb und hinterließ eine untröstliche Witwe.

Abbildungen   •   265

1  Die Haut der zehnjährigen Erzherzogin, die der dänische Maler Andreas Möller 1727 porträtierte, war makellos – ein Zeichen dafür, dass die Pocken sie verschont hatten. Diese Prinzessin war gesund und sie war, wie die frauliche Gestalt andeuten sollte, selbstverständlich fruchtbar. Auffallend war ihre majestätische Körperhaltung – voller Spannung und doch lässig dem Betrachter zugewandt. Sie machte sie zur selbstverständlichen Trägerin des Hermelinmantels, den sie um ihre Schulter geschwungen hat, und des erzherzoglichen Hutes, der im Hintergrund auf einem Tisch liegt.

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2  Maria Theresia legt als neuer »König von Ungarn« 1741 den Eid ab, das Reich zu schützen. Wenngleich sie eine ausgezeichnete Reiterin war, hatte sie den Auftritt intensiv geprobt.

Abbildungen   •   267

3  Als Palatin des Reiches benannte die Monarchin den Grafen Pálffy. An der Seite der mütterlichen Königin befindet sich in der Darstellung von 1768/70 angeblich ihr Sohn.

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4  Das Porträt von Martin van Meytens zeigt Franz Stephan im Jahre 1745 als neu gewählten Kaiser des Römischen Reiches.

5  Das Porträt ­ Jean-Etienne Liotards von 1747 hat nur wenig mit den majestätisch-mütterlichen Darstellungen zu tun, die in hoher Auflage reproduziert und publiziert wurden.

Abbildungen   •   269

6  Martin van Meytens’ Darstellung der Familie Kaiserin Maria Theresias aus dem Jahre 1754.

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7  Darstellung der Nikolobescherung von Erzherzogin Marie Christine aus dem Jahre 1762.

8  Habsburgs Versailles: Ansicht des Schlosses Schönbrunn um 1749.

Abbildungen   •   271

9  Die Große Galerie in Schloss Schönbrunn wurde ab 1755 im Auftrag der Kaiserin durch ihren Architekten Pacassi grundlegend neu gestaltet. Die ­Deckengemälde wurden von Gregorio Guglielmi ausgeführt. Das Bildprogramm geht vermutlich auf Luigi Canale zurück.

10  Das Chinesische Rund­ kabinett in Schloss Schönbrunn.

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11  Maria Theresia im türkischen Stile mit einer Maske – Martin van Meytens’ Porträt entstand um 1744 und zeigt die lebhafte Tänzerin als eine Meisterin des Rollenspiels.

Abbildungen   •   273

12  Hoch zu Pferde leitet Maria Theresia 1743 das Damencarussell – ein reiterlicher Wettkampf, der höchstes Können erforderte. Das Ereignis wurde von Martin van Meytens in einem monumentalen Gemälde verewigt.

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13  Canalettos Darstellung der Gartenseite des Schlosses Schönbrunn entstand zwischen 1758 und 1761 und geht mit den topographischen Details großzügig um.

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14  Die Erstverleihung des Maria Theresia Ordens durch Kaiser Franz Stephan am 7. März 1758 zeigt die Kaiserin als Stifterin und Beobachterin, die – wenngleich nicht in zentraler Funktion agierend – nie die Kontrolle verliert. Auch dieses großformatige Gemälde wurde von Martin van Meytens angefertigt.

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15  Der lorbeerbekränzte alte Herr, den Guglielmi 1759 auf dem Deckengemälde der Kleinen Galerie des Schlosses Schönbrunn darstellt, hält die Kaiserkrone im Arm – es handelt sich um eine allegorische Darstellung des Römischen Reiches, das offenbar in die Jahre gekommen ist.

16  So unterschiedlich die Nationen sein mochten, die das Habsburger Reich konstituierten, in der Armee wurden sie zu einer Einheit zusammengeschmolzen. Dies jedenfalls versuchte Guglielmi dem Betrachter in diesem Bildausschnitt des Deckenbildes der Großen Galerie in Schönbrunn, das z­ wischen 1760 und 1762 entstand, zu suggerieren.

Abbildungen   •   277

17  Die Kunde vom Sieg über Friedrich II. bei Kunersdorf erreichte Maria Theresia am 16. August 1759. Canaletto hält diesen Moment in seiner zwischen 1750 und 1761 entstandenen Ansicht der Ehrenhofseite des Schlosses Schönbrunn fest.

18  Der Riesensaal der Innsbrucker Hofburg wurde auf Befehl Maria Theresias nach dem Tode Franz Stephans zu einem Erinnerungsort der Verschmelzung der Häuser Habsburg und Lothringen umgestaltet.

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19  Auch in Florenz kann er ihren wachsamen Blicken nicht entkommen. Im Familienporträt des späteren Kaisers Leopold II. aus dem Jahre 1773 wird der damalige Großherzog der Toskana von Wenceslaus Werlin an der Seite seiner Gattin (der Infantin Maria Ludovica), umgeben von den sechs Kindern des ­Paares, dargestellt. Im Hintergrund sind die dynastischen Häupter der Häuser Habsburg und Spanien-Bourbon als Porträtbilder zu sehen: Joseph II., Maria Theresia und Karl III. von S ­ panien (Vater der Ehefrau). Von ihrem Wohlwollen ist das Paar abhängig.

20  Jean-Etienne Liotards Porträt des Grafen Wenzel Anton Kaunitz aus dem Jahre 1762 zeigt den Staatskanzler als eleganten, kühlen und aufmerksamen Diener der Kaiser. Der Blick, den er dem Maler über die Schulter hinweg zuwirft, verrät seine Anspannung. Nur kurz wird er in dieser Haltung verharren können, um sich dann wieder seinen Geschäften zu widmen.

Abbildungen   •   279

21  Nach Entwürfen von Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg im Jahre 1777 im Schlossgarten von Schönbrunn errichtet, kündet der Obeliskenbrunnen von den Triumphen der Kaiserin.

22  Zwischen 1773 und 1780 wurde die Marmorstatue der Königin Om­ phale von Josef Weinmüller geschaffen. Sie wurde im Schlosspark von Schönbrunn direkt gegenüber der Figur des Herkules aufgestellt, der ihr nach antiker Überlieferung drei Jahre als Sklave dienen musste.

280   •   Abbildungen

23  1772 saß Maria Theresia noch einmal einem Maler Porträt. Anton M ­ aron schuf das Witwenporträt, das auf diesen Sitzungen beruhte, 1773. Aus der ­großen Zahl der Bilder, die die Kaiserin schwarzgewandet darstellen, nimmt es eine besondere Stellung ein. Es zeigt die Kaiserin vor einer Friedensallegorie, die Maria Theresia mit einem Lorbeerkranz zu krönen scheint. Die Monarchin selbst verweist auf einen Plan des Schlosses Schönbrunn.

Maria Theresia Die Witwe

T

od in Innsbruck

Die Reise in Tirols Hauptstadt war am Hof schon im Vorfeld als zu aufwendig und im Grunde sinnlos kritisiert worden. Die Kaiserin hatte jedoch aus wichtigen Ursachen, wie sie schrieb, alle Bedenken vom Tisch gefegt: Im Sommer 1765 stand einmal mehr die Zukunft des Hauses Habsburg im Fokus der Politik. Maria Theresia und ihr Mann hatten sechzehn Kindern das Leben geschenkt, deren zehn noch am Leben waren – Enkelsöhne gab es noch nicht. Joseph II., auf dem die Fortpflanzungshoffnungen der Dynastie zunächst noch lasteten, hatte in den drei Jahren, in denen er mit Isabella von Bourbon-Parma verheiratet war, nur zwei Töchter gezeugt. Nun starb auch noch Isabella selbst, und es galt jeden Verdacht, das Haus Habsburg sei erneut vom Aussterben bedroht, im Keim zu ersticken. Zuerst wurde dem widerwilligen Joseph im Januar 1765 eine neue Ehefrau zugeführt, und im August des Jahres führte auch Erzherzog Leopold, der zweite Sohn, im zarten Alter von achtzehn Jahren seine Braut an den Altar. Mit der zwei Jahre älteren Maria Ludovica von Spanien wurde zudem ein deutliches Zeichen der Aussöhnung zwischen Wien und Madrid gesetzt. Sie nicht in Wien, sondern in Innsbruck zu trauen, war nicht zuletzt ein Zeichen der Höflichkeit gegenüber der Gattin, der der habsburgische Hof aufwendig entgegeneilte, und es war ein Gnadenerweis an Tirol, das für einige Wochen das Zentrum des habsburgischen Reiches bildete. Vor allem aber war die Reise eine Chance für Maria Theresia, ihren eigenen Mythos zu nutzen, um die Einzelterritorien ihres Reiches enger an die Krone zu binden. Bereits die Reise nach Innsbruck wurde zu einem Triumphzug: In Graz, Leoben und Klagenfurt wurde das kaiserliche Paar mit Triumphbögen und Festivitäten empfangen. Die Kärntner Stände hatten Maria Theresia auf dem

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prominenten Neuen Platz in Klagenfurt ein von Baltasar Moll geschaffenes Denkmal setzen lassen – auf eben jenem Platz, auf dem sich bereits ein Reiterstandbild des »großen« Kaisers Leopold I. befand, prangte nun ein Koloss aus 141 Zentnern Blei. Es zeigte die ruhmreiche Monarchin in ungarischem Krönungsornat und damit in jenem Moment höchster Not, in dem die Erbin der habsburgischen Kronen durch ihren Edelmut und ihre Tapferkeit die Herzen ihrer magyarischen Untertanen gewann.1 Das auf dem Platz nun zu bewundernde Nebeneinander von Leopold I. und Maria Theresia war bezeichnend. Sie, die Standhafte, wurde hier zum weiblichen Pendant jenes Kaisers aufgebaut, unter dessen Herrschaft die österreichischen Habsburger zur europäischen Großmacht geworden waren. In Innsbruck setzte sich die Folge von aufwendigen Festen und Empfängen fort. Maria Theresia hatte umfangreiche Bauarbeiten durchführen lassen, damit diese ihren Vorstellungen gemäß durchgeführt werden konnten. So war der Burggraben zugeschüttet, die Oper umgebaut und ein im August 1765 nur halb fertiger Triumphbogen errichtet worden, auf dem Braut und Bräutigam ebenso wie Maria Theresia und ihr Gatte verherrlicht wurden. Auch die Burg war eilig für die anstehenden Feierlichkeiten präpariert worden. Das prächtige Gebäude war noch immer vom höfischen Geschmack des 17. Jahrhunderts geprägt. Die eindrucksvollen Darstellungen der Taten des Herkules im sogenannten Riesensaal wurden von Besuchern immer wieder gerühmt. Maria Theresia, die die Stadt 1739 nach ihrer Rückkehr aus Florenz besucht hatte, gefielen sie offenbar weniger. Das Übermaß an männlicher Nacktheit war mit dem weiblich-tugendhaften Stil, den sie verkörperte, kaum zu vereinbaren, und so ließ sie das Bildwerk durch Vorhänge verbergen. Nach dergleichen Retuschen bildeten Stadt und Burg prachtvolle Bühnen für eine ganze Kaskade von Feierlichkeiten, die der eigentlichen Eheschließung am 5. August folgen sollten. Der 56-jährige Kaiser war den damit verbundenen Strapazen offenbar nicht mehr recht gewachsen. Ob er bereits vor dem Tag seines Todes Zeichen der Schwäche zeigte, ist umstritten. Die Augenzeugen weichen in ihren Berichten über die genaueren Umstände seines Ablebens erheblich voneinander ab. Sicher ist, dass Franz Stephan am Abend des 18. August noch einmal das Ballett besuchte – dergleichen Aufführungen gehörten für ihn zu den wenigen Ablenkungen im streng ritualisierten Hofleben. Das Schauspiel endete gegen neun Uhr am Abend. Der Kaiser verließ die Theaterloge, strebte der Innsbrucker Hofburg entgegen, strauchelte, wurde gestützt und

Vom Schmerz überwältigt   •   283

verstarb schließlich im Bett eines Bediensteten, in das man den erschöpften Mann gelegt hatte. Je nachdem, welchem Bericht wir Glauben schenken, war die Todesursache ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt. Auf jeden Fall traf das Dahinscheiden des etwas hypochondrischen Monarchen, der schon bei kleineren Anlässen wahllos zu Medikamenten griff,2 seine Familie völlig unvorbereitet.

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om Schmerz überwältigt

Neben ihrer Schwester Maria Anna, die 1744 im Kindbett starb, und ihrer alten Aya Karoline von Fuchs-Mollard war Franz Stephan wohl der Mensch, zu dem Maria Theresia das engste Vertrauensverhältnis besaß. Die Sorge des Hofes, sie könnte durch den Tod des Gatten in schwere Mitleidenschaft gezogen werden, war groß. Und tatsächlich vollzogen sich unmittelbar nach dem Ableben des Kaisers dramatische Szenen in Innsbruck. Die Kaiserin sei, so die Tochter ihrer Kammerzofe Karoline Pichler, angesichts der Todesnachricht ganz vernichtet gewesen – keine Träne habe sie vergießen können, nur ein gewaltsames Schluchzen sei aus ihr herausgebrochen. Nahezu mit Gewalt, so Khevenhüller, habe man sie davon abhalten müssen, zum Sterbebett ihres Mannes zu eilen. Schließlich habe sie sich auf Anraten ihrer Ärzte und auf Drängen ihrer Berater in ihre Gemächer zurückgezogen. Dort habe sie die ersten Schmertzen mit der übrigen durchlauchtigsten Familie getheilet.3 Um die Gesundheit der Herrscherin, die vorsorglich zur Ader gelassen wurde, nicht zu gefährden, wurde der Kontakt zwischen ihr und dem Leichnam durch Vermittler hergestellt. Sie überbrachten ihr die persönlichen Habseligkeiten des Verstorbenen, aber auch eine Haarlocke, die sie im Stil der Zeit in einem Armring fassen ließ. Maler wurden beauftragt, das Konterfei des Toten festzuhalten. Fürst Khevenhüller, ihr zweiter Obersthofmeister, wurde beauftragt, der Obduktion des Monarchen beizuwohnen. Für Khevenhüller, der mit dem Kaiser jahrelang fast täglich verkehrt hatte, wurde die Aufgabe zur Tortur: Da es aber damit sehr lang hergienge, wurde mir theils von der Hitz und von dem Gestank theils auch und wohl vornehmlich für Beklemmung des Gemüths ganz übl. Die Tatsache, dass die Ärzte keine organischen Ursachen des Todes feststellen konnten, habe ihn besonders geschmerzt und dazu geführt, dass er die ganze Nacht aus Schrocken und Emotion kaum habe schlafen können. Während der

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Audienz beim Thronfolger am nächsten Morgen sei er von einer solch starken Übelkeit überfallen worden, dass er sich habe setzen müssen. Zurück in seinen Gemächern, sei er schließlich ohnmächtig geworden. Die Krise habe sich derart zugespitzt, dass seine Bediensteten darüber beraten hätten, ob sie nicht nach einem Priester rufen sollten, um ihm die letzte Ölung zu geben.4 Am Abend schließlich habe man Franz Stephan aufgebahrt. Da der Kaiser mit leichtem Gepäck gereist sei, habe der standesbewusste Khevenhüller mit einigen Utensilien aushelfen müssen. Am Ende sei der tote Kaiser eingehüllt in den Mantel seines Dieners und geschmückt mit dessen Ordenskette öffentlich zur Schau gestellt worden. Der Hof litt – er teilte die Schmerzen der Kaiserin und half ihr, sie zu tragen. Der kollektive Schock, der die Einzelnen geradezu körperlich erfasste, verwandelte die Hofgemeinschaft. Nicht nur die Kaiserin war künftig eine andere, sondern auch ihre Umgebung. Im Grunde ging alles ganz schnell, ja es dauerte kaum einen Wimpernschlag, bis die Hierarchien neu geordnet, die Räume neu besetzt, die Hauptpersonen neu kostümiert waren. Joseph, der älteste Sohn, zog in die Appartements des Vaters, die Mutter zog sich in ihre Gemächer zurück, verschenkte ihren Schmuck, schnitt ihre Haare ab und trug, als sie sich dem Hof wieder zeigte, Trauerkleidung – sie legte diese für den Rest ihres Lebens nicht mehr ab.

W

as vom Kaiser übrig blieb – steingewordene Trauer

Dass das Gefühl des Verlustes die Kaiserinwitwe innerlich erschütterte, war offensichtlich, war doch mit Franz Stephan mehr verloren gegangen als nur der geliebte Gatte. Verloren ging auch die perfekte Inszenierung der Symbiose von Kaiserin und Kaiser, von weiblicher Landesherrschaft und männlicher Universalherrschaft. Eine Möglichkeit, diesen Verlust zu kompensieren, bestand darin, die Ehe über den Tod des Gatten hinaus fortzuführen und Franz Stephan als virtuell Anwesenden neu zu erschaffen. Dass das habsburgische Totenzeremoniell akribisch befolgt wurde, versteht sich von selbst. Auf die Verkündung des Todes folgte die erwähnte Öffnung des Leichnams und dessen Aufbahrung im Riesensaal der Innsbrucker Hofburg. Der aufwendigen Überführung des Sarges nach Wien folgten die Zurschaustellung im Rittersaal der Hofburg und am 4. September 1765 die Bestattung. Wie bei einem Kaiser üblich, wurden das Herz in der Augustinerkirche, die Eingeweide im Stephansdom und der restliche Leichnam

Was vom Kaiser übrig blieb – steingewordene Trauer   •   285

in dem bereits erwähnten überdimensionierten Sarkophag in der Kapuzinergruft beigesetzt. Das Totengedächtnis bildete im Haus Habsburg einen festen, wenn nicht prägenden Bestandteil des höfischen Lebensrhythmus: An keinem anderen Hof Europas war die Welt der Lebenden so stark von jener der Toten durchdrungen wie in Wien. Maria Theresia erfüllte diese Normen, mehr noch, sie übererfüllte sie. Schon die Leichenpredigt ließ aufhorchen. Franz Stephan, so Ignaz Wurz, Rektor der Universität Wien, war nicht einer jener Herrscher, für dessen Seelenheil die Gemeinde betet, um den Richterspruch Gottes abzumildern. Nein, rief er seinen Zuhörern im Stephansdom entgegen, er war ein heiligmäßiger Kaiser, dessen früher Tod nur durch die Sünden seiner Untertanen zu erklären ist. Mit seinem Heimgang hat der Herr seinem Volk signalisiert, dass es eines solchen Monarchen nicht würdig war. Franz Stephan, so Wurz, war ein Mann, den Gott selbst von Geburt an dazu auserkoren habe, das höchste weltliche Amt der Christenheit zu bekleiden. Der frühe Tod des Sohnes Karls VI. und die nachfolgende Geburt von Töchtern habe den einzigen Sinn, der Welt ein kaiserliches Paar zu schenken, das alle Herrschertugenden in sich vereine. Lasst uns also, hochansehnliche Zuhörer, der Traurigkeit, die sich unserer Seele bemächtigt hat, Schranken setzen, und in dem Lobe des verstorbenen Kaisers die sichersten Trostgründe für unsere Schmerzen finden. Wie glücklich sind wir, dass wir (...) seinen Tod für nichts anders, als für einen unvermeidentlichen Zins der menschlichen Schwäche ansehen dörfen.5 Einem solchen Kaiser war auch im Gedenken der Nachgeborenen ein besonderer Ort zuzuweisen. Nicht nur seine letzte Ruhestätte in der Kapuzinergruft war in ihrer Pracht beispiellos, auch die Sterbelandschaft war es, die die Kaiserin in der Innsbrucker Hofburg gestalten ließ. Tatsächlich eignete sich Innsbruck in mehrfacher Hinsicht als Ort für die Etablierung eines eigenen Kaiser-Franz-Mythos: Anders als in Wien entfiel in Innsbruck die Konkurrenz einer langen Kette von habsburgischen Kaiser- und Adelsgräbern. Was es jedoch besaß, war ein Denkmal der besonderen Art, das sich für die Zwecke der Kaiserin nutzen ließ. In der 1553–63 gebauten Hofkirche, die unmittelbar an die Hofburg anschloss, hatten die Habsburger das monumentale Grabmal Kaiser Maximilians I. aufstellen lassen, das von 28 Bronzefiguren bewacht wurde, die leibliche oder ideelle Vorfahren des Kaisers repräsentierten.6 Es war ein wuchtiger Hinweis auf die Wurzeln dessen, was das Haus

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Habsburg ausmachte: edles Geblüt und mehr noch ritterlicher Edelmut. Das war ein idealer Anknüpfungspunkt für den Totenkult um Franz Stephan: auch er ein Kaiser, auch er ein Mann, der das Haus Habsburg verwandelt und erneuert hatte – so zumindest stellte es die Mythenschmiede seiner Frau dar. Die Anweisung, das Sterbezimmer des Kaisers zunächst unverändert zu lassen, um es dann in eine Kapelle umzuwandeln, war von Maria Theresia bereits unmittelbar nach Franz Stephans Tod ergangen. Doch damit ließ sie es nicht bewenden: Jene städtischen Bauten, die die Bewohner der Stadt ursprünglich dauerhaft an den Besuch des Kaiserpaars und die Hochzeit des Erzherzogs erinnern sollten, wurden nun umgewidmet oder durch Hinweise auf den Kaiser angereichert. Das galt etwa für das Triumphtor, durch das Braut und Bräutigam in die Stadt eingeritten waren und das nun zusätzlich mit Symbolen der Trauer und der liebenden Erinnerung geschmückt wurde. Diesen Kaiser, der seinen letzten Atemzug in Innsbruck getan hatte, sollte die Stadt am Inn nie vergessen, Tirols Hofburg zu einem gigantischen Denkmal seines Wirkens werden. Zunächst wurde sie baulich aufgewertet. Die Kaiserin ließ die Außenfassade des imposanten Ensembles ab 1767 durch Nikolaus Pacassi harmonisieren und stilistisch an die jüngst renovierten Schlossbauten in Schönbrunn, Laxenburg oder Prag anpassen. Innsbruck war damit auch architektonisch in den Kreis der Knotenpunkte habsburgischer Herrschaft aufgenommen. Nun konnte zum Innenausbau geschritten werden.7 Im Zen­ trum der Innsbrucker Hofburg stand der erwähnte Riesensaal – er wurde zum spektakulären bildlichen Verdichtungspunkt der neuen habsburgisch-lothringischen Familientradition. Hier, an diesem Ort, sollte der Betrachter erkennen, welch tiefe Spuren das Wirken des Kaisers hinterlassen hatte. Zweiundreißig Porträts hängen an den Wänden des eindrucksvollen Saales (s. Abb. 18). An der Stirnseite waren die prominentesten zu sehen. Mittig hing eine Darstellung Franz Stephans in vollem Ornat, unmittelbar neben seinem Porträt befinden sich Darstellungen Maria Theresias und Josephs II. An den übrigen drei Wänden des Saales sind nicht etwa Heldentaten der habsburgischen Familie zu bewundern oder Ereignisse aus der antiken Mythologie, sondern Konterfeis der restlichen fünfzehn Kinder der kaiserlichen Familie; selbst die verstorbenen Kleinkinder wurden nicht vergessen. Im oberen Bereich sind die Schwiegerkinder und die zur Entstehungszeit der Gemälde zur Welt gekommenen Enkel zu sehen. Die Hängung folgt strikt der Chronologie, womit die Töchter den Söhnen damit symbolisch gleichgestellt wurden. Der Saal spiegelt eine neue Geschlechterbalance im Haus Habsburg wider. Er demons-

Die Trauernde   •   287

triert aber auch die Einheitlichkeit des Familienverbandes, der den Betrachter geradezu umzingelt. Nichts erinnert mehr an die Fruchtbarkeitskrise des Hauses Habsburg: Diese Familie ist alles andere als vom Aussterben bedroht – sie blüht und harmoniert vielmehr. Hier greift ein Rad ins andere. Der Hausvater hat seiner Frau und seinem Reich ein gut bestelltes Haus hinterlassen. In dem von Franz Anton Maulbertsch (1724–1796) gemalten Deckengemälde wird die neue Dynastie in einen historischen und ideellen Kontext gestellt.8 Im Mittelfresko wird eine Eheschließung aus dem Jahre 1678 gefeiert, jene zwischen dem lothringischen Türkenbezwinger Herzog Karl V. (1643–1690) und der habsburgischen Erzherzogin Eleonore Maria Josepha (1653–1697). Beide waren Vorfahren des unten gezeigten kaiserlichen Paars – die Verbindung zwischen Lothringen und Habsburg hatte damit eine glorreiche Vorgeschichte. Hier ist das Wirken Gottes zu beobachten, der Weichenstellungen vorgenommen hatte, lange bevor die Sterblichen sich dessen bewusst waren. Noch war das Haus Habsburg in voller Blüte, da näherte sich ihm bereits das Haus Lothringen – helfend, liebend, befruchtend, die Zukunft sichernd. Im Bildprogramm des Garderaums und Audienzzimmers wird diese Botschaft überdeutlich. Hier sehen wir, dass erst die Siege des lothringischen Herzogs den Kaiserthron Leopolds I. in seinem Kampf gegen die Türken retteten. Später wirkte er als Statthalter des Kaisers in Innsbruck und verwandelte das Land mit seiner Innovationskraft in ein Juwel des Reiches. Die Stadt am Inn war damit nicht nur Todesstätte des großen Franz Stephan, sie war zugleich der Ort, an dem Gott schon früh auf die schicksalhafte Verbindung zwischen den Häusern Habsburg und Lothringen gewiesen hatte. Mit ihrer Verschmelzung war die Krise der Kaiserdynastie zu Ende, und zwar nicht nur die biologische, sondern auch die ideelle. So war die Herrschaft Franz Stephans mehr als eine Episode – sie bildete einen Einschnitt: Aus Niedergang war Aufstieg, aus Schwermut war Optimismus geworden. Mochte auch der Leib des Kaisers dahingegangen sein, sein Werk würde ewig leben.

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ie Trauernde

Die aufwendige Umgestaltung der Hofburg in einen Erinnerungsraum des Hauses Habsburg-Lothringen war das Eine, das hier vorgestellte Konzept mit Leben zu erfüllen, war etwas Anderes. Der Mythos des von Gott gesandten Gatten bedurfte der permanenten Erinnerung.

288   •   Die Witwe

Ein Grundpfeiler der Erinnerungspflege war ein von Maria Theresia in Innsbruck gegründetes vornehmes Damenstift. Ein anderer lag in der Konsequenz, mit der sie ihre Rolle als Witwe auszufüllen verstand. Maria Theresia sah ihre Bestimmung nun nicht zuletzt darin, das Gedächtnis an ihren Mann wachzuhalten und bei Gott für seine Seele Fürbitte zu halten. So viele Tage, wie sie mit ihm verheiratet war, steht in einem privaten Vermerk der Kaiserin, so viele Ave Maria werde sie beten und so viele Almosen geben. Wer die schwarz gekleidete Kaiserin sah, sah zugleich ihren Verlust. Dass der Tod des Gatten sie auch persönlich tief getroffen hat, daran kann kaum Zweifel bestehen. Sie sei, wie sie ihrer liebsten, besten und ältesten Freundin Gräfin Edling in einem Brief vom 21. Februar 1766 erklärt, untröstlich.9 Ihr Herz hatte seit dreiundzwanzig Jahren nur ihrem Gatten gehört, er war der Trost in ihrem harten Lebenslaufe gewesen. Nun war sie allein. Gott hatte sie mit einem schweren Schicksal geschlagen, nun musste sie auf dessen Gnade hoffen. Diese Hoffnung war das einzige, was ihr geblieben war. Ansonsten war sie ohne Hilfe – nicht nur ihr Mann fehlte, auch die Grafen Haugwitz und Daun hatten das Zeitliche gesegnet. Man findet jetzt wenig mehr solch gute Christen und wahre Deutsche, wie diese waren. Ihre Kinder waren ihr kein Trost. Einst ihr Vergnügen, bildeten sie nun eine nicht enden wollende Quelle von Kummer und Sorgen. Die Kaiserin war dieses Lebens müde. Am liebsten würde sie sich, so schrieb sie, in die Stille zurückziehen: Bete für mich, liebste Salerl, dass Gott mich erleuchte und stärke, so lang ich noch in dieser Welt herumkugeln soll. Die Rolle, in die Maria Theresia nun schlüpfte, jene der einsamen Witwe, die sich von der Welt zurückzieht und nur noch aus Pflichtgefühl ihren Dienst am Reich tut, entsprang gewiss auch politischem Kalkül: Der Tod des Gatten hatte nicht nur ihr Seelen­leben, sondern auch das Machtgefüge des Reiches erschüttert. Es galt, klar und entschieden allen Versuchen entgegenzutreten, ihr die Zügel der Macht zu entreißen. Niemand durfte daran zweifeln, dass sie ihre Amtsgeschäfte nach wie vor erledigte. Tatsächlich nahm das Arbeitspensum der Kaiserin nach 1765 eher zu. Der englische Reisende Nathaniel Wraxall, der Wien um 1777 besuchte, wusste von einem von Pflicht, Frömmigkeit und Selbstkasteiung geprägten Tages­ ablauf zu berichten.10 Die Kaiserin stehe weiterhin um fünf Uhr früh auf, bete, gehe dann zur Messe, nehme als Frühstück einen Milchkaffee zu sich und beginne sofort mit der Arbeit. Die einzige Entspannung, die sie sich zugestehe, sei ein Spaziergang durch den Garten, der ihr jedoch immer schwerer

Die Trauernde   •   289

falle. Auch bei dieser Gelegenheit trage sie immer eine kleine Schachtel mit Staatspapieren bei sich, die sie an ihrer Hüfte befestigt habe. Der Arbeitstag dauere bis sechs Uhr, und es gebe Tage, in denen selbst die Töchter, die mit ihr im Palast lebten, sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu Gesicht bekämen. Nach vollendetem Tagewerk widmete sie sich nicht etwa dem Müßiggang oder höfischen Festen, so Wraxall, sondern ihrem Seelenheil: Die Kaiserin ging zur Messe und achtete argwöhnisch darauf, dass ihre Kinder und die Hofgesellschaft dies auch taten. Das Bild, das Wraxall seinen englischen Lesern präsentierte, entsprach jenem, das ihm auf Wiens Straßen vermittelt worden war. Es deckt sich in Teilen durchaus mit dem, was intime Kenner des Hofes berichteten. Auch Leopold II., der sich 1778/79 über einen längeren Zeitraum in Wien aufhielt, berichtet vom unermüdlichen Tätigsein seiner Mutter. Doch schwerhörig sei sie geworden, vergesslich, fettleibig und schlecht gelaunt. Auch habe sie ihre Audienzen auf den Sonntag beschränkt. Noch immer sei die Familie wichtig für die Frühaufsteherin, die sich zwischen acht und neun Uhr mit jenen Kindern treffe, die sich in Schönbrunn aufhielten. Ungeachtet ihres beständigen Wirkens am Schreibtisch delegiere sie immer mehr Kompetenzen an ihre Minister und verlasse das Schloss nur noch, um bei den Kapuzinern zu beten. Der Hof war seit dem Tod Franz Stephans freudloser geworden – durch Maria Theresias Rückzug, aber auch wegen der sehr zurückhaltenden Repräsentationskultur Josephs II. In einem Schreiben an ihren jüngsten Sohn, Erzherzog Maximilian Franz, vom April 1774 überspitzt sie diese Entwicklung, indem sie sagt, dass es seit dem Tod Franz Stephans keinen Fürsten und keinen Hof mehr gebe. In Wirklichkeit wurden die Festivitäten keineswegs vollständig eingestellt: Galatage, Theater, Karneval, Schlittenfahrten – dergleichen fand weiterhin statt. Solange die Kaiserin noch nicht in den von Leopold II. geschilderten Zustand des Verfalls geraten war, beteiligte sie sich durchaus an diesen Aktivitäten. Als Musikliebhaberin genoss sie Giuseppe Scarlattis Opern in Schönbrunn oder ein Konzert Joseph Haydns im Salon eines Esterházy-Schlosses. Das entsprach ihren Neigungen und war auch aus Gründen der sozialen Kontrolle von Adel und Bürgertum dringend notwendig. Als Witwe konnte sie ihre gesellschaftliche Präsenz jedoch auf ein Minimum beschränken und tat dies auch. Die dadurch frei werdende Zeit widmete sie zu einem beträchtlichen Teil geistlichen Übungen. Maria Theresia wurde in diesem Punkte unduldsamer: Der Gedanke, ihr Mann sei ohne Beistand eines Priesters gestorben, verfolgte sie. Mit ihrem Sohn lieferte sie

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sich regelrechte Kleinkriege darüber, wie lange Gottesdienste dauern sollten. Versuche Josephs, die Andachtszeit zu verkürzen, wurden von ihr nach Kräften unterbunden. Auch hinsichtlich der Sittenkontrolle am Hof zeigte die Monarchin nunmehr eine harte Hand. Das galt nicht nur für den Kirchgang, auch die äußere Erscheinung ihrer Hofdamen beobachtete sie aufmerksam. Schon vor dem Tod ihres Mannes hatte die Kaiserin Frauen, die sich stark schminkten, verabscheut.11 Zwischen 1765 und 1770 untersagte sie das Auftragen von Rouge am Hof vollständig – jedem Verdacht eines Verstoßes wurde nachgegangen.12 Bedienstete einer Witwe hatten sich deren Habitus anzupassen, eine Haltung, die auf die Stadt auszustrahlen schien. Dort herrschte Wraxall zufolge eine regelrechte Frömmigkeitshysterie – mangelnder Respekt vor der Hostie wurde nicht geduldet, und die Damenwelt glänzte durch theologische Kenntnisse. Wirklich tugendhaft ging es in Wien jedoch nur im öffentlichen Raum zu.13 Hinter der frommen Fassade war die Großstadt der Galanterie so verfallen wie alle europäischen Metropolen. Die fromme Monarchin achtete allerdings darauf, dass offene Normverstöße unangenehme Folgen hatten – auch dann, wenn sie von Vertretern des Hochadels begangen wurden. Dass Maria Ernestine Gräfin Esterházy-Starhemberg ihren Mann mit Ferdinand Ludwig Graf Schulenburg-Oeynhausen betrog, war kaum der Aufmerksamkeit wert. Selbst ihr Mann reagierte auf die Affäre entspannt. Als sie jedoch 1774 schwanger wurde und mit Schulenburg fliehen wollte, zeigte sich die Kaiserin unnachgiebig.14 Unter den erstaunten Augen der europäischen Öffentlichkeit wurde die Strafverfolgung eingeleitet: Schulenburg wurde inhaftiert, zum Tode verurteilt und schließlich nur auf Bitten des betrogenen Ehemanns freigelassen. Die sittenstrenge Witwe provozierte selbst bei Protestanten kopfschüttelnde Bewunderung. Sie verlor nach dem Tod ihres Mannes keineswegs an Autorität, im Gegenteil: Die leidgeprüfte, durchsetzungsstarke und tugendsame Frau entrückte in einen Status des Unantastbaren.

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ie Geschundene

Nicht nur das Verhalten Maria Theresias hatte sich seit dem Tod ihres Mannes gewandelt, auch ihre ganze Erscheinung war eine andere geworden. Noch in Innsbruck hatte sie, die ihre Kammerzofe mit ihren Frisurwünschen an den Rand der Verzweifelung getrieben hatte, sich das Haar

Die Geschundene   •   291

abgeschnitten. Jede Form der Gesichtskosmetik unterblieb. Sie legte allen bunten Putz und alles Geschmeide ab. Ihre Garderobe, so Karoline Pichler, habe sie unter ihren Bediensteten verteilt. Aus der strahlenden, stolzen Mutter war eine blasse Gestalt geworden, die den Tod ihres Mannes Jahr für Jahr neu zu durchleben schien. An jedem 18. August, dem Todestag ihres Mannes, besuchte sie dessen sterbliche Übereste in der Kapuzinergruft, schloss sich danach in ihr Zimmer ein, beichtete, fastete und brachte den ganzen Tag in schmerzlichen Erinnerungen und frommen Gebeten zu. Es war, als würde das Sterben des Kaisers kein Ende nehmen. Die sich so kasteiende Monarchin schien sich auch selbst dem Tod anzunähern. Ihr überstrapazierter, erschöpfter Körper begann, den Dienst zu versagen.15 Den nun einsetzenden Verfall offenbarte sie außer ihrem Leibarzt van Swieten zunächst nur wenigen, so etwa ihrer Freundin Rosalie von Edling, der sie in einem Brief vom 7. August 1769 ihre Krankheitsgeschichte erläuterte.16 Äußerlich, so heißt es darin, wirke sie zwar immer noch robust, wer sie jedoch wirklich kenne, wisse, dass dies nicht stimmt. Sie sei fett geworden, und zwar mehr noch als ihre verstorbene Mutter. Ihre Gesichtsfarbe sei rötlich und ihre Haut entstellt durch eine gerade überstandene Pockenerkrankung. Die Füße seien geschwollen, und sie erwarte täglich deren Aufbrechen. Was die Augen angehe, so seien diese gar schier hinweg. Brillen oder andere Sehhilfen hätten sich als nutzlos erwiesen. Auch das Atmen falle ihr schwer – im Gehen ebenso wie im Liegen. Dennoch, so ihr resignierter Kommentar, könne sie sich nicht beklagen: Der Mensch muss aufhören. Fünfzig Jahre war ich ganz gesund, es ist billig, dass ich doch auch etwas empfinde; es ist eine Barmherzigkeit Gottes. Gott sende dem Menschen Krankheiten, so hatte sie bereits im August 1765 ihrem Sohn Leopold geschrieben, um des Menschen Tage zu beschließen oder diesen Demut zu lehren. Irgendwann müsse der Mensch eben gehen. Dass sie Krise um Krise zu überstehen vermocht hatte, nahm sie als Begna­ digung des Herrn wahr und als Aufforderung, weiter ihren Dienst zu tun. Ein ganzes Land litt mit diesem voluminösen Körper, der entgegen aller Wahrscheinlichkeit einfach nicht sterben wollte. Und so schleppte sie sich weiter durch Schönbrunn, raumgreifend und schwerfällig. Die Gemächer, die sie einst bewohnt hatte, ließ sie noch einmal umgestalten, wiederum im Sinne des Totengedenkens.17 Ein Teil des prächtigen Ostflügels wurde regelrecht eingefroren, und die Kaiserin selbst bezog den zweiten Stock des Schlosses, dessen Wände sie grau drappieren ließ. Was von ihrem alten Leben übrig geblieben war, wurde entfernt. Das galt auch

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für ihren engsten Umkreis. Zu ihrer Kammerzofe Karoline Pichler hatte sie stets ein enges Verhältnis gepflegt: Sie hatte sie als Waise aufgenommen, durch ihre eigene Aya, »die Füchsin«, erziehen lassen, ihr die Verantwortung für ihre Frisur übertragen und sie schließlich mit der schwierigen Aufgabe betraut, ihr die in vier verschiedenen Sprachen verfasste Dienstkorrespondenz vorzulesen.18 Ungeachtet des Standesunterschieds standen beide sich nahe. Die schwierige Kaiserin hatte Karoline Pichler mit Kleidern beschenkt und ihr zahlreiche Freiheiten gelassen – nun signalisierte sie ihr, dass sie einverstanden wäre, wenn ihr Mündel sich verheiraten wollte. Es wurde ein Abschied in Ehren: Maria Theresia lieh der Braut eine kostbare Perlenkette, ließ sie von der Obersthofmeisterin zum Altar führen, war selbst an Eltern statt bei der Trauung anwesend und förderte den Bräutigam nach Kräften. Gleichwohl war es ein weiterer Abschied von ihrer Vergangenheit.19 Einsamkeit, innere Einkehr, Dunkel, Kälte und grau-schwarzes Tuch umgaben diese Frau, die zwar noch lief, atmete und arbeitete, jedoch mit einem Fuß bereits in der Gruft stand. Was, außer innerer Einkehr, konnte dieser Kaiserin helfen, ihre schwere Last zu tragen? Zum einen war es die Betrachtung der Natur – Maria Theresia liebte nach wie vor den Schlossgarten zu Schönbrunn, bewunderte die Pflanzenwelt und die Menagerie. Das war auch theologisch gesehen ein erlaubtes Vergnügen, denn hier umgab sie sich mit Gottes Schöpfung. Der beständig über zu große Hitze klagenden Kaiserin war es in den Sommermonaten in den oberen Etagen ihres Schlosses zu warm, daher ließ sie das Erdgeschoss zu einem Privatappartement umbauen und mit leuchtenden exotischen Pflanzen- und Tierdarstellungen ausmalen. Doch wie sah es mit dem Kontakt zu Menschen aus? Wer sollte die menschlichen wie politischen Aufgaben wahrnehmen, die einst Franz Stephan auf sich genommen hatte? Wer sollte der Kaiserin als Stütze im Alter dienen? Als geradezu selbstverständliche Antwort auf diese Frage erschien der Verweis auf die reichhaltige Kinderschar: Maria Theresia hatte sie in der Tat noch im August 1765 in die Pflicht genommen. So schrieb sie ihrem Sohn Ferdinand folgende Traueranzeige: Mein lieber Sohn. Man kann das Unglück, dem man sonst erliegen würde, nur ertragen, wann man sich gänzlich in den Willen Gottes ergibt; einen anderen Trost gibt es nicht. Du hast den besten, zärtlichsten Vater verloren, die Untertanen den größten Fürsten und einen guten Vater, und ich habe alles

Die Geschundene   •   293

verloren, einen zärtlichen Gemahl, einen vollkommenen Freund, der allein mein Halt war und dem ich alles verdankte. Ihr meine lieben Kinder, seid das Einzige, was mir von diesem großen Fürsten und zärtlichen Vater noch geblieben ist. Versuche Durch Dein Betragen meine ganze Zärtlichkeit, die nur noch in Dir lebt, zu verdienen. Ich gebe Dir meinen Segen und bin stets Deine gute Mutter.20 Die trauernde Witwe durfte jeden Dienst erwarten: Ihr, die alles für ihre Kinder getan hatte und nur noch aus Pflichtbewusstsein ihren Dienst an der Monarchie leistete, hatten nun die Kinder in selbstverleugnender Treue zu dienen. Die Askese der Mutter hatte einen disziplinierenden Effekt auf die Nachkommenschaft, indem sie jede Kritik, jeden Widerstand als einen Akt der Taktlosigkeit und mangelnden Dankbarkeit erscheinen ließ. Maria Theresia spielte dies mit der ihr eigenen Offenheit aus: Die Liebe der Mutter, ihre Anerkennung wurde hier nur als Gegenleistung versprochen. Die Enttäuschung über die Mangelhaftigkeit insbesondere der Söhne klingt in dieser Äußerung bereits mit. Ihre Bitte um Unterstützung, die Bereitschaft, ihre Kinder aufzuwerten, war verbunden mit dem Vorwurf, dass sie dieser Aufgabe eigentlich nicht gewachsen war.

Maria Theresia Die Matriarchin

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ie Erziehung Josephs II.

Man habe ihm, so schrieb der preußische Gesandte Podewils seinem König am 22. März 1747, glaubhaft davon berichtet, wie Erzherzog Joseph, der kleine, kaum sieben Jahre alte Thronfolger, durch einen Saal geschritten sei, an dessen Wänden die Porträts seiner Ahnen hingen. Schaut, habe er gerufen, dieser Kaiser war mein Großvater und diese Kaiserin dort war meine Großmutter. Er habe sich dann leicht gedreht und auf zwei Gemälde an der gegenüberliegenden Wand gedeutet. In seiner Stimme habe Verachtung gelegen, als er meinte, dass die da nur ein Herzog und eine Herzogin von Lothringen gewesen seien. Der alte Hochmut der Habsburger sei auch in der jungen Generation spürbar.1 Podewils schildert den ältesten Sohn der Kaiserin wie eine Verkörperung antihabsburgischer Stereotype: hochmütig, rechthaberisch, selbstgerecht, dabei schon in jungen Jahren ohne Esprit. Der zarte, durchaus hübsche Knabe verspreche kaum, ein Genie zu werden. Wie so oft bediente Podewils mit dieser Erzählung die Erwartungen seines Dienstherrn, und die waren, wenn es um das Haus Habsburg ging, denkbar gering. Auch die nächste Generation würde in Wien keine Veränderung bringen und das Land nicht mit den Segnungen eines erleuchteten Zeitalters vertraut machen. Der künftige Kaiser, so argwöhnte die preußische Konkurrenz, litt nicht an der Rückständigkeit seines Landes, sondern daran, dass sein Stammbaum durch lothringisches Blut verunreinigt worden war. Was eine Quelle des Stolzes für ihn sein müsste, sei tatsächlich eine Bürde, die ihn ein Leben lang prägen werde. Mit nüchterner, um Ausgewogenheit bemühter Charakterisierung haben die Zeilen des Preußen wenig zu tun. Dennoch waren sie bedeutsam, denn sie spiegelten Vorurteile wider, die von der neuen norddeutschen Großmacht

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genährt und vom protestantischen Deutschland begierig aufgenommen wurden. Die preußische Propaganda entfaltete erhebliche Eigendynamik – Maria Theresia hatte mehrfach mit ihr zu kämpfen. Die Vorwürfe etwa, sie führe ihre Kriege auf brutale Art und Weise, breche das Kriegsrecht und setze als konfessionelle Fanatikerin alles daran, die Deutschen zum katholischen Glauben zurückzuführen, zwangen sie, Zeichen zu setzen. Ihre Offenheit gegenüber aufgeklärten Geistern wie van Swieten hatte auch mit der Notwendigkeit zu tun, ihren Ruf zu verteidigen. Immer wieder nutzte sie dabei ihr weibliches Geschlecht, um die öffentliche Wahrnehmung ihrer Person und ihrer Dynastie in ein freundlicheres Licht zu rücken. Das Bild der leutseligen, für alle offenen Mutter vieler Kinder, deren Hauptsorge die Treue ihre Ehemanns war, hatte schon rein äußerlich wenig mit den preußischen Schreckensbildern zu tun, die Friedrich II. von ihr verbreitete. Ihre Herrschaft jedoch war, wie sie sehr genau wusste, letztlich nur eine kurze Episode in der habsburgischen Geschichte. Ihr Nachfolger würde aller Voraussicht nach männlichen Geschlechts sein und es deshalb schwerer haben, sich das gefährliche Etikett des Despoten nicht anheften zu lassen. Die Kaiserin entwarf dementsprechend ein fein austariertes Erziehungsprogramm, das aus Beobachtung und Korrektur bestand. Am Ende dieses Prozesses sollte ein habsburgischer Thronfolger stehen, der in allem das genaue Gegenteil von dem war, was Podewils bei seiner kurzen Begegnung mit Joseph gesehen zu haben meinte. Die Kaiserin betrachtete ihre Kinder wie Tonklumpen, die sie nach ihren Vorstellungen zu formen gedachte. Bei der Wahl ihrer Mittel zeigte sie wenig Zurückhaltung. Joseph hatte bei Regelverstößen mit der Prügelstrafe zu rechnen. Im Wesentlichen jedoch sollten die Kinder zur Selbstreflexion angeregt werden, was umso leichter sei, als sie im Kern gut seien, wie sie gegenüber den Erziehern immer wieder betonte. Keines ihrer Kinder sei ein hoffnungsloser Fall, ganz im Gegenteil. Sie seien jedoch auch nicht fehlerfrei. Als Quelle der Probleme machte die Kaiserin das Hofleben aus: In eine solch hohe Stellung geboren zu werden wie die Erzherzöge, war nach ihrer Beobachtung mit zahlreichen Problemen verbunden. Joseph, so erklärte sie dessen Ayo in ihren Instruktionen von 1751, sei mit viel Liebe und Zärtlichkeit aufgezogen worden, sein Umfeld habe ihn mit Schmeicheleien verwöhnt.2 Der elfjährige Knabe könne daher Widerspruch nur schwer ertragen. Anderen gegenüber handle er zum Teil rüde und mit wenig Gespür. Äußerst störend sei seine Spottlust, die ihm keine Freunde eintragen werde. Sein Point d’honneur solle darin bestehen, seiner

Die Erziehung Josephs II.   •   297

Eltern Gnade und Liebe durch seinen Fleiß und gute Aufführung zu verdienen, und die übrigen Menschen durch Freundlichkeiten und gütige Antworten in allen erdenklichen Gelegenheiten an sich zu ziehen. Ähnlich formulierte sie die Erziehungsziele für ihre anderen Söhne. Stets galt es, auf die Umwelt einen positiven Eindruck zu machen und durch das eigene Auftreten die anderen für sich einzunehmen. Dabei wurde auch auf scheinbare Kleinigkeiten Wert gelegt: Erzherzog Ferdinand wurde zum Beispiel regelrecht gedrillt, majestätisch zu gehen, sich nicht anzulehnen oder an den Nägeln herumzuspielen. Sein Mienenspiel sollte Aufmerksamkeit signalisieren, seine Interessen sollten die unbedingte Leidenschaft für die Staatsgeschäfte und das Gemeinwohl widerspiegeln. Vor allem aber und unter gar keinen Umständen durfte Joseph die Gefühle seines Gegenübers verletzen. Er musste Gästen und Untertanen gegenüber zugewandt auftreten, durfte sich mit ihnen aber nicht gemein machen – Empathie und Distanz mussten Hand in Hand gehen. Es verstand sich von selbst, dass diese Anforderungen von keinem der Prinzen erfüllt werden konnten. So wuchsen vor allem die Söhne der Kaiserin mit dem beständigen Hinweis auf, ihren Charakter nicht so ausgebildet zu haben, wie ihre Geburt es erheischt. War diese Mutter überhaupt zufriedenzustellen? Diese Frage musste sich ihren Söhnen regelrecht aufdrängen, zumal der Erziehungsprozess nicht mit der Volljährigkeit, nicht mit der Eheschließung, ja nicht einmal mit der Thronbesteigung endete. Die einmal bei den Knaben beobachteten Defizite wurden ihnen ihr Leben lang vorgehalten. Wann immer Meinungsverschiedenheiten zwischen Mutter und Sohn entstanden – ob persönlicher oder politischer Natur –, begann die Kaiserin, diesem Charakterfehler und mangelnde Elternliebe zu attestieren. Die Mutterrolle diente nach 1765 längst der Stabilisierung der Machtposition Maria Theresias gegenüber ihren Kindern. Selbst so selbstbewusste Perönlichkeiten wie Leopold II., seit 1765 Großherzog der Toskana, konnte ein solches Verhalten verunsichern, sodass er bei seinem Bruder nachfragte, ob er denn in der Gunst der Kaiserin stünde. Joseph antwortete ihm am 31. August 1775 denkbar trocken: Was des Bruders Gesundheit und seine reichhaltige Kinderschar angehe, so sei die Kaiserin zweifellos mit ihm zufrieden, sofern ihr Misstrauen und ihre Launenhaftigkeit, kennzeichnend für ihre Art zu lieben, dies erlaubten.

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er Thronfolger

Joseph habe, so bemerkte Graf Ligne in seinen Memoiren, in seiner Ausbildung viel gelernt, aber kaum etwas, was ihm später von Nutzen war.3 Tatsächlich war der Thronfolger umfassend in Theologie, Sprachen und Geschichte geschult worden. Er hatte sämtliche Klassiker des Altertums gelesen und diskutiert. Im Sinne von Ligne von einer rein schöngeistigen Bildung zu sprechen, wäre allerdings verfehlt. So erhielt er auch eine solide militärische Ausbildung. Zudem hatte sich zu der illustren Gruppe von Lehrern des Erzherzogs auch ein alter Vertrauter der Kaiserin gesellt: Graf Bartenstein, ein Mann, der mit dem Innenleben der Monarchie bestens vertraut war. Im Frühling 1763 verfasste der Thronfolger eine Denkschrift, in der er Möglichkeiten einer grundlegenden Reform darlegt – ein wahrhaft revolutionäres Konzept.4 Zunächst forderte er einen deutlichen Machtzuwachs für die Krone, die als einzige Instanz im Staat für das Gemeinwohl eintrat. Nur mittels uneingeschränkter Befugnisse könnte er das tun, was nötig war. Als Grundübel des Staates sah er die gesellschaftliche Ungleichheit an. Es gebe zu viele Menschen, die von der Arbeit anderer lebten und aufgrund ihrer Geburt zudem meinten, ein Anrecht auf die höchsten Ämter im Staat zu haben. Damit sollte Schluss sein. Die Steuern müssten so weit erhöht werden, dass die Vermögenden gezwungen seien zu arbeiten. Personen von Stand sollten künftig durch Leistung beweisen, dass sie ihre privilegierte Position verdient haben. Des Erzherzogs harte Worte gegen faule und inkompetente Adlige mochten bei der Kaiserin durchaus Anklang finden, doch war es nach ihrem Dafürhalten an der Zeit, den Träumenden in die Wirklichkeit zu geleiten. Joseph wurde künftig zu den Sitzungen des sich gerade konstituierenden Staatsrates geladen. Während Friedrich II. seinen Neffen und Kronprinzen Friedrich Wilhelm wie einen Gefangenen unter ständiger Bewachung hielt und ihm jeden Zugang zu sensiblen Informationen vorenthielt, wurde Joseph über die Staatsgeschäfte in vollem Umfang informiert. Noch war sein Einfluss gering. Selbst der Titel eines römischen Königs, den er seit 1764 trug, vermehrte seine Gestaltungsmöglichkeiten nicht.5 Die Fraktionen am Wiener Hof und im Römischen Reich kannte er allerdings bald ebenso genau wie die Tücken des komplexen Behördenapparates. Der junge Habsburger zählte zu den am besten ausgebildeten Monarchen seiner Zeit. Als sein Vater 1765 völlig überraschend starb und er damit automatisch vom römischen König zum römi-

Der Thronfolger   •   299

schen Kaiser aufrückte, lag es in der Logik seiner bisherigen Position, dass die Mutter ihm nun auch den Titel eines Mitregenten verlieh. An Sachkenntnis mangelte es ihm nicht. Wie aber sah es mit der Persönlichkeit des Kaisers aus, auf dessen Ausbildung Maria Theresia so großen Wert gelegt hatte? Ein Menschenfischer war nicht aus ihm geworden. Joseph besaß, auch nach eigener Einschätzung, einen spröden Charakter. Auch Menschenkenntnis gehörte wohl nicht zu seinen Stärken. Er selbst zweifelte seine Liebesfähigkeit an. Dass jedoch zu seiner ersten, bereits 1763 verstorbenen Frau eine sehr enge Bindung bestand, darauf gibt es im privaten Briefverkehr des Kaisers deutliche Hinweise. Isabella von Bourbon-Parma (1741–1763), strahlend schön, selbstbewusst, gebildet und zugleich leicht distanziert, hatte den in Liebesdingen ungelenken Prinzen gereizt. Dabei war ihm entgangen, was doch offensichtlich war – Isabella interessierte sich nicht für ihren Gatten. Ihre Liebe galt ihrer Schwägerin Maria Christina (1742–1798), mit der sie unzertrennlich war und mit der sie ohne Wissen, aber unter den Augen ihres Gatten eine leidenschaftliche Affäre hatte.6 Auch Josephs zweite Vertrauensperson, sein Bruder Leopold, mit dem er laufend korrespondierte und intimste Gedanken austauschte, erwiderte das Gefühl der Zuneigung, das ihm Joseph entgegenbrachte, nicht. Aus privaten Aufzeichnungen wissen wir, wie sehr er den älteren Bruder verachtete als einen Mann, der keine wirklichen Freundschaften schließen konnte, jeden vor den Kopf stieß, brutal war und seine sexuelle Befriedigung bei Prostituierten suchte. Am Wiener Hof blieb er so isoliert. Die zweite Frau, die seine Mutter für ihn ausgesucht hatte, langweilte ihn, und seine Geschwister betrachtete er mit Misstrauen, wohl wissend, dass in Schönbrunn jeder jeden beobachtete und die Kaiserin Informanten in der Nähe jedes ihrer Kinder hatte. Dabei konnte Joseph im persönlichen Verkehr durchaus anziehende Züge offenbaren, wie Graf Ligne berichtet. Er bemühte sich aufrichtig um die Zuneigung seiner Zeitgenossen, war von ausgesuchter Höflichkeit und dabei nie herablassend. Unsinniges Gerede konnte er mit ungerührter Miene ertragen und im Gespräch als witziger Gesprächspartner und Erzähler auftreten. Joseph sei weder arrogant noch faul, er habe ihn vielmehr als unermüdlichen Arbeiter kennengelernt, der seiner Mutter an Fleiß in nichts nachstehe und seine Gesundheit auf ausgedehnten Reisen durch das Reich nicht schone. Er sei jedoch auch rastlos und autoritär.

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er Kaiser und seine Mutter

Lange, so schrieb Maria Theresia ihrem Sohn am 14. September 1766, werde sie nicht mehr leben. Ihre Hoffnung sei es stets gewesen, nach dem Tod im Herzen ihres Sohnes weiterleben zu können. Sie habe gehofft, dass weder der Staat noch die Familie durch ihren Heimgang einen wirklichen Verlust erleiden würden, dass sie vielmehr dadurch, dass ihr Sohn an ihre Stelle treten werde, sie in einer besseren Hand lägen. Wenn sie jedoch betrachte, was er in den letzten Wochen angerichtet habe, so sehe sie sich in ihren Hoffnungen und Wünschen getäuscht: Sie habe ihn mit engsten Vertrauten und Mitarbeitern ohne Freundschaft und Zärtlichkeit reden hören. Der Ton, den er anschlage, sei ihr nur zu bekannt. Es sei der Ton seines Helden Friedrich von Preußen. Sei dieser Mann, dieser Eroberer, der nicht einen einzigen Freund besitze, wirklich der Nachahmung wert? Was sei von einem König zu halten, dem jedermann misstrauen müsse? Was sei das für ein Leben, aus dem jegliche Menschlichkeit verbannt sei? Die Hauptgrundlage unserer Religion ist die Nächstenliebe, sie ist nicht nur ein Rat, sondern eine Vorschrift; glauben Sie etwa sie auszuüben, wenn sie die Menschen durch Ironie betrüben und verwirren, selbst solche, die große Dienste geleistet haben?7

Dass viele der verdienten Berater des Hofes alles andere als fehlerfrei seien, brauche ihn weder zu stören, noch habe es den Staat jemals gestört. Wenn diese erfahrenen Räte nun auf ihn zukämen und in einer schwierigen Situa­ tion einen Kompromiss zwischen seiner Haltung und der ihren suchten, dann sei es nicht sehr klug, sie mit ironischen Bemerkungen zu brüskieren und mit ihren Schwächen zu konfrontieren. Von diesen Männern werde wohl kaum einer wiederkommen und noch einmal versuchen, Brücken zu bauen. Es könne ja sein, dass er, Joseph, über zahlreiche Talente verfüge – über Erfahrung jedenfalls nicht. Niemand sei in der Lage, die oft komplexen Probleme, vor denen ein Monarch stehe, allein zu entscheiden. Dazu bedürfe es tiefer Einsichten in Vergangenes und Gegenwärtiges und vertrauenswürdiger Berater, die ihn an ihrem Wissen teilhaben ließen. Warum habe er es nicht bei einem einfachen Nein bewenden lassen, das immer noch nicht besonders geschickt gewesen wäre, aber nicht so desaströse Folgen gehabt hätte wie seine selbstverliebten rhetorischen Ergüsse. Sein Herz sei nicht schlecht, werde es aber bald werden.

Der Kaiser und seine Mutter   •   301

Es ist höchste Zeit, dass Sie aufhören, Geschmack zu finden an all diesen Witzworten, diesen geistreichen Wendungen, die nur den Zweck haben, andere zu betrüben und lächerlich zu machen, alle ehrlichen Menschen fern zu halten und den Glauben zu erwecken, dass das ganze Menschengeschlecht nicht verdient, geachtet und geliebt zu werden, da man ja durch sein eigenes Betragen alles Gute entfernt hat und das Tor nur den Betrügern vorbehalten und geöffnet hat, den Nachahmern und Schmeichlern Ihrer Talente.8 Sie hoffe, er werde ihr diese lange Predigt verzeihen, die nur ihrem zärtlichen Gefühl für ihn wie für ihre Länder entspringe. Zum Abschluss wolle sie ihren Standpunkt in seinem Stil verdeutlichen: Im Grunde sei er eine »Kokette des Geistes« (coquette d’esprit), stets auf der Suche nach neuen Scherzworten oder Redewendungen. Dabei sei der Ursprung völlig gleichgültig, es konnte ein Buch oder eine Person sein. Er denke auch nicht darüber nach, welchen Nutzen ihm solche Wendungen einbrächten, er wolle sie nur besitzen und möglichst rasch anwenden, ohne sich darüber im Klaren zu sein, ob das Spottwort am Platze sei. Er sei in dieser Hinsicht ein wenig wie seine Schwester Elisabeth, die sich nur um ihre Schönheit kümmere und der es letztlich egal sei, ob ein Fürst oder ein Schweizer Gardist ihr Bewunderung zolle. Das waren harte Worte. Was hatte den Zorn der Kaiserin derart gereizt? Der Anlass des Streits ist rasch benannt und wird im Brief ausführlich diskutiert: Es handelt sich um den Fall San Remo und damit um einen Konflikt zwischen den Interessen Österreichs und denen des Reichs.9 Joseph II. hatte sich seit dem Tod seines Vater bemüht, neue Akzente in der Reichspolitik zu setzen. Nach seinem Dafürhalten wurde die Stabilität einer Herrschaft – auch die eines Kaisers – nicht durch Titel, Feste und Pomp gesichert, sondern durch die Interessen der ihr Unterworfenen. War ein Kaisertitel überhaupt von irgendeinem Nutzen? Joseph hatte diese ketzerische Frage seinen Räten bereits im November 1767 gestellt. Die Antwort fiel verhalten, aber deutlich aus: Ja, das war sie, denn die Krone gab dem Inhaber nicht nur Prestige, sondern auch Einfluss im Reich. Wenn die Krone weiterhin mehr sein sollte als ein schöner Ehrentitel, musste aber das, was sie symbolisierte, zum Nutzen Habsburgs wie des Reiches mit Inhalt gefüllt werden. Für Joseph bedeutete dies, dass seine Untertanen den Nutzen dieses Amtes vermehrt spüren mussten. Am offenkundigsten waren seine Einflussmöglichkeiten bei den beiden Reichsgerichten: dem Reichshofrat, der Joseph

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nun unmittelbar unterstand, und dem Reichskammergericht, über das er eine Art Dienstaufsicht ausübte. Joseph  II. reduzierte in der Tat den zeremoniellen Aufwand, der mit dem Kaiseramt verbunden war, und konzentrierte sich auf eine Reform der Reichsgerichte, gewillt, diese Kompetenzen zu nutzen. Die Verfahrensgänge sollten erleichtert, das Personal sollte aufgestockt und die Korruption eingedämmt werden. Es galt, die Macht der Reichsjustiz zu stärken und ihre Effizienz zu demonstrieren. Der Fall San Remo, der zum Zeitpunkt seines Regierungsantritts schon seit rund zehn Jahren in Wien anhängig war, schien sich dazu in mehrfacher Weise zu eignen.10 Die kleine Stadt an der ligurischen Küste befand sich seit Beginn des 18. Jahrhunderts in einem juristischen Dauerkonflikt mit Genua. Während die mächtige Stadtrepublik San Remo als Teil des eigenen Territoriums betrachtete, verwiesen deren Einwohner auf ihren angeblichen Status als Reichsstadt. 1753 eskalierte der Streit: San Remo, das den König von Sardinien um Hilfe gebeten hatte, wurde von den Genuesen mit militärischer Gewalt gefügig gemacht. Die Stadt wurde bombardiert, ihre Befestigung zerstört und die Bevölkerung mit hohen Kriegskontributionen belegt. Mehr als 2000 Bürger emigrierten und legten vor dem Reichshofrat Beschwerde gegen die Genuesen ein.11 Die ganze Angelegenheit war ein Skandal und hatte hohe Wellen geschlagen. Als der Fall 1756 allerdings in Wien verhandelt wurde, hatten sich die politischen Rahmenbedingungen merklich zu Ungunsten San Remos entwickelt. Das Haus Habsburg hatte sich Frankreich angenähert, das seine schützende Hand über Genua hielt. So verschleppte der Reichshofrat das Verfahren, bis es der neue Kaiser Joseph II. einer erneuten Überprüfung für Wert erachtete.12 Es ging immerhin um die Autorität des Reiches und den Schutz seiner Interessen in Norditalien. Das mochte aus Sicht eines Reichspolitikers einleuchtend sein, für Staatskanzler Kaunitz war es das nicht. Eine Attacke auf Genua würde das Bündnis mit Frankreich gefährden, und genau daran hatte Wien, wie er deutlich machte, kein Interesse. Überhaupt war das Letzte, was der Staatskanzler brauchte, ein junger, selbstgewisser Kaiser, der vergessene Konflikte wieder anheizte und seine Außenpolitik durchkreuzte. Das Verhältnis zwischen dem Kaiser und dem Staatskanzler war ohnehin nicht das beste. Eine erste Rücktrittsdrohung von Kaunitz im Juni 1766 hatte bereits auf Spannungen hingedeutet. Die neue Machtbalance am Wiener Hof war offenbar höchst fragil.

Der Kaiser pflügt   •   303

Kaunitz fürchtete um seinen Einfluss und erwartete von seiner Kaiserin, dass diese ihren Sohn zur Raison brachte. Die Art, in der sie dies in dem besagten Mahnbrief tat, war bezeichnend: Sie ließ sich auf keine sachliche Debatte ein. Juristisch gesehen mochte der Kaiser recht haben, auch lag die San Remo-Frage zweifellos in seinem Kompetenzbereich, doch war das letztlich irrelevant. Entscheidend war, dass er im Alleingang versucht hatte, eine politische Richtungsänderung durchzusetzen – mit potentiell desaströsen Folgen. Aber nicht als Kaiserin argumentierte sie, sondern als Mutter: Sie hielt ihm, wie sie treffend meinte, eine Predigt, machte ihn einmal mehr auf seine charakterlichen Defizite aufmerksam und ließ ihn spüren, dass er nichts gegen sie unternehmen konnte, denn sie hielt nach wie vor die Macht in den Händen. Die Kaiserin untersagte weitere Aktivitäten, und der Kaiser musste ihr folgen.13

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er Kaiser pflügt

Die Kutsche des Kaisers näherte sich der Gegend um Brünn. Sanfte Hügel, Wälder und Äcker boten sich dem Auge Josephs dar. In einem kleinen Dorf namens Slavíkovice geschah es schließlich: Die Achse brach, und die Reise musste unterbrochen werden. Obwohl er die Fahrt unter seinem üblichen Incognito Graf Falkenstein angetreten hatte, führte er eine stolze kleine Reisegesellschaft mit sich. Man hatte nun reichlich Zeit für einen kleinen Spaziergang. Vielleicht drehten sich die Gespräche um die jüngste große Reise des Kaisers nach Rom, die er im Frühjahr unternommen hatte. Joseph hatte in der ewigen Stadt seinen Bruder getroffen und das streng abgeschirmte Konklave besucht. Selbst das Tragen des Degens hatten die Kardinäle ihm nicht versagt. Möglicherweise sprach die Reisegesellschaft aber auch über das nächste Ziel: Der Kaiser war auf dem Weg nach Neiße, um dort mit Friedrich II. zusammenzutreffen – eine wohlinszenierte Geste.14 Man schrieb den 19. August 1769. Noch war die Sonne nicht hinter dem Horizont verschwunden, die Bauern waren noch auf ihren Äckern tätig. Joseph II. sah aufmerksam zu. Direkt vor ihm stand ein junger Mann, Jan Kartoš, mit seinem Gespann und einem äußerst einfachen Pflug. Der Mo­ narch schritt auf ihn zu, nahm ihm die Gerätschaft aus der Hand und begann zu arbeiten. Zwei Furchen pflügte Joseph, bevor er den verblüfften Knecht seinem Schicksal überließ. Wie vieles auf den ausgedehnten Ausflügen des

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jungen Habsburgers war auch dies alles andere als eine spontane Episode. Der Kaiser wollte ein Zeichen setzen, und selbstverständlich war ihm das rituelle Furchenziehen der chinesischen Kaiser bekannt. Hier legte ein Monarch ein Bekenntnis ab zur überwältigenden wirtschaftlichen Bedeutung, die er ganz im Sinne der physiokratischen Wirtschaftslehre dem Ackerbau zumaß. Zugleich war dieser Akt körperlicher Arbeit eine Demonstration des eigenen Herrschaftsverständnisses: Joseph zeigte sich als ein jedem Zeremoniell abholder, zupackender und volksnaher Monarch. Die Resonanz war überwältigend – auch, weil seine Mutter unmittelbar nach seiner Heimkehr die Kommentare zu Josephs Ausflug in die Welt der Bauern vernahm. Joseph hatte offenbar etwas richtig gemacht, und Maria Theresia sorgte dafür, dass es nicht vergessen wurde. Schon im November 1769 teilte Hofkanzler Heinrich Cajetan Graf Blümegen (1715–1788) dem Präsidenten der mährischen Regierung, Graf Schrattenbach, mit, dass die Kaiserin den genauen Ort der Begebenheit zu wissen wünsche. Sollte man ihn eruieren können, sei dort ein einfacher Gedenkstein zu errichten.15 Dies war einer der wenigen positiven Kommentare, mit denen Maria Theresia das Wirken ihres Sohnes bedachte. Im Allgemeinen hielt sie wenig von der atemlosen Jagd nach Neuigkeiten und freundlicher Aufnahme, die ihren Sohn durch halb Europa trieb und ihn einen Großteil seiner Regentschaft außerhalb Wiens verbringen ließ. Die Reisetätigkeit des Kaisers hatte dessen Profil gleichwohl deutlich geschärft. Er zeigte sich als ein Monarch, der die Probleme seines Landes nicht aus der Distanz, sondern vor Ort wahrnahm. Das Lob seiner Mutter blieb ungeachtet aller Würdigungen eher verhalten. Mit Unruhe nahm sie wahr, dass der Sohn seine Gesundheit gefährdete, sich ihrer Kontrolle entzog und einen eigenen Herrschaftsstil zu entwickeln begann. Ein weiteres Mal würde sie ihn nicht so leicht in die Schranken weisen können wie im Jahr 1766.

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er Charme einer Mutter

Die Spannungen zwischen Mutter und Sohn traten ab 1771 in eine neue Phase. Joseph war im Oktober des Jahres ein weiteres Mal nach Böhmen gereist. Das Königreich, das unter den Kriegen der Kaiserin stark gelitten hatte, war in keinem guten Zustand: Die Ernten waren das zweite Jahr in Folge katastrophal ausgefallen, und die Verwaltung tat viel zu wenig, um

Der Charme einer Mutter   •   305

Abhilfe zu schaffen. Schon seit dem Frühjahr hatte Joseph die Verantwort­ lichen in Wien und in Prag zum Handeln gedrängt. Neben Exportbeschränkungen von Getreide hatte er den Verkauf der Militärvorräte durchgesetzt und regte den Kauf eines Teils der böhmischen Ernte durch die Krone an. Die an diese Notfallmaßnahmen anschließende Reise diente zum einen der Erhebung gesicherter Daten und zum anderen der Demonstration, dass das Reich dringend reformbedürftig war. Tatsächlich las sich der Bericht, den er seiner Mutter nach Abschluss des Unternehmens vorlegte, wie eine einzige Abrechnung mit ihr. Joseph verlangte Veränderungen. An die Spitze der zuständigen Regierungsorgane sollten neue Köpfe, denn nur solche konnten die weitreichenden Reformen etwa in der Bildungspolitik durchsetzen, die ihm vorschwebten. Tatsächlich ging es ihm nicht nur darum, die alten Netzwerke des Staatskanzlers Kaunitz abzulösen und eigene Getreue zu positionieren, ihm schwebten Strukturreformen vor. Dreh- und Angelpunkt des josephinischen Modells waren die Problemerfassung und Problemlösung vor Ort. Die Krone musste viel besser über die Schwierigkeiten in den Territorien Bescheid wissen, und die dortigen Amtsträger mussten besser auf die Bewältigung von Problemen vorbereitet sein. Die von Joseph seit Beginn seiner Koregentschaft angemahnte Reform des Staatsrates wurde mit dergleichen Argumenten wieder ins Spiel gebracht. Der Kaiser forderte dessen Professionalisierung, Verstetigung und Kontrolle. Aus dem Aufsichtsrat der Monarchie, dessen Macht sich aus dem direkten Zugang zum Monarchen speiste, sollte eine Leitungsbehörde werden – und er forderte eine stärkere Position für sich selbst in diesem Gremium.16 Einmal mehr drohte eine Grundsatzdebatte zwischen Mutter und Sohn. Diesmal ging die Kaiserin vorsichtiger mit ihrem Koregenten um. Josephs Reise nach Böhmen war von allen Seiten mit Bewunderung wahrgenommen worden. Maria Theresia hatte das Unternehmen lange zu behindern versucht – ohne Erfolg. Nun galt es, gute Miene zum Spiel des Sohnes zu machen. In einem Schreiben vom November 1771 gratulierte sie ihm zunächst zu der erfolgreichen Mission in Böhmen.17 Sie nehme diese zum Anlass, mit ihm grundsätzliche Fragen zu erörtern, was ihr schwerfalle, da ihr Herz von verschiedenen, geradezu widersprüchlichen Gefühlen erfüllt sei. Sie empfinde ihm gegenüber Liebe und Zuneigung, könne jedoch seinen Regierungsstil nicht in allen Aspekten billigen. Es sei ihr unmöglich, ihre Position sans attandrissement (klar und emotionslos) zu formulieren. Statt einer von Fakten

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untermauerten Gegenposition zu seiner Politik erhielt Joseph einmal mehr eine Einladung zum gemeinsamen Gefühlserleben. Mit dem stand es, wie sie wusste, nicht zum Besten. Die Tochter des Kaisers, der wohl einzige Mensch auf Erden, den er vorbehaltlos liebte, war gestorben. Er hatte an deren Tod dem von Maria Theresia so verehrten Arzt van Swieten zumindest eine Mitschuld gegeben, hatte dieser doch die Pockenimpfung abgelehnt. So war es an der Zeit, Brücken zu bauen. Die Kaiserin tat es, indem sie an die gute alte Zeit erinnerte: Einst habe doch Harmonie zwischen ihnen beiden geherrscht, die noch im ersten gemeinsamen Regierungsjahr 1766 fortbestanden habe, erklärte sie in einem merkwürdigen Fall von Geschichtsvergessenheit. Dann habe man sich entfremdet – warum nur? Sie wollten doch beide nur das Beste für die ihnen anvertrauten Länder, lediglich in der Vorgehensweise gebe es Unterschiede, wobei sicher eine Rolle spiele, dass sie am Ende ihres Lebens stehe und er am Beginn seiner Laufbahn. Es sei ihr ein Anliegen, die unnötigen Spannungen aus dem Wege zu räumen. Sie fordere ihn daher auf, sie offen zu kritisieren – sie sei dankbar für dergleichen Korrekturen. Zudem bitte sie ihn, Regeln zu entwerfen, die das gemeinsame Regieren künftig erleichterten. Die Kaiserin bewies wieder einmal ihr Geschick im Umgang mit Menschen, indem sie ihren Sohn symbolisch als Gleichberechtigten anerkannte. Sie erklärte ihn zum Erwachsenen, gab Fehler zu und erinnerte Joseph zugleich an seine Liebespflichten gegenüber der Mutter. Substanziell hatte sie nur wenig anzubieten: Der Kaiser sollte ein Reformprogramm vorlegen – davon gab es in Wien jedoch viele, und nur wenige wurden umgesetzt. Maria Theresia durfte hoffen, den Sohn für die kommenden Monate mit Arbeit ruhig gestellt und in Wien gebunden zu haben. Danach würde man weitersehen.

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er Machtkampf

Rund eineinhalb Jahre lang ging diese Taktik auf. Immerhin hatte sie ihrem Sohn die Hoffnung gemacht, eines seiner seit Jahren verfolgten Hauptanliegen tatsächlich durchzusetzen – die Reform des Staatsrates und mit ihm der gesamten Staatsverwaltung. Er hatte bis dahin schon verschiedene Anläufe unternommen. In einer Denkschrift vom 2. Januar 1766 hatte er der Kaiserin ein ganzes Reformpaket vorgelegt – es war zu den Akten gelegt worden.18 1769 hatte er Veränderungen erzwingen wollen, indem er sich wei-

Der Machtkampf   •   307

gerte, die Vorlagen des Staatsrates zu unterzeichnen. Auch dieser Protest war von seiner Mutter geschickt unterbunden worden. Nun schien sie auf seiner Seite zu stehen, und er legte erneut Pläne vor. Der ungeduldige Monarch stieß jedoch auf Widerspruch: Die Staatsräte diskutierten und kritisierten sein Modell. Seine Mutter blieb im Hintergrund. Im Frühjahr 1773 schließlich war offensichtlich, dass alles so bleiben würde wie bisher. Joseph tat in dieser Situation das, was schon bei der letzten Krise seine Position deutlich verbessert hatte – er reiste. Diesmal ging es nach Siebenbürgen und nach Polen. Maria Theresia reagierte unwillig. Ich kann, so schrieb sie ihm am 20. Juni 1773, diese furchtbare Reise so wenig wie die andern, die Sie so sehr ermüden, mit Ihren Augen ansehen; Sie füllen damit Ihre schönen Tage aus, berauben mich der paar Augenblicke, die mir übrig blieben, und erfüllen sie mit Bitternis.19 Sie habe seinen Entschluss nicht ändern können, aber es gelinge ihr auch nicht, ihn mit seinen Augen zu sehen. Statt die Erträge der letzten Reisen aufzuarbeiten und die Reformen etwa in Böhmen voranzutreiben, sei der Kaiser in die Karpaten gefahren und wolle nun weiter nach Galizien. In dergleichen Landstrichen finde er keine Personen, die ihm solide Auskünfte über die dortige Situation geben könnten. Alles sei dort zu sehr im Fluss. Zu wenige Verwaltungsstrukturen waren eingerichtet worden. So scharfsinnig Joseph auch sein möge, sei er doch nicht in der Lage, in zwei oder drei Monaten die dortigen Zustände zu durchschauen. Großer Ertrag sei daher von dieser Reise nicht zu erwarten. Es sei bereits Schaden entstanden dadurch, dass der Kaiser Wien in einer höchst angespannten Situation verlassen habe. Man habe Entscheidungen ohne seine Zustimmung und seinen Rat fällen müssen, wo er doch wisse, wie wichtig seiner Mutter beides sei. Sein Platz sei in Wien. Er werfe ihr vor, mit dergleichen Urteilen zu sehr auf das Gerede der Leute zu achten – doch habe sie nicht in den Jahren, in denen sie die Krone trägt, das Gegenteil bewiesen? Sie sei allerdings der Meinung, dass er zu wenig auf die Meinung anderer achte, was kein Wunder sei, da kaum ein Berater ihm zu widersprechen wage. Zu groß sei deren Furcht vor seinen endlosen Monologen. Die scharfzüngige Mutter traf ihren Sohn damit an einer schwachen Stelle, litten seine Besuche in den Provinzen doch unverkennbar an seinem schulmeisterlich-machtbewussten Auftreten. Anders als seiner Mutter ging es Joseph bei seinen Gesprächen nicht darum, gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden, sondern seinen Standpunkt zu verdeutlichen. Er predigte und irritierte damit jene, die gehofft hatten, dass Wien ihnen endlich ein offenes Ohr schenken würde.

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Einmal mehr hatte Maria Theresia damit Grundsatzkritik formuliert und sich vom Regierungsstil ihres Sohnes distanziert. Immer klarer stellte sich die Machtfrage und damit auch jene, wie das Reich regiert werden sollte – von einem autoritären Erzieher, der seine Entscheidungen in der Reisekutsche traf, oder von einer vorsichtigen Monarchin, die die Reichseliten in Wien versammelte und mit ihnen Reformkompromisse aushandelte? Der Glaube an die kühle Effizienz der Verwaltung und die Bindungskräfte eines Staates, der für die Interessen seiner Untertanen eintrat, stand gegen die langsame, oft stockende Reformpolitik der Kaiserin, die darauf ausgerichtet war, niemanden zu überfordern und Kritiker mit Charme und finanziellen Zuwendungen an sich zu binden. Es war Zeit für eine Entscheidung. Mutter und Sohn tauschten wechselseitig Rücktrittsangebote und Rücktrittsdrohungen aus. Er frage sich, so erklärte Joseph II. seiner Mutter in einem Brief vom 9. Dezember 1773, wer er eigentlich sei?20 Was bedeute es, Koregent zu sein? Wenn er weiter an ihrer Seite arbeiten solle, dann wolle er mehr Macht. Das war eine Perspektive, die vor allem Fürst Kaunitz schreckte, der von Joseph II. mehrfach brüskiert worden war und Anfang Dezember um seine Demission bat. So lagen die Rücktrittsangebote der drei wichtigsten Entscheidungsträger des Reiches gleichzeitig auf dem Tisch. Es war an Joseph, die Entscheidung zu treffen. Er schreckte vor den Konsequenzen zurück: Würde er nach dem de facto erzwungenen Rücktritt der Mutter und dem des Staatskanzlers noch die notwendige Autorität haben, seine Reformvorstellungen durchzusetzen? Würde der Widerstand ihrer Anhänger die Krone nicht lähmen? Joseph zögerte, und so blieben schließlich alle drei im Amt. Was sich änderte, waren der Geschäftsgang des Staats­ rates und der Geschäftsbereich des Koregenten: Ab 1774 war es schwieriger, Entscheidungen unter Umgehung des Kaisers zu treffen, unmöglich war es jedoch nicht.

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amilienbande

Ihre Laune werde immer schlechter. Von ihrer alten Tapferkeit sei kaum noch etwas geblieben. Ständig klage sie über die gegenwärtigen Zustände, äußere sich enttäuscht über die geringen Erfolge ihrer Reformen und klage vor allem über den Kaiser. Der Wiener Hof, den Großherzog

Familienbande   •   309

Leopold in seiner um 1778 entstandenen, streng geheimen Familienbeschreibung skizzierte, war von bleierner Melancholie und nervenaufreibenden Kleinkriegen geprägt. Das Leitmotiv des unerträglichen Zusammenlebens der in sich zerstrittenen kaiserlichen Großfamilie war Leopold zufolge das merkwürdige Verhältnis zwischen der Kaiserin und ihrem ältesten Sohn Joseph.21 Nun war der Autor dieser Ausführungen der Unparteilichkeit völlig unverdächtig: Jede seiner Zeilen ist von Zorn und Eifersucht geprägt. In der Charakterisierung Josephs findet sich kaum ein positives Wort: Er sei zweifellos begabt, vor allem aber sei er hart, gewalttätig, ehrgeizig, eitel und faul. Der Kaiser umschmeichle jeden, von dem er sich etwas verspricht. Wenn er habe, was er wolle, lasse er den Betreffenden fallen. So habe er es auch mit Kaunitz getan und damit sein Verhältnis zu diesem vollends ruiniert. Seine Mutter sei für seine Schwächen keineswegs blind und liebe ihn dennoch geradezu abgöttisch. Jedes lobende Wort über Joseph werde von ihr begierig und voller Freude aufgenommen. Zugleich hüte sie ihre Rechte als Monarchin eifersüchtig und beschwere sich immer wieder darüber, dass alle Welt es nicht erwarten könne, dass sie endlich zurücktrete. Wer immer die Politik des Kaisers positiv bewerte, werde von ihr verdächtigt, auf dessen Seite zu stehen und gegen sie zu konspirieren. Träfen Kaiser und Kaiserin zusammen, stritten sie unaufhörlich. Alles, was sie liebe, so werfe sie ihm vor, setze er herab, er schmähe sie und kritisiere all ihr Tun. Es sei ein offener Disput. Am Hof hätten sich regelrechte Parteien gebildet, die entweder zu ihr oder zu ihm halten. Ihren Ministern vertraue sie schon lange nicht mehr, doch auch gegenüber Familienmitgliedern sei sie argwöhnisch geworden. Ihm, Leopold, unterstelle sie, zu Joseph zu stehen und damit gegen sie Position zu beziehen. Gleiches werfe sie ihrem jüngsten Sohn Maximilian vor, den sie ansonsten sehr schätze. Als uneingeschränkte Parteigängerin der Kaiserin gelte dagegen Maria Christina, mit der sie offen über die Fehlgriffe des Kaisers diskutiere und die großen Einfluss auf ihre Mutter ausübe. Die Atmosphäre am Hof, wie Leopold sie beschreibt, war von Misstrauen, wechselseitigen Vorwürfen und Gerüchten beherrscht. Die Kaiserin glaube niemandem mehr etwas, habe sich weitgehend aus den Regierungsgeschäften zurückgezogen, sei aber noch immer wohlinformiert und arbeite nach Kräften gegen den Kaiser. Zur Effizienz der Verwaltung trug das gewiss nicht bei, zum Familienfrieden auch nicht.

310   •   Die Matriarchin

G

laubensfragen

Wenn auch die prinzipielle Machtfrage nach 1774 nicht mehr gestellt wurde, blieb die Differenz in den Herrschaftsauffassungen bestehen. Daneben mochte es Eifersüchteleien, persönliche Reibereien und Elemente eines Generationenkonflikts geben, wie Leopold sie beschreibt – der Kern der Auseinandersetzungen war jedoch zutiefst politischer Natur. Deutlich wurde dies etwa bei Fragen der Religion.22 Virulent wurde die Debatte, als 1775 in Mähren Aufstände ausbrachen. Die Träger der Oppositionsbewegung waren ebenso heterogen wie die Forderungen an die Obrigkeit. In Wien wurde jedoch aufmerksam wahrgenommen, dass die bislang kaum in Erscheinung getretenen protestantischen Minderheiten im Land sich sehr aktiv an der antihabsburgischen Meinungsbildung beteiligt hatten.23 Nur mühsam gelang es, der Situation Herr zu werden. Maria Theresia gab Joseph II. erhebliche Mitschuld an diesen Entwicklungen. Im Verlauf seiner Reisen durch Böhmen und Mähren habe er Hoffnungen geweckt – auch solche auf religiöse Toleranz. Nun müsse sie mit den Folgen fertig werden. Das Jahr neigte sich dem Ende zu, Wien versank in Regen und Nebel, und die Stimmung zwischen Mutter und Sohn wurde zunehmend schlechter. Ihr Vorwurf, der Kaiser untergrabe mit seiner Toleranzrhetorik und den anderen Reformplänen die Stabilität des Staates, zeigte Wirkung. Joseph bot seiner Mutter kurz vor Weihnachten einmal mehr seinen Rücktritt an und provozierte damit eine bittere Antwort: Wie unglücklich sei doch ihr Verhältnis, schrieb sie ihm am 24. Dezember 1775, sein Ansinnen sei ausgesprochen schmerzlich für sie.24 Dabei habe sie Offenheit und Vertrauen verdient. Seit nunmehr 36 Jahren beschäftige sie sich mit ihm: 26 Jahre seien gut gewesen, die letzten zehn eher nicht, denn in dieser Zeit habe er Ansichten über Religion und gute Sitten an den Tag gelegt, die sie nicht teilen könne. Sie zittere für die Zukunft, zumal seine Pläne längst nach außen gedrungen seien. Doch nun möge man zunächst schweigen, die Weihnachtsfeiertage verböten weitere Diskussionen. Der Konflikt trat damit zunächst in den Hintergrund, war aber nicht beendet. Die Frage, wie mit den Protestanten in Böhmen und Mähren zu verfahren sei, beschäftigte die Kaiserin weiterhin. 1777 zogen drei ehemalige Jesuiten durch die Lande und präsentierten den Untertanen gefälschte Toleranzdekrete des Inhalts, Maria Theresia gewähre den Protestanten Religionsfreiheit.25 Was als missionarischer Kunstgriff gedacht war, entwickelte rasch beträchtliche Eigendynamik. Getrieben vom Fehlschluss, ihr Bekenntnis sei nun-

Glaubensfragen    •   311

mehr legal, zeigte sich das ganze Ausmaß des Untergrundprotestantismus in Böhmen und Mähren. Was sollte mit den nicht katholischen Untertanen geschehen? Der Weg der Deportation in andere Regionen des Reiches stand ihr noch immer offen und wurde in Einzelfällen auch genutzt. Von massivem Druck rieten ihre Berater allerdings ab, da dies das Land zu sehr schwächen würde. Aber war Toleranz tatsächlich die richtige Antwort auf diese Entwicklung? Musste die Krone nicht massiv auf eine Reform des Klerus hinwirken und alles tun, um die Ketzer zu bekehren? Des Kaisers Zusicherung, auch er sei davon überzeugt, dass die katholische Lehre die allein seligmachende sei, er bestreite jedoch, dass Zwangsmaßnahmen geeignet seien, Menschen in den Schoß der Kirche zurückzuführen, kommentierte sie kritisch. Tatsächlich sei dies nichts anderes als konfessionelle Indifferenz, die sie für äußerst gefährlich halte. Ohne Gottesfurcht fehle es nach ihrem Dafürhalten dem Monarchen an Demut, den Untertanen an Gehorsam und dem Reich an höherer Weihe. Zwar nahm sie Abstand von Zwangsmaßnahmen, lehnte jedoch die Position des Sohnes ab. In einem Schreiben aus dem Juli 1777 legte sie diesen Standpunkt nochmals dar.26 Warum, so fragte sie ihren Sohn, gehe es Frankreich so schlecht? Ursache sei sicher kein Zuviel, vielmehr ein Zuwenig an Religion. Intrigante Minister und eine korrupte Verwaltung hätten das Königreich ausgesogen. Das Unglück sei von Menschen verursacht worden, Menschen, die nur an ihre eignen Interessen und Leidenschaften dächten, Menschen ohne Religion. Sie spreche in diesem Zusammenhang nicht als Christin, sondern als Politikerin. Nichts sei so nützlich und so heilsam wie die Religion. Ohne Religion, ohne Bindung an den Kult und die sittlichen Normen des Christentums drohe der Verfall. Wenn Joseph so fortfahre wie bisher, gefährde er das Staatsglück. Was seine Vorfahren mit ihrem Bündnis zwischen Thron und Altar aufgebaut hatten, drohe er leichtfertig zu verspielen. Sie sei es, so in einem Schreiben vom 25. September 1777, zudem leid, bei jeder Meinungsverschiedenheit mit seinen Rücktrittsdrohungen konfrontiert zu werden.27 Dieser Widerwille beruhte auf Gegenseitigkeit: Als die Kaiserin bei einem Besuch ihres Sohnes Leopold einmal mehr darüber sinnierte, ob sie nicht zurücktreten sollte, erwiderte Joseph trocken, sie erinnere ihn an einen Lebensmüden, der laufend mit Selbstmord droht, am Ende aber von seinem Plan Abstand nimmt. Der Zweitgeborene lauschte dergleichen Bemerkungen regungslos – auch sein Verhältnis zur Familie im Allgemeinen und zur Mutter im Besonderen war kompliziert.

312   •   Die Matriarchin

D

er »Bevölkerer«

Seit dem Tod ihres Gatten hatte Maria Theresia die kaiserliche Loge im Burgtheater nicht mehr betreten. Doch nun, am 19. Februar 1768, hatte sie eine Nachricht erhalten, die sie nicht in ihren Gemächern hielt. Leo­ pold hatte ihr aus Florenz geschrieben und mitgeteilt, dass seine Frau einen Sohn geboren habe – der erste potentielle Thronfolger der Enkelgeneration. Begeistert lief sie von der Hofburg in das angrenzende Theater. Dort war – die Faschingsaison hatte begonnen – die gesamte in Wien weilende Familie versammelt. Eilenden Schrittes ging sie in ihre Loge, trat während der Vorstellung an die Brüstung und rief dem Publikum zu: Der Leopold hat an Buam. Aus Wiener Sicht war die Fruchtbarkeit von Leopolds Ehe von eminenter Wichtigkeit. Das drohende Ende der Dynastie 1740 hatte traumatische Folgen gehabt. Wie gebannt erwartete Maria Theresia Enkelkinder und wurde darin von ihrem Thronfolger einmal mehr enttäuscht. Josephs erste Frau hatte ihm zwei Töchter geschenkt: Die erste starb nach wenigen Stunden, die zweite segnete 1770 im Alter von sieben Jahren das Zeitliche. Der zweiten Ehe entsprossen überhaupt keine Kinder, obwohl Joseph gegenüber seinem Bruder beteuerte, seine Pflicht getan zu haben. Nachdem auch die zweite Gattin 1767 den Pocken zum Opfer gefallen war, zeigte er keine Neigung, sich ein drittes Mal zu verehelichen. So lag die ganze Hoffnung der Dynastie auf Leopold, der seine Aufgabe übererfüllte. Zwischen 1767 und 1780 brachte seine Frau insgesamt sechzehn Kinder zur Welt: vier Mädchen und zwölf Knaben. Der Nachwuchs gedieh prächtig, nur zwei Söhne starben bereits im Kindesalter, die übrigen bildeten ein bequemes Fortpflanzungsreservoir der Dynastie. Der Blick nach Florenz hatte für Joseph naturgemäß etwas ungemein Beruhigendes, und er ließ daran gegenüber seinem Bruder auch keinerlei Zweifel aufkommen. Die Tatsache, dass dessen Gattin nun ein weiteres Mal schwanger sei, diene ihm, so schrieb er am 11. Juni 1768, als Schutzschild gegen alles Drängen, sich erneut zu verehelichen.28 Trefflicher Bevölkerer, so sprach der Kaiser seinen Bruder in einem Brief vom 8. September an. Er erweise mit seiner Kinderschar nicht nur dem Staat einen Dienst, sondern auch ihm. Er möge daher mit seinem Tun fortfahren und so viele Kinder wie möglich in die Welt setzen.29 Die Kinder des Großherzogs, daran ließ der Kaiser ungeachtet seiner ironisch getönten Glückwünsche keinen Zweifel, gehörten eigentlich nicht diesem, sondern dem Reich der Habsburger. Die Erziehung der Töchter und

Dienst an der Dynastie   •   313

mehr noch der Söhne war selbstverständlich Angelegenheit des Hauptes der Dynastie. Immerhin waren Erzherzöge zu formen, die jederzeit die Regierungsgeschäfte in Wien übernehmen, für das Haus Habsburg Regierungen antreten, auf Bischofsstühlen sitzen und Heere führen konnten. Erzherzoginnen waren anzuleiten, das Wohl des Hauses über das eigene zu stellen und auch als Ehefrauen fremder Fürsten dem Kaiser oder der Kaiserin verpflichtet zu bleiben. Maria Theresia sandte ganz in diesem Sinne Erzieher nach Florenz, und auch Joseph sparte nicht mit Ratschlägen, wie mit den Kindern umzugehen sei (s. Abb. 19).

D

ienst an der Dynastie

Die Position des Großherzogs innerhalb des Familienverbandes war wenig beneidenswert. Fünf Söhnen hatte die Kaiserin das Leben geschenkt. Der lebhafte und allseits beliebte Zweitgeborene Karl Joseph war 1761 im Alter von fünfzehn Jahren den Pocken erlegen. Der Drittgeborene Leopold war damit der zweite in der Thronfolge und mit sechs Jahren Alters­ abstand der einzige unter den verbliebenen Söhnen, der gegenüber Joseph die Rolle eines Freundes und Vertrauten einnehmen konnte. Die Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, waren damit hoch. Er musste sich auf die Thronfolge vorbereiten, durfte dies seinen älteren Bruder aber niemals spüren lassen. Leopold gelang es perfekt, er erwies sich als ein außerordentlich geschickter Nebendarsteller auf höfischer Bühne. Der Leitwert seines Handelns war ihm schon früh nahegebracht worden. In einem um 1764 verfassten Brief an eine seiner Schwestern singt Leopold das Lob der Freundschaft. Um wie vüll mehr aber wird dieses so kostbahre Bandt der freundschaft nicht durch das seelbsteigne bandt des Bluts und der Verwandtschaft verstärkhet? Dann wen sollen wir besser kennen und folgsamb zu wem mehreres Vertrauen bezeigen als zu unseren geschwister, mit denen wir von kindtzeit an aufgewachsen und zu leben gewohnt sein?

Rat und Ermahnung schuldeten die Geschwister einander, Eifersucht dürfe keinen Platz haben. Wenn die Eltern scheinbar ein Kind gegenüber dem anderen bevorzugten, sei dies einzig ihrem Bemühen geschuldet, Unterschied-

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liches unterschiedlich zu behandeln. Den Kindern stehe eine Beurteilung dieses Verhaltens nicht zu.30 Gehorsam und stiller, gebändigter Zorn sprechen aus diesen Zeilen – der Zorn des Zweitplatzierten. Zum älteren Bruder entwickelte Leopold die wunschgemäß enge Beziehung. Nachdem sich dann beider Wege getrennt hatten und Leopold nach dem Tod des Vaters als Großherzog der Toskana nach Florenz gezogen war, hielten die beiden einen außerordentlich regen Briefverkehr aufrecht. Der Kaiser vertraute seinem Bruder weiterhin seine Pläne, Einschätzungen, Sehnsüchte und Abgründe an. Der Vertraute in Florenz hegte indes deutliche Ressentiments gegen den großen Bruder. Erste Risse in der perfekten Fassade brüderlicher Liebe zeigten sich 1765. Anlass war ein Streit ums Erbe: Das Großherzogtum Toskana gehörte nach dem Willen des Vaters zum Erbteil des ältesten Sohnes. Um die Eheschließung Leopolds mit der Tochter des spanischen Königs zu ermöglichen, war in diesem Punkt jedoch eine Veränderung notwendig: Joseph musste offiziell auf seine Ansprüche zugunsten des Bruders verzichten, was ihm sichtlich schwerfiel, aus Gründen der Staatsraison jedoch unumgänglich war. Immerhin galt es, das neue Bündnis mit den Bourbonen – in diesem Falle der spanischen Linie – zu stärken. Vorgesehen war, dass das frisch getraute Ehepaar seinen Wohnsitz in Florenz nehmen sollte und Leopold dort als Administrator des Großherzogtums auftrat. Da Franz Stephan wenige Monate nach der Eheschließung starb, wurde dieser Plan hinfällig: Mit nur achtzehn Jahren war Leopold nun souveräner Herrscher. Die Mutter wusste allerdings dafür zu sorgen, dass seine Möglichkeiten politischer Selbstentfaltung begrenzt blieben. Noch vor seiner Abreise nach Florenz am 30. August 1765 hatte sie ihm eine General­ instruktion, eine Instruktion zu Religionsangelegenheiten und eine weitere zur Bewahrung seiner Gesundheit zukommen lassen.31 Gewinnend im Ton, waren die Anweisungen in der Sache unzweideutig. Leopold, so machte ihm die Mutter klar, war zu jung, um selbst regieren zu können. Sie empfehle ihm, in Florenz möglichst wenig zu verändern, auf seine Berater zu hören, als ein mitfühlender Fürst die Herzen der Untertanen zu gewinnen und durch regelmäßige geistliche Übungen seine Selbstdisziplin zu wahren. Vor allem dürfe er nichts tun, ohne vorher Wien zu verständigen. Nach dem Tod Franz Stephans müsse sie ihm Vater und Mutter zugleich sein. Zwar werde sie ihn nie in seiner Eigenschaft als Souverän stören, sie werde ihn aber als getreue Mutter anleiten, was zu tun sei und was nicht.

Dienst an der Dynastie   •   315

Leopolds Gestaltungsfreiheit war damit deutlich eingeschränkt, zumal die Kaiserin dafür sorgte, dass ihn Berater nach Florenz begleiteten, die unter dem Einfluss Wiens standen. Dies galt für seinen Erzieher Franz Graf Thurn-Valsassina, der in Florenz die Schlüsselstellung eines Obersthofmeisters übernahm, aber auch für Franz Xaver Fürst zu Orsini-Rosenberg (1723– 1796), der diese Position nach Thurns Tod 1766 übernahm. Ungeachtet der Kontrolle, die die Kaiserin gegenüber ihrem Sohn ausübte, hoffte dieser angesichts der vollen Kassen des Großherzogtums, rasch eigene Akzente setzen zu können. Die Hungersnot des Jahres 1764 hatte in der Toskana Spuren hinterlassen. Leopold sah die Möglichkeit, durch öffentliche Investitionen wie die Trockenlegung von Sümpfen die Not zu lindern und sein Ansehen zu mehren. Womit er nicht rechnete, war sein älterer Bruder. Der hatte zwar auf seine Herrschaftsrechte in der Toskana verzichtet, nicht aber auf das ererbte väterliche Vermögen. In Wien zweifelte niemand an den Ansprüchen des Kaisers: Joseph forderte die Summe von zwei Millionen Gulden daher ein – nicht für sich, sondern für den Staat. Im Gegenzug bot er dem Bruder lebenslang vier Prozent Zinsen auf das Kapital an. Zu seinem Erstaunen reagierte der junge Großherzog alles andere als verständnisvoll. Zunächst verzögerte er eine Antwort, wies dann auf die verheerenden Folgen eines solchen Kapitalabzugs hin und versuchte schließlich, einen Kompromiss mit Joseph auszuhandeln. Der Ton des jüngeren Bruders blieb zwar höflich, aber bestimmt. Joseph traf dies völlig unvorbereitet: Eine solche Gegenwehr hatte er von Leopold nicht erwartet. Beider Mutter glättete die Wogen: Die Sache sei es nicht wert, das heilige Band der Freundschaft, das zwischen den Brüdern bestehe, zu zerreißen, schrieb sie Joseph am 26. November 1765.32 Wenn Leopold Angst vor dem Ruin seines Landes habe, sei das nur zu verständlich, und sie habe ihn, den Kaiser, ja vor einer solchen Reaktion gewarnt. Von Natur sei er, Joseph, schon aufgeblasen genug, und der Weihrauch, den man ihm als jungen Monarchen reichlich um das Haupt geblasen habe, habe ihn zusätzlich benebelt. Sie rate ihrem Sohn, auf Leopold zuzugehen. Der Kaiser hielt von Kompromissen in dieser Angelegenheit wenig, auch wenn ihn seine Mutter weiter zur Mäßigung ermahnte. Ihr Konfliktmanagement erstreckte sich im übrigen nicht darauf, den älteren Sohn zu beruhigen, sie versuchte auch, auf Leopold einzuwirken. Der hatte entgegen allen Anweisungen eine eigene politische Haltung entwickelt, und die Kaiserin sah die Schuld für diesen Missstand im Versagen des Grafen Thurn, der dafür zuständig war, Leopold zu lenken und zu beaufsichtigen. Die Briefe an

316   •   Die Matriarchin

den Grafen sind denn auch in einem missbilligenden, wenn nicht zornigen Ton geschrieben. Leopold musste schließlich nachgeben und zahlen. Joseph mochte sich durchgesetzt haben, inniger war sein Verhältnis zum Bruder dadurch kaum geworden.33

D

er Beobachter

Ungeachtet dieses finanziellen Aderlasses entfaltete Leopold in den folgenden Jahren eine rege Reformtätigkeit in seinem Territorium. Die Verwaltung wurde reformiert, die Gemeindeautonomie gestärkt, die Gewerbefreiheit eingeführt, das Militär modernisiert, der Getreidehandel neu geordnet und schließlich sogar eine Verfassung für das Großherzogtum entworfen. Hatte sein Vater die Toskana nach dem Gesichtspunkt der fürstlichen Gewinnmaximierung aus der Ferne geführt, so gelang es Leopold, sie in einen der dynamischsten und modernsten Staaten Europas zu verwandeln. Im Hinblick auf seine Reformpolitik hatte Maria Theresia ihre Kontrolle schrittweise gelockert, auf diplomatischem Parkett blieb der Großherzog jedoch eng an Wien gebunden. Leopold sammelte für seine Mutter und seinen Bruder Informationen zur Politik Roms und Neapels, er reiste mit seiner erst fünfzehnjährigen Schwester Maria Karolina (1752–1814) zu deren Ehemann Ferdinand I. von Neapel nach Sizilien und begleitete seinen Bruder Joseph auf dessen Reise nach Rom. Wien und Florenz arbeiteten eng zusammen, was auch deshalb unumgänglich war, weil Leopold als voraussichtlicher Thronfolger Josephs II. mit den Entwicklungen im habsburgischen Reich vertraut sein musste. Früh schon hatte Maria Theresia vor einer Italienisierung seines Hofes gewarnt: Es verstehe sich zwar von selbst, dass er sich den Sitten der Toskana anpassen und dies seinen Untertanen auch zeigen müsse, gleichwohl dürfe es nicht so weit gehen, dass die deutsche Sprache in seinem Umfeld nicht mehr gesprochen würde. Das persönliche Verhältnis Leopolds zu seiner ihn mit Ratschlägen überhäufenden Mutter war eher distanziert. Der Großherzog war anders als Joseph zurückhaltend, das Leben am Hof langweilte ihn zutiefst. Er schätzte intensive Gespräche mit Freunden und den Rückzug an den Schreibtisch, nicht dagegen die Politik seines Bruders. Bereits im Zuge der San RemoAffäre hatte er seiner Mutter gegenüber angedeutet, dass er die Konfronta­ tionspolitik des Kaisers ablehne. Das galt auch für dessen aggressive Haltung

Die Regisseurin   •   317

zu Preußen, die 1778 in eine erneute militärische Konfrontation mündete. Joseph hatte Leopold gebeten, sich während des Konflikts in Wien aufzuhalten, und der Großherzog war dem Ruf widerwillig gefolgt, denn er hielt nichts von diesem Waffengang. Mit Wehmut betrachtete er die schwindende Kraft seiner Mutter und mit Unverständnis das militärische Gehabe seines Bruders. Beide arbeiteten, so seine Beobachtungen, nach Kräften gegeneinander und schwächten das Habsburgerreich immer mehr. Dessen Zustand beurteilte Leopold als trostlos. Auf der Rückkehr nach Florenz machte er kurz Halt in Triest und berichtete dem dortigen Gouverneur Graf Zinzendorf von seinen Eindrücken: Die Missstände seien unheilbar, da der Staat jeglichen Kredit verloren habe – wirtschaftlich, politisch und moralisch. Das Grundübel bestehe darin, dass die Armee keineswegs dem Staate untergeordnet sei, sondern der Staat der Armee, und die werde ausgesprochen schlecht geführt. Es gebe im Staat der Habsburger keinen Patriotismus mehr, sondern nur noch Egoismus.34 Kurzum: Die Zukunft schien nichts Gutes zu verheißen. Die lähmende Ohnmacht des Zuschauers, der an den Folgen der habsburgischen Politik Anteil hatte, nicht aber an den Entscheidungen, prägte des Großherzogs Haltung. Er besaß zwar Handlungsspielräume, letztlich jedoch war er der Familiendisziplin verpflichtet. Was die Kaiserin bestimmte, war zu befolgen.

D

ie Regisseurin

Die Serenata Theatrale »Ascanio in Alba« beginnt spektakulär. Venus fährt in einem Wagen gen Himmel. Begleitet wird der Auftritt von Lobgesängen der Genien und Grazien: Himmlische Venus, höchste Göttin, eine liebenswürdigere Göttin als Dich gibt es nicht. (...) Mit so ruhigem Zügel regierst du jedes Herz, dass man die Freiheit nicht mehr begehrt.35

318   •   Die Matriarchin

Das Herz der allliebenden Göttin ist gebrochen. Ihr Ehemann Aeneas war gestorben und alles, was geblieben ist, ist Ascanio, ihr Sohn. Ihn nun gilt es, in den heiligen Stand der Ehe zu führen. Als zukünftige Gemahlin hat sie eine Nymphe aus dem Stamm des Herkules ausersehen. Noch haben er und Sylvia einander nicht gesehen, und obwohl der Zuschauer von Beginn an keinen Zweifel daran hegte, dass sie für einander bestimmt sind, durfte er sich doch in den folgenden hundert Minuten an der rasch entflammten Liebe des Bräutigams, der Tugend der Braut und einer fulminanten Aufführung ergötzen. Der Librettist Giuseppe Parini und der erst fünfzehnjährige Wolfgang Amadeus Mozart konnten zufrieden sein. Ihr Werk wurde mit Ovationen gefeiert und stellte Johann Adolph Hasses Oper »Rugiero«, die zuvor aufgeführt worden war, weit in den Schatten.36 Anlass für die musikalischen Festspiele am 17. Oktober 1771 im Palazzo Ducale zu Mailand war eine fürstliche Hochzeit:37 Erzherzog Ferdinand Karl und Maria Beatrice d’Este gaben sich das Jawort. Die Handlung auf der Bühne zu entschlüsseln, fiel daher leicht. Braut und Bräutigam waren Ascanio und Sylvia. Mit der Figur des Aenas sollte offensichtlich des verstorbenen Vaters des Bräutigams, Kaiser Franz Stephans, gedacht werden, und in Venus durfte das Publikum die Kaiserin wiedererkennen. Sie herrschte nicht mit Gewalt, sondern indem sie die Liebe ihrer Untertanen gewann. Sie mochte im fernen Wien herrschen, und doch waren die Bürger Mailands ihrem sanften Joch verfallen. Als ferne Regisseurin hatte sie die Hochzeit des Sohnes arrangiert. Was immer die Figuren auf der Bühne taten, letztlich hatte sie sie mit sanfter Hand in die richtige Richtung geführt. Sie hatte auch für die Zukunft des Paares gesorgt: Einst habe sie an dieser Stelle mit Aeneas alias Franz Stephan so glückliche Zeiten verlebt, nun möge das Paar hier seine Residenz errichten. Regiere Du hier an meiner Statt, forderte sie ihren Sohn auf. Mit diesen Worten war die Aufgabe des Erzherzogs zutreffend umrissen. Durch die Hochzeit mit der Prinzessin aus dem Hause d’Este hatte er sich die Erbfolge im Herzogtum Modena gesichert – aus Sicht Wiens eine attraktive Perspektive, da mit Modena die Verbindung zwischen den habsburgischen Territorien Mailand und Toskana hergestellt wurde. Noch waren die Este aber nicht ausgestorben – und zu Lebzeiten Ferdinands geschah dies auch nicht. Der zweitjüngste Sohn der Kaiserin musste sich daher mit der Position des Statthalters in der Lombardei zufriedengeben. Was von ihm erwartet wurde, hatte Parani dem Erzherzog in seinem Libretto bereits nahegebracht: Die Mailänder konnten den Verlust ihrer Freiheit nur deshalb

Der perfekte Erzherzog   •   319

verschmerzen, weil die Herrschaft der Habsburger sich zurückhielt – sie war, um im Bild zu bleiben, nicht hart, sondern liebevoll. Ferdinands Mutter hatte den Sohn ähnlich an die Aufgabe herangeführt. Wie alle Geschwister, die Wien verließen, wurde auch er mit ausführlichen Instruktionen versehen. Als Führungs- und Fortpflanzungsreserve des Hauses Habsburg wurde er vor allem angewiesen, auf seine Gesundheit zu achten. Ein Erzherzog sollte nicht zu früh sterben und bevor er dies tat, so viele Kinder wie möglich in die Welt setzen. Was das Regieren anging, machte sich die Kaiserin hinsichtlich der Begabungen ihres Sohnes keine Illusionen: Grundsatzentscheidungen, daran ließ sie keinen Zweifel, wurden ohnehin in Wien gefällt. Was Reformen in Norditalien anging, vertraute die Kaiserin auf einheimisches Personal: Der Erzherzog sollte den Mailänder Räten Respekt zollen und ihnen zuhören. Er verkörperte die Kaiserin und die Dynastie, das war Aufgabe genug, und so schärfte die Mutter ihrem Sohn ein, vor allem keine Fehler zu machen. Regelmäßig sollte er nach Wien Bericht erstatten – nicht über seine Regierung, sondern über seine Kontakte in Mailand, seinen Tagesablauf und seine Gesundheit. Mit Sorge verfolgte die Kaiserin jeden sich anbahnenden Skandal, so etwa den Vorwurf, der Erzherzog öffne die Post seiner Untergebenen, oder Gerüchte, seine Frau und er seien an Getreidespekulationen beteiligt. Angehörige des Hauses Habsburg, so erklärte sie ihm, waren unter beständiger Beobachtung. Ihre Körperhaltung, ihr Benehmen und ihre öffentliche Lebensführung mussten tadellos sein. Wenn er sich in den Gassen Mailands herumtreibe und damit die notwendige Distanz gegenüber den Untertanen vermissen lasse, schade er dem Ansehen der Dynastie.38

D

er perfekte Erzherzog

Wie sollte ein Erzherzog leben, auftreten und Kontakte pflegen? Interessantes dazu findet sich in den Instruktionen Maria Theresias für Erzherzog Maximilian Franz. Geboren am 8.  Dezember 1756, war er das sechzehnte und jüngste Kind der Kaiserin. Dass an seiner Fruchtbarkeit die Zukunft des Hauses Habsburg hängen könnte, galt als unwahrscheinlich. Als 1769 der Plan reifte, ihn zum Koadjutor des Hochmeisters des Deutschen Ordens mit Nachfolgerecht wählen zu lassen, stimmte sie daher zu. Nach seiner Wahl am 3. Oktober 1769 war er finanziell versorgt und kam zu-

320   •   Die Matriarchin

gleich nicht mehr als Vater weiterer Erzherzöge mit Versorgungsansprüchen in Frage. Ein Hochmeister musste getreu den Ordensregeln zölibatär leben. Als Kleriker sah die Kaiserin ihn dennoch nicht. Der Schwerpunkt seines weiteren Tuns sollte im Militärdienst oder in der Verwaltung liegen. Erst als 1778 eine Erkrankung seine militärische Karriere beendete, favorisierte sie einen Laufbahnwechsel. Unter Zahlung immenser Bestechungsgelder gelang es 1780, die Wahl Maximilians zum Koadjutor des Erzbischofs von Köln durchzusetzen.39 Um 1774 war sein weiterer Verbleib indes noch unbestimmt. Selbst eine Rückversetzung in den Laienstand war bei Bedarf noch denkbar. Maria Theresia bereitete ihren Sohn daher auf alle Eventualitäten vor. Die lange Liste an Verhaltensvorschriften, die sie ihm sandte, kurz bevor er zu seiner Kavalliers­ tour aufbrach, stellte ein Kondensat ihrer Erziehungsziele und Erziehungsmittel dar und beruhte auf jahrzehntelanger Erziehungsroutine. Schon der Beginn des Schreibens ist bezeichnend: Mein lieber Sohn, Ich gestehe, es fällt meiner Liebe schwer Sie so jung schon fortzulassen. Ich hatte Sie dazu ausersehen, mir die Augen zu schließen, aber weil ich nur an ihre Wohlfahrt allein denke, ohne Rücksicht auf mich, bringe ich das Opfer Sie von hier fortzulassen.40 Der Abschiedsschmerz war damit vor allem der ihre. Sie war es, die ihn voller Liebe und mit äußerster Gewissenhaftigkeit erzogen hatte. Nachdem sein Vater viel zu früh gestorben war, hatte sie nicht nur die Last der Mutterrolle getragen, sondern zugleich die Erinnerung an diesen und sein vorbildhaftes Leben wachgehalten.41 Gewiss seien auch Fehler gemacht worden, schließlich sei es nicht gelungen, sämtliche seiner Charakterfehler auszutilgen. Doch sei die Ursache dieser Defizite nicht in ihren Anweisungen, sondern in deren unvollständiger Ausführung zu suchen. Alles, was er war, war er nur durch sie. Diese Mutter musste man lieben. Ihr gehorsam zu sein, die Reisegefährten, die sie ihm mitgegeben hatte, zu achten, für die Eltern zu beten, des väterlichen Todestages zu gedenken und der Mutter regelmäßig zu schreiben, waren Selbstverständlichkeiten. Maria Theresia baute keine Drohszenarien auf, sie verwies auf die Fürsorge und Liebe, mit der sie die Kinder beschenkt hatte. Und sie verwies darauf, wie wichtig es war, in der Fremde nicht das Selbst zu verlieren. Der Reisende bedurfte kultureller Imprägnierung – das Schreiben von Briefen und Tagebüchern,

Der perfekte Erzherzog   •   321

das sie von ihm forderte, war in in diesem Sinne ein Akt der Selbstvergewisserung. Das Gleiche galt für die regelmäßige Einhaltung der Gebetszeiten und der kirchlichen Feiertage. Fürsten mussten den Untertanen ein Vorbild an Frömmigkeit sein, bedurften aber selbst geistlicher Führung – mehr als jeder andere. Das Gebet war für Maria Theresia ein Erzieher des Fürsten, es lehrte Demut und Disziplin. Nichts, so warnte sie ihren Sohn, sei gefährlicher als die zwanglose Freiheit, die im aufgeklärten Jahrhundert an die Stelle der Religion gesetzt werde. Die sogenannten Gelehrten und Philosophen hätten sie nie beeindruckt. Niemand ist schwächer, mutloser als diese starken Geister, niemand ist kriechender und verzweifelter beim geringsten Missgeschick. Sie sind schlechte Väter, Söhne, Ehemänner, Minister, Generäle, Bürger. Warum? Die Grundlage fehlt ihnen.42 Die Versuchung, ihnen zu folgen, sei dennoch groß. Maximilian werde häufig in Situationen kommen, in denen er zu geistreichen Bemerkungen aufgefordert werde oder zumindest zum Gelächter über einen vermeintlich geistreichen Scherz. In diesem Jahrhundert spotte der Bürger über alles. Wie sollte sich der Fürst verhalten? Sollte er tadeln oder sollte er sich scheinbar amüsieren? Beide Wege, so die Kaiserin, führten ins Verderben. Als Erzherzog müsse Maximilian im Urteil vorsichtig sein. Jedes seiner Worte, jede Bewegung, jede Unterlassung werde letztlich dem Haus Österreich zugerechnet. Befinde er sich nicht auf eigenem Boden, sei es zudem nicht an ihm, über Gebräuche und Meinungen zu urteilen. Der reisende Fürst stehe unter permanenter Beobachtung. Er dürfe sich unfromme Sitten aber auch nicht zu eigen machen, sondern müsse, sobald Grenzen des Anstands und der Frömmigkeit überschritten werden, den Raum verlassen. Ein Fürst müsse sich je nach Anlass angemessen kleiden, Frömmigkeit dokumentieren, beste Manieren an den Tag legen, sich majestätisch bewegen und geduldig zuhören. Reden brauche er nicht allzu viel. Im Grunde bestünde die Kunst eines Fürsten darin, Versuche abzuwehren, ihn zu vereinnahmen. Lachen sei gefährlich. Nur zu schnell begebe sich ein Fürst in eine Situation, in der die Distanz zwischen ihm und den anderen verloren zu gehen drohe. Dies dürfe unter keinen Umständen geschehen. Fürsten dürften sich nicht gemein machen, schon gar nicht mit den niederen Ständen. Vor allem dürfe der Erzherzog nicht glauben, dass die hohe Geburt ein Segen sei und ihn

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vor Anstrengungen bewahre – das Gegenteil sei der Fall. Auf die Leistungen eines Fürstensohnes schaue die Umgebung besonders kritisch und verzeihe keinen Fehler. Ob sich Maximilian nun dem Militär oder der Verwaltung zuwende, er müsse sich intensiv vorbereiten, um zu bestehen. Sobald Sie in der Welt draussen herumreisen, müssen Sie bei dem, was Sie sind, Ihre Rolle zu spielen verstehen, anders werden Sie der Verachtung anheimfallen, ohne sich indessen besser zu amüsieren oder glücklicher zu sein. Man ist es in dem Maße, wie man seine Pflicht tut, wie man seinen Beruf ausfüllt und Herr seiner Leidenschaften und selbst seiner Neigungen ist. In diesem Punkt ist nichts nebensächlich.43

E

in Opfer der Politik

Der Brief der Kaiserin ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Maria Josepha (1751–1767), ihre Tochter, werde, so schrieb sie deren Aya am 13. Oktober 1763, mit großer Wahrscheinlichkeit binnen vier Jahren einen Thron besteigen, gemeint war das Königreich Neapel. Als Gatten habe man für sie einen unerzogenen, seinen Leidenschaften ungehemmt frönenden, von Schmeichlern umgebenen jungen Mann ausersehen. Dieser König interessiere sich nur für die Jagd und für das Theater. Die strategischen Vorteile der Verbindung lägen zwar auf der Hand, dennoch sei ihr mütterliches Herz naturgemäß auf das Äußerste beunruhigt. Diese Gefühle waren jedoch nachrangig: Ich muss die arme Josepha als ein Opfer der Politik betrachten.44 Ziel ihrer Erziehung müsse es sein, sie darauf vorzubereiten, ihre Pflichten gegen Gott und ihren Mann zu erfüllen, auch wenn sie in Neapel unglücklich bleibe. Um ihr Leben wenigstens etwas zu erleichtern, möge man ihr vermitteln, wie sie sich auf gefällige Art und Weise am Hof präsentierte. Das werde nicht einfach sein: Das Mädchen sei nicht gerade hübsch, ihre Haltung verbesserungsbedürftig, und sie wirke insgesamt etwas grob. All dies sei gerade für Italien nicht vorteilhaft. Elf Töchter hatte Maria Theresia zur Welt gebracht, von denen drei im frühen Kindesalter starben. Die übrigen kamen als Heiratskandidatinnen in Frage. Angesichts der strategischen Lage in Europa war unschwer zu erraten, welche möglichen Ehepartner die Räte Ihrer Majestät für sie ausersehen hatten. Das neue, noch immer brüchige Bündnis mit Frankreich bedurfte eines

Ein Opfer der Politik    •   323

dynastischen Fundaments. Das Haus Bourbon, einst Todfeind der Habsburger, sollte mit Blutsbanden an die Hofburg gefesselt werden. Geeignet erschien den Männern der Staatskanzlei insbesondere der spanische Zweig der Dynastie. Mit ihm befand sich das Kaiserhaus in Italien noch immer in einer Konkurrenzsituation. Durch Heiratsverbindungen konnten dergleichen Konflikte entschärft und das Zweierbündnis Wien-Paris durch eine dritte, spanische Säule ergänzt und stabilisiert werden.45 Nebenher ergab sich noch die angenehme Möglichkeit, den Partner zu übervorteilen. Es sei, so hieß es in den Beschlüssen der Staatskonferenz vom 25. Juni 1762, kein Problem, Erzherzöge mit spanischen Prinzessinnen zu verheiraten. Diese mischten sich in aller Regel nicht in politische Fragen ein. Nach den vorliegenden Erfahrungen räumten jedoch die spanischen Bourbonen ihren Frauen erhebliche Einflussmöglichkeiten ein. Mit etwas Geschick bestand so die Möglichkeit, Territorien wie Neapel oder Parma, die erst vor wenigen Jahrzehnten an die Bourbonen abgetreten worden waren, Wien politisch wieder anzunähern.46 Der Preis, den die habsburgischen Bräute zu zahlen hatten, war dabei hoch. Die Kaiserin hatte nicht übertrieben: Der erst siebzehnjährige König von Nea­pel war ebenso wie der andere Heiratskandidat, der achtzehnjährige Herzog von Parma, eine lenkbare und politisch unerfahrene Figur von ausgesprochen schlechtem Benehmen. Die neapolitanische Eheschließung wurde dessen ungeachtet mit besonderem Nachdruck betrieben. Sie scheiterte immer wieder an tödlichen Pockenerkrankungen: Erzherzogin Johanna Gabriela (geboren 1750), die zunächst vorgesehen war, starb bereits 1762, Erzherzogin Maria Josepha im Oktober 1767 – die neapolitanische Hochzeit war für den April 1768 geplant. Sie fand trotzdem statt, allerdings mit einer anderen Braut. Diesmal war es die erst fünfzehnjährige Maria Karolina, die von ihrer Mutter in die ebenso prächtige wie fremdartige Metropole am Fuße des Vesuvs geschickt wurde. Im Jahr darauf wurde auch der bourbonische Herzog von Parma mit einer habsburgischen Prinzessin, der dreiundzwanzigjährigen Maria Amalia (1746–1804), verheiratet. Die Rolle, die beide offiziell am jeweiligen Hofe zu spielen hatten, war ihnen von der Mutter in eindringlichen Worten nahegebracht worden. Keine Aufgabe sei wichtiger als die Zeugung von Nachwuchs. Prinzessinnen sollten gebären, ihre Ehegatten bei Laune halten und am Hof eine gute Figur machen. Aus der Politik sollten sie sich heraushalten. Die machtbewusste Kaiserin predigte ihren Töchtern Tugenden, die ihr selbst ein Leben lang fremd

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geblieben waren: Demut und Zurückhaltung. Diese Ratschläge waren, wie der Briefverkehr der folgenden Jahre zeigt, durchaus ernst gemeint. Die Aufgabe der Tochter lag, wie die Kaiserin immer wieder betonte, in der Festigung der Bande zwischen den Dynastien. Nur wenn die Mutter dies wünschte, sollte sie punktuell Einfluss auf den Souverän nehmen. Maria Theresia sah sich als eine Art Vetomacht im Hintergrund, die bei missliebigen Entscheidungen über ihre Tochter eingreifen konnte. Der Schlüssel zum Erfolg dieses Projekts war die Fruchtbarkeit der Töchter. Einmal mehr rückte das Ehebett in den Fokus dynastischer Politik: Je mehr Kinder die Frauen aus Wien in die Welt setzten, umso enger die Bindung zwischen den beiden Häusern. Der Erwartungsdruck war hoch, unmenschlich hoch. Für Maria Karolina war die Hochzeitsnacht offenbar traumatisch. Sie wollte lieber sterben als noch einmal das erleiden, was ich da erlebte (...) es ist keine Übertreibung, aber wenn mir mein Glaube nicht gesagte hätte, denke an Gott, so hätte ich mich umgebracht.47 Ähnlich Unschönes erlebte Maria Amalia in Parma, wo hygienische und medizinische Probleme im Fortpflanzungsbereich des Gemahls dazu führten, dass die Ehe erst nach Monaten vollzogen wurde. So unerfreulich der Kontakt mit den bourbonischen Ehemännern gewesen sein mag, er war immerhin erfolgreich: Maria Karolina brachte zwischen 1772 und 1793 insgesamt achtzehn Kinder zur Welt, ihre Schwester in Parma brachte es immerhin auf sieben. Der majestätische Auftritt der Erzherzoginnen, ihre Stilsicherheit und ihre Fruchtbarkeit waren dazu angetan, ihre Position am Hof zu stärken. Die beiden Habsburgerinnen waren zudem, wie sich rasch zeigte, sehr viel intelligenter und durchsetzungsstärker als ihre Männer. Ihr Einfluss wuchs weit über jenes Maß hinaus, das die Kaiserin für empfehlenswert hielt. Maria Karolina, fünf Jahre älter als ihr königlicher Gatte, ging dabei außerordentlich geschickt vor: Obwohl ihr Mann heimlich an den Vater nach Madrid schrieb und sich über seine furiose Frau beschwerte, wagte er in ihrer Gegenwart kaum Widerworte. Schritt für Schritt konnte sie die bislang dominanten Netzwerke am Hofe entmachten und eigene Vertrauenspersonen fördern. 1776 schließlich war sie stark genug, den ersten Minister Bernardo Tanucci (1698–1783) aus dem Amt zu drängen. Schwieriger gestaltete sich die Situation in Parma. Die junge, unerfahrene Maria Amalia begann früh, Gruppen am Hof zu brüskieren. Mit ihrer Ablehnung der Etikette irritierte sie den Hofadel, mit ihrer Gegnerschaft zum ersten Minister Guillaume du Tillot (1711–1774) die reformfreudigen

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französischen Klienten des Herzogs.48 Zudem pflegte sie einen aufwendigen Lebensstil, der ihre finanziellen Möglichkeiten weit überstieg. Während ihre Schwester den politischen Spielraum Neapels langsam erweiterte, ging Maria Amalia hastig und ungeschickt vor. Entnervt von den beständigen Versuchen, ihn zu isolieren, verließ Tillot zwei Jahre nach ihrer Ankunft das Herzogtum. Frankreich, Spanien und Österreich hatten aufmerksam zugeschaut. Alle drei Großmächte waren sich einig, dass Handlungsbedarf bestand. Dem Herzog und seiner Frau musste klar gemacht werden, dass sie politisch von Madrid abhängig und auf ein gutes Verhältnis mit Paris angewiesen waren. Spaniens Regierung wurde in diesem Punkt sehr deutlich. Sie sandte einen neuen Minister nach Parma und erklärte dem Herzog, dass er sich künftig aus den politischen Geschäften heraushalten solle. Zeitgleich erhielt Maria Amalia Besuch aus Wien. Graf Rosenberg, einer der Mitgestalter des Bündnisses mit Frankreich, übermittelte ihr die Grüße ihrer Mutter und eine harsche Strafpredigt: Mit der Hilfe der Kaiserin könne sie nicht rechnen. Sie möge sich aus den Regierungsgeschäften zurückziehen, andernfalls drohe ihr ein früher Lebensabend in klösterlicher Abgeschiedenheit. Zum Entsetzen Rosenbergs blieb die Herzogin ungerührt. Wien stand damit unter Zugzwang. Es galt, dem Eindruck entgegenzutreten, dass Maria Amalia nur die Befehle ihrer Mutter ausführte. Die verhängte daher über die ungehorsame Tochter eine Kontaktsperre. Briefe aus Parma wurden ungeöffnet zurückgesandt und die Kinder Ihrer Majestät angehalten, dies ebenso zu handhaben. Auch dieser Schritt erwies sich als ungeeignet, das außer Kontrolle geratene Herzogspaar zu disziplinieren. José de Llano (1728–1792), der von Ma­ drid bestellte Nachfolger Tillots, wurde schon im Sommer 1772 vom Herzog wieder entlassen, was die Situation grundlegend änderte: Parma erklärte sich de facto für unabhängig, und die spanischen Bourbonen prüften nun ihre Handlungsoptionen. Selbst eine militärische Lösung des Problems wurde diskutiert, am Ende entschloss sich der Escorial jedoch für eine Politik der Isolation. Solange der Herzog nicht einlenkte, erhielt er weder politische noch finanzielle Unterstützung. Dieses Druckmittel wirkte schnell: Ohne bourbonische Subventionen war der herzogliche Hof zahlungsunfähig. Der Herzog unterwarf sich, de Llano kehrte zurück. Maria Amalia wurde entmachtet und vom Hof entfernt. Die italienischen Heiraten hatten der Kaiserin die Grenzen ihrer Möglichkeiten vor Augen geführt. Der Appell an die Kindesliebe, die Einladung zum gemeinsamen Gefühlserleben – all das war durchaus geeignet, Bindun-

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gen zu stärken und Reaktionen des anderen zu provozieren. Die Kaiserin war eine Meisterin darin, Vertrauen zu schaffen und emotional grundierten Verhaltensdruck aufzubauen. Das funktionierte vor allem dann, wenn sie zudem über militärische, politische und finanzielle Lock- und Druckmittel verfügte. War dies nicht oder nur bedingt der Fall, drohten die Adressaten ihrer Kontrolle zu entgleiten. Die eigenwilligen Söhne konnte sie unter erheblichem Kommunikationsaufwand zumindest auf ein gemeinsames Vorgehen in Krisensituationen verpflichten, bei den Töchtern gelang nicht einmal mehr das. Konform war deren Verhalten nur noch in ihren Briefen an die Mutter, die eine Art fiktionales Paralleluniversum konstitutierten. So wandelte sich die Regisseurin der habsburgischen Familie Schritt für Schritt zu einer Zuschaue­rin, die Entwicklungen nur noch partiell beeinflussen konnte. Mit Sorge, aber auch Unverständnis kommentierte sie das Verhalten ihrer Töchter: Ihre Vorstellungen vom richtigen Verhalten konnten unter veränderten Rahmenbedingungen ins Leere laufen oder sich sogar verheerend auswirken. Das bekam vor allem die jüngste Tochter Marie Antoinette zu spüren.

E

ine deutsche Prinzessin

Die Königin, so versicherte der österreichische Gesandte Florimond Claude Comte de Mercy-Argenteau49 seiner Auftraggeberin Maria Theresia in seinem Bericht vom 17. Juli 1778, sei mit ganzem Herzen darum bemüht, dem Hause Österreich zu dienen.50 Leider fehle ihr dazu jegliche Fähigkeit. Sie dränge den König zwar zu einer Politik im Sinne der Kaiserin, unterlasse es jedoch, ihre Wünsche mit Argumenten zu untermauern. Den Ministern, die ihr mit Misstrauen begegneten, falle es daher leicht, Einwände gegen ihre Position zu formulieren. Was den König angehe, so sei dieser schwach und ein Spielball seiner Favoriten. Er halte es nicht für ausgeschlossen, dass die Königin Einfluss auf den Willen ihres Mannes und seine Überzeugungen gewinnen könne, doch dafür bedürfe es eines methodischen Vorgehens. Solange es nicht gelinge, die Königin in diesem Sinne zu instruieren, sorgten deren Ausbrüche lediglich für Irritationen. Als Beispiel für die gut gemeinten, aber letztlich kontraproduktiven Bemühungen der Königin nannte Mercy die Absage eines Festes, das sie zu Ehren des Königs in Trianon habe geben wollen. Sie habe diesen Schritt dem Gesandten gegenüber damit begründet, dass sie an den seelischen Schmerzen ihrer Mutter in einem Maße Anteil

Eine deutsche Prinzessin   •   327

nehme, das es ihr unmöglich mache, gesellschaftliche Lustbarkeiten zu veranstalten. Solange diese Pein fortdauere, könne sie nicht an Theaterspielen und ähnlichen Ereignissen teilnehmen. Dies sei verständlich und zeuge von ihrer Feinfühligkeit, werde aber kaum den erwünschten Effekt haben. Eher sei zu befürchten, dass die Aufregung Marie Antoinette gesundheitlich schade und eben dies sei unter allen Umständen zu vermeiden. Es war der Beginn des Bayerischen Erbfolgekrieges – eines weiteren, des letzten Waffengangs gegen Friedrich II., dessen Ausgang die Kaiserin mit Sorge entgegensah. Sie hatte diesen Konflikt nie gewollt und hoffte nun darauf, dass er zumindest das fragile Bündnis mit Frankreich nicht gefährdete. Die Nachrichten aus Versailles waren in dieser Hinsicht widersprüchlich. Es war an der Zeit, auf das Heiratsbündnis zwischen den Dynastien hinzuweisen, zumal die Position der Königin besser denn je erschien. Nach Jahren des Wartens erwartete Marie Antoinette ihr erstes Kind, und ihr Ehemann fieberte der Niederkunft entgegen. Die Bindung zwischen der im Jahre 1770 mit vierzehn Jahren aus Staatsraison verheirateten Marie Antoinette zu ihrer Mutter war nach wie vor eng und litt nach der Thronbesteigung Ludwigs XVI. 1774 kaum. Auch die jüngste Tochter hatte einen pädagogischen Formungsprozess durchlaufen, der Körperbeschaffenheit, Kleidung, Bewegung, Frisur, Stimme und die Etikette umfasste. Defizite in der französischen Etikette waren durch einen Schnellkurs des Abbé de Vermond (1735–1806) – eines pädagogisch-geistlichen Gesandten aus Paris – geschlossen worden.51 Kurz vor der Abreise hatte sie zudem detaillierte Anweisungen erhalten, wie sie trotz notwendiger Anpassung an das neue Umfeld ihre habsburgische Identität bewahren konnte.52 Diese wurden in den folgenden Monaten und Jahren durch weitere Mahnschreiben ergänzt, die die fortgesetzte Zugehörigkeit der Dauphine zur alten Heimat beschworen.53 Auffällig war die Häufigkeit und die Intensität, mit der die Kaiserin sich nationaler Rhetorik bediente. Die künftige Königin von Frankreich, so wurde ihr von der Mutter eingeschärft, sollte sich hüten, Französin zu werden. Machen Sie sich, so heißt es in einem Schreiben vom 10. Februar 1771, nicht die französische Leichtfertigkeit zu eigen. Bleiben Sie die gute Deutsche und seien Sie stolz es zu sein, und bleiben Sie die Freundin Ihrer Freunde.54 Wenige Monate später, am 8. Mai 1771, wurde die Kaiserin deutlicher – Marie Antoinette fördere ihre Nation am Hof zu wenig: Glauben Sie mir, der Franzose wird Sie mehr schätzen und größere Stücke auf Sie halten, wenn er findet, dass Sie von deutscher Zuverlässigkeit und Offenheit sind. Schämen Sie sich nicht, bis in deren linkischem Wesen Deutsche zu sein.55 Sie

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werde, so versichert Marie Antoinette in einer Antwort vom 2. September 1771, immer stolz darauf sein, dass sie Deutsche sei.56 Marie Antoinette sollte die Stellung der habsburgischen Klienten in Versailles stärken – das war die Zielrichtung solcher Appelle.57 Dass diese mit nationalen Stereotypen verbunden wurden, war bezeichnend. Maria Theresia bediente sich ihrer auch in anderen Zusammenhängen immer wieder. Dass Europa aus verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen Eigenschaften und durchaus auch unterschiedlicher Wertigkeit bestand, war für sie Tatsache. Ebenso war der Appell an den Nationalstolz für sie eine geläufige Formel. Mit modernem Nationalismus hatte dies wenig zu tun, waren doch die Natio­ nen, wie die Kaiserin sie verstand, ethnische Ehrgemeinschaften und keine politischen Kollektivakteure. Die Aufforderung, sich als Deutsche zu präsentieren und die der Nation zugeschriebenen Eigenarten offen zur Schau zu stellen, barg indes Risiken, war sie doch geradezu eine Einladung, die Prinzessin als Fremde, wenn nicht als Gegnerin oder gar Feindin wahrzunehmen. Jede Opposition gegen sie konnte damit zu einem Akt nationaler Selbstverteidigung stilisiert werden. Was dies konkret bedeutete, bekam ihr Bruder Maximilian Franz während seines Aufenthalts in Versailles 1775 zu spüren. Seine Schwester hatte ihn aufgefordert, die französischen Prinzen von Geblüt nicht als erster zu besuchen, dies gezieme sich nicht für einen Sohn der Kaiserin. Die so Zurückgewiesenen verweigerten ihrerseits den Besuch, da der Erzherzog incognito reiste. An Brisanz gewann der Konflikt dadurch, dass sich die Prinzen als Verteidiger der nationalen Ehre darzustellen wussten.58 Die Isolation Marie Antoinettes am französischen Hofe hatte eine Reihe von Gründen, zu denen nicht zuletzt die so oft beklagte Ungeschicklichkeit eines blutjungen Mädchens zählte, das mit den komplizierten Regeln von Versailles nicht vertraut war. Die Aufforderung der Kaiserin, ihre Anders­ artigkeit auch in der Außendarstellung zu pflegen, verstärkte dergleichen Tendenzen eher noch. So waren die beiden Ziele, die Position der Tochter am Hof einerseits zu stärken und sie andererseits weiter an Wien zu binden, letztlich inkompatibel.

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Politik und Schwangerschaft   •   329

olitik und Schwangerschaft

Mit sechzehn und fünfzehn Jahren war das junge Paar in den Augen der Kaiserin alt genug, um ein Jahr nach der Eheschließung Kinder zu bekommen. Die Angelegenheit ließ ihr keine Ruhe. Marie Antoinette möge bei ihrer Leidenschaft fürs Reiten vorsichtig sein – die Königin von Portugal habe auf diesem Wege schon Fehlgeburten erlitten. Missfällig kommentierte sie das häufige Getrenntsein des Ehepaars: Marie Antoinette gehöre an die Seite ihres Mannes, je häufiger desto besser. Vor allem die Nächte müssten sie unbedingt zusammen verbringen. Die Trennung der Schlafzimmer erschien Maria Theresia ebenso merkwürdig wie unsinnig. Da wirkte die Meldung, der Prinz habe einen geheimen Verbindungsgang bauen lassen, um unbeobachtet zu ihr zu gelangen, beruhigend. Ich bedaure, schreibt sie ihrer Tochter am 3. Oktober 1777, dass der König es nicht liebt zu zweit zu schlafen; ich halte diesen Punkt für sehr wesentlich, nicht etwa um Kinder zu haben, sondern um inniger verbunden, ungezwungener und vertrauter zu sein, weil man so alle Tage ungestört zusammen einige Stunden verbringt.59 Die Eheschließung zwischen dem Dauphin und Marie Antoinette war als großer diplomatischer Erfolg, als Schlussstein der fragilen Allianz zwischen den beiden Dynastien gefeiert worden. Dessen ungeachtet gewannen vor allem in Versailles die Stimmen, die das Bündnis kritisch bewerteten, an Gewicht. Umso wichtiger erschien es Marie Theresia, dass die Harmonie der Dynastien im Ehebett erneuert und besiegelt wurde. Gemeinsame Kinder, aber auch das gemeinsame sexuelle Erlebnis sollten Prinz und Prinzessin so eng aneinander binden, dass eine Trennung der Ehegatten wie der beiden Herrscherhäuser undenkbar wurde. Dass die beiden zunächst regelrecht nebeneinanderher lebten, erschütterte die Kaiserin dementsprechend. Bis ins Detail ließ sie sich Bericht erstatten. Wie stand es um die Gesundheit der Tochter? Trug sie figurbetonte Kleidung oder begann sie bereits rundlich zu werden und ihre weiblichen Reize zu verlieren? Wie häufig und wann bekam sie ihre Periode? Der Mutter in der Hofburg entging nichts, und was die Tochter nicht niederschrieb, wurde Maria Theresia vom Botschafter hinterbracht. Es half alles nichts: Die Kinder wollten sich nicht einstellen. Monat um Monat, Jahr um Jahr vergingen, ohne dass die erlösende Nachricht in der Hofburg eintraf. Scheu zunächst, dann immer offener deutete die Tochter

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Probleme im Sexualleben mit ihrem Manne an. Bereits am 17. Juli 1773 hatte sie ihrer Mutter mitgeteilt, dass sie die Ehe für vollzogen halte, wenn auch noch nicht in dem Maße, um schwanger zu sein.60 Was mochte dies bedeuten? Hinweise verdichteten sich, dass der König unter einer Vorhautverengung litt und daher den Geschlechtsakt nur unter Schmerzen bewältigen konnte. Eine Operation mochte Abhilfe schaffen, und Marie Antoinette drängte den Gatten sanft, aber unmissverständlich, diese vornehmen zu lassen. Ludwig XVI. indes zögerte. Kapazitäten wurden hinzugezogen und rieten ab. Zugleich blühte der Hofklatsch. Das Paar befinde sich, so Marie Antoinette am 15. Dezember 1775, in einer Epidemie von satirischen Liedern. Voller Spott gedenke man der anatomischen Insuffizienzen des Königs, während man ihr Geliebte beiderlei Geschlechts andichte.61 Die Angelegenheit wurde aus Wiener Sicht immer unangenehmer und undurchsichtiger, sodass sich der Familienverband zum Handeln entschloss: Joseph II. selbst reiste im Sommer 1777 nach Paris und blieb dort sechs Wochen.62 Am Anfang standen rührende Szenen: Bruder und Schwester umarmten sich und verharrten eng umschlungen für Minuten. Marie Antoinette war, wie sie immer wieder betonte, froh, ein Familienmitglied begrüßen zu können – deutliches Zeichen für ihre prekäre Situation in Paris. Nachdem man sich gegenseitig der geschwisterlichen Liebe versichert hatte und eine Atmosphäre des Vertrauens hergestellt war, begannen offene Gespräche. Der Kaiser wollte von seiner Schwester ebenso wie vom Schwager genaue Informationen über die Ursache des Problems. Dass er sich dabei keinerlei Zurückhaltung auferlegte, zeigte ein in derber Sprache gehaltener Bericht, den er am 10. Juni 1777 seinem Bruder Leopold sandte: Der König empfinde beim Zeugungsakt offenbar keinerlei Vergnügen. Er verharre einige Zeit im Körper seiner Frau und ziehe sich dann unverrichteter Dinge wieder zurück. Das Ganze sei einfach unbegreiflich. Ach, wenn er doch nur dabei sein könne, so der notorische Bordellgänger Joseph, er hätte es ihm schon beigebracht. Man sollte den König wie einen Esel peitschen, damit er endlich seine Pflicht erfülle. Beide, Mann und Frau, seien ausgemachte Stümper. Die Intimberatung des Schwagers zeigte Wirkung. Ludwig begab sich in Behandlung und bereits ein Jahr später kam eine Tochter zur Welt. An den Spannungen zwischen beiden Mächten veränderte dieser Erfolg nichts. Die Möglichkeiten der Ausdehnung einer affektiven familiären Gemeinschaft über die Landesgrenzen hinaus waren von der Kaiserin offenbar überschätzt worden. Politik war für sie in hohem Maße ein körperlicher Vor-

Die Rolle einer Monarchin   •   331

gang: Der Monarch hatte seinen Körper zu formen und zu beherrschen, er hatte ihn einzusetzen, um mit anderen zu kommunizieren und Emotionen auszulösen. Ihre Söhne, mehr aber noch ihre Töchter, sah sie als Erweiterung des eigenen Körpers, als geformte Leiber, über die die Kaiserin mit anderen Dynastien und Höfen in Beziehung trat. Dieses Modell krankte jedoch an den begrenzten Möglichkeiten, die verheirateten Töchter fern der Heimat weiter zu formen, und an der mangelnden Lenkbarkeit der Publikumsreaktion. Nicht nur, dass der Hof in Frankreich anderen Regeln gehorchte als der Wiener Hof, auch die Zahl jener, die die Meinung über das monarchische Auftreten bildeten, war hier sehr viel größer als in Wien. Des Königs Impotenz war nicht nur in Versailles Gesprächsthema, sondern auch in den Salons und den Gassen der Stadt, in Liedern und in den Gazetten. Die öffentliche Meinung, jene anonyme und doch so wirkmächtige Kraft, begann sich zu etablieren. In Frankreich geschah dies rascher als in Österreich, doch auch hier ließ sie sich kaum noch ignorieren. Für die öffentliche Meinung aber, an deren Bildung Bürger und Geistliche im ganzen Land teilhatten, war die eheliche Verbindung zweier Dynastien noch kein zwingendes Argument für ein bestimmtes außenpolitisches Handeln, wohl aber befriedigte die Nachricht von der Impotenz des Königs die Lust auf Sensationen. Sie wirkte wie eine Einladung, an Tabus zu rühren und das, was von der Heiligkeit des Amtes noch übrig war, zu demontieren. So entsprang die Sehnsucht nach einem Kind in Paris und Wien nicht mehr nur dem Bedürfnis, eine fleischgewordene Brücke zwischen den Dynastien präsentieren zu können, sondern auch jenem, dem Gespött auf der Straße ein Ende zu machen.

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ie Rolle einer Monarchin

Die neue Macht der Salons und Gazetten stellte eine Monarchin vor gewaltige Herausforderungen. Maria Theresia hatte stets mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, welche Reaktionen ihr Auftreten hervorrief. Im eigenen Herrschaftsbereich hatte sie Risiken öffentlicher Meinungsbildung durch rigide Sittenkontrolle und Zensur auf der einen Seite und eine geschickte Informationspolitik auf der anderen Seite zu minimieren gewusst. Leute wie van Swieten wussten das öffentliche Bild der Kaiserin zu lenken. Mit Repression und Propaganda allein war es jedoch nicht getan, wie die

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Kaiserin ihrer Tochter einschärfte. Als Königin musste sie alles vermeiden, was einen Skandal provozieren konnte. Anlässlich des Paris-Besuchs ihres Bruders Franz Maximilian im Jahre 1775 hatte Marie Antoinette auch mit dem unvermeidlichen Graf Rosenberg konferiert.63 Der enge Vertraute der Kaiserin besaß offenbar eine besondere Gabe, die ohnehin redselige Königin zu einem munteren und offenen Gespräch zu animieren. Im Gefolge der Unterhaltung schrieb sie ihm noch zwei Briefe, die deutlich machten, warum die Königin im Hof in Versailles nur wenige Freunde hatte: Offenherzig berichtete sie davon, wie sie den König manipulierte, missliebige Minister vom Hof entfernte oder ihnen ein anderes Ressort zuwies. Rosenberg war fassungslos und übergab den Schriftverkehr an die Kaiserin und Joseph II. Beide reagierten mit schroffen Verweisen an die Königin von Frankreich, besonders deutlich wurde dabei der ohnehin misogyne Joseph: Wie könne seine Schwester, die sich außer für Mode eigentlich für nichts interessiere, es wagen, sich in Staatsgeschäfte einzumischen. Für dergleichen Angelegenheiten besitze sie nicht die Ausbildung und habe auch nie Anstalten gemacht, dieses Defizit auszugleichen. Das Schlimmste aber sei, dass sie ihre Intrigen so entsetzlich ungeschickt ins Werk setze. Wenn die Briefe, die nach Wien gesandt wurden, in falsche Hände gerieten, so werde sie dies in den Ruin treiben. Maria Theresia stimmte dem ausdrücklich zu und verglich die Vorgehensweise der Tochter mit jener der du Barry, der von Marie Antoinette so gehassten Maitresse Ludwigs XV. Es war dieser Vorwurf, der die Königin, die Madame du Barry wiederholt als Inbegriff einer verworfenen Frau beschrieben hatte, bis ins Mark treffen musste. Maria Theresia wiederholte ihn in abgeschwächter Form noch einmal in einem Schreiben vom 31. August 1775: Marie Antoinette habe aufgrund ihrer Geburt und durch Ratschluss der Vorsehung eine Rolle zu spielen, die den Maitressen nie zugekommen sei, was sie bislang jedoch kaum vermocht habe. Sie habe intrigiert, ihren Mann vernachlässigt, aufwendige Kleidung getragen und überhaupt das Geld mit vollen Händen ausgegeben. All dies seien willkommene Anknüpfungspunkte für Gerüchte und Verschwörungen. Maria Theresia warnte davor, dergleichen Entwicklungen als Geschwätz abzutun. Die Throne Europas hatten, wie sie aufmerksam registrierte, längst zu wanken begonnen. In einem Brief an ihre Tochter vom 2. Juni 1775 kommt sie auf Unruhen in der französischen Provinz zu sprechen und dass in Böhmen Ähnliches geschehe. Die Anlässe seien zwar andere – in Frankreich pro-

Der Hof der Frauen   •   333

testierten Bauern gegen zu hohe Brotpreise, in Böhmen gegen Frondienste –, die Ursachen jedoch dieselben: (...) das ist also die Folge unseres aufgeklärten Jahrhunderts. Ich seufze oft darüber, aber die Verderbnis der Sitten, diese Gleichgültigkeit gegenüber allem, was unsere heilige Religion betrifft und diese unablässige Vergnügungssucht sind die Ursachen aller dieser Übel.64 Mit Sorge lese sie daher die Berichte über die Ausritte ihrer Tochter und ihren Umgang mit zum Teil zweifelhaften Personen. Der Glaube der Untertanen an eine von Gott gegebene Ordnung war nach ihrer Wahrnehmung durch Kritik der Aufklärer und das Verhalten der Eliten ins Wanken geraten. In dieser Situation bedürfe es nur eines kleinen Anlasses, um Aufstände auszulösen. Marie Antoinettes Verhalten erschien ihr unter diesem Gesichtspunkt als ausgesprochen gefährlich.

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er Hof der Frauen

Skandale gab es am Hof Maria Theresias nach dem Tod ihres Gatten 1765 kaum noch. Die schwarz gekleidete, sittenstrenge Kaiserin war von einem kleinen Kreis von Damen umgeben. Ihre Kammerdienerin Josepha von Guttenberg sowie ihre Kammerfrauen Christina von Lanz und Theresia Freiin von Grasse waren mit ihr in ständigem Kontakt und beeinflussten sie vor allem, wenn es um Petitionen ging, bei denen geringere Geldbeträge erbeten wurden.65 Zwei Töchter waren unverheiratet geblieben und lebten ebenfalls in Wien, was bei beiden physische Ursachen hatte. Maria Anna litt unter extremer Wirbelsäulenverkrümmung, Maria Elisabeth (1743–1808), einst die schönste der Töchter, galt nach einem Pockenbefall als auf dem Heiratsmarkt nicht mehr vermittelbar. Ein Versuch, sie dem bereits 60-jährigen Ludwig XV. als Ehefrau anzudienen, scheiterte an französischem Desinteresse.66 So glich das Leben der beiden ledigen Töchter, wie Wraxall spottete, eher dem von Nonnen als von kaiserlichen Prinzessinnen.67 Die Kaiserin erwartete von ihnen vor allem Unterstützung bei ihren geistlichen Übungen, die stundenlang dauern konnten. Während die Kaiserin an Bällen und sonstigen Vergnügungen zumindest als Zuschauerin teilnahm, zog sich Maria Anna fast

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völlig aus der Öffentlichkeit zurück. Hoch verschuldet und intrigant, klagte Leopold, mische sich die Erzherzogin im intimen Verkehr mit ihrer Mutter jedoch laufend in Regierungsgeschäfte ein. Maria Elisabeth hingegen hielt den Hof mit der Verbreitung von Gerüchten in Atem. Der rauhe Umgangston der Mutter und die Eifersucht der Schwestern um deren Gunst machten diesen Mikrokosmos für Außenstehende geradezu unerträglich. Die einzige, die die Beteiligten beruhigen und lenken konnte, war Maria Christina. Sie war auch die einzige Tochter, die sich ihren Ehemann hatte selbst aussuchen dürfen. 1765 hatte sie sich der Mutter anvertraut, und die hatte tatsächlich die Eheschließung mit dem mittellosen Albert Kasimir von Sachsen-Teschen befürwortet.68 Für den Kandidaten sprachen sein tadelloses Benehmen, seine Loyalität und seine komplette Abhängigkeit vom Haus Habsburg. Maria Theresia ließ das Paar in Pressburg residieren – die Ungarn sollten in den Genuss einer eigenen Residenz kommen, ohne dass die Gefahr allzu großer Selbstständigkeit der dort Residierenden bestand. Die strahlende und machtbewusste Maria Christina verfügte über die bemerkenswerte Fähigkeit, Einfluss auf ihre Mutter auszuüben. Geschickt wusste sie deren Schwächen auszunutzen: Sie hörte ihr zu, pflichtete ihrem Urteil lebhaft bei und wusste auch, wann es ratsam war, Widerspruch zu äußern. Meist ging es ihr um Zuwendungen für Klienten aus der kaiserlichen Schatulle – in aller Regel hatte sie Erfolg. Dieser Hof der Frauen, der Kaiser Joseph zutiefst irritierte und abstieß, war in seiner Abgeschiedenheit und Düsternis sicher so skandalfrei und langweilig, wie man es sich nicht vorstellen möchte. Aus dieser Position die Vergnügungssucht der an fremde Höfe verheirateten Töchter zu kritisieren war wohlfeil, wie diese immer wieder betonten. Immerhin hatte man in Parma, Neapel und Paris Ansprüche an sie, die sie nicht einfach ignorieren konnten. Die eigene Rolle als Monarchin durch kluge Distanzwahrung zu erfüllen erschien ihnen kaum als realistische Option. Doch gab es Alternativen? Wo lag die Zukunft der Dynastie, für deren Erhalt die Kaiserin Jahrzehnte gekämpft hatte? Dass es das von Joseph gelebte Modell des aufklärenden Reisekaisers war, bezweifelte Maria Theresia. Gewiss, der unruhige Monarch war ein meisterhafter Produzent positiver Nachrichten, die sich rasch verbreiteten. Er ließ sich als zeitgemäßer, reformorientierter, fürsorgender Fürst feiern. Seine Mutter sah dieses Tun jedoch kritisch, da die Reisen des Kaisers das Versprechen einschlossen, die Menschen, die er traf, auch anzuhören: Joseph II. erzeugte Erwartungen, deren Erfüllbarkeit die Kaiserin bezweifelte. Dass Handlungsbedarf bestand, war auch ihr klar.

Maria Theresia Die Reformerin

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er merkwürdige Fürst Kaunitz

Er sei in die Hofburg gekommen, um die Affären Seiner Majestät mit ihr zu besprechen und nicht seine eigenen. Die selbstbewusste Antwort des Staatskanzlers bezog sich auf die pikante Frage der Kaiserin, die Kaunitz auf seine Frauengeschichten angesprochen hatte. Es wurde sogar behauptet, dass er Kurtisanen in der Kutsche warten ließ, während er sich mit Maria Theresia besprach. Ob der Dialog zwischen den beiden je stattgefunden hat oder ob es sich um eine frei erfundene Anekdote handelt, ist unklar. Die Geschichte kursierte in den Salons Wiens, wurde dem englischen Reisenden Nathaniel Wraxall1 erzählt und von diesem aufgeschrieben. Sie gibt Auskunft weniger über das tatsächliche Verhältnis zwischen der Kaiserin und dem Staatskanzler als vielmehr darüber, wie es von Zeitgenossen wahrgenommen wurde. Offenbar war der Wiener Adel davon überzeugt, dass Kaunitz Dinge erlaubt waren, die jeder andere mit harten Verweisungen hätte büßen müssen. Die Gegensätze zwischen der Monarchin und ihrem ersten Diener hätten in der Tat größer nicht sein können. Der gertenschlanke, stets in die neueste Mode gehüllte Kaunitz liebte es, bis zur Mittagszeit im Bett zu verweilen, hatte panische Angst vor Zugluft und verbat sich schon die Erwähnung tödlicher Krankheiten. Bei jedem Anzeichen einer Infektion erzitterte dieser Mann, der auf dem politischen Parkett eiserne Nerven bewies. Für seine sexu­ellen Eskapaden war er in ganz Wien berüchtigt. Wer auch immer der Gott sein mochte, an den er glaubte, er hatte wohl kaum Ähnlichkeiten mit dem strengen Allmächtigen, dem Maria Theresia ihr Leben geweiht hatte. Kaunitz’ Arroganz war sprichwörtlich. Er konnte seine Gegner durch Miss­ achtung und Schweigen in Fassungslosigkeit versetzen oder sie durch stundenlange Monologe zermürben (s. Abb. 20).

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Eine weitere immer wieder kolportierte Anekdote, die vermutlich auf den französischen Diplomaten und Schriftsteller Jean-François de Bourgoing (1748–1811) zurückgeht, dokumentiert, für wie kühn, ja revolutionär seine Zeitgenossen Kaunitz hielten.2 Die Geschichte spielt 1782 zur Zeit des Wien-Besuchs Papst Pius’ VI. – also zwei Jahre nach dem Tod Maria Theresias. Da der Fürst es vermieden habe, dem Papst seine Aufwartung zu machen, habe dieser den Staatskanzler besucht. Das Benehmen des Besuchten habe alle negativen Erwartungen in den Schatten gestellt: Nicht nur, dass Kaunitz den Papst nicht am Eingang erwartet habe, er sei diesem im Morgenmantel entgegengeschritten, habe ihm die Hand gereicht, statt jene des Papstes zu küssen und begonnen, Pius VI. durch seine Gemäldesammlung zu führen. Seine Heiligkeit sei auf dieses oder jenes Detail hingewiesen worden, Kaunitz habe ihn auf den richtigen Betrachtungswinkel aufmerksam gemacht und es gar gewagt, ihn sanft in die richtige Position zu ziehen.3 Diese bemerkenswerte Geschichte weist dem Staatskanzler gleichsam die Rolle eines Vorrevolutionärs zu, eines Weltenzerstörers, der durch sein Tun den Respekt der Untertanen gegenüber der Heiligen Mutter Kirche zerstört habe. Alles Unheil, das dem folgte, war gottlosen Aufklärern wie ihm zuzuschreiben. Wie jede gut erfundene Geschichte knüpft auch diese an Geschehenes an. Tatsächlich hatte Kaunitz darauf gedrängt, die Macht der Kurie über den österreichischen Klerus zu beschränken. Unbestreibar war auch des Staatskanzlers Stolz auf die Kulturblüte Wiens, die nicht zuletzt seinem Wirken zu verdanken war. Kaunitz hatte als Sammler, Mäzen und als Reorganisator von Hofbauamt und Akademie Bemerkenswertes geleistet.4 Die Vorstellung, dass er als Vertreter des neuen Roms dem Papst als dem personfizierten alten Rom eitel seine Kunstschätze präsentierte und ihn zugleich machtpolitisch demütigte, entbehrte somit nicht einer gewissen Plausibilität.5 Sie lässt indes die ängstliche Penibilität außer Acht, mit der Kaunitz jeglichen Skandal im Verlauf des Besuchs zu verhindern suchte. Den brillanten, schillernden Fürsten Kaunitz umgab ein Nebel von Gerüchten und Anekdoten. Das hatte gewiss mit seiner Persönlichkeit zu tun, mehr aber noch mit seiner Politik, denn Kaunitz rüttelte an den Grundfesten der alten Ordnung und machte sich damit mächtige Feinde. Seine Erfolge, die es durchaus gab, waren auf sein Geschick, mehr aber noch auf die Protektion Maria Theresias zurückzuführen: Ausgerechnet jene Monarchin, die den Protestantismus fürchtete, jüdische Minderheiten als Pest ihres Reiches be-

Wege aus dem Schuldenstaat   •   337

zeichnete, Aufklärer als Staatszerstörer geißelte und stundenlang den Herrn um Vergebung für ihre Sünden anflehte, hielt ihre Hand über Kaunitz. Das Verhältnis zwischen beiden war kompliziert. Maria Theresia förderte prinzipiell Personen und nicht Positionen. Sie forcierte Meinungsbildungsprozesse, entschied Fragen aber erst dann, wenn Widerspruch unwahrscheinlich und Opposition zum Scheitern verdammt war.6 Mehr als einmal ließ sie Reformprojekte des Staatskanzlers ins Leere laufen. Jede Niederlage von Kaunitz aber barg – vor allem in den letzten Jahren der Regentschaft der Kaiserin – die Gefahr, dass der Staatskanzler demissionierte. Seine Reaktion war ohnehin schwer einzuschätzen, da er dem Hof zum Unwillen seiner Herrin so oft wie möglich fern blieb. Sie, die ihre engsten Vertrauten in einem Mikro­ kosmos um sich zu versammeln pflegte – aus wohlerwogenem politischen Kalkül – und großen Wert auf persönliche, emotionale Bindungen legte, wurde von Rücktrittsdrohungen daher unvermittelt getroffen. Auf Kaunitz zu verzichten, war für sie aber längst unmöglich geworden. Immer wieder versicherte sie ihn ihrer Wertschätzung und Bewunderung, ohne ihn könne sie die Last der Krone nicht tragen. Dass sie die Expertise des Staatskanzlers tatsächlich zu schätzen wusste und für ihn sogar persönliche Sympathie empfand, war hier eher nebensächlich – entscheidend war der Machtzuwachs ihres Sohnes innerhalb des habsburgischen Verwaltungsapparats. Nur der Staatskanzler und seine Netzwerke waren noch in der Lage, Joseph II. in Schach zu halten. Ginge er oder schlüge er sich auf die Seite des Thronfolgers, drohte sie in die Position einer bloßen Zuschauerin gedrängt zu werden.

W

ege aus dem Schuldenstaat

Neun Bände umfasste das Werk. Der Hauptbuchhalter Ihrer Majestät hatte es im Auftrag des Grafen Ludwig von Zinzendorf 1763 erstellt. Am Ende des Siebenjährigen Krieges stellte die Zentralverwaltung ihre neu erworbene Fähigkeit zur Informationserhebung und Datenauswertung unter Beweis. Die Monarchin und ihre Räte sollten erstmals gesicherte Informationen über die finanzielle Situation der Krone und darüber, in welchem Maße der Krieg die Kassen Maria Theresias belastet hatte, erhalten. Dass kaum Erfreuliches zu vernehmen sein würde, war allen Beteiligten klar – die Donaumonarchie war an den finanziellen Belastungen des Siebenjährigen Krieges nahezu zerbrochen. Es hatte fiskalischer Notmaßnahmen und einer

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intensivierten Kooperation mit den Ständen bedurft, um dem Kollaps zu entgehen. Dass die Bilanz indes so niederschmetternd ausfallen würde, traf den Staatsrat dennoch unvorbereitet.7 Zinzendorf gewährte der Kaiserin Einblick in die finsteren Abgründe des habsburgischen Schuldenstaats. Der Gesamtschuldenstand Ihrer Majestät hatte sich vom bereits beunruhigenden Niveau von 118 Millionen Gulden im Jahre 1756 auf astronomische 285 Millionen Gulden im Jahre 1763 erhöht. Dieser Schuldenberg wuchs selbst in Friedenszeiten jährlich um 7,5 Millionen Gulden an – allein die Zinslast drohte die Krone zu erdrosseln. Was war zu tun? Die Kaiserin ersuchte um Vorschläge.8 Diesmal war es an Kaunitz und seinen Klienten, Lösungen zu erarbeiten – immerhin besaßen sie die Mehrheit im Staatsrat. Zunächst suchte die habsburgische Expertenriege von Ländern zu lernen, die mit ähnlichen Problemen fertig geworden waren. In Europa konnte dies nur von einer Monarchie behauptet werden: England hatte mit der Einrichtung einer Zentralbank die permanente Drohung eines Staatsbankrotts abwenden können. Der Ausweg, den Parlament und Krone in London gefunden hatten, bestand darin, dass der König künftig nur dann Kredite aufnehmen konnte, wenn das Unterhaus die Zahlung der Zinsen garantierte. Der Gläubiger konnte also sicher sein, seine versprochene Rendite auch tatsächlich zu erhalten. Organisiert wurde die Krediterhebung durch die Bank of England, die damit über gewaltige Marktmacht verfügte und für die Krone die besten Zinskonditionen aushandeln konnte. Ähnliches schwebte Zinzendorf nun für Österreich vor.9 Auch die Donaumonarchie sollte eine Nationalbank, die sogenannte Länderbank, erhalten, deren Kredite durch die Stände zu garantieren waren. Zudem sollte durch die Einrichtung eines freien, zentralisierten, regelhaften Handels mit Wertpapieren, das heißt einer Börse, der Preis für Staats­anleihen auf einen marktüblichen Wert fixiert werden.10 Überteuerte Kredite sollten für die Krone endgültig der Vergangenheit angehören. Der Jubel über dieses Vorhaben hielt sich in Grenzen. Die Stände etwa zeigten sich nicht begeistert, künftig für die Geldwünsche der Kaiserin haften zu müssen. Es gab zudem eine Reihe von Gruppen und Institutionen, die vom bisherigen System der Geldbeschaffung profitiert hatten. Sie begannen die Hofburg nun mit Protesten zu bombardieren und katastrophale Folgen an die Wand zu malen, sollte dieser Plan tatsächlich umgesetzt werden. An die Spitze der Kritiker stellte sich ein alter Bekannter des Reformers: Karl Friedrich Graf Hatzfeld (1718–1793), der wie Zinzendorf dem Umkreis Kaiser Franz Stephans entstammte. Während Zinzendorf jedoch der neu

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eingerichteten Hofrechenkammer vorstand und die Protektion des Staatskanzlers genoss, war Hatzfeld als Präsident der Ministerial Banco Deputation eng mit den bisherigen Strukturen der Geldbeschaffung verbunden. Er stand Kaunitz zunehmend distanziert gegenüber. Sein Protektor war der kommende Mann der Monarchie, Joseph II. Hatzfeld bemühte sich um ein schlüssiges Gegenkonzept, das dieselben Ziele erreichte wie die von Zinzendorf vorgeschlagenen Maßnahmen, die zu erwartenden politischen Widerstände jedoch minimierte. Anders als sein Rivale legte er der Kaiserin eine freundlichere Berechnungsgrundlage vor, der überraschende Botschaften zu entnehmen waren: Die finanzielle Situation der Monarchie war danach nicht annähernd so dramatisch, wie es Zinzendorf dargelegt hatte. In Friedenszeiten könnten die Einnahmen die Ausgaben durchaus decken, sofern es gelinge, die Zinslast der Krone zu vermindern. In Kriegszeiten könne Liquidität durch die Emission von Papiergeld und Zwangsanleihen gesichert werden. Der Streit zwischen Zinzendorf und Hatzfeld zog sich bis 1773 hin. Es war ein Streit zwischen Konzepten, zwischen Interessengruppen, Institutionen, aber auch Personen. Die beiden führten einen erbitterten Stellvertreterkrieg, während Kaunitz und Joseph II. im Hintergrund um Dominanz im Staatsrat rangen. Die Kaiserin, die mit Beunruhigung die Machtgelüste ihres Sohnes registrierte, neigte dem Staatskanzler zu. Tatsächlich schien Zinzendorfs wegweisendes Konzept einige Male kurz vor dem endgültigen Triumph zu stehen. Es gab jedoch eine ganze Reihe von Faktoren, die dies verhinderten. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung war etwa die Pockenerkrankung der Kaiserin im Jahre 1767.11 Mitten in der Entscheidungsbildung fiel die wichtige Unterstützerin des Reformers aus, während Zinzendorfs Wider­ sacher, der Kaiser, die Leitung der Regierungsgeschäfte übernahm. Josephs II. Position war noch aus einem anderen Grund gestärkt: Er hatte das Erbe seines Vaters zur Verfügung gestellt, um aus der Schuldenfalle herauszukommen. Es handelte sich um die beeindruckende Summe von achtzehn Millionen Gulden. Der Betrag reichte für eine Umschuldungsinitiative aus. Die Kreditverträge der Krone wurden, soweit dies rechtlich möglich war, gekündigt. Den bisherigen Inhabern der Schuldverschreibungen wurde die Wahl gelassen: Entweder sie beanspruchten die Rückzahlung des geliehenen Betrags oder zeichneten neue Anleihen, die jedoch nur noch mit vier statt wie bisher mit rund sechs Prozent verzinst wurden. Das Kalkül hinter diesem riskanten Manöver war denkbar einfach: Indem sie mit einer hohen Kapitalreserve auf dem Markt auftrat und selbstbewusst ihre Zahlungsfähigkeit

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unter Beweis stellte, erwarb die Krone das wichtigste aller ökonomischen Güter: Vertrauen. Wenn sie über eine derart hohe Liquidität verfügte, dann waren ihre Anleihen offenbar sicher, und es gab eine Reihe von Marktteilnehmern, die genau diese Form von Investitionen suchte. Die hochspekulative Aktion war tatsächlich von Erfolg gekrönt: Die Krone konnte ihre Zinslast mit einem Schlag deutlich vermindern.12 Zinzendorf hatte für sein Modell stets mit dem Argument geworben, dass die Krone nur mit der Einrichtung einer Nationalbank das Vertrauen der Märkte erwerben könne – nun wandte Hatzfeld genau diese Begründung gegen ihn. Nach einem solchen Erfolg das System der Anleihenerhebung grundlegend zu ändern und Institutionen von hoher Bonität wie die Wiener Stadtbank zu marginalisieren, würde die Märkte nur verunsichern. Es sei besser, den beschrittenen Weg weiterzugehen und die Zinslast allmählich zu reduzieren. Die Kaiserin lenkte ein, und Hatzfelds Konzept wurde 1769 angenommen, während Zinzendorf mehr und mehr ins politische Abseits geriet. Er verlor an Einfluss und mit ihm die von ihm geleitete Hofrechenkammer, die 1773 ihre Unabhängigkeit einbüßte. Zwei Jahre später legte Hatzfeld erstmals ein Budget vor, mit dem ein Überschuss erzielt wurde.13 Verglichen mit anderen Staaten Europas war dieses Ergebnis zweifellos grandios – Maria Theresia und ihr Koregent hatten die finanzielle Handlungsfähigkeit der Monarchie gemeinsam wiederhergestellt. Zudem waren mehrere Struktur­ änderungen einvernehmlich durchgesetzt worden, so die Einrichtung der Wiener Börse 1771 oder die verstärkte Emission von Banknoten. Gleichwohl war erkennbar geworden, dass der Antagonismus zwischen Mutter und Sohn das Potential besaß, die Monarchie lahmzulegen und jeder Entscheidungsfähigkeit zu berauben. Das führte zu Frustrationen auf beiden Seiten und stärkte die strukturkonservativen Kräfte im Reich. Sie waren die zweiten Gewinner des Finanzkompromisses, immerhin waren mit der Nationalbank, die ein papierener Traum blieb, und der Hofrechenkammer, deren Tage als unabhängige Revisionsinstanz gezählt waren, zwei Institutionen zu Grabe getragen worden, in die die Reformer ihre Hoffnungen gesetzt hatten.

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aria Theresia und ihre Kirche

»Wenn wir wollen, dass alles bleibt, wie es ist, dann ist es nötig, dass sich alles verändert.« Der Satz stammt nicht von Maria Theresia, sondern

Maria Theresia und ihre Kirche   •   341

einem 1958 veröffentlichten Roman. Giuseppe Tomasi di Lampedusa legt ihn seiner Romanfigur Fürst Tancredi in den Mund. Die Situation, mit der der Autor seinen »Leoparden« im Italien des Risorgimento konfrontiert, ähnelt frappierend jener der alternden Monarchin. Europa veränderte sich. Angesichts der immer größer werdenden Heere, der immer höheren Staatsausgaben, des sich rasant wandelnden europäischen Gleichgewichtssystems konnte das Haus Habsburg als Schutzmacht der Heiligen Mutter Kirche und Garantin der europäischen Ordnung nur dann bestehen, wenn es sich anpasste. Der Erfolg schon der Haugwitz’schen Reformen deutete in den Augen der Monarchin darauf hin, dass Gott selbst diesen Wandel wollte. Maria Theresia zeigte auch in der Folgezeit wenig Scheu, mit Vertretern der Aufklärung zu kooperieren. Das neue Denken wurde von ihr ohnehin nur insoweit abgelehnt, als es die Grundfesten des Glaubens anzweifelte. Im Sinne eines neuen Wissenssystems, das alte Denkmuster durchbrach, Fakten neu ordnete und neue Handlungsmuster vorgab, war ihr die Aufklärung durchaus willkommen, solange deren Vertreter die von ihr gesetzten Grenzen akzeptierten. Kaunitz war in dieser Beziehung ausgesprochen geschickt. Selbstverständlich, versicherte er seiner Kaiserin, sei die katholische Lehre die allein selig machende. Auch sei nicht zu bestreiten, dass es ihre Pflicht sei, die nicht Katholischen zum Heil zu bekehren. Was immer er tue, tue er zum höheren Ruhme Gottes – wohl wissend, dass die Kaiserin es liebte, ihre engsten Vertrauten als Gesandte des Herrn zu preisen. Die Treue zur Heiligen Mutter Kirche könne indes nicht bedeuten, dass die Kaiserin aus Liebe zu ihr sich aller Mittel begibt, sie zu verteidigen. Der Staat der Habsburger müsse stark sein, um seine Aufgaben erfüllen zu können. In den Jahren 1768 und 1769 setzte Kaunitz sich in drei Schriften ganz in diesem Sinne mit dem Verhältnis zwischen Staat und Kirche auseinander. Im Ergebnis billigte er der Geistlichkeit in religiösen Fragen und damit in allem, was die Ewigkeit betrifft, die alleinige Kompetenz zu. Für alle Fragen, die den sterblichen Leib des Menschen betreffen, zeichne indes die Krone verantwortlich, und zwar ohne Störung von kirchlicher Seite.14 Bereiche, in denen Geistlichkeit und Obrigkeit zusammenwirkten, waren demnach künftig dem Zuständigkeitsbereich zuzuordnen, dem sie eigentlich zugehörten – in aller Regel der Krone.15 Bislang waren zahllose arbeitsfähige junge Männer als Mönche dem Arbeits- und Fortpflanzungsprozess entzogen. Auch verfügte die Kirche über erheblichen Landbesitz. In der Regel war dieser steuerlich privilegiert –

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auch dies grundlos, wie Kaunitz ausführte, da diese Besitzungen nach wie vor Ober­eigentum der Krone seien. All dies habe dazu beigetragen, dass die Wirtschafts- und Steuerlast der Monarchie hinter jener ihrer protestantischen Konkurrenten zurückblieb. Das galt es zu ändern. Der Staatskanzler stand keineswegs allein mit seinen Forderungen. Maria Theresia hatte bereits um 1750 in ihren »Instruktionspunkta« die zahlreichen Schenkungen an die Kirche als einen Grund für den Niedergang des Reiches benannt. Ab 1751 waren erste Schritte unternommen worden, die wirtschaftlichen Belastungen durch die katholische Frömmigkeit zu vermindern. So gelang im Einvernehmen mit der Kurie und den heimischen Bischöfen eine Verringerung der Zahl an Feiertagen. Auch wurde der Übergang von weltlichem Besitz in geistliche Hände weitgehend unterbunden, zudem wurden erste Korrekturen an den Diözesangrenzen vorgenommen. Bischöfe sollten künftig nur noch einer Person Treue schulden, dem habsburgischen Landesherrn.16 Mit dem Ende des Siebenjährigen Krieges und der damit verbundenen Finanzkrise nahm der Problemdruck zu. Die Krone forderte weitere Zugeständnisse, die zunächst in der Lombardei durchgesetzt wurden. Dort hatte die Kaiserin eine bemerkenswert starke Rechtsstellung gegenüber dem Klerus und wusste diese auch zu nutzen. So wurden Steuerprivilegien aufgehoben und Klöster aufgelöst. Kaunitz suchte diese Maßnahmen auf das ganze Reich und Ungarn auszudehnen. Dabei wurden die von ihm erhobenen Forderungen immer radikaler: Sie umfassten eine grundlegende Veränderung der ­Diözesanstruktur, die ab 1771 stattfand, und den Erlass eines Mindestalters für den Eintritt in ein Kloster.17 Maria Theresia zügelte ihren Kanzler allenfalls, wenn es um die Form ging. Sie bevorzugte Gespräche mit der Kurie gegenüber Majestätsbefehlen und versuchte Kaunitz’ Wortwahl zu mäßigen. Inhaltlich bestanden kaum Unterschiede zwischen beiden. Maria Theresia war überzeugt, Gottes Werk zu tun. Jene, die ihr dies bestätigten, hatten zunehmend ihr Ohr gefunden. Schon 1767 hatte sie ihren jesuitischen durch einen jansenistischen Beichtvater abgelöst.18 Die Überzeugung, die Kirche habe sich auf Seelsorge und Predigt zu beschränken, wurde ihr nun täglich nahegebracht.19 Mit der neuen Distanz zum Klerus öffneten sich politische und personelle Gestaltungsräume. Bis dahin hatte der Klerus ein unentbehr­ liches Bindeglied zwischen Volk und Krone gebildet – wer sollte diese Aufgabe nun übernehmen, und welche politischen Ziele sollte diese Funktionselite verfolgen?

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Der neue Blick auf das Volk   •   343

er neue Blick auf das Volk

Joseph von Sonnenfels (1732/33–1817) war als Sohn eines Übersetzers und Enkel des Landesrabbiners von Brandenburg im mährischen Nikolsburg zur Welt gekommen. Zunächst hatte er den Beruf eines katholischen Geistlichen angestrebt, sich dann als Soldat betätigt und schließlich die Rechte studiert. Daneben versuchte sich der sprachbegabte junge Mann als Schriftsteller und schrieb Elogen auf die Kaiserin. Geschickt wusste er sich als Kämpfer für die hochdeutsche Sprache,20 als kaisertreu, katholisch und antiklerikal zu präsentieren. Als wichtigste Qualifikation aber konnte er kameralistische Kenntnisse vorweisen. Die außerhalb des deutschen Sprachraums unbekannte Wissenschaft der Kameralistik versprach den Fürsten des Alten Reiches das, dessen sie am dringendsten bedurften: Geld. Der Fokus lag auf der Frage, wie das Staatssäckel am besten zu füllen war.21 Auch Maria Theresia war an Antworten interessiert und zeigte sich bereit, dem Drängen ihres Staatskanzlers Kaunitz nachzugeben und einen Lehrstuhl für Kameral- und Policeywissenschaften an der Universität Wien einzurichten. Mit Sonnenfels konnte Kaunitz auch gleich den geeigneten Kandidaten präsentieren. Der junge Mann hatte beim renommierten Kameralisten Johann Heinrich Gottlob Justi (1717–1771) studiert und besaß die Fähigkeit, die Unmasse an Fachliteratur pädagogisch so aufzubereiten, dass eine neue Generation von Staatsdienern sie verstehen konnte.22 Er war damit prädestiniert, einer habsburgischen Verwaltungselite, die zunehmend zentral in Wien ausgebildet wurde, ein gemeinsames Wahrnehmungs- und Verhaltensraster nahezubringen, ob die Absolventen nun Ungarn, Böhmen, Italiener oder Österreicher waren. 1763 war es so weit: Sonnenfels wurde der erste Inhaber eines Lehrstuhls, der von nun an als Beamtenschmiede der Monarchie fungierte. Das Interesse von Staatsrat und Kaiserin war groß – die Kameralwissenschaften waren ein Renommierprojekt. Mit viel Geschick wusste Sonnenfels dies zu nutzen: Es galt, der ungeduldigen Kaiserin rasch Ergebnisse vorzulegen, und dies tat er bereits 1765 mit der Veröffentlichung des ersten Bandes seiner »Grundsätze der Policey«. Das künftige Standardwerk war mit heißer Feder geschrieben, inhaltlich eine entschärfte Version der Werke Justis – die zuständige Hofkommission zögerte nicht mit der Empfehlung, das Manuskript noch einmal zu überarbeiten. Die Kaiserin wollte davon nichts wissen, das Werk sollte so rasch als möglich in den Druck gehen.

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Erstmals konnten die angehenden Verwalter der Donaumonarchie lesen, was ihre Aufgaben sind und welche Ziele sich der habsburgische Staat setzt. Am Anfang steht die Frage, was mit dem Begriff Policey eigentlich gemeint ist. Was macht die gute Ordnung eines Staates aus? Sonnenfels gibt auf diese Frage eine kurze, aber prägnante Antwort: Die Grundsätze, die innere Sicherheit zu gründen und zu erhalten, lehrt die Policeywissenschaft.23 Sicherheit und damit Berechenbarkeit waren das Kernanliegen der Staatswissenschaft. Zu erstreben sei eine Zustand, in dem der Staat ebenso wie der Bürger nichts zu fürchten habe. Um dies zu erreichen, bedarf der Staat vor allem hinreichender Ressourcen. Die wichtigste ist nach Ansicht von Sonnenfels die Bevölkerung: Nur bevölkerungsreiche Staaten verfügen über genügend Soldaten, um sich verteidigen zu können, und über genügend arbeitende Hände, die seinen Reichtum vermehren.24 Der Mensch, der einzelne Untertan, stellt in der Vorstellung von Sonnenfels einen zentralen ökonomischen und politischen Wert dar, der nicht brachliegen darf. Der Staat muss sich um ihn kümmern und ihn in den Stand versetzen, für das Gemeinwohl zu wirken. Sonnenfels plädierte vor allem für eine Hebung der Bildung und der Lebensverhältnisse der ärmeren Bevölkerungsteile – sie sollten die Fürsorge des Staates spüren, um sich ihm verbunden zu fühlen, aber auch, um ihre Arbeit möglichst ertragreich zu gestalten. Bildungsinstitutionen waren, wie Sonnenfels verdeutlichte, eine gute Geldanlage, denn nur gebildete Menschen können als Handwerker oder als Bauern ihren Beruf mit hinreichendem Geschick ausüben. Der neue Elitenerzieher der habsburgischen Monarchie erklärte damit die Errichtung von Schulen und anderen Ausbildungsstätten zu einer Zentralaufgabe des Staates, die keineswegs geistlichen Orden übertragen werden durfte.

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er Weg zur Schulreform

Die Schulpolitik war bis dahin alles andere als eine habsburgische Erfolgsgeschichte gewesen. Schon in der Regierungszeit Karls VI. hatten die Habsburger warme Worte darüber verloren, wie sie sich eine dörfliche Schule vorstellten. 1735 hatte der Kaiser ein Statut erlassen, in dem Mindeststandards für die Lehrerausbildung und rudimentäre Lehrpläne festgelegt waren. So hatte der Landesfürst den Lehrenden ans Herz gelegt, ihre Schüler nicht mit Wissen vollzustopfen, sondern sie zu befähigen, ein eigenes Urteil zu

Der Weg zur Schulreform   •   345

bilden. Doch Papier ist geduldig – in der Realität war das Schulsystem auf den Dörfern noch immer lückenhaft und stark von den religiösen Vorstellungen der Geistlichen geprägt. Änderungen in diesem Bereich schienen kaum Erfolgsaussichten zu haben. Ein Vorstoß der mährischen Städte, Realschulen einzurichten, in denen die Schüler vermehrt mit Buchhaltung und technischen Berufen vertraut gemacht werden sollten, verlief nach hoffnungsvollem Beginn schließlich im Sande.25 Selbst der renommierte und einflussreiche Johann Anton von Pergen (1725–1814), der 1766 den Auftrag erhielt, der Bildungspolitik der Monarchie neue Impulse zu geben, konnte wenig ausrichten. Pergen hatte die Kaiserin gedrängt, sowohl im Bereich der Elitenausbildung als auch bei der Gymnasial­ bildung künftig auf geistliche Lehrer zu verzichten. Die Schulpolitik müsse in die Verantwortung des Staates gelangen. Obwohl sich Joseph II. vehement für Pergen einsetzte und auch Maria Theresia ihm in der Sache Recht gab, vermied sie eine Machtprobe mit den mächtigen Ordensgeistlichen und verschleppte eine Entscheidung. Auch Pergen, der zu den einflussreichsten Beratern der Kaiserin zählte, wurde schließlich aus dem Staatsrat gedrängt und auf andere Tätigkeitsfelder verwiesen.26 Dass der Stillstand schließlich doch der Bewegung wich, hatte mit einem Ereignis zu tun, dessen Eintreffen von den Zeitgenossen schon seit Jahren erwartet worden war: Die Jesuiten hatten vor allem in Übersee heftige Interessenkonflikte mit den Kronen Frankreichs und Portugals ausgefochten. Der Druck auf den Orden wuchs. Spanien, Portugal und Neapel verlangten die Aufhebung der Gesellschaft Jesu – Papst Clemens XIV. gab nach zähen Verhandlungen am 21. Juli 1773 schließlich nach. Der Orden, der das Bildungswesen in der Donaumonarchie beherrscht hatte, war als Machtfaktor verschwunden. Höchst geschickt milderte die Kaiserin die Folgen dieses Umbruchs, soweit es das Theresianum und die Gymnasien betraf – die bisherigen Lehrer durften in ihrem Auftrag ihrer Tätigkeit weiter nachgehen. Hinsichtlich der Normalschulen, deren Ausbau seit Jahren geplant war, zeigte die Kaiserin mehr Entscheidungsfreude. In diesem wichtigen Feld hatten sich durch die Aufhebung des Jesuitenordens politische und finanzielle Spielräume ergeben, die sie zu nutzen gedachte.27 Eine flächendeckende Elementarschulausbildung im deutschsprachigen Teil ihres Reiches zu etablieren, war indes eine gewaltige Herausforderung. Zudem musste rasch gehandelt werden. Die Kaiserin bedurfte eines erfahrenen Experten, der die Chancen, die sich boten, zu nutzen verstand und rasch Ergebnisse erzielte.28

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Sie fand ihn in dem Schlesier Johann Ignaz von Felbinger (1724–1788). Felbinger gehörte zur ersten schlesischen Generation unter preußischer Herrschaft. Der katholische Theologe hatte seit Ende der 1750er-Jahre Erfahrungen als Reformer gesammelt und dabei Methoden protestantischer Lehranstalten studiert, aufgenommen und in einer eigenen Lehranstalt umgesetzt. Das Pilotprojekt hatte unverkennbare Erfolge, sodass Felbinger 1765 von König Friedrich II. beauftragt wurde, eine flächendeckende Reform im katholischen Teil Schlesiens in Angriff zu nehmen. Mittlerweile hatte die Kaiserin keinerlei Hemmungen mehr, vom preußischen Nachbarn zu lernen. Statt eigene Wege zu gehen, entschied sie einmal mehr, ein funktionierendes Modell zu übernehmen, und bat Friedrich II., ihr Felbingers Dienste eine Zeit lang zu überlassen.29 Der Preußenkönig stimmte zu, und Felbinger machte sich mit beeindruckender Geschwindigkeit ans Werk: Bereits am 6. Dezember 1774 lag die »Allgemeine Schulordnung« vor – ein bedeutendes Datum in der Geschichte der Donaumonarchie.30

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as Schulwesen – ein Politikum

Da uns nichts so sehr, als das wahre Wohl der von Gott unserer Verwaltung anvertrauten Länder am Herzen liegt, und wir auf dessen möglichste Beförderung ein beständiges Augenmerk zu richten gewohnt sind, so haben wir wahrgenommen, dass die Erziehung der Jugend, beyderley Geschlechts, als die wichtigste Grundlage der wahren Glückseligkeit der Nationen ein genaueres Einsehen allerdings erfordere.31

Die »Allgemeine Schulordnung für die deutschen Normal-, Haupt- und Trivialschulen in sämmtlichen Kaiserlich-Königlichen Erbländern« vom 6. Dezember 1774 sollte nach dem Willen ihrer Schöpfer die Donaumonarchie an die Spitze des deutschsprachigen, wenn nicht des europäischen Bildungssystems katapultieren. Eine flächendeckende, ständeübergreifende, für Kinder beiderlei Geschlechts konzipierte staatliche Grundschule sollte alle deutschsprachigen Untertanen gleichermaßen an die Monarchie binden, sie mit gemeinsamen Bildungsinhalten konfrontieren und zugleich den Wohlstand der Monarchie heben. Die Kaiserin präsentiert sich in ihrem Dekret als fürsorgliche Landesmutter und Lichtbringerin, als eine Gelehrte, die das Dunkel vertreibt, um ihre Untertanen zur wahren Glückseligkeit zu führen.

Das Schulwesen – ein Politikum    •   347

Als Aufgabe der Monarchin wird dem Leser die Hervorbringung des wahren Genies, der inneren Geisteskraft der ihr anvertrauten Nationen genannt. Bemerkenswert ist, mit welchem Nachdruck der Wert des Wissens gepriesen wird. Jegliche Warnung vor gefährlichem Wissen und der Verführung durch vermeintliches Wissen fehlt. Wissen sei vielmehr der Schlüssel zur Harmonie zwischen Obrigkeit und Untertanen, denn erst im Schulunterricht würden die ihr anvertrauten Völker erkennen, wie sie in selbstloser Liebe deren Interessen fördert und sich ganz in den Dienst des Gemeinwohls stellt. In jeder Provinz der deutschsprachigen Erbländer sollte zunächst eine von weltlichen Räten dominierte Schulkommission eingerichtet werden, die den Schulbetrieb überwacht. Das Schulwesen, so erklärte sie, sei schließlich ein Politikum und insofern Angelegenheit des Staates und nicht der Kirche. Das Lehrpersonal müsse daher selbstverständlich auch vom Staat ausgebildet werden. Kern des Konzepts waren die sogenannten Normalschulen. Sie sollten allen übrigen Schulen in der Provinz als Richtschnur dienen. In derselben, so hieß es in der Schulordnung, müssen die Lehrer für andere deutschen Schulen gebildet, und (...) genau geprüfet werden. Hauptschulen sollten in den größeren Städten eingerichtet werden, wobei in jedem Kreis zumindest eine vorhanden sein sollte, Trivialschulen in allen kleineren Städten, und Märkten, und auf dem Lande, wenigstens an allen Orten, wo sich Pfarrkirchen befinden. In der Regel sollte dieses Schulsystem auf die vorhandene Infrastruktur zurückgreifen, das heißt auf die Gebäude und die Lehrer des etablierten Schulsystems. Die Einrichtung der Schulen sollte künftig allerdings einem vorgegebenen Muster folgen – eine Vermischung zwischen Dienstwohnung der Lehrer und Schulstube etwa war nunmehr verboten. Bei Neubauten war nicht nur auf den nöthigen Raum, und den Einfall eines genugsamen Lichtes zu achten, sondern auch darauf, dass die Schule mit Bänken, Tischen, Schultafeln und Dintenfässern, und anderem nöthigen Geräthe, wie auch mit einem verschlossenen Schränkel zur Bewahrung der Bücher versehen sey. Die Schulordnung definierte darüber hinaus auch die Lehrinhalte. In Normalschulen waren Religion, Lesen und Schreiben zu unterrichten – Lehrgegenstände, welche Theils als Vorbereitung zum Studieren dienen, theils aber solchen Persohnen nützlich sind, die dem Wehr- und Nährstande zugehörten – sowie pädagogische Kenntnisse für künftige Lehrer zu vermitteln. In Hauptschulen beschränkte sich die Ausbildung vor allem auf Kenntnisse in Religion und Rechtschreibung, in Trivialschulen wurde der Stoff noch weiter ausgedünnt. Unterrichtsmethode und Unterrichtsinhalte hatten überall gleich zu sein, wobei es der Schulkom-

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mission oblag, die entsprechenden Vorgaben umzusetzen. Geistliche waren nur noch als Religionslehrer in den Schulen zu finden, aber auch in dieser Funktion der Aufsicht der Kommission unterstellt. Die Ziele der Verordnung waren überaus ehrgeizig: Neben dem Kreisamtmann sollten der Schulmeister und das von ihm geleitete Schulhaus zu sichtbaren Zeichen kaiserlicher Präsenz auf dem flachen Lande werden. Es galt, eine Verbindung zwischen Hof und Dorf zu schaffen, deren Bedeutung schwerlich zu überschätzen war. Erstmals sollten flächendeckend ebenso mathematische Kenntnisse verbreitet werden wie eine deutsche Hochsprache, die ausdrücklich nicht auf der Grundlage jesuitisch-katholischer Gegenmodelle zum protestantischen Norddeutschland entwickelt worden war. Überhaupt ließ das neue Schulsystem wenig Raum für regionale Differenzierungen. Es unterschied zwischen Begabten und Minderbegabten, zwischen Stadt- und Landbevölkerung, zwischen Händlern, Lehrern und Bauern – nicht aber zwischen Tirolern und Böhmen. Selbst religiöse Grenzen traten in den Hintergrund. Bereits 1781, unmittelbar nach dem Tod der Monarchin, wurde die Schulpflicht auf die jüdische Bevölkerung ausgedehnt. Dieser in der Logik der Reform liegende Schritt zeigt das ehrgeizige Ziel des Projekts: Innerhalb weniger Jahre sollte ein einheitlicher Untertanenverband geschaffen werden. War ein solches Mammutvorhaben unter den Rahmenbedingungen der noch immer heterogenen und von regionalen Eliten abhängigen Habsburgermonarchie durchsetzbar? Erste Zahlen, die Felbinger 1781 dem Nachfolger Maria Theresias, Joseph II., vorlegte, offenbarten eine ernüchternde Bilanz: Weniger als ein Drittel aller schulpflichtigen Kinder wurden von dem neuen System tatsächlich erfasst, die übrigen blieben den Bildungsinstituten fern – zumeist aus finanziellen Gründen.32 Der Verdienstausfall der zumeist erwerbstätigen Schulkinder spielte hier ebenso eine Rolle wie das für viele Familien offenbar zu hohe Schulgeld. Da die Lehrerbesoldung eher mäßig war, erwies es sich zudem als äußerst schwierig, die geistlichen durch welt­ liche Lehrer zu ersetzen. Gleichwohl erwies sich die Reformpolitik bereits zu Lebzeiten der Kaiserin als ein Projekt, das mehr als nur reines Medienereignis war. Das zeigte sich etwa in der Veröffentlichung erster Schulbücher im Jahr 1777, die konkrete Unterrichtsinhalte unter die Lehrer- und Schülerschaft brachten. Auch entwickelten sich die Zahlen des Schulbesuchs in manchen Regionen des Reiches, in denen die verantwortlichen Beamten das Projekt mit Nachdruck durchzusetzen suchten wie etwa in Böhmen, ausgesprochen positiv. Die Bildungsrevolution mochte ausgeblieben sein, dass jedoch ein

Die Bauern der Kaiserin    •   349

Prozess der Veränderung in Gang gekommen war und sich in den Schulen der Monarchie ein Staatsvolk formierte, war unübersehbar.

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ie Bauern der Kaiserin

Noch, schrieb die Kaiserin ihrem Sohn Ferdinand am 30. Januar 1777, gebe es keine Tumulte. Im Sommer hingegen könnten durchaus welche ausbrechen, sofern es bis dahin nicht gelungen sei, die Situation der Bauern zu verbessern. Die würden durch die Exzesse der Landbesitzer zum Äußersten getrieben. In den letzten 37 Jahren ihrer Regierung hätten sich die Eliten stets geschickt aus der Affäre gezogen und dafür gesorgt, dass die Untertanen unterjocht blieben. Diesmal jedoch hoffe sie, die Missstände beseitigen zu können. Der Einzige, der dies noch verhindern könne, sei der Kaiser. Dass er sie unterstützt, wage sie ohnehin nicht zu hoffen, eine neutrale Haltung seinerseits würde die Dinge jedoch erleichtern. Unglücklicherweise stehe Joseph unter dem starken Einfluss von Großgrundbesitzern, die erkannt hätten, dass ich mir nicht mehr imponieren lasse33 und dass Joseph, der seiner Mutter sooft wie möglich widerspreche, ein willkommenes Opfer ihrer Machenschaften sei. Doch sie wolle nicht jammern: Wenn ihre Bemühungen schließlich von Erfolg gekrönt seien, wäre sie zufrieden. Der Konflikt mit dem Sohn hielt indes an. Am 13. Februar 1777 erhielt Erzherzog Ferdinand wiederum einen Bericht über die reformfeindliche Position seines Bruders. Die böhmischen Angelegenheiten, so Maria Theresia, bereiteten ihr Schmerzen, da der Kaiser und sie sich über die Bewältigung der Probleme nicht einig seien. Dass diese armen Leute unterdrückt, ja tyrannisiert würden, sei längst bewiesen. Sie habe versucht, diese Zustände zu beseitigen, doch den Grundherren sei es gelungen, den Kaiser wieder schwankend zu machen. Das Werk von zwei Jahren sei damit zunichte gemacht. Sie könne nur hoffen, dass die halbherzigen Maßnahmen, auf die man sich schließlich habe verständigen können, ausreichten, Ruhe und Gehorsam in Böhmen wiederherzustellen. Große Hoffnungen hege sie in diesem Punkt nicht. Menschen ohne alle Hoffnung haben nichts zu verlieren und sind zu fürchten. Ich wollte, dass man zugleich mit der Forderung des Gehorsams ihnen Erleichterung gewähre. Man behauptet, dass sei zu viel, da sie es jetzt nicht verdient hätten. Ich gebe das zu, aber die Noth kennt kein Geboth.34

350   •   Die Reformerin

Der Konflikt, den Maria Theresia anspricht, existierte seit Ende des Siebenjährigen Krieges. Im Kern ging es um die Situation der bäuerlichen Bevölkerung in Böhmen, aber eben nicht nur dort. Die Lage der Bauern unterschied sich in den einzelnen Ländern der Krone erheblich. In Ungarn, Böhmen, Mähren und in Teilen Österreichs war sie in der Tat prekär: Jene, die das Land bewirtschafteten, besaßen nur eingeschränkte Rechte über Grund und Boden. Sie hatten dem Grundherrn Naturalabgaben und Frondienste zu leisten. In einigen Provinzen konnte der Herr die Freizügigkeit der Bauern einschränken, Heiratsverbote aussprechen und die Ausbildung der Kinder im eigenen Sinne regeln. Er erhob an des Landesherrn Stelle Steuern und war für die Rechtsprechung zuständig – auch in Fragen der Kriminaljustiz. Angesichts des zunehmenden Wettbewerbs und Steuerdrucks hatten die Grundherren ihre Position genutzt, um die finanziellen Belastungen der ländlichen Bevölkerung zu erhöhen – darauf deuteten zumindest die zahlreichen Proteste vornehmlich aus Böhmen hin, die die Hofburg erreichten. Eine 1768 angeordnete Untersuchung der Zustände auf den Gütern des Fürsten Heinrich von Mansfeld offenbarte, welch großen Gestaltungsspielraum die Grundherren im Umgang mit ihren Bauern hatten. Mansfeld hatte die Frondienste so weit als möglich ausgedehnt, die Rechte der Landwirte eingeschränkt, zu hohe Steuern eingezogen und seine Position durch Prügel- und Freiheitsstrafen gefestigt. Einem Bauern etwa, der sich über den Entzug eines Landnutzungrechtes beschwerte, war das Schulterblatt zerschlagen worden. Dergleichen Meldungen sorgten in Wien für Beunruhigung: Aufstände in einem Preußen benachbarten Gebiet waren in hohem Maße unerwünscht. Zudem hatten die Lehren der französischen Physiokraten längst Wien erreicht.35 Karl von Zinzendorf hatte im Auftrag von Kaunitz schon zwischen 1763 und 1769 Informationen über neue ökonomische Ansätze gesammelt und an den Staatskanzler gesandt. Die neue Idee, derzufolge die Produktivität eines Landes wesentlich von der Effizienz der Landwirtschaft abhängt, hatte ihn nicht unbeeindruckt gelassen. Freie Bauern auf Einzelgehöften, die in neuesten Produktionstechniken geschult waren, erzielten die besten Ergebnisse, und Freihandel sei letztlich allen staatlichen Lenkungsmassnahmen überlegen. Dergleichen Einsichten wurden am Hof intensiv diskutiert und von Kaunitz, der sich auch über die Entwicklungen in England informierte, in seine kameralistischen Überlegungen einbezogen.36 Eingang fand das neue Denken zunächst in die Zollpolitik. Kaunitz plädierte für eine Senkung der Außenzölle und die Einrichtung freier Binnen-

Die Bauern der Kaiserin    •   351

märkte. 1775 fielen die Zollgrenzen zwischen den österreichisch-böhmischen Erbländern tatsächlich. Wenig später geschah ähnliches zwischen Ungarn, Siebenbürgen und dem Banat. Der ungehinderte Warenaustausch sollte künftig die Regel, Zollgrenzen sollten die Ausnahme sein. Die Förderung der Verkehrsinfrastruktur wies in dieselbe Richtung.37 Die Situation der Bauern verbesserten dergleichen Maßnahmen nicht. Kaunitz hatte für sie bereits 1767 ein weitreichendes Reformprogramm ausgearbeitet, das die Einschränkung grundherrlicher Rechte und die Stärkung der Eigentumstitel der Landwirte vorsah. Tatsächlich waren in der Hofburg schon in der Regierungszeit Karls VI. Maßnahmen diskutiert worden, die darauf zielten, die Rechte und Pflichten der Bauern klarer zu definieren, um ihnen damit im Zweifelsfall Rechtsschutz gewähren zu können. Maria Theresia hatte diese Politik fortgesetzt und auf dieser Grundlage in Ungarn ein Urbarium ausarbeiten und in Kraft setzen lassen. Ähnliches wurde nun für den habsburgischen Teil Schlesiens in Angriff genommen, wobei die Diskussion über die Dienstpflichten und Eigentumsrechte der Bauern nun zunehmend von naturrechtlichen Überlegungen beeinflusst wurde. Franz Anton von Blanc (1734–1806), ein Protegé des Fürsten Kaunitz, forderte, die Geltung wohlerworbener Rechte nur so lange zu akzeptieren, als sie die Dauer des gesellschaftlichen Bandes verbürgten. Eine Abgabenlast, die den Selbsterhalt der Bauern gefährde, sei nicht zu akzeptieren, da sie letztlich Sprengkräfte entfalte, die nicht mehr zu kontrollieren seien. Blanc erhielt die Zustimmung der Kaiserin. Es sei das Ziel ihrer Politik, dass der Bauernstand, als die zahlreichste Klasse der Staatsbürger, und der die Grundlage, folglich die grösste Stärke des Staates ausmacht, in aufrechtem, und zwar in solchem Stand erhalten werde, dass derselbe sich und seine Familie ernähren könne.38 Es sollte von der Regierung eine Grenze für grundherrschaftliche Forderungen definiert werden. Dieser Ansatz war neu und wurde im Zuge quälend langer Verhandlungen 1771 in Schlesien durch das sogenannte Hauptpatent und 1772 durch eine entsprechende Vorschrift in Niederösterreich auch tatsächlich umgesetzt. In Böhmen erwiesen sich die Verhandlungen als besonders schwierig: Forciert durch Blanc und Kaunitz, wurden hier weitreichende Vorschläge unterbreitet, unter anderem die Abschaffung aller Frondienste. Die böhmischen Stände leisteten erbitterten Widerstand und fanden Gehör beim Thronfolger.39 Joseph II. und seine Anhänger mahnten zur Vorsicht. Weitreichende Eingriffe in die Privilegien der Aristokratie konnten leicht, so der Kaiser, in einen politischen und wirtschaftlichen Kollaps münden. Einmal

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mehr wurde die Diskussion über ein Sachthema zum Anlass für politisches Kräftemessen. Die Kaiserin lenkte zunächst ein und setzte den Grundherren eine Frist, mit den Bauern zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen. Die Zeit verstrich, und auf dem Lande wurde die Situation langsam unhaltbar. Im Januar 1775 brachen Unruhen aus – die Frondienste, so wurde verbreitet, seien von der Kaiserin längst abgeschafft worden, die Grundherren hätten das Patent jedoch geheim gehalten.40 Angesichts der sich formierenden Opposition drängte Maria Theresia zum Handeln. In einem »Robotpatent«41 wurden noch im selben Jahr die Dienstpflichten der Bauern deutlich eingeschränkt.42 Die Krone konnte sich damit einmal mehr als Schutzmacht bedrängter Landgemeinden präsentieren. Die Kaiserin war in Böhmen wie in den anderen Landesteilen des Reiches – selbst in Ungarn – zu einem Machtfaktor auf lokaler Ebene geworden.43 Sie versprach den Bauern Schutz und Ausbildung und konnte im Gegenzug Treue und Gefolgschaft erwarten. Das Reich der Habsburger sollte für die Bauern zu einem Vaterland werden, dessen Zerfall auch ihre Interessen beschädigen würde.44 Das Werben um die Bauern und der Kampf gegen die Forderungen der Grundherren weckten Erwartungen: Die Kaiserin hatte die Untertanen als Bürger anerkannt, und die stellten nun Forderungen. Dass die Böhmen mit dem »Robotpatent«, dessen Einhaltung von den Kreisämtern ohnehin kaum durchzusetzen war, zufrieden sein würden, daran hatte schon die Kaiserin gezweifelt. Ihre Vorstellungen seien von Joseph II. verwässert worden. Tatsächlich gab es 1777 in Mähren erneut Aufstände, wobei diesmal wirtschaftliche und konfessionelle Forderungen Hand in Hand gingen. Mährische Protestanten forderten unter Berufung auf ein angebliches Toleranzpatent der Kaiserin Freiheit der Religionsausübung. Das Bild der allumfassend fürsorglichen Kaiserin, der liebenden Landesmutter, die den Bedrängten zu Hilfe kommt, hatte sich offenbar verselbstständigt.45

... die Tortur wird abgeschafft Am Ende des Vortrags habe die Kaiserin geweint und Joseph von Sonnenfels begeistert ausgerufen:46 Wenn Europa diese Thränen in den Augen der grössten Monarchin unserer Zeit gesehen hätte, so würde es keinen Augenblick zweifeln, dass die Tortur in Österreich sogleich abgeschafft wird. Maria Theresia

... die Tortur wird abgeschafft   •   353

habe daraufhin ihre Tränen getrocknet und ihre Hand mit den Worten auf seine Schulter gelegt: Lass er’s gut sein, die Tortur wird abgeschafft. Die rührende Geschichte von der Abschaffung der Folter durch eine mitfühlende Monarchin findet sich in Konstantin von Wurzbachs Biographischem Lexikon von 1877. Ähnliches berichtete bereits Johann Anselm Feuer­bach in seinem 1812 veröffentlichten Buch zur Aufhebung der Folter in Bayern. Sonnenfels, so heißt es dort, habe unter den Augen der Kaiserin gegen die Folter mit Einsicht und Muthe seine Stimme erhoben. Maria Theresia habe mit weiblicher Innigkeit die Vorstellung vertreten, dass die Folter – obwohl sie in Russland und Preußen schon abgeschafft war – gerecht und notwendig sei. Es habe eines teutschen Mannes wie Sonnenfels bedurft, sie von diesem irrigen Standpunkt abzubringen. Wenn seine Gegner auch nicht müde wurden, ihn zu attackieren, habe er sich von diesem Kampf nicht abbringen lassen. So sei es allein der freimütig-bescheidenen Schrift, die er gegen das kaiserliche Dekret verfasst habe, und mehr noch seinen in freier Rede vorgetragenen Ausführungen bei deren Überreichung zu verdanken, dass der Weg zu einer Abschaffung der Tortur beschritten wurde. Sonnenfels habe das Gemüth der Kaiserin zu ergreifen gewusst. Um die Abschaffung der Folter im habsburgischen Machtbereich 1776 ranken sich kunstvolle Erzählungen mit den immer gleichen Hauptpersonen: der sentimental-gutherzigen Kaiserin und dem aufrechten Aufklärer Sonnenfels. Tatsächlich verlief der Weg zu diesem Beschluss wesentlich nüchterner, komplizierter, aber kaum weniger interessant. Die Kaiserin hatte sich schon vor Beginn des Siebenjährigen Krieges intensiv mit Rechtsreformen auseinandergesetzt.47 Ihr Hauptanliegen war nicht die Angleichung von Rechtsinhalten an europäische Standards, sondern die Vereinheitlichung des bislang so desperaten habsburgischen Rechtsraumes. Dabei lag ihr Augenmerk zunächst weniger auf dem Straf- als vielmehr auf dem für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigeren Zivilrecht. Ein neues Zivilgesetzbuch sollte die Effizienz der Monarchie steigern, regionale Einzelgänge erschweren und Handelsbarrieren reduzieren. Es war jedoch absehbar, dass die Regionaleliten einen solchen Vereinheitlichungsprozess kaum begrüßen würden, entwand ihnen die Hofburg doch eines ihrer wichtigsten Herrschaftsinstrumente: das Deutungsmonopol des Territorialrechts. Maria Theresia ging daher vorsichtig zu Werke. Die von ihr berufene Kompila­ tionskommission erhielt am 14. Mai 1753 den Auftrag, ein Gesetzbuch auszuarbeiten, das ausdrücklich auf den Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen

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Rechtstraditionen fußen sollte. Die gewachsene Rechtstradition wurde also ausdrücklich anerkannt und ein langwieriger Prozess der Rechtsvergleichung initiiert. Nur in Ausnahmefällen sollte die Kommission auf Grundlage des Naturrechts neue Normen entwickeln. Drei Jahre tagte die Körperschaft, bis sie 1756 in eine Gesetzgebungskommission überführt wurde, die sich weitere zehn Jahre mit dem Projekt auseinandersetzte.48 Das Ergebnis lag 1766 in Form des sechsbändigen Codex Theresianus vor, wurde für nicht praktikabel erklärt und von einer weiteren Kommission nochmals überarbeitet. Erst 1787, lange nach dem Tod der Kaiserin, wurde zumindest ein Teil dieser neuen Gesetzessammlung in Kraft gesetzt. Angesichts des vorläufigen Scheiterns dieses Prestigeprojekts wurde die zügige Arbeit der zeitgleich tagenden Kommission zur Reform des Strafrechts in den habsburgischen Erbländern erleichtert zur Kenntnis genommen. Nach fünfzehnjähriger Arbeit wurde die Constitutio Criminalis Theresiana 1768 der Kaiserin vorgelegt und von ihr gebilligt. Auch die Constitutio sollte nicht das Strafrecht revolutionieren, sondern lediglich sicherstellen, dass in Böhmen nach denselben Normen geurteilt wurde wie in der Steiermark. Allenfalls Klarstellungen und Anpassungen des Rechts an die Rechtspraxis wurden vorgenommen. Das Delikt der Hexerei etwa blieb erhalten, die Möglichkeiten der Strafverfolgung wurden aber sehr stark eingeschränkt, ja geradezu unmöglich gemacht. Die Anwendung der Folter wurde eingeschränkt und genau definiert, jedoch nicht gänzlich abgeschafft. Aus habsburgischer Binnenperspektive mochte dies ein kluger Kompromiss sein, für die Außenwahrnehmung der Monarchie war diese Entscheidung verheerend. Friedrich II. hatte die Folter unmittelbar nach seinem Amtsantritt 1740 in Preußen abgeschafft. Auch in Schweden, Dänemark, Sachsen und England mussten die Strafermittler ohne sie auskommen.49 Selbst Zarin Katharina II. plante, auf die Tortur zu verzichten. Österreich war damit zwar nicht das einzige Land Europas, in dem sie noch zur Anwendung kam, es war aber das letzte, in dem sie als reguläres Verfahrensinstrument rechtlich fixiert war – und das ausgerechnet in einem neuen Strafgesetzbuch. Wien hatte sich damit ohne Not in die Position der moralisch-zivilisatorischen Nachhut Europas begeben, und die in der Stadt tätige Phalanx der Aufklärer tat ihr Möglichstes, dies zu korrigieren. Von Sonnenfels gab hier einen ersten Impuls, indem er 1772 Folter und Todesstrafe im Rahmen

... die Tortur wird abgeschafft   •   355

seiner Lehrtätigkeit offen kritisierte: Foltergeständnisse seien wertlos und Arbeitsstrafen für den Staat weit nützlicher als die Tötung des Straftäters. Die Hofkanzlei wies ihn an zu schweigen, was er mit der Abfassung einer Verteidigungsschrift beantwortete, die auf unbekannten Wegen direkt in die Hände der Kaiserin gelangte. Maria Theresia las die Schrift aufmerksam und bat um weitere Stellungnahmen. Die Frage der Folter stand damit ebenso wie jene der Todesstrafe auf der politischen Tagesordnung. Beide Themen waren eng miteinaner verbunden, denn je weniger Delikte mit dem Tod bedroht wurden, umso seltener mussten die Ermittler foltern. Eingehende Debatten begannen: Fragen der Beweisführung im Strafprozess wurden diskutiert, die medizinische Fakultät der Universität Wien schaltete sich ein und wies auf die gesundheitlichen Folgen der Folter hin, Kaunitz und Kaiser Joseph II. machten auf die politische Notwendigkeit einer Veränderung aufmerksam.50 Maria Theresia begleitete die Diskussion behutsam und machte schon früh deutlich, dass sie den Foltergegnern zuneigte, überstürzte Entscheidungen jedoch ablehnte. Im Frühjahr 1775 war der Ausgang der Debatte damit längst absehbar.51 Nun ging es nur noch darum, wem das Verdienst, Österreich in die Zivilisation zurückgeführt zu haben, gebührte. Angeblich ohne sein Wissen wurde in dieser Situation das interne Gutachten, das Sonnenfels seiner Kaiserin 1772 hatte zukommen lassen, in Zürich in den Druck gegeben. Der Verdacht lag nahe, dass der Autor sich als tapferer Einzelkämpfer für die gerechte Sache darzustellen suchte und dabei zugleich an den Mythos der mitfühlenden Kaiserin anknüpfte. Er, der aufgeklärte Gelehrte, habe sie, so die unausgesprochene Botschaft der Veröffentlichung, zum rechten Handeln bewegt, an ihr gutes Herz appelliert und gewonnen. Die Hofburg reagierte ungehalten: Gegen Sonnenfels wurde wegen Geheimnisverrats strafrechtlich ermittelt, von einer Anklage jedoch schließlich wegen Geringfügigkeit abgesehen. Die Folter schaffte die Monarchin am 2. Januar 1776 ungeachtet dieser Affäre ab. Um gegen die europäische Konkurrenz bestehen zu können, hatte Maria Theresia nicht nur die Verwaltung ihres Reiches tiefgreifend verändert, sondern auch erste Weichenstellungen vorgenommen, den regional zersplitterten habsburgischen Untertanenverband in eine österreichische Bürgergesellschaft zu überführen. Der Mythos der allfürsorgenden Landesmutter, die die Kirche schützt, Schulen baut und Recht garantiert, diente ihr dabei als Leitmotiv. Am Ende ihrer Regentschaft zeigten sich erste Anzeichen dafür, dass die

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Bürgergesellschaft ein Eigenleben entwickelte und den Staatsmythos Maria Theresia zu vereinnahmen wusste. Die Kaiserin verlor ähnlich wie ihr ewiger Gegenspieler Friedrich II. in Berlin die Kontrolle über den selbst geschaffenen Mythos.

Maria Theresia Die Fremde – Maria Theresia und der Wandel Europas

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as neue Rom und das alte Europa

Um die drei Millionen Besucher tummeln sich alljährlich in den weitläufigen Parkanlagen Schönbrunns. Sie bestaunen den beeindruckenden Blick auf das Schloss, die Brunnen, die Gloriette und die vielen Statuen, die die Touristen aus ihren toten Augen anzustarren scheinen. Chinesen und Deutsche, Italiener und Franzosen, Amerikaner und Koreaner laufen durch eine steinerne Regierungserklärung – eine der letzten künstlerischen Manifestationen des Selbstverständnisses der alternden Kaiserin. Maria Theresia hatte den Schlosspark in den 1770er-Jahren Schritt für Schritt umgestalten lassen und dabei nichts dem Zufall überlassen. Wer dem Schicksal auf der Spur war und sich fragte, wofür all das Blut der Kriege Österreichs geflossen war, wurde im südöstlichen Teil des Parks fündig.1 Am Endpunkt einer Allee hatte Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg (1733–1816), Architekt Ihrer Majestät, einen Brunnen errichtet.2 Ein eindrucksvolles Felsmonument erhebt sich hier inmitten eines großzügig bemessenen Wasserbeckens (s. Abb. 21). Das Wasser plätschert den etwas düsteren Stein entlang und fließt durch eine dunkle Öffnung, die sich im unteren Teil befindet. Der kundige Besucher darf sicher sein, sich hier der Nachbildung einer mystischen Stätte zu nähern: der von Vergil beschriebenen Sybillengrotte. Es ist ein Ort, an dem den Würdigen die Zukunft geweissagt wird. Aeneas hatten die Sybillen einst den Aufstieg Roms vorhergesagt. Was mag sie den Wienern verkünden? Einen deutlichen Hinweis gibt die steinerne Sonnennadel, die sich auf der Spitze der künstlichen Felseninsel

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erhebt. Die hohe Kunst, Obelisken aus einem Stein zu hauen und unbeschädigt aufzurichten, wurde im alten Ägypten meisterhaft beherrscht. Rom hatte Obelisken daher mit Vorliebe in den eigenen Mauern schaffen lassen als Demonstration, dass die Blüte der Zivilisation nach Westen gezogen war – Macht und Kunstfertigkeit waren vom Nil zum Tiber gewandert. Wer den Obeliskenbrunnen betrachtet, kann den Eindruck gewinnen, dass Macht und Kunstfertigkeit ein weiteres Mal weitergezogen sind: vom Tiber an die Donau. In und mit Wien, so soll der Betrachter glauben, erfüllt sich der göttliche Auftrag römischer Weltherrschaft. Dies verkünden zumindest die Hieroglyphen, die keineswegs zufällig auf dem Stein platziert sind, sondern sich an freimaurerischen Deutungen orientieren. Neben einigen dekorativen Figuren ist deren Aussagegehalt klar: Maria Theresias Regentschaft wird als Glanzpunkt habsburgischer Herrschertugend gepriesen. Verbunden mit dem erwähnten Sybillenmotiv ergibt sich ein eigenwilliges, geradezu mystisches Gesamtensemble, in dem die Regierungszeit der Kaiserin als ein von ägyptischen Priestern geweissagtes Goldenes Zeitalter erscheint. Hier erfüllt sich, was Jahrtausende ersehnt hatten.3 Antikisierende Figuren und mythologische Anspielungen finden sich in dem neu gestalteten Garten zuhauf. Besonders markant ist die Gloriette, jener auf einem Hügel befindliche Triumphbogen, der heutigen Besuchern als lärmiges Kaffeehaus dient. Schon die Kaiserin genoss die Aussicht und hatte wegen ihrer Gehprobleme einen Aufzug bauen lassen, der sie auf die oberste Plattform transportierte.4 Der Ruhmestempel des Hauses Habsburg befindet sich damit an exponierter Stelle. Ein Adler, Symbol des Reiches, hält auf seinem Dach stolz den Siegeskranz empor, während seine Krallen Schwert und Zepter umschlossen halten. Zu seinen Schwanzfedern sind auf einer Tafel die Namen der Stifter verewigt worden: Kaiser Joseph II. und Kaiserin Maria Theresia. Hier wurde wie in den Sälen des Schlosses selbst einmal mehr nicht einer ruhmreichen Vergangenheit gedacht, sondern eine noch ruhmreichere Gegenwart repräsentiert. Die Siege Österreichs hatten nichts an Glanz und Bedeutung eingebüßt. Der Hinweis auf die Endlichkeit menschlicher Größe ist im Schlossgarten ebenfalls präsent, jedoch versehen mit einer perfiden Nebenbedeutung. Es handelt sich um eine kleine, aber ästhetisch reizvolle Ruinenstadt. Das 1778 nach Plänen des Architekten Hohenberg errichtete Bauwerk trug zunächst den Titel »Ruine von Karthago« und wurde erst später als Römische Ruine bezeichnet. Was mit Karthago, das über Jahrzehnte in Rivalität mit Rom stand,

Das neue Rom und das alte Europa   •   359

gemeint sein könnte, ist unschwer zu erraten: Hier hat der preußische Hannibal Friedrich II. seinen Auftritt, und das Schicksal, das ihm und seinem Preußen geweissagt wird, ist düster. Der Theaterkönig, wie Maria Theresia den Hohenzollern in einem Brief an ihren Sohn Joseph II. verächtlich nannte, mochte die Zeitgenossen narren, das Urteil der Geschichte aber würde unerbittlich sein. Habsburgs Funktion in Europa war diesem Bildprogramm zufolge nach wie vor die eines Stabilisators, eines Bewahrers einer bewahrenswerten Ordnung. Das neue Rom war unter Maria Theresias Herrschaft wiedergeboren worden, um seine alten Aufgaben erfüllen zu können. Waren dies die antiquierten Bekenntnisse einer alternden Königin, die noch immer nicht begriffen hatte, dass die Zeit des Heiligen Römischen Reiches vorbei war, einer Frau, die politisch längst von ihrem Sohn zur Seite gedrängt wurde? Wer geglaubt hatte, Maria Theresia verbringe ihre Zeit nur noch damit, dem Herrn ihre Sünden zu beichten, und interessiere sich kaum noch für die große Politik, musste bei einer näheren Betrachtung der 32 Statuen, die sie zwischen 1773 und 1780 im Garten aufstellen ließ, ins Grübeln geraten. Auf den ersten Blick entsprach die Auswahl der Helden den Erwartungen. Aeneas als trojanischer Kulturbringer Roms und mythischer Stammvater der habsburgischen Dynastie taucht hier ebenso auf wie der halbgöttliche Herkules, den frühneuzeitliche Monarchen gern als Alter Ego wählten. Auch Theseus darf natürlich nicht fehlen, bildete doch seine Jagd nach dem goldenen Fell eines Widders das Urbild der christlichen Ritterschaft, als deren Inbegriff sich wiederum der Orden vom Goldenen Vlies verstand. Minerva, die Göttin der Weisheit, und Apoll, der Lichtbringer, gehören wie andere Verkörperungen von Herrschertugenden selbstverständlich zum Skulpturenprogramm. Einige der hier versammelten Figuren jedoch sind alles andere als obligatorische Gäste im Schönbrunner Schlossgarten. Starke Frauenfiguren beherrschen das Bild, so etwa Artemisia, die der Legende nach eine kleine Dosis der Asche ihres verstorbenen Mannes Mausolos in ihren Trank mischte. Sie galt den Zeitgenossen als Inbegriff einer mächtigen und tugendsamen Herrscherin. Indem sie zum lebenden Grab ihres Mannes geworden war, hatte sie dessen männliche Herrschertugenden in sich aufgenommen und repräsentierte durch ihr Auftreten auch ihren verstorbenen Mann. Wer glaubte, der Witwenstand sei mit politischer Ohnmacht verbunden, mochte einen Blick auf dieses Standbild werfen. Maria Theresia war da ganz offenbar anderer Meinung. Das lässt sich auch aus der bemerkenswerten Entscheidung ablesen, im Garten eine Statue der Omphale auf-

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zustellen (s. Abb. 22). Die Geschichte um die Königin von Lydien war pikant: Herakles, so die Sage, habe Iphitus in einem Anfall von Wahnsinn getötet und sei daher vom delphischen Orakel verurteilt worden, sich in die Sklaverei verkaufen zu lassen. Als Käuferin sei Omphale aufgetreten, die den Halbgott Hausarbeit in Frauenkleidern verrichten ließ, während sie seine Keule und das Löwenfell trug. Für Männer, die sich als Halbgötter sahen, war die Botschaft mehr als deutlich – noch hatte hier Omphale, die Kaiserin, das Sagen.5

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uropa am Vorabend der ersten polnischen Teilung

Spätestens mit dem Frieden von Hubertusburg 1763 war der Kaiserin deutlich geworden, dass sie sich mit dem zum Erbfeind erklärten Hohenzollernkönig Friedrich II. würde arrangieren müssen. Alle Versuche, Preußen zu einer norddeutschen Regionalmacht zurückzustufen, waren fehlgeschlagen. Die Angst vor den Expansionsgelüsten Berlins aber blieb. Joseph II. hatte daher schon 1766 für einen direkten Kontakt zwischen beiden Seiten geworben: Der Kaiser wollte den Mann kennenlernen, der hinter dem Mythos steckte. Seine Mutter hatte dergleichen Annäherungen allerdings blockiert. Ein persönliches Treffen könnte Frankreich als wichtigsten Bündnispartner irritieren, zumal dann, wenn der trickreiche König es entsprechend zu in­ strumentalisieren wusste. Dass es 1769 und 1770 schließlich doch zu zwei Begegnungen zwischen dem König von Preußen und dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches kam, deutete auf erheblichen Klärungsbedarf. Es ging um das Schicksal zweier Herrschaftsgebiete, deren Zukunft mehr als unsicher war: Polen und das Osmanische Reich. Beide waren geographisch gesehen europäische Schwergewichte. Die polnisch-litauische Adelsrepublik (Rzeczpospolita) erstreckte sich 1770 vom Dnjepr bis an die Warthe. Minsk war Teil dieses Reiches und Kiew nur wenige Kilometer von seiner Grenze entfernt. Polen-Litauen umfasste Kurland ebenso wie das Ermland. Die Gesamtfläche betrug schätzungsweise rund 730.000 km2 – das Königreich war damit rund zweieinhalb Mal so groß wie das heutige Polen. Die Gesamtbevölkerung dieses riesigen Gebildes betrug vermutlich mehr als elf Millionen Menschen, etwas weniger als die Hälfte der Einwohnerzahl Frankreichs.6 Die Stärke Polens hatte bis Mitte des 17. Jahrhunderts in der Schwäche seiner Nachbarn bestanden, aber auch darin, dass das Reich als Integra­

Europa am Vorabend der ersten polnischen Teilung   •   361

tionsforum eines weitgehend autonomen Landadels, der Szlachta, fungierte. Polen-Litauen sicherte seinen Gliedern Religionsfreiheit, wirtschaftlichen Wohlstand und politische Unabhängigkeit. Garant dieser »Goldenen Freiheit« war das vom Wahlkönig regelmäßig einzuberufende Parlament, der Sejm. In ihm trafen die diversen Adelsfraktionen aufeinander, zumeist beeinflusst durch äußere Mächte. Das Einstimmigkeitsprinzip im Sejm stellte dabei sicher, dass keine der von den umliegenden Kronen gekauften Stimmen die Republik je dominieren konnte. Was aus heutiger Sicht merkwürdig erscheint, war im europäischen Kontext des 18. Jahrhunderts so ungewöhnlich nicht: Die eidgenössische Tagsatzung etwa war durchaus ähnlich strukturiert, und auch der Reichstag des Heiligen Römischen Reiches glich eher einem Marktplatz der Informationen und einem Forum der Diplomaten als einem modernen Parlament. Spätestens seit dem Ende des Siebenjährigen Krieges stellte sich allerdings die Frage, ob solch lose zusammengefügte Einheiten, die ihren Gliedern ihre Privilegien garantierten und dafür nur ein Minimum an Loyalität forderten, noch eine Zukunft hatten. Bislang hatten die Großmächte sie als Wettkampfarenen betrachtet, die ihnen die Möglichkeit eröffneten, ihren Einfluss auf Kosten der Konkurrenten zu erweitern. Solange Russland, Preußen und das Habsburgerreich selbst Imperien mit eher diffusen Außengrenzen waren, konnten deren Einflusszonen im Reich oder in Polen als Graubereiche des eigenen, sich langsam ausdünnenden Herrschaftsgebietes begriffen werden. Die Rivalität dieser Großmächte balancierte ihre Machtambitionen wechselseitig aus. Der Zwang zur Konsolidierung des eigenen Herrschaftsraumes, zur Zen­ tralisierung der Verwaltung und zur Aufstockung des eigenen Militärs erzeugte nun allerdings neuen Handlungsdruck. Er entstand zunächst durch die Gefahr, dass in Polen oder im Reich neue Akteure hervortraten, die ähnlich wie Preußen den etablierten Mächten Paroli bieten konnten. Preußen und Russland hatten in ihrem Allianzvertrag von 1764 vereinbart, ebendies in Bezug auf Polen-Litauen zu verhindern.7 Polen sollte stattdessen eine mit Moskau lose verbundene russische Einflusssphäre werden, die auch Preußen genug Raum bot, seine Interessen insbesondere im Bereich der Getreideversorgung zu wahren. Die sich im Zuge des Siebenjährigen Krieges zuspitzende Krise Sachsens, dessen Kurfürsten die letzten beiden polnischen Könige gestellt hatten, schien diese Konstellation zu begünstigen. Statt eines sächsischen Prinzen konnte dem polnischen

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Landadel ein der russischen Seite genehmerer Kandidat nahegelegt werden: Stanisław Antoni Poniatowski (1732–1798) besaß den Vorzug, aus einer namhaften polnischen Adelsfamilie zu stammen und zudem das Bett der russischen Zarin, Katharina II., für einige Jahre geteilt zu haben. Statt sich als russischer Interessenverwalter zu bewähren, zeigte sich Poniatwoski allerdings als rühriger Reformer. Polens Landadel reagierte mit heftigem Streit – das Land drohte im Bürgerkrieg zu versinken, wobei Russland an den ab 1768 tobenden Auseinandersetzungen erheblichen Anteil hatte. Nicht weniger beunruhigend waren aus habsburgischer Sicht die Entwicklungen im Osmanischen Reich.8 Noch 1739 hatten osmanische Truppen in der Schlacht bei Grockau den Streitkräften Karls VI. eine schwere Niederlage zugefügt. Während es den Habsburgern jedoch gelungen war, ihre Streitkräfte zu modernisieren, ihre Verwaltung zu straffen und ihre Wirtschaft anzukurbeln, hatten ähnliche Reformbemühungen im Osmanischen Reich kaum Erfolge gezeitigt. Das war umso problematischer, als in Istanbul dieser Rückstand gegenüber den europäischen Großmächten nur unzureichend wahrgenommen wurde. Russlands Ausgreifen nach Polen wurde dort als inakzeptable Verschiebung der Kräfteverhältnisse an der Nordgrenze des eigenen Imperiums bewertet. Als russische Kosaken Gruppen polnischer Aufständischer auf osmanischem Gebiet verfolgten, nahm Sultan Mustafa III. dies zum Anlass, der Zarin den Krieg zu erklären. Dass der Konflikt sich zu einem Desaster für die Türken auswachsen würde, war bereits nach ersten Niederlagen im Jahre 1770 absehbar. Sowohl Polen-Litauen als auch das Osmanische Reich standen damit unter militärischem Druck Russlands – der einzigen europäischen Großmacht, die ihre Ressourcen während des Siebenjährigen Krieges nicht weitgehend erschöpft hatte.9 Aus Moskauer Sicht eröffneten sich damit interessante Perspektiven, war doch kaum eine Macht in Sicht, die in der Lage war, die Zarin davon abzuhalten, das Territorium Russlands zu vergrößern. Diese Konstellation alarmierte vor allem die politischen Eliten Wiens. Kaunitz, Maria Theresia und Joseph II. war klar, dass sie dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen konnten. Im Prinzip eröffneten sich für Wien zwei Optionen: Die Kaiserin konnte entweder den Versuch unternehmen, die beiden benachbarten Imperien zu restabilisieren, wobei Moskaus Einflussmöglichkeiten im polnischen Parlament ebenso wie in den türkischen Vasallenstaaten gestärkt würden. Oder die Kaiserin nutzte die Schwäche der Nachbarn, um ihr eigenes Herr-

Europa am Vorabend der ersten polnischen Teilung   •   363

schaftsgebiet zu vergrößern. Angesichts des bitteren Verlustes der Provinz Schlesien war letztere Möglichkeit durchaus reizvoll, aber auch sehr riskant. Eine teilweise oder vollständige Teilung Polens oder des Osmanischen Reiches würde vor allem jenen Mächten zugute kommen, die sich zum Zeitpunkt der Teilung in einer Position der Stärke befanden, und dazu gehörte Österreich nicht. Zudem stellte sich die Frage, ob eine solche Teilung friedlich verlaufen oder in einen weiteren ruinösen militärischen Konflikt münden würde. Und schließlich wären mit einer Teilung im Osten weiteren Gebietsteilungen Tür und Tor geöffnet. Wenn Polen auseinanderfiel, würde das Reich früher oder später das gleiche Schicksal ereilen. All das war Maria Theresia zu riskant. Sie favorisierte die Stabilisierungsoption. Habsburg sollte sich als Friedensmacht und Protektorin der kleineren und schwächeren Mächte profilieren. Das, so kalkulierte sie, würde sehr viel gewinnbringender sein als eine Politik der Expansion. Gelingen konnte eine vermittelnde Position allerdings nur, wenn Preußen kooperierte. Friedrich II. war der wichtigste Verbündete Russlands auf dem Kontinent. Preußen war zudem einer der Hauptakteure in Polen-Litauen und bedrohte die habsburgische Nordgrenze nach wie vor. Der Hohenzollernkönig musste für einen Interessenausgleich gewonnen werden, ohne das europäische Bündnissystem zu erschüttern. Eine derart diffizile Operation bedurfte – zumal dann, wenn sie unter Zeitdruck vollzogen werden musste – großen Fingerspitzengefühls und persönlicher Kontakte. War mit dem König tatsächlich zu reden? Die Bilanz Josephs II. vom ersten Treffen mit Friedrich II. am 28. August 1769 in Neisse war eher gemischt. Was die Persönlichkeit des Königs anging, so schienen sich die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen. Der nunmehr sechsundfünfzigjährige Mo­narch redete viel, duldete von keinem seiner Berater Widerspruch und zeigte sich ausgesprochen selbstgerecht. Niemand, so wusste Joseph schaudernd zu berichten, wagte ihn zu kritisieren. Selbst sein Bruder Heinrich, ein ausgewiesener Militärexperte, verhielt sich schweigsam, ja geradezu devot. Missfällig nahm der Kaiser auch zur Kenntnis, wie selbstgefällig der König über seine eigenen Taten sprach und wie gönnerhaft er seine Helfer und seine Gegner beurteilte.10 Das Bild, das Joseph von seinem Gegenüber zeichnete, war das eines verschlagenen alternden Despoten. Wer so über den Hohenzollern urteile, so Kaunitz gegenüber der Kaiserin, zähle schwerlich zu dessen Bewunderern. Möglicherweise wollte Joseph II. genau diese Botschaft an seine Mutter sen-

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den, um zu verdeutlichen, dass er fähig war, Habsburgs Interessen gegen die Preußen zu vertreten. Was den politischen Ertrag der Gespräche anging, so war dieser erwartungsgemäß eher gering. Man versicherte einander seiner friedlichen Absichten, stimmte darin überein, dass die kriegerischen Konflikte in Polen und zwischen Russland und der Pforte nicht im beiderseitigen Interesse lägen, und zeigte sich von der Stärke Russlands beunruhigt. Friedrich habe ihm erklärt, so Joseph, dass es in Zukunft womöglich der Kraft ganz Europas bedürfe, Russland in Schach zu halten.11 Substantielle Vereinbarungen wurden nicht getroffen, doch war immerhin ein Gesprächsfaden geknüpft. Der König habe sich ungeachtet seines herrischen Auftretens, das er gegenüber seiner Umgebung an den Tag legte, im Umgang mit dem Kaiser überaus zuvorkommend gezeigt. Er habe das habsburgische Militär gelobt und Kaunitz’ Staatskunst bewundert. Maria Theresia habe der König Respekt erwiesen und sich selbst für seinen Ehrgeiz gescholten. Nein, er habe in der Vergangenheit wirklich nicht immer die Wahrheit gesagt. Jetzt aber, so versicherte er dem Kaiser treuherzig, habe er sich geändert. Man könne ihm vertrauen. Es stand kaum zu vermuten, dass die Kaiserin und der Staatskanzler dergleichen Versicherungen Glauben schenkten. Sie hatten dessen ungeachtet aufmerksam registriert, dass die Lagebeurteilung Friedrichs II. im Wesentlichen der eigenen entsprach. Ob das auch für die bevorzugten Lösungsansätze galt, war offen. Dies zu klären, sollte die Aufgabe eines zweiten Treffens sein, das am 3. September 1770 in Mährisch-Neustadt stattfand.12 Die militärische Lage der Türken war mittlerweile noch schwieriger geworden: Die Russen hatten mit britischer Unterstützung im Mittelmeer erste Seesiege errungen, und auch auf dem Lande waren die Fortschritte der Truppen der Zarin unübersehbar.13 Friedrich nutzte die zweite Begegnung zu einer Demonstration seiner freundschaftlichen Intentionen. Seine militärischen Begleiter trugen österreichische Uniformen, und er selbst begrüßte seine Gastgeber erneut mit ausgesuchter Freundlichkeit. Hatte Friedrich das letzte Treffen mit ermüdenden Monologen beherrscht, musste er nun zu seiner Überraschung feststellen, dass sich ein Vertreter Habsburgs im Raum befand, der ihm zu widersprechen wagte: Staatskanzler Kaunitz begleitete den Kaiser. König Friedrich und Kaunitz zogen sich nach dem Mittagessen in eine Fensternische des Speisesaals zurück. Die beiden Männer konnten unterschiedlicher nicht sein. Während Friedrich den ehrlichen, impulsiven, früh vergreisten Monarchen darstellte, gefiel sich Kaunitz in der Rolle des überlegenen Analytikers. Der Hohenzollern­

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könig lauschte voller Interesse dessen Darlegungen. Der Staatskanzler versichterte Friedrich II. zunächst, dass Wien den Gedanken an eine Rückeroberung Schlesiens ein für alle Mal aufgegeben habe. Österreichs Interesse sei der Friede und die Erhaltung des Status quo. Die Kriege Russlands störten daher die Pläne Habsburgs, und man werde alles tun, sie zu beenden. Der Schlüssel dafür sei eine enge Kooperation zwischen Preußen und Österreich: Man möge sich unbeschadet der Bundesverpflichtungen gegenüber Russland bzw. Frankreich der wechselseitigen Neutralität bei Auseinandersetzungen im Reich versichern. Beide Kronen sollten damit sicherstellen, dass der Kriegsfunke nicht nach Mitteleuropa übersprang. Des Weiteren sollten sie gemeinsam als Friedensvermittler im Osten tätig werden: Preußen möge seinen Einfluss auf Russland geltend machen, und Österreich werde dies gegenüber Istanbul tun, mit dessen Sultan man in engem Kontakt stehe.

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Pläne, das polnisch-litauische Königreich aufzuteilen, waren bereits im 17. Jahrhundert diskutiert worden. So hatte der schwedische König Karl X. Gustav eine Zerschlagung der Adelsrepublik als strategisches Ziel des zweiten Nordischen Krieges formuliert. Einige Jahrzehnte später wurden Teilungspläne unter anderen Vorzeichen vom polnischen König und sächsischen Kurfürsten August II. ins Spiel gebracht. Die Geläufigkeit, mit der Friedrich II. sie bereits als Kronprinz diskutierte, war damit alles andere als ungewöhnlich. In seinem Politischen Testament von 1752 erklärte er lapidar, man müsse Polen wie eine Artischocke verspeisen – Stück für Stück.14 Dass der Zeitpunkt gekommen sein könnte, diese Überlegungen in die Tat umzusetzen, hatte Prinz Heinrich seinem Bruder nach dem ersten Treffen mit dem Kaiser angedeutet: Mächte würden jederzeit ihren Streit beilegen, wenn sie dadurch ihr Territorium vergrößern könnten. Preußen lauerte auf die Gelegenheit, sich das Ermland und Pomerellen einzuverleiben. Damit würde endlich die Lücke zwischen Ostpreußen und Pommern geschlossen werden. Zudem waren die zu zwei Fünfteln von deutschsprachiger Bevölkerung bewohnten Provinzen leicht in das preußische Territorium zu integrieren und gewährten dem König überdies Zugriff auf den wichtigen polnischen Getreidemarkt. Diese Beute war zu verlockend, als dass Friedrich II. sie aus Rücksicht auf Wien verschmäht hätte.

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Die militärischen Triumphe der Zarin sollten ihm den Weg in diese Richtung eröffnen. Dass sie ihre Truppen aus dem Schwarzmeergebiet zurückziehen würde, war eine Illusion. Niemand war in der Lage oder bereit, dies zu erzwingen. Kaiser Joseph II. wies seine Mutter im November 1770 darauf hin, dass die Politik der Restabilisierung Polens und des Osmanischen Reiches gescheitert war – Österreich sollte sich stattdessen auf einen Krieg vorbereiten. Auch Kaunitz gab zu bedenken, dass die militärische Option ins Blickfeld rückte. Er war zwar nach wie vor davon überzeugt, dass das Ziel der habsburgischen Politik darin bestehen müsse, rasch Frieden herzustellen, Preußen werde sich aber nur dann hinreichend engagieren, wenn es einen Gegenwert erhalte. Wenn Berlin sich auf Kosten Polens arrondiere, dann, so Kaunitz, dürfe auch Wien eine Entschädigung für seine Mühen erwarten.15 Maria Theresia blieb abwartend. Die Vorschläge ihres Staatskanzlers liefen auf eine Gebietsvergrößerung der Großmächte zu Lasten der Mindermächtigen hinaus. Nachdem Habsburg Schlesien nicht hatte wiedergewinnen können, sollte es sich an Polen schadlos halten. Wenn dieses Grundprinzip sich erst einmal durchgesetzt hatte und deutlich wurde, dass sich Polen oder das Osmanische Reich zerstückeln ließen, ohne dass dies zu unbeherrschbaren militärischen Auseinandersetzungen führte, würde es kein Halten mehr geben. Sollte das Haus Habsburg diese Entwicklung tatsächlich fördern? Die Kaiserin, die sich stets als Bewahrerin ihres Erbes dargestellt hatte und damit als Inbegriff der europäischen Stabilität, sah hier erhebliche Probleme. In ihrem Antwortschreiben an Kaunitz lobt sie den Staatskanzler zunächst für seinen intellektuellen Scharfsinn, um dann lapidar zu bemerken, dass der Teilungsplan ihr Auffassungsvermögen überschreite. Höflich, aber bestimmt weist sie ihn in die Schranken: Eine Teilung Polens komme vorerst nicht in Frage. Noch deutlicher wurde sie in Bezug auf die militärischen Planungen ihres Sohnes, die in den folgenden Monaten immer konkretere Formen annahmen. Sie wisse, schreibt sie in ihren Aufzeichnungen, dass man ihre Ablehnung jeglicher militärischer Operation – und seien es nur Drohgebärden – als schwach und furchtsam empfinden werde. Aber ich fühle mich nicht stark genug um mich für einen Krieg zu entscheiden, den ich für ungerecht und daher gegen mein Gewissen ansehe. In meinem Alter überlegt man reiflicher; nach den schrecklichen Kriegen, die ich führen musste, weis ich was man davon zu fürchten hat, und insbesondere in jenem Lande durch die Pest und die Hungersnoth.16

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Tatsächlich war diese Entscheidung alles andere als ein Zeichen von Schwäche: Die Kaiserin verweigerte sich aus wohlerwogenen Gründen jedem Schritt, der Europa destabilisieren würde. Ihr Land war zu erschöpft, als dass es einen weiteren Krieg ertragen konnte. Noch einmal würde sie nicht in das Spiel der Großmächte um Einfluss und Territorien eintreten. Das Risiko erschien ihr zu groß. Auch ihr Hinweis auf eigene Gewissensqualen war sicher mehr als eine bloß sentimentale, politisch irrelevante Bemerkung. Tatsächlich hatte die Kaiserin ihre Kriege stets mit dem Ziel der Wiederherstellung der europäischen Stabilität begründet. Letztlich ging es ihr, so betonte sie auch in internen Vermerken immer wieder, um das Wohl und Wehe der Christenheit. Im Wettstreit mit anderen Mächten galt es daher stets, Regeln einzuhalten. Das wurde von ihr selbst im Krieg mit Friedrich II. beachtet, dem sie zwar Schlesien und Pommern nehmen wollte, nicht aber sein Kurfürstentum Brandenburg. Ein Grund für diese Zurückhaltung war, dass das Haus Habsburg aus der Einhaltung dieser Regeln politische Vorteile zog. Nur durch herrschaftliche Selbstbeschränkung konnte die Kaiserdynastie glaubwürdig als Schutzmacht der kleinen Reichsstände auftreten. Darüber hinaus stellte die Lehre vom Herrscher als Schutzherrn des Rechts gleichsam das Fundament des habsburgischen Selbstverständnisses dar, das der Tochter Karls VI. seit Kindertagen vermittelt worden war. Mit diesem Selbstverständnis zu brechen, fiel der Person Maria Theresia offenbar ebenso schwer wie der Politikerin. Trotz ihrer klaren Entscheidung, die bisherige Politik der Befriedung Osteuropas bei konsequenter Achtung der Integrität Polens weiterzuverfolgen, zeigte sie sich bemüht, ihr näheres Umfeld nicht zu brüskieren. Statt die Vorschläge ihres Sohnes und des Staatskanzlers in Bausch und Bogen zurückzuweisen, betonte sie die Übereinstimmungen: Auch sie hatten von einem direkten Konflikt mit Russland abgeraten. Um dieses Ziel zu erreichen, brauche sie beider Unterstützung. Wie stets in solchen Momenten appellierte die Kaiserin an die affektive Bindung zwischen ihr und ihrem Gegenüber. Ihr Herz, so schrieb sie Kaunitz, sei bedrückt und ihr grauer Kopf eigne sich nicht mehr zum Regieren. Nur mit seiner Hilfe werde es gelingen, den Frieden zu erhalten. Tatsächlich zeigte sich in den folgenden Monaten, dass sich Russland mit ausschließlich politischen Mitteln nicht aufhalten ließ. Maria Theresia beschloss daher – widerwillig zunächst –, der Zarin ein starkes Signal militärischer Abwehrbereitschaft zu senden. Am 7. Juli 1771 wurde in Istanbul eine Militärallianz zwischen Vertretern der Kaiserin und des Sultans abgeschlos-

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sen. Zugleich begann Wien, polnische Grenzbezirke, die zum Teil bereits 1769 mit Zustimmung des polnischen Königs besetzt worden waren, administrativ ins Habsburgerreich zu integrieren. Es handelte sich um Territorien, deren Rechtsstatus seit längerem umstritten war. Gleichwohl stellte, wie der König von Preußen rasch erkannte, dieses Vorgehen einen Präzedenzfall dar, der von anderen Großmächten genutzt werden konnte. So teilte Friedrich II. dem Wiener Hof im August 1771 mit, er sehe nur noch eine Möglichkeit, Russland von der Annexion der Donaufürstentümer Moldau und Walachei abzuhalten: Man müsse die Zarin für den Verzicht mit polnischen Territorien entschädigen. Maria Theresia lehnte ab. Sie sah sich allerdings gezwungen, ihre Position mit militärischem Nachdruck vorzutragen: Wenn Russland beginne, in großem Maßstabe fremdes Territorium zu annektieren, werde sich Wien, wie die Kaiserin deutlich machte, einschalten. Selbst einer Abtretung des Krimkhanats an die Zarin werde sie nicht zustimmen. Wenn das Zarenreich sich erst einmal am Schwarzen Meer festgesetzt habe, werde dies dauerhafte Konsequenzen haben. Während Maria Theresia ihre Politik der politischen Blockade damit nicht nur fortsetzte, sondern sogar verschärfte, waren Preußen und Russland handelseinig geworden. Im Dezember 1771 hatten sich die beiden Mächte im Prinzip über die Annexion polnischer Gebiete verständigt. Damit war für die Kaiserin der Moment der Entscheidung gekommen: Entweder sie griff tatsächlich zu den Waffen, um die Teilung von Staaten oder Annexionen zu verhindern, oder sie verlangte ihren Anteil. Die militärische Option beruhe, gab Kaunitz zu verstehen, letztlich auf falschen Annahmen. Das Osmanische Reich weise bestürzende militärische Strukturmängel auf. Die Vorstellung, das Haus Österreich könne diesen Herrschaftsraum durch begrenzte militärische Maßnahmen restabilisieren, sei verfehlt. Es sei daher notwendig, sich mit den übrigen Mächten auf Teilungspläne zu verständigen. Kaiser Joseph widersprach: Zu bevorzugen sei vielmehr eine Politik des bewaffneten Abwartens. Während die Zarin mit dem Osmanischen Reich beschäftigt sei, möge die Kaiserin die polnischen Verhältnisse in ihrem Sinne regeln und dabei auch Gebietserweiterungen in Betracht ziehen. Was die Türken angehe, so solle man sie vor die Wahl stellen, entweder den Kampf gegen Russland fortzusetzen und Subsidien an Wien zu zahlen oder Gebietsverluste hinzunehmen, wobei die Kaiserin in diesem Falle ebenfalls Ansprüche geltend machen solle. Dergleichen Appelle begannen zu wirken. Sie habe, so machte Maria Theresia in ihren Instruktionen zunächst deutlich, Teilungsplänen bisher nicht

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zugestimmt und sei weiterhin der Meinung, dass jegliche Grenzveränderung im osteuropäischen Raum nicht im österreichischen Interesse sei. Gleichwohl wolle sie militärische Auseinandersetzungen unter allen Umständen vermeiden. Dies sei aber wohl nur zu erreichen, wenn Wien die Interessen Preußens und Russlands stärker berücksichtige. Kaunitz entwickelte in der Folge verschiedene Szenarien einer Neuordnung der europäischen Landkarte. Seine insgesamt sieben Planspiele reichten von einer kompletten Verteilung der osmanischen Territorien auf der Balkanhalbinsel zwischen der Zarin und der Kaiserin bis hin zu einer Verkleinerung des Königreichs Polen-Litauen. Die Kaiserin war ein weiteres Mal empört: Dergleichen sei niemals in ihrem Sinne gewesen, sie habe stets danach gestrebt, vertrags- und prinzipientreu zu handeln. Nur dadurch habe sie sich die Bewunderung und das Vertrauen ganz Europas erworben. Es sei für sie völlig inakzeptabel, dass nunmehr preußische Staatsmaximen in Wien Anwendung fänden. Die Kaiserin stemmte sich mit aller Eloquenz gegen die Vorstellung, dass ihr Beharren auf Stabilität und Berechenbarkeit ein Zeichen der Schwäche sei. Es sei vielmehr umgekehrt: Was könne Österreich denn bei den diversen Teilungen, die Kaunitz ins Auge gefasst habe, gewinnen? Die Donaufürstentümer etwa seien wertlos. Die Krone werde viel Geld investieren müssen, um diese von Krankheiten heimgesuchten und verarmten Regionen in funktionsfähige Teile des Reiches zu verwandeln. Wie groß der Anteil auch sei, den Wien aus der Erbmasse Polens und des Osmanischen Reiches für sich gewönne, jener der Rivalen werde größer sein. Letztlich würde das Haus Habsburg damit geschwächt. Das wiege umso schwerer, als der Kaiser nicht mehr als Schirmherr der kleinen und schwachen Reichsstände auftreten könne, die zuvor treu zu ihm gestanden hätten. Der Handlungsspielraum und die Entscheidungsmacht der Kaiserin ­waren unverkennbar geschrumpft. Die sich anbahnende Teilung Polens war ihrer Kontrolle entglitten. Sie konnte sie bestenfalls noch verlangsamen und in ihrem Umfang begrenzen. Die Entscheidung, dass sie stattfand, war in Berlin und in St. Petersburg längst gefällt worden. Zudem musste Maria Theresia mit Erschrecken erkennen, dass durch die Besetzung polnischer Grenzbezirke, die Konvention mit der Türkei, aber auch die Planspiele in ihrem Umkreis ihre Politik aus den eigenen Reihen ins Gegenteil verkehrt wurde. So erschienen ihre Proteste als Bekenntnisse der Hilflosigkeit und als Ermahnungen an die Nachgeborenen, die das Heft des Handelns mehr und mehr in die Hand nahmen.

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Maria Theresia war an dem Wandel, den sie beklagte, gleichwohl beteiligt. Mit dem Bündnis mit Frankreich hatte sie ein Tabu hinter sich gelassen und eine Konstante aus der europäischen Politik entfernt: den österreichisch-französischen Gegensatz. Ergebnis dieser diplomatischen Revolution war eine neue Flexibilität: Wenn die einstigen Erbfeinde Österreich und Frankreich eine Allianz schließen konnten, dann konnten es andere auch; wenn Österreich sich von England abwenden konnte, dann war keine Allianz in Europa von Dauer. Kooperation war nach der neuen politischen Maxime, wie Kaunitz sie vertrat, gemeinsames Handeln auf Zeit und zu einem bestimmten Zweck. Berührungsängste mit anderen Großmächten kannte der habsburgische Chefdiplomat ebenso wenig wie die Verpflichtung zu ewiger Bündnistreue. Noch in den Tagen des Prinzen Eugen hatten Großreiche und Republiken mit unscharfen Grenzen und unklarer Herrschaftsordnung wie das Alte Reich, Polen-Litauen oder die Alte Eidgenossenschaft eine wichtige Rolle im Kräfteringen der Großmächte gespielt. Dass die Bedeutung dieser komplizierten Spielfelder europäischer Politik zurückging, war auch auf die Politik Maria Theresias und ihres Staatskanzlers zurückzuführen. Das Reich war zwar noch immer eine wichtige Bühne habsburgischer Machtpolitik, der Schwerpunkt politischen Handelns lag nun aber in der Stärkung der Erbländer. Das war keine politische Revolution, aber eine signifikante Schwerpunktverlagerung. Wenn nicht einmal mehr die Kaiserin die alten Regeln der europäischen Bündnisarithmetik beherzigte, wenn nicht einmal mehr sie sich mit aller Kraft für das Reich einsetzte – wer sollte es dann tun? Joseph II. dachte diese Entwicklung in all ihren Konsequenzen weiter. Letztlich war für eine europäische Großmacht nur die eigene Stärke von Bedeutung. Jeder Verbündete konnte rasch zum Feind werden, wobei die Treue der Reichsstände besonders zweifelhaft war. Der Kaiser hatte die polnische Teilung schon früh forciert und darauf gedrängt, für Österreich ein möglichst großes Stück aus dem polnischen und möglichst auch dem osmanischen Territorialbestand herauszulösen. Unter beständigen Protesten und Warnungen seiner Mutter setzte der Kaiser diesen Ansatz nun um. Mit dem Königreich Galizien erhielt Österreich keinen halbbarbarischen und von Seuchen geplagten Landstrich, wie von der Mutter befürchtet, sondern eine der wohlhabendsten und bevölkerungsreichsten polnischen Provinzen. Anstatt sich wechselseitig Territorialbestände streitig zu machen, hatten die Großmächte sich darauf geeinigt, einen mindermächtigen Nachbarn zu berauben. Noch war dies unter dem Deckmantel des Rechts geschehen, vor allem die öster-

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reichische Seite zeigte sich bemüht, alte Ansprüche auf das Annexionsgebiet vorzuweisen. Auch war es gelungen, das russische Expansionsstreben auf dem Balkan einzudämmen. Die Krim wurde zumindest offiziell nicht annektiert, sondern lediglich vom Osmanischen Reich in die Unabhängigkeit entlassen. Die Zarin erhielt lediglich das Recht, zwei Hafenstädte am Schwarzen Meer zu errichten. Der Hoffnung, dass die polnische Teilung und die Annexion osmanischer Territorien Einzelfälle blieben, mochte die Kaiserin sich dennoch nicht hingeben. Ihr war klar, dass hier ein Tabubruch stattgefunden hatte. Gerade der reibungslose Ablauf des Unternehmens, dem das polnische Parlament sogar noch offiziell zustimmte, musste weitere Teilungsschritte nach sich ziehen. Offenbar konnten auf dem europäischen Kontinent risikofrei Gebiete erworben werden, die zu schwach und unentschlossen waren, sich zu wehren. Solange auch die konkurrierenden Großmächte einen Anteil erhielten, war nicht davon auszugehen, dass sie eingreifen würden. Eine neue Landkarte Europas zeichnete sich ab, auf der kleine Territorien nur noch vereinzelt Platz finden würden. Ein Wettlauf um die Aufteilung Europas hatte begonnen und Maria Theresia nur wenig Hoffnung, dass Österreich aus ihm als Sieger hervorgehen würde.

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er Bayerische Erbfolgekrieg

Das Haus Habsburg sei einmal eine große Macht gewesen, schrieb Maria Theresia ihrem Sohn, dem Kaiser, am 25. Juli 1778.17 Doch damit sei es vorbei – man müsse nunmehr sein Haupt beugen. Die Kaiserin warnte vor Illusionen und insbesondere vor dem Traum, man könne das Imperium wiederaufbauen, es zu alter Größe führen. Dies sei nicht möglich. Josephs II. Aufgabe sei es vielmehr zu retten, was noch zu retten ist. Statt zu expandieren und weitere kostspielige Kriege zu führen, möge er seinen Blick nach innen wenden: Jene Völker, die den Habsburgern geblieben waren, sollten unter seiner Regierung glücklicher leben als unter ihrer. Das Reich sehne sich nach Ruhe und Frieden. Unermüdlich schrieb die alternde Monarchin gegen einen Krieg an, den sie als kostspielig, gefährlich, ja selbstmörderisch einschätzte. Sie war 61 Jahre alt und gesundheitlich stark angegriffen. Obwohl unermüdlich in der Erfüllung ihrer Regierungsaufgaben, hatte das Wort des Thronfolgers und Mitregenten an Gewicht gewonnen. Außenpolitische Ent-

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scheidungen bedurften zwar ihrer Zustimmung, de facto wurden die wichtigsten Beschlüsse aber von ihr, dem Kaiser und dem Staatskanzler Kaunitz gemeinsam getroffen. Waren ihr Sohn und Kaunitz sich einig, beugte sie sich. Deutlich wurde diese neue Zurückhaltung, als am 30. Dezember 1777 Kurfürst Maximilian III. Joseph von Bayern starb und das Haus Wittelsbach damit vor einem ähnlichen Dilemma stand wie siebzig Jahre zuvor das Haus Habsburg – die bayerische Linie der Wittelsbacher war ausgestorben. Zwar hatte der letzte bayerische Wittelsbacher mit seinen Erben alle nur erdenklichen juristischen und politischen Maßnahmen getroffen, um die Erbmasse ungeteilt an den nächsten Kurfürsten übergeben zu können. Dass dies gelingen würde, war jedoch zweifelhaft. Erbberechtigt war nämlich die pfälzische Linie des Hauses, doch Kurfürst Karl Theodor war 53 Jahre alt und ebenfalls kinderlos. Nach seinem Tod sollte gemäß den Wittelsbacher Hausverträgen das Gesamterbe an Karl II. August von Pfalz-Zweibrücken gehen, der immerhin einen erbberechtigten Neffen hatte. Würde es der pfälzischen Linie gelingen, ihre Ansprüche durchzusetzen, entstünde im Süden Deutschlands eine bedeutende wittelsbachische Territorialmacht, die die gesamte Kurpfalz, die Oberpfalz und Bayern umfasste. Pläne, dies zu verhindern, waren von Joseph II. und Kaunitz schon lange vor dem Tod des Bayern geschmiedet worden.18 In Gesprächen mit dem designierten Thronfolger war über einen möglichen Gebietstausch debattiert worden. Nach dem plötzlichen Tod des bayerischen Kurfürsten traten dergleichen Gedankenspiele und Vorverhandlungen in eine neue Phase. Der Kaiser drängte zum Handeln. Das Haus Habsburg hatte ihm zufolge zwei Möglichkeiten: den Erwerb Niederbayerns im Tausch gegen Gebiete im deutschen Südwesten oder die Einverleibung ganz Bayerns unter Abtretung eines nennenswerten Teils der österreichischen Niederlande. Beide Lösungen, so legte er dar, würden eine Stärkung des Hauses Habsburg bedeuten, das auf diese Weise seinen Territorialbestand abrundete. Es verstand sich von selbst, dass Joseph darauf bedacht war, bei diesem Handel möglichst viel zu nehmen und wenig zu geben. Er ließ keinen Zweifel daran, dass er eine Ablehnung seiner Tauschvorhaben nicht akzeptieren würde. Bayern, so der Standpunkt des Kaisers, sei ein heimgefallenes Reichslehen und könne auch als solches behandelt werden. Das war eine unverhohlene Drohung: Zeigten sich die wittelsbachischen Erben nicht kooperativ, konnten sie ganz leer ausgehen. Dass Joseph zusätzlich eigene Erbansprüche des Hauses Habsburg formulierte, verschärfte die Situation weiter.19

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So ließ sich der neue bayerische Kurfürst auf eine am 3. Januar 1778 ratifizierte Konvention ein, die den Tausch Niederbayerns sanktionierte. Kaum war die Tinte unter dem Dokument getrocknet, ließ der Kaiser seine Truppen in die neue Provinz einmarschieren. Das Haus Habsburg hatte Tatsachen geschaffen und verhandelte weiter. Noch war ein Erwerb ganz Bayerns möglich, wobei Joseph II. erbittert den Preis zu drücken versuchte. Was schon während des Österreichischen Erbfolgekrieges in der Geheimen Konferenz diskutiert worden war, schien in den ersten Monaten des Jahres 1778 in greifbare Nähe zu rücken: die Besetzung Bayerns als Ausgleich für den Verlust Schlesiens – ein verlockender Gewinn für Kaunitz und seinen Kaiser. Zweifel waren unerwünscht, selbst wenn sie von der Kaiserin vorgetragen wurden. Die schätzte die Pläne ihres Sohnes von Beginn an als wenig erfolgversprechend ein. Selbst wenn die Ansprüche auf das bayerische Erbe begründeter wären, rate sie davon ab, für diese Provinzen einen Krieg zu riskieren: Einen weiteren militärischen Konflikt könne das Habsburgerreich nicht verkraften. Dieser werde nicht nur einen entsetzlichen Blutzoll fordern, sondern die fiskalische und ökonomische Gesundung der Monarchie zunichte machen.20 Auch dass Preußen der Annexion einfach zusehen würde, glaubte sie nicht. Der Preußenkönig, dem Joseph so eloquent zugesichert hatte, man werde im Reich nichts ohne vorherige Absprache mit ihm unternehmen, reagierte schneller als erwartet: Mit etwas Druck gelang es ihm, den Erben des frisch auf den Thron gelangten bayerischen Kurfürsten zu einem Protest auf dem Reichstag zu bewegen. Ausgerechnet der Hohenzoller schloss sich diesem Appell an das Reichsrecht an: Als wäre der Überfall auf Schlesien nie geschehen, wusste Friedrich sich in diesem Prozess als Hüter des Rechts zu stilisieren. Das Verhalten des Kaisers sei, wie er in seinen Briefen an den Prinzen Heinrich und den Grafen Finckenstein nicht müde wurde zu betonen, an politischer Dummheit nicht zu überbieten: Preußen könne einem Machtzuwachs des Hauses Habsburg, wie Joseph II. ihn anstrebe, nicht tatenlos zusehen und werde in seinem Widerstand zahlreiche Mitstreiter finden. In einem Brief an den Kaiser vom 14. April 1778 formulierte Friedrich eine deutliche Warnung: Leider habe er momentan keinen Minister oder Sekretär bei sich, sodass er dem Kaiser mit eigener Feder und ohne vorherige Beratung schreibe. Er werde ihm die Antwort eines alten Soldaten geben: Was der Kaiser im Sinne habe, sei im Grunde nichts anderes, als erbliche Reichslehen in Gebietszuweisungen auf Zeit zu verwandeln. So etwas kenne man bislang

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nur aus dem Osmanischen Reich. Folge man des Kaisers Interpretation, so könne er künftig die jeweiligen Erben eines Lehnsmannes ohne Weiteres übergehen. Kein Reichsstand werde dies akzeptieren. Einen solchen Plan verfolgte Joseph  II. gewiss nicht, dennoch hatte Friedrich II. einen wunden Punkt in der Argumentation des Habsburgers getroffen. Wenn Kaunitz sich auch nach Kräften bemühte, die Gebiets­ erweiterungen im deutschen Südosten als Tauschgeschäfte darzustellen, und bei allen Aquisitionen, die ohne Kompensation blieben, auf alte Lehnsrechte hinwies, zweifelte doch kaum ein Zeitgenosse daran, dass des Kaisers Ansprüche weniger auf einem Rechtsfundament beruhten als vielmehr auf der Macht seiner Truppen. Hier versuchte eine Großmacht, ihren Einfluss auf Kosten eines mindermächtigen Souveräns zu erweitern. Am Ende würde der wittelsbachische Erbe seine Ansprüche unter Wert verkaufen und mit dem zufrieden sein müssen, was Wien ihm bot. Die Vorgehensweise des Kaisers erinnerte an die polnische Teilung. Das Reich war indes nicht Polen. Joseph II. hatte es versäumt, sich vor Abschluss der Konvention mit dem neuen bayerischen Kurfürsten mit den Großmächten ins Benehmen zu setzen. Nun erlebte er eine böse Überraschung: Preußen war durchaus bereit, militärische Schritte einzuleiten. Versuche, es mit eigenen Gebietsarrondierungen zu locken, schlugen fehl. Friedrich sah die Möglichkeit gekommen, das Kaiserhaus zu desavouieren: Der einstige Unruhestifter des Reiches stilisierte sich zum Retter der deutschen Freiheit und gewann neue Bündnispartner. Sachsen etwa stellte sich in diesem Konflikt auf seine Seite. Der Kaiser stand demgegenüber weitgehend allein. Selbst Frankreich war, wie dessen Botschafter Kaunitz deutlich gemacht hatte, nicht bereit, auf seiner Seite in einen Krieg einzutreten. Ludwig XVI. bedurfte der Kräfte seines Landes für die bevorstehenden Auseinandersetzungen mit England auf dem amerikanischen Kontinent. Militärische Abenteuer in Deutschland waren nicht im Interesse Versailles.21 Als die Preußen am 3. Juli 1778 in Böhmen einmarschierten, zeigte sich rasch, dass der Konflikt, in den Joseph sein Reich gestürzt hatte, nicht zu gewinnen war. Beide Seiten belauerten einander. Der kurze, aber bedrohliche Krieg um die bayerische Erbfolge wurde von der von beiden Seiten verfolgten Manöverstrategie bestimmt: Nicht Schlachten, sondern die Verschiebung von Truppenkontingenten, das Abschneiden von Nachschubwegen und das Besetzen strategisch wichtiger Positionen prägten die Auseinandersetzung. Das habsburgische Oberkommando schlug sich dabei achtbar, war aber von einem

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Sieg weit entfernt. Kaum hatte der Krieg begonnen, machte die Kaiserin schon erste Anstalten, das ebenso teure wie sinnlose und gefährliche Spektakel zu beenden. Bislang hatte sie sich zurückgehalten und ihrem Sohn das Feld überlassen, nun spielte sie ein letztes Mal ihre Macht aus: Ohne Joseph zu verständigen, sandte sie einen Vermittler zum Preußenkönig und sondierte die Möglichkeiten eines Kompromisses. Der Kaiser tobte. Sie möge, so schrieb er seiner Mutter am 27. Juli, doch davon Abstand nehmen, sich in ihren Briefen immer wieder nach seiner Gesundheit zu erkundigen, und stattdessen etwas mehr Rücksicht auf seine Ehre nehmen. Er fühle sich hintergangen. Die Angegriffene blieb völlig ungerührt.22 Sie habe, so Maria Theresia am 20. August 1778 an ihren Sohn, nichts anderes unternommen als den Versuch, ihn aus einer misslichen Lage zu befreien, in die er sich selbst manövriert habe. Abgesehen davon habe sie es nicht nötig, ihren Sohn zu hintergehen: Sie sei die Monarchin und niemandem Rechenschaft schuldig – deutlicher konnte sie ihr Letztentscheidungsrecht nicht zum Ausdruck bringen.23 In den folgenden Monaten konzentrierte sich der Kaiser auf die Kriegsführung, während Kaunitz und die Kaiserin auf diplomatischem Parkett agierten. Nachdem die direkten Verhandlungen gescheitert waren, wurden Frankreich und Russland als Vermittler gewonnen. Am 13. Mai 1779, dem 62. Geburtstag der Kaiserin, wurde in Teschen der Friedensvertrag zwischen den kriegführenden Parteien unterzeichnet. Aus des Kaisers Sicht war der Ertrag für das Haus Habsburg enttäuschend: Während Preußen die Garantie auf die Erbfolge in Ansbach erhielt und Sachsen sich über den stolzen Betrag von vier Millionen Gulden freuen durfte, bekam Österreich nur das Innviertel. Maria Theresia hatte die expansionistische Hochrisikopolitik ihres Sohnes vor aller Welt scheitern lassen und sich ein letztes Mal als Friedenskaiserin präsentiert (s. Abb. 23). Noch einmal trat sie vor aller Welt als eine Frau auf, die nur dann zu den Waffen griff – und auch das nur äußerst widerwillig –, wenn es galt, das Erbe ihrer Söhne zu verteidigen.

Maria Theresia Die Sterbende

Die Kaiserin litt seit Jahren unter Atemproblemen. Schon moderate körperliche Bewegung ließ ihr Gesicht bläulich anlaufen. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Ich bin miserabel, ich kann nicht mehr, es wird täglich übler mit meinem Athem – so oder ähnlich lauteten Tochter Marianne zufolge die fast täglichen Klagen der übergewichtigen Frau. Auch im Gespräch war sie kurzatmig geworden, was sie mit allerlei launigen Bemerkungen zu überspielen suchte. Sie fühle sich, so erklärte sie immer und immer wieder, als versteinere sie innerlich. Ständig war ihr zu heiß. Die Fenster standen Tag und Nacht offen. Eisgekühlte Limonade war ihr ständiger Begleiter. Dass sie unter Grund­ erkrankungen litt, die sie schwächten, war offenkundig.1 Der Anfang vom Ende datiert auf den 8. November 1780. Ihre Majestät hatte der Fasanenjagd zu Schönbrunn beigewohnt, einem der wenigen Termine waidmännischer Art, denen sie sich nicht entziehen konnte. Es regnete in Strömen. Das Dach der Kutsche schützte nur notdürftig vor der Feuchtigkeit. Auch ihre nassen Schuhe hielten sie nicht davon ab, ihrer Tochter Maria Christine eine neue Artemis-Statue im Schlosspark zu zeigen. Als der Husten sich verstärkte, war zunächst niemand am Hof sonderlich beunruhigt – die Kaiserin hatte die Erkrankung ja geradezu herausgefordert. Viele Infekte hatte sie bereits durchlitten. Die neuerliche Erkältung war vor allem durch die starke Schleimbildung der Lunge besonders unangenehm. Etwas Schonung würde ihr guttun. Am 18. November ließ sie ihrem ältesten Sohn die Nachricht zukommen, dass sie am nächsten Tag nicht zum Gottesdienst kommen könne. Sie ging trotzdem hin, allerdings incognito. Einige Damen wurden gegrüßt, Audienzen gegeben. An diesem 20. November hatten die Beschwerden jedoch so weit zugenommen, dass sie nicht länger ignoriert werden konnten. Sie habe sich zu einem Aderlass entschließen müssen, so schrieb Maria Theresia ihrer Schwiegertochter Marie Beatrice am selben Tage, dennoch möge man sich nicht einbilden, dass sie ernsthaft krank sei. Sie behalte ihre gewohnte Lebensweise bei und sei nur für kurze Zeit unpässlich.

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In der Tat begann der 21. November 1780, ein Sonntag, wie üblich. Maria Theresia speiste am Morgen mit ihrem Sohn, begab sich dann zur Kirche und arbeitete anschließend. Während sie an ihrem Schreibtisch saß, steigerten sich die Hustenanfälle. Die Dienerschaft begann sich um das Leben Ihrer Majestät zu sorgen, fast klang es, als würde sie ersticken. Noch jedoch ließ sich die Monarchin nicht von ihrem Tagesgeschäft abhalten. Röchelnd und hustend verbrachte sie auch die nächsten zwei Tage am Schreibtisch. An Schlaf war angesichts der immer stärkeren Belastung der Lunge kaum noch zu denken. Um die Mittagszeit des 24. November trafen Erzherzogin Maria Christina, die Lieblingstochter der Kaiserin, und ihr Mann in der Hofburg ein. Man unterhielt sich den ganzen Nachmittag, bis die Kranke schließlich ermattete. Erzherzogin Marianne traf sie gegen fünf Uhr. Ich fande sie sitzend in einem kleinen Durchgangszimmer fast ohne Athem und so verändert im Gesicht, dass ich erschrak. Sie solle zum Gottesdienst gehen, befahl ihr die Mutter. Marianne gehorchte und fand den Hof im Moment ihrer Rückkehr in heller Aufregung vor. Die Monarchin hatte Erstickungsanfälle bekommen, der Leibarzt empfahl Vorkehrungen für die Beichte. Nichts deutete am Morgen des nächsten Tages darauf hin, dass das Ende nahte. Wie gewöhnlich begann der Tag mit einem gemeinsamen Frühstück von Mutter und Töchtern. Gegen neun Uhr bat die Kaiserin, allein gelassen zu werden: Der Prälat war gekommen, die Kaiserin wollte ihr Gewissen erleichtern. Die Kräfte ihres Körpers begannen zu schwinden – der Geist war noch immer intakt. Befehlsgewohnt erteilte sie den Auftrag, alles für die Sterbesakramente vorzubereiten. Es sei an der Zeit. Widerspruch von Seiten des Kaisers, der die Frömmigkeit seiner Mutter als Marotte abtat, ließ sie nicht zu. Um vier Uhr des Nachmittages wurde die Zeremonie ganz öffentlich vollzogen. Der Nuntius erschien, begleitet von ihren Kindern, im kaiserlichen Bettgemach. Dort empfing sie ihn kniend auf einem Betschemel, über den Kopf einen schwarzen Schleier gezogen. Nach empfangener Kommunion erschien sie beruhigt. Eine erschöpfte Heiterkeit ging von ihr aus. Unterbrochen von Erstickungsanfällen plauderte sie mit ihren Kindern und sorgte sich um die Gesundheit Mariannes, der sie befahl, den Arzt aufzusuchen. Der Kaiser hatte die gesundheitliche Krise der Mutter bislang eher zurückhaltend kommentiert, nun begann er, sie ernst zu nehmen. In der Nacht vom 26. auf den 27.  November übernachtete er in ihrem Vorzimmer und schaute immer wieder nach der im Sessel aufrecht schlafenden Kranken.

Die Sterbende   •   379

Mitten in der Nacht traf er sie am Schreibpult an. Maria Theresia verfasste einen Abschiedsbrief an ihren Sohn Leopold und seine Frau: Sie bedauere den Schmerz, den sie ihnen durch die Todesnachricht zufüge. Gern gebe sie ihm und seiner Familie ihren Segen. In beständiger Atemnot arbeitete sie auch am nächsten Tag – nichts hielt sie davon ab, bis zuletzt ihren Dienst zu erfüllen. Kein Wort der Klage, so berichtete Erzherzogin Marianne später, sei in dieser Zeit über ihre Lippen gekommen. Der letzte Akt der geistlichen Vorbereitung auf den Tod ließ bis zum 28. November auf sich warten. In aller Frühe wurden ihre Kinder geweckt: Die Zeit der letzten Ölung rücke heran, die Kaiserin dispensiere aber alle, denen der Anblick zu sehr zusetze. Sie erschienen alle und knieten um ihren Schlafsessel herum, auf dem die Sterbende, angetan mit dem Schlafrock ihres verstorbenen Mannes und einer Haube, noch einmal ihre Zugehörigkeit zur Heiligen Mutter Kirche unterstrich. Man betete, es folgten die Beichte und eine Ansprache an die Kinder: Künftig werde der Kaiser das Haupt der Familie sein. Joseph brach zusammen, küsste der Mutter die Hände und empfing ihren Segen. Auch mit den übrigen Kindern wurden Küsse und Umarmungen ausgetauscht. Ein erster Abschied war damit vollzogen worden. Weitere folgten.2 Während die Stadt erfüllt war von Gebeten für die Kaiserin und die Hofburg begann, sich auf den Trauerfall vorzubereiten, arbeitete die Sterbende verbissen weiter. Details für das Begräbnis und den Nachlass mussten geregelt werden, und Maria Theresia ließ den Tod warten, bis dies geschehen war. So bestimmte sie finanzielle Fördermaßnahmen aus ihrer Privatschatulle für die Normalschulen – ein deutlicher Fingerzeig darauf, was sie selbst als die größte Errungenschaft ihrer Regierungszeit ansah. Nichts deutete darauf hin, dass sie am Ende ihres Lebens von Schuldgefühlen geplagt war, im Gegenteil: Sie habe, wie sie ihren Kindern mitteilte, alles in guter Absicht getan und hoffe, Gott werde ihr Barmherzigkeit erweisen. Eine von Erstickungsanfällen unterbrochene Nacht brach herein, und die Kaiserin wurde ungeduldig – der Tod sollte endlich kommen. Ich habe, so erklärte sie, alleweil gearbeitet so zu sterben aber habe ich geforchten es möchte mir nicht gerathen jetzo sehe ich das mann mit der gnad gottes alles kann. Am Abend des 28. November hatte sie die Kinder wie gewöhnlich um sich versammelt. Der Alltag schien weiterzugehen und doch choreografierte die Rastlose bis zuletzt das Spektakel ihres eigenen Dahinscheidens.3 Kleine Aufmerksamkeiten und besorgte Nachfragen nach der Gesundheit der Kinder

380   •   Die Sterbende

leiteten den letzten Akt der Übertragung ihrer Position auf den ostentativ untröstlichen Kaiser ein. Ihm, so ließ sie wissen, vererbe sie, was ihr am liebsten sei: ihre Kinder. Sie selbst richte ihren ganzen Sinn nun nicht mehr auf diese, sondern nur noch auf Gott. Die Nacht brach an. Stehen konnte sie schon seit dem Nachmittag nur noch mit Mühe. Schlafen wollte sie nicht – der Tod sollte sie bei vollem Bewusstsein ereilen. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit überlebte sie eine weitere Nacht und nahm am Morgen ihres letzten Tages zwei Tassen Kaffee zu sich, sprach mit ihrem Sohn und schließlich mit ihren Töchtern, denen sie genaue Anweisungen gab. Marianne etwa musste versprechen, in Wien beim Bruder zu bleiben – nicht einmal im Tode wollte sie ihr die Freiheit schenken. Um elf Uhr wurden alle fortgeschickt – die Töchter sollten den Tod der Mutter nicht sehen, sondern für ihr Seelenheil beten. Weitere Medikamente verweigerte sie – der Tod konnte kommen. Römische Kaiser pflegten im Stehen zu sterben, und auch Maria Theresia erhob sich zum Erstaunen der Umstehenden ein letztes Mal, geriet ins Wanken, wurde aufgehoben und auf die Chaiselongue gelegt. Der Kayser sagte, Ihro Mayst. ligen sehr übel; ja sagte sie aber gut genug um zu sterben. Drei oder vier Atemzüge habe sie, so Erzherzogin Marianne, nach diesem Satz noch getan. Dann sei sie verschieden.

Maria Theresia Anmerkungen

Der letzte Spross des Hauses Habsburg 1 2

AT-OeStA/HHStA, ÄZA, K 27 – 1715–1717, K 10, Mappe 1716, November 4–9. AT-OeStA/HHStA, HA, Hofakten des Ministeriums des Inneren, K 3, I C 2, 1717. 3 AT-OeStA/HHStA, ÄZA, K 27 – 1715–1717, K 10, Mappe 1717, Hofkonferenz vom 19. April 1717 als genehmigte Reinschrift und als Konzept. 4 AT-OeStA/HHStA, HA, Sammelbände 2, Tagebücher Karls VI, 1717. 5 AT-OeStA/HHStA, ÄZA, K 27 – 1715–1717, K 10, Zeremonial bei Geburt und Taufe der Erzherzogin Maria Theresia. Ungewöhnlich war die Veröffentlichung des Ablaufs der Taufe einer Erzherzogin in Form eines vierseitigen Drucks. 6 Zur Taufe des Erzherzogs: AT-OeStA/HHStA, ÄZA, K 27 – 1715–1717, Mappe B K 10. 7 In einer 1759 erschienenen Biographie Maria Theresias beschäftigt sich der Autor daher kaum mit dem Namen des Täuflings, was durchaus ungewöhnlich war, wurde doch der Name Leopold etwa von seinen Biographen stets als Vorzeichen für dessen spätere Heldentaten genannt. Dem Kinde war Heldenmut und Herrscherprogramm in die Wiege gelegt. Bei der Suche nach Zeichen der künftigen Bedeutung Maria Theresias musste der Biograph auf eine andere Begebenheit hinweisen – auf die Siege des Prinzen Eugen gegen die Türken in jenem Moment, als die Mutter der kleinen Erzherzogin das Kindbett verließ: Triumph der Tugend (1759), S. 24–25. 8 Die Bezeichnung Österreich ist von den genannten Territorialbezeichnungen für die folgenden Ausführungen der vielleicht wichtigste und zugleich am schwierigsten zu definierende. Zur ersten Orientierung: Klingenstein (1995), S. 149–220. 9 Einen fundierten Überblick gibt: Schnettger (2014). 10 Frey (1983).

382   •   Anmerkungen

11 Zu Karls Versuchen, seine Position im Spanien zu stabilisieren: Arneth (1856). 12 Seitschek (2011), S. 235–239. 13 Die damit verbundenen Rechtsfragen beschäftigten seitdem nicht nur die Juristen der europäischen Höfe, sondern wurden auch publizistisch aufgearbeitet: Geschichte und Thatten (1743), S. 51–65. 14 Schmidt (1999). Kurze Einführung in die Rolle des Kaiseramtes: Gotthard (2006), S. 80–86. Eine interessante Quelle: Betrachtung über des Deutschen Reichs-Staats besondere Beschaffenheit (1741). 15 Lau (2015), S. 265–280. 16 Braun (2008), S. 80. 17 Stollberg-Rilinger (2008), S. 190–192.

Die Tochter 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18

AT-OeStA/HHStA, HA, Sammelbände 2, Tagebücher Karls VI, 1728. Wienerisches Diarium, 1728, 41, 22. Mai. AT-OeStA/HHStA, ÄZA A. 1728, ZAK 34, K 22, 1728 Mai 16–20. Zur Language of Tears: Jarzebowski (2015), S. 255–256. Seitschek (2011), S. 19. Methodisch orientiert sich die Interpretation an: Rosenwein (2006). Die genannten Briefe befinden sich im Bestand: AT-OeStA/HHStA HausA Sammelbände 1-5-3. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 251, 260. Kubiska (2009). Selbst die Kaiserin [gemeint ist Maria Theresia] bediente sich des ganz gemeinen österreichischen Jargons, aus: Pichler (1914), S. 15. Maria Theresia soll ihrer Vorleserin nach Angaben der Tochter Pichlers Unterricht in Latein gegeben haben, damit sie die ungarischen Geschäftsbriefe bewältigen konnte: Pichler (1914), S. 17. Petersilka (2005), S. 39–45. Tschol (1961), S. 208–221. Sowie Spannagel in den Kontext der Hofgeschichtsschreibung stellend: Strohmeyer (2004), S. 882. Mit ausführlichen Hinweisen zur neueren Literatur über Spannagel: Garms-Cornides (2012), S. 271–304. Jarzebowski (2011), S. 39–56. Kolbach (2009). Karajan (1859), S. 15–18. AT-OeStA/HHStA, ÄZA, K 27 – 1715–1717, K 10 Mappe 1717 April 11–Mai 22. Als Amme wurde gegen ein Entgeld von 9000 fl. die Ehefrau eines Sekretärs

Die Tochter   •   383

angenommen, die versichern musste, für ihren Mann nicht um Beförderung nachzusuchen. 19 Arneth: Briefe, Bd. 4 (1881), S. 513–526. 20 AT-OeStA/HHStA, ÄZA A. 1728, ZAK 34, K 23 – 3. 21 Ibd. 22 AT-OeStA/HHStA, ÄZA A. 1728, ZAK 34, K 23, Bericht über die Vorstellung der neuen Aya Gräfin Charlotte Fuchs. 23 AT-OeStA/HHStA, ÄZA A. 1728, ZAK 34, K 11 – 1, Ehevertrag zwischen Josef Ernst Graf Mollard und Fräulein Maria Aloisia Gräfin Lemberg (14.2.1728). 24 Krönungs-Ceremoniel (1723). 25 Zum Folgenden: Zedinger (1994). 26 Wienerisches Diarium, 1730, 89, 8. November. 27 Zum Zusammenspiel von Musik und Zeremoniell am Hofe Karls VI.: Fritz-Hilscher (2012), S. 79–91. 28 Dazu wie zum Folgenden: Huss (2003), S. 224. 29 She is a princess of the highest spirit; her father’s losses are her own.She reasons already; she enters into affairs; she admires his virtues, but condemns his mismanagement; and is of a temper so formed for rule and ambition as to look upon him as little more than her administrator. Coxe (1873), S. 189. 30 Arneth: Maria Theresia, Bd. 1 (1863), S. 28–44. 31 Zedinger (2008). 32 Triumph der Tugend (1759), S. 28–37. 33 Geschichte und Thatten (1743), S. 89. 34 Zum Folgenden: Zedinger (2008), S. 111–146. 35 Einen prägnanten Überblick zur politischen Entwicklung unter Karl VI. gibt: Seitschek, Stefan: Geschichtlicher Abriss, in: 300 Jahre Karl VI. 1711–1740. Begleitband zur Ausstellung des Österreichischen Staatsarchivs, Wien 2011, S. 38–53. 36 AT-OeStA/HHStA StAbt Türkei I 221–223. 37 Häberlin (1746). Acta Publica (1732). 38 Zur Rolle der Pragmatischen Sanktion in der französischen und englischen Gleichgewichtspolitik: Dhont (2015). 39 Arneth (1858), S. 547. 40 Kausler (1839), S. 768–769. 41 300 Jahre Karl VI. (2011), S. 94–177. 42 Zur eher kleinstädisch-provinziellen Atmosphäre Wiens in der Kindheit Maria Theresias: Letters of Lady Mary Wortley Montague (o. J.), S. 13–32. 43 Zur Selbstdarstellung des Kaisers: Weber (2005), S. 98–134. 44 Reinalter (1993), S. 59 ff. 45 Ausführlich: Pachner (1936), 3/S. 74–79, 4/S. 118–120. 46 Zum Folgenden: AT-OeStA/HHStA OMeA ÄZA 39-9. 47 Das zeigt sich eindrucksvoll in den Briefen, die er an ihn sandte: AT-OeStA/ HHStA HausA Sammelbände 1-5–1.

384   •   Anmerkungen

48 Sie behielt dennoch ihren eigenen Hof und versuchte, über finanzielle Zuwendungen ihren Klientenkreis zu erhalten. Darauf weisen nicht zuletzt die immensen Schulden hin, die sie nach ihrem Tod 1750 trotz üppiger finanzieller Ausstattung hinterließ: Handelmann (1867), S. 459–460. Ein Charakterisierung findet sich in: Wolf (1850), S. 37–39. 49 Wienerisches Diarium, 1740, 86, 26. Oktober.

Die Erbin 1 At-OeStA/HHStA StK Preußen 33, 1740, 3r–113v. 2 3 4 5 6 7 8

9 10 11 12 13

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At-OeStA/HHStA StK Preußen 33, 1740, 128r–138v. At-OeStA/HHStA StK Preußen 33, 1740, 139r. At-OeStA/HHStA StK Preußen 33, 1740, 164r–196r. Coxe (1873), S. 242. Bein (1994), S. 161–170. At-OeStA/HHStA StK Preußen 33, 1741, 20r. Cette mort dérange toutes mes idées pacifiques, et je crois qu’il s’agira, au mois de juin, plutôt de poudre à canon, de soldats, de tranchées, que d’actrices, de ballets et de théâtre; de façon que je me vois obligé de suspendre le marché que nous aurions fait.(...) mais celles d’à présent sont de bien plus grande conséquence pour l’Europe; c’est le moment du changement total de l’ancien système de politique; c’est ce rocher détaché qui roule sur la figure des quatre métaux que vit Nabuchodonosor, et qui les détruisit tous. Je vous suis mille fois obligé de l’impression de Machiavel achevée; je ne saurais y travailler à présent, je suis surchargé d’affaires. Der Brief beginnt mit einem Gedicht auf den jüngst verstorbenen Kaiser: Ce prince, né particulier/ Fut roi, puis empereur; Eugène fut sa gloire;/Mais, par malheur pour son histoire,/ Il est mort en banqueroutier. Preuss (1853), S 55–56. Übers.: Volz (1916), S. 277–278. Zu den Kriegsvorbereitungen und der Besetzung Schlesiens: Duncker (1896), S. 3–86. Wienerisches Diarium, 1740, 87, 29. Oktober. Zitiert nach: Herre (1994), S. 46. Kriegl (1740). Die Ernennung erfolgte unbeschadet der Bestimmung der Pragmatischen Sanktion. Maria Theresia behielt sich daher ein Letztentscheidungsrecht vor – eine Tatsache, die den Zeitgenossen bekannt war und auch publizistisch thematisiert wurde: Vortrefliche Ankedoten (1762), S. 30. Von Seiten der prohabsburgischen Publizistik wurden Bayerns Versuche, den Kaiserthron zu erlangen, vor allem auf französisches Wirken zurückgeführt, so etwa in der von Christian Friedrich Hempel tendenziös ergänzten Germania Princeps: Ludovici Petri Giovanni (1749), S. 2471–2583.

Die Königin   •   385

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Dritter Richtiger Satz (1742). Zur Position Frankreichs: Braun (2008), S. 79–85. Jessen (1965), S. 121. Bein (1994), S. 159–255. Vgl. noch die Verhandlungsposition am 5. Januar 1741 (AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52). 20 Zitiert nach Arneth: Maria Theresia, Bd. 1 (1863), S. 377. 21 Ausführlich zur schwierigen militärischen Situation: Oesterreichischer Erbfolge-Krieg, 1. Band (1896), S. 297–516. 22 Mon cher Podewils. J’ai passé le Rubicon enseignes déployés et tambour battant; mes troupes sont pleines de bonne volonté, les officiers d’ambition, et nos généraux affamés de gloire, tout ira selon nos souhaits, et j’ai lieu de présumer tout le bien possible de cette entreprise. Envoyer-moi Bülow, caressez-le beaucoup, et faites-lui voir le propre intérêt de son maître; enfin, usons de la connaissance du cœur humain, faisons agir en notre faveur l’intérêt, l’ambition, l’amour, la gloire, et tous les ressorts qui peuvent émouvoir l’âme. Ou je veux périr ou je veux avoir honneur de cette entreprise. Mon cœur me présage tout le bien du monde: enfin un certain instinct, dont la cause nous est inconnue, me prédit du bonheur et de la fortune, et je ne paraîtrai pas à Berlin sans m’être rendu digne du sang dont je suis issu, et des braves soldats que j’ai l’honneur de commander. Droysen (1879), S. 147–148. Übers.: Volz (1916), S. 279.

Die Königin 1 2

Duncker (1888), S. 196. Zu den Kriegsvorbereitungen und zur Besetzung Schlesiens: Duncker (1896), S. 54–254. Sowie: Großer Generalstab (1890). 3 Kunisch (2005), S. 185–203. 4 Ausführlich dazu: Porges (1901). 5 Wienerisches Diarium, 21, 3. März 1741. 6 Krummholz (2009), S. 539–553. 7 Ausführlich zur schwierigen militärischen Situation: Oesterreichischer Erbfolge-Krieg, 1. Band (1896), S. 1111–1114. 8 Die Darstellung folgt der wörtlichen Wiedergabe in: Grünhagen (1881), S. 83– 87. Eine schöne Kontextualisierung findet sich bei: Guglia (1917), S. 66–68. 9 Coxe (1873), S. 255–256. 10 Ein Figur, die im 20. Jahrhundert etwa von Heinrich Kretschmayr begierig aufgenommen und nationalisiert wurde: Mauser (1996), S. 81. 11 AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52. 12 Vgl. dazu: Dörner (2003).

386   •   Anmerkungen

13 Vgl. dazu die Einschätzung des venezianischen Botschafters Andrea Capello: Arneth: Relationen (1863), S. 221–232. 14 AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52. 15 Lista der würklichen königlichen Geheimen Räte (AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52). 16 Arneth: Bartenstein (1871), S. 3–71. 17 AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52. 18 Wolf (1850), S. 54–58. 19 Arneth: Bartenstein (1871), S. 21–22. 20 Das Folgende findet sich in dem chronologisch geordneten Bestand: AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52/53. 21 Another Method which Bartenstein took to extend His Power, was to give the Empress an Aversion to Business; and this he attempted by sending Her more Papers to read than He thought She could persue, tho’ She were to apply herself Seven or eight Hours every day. All that the voluminous Diet of Ratesbon, the Chamber of Wetzlar, the Alick Council, the Chanceries of Austria, Bohemia etc. could furnish were sent at full length to Her Imperial Majesty for Her Perusal, no Extracts, no Abridgements were ever made to save Her Eyes or her time. (AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b). 22 AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 52. 23 Kubiska-Scharl (2013), S. 177–191. 24 Karajan (1859). Mit einem umfangreichen Quellenanhang versehen. 25 Vgl. auch: Arneth: Greiner (1859), S. 34. 26 Wolf (1850), S. 60. 27 Koloch (2011), S. 407–408. 28 Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Rede gibt es unterschiedliche Überlieferungen. Einer der Gründe könnte sein, dass die Monarchin ihre Rede spontan veränderte – über die entsprechende Sprachkompetenz verfügte sie. Das ursprüngliche Redemanuskript, das der Handschrift zufolge offenbar aus der Feder Bartensteins stammte, ist im Haus-, Hof- und Staatsarchiv erhalten. Im lateinischen Original heißt es dort: Afflictus rerum status in quo Divinae Providentiae Nos Collocare placuit, plane singulare, ut ipsi nostis, exposeit auxilium. Agitur de conservando Hungariae Regno de Persona Nostra, de Prolibus nostris. Derelictae ab omnibus, non est, quo confugiamus, quam ad fidelitatem, ad arma, et priscam virtutem Hungarorum, in quibus fiduciam omnem reponimus. Speramus itaque ab inclytis Regni statibus capiendum promptum consilium quemadodum praesenti rerum dicrimini opportune occuri possit (AT-OeStA/HHStA Ungarische Akten 427-63). Die Königin trat damit als Lehnsherrin auf, die von ihren Lehnsmännern Schirm und Rat erbat. Die Diarum Diaetale verzeichnete indes eine Rede, die die Aspekte der Schutzlosigkeit sowie das Muttermotiv in den Vordergrund stellt: Afflictus rerum nostrarum status nos movit, ut fideli-

Die Königin   •   387

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bus perchari regni Hungariae statibus de hostili provinciae nostrae hereditariae, Austriae invasione, et imminente regno huic periculo, adeoque de considerando remedio propositionem scripto faciamus. Agitur de regno Hungariae, de persona nostra, prolibus nostris, et corona, ab omnibus derelicti, unice ad inclytorum statuum fidelitatem, arma, et Hungarorum priscam virtutem confugimus, impense hortantes, velint status et ordines in hoc maximo periculo de securitate personae nostrae, prolium, coronae, et regni quanto ocius consulere, et ea in effectum etiam deducere. Quantum ex parte nostra est, quaecunque pro pristina regni hujus felicitate, et gentis decore forent, in iis omnibus benignitatem et clementiam nostram regiam fideles status et ordines regni experturi sunt. Coxe (1873), S. 270, Übers.: Arneth: Maria Theresia, Bd. 1 (1863), S. 299. Vgl. auch den abweichenden, die Ehre Ungarns und die Bedrohung dieses Reiches noch stärker betonenden Redetext in: Olenschlager (1744), S. 366–367. Dort findet sich auch eine kurze Bemerkung zum Versuch der Monarchin, die Zuhörer durch Tränenfluss zur Zustimmung zu bewegen. Auf Olenschlagers Text bezieht sich auch: Adelung (1763), S. 474. Ungeachtet der Auskunft des Diarium Diaetale riefen sie es möglicherweise auf Ungarisch, da auf dem Landtag dieses Idiom gleichberechtigt mit dem Lateinischen verwendet wurde: Szijártó (2005), S. 79. Arneth: Maria Theresia, Bd. 1 (1863), S. 280–317. Telesko (2012), S. 45–46. Betont etwa in der Biographie von: Crankshaw (1970). Maria Theresia an den Prinzen von Sachsen-Hildburghausen, vom 28.1.1742: gehen die sachen nicht nur nach wunsch, sondern übertreffen alle geschöpften Hoffnungen (AT-OeStA/HHStA Ungarische Akten 427-64). Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 51. Arneth: Maria Theresia, Bd. 2 (1864), S. 1–25. Zitiert nach: Arneth: Maria Theresia, Bd. 2 (1864), S. 13. Vgl. auch: Otruba (1990), S. 135–302. Hartmann (1985). So vom 3. September 1743 (AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 53). Zitiert nach: Hartmann (1985), S. 274. Zum Folgenden: Hofmann (1902), Bd. VI. Zur Wahrnehmung des Krieges am Hof z. B.: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 242. Englands Haltung ist vor allem aus dem Konflikt zu verstehen, den es seit 1739 mit Spanien ausfocht: Black (2014). Weiß hebt die Bedeutung Maria Theresias als Identifikationsfigur der Walpole-Gegner hervor: Weiß (1863), S. 129. Zur militärischen und fiskalischen Situation am Ende des Krieges: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 192. Einen Überblick über den Gesamtkonflikt gibt: Browning (1995). AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 53.

388   •   Anmerkungen

46 Sie selbst wirkte an diesem Prozess eifrig mit. So schrieb sie dem Palatin Palfy am 27. Februar 1742: Dan ich nicht glücklich zu seyn wünsche, als umb andere glücklich zu machen. (...) Von euerer Treu, devotion, diensteyfer und Vermögenheit halte mich ohndem so vollständig sicher, dass es nicht mehrers seyn kondte. (AT-OeStA/ HHStA Ungarische Akten 427-65). 47 Zu dessen Weiterleben und Wirkungsmacht: König (2014), S. 91–92. Yonan (2014), S. 241–242. 48 Wrede (2014), S. 8–39. 49 Geschichte und Thatten (1743), Vorrede.

Die Ehefrau 1

There are Ten or Twelve Persons at Vienna whom He admits to His Familiarity, and with whom He sups in private every night, But I am sorry to say, that His Companions are ill chosen, and do Him little Honour (…) His Ministers that He employs in His own Affairs serve Him ill and hurt His Character & Honour. Toussain who ist His Treasurer is known to lend Money upon Pawns at exorbitant Interest and the people say it is the Emperors’ Money which lessens His Imperial Majesty. (AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b). 2 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 44. 3 Auch lutherische Kammerherren wurden akzeptiert: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 166. 4 Zedinger (2008), S. 260. 5 Zur Bedeutung, Entstehung und zum Wandel des Zeremoniells am habsburgischen Hof: Hengerer (2004), S. 76–93. 6 Goethe: Aus meinem Leben. 1998, S. 201. 7 Kurze Erzehlung von der auf Ihre Röm. Königl. Mayst. Ausgefallenen Wahl und wie S. Mayst. Dero Königl. Frauen Gemahlin zu Hungarn und Böheim Köingl. Mayst. Bis dorthin entgegen gekommen, 20. September 1745 (AT-OeStA/HHStA MEA Wahl- und Krönungsakten 86). 8 Zur Umgestaltung der Stadt Wien zu einer Bühne des Jubels nach seiner Rückkehr, bei der die Stadt die Heimkehr der Kaiserkrone und ihre damit verbundene Verwandlung zur kaiserlichen Residenzstadt feierte: Wiennerische Beleuchtungen (1746). 9 Vollständiges Diarium (1746). 10 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 144. Zur Kritik bei Niederlagen: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 63. 11 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 57.

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12 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 121. 13 Vgl. die Protokolle des Reichshofrates im Fall der Frankfurter reformierten Gemeinde: AT-OeStA/HHStA MEA RTA 578-2. 14 Vgl. die Politik gegenüber Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt: Pons (2009). 15 Rohrschneider (2014). 16 In den Reichsstädten wurden die Feiern zur Kaiserwahl dementsprechend mit besonderem Aufwand betrieben – immerhin bildete das Reich den Garanten ihrer Privilegien. Vgl. dazu: Wegen der höchstbeglückten Wahl (1746). 17 AT-OeStA/HHStA RK Ministerialkorrespondenz 32-33-1-17. 18 Zedinger (2008), S. 261–262. 19 Plus vous laisserey de liberté à votre éspoux; en exigeante moins de gêne et d’assiduité que vour pourrez, plus vous rendrez aimable; il vous cherchera et s’attachera à vous. Ce qui doit faire votre principale étude, c’est qu’il trouve toujours dans vous la même humeur, les mêmes complaisances, les mêmes prévenances. Tâchez de l’amuser, de l’occuper chez vous, pour qu’il ne se trouve pas mieux ailleurs. Pour vous attirer sa confiance, vous devez avoir soin de la mériter par toute votre conduite et discrétion. Tout le bonheur du mariage consiste dans la confiance et complaisance mutuelle; le fol amour se dissipe bientôt, mais il faut s’estimer et s’être vrai ami l’un de l’autre, pour être heureux das l’état de mariage, pour pouvoir supporter les revers de cette vie, et pour faire son salut, objet le plus essentiel et unique, en quelqu’état qu’on se trouve. Arneth: Briefe, Bd. 3 (1881), S. 6–7, Übersetzung: Rothe (1968), S. 107. 20 Schmidt (2009), S. 153–154. 21 Telesko (2012), S. 90–109. 22 Hertel (2009), S. 251–81. 23 Ranke (1833–1836), S. 677. 24 Durchaus nicht untypisch die Darstellung in: Mikoletzky(2011), S. 194–195. 25 Wolf (1850), S. 35. 26 Zu Ligne allgemein: Mansel (2003). 27 Klarwill (1920), S. 81–82. 28 Für den Hinweis auf diesen Bericht danke ich Frau Stollberg-Rilinger. 29 Vocelka (1998), S. 147. 30 Wraxall (1806), S. 352–375. 31 Ein schönen Überblick gibt: Craveri (2008), S. 339–396. 32 Zedinger (2008), S. 272–276. 33 Ranke (1833–1836), S. 677. 34 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 6 (1917), S. 85. 35 Ranke (1833–1836), S. 672. 36 Zum Maler und seinem Dienstverhältnis zu Maria Theresia: Baud-Bovy (1903), S. 11–42. 37 Vgl. u.a.: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 172.

390   •   Anmerkungen

Korrektorat: Constanze Lehmann, Berlin

38 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 20– 27. 39 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 152. 40 Ähnlich ihrem Vater stellte Maria Theresia bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre körperliche Belastbarkeit zur Schau: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 152. 41 Schiedermair (1914), S. 186–189. 42 Nissen (1828), S. 30. 43 Martus (2015). 44 Ranke (1833–1836), S. 672. 45 Arneth: Briefe, Bd. 1 (1881), S. 55–57, S. 61–65. 46 Zitiert nach: Zedinger (2008), S. 261. 47 Barta (2001). 48 Il hait le travail. Peu ambitieux il se mêle le moins qu’il peut des affaires. Il ne cherche qu’à jouir de la vie, à la passer agréablement et abandonne volotiers à l’Impératrice la gloire et le soins du gouvernement. Wolf (1850), S. 33. Übers.: Hinrichs (1937), S. 57. 49 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 10. 50 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch (1910), S. 214–215. 51 Zedinger (2008), S. 201–208. 52 Fred (1914), S. 4–5. 53 Arneth: Denkschriften (1871), S. 267–354. 54 Und wurde von diesem propagandistisch nach Kräften gefördert: HeldenStaats- Und Lebens-Geschichte (1758). 55 Pešar (2013). 56 Zedinger (2008), S. 147–171. 57 Zur Funktion von Naturalienkabinetten als Spiegel des gesamten Kosmos mit erzieherischer Absicht: Schmitt (2007), S. 225–244. 58 Riedl-Dorn (2000), S. 111–115. Dazu auch: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 5. 59 Fidler (1990), S. 23–38. 60 Das kaiserliche Paar pflegte hier regelmäßig das Frühstück einzunehmen: Ash (2008), S. 56.

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Ranke (1833–1836), S. 689–696. Zum Folgenden: Walter: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 1. Band, 1. Halbband (1938), S. 92–116.

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Kallbrunner: Zentralverwaltung, II. Abteilung. 2. Band, Aktenstücke (1925), S. 130–151. Dhont (1977), S. 423–38. Wandruszka (1968), S. 174–188. Immerhin war durch die Gründung der Wiener Stadt-Banco im Jahre 1705 zumindest die Beschaffung von Darlehen professionalisiert worden. Es war gelungen, die zuvor exorbitante Zinslast zu begrenzen, indem die Verwaltung der Staatsschulden einem Institut zugewiesen wurde, dessen Bonität außer Frage stand. Der Träger dieses Instituts war jedoch bezeichnenderweise nicht die Hofburg, sondern die Stadt Wien. Auf die Zahlungsmoral des Monarchen oder seine Fähigkeit, hinreichend Kapital flüssig zu machen, um Schulden zu bedienen, mochte kaum ein Marktteilnehmer vertrauen. Ein Versuch, den Erfolg der Stadtbank zum Vorbild für die Neugründung einer Staatsbank – der sogenannten Universalbankalität – zu nehmen, endete dementsprechend in einem erneuten fiskalischen Desaster. Das neue Institut wurde 1740 sang- und klanglos wieder von der Stadtbank übernommen. Zur Neuorganisation zweischen 1744 und 1746: Kallbrunner: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 2. Band, Aktenstücke (1925), S. 1–39. AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 54. Kallbrunner: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 2. Band, Aktenstücke (1925), S. 152–168. Fellner: Zentralverwaltung, Abteilung 1 (1907). Kallbrunner: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 2. Band, Aktenstücke (1925), S. 40–62. Zum Folgenden: Walter: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 1. Band, 1. Halbband (1938), S. 18–91. Walter: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 1. Band, 1. Halbband (1938), S. 122. Zum Folgenden: Walter: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 1. Band, 1. Halbband (1938), S. 126–193. Das Projekt aus preußischer Sicht: Wolf (1850), S. 72–78. Dies und die übrigen Gutachten und Briefe finden sich in: AT-OeStA/ HHStA StK Vorträge 59. AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 59. Rothenberg (1976), S. 182–186. Wolf (1850), S. 48. AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 59. Der Zusammenhang von Staatsbildungsprozessen im habsburgischen Imperium und dem militärischen Druck, unter dem die Dynastie stand, gehört zum Locus Classicus der österreichischen Historiographie, vgl. dazu etwa: Hochedlinger (2003). Zum Folgenden: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 469–476.

392   •   Anmerkungen

21 Dergestalten, dass wan man ein Land in Verfall bringen wollte, man nur denen Ständen freye Hände lasse dörffe. Er wäre selbsten ein Mitglied der Landschafft in Schlesien gewesen. Wüste also wie es darbey zugegangen, und dass des Lands Verlust denen guten Theils mit zuzuschreiben wäre. (AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 59). 22 Zur Selbstkonstruktion der Generationen: Kuhn (2010), S. 45–65. 23 Arneth: Denkschriften (1871), S. 287. 24 Arneth: Denkschriften (1871), S. 309. 25 Es handelt sich um einen Einband, in dem das Protokoll mit den wichtigsten Beilagen enthalten ist. Die Randbemerkung der Kaiserin befindet sich am Ende des Hauptextes, der mit der Bermerkung Maria Theresias: Mir ist dieses originale zurückzuschicken, endet. Die Gestaltung des Protokolls unterstreicht die Bedeutung der Debatte und zugleich deren Ende – hier wurde ein neues Staatsgrundgesetz in der souveränen Kompetenz der Monarchin erlassen (AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 59). 26 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 476. 27 Dhont (1977), S. 423–38. 28 Hinrichs (1937), S. 124. 29 Arneth: Maria Theresia, Bd. 4, S. 23. 30 Für den 21. Juni 1748 notierte Khevenmüller: und weillen der Graff Harrach – welcher an seines Brudern statt bisshero das Landmarschall-Ammt (...) deprecciret, ja sogar (um alle Ombrage als dörffte er indirecte darwider arbeiten zu vermeiden) sich mit Erlaubnus der Kaiserin auf einige Wochen von Ollmütz aus nach seines Brudern böhmische Güttern begeben hatte. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 243. 31 Zur Entwicklung in Tirol: Palme (1986), S. 367–380. 32 Deutlich wird dies in der sehr schönen Studie: Karafiol ( June 1965). 33 Die Auflösung der alten Behörden wurde von den betroffenen, reichlich entschädigten Kanzlern in aller nur möglichen Dramatik als Bruch mit der Tradition zelebriert. So notierte Khevenhüller zum 2. Mai 1749: Indessen ermangleten die Capi nicht, nach denen überkommenen allerhöchsten Befehlen sich zum Abzug anzuschicken und ihre untergebnen Mittlen zu dissolviren; beide Herrn Canzler (Graff Harrach und Seilern) machten den Anfang und hat absonderlich der erstere, nach seiner angebohrnen Beredsamkeit sich in so beweglichen Ausdruckungen beurlaubt, dass fast alle Umstehende geweinet und ihm zulezt selbsten deas Hertz gebrochen, mithin er nicht im stande gewesen, seine Rede zu endigen, sondern selbe – um die hervorbrechende Thränen zuruckzuhalten – zum Schluss ganz kurtz abbrechen und (um disen freien Lauff zu lassen) sich in sein Cabinet verfügen müssen. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 318–319. 34 Winkelbauer (2006), S. 181. 35 Eine wichtige Einordnung der Reform in die seit Leopold I. zu beobachtenden

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Umstrukturierungsmaßnahmen findet sich bei: Winkelbauer (2006), S. 179– 216. Tantner (2004). Zum Bevölkerungsbegriff im vorstatistischen Zeitalter: Nipperdey (2012). Gleiches galt für den Raum, der aus militärischen Erwägungen in einem umfangreichen Kartographieprojekt erfasst wurde, vgl.: Veres (2012), S. 141–164. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 318. On l’idolatra. Tout le monde voulut avoir son portrait. Jamais elle ne parut en public, que le peuple ne la reçût avec acclamation. Un caractére emprunté est difficile à soutenir. Wolf (1850), S. 24. Übers.: Hinrichs (1937), S. 42.

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Wiener Diarium 41, 22. Mai 1743. AT-OeStA/HHStA OMeA ÄZA 42-1. Während ihr Vater noch die Huldigung seiner Erblande persönlich und vor Ort empfangen hatte – ein mit erheblichem Reiseaufwand verbundener Akt: Seitschek (2011), S. 99–103. Krones (1871), S. 5. Die vorgelegten Modernisierungskonzepte gingen von einem weitgehenden Abbruch aus: Lorenz (2008), S. 101–102. Benedik (1990/91), S. 7–21. Der Wohntrakt Maria Theresias und ihres Sohnes Joseph II. war noch in den 1830er-Jahren unverändert. Ein Beschreibung findet sich in: Weis (1834), S. 7. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 35. Vgl. auch: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 231. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 219. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 178. Hassmann (2004), S. 539. Iby (2007). Über die damit verbundenen Unannehmlichkeiten: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch,, Bd. 2 (1908), S. 152. Iby, Elfriede: Schönbrunn als Residenzschloss Maria Theresias. Vgl. auch die Situation in der Hofburg: Seeger (2004), S. 51–53. Weigl (2000), S. 120. Über einen Empfang beim Kaiser berichtet Graf Bentink am 23. März 1749, in: Beer (1871), S. 3–5. Vgl. dazu: Duindam (1998), S. 370–387.

394   •   Anmerkungen

20 Dies war angesichts der starken Verschränkung von Raum und Ritualen eine nur schwer zu bewältigende Situation, dazu grundsätzlich: Hengerer (2009), S. 59–61. 21 Walter (1968), S. 103. 22 Pešar (2003). 23 Grümayer (2009). 24 Dazu programmatisch: Siebenhüner (2015), S. 373–409. 25 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 185. 26 Und damit Teil einer seit dem 17. Jahrhundert betriebenen Wirtschaftsförderungspolitik, derzufolge höfischer Luxus dem eigenen Handwerk zu nutzen hatte, vgl. Schreiben der Kaiserin an den Grafen Choteck vom 8. Mai 1762 (AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b). 27 Ahrens (2011), S. 255–289. 28 Richter (2015). 29 Koch (2004), S. 1–7. Troschke-Jahoda (1991), S. 8. 30 Karajan (1859), Anlage, Brief I. 31 Vgl. z. B. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 222, 354. 32 Im Kontext heißt es: On peut être vertueux, gai et en même temps répandu; mais quand on est retiré au point de n’être qu’avec peu de monde, il arrive (je dois vous le dire à mon grand regret, comme vous l’avez vu dans les derniers temps chez nous) nombre de mécontents, de jaloux, d’envieux, de tracasseries. Arneth: Marie Antoi­ nette (1866), S. 16, Übersetzung: Rothe (1968), S. 256. 33 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 364. 34 Wolf (1850), S. 30–31. 35 Pichler (1914), S. 10–13. 36 Pichler (1914), S. 18. 37 Zitiert nach: Krzeszowiak (2009), S. 15. 38 HHStA HA OStA SR 101-1 Denkschrift über Karusselle, Turniere etc. in der Geschichte und Teilnahme der Kaiserin Maria Theresia an Ihnen. 39 Holzmaier (1964), S. 122–134. 40 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 196. 41 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 145. 42 Seitschek (2011), S. 74–79. 43 Wienerisches Diarium, 1754, 14, 16. Februar. 44 Scheutz (2008), S. 125–156. 45 So etwa: Neue Blurlesque betitelt: Hafner (1764). 46 Zu den strikten Vorschriften die Maskenbälle betreffend: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller–Metsch, Kaiserlichen Oberhofmeisters, Bd. 3 (1910), S. 204. 47 Fink (1994), S. 65–76.

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48 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 46. 49 Vgl. auch: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 208. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S.209. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Kaiserlichen Oberhofmeisters, Bd. 3 (1910), S. 3. 50 Zum Theaterprogramm bis 1740: Weilen (1901). 51 Vgl. die Finanzierung der Hofkapelle: Fritz-Hilscher (2006), S. 161–170. 52 Sommer-Mattis (2003), S. 507–24. Laube (1869). 53 Maria Theresias Besuch der Oper »Semiramide« von Metastasio im Jahre 1748: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 222. 54 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 202. 55 Das neu gebaute Burgtheater war ab 1748 öffentlich zugänglich: Krzesowiak (2009), S. 19. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 67. 56 Pons (2009), S. 279. Arneth: Greiner (1859), S. 10. 57 Zum Folgenden: Kubiska-Scharl (2013). 58 Einen Überblick gewährt: Pangerl (2011), S. 80–88. 59 Seine Position war alles andere als unumstritten. Immerhin umfasste die Rechtsprechungsgewalt des Marschalls nicht nur alle Angehörigen des Hofes, sondern auch jene, die sich hier nur kurzzeitig aufhielten. Die Exemption der Hofangehörigen von der ordentlichen Rechtsprechung und die komplizierte Definition des höfischen Rechtsbezirks führten im 18. Jahrhundert zu erheblichen Auseinandersetzungen mit rivalisierenden Instanzen. Im späten 17. Jahrhundert war dies die Hofkanzlei, die den Marschall zeitweilig entmachten konnte. Maria Theresia machte dies zwar 1742 wieder rückgängig. Stattdessen übertrug sie aber einen wesentlichen Teil Marschallsbefugnis 1749 der niederösterreichischen Regierung, was sie einige Jahre später ebenfalls zurücknahm. Unbestritten blieb stets die Aufgabe des Oberhofmarschalls, den Burgfrieden zu wahren – handgreifliche Streitigkeiten am Hof also mit Hilfe von Hofprofosen, Steckenmeistern und Steckenknechten zu verhindern. 60 Küchelbecker (1730), S. 157–158. Die zitierte Textstelle findet sich auch in: Kubiska (2009), S. 50. 61 Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 67. 62 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 5 (1911), S. 3–4. 63 Fred (1914), S. 108–110. 64 Kurz beschrieben wird der Charakter seines Verhältnisses zum Kaiserpaar etwa in: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 142. 65 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 5 (1911), S. 34. 66 Vgl. auch die Fürsorge bei der Schwangerschaft der Gattin: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 78.

396   •   Anmerkungen

67 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 5 (1911), S. 105. 68 Vgl. die lakonischen Notizen Khevenhüllers bei Sterbefällen in der eigenen Familie: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 262. 69 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 262. 70 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 51. 71 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 158. 72 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 227. 73 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 200. 74 Die Trennung zwischen beiden Gruppierungen war indes unscharf. Auch Khevenhüller selbst nahm als Oberhofmarschall an den Sitzungen der Geheimen Konferenz teil: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 93–94. 75 Zu Khevenhüllers Beurteilung des Charakters des Kaisers, vgl. auch: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 49, S. 158. Zum Charakter der Kaiserin: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 200. 76 Khevenhüllers Kommentar zum Aufstieg Colloredos, der – nach seinem ­Dafürhalten – nicht durch Verdienst, sondern nur aufgrund des Familiennamens Karriere machte: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 53. 77 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 120. In einem Gespräch mit der Kaiserin: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 65. 78 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 467– 469. 79 Die Neue Europäische Fama, Teil 61 (1740), S. 40–46 80 AT-OeStA/HHStA RK Deduktionen 202b-3, Ad Caesarem Beweis der unwidersprechlichen Ehelichkeit meiner Geburt, Herzogs zu Mömpelgard und Elisabetha Charlotte Freiin de l’Esperance in Sachen Württembergisch-Mömpelgardische Sukzession betreffend, 1752. AT-OeStA/HHStA RK Deduktionen 145-6, Standhafter Beweis der unwidersprechlichen Ehelichkeit und Geburt Georg Friedrichs des letzten Herzogs zu Mömpelgard mit der­ de l’Esperance erzeugten Sohnes, 1752. 81 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 132. 82 Nur wenige tatsächliche oder vermeintliche Anschlagsversuche sind ungeachtet dessen bekannt. So 1743 in Prag: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 150. 83 Zum Folgenden: Lederer (2004), S. 197–242. 84 Marx (1863), S. 313. 85 Mathis (1984).

Erziehungsprojekte – eine Kaiserin formt ihr Volk   •   397

86 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 6 (1917), S. 80. 87 Ash (2008), S. 62. 88 Der neueste Stand der Canaletto-Forschung findet sich in: Schumacher (2014).

Erziehungsprojekte – eine Kaiserin formt ihr Volk 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22

Casanova, Bd. 10 (1987), S. 241–255. Casanova, Bd. 3 (1984), S. 230–238. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 190. Steiner (2014), S. 336. Vgl. die Einschätzung von: Vocelka (2010), S. 37–39. Köhler (1998). Klarwil (1920), S. 83. Klarwil (1920), S. 83–84. Seger (1966), S. 21. AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b. Bergl (1929) S. 263–331. Plaggenborg (1998), S. 1–16. Ries (2002), S. 36–38. Guesnet (2002), S. 50–52. Denzel (2007), S. 23–24. Stern (2001), S. 188–90. Mevorach (1980), S. 15–81. Zur Wahrnehmung von jüdischer Seite: Cerman ( January 2002), S. 5–47. Haarmann (2013), S. 58. Zitiert nach: Mittenzwei (1998), S. 62–63. Schünemann (1936). Fata (2013), S. 255–276. Mit dem Prozess der Binnenkolonisation verbunden war der Versuch, Gemeinwesen zu schaffen, die als Muster für andere dienen sollten. So etwa das Banat: AT-OeStA/HHStA Ungarische Akten 427-68). 23 Die konfessionelle Problematik war den Beteiligten im Prinzip bewusst: Allerunterthängist-gemeinschaftlicher Vortrag die Anpflanzung teutscher Colonien und Beförderung der Union in Temesvarer-Bannat betr., 23.11.1762 (AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b). Dort heißt es in der Randbemerkung der Kaiserin: Es ist pro Systemate zu setzen, dass die Population in dem Bannat, so viel möglich, zu erweiterern und soweit es nur thunlich , durch Teutsche zu veranlassen dazu vorzuüglich die inner dem Land durch Austrockung der Moräste sich ergebende neue Ländereyen anzuwenden, und somit die Catholische Religion in allen Distriten einzupflanzen, wie nicht minder auch die Union möglicherdingen

398   •   Anmerkungen

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zu bedördern, dabey jedoch aller Gewalt und Zwang zu vermeiden und endlich auf die Errichtung mehrer Städte fürzudenken seye. Zum Phänomen der Binnenkolonisation, vgl. auch: Karaman (1965), S. 98–102. Zur komplexen Entstehungsgeschichte des frühneuzeitlichen Vampirdiskurses vgl.: Vermeir (2012). Zitiert nach: D’Elvert (1859), S. 377. Unterholzner (2009), S. 1–6. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 4 (1914), S. 63. Fred, W. (Hg.): Briefe, Bd. 1 (1914), S. 190–197. Fred, W. (Hg.): Briefe, Bd. 1 (1914), S. 62–69. Dies galt auch für die Ausstattung seines Grabmahls in der Augustinerkirche, dazu: Hengerer (2005), S. 381–420. Zum Folgenden: Lesky (1973), Bretchka (1970). Zitiert nach: Arneth, Alfred Ritter von: Maria Theresia’s letzte Regierungszeit. 1763–1780, Bd. 3, Wien 1879, S. 172. Zitiert nach: Arneth: Maria Theresia, Bd. 3 (1879), S. 165. Klingenstein (1990), S. 155–167. So heißt es in Redlichs Nachruf aus dem Jahre 1781 bezeichnenderweise: Zu zohest das Band, welches der Ewig im Himmel zwischen Vernunft und Religion knüpfte, fester zu, die von Dir gewälten Herolden der Religion und Wahrheit, wie Deiner so würdig. Redlich (1781), S. 11. Theaterstücke Voltaires wurden am Hof aber durchaus aufgeführt: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 230. Vgl. etwa ihre Haltung zu Michael Denis: Wimmer (2011), S. 45–58. Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 113. Schneller (1781), S. 24. Parhamer positionierte sich hier gegen die Aufklärer wie Nicolai, die eine enge Anbindung von Waisenhäusern an Manufakturbetriebe forderten. Die Kaiserin nahm in diesem Konflikt eine vermittelnde Rolle ein: Heiß (1977), S. 316–31. Entwurff des Königlichen Collegii Theresiani unter dem glorreichen Schutz und auf allergnädigsten Befehl Ihro Kayserlich- und Königlichen Majestät Mariae Theresiae Römischen Kayserin, Allergnädigst- Regierenden Königin zu Hungarn, und Böheim etc. Zu Erziehung Der Adelichen Jugend, unter Obsorg Patgrum Societatis Jesu in Wien im Jahr 1746 Errichtet (AT-OeStA/ HHStA StK Wissenschaft, Kunst und Literatur 7-2-23). Zur Bibliothek: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 253. Cicalek (1872), S. 11–70. Seifert (1973), S. 135–38. Groß (1752), S. 149–150. Zur Rolle der Piaristen zur Zeit Maria Theresias vor allem in Ungarn: Klueting (2014), S. 203–205.

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Erlich (2007), S. 42. Svoboda (1870). Feichtinger (2014), S. 39. Handbuch der historischen Buchbestände (1994), S. 25. Engelbrecht (1984), S. 181–86. Ihro Fürstlichen Gnaden (...) Hirten-Brief (1753). Hersche (1977), S. 45–102.

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Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 2 (1908), S. 323. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang eine Petition des Grafen Chotek vom 29. Januar 1763: AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b. Zitiert nach: Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 322. Als Beispiel für eine typische Karriere eines Teils des Funktionselite sei genannt: Arneth: Cobenzl (1885). Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 262–286. Zitiert nach: Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 275. Zitiert nach: Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 396. Zusammenfassend: Braun (2008), S. 90–100. Noch immer unverzichtbar die bahnbrechende Studie: Braubach (1952). Zur Entmachtung Bartensteins: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 73, 109. Die Übersetzung folgt: Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 350–351. Eine handschriftliche Kopie des Originals befindet sich in: AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b. Szabo (1994). Die Entwicklung der folgenden Jahre aus französischer Sicht: Externbrink (2006), S. 221–245. Beer (1871), S. 5–9. Die Übersetzung folgt: Arneth: Maria Theresia, Bd. 4 (1870), S. 353. Schilling (1994). Fowler (2005). Ellis (2004). Die Neutralitätserklärung der Kaiserin gegenüber dem Englisch-Französischen Kolonialkrieg findet sich in: At-OeStA/HHStA StK Preußen 47. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S.  521– 534. Die Diskussion dazu nimmt den größeren Teil der Verhandlungen der Geheimen Konferenz im Jahre 1755 ein: AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 76. Dazu das Schreiben der Kaiserin an Starhemberg vom 22. November 1755: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 555–574.

400   •   Anmerkungen

22 Der Satz leitet die Erläuterungen zum vorangegangenen Vortrag ein (AT-OeStA/HHStA StK Vorträge 76). 23 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 4 (1914), S. 159– 176. 24 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 4 (1914), S. 96. 25 Arneth, Alfred Ritter von: Geschichte Maria Theresia’s. Vierter Band. 1748– 1756. Maria Theresia nach dem Erbfolgekrieg, Wien 1870, S. 456. 26 Tatsächlich waren beide Seiten bemüht, als Angegriffene wahrgenommen zu werden. Khevenhüller spricht von einem Federkrieg: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 4 (1914), S. 54. 27 Deutlich etwa in: Staats- und Lebensgeschichte Theresiens der Großen, Teil 2 (1763). 28 Walter (1968), S. 140. 29 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 4 (1914), S. 99. 30 Duffy (2003). 31 Klarwill (1920), S. 12. 32 Tannenberg (1861), S. 399. 33 Externbrink (2011), S. 350–358. 34 Walter (1968), S. 141. 35 Zu Dauns Rolle bei den Militärreformen: Burger (2002), S. 56–59. 36 Walter (1968), S. 145. 37 Zitiert nach: Allmayer-Beck (2003), S. 189. 38 Hirtenfeld (1857). 39 Zum kunsthistorischen Kontext: Yonan, Michael Elia: Empress Maria Theresia and the Politics of Habsburg Imperial Art, Guilford 2011. 40 Die Funktion des Monarchenpaars als Regisseure des Spiels der Nationen und als Ausgleichsinstanz ihres Wettbwerbs um symbolisches Kapital wird auch bei der Veranstaltung von Maskenbällen am Hof betont: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 1 (1907), S. 125. 41 Kloosterhuis (2004), S. 129–187. 42 Füssli (1789), S. 151–156. 43 Füssli (1789), S. 155. 44 Stellner (2000), S. 85–98. 45 Kunisch (2008), S. 48–105. 46 Maria Theresia, Bd. 5 (1875). 47 Zu der Frage, wie Niederlagen vermittelt wurden: Füssel (2011), S. 261–274. 48 Schmidt (2009), S. 161–173. 49 Kaiserlich-Königliches Circular-Rescript. 50 Triumph der Tugend (1759). 51 Der deutsche Fabius Cunctator (1759). Vgl. auch: Der Heldentempel Oesterreichs (1766).

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52 Kriegs- und Heldenthaten (1762). 53 Schort (2006). 54 Sikora (1996). 55 Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 5 (1911), S. 121. 56 J’ai attaqué ce matin à 11 heures l’ennemi. Nous les avons poussés jusqu’au cimetière des juifs auprès de Francfort. Toutes mes troupes ont donné et ont fait des prodiges, mais ce cimetière nous a fait perdre un prodigieux monde. Nos gens se sont mis en confusion, je les ai ralliés trois fois, à la fin j’ai pensé être pris moi-même, et j’ai été obligé de céder le champ de bataille. Mon habit est criblé de coups, j’ai deux chevaux de tués, mon malheur est de vivre encore. Notre perte est très considérable: d’une armée de 48000 hommes je n’en ai pas 3000. Dans le moment que je parle, tout fuit, et je ne suis plus maître de mes gens. On fera bien à Berlin de penser à sa sûreté. C’est un cruel revers, je n’y survivrai pas; les suites de l’affaire seront pires que l’affaire même. Je n’ai plus de ressource, et à ne point mentir, je crois tout perdu; je ne survivrai point à la perte de ma patrie. Droysen, Bd. 18 (1890), S. 481. Übers.: Volz (1916), S. 305. 57 Fuchs (2006), S. 313–343. 58 Vgl. dazu: Jessen (2014). 59 Zum globalen Aspekt des Krieges: Baugh (2011). 60 Noch zu Beginn des Jahrhunderts waren Friedensschlüsse im Rahmen großer diplomatischer Konferenzen ausgehandelt worden, so in Utrecht oder Baden. Ähnliches hatte Kaunitz auch für die Beendigung des Siebenjährigen Krieges geplant. Das Projekt eines europäischen Friedenskongresses in Augsburg scheiterte allerdings nach dem Tod der Zarin Elisabeth. Die Friedensschlüsse von Paris und Hubertusburg wurden schließlich 1763 relativ unspektakulär von einer kleinen Gruppe von Fachleuten ausgehandelt. Es war ein Kriegsende, das eine neue diplomatische Sachlichkeit zum Ausdruck brachte, vgl.: Ivonin (2013), S. 95–96. 61 Zum Folgenden: Walter: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 1. Band, 1. Halbband (1938), S. 261–421. Eine kurze Zusammenfassung findet sich in: Hellbling (1956), S. 291–293. Winkelbauer (2011), S. 66–73. 62 Walter: Zentralverwaltung, II. Abteilung, 3. Band (1934), S. 1–83. 63 Christoph (1991), S. 160–163.

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Stauber (2005), S. 227. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 264. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 6 (1917), S. 126.

402   •   Anmerkungen

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Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 6 (1917), S. 129– 130. Wurz (1765). Haidacker (2004). Sauer (2010). DaCosta Kaufmann (2005), S. 63–65, 81–86. Arneth: Briefe, Bd. 4 (1881), S. 517–518. Wraxall (1806), S. 326–328. Lippert (1908), S. CXXV. Boehn (1922), S. 504. Vgl. auch: Handelmann (1867), S. 460. Arneth: Maria Theresia (1879), S. 401–405. Pichler (1914), S. 26–27. Arneth: Briefe, Bd. 4 (1881), S. 521–523. In ihrer Instruktion an Erzherzog Maximilian Franz vom April 1774 erwähnt Maria Theresia, dass sie in jedem ihrer Räume sowie in den Räumen ihrer Kinder nach 1765 Porträts ihres Mannes hat aufhängen lassen. Pichler (1914), S. 8–10. Pichler (1914), S. 29–30. Mon cher fils. On ne peut soutenir le malheur qui nous accable, qu’en se résignant entièrement à la volonté de Dieu; d’autres consolations n’existent plus. Vous avez perdu le meilleur, le plus tendre père, les sujets le plus grand prince et un bon père, et moi j’ai perdu tout, un époux tendre, un ami parfait, qui seul était mon soutien, à qui je devais tout. Vous, mes chers enfants, vous êtes le seul reste de ce grand prince et tendre père; tâchez de mériter par votre conduite toute ma tendresse qui n’existe plus qu’en vous. Je vous donne ma bénédiction et suis toujours votre bonne mère. Arneth: Briefe, Bd. 1 (1881), S. 59. Übersetzung: Fred: Briefe, Bd. 1 (1914), S. 122.

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Wolf (1850), S. 39–40. Arneth: Briefe, Bd. 4 (1881), S. 3–13. Klarwill (1920), S. 132. Klueting (1995), S. 78–83. Der Wahlakt und die Reise nach Frankfurt waren 1764 von Maria Theresia zur Demonstration ihrer Macht und ihres wiedergewonnenen Einflusses im Reich genutzt worden, vgl. etwa: Kummer (1967), S. 277–288. Beales (1987), S. 73–81. Dans notre religion surtout la charité est la plus grande base, non un conseil, mais un

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précepte, et croyez-vous l’exercer si vous affligez et morfondez ironiquement les gens et même ceux qui ont rendu de grands services. Arneth: Joseph II., Bd. 1 (1867), S. 202. Übers.: Fred: Briefe, Bd. 1 (1914), S. 220. Il est pus que temps de ne pas goûter tous ces bons mots, ces dictions spirituelles qui n’aboutissent qu’à affliger mettre en ridicule les autres, éloigner par-là tous les honnêtes gens, et par-là croire que tout le genre humain ne mérite pas qu’on l’estime et l’aime, puisque par sa propre conduite on a éloigné tout ce qui est bon et n’a gardé et ouvert la porte qu’aux fourbes, imitateurs et flatteurs de vos talents. Arneth: Joseph II., Bd. 1 (1914), S. 203. Zur Bedeutung des Falles: Handelmann (1867), S. 464–466. Aretin (1986), S. 153–154. Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 418– 419. Zu den Hintergründen: Schnettger (2015), S. 281–302. Erst 1783 gelang es Joseph II., die Angelegenheit im Rahmen eines Vergleichsverfahrens in seinem Sinne zu regeln: Aretin (1997), S. 169. Richter (2015). Mechurova (2007). Mit Verweis auf: Bretholz (1930), S. 80. Hock (1879), S. 7–98. Arneth: Joseph II., Bd. 1 (1867), S. 350–352. Klueting (1995), S. 88–106. Im Kontext heißt es: Ma tranquillité, ma bonne humeur n’a pas duré longtemps. Le même soire que je vous ai écrit en badinant, j’ai reçu le courrier qui m’a plongé dans la plus gande rêverie, ne pouvant regarder comme vous ce terrible voyage et aucun de ceux que vous faites avec tant de fatigue, par lequel vous usez vos beaux jours et vous me volez le peu de moments qui me restent, et les remplissez d’amertume. Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 9. Übers.: Fred: Briefe, Bd. 1 (1914), S. 228. Arneth: Joseph II. Bd. 2 (1867), S. 21–23. Eine ausführliche Zusammenfassung des Dokuments findet sich in: Wandruszka (1965), S. 332–355. Beales (1987), S. 465–73. Dazu Greiner: Arneth: Greiner (1859), S. 40. Il y a un grand malheur qui existe entre nous; avec les meilleures volontés nous ne nous entendons pas. Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 99. Steiner (2014), S. 425. Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 157–158. Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 162. Arneth: Joseph II., Bd. 2, 1773–Juli 1778, Wien 1867, S. 219–220. Zitiert nach: Wandruszka (1965), S. 203. Zitiert nach: Wandruszka (1965), S. 37f. Bei Arneth finden sich die beiden Partikularinstruktionen: Arneht: Briefe,

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Bd. 1 (1881), S. 14–21 und S. 21–25. Zur Generalinstruktion: Wandruszka (1965), S. 110–120. Arneth: Joseph II., Bd. 1 (1867), S. 155–157. Wandruszka (1965), S. 136–155. Klingenstein (2003), 17.3.1779, S. 382 f. Zitiert nach: Siegert (2007), S. 156 f. Gruber (2006), S. 44–46. Zur Entstehung: Jacobs (2009), S. 21–26. Aus der großen Zahl der Mahnschreiben hervorgehoben sei: Arneth: Briefe, Bd. 2 (1881), S. 190–193. Braubach (1961). Im Kontext heißt es: Mon cher fils. J’avoue qu’il coûte à ma trendresse de vous éloigner de moi, étant encore si jeune. Je vous ai désigné à fermer mes yeurx, mais ne pensant qu’à votre bien-être seul, sans m’écouter et vous éloigne d’ici, où vous n’avez plus rien à apprendre, ni les moyens propres à vous former et mettre à profit ce que j’ai cru devoir vous faire apprendre. Arneth: Briefe, Bd. 2 (1881), S. 317. Übers.: Fred: Briefe, Bd. 2, S. 325. Die Erziehungsaufgaben waren vor dem Tode Franz Stephans zwischen den Eheleuten im Wesentlichen entlang der Geschlechterlinie geteilt worden, vgl. etwa: Tagebuch des Fürsten Johann Josef Khevenhüller-Metsch, Bd. 3 (1910), S. 215. Rien n’est plus faible, plus découragé que ces esprits forts, rien plus rampant, plus désespéré à la moindre disgrâce. Ce sont des mauvais pères, fils maris, ministres, généraux, bourgeois. Pourquoi? Le fond leur manque. Arneth: Briefe, Bd. 2 (1881), S. 322. Übers.: Fred: Briefe, Bd. 2 (1914), S. 330. Tant que vous êtes répandu das le monde, étant ce que vous êtes, il faut savoir jouer son rôle, d’ailleurs vous tomberiez dans le mépris, sans vous mieux amuser ou être plus heureux. Arneth: Briefe der Kaiserin Maria Theresia an ihre Kinder und Freunde, Bd. 2, Wien 1881, S. 335. Übers.: Fred, W. (Hg.): Briefe, Bd. 2 (1914), S. 343. Je regarde la pauvre Josephe comme un sacrifice de la politique. Arneth: Briefe, Bd. 4 (1881), S. 116. Kovacs (1986), S. 49–80. Kleinmann (1967), S. 97. Zitiert nach: Hausmann (2014). Badinter (2011). Hasquin (2014). Arneth: Correspondance Secrète entre, Bd. 3 (1874), S. 224–229. Landes (2014), S. 123. Arneth: Marie Antoinette (1866), S. 1–8. Wolff (2003), S. 25–44. Ne vous laissez pas entraîner par des exemples contraires, n’adoptez pas la légèreté

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française, restez bonne allemande et faites-vous une gloire de l’être, et amie de vos amis. Arneth: Marie Antoinette (1866), S. 24. Übers.: Christoph (1991), S. 35. Croyez-moi: le Français vous estimera plus et fera plus de compte sur vous, s’il vous trouve la solidité et franchise allemande. Ne syez pas honteuse d’être Allemande jusqu’aux gaucheries.« Arneth: Marie Antoinette (1866), S. 32. Übers.: Christoph (1991), S. 42. Je suis bien éloignée des idées que V. M. me croit sur les Allemands : je me ferai toujours gloire d’en être; je leur connais bien de bonnes qualités que je souhaiterais aux gens de ce pays-ci, et tant que les bons sujets viendront, ils seront contents de l’accueil que je leur ferai. Arneth: Marie Antoinette (1866), S. 43. Dunlop (1990), S. 144–155. Braubach (1961), S. 30–31. Christoph (1991), S. 225. Christoph (1991), S. 99–101. Christoph (1991), S. 171–174. Zum Folgenden: Beales (1987), S. 369–385. Zum Folgenden: Christoph (1991), S. 153–167. En général cet esprit de mutinerie commence à devenir familier partout, c’est donc la suite de notre siècle clarié. J’en gémis souvent, mais la dépravation des mœurs, cette indifférence sur tout ce qui a rapport à notre sainte religion, cette dissipation continuelle sont cause de tous ces maux. Arneth: Marie Antoinette (1866), S. 147. Übers.: Christoph (1991), S. 146. Die Weiterleitung von Petitionen wurde indes nicht nur von ihnen betrieben, sondern auch von Hofräten, wie etwa: Arneth: Greiner (1859), S. 31, 38. Lever (2010), S. 21–23. Wraxall (1806), S. 295–351. Walchner (1894).

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Diese und weitere Anekdoten: Wraxall (1806), S. 469–498. Bourgoing (1800), S. 225. Dohm (1815), S. 331 f. Mai (2010), S. 49–55. Pötzl-Malikova (1987), S. 261. Yonan (2012), S. 173 f. Weitensfelder (1996), S. 31. Zum unterschiedlichen Stil, aber auch zu Unterschieden in der inhaltlichen Stoßrichtung der Reformvorhaben von Maria Theresia, Kaunitz und Joseph II.: Burger (2002). Die Entwicklung der Staatsfinanzen insbesondere hinsichtlich der Bedeutung der Handelshäuser, der führenden Berater als Kreditbeschaffer sowie der Rolle

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der Armee als Kostenfaktor wird von Dickson in seinem Standardwerk exemplarisch analysiert: Dickson (1987). Szabo (1994), S. 138–142. Dazu noch immer unverzichtbar: Beer (1895), S. 1–136. Hinzu kamen weitere Maßnahmen wie die effizientere Bewirtschaftung der Kameraldominien des Königreichs Ungarn. Dazu das entsprechende Gutachten vom 10.8.1763 in: AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8b. Holzmayer (1767). Vgl. die positive Einschätzung der habsburgischen Bonität durch den dänischen Gesandten: Handelmann (1867), S. 461–466. Pfister (1949), S. 224. Klueting (2004), S. 220 f. Pranzl (2008), S. 17–52. Diese ersten Reformmaßnahmen erfolgten durchaus im Zusammenspiel mit der Kurie, die 1758 den Ehrentitel der Apostolischen Majestät für die ungarische Königin erneuerte und Maria Theresias Anspruch auf Eingriffsrechte in die ungarische Kirchenstruktur indirekt stärkte: Duller (1844), S. 358. Die inen denen wider alles Recht (1759). Burger (2002), S. 123–127 und 129–131. Interessant ihre positive Reaktion auf jansenitische Schriften: Arneth: Greiner (1859), S. 41. Hartl (1979), S. 132–167. Die Bedeutung Maria Theresias für die Entwicklung der deutschen Sprache: Wiesinger (2002), S. 131–140. Provokativ und aufschlussreich: Wakefield (2009). Mit zahlreichen Zitaten: Feil (1858). Sonnenfels (1787), S. 19. Zur Bevölkerungszahl im habsburgischen Imperium mit einer ausführlichen Bibliographie der älteren Literatur: Kann (1974), S. 604–605. Zum Folgenden: Engelbrecht (1984). Die Schulpolitik blieb im Wesentlichen auf die Ausbildung des Staatspersonals konzentriert. Eine Ausnahme bildete die Einrichtung der Realakademie, die der Ausbildung von Kaufleuten und Handwerkern dienen sollte: Gollob (1964), S. 270–278. Schreiben der Kaiserin an den Grafen Blümegen vom 25. Januar 1774 (AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b). Kaunitz hatten schon 1771 den seit 1766 in Wien wirkenden Johann Melchior von Birkenstock mit der Aufgabe betraut, geeignetes Personal für die Reform des Bildungswesens anzuwerben. Vgl. Schreiben von Birkenstocks an Kaunitz vom 6. Dezember 1771 (AT-OeStA/HHStA StK Wissenschaft, Kunst und Literatur 7-2-2). Felbingers Tätigkeit im habsburgischen Imperium ging über die Reorganisati-

Die Fremde – Maria Theresia und der Wandel Europas   •   407

on des allgemeinen Schulwesens weit hinaus: Arneth: Greiner (1859), S. 52–58. 30 Damit verbunden war eine Erweiterung der Kompetenzen der Studienhofkommission, die zur Schulaufsichtsbehörde ausgebaut wurde. Zu dem Gremium vgl.: Arneth: Greiner (1859), S. 43–45. 31 Allgemeine Schulordnung (1774). 32 Grimm (2011), S. 110. 33 Que je ne me laisse plus imposer. Arneth: Briefe, Bd. 2 (1881), S. 67. Übers.: Fred: Briefe, Bd. 1 (1914), S. 155. 34 Des gens sans espérance n’ont rien à perdre et sont à craindre. Je voulais en même temps, en exigeant l’obéissance, leur procurer du soulagement. On dit que cela serait de trop, n’ayant é cette heure mérité. J’en conviens, mais la nécessité n’a pas de loi. Arneth: Briefe, Bd. 2 (1881), S. 69. Übers.: Fred: Briefe, Bd. 1 (1914), S. 156. 35 Einen ausgezeichneten sachlichen und bibliographischen Überblick zum Folgenden gibt: Hackl (2008), S. 191–272. 36 Ein weiterer wichtiger Teil dieser Politik bestand in der auch von der Kaiserin unterstützten Industrieförderung, vgl.: Schreiben des Grafen Andler-Witten an die Kaiserin vom 17.6.1765 (AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b). 37 Szabo (1994), S. 154–208. 38 Zitiert nach: Redlich (1895) S. 269. 39 Valenta (2009), S. 23–46. 40 Dazu Greiners Gutachten: Arneth: Greiner (1859), S. 35–38. 41 Wright (1958), S. 239–253. 42 Robotpatent (1775). 43 Zur Vorgeschichte der Robotpatentes: Grünberg: Bauernbefreiung, Zweiter Teil (1893), S. 3–351. 44 Grünberg: Bauernbefreiung, Erster Teil (1894), S. 1–241. 45 Gates (1985), S. 3–22. 46 Zum Folgenden: Zopf (2011), S. 28–32. 47 Ogris (2003), S. 97–124. 48 Neschwara (2012) S. 15–43. 49 Adam (2008), S. 27–28. 50 Zur Rolle Josephs, den Maria Theresia offiziell mit der Fortführung der Verhandlungen beauftragte: Hock (1879), S. 46. 51 Hartl (1976), S. 147–150.

Die Fremde – Maria Theresia und der Wandel Europas 1 2 3

Das Gesamtkonzept: Zech (2010), S. 186–194. Hainisch (1949). Budka (2005).

408   •   Anmerkungen

4 Gräf (1866), S. 442. 5 Iby (2007), S. 216–232. 6 Zu Polen-Litauen und zur Geschichte der Teilungen allgemein: Lukowski (1999). 7 Eine klassische apologetisch-nationalstaatliche, in der Faktendarstellung gleichwohl konzise Interpretation dieses Prozesses findet sich bei: Wolf (1855), S. 511–536. 8 Faroqhi (2004), S. 67–69. 9 Die quellengesättigte Grundlage der Ausführungen zur polnischen Teilung aus habsburgischer Sicht bildet noch immer: Beer: Teilung, 3 Bände (1873). Die reichspolitische und europäische Perspektive vermittelt: Aretin (1981), S. 53–68. Cegielski (1988). 10 Zu Vorgeschichte, Hintergründen und Verlauf der Treffen: Beer (1871). 11 Zitiert nach Arneth: Maria Theresia, Bd. 2 (1877), S. 189–191. 12 Vgl. auch die Darstellung des Fürsten de Ligne, der die Begegnung als ein intellektuelles Kräftemessen darstellt: Ligne (1827), S. 3–40. 13 Das habsburgische Reich war an den maritimen Auseinandersetzungen im Mittelmeer nicht beteiligt. Die eigene Marine beschränkte sich auf einen kleinen Flottenverband, der den Triester Handel gegen nordafrikanische Störungen absicherte und unter Maria Theresia eingerichtet wurde: Szabo (1981), S. 29–53. 14 Bömelburg (2013), S. 9–36. 15 Zum Folgenden: Arneth: Maria Theresia, Bd. 2 (1877), S. 232–426. 16 Zitiert nach Arneth: Maria Theresia, Bd. 2 (1877), S. 265. 17 Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 367–369. 18 Zu den Zielsetzungen von Kaunitz: Kulenkampff (2005). 19 Die Kaiserin zeigte sich schon früh kritisch gegenüber dieser Politik: Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 170–173. 20 Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 186–190. 21 Zur Rolle Frankreichs: Buddruss (1995). 22 Arneth: Joseph II., Bd. 2 (1867), S. 373. 23 Arneth: Joseph II., Bd. 3 (1867), S. 57.

Die Sterbende 1 2 3

Schilderung von Krankheit und Tod der Kaiserin Maria Theresia von der Hand ihrer ältesten Tochter, der Erzherzogin Marianne, in: Fred: Briefe, Bd. 2 (1914), S. 361–372. Vgl. auch: AT-OestA/HHStA SB NI Arneth 8 b. Ähnlichkeit mit Abdankungszeremonien: Dazu die Einleitung des Bandes: Richter (2010), S. 9–21. Dies wird auch deutlich in: Kállay (1981), S. 342–44.

Maria Theresia Zeittafel

1683–1699 Großer Türkenkrieg 01.10.1685 Geburt des Erzherzogs Karl (später: Karl VI.) 26.01.1699 Friede von Karlowitz – das Haus Habsburg gewinnt das ganze Königreich Ungarn 1701–1714 Spanischer Erbfolgekrieg – die Iberische Halbinsel geht verloren 1703 Proklamation des Erzherzogs Karl zum König von Spanien als Karl III. 1705 Thronbesteigung Josephs I. 17.04.1711 Tod Kaiser Josephs I. 1711 Thronbesteigung Karls VI. 1713 Pragmatische Sanktion 13.05.1717 Geburt Maria Theresias 1733–1738 Polnischer Thronfolgekrieg 1736–1739 Russisch-Österreichischer Türkenkrieg – Belgrad geht verloren 1736 Hochzeit Maria Theresias mit Herzog Franz Stephan von Lothringen 21.04.1736 Tod des Prinzen Eugen 1740–1748 Österreichischer Erbfolgekrieg 1740 Erster Schlesischer Krieg 1740 Thronbesteigung Maria Theresias 1743–1749 Umbau des Schlosses Schönbrunn 1744–1745 Zweiter Schlesischer Krieg 1745 Wahl Kaiser Franz Stepahns I. 1748 Genehmigung der von Haugwitz vorgelegten Reformpläne 1756–1763 Siebenjähriger Krieg 1760 Gründung des Staatsrates – Beginn einer erneuten Verwaltungsreform 18.08.1765 Tod Kaiser Franz’ I. 1765 Joseph II. wird Kaiser und Mitregent 1768 Einführung der Constitutio Criminalis 1772 Erste Polnische Teilung 1774 Allgemeine Schulordnung 1777 Vollendung des Obeliskenbrunnens 1778/79 Bayerischer Erbfolgekrieg 29.11.1780 Tod Maria Theresias

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Gedruckte Quellen   •   411

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Abbildungsnachweis Karte auf Nachsatz: Österreich und Preußen bis 1795. Entstehung des deutschen Dualismus. Aus: F. W. Putzger, Historischer Weltatlas. Berlin 1965, S. 89. 1 2 3

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Andreas Möller, Kaiserin Maria Theresia (1717–1780) im Alter von elf Jahren, Kniestück, Öl auf Leinwand um 1727. KHM-Museumsverband Wien (GG 2115). Franz Messmer/Wenzel Pohl, Traditioneller Ritt der Kaiserin zum Krönungshügel. Kleiner Empfangsraum im Palais der ehemaligen Ungarischen Hofkanzlei, Wien, um 1768/70. Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. Franz Messmer/Wenzel Pohl, Wahl des Grafen Johann Pálffy zum Palatin von Ungarn im Landtag von Pressburg. Kleiner Empfangsraum im Palais der ehemaligen Ungarischen Hofkanzlei, Wien, um 1768/70. Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. Martin van Meytens, Herzog Franz Stephan von Lothringen, Kaiser Franz I., Bildnis in reichem Hofkleid, Kniestück, Öl auf Leinwand 1745. KHM-Museumsverband Wien (GG 3440). Jean-Étienne Liotard, Maria Theresia von Österreich (1717–80), Gemälde 1747. © Rijksmuseum Amsterdam. Atelier Martin van Meytens (der Jüngere), Kaiserin Maria Theresia mit ihrer Familie auf der Schloßterrasse von Schönbrunn, Öl auf Leinwand um 1754. © Bundesmobilienverwaltung, Sammlung: Bundesmobilienverwaltung, Objektstandort: Schloss Schönbrunn. Erzherzogin Marie Christine, Nikolobescherung in der kaiserlichen Familie, Gouache auf Papier 1762. © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft, Sammlung: Bundesmobilienverwaltung, Objektstandort: Schloss Schönbrunn, Foto: Edgar Knaack. Georg Nicolai, Ansicht des Schlosses Schönbrunn, Kupferstich um 1749. ÖNB/Wien, 134925B. Die Große Galerie in Schloss Schönbrunn nach der Restaurierung, 2012. ©  Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, Foto: Katharina Schiffl. (HG.129.037). Das Chinesische Rundkabinett in Schloss Schönbrunn. ©  Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, Foto: Alexander Eugen Koller. (HG.130.036). Martin van Meytens zugeschrieben, Maria Theresia im türkischen Kostüm, Ölgemälde um 1744. ©  Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H., Foto: Fritz Simak. (SKB 001407).

Abbildungsnachweis   •   433

12 Martin van Meytens, Carussell in der Winterreitschule der Hofburg Wien vom 2. Jänner 1743, Öl auf Leinwand um 1743. © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft, Sammlung: Bundesmobilienverwaltung, Objektstandort: Schloss Schönbrunn, Foto: Edgar Knaack. 13 Bernardo Bellotto, gen. Canaletto, Das kaiserliche Lustschloß Schönbrunn, Gartenseite, Öl auf Leinwand, um 1758/61. KHM-Museumsverband Wien (GG 1667). 14 Martin van Meytens, Festlichkeit anläßlich der Gründung des Maria Theresia Ordens, Öl auf Leinwand 1758. ©  Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsgesellschaft, Sammlung: Bundesmobilienverwaltung, Objektstandort: Schloss Schönbrunn, Foto: Alexander Eugen Koller. 15 Gregorio Guglielmi, Verherrlichung des weisen und milden Regiments des Hauses Habsburg, Deckenbild in der Kleinen Galerie von Schloss Schönbrunn, 1759. Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. 16 Gregorio Guglielmi, Allegorie des Krieges und Darstellung der österreichischen Militärmacht während des 7-jährigen Krieges, Detail des Deckenbilds in der Großen Galerie von Schloss Schönbrunn, 1760/62. Foto: Zentralinstitut für Kunstgeschichte München. 17 Bernardo Bellotto, gen. Canaletto, Das kaiserliche Lustschloß Schönbrunn, Ehrenhofseite, Öl auf Leinwand, um 1758/61. KHM-Museumsverband Wien (GG 1666). 18 Riesensaal der Hofburg in Innsbruck. © BHÖ, Foto: G. R. Wett. 19 Kaiser Leopold II., Großherzog Leopold mit seiner Familie, ganze Figuren, 1743. KHM-Museumsverband Wien (GG 8785). 20 Porträt des Grafen Wenzel Anton Graf Kaunitz, Pastell auf Pergament 1762. Private Collection/Photo © Christie’s Images/Bridgeman Images. 21 Obeliskbrunnen im Schönbrunner Schloßgarten. ©  Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, Foto: Alexander Eugen Koller. (G00B_011). 22 Joseph Anton Weinmüller, Omphale, Skulptur aus Sterzinger Marmor. © Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H, Foto: Alexander Eugen Koller. (SKB 005009). 23 Anton von Maron, Kaiserin Maria Theresia, Bildnis in ganzer Figur mit der Statue des Friedens, Öl auf Leinwand 1773. KHM-Museumsverband Wien (GG 6201).

   

Personenregister A Aguilar, Diego d’ 211 Albani, Giovanni Francesco siehe Clemens XI. Anna Charlotte von Lothringen (Prinzessin von Lothringen) 103f, 179, 181 Anna Dorothea Gräfin von Thurn und Valsassina 23 Anna Leopoldowna (Zarin von Russland) 36 Arouet, François-Marie 47, 205, 219f Auersperg, Maria Wilhelmina von 105–107 Auersperg, Johann Adam Joseph Fürst von 105, 110 August II. (Kg. von Polen) 365 August III. (Kg. von Polen) 62 August Wilhelm von Preußen 246 Ávila, Teresa von 11 B Baillou, Johann Ritter von 119 Balde, Chevalier de 193f Bartenstein, Johann Christoph Freiherr von 30, 45, 68, 71–77, 88, 94, 127f, 131, 137f, 146f, 192, 218, 236, 298 Barry, Jeanne Bécu Comtesse du 332 Batthyány, Ludwig (Graf ) 80, 217 Benedikt XIV. (Papst) 210 Bernis, François-Joachim Abbé de (Kardinal) 239f Bernoulli, Daniel 227 Bibiena, Anton Galli 27 Biel, Ludwig de 222 Blanc, Franz Anton von 351 Blümegen, Heinrich Cajetan Graf 304

Botta-Adorno, Anton Otto Marquis 55f Borromeo, Carlo (Kardinal) 26 Bourgoing, Jean-François de 336 Borcke, Kaspar Wilhelm von 56, 63f Branicki, Franciszek Ksawery 203 Braschi, Giovanni Angelo Graf siehe Pius VI. (Papst) Bräker, Ulrich 251–254 Brequin, Jean-Baptiste 120 C Caldara, Antonio 27 Calzabigi, Ranieri de’ 196 Chotek, Johann Karl Graf 261 Chotek, Rudolph Reichsgraf 261 Canaletto (Bernardo Bellotto) 198– 200, 255f Casanova, Giacomo 203–206 Clemens XI. (Papst) 11 Clemens XIV. (Papst) 345 Colloredo, Maria Gabriele Gräfin von 104, 106 Colloredo, Rudolph Joseph Graf von 100, 106, 181 D Daun, Eleanore Ernestine Gräfin von 124, 159 Daun, Leopold Joseph Graf von (General) 218, 221, 243, 246, 254 Demeradt, Franz Christoph Joseph von 43f, 46, 53f Dietrichstein, Karl Maximilian von 69, 129 Diderot, Denis 219 Dwindle, Robert 237

Personenregister   •   435

E Edling, Rosalie Gräfin von 288, 291 Eleonora Magdalena von Pfalz-Neuburg (Titular-Ks. HRR) 11, 23 Eleonore Maria Josepha von Österreich (Herzogin von Lothringen) 287 Elisabeth I. (Kg. von England) 89 Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel (Titular-Ks. HRR) 9, 15, 19–21, 24, 27, 38, 40 Elisabeth Charlotte von BourbonOrléans (Fürstin von Commercy) 30f, 116 Elisabeth Therese von Lothringen 31 Este, Maria Beatrice d’ 318 Esterházy, Ferenc Graf von 290 Esterházy-Starhemberg, Maria Ernestine Gräfin 290 Eugen von Savoyen (Prinz von Savoyen-Carignan) 18, 22, 34, 39, 45, 55, 60, 68, 72, 83, 90, 138, 168, 370 Euler, Leonhard 227 F Felbinger, Johann Ignaz von 346, 348 Fénelon, François 90 Ferdinand I. (Ks. HRR) 52 Ferdinand II. (Ks. HRR) 163 Ferdinand I. von Neapel 316, 323 Ferdinand von Bourbon (Herzog von Parma) 323 Ferdinand Karl von Habsburg Lothringen (Erbprinz von Modena) 179, 218, 292, 297, 318f, 349 Fischer, Johann Bernhard 163 Fleury, André-Hercule de (Kardinal) 36, 52, 61, 87, 231 Foquet, Charles Louis 61 Foscari, Marco 71

Franz I. Stephan von Lothringen (Ks. HRR) 24–26, 29–33, 37, 39, 45, 49, 51, 54–56, 63–65, 68, 71, 74, 77, 80, 83, 87, 93–95, 96–108, 110f, 113–121, 123f, 141, 144, 158, 164–166, 174f, 177, 179, 189, 191–193, 195, 197, 227, 230, 245, 248f, 254f, 263, 282–292, 298, 312, 314, 318, 338f Franklin, Benjamin 216 Friedrich II. (Kg. von Preußen) 36, 44, 46–48, 53–61, 63–67, 82–87, 90f, 100, 107, 109, 115–117, 125, 127, 140,142, 145f, 148, 153f, 167, 213, 220, 226, 228, 231, 234–236, 239–241, 243–246, 253–257, 296, 298, 300, 303, 327, 346, 354, 356, 359f, 363–365, 367f, 373, 375 Friedrich August II. (Kurfürst von Sachsen) 30 Friedrich Wilhelm I. (Kg. von Preußen) 36, 43f, 48 Friedrich Wilhelm II. (Kg. von Preußen) 298 Finck von Finckenstein, Karl Wilhelm Graf 256, 373 Fuchs-Mollard, Maria Karolina von 24, 77, 283 Fürst und Kupferberg, Karl Joseph Maximilian Freiherr von 107f, 123 G Ganganelli, Giovanni Vincenzo Antonio siehe Clemens XIV. (Papst) Genneté, Claude-Léopold 120 George II. (Kg. von England) 61, 65, 93, 239 Gluck, Christoph Willibald 196f Gotter, Gustav Adolf von 63 Goethe, Johann Wolfgang von 97 Gonzaga, Eleonore von (Titular-Ks. HRR) 163 Götz, Gottfried Bernhardt 82

436   •   Personenregister

Graffigny, Françoise de 114 Grasse, Theresia Freiin von 333 Groß, Johann Gottfried 222 Guadagni, Gaetano 197 Guglielmi, Gregorio 248–250 Guttenberg, Josepha von 333 Gürtler, Bernhard 225 H Hagenauer, Lorenz 112 Halleweil, Franz Michael Graf 227 Hanbury Williams, Charles 74f, 77, 93–95, 233 Harrach, Aloisius Graf von 69 Harrach, Ferdinand Graf von 69, 77 Harrach, Friedrich August Graf von 134–137, 139–142, 148f, 152, 181 Hasse, Johann Adolph 182f, 196, 318 Hatzfeld, Karl Friedrich Graf 338–340 Haugwitz, Friedrich Wilhelm Graf von 123–128, 131–134, 135–137, 139–142, 146–151, 192, 211f, 214, 218, 221, 234, 260f, 288 Haydn, Joseph 289 Heinrich von Preußen 244, 256f, 363, 365, 373 Hetzendorf von Hohenberg, Johann Ferdninand 357f I Isabella von Bourbon-Parma (Prinzessin von Bourbon-Parma) 225, 281, 299 J Jacquin, Nikolaus von 120 Jadot, Jean Nicolas 120 Johanna Gabriela von Habsburg Lothringen (Erzherzogin von Österreich) 323

Joseph I. (Ks. HRR) 14, 36, 41, 51, 82, 106, 128, 130, 164 Joseph II. (Ks. HRR) 62, 82f, 119, 174, 177, 197f, 225, 281, 284, 286, 289f, 295– 311, 312–317, 330, 332, 334, 337, 339, 345, 348f, 351f, 355, 358–360, 362–364, 366, 368, 370–375, 379 Jumonville, Joseph Coulon Sieur de 238 Justi, Johann Heinrich Gottlob 343 K Karl II. (Kg. von Spanien) 13 Karl VI. (Ks. HRR) 9–15, 17, 19–32, 34–41, 43, 45–49, 51–53, 55, 59, 62, 67f, 71f, 82, 84, 88, 95, 100–102, 107, 124, 128, 130, 139, 143fa, 158, 165, 168f, 174, 182, 285, 344, 351, 362, 367 Karl VII. Albrecht (Ks. HRR) 36, 45, 51f, 61f, 67, 84–87, 97f Karl Alexander von Lothringen (Prinz von Lothringen) 31, 33, 85, 99, 103, 188, 245f, 254 Karl Emanuel III. (Herzog von Savoyen) 229, 302 Karl X. Gustav (Kg. von Schweden) 365 Karl Joseph von Habsburg Lothringen (Erzherzog von Österreich) 110, 313 Karl V. Leopold von Lothringen (Herzog von Lothringen) 287 Katharina II. (Zarin von Russland) 220, 354, 362, 367 Kartoš, Jan 303 Kaunitz, Wenzel Anton Fürst von 94, 192, 196, 207, 217, 228–232, 233–241, 243f, 259–261, 302f, 305, 309, 335–339, 342f, 350f, 355, 362–364, 366–370, 372–375 Keller, Johann Franz 22

Personenregister   •   437

Khevenhüller, Maria Anna Reichs­ gräfin von 69 Khevenhüller(-Metsch), Johann Joseph Graf 95f, 110, 115f, 151, 170, 175, 178, 181, 188–192, 195, 197, 227, 234, 283f Khevenhüller, Ludwig Andreas von (Graf von Aichelberg-Frankenburg) 83–85, 99 Kinsky, Franz Ferdinand (Graf ) 69 Kinsky, Philipp Joseph (Graf ) 134f, 142, 208, 255, 257 Koch, Ignatz Freiherr von 77, 124, 228 Königsegg-Rothenfels, Joseph Lothar Graf von 68 Kurfürst von Bayern siehe Karl VII. Küchelbecker, Johann Basilius 187

l’Espérance, Elisabeth Charlotte Curie Reichsfreiin von 193 Liechtenstein, Joseph Wenzel von 43, 52, 138, 168, 170 Ligne, Charles Joseph Fürst de 105, 107, 206f, 244, 298f Ligneville, Beatrice 107 Liotard, Jean-Etienne 109 Llano, José de 325 Lord Harrington siehe Stanhope, ­Wiliam Ludwig XIV. (Kg. von Frankreich) 13, 90, 164, 169, 183, 231 Ludwig XV. (Kg von Frankreich) 30, 106, 169, 234, 240–242, 332f Ludwig XVI. (Kg. von Frankreich) 162, 327, 239–331, 374

L Lagier, Alexander Louis 114 Lambertini, Prospero Lorenzo siehe Benedikt XIV. (Papst) Lamperg, Maria Aloisa Fürstin von 178 Lampedusa, Giuseppe Tomasi di 341 Lanz, Christina von 333 Laudon, Gideon Ernst Freiherr von 254 Leibniz, Gottfried Wilhelm 219 Leopold I. (Ks. HRR) 12–14, 41, 138, 158, 161, 163f, 178, 282, 287 Leopold II. (Ks. HRR) 101, 196, 217, 281f, 286, 289, 291, 297, 299,309–317, 330, 333, 379 Leopold Johann 9, 12,15 Leopold Joseph von Lothringen (Hzg. von Lothringen) 24, 30 Leopold Clemens Karl von Lothringen (Prinz von Lothringen) 24f Lesage, Alain René 105 Lessing, Gotthold Ephraim 219

M Madame de Pompadour siehe Poisson, Jeanne-Antoinette Marcy, Jean François de 119 Maria Amalia von Österreich (Erzherzogin von Österreich) 15, 20f Maria Amalia von Österreich (Kurfürstin von Bayern) 36, 51 Maria Amalia von Habsburg Lothringen (Herzogin von Parma) 101, 323–325 Maria Anna von Österreich (Erzherzogin von Österreich) 15, 20f, 26–28, 31, 38, 41,103f, 182, 283 Maria Anna von Habsburg Lothringen (Erzherzogin von Österreich) 113, 182, 333f Maria Christina von Habsburg Lothringen (Erzherzogin von Österreich) 114, 299, 309, 334, 378 Maria Elisabeth von Österreich (Statt­halterin der öster. Niederlanden) 20f

438   •   Personenregister

Maria Elisabeth von Habsburg Lothringen (Erzherzogin von Österreich) 32, 301, 333f Maria Josepha von Bayern (Titular-Ks. HRR) 197 Maria Josepha von Habsburg Lothringen (Erzherzogin von Österreich) 217, 322f Maria Karolina von Habsburg Lothringen (Erzherzogin von Österreich) 190, 316, 323f Maria Ludovica von Spanien (Titular-Ks. HRR) 281f Maria Magdalena von Österreich (Erzherzogin von Österreich) 39, 41 Maria Antonia siehe Marie Antoinette Marie Antoinette von Habsburg Lothringen (Titular-Kg. von Frankreich) 112, 162, 165, 174, 188, 262, 326–330, 332f Massenbach, Christian von 130 Maulbertsch, Franz Anton 287 Maximilian I. (Ks. HRR) 178, 285 Maximilian II. (Ks. HRR) 163 Maximilian Franz von Habsburg Lothringen (Erzherzog von Österreich) 289, 309, 319–322, 328, 332 Maximilian III. Joseph von Bayern (Kurfürst von Bayern) 372 Mercy-Argenteau, Florimond Claude Comte de 326 Metastasio, Pietro 182, 196 Meytens, Martin von 113, 178 Migazzi, Christoph Anton (Kardinal) 224f Moivre, Abraham de 227 Montesquieu, Charles de 219 Mozart, Leopold 111f Mozart, Maria Anna 111f Mozart, Wolfgang Amadeus 111f, 318

Mustafa III. (Sultan des osman. Reiches) 362 N Nagel, Josef Anton 119 Napoleon Bonaparte 247 Neipperg, Wilhelm Reinhard von 59f, 105, 245 Nény, Patrick Franz Graf 206 Nesselrode, Johann Franz Hermann von 68 Nicolai, Friedrich 120 Nissen, Georg Nikolaus 112 O Orsini-Rosenberg, Franz Xaver Fürst zu 315 Ostein, Johann Franz Heinrich Karl Graf 54 P Pacassi, Nicolaus 286 Palffy, Maria Anna Gräfin von 105f Parhamer, Ignaz 221 Parini, Guiseppe 318 Pasquini, Giovanni Claudio 22 Pergen, Johann Anton Graf von 100, 345 Pfalz-Zweibrücken, Karl II. August von (Kurfürst von Bayern) 372 Philipp IV. (Kg. von Spanien) 13 Philipp V. von Anjou (Kg. von Spanien) 14 Pichler, Karoline 175f, 283, 291f Pius VI. (Papst) 336 Podewils, Heinrich Graf von 47, 53f, 58, 72 Podewils, Otto Christof Graf von 104, 106, 115, 148, 153f, 175f, 295f

Personenregister   •   439

Poisson, Jeanne-Antoinette 106, 205, 220, 232, 239 Pompadour, Madame de siehe Poisson, Jeanne-Antoinette Poniatowski, Stanislaw Antoni 362 Presti, Rocco lo (Baron) 182 Prinz Eugen siehe Eugen von Savoyen R Richter, Christoph Gottlieb 91 Robinson, Thomas 29, 45, 65 Rousseau, Jean-Jacques 219 Rudolf II. (Ks. HRR) 156 S Sachsen, Moritz Graf von 84 Sachsen-Teschen, Albert Kasimir von 334 Saligerin, Marianne 214 Schwerin, Curt Christoph Graf zu 47, 53, 60 Schrack, Sophie Amalie Baronin 77 Schulenburg-Oeynhausen, Ferdinand Ludwig Graf 290 Seckendorff, Friedrich Heinrich von 43 Segur, Philippe-Henri Graf de 84 Selliers, Karl Josef 182 Sinzendorf, Philipp Ludwig Wenzel von 67–68 Sonnenfels, Joseph von 343f, 352f, 355 Spannagel, Gottfried Wilhelm 22 Spinola, Giorgio (Kardinal) 11 Stanhope, William (2nd Earl of Harrington) 29 Stanisław I. Leszczyński (Kg. von Polen) 30 Starhemberg, Gundaker Thomas Graf 38f, 69, 129 Starhemberg, Georg Adam Graf von 236, 239, 241

Steckhoven, Adrian van 120 Stubenberg, Anna Isabella von (Gräfin von Lamperg) 23 Swieten, Gerard Freiherr van 119, 214, 216–221, 224, 291, 306 Sylva, Emanuel Teles da (Graf von Sylva Tarouca) 76–78, 96, 124, 163f, 173f, 191 T Tanucci, Bernardo 324 Tarouca (Graf ) siehe Sylva, Emanuel Teles da Thurn-Valsassina, Maria Rosalia von (Gräfin von Edling) 23 Thurn-Valsassina, Franz Graf 315f Tillot, Guillaume du 324f Trautson, Johann Joseph Graf (Kardinal) 224 U Ulfeld, Corfiz Anton Graf 138–141, 148, 187, 192, 236 Ursel, Charles Duc d’ 194 V Vermond, Mathieu-Jacques Abbé de 327 Voltaire siehe Arouet, François-Marie W Wagenseil, Georg Christoph 112 Walpole, Robert (1st Earl of Orford) 36 Washington, George 238 Wertheimer, Samson 209 Wertheimer, Wolf 209f Wilhelmina Amalia von Braunschweig-Lüneburg (Titular-Ks. HRR) 11, 40, 103, 164

440   •   Personenregister

Wraxall, Nathaniel 105, 107, 288–290, 333, 335 Wurmbrand, Johann Wilhelm Graf von 100 Wurz, Ignaz 285 Wurzbach, Konstantin von 353 Wüttemberg-Mömpelgard, Leopold Eberhard Herzog von 193

Z Zeno, Apostolo 27 Zeno, Alessandro 49 Zinzendorf, Karl Johann Christian Graf von 317, 350 Zinzendorf, Ludwig Friedrich Julius Graf von 337–340

Österreich und Preußen bis 1795. Entstehung des deutschen Dualismus