Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag 9783161551598, 3161551591

Der Insolvenzplan entwickelt sich immer mehr zur `Allzweckwaffe` des Insolvenzrechts. Umso dringender bedarf es einer tr

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Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag
 9783161551598, 3161551591

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
§ 1 Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion
§ 2 Historischer Hintergrund des Insolvenzplans
§ 3 Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans
§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger
§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag
§ 6 Gesamtergebnis
Literaturverzeichnis
Sachverzeichnis

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Studien zum Privatrecht Band 66

Matthias Fritzsche

Die juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Mohr Siebeck

Matthias Fritzsche, geboren 1990; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Passau; Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Passau; 2016 Promotion; seit 2016 Rechtsreferendar in Passau.

Veröffentlicht mit finanzieller Unterstützung der Universität Passau. ISBN 978-3-16-155159-8 ISSN 1867-4275 (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http:// dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Ver­ wertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von epline in Neuffen gesetzt, von Gulde-Druck in Tübingen auf alterungsbeständiges Werkdruckpapier gedruckt und von der Buchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Meinen Eltern

Vorwort Meine „juristische Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag“ entstand im Zeitraum von Mitte 2014 bis Anfang 2016 und wurde als Dissertation an der Universität Passau im Sommersemester 2016 angenommen. Die Disputation fand am 06. 10. 2016 statt. Rechtsprechung und Literatur konnten grundsätzlich bis Ende 2015 berücksichtigt werden. Ich habe die Arbeit an der Dissertation unmittelbar nach dem Ersten Staatsexamen aufgenommen, und die Promotion bildet somit den Abschluss meiner akademischen Ausbildung an der Universität Passau. Nach gutem wissenschaftlichem Brauch möchte ich nun an dieser Stelle meinen Dank aussprechen: –– Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Klaus Reischl, für die Betreuung des Promotionsverfahrens, die nicht besser hätte sein können. In der gesamten Zeit und in allen Angelegenheiten konnte ich stets auf seinen Rat zählen. Besonders bedanken möchte ich mich für die – oft kurzfristig ermöglichten – Besprechungen, in denen ich ihm meine Zwischenergebnisse und Ideen vorstellen durfte. Denn über die wissenschaftliche Diskussion hinaus ließ Professor Reischl dabei auch seinen reichen Erfahrungsschatz als Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter einfließen, was mir an vielen Stellen neue Einsichten eröffnete, und schließlich sein „placet“ um so wertvoller machte. Den Mut, meine eigenen Gedanken konsequent zu entwickeln, verdanke ich vor allem der Bestätigung, die er mir in unseren Gesprächen gegeben hat. –– Herrn Privatdozenten Dr. Florian Eichel dafür, dass er das Zweitgutachten so zügig erstellt hat. Zudem hat mir sein Gutachten für die Veröffentlichung noch einige wertvolle Anregungen gegeben. –– Herrn Professor Dr. Wolfgang Hau. Ihm bin ich noch heute dankbar für den wegweisenden Unterricht im Schwerpunktstudium, und es war mir daher eine besondere Ehre, dass er bei der Verteidigung den Vorsitz in der Prüfungskommission führte. –– Frau Professorin Dr. Ulrike Müßig für die Anstellung an ihrem Lehrstuhl im Wintersemester 2014/2015 und im Sommersemester 2015. Durch die Tätigkeit habe ich Einblicke in den wissenschaftlichen Universitätsbetrieb und in die rechtsgeschichtliche Forschung gewonnen. Gerade letzteres war für den historischen Teil meiner Untersuchung sehr hilfreich. Doch nicht nur meinen akademischen Lehrern habe ich zu danken, sondern auch meiner Familie und meinen Freunden. Sie waren mir eine Stütze, ohne die ich die Promotion nicht erreicht hätte.

VIII

Vorwort

An erster Stelle danke ich meinen Eltern: meinem Vater, Dr. med. Arwid Fritzsche, und meiner Mutter, Dr. med. Luitgard Kraus-Fritzsche, für ihren moralischen Rückhalt, der mich bei all meinen Vorhaben begleitet. Außerdem danke ich ihnen für die finanzielle Unterstützung bei meiner gesamten Ausbildung inklusive der Promotion. Meinen Eltern ist diese Arbeit gewidmet. Besonderen Dank schulde ich meiner Verlobten, Johanna Gaube: Danke dafür, dass ich mit Dir jederzeit über Inhalt und Fortschritt meiner Arbeit sprechen konnte, dass Du meine Freude daran geteilt und mir in schwierigen Phasen neuen Mut zugesprochen hast, und nicht zuletzt dafür, dass ich mit Dir zusammen die Dissertation auch immer wieder vergessen konnte! Schließlich danke ich meinen Kommilitonen und langjährigen Freunden Patrick Milisterfer und Josef Eicher für ihre treue Freundschaft und all die schönen gemeinsamen „Passauer Jahre“. Passauer Innstadt im Januar 2017 

Matthias Fritzsche

Inhaltsübersicht § 1 Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 2 Historischer Hintergrund des Insolvenzplans  . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 B. Historische Alternativen zum Regelverfahren und Gesetzgebungsgeschichte des Insolvenzplans  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Auswertung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108

§ 3 Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans  . . . . . . . 113 A. Rechtsnormtheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Urteilstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 C. Theorie vom Institut eigener Art  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 D. Vertragstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 E. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 A. Denkbare rechtliche Formen einer Gläubigergemeinschaft  . . . . . . . . . 145 B. Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft und Bestimmung der gemeinschaftlichen Rechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 D. Beschlüsse der Gläubigerversammlung und Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 E. Gesamtergebnis zur Gläubigergemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

X

Inhaltsübersicht

§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A. Vertragsparteien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 B. Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 C. Vertragsschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 D. Gerichtliche Bestätigung als Wirksamkeitsvoraussetzung  . . . . . . . . . . . 275 E. Rechtliche Behandlung von Mängeln beim Vertragsschluss  . . . . . . . . . 279 F. Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln  . . . . . . 285 G. Insolvenzplan als Vergleich i. S. d. § 779 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

§ 6 Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

Inhaltsverzeichnis § 1 Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 § 2 Historischer Hintergrund des Insolvenzplans  . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 A. Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 I. Ursprünge im römischen Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Von der Personal- zur Vermögensvollstreckung  . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Missio in bona und cessio bonorum im Formularverfahren  . . . . . . . 3. Klassische und nachklassische Zeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einordnung der römischen Verfahren nach heutigen Begriffen  . . . . a) Keine reine Vermögensvollstreckung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Begrenzung auf Insolvenzfälle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Universalität  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. „Privatrechtliches Prinzip“ als Ausgangspunkt  . . . . . . . . . . . . . . . . II. Italienisches Statutarrecht und spanisches concursus-Verfahren nach Salgado  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Statutarrecht oberitalienischer Städte im Mittelalter  . . . . . . . . . a) Systematische Einordnung der Insolvenzrechts-Statuten  . . . . . . b) Verfahrensgang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Spanischer concursus  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bedeutung des „Labyrinthus creditorum“ und geschichtlicher Hintergrund  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensgang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vergleich der Verfahrensprinzipien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahrensherrschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verfahrensumfang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Insolvenzrecht in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anfänge des Insolvenzrechts in Deutschland  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeines Recht und Landesrechte in Deutschland vor der Reichskonkursordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bewertung im 19. Jahrhundert  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

3. Reichskonkursordnung von 1877 und Insolvenzordnung von 1994  . . . a) Vorbilder der Reichskonkursordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Reichskonkursordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Insolvenzordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Wichtigste Änderungen der Insolvenzrechtsreform  . . . . . . . bb) Gerichts- und Gläubigermacht in den Reformvorschlägen  . aaa) Berichte der Insolvenzrechtskommission  . . . . . . . . . . . bbb) Weiterer Gesetzgebungsprozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die derzeitigen Regelungen der InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachtrag zur Gesamtvollstreckungsordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis zu den Verfahrensprinzipien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gläubigerherrschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Universalität des Verfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Möglicher Widerspruch der beiden Prinzipien  . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 28 29 30 31 31 31 32 33 33 34 34 35 37

B. Historische Alternativen zum Regelverfahren und Gesetzgebungsgeschichte des Insolvenzplans  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

I. Römisches Recht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 1. Kaiserliches Moratorium  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Moratorium nach Gläubigerentscheid  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Teilweiser Forderungserlass bei Erbschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Rechtliche Einordnung und Bedeutung für heutige Regelungen  . . . 40 II. Zwangsvergleich in Deutschland vor der Reichskonkursordnung  . . . . 41 III. Italienische Statuten und französischer Code de Commerce von 1807  42 1. Italienisches Statutarrecht des Mittelalters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Code de Commerce  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 IV. Modernes deutsches Insolvenzrecht bis zur InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 1. Zwangsvergleich der KO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 2. Vergleichsordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 3. Vergleich der GesO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4. Weitere Gesetze zur Konkursabwendung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Landwirtschaftshilfe in der Weimarer Republik und dem „Dritten Reich“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 b) Sogenannte „Vertragshilfe“ in nationalsozialistischen Gesetzen  . 51 c) Landwirtschaftliche Entschuldung und Vertragshilfe in der BRD  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 d) Abschließende Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 5. Rechtliche Einordnung des Zwangsvergleichs  . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 a) Vorstellungen des Gesetzgebers ausweislich der Motive zur KO  54 aa) Vertragsnatur des Zwangsvergleichs  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 bb) Gläubigerabstimmung als Beschluss einer Gemeinschaft  . . 55 cc) Funktion der Zulässigkeitserfordernisse und der gerichtlichen Bestätigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

Inhaltsverzeichnis

dd) Zusammenfassung und Würdigung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Diskussion in der Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Urteilstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Theorie vom Institut eigener Art  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsnormtheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vertragstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Prozessvertrag mit materiellrechtlichem Reflex  . . . . . bbb) Kontrahierungszwang  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Stellvertretung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ddd) Gesetzliche Anordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . eee) Gesetzlich angeordneter Beschluss, „unechte“ Gemeinschaftstheorien  . . . . . . . . . . . . . . . . fff) „Echte“ Gemeinschaftstheorien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . ggg) Ernst Jaegers Weg zur Gemeinschaftstheorie  . . . . . . . . hhh) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ansicht des Gesetzgebers der VglO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsprechung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Folgen der vertraglichen Einordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unklare Äußerungen zu den Vertragsparteien und der Vertragskonstruktion  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erklärungen der Beteiligten als Prozesshandlungen.  . . . . . . dd) Zwangsvergleich als Vergleich i. S. d. § 779 BGB  . . . . . . . . ee) Reichweite des Bestätigungsbeschlusses  . . . . . . . . . . . . . . . e) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einführung der Insolvenzordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontinuität zum Zwangsvergleich  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzept der Insolvenzrechtskommission  . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weiterer Entstehungsprozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Insolvenzplan als „Neuerung“ und „universelles Instrument“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine wesensmäßige Änderung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verständnis des Gesetzgebers von der Rechtsnatur des Plans  . . . . . a) „Der Plan ist kein Vergleich“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entbehrlichkeit der Zustimmung des Schuldners  . . . . . . . . . . . . c) Obstruktionsverbot als „Schikaneverbot“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kein Einfluss ausländischer Regelungen auf dogmatische Fragen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Keine Erwähnung der „Vertragshilfe“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Änderungen durch das ESUG  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Klarstellungen zu möglichen Anwendungsfeldern des Plans  . . . . . . 2. Ermöglichung einer gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung des insolventen Verbands  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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3. Begrenzung der Beschwerdemöglichkeit gegen den Bestätigungsbeschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 4. Maßnahmen zur Absicherung des Plans gegenüber Nachzügler-Forderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 5. Verständnis des ESUG-Gesetzgebers von der Natur des Plans  . . . . 107

C. Auswertung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 I. Gläubigerautonomie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenzplan als stärkstes Mittel der Gläubigerautonomie  . . . . . . . . . III. Kontinuität zwischen Zwangsvergleich und Insolvenzplan  . . . . . . . . . IV. Universalitätsprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vereinigung von Gläubigerautonomie und Universalität in einer Gläubigergemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans  . . . . . . . 113 A. Rechtsnormtheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 B. Urteilstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Kritik an der Argumentation der Urteilstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Angebliche Unmöglichkeit einer vertraglichen Konstruktion  . . . . . 2. Verfahren als „Bevormundung“ bei Annahme der Vertragstheorie  . 3. Bestandskraft des Plans nach rechtskräftiger Bestätigung  . . . . . . . . 4. Entbehrlichkeit der Zustimmung des Schuldners  . . . . . . . . . . . . . . . 5. Obstruktionsverbot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vorschriften zur Zurückweisung des Plans  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Minderheitenschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Rechtsvergleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Argumente gegen die Konstruktion des Insolvenzplans als „Urteil“  . . 1. Wortlaut und gesetzgeberischer Wille  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundsätzliche Erwägungen zur richterlichen Gestaltungsmacht  . . a) Erklärungsnot im Hinblick auf das Gestaltungsrecht  . . . . . . . . . b) Ausnahmecharakter und numerus clausus von Gestaltungsurteilen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine vergleichbare Interessenlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abschließende Bewertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Theorie vom Institut eigener Art  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 D. Vertragstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Zweifel über Parteistellung des Schuldners  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwertungsvereinbarung der Gläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Differenzierung nach tatsächlicher Zustimmung des Schuldners  . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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XV

II. Erklärung der Bindungswirkung der Abstimmung für alle Beteiligten  130 1. Gesetzliche Anordnung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Stellvertretung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Erklärung mithilfe eines Gemeinschaftsmodells  . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Einzelne Gläubigergruppen als Interessengemeinschaften  . . . . . 134 b) Kritik an der vorgestellten Theorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 aa) Fragwürdigkeit der Rechtsfigur „Interessengemeinschaft“  . 135 bb) Unterteilung der Gläubiger in einzelne Gemeinschaften nicht überzeugend  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 aaa) Gesetzeswortlaut und -begründung sowie Obstruktionsverbot in § 245 InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 bbb) Keine Pflicht zur Gruppenbildung nach § 222 II InsO  . 139 ccc) Verbindung der Beteiligten nicht erst durch Gruppeneinteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 ddd) Abstimmung in Gruppen keine zwingende Folge einer differenzierten Gläubigerbehandlung  . . . . . . . . . 140 eee) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Zustimmung aller Beteiligten nicht erforderlich  . . . . . . . . . 142 dd) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Keine sonstigen Gemeinschafts-Theorien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 4. Fiktion der „fehlenden“ Zustimmungserklärungen  . . . . . . . . . . . . . 143

E. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 A. Denkbare rechtliche Formen einer Gläubigergemeinschaft  . . . . . . . . . 145 B. Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft und Bestimmung der gemeinschaftlichen Rechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 I. Befugnisse „der Gläubigerversammlung“ als gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinschaft der Gläubiger als Rechtsträger  . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine gesamthänderische Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gemeinschaftliches Befriedigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Historischer Hintergrund  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Herleitung und Einordnung des Befriedigungsrechts  . . . . . . . . . . . . a) Parallelen zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung  . . . . . . . . b) Beschlagnahme und Befriedigungsrecht als Voraussetzungen der Haftungsverwirklichung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Beschlagnahme und Begründung des Befriedigungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vollstreckungsanspruch als Grundlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfügungsbeschränkung nach § 80 I InsO  . . . . . . . . . . . . .

147 147 148 149 150 150 150 151 151 153 154 154

XVI

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cc) Eröffnungsbeschluss als tauglicher Beschlagnahmeakt  . . . . dd) Vereinbarkeit mit der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Stellungnahme zum Theorienstreit  . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Konsequenz aus der Konstruktion: Öffentlichrechtliches Verwalterhandeln als weiteres Argument für die Amtstheorie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsätzliche Fähigkeit des Insolvenzverwalters zu hoheitlichem Handeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Aufhebung der Verstrickung als Hoheitsakt bei Freigabe und Verteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Anwendbarkeit des § 136 StGB kein Gegenargument  . . . . . ff) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Rechtsnatur des Befriedigungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis des Befriedigungsrechts zu den oben genannten Verfahrensrechten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gläubigerrechte in der Vollstreckung als Ausprägung eines allgemeinen Effizienzgebots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Akzessorietät des Befriedigungsrechts als Grund für das Effizienzgebot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger am Befriedigungsrecht  . . . . a) Unterschiede zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung  . . . . . b) Erklärung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes mit der Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Anwendbarkeit des Mehrheitsprinzips  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Möglichkeit der Aufteilung des Befriedigungsrechts in Bruchteile  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Vereinbarkeit der Bruchteilsgemeinschaft mit Differenzierungen bei der Erlösverteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerung: Entscheidung über Ausübung der Verfahrensbefugnisse durch Beschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gemeinschaftliche Regelungsbefugnisse beim Insolvenzplan  . . . . . . . 1. „Plan-Befugnisse“ als Mittel zur Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Inhalt dieser Rechte und Rechtfertigung mit der gemeinschaftlichen Verbindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Regelungen betreffend die Insolvenzgläubiger  . . . . . . . . . . . . . . aa) Obergrenze der Eingriffsbefugnisse in §§ 224, 225, 227 I InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Kein Eingriff in den Bestand des Anspruchs  . . . . . . . .

155 156 157 157 158 159 160 160 160 161 161 162 162 163 163 164 164 165 166 167 167 169 169 170 171 172 173 173 174

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bbb) Ausschluss der prozessualen Durchsetzbarkeit  . . . . . . ccc) Begrenzte Möglichkeiten zum Ausschluss des Aufrechnungsrechts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimation dieser Regelungsbefugnis  . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Bindung der Gläubiger an eine Mehrheitsentscheidung zum Verzicht auf die Befriedigung  . . . . . bbb) Konformität mit Bestimmungen des Regelverfahrens  . cc) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungen nach § 223 II InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prozessualer Ausgangspunkt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Materiellrechtliche Folgen bei dauerhaftem Ausschluss der Geltendmachung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regelungen nach § 225a III InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenzanfechtung als weitere Folge des Befriedigungsrechts  . . . . . V. Abgrenzung der gemeinschaftlichen Rechte zu Individualrechten  . . . . VI. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XVII 175 176 177 177 178 179 180 180 181 182 183 184 185 186

C. Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 I. Insolvenzgläubiger und nachrangige Insolvenzgläubiger  . . . . . . . . . . . II. Absonderungsberechtigte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhalt der zugrundeliegenden Ansprüche  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befriedigung aus Massegegenständen im Insolvenzverfahren  . . . . . 3. Vereinbarkeit der Regelung mit dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) „Vorzugsweise“ Befriedigung bei Verwertung im Insolvenzverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens  . . . . 4. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Massegläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme im „Insolvenzfall“ des § 208 I InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Mitglieder des insolventen Verbands  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorüberlegung zum Wesen der Mitgliedschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögensanspruch aus dem Verbandsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anspruch auf Teil des verbleibenden Vermögens  . . . . . . . . . . . . b) Kein Ausschluss durch Insolvenzeröffnung nach dem Verbandsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Behandlung des Anspruchs im Insolvenzverfahren.  . . . . . . . . . . . . . a) Keine Verdrängung durch § 199 S. 2 InsO als „spezielles Verbandsrecht“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Ansicht von Karsten Schmidt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

187 188 188 188 190 190 191 192 192 192 194 195 196 196 197 197 198 199 199 200 200

XVIII

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bb) Kritik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Insolvenzverfahren muss Zwangsvollstreckung bleiben  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Gesetzliche Regelung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ccc) Auffassung des Gesetzgebers  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Begründung zu § 199 InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vollabwicklung als „Ziel“ des Insolvenzverfahrens?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfs und Begründung zu § 141a FGG  . . . . . . . . . . . . . . (b) Gesetzgebungsgeschichte des § 1 InsO  . . . . . . . . . (c) Vollstreckung als „Hauptzweck“  . . . . . . . . . . . . . . (3) Möglichkeit der Vollabwicklung als Folge des § 39 InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Behandlung als letztrangige Insolvenzforderung  . . . . . . . . . . . . aa) Verhältnis des Insolvenzverfahrens zur verbandsrechtlichen Liquidation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Verdrängung der Liquidation durch Zwangsvollstreckung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Vorwegnahme der Abwicklung als möglicher Kollateralnutzen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Rechtliche Umsetzung durch Einbeziehung der Mitglieder als letztrangige Gläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Regelungsgehalt des § 199 S. 2 InsO  . . . . . . . . . . . . . . bbb) Systematische Stimmigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Teilhabe am Befriedigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

201 201 202 203 203 205 205 206 207 207 209 209 210 210 210 211 211 212 213 214

D. Beschlüsse der Gläubigerversammlung und Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I. Grundsätze über Beschlüsse in einer Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . 1. Allgemeine Definition des Beschlusses  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahren der Beschlussfassung in der Bruchteilsgemeinschaft  . . . 3. Ermächtigung, nicht Vollmacht als Folge des Beschlusses einer Bruchteilsgemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Systemwidrigkeit einer Zwangs-Stellvertretung  . . . . . . . . . . . . . b) Ermächtigung als systemkonformes „Zwangsmittel“  . . . . . . . . . c) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mögliche Außenwirkung der zur Beschlussfassung abgegebenen Stimmen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beschlüsse der Gläubigerversammlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschlussgegenstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

215 215 218

219 219 221 222 223 224 224 225

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a) Rechte der Gläubigergemeinschaft als Befugnisse zur Vornahme von Prozesshandlungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erwirkungshandlungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bewirkungshandlungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Prozessverträge  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beschluss und Ausführung in denselben Erklärungen  . . . . . . . . . aa) Prozessführungsbefugnis als regelmäßige, aber hier unpassende Grundlage für Ausführung eines Beschlusses im Prozess  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ermächtigung zu einzelnen Prozesshandlungen als besonderes Mittel in einem Massenverfahren  . . . . . . . . . c) Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlussfassung und -ausübung in einer vom Insolvenzgericht geleiteten Versammlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Versammlung in einem „Termin“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Austausch von Erklärungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwertung der für § 278 VI 1 Alt. 2 ZPO entwickelten Modelle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Anwendung auf die Abstimmung der Gläubiger  . . . . . . . . . 3. Wirksamkeitsvoraussetzungen, Rücknahmemöglichkeiten und Anfechtbarkeit der Erklärungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wirksamkeitsvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rücknahme- und Anfechtungsrechte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Geltendmachung von Mängeln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Stimmrecht und Stimmgewicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Minderheitenschutz  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIX 225 226 227 227 230 230 230 232 233 233 234 235 237 238 238 238 240 241 242 243

E. Gesamtergebnis zur Gläubigergemeinschaft  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 A. Vertragsparteien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 B. Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 I. Prozessvertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Disposition über die Fortsetzung des Regelverfahrens  . . . . . . . . . . 2. Ermöglichung eines Vollstreckungstitels  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mögliche Anordnung zur Überwachung der Planerfüllung  . . . . . . . 4. Mögliches Aufrechterhalten der Prozessführungsbefugnis gem. § 259 III InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Regelung über die Rechnungslegung nach § 66 I 2 InsO  . . . . . . . . . 6. „Kürzung“ und „Erlass“ von Ansprüchen sowie „Befreiung von Verbindlichkeiten“  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

248 249 250 250 251 252 252

XX

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7. Abweichung vom Regelverfahren als Kern jedes Insolvenzplans  . . 8. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Materiellrechtlicher Vertrag  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis und Einordnung eines prozessual-materiellen Insolvenzplans  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

252 255 255 255

C. Vertragsschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 I. Gericht als empfangsermächtigte Stelle für alle Erklärungen  . . . . . . . . II. Verfahren zur Vertragsvorbereitung mit Möglichkeit erster Zustimmungserklärungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Antizipierte“ Zustimmungserklärungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erklärungen i. S. d. § 230 InsO als Zustimmung einzelner Vertragspartner  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ratio legis und Analogiebildung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erklärungen nach § 226 II InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorlage, Niederlegung und Erörterung des Plans  . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsnatur der Planvorlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rücknahme der Planvorlage  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstimmung der Gläubiger  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Stimmrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Missglückte Regelungen in §§ 237 II, 238 II, 238a II InsO  . . . . . b) Grundsatz über das Stimmrecht im Planverfahren  . . . . . . . . . . . c) Ergebnis für die einzelnen Gläubigergruppen  . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erforderliche Mehrheiten und Stimmgewicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rücknahmemöglichkeiten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustimmungsfiktionen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zustimmung des Schuldners nach § 247 I InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis: Vertragliche Bindung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

256 257 257

257 259 261 261 262 262 264 264 265 265 267 268 270 270 272 273 274 274

D. Gerichtliche Bestätigung als Wirksamkeitsvoraussetzung  . . . . . . . . . . . 275 E. Rechtliche Behandlung von Mängeln beim Vertragsschluss  . . . . . . . . . 279 I. Mögliche Fehler  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtliche Behandlung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kritik an den bisher vertretenen Theorien  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lösung anhand der allgemeinen Verfahrens- und Vertragsgrundsätze  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsatz der prozessualen Überholung als Ausgangspunkt  . . . b) Anwendung auf Planregelungen mit unmittelbarem Bezug zum Befriedigungsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nur vertragliche Begrenzung bei sonstigen Regelungen  . . . . . . .

279 280 281

282 282 283 284

F. Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln  . . . . . . 285 I. Allgemeines  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286

Inhaltsverzeichnis

1. Prozessuale Regelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verwertung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verteilung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vollstreckung nach § 257 I InsO und Nachhaftung  . . . . . . . . . . . d) Rechnungslegung, Verfahrensaufhebung, partielle Fortwirkung des Verfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Zwingendes Verfahrensrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materiellrechtliche Regelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen: § 225a III InsO  . . . . . . . . b) Sonstige materiellrechtliche Regelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zur Person des Verfügenden bei Verfügungen über Massegegenstände  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen bei bestimmten Regelungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustimmungserklärungen einzelner Gläubiger oder Dritter  . . . . b) Formerfordernisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gleiche Reichweite bei Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein Ausschluss der Geschäfte mit Dritten von der formwahrenden Wirkung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Publizitätsakte  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachzüglerklauseln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Meinungsstand  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein gesetzlicher Ausschluss  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vorhandene gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Eigentumsrecht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zeitpunkt der Forderungsgeltendmachung als zulässiges Differenzierungskriterium  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz: Präklusion als notwendige Folge des Universalitätsprinzips  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Nachweis im System der InsO und Schlussfolgerungen  . . . d) Konsequenzen für die Zulässigkeit von Nachzüglerklauseln  . . . aa) Anwendung des § 189 InsO nicht ausreichend  . . . . . . . . . . . bb) Gruppeninterne Nachzüglerklauseln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Gruppenbildung und par conditio creditorum im Planverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Konsequenz: Unzulässigkeit gruppeninterner Nachzüglerklauseln  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nachzüglergruppe als mögliche Lösung  . . . . . . . . . . . . . . . aaa) Möglichkeit entsprechender Gruppenbildung nach § 222 II 1 InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bbb) Fiktion der Zustimmung in der Nachzüglergruppe nach § 245 I InsO  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XXI 286 287 289 290 292 292 293 293 294 295 297 297 298 299 300 301 302 303 304 305 305 306 306 307 308 308 309 309 310 310 310 311

XXII

Inhaltsverzeichnis

ccc) Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 dd) Planverteilung und Nachhaftungsausschluss als Alternative  314 3. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315

G. Insolvenzplan als Vergleich i. S. d. § 779 BGB  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317

I. Ansichten in der Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Vorliegen der Merkmale des § 779 I BGB und praktische Relevanz  . . 318 III. Ergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320

§ 6 Gesamtergebnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 Literaturverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 Sachverzeichnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

§ 1  Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion Gegenstand dieser Arbeit ist die rechtliche Konstruktion des Insolvenzplans. Juristische „Konstruktionen“ sind „Mittel der Systematisierung“1, indem sie Rechtsnormen in ein System aus abstrakten Begriffen einordnen.2 Die rechtliche Konstruktion ist von „Bedeutung für die Rechtsfindung“, indem sie „Ähnlichkeiten und Unterschiede erkennen läßt und vor Fehlschlüssen bewahrt [...].“3 Darüber, wie der Insolvenzplan zu konstruieren, mit welchen abstrakten Rechtsbegriffen er also zu beschreiben ist, konnte in der Rechtswissenschaft bisher noch keine Einigkeit erzielt werden. Zur Einführung in die Problematik ist zunächst ein Blick auf die Funktion des Insolvenzplans zu werfen. Diese ergibt sich im Grundsatz aus § 1 S. 1 InsO, der den Plan als Teil des Insolvenzverfahrens behandelt. „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen“ (§ 1 S. 1 InsO). Es ist ein Verfahren der Zwangsvollstreckung.4 Die Befriedigung der Gläubiger wird erreicht, „indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt [...] wird“ (§ 1 S. 1 InsO).5 Innerhalb dieses Vollstreckungsverfahrens soll der Insolvenzplan eine „abweichende Regelung“ ermöglichen, wobei er als gleichberechtigte Alternative zum Regelverfahren behandelt wird (vgl. § 1 S. 1 InsO).6 Als mögliche 1 

Larenz, Methodenlehre, S. 441. Larenz, Methodenlehre, S. 438 ff. 3  Larenz, Methodenlehre, S. 445. 4  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 11 f.; Stürner in: MüKo InsO, Einl. Rn. 1; Gaul, in Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 42 ff.; siehe außerdem die Begründung zu § 1 InsO in BT-Drucks. 12/2443, S. 108 und den Beschluss des BVerfG vom 12. 01. 2016 (Az. 1 BvR 3102/13), Rn. 43. – Dass dies entgegen der Ansicht von Karsten Schmidt auch in der Insolvenz eines Verbands gilt, wird unten ausführlich gezeigt (§ 4 C IV 3 a). 5  Weil somit „das gesamte Vermögen“ des Schuldners (§ 35 I InsO) als Haftungsmasse herangezogen wird und sämtliche Gläubiger, die Ansprüche i. S. d. §§ 38, 49–51 InsO gegen den Schuldner haben, von den Folgen der Verfahrenseröffnung erfasst werden, ist auch die Bezeichnung als „Gesamtvollstreckung“ in Abgrenzung zur „Einzelvollstreckung“ nach den Vorschriften der ZPO und des ZVG geläufig (siehe z. B. Stürner in: MüKo InsO, Einl. Rn. 1 und Gaul, in Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 42 ff.). 6  Siehe außerdem die Begründung zum Regierungsentwurf der InsO, BT- Drucks. 12/2443, S. 78: „Die Struktur des Verfahrens muß [...] so angelegt sein, daß keines der möglichen Verfahrensziele vor dem anderen bevorzugt wird. Sämtliche Verwertungsarten sind den Betei2 

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§ 1  Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion

Regelungsgegenstände des Plans nennt § 217 S. 1 InsO die „Befriedigung“ der Gläubiger, die „Verwertung“ und „Verteilung“ der Insolvenzmasse und die „Verfahrensabwicklung“. Auch die Haftung des Schuldners nach Verfahrensende kann zum Planinhalt gemacht werden (§§ 217 S. 1, 227 InsO), und die §§ 223 II, 224, 225 I, II InsO erlauben Regelungen über die „Rechte“ der Gläubiger. Handelt es sich beim Schuldner um einen Verband, ist außerdem dessen gesellschaftsrechtliche Umgestaltung durch den Plan möglich (§§ 217 S. 2, 225a III InsO). Der Insolvenzplan modifiziert somit das gesetzliche Vollstreckungsverfahren nach § 1 S. 1 InsO. Er hat insoweit die Funktion eines Prozessvertrags nach der Art eines Vollstreckungsvertrags i. S. d. § 802b ZPO.7 Dass Planregelungen über die gegenständlichen und zeitlichen Grenzen des Insolvenzverfahrens hinausgehen können, entspricht ebenfalls der Situation bei Prozessverträgen.8 Neben dieser inhaltlichen Parallele gleicht der Plan einem Prozessvertrag insofern, als er zumindest auch auf einer Entscheidung der Verfahrensbeteiligten beruht, indem das Gesetz für einen Plan die „Annahme [...] durch die Beteiligten“ und die „Zustimmung des Schuldners“ als Voraussetzungen bestimmt (§ 248 I InsO). Der Insolvenzplan ist demnach das funktionale Gegenstück zu einer Vollstreckungsvereinbarung in der Einzelvollstreckung. Nach dem bisher Gesagten liegt es nahe, den Plan unter den Begriff des Vertrags zu fassen. Eine vertragliche Konstruktion des Insolvenzplans bereitet jedoch Schwierigkeiten, weil er in einer Form zustandekommt, die vom typischen Bild eines Vertragsschlusses nach §§ 145 ff. BGB abweicht: Es ist zunächst eine Vorlage an das Gericht erforderlich, die nur vom Schuldner oder dem Insolvenzverwalter vorgenommen werden kann (§ 218 I 1 InsO); die Gläubiger haben kein Vorlagerecht, können aber dem Verwalter die Ausarbeitung eines Plans aufgeben (§ 157 S. 2 InsO). Der vorgelegte Plan wird vom Insolvenzgericht überprüft und, wenn keine Zurückweisung nach § 231 InsO erfolgt, niedergelegt. Das Gericht beruft sodann einen Termin zur Erörterung des Plans ein (§ 235 I 1 InsO). Nach der Erörterung wird über den Insolvenzplan abgestimmt (§§ 235 I 1, 241–246a InsO). An der Abstimmung sind Gläubiger und in manchen Fällen die Mitglieder des insolventen Verbands beteiligt; abgestimmt ligten gleichrangig anzubieten. Das Verfahren soll ein neutraler Rechtsrahmen sein, in dem die Beteiligten die für sie vorteilhafteste Lösung entdecken und durchsetzen können. [...] Die Beteiligten müssen in einem Insolvenzplan in jeder Hinsicht von der gesetzlichen Zwangsverwertung der Insolvenzmasse abweichen können.“ 7  Siehe zu diesen Verträgen und dem entsprechenden Gehalt des § 802b ZPO Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 1 ff. (ausführlicher noch unten § 5 B I 7). 8  Der Prozessvergleich i. S. d. § 794 I Nr. 1 ZPO enthält – nicht notwendig, aber typischerweise – neben der Beseitigung der Rechtshängigkeit materiellrechtliche Regelungen (Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 6, 76), und auch eine Vollstreckungsvereinbarung i. S. d. § 802b ZPO kann mit einer materiellrechtlichen Vereinbarung verbunden werden (Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 6 f., 39).



§ 1 Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion

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wird in einzelnen Gruppen von Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung oder gleichen Interessen (§§ 221 I, II, 243 InsO). Der Plan kommt zustande, wenn die Abstimmung die „Annahme“ des Plans durch diese Beteiligten ergibt, der Schuldner zustimmt, und das Insolvenzgericht ihn bestätigt (§ 248 I InsO). Dabei kann die Zustimmung des Schuldners und einzelner Gruppen nach §§ 245–247 InsO fingiert werden. Wirksam wird der Plan erst mit der Rechtskraft des gerichtlichen Bestätigungsbeschlusses (§ 254 I InsO), dann aber auch gegenüber Gläubigern und Mitgliedern, die an der Abstimmung nicht teilgenommen haben oder in der Abstimmung gegen den Plan votiert haben (§ 254b InsO). Insbesondere das Erfordernis der gerichtlichen Planbestätigung und die Wirksamkeit des Plans gegenüber Personen, die nicht persönlich zugestimmt haben, lassen an der Einordnung als Vertrag zweifeln. Die noch herrschende Auffassung in der Literatur geht dennoch von einem privatrechtlichen Charakter des Insolvenzplans aus,9 wobei aber mehrere Konstruktionen vorgeschlagen werden, die sich in einigen Punkten unterscheiden. Die extreme Gegenposition dazu bildet die sog. Urteilstheorie, die in der gerichtlichen Mitwirkung das entscheidende Element und den Plan daher als richterlichen Gestaltungsakt sieht.10 Im Vordringen befindet sich die zwischen diesen beiden Theorien stehende Ansicht, dass sich im Insolvenzplan vertrags- und urteilstypische Elemente vereinigen. Der Plan soll demnach weder Rechtsgeschäft bzw. Parteihandlung noch richterliche Prozesshandlung sein, sondern ein Rechtsinstitut „eigener Art“. Vor allem nach Urteilen des BGH, die sich im Sinne einer solchen suigeneris-Theorie verstehen lassen,11 hat diese Auffassung weitere Verbreitung gefunden.12 Hingegen konnte die These, der Insolvenzplan sei eine Rechtsnorm,13 bislang keine weiteren Anhänger gewinnen. Im Folgenden wird die Rechtsnatur des Plans bestimmt. Dazu muss zunächst der historische Hintergrund der Regelungen über den Insolvenzplan analysiert werden (§ 2); denn für die Auslegung und damit auch für die Systembildung 9  Bork, Insolvenzrecht, Rn. 366; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 77 (Parallelfundstellen: Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch (4. Auflage), § 66 Rn. 16 ff.; Braun/Frank, in: Braun, InsO, vor § 217 Rn. 1; Braun/Riggert/Kind, Schwerpunkte, S. 144 ff.; Braun/Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 467 ff.); Eidenmüller, in: MüKo InsO § 217 Rn. 14 ff. (grds. ebenso schon Eidenmüller, JNPÖ 1996, 164, 165); Gaul, FS Huber, S. 1187, 1197 ff.; Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 177 ff. (genauso: Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67 ff.); Hess, Insolvenzrecht, § 217 Rn. 12; Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350; Jaffé, in: FK InsO, § 217 Rn. 53; Madaus, Insolvenzplan (diese Arbeit zusammenfassend: Madaus, KTS 2012, 27, 40); Müller, KTS 2002, 209, 211; Windel, JURA 1999, 1, 7. 10  Leipold, KTS 2006, 109, 122 ff.; Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 7.7, 7.8. 11  BGH NJW-RR 2006, 491, 492; BGH NZI 2014, 262, 264. 12  Becker, Insolvenzrecht, S. 431 f.; Dinstühler, InVo 1998, 333, 344 f.; Foerste, Insolvenzrecht, S. 238 f.; Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 9; Kebekus/Wehler, in: Graf-Schlicker, InsO, § 217 Rn. 4; Schiessler, Insolvenzplan, S. 22; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 59 f.; Thies, in: HambK InsO, vor § 217 Rn. 3. 13  Happe, Rechtsnatur des Insolvenzplans, insb. S. 214 ff.

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§ 1  Funktion des Insolvenzplans und Problematik der rechtlichen Konstruktion

liefert die Gesetzesgeschichte grundlegende Erkenntnisse zum Wortsinn, der Systematik und den Regelungszielen der einschlägigen Vorschriften.14 Auf dieser Grundlage sind anschließend die bereits in groben Zügen vorgestellten Konstruktionsvorschläge für den Plan näher zu erläutern und eingehend auf ihre Stimmigkeit zu untersuchen (§ 3). Dabei wird sich zeigen, dass der Insolvenzplan ein Vertrag ist, der seine umfassenden Wirkungen aufgrund der Verbundenheit der Gläubiger in einer Gemeinschaft entfaltet. Es sind daher die rechtlichen Grundlagen dieser Gläubigergemeinschaft zu erarbeiten (§ 4), bevor durch eine umfassende Konstruktion das Zustandekommen und die Wirkungen eines Insolvenzplans im Einzelnen rechtlich eingeordnet werden können (§ 5). Die Praxisrelevanz einer solchen juristischen Konstruktion wurde schon eingangs erwähnt. Für den Fall des Insolvenzplans hat sie sich während der Erstellung dieser Arbeit auch an einem konkreten Beispiel gezeigt: Seit Festlegung des Arbeitsthemas im Oktober 2014 war als Teil der wissenschaftlichen Untersuchung die Prüfung der Zulässigkeit sog. Nachzüglerklauseln in einem Insolvenzplan vorgesehen. Am 7. Juli 2015 erging dazu ein Beschluss des BGH, in dem solche Klauseln für unzulässig erklärt werden.15 In dieser Entscheidung schlägt sich das bislang fehlende dogmatische Gerüst nieder, da die Argumentation an den rechtlich entscheidenden Punkten vorbeigeht. Die in dieser Arbeit gewonnenen Erkenntnisse zur vertraglichen Konstruktion des Insolvenzplans erlauben hingegen eine dogmatisch fundierte Erörterung der Zulässigkeit von Nachzüglerklauseln, die zeigen wird, dass die Auffassung des BGH nicht richtig ist.16

14 Vgl.

Larenz, Methodenlehre, S. 343 ff. BGH NJW 2015, 2660, 2662. 16  Siehe § 5 F II. 15 

§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans Ein grundlegendes Verständnis von Rechtsnormen und -instituten setzt nicht nur eine Untersuchung ihrer heutigen Erscheinungsform, sondern auch des geschichtlichen Hintergrunds voraus. Für die Bestimmung der Rechtsnatur des Insolvenzplans ergeben sich wichtige Weichenstellungen aus der historischen Entwicklung, die im Folgenden erarbeitet werden. Der Insolvenzplan ist dem Insolvenzverfahrensrecht zuzuordnen und ermöglicht eine Abweichung von Bestimmungen des Regelverfahrens (vgl. § 1 S. 1 InsO). Um diese beiden Aspekte aufzugreifen, ist die Darstellung in zwei Abschnitte zu gliedern: Zunächst wird die Entstehung und Entwicklung des insolvenzrechtlichen Regelverfahrens nachgezeichnet, wobei vor allem auf die Befugnisse von Gericht und Gläubigern einzugehen ist; denn für die Grundsatzentscheidung zwischen Urteils- und Vertragstheorie, aber auch als Richtungsweisung für weitere Fragen ist zu berücksichtigen, welche Stellung aus historischer Sicht den Gläubigern einerseits und dem Gericht andererseits im Verfahren zugedacht ist. Erst danach wird die spezifische Geschichte des Plans betrachtet. Dabei sind die als historische Vorbilder des Insolvenzplans in Betracht kommenden Modelle für eine vom Regelverfahren abweichende Insolvenzbewältigung zu untersuchen, bevor eine Analyse der Gesetzgebungsgeschichte zum Plan erfolgt.

A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip In der historischen Entwicklung des Insolvenzrechts in Europa lassen sich zwei entgegengesetzte Strömungen unterscheiden.1 Josef Kohler bezeichnet diese als „privatrechtliches“ und „publizistisches Prinzip“.2 Das erste steht für eine verfahrensbeherrschende Stellung der Gläubiger im Verfahren, das zweite hingegen für Gerichtsmacht. Für den Streit zwischen Urteils- und Vertragstheorie lässt sich ein erster Anhaltspunkt aus der Untersuchung gewinnen, welches dieser beiden Prinzipien sich im deutschen Insolvenzrecht der Moderne durchgesetzt 1  2 

Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 3. Kohler, Lehrbuch, S. 8; ebenso: Uhlenbruck, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 8.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

hat. Denn in ein gläubigergesteuertes Verfahren nach dem „privatrechtlichen Prinzip“ würde sich ein Vertrag besser einfügen, in ein gerichtsgesteuertes hingegen eine gerichtliche Entscheidung.

I.  Ursprünge im römischen Recht Die Ursprünge des europäischen Insolvenzrechts liegen im römischen Recht.

1.  Von der Personal- zur Vermögensvollstreckung Im Legisaktionenverfahren, dem frühesten römischen Zivilprozessrecht, das weitgehend sicher überliefert ist, diente zur Vollstreckung die legis actio per manus iniectionem, durch die dem Gläubiger der Zugriff auf die Person des Schuldners gestattet wurde, um eine Geldzahlung zur Befreiung des Schuldners zu veranlassen oder dessen Arbeitskraft zu verwerten.3 Nach dem XII-Tafel-Gesetz von 450 v. Chr. durfte der Gläubiger den auf ein Urteil nicht zahlenden Schuldner in Privathaft nehmen; innerhalb von sechzig Tagen musste er den Schuldner an drei Markttagen öffentlich ausbieten; fand sich niemand bereit, die Urteilssumme zu zahlen, durfte der Gläubiger den Schuldner töten oder ins Ausland, das war jenseits des Tibers, verkaufen.4 Durch diese harte Regelung sollten der Schuldner oder ihm nahestehende Dritte zur Zahlung bewegt werden.5 Die Beteiligung weiterer Gläubiger am Verfahren war möglich, diese durften sich am Ende des dritten Markttages „die Teile schneiden“ („tertiis nundinis partis secanto“), wobei ungeklärt ist, ob diese „Teilung“ sich auf die schließlich doch gezahlte Summe oder auf den Körper des Schuldners bezog.6 Neben dem gesetzlichen Verfahren nach den zwölf Tafeln gab es auch die gewohnheitsrechtlich anerkannte Möglichkeit, durch eine „Personengewalt“ am Schuldner diesen als Hauskind oder Sklaven zu nehmen,7 oder ihn als Schuldknecht seine Schuld abarbeiten zu lassen.8 Ab dem 3. Jahrhundert v. Chr. wurde das Legisaktionenverfahren mehrfach verändert und schließlich im Jahr 17 v. Chr. fast vollständig abgeschafft.9 Abgelöst wurde es durch den Formularprozess, der erstmals eine Vermögens3 

Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 36, 131. Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 61; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 142 f. 5  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 61. 6  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 144; Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1 f.; nach beiden Ansichten war jedenfalls die Aufteilung des Erlöses für den als Sklaven verkauften Schuldner zumindest als eine Möglichkeit von der Regelung erfasst (Bauer, Insolvenzplan, S. 31 f.). 7  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 142. 8  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 145. 9  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 66. 4 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  7

exekution vorsah.10 Eine Vollstreckung in einzelne Vermögensgegenstände des Schuldners war damit aber noch nicht ermöglicht,11 sondern das Schuldnervermögen wurde als Ganzes verkauft.12 Ebenso wie das Legisaktionenverfahren war die Vermögensvollstreckung des Formularprozesses darauf ausgerichtet, dass sich alle Gläubiger des Schuldners daran beteiligen konnten.13

2.  Missio in bona und cessio bonorum im Formularverfahren Die erste Form der Vermögensvollstreckung im römischen Recht wurde später zur Grundlage des Konkursverfahrens des Gemeinen Rechts. Eingeleitet wurde das Verfahren durch den Antrag eines Gläubigers beim praetor auf missio in bona, die eine Art Pfandrecht des Gläubigers am gesamten Vermögen des Schuldners begründete.14 Durch eine öffentliche Bekanntmachung (proscriptio) wurden die anderen Gläubiger des Schuldners über das Verfahren informiert und zur Beteiligung innerhalb bestimmter Frist aufgefordert.15 Diese Proskriptionsfrist konnte bei Bedarf verlängert werden, wodurch gegebenenfalls die Einsetzung eines curator bonorum durch das Gericht notwendig wurde; dieser trat bei der Verwaltung neben den eingewiesenen Gläubiger und hatte auch die Befugnis, dringliche Veräußerungen aus dem Schuldnervermögen vorzunehmen.16 Nach Ablauf der Proskriptionsfrist wählte die Gläubigerversammlung aus ihrer Mitte einen magister bonorum, der zum Vermögensverkauf ermächtigt wurde.17 Die Bedingungen für den Verkauf, insbesondere das Mindestgebot, wurden vom magister bonorum festgelegt, bedurften aber wahrscheinlich der Zustimmung der Gläubiger.18 Nach Ablauf einer weiteren Frist wurde der Verkauf des Schuldnervermögens im Ganzen, die venditio bonorum, durchgeführt, und zwar regelmäßig in Form einer öffent10 

Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 72. solche „Einzelzwangsvollstreckung“ nach heutigem Verständnis entwickelte sich erst in der Kaiserzeit (Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 72; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 384). 12  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S.  72; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 388. 13  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S.  72; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 388. 14  Hellmann, Lehrbuch, S. 3 f.; Forster, Konkurs, S. 87; zu Einzelheiten siehe Kaser/ Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 391 f. 15  Hellmann, Lehrbuch, S. 4; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 392 formulieren vorsichtiger, dass die Bekanntmachung „wohl“ dazu diente, „die sämtlichen Gläubiger vom drohenden Konkursverfahren zu unterrichten.“ 16  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 393 f. 17  Hellmann, Lehrbuch, S. 4; Forster, Konkurs, S. 109; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 395 f. 18  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 396; Hellmann, Lehrbuch, S. 5 meint sogar, dass die Gläubiger die Bedingungen bestimmt hätten. 11  Eine

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

lichen Versteigerung.19 Der Erlös wurde unter die Gläubiger quotenmäßig verteilt, wobei es auch privilegierte Gläubiger gab, die vorab voll befriedigt wurden.20 Der nicht befriedigte Teil der Forderungen bestand weiter gegen den Schuldner.21 Die Einführung der Vermögensexekution hatte nicht die Schonung der Person des Schuldners im Zwangsvollstreckungsrecht zur Folge. Die Personalexekution wurde nicht abgeschafft.22 In Form von Privathaft oder Schuldknechtschaft und in späteren Zeiten als Haft im Schuldturm23 blieben Elemente der Personalvollstreckung im römischen Zwangsvollstreckungsrecht erhalten und waren der Vermögensexekution vorgelagert oder ersetzten diese.24 Zudem trat durch die missio in bona die sog. Infamie des Schuldners ein,25 deren Rechtswirkungen für diesen Fall im Einzelnen unklar sind, die aber jedenfalls „einschneidende und traumatische Folgen [...] für die bürgerliche Existenz des Schuldners hatte.“26 Die cessio bonorum, die wohl durch eine unter Kaiser Augustus erlassene lex Julia geschaffen wurde,27 sollte dazu dienen, diese persönlichen Folgen zu vermeiden. Für die spätere Entwicklung des Insolvenzrechts war dieses Institut von besonderer Bedeutung.28 Die cessio bonorum erlaubte dem Schuldner, selbst die missio in bona der Gläubiger zu beantragen.29 Indem der Schuldner diese Erklärung zur Überlassung seines Vermögens an die Gläubiger abgab, konnte er die Personalvollstreckung und die Infamie abwenden.30 Außerdem erwarb er das beneficium competentiae, 19  Hellmann, Lehrbuch, S. 5; Forster, Konkurs, S. 110; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 397. 20  Hellmann, Lehrbuch, S. 5 f.; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 397 ff. Weite Teile der Literatur nehmen an, das Gebot des Ersteigerers hätte im Versprechen der Zahlung einer bestimmten Quote auf die einzelnen Forderungen bestanden (so auch Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 397); Forster sieht darin einen Widerspruch zur Vorabbefriedigung der privilegierten Gläubiger und hält diese Auslegung der Quellen für verfehlt. Er nimmt an, es sei nicht mit Quoten, sondern mit Summen gesteigert worden (Forster, Konkurs, S. 110 ff., mit umfassender Darstellung zu Literatur und Quellen). 21  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 398. 22  Hellmann, Lehrbuch, S. 3; Forster, Konkurs, S. 106; Woeß, ZRG RA 1922, 485, 487 ff.; Endemann, ZZP 1888, 24, 28; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 383; Details zum Ablauf der Personalvollstreckung sind aber nicht überliefert (Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 387). 23  Woeß, ZRG RA 1922, 485, 490. 24  Forster, Konkurs, S. 92 ff.; Woeß, ZRG RA 1922, 485, 487 ff. 25  Hellmann, Lehrbuch, S. 5; Forster, Konkurs, S. 88. 26  Forster, Konkurs, S. 88. 27  Hellmann, Lehrbuch, S. 8; Endemann, ZZP 1888, 24, 29; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 405. 28  Forster, Konkurs, S. 89, vgl. auch unten II 2. 29  Hellmann, Lehrbuch, S. 8; Forster, Konkurs, S. 104 f.; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 405 f. 30  Hellmann, Lehrbuch, S. 8; Forster, Konkurs, S. 105 f., 108; Endemann, ZZP 1888, 24, 29; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 405.



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das heißt nach einer die Gläubiger nicht voll befriedigenden venditio bonorum war er weiteren Vollstreckungsmaßnahmen nur noch unterworfen, wenn und soweit sein neuerworbenes Vermögen einen bestimmten Selbstbehalt überschritt.31 Die cessio bonorum war ursprünglich wohl nur bestimmten Schuldnern vorbehalten: Wahrscheinlich konnte nur der schuldlos in die Insolvenz geratene Schuldner davon Gebrauch machen,32 und auch ein gewisses Mindestvermögen war vermutlich eine Voraussetzung.33 In späteren Zeiten nahmen die Unterschiede zwischen der von den Gläubigern beantragten missio in bona und der cessio bonorum des Schuldners in Bezug auf die Rechtsfolgen ab: Auch die von den Gläubigern beantragte missio in bona schloss später die Schuldhaft aus, und die Infamie wurde generell beseitigt.34 Schließlich wurde die cessio bonorum auch den durch eigenes Verschulden zahlungsunfähigen Schuldnern gestattet und unter Justinian sogar dem Vermögenslosen.35

3.  Klassische und nachklassische Zeit In klassischer und nachklassischer Zeit entwickelte sich die Einzelvollstreckung zur herrschenden Form der Vermögensvollstreckung.36 Daneben wurden in der Kaiserzeit die missio in bona und die cessio bonorum unverändert beibehalten,37 im nachklassischen Verfahren wurden sie aber dahingehend modifiziert, dass nicht mehr das Vermögen im Ganzen, sondern die einzelnen Vermögensgegenstände veräußert wurden (distractio bonorum).38 Man kann annehmen, dass wegen der einfacheren Möglichkeit der Einzelvollstreckung die missio in bona meist nur noch gegen insolvente Schuldner betrieben wurde,39 die Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wurde aber nie zur rechtlichen Voraussetzung des Verfahrens.40

31 

Forster, Konkurs, S. 107; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 406. Woeß, ZRG RA 1922, 485, 505 ff.; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 405; zum selben Ergebnis kommt nach Darstellung und Diskussion der unterschiedlichen Ansichten auch Forster, Konkurs, S. 96 ff. 33  Woeß, ZRG RA 1922, 485, 520 ff.; Forster, Konkurs, S. 96 f. 34  Woeß, ZRG RA 1922, 485, 526 f. 35  Woeß, ZRG RA 1922, 485, 528. 36  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 510 ff., 626. 37  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 510. 38  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 626 f. 39 So Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 626 f., die konsequent auch vom „Konkursverfahren“ sprechen. 40  Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 626. 32 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

4.  Einordnung der römischen Verfahren nach heutigen Begriffen Die römischen Vollstreckungsinstitute bildeten die Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Gemeinen Recht. Aber missio in bona und cessio bonorum können aus heutiger Sicht nicht, wie man immer wieder liest,41 als „Konkursverfahren“ bezeichnet werden.

a)  Keine reine Vermögensvollstreckung Es ist zunächst festzuhalten, dass erst die Einführung der Vermögensvollstreckung den Boden für die Entwicklung eines privaten Zwangsvollstreckungsrechts nach modernem Verständnis bereitete. Die entscheidende Neuerung war dabei, dass den Gläubigern ein Zugriffsrecht auf das Schuldnervermögen eingeräumt wird.42 Die Personalexekution ist ein bloßes Druckmittel, durch das der Schuldner oder Dritte zur Zahlung gedrängt werden sollen.43 Gegen den Willen des Schuldners oder eines zahlungsbereiten Dritten kommt es aber zu keinem Vermögensfluss; folglich ist hier die Vollstreckung reine „Willensbeugung“44. Der Schuldner wird so hart behandelt, dass entweder Zahlungsbereitschaft hergestellt wird oder beim Ausbleiben von Zahlungen von einem tatsächlich unzureichenden Vermögen ausgegangen werden kann; im zweiten Fall wird dann die Arbeitsleistung des Schuldners durch Schuldknechtschaft beim Gläubiger oder Verkauf in die Sklaverei verwertet. In dem ganzen Verfahren kann man zugleich eine Art von Bestrafung für das gläubigerschädigende Verhalten des Schuldners sehen. Die Vermögensexekution hingegen verschafft den Gläubigern die Möglichkeit, im Schuldnervermögen selbst ihre Befriedigung zu suchen. Eine Zustimmung des Schuldners ist bei dieser Form der Zwangsvollstreckung nicht erforderlich, es muss daher auch kein Druck durch strafähnliche Maßnahmen gegen die Person aufgebaut werden.

41  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 72 spricht von einem „Konkursverfahren“; Stürner in: MüKo InsO Rn. 27 erkennt darin eine „relativ fertige Gestalt eines Insolvenzverfahrens“, und Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 626 f. meinen, es handele sich jedenfalls in nachklassischer Zeit um ein tatsächliches „Konkursverfahren“. 42  Zur Bedeutung dieser Neuerung meint Kohler, Lehrbuch, S. 4: „Es war ein ungeheurer Fortschritt, als man den Gläubigern das Recht bot, direkt und ohne Vermittlung des Schuldners auf sein Vermögen zu greifen: der ungeheure Abgrund, der Abgrund, welcher fremdes und eigenes Vermögen trennt, muß übersprungen, die Brücke vom einen zum andern Vermögen gebaut, das Schuldrecht muß sozusagen verdinglicht, es muß ihm die Fähigkeit gegeben werden, auf fremdes Vermögen überzuspringen.“ Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 2 sieht im „Übergang von der Personalexekution zur Realexekution“ den „Durchbruch zum modernen Insolvenzrecht“. 43  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 61. 44  Woeß, ZRG RA 1922, 485, 502.



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Doch die Abkehr von der Personalvollstreckung vollzog sich nur sehr schleppend, sie war mit der Einführung der Vermögensvollstreckung noch lange nicht verwirklicht. Und auch diese Vermögensvollstreckung in ihrer anfänglichen Gestaltung, nämlich als Verkauf des gesamten Vermögens unabhängig von der einzutreibenden Geldsumme, ist eher als ein Mittel zur Willensbeugung einzuordnen.45 Demnach wurden zwar die Grundlagen für eine reine Vermögensvollstreckung gelegt, im römischen Recht selbst blieben aber Vermögens- und Personalvollstreckung in einem Gesamtsystem untrennbar miteinander vermischt. Dies begrenzt bereits die Vergleichbarkeit mit modernem Vollstreckungsrecht und spricht gegen die Verwendung des Begriffs des „Konkursverfahrens“.

b)  Keine Begrenzung auf Insolvenzfälle Da bei der Vermögensvollstreckung das gesamte Vermögen des Schuldners verwertet wurde und alle seine Gläubiger sich am Verfahren beteiligen konnten, wird das Verfahren meist als Gesamtvollstreckung bezeichnet,46 und aufgrund der oben erwähnten „Teilungsanordnung“ könnte man demnach sogar bei der Personalexekution des XII-Tafel-Rechts von einer „personellen“ Gesamtvollstreckung sprechen. Das römische Recht hat aber nicht, wie es der Begriff der Gesamtvollstreckung nahelegt, ein spezifisches „Insolvenzrecht“ als Teil des Vollstreckungsrechts ausgebildet. Zwar war eine Beteiligung weiterer Gläubiger an der Vollstreckung möglich. Betrachtet man die weitreichenden Folgen solcher Verfahren, war dies aber schon aus praktischen Gründen geboten: Aufgrund des unbegrenzten Vollstreckungsgegenstands wurde den anderen Gläubigern, wenn das Verfahren vollständig ablief, der Schuldner entzogen, indem dieser getötet, versklavt oder vermögenslos gestellt wurde. Die Beteiligung der weiteren Gläubiger war daher als Schutz für diese wegen der Reichweite der Vollstreckung angebracht, knüpfte aber rechtlich nicht an die Insolvenz des Schuldners an. Zwar ist auch richtig, dass bei einem Ausbleiben von Zahlungen angesichts der drohenden Konsequenzen davon auszugehen war, dass dies nicht an mangelndem Zahlungswillen, sondern an der fehlenden Zahlungsfähigkeit lag, dass es sich also um einen Fall der Insolvenz handelte. Doch eine rechtliche Voraussetzung 45  Manthe, Geschichte des römischen Rechts, S. 72, schreibt: „Es versteht sich, daß die drohende Vollstreckung in das gesamte Vermögen auch bei geringen Schulden die römische Zahlungsmoral förderte.“ Den starken Druck auf den Schuldner betont auch Endemann, ZZP 1888, 24, 28. Kroppenberg, Insolvenz im Klassischen Römischen Recht, S. 345 f. nennt die Vollstreckung „ein zu scharfes Schwert, als dass ein römischer Gläubiger es für den Regelfall als geeignetes Instrumentarium angesehen hätte, seine Ansprüche durchzusetzen“ und bezeichnet die Vollstreckungsinstitute als „gleichzeitig persönliche Sanktionsmechanismen“. 46 So Keller, Insolvenzrecht, Rn. 29.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

für die Vollstreckung war die Insolvenz des Schuldners nicht.47 Im Gegenteil war das Verfahren auch in seinem Ablauf darauf ausgelegt, die Zahlung doch noch irgendwie herbeizuführen. Dass das Zusammenkommen der Gläubiger und deren Gleichbehandlung im römischen Recht nicht fest mit der Insolvenz des Schuldners verknüpft war, wird auch dadurch belegt, dass ein Gläubiger im Verfahren der späteren Personalvollstreckung den Schuldner in die zivile Schuldknechtschaft nehmen konnte, ohne dass die anderen Gläubiger berücksichtigt wurden.48

c)  Keine Universalität Weiterhin hatte das Verfahren keinen Anspruch auf Vollständigkeit: Es wurden keine Nachforschungen über weiteres Vermögen des Schuldners angestellt, und ob die Gläubiger sich am Verfahren beteiligen wollten, blieb diesen überlassen; die vollständige Ermittlung der Aktiva und Passiva des Schuldners war nicht Teil des Verfahrens.49 Ohne eine solche Universalität auch hinsichtlich der Passiva kann aber von einem Konkursverfahren nicht gesprochen werden. Der Begriff des Konkurses geht zurück auf ein im 17. Jahrhundert verfasstes Werk des spanischen Juristen Salgado de Somoza und meint, dass die sämtlichen Gläubiger ipso iure in das Verfahren einbezogen werden.50 Eine solche Universalität wiesen die römischen Verfahren hingegen nicht auf.

d) Ergebnis Somit kann von einem „Insolvenz-“ oder „Konkursverfahren“ im römischen Recht nicht gesprochen werden; ein solches gab es nicht.51 Es konnten sich lediglich an der Vollstreckung mehrere und damit grundsätzlich alle Gläubiger beteiligen, und das Verfahren erfasste das gesamte Vermögen des Schuldners. Aufgrunddessen kamen die Verfahren einem Insolvenzverfahren teilweise nahe und dienten späteren Konkursregelungen auch als Vorbild. Für die Erfüllung des modernen Konkursbegriffes fehlten aber zwei Merkmale: Zum einen die Universalität des Verfahrens hinsichtlich der Passiva, zum anderen die Insolvenz als rechtlich festgelegte Voraussetzung. Zugunsten begrifflicher Eindeutigkeit sollte auch die Aussage vermieden werden, die Einzelvollstreckung habe sich

47  Hellmann, Lehrbuch, S. 3; Endemann, ZZP 1888, 24, 31; Kaser/Hackl, Römisches Zivilprozessrecht, S. 388. 48  Auf dieses Risiko für die anderen Gläubiger weist Hellmann, Lehrbuch, S. 3 hin. 49  Endemann, ZZP 1888, 24, 32 f. 50  Siehe dazu unten II 2 b. 51 Ebenso: Endemann, ZZP 1888, 24, 27.



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  13

aus der Gesamtvollstreckung entwickelt,52 denn nach heutigem Verständnis meint „Gesamtvollstreckung“ ein Verfahren nach Art des Konkurs- oder Insolvenzverfahrens. Die dargestellte römische Vermögensvollstreckung beruhte aber nicht auf der Idee einer Insolvenzregelung. Vielmehr wurde das aus der Personalvollstreckung überkommene und dort selbstverständliche Prinzip einer Verwertung des gesamten Vermögens weitergeführt, was zur Folge hatte, dass aus praktischen Gründen eine Beteiligungsmöglichkeit für weitere Gläubiger geboten war. Der einzige moderne rechtstechnische Begriff, der sich auf die dargestellte römische Vollstreckung anwenden lässt, ist der des Ausgleichsprinzips. Dieses darf aber mit dem Insolvenzverfahren keinesfalls gleichgesetzt werden. Man unterscheidet in der Vollstreckung das Prioritäts- vom Ausgleichsprinzip. Während das erste dem Grundsatz folgt „wer zuerst kommt, mahlt zuerst“, ermöglicht das zweite einen Beitritt weiterer Gläubiger, die gleichrangig behandelt werden. In Deutschland sind die beiden Prinzipien zwar nahezu vollständig getrennt, da mit nur einer Ausnahme53 in der Einzelzwangsvollstreckung das Prioritätsprinzip gilt. Dennoch ist dieses nicht mit jener gleichzusetzen, und vor allem bei einem Blick auf die europäischen Nachbarn54 zeigt sich, dass das Begriffspaar Prioritäts- und Ausgleichsprinzip nicht gleichbedeutend mit dem von Einzel- und Gesamtvollstreckung ist. Ebensowenig darf daher die Beteiligungsmöglichkeit weiterer Gläubiger zu gleichen Bedingungen, also die Anwendung des Ausgleichsprinzips, mit einer Gesamtvollstreckung im Sinne eines Insolvenzverfahrens nach heutigem Verständnis gleichgesetzt werden.

5.  „Privatrechtliches Prinzip“ als Ausgangspunkt Zwar sollte das römische Verfahren nicht als „Konkursverfahren“ bezeichnet werden, nichtsdestotrotz war es aber der Ausgangspunkt für die spätere Entwicklung des Insolvenzrechts. Es ist daher von Interesse, wie die Vollstreckung ursprünglich angelegt war. Kohler bezeichnet das römische Zwangsvollstreckungsrecht als ein „Selbsthilfeverfahren“ der Gläubiger und definiert danach

52 So

aber Gaul, in: Rosenberg Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 44; Baur/Stürner/ Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 1.10. 53  § 117 I 1, 2 GVGA bestimmen, dass mehrere gegen denselben Schuldner gerichtete Vollstreckungsaufträge, solange sie nicht vollzogen sind, als gleichrangig zu behandeln sind und die Pfändung daher für alle Gläubiger zugleich zu bewirken ist. Die Regelung wird allerdings wegen der Durchbrechung des Prioritätsprinzips mitunter sogar als gesetzeswidrig kritisiert (vorsichtig: Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 6.39; entschieden: Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 96). 54  Das Ausgleichsprinzip kommt auch in der Einzelvollstreckung zur Anwendung in Italien und Frankreich, sowie der Schweiz (Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 59.60 und Rn. 59.7, 59.11, 59.16, sowie Rn. 59.134).

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

seinen Begriff vom „privatrechtlichen Prinzip“: Das Verfahren vollzog sich zwar unter „öffentlicher Kontrolle, aber diese war nicht das Bestimmende.“55 Tatsächlich kann man in der dargestellten Vermögensvollstreckung von einer beherrschenden Stellung der Gläubiger sprechen: Der betreibende Gläubiger erhält durch die missio in bona ein pfandrechtsähnliches Recht am Schuldnervermögen, die Gläubiger haben Einfluss auf die Bedingungen der venditio bonorum, und diese wird von einem magister bonorum ausgeführt, der selbst einer der Gläubiger und von den Gläubigern gewählt ist. Das Gericht hingegen wird nur auf Antrag und nicht von Amts wegen tätig, und es trifft keine inhaltlichen Bestimmungen über den Verfahrensgang, sondern ist auf die Prüfung der Voraussetzungen für die Anträge beschränkt. Gerade die genannten Regelungen zur venditio bonorum aufgrund von missio in bona oder cessio bonorum wurden auch in späteren Konkursregelungen aufgegriffen. Somit ist festzuhalten, dass im Ursprung der Vollstreckung ein „privatrechtliches Prinzip“ galt, also die Gläubigerherrschaft als Verfahrensgrundsatz angelegt war. Dabei besaß das Verfahren keinen universellen Charakter.

II.  Italienisches Statutarrecht und spanisches concursus-Verfahren nach Salgado Für die Entwicklung des Insolvenzrechts in Europa waren zwei Regelungssysteme von entscheidender Bedeutung. Das erste entstand in Oberitalien etwa vom 13. bis zum 16. Jahrhundert, das zweite in Spanien in der Mitte des 17. Jahrhunderts. In beiden Fällen wurde jeweils eine Abkehr von der römischrechtlichen cessio bonorum in deren damaliger und dortiger Form vollzogen, jedoch unter Beibehaltung einiger typischer Elemente.

1.  Das Statutarrecht oberitalienischer Städte im Mittelalter In den Statutarrechten56 oberitalienischer Städte entwickelten sich im Mittelalter die ersten echten Insolvenzverfahren, das heißt Verfahren, die die Insolvenz des Schuldners voraussetzten und auf diesen Fall speziell zugeschnitten waren. Als Grundlage diente ursprünglich das römische Recht in der von den Glossatoren und Postglossatoren tradierten und teilweise veränderten Form.57 Die Stadtrechte schufen aber ab dem 13. Jahrhundert58 weit darüber hinaus55 

Kohler, Lehrbuch, S. 8. Der Begriff leitet sich von dem italienischen Wort „statuta“ ab, mit dem die damaligen Stadtgesetze bezeichnet werden. 57  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7; Hellmann, Lehrbuch, S. 11 f. 58  Die älteste Regelung findet sich im Recht der Republik Venedig von 1244 (Lattes, Diritto Commerciale, S. 309). 56 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  15

gehende Regelungssysteme,59 und insbesondere die späteren unter ihnen waren spezielle Verfahren für den Fall der Insolvenz.60

a)  Systematische Einordnung der Insolvenzrechts-Statuten Missio in bona und cessio bonorum bestanden im italienischen Gemeinen Recht und auch in einigen Stadtrechten fort. Die missio in bona hatte den Charakter einer gerichtlichen Beschlagnahme angenommen, war also nicht mehr die bloße Erlaubnis zur Besitzergreifung für die Gläubiger oder den curator.61 Die cessio bonorum war meist mit schimpflichen Voraussetzungen verbunden,62 brachte aber den Vorteil der Befreiung aus der Haft. Missio in bona und cessio bonorum sind indes nicht der Gegenstand der folgenden Darstellung, die sich jenen Stadtrechten widmet, die ein eigenes Verfahren ausgebildet haben. Diese Statutarrechte unterschieden sich in ihren Einzelregelungen, die sich zudem im Laufe der Zeit auch immer wieder wandelten, sie folgten aber gemeinsamen Verfahrensgrundsätzen. Das Insolvenzrecht der italienischen Städte im Mittelalter war Handelsrecht und daher nur auf Kaufleute anwendbar, während für Nichtkaufleute die aus dem römischen Recht stammenden Regelungen des noch zu erläuternden Moratoriums63 und der cessio bonorum galten; anders war dies allerdings in Genua und Venedig, wo es kein spezielles Handelsrecht gab und die insolvenzrechtlichen Regelungen der Statuten allgemein galten, sodass kein Raum mehr für die cessio bonorum blieb.64 In den übrigen Städten blieb es den Kaufleuten durch Ausschluss der cessio bonorum verwehrt, sich der Haft zu entziehen,65 die zur Sicherung der Gläubiger66 mit der Verfahrenseröffnung verbunden war.67

b) Verfahrensgang Seiner systematischen Einordnung entsprechend wurde das Insolvenzverfahren vor den Gerichten geführt, die für das Handelsrecht zuständig waren.68 Wo das 59 

Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7. Hellmann, Lehrbuch, S. 18 nennt sie „bereits vollständige Konkursordnungen“; es fehlte freilich an der Universalität, siehe dazu unten II 3 b. 61  Endemann, ZZP 1888, 24, 39; Fuchs, Concursverfahren, S. 10 ff.; Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 7 f. 62  Hellmann, Lehrbuch, S. 14 f.; Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 8. 63  Siehe dazu unten B I. 64  Lattes, Diritto Commerciale, S. 310. 65  Lattes, Diritto Commerciale, S. 310. 66  Lattes, Diritto Commerciale, S. 330. Zudem drohten dem Insolvenzschuldner strafrechtliche Sanktionen (Lattes, Diritto Commerciale, S. 311), sodass möglicherweise auch deshalb die Inhaftierung des Schuldners geboten erschien. 67  Lattes, Diritto Commerciale, S. 328. 68  Lattes, Diritto Commerciale, S. 311. 60 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Insolvenzrecht kein Handelsrecht war, schuf man besondere Einrichtungen für das Verfahren: in Venedig die sopraconsoli und in Genua den magistratus ruptorum.69 Ein ausdrückliches Verfahrensziel war die möglichst schnelle Abwicklung, sodass vom Gericht nur summarische Prüfungen vorgenommen wurden.70 Nach den Statutarrechten wurde das Insolvenzverfahren bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auf Antrag der Gläubiger eröffnet.71 Auch ein Antrag des Schuldners war in manchen Systemen vorgesehen, wodurch dieser ehrenrührige Folgen vermeiden konnte.72 Eine Verfahrenseinleitung durch das Gericht von Amts wegen war nicht üblich.73 Eine bedeutende Neuerung war der Wegfall eines Urteils als Verfahrensvoraussetzung.74 Zur Verfahrenseinleitung mussten nur der Anspruch des Gläubigers und die Insolvenz des Schuldners bewiesen bzw. glaubhaft gemacht werden.75 Teilweise musste die Überschuldung oder die geltend gemachte Forderung eine gewisse Summe übersteigen.76 Nach dem Gläubigerantrag wurde der Schuldner geladen und hatte die Möglichkeit, durch Hinterlegung des geforderten Betrages das Verfahren abzuwenden, bei Nichterscheinen oder Ausbleiben der Kautionszahlung hingegen war er zu inhaftieren.77 Das entscheidende Merkmal, das die Bezeichnung der statutarrechtlichen Regelungen als Insolvenzverfahren rechtfertigt, ist dabei die Voraussetzung der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners. Die Schuldner wurden zwar in vielen Städten als fuggitivi bezeichnet, jedoch nur, weil die Flucht unter den insolventen Schuldnern verbreitet war und als Beweis für die Insolvenz galt, nicht weil es auf diese angekommen wäre.78 Andere Begriffe für die Schuldner waren cessanti, rotti, falliti, decotti.79 Während sich der Begriff der cessanti noch auf einen Ursprung in der cessio bonorum zurückführen lässt, machen die übrigen Bezeichnungen deutlich, dass die wirtschaftliche Situation und nicht eine Handlung des Schuldners entscheidend war.80

69 

Lattes, Diritto Commerciale, S. 311; Hellmann, Lehrbuch, S. 46 und 31. Lattes, Diritto Commerciale, S. 311; anders war dies nur in Venedig, wo sich die Verfahren über mehrere Jahre erstreckten (Lattes, Diritto Commerciale, S. 318). 71  Kohler, Lehrbuch, S. 11; Lattes, Diritto Commerciale, S. 328. 72  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7; Lattes, Diritto Commerciale, S. 328. 73  Lattes, Diritto Commerciale, S. 328. 74  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7. 75  Lattes, Diritto Commerciale, S. 328. 76  Lattes, Diritto Commerciale, S. 328, 332. 77  Lattes, Diritto Commerciale, S. 328. 78  Lattes, Diritto Commerciale, S. 309. 79  Lattes, Diritto Commerciale, S. 309 f., der auch den nur in Pisa gebräuchlichen Ausdruck „far galiga“ nennt; die Schreibweisen der genannten Begriffe unterscheiden sich je nach Stadt und sind teils dem Lateinischen, teils dem Italienischen näher (siehe dazu Lattes, Diritto Commerciale, S. 313). 80  Das zeigen die wörtlichen Bedeutungen: fallito = gescheitert; rotto = zerstört; decotto = ausgekocht i. S. v. völlig ausgezehrt. 70 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  17

Mit der Verfahrenseröffnung verlor der Schuldner höchstwahrscheinlich die Verfügungsmacht über sein Vermögen.81 Veräußerungen, die der Schuldner kurze Zeit vor der Verfahrenseröffnung getätigt hatte, wurden für unwirksam erklärt, sodass die betreffenden Gegenstände zum Schuldnervermögen gehörten.82 Das Gericht sorgte für die Errichtung eines Inventars sowie für die Sicherung der Geschäftsbücher und des Vermögens, außerdem forderte es durch öffentliche Bekanntmachung die Besitzer von Vermögensgegenständen des Schuldners zu deren Herausgabe und die Gläubiger zur Anmeldung ihrer Forderungen auf.83 Die Gläubiger waren ohne weiteres berechtigt, selbst die Bücher und sonstiges Vermögen des Schuldners in Besitz zu nehmen.84 Zur Verwaltung und Verteilung des Schuldnervermögens wurde durch die Gläubiger allein oder zusammen mit dem Gericht eine Person oder ein Kollegium eingesetzt.85 Auf die Verwaltung hatten die Gläubiger maßgeblichen Einfluss.86 Die Forderungen der Gläubiger wurden von diesem Verwaltungsorgan oder dem Gericht überprüft.87 Die Verteilung des Schuldnervermögens erfolgte nach der Rangfolge der Forderungen und im Übrigen pro rata.88 Zur Rangordnung gab es unterschiedliche Regelungen,89 generell wurden aber nur wenige Vorrechte anerkannt.90 Die Verteilung konnte nach manchen Stadtrechten nachträglich noch einmal geändert werden, wenn sich Gläubiger verspätet meldeten; zur Sicherung dieser Nachzüglerforderungen mussten die befriedigten Gläubiger sich für die Herausgabe des Empfangenen bis zu einer gewissen Zeit verbürgen.91

81  Diese Folge nimmt Lattes, Diritto Commerciale, S. 319 an, weist aber darauf hin, dass sie nicht explizit angeordnet sei. Nach Kohler, Lehrbuch, S. 12 f. soll eine intromissio de bonis omnibus debitorum der Gläubiger erfolgen, als Beleg wird dafür aber nur das Statut von Brixen von 1313 genannt; außerdem führt Kohler, Lehrbuch, S. 13 für den Verlust der Verfügungsbefugnis das Stadtrecht von Padua an. Aus der Darstellung einzelner Stadtrechte bei Hellmann, Lehrbuch, S. 20 ff. ergibt sich ein uneinheitliches Bild in Bezug auf die missio in bona der Gläubiger, jedenfalls wurden aber überall Maßnahmen ergriffen, um eine Verschleuderung des Vermögens durch den Schuldner zu verhindern, was die Vermutung Lattes’ bestätigen könnte. 82  Lattes, Diritto Commerciale, S. 320. 83  Kohler, Lehrbuch, S. 13; Lattes, Diritto Commerciale, S. 330. 84  Lattes, Diritto Commerciale, S. 320. 85  Kohler, Lehrbuch, S. 12; Lattes, Diritto Commerciale, S. 339, 341 f. 86  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7. 87  Lattes, Diritto Commerciale, S. 339 f.; eher eine Ausnahmeerscheinung war wohl die Prüfung durch einen speziell dafür bestellten procurator oder judex potioriatis (Kohler, Lehrbuch, S. 12). 88  Kohler, Lehrbuch, S. 14. 89  Kohler, Lehrbuch, S. 14. 90  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7. 91  Kohler, Lehrbuch, S. 14.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

2.  Spanischer concursus Ein gänzlich anderes Regelungssystem für das Konkursverfahren entwickelte sich im spanischen Recht.

a)  Bedeutung des „Labyrinthus creditorum“ und geschichtlicher Hintergrund Exemplarisch und von größter Bedeutung für dieses Regelungssystem ist das bereits erwähnte Werk eines spanischen Rechtsgelehrten aus dem 17. Jahrhundert: das „Labyrinthus creditorum concurrentium ad litem per debitorem communem inter illos causatam“ des Salgado de Somoza92 von 165193. Dieses „eher theoretisch denn praktisch angelegte Regelwerk“94 war kein Entwurf für ein neues Verfahren, sondern stellte die damals in Spanien gewohnheitsrechtlich verankerte Gerichtspraxis dar.95 Seine große Bedeutung besteht also nicht in der Neuartigkeit des dargestellten Verfahrens, sondern darin, dass die bestehenden Regelungen aufgezeichnet wurden, sowie in der genauen rechtlichen Analyse Salgados.96 Das im „Labyrinthus creditorum“ dargestellte Verfahren wird nur vor dem Hintergrund seiner Vorgängerregelungen verständlich: Die cessio bonorum aus dem römischen Recht wurde auch in Spanien rezipiert. Aus ihrer Funktion, den Schuldner von der Personalexekution, insbesondere der Haft, zu befreien, entwickelte sich im spanischen Recht aber die Regelung, dass der Schuldner notwendigerweise inhaftiert werden musste, bevor er die cessio erklären konnte.97 Um dem Schuldner die cessio auch ohne Haft zu ermöglichen, wurde daher in der Praxis ein neues Verfahren entwickelt, das Salgado in seinem Werk behandelt.98 In der spanischen Tradition war die cessio bonorum von einer starken Stellung des Gerichts im Verfahren geprägt,99 was sich in dem neuen Verfahren fortsetzte. 92  Der Name „Salgado de Somoza“ wurde in der deutschen Literatur oft falsch geschrieben als „Salgado de Samoza“; der Fehler geht vermutlich auf die „Initia historiae litterariae iuridicae universalis“ von Daniel Nettelbladt (1719–1791) zurück und wurde auch von Josef Kohler übernommen, dessen Werke die Grundlage für zahlreiche Darstellungen anderer Autoren bilden, was zu einer weiten Verbreitung des Schreibfehlers führte (Forster, Konkurs, S. 2 f.). 93  Oft wird als Erscheinungsjahr der Erstauflage das Jahr 1646 genannt, Forster, Konkurs, S. 297 zeigt aber, dass diese Angabe nicht richtig sein kann. Ein Überblick über die verschiedenen Auflagen des Werkes findet sich ebenfalls bei Forster, Konkurs, S. 298 f. 94  Keller, Insolvenzrecht, Rn. 33. 95  Forster, Konkurs, S. 309; Kohler, Lehrbuch, S. 27; Hellmann, Lehrbuch, S. 85. 96 Dazu Kohler, Lehrbuch, S. 27: „Mit einer für die damalige Zeit seltenen Präzision und Accuratesse hat er [...] das genannte Verfahren und die herbei auftauchenden Fragen erörtert.“ 97  Kohler, Lehrbuch, S. 25 f.; Forster, Konkurs, S. 310 f. 98  Kohler, Lehrbuch, S. 27; Forster, Konkurs, S. 310 f. 99  Kohler, Lehrbuch, S. 24 f.



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  19

b) Verfahrensgang Das Verfahren wurde eingeleitet durch die cessio bonorum des Schuldners,100 inhaltlich war das die Erklärung der vollständigen Vermögensaufgabe, wodurch die Gläubiger das Recht zur Verwaltung des Vermögens bis zu dessen Verkauf erlangten.101 Bei der Flucht des Schuldners galt aufgrund einer Fiktion die Erklärung ebenfalls als abgegeben, sodass das Verfahren durchgeführt werden konnte.102 Die cessio des Schuldners leitete das concursus-Verfahren unmittelbar ein; vom Gericht wurde nur deren Wirksamkeit überprüft, ein gerichtlicher Eröffnungsbeschluss war darüber hinaus nicht erforderlich.103 Nach der Einleitung des concursus konnte der Schuldner nur mit Zustimmung der Gläubiger das Verfahren beenden und sein Vermögen zurückverlangen.104 Der Schuldner verlor mit der Verfahrenseinleitung das Verfügungsrecht über sein Vermögen, er blieb aber Eigentümer und Besitzer im Rechtssinn, und somit aktiv- und passivlegitimiert für entsprechende Prozesse.105 Er übergab sein Vermögen an das Gericht, nicht an die Gläubiger, da bei Verfahrenseinleitung noch nicht feststand, wer Gläubiger war.106 Im weiteren Verfahrensgang wurde vom Gericht ein Verwalter ernannt, wobei es der Wahl durch die Summen-Mehrheit der Gläubiger folgte, falls eine solche zustande gekommen war.107 Der Verwalter leitete seine juristische Stellung vom Gericht ab, er war weder ein selbstständiges Organ, noch ein Vertreter der Gläubiger oder des Schuldners.108 Daher musste er zum Beispiel vor der Befriedigung von Gläubigern mit Geld, das er aus der Verwaltung erlangt hatte, die gerichtliche Zustimmung einholen.109 Die bekannten Gläubiger des Schuldners wurden vom Gericht persönlich geladen und alle weiteren, noch unbekannten, öffentlich.110 Erschien ein rechtmäßig geladener Gläubiger nicht, führte das grundsätzlich zu seinem Ausschluss vom Verfahren und dazu, dass er gegen die ausbezahlten anderen Gläubiger nach Verfahrensende nicht vorgehen konnte,111 und nur seine Forderung gegen den Schuldner bestehenblieb.112 Er hatte jedoch die Möglichkeit, sich noch nachträglich am Verfahren zu beteiligen, wenn er seine Forderung auf eine bestimmte Weise belegen konnte: Bei einem unbestrittenen Urkundenbeweis konnte 100 

Forster, Konkurs, S. 339. Forster, Konkurs, S. 321. 102  Hellmann, Lehrbuch, S. 85. 103  Forster, Konkurs, S. 339. 104  Forster, Konkurs, S. 339 f. 105  Forster, Konkurs, S. 343 f.; Hellmann, Lehrbuch, S. 87; Kohler, Lehrbuch, S. 29. 106  Forster, Konkurs, S. 343. 107  Forster, Konkurs, S. 347; Hellmann, Lehrbuch, S. 86; Kohler, Lehrbuch, S. 28. 108  Forster, Konkurs, S. 348; Kohler, Lehrbuch, S. 28 f. 109  Forster, Konkurs, S. 347 f. 110  Forster, Konkurs, S. 340. 111  Forster, Konkurs, S. 341; Hellmann, Lehrbuch, S. 86. 112  Forster, Konkurs, S. 342. 101 

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der Gläubiger sich zu jedem Zeitpunkt vor dem verfahrensbeendenden Urteil beteiligen, ansonsten blieb die Beteiligung solange möglich, wie Streit unter den anderen Gläubigern herrschte und das Verfahren daher durch den Streit über die verspätet angemeldete Forderung nicht verzögert wurde.113 Tatsächlich waren damit relativ weitreichende Möglichkeiten für eine nachträgliche Beteiligung eröffnet. Kernstück des Verfahrens war die Herbeiführung der sententia graduationis, dem Urteil, das die Forderungen und die Rangfolge der Gläubiger feststellte.114 Die Vermögensgegenstände wurden versteigert oder direkt an die Gläubiger verteilt, um diese ihrer Rangfolge gemäß zu befriedigen,115 das Verfahren war aber erst dann beendet, wenn alle Gläubiger vollständig befriedigt waren.116 Um das Graduationsurteil zu ermöglichen, musste das gerichtliche Verfahren klären, welche Forderungen gegen den Schuldner bestanden und welche Rangfolge unter ihnen galt; dazu mussten die Forderungen aller Gläubiger betrachtet werden, da der Rang eine relative Größe ist und von den anderen Forderungen abhängt.117 Deshalb, und weil sich der concursus auf das gesamte Vermögen des Schuldners bezog, spricht man von einem „universellen“ Verfahren,118 das eine „Universalzuständigkeit des Konkursrichters“ begründete;119 infolgedessen hatte das Gericht beziehungsweise das Verfahren des concursus die sog. vis attractiva, was bedeutet, dass bereits anhängige Prozesse des Schuldners in das Verfahren einbezogen wurden.120

3.  Vergleich der Verfahrensprinzipien Zwischen den beiden dargestellten Verfahren lassen sich zwei Hauptunterschiede feststellen.

a) Verfahrensherrschaft Beim Vergleich der Regelungen in den oberitalienischen Städten mit denen in Salgados concursus zeigt sich als Unterschied die Gläubigermacht einer- und die Gerichtsmacht andererseits. 113 

Forster, Konkurs, S. 342; Hellmann, Lehrbuch, S. 86. Forster, Konkurs, S. 355. 115  Forster, Konkurs, S. 356 ff. 116  Forster, Konkurs, S. 362; Hellmann, Lehrbuch, S. 87. 117  Forster, Konkurs, S. 322. 118  Forster, Konkurs, S. 320 f. 119  Forster, Konkurs, S. 324 ff. 120  Forster, Konkurs, S. 336 f. Forster zeigt auch, dass der Begriff der „anziehenden Kraft“ sich bei Salgado nur auf das Konkursgericht, später aber auf das Verfahren bezog; letzteres hat sich im heutigen Sprachgebrauch durchgesetzt. 114 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  21

Bei den italienischen Verfahren standen die Interessen der Gläubiger im Mittelpunkt und diese hatten den Verfahrensgang weitgehend in der Hand: Das Verfahren wurde auf Gläubigerantrag eröffnet, die Gläubiger wählten sich einen Vertreter, der die Verwaltung und Verteilung durchführte. Zudem hatten die Gläubiger auch Selbsthilferechte. Das Gericht übte hingegen nur eine überwachende Funktion aus, es prüfte lediglich Anträge und gab diesen bei Vorliegen der notwendigen Voraussetzungen statt. Dagegen lag der Ausgangspunkt für den concursus beim Schuldner und beim Gericht: Durch die cessio bonorum gelangte das Schuldnervermögen in die Hände des Gerichts und dieses hatte nun die Aufgabe, sich um die rechtmäßige Verteilung dieser Vermögensmasse zu kümmern. Es musste daher von Amts wegen für die Verwaltung der Aktiva sorgen und die Passiva durch Ladung der Gläubiger und Prüfung ihrer Forderungen ermitteln, um so zu einem abschließenden Urteil zu gelangen und die Verteilung des Vermögens bzw. des Erlöses zu ermöglichen.

b) Verfahrensumfang Neben der Verfahrensherrschaft verdient als zweiter Punkt der Verfahrensumfang Beachtung: In den beiden Modellen korrespondiert die Selbstbestimmung der Gläubiger im Verfahren mit der Freiwilligkeit der Beteiligung am Verfahren. In den italienischen Insolvenzverfahren gab es nicht mehr als Bekanntmachungen, welche die Gläubiger zum Anlass für ihre Teilnahme am Verfahren nehmen mochten oder nicht. Eine Präklusion gab es nicht, da sie unnötig war: das Verfahren erhob keinen Anspruch auf Vollständigkeit, daher war sein Abschluss nicht daran geknüpft, dass weitere Forderungen nicht bestanden oder ausgeschlossen wurden.121 Die Vorstellung einer „Zwangsteilnahme“ am Verfahren, wie sie mit dem Begriff der „Universalität“ verbunden ist, findet sich in diesem System nicht. Im Gegensatz dazu war der concursus nach Salgado nicht durch das Zusammenlaufen der Gläubiger verursacht, sondern hatte dieses zur Folge.122 Das Verfahren war ein universelles und erstreckte sich ipso iure auf alle Gläubiger des Schuldners. Die bekannten Gläubiger des Schuldners wurden persönlich geladen. Um nicht durch verspätete Forderungsanmeldungen das Verfahren zu verzögern, waren Präklusionsregelungen erforderlich. Weiterhin hing hier die 121  Im

Gegenteil wurden sogar, wie oben gezeigt, Vorkehrungen zur Sicherung von erst später auftretenden Gläubigern getroffen. Das ist aber nicht Ausdruck eines universellen Verfahrensverständnisses, sondern eine Rücksichtnahme, die in dem partiellen Charakter des Verfahrens ihren Grund hat, und inhaltlich eine Regelung mit genau gegenteiliger Ausrichtung gegenüber einer Präklusionsvorschrift. 122  Dazu auch Forster, Konkurs, S. 323 f.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Gerichtsmacht mit der Universalität des Verfahrens derart zusammen, dass alle Prozesse in Bezug auf die Aktiv- oder Passivmasse vor dem Konkursgericht zu führen waren.

c) Ergebnis Die Verfahrensherrschaft lag in den italienischen Stadtrechten bei den Gläubigern, im concursus dagegen beim Gericht. Als zweites Unterscheidungsmerkmal sind die italienischen Verfahren als partiell, der concursus nach Salgado als universell zu kennzeichnen. Somit ist Kohlers Unterscheidung eines privatrechtlichen Prinzips einer- und eines publizistischen Prinzips andererseits123 durchaus treffend, da beiden Verfahren grundsätzlich verschiedene Gedanken zugrundelagen: Die italienischen Statuten gingen von einer freiwilligen Vereinigung der Gläubiger in einem von ihnen gesteuerten Verfahren aus, hingegen sah der spanische concursus eine durch das Gericht betriebene Vermögensverteilung an sämtliche Gläubiger vor.

III.  Insolvenzrecht in Deutschland Nachdem die Ursprünge und wesentlichen Inhalte der beiden großen Strömungen im europäischen Insolvenzrecht des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit dargestellt wurden, ist nun der Blick auf Deutschland zu richten.

1.  Anfänge des Insolvenzrechts in Deutschland Ursprünglich galt in den deutschen Stammesrechten und später in den Landes- und Stadtrechten für die Vollstreckung allgemein das Prioritätsprinzip, eine Beteiligung von Gläubigern nach dem Ausgleichsprinzip oder gar ein Insolvenzverfahren gab es also nicht.124 Etwa ab dem 15. Jahrhundert wurde von diesem Grundsatz in den Handelsstädten abgewichen und eine Beteiligung weiterer Gläubiger am Vollstreckungsverfahren ermöglicht, sodass die Teilnehmenden gleichmäßig befriedigt wurden.125 Ob diese Entwicklung auf die Berührung mit den italienischen Stadtrechten und der dortigen Form der missio in bona oder auf die praktischen Bedürfnisse des Rechts- und Handelsverkehrs zurückzuführen ist, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen.126 Auch wenn das Prioritätsprinzip durch diese Regelungen für den Fall der Gläubigerkonkurrenz aufgehoben wurde, gab es damit aber noch kein Insolvenzrecht. In vielen Lan123 

Kohler, Lehrbuch, S. 8. Hellmann, Lehrbuch, S. 53 f. 125  Hellmann, Lehrbuch, S. 54 ff.; Kohler, Lehrbuch, S. 32 ff. 126  Hellmann, Lehrbuch, S. 56 f.; Kohler, Lehrbuch, S. 33. 124 



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desrechten blieb zudem das Prioritätsprinzip noch allgemein erhalten.127 Ein eigenes und ursprüngliches Insolvenzrecht gab es in Deutschland also nicht. Für die Schaffung insolvenzrechtlicher Regelungen wurde daher auf fremdes Recht zurückgegriffen, und so wurden zunächst insbesondere das römische Recht und der spanische concursus nach Salgado für das deutsche Recht prägend.

2.  Gemeines Recht und Landesrechte in Deutschland vor der Reichskonkursordnung Von einem eigenständigen und von der Einzelvollstreckung abgegrenzten Konkursverfahren lässt sich in Deutschland etwa ab dem 17. Jahrhundert sprechen.128 Im Zuge der Rezeption des römischen Rechts waren die vollstreckungsrechtlichen Institute der missio in bona und der cessio bonorum in den deutschen Rechtskreis gelangt. Während die Stadtrechte kein einheitliches Bild liefern und teils dem concursus nach Salgado, teils den italienischen Stadtrechten ähneln,129 sind das Gemeine Recht und die Landesrechte eindeutig dem publizistischen Prinzip zuzuordnen, wobei umstritten ist, wie groß der Einfluss des „Labyrinthus creditorum“ auf diese Entwicklung war.130 Jedenfalls lässt sich im Grundsatz ein weitgehender Gleichlauf des deutschen Verfahrens mit dem concursus feststellen; es traten aber eigenständige Entwicklungen hinzu.

a) Verfahren Eingeleitet wurde das Verfahren ursprünglich durch die cessio bonorum des Schuldners; die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wurde daneben zu einer weiteren Verfahrensvoraussetzung, indem die Gläubiger seine cessio zurückweisen konnten, wenn der Schuldner zur Befriedigung der Forderungen in der

127 

Hellmann, Lehrbuch, S. 75; Kohler, Lehrbuch, S. 32. Endemann, ZZP 1888, 24, 52; Hellmann, Lehrbuch, S. 75, 84; Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.12. 129  Hellmann, Lehrbuch, S. 88. 130  Fuchs, Concursverfahren, S. 25, meint, dass Salgados Werk wegen der großen Unterschiede zwischen dem spanischen und dem deutschen Rechtssystem keinen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung in Deutschland ausgeübt hat und nur für die Entscheidung einzelner Streitfragen herangezogen wurde. Dagegen sprechen allerdings die Nachweise bei Endemann, ZZP 1888, 24, 52 ff., die zeigen, dass erst nach Erscheinen von Salgados Werk in der deutschen Literatur das Konkursverfahren als ganzes behandelt wurde, und dass der Labyrinthus creditorum in den deutschen Darstellungen häufig in großem Umfang zitiert wurde. Überzeugt von einem entscheidenden Einfluss Salgados ist Kohler, Lehrbuch, S. 40 f. Differenzierend äußern sich dagegen Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.12, die zwar einen Einfluss des spanischen Verfahrens für „sicher“ erachten, in der weiteren Ausgestaltung des Gemeinen Rechts aber eine „Fortentwicklung der Stadtrechte und frühen Landesrechte“ sehen, die den damaligen Staats- und Rechtsvorstellungen in Deutschland entsprach. 128 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Lage war.131 Dieser neue Gedanke führte dazu, dass bei Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auch die Gläubiger und zeitweise sogar das Gericht von Amts wegen die Verfahrenseröffnung bewirken konnten.132 Im Laufe der Zeit verlor sich der Bezug zu cessio bonorum und missio in bona und es blieben nach der Abkehr von einer amtswegigen Eröffnung nur noch die Voraussetzungen der Insolvenz und eines Antrags von Schuldner- oder Gläubigerseite.133 Mit Verfahrenseröffnung verlor der Schuldner die Verfügungsmacht über sein Vermögen.134 Die Verwaltung des Schuldnervermögens wurde zunehmend als Aufgabe des Gerichts betrachtet,135 das bei geringen Vermögen diese auch selbst besorgen konnte.136 Im Regelfall wurde die Verwaltung zwar einem Kurator übertragen, doch dieser war in seiner Tätigkeit nicht frei und wurde nicht nur als Vertreter der Gläubiger, sondern auch als Hilfsperson des Gerichts angesehen.137 Deutlich wird diese Doppelrolle in der Regelung zu Bestellung, Tätigkeit und Haftung des Kurators: Die Bestellung erfolgte aufgrund einer Wahl der Gläubiger, und er haftete diesen für Ausfälle wegen Fehlern bei der Verwaltung;138 bei der Verwaltungstätigkeit selbst war er jedoch nicht an Beschlüsse der Gläubigermehrheit gebunden, dagegen bei allen wichtigeren Verwaltungstätigkeiten sehr wohl an die Weisungen des Gerichts.139 Es galt das Prinzip der Universalität des Verfahrens, und alle Streitigkeiten über Forderungen gegen den Schuldner waren vor dem Insolvenzgericht zu führen.140 Für die Prüfung und gegebenenfalls Prozessführung über die Forderungen der Gläubiger konnte ein Kontradiktor bestellt werden.141 Zur Anmeldung ihrer Forderungen wurde den Gläubigern eine Frist gesetzt, deren Versäumnis zum Verfahrensausschluss führen konnte.142 Im Verfahren erging ein Urteil, welches die Grundlage für die Befriedigung der Gläubiger aus dem 131 

Endemann, ZZP 1888, 24, 67. Endemann, ZZP 1888, 24, 68 f.; Hellmann, Lehrbuch, S. 89 beschreibt, dass eine amtswegige Verfahrenseinleitung ab dem 19. Jahrhundert nicht mehr stattfand. 133  Endemann, ZZP 1888, 24, 90. 134  Hellmann, Lehrbuch, S. 90. Außer im Falle der cessio bonorum des Schuldners ist der Grund hierfür in einer gerichtlichen Beschlagnahme zu sehen. 135  Endemann, ZZP 1888, 24, 68. 136  Hellmann, Lehrbuch, S. 90. 137  Endemann, ZZP 1888, 24, 69. 138  Hellmann, Lehrbuch, S. 90. 139  Hellmann, Lehrbuch, S. 90. 140  Endemann, ZZP 1888, 24, 53 ff.; man sprach hierbei von sog. Liquidationsprozessen (Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.14). 141  Hellmann, Lehrbuch, S. 91; Endemann, ZZP 1888, 24, 58 ff. Der Kontradiktor war auch Vertreter des Schuldners in den vor Verfahrenseröffnung gegen diesen anhängigen Prozessen, die durch die Attraktivkraft des Konkurses in das Verfahren einbezogen wurden (Hellmann, Lehrbuch, S. 92). 142  Hellmann, Lehrbuch, S. 91; Endemann, ZZP 1888, 24, 93 erläutert, dass zeitweise sogar der endgültige Verlust der Forderung als angemessene Sanktion für das Fernbleiben im Verfahren angesehen wurde, diese Meinung sich aber nicht durchsetzen konnte. 132 



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mit der Masse erzielten Erlös bildete.143 Für den Erlass dieses Urteils war also die Feststellung aller Forderungen und deren Rangfolge144 erforderlich.

b)  Bewertung im 19. Jahrhundert Das allgemeine Urteil der Wissenschaft im 19. Jahrhundert über diese Insolvenzregelungen im Gemeinen Recht und den Landesrechten war entschieden negativ145: Das Verfahren wurde vor allem als zu kompliziert, unflexibel und langwierig und daher insgesamt für die Gläubiger wirtschaftlich unbefriedigend kritisiert.146 Stellvertretend kann die Beurteilung Josef Kohlers zitiert werden: „Man kann sich die Erledigung der Ganten im gemeinen Konkursverfahren nicht langwierig und schleppend genug denken. Die Generation welche unter dem modernen Gantprozesse erwächst, wird bald keine Ahnung haben von den Weitläufigkeiten, von der Fülle formaler Schwierigkeiten, von der bureaukratischen Weise der Vermögensverwaltung, von den Mißständen, welche erwuchsen, als die besten Gläubiger, die Gläubiger mit vollstreckbaren Titeln, mit Pfandrechten, jahrelang auf Zahlung harren mußten; einige wenige Prozesse konnten die Sache auf Jahre hinauszögern, und endlich nach Kosten, Mißlichkeiten, Mühsalen aller Art kam ein, im besten Falle recht formglattes, aber materiell wenig ergiebiges Resultat heraus. Bis alle Vindikations-, Liquidations-, Prioritätsstreitigkeiten erledigt waren und man zuletzt zum Ganturteil schritt, welches in langer Reihe alle Gläubiger in der komplizierten Vorrechtsordnung aufzählte, bis dann dieses Ganturteil, das noch durch Rechtsmittel verschiedener Art hinausgezögert werden konnte, rechtskräftig war, bis dann ein Verteilungsplan entworfen und streitlos gestellt war, vergingen Jahre, und nun erst kamen die Gläubiger zu einem oft möglichst kläglichen Ziele.“147

Als Grund für diese Missstände galt vor allem die übertriebene Verfahrensherrschaft und ausufernde Zuständigkeit des Gerichts. Dazu noch einmal Kohler: „Die Gantverwaltung lag mehr in der Hand des Gerichts als der Kuratoren, also in der Hand einer Behörde, welche nicht Verwaltungsbehörde ist und deren Gebiet nicht das 143 

Endemann, ZZP 1888, 24, 54 ff.; Hellmann, Lehrbuch, S. 92. wurden üblicherweise fünf Rangklassen unterschieden, die nur vor dem Hintergrund des damaligen materiellen Gemeinen Rechts verständlich sind (Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.15). Hier soll die Feststellung genügen, dass es sich um ein kompliziertes System handelte, dessen Aufarbeitung im Konkursverfahren mit entsprechend hohem Aufwand verbunden war. 145  Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 3 f. weist darauf hin, dass aber auch unter der Geltung des Gemeinen Rechts „gute Konkurspraxis“ gab. Die Frage nach der Konkurspraxis ist aber hier nicht die entscheidende, da es in dieser Untersuchung vor allem darauf ankommt, wie die zeitgenössische Kritik den gemeinrechtlichen Konkurs sah, und welche Ziele daher mit dem modernen Konkursrecht verfolgt wurden. 146  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.17, 3.18; Endemann, ZZP 1888, 24, 62 nennt das Liquidationsurteil ein „Monstrum von Endsentenz“ und kritisiert, „dass man die Sorge für Eintheilung und Uebersichtlichkeit der langwierigen Prozedur zum Schaden ordentlicher Erledigung hintansetzte.“ 147  Kohler, Lehrbuch, S. 44 f. 144  Es

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Gebiet der Interessenverwaltung ist, einer Behörde, welcher auch nicht im entferntesten die Möglichkeit geboten war, sich nach der Gelegenheit vorteilhafter Verwertung umzuthun und die günstigen Konstellationen zu benützen.“148

3.  Reichskonkursordnung von 1877 und Insolvenzordnung von 1994 Die Reichskonkursordnung von 1877 war Teil der Reichsjustizgesetze und das erste einheitliche Insolvenzrechtsgesetz für die deutschen Staaten; sie trat 1879 in Kraft und galt in Deutschland bis zu ihrer Ablösung durch die Insolvenzordnung im Jahr 1997. Als Grundlage für die Erarbeitung der Reichskonkursordnung diente die Preußische Konkursordnung von 1855;149 diese war vermutlich schon mit der Intention erlassen worden, damit ein Vorbild für eine gesamtdeutsche Regelung zu schaffen,150 und vollzog eine entschiedene Abkehr vom bisherigen deutschen Insolvenzrecht, indem sie sich am französischen Code de Commerce von 1807 orientierte.151 Für die historische Einordnung der Reichskonkursordnung sind daher zunächst das französische Insolvenzrecht und dessen Übernahme in der Preußischen Konkursordnung zu betrachten.

a)  Vorbilder der Reichskonkursordnung Im französischen Vollstreckungsrecht galt, wie in Deutschland, ursprünglich das Prioritätsprinzip.152 Über den Handelsverkehr mit Italien gelangten die Regelungskonzepte der italienischen Statuten im 16. Jahrhundert nach Frankreich und auch die insolvenzrechtlichen Bestimmungen des Code de Commerce von 1807 standen weitgehend in dieser Tradition.153 Das Insolvenzrecht des Code de Commerce galt, anders als das vorherige französische Insolvenzrecht, nur für Kaufleute, wohingegen die Überschuldung von Nichtkaufleuten im Code de procédure civile von 1806 geregelt und mit einer Beteiligungsmöglichkeit weiterer Gläubiger in der regulären Zwangsvollstreckung gelöst wurde.154 148 

Kohler, Lehrbuch, S. 45. Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.22; Hellmann, Lehrbuch, S. 108; Kohler, Lehrbuch, S. 63; Thieme, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 35 ff. 150  Thieme, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 35, 46 f. 151  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.21; Hellmann, Lehrbuch, S. 106 f.; Kohler, Lehrbuch, S. 62 f.; Thieme, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 35, 44 f. 152  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.19; Kohler, Lehrbuch, S. 16. 153  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.19, 3.20; Kohler, Lehrbuch, S. 15 ff.; Hellmann, Lehrbuch, S. 93 ff. 154  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.20; Hellmann, Lehrbuch, S. 98. Es ist auf dieses historische Vorbild zurückzuführen, dass auch heute noch in einigen europäischen Staaten das Ausgleichsprinzip in der Einzelvollstreckung in großem Umfang zur Anwendung kommt; vgl. dazu schon oben I 4 d und Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 39.1, sowie Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 59.7, 59. 11, 59.16, 59.60, 59.134. 149 



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Im Insolvenzverfahren des Code de Commerce hatten die Gläubiger die beherrschende Stellung inne. Zwar konnte das Gericht bei Offenkundigkeit des falliment das Verfahren von Amts wegen eröffnen und es vollzog nach der Verfahrenseröffnung die Beschlagnahme des Schuldnervermögens,155 doch darin erschöpfte sich seine Verfahrensmacht im Wesentlichen. Das Gericht war weder zuständig für Streitigkeiten über die Forderungen gegen den Schuldner,156 noch für die Verwaltung und Verwertung der Masse. Die Verwalterposition hatten Syndiken (syndics), die von den Gläubigern bestimmt wurden.157 Sie ermittelten die Passiv- und die Aktivmasse, hatten die Verfügungsbefugnis über die Masse und übernahmen die Prozessvertretung für den Schuldner.158 Somit enthielt das Insolvenzverfahren des Code de Commerce zwar Elemente aus dem Gemeinen Recht, die sich insbesondere in den Befugnissen des Gerichts bei der Verfahrenseröffnung zeigen, insgesamt kann aber bei den entscheidenden Verfahrensschritten von einer Herrschaft der Gläubiger gesprochen werden. Die preußische Konkursordnung von 1855 nahm das Verfahren des französischen Handelsrechts im Code de Commerce zum Vorbild und übertrug zahlreiche Regelungen, die zum Teil wörtlich übersetzt wurden.159 Nicht übernommen wurde die Beschränkung des Insolvenzverfahrens auf Kaufleute, einige Verfahrensregeln unterschieden allerdings zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten.160 Noch ausführlicher als im französischen Vorbild war die Anfechtung geregelt, die vom Verwalter oder, wenn dieser untätig blieb, von den Gläubigern selbst geltend gemacht werden konnte.161 Dem französischen Vorbild entsprechend war auch die Preußische Konkursordnung, im Gegensatz zu den vom Gericht dominierten und daher sehr formalistischen Verfahren im Gemeinen Recht und den anderen Landesrechten in Deutschland, von der starken Stellung der Gläubiger und der deutlich freieren Tätigkeit des Verwalters geprägt.162

155  Hellmann, Lehrbuch, S. 99; mit dem Eröffnungsbeschluss setzt das Gericht außerdem den Tag fest, an dem das falliment als eingetreten gilt, was den rückwirkenden Verlust der Verfügungsbefugnis des Schuldners zur Folge hat und wonach sich die Anfechtungsfristen bestimmen (Hellmann, Lehrbuch, S. 99 f.). 156  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.20. 157  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.20. Zu Verfahrensbeginn werden provisorische Syndiken vom Gericht aus einer Vorschlagsliste ausgewählt, welche die Gläubiger erstellen (Hellmann, Lehrbuch, S. 101); später werden die endgültigen Syndiken von den Gläubigern gewählt (Hellmann, Lehrbuch, S. 103). 158  Hellmann, Lehrbuch, S. 101 ff. 159  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.21; Hellmann, Lehrbuch, S. 107. 160  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.21; Hellmann, Lehrbuch, S. 107. 161  Hellmann, Lehrbuch, S. 107. 162  Thieme, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 35, 45.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

b) Reichskonkursordnung Bei der Ausarbeitung des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuchs für den Deutschen Bund in den Jahren 1856 bis 1861 versuchte Preußen, in das Gesetzeswerk ein an die Preußische Konkursordnung von 1855 angelehntes Insolvenzrecht einzufügen, was aber scheiterte.163 Erst ab 1870 wurde – nun im Norddeutschen Bund – erneut an einem gemeinsamen deutschen Insolvenzrecht gearbeitet, das preußische Justizministerium wurde vom Bundeskanzleramt mit der Erarbeitung eines Entwurfs beauftragt.164 Das Produkt des damit begonnenen Gesetzgebungsprozesses war die Konkursordnung für das Deutsche Reich (KO), die am 10. Februar 1877 ausgefertigt wurde und am 1. Oktober 1879 in Kraft trat. In den Motiven zur KO wird die damalige Rechtszersplitterung im Reich in Bezug auf das Insolvenzrecht aufgezeigt,165 die Motive sehen indes in der KO eine Fortentwicklung der Preußischen Konkursordnung von 1855.166 Ausdrücklich wird das Bedürfnis nach „einer freieren und selbständigeren Bewegung des Verwalters und der Gläubiger und der Entlastung der Gerichte von Verwaltungsgeschäften“ genannt.167 Die Reichskonkursordnung wandte sich damit entschieden von den gemeinrechtlichen Verfahren ab. Die bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland vorhandene Gerichtsmacht wurde ebenso wenig in die KO übernommen wie die strenge Formalisierung oder die Attraktivität des Verfahrens. Die KO „entschied sich für eine staatlich überwachte Selbstverwaltung der Gläubiger“168 bei welcher der Verwalter in eigener Verantwortung agiert und Prozesse über einzelne Ansprüche der Aktiv- oder Passivmasse vom Insolvenzverfahren getrennt bleiben. Insoweit steht die KO in der Tradition der italienischen Statuten und des privatrechtlichen Prinzips. Nur das Eröffnungsverfahren hängt hier noch maßgeblich von gerichtlichen Entscheidungen ab, weil es primär dem Schutz des Schuldners vor unbegründeten Anträgen dient; nach dem Eröffnungsbeschluss, im Kern des Verfahrens, haben die Gläubiger die verfahrenslenkende Position:169 Sie können den Verwalter wählen (§ 80 S. 1 KO170) und einen Gläubigerausschuss bestimmen, (§ 87 II KO) der den Verwalter unterstützt und überwacht (§ 88 KO), 163 

Thieme, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 35, 47 ff. Thieme, in: Einhundert Jahre Konkursordnung, S. 35, 52 f. 165  Hahn, Materialien, S. 39 f. und S. 435 ff. 166  Hahn, Materialien, S. 40. Die Motive zur KO verweisen bei den einzelnen Paragraphen regelmäßig auf Vorschriften der Preußischen KO, die für die neuen Regelungen als Vorbild dienten, vgl. Hahn, Materialien, S. 48 ff. 167  Hahn, Materialien, S. 40. 168  Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 4. 169 Vgl. Reischl, Insolvenzrecht, Rn. 20 ff., 42a; dieser bezieht sich zwar auf die Insolvenzordnung, der verfahrensrechtliche Ansatz ist aber derselbe. 170  Die Vorschriften der KO werden hier grundsätzlich unter ihrer letzten gültigen Paragraphenzuordnung zitiert. 164 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  29

bei wichtigen Geschäften muss der Verwalter die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der Gläubigerversammlung einholen (§ 132 ff. KO). Erst die Verfahrensaufhebung bzw. -einstellung ist spiegelbildlich zur Eröffnung wieder Sache des Gerichts (§§ 163 I 1, 190 I 1, 202, 204 I KO). All dies zeigt deutlich die Verfahrensherrschaft der Gläubiger: Nur die Verfahrenseröffnung und -beendigung sind zum Schutz der Beteiligten dem Gericht vorbehalten, im wirtschaftlichen Kernbereich des Verfahrens, bei der Verwertung und Verteilung der Masse zur Befriedigung der Gläubiger, wurde hingegen das privatrechtliche Prinzip implementiert.

c) Insolvenzordnung Nachdem die Konkursordnung fast einhundert Jahre im Wesentlichen unverändert Bestand gehabt hatte,171 begann Mitte der 1970er Jahre, in der Folgezeit nach der Ersten Ölkrise, eine Reformdiskussion über das Insolvenzrecht.172 Ab dieser Zeit stieg die Zahl der Insolvenzen in Deutschland stark an, was für sich genommen freilich kein Grund zur Änderung eines funktionierenden Insolvenzrechts gewesen wäre.173 Die große Anzahl der Insolvenzen machte aber die Probleme der bestehenden Regelungen deutlich und für die Gläubiger empfindlich spürbar. Diese Probleme bestanden darin, dass das konkursabwendende Verfahren der Vergleichsordnung (VglO)174 zu hohe Anforderungen stellte,175 und dass in den Konkursen extreme Massearmut herrschte aufgrund der weiten Anerkennung von Vorzugsrechten;176 es fehlte also eine wirksame verfahrensrechtliche Möglichkeit zur Unternehmenssanierung und die Befriedigung der Konkursgläubiger war auf ein so geringes Maß geschrumpft, dass der Grundsatz der „Gleichbehandlung der Gläubiger im Konkurs“ nahezu vollständig ausgehöhlt war. Im Jahr 1978 wurde vom damaligen Justizminister Hans-Jochen Vogel eine Kommission zur Erarbeitung eines neuen Insolvenzrechts einberufen.177 Diese Insolvenzrechtskommission legte in den Jahren 1985178 und 1986179 jeweils einen Bericht vor. Die Berichte wurden zum Ausgangspunkt des Gesetzgebungs171 

Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 22. Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 25. 173  Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 25, der zutreffend feststellt, dass das Insolvenzrecht die Insolvenzen nicht verhindern, sondern nur bestmöglich abwickeln kann. 174  Auf die VglO, die der Vermeidung eines Konkursverfahrens diente, ist im zweiten Teil der historischen Untersuchung einzugehen. 175  Stürner, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 34. 176  Stürner, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 34; Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 26 ff.; Joachim Kilger prägte dafür den Begriff „Konkurs des Konkurses“ (Kilger, KTS 1975, 142). 177  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 6. 178  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht. 179  Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht. 172 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

verfahrens, das allerdings ohne Beteiligung der Kommission stattfand.180 Im Bundesjustizministerium wurde ein „Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform des Insolvenzrechts“181 erarbeitet, der 1988 vorgestellt wurde. Ihn übernahm weitgehend unverändert der „Referentenentwurf einer Insolvenzordnung“ von 1989, der wiederum die Grundlage des „Regierungsentwurfs einer Insolvenzordnung“182 von 1992 bildete. Nach einer weiteren Überarbeitung durch den Rechtsausschuss183 wurde die Insolvenzordnung beschlossen und am 5. 10. 1994 verkündet;184 sie trat am 1. 1. 1999 vollständig in Kraft.

aa)  Wichtigste Änderungen der Insolvenzrechtsreform Die großen Themen der Insolvenzrechtsreform lassen sich bereits aus dem Ersten Bericht der Insolvenzrechtskommission ablesen. Dort war als eines der wichtigsten Reformziele die Vereinheitlichung der beiden Verfahrensmöglichkeiten der Sanierung und der Liquidation genannt, welche bis dahin in VglO und KO getrennt geregelt waren.185 Zudem war innerhalb dieses Verfahrens ein „neuartiges Reorganisationsverfahren“ vorgesehen.186 Auf diese Aspekte wird bei der Darstellung der Entstehungsgeschichte des Insolvenzplans eingegangen. Die übrigen Maßnahmen verfolgten vor allem das Ziel der Massemehrung: Begrenzung der Vorrechte einzelner Gläubiger,187 Zuweisung von Haftungsansprüchen direkt an die Masse, auch um sie dem Zugriff einzelner Gläubiger zu entziehen,188 und Stärkung des insolvenzrechtlichen Anfechtungsrechts.189 Außerdem war eine Harmonisierung des Insolvenzrechts mit arbeits- und sozialrechtlichen Regelungen geboten.190 Die weitere Geschichte der Umsetzung dieser Vorhaben und der – erst im Zweiten Bericht angesprochenen – Restschuldbefreiung191 braucht im Folgenden nicht mehr näher dargestellt werden, da sie für das Thema dieser Arbeit nicht von entscheidender Bedeutung ist. Das Ergebnis der Insolvenzrechtsreform ist jedenfalls ein gegenüber der KO in Aufbau und Sprache192 stark veränderter Gesetzestext, der auch viele inhaltlich neue Regelungen enthält. Für das Thema dieses Abschnitts ist jedoch 180 

Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 43. BMJ, DiskE InsO. 182  BT-Drucks. 12/2443. 183  BT-Drucks. 12/7302. 184  BGBl. 1994 I 2866. 185  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 27, 86 ff. 186  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 37 ff., 152 ff. 187  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 61 ff., 295 ff. 188  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 80 f., 444 ff. 189  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 74 ff., 399 ff. 190  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 68 ff., 350 ff. 191 Siehe Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 162 ff. 192  Kritisch zum Begriff der „Insolvenz“ und den davon abgeleiteten Begriffen: Henckel, in: Jaeger, InsO, Einl. Rn. 88 ff. 181 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  31

allein die Frage von Interesse, ob durch die Einführung der InsO am Prinzip der Gläubigerherrschaft festgehalten wurde.

bb)  Gerichts- und Gläubigermacht in den Reformvorschlägen Im Rahmen der Insolvenzrechtsreform spielte die Frage nach der Verfahrensherrschaft eine beachtliche Rolle.

aaa)  Berichte der Insolvenzrechtskommission Nach den Vorschlägen der Insolvenzrechtskommission sollte das Insolvenzgericht eine gegenüber der Konkursordnung deutlich gestärkte Stellung innehaben. Die (Ab-)Wahl eines Verwalters durch die Gläubiger sollte nicht mehr möglich sein, um so die Unabhängigkeit des Verwalters zu stärken.193 Über die Bestellung eines Beirats bzw. Gläubigerausschusses sollten nicht die Gläubiger, sondern das Gericht entscheiden.194 Eine zentrale Befugnis des Gerichts sollte schließlich darin bestehen, über die Ausgestaltung des Verfahrens als Reorganisations- oder Sanierungsverfahren entscheiden zu dürfen;195 der entsprechende Beschluss sollte unanfechtbar sein, was die Kommission folgendermaßen begründete: „Das einheitliche Insolvenzverfahren ist nach Feststellung des Insolvenzgrundes durch anfechtbare gerichtliche Entscheidung eröffnet. Innerhalb dieses Verfahrens bestimmt nunmehr das Gericht von Amts wegen, welches Verfahrensziel angesteuert werden soll.“196

Das von der Kommission vorgesehene System hätte somit eine Abkehr vom Prinzip der Verfahrensherrschaft der Gläubiger bedeutet.

bbb)  Weiterer Gesetzgebungsprozess In den folgenden Schritten der Reform blieb allerdings von diesen Bestrebungen nichts erhalten. Der Diskussionsentwurf führte in der Einleitung zum Abschnitt „Insolvenzverwalter. Organe der Gläubiger.“ aus: „In diesem Abschnitt werden die ‚Akteure‘ des Insolvenzverfahrens vorgestellt, die Personen und Gremien, die – unter Aufsicht des Insolvenzgerichts – den Ablauf des Insolvenzverfahrens aktiv gestalten oder dabei mitwirken.“197

193 

Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 128. Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 33 f. (Leitsätze 1.3.1.5 und 1.3.1.7). 195  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 36 f. (Leitsatz 1.3.4.4). 196  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 150. 197  BMJ, DiskE InsO, S. B45. 194 

32

§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Hier ist wieder der privatrechtliche Ansatz erkennbar. Folgerichtig sah der Entwurf die Wahl eines anderen als den vom Gericht bestellten Insolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung vor,198 und begründete dies damit, dass „in einem Verfahren, dessen vorrangiges Ziel die Befriedigung der Gläubiger ist, eine so entscheidende Frage wie die Auswahl des Verwalters der Mitbestimmung der Gläubiger unterliegen“ müsse.199 Auch die endgültige Entscheidung über die Aufstellung eines Gläubigerausschusses sollte bei der Gläubigerversammlung liegen,200 wobei in der Begründung zu dieser Regelung der Begriff der „Gläubigerautonomie im Insolvenzverfahren“ fällt.201 Die Entscheidung über den Verfahrensablauf wurde ebenfalls nicht mehr dem Gericht zugewiesen, sondern der Gläubigerversammlung;202 dazu heißt es: „Entsprechend dem Grundsatz der Gläubigerautonomie ist es Sache der Gläubigerversammlung, im Berichtstermin über den Fortgang des Verfahrens zu entscheiden.“203

Die Abkehr von den Kommissionsentwürfen bezüglich der Stellung des Gerichts wurde im weiteren Gesetzgebungsprozess beibehalten. Insbesondere der Regierungsentwurf von 1992 bezieht hierzu noch einmal ausdrücklich Stellung, indem er von einer „überzeugenden Kritik“ an dem „große[n] Einfluss von Richter und Verwalter auf die wirtschaftlichen Entscheidungen über Gang und Ausgang des Verfahrens“ spricht.204 Weiter ist davon die Rede, dass der Entwurf in dem neu geschaffenen einheitlichen Verfahren „von einer förmlichen richterlichen ‚Weichenstellung‘ [...] absieht und stattdessen den Beteiligten in jedem Verfahrensstadium flexibel die Verfahrensgestaltung und die Wahl des für sie günstigsten Verfahrensziels überläßt.“205

ccc) Ergebnis Bei der Reform des Insolvenzrechts wurde trotz der anfangs in die entgegengesetzte Richtung gehenden Vorschläge letztlich die Herrschaft der Gläubiger, die sog. Gläubigerautonomie, als Verfahrensgrundsatz für die InsO bestätigt.

198 

BMJ, DiskE InsO, S. 29 (§ 62). BMJ, DiskE InsO, S. B46. 200  BMJ, DiskE InsO, S. 34 (§ 75). 201  BMJ, DiskE InsO, S. B57. 202  BMJ, DiskE InsO, S. 85 (§ 166). 203  BMJ, DiskE InsO, S. B161. 204  BT-Drucks. 12/2443, S. 104. 205  BT-Drucks. 12/2443, S. 83. 199 



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  33

cc)  Die derzeitigen Regelungen der InsO Entsprechend dem soeben festgestellten Ergebnis lassen sich Parallelen ziehen zwischen den früheren Mitbestimmungsrechten der Gläubiger nach der KO und den derzeitigen nach der InsO: Die Gläubiger können weiterhin206 einen Verwalter wählen (§ 57 S. 1 InsO). Ihre diesbezüglichen Befugnisse wurden sogar zuletzt durch den im Jahr 2011 eingefügten207 § 56a InsO weiter gestärkt. Sie können außerdem einen Gläubigerausschuss bestimmen (§ 68 InsO)208, der den Verwalter unterstützt und überwacht (§ 69 InsO).209 Ebenso besteht ein Zustimmungserfordernis bei bedeutenden Geschäften (§ 160 I 1, 2 InsO).210 Aufgrund des nunmehr einheitlichen Verfahrens neu eingeführt wurde die richtungsweisende Entscheidung der Gläubigerversammlung über die Unternehmensfortführung gem. § 157 S. 1 InsO. Außerdem kann die Gläubigerversammlung nach § 157 S. 2 InsO den Verwalter mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans beauftragen.

d)  Nachtrag zur Gesamtvollstreckungsordnung In der bisherigen Darstellung wurde die Gesamtvollstreckungsordnung (GesO) übergangen, die in den neuen Bundesländern des wiedervereinigten Deutschland von 1990 bis zum Inkrafttreten der Insolvenzordnung 1999 galt. Sie wird erst jetzt angesprochen, da sie sich nur vor dem Hintergrund der Insolvenzrechtsreform historisch einordnen lässt. Grundlage der GesO war die Gesamtvollstreckungsverordnung des Ministerrats der DDR vom 1. 7. 1990, die bereits in Kenntnis sowohl der bevorstehenden Wiedervereinigung als auch der geplanten Reform des BRD-Insolvenzrechts geschaffen wurde.211 Maßgeblich für die Entscheidung, anstelle einer Übernahme von KO und VglO für die neuen Bundesländer eine eigenständige Übergangslösung zu schaffen, waren die im Reformprozess ausgedrückten Zweifel an den bestehenden Regelungen in der BRD und die Sorge einer Überlastung der DDR-Gerichte.212 Die GesO bildete einen Kompromiss zwischen dem alten DDR-Recht, dem damaligen BRD-Recht und Vorgriffen auf die InsO; dabei waren ihre Regelungen nur fragmentarisch und bedurften der Ergänzung aus den entsprechenden Vorbildern.213 Als Provisorium leistete die GesO nicht zu206 

Vgl. § 80 S. 1 KO. Art. 1 G. v. 7. 12. 2011 (BGBl. I S. 2582). 208  Vgl. § 87 II KO. 209  Vgl. § 88 KO. 210  Vgl. § 132 ff. KO. 211  Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. GesO Anm. 1 a). 212  Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. GesO Anm. 1 a). 213  Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. GesO Anm. 2. 207 

34

§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

letzt aufgrund ihrer nicht abschließenden Regelungen und der daraus folgenden Flexibilität gute Dienste.214 Für die Untersuchung der großen Linien in der Insolvenzrechtsgeschichte, wie sie in diesem Abschnitt erfolgt, hat die GesO als Hybride und bloßes Übergangsmodell keine große Bedeutung, sondern ist als eine historisch bedingte Besonderheit einzustufen. Lediglich für Einzelfragen können aus den Erfahrungen mit der GesO möglicherweise Rückschlüsse gezogen werden.

IV.  Zwischenergebnis zu den Verfahrensprinzipien Zum Ende dieses ersten Teils der historischen Untersuchung bleibt festzuhalten, welche Verfahrensprinzipien sich im deutschen Insolvenzrecht durchgesetzt haben.

1. Gläubigerherrschaft Bis ins 19. Jahrhundert galt im deutschen Insolvenzverfahren das publizistische Prinzip, das schon im concursus nach Salgado vorherrschte und in Deutschland noch stärkere Ausprägung fand: Das Verfahren wurde vom Gericht gesteuert. Dieser Ansatz ist jedoch historisch gescheitert; er wurde in der Reichskonkurs­ ordnung bewusst aufgegeben. Mit der Preußischen Konkursordnung und der Reichskonkursordnung wurde das Verständnis vom Insolvenzverfahren grundlegend geändert und das gläubigerdominierte System aus dem französischen Recht übernommen, das auf die italienischen Statutarrechte zurückgeht. Bei dem Entstehungsprozess der InsO in den 1970er–1990er Jahren wurde die Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen Gericht und Gläubigern erneut aufgeworfen und abermals vom Gesetzgeber zugunsten der Gläubiger entschieden. Aufgrund dieser historischen Entwicklung ist in der heutigen Auslegung dem Grundsatz der Verfahrensherrschaft der Gläubiger besondere Bedeutung beizumessen. Denn dieses Prinzip folgt nicht nur aus einer Analyse der heutigen Verfahrensvorschriften, „wie sie nun einmal vorhanden sind“, sondern es stellt eine Errungenschaft des modernen deutschen Insolvenzrechts dar, das im Rahmen eines bewussten Systemwechsels eingeführt und in der jüngsten Gesetzgebungsgeschichte bestätigt und verstärkt wurde. Auf Grundlage dieser Erkenntnis ist zu untersuchen, ob der Insolvenzplan historisch als ein Instrument ebendieser Gläubigerautonomie anzusehen ist, weil dies für eine vertragliche Einordnung des Insolvenzplans sprechen würde.

214 

Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. GesO Anm. 1 a).



A.  Entwicklung des Regelverfahrens: Privatrechtliches und publizistisches Prinzip  35

2.  Universalität des Verfahrens Daneben ist auf den Verfahrensumfang einzugehen, der oben als zweiter Unterschied zwischen dem italienischen Verfahren und dem concursus herausgearbeitet wurde: Universalität, das heißt Erstreckung auf die gesamten Aktiva und vor allem Passiva215 war in den Verfahren der italienischen Statuten nicht gegeben, sondern die Verfahrensbeteiligung blieb den Gläubigern überlassen. Der concursus hingegen erfasste von sich aus alle Gläubiger, die daher vom Gericht geladen wurden und bei Nichtanmeldung ihrer Forderungen präkludiert werden konnten. Während sich im Hinblick auf die Verfahrensherrschaft der Gläubiger das italienische Modell durchgesetzt hat, ist aus dem spanischen Ansatz der universelle Anspruch im modernen deutschen Insolvenzrecht beibehalten worden.216 Dies drückt sich zunächst darin aus, dass der Eröffnungsbeschluss den bekannten Gläubigern zugestellt wird, und zwar nicht als nobile officium, sondern aufgrund zwingender gesetzlicher Anordnung in § 30 II InsO (früher: § 111 III KO). Diese Zustellung ist nur deshalb geboten, weil das Verfahren sämtliche Insolvenzgläubiger ipso iure erfasst;217 letzteres zeigt die von einer Anmeldung unabhängige Definition in § 38 InsO (früher: § 3 KO).218 Diese Verfahrenserstreckung auf sämtliche Passiva kann für die Gläubiger nachteilige Folgen zeitigen. Zwar sind die Präklusionsvorschriften für die Forderungsanmeldung eher nachsichtig,219 und nach Beendigung des Verfahrens können (Rest-)Forderungen grundsätzlich weiter geltend gemacht werden (§ 164 I, II KO, § 201 I, II InsO). Doch die Bestimmungen über die Restschuldbefreiung für natürliche Personen (§§ 286 ff. InsO) und die Auflösung von Verbänden durch die Insolvenz belegen die grundsätzliche Einwirkungs215  Die Aktiva des Schuldners wurden im italienischen Verfahren möglichst vollständig ermittelt und verwertet. Die Passiva, also die Forderungen gegen den Schuldner, mussten die betreffenden Gläubiger dagegen selbst geltend machen; die Gläubiger wurden nicht verbindlich geladen und entsprechend auch nicht präkludiert, falls sie ihre Forderungen nicht anmeldeten. 216  Endemann, ZZP 1888, 24, 91 ff. 217  Das ist auch in den historischen Modellen erkennbar: Während im Statutarrecht nur eine öffentliche Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung erfolgte, wurden im concursus die Gläubiger geladen (siehe oben). 218  Siehe dazu auch die Normüberschrift des § 254a InsO, derzufolge die nicht anmeldenden Gläubiger ebenfalls „Beteiligte“ sind. 219  Nach § 142 III KO hatte die verspätete Anmeldung nur eine Kostentragungspflicht hinsichtlich des Mehraufwands in Form eines weiteren Prüfungstermins für den Gläubiger zur Folge; Gläubiger wurden nur dann endgültig von der Schlussverteilung ausgeschlossen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen nach der öffentlichen Bekanntmachung der anstehenden Verteilung durch einen Titel den Bestand der Forderung oder eine entsprechende Klageerhebung nachweisen konnten (§ 152 KO). Entsprechende Regelungen enthalten jetzt § 177 I 2 und § 189 InsO (Die Ausschlussfrist des § 189 InsO gilt entgegen der Normüberschrift auch für Forderungen, die nicht bestritten, sondern überhaupt nicht angemeldet wurden, vgl. BTDrucks. 12/2443, S. 186 (zu § 216), sowie Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 189 Rn. 6; Riedel, in: MüKo InsO, § 189 Rn. 5 f.).

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

möglichkeit des Insolvenzrechts auf nicht angemeldete Forderungen, da diese nach einer Restschuldbefreiung nicht mehr durchsetzbar sind220 und nach der Beendigung des Verbands221 wegen des ersatzlosen Wegfalls des Schuldners erlöschen.222 Auch die modernen insolvenzverfahrensrechtlichen Institute Zwangsvergleich und Insolvenzplan wirken ebenso für jene Gläubiger, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben (§ 193 S. 1 KO, § 254a InsO). Die Universalität des Verfahrens begründete im spanischen und gemeinrechtlichen deutschen Verfahren außerdem die vis attractiva concursus, das heißt, Erkenntnisprozesse gegen den Schuldner waren ins Verfahren eingegliedert.223 Zur Verschlankung des Verfahrens wurde diese Folge der Universalität in der KO und der InsO nicht übernommen. Streitigkeiten über einzelne Forderungen sind nicht innerhalb des Insolvenzverfahrens zu führen.224 Ungeachtet dessen hat jedoch die Gesamtvollstreckung als Folge der Universalität grundsätzlich Vorrang vor anderen gerichtlichen Verfahren. Das zeigt sich darin, dass die Zulässigkeit von Erkenntnisverfahren und Einzelvollstreckung im Insolvenzrecht geregelt und in weiten Teilen ausgeschlossen225 ist; insbesondere wird ein Erkenntnisverfahren durch die Anmeldung zur Tabelle ersetzt und in der Tabelle ein besonderer Vollstreckungstitel geschaffen.226 Obwohl sich also die Universalität im modernen deutschen Insolvenzrecht nicht mehr in einer vis attractiva ausdrückt, so beinhaltet sie doch einen systematischen Vorrang des Insolvenzverfahrens vor sonstigen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. Schließlich ist in der Universalität, das heißt der zwangsweisen Erfassung sämtlicher Gläubiger, neben dem Schuldnerschutz auch ein weiterer Grund dafür zu sehen, dass die Verfahrenseröffnung dem Gericht vorbehalten ist, was sich in der fehlenden Dispositionsbefugnis der Beteiligten über die Verfahrensaufhebung bzw. -einstellung fortsetzt.227 Im Ergebnis ist das Insolvenzverfahren aufgrund seiner Universalität ein Massenverfahren. Es ist von vornherein darauf angelegt, eine große Zahl von Beteiligten einzubeziehen. Damit stellt es eine Besonderheit im deutschen Verfahrensrecht dar.228 220 

Stephan, in: MüKo InsO, § 301 Rn. 18 ff. Zu den Auflösungsgründen im Insolvenzfall und der Vollbeendigung des Verbands siehe § 4 C IV 2 a. 222  Gesetzlich nicht geregelter Erlöschensgrund, siehe Fetzer, in: MüKo BGB, vor § 362 Rn. 5. 223  Siehe oben II 2 b, III 2 a. 224  Siehe dazu die ausdrücklichen Regelungen in §§ 10 f., 146 II 1, III, V KO und heute §§ 85 f., 180 I 1, II InsO. 225  Siehe insbesondere zum Ausschluss der Einzelvollstreckung § 14 KO und §§ 88–90 InsO. 226  §§ 12, 138–148, 164 KO, §§ 87, 174–186, 201 f. KO. 227  Dazu schon oben I 3 b cc. 228  In der VwGO finden sich nur einzelne Normen für Massenverfahren in §§ 56a, 65 III, 221 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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3.  Möglicher Widerspruch der beiden Prinzipien Universalität des Insolvenzverfahrens und Gläubigerherrschaft sind nicht ohne weiteres miteinander in Einklang zu bringen. In einem „privatrechtlichen“ und gleichzeitig partikularen System, wie es die italienischen Statuten vorsahen, erscheint die Gläubigerherrschaft als natürlicher Ausfluss des Forderungsrechts des einzelnen Gläubigers. Zugleich können Mehrheitsentscheidungen damit gerechtfertigt werden, dass die teilnehmendem Gläubiger sich dem Verfahren mit seinen Regelungen aus freien Stücken unterworfen, sich also freiwillig für die Vollstreckung miteinander verbunden haben. Die privatautonome Entscheidung für den Verfahrenseintritt entfällt aber als Rechtfertigung für das Mehrheitsprinzip, wenn das Verfahren einen universellen Anspruch hat und somit ipso iure sämtliche Gläubiger erfasst. In dieser Konstellation stellt sich die Frage, wie das Prinzip der Gläubigerautonomie mit der durch die Universalität erzwungenen Unterwerfung unter die Verfahrensregeln vereinbar ist. Auf die hier angerissene Frage wird noch zurückzukommen sein;229 an dieser Stelle soll die Feststellung genügen, dass die Kombination der aus unterschiedlichen Systemen stammenden Prinzipien der Gläubigerherrschaft und der Universalität zu einem Widerspruch führen könnte.

B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren und Gesetzgebungsgeschichte des Insolvenzplans Nachdem im ersten Teil der historischen Untersuchung der regelmäßige Verfahrensablauf betrachtet wurde, sind nun die Institute in den Blick zu nehmen, die zur Verfahrensmodifikation dienten und daher als historische Vorbilder des Insolvenzplans in Frage kommen. Vor diesem Hintergrund kann anschließend untersucht werden, welches Konzept der Gesetzgeber dem Insolvenzplan zugrundegelegt hat.

I.  Römisches Recht Das römische Recht hat, wie oben gezeigt wurde, kein Insolvenzverfahren ausgebildet. Insofern fehlt auch die Voraussetzung für ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument.230 Es gab aber dennoch Einrichtungen im römischen 67a, und die ZPO enthält überhaupt keine Regelungen für den Fall einer Vielzahl von Beteiligten (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 47 Rn. 14). 229  Unten C V. 230  So auch Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 7: „Alle Quellen und Schriftsteller liefern den

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Recht, die in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen einem Zwangsvergleich nach modernem Verständnis nahe kamen und daher von Interesse sind, zumal im späteren Gemeinen Konkursrecht der „Akkord“ auf sie gestützt wurde. Insgesamt sind drei Institute des römischen Rechts von Bedeutung für die Geschichte des Akkords: Der teilweise Erlass von Forderungen bei einer Erbschaft aufgrund eines entsprechenden Mehrheitsentscheids der Nachlassgläubiger; und die Stundung als Alternative zur cessio bonorum, die in zwei Formen vorkam, nämlich entweder auf der Grundlage einer Gläubigerabstimmung oder als autonome Entscheidung des Kaisers.231

1.  Kaiserliches Moratorium Die geringste Ähnlichkeit mit den modernen Akkordregelungen der KO und der InsO hat die Stundung durch kaiserlichen Erlass. Dieses Moratorium wurde ohne ein Mitbestimmungsrecht der Gläubiger232 vom Kaiser gewährt und bewirkte die Stundung sämtlicher Forderungen gegen den Schuldner für bis zu fünf Jahre.233

2.  Moratorium nach Gläubigerentscheid Die andere Form des Moratoriums basierte auf einer Abstimmung der Gläubiger. Genaue Bestimmungen hierzu wurden von Justinian erlassen,234 wobei unklar ist, ob schon vorher ein Mehrheitsentscheid der Gläubiger bei gerichtlicher Mitwirkung anerkannt war.235 Als Ursprung kann wohl jedenfalls ein Stundungsvertrag zwischen den Gläubigern und dem Schuldner angesehen werden, der als Alternative zur sofortigen cessio bonorum gebräuchlich war, jedoch die Zustimmung aller Gläubiger erforderte.236 In der von Justinian geregelten Situation hingegen waren sich die Gläubiger uneinig; als Lösung sollte die Mehrheit der Gläubiger darüber entscheiden können, ob dem Schuldner statt der sofortigen cessio bonorum eine fünfjährige Beweis, dass der Zwangsvergleich im Konkursverfahren in seiner jetzigen Bedeutung und Anwendung dem römischen Rechte durchaus fremd war.“ 231  Schultze, Konkursrecht, S. 114 f.; Löhr, ZZP 1891, 335, 363 ff.; Kohler, Lehrbuch, S. 445 f. nennt das letzte Institut nicht. 232  Die Gläubiger mussten zwar gehört werden, ihre Zustimmung war aber nicht erforderlich (Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 154). 233  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 152 f.; Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, S. 630; Löhr, ZZP 1891, 335, 367 ff.; Schultze, Konkursrecht, S. 115. 234  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 158; Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, S. 630; Löhr, ZZP 1891, 335, 367; Schultze, Konkursrecht, S. 115. 235 Dagegen: Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 157 f. Dafür: Löhr, ZZP 1891, 335, 367 ff.; Schultze, Konkursrecht, S. 115. 236  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 157 f.; Löhr, ZZP 1891, 335, 367.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Stundung gewährt werden sollte.237 Die Mehrheit wurde nach der Höhe der Forderungen berechnet; gab es keine Forderungsmehrheit, zählte die Kopfmehrheit, und bei anhaltender Stimmengleichheit sollte das Gericht schließlich propter humanitatem entscheiden.238

3.  Teilweiser Forderungserlass bei Erbschaft Das dritte Institut betrifft den Fall einer Erbschaft. Vor Annahme der Erbschaft konnte der Erbe mit den Nachlassgläubigern über den teilweisen Erlass der Forderungen verhandeln und diesen zur Bedingung für die Erbschaftsannahme machen. Ursprünglich wurde eine solche Vereinbarung als außergerichtlicher Vertrag geschlossen, dem alle Nachlassgläubiger zustimmen mussten.239 Durch ein Reskript des Mark Aurel wurde diese Einrichtung dahingehend verändert, dass die Nachlassgläubiger in einer Versammlung zusammentraten und über den Forderungsnachlass abstimmten; der praetor erließ dann ein Dekret, in dem er der Mehrheit folgte.240 Die Mehrheit wurde als Summenmehrheit berechnet, bei gleicher Höhe der Forderungen als Kopfmehrheit, bei weiterem Gleichstand nach dem Ansehen der Personen; ließ sich auf diese Weise keine Mehrheit ermitteln, entschied der praetor „menschlich“, also für den Forderungserlass.241 Die Wirkung des Erlasses für abwesende Gläubiger war zunächst umstritten, wurde aber schließlich bejaht.242 Ein Sonderproblem stellte die Frage dar, ob der teilweise Erlass einer Forderung in dieser Konstellation auch gegenüber einem Bürgen für diese Forderung wirken sollte. Als Lösung wurde die Regelung des Rechtsgelehrten Paulus gewählt: Der Bürge wird nicht in gleicher Weise wie der Erbe befreit, außer wenn der Gläubiger der betreffenden Forderung bei der Abstimmung anwesend war und dem Erlass zugestimmt hat.243

237  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 158; Kaser/Hackl, Das römische Zivilprozessrecht, S. 630; Löhr, ZZP 1891, 335, 367 ff.; Schultze, Konkursrecht, S. 115. 238  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 158 f. 239  Kohler, Lehrbuch, S. 445; Löhr, ZZP 1891, 335, 364. 240  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 284; Kohler, Lehrbuch, S. 445 f.; Löhr, ZZP 1891, 335, 364; zudem weist Löhr, ZZP 1891, 335, 365 darauf hin, dass sich schon vor dem Reskript ein Mehrheitszwang unter den Nachlassgläubigern entwickelt hatte, dessen rechtliche Ausgestaltung aber nicht überliefert ist. 241  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 284 ff. 242  Löhr, ZZP 1891, 335, 364. 243  Dabelow, Lehre vom Concurse, S. 289 ff.; Löhr, ZZP 1891, 335, 366; Schultze, Konkursrecht, S. 124.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

4.  Rechtliche Einordnung und Bedeutung für heutige Regelungen Der Begründer der Urteilstheorie für den Zwangsvergleich, August Schultze, zieht aus den genannten Regelungen des römischen Rechts Argumente für seine Ansicht. Er sieht in den drei genannten Fällen „lediglich Erscheinungsformen ein und desselben Institutes, nämlich des richterlichen Urteils über die in concreto zweckmäßigste Behandlung und Erledigung des Konkursanspruchs.“244 Schultze meint, dass ein teilweiser Forderungserlass wie bei der Erbschaft „auch in anderen Fällen der Insolvenz vorgekommen sei“245, wofür es allerdings keine Quellenbelege gibt. Er sieht das nach der Gläubigerabstimmung ergehende Dekret des praetor als abschließendes Urteil, das der alleinige Grund für den Eintritt der Rechtswirkungen des Erlasses oder der Stundung ist; die Gläubigerabstimmung sei hingegen ein bloßer Sachverhalt, den das Gericht zu ermitteln und für sein Urteil zu berücksichtigen habe.246 In der erwähnten Regelung des Paulus über die Nichtbefreiung des Bürgen durch den Erlass sieht Schultze ebenfalls ein Argument für seine Theorie, denn dies sei die Folge davon, dass der Erlass auf dem richterlichen Urteil beruhe; nach den allgemeinen Grundsätzen müsse nämlich ein vertraglicher Erlass auch für den Bürgen wirken.247 Es ist indes keineswegs eindeutig, dass im römischen Recht der Erlass und die Stundung nach der Gläubigerabstimmung als Urteil anzusehen wären. Der Wortlaut der einschlägigen Gesetzesstellen gibt keinen Aufschluss über die rechtliche Einordnung des abschließenden gerichtlichen Akts.248 Auch die Nichterstreckung eines Erlasses auf den Bürgen ist kein überzeugendes Argument, da nicht ersichtlich ist, warum diese Spezialregelung ein Urteil und nicht einen Vertrag voraussetzen sollte: Die Bürgschaft ist ein Sicherungsmittel, das in der akzessorischen Forderung gegen den Bürgen besteht. Davon abweichend wird für den Spezialfall der auf einer Gläubigerabstimmung beruhenden Stundung die Akzessorietät gelockert; es handelt sich also um eine Sondervorschrift. Das Wesen von Spezialregelungen ist, dass sich ihr Inhalt nicht schon aus den allgemeinen Grundsätzen ergibt. Eine solche spezielle Vorschrift für das Sicherungsmittel der Bürgschaft ist daher ebensogut denkbar, wenn man die Stundung als einen besonderen Vertrag ansieht, wie im Fall einer Einordnung derselben als Urteil. Es stellt sich mithin die Frage der Rechtsnatur für die römischen Institute ebenso wie heute für den Insolvenzplan.249 Ein Argument für die Urteils- oder Vertragstheorie ergibt sich daraus nicht. Die einzige verwertbare Erkenntnis ist, 244 

Schultze, Konkursrecht, S. 122. Schultze, Konkursrecht, S. 122. 246  Schultze, Konkursrecht, S. 122 ff. 247  Schultze, Konkursrecht, S. 124 f. 248  Löhr, ZZP 1891, 335, 365 f. belegt dies ausführlich. 249  Siehe dazu auch die Diskussion bei Bauer, Insolvenzplan, S. 52 f., der zu dem Ergebnis kommt, dass die Institute „eher als eigener Vertrag denn als Urteil einzuordnen“ seien. 245 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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dass der Ursprung dieser Einrichtungen in vertraglichen Regelungen liegt. Dies begründet allerdings die Vermutung, dass die Rechtsnatur als Vertrag beibehalten wurde, sofern eine vertragliche Konstruktion möglich ist.250

II.  Zwangsvergleich in Deutschland vor der Reichskonkursordnung Die frühesten deutschen Vollstreckungsrechte folgten dem Prioritätsprinzip. Soweit davon abgewichen wurde, gab es teilweise, und mit unterschiedlichen Voraussetzungen in den jeweiligen Rechtsordnungen, die Möglichkeit der Verfahrensbeendigung durch Stundung oder Teilerlass.251 Nach der Rezeption des römisch-italienischen Rechts und der Entstehung eines eigenständigen Insolvenzrechts in Deutschland252 wurde im Gemeinen Recht und den weitgehend inhaltsgleichen Landesrechten die Zulässigkeit von Zwangsstundungen und -erlassen zu einem der größten juristischen Streitpunkte im Insolvenzrecht. Wegen der eindeutigen Quellenlage unumstritten war die Möglichkeit eines von der Gläubigermehrheit gewährten Moratoriums, also einer Zwangsstundung.253 Die vorläufige Abwendung des Konkursverfahrens konnte zudem, wie im römischen Recht, durch ein vom Landesherrn verhängtes Moratorium erreicht werden, das wegen der fünfjährigen Stundungsdauer auch als Quinquinelle bezeichnet wurde.254 Wegen der veränderten Rechtsvorstellungen wurde dieses Institut aber in späteren Zeiten kaum mehr angewandt255 und in einigen Landesrechten entweder in die Zuständigkeit der Gerichte übertragen oder abgeschafft.256 Höchst umstritten war hingegen die Frage, ob der für den Erbfall geregelte Mehrheitszwang unter den Nachlassgläubigern, durch den ein Forderungserlass bewirkt werden konnte, im Insolvenzfall analog anwendbar sei.257 Diese Frage 250 Ebenso

Löhr, ZZP 1891, 335, 365. Bauer, Insolvenzplan, S. 67 ff.; Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.10. 252 In Spanien war ein Zwangserlass im Insolvenzfall wohl spätestens ab dem 13. Jahrhundert gesetzlich anerkannt. Dieser setzte die Zustimmung der Gläubigermehrheit und gerichtliche Bestätigung voraus (Kohler, Lehrbuch, S. 448 f.). Salgado de Somoza behandelt in seinem Labyrinthus creditorum dieses Institut aber nicht, sondern grenzt es ausdrücklich von dem von ihm dargestellten Verfahren ab, ebenso wie die Zwangsstundung und das Verfahren bei Drittwiderspruch eines Gläubigers nach der von einem anderen Gläubiger begonnenen Vollstreckung (Forster, Konkurs, S. 307 f.). Die spanischen Bestimmungen zum Zwangserlass hatten daher, anders als Salgados berühmtes Werk, keinen Einfluss auf die deutsche Entwicklung und können hier außer Acht gelassen werden. 253  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.13; Fuchs, Concursverfahren, S. 76 ff.; Schultze, Konkursrecht, S. 115. 254  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.13; Fuchs, Concursverfahren, S. 79 f.; Schultze, Konkursrecht, S. 115; Uhlenbruck, DZWIR 2007, 1, 3. 255  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.13. 256  Fuchs, Concursverfahren, S. 80. 257  Schultze, Konkursrecht, S. 115 f. 251 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

wurde auch in Italien gestellt: Dort war im 15. Jahrhundert die Ausdehnung des Zwangserlasses auf den Fall eines flüchtigen Schuldners gewohnheitsrechtlich anerkannt, was trotz der ausdrücklichen Ablehnung einer Analogie noch durch die Postglossatoren schon bald auch in der Wissenschaft akzeptiert wurde.258 In Deutschland stellte man sich zunächst sowohl in der Lehre als auch in einigen Partikulargesetzen gegen diese Analogie; nach dem Dreißigjährigen Krieg und wohl infolge der dadurch bedingten wirtschaftlichen Schwierigkeiten wurde aber auch hier in vielen Ländern der Zwangserlass für Insolvenzfälle anerkannt, nun sogar, ohne die Flucht des Schuldners zur Voraussetzung zu machen.259 Dennoch blieb die Frage nach der Zulässigkeit des Zwangserlasses in der Insolvenz in der Lehre strittig und wurde in den Partikularrechten uneinheitlich beantwortet.260 Die Motive zur KO stellen die Rechtslage dar, wie sie sich aufgrund dieser Meinungsunterschiede bis zum Erlass der Reichskonkursordnung in Deutschland entwickelt hatte: Eine Bindung nicht zustimmender Gläubiger an einen Vergleich war ausgeschlossen nach dem Kanzleibescheid für Holstein vom 29. Oktober 1746, der Oldenburgischen Hypotheken- und Konkursordnung von 1814, der Nassauischen Konkursverordnung von 1859, und der Prozeßordnung für Baden von 1864. Ebenfalls die Zustimmung aller abstimmenden Gläubiger verlangten die Verordnung für Mecklenburg-Schwerin vom 17. Dezember 1834, die Verordnung für Mecklenburg-Strelitz vom 8. April 1836, die Hannoversche Prozeßordnung von 1850, die Lübecksche Konkursordnung von 1862 und die Bayerische Prozeßordnung von 1869; sie ließen die Zustimmung der anwesenden Gläubiger aber immerhin für eine Bindungswirkung gegenüber den abwesenden Gläubigern genügen. Die übrigen deutschen Konkursrechte ließen dagegen einen Zwangsvergleich aufgrund der Zustimmung der Gläubigermehrheit zu, durch den auch die nicht zustimmenden und abwesenden Gläubiger gebunden waren.261

III.  Italienische Statuten und französischer Code de Commerce von 1807 Oben wurde der maßgebliche Einfluss des französischen Code de Commerce auf die Reichskonkursordnung aufgezeigt, der seinerseits in wesentlichen Teilen auf die mittelalterlichen Statutarrechte Oberitaliens zurückgeht. Es ist daher darauf einzugehen, welche Regelungen diese Rechtsordnungen für eine auf eine Gläubigerabstimmung zurückgehende Abweichung vom Regelverfahren vorsahen. 258  Fuchs, Concursverfahren, S. 81 f.; Kohler, Lehrbuch, S. 446; Schultze, Konkursrecht, S. 116. 259  Fuchs, Concursverfahren, S. 85 f.; Schultze, Konkursrecht, S. 116 f. 260  Fuchs, Concursverfahren, S. 86; Schultze, Konkursrecht, S. 116 f. 261  Hahn, Materialien, S. 359 ff.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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1.  Italienisches Statutarrecht des Mittelalters Einleitend sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die hier untersuchten italienischen Statuten, eigenständige – meist handelsrechtliche – Regelungen darstellen. Parallel zu diesen Vorschriften wurden im mittelalterlichen italienischen Recht auch römische Rechtstraditionen fortgeführt, die hier aber nicht interessieren. Die Darstellung beschränkt sich auf die Statuten, die ein insolvenzspezifisches Sonderrecht ausgebildet haben. Nach allen oberitalienischen Stadtrechten konnten die Gläubiger durch Mehrheitsentscheidung eine vom Regelverfahren abweichende Befriedigung beschließen; manche Statuten ließen dabei nur Stundung und Ratenzahlung zu, andere erlaubten auch den teilweisen Forderungserlass.262 Für das Zustandekommen dieses „Konkordats“263 bestimmten manche Stadtrechte eine Frist, ohne dass die Gläubiger aber vom Gericht aufgefordert wurden, innerhalb derselben eine Abstimmung vorzunehmen.264 Es blieb also den Gläubigern überlassen, ob sie eine Abstimmung durchführen wollten. Das Zustandekommen des Konkordats setzte die Zustimmung der Gläubigermehrheit voraus; für diese Mehrheit war in manchen Systemen nur die Zustimmung von mehr als der Hälfte der Gläubiger notwendig, oft wurden aber auch höhere Quoten und neben der Kopf- eine Summenmehrheit verlangt.265 Ihre Erklärungen gaben die Gläubiger schriftlich oder in einer Gläubigerversammlung ab.266 Eine Bestätigung des Konkordats durch das Gericht nennen nur wenige Statuten als Voraussetzung.267 Über die Modifikation der Forderungen hinaus sind die Rechtsfolgen des Konkordats, dass der Schuldner die Verfügungsmacht über sein Vermögen wiedererlangt und von den Ehrenfolgen der Insolvenz befreit wird;268 das Verfahren ist grundsätzlich beendet, lebt aber wieder auf, wenn der Schuldner seinen Zahlungspflichten nicht nachkommt oder wenn das Konkordat auf Gläubigerantrag vom Gericht wegen betrügerischer Forderungsanmeldungen oder Absprachen aufgehoben wird.269 Die Bedeutung der genannten Regelungen ergibt sich vor allem aus dem Kontext: Denn anders als beim römischen Recht handelt es sich hierbei um spezifisches Insolvenzrecht, und mithin beim Konkordat um ein besonderes insolvenzrechtliches Institut. Vor dem Hintergrund der in den italienischen Ver262 

Lattes, Diritto Commerciale, S. 345 f. So die überwiegende Bezeichnung, vgl. Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.7; Lattes, Diritto Commerciale, S. 345 ff. („concordato“); Stürner, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 27. Der Begriff geht wohl auf das venezianische Recht zurück, vgl. Hellmann, Lehrbuch, S. 50 f. 264  Lattes, Diritto Commerciale, S. 346. 265  Lattes, Diritto Commerciale, S. 346, 348; Kohler, Lehrbuch, S. 447 f. 266  Lattes, Diritto Commerciale, S. 346. 267  Nur die von Venedig, Padua und Florenz, Lattes, Diritto Commerciale, S. 346, 348. 268  Lattes, Diritto Commerciale, S. 345. 269  Lattes, Diritto Commerciale, S. 346. 263 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

fahren stark ausgeprägten Gläubigerherrschaft lässt es sich zudem eindeutig als ein Instrument der Gläubiger und nicht als hoheitliche Wohltat für den Schuldner einordnen, wofür auch die geringe Mitwirkung des Gerichts spricht: Die Gläubiger stimmen ohne Aufforderung durch das Gericht ab und können dadurch meist unmittelbar, ohne dass noch eine gerichtliche Bestätigung nötig wäre, das Verfahrensende herbeiführen; das Gericht hat auch keinen Einfluss auf den Inhalt des Konkordats, dessen Zulässigkeit allein aus dem Gesetz folgt.

2.  Code de Commerce Auch im französischen Code de Commerce von 1807, der zu großen Teilen auf die italienischen Stadtrechte zurückging, fand sich in Art. 519 ff. das concordat. Dieses war nach Feststellung der Aktiv- und der Passivmasse möglich.270 Es erforderte eine einfache Kopfmehrheit und eine Summenmehrheit von drei Vierteln271 und wurde erst mit der Bestätigung des Gerichts wirksam.272 Einwände gegen das concordat konnten die Gläubiger nur innerhalb einer Ausschlussfrist von acht Tagen nach der Abstimmung vorbringen.273 Ein concordat war ausgeschlossen bei Verdacht auf banqueroute und ihm konnte die Bestätigung durch das Gericht verweigert werden bei inconduite oder fraude,274 also in allen Fällen betrügerischen Verhaltens. Bei Nichtzustandekommen eines concordat schlossen die Gläubiger durch Mehrheitsbeschluss einen Vertrag über die Durchführung des Regelverfahrens, in dem sie sich zu einer Vereinigung zusammenschlossen und die definitiven Syndiken als ihre Vertreter bestimmten.275 Im Falle des concordat hingegen erhielt der Schuldner die Masse und die Verfügungsbefugnis darüber zurück und das Verfahren war beendet.276 Der Inhalt des concordat wird im Gesetz nicht ausdrücklich genannt; auszugehen ist von Stundungs- oder Erlassvereinbarungen. Der Code de Commerce sah also nach der Eröffnung des Verfahrens und der notwendigen Feststellung der Aktiv- und Passivmasse zwingend eine Mehrheitsentscheidung der Gläubiger über den weiteren Verfahrensverlauf vor. Diese war nach dem Gesetzeswortlaut als vertragliche Regelung ausgestaltet: Entweder wurde ein traité (Art. 519) mit dem Schuldner zur Verfahrensbeendigung geschlossen, oder ein contrat d’union (Art. 527) als Grundlage für das weitere Verfahren. Dies verdeutlicht die oben bereits als Prinzip des französischen Ver270 

Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.20; Hellmann, Lehrbuch, S. 102. Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.20; Hellmann, Lehrbuch, S. 102; Kohler, Lehrbuch, S. 450; Löhr, ZZP 1891, 335, 372. 272  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.20; Hellmann, Lehrbuch, S. 103; Löhr, ZZP 1891, 335, 372. 273  Hellmann, Lehrbuch, S. 103; Löhr, ZZP 1891, 335, 372. 274  Hellmann, Lehrbuch, S. 102 f. 275  Hellmann, Lehrbuch, S. 103; Löhr, ZZP 1891, 335, 372 f. 276  Hellmann, Lehrbuch, S. 103. 271 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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fahrens genannte Gläubigerherrschaft, die ins moderne deutsche Insolvenzrecht übernommen wurde. Es wird noch darauf einzugehen sein, inwieweit die französischen Regelungen zum concordat vom deutschen Gesetzgeber bei Erlass der Reichskonkursordnung ins deutsche Recht übertragen wurden.

IV.  Modernes deutsches Insolvenzrecht bis zur InsO Oben wurde der Streit über die Zulässigkeit des Zwangsvergleichs im Gemeinen Recht dargestellt, der sich in den Landesrechten spiegelte und zu einer Rechtszersplitterung in Deutschland führte. Mit der Reichskonkursordnung wurde ein einheitliches Insolvenzrecht für Deutschland geschaffen und in diesem der Zwangsvergleich anerkannt (§§ 173 ff. KO). Im Folgenden werden die Regelungen der KO zum Zwangsvergleich sowie spätere Regelungen mit dem Ziel der Konkursabwendung dargestellt.

1.  Zwangsvergleich der KO Die KO regelte in §§ 173 ff. die Möglichkeit eines Zwangsvergleichs, durch den eine vom Regelverfahren abweichende Befriedigung der Gläubiger bestimmt werden konnte (§ 174 KO) und der eine Aufhebung des Verfahrens durch das Gericht zur Folge hatte (§ 190 I 1 KO). Der Zwangsvergleich konnte nach § 173 KO nur im laufenden Verfahren im Zeitraum zwischen dem allgemeinen Prüfungstermin, also der Feststellung der Passivmasse (§§ 141 I, 144 I KO), und der Genehmigung der Schlussverteilung zustande kommen. Dazu hatte der Schuldner einen Vorschlag zu unterbreiten (§ 173 KO), der von einer Kopfmehrheit der anwesenden und einer Drei-Viertel-Summenmehrheit der stimmberechtigten Konkursgläubiger angenommen werden musste (§ 182 I KO) und der Bestätigung durch das Gericht bedurfte (§ 184 I KO). Es findet sich in diesen Vorschriften dieselbe Grundstruktur aus Gläubigerabstimmung und gerichtlicher Bestätigung wie im französischen Code de Commerce. Die Abwägung zwischen diesen beiden Elementen ist die Kernfrage für die Entscheidung zwischen Urteils- und Vertragstheorie. Da die KO die unmittelbare Vorgängerregelung zur InsO darstellt und der Streit über die Rechtsnatur des Insolvenzplans in vielen Punkten parallel zu der Diskussion über den Zwangsvergleich verläuft, lohnt sich ein genauerer Blick auf die Vorschriften der KO zum Zwangsvergleich. Zunächst ist aber noch auf die Regelungen der Vergleichsordnung (VglO), des Gesetzes über die Bereinigung alter Schulden, der Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren (KAVO) und der Vertragshilfeverordnung (VHV) einzugehen, die ebenfalls jeweils bei einer Insolvenz des Schuldners Alterna­ tiven zum Regelverfahren der KO boten.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

2. Vergleichsordnung Dass bei der Erarbeitung der KO trotz anfänglicher Bestrebungen in diese Richtung277 letztlich keine Regelung für einen konkursabwendenden Vergleich geschaffen wurde, war „ein oder vielleicht der einzige wesentliche Geburtsfehler dieses Gesetzeswerks.“278 Die Folge war, dass ein insolventer Schuldner zur Abwendung der Konkurseröffnung nur einen außergerichtlichen Vergleich mit seinen Gläubigern schließen konnte. Die Vorteile des Zwangsvergleichs, insbesondere dessen Zustandekommen schon aufgrund der Zustimmung einer Gläubigermehrheit bei Erstreckung der Rechtsfolgen auf sämtliche Gläubiger, bestanden aber dabei nicht. Sie waren an die Eröffnung des Konkursverfahrens geknüpft, wodurch der Schuldner seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis einbüßte, und setzten weiter die Abhaltung des allgemeinen Prüfungstermins voraus, was eine erhebliche Verzögerung des Vergleichsschlusses bedeuten konnte. Es gab also keine Möglichkeit, bei einer gesicherten Zustimmung der Gläubigermehrheit die Vorteile des Zwangsvergleichs auszuschöpfen, ohne die Nachteile aus der Einbettung in das Konkursverfahren in Kauf nehmen zu müssen. Diese rechtliche Situation war wirtschaftlich unbefriedigend, gerade im Hinblick auf eigentlich lebensfähige Unternehmen, die ohne eigenes Verschulden in eine Krise geraten waren. Die durch den Ersten Weltkrieg ausgelösten wirtschaftlichen Schwierigkeiten ließen den Gesetzgeber nach einer Möglichkeit suchen, wie die Nachteile des Konkursverfahrens für davon betroffene Schuldner vermieden werden konnten. Als Lösung für das Problem wurde im August 1914 die „Verordnung über die Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses“ erlassen.279 Diese bestimmte, dass Zwangsvollstreckungen sowie eine Konkurseröffnung bei Schuldnern gehemmt waren, die infolge des Krieges insolvent geworden waren; ihnen wurde stattdessen lediglich eine Aufsichtsperson für die Geschäftsführung zur Seite gestellt, und die Gelegenheit gegeben, sich außergerichtlich mit den Gläubigern zu einigen.280 Durch eine Ergänzungsverordnung wurde 1916 im Rahmen des Verfahrens auch ein Zwangsvergleich ermöglicht.281 Im Jahr 1924 wurde das Verfahren durch zwei weitere Verordnungen für Schuldner 277 Dazu schreiben Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1: „Zwar sah der ‚Entwurf einer Deutschen Gemeinschuldordnung‘ des Jahres 1873 [...] ein als ‚Automatismus‘ dem Konkurs vorgeschaltetes Vergleichsverfahren vor. Doch wurde das völlig ausgearbeitete ‚Vergleichsverfahren zur Abwendung des Gemeinschuldverfahrens‘ bereits von der [...] Vorkommission [...] abgelehnt. [...] Der Entwurf der Vergleichsordnung von 1875 enthielt den konkursabwendenden Vergleich nicht mehr.“ 278 So Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 3.23. 279  Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1. 280  Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. VglO Anm. I 2. 281  Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. VglO Anm. I 2.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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geöffnet, deren Insolvenz nicht unmittelbar durch den Krieg, sondern nur durch die kriegsbedingten Wirtschaftsverhältnisse verursacht war.282 1927 folgte das „Gesetz über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses“, das die Geschäftsaufsicht abschaffte, nicht mehr an die Kriegsfolgen anknüpfte und insgesamt das Verfahren stark veränderte, aber die Möglichkeit eines konkursabwendenden Zwangsvergleichs in einem gerichtlichen Verfahren übernahm.283 Die Ausgestaltung des Verfahrens wurde noch einmal grundlegend überarbeitet und als Ergebnis am 26. 2. 1935 die Vergleichsordnung erlassen, die bis zur Einführung der Insolvenzordnung bestand hatte.284 Der Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens konnte unter denselben Voraussetzungen wie der Konkurseröffnungsantrag gestellt werden, allerdings nur vom Schuldner (§ 2 I VglO). Dieser hatte im Antrag einen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten (§ 3 VglO) und in den Anlagen zum Antrag eine Übersicht über sein Vermögen zu geben, insbesondere ein Gläubigerverzeichnis aufzustellen (§§ 4 ff. VglO). Am Verfahren waren als „Vergleichsgläubiger“ die Gläubiger mit Vermögensansprüchen gegen den Schuldner beteiligt (§§ 25 ff. VglO), also dieselben, die im Falle einer Konkurseröffnung Konkursgläubiger gewesen wären. Der Vergleich musste ihnen mindestens 35 % der Forderungssumme gewähren (§ 7 VglO) und kam mit denselben Mehrheiten wie der Zwangsvergleich im Konkurs zustande (§ 74 I VglO); er musste ebenso vom Gericht bestätigt werden (§ 78 I VglO). Aufgrund der im Wesentlichen gleichen Voraussetzungen stellte sich für den konkursabwendenden Vergleich die Frage nach der Rechtsnatur ebenso wie beim Zwangsvergleich im Konkurs; die entsprechende Diskussion über die Rechtsnatur des Vergleichs verlief parallel zu derjenigen über den Zwangsvergleich, da allgemein angenommen wurde, dass beide Institute wesensgleich und daher auf dieselbe Art zu konstruieren seien.285 Dementsprechend wird die Diskussion über die Konstruktion des Zwangsvergleichs unten einheitlich dargestellt.

282  Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. VglO Anm. I 2. 283  Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. VglO Anm. I 2. 284  Bley/Mohrbutter, VglO, Einl. Rn. 1, 2; Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. VglO Anm. I 2, II 1. 285  Als Beispiel kann etwa die Darstellung bei Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 1 ff. dienen, in der überhaupt nicht zwischen konkursabwendendem Vergleich und Zwangsvergleich im Konkurs unterschieden, sondern nur allgemein vom „Zwangsvergleich“ gesprochen wird. Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 25.2 sagen ausdrücklich, dass auch der Vergleich nach der Vergleichsordnung ein Zwangsvergleich ist. „Dieselbe Wesensart“ der beiden Einrichtungen bemerkt ebenso Jaeger, KO (7. Auflage), § 173 Anm. 12; davon geht auch Cahn, VglO, S. 320 aus.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

3.  Vergleich der GesO Im Vorgriff auf die InsO regelte die GesO bereits ein einheitliches Insolvenzverfahren. Entsprechend war der in § 16 GesO vorgesehene Vergleich eine Kombination aus den beiden Zwangsvergleichen der KO und der VglO.286 Für den Vergleich war ein entsprechender „Antrag“ (§ 16 I GesO) bzw. ein „Vergleichsvorschlag“ (§ 16 III, IV GesO) des Schuldners erforderlich, dessen „Annahme“ mit einfacher Kopf- und 3/4-Summenmehrheit durch Abstimmung in einer „Gläubigerversammlung“ (§ 16 IV GesO), sowie die „Bestätigung durch Beschluß des Gerichts“ (§ 16 V GesO). Nur die nicht bevorrechtigten Gläubiger waren stimmberechtigt (§ 16 IV) und von den Vergleichswirkungen betroffen287. Die Regelung war damit denen in der KO und VglO nachgebildet, sodass dem Vergleich der GesO keine eigenständige Bedeutung zukommt.

4.  Weitere Gesetze zur Konkursabwendung Als Reaktion auf Wirtschaftskrisen erfolgten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschiedene Maßnahmen des Gesetzgebers, mit denen die Gefahr massenhafter Konkurse abgewendet werden sollte. Solche Regelungen zur Vermeidung der Konkurseröffnung sind ebenfalls als Abweichungen vom insolvenzrechtlichen Regelverfahren einzuordnen. Von Interesse ist das hier teilweise angewandte Modell einer insolvenzrechtlichen Umgestaltung der Gläubigerforderungen durch Hoheitsakt: Nach der Urteilstheorie soll auch der Zwangsvergleich bzw. der Insolvenzplan ein solches Institut darstellen; ein Vergleich der Regelungen kann Argumente für oder gegen diese Annahme liefern.

a)  Landwirtschaftshilfe in der Weimarer Republik und dem „Dritten Reich“ In der Weimarer Republik herrschte eine Dauerkrise in der Landwirtschaft,288 wovon das ostpreußische Gebiet besonders hart betroffen war.289 Dem begegnete der Gesetzgeber ab 1928 mit verschiedenen Regelungen, die unter den Begriffen der „Ostpreußenhilfe“ und der „Osthilfe“ zusammengefasst werden.290 Zunächst bestand diese Hilfe aus staatlichen Subventionen in Form von günstigen Krediten, durch die es den Schuldnern ermöglicht wurde, ihre Gläubiger 286 

Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 16 GesO Anm. 1. Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, Einl. GesO Anm. 1 e). 288  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 49 ff. 289  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 58 ff. 290  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 73 ff. In den Jahren 1932 und 1933 wurden entsprechende Regelungen auch für die ostbayerischen Gebiete Niederbayern, Oberpfalz und Oberfranken erlassen (Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 168 f.). 287 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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zu befriedigen;291 die bestehenden Rechtsverhältnisse zwischen Schuldnern und Gläubigern blieben mithin unberührt.292 Später wurde die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten Vollstreckungsschutzes eingeführt, der den betroffenen Schuldnern die Gelegenheit geben sollte, einen Vergleich mit den Gläubigern schließen zu können.293 Auch hier blieben die materiellen Rechtsverhältnisse aber unverändert bestehen. Die „Sicherungsverordnung“ vom 17. 11. 1931 führte jedoch den sog. „Entschuldungsplan“ ein, durch den in gewissem Umfang auch gegen den Willen der Gläubiger deren Forderungen umgestaltet werden konnten; dabei waren insbesondere Stundungen, aber auch Teilerlasse möglich.294 Zuständig für die Aufstellung des Entschuldungsplans waren die „Landstellen“,295 eigens im Rahmen der Osthilfe begründete und für die dazugehörigen Maßnahmen zuständige Behörden.296 Auch nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten dauerte die Landwirtschaftskrise fort und veranlasste den Gesetzgeber zu weiteren Regelungen auf diesem Gebiet, von denen die zentrale das „Gesetz zur Regelung der landwirtschaftlichen Schuldverhältnisse“ (LWSG) vom 1. 6. 1933 war.297 Demnach konnte ein verschuldeter Landwirt nach dem gescheiterten Versuch einer Einigung mit seinen Gläubigern298 ein Entschuldungsverfahren durch einen sog. Entschuldungsplan beantragen.299 Ein solcher Entschuldungsplan wurde von der Entschuldungsstelle erarbeitet und musste vom Amtsgericht bestätigt werden;300 die Entschuldungsstellen waren öffentlich-rechtlich beauftragte, selbst nicht notwendigerweise öffentlich-rechtlich organisierte Kreditinstitute, die für den Einzelfall vom Amtsgericht bestimmt wurden.301 Der Entschuldungsplan griff nur begrenzt in die Gläubigerrechte ein: Zinssatz- und Stundungsregelungen waren möglich, und für dringliche Forderungen war vorgesehen, dass 291 

Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 78 f. Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 80 f., 89. 293  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 105 ff. 294  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 143 ff. 295  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 147. 296  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 110 f. 297  Eine Übersicht über die einzelnen Gesetze und Verordnungen findet sich bei Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 203 ff. Die entsprechenden Regelungen waren nicht von der nationalsozialistischen Rassenideologie geprägt (Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 256); sie beruhten also allein auf der Agrarkrise und sind daher als Fortführung der Maßnahmen in der Weimarer Republik anzusehen, weshalb sie auch hier mit diesen zusammen dargestellt werden. Erst 1936 wurde durch einen Erlass des Reichsjustizministeriums angeordnet, dass jüdische Landwirte von den Entschuldungsregelungen ausgeschlossen waren (Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 256). 298  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 212 f. 299  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 223. 300  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 223. 301  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 257. 292 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

die Entschuldungsstelle selbst die Gläubiger auszahlte und dafür deren Forderungen erhielt.302 Somit konnte zwar die Tilgungsdauer mitunter erheblich verlängert werden, es kam aber – von den Zinssenkungen abgesehen – nicht zu Forderungskürzungen. Einschneidendere Regelungen waren in einem „Zwangsvergleich“ möglich, der vom LWSG für den Fall vorgesehen war, dass die Mittel des Entschuldungsplans zur Sanierung des Betriebs nicht ausreichten.303 Im LWSG-Zwangsvergleich konnten auch Gläubigerforderungen gekürzt werden, wobei es Höchstgrenzen und Kürzungsverbote für bestimmte, vor allem besonders gesicherte Forderungen gab.304 Der Vorschlag für den LWSG-Zwangsvergleich wurde von der Entschuldungsstelle erarbeitet und vom Amtsgericht an die Gläubiger weitergeleitet.305 Über den Vorschlag konnten nur bestimmte, besonders gesicherte Gläubiger abstimmen, und der Vorschlag galt als angenommen, wenn nicht mehr als die Hälfte dieser Gläubiger fristgerecht widersprach.306 Der solchermaßen angenommene Zwangsvergleich bedurfte schließlich der Bestätigung durch das Gericht.307 Falls der Vergleichsvorschlag abgelehnt wurde, konnte die Entschuldungsstelle, sofern sie selbst Gläubigerin des Schuldners geworden war, eine Zwangsversteigerung des Schuldnerbetriebs beantragen, bei welcher der Zuschlag dann mit der Maßgabe erteilt wurde, dass die Abwicklung nach den Regelungen des Vergleichsvorschlags erfolgen sollte; außerdem konnte das Gericht den LWSG-Zwangsvergleich auch trotz der Ablehnung durch die Gläubiger bestätigen.308 Der LWSG-Zwangsvergleich wurde als Vertrag angesehen.309 Vorschnell erscheint die Bemerkung von Anlauf, dass ihm „später [...] sogar ein urteilsgleicher Charakter zugewiesen“310 worden sei; hier stützt sich der Autor auf Art. 34 S. 1 der Siebten Durchführungsverordnung zum LWSG311, der wörtlich lautet: „Wegen der wiederkehrenden Leistungen der im Entschuldungsplan oder Vergleichsvorschlage festgestellten Forderungen findet auf Grund eines Auszugs aus dem bestätigten Entschuldungsplan oder Zwangsvergleiche gegen den Betriebsinhaber die Zwangsvollstreckung in gleicher Weise statt, wie aus einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil.“ Damit wird über die Qualität des Zwangsvergleichs aber nichts ausgesagt. Vielmehr wurde die Vorschrift wohl 302 

Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 224 ff. Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 231. 304  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 235 ff. 305  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 270. 306  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 270 f. 307  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 272. 308  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 275. 309  Jaeger, KO (7. Auflage), § 173 Anm. 12 und weitere Nachweise bei Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 273. 310  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 275. 311  RGBl. 1935 I 572. 303 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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dem § 85 der VerglO von 1935312 nachgebildet, der ebenfalls bestimmt, dass die Vollstreckung aus dem Vergleich „wie aus einem vollstreckbaren gerichtlichen Urteil“ stattfindet. Unabhängig von der rechtlichen Einordnung des LWSG-Zwangsvergleichs wurden aber jedenfalls in Form der „Entschuldungspläne“ in der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschland öffentlich-rechtliche Institute geschaffen, mit denen zur Sanierung insolventer Betriebe deren privatrechtliche Verbindlichkeiten per Hoheitsakt und auch entgegen dem Willen der Betroffenen umgestaltet werden konnten.

b)  Sogenannte „Vertragshilfe“ in nationalsozialistischen Gesetzen Das „Gesetz über eine Bereinigung alter Schulden“ (AltSchuBerG) vom 17. 8. 1938313 enthielt die erste Form der Restschuldbefreiung in Deutschland.314 Anwendbar war es zugunsten von Schuldnern, „die infolge der Wirtschaftsnot vor der Machtübernahme oder infolge ihres Einsatzes für die Bewegung bei der Ausübung eines selbständigen Berufs vor dem 1. Januar 1934 wirtschaftlich zusammengebrochen“ waren, und durch Konkurs oder Einzelzwangsvollstreckungen „die wirtschaftliche Grundlage einer selbständigen Lebenshaltung“ verloren hatten (§ 1 I AltSchuBerG). Sinn des Verfahrens war es, den betroffenen Schuldnern zu ermöglichen, „sich eine neue Lebensstellung aufzubauen und zu einer angemessenen Lebenshaltung zu gelangen“ (Präambel AltSchuBerG). Zwar waren die Regelungen des AltSchuBerG von der nationalsozialistischen Ideologie durchdrungen, wie sich schon an der Präambel315 und dem Anwendungsbereich316 zeigt,317 von juristischem Interesse ist aber das Modell der sog. „Vertragshilfe des Richters“ (§ 5 AltSchuBerG). Diese besteht darin, dass 312 

RGBl. 1935 I 321. RGBl. 1938 I 1033. 314  Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 385. 315 „Der Nationalsozialismus hat das deutsche Volk aus dem wirtschaftlichen Niederbruch der Vergangenheit zu einem neuen Aufstieg geführt. Er will auch denen helfen, die in der vergangenen Notzeit wirtschaftlich zusammengebrochen sind und ihr Vermögen zur Befriedigung ihrer Gläubiger hingegeben haben. Durch alte Schulden, die bei der erzwungenen Vermögensauflösung nicht getilgt werden konnten, sollen sie nicht gehindert werden, sich eine neue Lebensstellung aufzubauen und zu einer angemessenen Lebenshaltung zu gelangen. Das ist zu erreichen, wenn Gläubiger und Schuldner aufeinander die Rücksicht nehmen, die sie sich als Glieder der Volksgemeinschaft schuldig sind. [...] Um eine Bereinigung der noch nicht erledigten Schulden nach diesen Grundsätzen herbeizuführen und dabei den Beteiligten, die auf dem Wege der gütlichen Einigung nicht zum Ziele kommen, die Hilfe des Richters zur Verfügung zu stellen, hat die Reichsregierung das folgende Gesetz beschlossen [...].“ 316  „Einsatz für die Bewegung“ als Grund für die Anwendbarkeit (§ 1 I AltSchuBerG), Ausschluss von jüdischen Schuldnern (§ 1 V AltSchuBerG). 317 Ebenso: Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 385 ff. 313 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

der Richter zunächst „versucht[,] eine gütliche Schuldenbereinigung herbeizuführen“ (§ 5 II AltSchuBerG), im Falle des Scheiterns aber die Befugnis hat, die „Rechtsbeziehungen der Beteiligten“ (§ 5 III AltSchuBerG) in sachdienlicher Weise umzugestalten. Die sog. „Vertragshilfe“ war also in Wahrheit eine rechtsgestaltende Entscheidung des Richters, die mit einem Vertrag nichts zu tun hatte, was aus dem Wortlaut der Normen auch eindeutig hervorgeht.318 Ziel war es, „die Gesamtheit der alten Schulden, die einen Schuldner noch belaste[te]n, seiner Leistungsfähigkeit anzupassen“ (§ 2 I AltSchuBerG). Der Richter war in der Gestaltung weitgehend frei, er konnte „insbesondere den Zins regeln, Stundung gewähren und Teilzahlungen festsetzen“ (§ 5 III AltSchuBerG). Schließlich war eine Restschuldbefreiung vorgesehen: „[Was] der Schuldner in zehn Jahren nicht abtragen kann, soll ihm in der Regel erlassen werden.“ Ähnliche Befugnisse des Richters finden sich in der „Verordnung über die Vertragshilfe des Richters aus Anlaß des Krieges“ (VHV) vom 30. 11. 1939319. Dort wurde die Vertragshilfe zugunsten von Kaufleuten vorgesehen, deren Betriebe aufgrund des Krieges unwirtschaftlich geworden waren, ohne dass bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vorlag (§ 1 I, III VHV). Zu ihren Gunsten konnte der Richter eine Stundung der gegen sie bestehenden Forderungen anordnen (§ 2 VHV), gegenseitige Verträge, an denen sie beteiligt waren, aufheben (§ 3 VHV), und den Miet- oder Pachtzins für die gewerblich genutzten Grundstücke oder Räume mindern (§ 4 VHV). In den §§ 6–9 VHV wurden zudem noch einige Einzelfälle geregelt, in denen Personen, die bestimmte Nachteile aufgrund des Krieges erlitten, zur Inanspruchnahme der sog. „Vertragshilfe“ berechtigt waren. Auch hier findet sich im Normtext der eindeutige und zutreffende Begriff der „rechtsgestaltende[n] Entscheidung“ (§ 16 I VHV) für die euphemistisch als „Vertragshilfe“ bezeichnete Einrichtung. Schließlich traf die am selben Tag wie die VHV erlassene „Verordnung über das Kriegsausgleichsverfahren“320 (KrAusglV) eine Regelung für Schuldner, die infolge des Krieges in die Insolvenz geraten waren (§ 1 I, II KrAusglV). Der Regelungsgehalt der KrAusglV war allerdings begrenzt. In § 2 I wurde allgemein auf die VglO verwiesen,321 im Folgenden waren jedoch Vergünstigungen für eine vergleichsmäßige Stundung angeordnet: die Höchstfristen der VglO für eine Stundung waren nicht anzuwenden (§ 3), und bei Nichtannahme eines Vergleichsvorschlags, der keinen Erlass, sondern nur eine Stundung an318  § 5 III: „[...] so gestaltet er durch seine Entscheidung“; § 7 IV: „Die rechtsgestaltenden Entscheidungen des Richters“. 319  RGBl 1939 I 2329. 320  RGBl 1939 I 2338. 321  § 2 II KrAusglV regelte außerdem den Sprachgebrauch, indem statt der Begriffe der VglO – Vergleichsverfahren, Vergleichsschuldner, Vergleichsgläubiger – die Worte Kriegsausgleichsverfahren, Ausgleichsschuldner und Ausgleichsgläubiger zu verwenden waren; diese Terminologie wird hier zur besseren Verständlichkeit der Ausführungen nicht übernommen.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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ordnete, konnte der Richter den Vergleich „durch Beschluß dennoch für verbindlich erklären“, wenn dies der „Billigkeit“ entsprach (§ 6 I KrAusglO). Dabei hatte der Richter die Möglichkeit, „hinsichtlich der Dauer der Stundung sowie hinsichtlich der Nebenabreden (z. B. über die Stellung von Sicherheiten)“ von dem Vergleichsvorschlag abzuweichen (§ 6 II KrAusglV), er hatte also auch eine begrenzte inhaltliche Gestaltungsmacht. § 6 IV KrAusglV ordnete an, dass der durch den Richter „für verbindlich erklärte“ Vergleich dieselben Wirkungen haben sollte wie ein regulär zustandegekommener Vergleich.

c)  Landwirtschaftliche Entschuldung und Vertragshilfe in der BRD Die Regelungen zu den landwirtschaftlichen Entschuldungsverfahren wurden in der BRD sukzessive abgebaut.322 Das Modell der richterlichen Vertragshilfe, das nach Kriegsende in den einzelnen Ländern zum Teil noch ausgedehnt worden war,323 wurde durch das Vertragshilfegesetz324 vom 26. 3. 1952 grundsätzlich abgeschafft. Dieses gewährte aber in § 1 noch die Möglichkeit einer Stundung oder Kürzung durch richterliche Vertragshilfe bei Forderungen, die vor dem 21. 6. 1948, also vor Einführung der D-Mark, begründet waren. Formell aufgehoben wurde das Vertragshilfegesetz am 27. 6. 2000 im Gesetz über Fernabsatzverträge in Art. 9 Nr. 1.325

d)  Abschließende Würdigung Die oben genannten Regelungen bieten Beispiele für das Modell einer vom Regelverfahren abweichenden Insolvenzabwicklung bzw. -abwendung durch privatrechtsgestaltenden Hoheitsakt, insbesondere durch richterliches Urteil. Die Urteilstheorie, die auch den Zwangsvergleich bzw. den Insolvenzplan als ein solches Institut ansieht, findet hier also ein historisches Beispiel für die Umsetzung ihres Konzepts. Diese Vorschriften zeigen zugleich, welche Formulierungen bei solchen Instituten erwartet werden können; denn selbst in den nationalsozialistischen Gesetzen, die an sich den irreführenden Begriff der „Vertragshilfe“ verwendeten, war zumindest in den Normtexten eindeutig von richterlicher Gestaltung die Rede.

322 

Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 305 ff. dazu Anlauf, Vorgänger der Restschuldbefreiung, S. 388 f. und Madaus, Insolvenzplan, S. 81. 324  BGBl. 1952 I 198. 325  BGBl. 2000 I 897. 323  Siehe

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

5.  Rechtliche Einordnung des Zwangsvergleichs Als unmittelbare Vorgängerregelungen des Insolvenzplans sind die beiden Zwangsvergleiche in den Verfahren der VglO und der KO anzusehen.326 Daher ist es im Rahmen der historischen Analyse von Interesse, welche Konstruktionsmöglichkeiten für dieses Rechtsinstitut vorgeschlagen wurden. Im Folgenden wird zunächst untersucht, welche Vorstellungen der Gesetzgeber der KO vom Wesen des Zwangsvergleichs hatte, und anschließend die Diskussion in der Wissenschaft dargestellt. Desweiteren ist zu prüfen, welche Positionen der spätere Gesetzgeber der VglO und die Rechtsprechung im Streit über die Rechtsnatur des Instituts bezogen.

a)  Vorstellungen des Gesetzgebers ausweislich der Motive zur KO Die Motive zur KO erklären, wie der Gesetzgeber das Institut des Zwangsvergleichs einordnete und welche Rechtsnatur er dabei annahm. Methodisch fehlerhaft wäre es freilich, diese Vorstellungen als verbindlich anzusehen: Die dogmatische Einordnung von Rechtsinstituten ist nicht Sache des Gesetzgebers und könnte von diesem selbst dann nicht rechtsverbindlich vorgeschrieben werden, wenn er dies wollte; sie ist der Wissenschaft vorbehalten, deren Erkenntnisse nicht „gesetzlich verordnet“ werden können. Die Gesetzesmaterialien sind jedoch, wenn sie rechtswissenschaftliche Äußerungen enthalten, selbst als Teil der wissenschaftlichen Diskussion zu berücksichtigen. Außerdem sind sie bei der Rechtsanwendung zu beachten,327 woraus sich wiederum Rückschlüsse für die wissenschaftliche Einordnung ergeben.328

aa)  Vertragsnatur des Zwangsvergleichs Die Urteilstheorie zum Zwangsvergleich wurde erst nach Erlass der KO begründet, daher können Äußerungen des Gesetzgebers der KO grundsätzlich nicht als Stellungnahme in diesem Streit gewertet werden. Beachtlich ist aber, dass in den Motiven zur KO die Frage, ob die Regelungen eines Zwangsvergleichs durch Vertrag oder durch gerichtliche Entscheidung zustandezubringen sind, angesprochen wird: „Die Vortheile des Vergleiches erkennend, hat die Gesetzgebung die vergleichsweise Erledigung des Konkurses stets zu befördern gesucht; theils hat sie dieselbe, wiewohl 326  Wie

stark die Verknüpfung zwischen den Instituten ist, wird noch eingehend untersucht; siehe dazu unten V 1. 327  Auch wenn ihnen keine Verbindlichkeit zukommt, müssen die Materialien bei der Auslegung zumindest beachtet werden, siehe dazu Larenz, Methodenlehre, S. 318 f., Thiessen, in: Mysterium „Gesetzesmaterialien“, S. 45, 74. 328  Siehe dazu konkret unten dd.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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die Einwilligung aller Gläubiger verlangend, der Fürsorge des Gerichts empfohlen, theils aber Zwangsvergleiche zugelassen, die, obwohl nur von einer Mehrheit der Gläubiger angenommen, unter gewissen Voraussetzungen dennoch für alle, auch für die nicht konsentirenden Gläubiger bindend sein sollen.“329

Diese Einlassung zeigt, dass vom Gesetzgeber beim Erlass der KO ein „Urteilsmodell“ für den Zwangsvergleich durchaus als Option erkannt wurde: Die „Einwilligung aller Gläubiger“ zwar als Voraussetzung zu nehmen, die Verwirklichung des Vergleichs aber dann „der Fürsorge des Gerichts“ zu überlassen, wird als mögliche Ausgestaltung des Instituts benannt. Dieser wird aber eine andere Lösung gegenübergestellt, bei der die Zustimmung der Gläubigermehrheit eine Bindung der übrigen Gläubiger herbeiführt, und dies als „Zwangsvergleich“ bezeichnet. Die zweite Alternative wurde für die KO gewählt.330 Diese Vorstellung des Gesetzgebers spiegelte sich auch im Wortlaut der Normen über den Zwangsvergleich: So spricht § 173 KO davon, dass „zwischen dem [Gemeinschuldner] und den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern ein Zwangsvergleich geschlossen werden“ kann, und § 182 I KO nennt die Erfordernisse für die „Annahme des Vergleichs“ durch die Gläubiger. Auch an späterer Stelle wird die Vertragsnatur des Zwangsvergleichs noch einmal betont und festgestellt, dass die Parteien des Vertrags „der Gemeinschuldner und die Konkursgläubiger“ sind,331 wobei letztere nicht als einzelne zu verstehen sind, sondern als eine Einheit.332

bb)  Gläubigerabstimmung als Beschluss einer Gemeinschaft Wie die zum Zwangsvergleich und zum Insolvenzplan geführte Diskussion zeigt, gibt es auch innerhalb der Vertragstheorie Streit über die genaue dogmatische Konstruktion des Vertragsschlusses. Der Gesetzgeber der KO hat kein vollumfängliches Erklärungsmodell entworfen; er nahm aber jedenfalls an, die Konkursgläubiger würden eine rechtliche Gemeinschaft bilden und die Abstimmung über die Annahme des Zwangsvergleichs sei ein Beschluss dieser Gemeinschaft. In den Motiven zur KO wird das Bestehen einer Gemeinschaft im Rechtssinne folgendermaßen begründet: „Das Zahlungsunvermögen des Schuldners und die Kollision der gegen ihn bestehenden Forderungen erzeugt für jeden Gläubiger den rechtlichen Anspruch, daß nunmehr das gesammte Vermögen zur gesetzlich geregelten Vertheilung unter die sämmtlichen vorhandenen Gläubiger und nur unter sie verwendet werde. Dieser Anspruch, allen vorhandenen 329 

Hahn, Materialien, S. 349 (Hervorhebung im Original). ergibt sich aus dem Zusammenhang in Hahn, Materialien, S. 349 ff. und insbesondere aus der Bezeichnung des Rechtsinstituts als „Zwangsvergleich“. 331  Hahn, Materialien, S. 360. 332  Hahn, Materialien, S. 378. 330 Dies

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Gläubigern gemeinsam und den Konkurs begründend, soll durch die Eröffnung und Durchführung des Verfahrens verwirklicht werden; man kann ihn, zur Unterscheidung von dem objektiven Konkursrechte, den Konkursanspruch nennen. [...] Legislativ genügt es vollkommen, den Inhalt des Konkursanspruchs in der Eingangs begehrten Weise dahin zu normiren: ‚Die Konkursmasse dient zur ausschließlichen und zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursgläubiger‘. Der Entwurf stellt diese Norm im § 2 auf [später: § 3 I KO].“333

Diesen besonderen Konkursanspruch grenzen die Motive von einem Pfandrecht oder dem Eigentum an der Masse ab; keines von beiden sollen die Gläubiger erlangen.334 Danach gehen die Motive auf die Frage der rechtlichen Verfasstheit der Gläubiger ein. Dabei wird eine Abgrenzung zum französischen Recht vorgenommen und die These abgelehnt, dass die Gläubiger eine juristische Person bilden könnten: „Man hat lange Zeit für nöthig befunden, die Gesammtheit der Gläubiger als eine juristische Person zu fixiren. Solche Gläubigereinheit ist indeß ein rein theoretisches Gebilde. Sie ist dem gemeinen deutschen Recht nicht eigenthümlich und dem römischen, wie auch dem englischen Rechte völlig fremd. Ihre gesetzliche Anerkennung scheint sie in der masse des créanciers und dem contrat d’union des code de commerce (Art. 500, 527, 528) gefunden zu haben. Allein schon die französische Jurisprudenz interpretirt die masse des créanciers nur als die thatsächliche Gesammtheit der Gläubiger. Noch weniger kann die ‚Gläubigerschaft‘ der Preußischen Konkursordnung oder der Bayerischen Prozeßordnung oder anderer deutscher Rechte neuerer Zeit als Person aufgefaßt werden. Die Preußische Konkursordnung insbesondere kennt die Gläubigerschaft als handelndes Rechtssubjekt nirgend. Im wesentlichen reduzirt sich das Auftreten der ‚Gläubigerschaft‘ als einer Gesammtheit auf das Vorschlagsrecht für die Personen der Verwaltung und darauf, daß bei Beschlußfassungen, namentlich über einen Akkord, der Beschluß der Mehrheit die Minderheit bindet. Aber dies ist nichts der Personeneinheit Eigenthümliches, und die Vorschläge und Beschlüsse gehen von der thatsächlichen Vereinigung der Gläubiger, den Gläubigerversammlungen aus. Die Idee eines Gläubigerkorps ist praktisch werthlos, juristisch nicht haltbar. Die Entstehung der Personeneinheit würde, entgegen den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, nicht die Dauer, sondern die Aufhebung einer Gemeinschaft bezwecken; die Personeneinheit würde kein von den Personen der Gläubiger unabhängiges, selbständiges Dasein haben; sie, als solche, hat von dem Gemeinschuldner nichts zu fordern; es giebt kein Vermögensrecht, welches ihr verschieden von den einzelnen Gläubigern zustände. Der Entwurf lässt daher den zur Unklarheit führenden Ausdruck ‚Gläubigerschaft‘ fallen. Die einzelnen Gläubiger bleiben die Rechtssubjekte, mit ihrem eigenen Rechte. Sie bilden auch nicht unter sich eine Gesellschaft. Niemand darf präkludiert werden. Sie dürfen daher nicht einen contrat d’union schließen und sie bedürfen nicht eines solchen.“335

333 

Hahn, Materialien, S. 44 ff. Hahn, Materialien, S. 45. 335  Hahn, Materialien, S. 46 f. 334 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Die Gläubiger werden aber doch als eine rechtlich verfasste Personenmehrheit angesehen, nämlich in der Form einer „zufälligen Gemeinschaft“: „Wohl aber treten die Gläubiger kraft des Gesetzes in eine Gemeinschaft (communio incidens), eine zufällige, denn wenn auch die Theilnahme an dem Verfahren dem Belieben eines Jeden überlassen ist, so entsteht doch unabhängig von dem Willen des Einzelnen – durch die Existenz der anderen Forderungen, das Zahlungsunvermögen des Schuldners und die Kollision aller Gläubiger – unter ihnen die rechtliche Gemeinschaft. Diese allerdings ist es, welche das Verhältniß der Konkursgläubiger zu einander und das Konkursverfahren charakterisirt. Das Befriedigungsrecht des Einzelnen erleidet durch den entstandenen Konkursanspruch eines Jeden rechtliche Beschränkung. Die Gemeinschaft hat zum Grund und Gegenstand: das Befriedigungsrecht eines jeden Gläubigers auf das gesammte, unzureichende Vermögen des Gemeinschuldners, zum Zweck und Inhalt: die gemeinschaftliche Befriedigung Aller aus diesem Vermögen. Darum darf kein Gläubiger rücksichtslos gegen die Anderen sein einzelnes Befriedigungsrecht gegen den Schuldner verfolgen, darum dürfen Zwangsvollstreckungen zu Gunsten Einzelner nicht vorgenommen werden; das gleiche Recht Aller verlangt, daß keiner seinen Anspruch anders als im gemeinschaftlichen Verfahren ausübe. [...] Und weil das gleiche Recht Aller bedenklich gefährdet ist, wenn ein einzelner Gläubiger eigensüchtig sein Interesse auf Grund formalen Rechts durchsetzen kann, so müssen die Beschlüsse der Mehrheit die Minderheit binden. Das vor Allem ist der Grund, das Ziel und die Grenze eines Zwangsvergleiches (Akkordes).“336

Auf diese Begründung wird explizit auch die Bindungswirkung des Mehrheitsentscheids beim Zwangsvergleich gestützt: „Wo einzelne Personen ihre Rechte selbständig ausüben, gilt allerdings keine Mehrheit der Stimmen. Aber die Konkursgläubiger bleiben nicht einzeln mit ihren Rechten; der Konkursanspruch Aller bringt sie in eine rechtliche Gemeinschaft und zwingende Mehrheitsbeschlüsse einer solchen finden selbst im formalen Recht ihre Geltung. Jedenfalls in dem höheren Werthe materieller Gerechtigkeit. Der gleiche vernünftige Zweck einzelner Schicksalsgenossen ist der sittliche Wille Aller. Ihm sich fügen müssen, beschädigt nicht die persönliche Freiheit; – ihn dem Widerspruch weniger Gläubiger zum Opfer bringen, beschädigt das allgemeine Recht. Oftmals beruht der Widerspruch Einzelner nur auf dem Eigensinn, Rachsucht oder unlauteren Nebenabsichten. Oft zwar mag er aus reiner Überzeugung hervorgehen; wenn dann aber dem Widerspruch Gelegenheit wird, sich geltend zu machen, wenn die Gesetzgebung Garantien gibt für freie Diskussion und erschöpfende Prüfung aller Interessen, so muß sie dem als sittlich und nützlich für alle erkannten Willen der Mehrheit Anerkennung verschaffen; sie kann es um so mehr, als der Vortheil aus dem Beschlusse den Widersprechenden in gleichem Maße soll zu statten kommen, wie den Zustimmenden, und der Vortheil selbst denen zufließen soll, die an dem Verfahren nicht Theil genommen haben, welche daher bei einer Vertheilung der Masse nichts erlangen würden. Gleicher Vortheil, gleicher Zwang. Selbst die Zustimmenden fügen sich, weil die Umstände sie wie jene zwingen; der Vergleich fixirt nur das Maß der Befriedigung, auf welches die Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners das Recht der Befriedigung reduzirt hat.“337 336  337 

Hahn, Materialien, S. 47. Hahn, Materialien, S. 350.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Insgesamt lässt sich somit die Rechtsauffassung des Gesetzgebers der KO folgendermaßen zusammenfassen: Durch das Vorliegen der tatsächlichen Umstände für einen Konkurs, nämlich Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und Mehrheit der Gläubiger, entsteht der sog. Konkursanspruch. Dieser ist gerichtet auf gleichmäßige Befriedigung aller Konkursgläubiger aus der gesamten Konkursmasse und er steht allen Gläubigern zu. Die Gläubiger sind außerdem unabhängig von ihrer Beteiligung am Verfahren in einer Gemeinschaft verbunden. Die Annahme des Vorschlags für einen Zwangsvergleich ist ein Mehrheitsbeschluss dieser Gemeinschaft, an den alle ihre Mitglieder, das heißt alle Konkursgläubiger, gebunden sind. Die Interessen der einzelnen Konkursgläubiger werden dadurch gewahrt, dass sie sich im Beschlussverfahren einbringen können; entscheidend und als Ausdruck des gemeinsamen Willens zu werten ist aber der geäußerte Wille der Mehrheit.

cc)  Funktion der Zulässigkeitserfordernisse und der gerichtlichen Bestätigung Der Zwangsvergleich war nach § 173 I KO338 von vornherein unzulässig bei Flucht des Schuldners oder seiner Verweigerung der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung (Nr. 1), sowie bei einer erfolgten oder möglichen Verurteilung des Schuldners wegen strafbaren Bankrotts (Nr. 2, 3). Zu seiner Wirksamkeit bedurfte er außerdem der Bestätigung durch das Gericht. Die Bestätigung war von Amts wegen zu versagen und der Vergleich zu verwerfen bei unheilbaren Verfahrensfehlern (§ 186 Nr. 1 KO) oder bei nachträglich auftretenden Unzulässigkeitsgründen (§ 186 Nr. 2 KO), sowie bei einer Vergleichsregelung, die den Gläubigern weniger als ein Fünftel gewährte und auf einem unredlichen oder leichtsinnigen Verhalten des Schuldners beruhte (§ 187 KO); in letzterem Fall hatte das Gericht einen Ermessensspielraum bei der Entscheidung.339 Auf Gläubigerantrag wurde der Vergleich vom Gericht verworfen, wenn dieser unlauter, insbesondere durch Begünstigung eines Gläubigers, zustande gebracht wurde (§ 188 I Nr. 1 KO), oder wenn er dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger widersprach (§ 188 I Nr. 2 KO).340 Ein im bestätigten Zwangsvergleich gewährter Erlass war anfechtbar, wenn er durch Betrug zustande gekommen war (§ 196 I KO), und ipso iure nichtig bei einer nachträglichen Verurteilung des Schuldners wegen Bankrotts (§ 197 I KO), was zusätzlich die Wiederaufnahme des Verfahrens ermöglichte (§ 198 KO). Klärungsbedürftig ist die Vereinbarkeit dieser Bestimmungen mit einer vertraglichen Natur des Vergleichs, weil dadurch vom privatrechtlichen Grundsatz der Vertragsabschlussfreiheit abgewichen wird. Es stellt sich die Frage, 338 

§ 160 des Entwurfs zur KO. KO entspricht § 172 des Entwurfs; die Regelung des § 187 KO war im Entwurf noch nicht enthalten. 340  § 188 KO entspricht § 173 des Entwurfs. 339  § 186



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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ob ein derart hoheitlich geregeltes Institut überhaupt Vertrag sein kann, oder ob es nicht vielmehr durch diese Regelungen einen öffentlich-rechtlichen Charakter erhält. Die Motive beantworten diese Frage in der Gesetzesbegründung zugunsten der vertraglichen Einordnung. Zunächst wird dargelegt, dass der Zwangsvergleich „eine umfassende und dauernde Beseitigung aller Konkursverhältnisse, für die Gegenwart und die Zukunft, für und gegen die sämmtlichen Gläubiger [herbeiführen muss].“341 Darauf werden die folgenden Überlegung gestützt: „Je umfassender aber und dauernder das gewonnene Resultat sein muß, desto mehr sind Garantieen geboten zum Schutz der Gläubiger gegen das Zustandekommen leichtfertiger und schädlicher Akkorde.“342

Damit ist die ratio legis der oben genannten Vorschriften bereits erklärt: Es geht um den Schutz der Gläubiger. Verdeutlicht wird dies in den weiteren Ausführungen zu den einzelnen Voraussetzungen. „Zunächst hat die Gesetzgebung dafür Vorsorge zu treffen, daß der Vergleich auf sicherer Grundlage, unter Einhaltung bestimmter, die Gläubiger schützenden Formen, mit einem die Interessen Aller gleichmäßig beachtenden Inhalt offen und lauter abgeschlossen werde.“343

So erklären sich sowohl die Vorschriften für das Zustandekommen des Vergleichs, als auch deren Absicherung durch § 186 Nr. 1 KO: Es handelt sich um Formvorschriften zum Schutz der Beteiligten. Doch solche Normen sind im Privatrecht nicht ungewöhnlich344 und nehmen einem Vertrag nicht dessen Rechtsnatur, wie schon § 125 BGB zeigt. Während dies keiner weiteren Erläuterung bedarf, ist die Begründung des Gesetzgebers für die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen und die Verwerfungsgründe von größerem Interesse: „Soll der Vergleich verbindlich sein gegen alle Gläubiger, auch gegen solche, die ihn nicht angenommen haben, so wird man mit dem von einer gewissen Majorität selbst gerichtlich erfolgten Abschluß des Vergleichs [...] sich nicht begnügen dürfen. Wirksamkeit darf der Vergleich erst durch die gerichtliche Prüfung und Bestätigung erlangen. [...] Ohne richterliche Entscheidung nur durch den Willen gleichberechtigter Anderer die nicht zustimmenden und widersprechenden Gläubiger zur Aufgabe ihrer Rechte zu zwingen, würde in der That ein unzulässiger Eingriff in wohlerworbene Rechte sein. [...] Einem Akkorde indessen, welcher dem gemeinsamen Interesse aller Gläubiger widerstreitet, darf das Gericht verbindliche Kraft gegen Alle nicht zugestehen. [...] Wesentlich ist, daß man die Gläubiger nicht dem schwankenden Spielball von Majoritäten preisgiebt, daß der Minderheit Gehör und Schutz des Richters nicht versagt wird. Nicht immer ist es Eigen341 

Hahn, Materialien, S. 355. Hahn, Materialien, S. 355. 343  Hahn, Materialien, S. 355. 344  Vgl. nur Medicus, BGB AT, Rn. 609 ff. Der Schutz der Vertragsparteien ist dabei ein typischer Formzweck (Rn. 614). 342 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

sinn oder Eigennutz, welcher ihren Widerspruch laut ruft; auf gutem Grunde, auf besserer Einsicht kann derselbe beruhen; die Minderheit muß den Richter anrufen können, ihren Streit mit der Minderheit [gemeint ist: Mehrheit] zu entscheiden. Zwar mag derselbe Vergleich den Einen vortheilhaft erscheinen,[...] und den anderen nachtheilig[...]. Solche individuelle Rücksichten auf die einzelnen Gläubiger aber hat der Richter keineswegs zu nehmen; er hat nur das allgemeine, für alle Gläubiger gleiche Interesse ins Auge zu fassen. Und für dieses ist nicht bloß die Lage des Konkurses, sondern auch das Verhalten des Gemeinschuldners maßgebend. Die durch den Akkord gebotene Möglichkeit, schnell und erschöpfend alle Schuldverhältnisse zu lösen, darf dem Gemeinschuldner nicht als lockender Anreiz erscheinen, seinen Bedrängnissen durch Zahlungseinstellung ein Ende zu machen [...]. Einem Schuldner, der betrüglichen Bankerutt gemacht, der sich Kredit erschwindelt oder leichtfertig gewirthschaftet hat, wo möglich im Hinblick auf einen Akkord, oder einem Schuldner, der durch sein Verhalten während des Konkursverfahrens oder bei Zustandebringung des Akkordes jeden Anspruch auf Vertrauen eingebüßt hat, einem dergestalt Unwürdigen Vertrauen zu schenken, wie es jeder Akkord erfordert, darf Niemand gezwungen werden. Findet der Richter, daß dieser Akkord oder Akkord dieses Schuldners nach irgend einer Seite das allgemeine Interesse der Gläubiger verletzen würde, so darf er ihm rechtliche Wirksamkeit nicht verleihen.   Daraus ergiebt sich ein weiteres Postulat, das erste ergänzend. Schon der Versuch und Abschluß eines Akkordes muß von dem Gesetz für unzulässig erklärt werden, wenn die allgemeinen Umstände so liegen, daß der sachgemäße Abschluß oder die gerichtliche Bestätigung eines jeden Akkordes von vornherein ausgeschlossen erscheint. Durch unfruchtbare Versuche darf das Konkursverfahren nicht verschleppt, die Befriedigung der Gläubiger nicht hingehalten und geschmälert werden.“345

Diese Begründung zeigt, dass die Unzulässigkeit des Vergleichs bei einer erfolgten oder möglichen Bestrafung des Schuldners wegen Bankrotts nach § 173 I Nr. 2, 3 KO nicht eine hoheitliche Sanktion des Schuldners, sondern eine Schutzvorschrift für die Gläubiger darstellen sollte. Dass öffentlich-rechtliche Überlegungen, anders als in den zum Vorbild genommenen Regelungen des code de commerce und der Preußischen Konkursordnung, für die Zulässigkeit des Zwangsvergleichs gar keine Rolle spielen sollten, wird in den folgenden Ausführungen noch besonders hervorgehoben: „Nach § 193 der Preußischen Konkursordnung, wie nach art. 526 des Code de commerce und art. 515 des Fall. Gef/s. soll der Richter nicht blos das Interesse der Gläubiger, sondern auch das Interesse ‚der öffentlichen Ordnung‘ prüfen, und es soll diese richterliche Prüfung von Amtswegen eintreten, unabhängig von den Abstimmungen, den Erklärungen und Anträgen der Betheiligten. [...] Solche Offizialjustiz erheischt der Akkord keineswegs; es [sic] läßt sie vielmehr nicht zu. [...] Die gerichtliche Prüfung des Akkordes darf den Zweck des Schutzes der widersprechenden Minorität nicht überschreiten, setzt also voraus, daß Gläubiger, und sei es auch nur einer, gegen den Vergleich gestimmt haben, oder der Bestätigung widersprechen. Der Richter soll nur auf den Streit sich gegenüberstehender Parteien über das gleiche Interesse Aller entscheiden, und bei dieser Entscheidung kann er nur dann vor willkürlichen Mißgriffen bewahrt bleiben, wenn er seine Prüfung auf die vor ihm geführte Verhandlung der Parteien beschränkt; der Richterspruch muß in 345 

Hahn, Materialien, S. 355 ff.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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den Grenzen der von diesen gestellten Anträge verbleiben. – Schon deshalb aber kann zum Anderen das sog. Interesse der öffentlichen Ordnung nicht Gegenstand der Prüfung sein, ob der Akkord, zu bestätigen oder zu verwerfen ist. Die Gläubiger sind nicht Willens und nicht berufen, über die Würdigkeit des Gemeinschuldners und das öffentliche Wohl zu wachen. Ihre Anträge entspringen ihren Interessen. Auch an sich ist die Hineinziehung des öffentlichen Interesses fehlerhaft. Nicht einmal die Grenzen dieses Begriffs sind klar. Zu eng ist die Auffassung, welche voraussetzt, daß strafbare Handlungen begangen seien; zu weit diejenige, welche den Ausdruck identifizirt mit den allgemeinen Interessen des Staats, der bürgerlichen Gesellschaft und der Sittlichkeit. Man hat darum vorgeschlagen, wieder zurückzugehen auf das Merkmal des code: inconduite, unlauteres Verhalten des Gemeinschuldners (Fn. 2: Güterbock a. a. O. S. 12 ff.; Makower a. a. O. S. 72, 73.). Indeß ein strafwürdiges oder tadelnswerthes Verhalten des Gemeinschuldners vor und nach der Konkurseröffnung ist zwar von der größten Erheblichkeit, doch nicht für die Bestätigung des Akkordes unmittelbar entscheidend. Entweder macht es schon den Abschluß eines Zwangsvergleichs von Gesetzes wegen unzulässig, oder es kommt für die Bestätigung wie oben erwähnt, nur sofern in Betracht, als es das Vertrauen und das Interesse der Gläubiger berührt. Im Uebrigen möge man den Gemeinschuldner strafen, nicht aber die Gläubiger. Der Akkord gehört dem Privatrechtsgebiet an. Ist der Vergleich ordnungsmäßig abgeschlossen, und sind die Gläubiger einstimmig der Ansicht oder entscheidet auf den Widerspruch Einzelner der Richter, daß die Beendigung dieses Konkurses durch diesen Vergleich dem gemeinsamen Interesse aller besser entspreche, als eine Vertheilung der Masse, so dürfen die Gläubiger nicht geschädigt werden durch anderweit hergenommene Rücksichten. Das sog. öffentliche Interesse oder der allgemeine Kredit leidet dann nicht durch Abschluß und Bestätigung dieses Zwangsvergleichs, sondern durch den ausgebrochenen Konkurs, durch die Zahlungseinstellung des Schwindlers oder vielleicht durch das Verhalten einzelner Gläubiger, welche die leichtfertigen Unternehmungen des Gemeinschuldners und seine Verlegenheiten veranlaßt oder ausgenutzt haben.   Diese doppelte Offizialjustiz ist es, welche jene Klagen über eine Bevormundung und Benachtheiligung der Gläubiger durch den Richter hervorruft.“346

Zunächst ist festzustellen, dass die verwendete Terminologie teilweise für die Urteilstheorie zu sprechen scheint, soweit von einer „richterlichen Entscheidung“ des „Streits“ zwischen Minderheit und Mehrheit gesprochen wird. Andererseits ist auch vom „Zustandekommen“ oder dem „Abschluss“ des Vergleichs die Rede, noch bevor demselben durch die „gerichtliche Bestätigung“ die „Wirksamkeit verliehen“ wird, was eine Vertragsnatur nahe legt. Abgesehen davon, dass im Gesetz bzw. dem Gesetzesentwurf nur die vertragliche Terminologie verwendet wurde, darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber seine Worte in Unkenntnis der erst später begründeten Urteilstheorie wählte, und sich bereits vorher im Text auf ein vertragliches Regelungsmodell festgelegt hat; auch wenn von „richterlicher Entscheidung“ gesprochen wird, ist darin also keine Stellungnahme des Gesetzgebers zugunsten der Urteilstheorie zu sehen. Außerdem ist zu beachten, dass, anders, als es die Begründung teil-

346 

Hahn, Materialien, S. 357 f.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

weise vermuten ließe, die Unzulässigkeits- und Verwerfungsgründe gesetzlich so bestimmt waren, dass das Gericht keinen Entscheidungsspielraum hatte.347 Dies vorausgeschickt, ist auf den Inhalt der zitierten Stellen einzugehen. Diese liefern die Begründung für die Regelungen der §§ 173 I Nr. 2, 3, § 188 I KO. Der Grund dieser Bestimmungen liegt nicht im öffentlichen Interesse, sondern dem der Gläubiger; der Gesetzgeber lehnte sogar eine Prüfung des Vergleichs anhand des öffentlichen Interesses, wie sie im Code de Commerce und in der Preußischen Konkursordnung vorgesehen war, ausdrücklich ab. Nach den Motiven ist der grundsätzlich im Konkurs anzuwendende Mehrheitszwang für den Vergleich in den genannten Fällen auszuschließen, weil es einer Minderheit absolut unzumutbar sei, gegen ihren Willen irgendwelche Rechtseinbußen zu erleiden, wenn die abstimmenden Gläubiger durch ein unredliches Verhalten getäuscht werden könnten. Auf den ersten Blick erscheint es nicht schlüssig, dass bei dieser Begründung keine Ausnahme für eine einstimmige Annahme des Vergleichs durch die Gläubiger geschaffen wurde; doch eine solche Ausnahme würde die abwesenden und evtl. noch unbekannten Gläubiger, die an einem Vergleich wegen ihrer Mitgliedschaft in der Gläubigergemeinschaft immer beteiligt sind, unberücksichtigt lassen, daher ist die Regelung in sich logisch korrekt. Rechtspolitisch mag die Begründung der genannten Vorschriften als eine Bevormundung der Gläubiger zu kritisieren sein, was hier aber nicht zu erörtern ist. Fest steht jedenfalls, dass der Gesetzgeber mit ihr nicht eine durch das öffentliche Interesse motivierte Begrenzung für ein Institut geschaffen hat, das dann aufgrund solcher Voraussetzungen möglicherweise selbst als öffentlichrechtlich einzuordnen wäre, sondern eine Vorschrift zum Schutz der beteiligten Gläubiger. Eine solche Schutzvorschrift ist mit einem zivilrechtlichen Institut vereinbar. Dies zeigt sich etwa am Beispiel des § 138 BGB, durch den ebenfalls ein wirksames Rechtsgeschäft unabhängig vom Willen der handelnden Person zu deren Schutz durch das Gesetz verhindert wird. Diese Auffassung wird auch in der Begründung zur Unzulässigkeit des Zwangsvergleichs bei Flucht des Schuldners bekräftigt: Solange der Schuldner flüchtig ist, kann ein Vergleich mit ihm nicht geschlossen werden; nur die tatsächliche Unmöglichkeit des Vergleichsschlusses ist der Grund für die Unzulässigkeit in diesem Fall und diese stellt somit nicht eine öffentlich-rechtliche Sanktion für die Flucht dar.348

347  Nur § 187 S. 2 KO räumte dem Gericht Ermessen über die Verwerfung eines Zwangsvergleichs ein; die Vorschrift wurde aber erst später eingefügt. 348  Hahn, Materialien, S. 363.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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dd)  Zusammenfassung und Würdigung Eine vollständige dogmatische Erklärung des Zwangsvergleichs der KO hat der Gesetzgeber nicht geliefert; das war auch nicht seine Aufgabe. Aus dem Gesagten lässt sich aber herleiten, dass den Normen zum Zwangsvergleich die folgenden Annahmen zugrundelagen: Ausweislich der Motive ging der Gesetzgeber bei Schaffung der KO davon aus, dass der Zwangsvergleich ein Vertrag zwischen dem Schuldner und den Gläubigern sei. Die Abstimmung der Gläubiger über die Annahme und deren bindende Wirkung für die ablehnenden und abwesenden Gläubiger verstand er als Beschluss der Gemeinschaft, welche die Gläubiger nach seiner Vorstellung bilden sollten. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen und das Erfordernis der gerichtlichen Bestätigung sollte dem Schutz der Gläubigerinteressen dienen und war nicht durch ein öffentliches Interesse motiviert. Diese dogmatischen Überlegungen stellen zwar keine verbindliche Vorgabe dar und sind lediglich als ein Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion zu werten. Allerdings werden durch die rechtswissenschaftlichen Begriffe implizit auch Regelungsziele ausgedrückt, die wiederum bei der Rechtsanwendung zu berücksichtigen sind. Eine rechtliche Konstruktion sollte wiederum mit diesen praktischen Zielen vereinbar sein. Im Ergebnis darf daher ein vom Gesetzgeber gewählter abstrakter Rechtsbegriff nicht leichtfertig gegen einen anderen ausgetauscht werden, wenn sich daraus rechtliche Konsequenzen ergeben. Aus den zitierten Stellen der Motive ist nun abzuleiten, dass der Gesetzgeber – wie in der KO allgemein, so auch beim Zwangsvergleich – die Kompetenzen des Gerichts gering halten wollte: Zwar ist der Zwangsvergleich vor Gericht zustande zu bringen und von diesem zu bestätigen, doch Sinn und Zweck dieser Regelungen ist nicht, dem Gericht irgendeine Steuerungsfunktion zuzugestehen, sondern nur der Schutz der nicht zustimmenden Gläubiger. Die dogmatisch entscheidende Frage, ob die gerichtliche Bestätigung nur als formeller Annex zum privatrechtlichen Vertrag, ähnlich einer Beurkundung, zu begreifen ist, oder aber als das entscheidende, das Institut prägende Element, dem nur einige letztlich „unbedeutende“ Äußerungen der Beteiligten vorausgehen, ist demnach zugunsten der ersten Alternative zu entscheiden. Denn der privatrechtliche Vertrag ist Ausdruck der Privatautonomie und verwirklicht diese in seinen Voraussetzungen und Rechtsfolgen, wohingegen ein Urteil Ausübung hoheitlicher Gewalt ist, bei dem naturgemäß andere Maßstäbe gelten.

b)  Diskussion in der Literatur In der Wissenschaft war die dogmatische Konstruktion des Zwangsvergleichs umstritten. Da viele der dazu angestellten Überlegungen auf den Insolvenzplan übertragbar sind, lohnt sich eine genaue Betrachtung dieser Diskussion.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

aa) Urteilstheorie 1880 begründete August Sigmund Schultze die Urteilstheorie.349 Der Inhalt des Zwangsvergleichs-Urteils sei, dass es „den Konkursanspruch unter den in ihm selbst festgesetzten Modalitäten für erledigt erkennt.“350 Er hielt die „Beendigung des Konkurses mit einer die Forderungen aller, auch der dissentirenden und unbekannten Gläubiger treffenden Wirkung durch Vergleich [für] unmöglich, denn Vergleich ist nur, wo Vertragswille vorhanden ist, und ausgesprochen ist.“351 Grundlage dieser Theorie war also, dass der Mehrheitszwang zivilrechtlich nicht erklärbar sei, und deswegen nur ein gerichtlicher Zwang die Bindungswirkung gegenüber den ablehnenden und abwesenden Gläubigern begründen könne. Schultze versteht den Vergleichsvorschlag als prozessualen Antrag und die Gläubigerabstimmung nicht als rechtliche Willenserklärung, sondern als bloßen Sachverhalt, den das Gericht seinem Urteil zugrunde legen muss: Diese sei „ein wichtiges thatsächliches Moment, aber keineswegs das einzige oder auch nur ein stets maßgebendes. Vielmehr hat der Richter [...] im weitesten Umfang und mit dem freiesten Ermessen die Rechtfertigkeit, Zweckmäßigkeit und Zuträglichkeit eines solchen Urteils – ganz abgesehen von dem constatirten Willen der Mehrzahl – zu prüfen und je nach Ausfall dieser Prüfung den Antrag des Gemeinschuldners auch gegen den Willen der Mehrheit der Gläubiger zu verwerfen.“352 Dies zeige sich auch in den Vorschriften der KO über die Unzulässigkeit des Zwangsvergleichs, die Versagung der Bestätigung, sowie der Verwerfung und Anfechtung.353 Schultze meint, die Vertragstheorie könne diese Bestimmungen nicht erklären, „da das Gesetz unmöglich die Zulässigkeit eines seiner Natur nach freien Vertragswillens an bestimmte Zeitmomente, oder gewisse thatsächliche Voraussetzungen seiner Vortheilhaftigkeit für den vertragschließenden Theil knüpfen kann. Zu einem geradezu abenteuerlichen Bevormundungssystem aber muß sie ihre Zuflucht nehmen [...].“354 Dass der Gesetzgeber dies anders sah, wurde bereits dargestellt. Schultze geht darauf aber nicht ein und belässt es bei der allgemeinen Kritik als „Bevormundung“. Der Theorie Schultzes schließt sich Otto Freiherr von Völderndorff (1885) an.355 Hans Pasquay (1910) folgt ebenfalls dem Vorschlag Schultzes und dessen Hauptargument, dass ein vertraglicher Wille der ablehnenden und abwesenden 349 

Schultze, Konkursrecht, S. 119 ff. und Schultze, ZZP 1880, 339, 350 ff.; der Aufsatz in der „Zeitschrift für das gesammte Handelsrecht“ ist eine Zusammenfassung der Ausführungen im erstgenannten Werk. 350  Schultze, Konkursrecht, S. 120. 351  Schultze, Konkursrecht, S. 119. 352  Schultze, Konkursrecht, S. 120 f. 353  Schultze, Konkursrecht, S. 129 ff. 354  Schultze, Konkursrecht, S. 130. 355  Völderndorff, KO (2. Auflage), S. 527 f. – In der ersten Auflage war noch die Ansicht der Motive übernommen worden, siehe unten dd fff.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Gläubiger nicht konstruiert werden könne, nachdem er näher begründet hat, dass unter den Gläubigern keine rechtliche Beziehung bestehe, die einen Mehrheitszwang rechtfertigen könnte.356 Der Urteilstheorie folgt auch Max Ernst Eccius (1896/1902). Er stützt sich vor allem auf das Argument, ein Zwangsvergleich müsse nach der Vertragstheorie trotz einer rechtskräftigen gerichtlichen Bestätigung unwirksam sein, wenn materiellrechtliche Nichtigkeitsgründe vorlägen und eine Mehrheit tatsächlich nicht zustande gekommen sei.357 Dass er dieses Ergebnis für unerträglich hält, wird nicht explizit gesagt, aber aus dem Kontext ersichtlich. Deutlicher formuliert Vierhaus (1890) der allerdings zur dogmatischen Konstruktion keine Stellung bezieht, und sich nur „vom Standpunkte der Praxis aus“ gegen die Geltendmachung von Mängeln der abgegebenen Erklärungen nach der rechtskräftigen Bestätigung des Zwangsvergleichs ausspricht: „Der Zwangsvergleich würde ganz seiner praktischen Bedeutung entkleidet, ein für die Praxis ebenso unbrauchbares Ergebniß erzielt werden, wenn die Bestätigung nicht ebenso unanfechtbar wäre, als ein Urtheil.“358 Gustav von Wilmowski (1896) folgt Schultzes Theorie insoweit nicht, als er einen „Konkursanspruch“ nicht anerkennt.359 Er sieht aber im Zwangsvergleich eine „urtheilsmäßig[e]“ Entscheidung „über das dem G. Schuldner durch die K. O. eingeräumte Recht, unter den bestimmten Voraussetzungen das K. Verfahren zu beseitigen und seine K. Gläubiger außerhalb des K. Verfahrens nach Maßgabe der von der gesetzlichen Mehrheit der Gläubiger angenommenen Bedingungen zu befriedigen.“360 Eine vertragliche Konstruktion wird auch von Georg Cohn (1910) für unmöglich gehalten.361 Er folgt daher im Grundsatz Schultze, kritisiert an dessen Theorie aber, dass der Zwangsvergleich auf die einzelnen Forderungen der Gläubiger einwirkt, was durch ein Urteil, das lediglich „den Konkursanspruch für erledigt erkennt“362 nicht zu erklären sei;363 weiterhin nimmt er aus dogmatischen Gründen Abstand von der Bezeichnung „Urteil“ und spricht stattdessen von einem „Spruch des staatlichen Organs“ als „konstitutive[m] Akt.“364 Dieser setze „an Stelle bisheriger Forderungen der nicht bevorrechtigten Gläubiger

356 

Pasquay, ZHR 1910, 34, 80 f. Eccius, Preußisches Privatrecht, S. 817 f.; Eccius, Gruchot 1902, 726, 727; Eccius, Gruchot 1896, 457, 463. 358  Vierhaus, ZZP 1890, 281, 283. 359  Wilmowski, KO (5. Auflage), vor § 1. 360  Wilmowski, KO (5. Auflage), vor § 160. 361  Cohn, Rechtsnatur des Zwangsvergleichs, S. 20 ff. 362  Schultze, Konkursrecht, S. 120. 363  Cohn, Rechtsnatur des Zwangsvergleichs, S. 37 ff. 364  Cohn, Rechtsnatur des Zwangsvergleichs, S. 43 ff. 357 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

andere (geringere oder später fällig werdende) Forderungen, gegen gewisse Verpflichtungen des Gemeinschuldners.“365 Auf die Urteilstheorie läuft auch die nur noch fragmentarisch366 erhaltene Dissertation von Julius Wackenthaler (1912) hinaus.367 Der erste und heute allein verfügbare Teil dieser Arbeit ist der Kritik der Vertragstheorien gewidmet; dieser Gedankengang ist der für die Urteilstheorie typische, bei dem zunächst die Vertragstheorie widerlegt und die eigene These ganz wesentlich auf die dargelegte Unmöglichkeit der vertraglichen Konstruktion gestützt wird. Im Ergebnis ebenfalls der Urteilstheorie zuzurechnen ist die Konstruktion von Herrmann Fitting (1904). Nach ihr bilden die Konkursgläubiger keine rechtliche Gemeinschaft, aber eine Interessengemeinschaft, was allerdings genügen soll, um die Bindungswirkung der in der Gläubigerversammlung gefassten Beschlüsse zu begründen.368 Für den Zwangsvergleich seien aber die Teilnahme am Abschluss und die Wirkungen desselben im Interesse der bevorrechtigten wie der nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger auf die letzteren beschränkt.369 Mit der Annahme des Vergleichsvorschlags durch den Beschluss der nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger soll ein rein prozessrechtlicher Vertrag zustandekommen, der zum Inhalt hat, dass „das Konkursverfahren nach Maßgabe des Vorschlages erledigt werden solle, und zwar [...] zwischen dem Gemeinschuldner einerseits und den sämtlichen nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern andererseits [...].“370 Dieser Vertrag werde dann gerichtlich bestätigt, ohne dass dies an der Rechtsnatur etwas ändere.371 Allerdings meint Fitting, dass die in dem Zwangsvergleich vorgesehene „Neugestaltung der Privatrechte aller Beteiligten“ durch den Vertrag nicht bewirkt werden könne; deshalb sollen diese Wirkungen durch einen gerichtlichen Akt herbeigeführt werden, der „mit in dem gerichtlichen Bestätigungsbeschlusse liegt [...], [aber] von jenem ersten begrifflich scharf zu unterscheiden ist.“372 Damit werden die Rechtsfolgen des Zwangsvergleichs im Ergebnis allein auf den Gerichtsbeschluss gestützt. Letztlich dient die Konstruktion nur dazu, die Vertragsterminologie des Gesetzeswortlauts zu erklären, um dann aber doch keine privatrechtliche Erklärung des Zwangsvergleichs zu geben, sondern dessen Wirkungen auf den gerichtlichen Hoheitsakt zurückzuführen. Ebenso verfährt Hermann Lucas, der eine „Kombination“ von Vertrags- und Urteilstheorie vornehmen will, die Rechtsfolgen 365 

Cohn, Rechtsnatur des Zwangsvergleichs, S. 59. ist nur eine Ausgabe, die lediglich das erste Drittel der Arbeit umfasst; in dieser findet sich der Hinweis auf eine vollständige Buchausgabe, welche aber offenbar verschollen ist. 367  Wackenthaler, Natur des Zwangsvergleichs. 368  Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 333. 369  Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 416. 370  Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 422. 371  Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 423. 372  Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 424. 366  Verfügbar



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indes allein auf den „Staatsakt“ des Bestätigungsbeschlusses stützt, der seinerseits von Mängeln des Vertrags unabhängig sein soll.373 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch Andreas von Tuhr (1914), indem er die Konkursgläubiger als Gemeinschaft und die Abstimmung über den Zwangsvergleich als Beschluss dieser Gemeinschaft einordnet, aber den Zwangsvergleich dennoch als „gerichtliche Handlung“ bezeichnet.374 Eduard Bötticher (1973) nähert sich der Urteilstheorie auf einem anderen Weg, indem er die Figur der richterlichen Vertragshilfe fruchtbar machen will.375 Unter Verweis auf die angeblich „in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit inzwischen immer stärker ausgebildeten Vertragshilfeverfahren“, wofür als Beispiel der Auseinandersetzungsplan bei der Erbengemeinschaft genannt wird, ordnet Bötticher zunächst den Mehrheitszwang beim Zwangsvergleich als eine „gesetzliche“ Vertragshilfe ein.376 Von diesem Gedanken ausgehend, zeigt er anhand des § 6 I, II KrAusglV, die er als „Übergangsmodell des Zwangsvergleichs“ beschreibt, dass richterliche Gestaltung vom „Rahmen der Grundkonzeption des Vertragshilfeverfahrens“ umfasst ist.377 Diesen Gedanken weiterführend, bezeichnet Bötticher es schließlich als „durchaus vertretbar, von einer Gestaltungswirkung des Bestätigungsaktes zu sprechen“, und zwar „derart, daß die richterliche Bestätigung den Vergleichsinhalt in sich aufnimmt und kraft Gesetzes über die Partner hinaus erstreckt.“378 Die Argumente der Urteilstheorie lassen sich im Wesentlichen auf zwei Punkte reduzieren: Erstens sei eine vertragliche Konstruktion des Zwangsvergleichs unmöglich, da die erforderlichen Willenserklärungen auf Gläubigerseite nicht vorlägen. Zweitens lasse sich das praktische Bedürfnis nach der Unangreifbarkeit des bestätigten Zwangsvergleichs nur durch das Institut der „Rechtskraft“ erlangen, welche wiederum ausschließlich einer gerichtlichen Entscheidung zukommen kann. Im Ergebnis wird daher angenommen, der Zwangsvergleich sei ein Urteil oder ein anderer richterlicher Verfahrensakt. Eine Schwäche der Theorie ergibt sich daraus, dass sie sich primär nicht auf die Schlüssigkeit ihres eigenen Konzeptes stützt, sondern auf die Widerlegung des vertraglichen Gegenmodells; eine solche „negative Beweisführung“ ist aber allein nicht überzeugend, weil der Beweis für die Unrichtigkeit der einen Theorie keinen Beweis für die Richtigkeit der anderen erbringt.

373 

Lucas, VglO, § 67 Anm. I. Tuhr, BGB AT II/1, S. 233, 236 f. 375  Bötticher, ZZP 1973, 373, 387 ff. 376  Bötticher, ZZP 1973, 373, 388. 377  Bötticher, ZZP 1973, 373, 389. 378  Bötticher, ZZP 1973, 373, 391. 374 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

bb)  Theorie vom Institut eigener Art Friedrich Oetker (1888) war der erste Vertreter einer Theorie vom Institut eigener Art. Er versteht den Zwangsvergleich als ein aus drei gleichwertigen Bestandteilen zusammengesetztes Gebilde und knüpft seine Wirkungen allein an die gesetzliche Anordnung.379 Dazu schreibt Oetker in „Konkursrechtliche Fragen“: „Die Gebundenheit der Gläubiger an den bestätigten Zwangsvergleich beruht unmittelbar auf Rechtssatz. Die Rechtsfolge ist im § 178 K.-O. ausgesprochen. Als Thatbestand erscheint eine zusammengesetzte Rechtsfigur: Vorschlag des Gemeinschuldners, zustimmender Beschluss der Gläubigerversammlung, Bestätigungsdecret des Konkursgerichts. Diese drei Rechtsacte sind in ihrer Verbindung der Zwangsvergleich. Der Wortlaut des § 170 K.-O. ist incorrect. Nicht der ‚angenommene Zwangsvergleich bedarf der Bestätigung des Konkursgerichts‘, sondern der angenommene Vergleichsvorschlag wird durch den Hinzutritt des Bestätigungsbeschlusses zum Zwangsvergleich.“380

In „Konkursrechtliche Grundbegriffe“ heißt es: „Zwangsvergleich ist nicht die gerichtlich bestätigte Uebereinkunft der Gläubiger mit dem Schuldner und nicht die Bestätigung der Uebereinkunft, so dass der Grund der bindenden Kraft entweder in dem Gläubigerbeschluss oder in dem Bestätigungsdekret zu finden wäre. Die Gebundenheit der Gläubiger und des Kridars erscheint vielmehr als die gesetzliche Folge des dreigliedrigen Thatbestandes.“381

Oetker sieht darin die „einfachste Lösung“ des Problems der Rechtsnaturfrage und führt aus: „Aufgabe der Doctrin ist es, der Eigenart neuer Rechtsgebilde unbefangen gerecht zu werden, nicht sie mit aller Gewalt in das Prokrustesbett hergebrachter Theorien einzuspannen. Bei der Fülle der Anforderungen, die das vielgestaltige moderne Rechtsleben an die juristische Theorie stellt, sollte unnützer Verbrauch von Arbeitskraft streng vermieden werden.“382

Somit verzichtet Oetker auf eine dogmatische Einordnung und belässt es bei der Feststellung, dass eine gesetzliche Regelung vorhanden ist. Der Ansicht Oetkers vom dreigliedrigen Tatbestand folgt Wilhelm Kisch (1929).383 Ähnlich sieht den Zwangsvergleich auch Hans Otto de Boor (1951), der aber die Teilelemente doch näher einzuordnen versucht: „Der Tatbestand des Zwangsvergleiches besteht aus drei gleichwertigen Elementen: dem Vergleichsvorschlag, dem Mehrheitsbeschluß der Gläubiger, der Bestätigung des Ge379  Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 223 ff. und Oetker, Konkursrechtliche Fragen, S. 35 ff.; die zweitgenannte Publikation wurde auch veröffentlicht in: FS Windscheid, S. 69 ff., im Folgenden wird aber die Einzelausgabe zitiert. 380  Oetker, Konkursrechtliche Fragen, S. 44. 381  Oetker, Konkursrechtliche Grundbegriffe, S. 223 f. 382  Oetker, Konkursrechtliche Fragen, S. 45. 383  Kisch, Grundriss des deutschen Konkursrechts, S. 74.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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richtes. Vergleichsvorschlag und Abstimmung der Gläubiger sind keine privatrechtlichen Willenserklärungen, sondern Prozeßhandlungen, Erklärungen an das Gericht. (Das kann für die Frage der Anfechtbarkeit wegen Irrtums, Täuschung und Drohung bis zum Bestätigungsbeschluß wichtig werden, denn nachher ist jedenfalls solche Anfechtung aus § 119 ff. BGB. unzulässig; vgl. § 196). In der Wirkung freilich, etwa hinsichtlich des Teilerlasses oder der Verpflichtung der Vergleichsbürgen, ähnelt der Zwangsvergleich einem bürgerlich-rechtlichen Vertrage, ohne doch ganz mit ihm übereinzustimmen. (Z. B: kein Rücktritt wegen schuldhafter Nichterfüllung, also keine Anwendbarkeit des § 325 BGB.)“384

Inhaltlich gleichbedeutend mit der Theorie der gesetzlichen Anknüpfung an einen dreigliedrigen Tatbestand ist die Ansicht, der Zwangsvergleich sei ein zusammengesetztes Rechtsinstitut eigener Art. Diese Formulierung verwenden Grabner (1920)385 sowie Georg Kuhn und Wilhelm Uhlenbruck (1962/1994)386 die ebenfalls nur die einzelnen Elemente näher betrachten wollen:387 „[Der Zwangsvergleich ist ein] Rechtsinstitut eigener Art. Jede andere Beurteilung tut den Dingen Gewalt an [...]. Seinem Inhalt nach ist der Zwangsvergleich ein Tatbestand des bürgerlichen Rechts. [...] Sein Zustandekommen vollzieht sich nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen. [...] Die Geltendmachung von Willensmängeln richtet sich [ausschließlich] nach § 196 [...].“388

Ähnlich gestaltet sich auch die Lösung von Karsten Schmidt (1997) der meint, dass „gegen echten Vertragscharakter [...] das Mehrheitsprinzip“ spreche, und der „im Zwangsvergleich eine Kombination aus privatrechtlichem Rechtsgeschäft und richterlichem Bestätigungsbeschluß“ sieht.389 Es sei daher „zwischen den einzelnen Willenserklärungen, dem Beschluß als Ganzem und seiner Bestätigung durch das Gericht zu unterscheiden.“390 Die einzelnen Stimmen seien zwar Willenserklärungen, aber auf das Beschlussverfahren dürften „Vertragsregeln [...] nicht unbesehen angewandt werden [...].“391 Hier wird ebenfalls ein Sonderinstitut konstruiert. Über Umwege gelangt schließlich auch Walter Krusch zu dem Ergebnis, der Zwangsvergleich sei ein Gebilde eigener Art. Seiner Ansicht nach wird die Annahme in Form „eines aus einem Mehrheitsbeschlusse folgenden Gesamt384 

Boor, Zwangsvollstreckung, Konkurs und Vergleich, S. 142. Grabner, ZZP 1920, 198, 210 („selbständige Rechtseinrichtung“). 386  Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 1, 1e. 387  Anders (Vertragstheorie) noch Mentzel/Kuhn, KO (7. Auflage), § 173 Anm. 1; ab der 8. Auflage dann sui-generis-Theorie, Mentzel/Kuhn, KO (8. Auflage), § 173 Rn. 1. 388  Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 1e. Ihnen schließen sich an: Walendy, Funktion und Legitimation des Zwangsvergleichs, S. 206, und Zimmermann, Konkurs, S. 84, die beide die Frage nach der Rechtsnatur zudem für bedeutungslos halten, sowie Wagner, Insolvenzrecht, S. 283. 389  Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 173 KO Anm. 1. 390  Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 173 KO Anm. 1. 391  Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 173 KO Anm. 1. 385 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

willens“ fingiert.392 Damit soll also zunächst ein Vertrag vorliegen, der in seinen Wirkungen alle nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger erfasst. Da Krusch jedoch nur die Konkursgläubiger insgesamt als eine Gemeinschaft begreift, nicht aber die zur Abstimmung über den Zwangsvergleich berufenen nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger,393 kann aus seiner Sicht der durch § 182 KO angeordnete „Beschluss“ keinen „Gesamtakt“ der nichtbevorrechtigten Gläubiger darstellen, sondern nur den Anknüpfungspunkt für die gesetzliche Fiktion einer Vertragsannahme.394 Bei diesem durch Fiktion zustandegekommenen Vertrag bleibt Krusch aber nicht stehen; er sieht in der prozessualen Einbettung und der gerichtlichen Bestätigung mehr als bloße Formvorgaben, die an der Natur des Instituts nichts ändern würden, sondern wesentliche Bestandteile desselben.395 Der Zwangsvergleich habe zwar einen rein privatrechtlichen Inhalt, stelle aber aufgrund der genannten Merkmale einen „öffentlich-rechtlichen Akt im formellen Sinne“ dar.396 Letztlich wird festgestellt, die Wirkungen des Zwangsvergleichs würden „wie alle rechtlichen Wirkungen vom objektiven Rechte, hier von [...] § 93 KO. geschaffen,“397 und das Gesetz knüpfe in diesem Fall an das Zwangsvergleichsverfahren als ein „prozessualisches Gestaltungsverfahren eigener Art“ an.398 Trotz des zunächst durch Fiktion herbeigeführten Vertrags wird der Zwangsvergleich also im Ergebnis als eigenartiges Konstrukt behandelt. Für ein Institut sui generis ist per definitionem die Beantwortung von Rechtsfragen über den Gesetzeswortlaut hinaus unmöglich. Eine solche „Einordnung“ bedeutet daher die Kapitulation der Rechtswissenschaft. Es ist zwar die Richtigkeit von Oetkers Überlegung nicht von der Hand zu weisen, dass dies die eigene Arbeitskraft schont, allerdings ist damit auch kein Erkenntnisgewinn verbunden.399

392 

Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 101. Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 99 f. 394  Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 98 ff. 395  Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 105 ff. 396  Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 124. 397  Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 132. 398  Krusch, Wesen des Vergleichs, S. 125 ff. 399  Eine ähnliche Kritik übt Heimann, Die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs, S. 23, der außerdem zutreffend die inhaltliche Aussage dieser Theorie angreift: „Unzweifelhaft finden sich Fälle, in denen das Gesetz an Tatsachen gewisse Folgen knüpft. Aber der Tatbestand, der nach Oetker den Zwangsvergleich bilden soll, besteht nicht aus drei Tatsachen, sondern aus drei Willenshandlungen. Mithin tritt der Erfolg, die Bindung der Parteien, dem Willen entsprechend ein, er schöpft seine Wirkung also aus dem Willen, nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Sonst könnte man ebensogut, wie beim Zwangsvergleich, beim Kauf sagen: ‚Als zusammengesetzter Tatbestand erscheinen die beiderseitigen Willenserklärungen und als seine Folge die Verpflichtung der Parteien‘.“ 393 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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cc) Rechtsnormtheorie Gerhard König (1930) lehnt die Urteilstheorie wegen der Bindung des Richters an die Abstimmung der Gläubiger und den Inhalt des Vergleichsvorschlags ab.400 Er meint, dass „bereits durch die Annahme des Vergleichsvorschlages seitens der Gläubigermehrheit die Bindung der nichtzustimmenden Gläubiger erfolgt.“401 Dies sei aber privatrechtlich nicht zu erklären,402 und deshalb403 will König den Zwangsvergleich als eine sog. Gesamtvereinbarung einordnen, ebenso wie die arbeitsrechtlichen Institute des Tarifvertrags und der Betriebsvereinbarung, mit denen der Zwangsvergleich „vieles gemeinsam“ habe.404 Bei der – damals umstrittenen – rechtlichen Einordnung dieser Institute lehnt König wiederum ein privatrechtliches Erklärungsmodell ab, und schließt sich der Ansicht an, dass diese „als Rechtsquellen objektives Recht [...] schaffen.“405 Diese „objektivrechtliche Regelung“ sei aber nicht als eine öffentlich-rechtliche einzuordnen, sondern wegen der ihr anhaftenden „privatrechtliche[n] Eigentümlichkeiten“ als eine „gruppen-rechtliche“.406 König erklärt das Zustandekommen des Zwangsvergleichs damit, dass zwischen dem Schuldner und den sämtlichen nichtbevorrechtigten Konkursgläubigern als der anderen Partei die „Gesamtvereinbarung“ geschlossen wird; die Gläubiger sollen deshalb eine einzige Partei darstellen, weil sie in einer „Zwangsgemeinschaft“ zusammengeschlossen werden.407 Die richterliche Mitwirkung habe rein formelle Bedeutung und beeinflusse das Wesen des Instituts nicht, ihre Funktion sei die einer staatlichen Aufsicht und insofern „Verwaltungstätigkeit“.408 „Durch“ die so zustandegekommene Gesamtvereinbarung, den Zwangsvergleich, werde die besagte gruppenrechtliche Regelung geschaffen, aus der die Wirkungen des Zwangsvergleichs folgen.409 Im Ergebnis wird der Zwangsvergleich damit als „objektivrechtliche Regelung“, also als eine Rechtsnorm eingeordnet.

400 

König, Zwangsvergleich, S. 66, 68. König, Zwangsvergleich, S. 68. 402  König, Zwangsvergleich, S. 63 ff. 403  König, Zwangsvergleich, S. 68. 404  König, Zwangsvergleich, S. 69. 405  König, Zwangsvergleich, S. 69. 406  König, Zwangsvergleich, S. 70. 407  König, Zwangsvergleich, S. 70 f. 408  König, Zwangsvergleich, S. 71 f. 409  König, Zwangsvergleich, S. 70. 401 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

dd) Vertragstheorie Die Vertragstheorie war die herrschende Auffassung in der Literatur. Allerdings waren sich ihre Vertreter uneins, wie der Vertrag zu konstruieren sei.410 Ein Vertrag kommt zustande durch Zustimmungserklärungen der Vertragsparteien.411 Unumstritten war, dass der Schuldner eine Vertragspartei sein sollte und den Vertragsantrag erklären sollte. Es herrschte aber Uneinigkeit, ob dieser Antrag bereits im Einreichen des Vergleichsvorschlags bei Gericht zu sehen sei412 oder erst im Abstimmungstermin abgegeben werde.413 Als demgegenüber weitaus wichtigere Weichenstellung war weiterhin zu entscheiden, wie die Annahme der Gläubiger erfolgen sollte, und wie – wenn nicht eine Annahmeerklärung jedes einzelnen Gläubigers konstruiert werden konnte – die Bindung der Gläubiger an den Zwangsvergleich zu erklären war, die diesem widersprochen oder sich gar nicht dazu geäußert hatten. Hier liegt der Kern der Problems; die hierzu vertretenen Auffassungen werden unten im einzelnen dargestellt. In der Natur der Vertragstheorie lag es, die gerichtliche Bestätigung als eine nur formale, die Rechtsnatur nicht prägende Voraussetzung für die Wirksamkeit des Zwangsvergleichs anzusehen. Umstritten war hingegen, ob der Zwangs410  Ohne Festlegung auf eine dogmatische Konstruktion wird die Vertragsnatur angenommen bei Böhle-Stamschräder, KO § 173 Anm. 1; Busch/Krieg, KO, § 193 KO Anm. 1 und § 73 VglO Anm. 1; Cahn, VglO, S. 298, 320 f.; Dernburg, Lehrbuch des Preußischen Privatrechts, § 125; Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 116; Eickmann, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch (1990), § 66 Rn. 2; Gottwald, in: FS Giger, 195, 202 f.; Häsemeyer, in: FS Gaul, S. 175, 176 f.; Hentsch, Besonderheiten des konkursabwendenden Zwangsvergleichs, S. 34; Kilger, KO, § 173 Anm. 1; Kropshofer, in: Hess/ Kropshofer, KO, § 173, Rn. 12 f.; Meisner, KO, § 160 Anm. c), f), § 161 Anm. a); Meyer, KO, vor § 173; Pagenstecher/Grimm, Konkurs, S. 144; Richert, NJW 1961, 2150, 2150; Sarwey, KO (2. Auflage), vor § 160; Schopper, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 2, 34 ff.; Stieglitz, KO, vor § 160 Anm. A, § 160 Anm. II, § 161 Anm. I; Vogels/Nölte, VglO, S. 157, 165; Wolff, KO (2. Auflage), § 173 ff., insb. § 182; Windscheid, Pandektenrecht, S. 366 (ebenso später: Windscheid/Kipp, Pandektenrecht, S. 528). 411  Flume, AT II, S. 602; Medicus, BGB AT, Rn. 203 f.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 6 ff.; vgl. außerdem zur Abgrenzung des Vertrags vom Beschluss unten § 4 D II 1 a cc. 412 So Endemann, Konkursverfahren, S. 585; Jaeger, Lehrbuch, S. 190; Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 2, 14; Kiesow, VglO, vor § 5 Rn. 3; Kurlbaum/Kurlbaum, in: Wilmowski, KO (6. Auflage), § 174 Anm. 4; Meisner, KO, § 161 Anm. a); Pagenstecher/Grimm, Konkurs, S. 144; Petersen/Kleinfeller, KO, § 174 Anm. 3; Stefan, Zwangsvergleich, S. 60; Stieglitz, KO, § 161 Anm. I; Wach, Zwangsvergleich, S. 15 f. 413 So Böhle-Stamschräder, KO § 173 Anm. 2; Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 116; Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 429; Heckel, Zwangsvergleich, S. 20; Hellmann, Lehrbuch, S. 538; Kilger, KO, § 173 Anm. 2; Kilger/Karsten Schmidt, § 173 Anm. 1; Kropshofer, in: Hess/ Kropshofer, KO, § 174, Rn. 3; Richert, NJW 1961, 2150, 2151; Richter, ZHR 1915, 112, 122; Hentsch, Besonderheiten des konkursabwendenden Zwangsvergleichs, S. 33; Jaeger, KO (6. und 7. Auflage), § 173 Anm. 23; Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage), § 173 Anm. 21; Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 18 ff.; ebenso ist wohl auch Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 415 zu verstehen, der aber nur sagt, dass die §§ 147 f. BGB auf den Vorschlag nicht „passen“, und dass der Vergleichsvorschlag im Abstimmungstermin „reproduziert oder doch aufrecht erhalten“ werden muss.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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vergleich wegen der Einbettung ins Konkursverfahren als nur materiellrechtlicher414 oder als auch415 oder sogar rein416 prozessualer Vertrag einzuordnen sei. Schließlich bestanden Zweifel, ob der Zwangsvergleich inhaltlich einen Vergleich i. S. d. § 779 I BGB regelte.417

aaa)  Prozessvertrag mit materiellrechtlichem Reflex Josef Kohler (1891) sieht im Zwangsvergleich einen Prozess-Vertrag zwischen dem Schuldner und den einzelnen Gläubigern.418 Gegenstand sei das „Beschlagsrecht des einzelnen.“419 Da dieses aber ein einheitliches sei, müsse die Entscheidung über seine Aufhebung ebenfalls einheitlich ergehen. Zur Entscheidung darüber sei die Mehrheit berufen, denn: „In solchen Fällen, wo der eine mit allen und alle mit dem einen leiden oder sich erheben, darf man die Ge414 Dafür Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 40; Jaeger, KO, § 173 Anm. 13 („[Der Zwangsvergleich] stellt seinem Inhalt nach einen Tatbestand des bürgerlichen Rechts, seiner Form nach einen Prozeßvorgang dar.“); Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 38 ff., 56 (Erklärungen als materiellrechtliche und prozessuale Handlungen, Vertrag aber rein materiellrechtlich). 415  Aufseß, Konkursrecht (2. Auflage), S. 184; Bleyer, KO, § 173 Anm. 1 (Erklärungen als Prozesshandlungen); Busch/Krieg, KO, § 193 KO Anm. 1 und § 73 VglO Anm. 1 (in öffentlichrechtlichen Formen); Eickmann, Konkurs- und Vergleichsrecht, S. 116 f. („Erklärungen und Anträge der Gläubiger“ sind Prozesshandlungen); Eickmann, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch (1990), § 66 Rn. 2; Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 66; Heckel, Zwangsvergleich, S. 151 f., 154 („Konkursprozessvergleich“); Hentsch, Besonderheiten des konkursabwendenden Zwangsvergleichs, S. 34, 63 f.; Kilger, KO, § 173 Anm. 1 (Anträge und Abstimmung als Prozesshandlungen); Kiesow, VglO, vor § 5 Rn. 5 (Vertrag kommt in prozessualer Form zustande); Kropshofer, in: Hess/ Kropshofer, KO, § 173, Rn. 19; Petersen/Kleinfeller, KO, vor § 173 Anm. 4, 6; Purper, Die befreiende Wirkung des Zwangsvergleichs, S. 17 f.; Richter, ZHR 1915, 112, 141; Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 18; Wach, Zwangsvergleich, S. 80 ff.; Warneyer, VglO § 82 Anm. I, (Erklärungen sind Prozesshandlungen); Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage) § 173 Anm. 13, 15 (Erklärungen sind „der Form nach Prozeßhandlungen“); Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 17 f. („in Form einer Prozeßhandlung geschlossener Vertrag“). 416 So Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 422 (soweit er einen Vertrag annimmt); Kohler, Lehrbuch, S. 452 f.; Petimesas, Zwangsvergleich, S. 49 ff. 417 Dafür: Aufseß, Konkursrecht (2. Auflage), S. 184; Bleyer, KO, § 173 Anm. 1; BöhleStamschräder, KO § 173 Anm. 1 („idR“); Busch/Krieg, KO, § 193 KO, § 73 VglO Anm. 1; Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 66; Günther, in: Willenbücher, KO (3. Auflage), § 173 Rn. 1; Heimann, Die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs, S. 32 f.; Heckel, Zwangsvergleich, S. 148 ff. (zumindest im Regelfall); Jaeger, Lehrbuch, S. 190 („meist“); Jaeger, KO, § 173 Anm. 13, („zumeist“); Kilger, KO, § 173 Anm. 1 („idR“); Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 54 ff. (aber nur im Regelfall, nicht immer); Kiesow, VglO, vor § 5 Rn. 2; Purper, Die befreiende Wirkung des Zwangsvergleichs, S. 17 f.; Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 20; Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 409; Wach, Zwangsvergleich, S. 80 ff.; Warneyer, VglO § 82 Anm. I; Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage) § 173 Anm. 16; Wedemeyer, Zwangsvergleich, S. 64; Wolff, KO, § 182 Anm. 3. Dagegen: Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 425; Petersen/Kleinfeller, KO, vor § 173 Anm. 4, 6. 418  Kohler, Lehrbuch, S. 452. 419  Kohler, Lehrbuch, S. 453.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

samtheit nicht einem hartnäckigen Einzelnen aufopfern.[...] Daher der Satz: der prozessualische Vertrag bewirkt eine Lösung des Beschlagsverhältnisses, auch wenn er nicht von allen Gläubigern abgeschlossen worden ist. Da der Vertrag ein prozessualischer Vertrag ist und da die zivilistischen Wirkungen desselben nur die Konsequenzen der prozessualischen Beschlagserledigung sind, so ergibt sich daraus die Folgerung, daß der Zwangsvergleich sich in seiner zivilistischen Wirkung auf alle Personen bezieht, die bei dem Konkurse beteiligt sind [...].“420 Demnach wären die materiellrechtlichen Wirkungen des Zwangsvergleichs ein bloßer Reflex des prozessualen Vertrags, für den die Besonderheit bestehen soll, dass er für alle Gläubiger wirkt, obwohl ihn nur die Mehrheit angenommen hat. Dieser Meinung Kohlers schließt sich Thrasybulos Petimesas (1906) an.421

bbb) Kontrahierungszwang Joseph Löhr (1891) erwägt die Möglichkeit einer Rechtspflicht der ablehnenden und abwesenden Gläubiger zur Annahme, lehnt dies aber im Ergebnis deshalb ab, weil der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt für diese Pflicht gibt.422 Im Sinn einer solchen Konstruktion ist aber wohl Theodor Süß (1928) zu verstehen, der meint, „daß die Minderheit durch die Mehrheit zum Vertrag auf Grund des Gesetzes gezwungen werde.“423 Süß vergleicht diese Regelung zum Zwangsvergleich mit den „Zwangsverträgen der Nachkriegszeit [...], z. B. Zwangsmiete, Zwangspacht, Zwangsarbeitsvertrag [...].“424

ccc) Stellvertretung Fritz Günther (1896) erklärt die Wirkungserstreckung mit einer Zwangsvertretung.425 Ebenso Friedrich Hellmann (1907): „Die Bindung der Minorität bzw. der nicht abstimmenden und der nicht angemeldeten Gläubiger ist eine zur Begünstigung des Zwangsvergleichs angeordnete gesetzliche Wirkung, die theoretisch sich so fassen läßt, daß das Gesetz eine Zwangsvertretung all dieser Personen durch die Mehrheit unterstellt.“426 Stanislaw Heimann (1907) tritt ebenfalls für die Vertretungslösung ein: Jeder Gläubiger gebe zwei Willenserklärungen ab, eine im eigenen Namen und 420 

Kohler, Lehrbuch, S. 458. Petimesas, Zwangsvergleich, S. 49 ff. 422  Löhr, ZZP 1891, 335, 378 ff. 423  Süß, ZHR 1928, 446, 456. 424  Süß, ZHR 1928, 446, 456. 425  Günther, in: Willenbücher, KO (3. Auflage), § 173 Rn. 1. In der Vorauflage, die noch vollständig vom Begründer selbst stammt, wird lediglich der Vertragscharakter des Zwangsvergleichs ohne weitere Erläuterung der Konstruktion angenommen: Willenbücher, KO (2. Auflage), § 160 Anm. 4. 426  Hellmann, Lehrbuch, S. 645. 421 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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eine im Namen der anderen Gläubiger, wobei letztere bei Zustandekommen der Mehrheit kraft einer für diesen Fall angeordneten gesetzlichen Vertretungsmacht wirksam werde.427 Der entgegenstehende ausdrückliche Wille der so vertretenen Minderheit stehe dem nicht entgegen, da dies an der Vertretungsmacht nichts ändere.428 Eine Stellvertretung befürwortet auch Heinrich Gerland (1905), der diese aber mit einer zuvor begründeten gesetzlichen Pflicht zur Annahme kombiniert: Er sieht in der Gläubigerabstimmung zwei getrennte juristische Vorgänge, nämlich zunächst eine bloß nach innen gerichtete, also nicht auf den Antrag antwortendende, Stimmabgabe der Gläubiger.429 So soll der Einwand gegen die Vertretungslösung entkräftet werden, dass eine Stellvertretung gegen den ausdrücklich erklärten Willen des zu Vertretenden nicht zulässig sei. Bei einer mehrheitlichen Befürwortung werde dann die Minderheit zur Annahme des Antrags gesetzlich verpflichtet.430 Durch die in Erfüllung dieser Pflicht erfolgende Annahme der Gläubiger, die den zweiten, externen Vorgang darstellen soll,431 würden wiederum die abwesenden Gläubiger kraft gesetzlicher Stellvertretung gebunden.432 Wie die gesetzliche Pflicht der ablehnenden Gläubiger zur Annahme erfüllt wird, erklärt Gerland nicht. Die Annahme durch die zustimmenden Gläubiger wird auch nicht weiter behandelt, möglicherweise soll sie schon bei der – eigentlich rein internen – Stimmabgabe erfolgen.433

ddd)  Gesetzliche Anordnung Joseph Löhr (1891) meint, dass sich eine Vertragsannahme der gegen den Zwangsvergleich stimmenden Gläubiger nicht durch eine entsprechende Verpflichtung oder eine Vertretung konstruieren lasse434 und wählt als Lösung, dass die Erstreckung der Wirkungen des Zwangsvergleichs auf diese durch gesetzli427 

Heimann, Die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs, S. 38 f. Heimann, Die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs, S. 39. 429  Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 39. 430  Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 39. 431  Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 40 spricht hier zwar von einer „Annahme der Offerte durch die Gesammtheit der erschienenen Gläubiger“, dennoch geht er aber nicht von einem einzigen Vertrag zwischen dem Schuldner und der Gläubigerschaft aus, wie ja gerade die Stellvertretungskonstruktion zeigt. Dass er eine materiellrechtliche Rechtsgemeinschaft der Gläubiger ablehnt und nur eine prozessuale Verbindung zwischen ihnen sieht, sagt er schon vorher ausdrücklich (Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 37 f.). 432  Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 40. 433 Vgl. Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 66, wo es allerdings um die Anwendbarkeit von § 1822 Nr. 12 BGB geht, und daher unklar ist, ob die Terminologie mit den obigen Ausführungen zur Natur des Zwangsvergleichs übereinstimmt: „Die Stimmabgabe ist mithin allerdings eine Prozeßhandlung, sie stellt sich aber zugleich dar als Annahme des materiellen Vergleichsvorschlages, als materielle Rechtshandlung [...].“ 434  Löhr, ZZP 1891, 335, 378 ff. 428 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

che Anordnung erfolgen soll.435 Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Zwangsvergleich zusammengesetzt sei aus Verträgen zwischen dem Schuldner und den zustimmenden Gläubigern, die gerichtlich bestätigt werden, ohne dass dadurch die Vertragsnatur berührt würde,436 und einer daran anknüpfenden gesetzlichen Anordnung, welche die im Zwangsvergleich geregelten Rechtsfolgen für die nicht zustimmenden Gläubiger begründe.437 Julius Petersen und Georg Kleinfeller (1900) lehnen eine Rechtsgemeinschaft unter den Gläubigern mangels eines gemeinsamen Rechts ab,438 und sehen auch in der Gläubigerversammlung kein Rechtssubjekt.439 Zudem meinen sie, es sei selbst bei Annahme einer solchen Gemeinschaft nicht zu erklären, wie diese in die für sie fremden Rechte der nicht zustimmenden Konkursgläubiger eingreifen könnte.440 Vertragspartner seien demnach der Schuldner und die Konkursgläubiger als einzelne; der Vertrag werde geschlossen zwischen dem Schuldner und den zustimmenden Konkursgläubigern, und erstrecke kraft gesetzlicher Anordnung seine Wirkungen auf die nicht zustimmenden Konkursgläubiger.441 Dies stimmt mit der Konstruktion von Joseph Löhr überein.442 Die Theorie Löhrs übernimmt auch Heinrich Heckel (1912).443 Allerdings versteht er sie so, dass die gesetzliche Bindungswirkung auch dann eintreten soll, wenn aufgrund von Mängeln der abgegebenen Erklärungen tatsächlich keine Verträge zwischen dem Schuldner und den zustimmenden Gläubigern zustandekamen: In diesem Fall soll die gesetzliche Regelung nur an die „formellen Voraussetzungen“ anknüpfen, womit der äußerliche Vorgang der Abstimmung gemeint ist, und die Bindung aller Gläubiger damit auf dem Rechtssatz beruhen.444 Viktor Rintelen (1902) liefert keine dogmatische Erklärung, folgt aber wohl der Idee einer gesetzlichen Wirkungserstreckung, wenn er erklärt, der Zwangs435 

Löhr, ZZP 1891, 335, 385 ff. Löhr, ZZP 1891, 335, 388 ff. 437  Löhr, ZZP 1891, 335, 411 ff. 438  Petersen/Kleinfeller, KO, § 3 Anm. 2 und vor § 173 Anm. 2, 6. 439  Petersen/Kleinfeller, KO, vor § 173 Anm. 6. 440  Petersen/Kleinfeller, KO, vor § 173 Anm. 6. 441  Petersen/Kleinfeller, KO, vor § 173 Anm. 6. 442  Kießling unterscheidet die Theorien: Die Konstruktion von Petersen/Kleinfeller ordnet er als einen „Vertrag zu Gunsten und zu Lasten Dritter“ ein (Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 27), und betrachtet getrennt davon Löhrs Theorie von der gesetzlich angeordneten Wirkungserstreckung (Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 35). Inhaltlich gibt es aber keinen Unterschied: Die Bezeichnung als „Vertrag zu Gunsten und zu Lasten Dritter“ stammt von Kießling selbst; dagegen sprechen beide Theorien davon, dass sich die Wirkungen auf die Nichtzustimmenden und Abwesenden erstrecken. Es wird auch nicht gelingen, einen – gesetzlich festgelegten – Vertrag mit Wirkung für Dritte von einem Vertrag mit gesetzlich angeordneter Wirkung für Dritte abzugrenzen, denn es bleibt in jedem Fall bei der gesetzlichen Anordnung der Wirkungserstreckung. 443  Heckel, Zwangsvergleich, S. 143. 444  Heckel, Zwangsvergleich, S. 147 f. 436 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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vergleich sei ein „zwischen dem Gemeinschuldner und der Mehrheit der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger mit bindender Kraft für die übrigen nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger [...] abgeschlossener Vertrag [...].“445 Ohne weitere Erläuterung verweist Otto Warneyer (1932), der zwar einen „Vertragscharakter“ des Zwangsvergleichs annimmt, aber „die allgemeinen Vorschriften des Privatrechts für nicht unmittelbar anwendbar“ erklärt, schlicht auf die „Vorschriften der Konkursordnung sowie die entsprechend anwendbaren Vorschriften der ZPO“, die für den Zwangsvergleich gelten sollen.446 Ernst Stefan (1988) konstruiert die Bindungswirkung für die Ablehnenden und Abwesenden ebenfalls unter Rückgriff auf die gesetzliche Anordnung: Er sieht in den Zustimmungserklärungen jeweils Vertragsannahmen unter der aufschiebenden Bedingung der gerichtlichen Bestätigung und führt die Bindung der nicht zustimmenden nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger unmittelbar auf das Gesetz zurück.447 Nur auf die gesetzliche Anordnung der Bindungswirkung stützen sich auch Joseph Bleyer (1928),448 Friedrich Weber (1973),449 Fritz Baur (1978),450 Rolf Stürner (1990),451 Othmar Jauernig (1990)452 und Harro Mohrbutter (1997)453.

eee)  Gesetzlich angeordneter Beschluss, „unechte“ Gemeinschaftstheorien Ob die Konkursgläubiger eine rechtlich verfasste Gemeinschaft bilden sollten, war in der Literatur umstritten. Verbreitet war auch die Auffassung, die Gläubiger wären bloß durch ihre gemeinsamen Interessen verbunden,454 sie würden also keine Gemeinschaft im Rechtssinne bilden, könnten aber dennoch aufgrund der gesetzlichen Anordnung Beschlüsse fassen. Bei einigen Autoren, die von einem „gemeinsamen“ Willen oder auch von einem Vertrag „mit den sämtlichen Gläubigern“ sprechen, bleibt letztlich unklar, ob überhaupt ein gemeinschaftsrechtliches Konstrukt gemeint sein soll; wegen der zumindest begrifflichen 445 

Rintelen, Konkursrecht, S. 302. Warneyer, KO, § 173; ebenso: Warneyer, VglO § 82 Anm. I. 447  Stefan, Zwangsvergleich, S. 60 f. 448  Bleyer, KO, § 173 Anm. 1. 449  Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage) § 173 Anm. 11, 12. 450  Schönke/Baur, Zwangsvollstreckung, S. 373. 451  Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 24.2. 452  Jauernig, Zwangsvollstreckung, S. 238. 453  Mohrbutter, in: Mohrbutter, Insolvenzverwaltung, Rn. XII.4. 454  Von einer Interessengemeinschaft, wie sie heute diskutiert wird, kann dabei nicht gesprochen werden. Die Interessengemeinschaft wurde erstmals 1934 von Hans Würdinger als ein allgemeines Rechtsinstitut interpretiert, vorher wurde der Begriff nur für die Beschreibung einzelner gesetzlich anerkannter Rechtsverhältnisse oder als rechtspolitisches Argument verwendet (siehe Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 5 ff., 12). Die hier aufgeführten Theorien konstruieren aber gerade keine Gemeinschaft unter den Gläubigern, sondern sehen die Möglichkeit eines Beschlusses als Folge einer spezialgesetzlichen Anordnung. 446 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Nähe dieser Theorien zur Annahme einer rechtlich verfassten Gemeinschaft der Konkursgläubiger sind diese aber als eigene Kategorie zu behandeln. Wilhelm Endemann (1889) trifft keine dogmatische Einordnung der Gläubigerschaft, sieht aber beim Vertragsschluss die Konkursgläubiger „sämmtlich als die Kontrahenten der einen Seite, weil der Wille der zustimmenden Mehrheit kraft gesetzlicher Vorschrift zugleich als Wille der überstimmten Minderheit gilt.“455 Diese Ansicht Endemanns greift Carl Deybeck (1890) an; ob er eine „Gemeinschafts-Konstruktion“ wählt, ist aber nicht ersichtlich, wenn er formuliert: „Gewiss ist der Zwangsvergleich ein Vertrag, aber nicht zwischen dem Gemeinschuldner und sämmtlichen Gläubigern, sondern zwischen dem Gemeinschuldner und der ausschlaggebenden Mehrheit der Gläubiger; deren Befugniss, eine theilweise Aufhebung oder Veränderung der einzelnen Forderungen der Concursgläubiger herbeizuführen, erscheint als besonderer, aus Nützlichkeitsgründen aufgestellter Rechtssatz.“456 Bei Eckart Freiherr von Aufseß (1899) wird nicht deutlich, ob seine Konstruktion einen Vertrag des Schuldners mit der Gläubigergesamtheit oder mit jedem einzelnen Gläubiger hervorbringt;457 jedenfalls soll aber nur eine Erklärung auf der Gläubigerseite abgegeben werden: Er versteht die Gläubigerversammlung als „ein Organ zur Abwicklung des Konkursverfahrens, ohne daß man deshalb die Gesamtgläubigerschaft als einen juristischen Begriff aufzufassen braucht, ebensowenig wie die Generalversammlung der Aktionäre [...].“458 Die Gläubigerversammlung bringe aber „die Willensäußerungen der Gläubiger [...] durch Mehrheitsbeschluß zum Ausdruck.“459 Die Vertragsannahme der Gläubiger soll also durch Beschluss der Gläubigerversammlung erfolgen,460 wobei aber, da die Gläubiger ja nicht in einem „juristischen Begriff“ zusammengefasst werden, unklar ist, wer die Erklärung letztlich abgeben und wie die Bindung aller Gläubiger an diese Erklärung dogmatisch hergeleitet werden soll. Otto von Sarwey und Gustav Boßert (1901) lehnen eine rechtliche Gemeinschaft unter den Konkursgläubigern ab, meinen aber, dass sich der Mehrheitszwang „aus dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger, welches im Zweifel durch den übereinstimmenden Willen der Mehrheit richtig zum Ausdruck kommt, [...] legislatorisch rechtfertigt.“461 455 

Endemann, Konkursverfahren, S. 585. Deybeck, Zeitschrift für Privatrecht 1890, 356, 360. 457  Im Folgenden wird Bezug genommen auf Aufseß, Konkursrecht (2. Auflage), S. 112, 184 f. In der ersten Auflage wird ebenfalls von der Vertragstheorie ausgegangen, allerdings finden sich dort kaum dogmatische Einordnungen. Aufseß folgt dort inhaltlich den Motiven und spricht demzufolge ohne weitere Begründung von einem Mehrheitsbeschluss der Gläubiger (Aufseß, Konkursrecht (1. Auflage), S. 140 f., 144). 458  Aufseß, Konkursrecht (2. Auflage), S. 112. 459  Aufseß, Konkursrecht (2. Auflage), S. 184. 460  Aufseß, Konkursrecht (2. Auflage), S. 185. 461  Sarwey/Boßert, KO (4. Auflage), vor § 173. 456 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Karl Wedemeyer (1904) hält den Gemeinschaftstheorien entgegen, dass diese „das Nebeneinanderbestehen von zwei Gläubigergemeinschaften – einer Gläubigergemeinschaft und einer den Zwangsvergleich abschliessenden Vereinigung der nicht bevorrechtigten Gläubiger – an[zu]nehmen“ müssten, was er für „bedenklich“ hält.462 Unter Verweis auf Sarwey und Boßert kommt er daher zu dem Ergebnis, „dass sich die Bindung aus dem gemeinsamen Interesse der Konkursgläubiger ergibt.“463 Die Schwierigkeiten der Vertragstheorie will Friedrich Lent (1960) damit lösen, dass „man im Vergleichsschluß eine Art von Gesamtakt der Gläubigerschaft erblickt. Hierzu finden sich Seitenstücke, allerdings nur bei Körperschaften und juristischen Personen, z. B. Vereinen, Aktiengesellschaften, bei denen durchweg bindende Mehrheitsbeschlüsse bekannt sind.“464 Im Gegensatz zu den im nächsten Punkt dargestellten, „echten“ Gemeinschaftstheorien, stützen sich diese Modelle nicht auf eine Gemeinschaft im Rechtssinn, zu denen sie allenfalls eine gewisse Nähe erkennen, sondern sie „entlehnen“ nur den Begriff des Beschlusses. Die Möglichkeit und Wirkung eines solchen Beschlusses wird hingegen allein aus dem Gesetz abgeleitet.465

fff)  „Echte“ Gemeinschaftstheorien Viele Autoren versuchten, Zustandekommen und Wirkungen des Zwangsvergleichs mithilfe der Rechtsfigur einer Gemeinschaft der Gläubiger zu erklären.466 Dieser Ansatz lag auch den Motiven zur KO zugrunde, wurde dort aber nicht im Detail erläutert.467 Manche der im Folgenden dargestellten Lösungsversuche sind vom heutigen Stand der Rechtswissenschaft überholt. So ist der immer wieder auftauchende Begriff eines „Gesamtwillens“, der gleichzeitig gebildet werden und unmittelbar nach außen wirken soll, mit der heutigen Rechtsgeschäftslehre nicht ver462 

Wedemeyer, Zwangsvergleich, S. 62 f. Wedemeyer, Zwangsvergleich, S. 63. 464  Lent, Zwangsvollstreckung, S. 169. 465 Aufgrund einer fehlenden genaueren dogmatischen Einordnung lässt sich bei diesen Theorien nicht sagen, ob am Ende nur ein Vertrag vorliegen soll zwischen dem Schuldner und der „Interessengemeinschaft“, oder aber eine Vielzahl von Verträgen zwischen dem Schuldner und jedem einzelnen Gläubiger. Anzuzweifeln ist daher in diesem Punkt die Darstellung bei Madaus, Insolvenzplan, S. 66 ff., der danach gliedert, ob die Annahme von jedem Gläubiger einzeln oder von den Gläubigern als Gesamtheit erklärt wird: es bleibt offen, wer welche Erklärungen abgibt, wenn nur auf eine „gesetzlich angeordnete Wirkung für alle Gläubiger“ abgestellt wird. 466  Ohne ausdrücklichen Bezug zum Zwangsvergleich nimmt Otto Gierke eine Gemeinschaft der Konkursgläubiger an, die Mehrheitsbeschlüsse fassen kann (Gierke, Privatrecht, S. 674, 688). 467  Siehe dazu schon oben a und insb. Hahn, Materialien, S. 350. Dem folgen Stieglitz, KO, § 2 Anm. I und § 169 Anm. II und Völderndorff, KO (1. Auflage), S. 449. 463 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

einbar und nur vor dem Hintergrund der lange ungeklärten Rechtsnatur des Beschlusses zu verstehen, der anfangs nicht nur als Internum aufgefasst wurde.468 Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Diskussion um eine „Interessengemeinschaft“ als Rechtsfigur erst 1934 mit der Arbeit von Hans Würdinger konkretisiert wurde.469 Wenn also im Folgenden der Begriff der „Interessengemeinschaft“ genannt wird, kann dem nicht das heutige Verständnis von diesem Modell zugrundegelegt werden. Schließlich sind manche der Konstruktionen nach heutigem Verständnis schlicht unklar oder inkonsistent, weil sie mit den heutigen Lehren über Personenmehrheiten nicht übereinstimmen. Was aber die hier dargestellten Theorien eint und von den vorgenannten „unechten“ Gemeinschaftstheorien unterscheidet, ist die Ansicht der Autoren, dass die Gläubiger rechtlich in irgendeiner Art von „Gemeinschaft“ (im untechnischen Sinn) verbunden sind, aus der sich das Mehrheitsprinzip natürlicherweise rechtfertigt, während die im vorherigen Punkt vorgestellten Thesen nur für den Einzelfall des Zwangsvergleichs eine Mehrheitsentscheidung in Anlehnung an die in einer Gemeinschaft geltenden Grundsätze rechtfertigen wollen. Die Konkursgläubiger sieht von Canstein (1882) zu einer Personengesamtheit verbunden, die neben weiteren Rechten insbesondere die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse besitzen soll.470 Der Zwangsvergleich kommt demnach zustande zwischen dem Schuldner und der Gläubigerschaft als Rechtssubjekt, „indem hiebei der Majoritätsbeschluss der Gläubigerversammlung (bezw. der interessirten, d. i. nicht bevorrechtigten Gläubiger) als Wille der Gläubigerschaft angesehen wird.“471 Auch Adolf Wach (1885) behandelt in seinem „Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts“ den Zwangsvergleich. Er erläutert den Status der Konkursgläubiger folgendermaßen: „Sie sind eine durch die Konkursordnung organisirte (Gläubigerversammlung, Gläubigerausschuss, Konkursverwalter) Personenmehrheit, welche, soweit die Einheit ihrer rechtlichen Interessen besteht – und das ist vor allem in dem gesammten, auf die ausgiebigste Feststellung und Liquidirung der Aktivmasse gerichteten Verfahren der Fall –, einheitlicher Willensakte fähig und zweifellos formell parteifähig ist.“472 Vor diesem Hintergrund formuliert er: „Der Zwangsvergleich ist Rechtsgeschäft, hängt von der Willenseinigung der Gläubigerschaft und des Kridars ab [...]. Der 468  Siehe zu dieser historischen Diskussion Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 2 a (mit Nachweisen) und zur heutigen Definition des Beschlusses unten § 4 D I 1. 469  Würdinger, Interessengemeinschaften; zur Kritik an diesem Modell unten § 3 D II 3 b aa. 470  Canstein, Zeitschrift für Privatrecht 1882, 461, 465 ff.; den Gläubigerausschuss, die Gläubigerversammlung und auch den Konkursverwalter versteht Canstein als Organe der Gläubigerschaft (Canstein, Zeitschrift für Privatrecht 1882, 461, 473 ff.). 471  Canstein, Zeitschrift für Privatrecht 1882, 461, 465. 472  Wach, Handbuch, S. 590.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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bindende Majoritätsbeschluss folgt aus der positivrechtlichen Konstruktion der societas litis, welche das corpus creditorum vereinigt.“473 Stefan Ciuntu (1892) verweist auf die Motive und stützt die Annahme einer Gemeinschaft der Gläubiger auf deren gemeinsames wirtschaftliches Interesse, sowie außerdem auf das konkursrechtliche Universalitätsprinzip.474 Einzelheiten des Vertragsschlusses werden aber nicht erörtert. Die im Jahr 1900475 von Theodor Wolff vertretene Konstruktion beruht ebenfalls auf dem Ansatz der Motive und geht von einer mit der Konkurseröffnung begründeten Gemeinschaft der Konkursgläubiger aus: „Indem der § [3 KO] als Zweck des Konkurses ein Verfahren bestimmt, welches zur gemeinschaftlichen Befriedigung der Konkursgläubiger dient, legt er den einzelnen Konkursgläubigern, welche ohne das Verfahren ihre Befriedigung auf eigene Hand ohne Rücksicht auf andere gleichberechtigte Gläubiger suchen dürfen, die Verpflichtung auf, sich zu Gunsten der Mitgläubiger auf das Maß gleichmäßiger Befriedigung zu beschränken, und giebt ihnen andererseits das, ihnen von den Mitgläubigern nicht entziehbare, Recht auf gleichmäßige Befriedigung (Konkursanspruch). Diese Beschränkung und das Recht auf gleichmäßige Befriedigung sind das gemeinsame Band, welches sie zu einer Kommunion vereinigt.“476 Durch die im Entzug der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis liegende Beschlagnahme zugunsten der Konkursgläubiger als Gesamtheit soll demnach eine Gemeinschaft i. S. d. § 741 BGB entstehen.477 Auf dieser Grundlage stellt Wolff fest, der Zwangsvergleich sei ein „entgeltlicher Vertrag der durch die Konkurseröffnung zu einer Gemeinschaft vereinigten Konkursgläubiger, Anm. 1 zu § 3, mit dem Gemeinschuldner über Aufhebung des Konkursverfahrens.“478 Als Vertragsparteien sieht Wolff den „Gemeinschuldner und die Gläubiger, deren Zustimmung in der Beschlußfassung der Majorität besteht.“479 Zum Vertragsinhalt heißt es: „Gegenstand des Vertrags ist nur auf der einen Seite die Aufhebung des Verfahrens, auf der anderen Seite ein allen Gläubigern nach dem Verhältniß ihrer Forderung gleichmäßig zu gewährendes Entgelt; denn die unentgeltliche Bewilligung der Beendigung des Verfahrens begründet nicht den Akkord, sondern die Einstellung des Verfahrens, zu welcher der § 202 die Einstimmigkeit der Konkursgläubiger verlangt.“480 473 

Wach, Handbuch, S. 52. Ciuntu, Zwangsvergleich, S. 37. 475  Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die erste Auflage von Wolffs Kommentar; in der zweiten Auflage wurde an einer vertraglichen Konstruktion festgehalten, diese aber nicht mehr näher erläutert, siehe Wolff, KO (2. Auflage), § 173 ff., insb. § 182. 476  Wolff, KO (1. Auflage), § 3 Anm. 1. 477  Wolff, KO (1. Auflage), § 3 Anm. 1. 478  Wolff, KO (1. Auflage), § 173 Anm. 2. 479  Wolff, KO (1. Auflage), § 173 Anm. 3. 480  Wolff, KO (1. Auflage), § 173 Anm. 2. 474 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Voß (1904) geht von einer „prozeßrechtlich organisierten Gläubigerschaft“ als einer „über den einzelnen stehende[n] rechtliche[n] Einheit“ aus, „die den zu ihr vereinigten Konkursgläubigern ihren kraft Gesetzes überlegenen Willen aufzwingt.“481 Er meint, daß „die organisierte Einheit der Gläubiger [...] hier ihre gesetzlich geregelte Herrschaft über Einzelwillen und Einzelrecht [ausübt].“482 Die Bindung jener Konkursgläubiger, die an der Abstimmung oder am Konkursverfahren insgesamt nicht teilnehmen, will Voß „durch Vermittelung der Versäumnisfolgen“ begründen.483 Karl Dietrich Adolf Kurlbaum und Alfred Kurlbaum (1906) folgen inhaltlich den Motiven: „Der gesetzgeberische Grund für die Wirkung der Beschlüsse liegt in der durch die Gemeinsamkeit der Interessen (§ 173 Abs. 1 Z. 2) begründeten Gemeinschaft der Gläubiger. Der Beschluß, durch den der Zwangsvergleich angenommen wird, bewirkt unmittelbar das Zustandekommen des Vertrages.“484 Weiter wird die dogmatische Konstruktion nicht erläutert. Eine Konstruktion der Vertragsannahme mithilfe des Gemeinschaftsmodells versucht auch Kurt Waschow (1909) bei dem sich allerdings kein stimmiges Gesamtkonzept ergibt. Waschow meint, die Annahme erfolge „durch die Gläubigergesamtheit, insoweit als diese beim Zwangsvergleich stimmberechtigt ist; sie erfolgt mithin durch eine ordentliche Gläubigerversammlung, in der jedoch die bevorrechtigten Gläubiger nicht Sitz und Stimme haben.“485 Er führt dazu aus: „Wie in den Fällen einer Beschlußfassung über etwa erforderliche Verwaltungsmaßnahmen bindet auch hier der Beschluß der Mehrheit der Versammlung alle Gläubiger [...].“486 Dazu nimmt Waschow an, dass die „nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger [...] durch den ihnen gemeinschaftlichen Konkursanspruch in eine ‚rechtliche Gemeinschaft‘ gebracht [werden], die ihre Beschlüsse auf Grund des Majoritätsprinzips faßt.“487 Dabei soll die Gläubigerschaft aber keine juristische Person oder eine Gemeinschaft i. S. d. § 741 BGB bilden.488 Zwar sieht Waschow nun einerseits die Annahme in dem Beschluss und erklärt, „daß dem Gemeinschuldner nicht der einzelne Gläubiger als Vertragsgegner gegenübersteht [...].“489 Doch die Zustimmungserklärungen sollen nach seiner Vorstellung einen „zweifachen Charakter“ haben, und neben der internen Stimmabgabe auch eine außenwirksame Annahmeerklärung beinhalten.490 Im Ergebnis werden damit sowohl Annahmeerklärungen der zu481 

Voß, ZZP 1904, 417, 422 f. Voß, ZZP 1904, 417, 423. 483  Voß, ZZP 1904, 417, 423. 484  Kurlbaum/Kurlbaum, in: Wilmowski, KO (6. Auflage), vor § 173 Anm. 2. 485  Waschow, Die Erklärung über den Zwangsvergleichsvorschlag, S. 24. 486  Waschow, Die Erklärung über den Zwangsvergleichsvorschlag, S. 26. 487  Waschow, Die Erklärung über den Zwangsvergleichsvorschlag, S. 24. 488  Waschow, Die Erklärung über den Zwangsvergleichsvorschlag, S. 24. 489  Waschow, Die Erklärung über den Zwangsvergleichsvorschlag, S. 26. 490  Waschow, Die Erklärung über den Zwangsvergleichsvorschlag, S. 26, 58. 482 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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stimmenden Gläubiger als auch eine Annahmeerklärung der Gemeinschaft der Gläubiger konstruiert, sodass weder klar ist, welche der beiden Erklärungen letztlich zählen soll, noch, wodurch sich die Bindung der nicht zustimmenden Gläubiger ergibt. – Felix Wach (1896) sieht in den Konkursgläubigern und in den nichtbevorrechtigten Konkursgläubigern jeweils „eine durch das Gesetz organisierte Personengemeinschaft.“491 Sie seien vergleichbar „den organisierten Personenvereinen, welche nicht juristische Personen, ‚Korporationen‘ sind, wie besonders der deutschen Genossenschaft.“492 Daher verfüge „die Gemeinschaft der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger [...] durch Majoritätsbeschluß über die ihr als ‚Genossenschaftsvermögen‘ bildenden Forderungen ihrer Mitglieder.“493 Diese Meinung teilt Lothar von Seuffert (1899) „im wesentlichen“.494 Auch er vertritt, „daß der Kontrahent die Gläubigerschaft in ihrer organisierten Gemeinschaft ist, die durch die Gläubigerversammlung als hierzu berufenes Organ über Annahme oder Ablehnung des vom Schuldner gemachten Vertragsantrags beschließt,“495 und erklärt weiter: „Daß die Gläubigerversammlung durch ihren Beschluss über iura singulorum verfügen kann, erklärt sich aus dem Gemeinschaftsverhältnisse, das durch den Konkurs unter den Konkursgläubigern als solchen entstanden ist.“496 Der Ansicht Felix Wachs schließt sich Franz Schlote (1911) im Grundsatz an;497 allerdings sieht er die über den Zwangsvergleich abstimmende Versammlung der nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger und die allgemeine Gläubigerversammlung i. S. d. §§ 93 ff. KO als „im Wesen einander gleich“ an.498 Damit sagt Schlote zwar nicht ausdrücklich, aber in logischer Konsequenz doch eindeutig, dass seiner Meinung nach nur eine Gemeinschaft unter den Konkursgläubigern vorliegen soll. Die Nichtbeteiligung der bevorrechtigten Konkursgläubiger bei der Abstimmung über den Zwangsvergleich soll nur auf „praktischen Gründen“ beruhen, weil der Zwangsvergleich deren Rechtsstellung nach § 191 II KO nicht berührt.499 Dass normalerweise der Verwalter erst die Beschlüsse der Gläubigerversammlung als „eine Art Auftrag“ vollziehen muss, die Annahme des Zwangsvergleichs hingegen durch den Beschluss selbst erklärt werden soll, erklärt Schlote damit, dass im ersten Fall das Anknüpfen der nach außen wirkenden Rechtsfolgen an die Handlung des Verwalters aus 491 

Wach, Zwangsvergleich, S. 78. Wach, Zwangsvergleich, S. 78. 493  Wach, Zwangsvergleich, S. 78; dieser Ansicht schließt sich Hans Purper an: Purper, Die befreiende Wirkung des Zwangsvergleichs, S. 17. 494  Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 409. 495  Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 408. 496  Seuffert, Konkursprozessrecht, S. 409. 497  Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 16. 498  Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 16. 499  Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 17. 492 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Gründen der Zweckmäßigkeit und Rechtssicherheit geboten sei, was für die Abstimmung über den Zwangsvergleich nicht gelten soll.500 Curt Zernik (1912) begreift die Gläubiger als Gemeinschaft, die zwar nicht als Bruchteilsgemeinschaft an einem Recht besteht, aber dennoch als „eine vom Rechte berücksichtigte, vom Recht organisierte tatsächliche (oder auch Interessen-) Gemeinschaft vorhanden ist.“501 Diese Gemeinschaft soll auf das „gemeinsame Interesse“ der Gläubiger gestützt sein. Das Gesetz gebe ihr deshalb „überall dort, wo das gemeinsame Interesse es erforderlich erscheinen läßt, das Recht, ihren Willen an die Stelle des Einzelwillens zu legen.“502 Deshalb könne „die Gläubigergemeinschaft durch Vertrag mit dem Gemeinschuldner den Bestand der Forderung verändern, weil wirtschaftliche Interessen ein solches Recht erfordern.“503 Zu Beginn seiner Ausführungen zur vertraglichen Konstruktion verweist Zernik darauf, „daß in der Abstimmung der Gläubiger im Zwangsvergleichstermin nicht nur eine Willenserklärung, sondern ein Doppeltes liegt, zunächst die Willensbildung der einen Vertragspartei, nämlich der Gläubiger, und erst in zweiter Linie die Erklärung des gebildeten Willens dem andern Teile – oder auch dem Gerichte – gegenüber.“504 Von der damit angedeuteten Konstruktion bleibt im Ergebnis aber wenig übrig, da Zernik letztlich von einem „Gesamtwillen“ spricht, „der an die Stelle der einzelnen tritt.“505 Die „Einzelwillen“ der Gläubiger werden demnach nur für die Bildung des „Gesamtwillens“ berücksichtigt, dann aber durch diesen ersetzt; die Einigung ergibt sich schließlich aus dem Zusammentreffen des „Gesamtwillens“ mit dem „Willen des Gemeinschuldners“.506 Gestützt auf die Annahme einer Gemeinschaft aller Gläubiger lässt Otto Richter (1915) neben diese eine weitere Gemeinschaft treten, der nur die nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger angehören und deren gemeinsames, gegenüber den restlichen Gläubigern abzugrenzendes Interesse daher in dem möglichen Zwangsvergleich liegt.507 Er überwindet damit die Zweifel an einer „Gemeinschafts-Theorie“ die daraus folgen, dass eine solche Gemeinschaft alle Gläubiger umfassen müsste, der Zwangsvergleich aber nur für die nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger gilt. Diese Gemeinschaft sieht Richter dazu berechtigt, den Vergleichsvorschlag des Schuldners durch Mehrheitsbeschluss ihres Organs, das sind die in der Versammlung Erschienenen, anzunehmen; dass dabei in die Rechte ihrer Mitglieder eingegriffen wird, rechtfertigt er dadurch, 500 

Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 17. Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 14. 502  Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 14. 503  Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 15. 504  Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 11 (Hervorhebungen im Original). 505  Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 15. 506  Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 15. 507  Richter, ZHR 1915, 112, 123. 501 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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„daß diese jura singulorum ja gar nicht mehr in ihrer früheren Selbständigkeit dastehen, insofern als ihre Inhaber nunmehr mit anderen Gläubigern um die Befriedigung ‚konkurrieren‘ müssen und daß nun die Gläubigerschaft in Ausübung einer Art Selbstverwaltung den zweckmäßigsten Weg zu allseitiger Befriedigung suchen soll,“ also durch das „Wesen dieser Gläubigergesellschaft“.508 Wilhelm Kiesow (1930) sieht für den Vergleich nach der VglO den „Schuldner und die zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossenen beteiligten Gläubiger“ als Vertragspartner an.509 Dabei sei „die Erklärung der Mehrheit [...] die Annahme des Vertragsantrags des Schuldners.“510 Maximilian Kößler (1930) behandelt die Konstruktion des Zwangsvergleichs anlässlich einer Untersuchung der Frage, ob ein ausländischer Präventivakkord im Inland gilt.511 Er vertritt die Ansicht, dass durch das Vergleichs- bzw. Konkursverfahren „eine Zwangsorganisation der Gläubigerschaft erfolgt, mit der Wirkung, daß eine in gesetzlich vorgeschriebener Form zustandegekommene Willenserklärung eines Teiles derselben auch jenen Gläubigern, die sich nicht oder dagegen geäußert haben, als auch für sie bindend aufoktroiert wird.“512 Im Rahmen dessen finde eine „Bevormundung der Gesamtgläubigerschaft durch die ihr nach Art einer gesetzlichen Vertretung aufoktroierte Gläubigermehrheit“ statt, indem es zu einer „Einschränkung der Dispositionsbefugnis des einzelnen Gläubigers“ komme.513 Nach Karl Kießling (1936) besteht unter den Konkursgläubigern ein rechtliches Gemeinschaftsverhältnis in Form der Interessengemeinschaft; die in der KO angeordneten Mehrheitsbeschlüsse seien eine natürliche Folge dieser Gemeinschaft.514 Umgekehrt spreche auch ebendiese gesetzliche Bestimmung für das Vorliegen einer Gemeinschaft, da Mehrheitsbeschlüsse das typische juristische Mittel darstellen, um innerhalb von Gemeinschaften zu verbindlichen Entscheidungen zu gelangen.515 Die Anordnung von Mehrheitsbeschlüssen der Konkursgläubiger in der KO sei demnach der Regelung des § 745 BGB vergleichbar.516 Die gleichen Überlegungen werden für den Abschluss des Zwangsvergleichs auf die nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger übertragen: Diese sollen eine weitere besondere Interessengemeinschaft bilden, die durch Beschluss den Vergleichsvorschlag annehmen kann.517 Zwar stehe den nicht508 

Richter, ZHR 1915, 112, 124 f. Kiesow, VglO, vor § 5 Rn. 3. 510  Kiesow, VglO, vor § 63 Rn. 11. 511  Kößler, KuT 1930, 71, 71 ff. 512  Kößler, KuT 1930, 71, 74. 513  Kößler, KuT 1930, 71, 74. 514  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 4 f. 515  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 5 f. 516  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 8 f. 517  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 9 ff. 509 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

bevorrechtigten Konkursgläubigern kein gemeinschaftliches Recht zu, doch auch die Interessengemeinschaft sei als ein „sozialrechtlicher Verband“ anzuerkennen.518 Den Beschluss über die Annahme des Vergleichsvorschlags versteht Kießling als „ein einziges Rechtsgeschäft“519, das als Erklärung unmittelbar nach außen wirkt;520 diese Außenwirkung, die bei sonstigen Gemeinschaftsbeschlüssen nicht besteht, leitet er unmittelbar aus der gesetzlichen Anordnung des § 182 KO ab, ebenso wie das Recht der Interessengemeinschaft der nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger, auf diese Weise über die einzelnen Forderungen ihrer Mitglieder zu verfügen.521

ggg)  Ernst Jaegers Weg zur Gemeinschaftstheorie Ernst Jaeger war der wohl bedeutendste Wissenschaftler auf dem Gebiet des Insolvenzrechts der letzten 150 Jahre.522 Zur Konstruktion des Zwangsvergleichs änderte er seine Meinung mehrmals. Zunächst ist zu erwähnen, dass Jaeger die Konkursgläubiger nur durch ihre gemeinsamen Interessen und prozessual miteinander verbunden sah, eine Rechtsgemeinschaft der Konkursgläubiger aber im Grundsatz stets ablehnte.523 Die Befugnisse der Gläubigerversammlung erklärte Jaeger daher zwar unter Verweis auf die Interessengemeinschaft, konstruktiv aber letztlich nur aus den positiven Regelungen des Gesetzes.524 Eine Konstruktion des Zwangsvergleichs mithilfe einer Gläubigergemeinschaft war damit zunächst ausgeschlossen. In den ersten beiden Auflagen seines Kommentars (1902 und 1904) befürwortete Jaeger das Modell der Zwangsvertretung. Interessant ist dabei die Begründung, die sich logisch auf die Unmöglichkeit des Gemeinschaftsmodells stützt, woraus man aber möglicherweise auf eine grundsätzliche Neigung des Autors zu diesem Modell schließen könnte: „Wir ziehen die Annahme einer Zwangsvertretung vor, da es uns bedenklich erscheint, das Nebeneinandertreten von zwei organisirten Gläubigergemeinschaften – einer Gesammt518 

Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 18. Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 13. 520  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 19. 521  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 21 f. 522  Informationen zur Person Ernst Jaegers enthält der Internetauftritt des Ernst-JaegerInstituts für Unternehmenssanierung und Insolvenzrecht der Universität Leipzig unter der Adresse: http://www.uni-leipzig.de/~ejinst/zur-person-ernst-jaeger/. 523 So bereits Jaeger, KO (1. Auflage), § 3 Anm. 41 ff., und zuletzt noch Jaeger, KO (7. Auflage), § 3 Anm. 47 ff.; ebenso: Jaeger, Lehrbuch, S. 64. 524 Deutlich wird dies vor allem in der Kommentierung zu § 93 KO, z. B. in Jaeger, KO (1. Auflage), § 93 Anm. 1: „Rechte und Pflichten [der Gläubigerversammlung] sind vom Gesetz erschöpfend normirt und dienen vornehmlich dem gemeinsamen Interesse der Gläubigerschaft.“ Im Kern gleichbedeutend Jaeger, KO (7. Auflage), § 93 Anm. 1: „Die Konkursgläubiger [...] nehmen selber in hervorragendem Maße an der Verwaltung teil [...]. Zu diesem Behuf wird der Mehrheitswille [...] als übereinstimmender Wille aller Konkursgläubiger behandelt (§§ 94, 97) [...].“ 519 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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gläubigerschaft und einer den Zwangsvergleich abschließenden Vereinigung aller nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger – anzunehmen. Daß die Gesammtgläubigerschaft nicht selbst Vertragspartei ist, steht nach § 173 fest. Die über den Vergleich abstimmende Gläubigerversammlung (§ 182) ist mit der allgemeinen Gläubigerversammlung – dem Organe der Gesammtgläubigerschaft – nicht identisch.“525

Auch in der 3. und 4. Auflage, die 1913 zusammen veröffentlicht wurden, blieb Jaeger beim Vertretungsmodell, allerdings unter Vorbehalt bzw. mit einem Aufgreifen mehrerer Ansätze: „In Wahrheit liegt die Sache nicht anders als bei sonstigen Beschlüssen der Gläubigerversammlung. Gelten auch für den Vergleichstermin [...] einige abweichende Vorschriften, so hat doch diese besondere Gläubigerversammlung, der engere Interessentenkreis (§ 173), bei der Abstimmung über den Vergleichsvorschlag wie die allgemeine Gläubigerversammlung bei der Abstimmung über Verwaltungsangelegenheiten die gesetzlich gewährleistete Macht, einen einheitlichen Willen durch den Beschluß einer (hier verstärkten) Mehrheit kundzutun (§ 93 Anm. 1). Das Abstimmungsergebnis offenbart den Gläubigerwillen, nicht die einzelne Stimme. Es bringt, wenn die gesetzliche Mehrheit erreicht wird, als einheitliche Annahme des einheitlichen Vorschlags vorbehaltlich der Bestätigung ein einheitliches Rechtsgeschäft zustande. Die Gemeinschaft der nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger wird auf diesem Wege befähigt, dem wohlverstandenen Interesse der Gesamtheit unter Überwindung einzelner Widersprüche Anerkennung zu verschaffen [...]. Insofern läßt sich von einer Zwangsvertretung aller nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger durch die Gläubigerversammlung reden: der Versammlungsbeschluß stellt den ausschlaggebenden Willen der nicht bevorrechtigten dar.“526

Hier finden sich Anklänge an eine Gemeinschaftskonstruktion und es bleibt unklar, ob das „insofern“ bei der Bezeichnung als „Zwangsvertretung“ nun eine Vertretung i. S. d. § 164 BGB bedeuten soll oder nicht; der Verweis auf die „gesetzlich gewährleistete Macht“ und auf die Anmerkung zu § 93 spricht hingegen eher für eine Ableitung der Wirkungen aus dem Gesetz selbst, wie es dort formuliert ist.527 Nahezu wortgleich blieben die Ausführungen in der 5. Auflage aus dem Jahr 1914.528 1932 veröffentliche Ernst Jaeger sein „Lehrbuch zum Konkursrecht“ in 8. Auflage, in dem für die Konstruktion des Zwangsvergleichs eine „Zwangsvertretung“ nicht erwähnt wird. Stattdessen stützt sich Jaeger hier nur noch auf die gesetzliche Anordnung: „Der Abstimmungsweg ist die gesetzliche Form für die Bildung einer einheitlichen Willenserklärung der nichtbevorrechtigten Konkursgläubiger. Wie im Vereins- und Verfassungsleben der ‚Gemeinwille‘ kund wird in den Entschließungen der ausschlaggebenden Majorität, so bildet die Mehrheit auf dem Wege des § 182 den die Lage der Gesamtheit 525 

Jaeger, KO (1. Auflage), § 173 Anm. 11; Jaeger, KO (2. Auflage), § 173 Anm. 11. Jaeger, KO (3. und 4. Auflage), § 173 Anm. 11. 527  Jaeger, KO (3. und 4. Auflage), § 93 Anm. 1: „[Zur Gewährleistung der Selbstverwaltung] legt das Gesetz dem Mehrheitswillen, [...], ausschlaggebende Bedeutung bei [...].“ 528  Jaeger, KO (5. Auflage), § 173 Anm. 11. 526 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

aller nicht bevorrechtigten Konkursgläubiger bestimmenden Willensentschluß. In den §§ 173, 182 liegt die rechtssatzmäßige Regelung der ‚Schließung‘ des Vertrags ‚zwischen dem Gemeinschuldner und den nicht bevorrechtigten Konkursgläubigern‘ und damit zugleich der Schlüssel zur Lösung der Frage über das Wesen des Zwangsvergleichs (oben S. 190 f.). Dem § 182 zufolge handelt in der Mehrheit die Gesamtheit. Omnes facere videntur, quod facit maior pars (Glosse ad 1 7 § 19 Dig. II 14). Es trifft daher keineswegs zu, wenn Anhänger der Urteilslehre behaupten, vom Vertragsstandpunkt aus sei eine Bindung der Minderheit unerklärbar: aufgezwungener Wille sei kein Wille. Eines Rechtssatzes, der den Mehrheitswillen für maßgebend erklärt, bedarf es freilich. Ohne solchen wäre aber auch die Urteilstheorie, die Macht des Richters, Ansprüche der Minderheit zu schmälern, undenkbar.“529

Auch in diesen Ausführungen verweist Jaeger wieder auf Parallelen zu gemeinschaftsrechtlichen Strukturen, ohne aber den Zwangsvergleich selbst gemeinschaftsrechtlich zu konstruieren; als Grund für die Wirkungen des Zwangsvergleichs wird nur auf die gesetzliche Regelung abgestellt. Eine erneute Wende vollzog Jaeger aber in dem 1936 veröffentlichten zweiten Band seines Kommentars zur KO (6. und 7. Auflage) in dem der Autor seiner vorher schon erkennbaren Neigung zum Gemeinschaftsmodell beim Zwangsvergleich nachgab. Dort kommt Jaeger unter Verweis auf die oben erläuterten Arbeiten von Karl Kießling530 und Maximilian Kößler zu dem Schluss, dass Zustandekommen und Wirkungen des Zwangsvergleichs durch eine rechtlich verfasste Gläubigergemeinschaft zu erklären sind: „Indem das Gesetz dem Mehrheitsbeschluß eine die widersprechenden und fernbleibenden Gläubiger bindende Wirksamkeit zuerkennt, macht es die Interessengemeinschaft der vorrechtslosen Konkursgläubiger zur Vertragsgegnerin des Gemeinschuldners. [...] Der Schicksalsverbundenheit wird das Gesetz durch eine sozialrechtliche Regelung des Vertragsschlusses gerecht.“531

529 

Jaeger, Lehrbuch, S. 191 f. Die Dissertation von Karl Kießling wurde im selben Jahr veröffentlicht wie die 7. Auflage von Jaegers Kommentar; Karl Kießling wurde an der Universität Leipzig promoviert, wo Ernst Jaeger bis 1935 einen Lehrstuhl innehatte. Der enge zeitliche und räumliche Zusammenhang geben Anlass zu der Vermutung, dass Jaeger an der Betreuung von Kießlings Arbeit beteiligt war; da die Archive der Universität Leipzig aber aufgrund großer Verluste im Zweiten Weltkrieg keine Informationen dazu mehr liefern können, bleibt unklar, wie weit der Gedankenaustausch zwischen den beiden Autoren ging. (Die Informationen über die Archivquellen wurden mir freundlicherweise persönlich von Herrn Prof. Dr. Christian Berger, Geschäftsführendem Direktor des Ernst-Jaeger-Instituts für Unternehmenssanierung und Insolvenzrecht der Universität Leipzig, sowie Mitarbeitern des Universitätsarchivs Leipzig mitgeteilt.) 531  Jaeger, KO (7. Auflage), § 173 Anm. 12. Dieser Auffassung folgt Berges, KTS 1970, 249, 253 ff. (derselbe ebenfalls für die Vertragstheorie, aber ohne nähere dogmatische Erläuterung: Berges, KTS 1955, 49, 52). 530 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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hhh) Zusammenfassung Die Vertragstheorie war vor das Problem gestellt, ein Privatrechtsgeschäft zu konstruieren, das auch jene Konkursgläubiger binden sollte, die dazu schwiegen, oder ihm sogar ausdrücklich widersprachen. Als Zusammenfassung der oben dargestellten Lösungsvorschläge lassen sich drei Konzepte unterscheiden. Das erste Modell unternimmt den Versuch einer Zurechnung der Zustimmungserklärungen an die übrigen Gläubiger. Das privatrechtliche Mittel dafür ist die Stellvertretung. Während die Stellvertretung für die abwesenden, schweigenden Gläubiger tauglich erscheint, ergeben sich für die Ablehnenden Zweifel daran, ob die Stellvertretung als Zwangsmittel eingesetzt werden kann. Als zweite Möglichkeit stellt sich eine Begründung der Bindungswirkung durch das Gesetz dar, die in unterschiedlichen Spielarten begegnet. Das Gesetz soll entweder eine Fiktion mit oder ohne vorausgehendem Kontrahierungszwang anordnen, oder aber die Bindung bzw. Wirkungserstreckung selbst.532 Ebenfalls hier einzuordnen ist die Erklärung, das Gesetz ordne die Möglichkeit und Wirkung eines Beschlusses an, die man als „unechte Gemeinschaftstheorie“ bezeichnen kann. Schließlich wurde auch das vom Gesetzgeber vorgesehene Gemeinschaftsmodell in der Literatur aufgegriffen, wobei jedoch viele Fragen zum exakten Zustandekommen des Vertrags auf dieser Grundlage offen blieben.

c)  Ansicht des Gesetzgebers der VglO Der in der Literatur entbrannte Meinungsstreit über die Konstruktion des Zwangsvergleichs wurde vom Gesetzgeber beim Erlass der VglO nicht explizit thematisiert. In der Begründung zu § 11 des Entwurfs der VglO von 1927 ging der Gesetzgeber aber von einem Vertrag aus, der ein Vergleich i. S. d. § 779 BGB sein sollte.533 Auch die Übernahme der vertraglichen Terminologie aus der KO spricht dafür, dass eine vertragliche Konstruktion trotz der zwischenzeitlich in der Literatur geübten Kritik weiter beibehalten werden sollte. Darüber hinaus findet sich aber keine Stellungnahme.

d) Rechtsprechung Die Rechtsprechung sah den Zwangsvergleich als einen Vertrag an,534 äußerte sich aber kaum zur rechtlichen Konstruktion. 532 

Dazu zählt auch Kohlers Theorie vom Prozessvertrag mit materiellrechtlichem Reflex, denn die materiellrechtlichen Folgen können hier nur aufgrund gesetzlicher Anordnung eintreten. 533  RT-Drucks. 1924/26 2340, S. 19. 534  RG LZ 1911, Sp. 555 ff. (= Warneyer, Rspr. 1911, Nr. 353); RGZ 77, 403, 404; RG LZ 1914, Sp. 493, Sp. 494; RGZ 92, 181, 187; BGH WM 1992, 619, 621; BGHZ 108, 123, 130 f.;

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

aa)  Folgen der vertraglichen Einordnung Die Einordnung des Zwangsvergleichs als privatrechtlichen Vertrag hatte die Anwendung von Normen des BGB durch die Rechtsprechung zur Folge; das betrifft die folgenden Entscheidungen. Der im Vergleichstermin nicht geäußerte Vorbehalt eines Gläubigers hatte keine Auswirkungen, was auf §§ 126, 128, 116 S. 1 BGB gestützt wurde.535 Ein Dritter, der im eigenen Namen handelte, konnte über Forderungen eines Gläubigers aufgrund von dessen Einwilligung nach §§ 185, 182 I BGB wirksam verfügen.536 Die Wirkungen des Zwangsvergleichs traten gegenüber einem Gläubiger, der die Forderung durch Abtretung erworben hatte, wegen der Mitwirkung des Zedenten am Vergleich nach § 407 I BGB ein.537 Zur Bestimmung des Inhalts des Zwangsvergleichs konnte in Zweifelsfällen auf die Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB zurückgegriffen werden.538

bb)  Unklare Äußerungen zu den Vertragsparteien und der Vertragskonstruktion Aus der Rechtsprechung ergibt sich kein einheitliches Bild in Bezug darauf, welche Vertragsparteien auf welche Weise am Zwangsvergleich beteiligt sein sollten. Ein Urteil des III. Zivilsenats des RG äußert dazu, „daß Vertragsschließende nicht der Gemeinschuldner und der einzelne, sondern der Gemeinschuldner und alle Konkursgläubiger sind.“539 Dies legt jedenfalls eine Verbindung der Gläubiger untereinander nahe. Das Urteil verweist zudem auf eine vorangegangene, auf demselben Sachverhalt beruhende Entscheidung des V. Zivilsenats, in dem davon die Rede war, dass ein bestimmter Gläubiger „nicht der einzige Vertragsgegner“540 des Schuldners war, und deshalb eine von diesem nur dem Schuldner gegenüber geäußerte Erklärung mangels Erklärung gegenüber den anderen Gläubigern unwirksam sei.541 Dies spricht für vertragliche Verbindungen zwischen jedem Gläubiger und dem Schuldner, sowie allen Gläubigern un-

zum Zwangsvergleich im Geschäftsaufsichtsverfahren und nach der VglO, die als mit dem Zwangsvergleich im Konkurs wesensgleich angesehen wurden: RGZ 119, 391, 395; RGZ 122, 361, 363; RGZ 125, 408, 410; RGZ 127, 372, 375; RG KuT 1933, 118, 119; KG KuT 1933, 30, 30 f.; BGH KTS 1961, 152, 153. 535  RGZ 77, 403, 405 536  RGZ 119, 391, 395 f. 537  RGZ 125, 408 410. 538  BGHZ 108, 123, 130 f.; BGH WM 1992, 619, 621. 539  RG LZ 1914, Sp. 393, Sp. 494. 540  RGZ 77, 403, 405. 541  RGZ 77, 403, 406.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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tereinander. Dazu würden auch die oben zitierten Urteile, in denen die §§ 185, 182 I BGB542 und § 407 I BGB543 herangezogen wurden, passen. Vereinbar wäre dies mit einem Modell, das den Gemeinschaftsbeschluss als Grundlage für Einzelverträge sieht, doch es wäre eine überzogene Deutung zu behaupten, dass die Rechtsprechung diese Konstruktion vertreten hätte.

cc)  Erklärungen der Beteiligten als Prozesshandlungen. Das RG sah in den „Abstimmungen und Anträge[n] der Gläubiger im Zwangsvergleichstermin“ Prozesshandlungen.544 Ob der Zwangsvergleich eine Doppelnatur als Prozessvertrag haben sollte, wurde in der Rechtsprechung hingegen nicht thematisiert.

dd)  Zwangsvergleich als Vergleich i. S. d. § 779 BGB Vom Berliner Kammergericht wurde der Zwangsvergleich als Vergleich i. S. d. § 779 BGB eingeordnet, allerdings unter Ausschluss der Geltung gerade dieser Vorschrift.545

ee)  Reichweite des Bestätigungsbeschlusses Von der Rechtsprechung wurde dem Beschluss über die Bestätigung des Zwangsvergleichs eine relativ große Reichweite zugestanden, dies aber dogmatisch nicht begründet. Verfahrensmängel des Vergleichsverfahrens sollten in einem späteren Prozess nicht mehr gerichtlich überprüfbar sein, wie das RG in einem Verfahren entschied, in dem zur Begründung des Antrags ein Verstoß gegen §§ 80, 88 II ZPO im Vergleichstermin vorgebracht wurde.546 Die Geltendmachung eines Formmangels, in casu ein Verstoß gegen das Erfordernis notarieller Beurkundung bei Verträgen über Grundstücke (damals § 313 BGB), sollte ebenfalls bei einem bestätigten Zwangsvergleich ausgeschlossen sein. Das RG führte dazu aus: „[Es ist] anerkannt, daß der Zwangsvergleich hinsichtlich seines Zustandekommens und seiner Wirksamkeit besonderen Vorschriften folgt, bei denen öffentlichrechtliche Belange ausschlaggebend sind. Die Sonderregelung der Wirksamkeit des Zwangsver-

542 

RGZ 119, 391, 395 f. RGZ 125, 408 410. 544  RG LZ, 1911, Sp. 555, 556; konsequent ist demnach die Anwendung von §§ 80, 88 II ZPO in RG KuT 1933, 118, 118 f. 545  KG KuT 1933, 30, 30 f. 546  RG KuT 1933, 118, 119. 543 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

gleichs [...] schließt es aus, hier privatrechtlichen Rechtsbehelfen Raum zu geben, die eine Durchbrechung jener Sonderregelung mit sich bringen würden.“547

Auch § 779 BGB sollte aufgrund der in der Bestätigung liegenden „Heilung“ nicht gegen den Zwangsvergleich eingewandt werden können.548 Ferner war das RG der Ansicht, dass selbst bei einer tatsächlich nicht erreichten Mehrheit im Abstimmungstermin nach rechtskräftiger Bestätigung ein wirksamer Zwangsvergleich vorliege: „Wohl ist es richtig, daß der Zwangsvergleich vom Gerichte nicht hätte bestätigt werden sollen, weil die nach § 182 Ziff. 2 K. O. zur Annahme des Vergleichs erforderliche Summenmajorität von drei Vierteilen der Gesamtsumme aller zum Stimmen berechtigten Forderungen in Wahrheit nicht vorhanden war […]. Da aber eine Beschwerde gegen den Beschluß vom 18. Juli 1902, durch welchen der Vergleich bestätigt wurde, nicht erhoben worden ist, und demnach ein rechtskräftig bestätigter Zwangsvergleich vorliegt, hat er auch alle Wirkungen, welche ihm die §§ 193 und 194 K. O. beilegen.“549

Der BGH wählte schließlich bei der Entscheidung, dass eine Garantenerklärung nicht anfechtbar sei, die außerhalb des Vergleichsverfahrens abgegeben, aber mit Wissen und Wollen des Betreffenden zur Grundlage für den Vergleichsschluss genommen worden war, eine Begründung, die zumindest begrifflich den Boden der Vertragstheorie verließ: „Die durch die Bestätigung des gerichtlichen Vergleichs herbeigeführte Umschaffung von Rechten und Pflichten der Beteiligten (§§ 82 ff. VglO) ist aber so tiefgreifend und umfassend, daß der neue Rechtszustand und das Vertrauen der Beteiligten darauf des sicheren Bestandes bedarf [...].“550

Aus Sicht der Vertragstheorie ist die Rechtsprechung zur Wirkung des Bestätigungsbeschlusses nicht unmittelbar verständlich. Obwohl die Ergebnisse der genannten Entscheidungen durchweg sachgerecht erscheinen, bereitet deren Begründung vom Standpunkt der Vertragstheorie Probleme. Auf diese dogmatischen Schwierigkeiten ging die Rechtsprechung aber nicht ein, sondern sie stützte sich auf gesetzesbezogene und praktische Überlegungen. Insofern muss die Wortwahl in den Entscheidungen zumindest als ungenau kritisiert werden, wenn materielle Rechtsfolgen sprachlich unmittelbar aus dem Bestätigungsbeschluss abgeleitet werden. Denn genau das ist nach der Vertragstheorie nicht der Fall. Wie die von der Rechtsprechung entwickelten Wirkungen auf andere Weise mit der Vertragstheorie erklärt werden können, wurde damit nicht dargelegt.

547 

RGZ 127, 372, 375. KG KuT 1933, 30, 30 f. 549  RGZ 57, 270, 275. 550  BGH KTS 1961, 152, 153. 548 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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e) Zusammenfassung Für die Konstruktion des Zwangsvergleichs ergibt sich folgendes Gesamtbild: Vom Gesetzgeber war der Zwangsvergleich als ein Vertrag konzipiert; dabei wurden die Konkursgläubiger als eine Gemeinschaft verstanden. In der Literatur wurden Konstruktionen in allen denkbaren Varianten vorgeschlagen. Gegenüber den Modellen der Urteilstheorie und der Theorie vom zusammengesetzten Rechtsakt eigener Art blieb die Vertragstheorie vorherrschend, zerfiel aber ihrerseits in zahlreiche Unterformen. Die Rechtsprechung bekannte sich im Grundsatz zur Vertragstheorie, aus den ergangenen Urteilen ergibt sich aber kein vollständig einheitliches Gesamtkonzept.

V.  Einführung der Insolvenzordnung Im ersten Abschnitt der historischen Untersuchung wurde als Ergebnis festgestellt, dass sich im modernen deutschen Insolvenzrecht das privatrechtliche gegenüber dem publizistischen Prinzip durchgesetzt hat. Die Verfahrensherrschaft liegt also bei den Gläubigern. Nun gilt es zu untersuchen, welche Vorstellungen der Gesetzgeber der InsO mit dem von ihm neu geschaffenen Institut des Insolvenzplans verband.

1.  Kontinuität zum Zwangsvergleich Die heutigen Vorschriften der InsO zum Insolvenzplan unterscheiden sich stark von jenen der KO über den Zwangsvergleich. Dem Wortlaut nach sind nur die Elemente einer „Annahme“ auf Gläubigerseite (§ 182 I KO, § 244 I InsO) und einer „Bestätigung“ durch das Gericht (§ 184 I KO, § 248 I InsO) geblieben; alle sonstigen Rechtsbegriffe sind modifiziert, was nicht nur der Änderung der Verfahrensbezeichnung geschuldet ist, sondern auch weitreichenden inhaltlichen Umgestaltungen. Besonders bedeutende Neuerungen sind die weiter gehenden Gestaltungsmöglichkeiten unter Erweiterung des Personenkreises der Beteiligten sowie die Abstimmung in Gruppen. Angesichts dieser Unterschiede stellt sich die Frage, ob der Insolvenzplan noch als Nachfolgeregelung zum Zwangsvergleich betrachtet werden kann, oder ob er ein völlig neues Rechtsinstitut darstellt. Hierüber kann die Entstehungsgeschichte Aufschluss geben.

a)  Konzept der Insolvenzrechtskommission Die Insolvenzrechtskommission stellte in ihrem Ersten Bericht als ein Kernstück der durchzuführenden Insolvenzrechtsreform die Einführung eines Reorganisationsverfahrens vor. Dieses sollte als Ersatz für das Verfahren der

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

VglO dienen, und dessen Fehler der hohen Zulässigkeitsanforderungen und begrenzten Gestaltungsmöglichkeiten vermeiden.551 Vorgesehen war es nur für „unternehmerisch tätige Schuldner“.552 Für die Ausgestaltung des Reorganisationsverfahrens nahm die Insolvenzrechtskommission einige Bestimmungen des 11.  Kapitels des US-amerikanischen Bankruptcy Code zum Vorbild.553 Dabei sollte ein „Reorganisationsplan“ das „Konzept für die Überwindung der Insolvenz sowie für die Wiedergesundung des Unternehmens auf Dauer“ enthalten.554 Hier war bereits eine Abstimmung in Gruppen vorgesehen.555 Zur Begründung führt die Kommission aus, dass die „Gesamtheit der Gläubiger [...] [in]Abstimmungsgruppen eingeteilt“ werden soll zum „Schutz gleichgerichteter Interessen“; es sollte verhindert werden, dass „eine Gruppe [...] eine andere Gläubigergruppe mit eigenen Interessen überstimmen kann.“556 Im Zweiten Bericht befasste sich die Kommission mit einem „liquidationsbeendenden Zwangsvergleich“, der die Funktion des Zwangsvergleichs nach der KO, und für nicht unternehmerisch tätige Schuldner außerdem die des Vergleichs nach der VglO übernehmen sollte.557 Wie die Kommission feststellte, hatte dieser „liquidationsbeendende Zwangsvergleich“ mit dem Reorganisationsverfahren gemeinsam, dass er den Gläubigern eine möglicherweise günstigere Befriedigung bot, und dem Schuldner die „Chance einer dauerhaften wirtschaftlichen Gesundung.“558 Wegen dieser Wesensähnlichkeit sollten die Voraussetzungen beider Instrumente einander angepasst werden.559 Nach dem Vorschlag der Insolvenzrechtskommission sollten also zwei insolvenzrechtliche Instrumente geschaffen werden, deren Funktionen sich trotz des grundsätzlich unterschiedlichen Anwendungsbereichs teilweise überschnitten, und die im Wesentlichen gleiche Voraussetzungen haben sollten. Dabei sollte der „Reorganisationsplan“ den Vergleich nach der VglO ersetzen, und der „liquidationsbeendende Zwangsvergleich“ den bisherigen Zwangsvergleich der KO.

b)  Weiterer Entstehungsprozess Bereits im Diskussionsentwurf des Justizministeriums wurde die Idee zweier getrennter Institute als Ersatz für die Zwangsvergleiche der VglO und der KO 551 

Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 154 f. Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 152. 553  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 156. 554  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 166. 555  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 41 (Leitsatz 2. 2. 16). 556  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 183. 557  Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 31 ff., 132. 558  Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 133 f. 559  Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 134. 552 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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aufgegeben. Stattdessen sah der Entwurf nur noch einen „Insolvenzplan“ vor.560 Seine Funktion wurde einleitend mit den Worten beschrieben: „Der Plan tritt an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich.“561 Durch den Ausdruck „tritt an die Stelle“ ist aber nichts darüber gesagt, ob das neue Institut den früheren wesensgleich oder -fremd sein sollte. Um diese Frage zu beantworten, ist näher auf die weiteren Entwürfe und deren Begründungen einzugehen.

aa)  Insolvenzplan als „Neuerung“ und „universelles Instrument“ Es wurde bereits gezeigt, dass entgegen der Vorschläge der Insolvenzrechtskommission, die eine Verfahrensleitung durch das Gericht befürwortete, ab dem Diskussionsentwurf die Herrschaft über das Insolvenzverfahren den Gläubigern zugewiesen wurde. Dies spiegelte sich in der Regelung des Insolvenzplans, der als das bedeutendste Gestaltungsmittel der Gläubiger konzipiert war. Der Diskussionsentwurf sah in § 243 I bereits eine dem heutigen § 217 S. 1 InsO nahezu wörtlich entsprechende Definition vor.562 In der Begründung wurde dazu ausgeführt: „Das Institut des Insolvenzplans ist eine der bedeutsamsten Neuerungen des vorgeschlagenen einheitlichen Insolvenzverfahrens. [...] Der Zweck des neuen Rechtsinstituts ist es, den Beteiligten einen Rechtsrahmen für die einvernehmliche Bewältigung der Insolvenz im Wege von Verhandlungen und privatautonomen Austauschprozessen zu ermöglichen. [...] Der Plan wird damit zu einem universellen Instrument der Masseverwertung.“563

Die Bezeichnung des Plans als ein „neues Rechtsinstitut“ spricht zunächst gegen eine Wesensübereinstimmung mit den Instituten der VglO und der KO. Im Weiteren findet sich sogar der Satz: „Der Plan ist kein Vergleich.“564 Damit scheint auf den ersten Blick die Kontinuität zwischen diesen Einrichtungen des alten und des neuen Insolvenzrechts zu fehlen.

bb)  Keine wesensmäßige Änderung Trotz der Erweiterung und Umgestaltung ging man aber tatsächlich nicht davon aus, ein dem Wesen nach neuartiges Rechtsinstitut zu schaffen. Vielmehr 560 

BMJ, DiskE InsO, S. 125, A56. BMJ, DiskE InsO, S. A56. 562 „Die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger und der Insolvenzgläubiger, die Verwertung der Insolvenzmasse und deren Verteilung an die Beteiligten sowie die Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens können in einem Insolvenzplan abweichend von den Vorschriften dieses Gesetztes geregelt werden“ (BMJ, DiskE InsO, S. 125). 563  BMJ, DiskE InsO, S. A56; ebenso BMJ, RefE InsO, S. 65. In der Begründung des Regierungsentwurfs wurde diese Formulierung fast vollständig übernommen, nur das Wort „Masseverwertung“ wurde durch „Gesamtvollstreckung“ ersetzt (BT-Drucks. 12/2443 S. 90 f.). 564  BMJ, DiskE InsO, S. A58; BMJ, RefE InsO, S. 67; BT-Drucks. 12/2443 S. 91. 561 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

sollten die Regelungsziele von sanierendem Vergleich sowie (Sanierungs- oder Liquidations-) Zwangsvergleich unter Erleichterung der Voraussetzungen zusammengeführt werden; dass hier aber lediglich bestehende Konzepte übernommen wurden, und kein absolutes Novum ins deutsche Recht eingeführt werden sollte, zeigen gerade die Stellen der Entwürfe, in denen die Unterschiede zu den bisherigen Regelungen aufgezeigt werden. Gegen Ende der Beschreibung der zahlreichen in einem Insolvenzplan möglichen Regelungsmöglichkeiten fasst der Gesetzgeber zusammen: „Sämtliche Mischformen der herkömmlichen Typen von Liquidationen und vergleichsrechtlichen Regelungen sind statthaft.“565 Dies zeigt bereits die Idee, dass nichts völlig Neues geschaffen, sondern bereits Bekanntes neu ausgestaltet werden sollte. Eindeutig wird dies dann im Nachgang zu dem Satz „Der Plan ist kein Vergleich“. Dort heißt es, dass „Vergleich und Zwangsvergleich [...] in erster Linie auf die Sanierung des Schuldners durch Schuldenregulierung angelegt“ sind.566 Das stelle aber eine Vermischung unterschiedlicher „Regelungsthemen“ dar, die in den Regelungen zum Insolvenzplan zusammengefasst, aber „jeweils besonders geregelt“ seien; mit den „Regelungsthemen“ waren gemeint „die Mitspracherechte des Schuldners, die Entscheidungsfreiheit der Gläubiger über die Art (Sanierung oder Liquidation) und die Form (Gesamtexekution oder Vergleich) der Masseverwertung sowie die Restschuldbefreiung des Schuldners.“567 Die Unterscheidung dieser Themen innerhalb des einheitlichen Regelungssystems des Insolvenzplans wurde dadurch verwirklicht, dass die „Mitwirkungsrechte der Beteiligten [...] unabhängig von der Verwertungsform und dem angestrebten Verfahrensziel“ geregelt wurden, im Plan „alle Verwertungsarten“ vorgesehen werden konnten, und davon getrennt die Restschuldbefreiung ein mögliches, aber nicht notwendiges Element darstellte.568 Dies zeigt ebenfalls die Idee einer Übernahme früherer Regelungskonzepte, die lediglich neu geordnet werden sollten. Im Hinblick auf die nicht notwendigerweise vorzunehmende Restschuldbefreiung wurde allerdings betont, dass der Plan „keine Rechtswohltat für den Schuldner“ darstelle. Aus diesem Grund seien „subjektive Würdigkeitsvoraussetzungen, wie sie das geltende Recht“ kenne, nicht erforderlich.569 Diese Äußerung, die sich auf §§ 17 f., 79 Nr. 2 Alt. 2, 88, 100 VglO und §§ 175, 186 Nr. 2, 187, 197, 198 KO bezieht, und deren Ursprung sich bereits in den Berichten der 565  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; ebenso bereits BMJ, DiskE InsO, S. A57 und BMJ, RefE InsO, S. 66. 566  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. 67; BMJ, DiskE InsO, S. A58. 567  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. 67 f.; BMJ, DiskE InsO, S. A58. 568  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. 68; BMJ, DiskE InsO, S. A59. 569  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. 68 f.; BMJ, DiskE InsO, S. A59.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Insolvenzrechtskommission finden lässt,570 spricht indes auch nicht für eine wesensmäßige Veränderung. Denn eine bloße „Rechtswohltat für den Schuldner“ waren Vergleich und Zwangsvergleich in Wahrheit nie. Dass ein solches auf die oben genannten Normen gestütztes Verständnis ein reiner Auslegungsfehler ist, wurde bereits oben durch Zitate aus den Motiven zur KO gezeigt. In Wahrheit waren die Normen nicht als Sanktion für den Schuldner, sondern als Schutz für die Gläubiger gedacht.571 Ebenfalls in diesem Sinne waren die noch weiter formulierten Anforderungen in §§ 17 f. VglO richtigerweise zu verstehen.572 Daher kann die Beseitigung der – fälschlicherweise als solche bezeichneten – „Würdigkeitserfordernisse“ nicht eine Wesensänderung begründen. Das war wohl auch nicht das Verständnis des Gesetzgebers, der an dieser Stelle vermutlich nur die Konsistenz der Voraussetzungen eines Insolvenzplans mit der darin nicht notwendig zu regelnden Restschuldbefreiung darlegen wollte. Der Personenkreis der Beteiligten wurde beim Insolvenzplan gegenüber dem Zwangsvergleich erweitert, für die wesensmäßige Kontinuität ist aber entscheidend, dass im Grundsatz weiterhin der Schuldner und die Gläubiger als Beteiligte angesehen wurden.573 Schließlich ist noch eine ab dem Referentenentwurf gegenüber dem Diskussionsentwurf vorgenommene Ergänzung hervorzuheben. In der Einleitung über „Zweck und Wesen des Plans“ heißt es im Diskussionsentwurf: „Der Plan tritt an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich.“574 Im Referenten- und im Regierungsentwurf ist dieser Satz um einen Nebensatz ergänzt: „Der Plan tritt an die Stelle von Vergleich und Zwangsvergleich und gestaltet diese grundlegend um.“575 Das bestätigt, dass der Insolvenzplan kein völlig neuartiges Konstrukt ist. Denn in diesem Fall hätte ein anderer Ausdruck verwendet werden müssen, etwa, dass der Plan Vergleich und Zwangsvergleich ersetzen würde. Stattdessen besagt diese Formulierung, dass die beiden Vorgängermodelle in einer einheitlichen Weiterentwicklung aufgehen; sie werden nur umgestaltet. 570 

Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 155 und 2. Bericht, S. 134. Hahn, Materialien, S. 355 ff. und oben IV 5 a cc. 572  Von der h. M. in Literatur und Rechtsprechung wurde das anerkannt, indem man jene Vorschriften teleologisch reduzierte, wenn die Gläubigerinteressen hinreichend geschützt waren (vgl. Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 17 VglO Anm. 1, § 18 VglO Anm. 1). 573  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. 68; BMJ, DiskE InsO, S. A59: „Die Mitwirkungsrechte der Beteiligten – gesicherte Gläubiger, ungesicherte Gläubiger, nachrangige Gläubiger, Schuldner und an ihm beteiligte Personen – [...].“ Die Einbeziehung von am Schuldner beteiligten Personen wurde im Gesetzgebungsprozess der InsO erst spät, auf Vorschlag des Rechtsausschusses, aufgegeben (siehe BT-Drucks. 12/7302, S. 181 (zu § 253)). Durch das ESUG wurden hingegen die Mitgliedschaftsrechte in weitestem Umfang ins Planverfahren einbezogen. Zur dogmatischen Erklärung dieser Einbeziehung siehe unten § 4 B III 2 c und § 4 C IV. 574  BMJ, DiskE InsO, S. A56. 575  BMJ, RefE InsO, S. 65; BT-Drucks. 12/2443 S. 90. 571 Vgl.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

Somit ist auch das Adverb „grundlegend“ nicht als „wesensmäßig“, sondern nur als „weitreichend“ zu verstehen.

c) Ergebnis Anders als in den Vorschlägen der Insolvenzrechtskommission vorgesehen, wurde die getrennte Fortführung der beiden Institute des Vergleichs und des Zwangsvergleichs letztlich aufgegeben, und stattdessen das einheitliche Institut des Insolvenzplans geschaffen. Dieser stellt aber keine vollkommene Neuschöpfung des Gesetzgebers dar, sondern eine zusammengeführte und erweiterte Form der früheren Institute. Der Zwangsvergleich der KO und VglO ist mithin der Vorläufer des Insolvenzplans und mit diesem wesensgleich.

2.  Verständnis des Gesetzgebers von der Rechtsnatur des Plans Im Gegensatz zu den Motiven zur KO, die für den Zwangsvergleich zumindest einige dogmatische Anmerkungen enthalten, finden sich in den Materialien zur InsO keine expliziten Äußerungen zur rechtlichen Konstruktion des Plans. Dennoch lassen einige Stellen erkennen, welche Vorstellung der Gesetzgeber von der Rechtsnatur des Insolvenzplans hatte. Dieses Verständnis ist als Beitrag zur wissenschaftlichen Diskussion und als Richtungsweisung für die Auslegung zu beachten.576

a)  „Der Plan ist kein Vergleich“577 Zunächst ist auf das oben schon einmal angeführte Zitat einzugehen, nach dem der Insolvenzplan „kein Vergleich“ sein soll. Dieses könnte als Abkehr von der Vertragstheorie verstanden werden. Gegen eine solche Deutung sprechen aber drei Gründe. Erstens würde selbst die Aussage, dass der Plan kein Vergleich i. S. d. § 779 I BGB sei, nicht bedeuten, dass er kein Vertrag wäre, da der Vertragsbegriff weiter ist. Der Ausschluss eines Unterfalls sagt nichts darüber, ob der Oberbegriff erfüllt ist. Zweitens ist aber aus dem Kontext eindeutig erkennbar, dass mit dem „Vergleich“ nicht der des § 779 I BGB, sondern jener der VglO und der KO gemeint ist. Jedoch wurde bereits gezeigt, dass das Regelungsmodell dieser Zwangsvergleiche im Insolvenzplan fortgeführt werden sollte. Die Abkehr von der alten Terminologie war deshalb wohl vor allem politisch motiviert, indem

576  Zu dieser Bedeutung von dogmatischen Äußerungen des Gesetzgebers siehe schon oben IV 5 a und dort dd. 577  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, DiskE InsO, S. A58.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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durch die neuen Begriffe das „negative Image“ der alten Einrichtungen zurückgelassen werden sollte.578 Drittens belegt eine Gesamtbetrachtung des Abschnitts, in dem sich das Zitat findet, sogar das genaue Gegenteil der zuerst genannten Vermutung. Die Passage lautet nämlich weiter: „Der Plan ist kein Vergleich. Vergleich und Zwangsvergleich sind in ihrer Grundstruktur Verträge des Schuldners mit seinen Gläubigern zur Abwendung oder Beendigung des Konkurses. Sie sind in erster Linie auf die Sanierung des Schuldners durch Schuldenregulierung angelegt. Damit werden im geltenden Recht drei Regelungsthemen miteinander verquickt: [Es werden die Aspekte der Mitwirkungsrechte, Verwertungsmöglichkeiten und der Restschuldbefreiung genannt und deren Neuregelung dargelegt.] Der Plan ist mithin die privatautonome, den gesetzlichen Vorschriften entsprechende Übereinkunft der mitspracheberechtigten Beteiligten über die Verwertung des haftenden Schuldnervermögens unter voller Garantie des Werts der Beteiligtenrechte.“579

Es wurde bereits dargelegt, dass trotz der Aussage, der Insolvenzplan sei „kein Vergleich“, eine wesensmäßige Übereinstimmung der Institute vom Gesetzgeber doch angenommen wurde. Nun sagt der Gesetzgeber weiter, dass er Vergleich und Zwangsvergleich als „Verträge des Schuldners mit seinen Gläubigern“ begreift. Daraus folgt logisch, dass auch für den Insolvenzplan von einer vertraglichen Konstruktion auszugehen ist. Für einen Vertrag spricht außerdem die Aussage des Gesetzgebers, dass der Insolvenzplan eine „privatautonome [...] Übereinkunft“ sein soll. Im Weiteren wird schließlich die Möglichkeit der Entscheidung über die Art der Planüberwachung im Plan sogar auf die „Vertragsfreiheit der Beteiligten“ gestützt.580 In der Zusammenschau ergibt sich daher, dass der Gesetzgeber den Insolvenzplan im Grundsatz als Vertrag verstand.

b)  Entbehrlichkeit der Zustimmung des Schuldners Wenn demnach bei der Konstruktion des Plans von einem Vertrag auszugehen ist, stellt sich zunächst die Frage nach den Vertragspartnern. Für den Zwangsvergleich war innerhalb der Vertragstheorie unumstritten, dass der Schuldner einer der Vertragspartner sein sollte. Es muss daher irritieren, wenn in den Materialien davon die Rede ist, dass die Zustimmung des Schuldners grundsätzlich für das Zustandekommen des Plans nicht erforderlich sein solle.581 Hätte der Gesetzgeber eine Willenserklärung des Schuldners für entbehrlich gehalten, würde dies zwingend gegen die Annahme sprechen, dass der Schuldner als Vertragspartner angesehen wurde. Allerdings muss in diesem Zusammenhang 578 Vgl.

Madaus, Insolvenzplan, S. 161 f. BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. 67 f.; BMJ, DiskE InsO, S. A58. 580  BT-Drucks. 12/2443 S. 215. 581  So BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. A69; BMJ, DiskE InsO, S. A59; Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 135. 579 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

zwischen rechtspolitischen Programmsätzen und rechtsdogmatischen Äußerungen des Gesetzgebers unterschieden werden. Wie der Satz, die Zustimmung des Schuldners zum Plan sei „nicht erforderlich“582, zu verstehen ist, zeigt der Vergleich dieser Aussage mit den Entwürfen für den Gesetzestext. Die Insolvenzrechtskommission hat in ihren beiden Berichten keine gesetzliche Formulierung ausgearbeitet, sondern nur in Leitsätzen und Begründungen Regelungsinhalte vorgeschlagen. Wenn sie für den Reorganisationsplan eine Zustimmung des Gläubigers nicht erwähnt583 und für den Liquidationszwangsvergleich deren Entbehrlichkeit584 vertritt, bedeutet das also nicht, dass damit auch auf eine Willenserklärung im Rechtssinn verzichtet werden sollte. Auffallend ist hingegen, dass die Begründung des Diskussionsentwurfs ebenfalls von der Entbehrlichkeit der Zustimmung des Schuldners spricht,585 für den Gesetzestext aber schon eine Regelung vorsieht, die dem heutigen § 247 InsO im wesentlichen entspricht und insbesondere die Fiktion der Zustimmung als Regelfall anordnet.586 Dasselbe Verhältnis von Gesetzesentwurf und -begründung findet sich auch in den späteren Materialien.587 In den Entwürfen für den Gesetzestext war somit niemals ein Insolvenzplan vorgesehen, der ohne die Zustimmung des Schuldners zustandekommen sollte. Bemerkenswert ist insoweit auch die gesetzestechnische Gestaltung der Regelung. Denn von Anfang an war das Ziel, dass bei Einhaltung bestimmter Voraussetzungen (jetzt: § 247 II InsO) der Schuldner den Plan nicht verhindern können sollte. In der besonderen Begründung dazu heißt es: „In einem Plan kann auch die Rechtsstellung des Schuldners geregelt werden [...]. Der Schuldner muß daher in die Lage versetzt werden, das Wirksamwerden eines Plans zu verhindern, wenn dieser die Rechte des Schuldners unangemessen beeinträchtigt.“588 Es hätte daher nahegelegen, die Zustimmung des Schuldners nur in bestimmten Fällen (etwa bei einer Abweichung von den Voraussetzungen des jetzigen § 247 II InsO) als zusätzliches Erfordernis festzulegen oder dem Schuldner schlicht ein Widerspruchsrecht einzuräumen. Diese Lösung hat der Gesetzgeber aber nicht gewählt. Stattdessen wurde die Zustimmung des 582  BT-Drucks. 12/2443 S. 91; BMJ, RefE InsO, S. A69; BMJ, DiskE InsO, S. A59; der Wortlaut in Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 135 ist ein anderer, besagt aber dasselbe: „Deshalb sollen die Insolvenzgläubiger einen ihren Interessen entsprechenden Liquidationszwangsvergleich auch dann abschließen können, wenn der Schuldner keine Vergleichsbereitschaft erkennen lässt.“ Im 1. Bericht wird für den Reorganisationsplan eine Zustimmung des Schuldners nicht erwähnt. 583 Vgl. Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 37 ff., 152 ff. 584  Insolvenzrechtskommission, 2. Bericht, S. 135. 585  BMJ, DiskE InsO, S. A59. 586  BMJ, DiskE InsO, S. 143 f. (§ 282). 587  BMJ, RefE InsO, S. 164 (§ 282), A69; BT-Drucks. 12/2443 S. 55 (§ 293), 91. 588  BMJ, DiskE InsO, S. B256; BMJ, RefE InsO, S. B293; BT-Drucks. 12/2443 S. 210 (zu § 293).



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Schuldners für jeden Plan zur Voraussetzung gemacht, und dabei lediglich eine Fiktion ermöglicht, sowie ein Widerspruch vorgesehen als ein Mittel des Schuldners, diese Fiktion zu verhindern. Die Aussage über die Entbehrlichkeit der Schuldnerzustimmung ist demnach ein rechtspolitischer Programmsatz, der sich nur auf eine tatsächliche Erklärung des Schuldners bezieht. Rechtstechnisch wählt der Gesetzgeber zur Verwirklichung dieses Ziels aber das Mittel der Fiktion einer Schuldnerzustimmung. Damit wurde eine Erklärung des Schuldners als unverzichtbares rechtliches Element angesehen und festgelegt.589 An der Parteistellung des Schuldners bestehen vor diesem Hintergrund keine Zweifel.

c)  Obstruktionsverbot als „Schikaneverbot“ Ein Obstruktionsverbot wurde von der Insolvenzrechtskommission noch abgelehnt,590 im Diskussionsentwurf hingegen eingefügt591 und letztlich in § 245 InsO verwirklicht. Die Wortwahl bei den dazu angestellten Überlegungen zeigt wiederum das privatrechtliche Verständnis des Gesetzgebers vom Insolvenzplan. Im Kommissionsbericht heißt es: „Die Kommission schlägt nicht vor, die Zustimmung von Gläubigergruppen durch Richterspruch ersetzen zu lassen [...].“592 – Damit wurde ein Modell unterstellt, das die Erzwingung der Zustimmung einer Gläubigergruppe durch eine gerichtliche Entscheidung bedeutet hätte. Diese Konstruktion wurde aber im Diskussionsentwurf nicht übernommen, obwohl eine entsprechende „Zwangsregelung“ für einzelne Gruppen eingefügt wurde; stattdessen wählte man eine Fiktion als „Zwangsmittel“ und bezeichnete das Obstruktionsverbot als „besondere[s] Schikaneverbot“593. Zwar wurde die amtliche Überschrift des § 226 BGB erst 2001 durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz eingefügt, der Begriff des Schikaneverbots ist aber seit jeher für diese Vorschrift gebräuchlich. Die Bezeichnung verankert daher sowohl die Gläubigerabstimmung als auch die Ersetzung von Zustimmungen einzelner Gruppen im Privatrecht. Das spricht für eine intendierte Vertragsnatur des Insolvenzplans. Dafür lässt sich auch der zu § 247 InsO entwickelte Gedanke 589  Vgl. dazu auch BT-Drucks. 12/2443 S. 210 f. (zu § 295): „Nur wenn der Abstimmungstermin zu dem Ergebnis führt, daß die Zustimmungserklärung [sic] der betroffenen Gläubiger und des Schuldners erteilt sind oder als erteilt gelten, entscheidet das Gericht über die Bestätigung.“ 590  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 159. 591  BMJ, DiskE InsO, S. 141 f. (§ 279). 592  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 159. 593  BMJ, DiskE InsO, S. A66; ebenso: BMJ, RefE InsO, S. A76 und BT-Drucks. 12/2443 S. 94.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

noch einmal heranziehen, nach dem die gesetzliche Fiktion beweist, dass eine Zustimmungserklärung für erforderlich gehalten wurde.

d)  Kein Einfluss ausländischer Regelungen auf dogmatische Fragen Bei der Ausarbeitung der Insolvenzrechtsreform spielte in den verschiedenen Gremien auch die Rechtsvergleichung mit ausländischen Regelungsmodellen eine Rolle. Dabei fand insbesondere das US-amerikanische Recht bei der Ausgestaltung des Insolvenzplans Berücksichtigung.594 An die Vorschriften des 11. Kapitels des Bankruptcy Code sind vor allem die Gruppenbildung, der Minderheitenschutz und das Obstruktionsverbot angelehnt.595 Dennoch darf die Bedeutung des US-amerikanischen Rechts nicht überschätzt werden. Das gilt nicht nur für eine rechtsvergleichende Auslegung der InsO-Vorschriften durch den heutigen Rechtsanwender,596 sondern auch für das Verständnis der Entstehungsgeschichte. Denn neben den amerikanischen nennt der Gesetzgeber auch noch weitere ausländische Regelungen, die vergleichend herangezogen wurden, darunter das englische, französische, österreichische, italienische und japanische Recht.597 Zudem sind in den Materialien die Hinweise auf die Rechtsvergleichung stets mit bedeutenden Einschränkungen verbunden. So verwendet die Insolvenzrechtskommission in ihrem Ersten Bericht vier Seiten auf die Darstellung, welche Unterschiede bei dem von ihr vorgeschlagenen Reorganisationsverfahren gegenüber dem amerikanischen Modell bestehen.598 Aufschlussreich zur Bedeutung des ausländischen Rechts sind auch die folgenden Sätze zu diesem Punkt, die vom Diskussions- bis zum Regierungsentwurf beibehalten wurden: „Dennoch zeigt gerade die Rechtsvergleichung, daß das Insolvenzrecht und die Bemühungen um seine Reform in besonderem Maße in die jeweilige nationale Wirtschaftsverfassung eingebunden sind und von den in den Staaten vorherrschenden wirtschaftspolitischen Grundauffassungen stark beeinflußt werden. Insbesondere von der Rolle des Staates bei Sanierungen bestehen überaus unterschiedliche Auffassungen. So ordnet beispielsweise das französische Recht das Insolvenzrecht maßgeblich Zielen der Wirtschaftspolitik und der in Frankreich verwirklichten indikativen Wirtschaftsplanung (planification) unter. Bei der Nutzbarmachung rechtsvergleichender Erkenntnisse konnte es daher nicht darum gehen, auslandsrechtliche Regelungsmodelle kritiklos auf die 594  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 10 ff., 155 f.; BMJ, DiskE InsO, S. A95 f.; BMJ, RefE InsO, S. A114 f.; BT-Drucks. 12/2443 S. 105. 595  BMJ, DiskE InsO, S. A98, B252; BMJ, RefE InsO, S. A 117; BT-Drucks. 12/2443 S. 106. 596  Dass die Auslegung der InsO-Normen nicht dem amerikanischen Recht und dessen Anwendung in Amerika zu folgen hat, betont zurecht Eidenmüller, in: MüKo InsO, vor § 217, Rn. 21 f. 597  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 10 ff.; BMJ, DiskE InsO, S. A95 ff.; BMJ, RefE InsO, S. A114 ff.; BT-Drucks. 12/2443 S. 105 f. 598  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S. 156 ff.



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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deutschen Verhältnisse zu übertragen. Dies gilt auch für das Reorganisationsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, das dem Ziel der Marktkonformität wohl immerhin am nächsten kommt.“599

Die InsO und insbesondere der Insolvenzplan wurden also nicht dadurch entworfen, dass Normen des Bankruptcy Code in den deutschen Rechtskreis übernommen wurden. Der Gesetzgeber hat vielmehr nur einzelne Ideen aufgegriffen und eigenständig in der InsO umgesetzt. Ein Beispiel hierfür kann in dem oben bereits erwähnten Obstruktionsverbot gesehen werden, das zwar bezeichnet wird als ein „Gedanke, der im Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten entwickelt worden ist“600, das der Gesetzgeber aber in der Form einer Regelung der vorgeschlagenen InsO als „besondere[s] Schikaneverbot“601 erklärt, also in das deutsche (Privat-)Rechtssystem einordnet. Ein weiteres Beispiel ist die Abstimmung in Gruppen, die im Regierungsentwurf nicht etwa auf eine Nachbildung des amerikanischen Rechts, sondern eine Erweiterung des Gedankens des § 8 II VglO gestützt wird, der eine gesonderte Abstimmung von „zurückgesetzten“ Gläubigern regelte; die in der InsO vorgesehene reine Gruppenabstimmung wurde dabei lediglich durch den Wegfall der von § 74 VglO vorgesehenen zusätzlichen Gesamtabstimmung aller Gläubiger begründet.602 Nach alldem ist es an dieser Stelle nicht geboten, die Rechtsnatur der ausländischen Institute, die eine vom Insolvenz-Regelverfahren abweichende Abwicklung ermöglichen, im Einzelnen zu untersuchen. Denn für die Vorstellung des deutschen Gesetzgebers vom Insolvenzplan waren solche Rechtsfragen ausweislich der obigen Darstellung nicht relevant. Aus dem genannten Zitat lässt sich allerdings wiederum ein Vorbehalt gegenüber staatlichen Maßnahmen im Rahmen des Insolvenzrechts ablesen, was erneut für die Vertragskonstruktion des Insolvenzplans spricht.

e)  Keine Erwähnung der „Vertragshilfe“ Das Modell der „richterlichen Vertragshilfe“, wird in den Gesetzesvorschlägen und -begründungen für die InsO nicht erwähnt. Zwar lässt sich grundsätzlich aus einem Schweigen des Gesetzgebers wenig ableiten. Man darf jedoch annehmen, dass die mit der Ausarbeitung des neuen Insolvenzverfahrens befassten Stellen dieses historische Vorbild kannten. Wenn dann im Ergebnis die „Vertragshilfe“ nicht angesprochen wird, ist der Schluss zulässig, dass eine Herbeiführung 599 

BMJ, DiskE InsO, S. A96 f.; BMJ, RefE InsO, S. A116; BT-Drucks. 12/2443 S. 105. DiskE InsO, S. B252; BMJ, RefE InsO, S. A 116. In BT-Drucks. 12/2443 S. 94 heißt es zum Obstruktionsverbot: „Der Entwurf folgt mit dieser Regelung Leitlinien des amerikanischen Reorganisationsrechts.“ 601  BMJ, DiskE InsO, S. A66; ebenso: BMJ, RefE InsO, S. A76 und BT-Drucks. 12/2443 S. 94. 602  BT-Drucks. 12/2443, S. 92 f. und S. 208 (zu § 288). 600  BMJ,

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

der Rechtsfolgen durch richterliches Gestaltungsurteil vom Gesetzgeber wohl nicht intendiert war, denn in diesem Fall hätte er auf die Formulierungen der Vertragshilfegesetze zurückgreifen können. Ein solches Aufgreifen dieser Regelungen oder auch nur eine Erwähnung dieses Modells ist aber unterblieben, und stattdessen wurde mehrfach die Gläubigerautonomie betont. Vor diesem Hintergrund liegt es fern, dass vom Gesetzgeber der Insolvenzplan als ein richterliches Gestaltungsurteil konzipiert gewesen sein könnte.

f) Ergebnis Im Gesetzgebungsverfahren wurde auf die Rechtsnatur des Insolvenzplans nicht explizit eingegangen. Aus der Konzeption des Plans als ein Instrument der Gläubigerautonomie und den übrigen Äußerungen des Gesetzgebers ergibt sich aber ein privatrechtliches Verständnis des Plans.

VI.  Änderungen durch das ESUG Die InsO wurde in den knapp über zwanzig Jahren seit ihrer Verkündung bereits durch merh als vierzig Gesetze geändert. Deren überwiegender Teil enthielt freilich nur redaktionelle Anpassungen, das Verfahren wurde aber auch in einigen wesentlichen Punkten modifiziert. Für den Insolvenzplan war das „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ (ESUG) vom 7. 12. 2011603 von großer Bedeutung. Im Folgenden werden die Neuregelungen durch das ESUG in Bezug auf den Insolvenzplan dargestellt. Anschließend werden die Gesetzgebungsmaterialien, die aus Diskussions-604, Referenten-605 und Regierungsentwurf606 sowie der Empfehlung des Rechtsausschusses607 bestehen, auf das Verständnis des ESUG-Gesetzgebers vom Insolvenzplan hin untersucht.

1.  Klarstellungen zu möglichen Anwendungsfeldern des Plans Der Regierungsentwurf zur InsO enthielt als § 323 eine Regelung über den Insolvenzplan bei Massearmut.608 Diese Vorschrift wurde aber auf Empfehlung des Rechtsausschusses, der diese Fragen der Rechtsprechung überlassen woll-

603 

BGBl. 2011 I 2582. BMJ, ZIP 2010 Beilage 1, 1. 605  BMJ, RefE ESUG; eine Gegenüberstellung mit dem Diskussionsentwurf findet sich in ZIP 2011 Beilage 1 zu Heft 6. 606  BT-Drucks. 17/5712. 607  BT-Drucks. 17/7511. 608  BT-Drucks. 12/2443 S. 60. 604 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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te,609 gestrichen. Da die Rechtsprechung jedoch zu uneinheitlichen Ergebnissen gelangte, wurde durch das ESUG der § 210a InsO eingefügt, um die Zulässigkeit eines Insolvenzplans bei Massearmut klarzustellen; zur Ausgestaltung der Abstimmungsrechte wurde auf den ursprünglichen Vorschlag in § 323 II des Regierungsentwurfs zurückgegriffen.610 Auf Vorschlag des Bundesrats wurde in den Wortlaut des § 217 InsO die Möglichkeit einer Regelung der „Verfahrensabwicklung“ aufgenommen, um die bis dahin umstrittene Zulässigkeit des sog. „verfahrensleitenden“ Insolvenzplans gesetzlich zu verankern.611

2.  Ermöglichung einer gesellschaftsrechtlichen Umgestaltung des insolventen Verbands Die für den Insolvenzplan bedeutendste Neuerung war die Ermöglichung gesellschaftsrechtlicher Regelungen für einen insolventen Verband. Im Grundsatz wurde diese Möglichkeit in dem neuen § 217 S. 2 InsO geregelt, der insoweit von einer Einbeziehung der „Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen“ spricht. Einzelheiten bestimmt § 225a InsO, dessen dritter Absatz den tatsächlichen Umfang aufzeigt, indem er jede gesellschaftsrechtlich zulässige Regelung zum möglichen Inhalt eines Plans erklärt. Im Zuge dieser Neuregelung wurde in §§ 222 I 2 Nr. 4, 238a InsO eine besondere Abstimmungsgruppe der „Anteilsinhaber“ vorgesehen. Da aufgrund des so erweiterten Personenkreises in vielen Normen statt von „Gläubigern“ nun von „Beteiligten“ die Rede sein sollte, zog dies einige redaktionelle Änderungen nach sich. Eine ähnliche Regelung war bereits bei der Erarbeitung der InsO vorgeschlagen worden. Die Insolvenzrechtskommission wollte das Insolvenzgericht mit der Befugnis ausstatten, die notwendigen Beschlüsse bei Schuldner-Gesellschaften zu ersetzen, wenn dies in dem angenommenen Reorganisationsplan vorgesehen und erforderlich wäre.612 Im weiteren Gesetzgebungsverfahren wurde dieser Gedanke aber nicht aufgegriffen. Im Referenten- und im Regierungsentwurf war lediglich die Möglichkeit vorgesehen, die „Haftung“ der persönlich haftenden Gesellschafter des Schuldners zu regeln,613 wovon auch die Begründung verbandsrechtlicher Verpflichtungen umfasst sein sollte,614

609 

BT-Drucks. 12/7302, S. 180. BT-Drucks. 17/5712, S. 29. 611  BT-Drucks. 17/5712 S. 53 f., 68. 612  Insolvenzrechtskommission, 1. Bericht, S.  42, 58 (Leitsätze 2. 2. 20, 2.4.9.5 und 2.4.9.6), 190 ff. 613  BMJ, RefE ESUG, S. 142 (§ 243); BT-Drucks. 12/2443 S. 49 (§ 253). 614  BT-Drucks. 12/2443 S. 195 (zu § 253). 610 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

was jedoch auf Empfehlung des Rechtsausschusses615 gestrichen wurde. Übrig blieb nur die Regelung des § 227 II InsO sowie die Möglichkeit, gesellschaftsrechtliche Änderungen zur Bedingung für die Planbestätigung zu machen, deren Vornahme hatte aber nach den allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen.616 Diese Gesetzeslage wurde vom ESUG-Gesetzgeber wegen des dadurch den Mitgliedern eröffneten Obstruktionspotentials missbilligt617 und reformiert. Mit dem Ziel, den Insolvenzplan als Sanierungsinstrument wirkungsvoller und im internationalen Vergleich attraktiver zu machen,618 wurden daher durch das ESUG gesellschaftsrechtliche Umgestaltungen im Insolvenzplan selbst ermöglicht. Es sollte „die strikte Trennung von Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht überwunden werden.“619 Insbesondere wurde damit die Möglichkeit einer Umwandlung von Forderungen in Gesellschaftsanteile (engl.: debt-equityswap) unmittelbar durch den Plan eingeführt, deren Fehlen als eine bedeutende Schwäche des alten Rechts angesehen wurde.620

3.  Begrenzung der Beschwerdemöglichkeit gegen den Bestätigungsbeschluss Durch die Neufassung des § 253 InsO wurden die Beschwerdemöglichkeiten gegen den Bestätigungsbeschluss begrenzt. Insbesondere die Einführung einer Erheblichkeitsschwelle für die erforderliche Beschwer in § 253 II Nr. 3 InsO sollte eine Obstruktion verhindern.621 Außerdem wurde in §§ 251 III, 253 II Nr. 3 InsO klargestellt, dass die Bereitstellung von Mitteln für schlechtergestellte Gläubiger zulässig ist, was ebenso durch den daraus möglicherweise resultierenden Wegfall der Beschwer die Verzögerung durch ein Beschwerdeverfahren vermeiden kann.622

4.  Maßnahmen zur Absicherung des Plans gegenüber Nachzügler-Forderungen Der ESUG-Gesetzgeber erkannte die Geltendmachung von Forderungen durch Nachzügler, die sich am Verfahren nicht beteiligt hatten, als Gefahr für die 615 

BT-Drucks. 12/7302, S. 181. Diese Möglichkeit wird explizit erwähnt in BT-Drucks. 12/2443, S. 83, 213. 617  BT-Drucks. 17/5712, S. 30. 618  Die Gesetzesbegründung beklagt die für eine Sanierung oft zu spät gestellten Insolvenzanträge sowie eine Vermeidung des deutschen Rechts beim insolvenzrechtlichen forum shopping, und hofft, diesen Problemen durch das Angebot eines effektiven Sanierungsverfahrens begegnen zu können, BT-Drucks. 17/5712, S. 1 f. 619  BT-Drucks. 17/5712, S. 18. 620  BT-Drucks. 17/5712, S. 1, 30. 621  BT-Drucks. 17/5712, S. 1, 35 f. 622  BT-Drucks. 17/5712, S. 1, 35 f. 616 



B.  Historische Alternativen zum Regelverfahren

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Durchführung eines Insolvenzplans. Zur Absicherung des Plans wurde daher § 229 InsO geändert und die §§  259a und 259b InsO wurden neu eingefügt. Durch die Pflicht zur Berücksichtigung bekannter, aber nicht angemeldeter Forderungen bei der Planerstellung (§ 229 S. 3 InsO) sollte das Risiko durch Nachzügler-Forderungen minimiert werden.623 Zudem wurde zur Absicherung des Plans eine Möglichkeit nachträglichen Vollstreckungsschutzes (§ 259a InsO) und eine kurze Verjährungsfrist für die Nachzügler-Forderungen (§ 259b InsO) geschaffen.624 Eine materielle Ausschlussfrist für die Nachzüglerforderungen lehnte der Gesetzgeber ab, weil diese nach seiner Ansicht nur dann verfassungsgemäß gewesen wäre, wenn sie gleichzeitig eine Wiedereinsetzungsmöglichkeit bei unverschuldeter Versäumnis der Anmeldung vorgesehen hätte, und die damit verbundenen Streitigkeiten und Verzögerungen vermieden werden sollten.625 Als abschreckendes Beispiel für die Nachteile einer solchen Regelung wurde § 14 GesO genannt.626

5.  Verständnis des ESUG-Gesetzgebers von der Natur des Plans Eine aus Sicht der Vertragstheorie zweifelhafte Äußerung findet sich im Rahmen der für Aktiengesellschaften gebotenen Berücksichtigung der Zweiten gesellschaftsrechtlichen Richtlinie (RL 77/91/EWG), nach deren Art. 25 I und 30 eine Kapitalerhöhung oder -herabsetzung eines Beschlusses der Hauptversammlung bedarf. Für die Kapitalherabsetzung erklärt Art. 30 einen solchen Beschluss für entbehrlich, wenn die Herabsetzung gerichtlich angeordnet ist. Der Regierungsentwurf sieht diese Voraussetzung beim Insolvenzplan als erfüllt an: „Dies trifft im Insolvenzverfahren zu, da die Kapitalerhöhung [sic] in den Insolvenzplan und damit in den gerichtlichen Bestätigungsbeschluss nach § 248 InsO aufzunehmen ist.“627 Mit der Vertragstheorie ist diese Aussage nicht vereinbar, da die Wirkungen nach dieser Konstruktion nicht gerichtlich angeordnet, sondern durch den Plan selbst hervorgebracht werden. Allerdings ist die Aussage des Gesetzgebers auch nicht allzu hoch zu gewichten, da sie das zu begründende Ergebnis nicht entscheidend stützt: Im nächsten Absatz wird nämlich festgestellt, dass die Richt-

623 

BT-Drucks. 17/5712 S. 32. BT-Drucks. 17/5712 S. 37 f. 625  BT-Drucks. 17/5712 S. 37. 626  BT-Drucks. 17/5712 S. 37. – Zu den Konsequenzen, die sich aus diesen Regelungen und Überlegungen des Gesetzgebers für die Frage der Zulässigkeit sog. Nachzüglerklauseln in Insolvenzplänen ergeben, siehe unten § 5 F II 2 a und b. 627  BT-Drucks. 17/5712, S. 20; ebenso bereits der Diskussions- und der Referentenentwurf: BMJ, ZIP 2010 Beilage 1, 3, BMJ, RefE ESUG, S. 29. 624 

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

linie tatsächlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon gar nicht mehr anwendbar ist.628 Im Übrigen finden sich keine Äußerungen, die auf ein bestimmtes Verständnis von der rechtlichen Konstruktion des Plans hinweisen würden. Zu bemerken ist aber, dass ausdrücklich als Ziel genannt wird, den Einfluss der Gläubiger auf das Verfahren noch weiter zu stärken.629 Zur Begründung der erweiterten Möglichkeiten im Insolvenzplanverfahren wird zudem festgestellt, „dass wirtschaftlich sinnvolle Lösungen am besten unter Mitwirkung aller Beteiligten [...] erreicht werden können“630, was noch einmal den Charakter des Plans als Gestaltungsmittel der Verfahrensbeteiligten betont.

C.  Auswertung der Ergebnisse Aus der Insolvenzrechtsgeschichte ergeben sich die folgenden Erkenntnisse.

I. Gläubigerautonomie Im modernen deutschen Insolvenzverfahren gilt der Grundsatz der Verfahrensherrschaft der Gläubiger. Das Modell eines vom Gericht beherrschten Verfahrens, wie es das Gemeine Recht vorgesehen hatte, ist in Deutschland historisch gescheitert. Es wurde in der KO von 1877 zugunsten eines gläubigerdominierten Verfahrens nach dem Vorbild Frankreichs aufgegeben, das seinerseits auf Statuten Oberitaliens zurückging. Bei der Insolvenzrechtsreform von 1978 bis 1994 rückte der Gesetzgeber von den Vorschlägen der Insolvenzrechtskommission ab, die eine Stärkung der Gerichtsmacht vorgesehen hatte, und betonte im weiteren Gesetzgebungsprozess mehrfach die Bedeutung der Gläubigerautonomie als Verfahrensgrundsatz. Durch das ESUG wurde dieser Ansatz erneut bestätigt. Diesem Grundsatz ist bei der Auslegung des Insolvenzverfahrensrechts mithin große Bedeutung beizumessen und Geltung zu verschaffen, indem bei Zweifeln über die Befugnisse von Gläubigern und Gericht tendenziell zugunsten der letzteren zu entscheiden ist. Außerdem ist das Insolvenzverfahren demnach nicht ein im staatlichen Interesse durchgeführtes Verfahren, sondern ein Weg zur Verwirklichung privater Rechte. In der allgemeinen Bezeichnung als Gesamtvollstreckungsrecht kommt dies richtig zum Ausdruck. Da das Insolvenzverfahren mithin ein zivilprozessuales Vollstreckungsverfahren ist, stellt 628  BT-Drucks. 17/5712, S. 20; ebenso bereits der Diskussions- und der Referentenentwurf: BMJ, ZIP 2010 Beilage 1, 3, BMJ, RefE ESUG, S. 30. 629  BT-Drucks. 17/5712 S. 17 f. 630  BT-Drucks. 17/5712 S. 18.



C.  Auswertung der Ergebnisse

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sich der Grundsatz der Gläubigerautonomie als spezielle Form der zivilprozessualen Dispositionsmaxime dar, die ihrerseits Ausfluss (bzw. prozessuales Gegenstück) der Privatautonomie ist.631 Die Gläubigerherrschaft ist also die insolvenzverfahrensrechtliche Ausprägung der Privatautonomie.

II.  Insolvenzplan als stärkstes Mittel der Gläubigerautonomie Der Insolvenzplan ist ein Instrument der Gläubigerautonomie; in ihm findet dieser Verfahrensgrundsatz seine stärkste Ausprägung. Nach der vorangegangenen Überlegung ist der Insolvenzplan deshalb als Ausdruck der Privatautonomie anzusehen. Da die Privatautonomie sich im Rechtsgeschäft verwirklicht,632 bei Beteiligung mehrerer Personen insbesondere im Vertrag,633 ist eine vertragliche Natur des Insolvenzplans systemkonform. Demgegenüber wäre es atypisch, wenn ein Instrument der Privatautonomie die maßgeblichen Rechtsfolgen erst durch die Vermittlung eines gerichtlichen Urteils hervorbringen sollte, wie es nach der Urteilstheorie, aber auch nach der Theorie vom zusammengesetzten Rechtsakt der Fall wäre.

III.  Kontinuität zwischen Zwangsvergleich und Insolvenzplan Der Insolvenzplan ist kein absolutes Novum im deutschen Recht, sondern die moderne Form des Zwangsvergleichs, wie er in der KO und der VglO existierte. Aufgrund dieser wesensmäßigen Übereinstimmung können die zum Zwangsvergleich gewonnenen Erkenntnisse auf den Insolvenzplan übertragen werden, soweit nicht die Neufassung der gesetzlichen Regelungen entgegensteht. Die Kontinuität zwischen KO und InsO erlaubt und gebietet zudem den Rückgriff auf die Vorstellungen des KO-Gesetzgebers. Insofern ist die in den Motiven geäußerte Vorstellung zu beachten, dass die Gläubiger eine Gemeinschaft bilden sollten, und gerade diese Gemeinschaft als Rechtfertigung für den Zwangsvergleich herangezogen wird. Der auch in der Literatur zum Zwangsvergleich häufig vertretene Ansatz einer vertraglichen Konstruktion mithilfe des Gemeinschaftsmodells verdient daher besondere Beachtung.

IV. Universalitätsprinzip Anders als die Gläubigerherrschaft stammt das Universalitätsprinzip im modernen Insolvenzrecht aus dem Gemeinen Recht, das insoweit vermutlich durch 631  Zur Dispositionsmaxime als Verfahrensgrundsatz im Zivilprozess, sei es im Erkenntnis- oder im Vollstreckungsverfahren, vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 76 und Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 74 ff. 632  „Das Mittel der Privatautonomie ist das Rechtsgeschäft“ (Medicus, BGB AT, Rn. 175). 633 Vgl. Medicus, BGB AT, Rn. 203 f.

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§ 2  Historischer Hintergrund des Insolvenzplans

das von Salgado de Somoza aufgezeichnete concursus-Verfahren beeinflusst wurde. Die Wirkungen des Insolvenzverfahrens erstrecken sich nach diesem Verfahrensprinzip auch auf die Gläubiger, die sich am Verfahren nicht aktiv beteiligen, insbesondere ihre Forderungen nicht anmelden. Dieses Prinzip gilt auch und gerade für den Insolvenzplan, dessen Wirkungen sich auf sämtliche Gläubiger erstrecken, wie es schon beim Zwangsvergleich der Fall war.

V.  Vereinigung von Gläubigerautonomie und Universalität in einer Gläubigergemeinschaft Wie bereits an früherer Stelle angedeutet, könnte man im Universalitätsprinzip einen Widerspruch zur Gläubigerautonomie sehen. Aufgrund der unterschiedlichen historischen Ursprünge beider Prinzipien liegt ein solcher Gegensatz auch nahe. Für ein stimmiges Gesamtkonzept des Insolvenzverfahrens ist es aber erforderlich, beide Prinzipien miteinander in Einklang zu bringen. Setzt man die Gläubigerautonomie mit der Privatautonomie jedes einzelnen Gläubigers gleich, müsste von ihr auch die Freiheit umfasst sein, ohne Nachteile von einer aktiven Verfahrensbeteiligung abzusehen. Das wird aber im Insolvenzverfahren nicht sichergestellt, denn dieses erfasst nach dem Universalitätsprinzip ipso iure sämtliche Gläubiger unabhängig von einer Forderungsanmeldung. Zudem ist auch bei einer aktiven Beteiligung jeder Gläubiger den Mehrheitsentscheidungen der Gläubigerversammlung unterworfen. Besonders deutlich werden diese Nachteile beim Insolvenzplan, obwohl doch gerade dieser Ausdruck der Gläubigerautonomie sein soll: Ein Gläubiger, der gegen den Plan stimmt bzw. sich nicht am Verfahren beteiligt, kann dennoch durch den Plan eine Rechtsbeeinträchtigung erleiden; in seine Privatautonomie wird im Zuge des universellen Verfahrens eingegriffen. Die Universalität gerät hingegen dann nicht in Widerspruch zur Gläubigerautonomie, wenn man diese nicht mit der Privatautonomie des Einzelnen gleichsetzt, sondern sie den sämtlichen Gläubigern als Gemeinschaft zuschreibt. Nur wenn man die Verfahrensherrschaft „der Gläubiger“ nicht als eine solche der einzelnen Gläubiger, sondern der Gesamtheit der Gläubiger versteht, lassen sich die Regelungen des Insolvenzverfahrens, insbesondere die zwangsweise Beteiligung und das Mehrheitsprinzip, ohne Sinnbrüche erklären. Denn in diesem Fall begründet die Universalität die zwangsweise rechtliche Verbindung der Gläubiger zu einer Gemeinschaft, und nur dieser Gläubigergemeinschaft steht die Verfahrensherrschaft zu. Die so verstandene Gläubigerautonomie ist weiterhin Privatautonomie, aber nicht die unbegrenzte Privatautonomie jedes einzelnen Gläubigers, sondern die Privatautonomie der sämtlichen Gläubiger, die sich nur nach den innergemeinschaftlichen Regeln ausdrücken kann. Das Modell einer Gläubigergemeinschaft des KO-Gesetzgebers leistet also eine stimmige Verbindung der Prinzipien der Gläubigerautonomie mit der Uni-



C.  Auswertung der Ergebnisse

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versalität des Verfahrens. Dies spricht dafür, die Gläubigergemeinschaft auch zur Grundlage einer vertraglichen Konstruktion des Insolvenzplans zu nehmen.

VI. Gesamtergebnis In der Gesamtschau ergibt sich aus der Analyse der Insolvenzrechtsgeschichte, dass eine Einordnung des Insolvenzplans als Vertrag den rechtlichen Vorstellungen und Zielsetzungen des Gesetzgebers am besten entspricht. Dies steht auch im Einklang mit der traditionellen Auffassung in der Rechtswissenschaft. Dabei liegt aus historischer Sicht eine Konstruktion mithilfe einer Gläubigergemeinschaft am nächsten. Eine solche Gemeinschaft entspricht ebenfalls der Vorstellung des Gesetzgebers, und hat darüber hinaus den Vorteil, die aus unterschiedlichen historischen Quellen stammenden Verfahrensprinzipien von Gläubigerherrschaft und Universalität in einem rechtlichen Institut zusammenführen und erklären zu können.

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans In der heutigen Diskussion über die Rechtsnatur des Insolvenzplans werden viele der zum Zwangsvergleich entwickelten Argumente wieder aufgegriffen; die gesetzliche Umgestaltung wirft aber auch neue Fragen auf und gibt Anlass zu weiteren Konstruktionsvorschlägen. Die Grundmodelle sind indes dieselben geblieben: Diskutiert werden Konstruktionen des Insolvenzplans als Vertrag, Urteil, ein Institut eigener Art und als Rechtsnorm.1

A. Rechtsnormtheorie Eike Happe vertritt die These, der Insolvenzplan sei eine Rechtsnorm.2 Das ist ersichtlich falsch. Rechtsnormen sind generelle Regelungen, sie richten sich an einen zum Zeitpunkt des Normerlasses noch unbestimmten Personenkreis.3 Demgegenüber sind die Wirkungen des Insolvenzplans auf die „Beteiligten“, wie sie das Gesetz nennt, beschränkt. Auch soweit sich der Plan auf Gläubiger erstreckt, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, und die daher den Abstimmenden und möglicherweise auch dem Schuldner noch unbekannt sind, handelt es sich bereits um einen fest abgegrenzten Personenkreis. Der Insolvenzplan trifft mithin keine generelle, sondern eine individuelle Regelung, und ist somit keine Rechtsnorm.4 Dass der Plan keine generelle Regelung enthält, hat auch der BGH erkannt und daraus die Konsequenz abgeleitet, dass der Planinhalt nicht, wie bei normähnlichen Regelungen wie etwa Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach objektiven Maßstäben auszulegen ist, sondern dass „das individuelle Verständnis derjenigen maßgebend [ist], die ihn beschlossen haben.“5

1  Zu

den entsprechenden Theorien in Bezug auf den Zwangsvergleich siehe oben § 2 B IV 5. 2  Happe, Rechtsnatur des Insolvenzplans, insb. S. 214 ff. 3  Braun, Einführung in die Rechtswissenschaft, S.  367; Kirchhof, Rechtsetzung Privater, S. 64 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 251 f.; Merten, Jura 1981, 169, 170; Meyer-Cording, Rechtsnormen, S. 25; Wolf, JZ 1973, 229. 4 Ebenso: Madaus, Insolvenzplan, S. 167 ff. 5  BGH NJW-RR 2006, 491, 493.

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

B. Urteilstheorie Die Urteilstheorie wird zum Insolvenzplan nur noch in zwei Publikationen vertreten. Die eine stammt von Dieter Leipold, der den Plan als einen „privatrechtsgestaltenden Verfahrensakt“ ansieht,6 die andere von Stefan Smid, Rolf Rattunde und Torsten Martini, die von „gestaltenden Eingriffen“ des Gerichts sprechen.7

I.  Kritik an der Argumentation der Urteilstheorie Die von den Vertretern der Urteilstheorie vorgebrachten Argumente können nicht überzeugen.

1.  Angebliche Unmöglichkeit einer vertraglichen Konstruktion Dieter Leipold greift für seine Argumentation zunächst auf die Einwände zurück, die bereits beim Zwangsvergleich gegen die Vertragstheorie vorgebracht wurden. Auf das erste Argument, dass eine vertragliche Konstruktion unmöglich sei,8 ist an dieser Stelle nicht weiter einzugehen, da die Untersuchung der Vertragstheorie einen eigenen Abschnitt der Arbeit bildet. Außerdem ist daran zu erinnern, dass das angebliche Scheitern eines anderen Modells der eigenen These nicht weiter hilft; diese kann dennoch falsch sein. Eine wissenschaftliche Theorie muss aus sich selbst heraus tragfähig sein, um überzeugen zu können.

2.  Verfahren als „Bevormundung“ bei Annahme der Vertragstheorie Leipold überträgt weiterhin das Argument, das Erfordernis der gerichtlichen Bestätigung und die entsprechenden Prüfungskompetenzen des Gerichts seien mit einer vertraglichen Einordnung nicht zu vereinbaren. Dem von der Vertragstheorie vielfach als Gegenbeweis angeführten Vergleich mit der gerichtlichen Genehmigung von Verträgen nach § 1822 BGB hält er entgegen, dass kein vergleichbarer Fall von Schutzbedürftigkeit eines Beteiligten vorliege, wenn der Plan einstimmig angenommen wird.9 Hier kehrt das bereits von August Schultze

6  Leipold, KTS 2006, 109, 122 ff. Da die „Bestätigung“ des Insolvenzplans durch einen Beschluss, nicht durch ein Urteil erfolgt, distanziert sich Leipold von der Bezeichnung „Urteilstheorie“. Siehe zu diesem Gedanken schon Cohn, Rechtsnatur des Zwangsvergleichs, S. 43 ff. Trotz der berechtigten Überlegungen dieser Autoren wird hier die überkommene Bezeichnung verwendet, die sich eingebürgert hat. 7  Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 7.7, 7.8. 8  Leipold, KTS 2006, 109, 118. 9  Leipold, KTS 2006, 109, 118.



B. Urteilstheorie

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vorgebrachte Argument wieder, bei den Verfahrensvorschriften müsse es sich aus Sicht der Vertragstheorie um ein „Bevormundungssystem“ handeln.10 Dem ist auch heute noch zu erwidern, dass im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens den Gläubigern, die dessen Wirkungen nicht aufgrund eigener Zustimmung unterworfen sind, ein gewisser Mindestschutz durch die gerichtliche Überprüfung zu gewähren ist.11 Dieser Schutz ist aber auch bei einer einstimmigen Planannahme im Abstimmungstermin gerechtfertigt, und zwar schon wegen der Erstreckung der Planwirkungen auf die nicht anmeldenden Gläubiger nach § 254b InsO.

3.  Bestandskraft des Plans nach rechtskräftiger Bestätigung Mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses kann grundsätzlich nicht mehr geltend gemacht werden, der Insolvenzplan sei nicht wirksam zustandegekommen.12 Daraus wollen die Vertreter der Urteilstheorie ein Argument ziehen, indem sie behaupten, dieses Ergebnis sei nur durch die Figur der Rechtskraft erklärbar.13 Das stimmt aber nicht. Denn im Recht führen verschiedene Wege zu einem Ausschluss der Geltendmachung von Mängeln; insbesondere das Phänomen der „Heilung“14 ist dabei zu nennen, aber auch sonst gibt es materiellrechtliche15 und prozessuale16 Mechanismen, die verhindern, dass Mängel eines Rechtsgeschäfts nachträglich noch Beachtung finden. Die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung ist also nur eine von mehreren Begründungsmöglichkeiten. Darüber hinaus existieren auch Erklärungsmodelle, die den Insolvenzplan als Vertrag einordnen, seine „Bestandskraft“ aber dennoch mithilfe der Rechtskraft begründen: So soll es sich nach einer Ansicht bei der Bestätigung um ein vorgezogenes Erkenntnisverfahren handeln, sodass die Vertragsnatur des Plans 10 

Schultze, Konkursrecht, S. 130. Zu dieser ratio legis der entsprechenden Vorschriften siehe die bereits oben erläuterten (§ 2 B IV 5 a cc) Anmerkungen in den Motiven zur KO bei Hahn, Materialien, S. 355. 12  Allgemeine Ansicht, statt aller: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 198. Die Notwendigkeit dieser Bestandskraft wurde auch schon für den Zwangsvergleich erkannt, vgl. dazu v. a. Vierhaus, ZZP 1890, 281, 283, sowie die Gerichtsentscheidungen: RG LZ, 1911, Sp. 555, 556; KG KuT 1933, 30, 30 f.; RG KuT 1933, 118, 119; RGZ 127, 372, 375; KG KuT 1933, 30, 30 f.; RGZ 57, 270, 275; BGH KTS 1961, 152, 153. 13  Leipold, KTS 2006, 109, 118 f.; für den Zwangsvergleich v. a. von Max Ernst Eccius hervorgehoben: Eccius, Preußisches Privatrecht, S. 817 f., Eccius, Gruchot 1902, 726, 727; Eccius, Gruchot 1896, 457, 463. 14  Dazu umfassend: Mock, Heilung. 15  Siehe z. B. Medicus, BGB AT, Rn. 175 zu den Fällen der in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnisse. 16 Hier sei insbesondere das Institut der „prozessualen Überholung“ genannt, auf das später noch zurückzukommen sein wird; vgl. dazu unten § 5 E II a (mit entsprechenden Nachweisen). 11 

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

unberührt bleibt, Klagen gegen dessen Wirksamkeit aber aufgrund der Rechtskraftwirkung ausgeschlossen sind.17 Ein solcher Lösungsansatz ist zumindest in Erwägung zu ziehen. Insgesamt zeigen diese Beispiele, dass der Insolvenzplan keineswegs als Urteil oder sonstiger Hoheitsakt gedeutet werden muss, um seine Unanfechtbarkeit nach rechtskräftiger Bestätigung erklären zu können.

4.  Entbehrlichkeit der Zustimmung des Schuldners In der Regelung des § 247 II InsO sieht Leipold nunmehr ein neues Argument für die Urteilstheorie, da nach dieser Vorschrift ein Widerspruch des Schuldners unter bestimmten Voraussetzungen unbeachtlich ist. Er meint daher, dass „von einer Willenserklärung, wie sie für den Vertrag nun einmal erforderlich ist, nicht die Rede sein kann.“18 Zu diesem Schluss kann allerdings nur gelangen, wer mit Leipold den ersten Absatz des zitierten Paragraphen ignoriert. Die Zustimmung des Schuldners ist erforderlich, und zwar so dringend, dass der Gesetzgeber, der von Anfang an entschlossen war, einen Plan auch gegen den tatsächlichen Willen des Schuldners zu ermöglichen, sich für die gesetzliche Umsetzung dieses Ziels in § 247 I InsO zum Mittel der Fiktion genötigt sah.19

5. Obstruktionsverbot Auch die Regelung des § 245 I InsO, die von Leipold als weiterer Einwand gegen eine vertragliche Konstruktion herangezogen wird,20 ist nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung tatsächlich ein Argument für die Vertragstheorie. Hier wird ebenso das gesetzliche Hilfsmittel der Fiktion verwendet, um zu einer Zustimmung der betroffenen Gruppe zu kommen. Eine Willenserklärung ist also wiederum vorhanden und wurde vom Gesetzgeber offenbar für unerlässlich gehalten. Zudem spricht die Bezeichnung der Regelung als „besonderes Schikaneverbot“ durch den Gesetzgeber ebenfalls für die vertragliche Einordnung des Plans.21 Leipold meint zu dieser Vorschrift, vor allem im Hinblick auf das Merkmal der „Schlechterstellung“ in § 245 I Nr. 1 InsO: „Nicht die einzelnen Gläubiger, ja nicht einmal die Gläubigermehrheit darf verbindlich darüber entscheiden, ob der Plan für sie günstiger oder ungünstiger ist als die Abwicklung der Insolvenz 17 So Madaus, Insolvenzplan, S. 364 ff.; ganz ähnlich für den Zwangsvergleich bereits Kurlbaum/Kurlbaum, in: Wilmowski, KO (6. Auflage), vor § 173 Anm. 3 und Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 92. 18  Leipold, KTS 2006, 109, 119. 19  Dieser Zusammenhang wurde oben erläutert, siehe § 2 B V 2 b. 20  Leipold, KTS 2006, 109, 120 f. 21  Siehe oben § 2 B V 2 c.



B. Urteilstheorie

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ohne Plan. [...] An ihre Stelle tritt die Beurteilung durch das Gericht.“22 Auch Smid, Rattunde und Martini sehen in dieser „Sachprüfungskompetenz hinsichtlich der Ausgestaltung des Planes“ einen Anhaltspunkt für die richterliche Vormachtstellung im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens.23 Das geht aber an der Sache vorbei. Wie überall, so lässt das Gesetz auch hier unter bestimmten Voraussetzungen eine Rechtsfolge eintreten, in diesem Fall eine Fiktion. Das Gericht hat im Rahmen der Entscheidung über die Bestätigung die gesetzlichen Vorschriften zu beachten. Dazu zählt § 245 InsO; soweit unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet werden, muss das Insolvenzgericht diese konkretisieren. Mit richterlicher Gestaltungsmacht hat all dies jedoch nichts zu tun. Richterliche Gestaltung war zwar als rechtliches Mittel zur Verwirklichung eines Obstruktionsverbots von der Insolvenzrechtskommission vorgesehen gewesen, die bewusste Nichtumsetzung des entsprechenden Regelungsvorschlags und die Wahl einer alternativen rechtlichen Konstruktion durch den Gesetzgeber beweisen aber, dass dem Gericht gerade keine solche Kompetenz zukommen sollte.24

6.  Vorschriften zur Zurückweisung des Plans Weiterhin beruft sich Leipold auf § 231 I 1 Nr. 3 InsO. Danach muss das Gericht den Planvorschlag zurückweisen, wenn der Schuldner seine Pflichten nach dem Plan offensichtlich nicht erfüllen können wird. Die Prüfung und die darin liegende Prognose hätte aber bei einem Vertrag nach Ansicht Leipolds „ureigenste Sache der Vertragsschließenden zu sein [...].“25 Die Gesetzesbegründung macht hingegen deutlich, dass mit dieser Vorschrift nicht die Entscheidungsfreiheit der Gläubiger beschränkt oder deren wirtschaftliche Beurteilung ersetzt werden soll: „Sowohl in der Nummer 2 wie in der Nummer 3 des Absatzes 1 wird durch das Wort ‚offensichtlich‘ zum Ausdruck gebracht, daß nur in eindeutigen Fällen von der Befugnis zur Zurückweisung Gebrauch gemacht werden darf; andernfalls würde das Gericht der Entscheidung der Gläubiger in ungerechtfertigter Weise vorgreifen.“26 Auch der ESUG-Gesetzgeber betont, dass § 231 InsO dem Gericht nur sehr begrenzte Befugnisse einräumt: „Die wirtschaftliche Angemessenheit der im Plan vorgesehenen Regelungen wird vom Gericht nicht geprüft. Die Erfolgsaussichten und die Erfüllbarkeit des Plans können nur ausnahmsweise im Rahmen der Nummern 2 und 3 bedeutsam sein.“27 22 

Leipold, KTS 2006, 109, 120 f. Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 7.6. 24  Vgl. nochmals § 2 B V 2 c. 25  Leipold, KTS 2006, 109, 121. 26  BT-Drucks. 12/2443, S. 204. 27  BT-Drucks. 17/5712, S. 32 f. 23 

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

Der Grund für die Zurückweisungsbefugnis des Gerichts ist, dass dadurch Verfahrensverzögerungen durch aussichtslose Pläne verhindert werden sollen.28 In solchen Fällen brächte die fruchtlose Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens wirtschaftliche Schäden mit sich, vor denen die Gläubiger wegen der von Anfang an feststehenden Erfolglosigkeit bewahrt werden müssen. Eine Gestaltungsbefugnis des Gerichts ergibt sich daraus nicht. Gänzlich verfehlt ist die auf § 231 I 1 Nr. 1 InsO gestützte Argumentation von Smid, Rattunde und Martini, auf die sich die Autoren aber bei ihrer Einordnung entscheidend stützen: „Wenn nämlich das Insolvenzgericht aus § 231 InsO eine weitreichende Vorprüfungskompetenz hinsichtlich des Planes hat und der Schuldner [sic] die Befugnis hat, Mängel des Planes zu beheben [...], so nimmt das Insolvenzgericht über die bloße Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus ‚materiell‘ eigenen Einfluss auf den Inhalt des Plans.“29 Diese Aussage enthält neben der unzutreffenden Begrenzung der Korrekturmöglichkeiten auf den Schuldner30 zwei argumentative Fehler. Erstens belegt der Umstand, dass das Gericht etwaige Mängel nicht selbst beheben kann, sondern eine Beseitigung durch den Planersteller selbst abwarten muss, gerade die fehlende Gestaltungsmacht des Gerichts. Zweitens ist die Unterstellung einer „weitreichenden Prüfungskompetenz“ ein Zirkelschluss. Bei der Auslegung des § 231 InsO zeigt sich nämlich die praktische Relevanz der dogmatischen Einordnung des Insolvenzplans, indem der Wortlaut hinsichtlich der Reichweite des gerichtlichen Prüfungsumfangs unterschiedliche Interpretationen zulässt. Eine Entscheidung ist danach zu treffen, ob die gerichtliche Mitwirkung im Planverfahren sich auf eine Kontrollfunktion beim Vertragsschluss beschränkt, oder ob der Plan insgesamt als ein richterlicher Gestaltungsakt einzuordnen ist, da im ersten Fall eine restriktive Auslegung geboten wäre, im zweiten dagegen eine extensive. Eine der beiden Auslegungsmöglichkeiten auszuwählen, und diese als Argument in der Entscheidung über die Rechtsnatur des Plans heranzuziehen, ist eine petitio principii. Die von Smid, Rattunde und Martini gewählte Auslegung ist aber nicht nur willkürlich, sondern sie widerspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der, wie oben gesehen, die richterlichen Befugnisse nach § 231 InsO eng verstanden wissen will.

7. Minderheitenschutz Dieselbe Argumentation wie zu § 231 I Nr. 3 InsO verwendet Leipold zum Minderheitenschutz gem. § 251 I Nr. 2 InsO, indem er wiederum die Beurteilung wirtschaftlicher Kriterien durch das Gericht als Beweis für die Einordnung des 28 

BT-Drucks. 12/2443, S. 92, 204. Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 7.6. 30  § 231 I 1 Nr. 1 InsO gilt auch für Verwaltervorlagen. 29 



B. Urteilstheorie

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Plans als Akt des Gerichts ansieht.31 Dem ist, wie schon oben, zu entgegnen, dass nicht jede Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe zu einem Gestaltungsurteil führt. Vor allem aber zeigt das Antragserfordernis in § 251 I InsO, dass das Gericht nicht seine wirtschaftliche Beurteilung den Beteiligten aufzwingen kann, sondern dass es hier, der Normüberschrift entsprechend, lediglich die Interessen einzelner Beteiligter bei der Entscheidung über die Bestätigung zu berücksichtigen hat.

8. Rechtsvergleichung Leipold argumentiert auch rechtsvergleichend. Er weist darauf hin, dass in der Schweiz und in Österreich zu den dortigen Instituten zur Abweichung vom insolvenzrechtlichen Regelverfahren jeweils die Verfahrens- bzw. Urteilstheorie herrschend sind.32 Diese Hinweise können indes nicht überzeugen. So sinnvoll der Blick auf ausländische Regelungen sein kann, so wichtig ist es auch, die gewonnenen Erkenntnisse richtig einzuordnen. Wenn in ausländischen Regelungen einzelne Tatbestände mit bestimmten Rechtsfolgen verknüpft werden, kann dies dem inländischen Gesetzgeber oder Rechtsanwender als positives oder negatives Beispiel dienen; man mag dann solche Fälle genauso oder gerade entgegengesetzt behandeln, je nachdem, welche Erfahrungen die ausländische Rechtspraxis zeigt, und ob ein Gleichlauf angestrebt wird oder nicht. Bei der Übertragung wissenschaftlicher Einordnungen aus dem Ausland ist jedoch besondere Umsicht erforderlich. Zum einen müsste zunächst, wenn es sich nicht um dasselbe, etwa ein international geltendes, Rechtsinstitut handelt, bis ins kleinste Detail die inländische mit der ausländischen Regelung verglichen werden, um festzustellen, ob eine Übertragung des wissenschaftlichen Ergebnisses überhaupt in Betracht kommt, oder ob nicht Unterschiede bestehen, welche eine abweichende Bewertung begründen – diese Darlegung bleibt Leipold schuldig. Zum anderen ist der Verweis auf eine „herrschende Meinung“ von vornherein kein wissenschaftliches Argument. Vielmehr wäre gerade zu zeigen, warum jene Meinung die zutreffende sein soll. Ein reiner „internationaler Meinungsvergleich“, wie ihn Leipold durch seine knappen Verweise insinuiert, trägt hingegen zur Klärung der Streitfrage nichts bei. So könnte man seinem Hinweis auf die österreichischen und schweizerischen Einordnungen zwar entgegenhalten, dass gerade der Plan nach Kapitel 11 des US-amerikanischen Bankruptcy Code, der bekanntlich das wichtigste ausländische Vorbild für den deutschen Insolvenzplan darstellte, überwiegend als 31  Leipold, KTS 2006, 109, 121; inhaltlich ebenso: Smid/Rattunde/Martini, Insolvenzplan, Rn. 7.6. 32  Leipold, KTS 2006, 109, 123 f.

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

Vertrag verstanden wird.33 Doch welche Schlüsse sollten daraus zu ziehen sein: Müssten sich nun eher die deutschen und amerikanischen Juristen der in Österreich und der Schweiz herrschenden Meinung beugen, oder umgekehrt? Dass eine solche Form der Rechtsvergleichung zu nichts führt, liegt auf der Hand. Vielmehr verspricht im Fall des Insolvenzplans nur eine rechtswissenschaftliche Untersuchung der Regelung, wie sie sich heute in der InsO findet, Erfolg. Denn insoweit kann es nur bei der Feststellung bleiben, dass vom Gesetzgeber keine Übertragung einer wissenschaftlichen Einordnung aus dem Ausland beabsichtigt war,34 und dass aus den genannten Gründen „herrschende Meinungen“ zu ausländischen Rechtsinstituten kein valides Argument im Streit über die Rechtsnatur des Insolvenzplans darstellen.

II.  Argumente gegen die Konstruktion des Insolvenzplans als „Urteil“ Es wurde gezeigt, dass die Urteilstheorie keine überzeugenden Argumente für sich hat. Darüber hinaus sprechen gewichtige Punkte gegen sie.

1.  Wortlaut und gesetzgeberischer Wille Die Urteilstheorie ist mit der Intention des Gesetzgebers, die sich im Gesetzeswortlaut spiegelt, nicht vereinbar. Sprachlich ist eine „Bestätigung“ kein konstitutiver Akt, sondern tritt zu einem solchen nur hinzu. Die Begriffe „Annahme“ und „Zustimmung“ (§§ 244, 246–248 InsO) entstammen dem materiellen Zivilrecht und bezeichnen rechtsgeschäftliche Willenserklärungen. Der Gesetzgeber ging bei Schaffung der §§ 217 ff. InsO von der Vertragsnatur des Insolvenzplans aus und hat die Vorschriften dieser Vorstellung gemäß gestaltet. Die Wirkungen des Insolvenzplans durch eine gerichtliche Entscheidung herbeiführen zu wollen, missachtet den historisch begründeten Grundsatz der Gläubigerautonomie, den Willen des Gesetzgebers und den Wortlaut des Gesetzes.35

2.  Grundsätzliche Erwägungen zur richterlichen Gestaltungsmacht Neben den spezifisch insolvenzrechtlichen Argumenten sind auch grundsätzliche Überlegungen zur Rolle von Gestaltungsurteilen im deutschen Recht anzustellen. Im Gegensatz zu Leistungs- und Feststellungsurteilen sind Gestaltungsurteile selbst „konstitutiv oder rechtsändernd.“36 Aus Sicht der Urteilstheorie sollen sie deshalb der rettende Ausweg sein, wenn die vertragliche Konstruktion des Insolvenzplans nicht gelingt. Es wurde bereits kritisiert, dass 33 Vgl.

Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 6. Siehe oben § 2 B V 2 d. 35  Siehe dazu § 2 C I, II. 36  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 1. 34 



B. Urteilstheorie

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dabei die dogmatische Stimmigkeit der Urteilstheorie selbst nicht näher untersucht wird, sondern die Diskussion allein auf dem Feld der Vertragstheorie geführt wird. Die Urteilstheorie muss sich aber fragen lassen, ob ihr eigenes Erklärungsmodell überhaupt tragfähig ist. Die Urteilstheorie versteht die Bestätigung des Insolvenzplans, genauer den Bestätigungsbeschluss, als eine rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts.37 Bei äußerlicher Betrachtung passt dazu, dass die im Insolvenzplan festgelegten Wirkungen mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses eintreten (§ 254 I InsO), so wie bei Gestaltungsurteilen die Rechtsänderung erst mit Rechtskraft eintritt.38 Es bestehen auch keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, dass eine richterliche Gestaltungsentscheidung nicht nur durch Urteil, sondern auch durch Beschluss ergehen könnte. Ferner sind Entscheidungen mit echtem Rechtsprechungscharakter auch in der Zwangsvollstreckung möglich.39 Diese allgemeinen Erwägungen könnten also zu dem Schluss führen, dass tatsächlich durch das Abstellen auf eine gerichtliche Entscheidung die Geltungskraft des Insolvenzplans leicht zu erklären sei. Einer genaueren Überprüfung hält die These jedoch nicht stand.

a)  Erklärungsnot im Hinblick auf das Gestaltungsrecht Was die Urteilstheorie durch ihre nur oberflächliche Betrachtung verkennt, ist die keineswegs unbegrenzte Gestaltungsmacht des Richters. Der Richter handelt beim Gestaltungsurteil nicht rechtsschöpferisch kraft eigener Machtvollkommenheit, sondern auf Antrag und nach gesetzlicher Anordnung.40 Ein Antrag auf gerichtliche Gestaltungsentscheidung ist nur dann begründet, wenn der Antragsteller ein entsprechendes Recht auf die Gestaltung hat, das sog. Gestaltungs- oder Gestaltungsklagerecht.41 Wollte man die Wirkungen 37  „Eine Entscheidung ist der förmliche Ausspruch dessen, was im Einzelfall [...] Rechtens ist.“ (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 59 Rn. 1) – Der Terminus des „Verfahrensaktes“, der zur Vermeidung des Begriffs „Urteil“ gewählt wird, kann nichts anderes meinen; eine andere Auffassung würde auch dem Gesetzeswortlaut widersprechen, insbesondere dem § 252 InsO. 38  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  91 Rn. 1; die Entscheidung kann lediglich zurückwirken (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 1). 39  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 2 Rn. 7 ff.; dies räumt auch Jürgen Stamm ein (Stamm, Prinzipien des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 35), der die Zwangsvollstreckung entgegen der h. M. nicht als besondere Form der Rechtsprechung ansieht, sondern als Verwaltungstätigkeit (siehe dazu Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 2 Rn. 5 und Stamm, Prinzipien des Zwangsvollstreckungsrechts, S. 23 ff.). 40  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 2. 41  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 2, 4. Dahinstehen kann für diese Untersuchung, ob es sich dabei um ein privat- oder öffentlichrechtliches Recht handelt (siehe dazu: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 3; Schmidt, JuS 1986, 35, 37).

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

des Insolvenzplans auf eine gestaltende Entscheidung des Insolvenzgerichts stützen, müsste demnach ein entsprechendes Gestaltungsrecht vorhanden sein. Ein solches folgt aber nicht schon aus den gesetzlichen Vorschriften der §§ 217 ff. InsO, weil sich daraus der Inhalt eines Insolvenzplans im Einzelfall nicht ergibt. Das Gesetz ist daher zu unbestimmt, um ipso iure das Gestaltungsrecht zu begründen. Eine andere Auffassung wäre mit dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot unvereinbar. Der Einwand der Unbestimmtheit lässt sich auch nicht durch die Annahme entkräften, dass das Insolvenzgericht eine Ermessensentscheidung42 über die Gestaltung zu treffen hätte. Denn das Gericht hat keinen Einfluss auf den Planinhalt, sondern dieser wird im Laufe des Planverfahrens durch die Verfahrensbeteiligten bestimmt und durch die Abstimmung über den Plan endgültig festgelegt. Ein Gestaltungsrecht könnte also erst nach der Abstimmung über den Plan angenommen werden, da es vorher mangels Bestimmbarkeit des Gestaltungsinhalts nicht bestanden haben kann.43 Wenn demnach aufgrund der Abstimmung über den Plan das Gestaltungsrecht entsteht, liegen die Merkmale eines Rechtsgeschäfts44 vor, weil die Beteiligten dann final eine Rechtsfolge setzen.45 Dies wirft aber die Frage auf, wie ein solches Rechtsgeschäft mit einer belastenden Wirkung für Abwesende und Ablehnende erklärt werden kann, womit die Urteilstheorie bei der Konstruktion des Gestaltungsrechts letztlich auf dieselben Probleme wie die Vertragstheorie stößt.

b)  Ausnahmecharakter und numerus clausus von Gestaltungsurteilen Von der Problematik der rechtlichen Konstruktion abgesehen, stößt die Annahme eines durch Rechtsgeschäft begründeten Gestaltungsklagerechts auf grundsätzliche systematische Bedenken. Dass die Abstimmung über den Plan 42  Siehe zur Möglichkeit eines Gestaltungsurteils nach richterlichem Ermessen mit Beispielen Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 11 ff. 43  Im Ansatz erkennt das auch Dieter Leipold, wenn er die Bedeutung des „Verfahrens“ mit seinen „privatautonomen Elementen“ hervorhebt (Leipold, KTS 2006, 109, 122 ff.) ohne aber dessen Funktion dogmatisch zu erfassen. 44  Ein Rechtsgeschäft ist das finale Setzen einer Rechtsfolge durch Willenserklärung(en), siehe Flume, AT II, S. 24 ff.; Medicus, BGB AT, Rn. 175; Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 2. 45  Dass ein Gestaltungsurteil nur nach einer vorherigen Begründung des Gestaltungsrechts durch die Abstimmenden angenommen werden kann, deutet sich in jenen Urteilstheorien zum Zwangsvergleich an, die zwar die Wirkungen allein auf den Beschluss des Gerichts stützen, diesem aber einen Vertragsschluss vorausgehen lassen (so Fitting, Reichs-Konkursrecht, S. 422 ff. und Lucas, VglO, § 67 Anm. I). Auch die Theorie vom zusammengesetzten Institut eigener Art (dafür insbesondere: Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 173 Rn. 1, 1e und Kilger/Schmidt, Insolvenzgesetze, § 173 KO Anm. 1) lässt sich wohl nicht nur auf das Scheitern der Vertragskonstruktion, sondern auch auf die Erkenntnis zurückführen, dass ein Gestaltungsurteil nicht aus dem Nichts kommen kann.



B. Urteilstheorie

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als Rechtsgeschäft aufgefasst werden muss, stellt den – von der Urteilstheorie freilich weitgehend übersehenen – „gemeinsamen Nenner“ von Urteils- und Vertragstheorie dar. Die Entscheidung zwischen beiden Modellen lässt sich aus diesem Blickwinkel auf die Frage der Inhaltsbestimmung des Rechtsgeschäfts reduzieren: Soll es die gewünschten Gestaltungswirkungen selbst hervorbringen, oder soll es das Gericht zu der Umgestaltung berechtigen? Diese Frage ist aufgrund des Ausnahmecharakters von Gestaltungsurteilen in der deutschen Rechtsordnung zugunsten der Vertragstheorie zu beantworten. Denn im deutschen Recht gilt der Grundsatz, dass die Umgestaltung eines Rechtsverhältnisses vom Berechtigten selbst vorgenommen werden muss.46 Dies zeigt sich zum Beispiel darin, dass ein Anpassungsanspruch aus § 313 I BGB nicht im Wege der Gestaltungs- sondern der Leistungsklage47 zu verfolgen ist. Auch die Erbteilungsklage ist als Leistungsklage auf Erklärung der Zustimmung zu erheben.48 Ebenso liegen die Dinge schließlich bei dem Anspruch aus § 745 II BGB auf eine interessengerechte Regelung in einer Bruchteilsgemeinschaft.49 Es gilt demnach selbst für die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen, die auf eine Gestaltung von Rechtsverhältnissen gerichtet sind, dass die angestrebte Gestaltungswirkung eher durch eine – gegebenenfalls erzwungene – Einwilligung als durch ein richterliches Urteil vorzunehmen ist, obwohl dies aus Vollstreckungssicht als umständlich erscheinen muss. Aufgrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses müssen für eine richterliche Gestaltung besondere Anhaltspunkte bestehen. Eine ausdrückliche gesetzliche Anordnung, die eine solche Ausnahme bestimmen könnte, gibt es aber bei den Regelungen zum Insolvenzplan nicht, deren Wortlaut spricht sogar klar dagegen. Der Ausnahmecharakter richterlicher Privatrechtsgestaltung ist zudem in dem Grundsatz vom „numerus clausus der Gestaltungsurteile“ niedergelegt. Dieser besagt, dass Gestaltungsklagen nur in den gesetzlich festgeschriebenen Fällen zulässig sind,50 mit anderen Worten: dass ein Gestaltungsrecht, wie es für das Gestaltungsurteil notwendig ist, nicht durch Rechtsgeschäft begründet werden kann. Gerade eine solche rechtsgeschäftliche Begründung müsste aber wie oben gesehen die Abstimmung nach §§ 243–247 InsO aus Sicht der Urteilstheorie darstellen.

46 

Grunewald, ZZP 1988, 152. Finkenauer, in MüKo BGB, § 313 Rn. 128. 48  Ann, in: MüKo BGB, § 2042 Rn. 56. 49  Ganz h. M., siehe Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 38 mit Nachweisen. 50  Grunewald, ZZP 1988, 152, 152 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 4; Schmidt, JuS 1986, 35, 39. 47 

124

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

c)  Keine vergleichbare Interessenlage Der gewichtigste Einwand gegen die Urteilstheorie ist, dass im Insolvenzplanverfahren keine den Gestaltungsklagen vergleichbare Interessenlage besteht. Die Gestaltungsurteile lassen sich in zwei Gruppen unterteilen. In der einen, wesentlich kleineren Gruppe entscheidet der Richter nach seinem Ermessen über die Gestaltung von Rechtsverhältnissen, wenn unter den Beteiligten keine Einigung erzielt werden konnte.51 Dieser Fall scheint zunächst im Hinblick auf die gegenüber Ablehnenden und Abwesenden Beteiligten eintretende Bindungswirkung auf den Insolvenzplan zu passen. Es fehlt hierfür aber an einer richterlichen Ermessensentscheidung, denn der Inhalt des Insolvenzplans wird nicht vom Richter bestimmt, sondern von den Beteiligten durch die Abstimmung nach §§ 243–247 InsO.52 Die Bestätigung kann nur für den Plan als ganzen erteilt oder versagt werden, die maßgeblichen Voraussetzungen dafür bestimmen die §§ 248a III, 249–251 InsO; darüber hinausgehende Entscheidungen des Gerichts, insbesondere eine Umgestaltung der Planregelung, wären contra legem. Die andere Gruppe von Gestaltungsurteilen besteht aus inhaltlich gebundenen Entscheidungen.53 Nur eine solche käme beim Insolvenzplan in Betracht. Dazu müsste durch die Abstimmung der Beteiligten ein Gestaltungsklagerecht begründet werden. Dies bedürfte als Ausnahme vom bereits erwähnten Grundsatz des numerus clausus der Gestaltungsklagen einer Rechtfertigung, insbesondere müsste die Interessenlage vergleichbar sein. Das ist sie aber nicht. Die Funktion und Rechtfertigung von Gestaltungsurteilen der genannten Art ist die erhöhte Rechtssicherheit, die darin liegt, dass vor der Gestaltung ein gerichtliches Verfahren durchlaufen wird.54 Ein Bedürfnis nach der Herstellung von Rechtssicherheit auf diese Weise besteht aber beim Insolvenzplan nicht, da – anders als in den anerkannten Fällen von Gestaltungsklagen – nicht ein zeitlich vor dem Prozess liegender Sachverhalt beurteilt werden soll, sondern sämtliche Schritte zur Umgestaltung der Rechtsverhältnisse ohnehin in das gerichtlich überwachte Insolvenzverfahren eingebettet sind. Weiterhin ist gesetzlich angeordnet, dass die Wirkungen des Plans erst mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses, also nach der Möglichkeit zur Erhebung eines Rechtsbehelfs, eintreten, was ebenfalls ein vergleichbares Schutzbedürfnis der von der Gestaltung Betroffenen entfallen lässt.55 Schließlich ist eine Absicherung gegenüber 51 

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 11 ff. betont Madaus, Insolvenzplan, S. 329 f. die gesetzlich angeordneten Zustimmungsfiktionen, die zeigen, dass keine richterliche Gestaltung vorgenommen, sondern eine Einigung erzwungen wird. 53  Siehe dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 91 Rn. 5 ff. 54  Schmidt, JuS 1986, 35, 36. 55  Gerade diese Anordnung spricht auch gegen eine gestaltende Wirkung der Entscheidung, da sie sich in diesem Fall bereits aus den allgemeinen Grundsätzen ergäbe. 52  Zurecht



C.  Theorie vom Institut eigener Art

125

der späteren Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen auch mit anderen Mitteln als der Rechtskraft eines Gestaltungsurteils zu erzielen, sodass auch von dieser Seite kein Bedarf für die durch ein Gestaltungsurteil gewährleistete Rechtssicherheit besteht. Somit ist eine gestaltende gerichtliche Entscheidung nicht notwendig und mithin eine Ausnahme vom numerus-clausus-Grundsatz nicht gerechtfertigt.

d) Ergebnis Die Urteilstheorie kommt bei näherer Betrachtung ebensowenig wie die Vertragstheorie umhin, die Abstimmung nach §§ 243–247 InsO als Rechtsgeschäft aufzufassen und rechtlich einzuordnen. Da die Begründung eines Gestaltungsrechts demnach zu denselben Problemen führt, wie sie die Vertragstheorie beschäftigen, ist mit der Urteilstheorie nichts gewonnen. Zudem widerspricht die Annahme, dass durch die Abstimmung über den Insolvenzplan ein Gestaltungsrecht begründet wird, wie es für eine privatrechtsgestaltende Entscheidung notwendig wäre, dem Grundsatz des numerus clausus der Gestaltungsklagen. Das Insolvenzplanverfahren ist den anerkannten Gestaltungsklagen nicht vergleichbar. Insgesamt ist die Einordnung des Bestätigungsbeschlusses als rechtsgestaltende Entscheidung des Gerichts systemwidrig.

III.  Abschließende Bewertung Die Urteilstheorie ist abzulehnen. Sie kann keine überzeugenden Argumente vorbringen und hat den Wortlaut des Gesetzes sowie den Willen des Gesetzgebers gegen sich. Die beabsichtigte Konstruktion einer Gestaltungsentscheidung durch das Insolvenzgericht im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens widerspricht außerdem den Grundsätzen über Gestaltungsklagen.

C.  Theorie vom Institut eigener Art Einige Autoren verstehen den Insolvenzplan als ein Rechtsinstitut sui generis.56 Dabei wird zum Teil schlicht behauptet, die überwiegend vertretene Vertragstheorie könne die Bindung überstimmter oder abwesender Gläubiger nicht erklären.57 Andere stützen sich nicht auf die Probleme einer vertraglichen Kon56  Becker, Insolvenzrecht, S. 431 f.; Dinstühler, InVo 1998, 333, 344 f.; Foerste, Insolvenzrecht, S. 238 f.; Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 9; Kebekus/Wehler, in: Graf-Schlicker, InsO, § 217 Rn. 4; Schiessler, Insolvenzplan, S. 22; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 59 f.; Thies, in: HambK InsO, vor § 217 Rn. 3. 57 So Becker, Insolvenzrecht, S. 431 f., und Foerste, Insolvenzrecht, S. 238 f.

126

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

struktion, sondern argumentieren, eine Einordnung des Plans als Institut eigener Art werde diesem besser gerecht, da somit die unterschiedlichen Teilaspekte besser aufgegriffen werden könnten.58 Eine solche „Flexibilität“ führt aber zu beliebigen Ergebnissen. Ohne dogmatische Grundlage verkommt die Gesetzesauslegung zu einer reinen Einzelfallbetrachtung und eröffnet den Raum für willkürliche Entscheidungen. Aufgrund der dogmatischen Haltlosigkeit und einer dadurch bedingten Beliebigkeit der Ergebnisse der Theorie vom Institut eigener Art ist es bedenklich, dass auch der BGH sich in zwei Entscheidungen diesem Modell angenähert hat.59 Der Plan wird darin bezeichnet als ein „spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert.“60 Zu dieser Einordnung sieht sich der BGH durch das Mehrheitsprinzip veranlasst: „Der Wille einzelner Gläubiger kann durch Mehrheitsentscheidungen überwunden werden (§§ 244 ff. InsO). Dies zeigt, dass der Insolvenzplan [...] kein Vertrag im herkömmlichen Sinne ist.“61 Kritikwürdig ist an beiden Entscheidungen die begriffliche Ungenauigkeit, die als Begründung für die Annahme einer besonderen Rechtsnatur des Plans nicht überzeugen kann, und letztlich sogar über die Aussage in den Urteilen selbst zweifeln lässt. Die Ausführungen des ersten Urteils sind nämlich so vage, dass man sie durchaus auch der Vertragstheorie zuordnen könnte: Immerhin wird festgestellt, dass die „Gläubigergesamtheit ihre Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert“, was eher einen privatrechtlichen Charakter nahelegt. Zudem wurden vorher als im Schrifttum vertretene Auslegungsmöglichkeiten ausschließlich vertragliche Theorien genannt.62 Auch wird einleitend festgestellt, dass die Einschätzung des Berufungsgerichts, das den Insolvenzplan als „privatrechtlichen Vertrag eigener Art“ eingeordnet hatte, der rechtlichen Überprüfung standhalte.63 Die streitgegenständliche Prozessführungs58  Schiessler, Insolvenzplan, S.  22 verweist auf materielles und prozessuales Recht. Dinstühler, InVo 1998, 333, 344 f. will lediglich die einzelnen Teilaspekte näher untersucht wissen, die man mit bekannten Regelungen vergleichen könnte; dafür nennt er verschiedene Vertragstypen, prozessuale Regelungen, sowie Bestimmungen des Gesellschaftsrechts. 59  BGH NJW-RR 2006, 491, 492; BGH, NZI 2014, 262, 264; der sui-generis-Theorie zugeordnet bei: Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 59 f.; zurückhaltend dagegen Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 12. 60  BGH NJW-RR 2006, 491, 492; ebenso: BGH, NZI 2014, 262, 264. 61  BGH NJW-RR 2006, 491, 493; siehe auch BGH, NZI 2014, 262, 264: „Der Insolvenzplan kann zwar nicht als privatrechtlicher Vergleich der Gläubiger mit dem Schuldner angesehen werden, schon weil der Wille einzelner Gläubiger durch Mehrheitsentscheidungen überwunden werden kann (vgl. §§ 244 ff. InsO). Der Insolvenzplan ist vielmehr ein spezifisch insolvenzrechtliches Instrument, mit dem die Gläubigergesamtheit die Befriedigung aus dem Schuldnervermögen organisiert (BGH NZI 2006, 100 Rn. 15).“ 62  Nämlich: „Vergleich“, „privatrechtlicher Vertrag eigener Art“ und „gemischt materiellrechtlicher und verfahrensrechtlicher Vertrag“, BGH NJW-RR 2006, 491, 492. 63  BGH NJW-RR 2006, 491, 491 f.



D. Vertragstheorie

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befugnis des Insolvenzverwalters, die im Plan gemäß § 259 III 1 InsO geregelt worden war, ordnet der BGH letztlich als „gewillkürt“ ein.64 Schließlich könnte auch ein „spezifisch insolvenzrechtliches Instrument“, das außerdem „kein Vertrag im herkömmlichen Sinn“ ist, dennoch ein Vertrag sein, nämlich ein „nicht herkömmlicher“ und eben „insolvenzspezifischer“. In der zweiten Entscheidung wird festgestellt, dass der Insolvenzplan wegen des Mehrheitsprinzips kein „privatrechtlicher Vergleich“ sein könne und dann die Formulierung des früheren Urteils vom „spezifisch insolvenzrechtlichen Instrument“ wiederholt. Auch hier bleibt letztlich im Unklaren, ob mit dem „Vergleich“ auch ein Vertrag ausgeschlossen werden soll, und ob das „spezifisch insolvenzrechtliche Instrument“ nun ein besonderer Vertrag ist oder ein für die Rechtswissenschaft nicht begreifbares Konstrukt. Für diese Untersuchung ist allein relevant, dass sich auch aus den genannten Urteilen des BGH keine Argumente für die Theorie vom Institut eigener Art ergeben. Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Entscheidungen dieser Theorie überhaupt zuzuordnen sind. In ihren Ergebnissen sind beide Urteile nicht zu kritisieren, die Einlassungen zur Rechtsnatur des Plans bringen jedoch keine weiterführenden Erkenntnisse und können nicht einmal als eindeutige Stellungnahme des obersten Zivilgerichts gewertet werden.

D. Vertragstheorie Wie schon zum Zwangsvergleich, so ist auch für den Insolvenzplan die Vertragstheorie die in der Literatur vorherrschende Meinung. Dabei werden aber wiederum unterschiedliche Konstruktionen vorgeschlagen.65

I.  Zweifel über Parteistellung des Schuldners Während innerhalb der Vertragstheorie der Zwangsvergleich nach allgemeiner Ansicht einen Vertrag zwischen Schuldner und Gläubigern darstellte, wird nun 64 

BGH NJW-RR 2006, 491, 494. Jaffé, in: FK InsO, § 217 Rn. 53 nimmt ohne detaillierte Erläuterung der Konstruktion eine vertragliche Natur an. Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350 kommen zu dem Ergebnis, der Plan stehe einem Vertrag nahe. – Hess, Insolvenzrecht, § 217 Rn. 12 ordnet den Plan nun als „Vertrag bürgerlichen Rechts zwischen den Gläubigern und dem Schuldner“ ein, „auf den nicht die allgemeinen Regeln des Schuldrechts, sondern die Regeln, die für Beschlüsse von Gesellschafterversammlungen entwickelt wurden, anwendbar sind [...]“. Da eine Erklärung dazu, welche Konsequenzen sich aus der Anwendung jener Regeln ergeben, fehlt, bleibt die Beschreibung allerdings blass; zudem ergibt sich ein Widerspruch zu Hess, Insolvenzrecht, vor § 217 Rn. 24, wo im Anschluss an Braun von einem „Verwertungsvertrag der Insolvenzgläubiger über das Schuldnervermögen“ die Rede ist. 65 

128

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

zum Insolvenzplan bezweifelt, ob der Schuldner überhaupt bzw. in jedem Fall Vertragspartner sein soll.

1.  Verwertungsvereinbarung der Gläubiger Aufgrund der Regelung in § 247 InsO lehnt Eberhard Braun eine Parteistellung des Schuldners ab. Er meint, dass „der Schuldner an der Planregelung noch nicht einmal zwingend teilnimmt.“66 Den § 247 II InsO erklärt Braun als natürliche Folge der Rechtsgrundsätze, dass es keinen Vertrag zu Lasten Dritter geben dürfe (Nr. 1), und „dass das Schuldnervermögen zur Haftungsrealisierung bis zur Höhe der Ansprüche der Gläubiger und nicht darüber hinaus zur Verfügung gestellt werden muss“ (Nr. 2).67 Er kommt daher zu dem Schluss, „dass, wenn die allgemeine Rechtsordnung beachtet ist, der Schuldner gerade dem plangemäßen Vorgehen der Gläubiger nicht zustimmen muss.“68 Daher sieht Braun den Insolvenzplan nicht als Vertrag zwischen dem Schuldner und den Gläubigern an, sondern als eine „mehrseitige Verwertungsvereinbarung der Gläubiger“, die durch einen „Organisationsakt“ der in einer „gesellschaftsähnliche[n] Zwangs- und Schicksalsgemeinschaft“ verbundenen Gläubiger zustandekommen soll.69 Dabei wird jedoch die Rechtsfolge des § 247 I InsO außer Acht gelassen, die gerade zu einer (fingierten) Zustimmung des Schuldners führt. Diese Bestimmung und die Regelung in § 248 I InsO zeigen, dass die Willenserklärung des Schuldners eine conditio sine qua non für das Zustandekommen des Insolvenzplans ist. Wie oben gezeigt wurde, legte der Gesetzgeber trotz des rechtspolitischen Ziels, das Zustandekommen eines Insolvenzplans nicht am Fehlen des tatsächlichen Einverständnisses des Schuldners scheitern zu lassen, die Zustimmung als rechtliche Voraussetzung fest; die Anordnung der Fiktion in § 247 I InsO zeigt das.70 Brauns These geht an diesem Gesetzeswortlaut und dem Verständnis des Gesetzgebers vom Insolvenzplan vorbei. Außerdem bereitet bei dieser Konstruktion die rechtliche Einordnung einer tatsächlich erklärten Zustimmung des Schuldners, die zweifellos möglich sein muss, Probleme, da doch der Insolvenzplan einen rein internen Vorgang innerhalb des Gläubigerkollektivs darstellen soll: Man müsste dann entweder eine merkwürdige Ab66  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 77. – Parallelfundstellen zum Folgenden: Braun, in: Gottwald, Insolvenzrechtshandbuch (4. Auflage), § 66 Rn. 16 ff.; Braun/ Frank, in: Braun, InsO, vor § 217 Rn. 1; Braun/Riggert/Kind, Schwerpunkte, S. 144 ff.; Braun/ Uhlenbruck, Unternehmensinsolvenz, S. 467 ff. 67  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 77. 68  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 77. 69  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80 f.; ihm folgen Haarmeyer/ Wutzke/Förster, Handbuch, S. 976 f.; Hess/Obermüller, Insolvenzplan, Rn. 5a. Ähnlich, aber ohne endgültige Festlegung: Henckel, NZI 1999, 66, 67. 70  Vgl. § 2 B V 2 b.



D. Vertragstheorie

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hängigkeit dieses internen Aktes von äußeren Faktoren annehmen, oder doch einen Vertrag mit dem Schuldner, sodass es zwei unterschiedliche Arten von Insolvenzplänen gäbe. Sieht man hingegen den Schuldner als Vertragspartei an, so leitet sich der Vorrang einer tatsächlich erklärten Zustimmung ungezwungen im Wege eines Erst-Recht-Schlusses aus dem Wortlaut des § 247 InsO und als natürliche Folge der Vertragskonstruktion her.

2.  Differenzierung nach tatsächlicher Zustimmung des Schuldners Ludwig Häsemeyer hält eine einheitliche Beurteilung des Insolvenzplans für unmöglich und will danach differenzieren, ob der Schuldner tatsächlich seine Zustimmung zum Plan erklärt oder nicht.71 Nur im ersten Fall nimmt Häsemeyer einen Vertrag der Gläubiger mit dem Schuldner an, wobei er die Planvorlage des Schuldners oder dessen Zustimmung zu einem vom Insolvenzverwalter vorgelegten Plan als „Vertragsantrag“ deutet, an den der Schuldner „nach allgemeinen Grundsätzen gebunden“ ist.72 Wenn hingegen ein Plan vom Verwalter vorgeschlagen und von den Gläubigern angenommen wird, der Schuldner aber nicht zustimmt, soll unter den Voraussetzungen des § 247 InsO ein Vertrag zwischen den Gläubigern und dem Insolvenzverwalter zustandekommen.73 Im Ergebnis gelangt Häsemeyer damit zu zwei möglichen Formen des Insolvenzplans, die sich genuin unterscheiden: Auf der einen Seite steht ein auf der Beteiligtenautonomie beruhender Insolvenzplan, in dem der Schuldner mit den Gläubigern grundsätzlich jede Regelung treffen kann; auf der anderen ein nur durch die Gläubigerautonomie und die Amtsautonomie des Insolvenzverwalters legitimierter Plan, der über die Befugnisse des Verwalters nach § 80 I InsO nicht hinausgehen darf.74 Ein solcher „Verwalter-Plan“ dürfte daher nach § 247 II 1 InsO etwa dann nicht bestätigt werden, wenn die Nachhaftung des Schuldners das Maß nach dem hypothetischen Ablauf des Regelverfahrens überstiege, dem Schuldner die Verwaltung der Masse aufgenötigt wird, oder Rechtsverhältnisse des Schuldners außerhalb der Insolvenzmasse betroffen wären.75 Dieser These ist wiederum der Wortlaut der §§ 247, 248 I InsO entgegenzuhalten, nach dem jeder Insolvenzplan die Zustimmung des Schuldners zur Voraussetzung hat. Eine Differenzierung danach, ob die Zustimmung des Schuldners tatsächlich erteilt oder nach § 247 I InsO fingiert wird, ist nicht geboten. Zwar sind die Überlegungen Häsemeyers berechtigt, vor welchen Risiken der Schuldner im Rahmen des § 247 II InsO zu schützen ist; dies ändert aber nichts an 71  Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 179 f. (ebenso: Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.70); ihm folgt Windel, JURA 1999, 1, 7. 72  Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 179. 73  Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 180. 74  Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 181 f. 75  Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 182 f.

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

der rechtlichen Konstruktion, dass in den Fällen des § 247 InsO eine Zustimmung des Schuldners letztlich vorliegt. Selbstverständlich müssen bei der Auslegung des § 247 II InsO die berechtigten Interessen des Schuldners geschützt werden, des Überspielens des Gesetzeswortlauts im Rahmen der Vertragskonstruktion bedarf es dazu jedoch nicht. Die These, § 247 InsO regele einen Vertragsschluss mit dem Verwalter, bringt gegenüber der Annahme einer fingierten Zustimmung des Schuldners keinen Mehrwert für die Auslegung des Tatbestands, geht aber deutlich an der im Normtext verankerten Rechtsfolge vorbei.

3. Ergebnis Die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut der §§ 247, 248 I InsO zeigen, dass der Schuldner dem Insolvenzplan zustimmen muss und daher als Vertragspartner anzusehen ist. Sowohl Braun als auch Häsemeyer übergehen diese gesetzliche Regelung. Beide Autoren erkennen, dass die von § 247 II InsO aufgestellten Voraussetzungen aus Gründen des Schuldnerschutzes geboten sind; sie erklären dann diese Regelung im Sinne ihrer jeweiligen Prämisse als „Verbot des Vertrags zu Lasten Dritter“ bzw. als „Ausfluss der begrenzten Verwalterbefugnisse“ und schließen daraus, dass ihre These korrekt sein müsse, weshalb sie meinen, sich über den Wortlaut der §§ 247 I, 248 I InsO hinwegsetzen zu dürfen. Das ist aber ein Zirkelschluss. Tatsächlich besteht keine sachliche Rechtfertigung dafür, von § 247 InsO abzuweichen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut regelt § 247 II InsO nicht die Voraussetzungen für eine Verwertungsvereinbarung der Gläubiger oder für einen Vertragsschluss des Verwalters, sondern für die Fiktion der Zustimmung des Schuldners. Für die Wirksamkeit des Insolvenzplans bleibt nach § 248 I InsO in jedem Fall die Zustimmung des Schuldners erforderlich, mag diese fingiert sein oder tatsächlich erklärt werden. Rechtlich können weder die Gläubiger ohne Zustimmung des Schuldners den Plan beschließen, noch ist der Insolvenzverwalter befugt, im Planverfahren anstelle des Schuldners zu handeln.

II.  Erklärung der Bindungswirkung der Abstimmung für alle Beteiligten Das Kernproblem der Vertragstheorie besteht darin zu erklären, wie sich die Planwirkungen auf jene Beteiligten erstrecken können, die dem Insolvenzplan nicht zugestimmt haben.

1.  Gesetzliche Anordnung Die Ansicht, dass die Erklärungen des Schuldners und der zustimmenden Gläubiger einen Vertrag hervorbringen, der kraft gesetzlicher Anordnung auch für die übrigen Gläubiger gilt, wurde für den Zwangsvergleich von bedeutenden



D. Vertragstheorie

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Stimmen vertreten und konnte zuletzt wohl als „herrschende Meinung“ verstanden werden. Einige Autoren versuchten ihre These zusätzlich durch den Verweis auf die „Schicksalsgemeinschaft“ der Gläubiger und eine Deutung der Abstimmung als „Beschluss“ zu stützen, ohne aber eine Gemeinschaft der Gläubiger im Rechtssinn anzuerkennen.76 Diese Ansätze werden im größten Teil der heutigen Literatur auf den Insolvenzplan übertragen. Die Theorie von der gesetzlichen Wirkungserstreckung vertreten Horst Eidenmüller und Hans Friedhelm Gaul.77 Dabei deuten beide die Abstimmung der Gläubiger über den Plan als Beschluss, dem eine Außenwirkung zukommt.78 Dass eine solche Beschlussfassung hier möglich sein soll, erklären beide Autoren zwar mit einer unter den Gläubigern bestehenden Verbindung;79 diese wird aber rechtsdogmatisch nicht gefasst, sondern nur als rechtspolitische Rechtfertigung für die gesetzliche Anordnung angeführt. Auch Ludwig Häsemeyer spricht von einer „lockeren Organisation“, die das Mehrheitsprinzip rechtfertigen soll,80 betont aber gleichzeitig, dass seiner Ansicht nach die Gläubiger „keine Rechts- oder Interessengemeinschaft“ bilden.81 All diese Theorien stützen sich also letztlich nur auf eine gesetzliche Anordnung des Mehrheitsprinzips, ohne diese aus allgemeinen Grundsätzen herleiten zu können. Hans-Friedrich Müller nimmt ebenfalls einen Vertrag zwischen dem Schuldner und den Gläubigern an, der sich kraft gesetzlicher Anordnung auf die nicht zustimmenden Gläubiger erstreckt und sie zu Vertragspartnern macht.82 Auf eine „Schicksalsgemeinschaft“ stellt er aber nicht zur Begründung ab. Reinhard Bork ordnet den Insolvenzplan nicht explizit als Vertrag, sondern nur als „Rechtsgeschäft“ ein.83 Weiter erläutert wird das Zustandekommen nicht, sodass nur angenommen werden kann, dass dieses „Rechtsgeschäft“ kraft besonderer gesetzlicher Anerkennung seine Wirkungen entfalten soll. Die Aussage, dass die Wirkungen des Insolvenzplans kraft gesetzlicher Anordnung eintreten, kann vernünftigerweise nicht bestritten werden. Alle Rechts76 

Siehe oben § 2 B IV 5 b dd ddd und eee. Eidenmüller, in: MüKo InsO § 217 Rn. 23, 29 (ohne detaillierten Vorschlag zur rechtlichen Konstruktion, aber für Vertragstheorie: Eidenmüller, JNPÖ 1996, 164, 165); Gaul, FS Huber, S. 1187, 1205. 78  Eidenmüller, in: MüKo InsO § 217 Rn. 21 f.; Gaul, FS Huber, S. 1187, 1213. 79  Eidenmüller, in: MüKo InsO § 217 Rn. 21 nennt diese Verbindung eine „gesellschaftsähnliche“. Insoweit folgt ihm Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80, der aber keinen Vertragsschluss mit dem Schuldner konstruiert (siehe schon oben). Dagegen betont Gaul, FS Huber, S. 1187, 1209 f., dass kein freiwilliger Zusammenschluss vorliegt und daher ein Bezug zu „Gesellschaften“ nicht hergestellt werden kann und spricht von einem „Zwangskollektiv“, in dem das Mehrheitsprinzip aufgrund praktischer Bedürfnisse gelte. 80  Häsemeyer, FS Gaul, S. 175, 176 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.68. 81  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.68. 82  Müller, KTS 2002, 209, 211. 83  Bork, Insolvenzrecht, Rn. 366 (noch gegen Vertrag: Bork, Insolvenzrecht im Umbruch, S. 51, 55; ohne Festlegung: Bork, in: Insolvenzrecht 1998, S. 111, 127). 77 

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

folgen leiten sich aus dem Gesetz, dem objektiven Recht, ab. Es ist aber aus rechtswissenschaftlicher Sicht unbefriedigend, bei dieser Erkenntnis stehen zu bleiben. Als logisches Argument ist der Theorie entgegenzuhalten, dass sie einen Vertrag oder ein Rechtsgeschäft „eigener Art“ annimmt, da sie keine Zuordnung zu sonstigen Vertragstypen vornimmt. Dies ist zwar im Grundsatz nicht abzulehnen, da die Begriffe des „Rechtsgeschäfts“ und des „Vertrags“ bloße Abstraktionen sind und es für ihre rechtliche Wirksamkeit immer einer Anerkennung des Einzelfalls durch die Rechtsordnung bedarf, es mithin ausschließlich die einzelnen, „speziell“ geregelten „Rechtsgeschäfts- und Vertragstypen“ gibt.84 Die Annahme eines eigenen, speziellen Vertragstyps ist aber aus Gründen der Logik nur dann vertretbar, wenn eine Konstruktion und Einordnung gemäß den schon bekannten Typen nicht möglich ist; ansonsten ist es gerade die Aufgabe der Rechtswissenschaft, die Parallelität wiederkehrender Probleme zu erkennen und diese einer einheitlichen Behandlung zuzuführen.85 Es muss deshalb versucht werden, den Insolvenzplan anhand der hergebrachten Rechtsbegriffe und Rechtsgeschäftstypen möglichst klar zu fassen. Die These eines Vertrags eigener Art, dessen Wirkungen sich nur aus den §§ 254 ff. InsO ergeben, ist von vornherein nur als „Notlösung“ tauglich und ist abzulehnen, wenn eine Konstruktion mittels der bekannten Rechtsgrundsätze gelingt.

2. Stellvertretung Die Theorie, dass die nicht zustimmenden Gläubiger durch die zustimmenden vertreten werden,86 ist für den Insolvenzplan nicht mehr aufgegriffen worden. Zurecht wurde diese Ansicht bereits zum Zwangsvergleich ganz überwiegend abgelehnt. Zu einer Stellvertretung passen schon nicht die äußeren Vorgänge bei der Abstimmung der Gläubiger, deren Umdeutung in Vertretungsgeschäfte einige Mühe kostet: Der einzelne Gläubiger müsste mehrere Willenserklärungen im eigenen und fremden Namen abgeben, wofür sich kein Anhaltspunkt findet.87 Der Haupteinwand gegen die Vertretungskonstruktion besteht aber darin, dass die Stellvertretung kein Instrument zur Willensbrechung darstellt, sondern zur 84  Siehe dazu insbesondere Flume, BGB AT II, S. 23 f., 33 und 601 ff., aber auch von Tuhr, BGB AT II/1, S. 178 ff.: Die Rechtsordnung, das Gesetz bestimmt darüber, was rechtlich wirksam vereinbart werden kann. 85  Siehe auch hierzu Flume, BGB AT II, S. 33 f., der die Herausarbeitung der parallelen Problemlagen bei allen Rechtsgeschäftstypen und deren einheitliche Lösung als „das unvergängliche Verdienst der Lehre ‚des‘ Rechtsgeschäfts“ bezeichnet. 86  Zu Vertretern dieser Theorie für den Zwangsvergleich siehe oben § 2 IV 5 b dd ccc. 87  Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 24 f.; Wackenthaler, Natur des Zwangsvergleichs, S. 41; beide Autoren gehen in ihrer Kritik von zwei Willenserklärungen aus, es ist aber fraglich, ob das schon ausreicht, denn „sicherheitshalber“ müsste wohl jeder Gläubiger Erklärungen im Namen jedes einzelnen anderen Gläubigers (inklusive der ihm unbekannten!) abgeben.



D. Vertragstheorie

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Willensverwirklichung. Offenkundig ist dies bei der rechtsgeschäftlich begründeten Vertretungsmacht, derer sich der Vertretene „bedient“88, um jemand anderen „für sich rechtsgeschäftlich handeln zu lassen“89. Aber auch eine gesetzliche Vertretungsmacht – und nur eine solche käme bei der Gläubigerabstimmung infrage – verdrängt nicht einen entgegenstehenden Willen des Vertretenen, sondern dient als Hilfsmittel, wenn der Vertretene selbst nicht in der Lage ist, einen rechtsgeschäftlichen Willen zu bilden.90 Die Annahme, dass die zustimmenden Gläubiger durch Erklärungen als Stellvertreter den entgegenstehenden Willen der anderen Gläubiger überspielen könnten, ist daher systemwidrig und mit dem Institut der Stellvertretung nicht vereinbar.91

3.  Erklärung mithilfe eines Gemeinschaftsmodells Aus historischer Sicht ist eine Gemeinschaft der Gläubiger als Grundlage für das Mehrheitsprinzip im Insolvenzrecht und insbesondere für das Zustandekommen und die Wirkungen des Insolvenzplans die vorzugswürdige Lösung.92 Während für den Zwangsvergleich von zahlreichen Stimmen in der Literatur und nicht zuletzt auch vom Gesetzgeber der KO das Gemeinschaftsmodell zur Begründung herangezogen wurde,93 findet sich zum Insolvenzplan nur eine Arbeit94, die diesen Weg zumindest ansatzweise beschreitet. Ansonsten wird, wie soeben gesehen, allein auf die gesetzliche Anordnung abgestellt, und dies zwar rechtspolitisch mit einer Verbindung unter den Gläubigern gerechtfertigt, 88 

Medicus, BGB AT, Rn. 880. Wolf/Neuner, BGB AT, § 49 Rn. 1. 90  Wolf/Neuner, BGB AT, § 49 Rn. 1, 29 f. (hier noch inhaltlich richtig, zu Rn. 35 siehe sogleich); im Hinblick auf Zurechnungsnormen allgemein Medicus, BGB AT, Rn. 881. Zusammenfassend formuliert Vedder, Missbrauch der Vertretungsmacht, S. 1 treffend: „[Durch] die Anerkennung der Stellvertretung [...] wird [...] die Verwirklichung der rechtsgeschäftlichen Selbstbestimmung gefördert: Bei der rechtsgeschäftlich erteilten Vertretungsmacht verhilft sie dem Willen des Vollmachtgebers zur Geltung, die rechtsgeschäftliche Handlung eines anderen für und gegen sich wirken zu lassen. Bei der organschaftlichen und bei der gesetzlichen Vertretungsmacht ist die Vertretungsmöglichkeit sogar Voraussetzung dafür, dass der Vertretene überhaupt rechtsgeschäftlich tätig werden kann.“ Soweit Wolf/Neuner, BGB AT, § 49 Rn. 35 die „gesetzliche Vertretung“ als „Eingriff in die Privatautonomie“ bezeichnen, ist der Bezugspunkt falsch gewählt: Nicht in der gesetzlichen Stellvertretung, sondern in der gesetzlichen Anordnung der rechtlichen Unbeachtlichkeit des „natürlichen“ Willens des Vertretenen liegt der maßgebliche Grundrechtseingriff. 91  Vgl. schon Löhr, ZZP 1891, 382 ff.; Wackenthaler, Natur des Zwangsvergleichs, S. 41; demgegenüber meint Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 25 f., der Gesetzgeber könnte eine solche Zwangsvertretung durchaus anordnen, jedoch hält er es dann für unerklärlich, wie die an sich „vollgültigen“ Erklärungen der überstimmten Minderheit „beiseitegeschoben werden“ könnten. 92  § 2 C V, VI. 93  § 2 B IV 5 a bb und § 2 B IV 5 b dd, fff, ggg. 94  Madaus, Insolvenzplan; der Aufsatz Madaus, KTS 2012, 27, 40 ist im Wesentlichen eine Zusammenfassung der vorgenannten Habilitationsschrift. 89 

134

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

ohne dass diese „Verbindung“ aber dogmatisch erfasst und für die rechtliche Konstruktion verwendet wird.

a)  Einzelne Gläubigergruppen als Interessengemeinschaften Stephan Madaus erklärt die Bindung der nicht zustimmenden Gläubiger mit Kontrahierungszwängen, die durch die Beschlüsse der Abstimmungsgruppen oder kraft Gesetzes begründet und im Rahmen des Bestätigungsverfahrens festgestellt und durch Fiktion durchgesetzt werden.95 Der Anknüpfungspunkt an die zum Zwangsvergleich vertretene Gemeinschaftstheorie und der entscheidende Punkt für die Erklärung der Bindungswirkung besteht in der Deutung der Abstimmungsgruppen nach §§ 222, 243 f. InsO als „Interessengemeinschaften“. Madaus sieht zwar die Gläubiger im Insolvenzverfahren als Mitglieder einer Bruchteilsgemeinschaft, meint aber, dass deren gemeinschaftliches Recht nur in einem Verwertungsrecht an der Insolvenzmasse bestehe96 und daher keine Beschlüsse dieser Gemeinschaft über die privaten Forderungsrechte der Gläubiger möglich seien.97 Für die Konstruktion des Insolvenzplans stellt er deshalb nicht auf diese Gesamt-Gläubigergemeinschaft ab, sondern auf die einzelnen Abstimmungsgruppen, die jeweils einzelne Interessengemeinschaften bilden sollen,98 welche kraft der gesetzlichen Anordnung in §§ 222, 243 f. InsO durch Beschlüsse einen Kontrahierungszwang für ihre Mitglieder begründen können.99 Den Vertragsschluss bei einem angenommenen Insolvenzplan konstruiert Madaus insgesamt wie folgt: Die Planvorlage ist eine invitatio ad offerendum.100 Bei der Abstimmung über den Plan gibt jeder Zustimmende zwei Willenserklärungen ab, nämlich eine Annahmeerklärung an den Schuldner und eine zustimmende Erklärung für den Beschluss der Interessengemeinschaft, die seine Abstimmungsgruppe bildet.101 Die Abwesenden und Ablehnenden – die keine, bzw. nur eine für den Beschluss relevante, ablehnende Erklärung abgegeben haben – können nun zwei Kontrahierungszwänge treffen: entweder ein durch den Beschluss der jeweiligen Abstimmungsgruppe begründeter oder ein gesetzlicher nach §§ 245–246a InsO.102 Diese Kontrahierungszwänge werden im Rahmen der gerichtlichen Entscheidung über die Bestätigung festgestellt und durch die gesetzliche Anordnung durchgesetzt.103 Somit liegen schließlich Zustimmungserklärungen sämtlicher Gläubiger vor. Die Zustimmung des 95 

Madaus, Insolvenzplan, S. 425 f.; Madaus, KTS 2012, 27, 40. Madaus, Insolvenzplan, S. 192 ff. 97  Madaus, Insolvenzplan, S. 219. 98  Madaus, Insolvenzplan, S. 210 ff. 99  Madaus, Insolvenzplan, S. 219; Madaus, KTS 2012, 27, 41 f. 100  Madaus, Insolvenzplan, S. 182; Madaus, KTS 2012, 27, 33. 101  Madaus, Insolvenzplan, S. 292; Madaus, KTS 2012, 27, 45 f. 102  Madaus, Insolvenzplan, S. 293 f.; Madaus, KTS 2012, 27, 46 f. 103  Madaus, Insolvenzplan, S. 364 ff., 425 f.; Madaus, KTS 2012, 27, 40. 96 



D. Vertragstheorie

135

Schuldners wird, wenn sie nicht ausdrücklich erklärt wird, nach § 247 InsO fingiert.104 So kommt endlich ein Vertrag zwischen dem Schuldner und sämtlichen Gläubigern zustande.

b)  Kritik an der vorgestellten Theorie Die von Madaus entwickelte Theorie bedient sich zwar des auch hier favorisierten Modells von Gemeinschafts-Beschlüssen, die Gesamtkonstruktion kann aber insbesondere wegen der Aufteilung der Gläubiger in mehrere getrennte „Interessengemeinschaften“ nicht überzeugen.105 Die Konstruktion erfolgt mithilfe eines nicht leicht zu überblickenden Systems aus Gemeinschaften, verschiedenen tatsächlichen Willenserklärungen, Kontrahierungszwängen, einem einzigartigen gerichtlichen Erkenntnisverfahren und zuguterletzt Erklärungsfiktionen  – schon diese Komplexität lässt daran zweifeln, ob der einheitliche Lebenssachverhalt, den die Abstimmung der Gläubiger über den Insolvenzplan tatsächlich darstellt, dadurch korrekt erfasst wird. Vor allem aber hält Madaus’ Antwort auf die Kernfrage, warum die nicht zustimmenden Beteiligten an den Insolvenzplan gebunden sind, einer genaueren Untersuchung nicht stand. Madaus geht davon aus, dass jeder Beteiligte selbst dem Vertrag zustimmen muss, und fingiert daher die fehlenden Willenserklärungen; als Grundlage für diese Fiktionen stellt er auf Beschlüsse der „Interessengemeinschaften“ ab, welche die Abstimmungsgruppen bilden sollen. Dieses Modell ist in drei wesentlichen Punkten angreifbar, wie im Folgenden näher ausgeführt wird: Denn schon der Begriff der „Interessengemeinschaft“ als Rechtsfigur ist fragwürdig; weiterhin überzeugt eine Zersplitterung der Gläubigergesamtheit in einzelne „Teil-Gemeinschaften“ sowie die Legitimation des Mehrheitsprinzips nur durch die dortige Interessenhomogenität nicht. Schließlich sind Zustimmungserklärungen jedes einzelnen Gläubigers nach dem Gesetz nicht erforderlich, um den Plan zustandezubringen.

aa)  Fragwürdigkeit der Rechtsfigur „Interessengemeinschaft“ Der Begriff der „Interessengemeinschaft“ wird von Madaus als gegeben vorausgesetzt, aber nicht näher erläutert. Diese Rechtsfigur ist jedoch in der Literatur keineswegs allgemein anerkannt.106 Es ist daher zu untersuchen, ob 104 

Madaus, Insolvenzplan, S. 294 f.; Madaus, KTS 2012, 27, 48. Die Deutung der Planvorlage als invitatio ad offerendum sowie die Einordnung der gerichtlichen Bestätigung und der gesetzlichen Fiktionen sind im Ergebnis ebenfalls abzulehnen; dazu aber erst unten in § 5: dort zur Planvorlage C II 2, zu den Fiktionen III 3, IV und zur Bestätigung D. 106 Ablehnend: Proff, in: Staudinger, BGB (2015), § 741 Rn. 174 f. und Langhein, in: 105 

136

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

die „Interessengemeinschaft“ überhaupt eine tragfähige dogmatische Einordnung darstellen kann. Historisch verfestigt ist der Begriff der Interessengemeinschaft nicht. Erst 1934 wurde von Hans Würdinger der erste Versuch unternommen, die Interessengemeinschaft als ein allgemeines Modell zu etablieren.107 Als ersten Vordenker in diese Richtung nennt Würdinger108 den bedeutenden Rechtswissenschaftler Rudolph Jhering, der 1871 in einer Abhandlung über die „Reflexwirkungen oder die Rückwirkung rechtlicher Thatsachen auf dritte Personen“ einen Aufwendungsersatzanspruch „ganz allgemein in allen Fällen einer untrennbaren Interessengemeinschaft“ befürwortet hatte.109 In den folgenden Jahren beschränkte sich die Diskussion zu dem Thema auf Einzelfragen, ohne dass der Begriff der Interessengemeinschaft genauer definiert wurde.110 Würdinger begreift grundsätzlich alle Gemeinschaften als Interessengemeinschaften und unterscheidet die durch Vertrag begründeten, denen ein gemeinsamer Zweck der Mitglieder zugrundeliegt, von denen, die keinen solchen gemeinsamen Zweck haben; die letzteren bezeichnet er als „schlichte Interessengemeinschaften“ und zählt zu ihnen als „Hauptart“ die Bruchteilsgemeinschaft i. S. d. § 741 BGB.111 Für Würdinger stellt sich somit nur die Frage, inwieweit die gesetzlichen Regelungen in §§ 742 ff. BGB für die Bruchteilsgemeinschaft als „Sonderfall des allgemeinen Tatbestandes der schlichten Interessengemeinschaften“ auf andere Fälle dieser Gruppe anwendbar sind.112 Der große Schwachpunkt der Theorie von der Interessengemeinschaft ist deren Unbestimmtheit: Es bleibt unklar, wie die „Gemeinsamkeit“ der Einzelinteressen geartet sein muss, um die „Interessengemeinschaft“ zu begründen.113 Im gesellschaftlichen Leben und im Rechtsverkehr kommt es ständig zu Interessenüberschneidungen und -konflikten, und selbstverständlich rechtfertigen nicht alle diese Fälle eine Anwendung der §§ 742 ff. BGB. Würdinger selbst gibt zu: „Wie erwähnt, ist die schlichte Interessengemeinschaft rechtspolitisch gesehen nur graduell verschieden von der Gesellschaft.“114 Wie intensiv nun aber eine „Gleichartigkeit der Interessen“ ausgestaltet sein muss, um eine Staudinger, BGB (1996), § 741 Rn. 174 f.; kritisch auch Schmidt, in: MüKo BGB, vor § 741 Rn. 71 und Hadding, in: Soergel, vor § 741 Rn. 11 ff. 107  Würdinger, Interessengemeinschaften. 108  Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 8. 109  Jhering, Jahrbücher Dogmatik 1871, 245, 352. 110  Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 8 ff.; einen Überblick bietet auch Wüst, Interessengemeinschaft, S. 27 ff. 111  Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 15 f. 112  Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 16. 113 Dieses entscheidende Problem benennen auch: Proff, in: Staudinger (2015), § 741 Rn. 169; Langhein, in: Staudinger, BGB (1996), § 741 Rn. 169; Hadding, in: Soergel, vor § 741 Rn. 12. 114  Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 17.



D. Vertragstheorie

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„Interessengemeinschaft“ zu begründen, lässt sich wegen der fehlenden Messbarkeit von „Interessen“ schlichtweg nicht beantworten. Diese Unbestimmtheit des Tatbestands setzt sich bei den Rechtsfolgen fort, indem die Übertragbarkeit der in §§ 742 ff. BGB getroffenen Regelungen jeweils vom Einzelfall abhängig gemacht wird.115 Im Ergebnis bleibt der Begriff der „Interessengemeinschaft“ sowohl auf Tatbestands- als auch auf Rechtsfolgenseite nebulös. Die „Interessengemeinschaft“ ist daher als juristisches Modell insgesamt nicht tragfähig und richtigerweise abzulehnen. Zwar mögen in Einzelfällen Analogien zu den §§ 742 ff. BGB geboten sein; dann sollte aber die Analogiebildung auch in concreto begründet und als solche benannt werden, die Anfügung des Sammelbegriffs der „Interessengemeinschaft“ bringt insoweit keinen Mehrwert. Für die Theorie von Madaus ergeben sich zudem Zweifel aus dem Umstand, dass die „Interessengemeinschaft“ soweit ersichtlich nur zur Begründung von Ersatzansprüchen oder der Verteilung eines Verlustes herangezogen wird, nicht aber als Grundlage für Mehrheitsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft. Madaus weicht der gesamten Problematik um die „Interessengemeinschaft“ aus, indem er auf die abschließende gesetzliche Regelung über die Abstimmungsgruppen verweist. Zu seiner Qualifikation der Abstimmungsgruppen als Interessengemeinschaft meint der Autor selbst: „rechtliche Schlussfolgerungen lassen sich daran kaum knüpfen.“116 Welche Schlussfolgerungen sich denn überhaupt ziehen lassen sollen, bleibt aus gutem Grund offen: Denn im Ergebnis sagt Madaus nicht mehr, als dass per gesetzlicher Anordnung eine Beschlussfassung der Abstimmungsgruppen möglich ist, und schiebt quasi als „Tribut an die Rechtsdogmatik“ den inhaltlich beliebigen Begriff der „Interessengemeinschaft“ nach. Eine überzeugende juristische Konstruktion liegt darin nicht.

bb)  Unterteilung der Gläubiger in einzelne Gemeinschaften nicht überzeugend Von der zweifelhaften Einordnung als „Interessengemeinschaften“ abgesehen, überzeugt auch die Unterteilung der Beteiligten in mehrere getrennte Gemeinschaften, welche die Abstimmungsgruppen bilden sollen, bei näherer Betrachtung nicht.

115  Vgl. dazu nur den kasuistischen Aufbau der Arbeiten von Würdinger und Wüst. Dass die Lösung vom Einzelfall abhängt, sagt Wüst, Interessengemeinschaft, S. 47 ausdrücklich; er bezeichnet außerdem die Theorie als „kein geschlossenes Lehrgebäude“ (S. 53). Siehe außerdem Schmidt, in: MüKo BGB, vor § 741 Rn. 71 und Hadding, in: Soergel, vor § 741 Rn. 14. 116  Madaus, Insolvenzplan, S. 213.

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

aaa)  Gesetzeswortlaut und -begründung sowie Obstruktionsverbot in § 245 InsO Schon nach dem Gesetzeswortlaut liegt eine solche Auslegung fern. Die amtliche Überschrift des § 243 InsO lautet „Abstimmung in Gruppen“, nicht „Abstimmung der Gruppen“; den Bezugspunkt bilden demnach nicht die einzelnen Gruppen, sondern er liegt in der Gesamtheit der Beteiligten. Dies wird auch im Normtext der §§ 244 I, 246 InsO deutlich, wo zwischen der Annahme durch die Gläubiger und der Zustimmung „in“ den Gruppen unterschieden wird. Nach dem Gesetzeswortlaut sind also nicht die Gruppen zur Annahme des Insolvenzplans berufen, sondern die sämtlichen Gläubiger bzw. Beteiligten. In der Gesetzesbegründung kommt dies zwar nicht klar zum Ausdruck, es wurde aber wohl als selbstverständlich angesehen. Dort wird nach der einleitenden Feststellung, dass der Plan „von den Beteiligten legitimiert werden“ muss, die Bildung von Abstimmungsgruppen als „sachgerecht“ bezeichnet.117 Der Gesetzgeber äußert zwar, die Zusammenfassung von Beteiligten mit gleicher Stellung „legitimiert [...] Mehrheitsentscheidungen“.118 Dies kann aber nicht mit Madaus so verstanden werden, dass nur die gleichgerichteten Interessen innerhalb einer Abstimmungsgruppe das Mehrheitsprinzip rechtfertigen könnten. Hiergegen spricht die Ausgestaltung des Obstruktionsverbots in § 245 I InsO. Voraussetzung für die Fiktion der Zustimmung einer Abstimmungsgruppe ist nämlich unter anderem, dass die Mehrheit der Gruppen dem Plan zugestimmt hat (§ 245 I Nr. 3 InsO). Das bedeutet im Kern eine Ausdehnung des Mehrheitsprinzips auf Gruppenebene, was wiederum zeigt, dass eben nicht die innerhalb einer Gruppe gleichgerichteten Interessen die Rechtfertigung für das Mehrheitsprinzip sein können. Man wird nun einwenden, das Obstruktionsverbot sei als „Schikaneverbot“ etwas genuin anderes als das Mehrheitsprinzip. Gegen eine solche strikte Unterscheidung spricht aber, dass der Gesetzgeber selbst eine Verbindung zwischen beiden Aspekten herstellt, indem er auch das Mehrheitsprinzip mit der Verhinderung von „Obstruktion“ begründet.119 Zudem zeigt die Entstehungsgeschichte der Norm, dass die Zustimmung der Gruppenmehrheit als ein wesentliches Merkmal angesehen wurde, da es – abweichend vom anfänglichen Vorschlag der Regierung – auf Empfehlung des Rechtsausschusses noch nachträglich eingefügt wurde.120 § 245 I Nr. 3 InsO stellt sich somit als eine Fortsetzung des Mehrheitsprinzips auf Gruppenebene dar, was die These widerlegt, das Mehrheitsprinzip fuße allein auf den gruppenintern gleichgerichteten Interessen.121 117 

BT-Drucks. 12/2443, S. 92 f. BT-Drucks. 12/2443, S. 92. 119  BT-Drucks. 12/2443, S. 92. 120  Siehe dazu BT-Drucks. 12/7302, S. 105 (§ 290 I Nr. 3). 121  Dass der Gesetzgeber das Majoritätsprinzip für die Legitimation des § 245 InsO herangezogen hat, erkennt auch Madaus, er meint jedoch, diese Auffassung gehe angesichts der „gesamten Konzeption der Gruppenbildung und der Gruppenmacht“ fehl (Madaus, Insolvenz118 



D. Vertragstheorie

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bbb)  Keine Pflicht zur Gruppenbildung nach § 222 II InsO Gegen Madaus’ Ansicht spricht weiter die Regelung zur Gruppeneinteilung innerhalb des Personenkreises der Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung, die in § 222 II InsO getroffen wird. Nach § 222 II 1 InsO „können Gruppen gebildet werden, in denen Beteiligte mit gleichartigen wirtschaftlichen Interessen zusammengefaßt werden.“ Diese Vorschrift eröffnet dem Planersteller einen erheblichen Spielraum.122 Zwar muss die Abgrenzung „sachgerecht“ erfolgen, wenn weitere Gruppen gebildet werden (§ 222 II 2 InsO). Entscheidend ist hier aber etwas anderes, nämlich dass grundsätzlich123 keine Pflicht zur Bildung weiterer Gruppen besteht, wenn die Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung unterschiedliche Interessen haben. Eindeutig ist insoweit die Aussage des Rechtsausschusses, die im Gesetzgebungsverfahren auch umgesetzt wurde: „Unterschiedliche wirtschaftliche Interessen der betroffenen Gläubiger verpflichten nicht zur Gruppenbildung [...].“124 Madaus hingegen ist der Ansicht, dass erst die gleichgerichteten Interessen innerhalb einer Abstimmungsgruppe den Mehrheitszwang rechtfertigen.125 Nach seiner Meinung ist die Beschlussfassung nicht unter den sämtlichen Beteiligten möglich, sondern nur in den stärker differenzierten, homogenen Abstimmungsgruppen als „Interessengemeinschaften“. Folgt man dem, so sind die in § 222 II 1 InsO dem Planinitiator eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten unerklärlich: Wenn nämlich erst die Homogenität der Interessen das Mehrheitsprinzip rechtfertigen würde, müsste auch eine Pflicht zur Bildung homogener Gruppen bestehen. Eine solche Pflicht gibt es aber nicht; lediglich die Unterscheidung nach der Rechtsstellung der Beteiligten ist nach § 222 I InsO obligatorisch, eine weitere Differenzierung hingegen ist nach § 222 II InsO fakultativ. Aufgrund dieses Spielraums ist die These, dass sich der Mehrheitszwang aus der Homogenität der Interessen ableitet, nicht haltbar. Wenn die Beteiligten mehrere „Interessengemeinschaften“ bilden sollten, dann müssten sich schon unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit diese Gemeinschaften eindeutig bestimmen lassen. Dass sich aber aus ein und derselben Beteiligtenplan, S. 259 f.) – das „Gesamtkonzept“, auf das er sich dabei stützt, gilt es jedoch gerade zu erarbeiten. Die von Madaus angeführten Verweise auf das amerikanische Recht, in dem die Zustimmung einer einzigen Gläubigergruppe genügt, und auf den Regierungsentwurf, der diese Regelung übernommen hatte (Madaus, Insolvenzplan, S. 259), gehen an der Gesetz gewordenen Regelung vorbei. Madaus übergeht also die Auffassung des Gesetzgebers durch einen Zirkelschluss, den er mithilfe von Regelungen konstruiert, die es im deutschen Recht nicht gibt, weil sie vom Gesetzgeber abgelehnt wurden. 122  Zur Möglichkeit der taktischen Nutzung dieses Spielraums siehe etwa Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 222 Rn. 6 f. (zur Diskussion über ein Missbrauchsverbot als Grenze Rn. 110 ff.). 123  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 222 Rn. 119 ff. sieht „Gruppenbildungspflichten im Ausnahmefall“ als verfassungsrechtlich geboten an, allerdings nur dann, wenn im Einzelfall „wichtigste insolvenzbezogene wirtschaftliche Interessen [...] offensichtlich divergieren“. 124  BT-Drucks. 12/7302, S. 153. 125  Madaus, Insolvenzplan, S. 211 f.

140

§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

gruppe verschiedenste Konstellationen von „Unter“-Gruppen bilden lassen, die alle durchaus sach- und interessengerecht und damit gesetzlich zulässig sein können, zeigt wiederum die fehlende Präzision des Begriffs des „Interesses“. Dies bestätigt die bereits oben geäußerte Kritik, dass als Legitimation für das Mehrheitsprinzip, oder mit anderen Worten als Tatbestand für die Rechtsfolge einer „Interessengemeinschaft“ dieses Merkmal zu unbestimmt ist.

ccc)  Verbindung der Beteiligten nicht erst durch Gruppeneinteilung Das vorgenannte Argument lässt sich auch nicht durch einen Verweis auf die im gestaltenden Teil des Plans festgelegte Gruppeneinteilung entkräften. Denn diese Gruppeneinteilung, die der Planersteller vornimmt, ist eben nicht gesetzlich vorherbestimmt. Sie stellt vielmehr eine, für den Erfolg des Plans häufig wesentliche, Gestaltungsleistung des Planerstellers dar. Die Vornahme der Gruppeneinteilung kann auch nicht als „Gründungsakt“ der einzelnen „Interessengemeinschaften“ verstanden werden. Die Gläubiger erhalten nämlich nicht erst durch die Gruppeneinteilung ihre Entscheidungsbefugnis über den Insolvenzplan, und sie werden nicht erst durch die Eröffnung des Insolvenzplanverfahrens zu mehreren „Abstimmungs-Schicksalsgemeinschaften“ verbunden. Vielmehr sind sie von Anfang an gemeinsam zur Entscheidung über den Plan berufen, wie § 157 S. 2 InsO zeigt. Die Gläubigerversammlung kann nach dieser Vorschrift den Insolvenzverwalter mit der Ausarbeitung eines Plans beauftragen und ihm dessen Ziel vorgeben. Damit kann die Gesamtgläubigerschaft über die Einleitung eines Planverfahrens entscheiden. Die Planvorlage ist daher nicht als ein schicksalhaftes Ereignis anzusehen, das die Beteiligten zu bestimmten Interessengruppen verbindet, sondern die Verbindung besteht bereits ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die unterschiedlichen Formen, in denen die Beteiligten das Verfahren beeinflussen können, stellen daher lediglich Ausprägungen dieser einen Verbindung dar. Das Mehrheitsprinzip mag beim Insolvenzplan durch die Bildung von Abstimmungsgruppen zusätzlich legitimiert sein, es kommt aber auch bei anderen Entscheidungen zur Anwendung, insbesondere schon bei jener der Gläubigerversammlung über die Ausarbeitung eines Plans nach § 157 S. 2 InsO. Die Verbindung, welche die Mehrheitsentscheidung über den Insolvenzplan tatsächlich und grundlegend legitimiert, ist demnach nicht diejenige innerhalb der Abstimmungsgruppen, sondern eine durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bewirkte, die sich auf sämtliche Beteiligte erstreckt.

ddd)  Abstimmung in Gruppen keine zwingende Folge einer differenzierten Gläubigerbehandlung Madaus meint, beim Insolvenzplan könne der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz „in seiner Allgemeinheit nicht gelten“, und leitet daraus ab: „Folglich



D. Vertragstheorie

141

kann auch die Abstimmung über den Insolvenzplan nicht durch eine gemeinsame Entscheidung aller Gläubiger in einer Gläubigerversammlung erfolgen, bei der sich das Stimmgewicht allein an der Rechtsstellung orientiert, mit welcher der Gläubiger im Insolvenzverfahren beteiligt ist.“126 Er ist der Ansicht, dass die unterschiedliche Behandlung einzelner Gruppen eine rechtliche Abgrenzung der Gruppen voneinander erfordert. Als rechtspolitische Überlegung zur Förderung der Anerkennung von Insolvenzplänen mag dies zutreffen.127 Rechtlich ist dieser Schluss jedoch nicht zwingend. Das zeigt schon die Regelung zum Zwangsvergleich, die eine Differenzierung unter den Gläubigern nach sachgerechten Kriterien, insbesondere den wirtschaftlichen Interessen, gestattete,128 ohne eine Abstimmung in Gruppen vorzusehen. Darin lag kein Verstoß gegen den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Dieses Verfahrensprinzip bedeutet nämlich nicht mehr als eine Aussetzung des strikten Prioritätsprinzips und somit eine Gleichbehandlung sämtlicher Gläubiger mit gleicher Rechtsstellung; eine Differenzierung nach sachlichen Kriterien ist dadurch keineswegs ausgeschlossen, sondern sogar geboten.129 Der Ansatz Madaus’ beruht dagegen auf einem undifferenziertem Verständnis des insolvenzrechtlichen Grundsatzes der par conditio creditorum, wie es immer wieder anzutreffen ist. Vor dem historischen Hintergrund wird deutlich, dass die Gruppeneinteilung im Insolvenzplanverfahren zwei unterschiedliche Aspekte beinhaltet. Auf der einen Seite liefert sie einen Rahmen für die – ohnehin zulässige – sachgerechte Differenzierung zwischen Beteiligten nach deren Rechtsstellung und wirtschaftlichen Interessen. Auf der anderen Seite wirkt sie sich auf die Annahme des Plans aus, da der Gesetzgeber als Abstimmungsmodus ein Verfahren gewählt hat, bei dem die Gruppenbildung berücksichtigt wird. Gerade die Gegenüberstellung mit der Vorgängerregelung des Zwangsvergleichs zeigt aber das Verhältnis beider Aspekte zueinander: Zwar wäre eine Abstimmung in Gruppen nicht denkbar, wenn keine Gruppen gebildet würden. Aber eine Differenzierung unter den Gläubigern ist mit einer Gesamtabstimmung sehr wohl vereinbar. Als logischer Schluss ergibt sich daraus, dass die Legitimation des Mehrheitsprinzips nicht aus der Gruppeneinteilung folgen und nicht auf die einzelnen Gruppen begrenzt sein kann.

126 

Madaus, Insolvenzplan, S. 211. In diesem Sinn ist wohl auch die schon zitierte Stelle des Regierungsentwurfs zu verstehen, der eine Verbindung zwischen der Gruppeneinteilung und der Legitimation der Mehrheitsentscheidungen herstellt, BT-Drucks. 12/2443, S. 92. 128  Siehe zu dieser Möglichkeit Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage), § 181 Rn. 2 und Bley/ Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 18. 129  Baur, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 62, und ausführlich: Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 40 ff. 127 

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

eee) Zwischenergebnis Das Mehrheitsprinzip wird nicht erst durch die Gruppenbildung legitimiert. Das Mehrheitsprinzip in Bezug auf die Gesamtheit der Gläubiger war bereits für den Zwangsvergleich anerkannt, und dies trotz der Möglichkeit zur sachund interessengerechten Differenzierung unter den Gläubigern. Die Gruppenbildung rechtfertigt lediglich den konkreten Abstimmungsmodus, wie er nun für den Insolvenzplan gilt. Darin erschöpft sich jedoch ihre Bedeutung. Die Annahme mehrerer getrennter „Interessengemeinschaften“ die erst durch ihre Homogenität das Mehrheitsprinzip rechtfertigen, entspricht nicht der gesetzlichen Regelung.

cc)  Zustimmung aller Beteiligten nicht erforderlich Hält man mit Madaus die Zustimmung aller Beteiligten für erforderlich, so muss auffallen, dass deren jeweilige Erklärungen nicht für sich allein stehen, sondern dass sie erst bei – tatsächlicher oder fingierter – Zustimmung sämtlicher Anderer Verbindlichkeit erlangen sollen. Zergliedert man die Abstimmung also in ein Zusammenspiel dieser Einzelerklärungen, entsteht ein kompliziertes Geflecht von Interdependenzen. Vorstellbar und juristisch zu konstruieren ist ein solches „Bedingungsnetz“ zwar durchaus; als allgemeines Denkprinzip der Wissenschaft gilt aber der Satz, dass die einfachste Lösung eines Problems auch die richtige ist. Der einfachste Begriff, der die wechselseitige Abhängigkeit von Einzelerklärungen zur Herbeiführung einer Rechtsfolge beschreibt und gleichzeitig das Mehrheitsprinzip in sich trägt, ist der Beschluss.130 Demnach ist nicht davon auszugehen, dass der Insolvenzplan durch wechselseitig bedingte Einzelerklärungen sämtlicher Gläubiger zustandegebracht wird. Viel näher liegt es, einen Beschluss über den Plan im Ganzen zu konstruieren, zu dessen Ausführung die zustimmenden Erklärungen genügen könnten.131 Madaus hat insoweit zudem den Wortlaut des § 244 I InsO gegen sich. Dieser bestimmt, was „zur Annahme des Insolvenzplans durch die Gläubiger“ nötig ist: nicht die Willenserklärungen aller Gläubiger, sondern die speziell geregelte Zustimmung in allen Abstimmungsgruppen. Damit sind Erklärungen sämtlicher Gläubiger nicht erforderlich. Das zeigt auch ein Gegenschluss aus §§ 245–247 InsO, die für den Fall, dass weitere Zustimmungserklärungen erforderlich sind, Fiktionen anordnen. Die Konstruktion von zustimmenden Willenserklärungen 130  Zu den Merkmalen des Beschlusses siehe Medicus, BGB AT, Rn. 205 und Wolf/Neuner, AT, § 29 Rn. 10 ff., sowie noch unten § 4 D I 1. 131 Der Gedanke, dass in der Gläubigerabstimmung eine Kombination von internem Beschluss und außenwirksamen Erklärungen vorliegt, ist zum Zwangsvergleich bereits von mehreren Autoren vorgebracht, aber nicht weiter ausgeführt worden (vgl. Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 39 f.; Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 17; Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 11).



E. Ergebnis

143

aller Beteiligten unter Aufgebot verschiedenster juristischer Mittel verfehlt diese Besonderheit des Insolvenzplans.

dd) Ergebnis Insgesamt kann die von Stephan Madaus vorgeschlagene Konstruktion nicht überzeugen.

c)  Keine sonstigen Gemeinschafts-Theorien Außer der Arbeit von Madaus gibt es in der Literatur keine Ansätze zur Erklärung der Bindungswirkung auf der Grundlage einer Gläubigergemeinschaft. Auch wenn, wie oben gezeigt, mit dem Gemeinschaftsmodell oft geliebäugelt wird, existiert bislang keine konsequente und rechtsdogmatisch schlüssige Umsetzung.132

4.  Fiktion der „fehlenden“ Zustimmungserklärungen Peter Bauer leitet aus einer Untersuchung der historischen Entwicklung des Insolvenzplans ab, die „fehlenden“ Zustimmungserklärungen würden durch den Bestätigungsbeschluss fingiert.133 Dem ist derselbe Einwand entgegenzusetzen wie schon der Konstruktion von Stephan Madaus: Aus dem Wortlaut des § 244 I InsO sowie einem Gegenschluss aus §§ 245–247 InsO ergibt sich, dass die mehrheitliche Zustimmung für den Vertragsschluss genügen soll. Es bedarf also keiner weiteren Fiktionen, sondern vielmehr ist zu erklären, warum nicht von jedem Gläubiger eine Zustimmungserklärung vorliegen muss.134

E. Ergebnis Die kritische Untersuchung der bisherigen Konstruktionsvorschläge hat gezeigt, dass der Insolvenzplan nicht als Rechtsnorm, Urteil oder Rechtsinstitut eigener Art einzuordnen ist, sondern als ein Vertrag zwischen Gläubigern (bzw. „Beteiligten“) und Schuldner. Die dazu bislang entwickelten vertraglichen 132  Reischl, Insolvenzrecht, Rn. 815 bezeichnet den Insolvenzplan zwar als Vertrag, der „zwischen der Gläubigergemeinschaft und dem Schuldner abgeschlossen“ wird, legt aber nicht dar, wie dieser Vertrag genau zustande kommt. – Hingegen erklärt Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 80 zwar die internen Wirkungen mithilfe einer „gesellschaftsähnlichen“ Zufalls-, Zwangs- und Schicksalsgemeinschaft, konstruiert aber keinen Vertrag mit dem Schuldner. 133  Bauer, Insolvenzplan, S. 353 ff. 134  Siehe oben 3 b cc.

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§ 3  Bisherige Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans

Erklärungsmodelle liefern jedoch keine überzeugende Begründung für die Planwirkungen gegenüber den nicht zustimmenden Personen. Der Verweis auf eine gesetzliche Wirkungserstreckung bleibt blass und ohne systematische Verankerung. Insoweit bringt auch das von manchen vorgebrachte Schlagwort einer schicksalhaften Verbundenheit der Gläubiger keine dogmatische Klarheit. Um eine fundierte juristische Erfassung der Vorgänge bei der Abstimmung über den Insolvenzplan hat sich bisher am ausführlichsten Stephan Madaus bemüht. Allerdings geht seine Konstruktion in grundlegenden Teilen an den gesetzlichen Regelungen vorbei, indem sie sich auf eine Vielzahl von „Interessengemeinschaften“ und Zustimmungserklärungen aller Beteiligten stützt, was insbesondere der Normüberschrift und dem Text des § 244 InsO widerspricht. Aufgrund von § 244 I InsO ist auch eine Fiktion der „fehlenden“ Zustimmungserklärungen abzulehnen. Somit fehlt es bislang an einer stimmigen vertraglichen Konstruktion des Insolvenzplans. Wie das Zustandekommen des Insolvenzplans als Vertrag dogmatisch zu erklären ist, wird im Folgenden aufgezeigt. Nach den bisher gewonnenen Erkenntnissen ist dabei von einer Konstruktion mithilfe des Modells einer Gemeinschaft der Gläubiger auszugehen. Daher müssen zunächst die Grundlagen dieser Gläubigergemeinschaft analysiert werden: Zu zeigen ist, dass und in welcher Form eine Gemeinschaft besteht (§ 4 A, B), und es sind die „Mitglieder“ dieser Gemeinschaft zu bestimmen (§ 4 C). Schließlich ist zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen gemeinschaftsbezogene Rechtshandlungen vorgenommen werden (§ 4 D). Aus der so erarbeiteten Grundstruktur der Gläubigergemeinschaft kann dann abgeleitet werden, wie der Insolvenzplan zustandekommt und seine Wirkungen zu erklären sind (§ 5).

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger Die Streitfrage, ob es eine „Gemeinschaft der Gläubiger“ im Konkurs- bzw. Insolvenzverfahren gibt, und welcher Natur diese gegebenenfalls ist, wurde bis hierhin schon mehrfach gestreift. In der Tat handelt es sich dabei um ein grundlegendes Problem des Insolvenzrechts, welches jedoch bislang eher stiefmütterlich behandelt wurde. Das ist misslich, da die Einordnung der rechtlichen Beziehungen der Gläubiger untereinander sowie zu den anderen Verfahrensbeteiligten und -gegenständen für zahlreiche insolvenzrechtliche Fragen von Relevanz ist; die Konstruktion des Insolvenzplans ist hierfür nur ein Beispiel. Dieser Teil der Arbeit ist deshalb der Grundsatzfrage nach dem Bestehen und der Rechtsnatur einer „Gemeinschaft der Gläubiger“ gewidmet. Die Untersuchung liefert dabei Schlüsselergebnisse für die dogmatische Erklärung des Insolvenzplanverfahrens.

A.  Denkbare rechtliche Formen einer Gläubigergemeinschaft Es liegt auf der Hand, dass die Gläubiger keine Gesellschaft bilden, da ihre Verbindung nicht auf einem Vertrag beruht. Die Gläubigerschaft ist auch keine juristische Person.1 Die Gläubiger könnten aber eine Gemeinschaft bilden, was zur Anschlussfrage nach deren Art führt. Als gesetzlich anerkannte Gemeinschaftsformen kommen zunächst Gesamthands- und Bruchteilsgemeinschaft in Betracht. Darüber hinaus finden sich in der Literatur auch mehrere andere Bezeichnungen für die Gläubigergemeinschaft, die aber alle dasselbe bedeuten: Immer wieder ist von einer „Interessen-“, „Schicksals-“ oder „Verlustgemeinschaft“ zu lesen; andere betonen weniger das zugrundeliegende Problem des regelmäßig zur Befriedigung aller Gläubiger unzureichenden Schuldnervermögens als die gesetzliche Lösung, und sprechen daher von einer „Verfahrensgemeinschaft“.2 All diese Beschreibungen laufen jedoch nur 1 

So schon überzeugend die Motive zur KO, siehe, Hahn, Materialien, S. 46. Jaffé, in: FK InsO, § 217 Rn. 16; Hänel, Gläubigerautonomie, S. 63 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 4; Lent, in: Jaeger, KO (8. Auflage), vor § 61; Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 60 f.; Würdinger, Interessengemeinschaften, S. 63 ff.; Häsemeyer, KTS 1982 507, 526, erkennt eine Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger wegen des Beschlagsrechts an der 2 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

darauf hinaus, dass die im Insolvenzrecht getroffenen Regelungen als spezielle Anordnung einer Gemeinschaft eigener Art verstanden werden. Ein solcher Ansatz bleibt notwendigerweise rein deskriptiv: Er ist darauf beschränkt, die gesetzlichen Bestimmungen wiederzugeben – eine allgemeine juristische Einordnung wird damit, auch wenn die Regelungen anschließend mit Begriffen wie dem „gemeinsamen Interesse“ der Gläubiger gerechtfertigt werden, nicht erreicht.3 Als einzig erfolgversprechender Ansatz bleibt daher zu prüfen, ob die Gläubiger eine Gesamthands- oder Bruchteilsgemeinschaft bilden. Voraussetzung ist in beiden Fällen, dass mindestens ein Recht4 existiert, das den Gläubigern entweder als Gesamthandsvermögen oder als gemeinschaftliches Recht i. S. d. § 741 BGB zusteht.5

B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft und Bestimmung der gemeinschaftlichen Rechte Grundlage einer Gläubigergemeinschaft kann nach dem soeben Gesagten nur ein besonderes Recht der sämtlichen Gläubiger „als Gemeinschaft“ sein. Das subjektive „Recht“ wird definiert als „Berechtigung“ und kann verschiedenste Inhalte haben.6 Die Feststellung, dass die Gläubiger mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder das Eigentum noch ein Pfandrecht an der Masse erwerben,7 bedeutet daher noch kein Scheitern der Gemeinschaftstheorie. Tatsächlich finden sich mehrere Rechte, die den sämtlichen Gläubigern zustehen. Diese Rechte und das daraus folgende Gemeinschaftsverhältnis der Gläubiger werden im Folgenden bestimmt.

Masse zwar an, hält daneben aber noch ein besonderes Modell der sog. „Ausgleichshaftung“ für die Beziehungen unter den Gläubigern für erforderlich. 3  Das gilt jedenfalls dann, wenn man die „schlichten Interessengemeinschaften“ nicht als Kategorie anerkennt. Jene Theorie wurde aber oben bereits zurückgewiesen (§ 3 D II 3 b aa). Soweit von einer „Verlustgemeinschaft“ gesprochen wird, ist außerdem der gewählte Begriff falsch, da es keine rechtliche Voraussetzung des Insolvenzverfahrens bildet, dass am Ende irgendjemandem ein Verlust verbleibt, vgl. § 199 InsO. 4  Als Gesamthandsvermögen genügt ein einziges Recht, siehe Flume, AT I/1, S. 112 f. 5  Solange die Einordnung noch offengelassen ist, meint „Gemeinschaft“ im Folgenden den Oberbegriff zur Bruchteilsgemeinschaft und der Gesamthand (zur Terminologie siehe Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 1). 6  Medicus, BGB AT, Rn. 61 ff.; Wolf/Neuner, AT, § 20 Rn. 9, 14 ff. 7  Seit Einführung der KO allgemeine Meinung, siehe dazu Hahn, Materialien, S. 45; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 35 Rn. 3.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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I.  Befugnisse „der Gläubigerversammlung“ als gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger Als gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger kommen zunächst die Befugnisse „der Gläubigerversammlung“ in Betracht.8 Deren Entscheidungen haben maßgeblichen Einfluss auf das Verfahren. Besonders deutlich wird dies etwa bei der Wahl des Insolvenzverwalters (§ 57 InsO), der Entscheidung über die Fortführung des Schuldnerunternehmens (§ 157 S. 1 InsO) und der Zustimmung zu einzelnen Rechtshandlungen des Verwalters (§ 160 InsO). Nicht zuletzt ist hier auch die Beauftragung des Insolvenzverwalters mit der Ausarbeitung eines Insolvenzplans zu nennen (§ 157 S. 2 InsO). Die Gläubigerversammlung wird zumeist als „Organ der insolvenzrechtlichen Selbstverwaltung“ bezeichnet, was bedeuten soll, dass sie nur die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen hat, in ihren Handlungen auf Verfahrensinterna begrenzt ist und keine Rechtspflege betreibt.9 Eine nähere dogmatische Einordnung der Versammlung und ihrer Aufgaben unterbleibt hingegen. Tatsächlich kommen die Befugnisse „der Gläubigerversammlung“ als gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger in Betracht. Denn die gesetzlichen Einwirkungsmöglichkeiten auf den Verfahrensablauf sind jedenfalls „Berechtigungen“ im obigen Sinn, also subjektive Rechte. Damit stellt sich aber die Frage nach dem Träger dieser Rechte.10

1.  Gemeinschaft der Gläubiger als Rechtsträger Die Gläubigerversammlung selbst kommt als Rechtsträger nicht in Frage. Zwar ist im Gesetz meist davon die Rede, dass „die Gläubigerversammlung“ bestimmte Befugnisse hat.11 Dies ist aber so zu verstehen, dass die Gläubiger (als Gemeinschaft) die entsprechenden Rechte haben und diese in der Form von 8  Übersicht bei Gerhardt, in: Jaeger, InsO § 74 Rn. 3 ff. und Ehricke, in: MüKo InsO, § 74 Rn. 13. 9 Siehe Ehricke, in: MüKo InsO, § 74 Rn. 2; Gerhardt, in: Jaeger, InsO § 74 Rn. 2; Jungmann, in: Schmidt, InsO, § 74 Rn. 3; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 74 Rn. 5; Kübler, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 74 Rn. 3. 10  Dass die Definition des Begriffs „Recht“ hier erfüllt ist, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Im Vorgriff auf die weitere Untersuchung sei aber angemerkt, dass die Ausübung dieser Rechte in der Vornahme von Prozesshandlungen besteht (siehe dazu ausführlich unten D II 1a). Zusammenfassend lässt sich daher auch von einem Recht zur Vornahme von Prozesshandlungen sprechen. Dass eine solche „Berechtigung zu Prozesshandlungen“ nach dem Gesetz verselbständigungsfähig ist, also unabhängig vom Partei-Begriff grundsätzlich jedem Rechtsträger zugeschrieben werden kann, zeigt der Wortlaut des § 67 ZPO, der für den Nebenintervenienten sagt, dieser sei „berechtigt, […] Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen […].“ 11 Z. B. § 79 S. 1 InsO: „Die Gläubigerversammlung ist berechtigt, vom Insolvenzverwalter einzelne Auskünfte und einen Bericht über den Sachstand und die Geschäftsführung zu verlangen.“

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Beschlüssen der Gläubigerversammlung ausüben können, auch wenn dies nur in wenigen Normen klar ausgedrückt wird.12 Zu dieser zweiten Deutung passt aber die gesetzliche Bezeichnung der Gläubigerversammlung als „Organ der Gläubiger“13, denn der Begriff „Organ“ entstammt dem Körperschaftsrecht und meint dort einen bloßen Zurechnungsträger für den eigentlichen Rechtsträger, die Körperschaft.14 Auf den vorliegenden Fall übertragen folgt daraus, dass Rechtsträger nicht die Gläubigerversammlung als „Organ der Gläubiger“ ist, sondern dies die Gläubiger selbst sind. Die Gläubigerversammlung als solche besteht zudem nicht dauerhaft, sondern tritt während des Verfahrens nur immer wieder und bei meist wechselnder Beteiligung der Gläubiger zusammen, sodass auch diese Diskontinuität dagegen spricht, die Versammlung selbst als Rechtsträger aufzufassen. Ebenso verfehlt wäre es, ein entsprechendes Recht jedes einzelnen Gläubigers anzunehmen; denn es müsste dann unablässig zu Kollisionen dieser Rechte kommen, weil es nur ein Verfahren gibt, in dem nur eine Entscheidung getroffen werden kann. Die Einheit des Verfahrens kann daher mit der Vielheit der Gläubiger nur dadurch in Einklang gebracht werden, dass das jeweilige Recht im Ganzen den sämtlichen Gläubigern als Gemeinschaft zugeschrieben wird. Diese Überlegung ist deckungsgleich mit jener über das Verhältnis der Privatautonomie der einzelnen Gläubiger zu der „Gläubigerautonomie“ im Insolvenzverfahren an früherer Stelle: Dort wurde abstrakt formuliert, dass die „Gläubigerautonomie“ im Insolvenzverfahren von der Privatautonomie der einzelnen Gläubiger verschieden sein muss.15 Hier lässt sich dieser Gedanke auf die spezifischen Rechte konkretisieren, indem als Rechtsträger nicht die unabhängig nebeneinanderstehenden einzelnen Gläubiger bestimmt werden, sondern die sämtlichen Gläubiger als Gemeinschaft. Die Befugnisse „der Gläubigerversammlung“ sind also einzelne Rechte, die jeweils den Gläubigern als Gemeinschaft zustehen.

2.  Keine gesamthänderische Bindung Wenn eine Personenmehrheit Inhaberin eines Rechts ist, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder bildet die Personenmehrheit eine Gesamthand, die als Rechtsträgerin fungiert, oder es liegt eine Bruchteilsgemeinschaft i. S. d. § 741 BGB vor. 12  Präzise formuliert sind nur § 57 S. 1 InsO („In der ersten Gläubigerversammlung, die auf die Bestellung des Insolvenzverwalters folgt, können die Gläubiger an dessen Stelle eine andere Person wählen.“) und § 197 I Nr. 3 InsO („Entscheidung der Gläubiger“). 13  Vgl. die Überschrift des Dritten Abschnitts im 2. Teil der InsO: „Insolvenzverwalter. Organe der Gläubiger“. 14  Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 3 II; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 10 I. 15  § 2 C V.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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Dass die Gläubiger eine Gesamthandsgemeinschaft bilden sollten, wird im Schrifttum zurecht so gut wie nicht vertreten.16 Entscheidendes Abgrenzungskriterium ist dabei nicht das Vorliegen oder Fehlen einer „Zweckgemeinschaft“.17 Vielmehr kommt es auf die gesamthänderische Bindung an, die in der Gläubigergemeinschaft jedoch fehlt: Die Verfahrensrechte der Gläubiger sind untrennbar mit deren Ansprüchen gegen den Schuldner verbunden. Diese können aber auch nach Verfahrenseröffnung von den Gläubigern unbeschränkt veräußert werden,18 wobei die verfahrensrechtliche Stellung auf den Erwerber übergeht.19 Das bedeutet, dass nur die Ausübung der Verfahrensrechte im Ganzen von der gesamten Gläubigergemeinschaft ausgehen muss. Hingegen kann der einzelne Gläubiger über seinen mit dem Anspruch verbundenen Anteil an den Verfahrensrechten frei verfügen, was der Regelung des § 747 S. 1 BGB entspricht. Damit fehlt es aber an einem Zusammenschluss der Gläubiger als „Gruppe“, wie er für die Gesamthandsgemeinschaft erforderlich wäre: Ihre Verbindung erschöpft sich in der gemeinsamen Rechtszuständigkeit20 für die Verfahrensrechte. Die Gläubiger bilden also keine Gesamthandsgemeinschaft,21 sondern sie sind als Bruchteilsgemeinschaft nach § 741 BGB einzuordnen. Dabei können zunächst noch der genaue Inhalt und die Rechtsnatur der gemeinschaftlichen Rechte dahinstehen; denn auch subjektiv-öffentliche Rechte können Gegenstand einer Bruchteilsgemeinschaft sein, diese bleibt als solche in jedem Fall eine rein zivilrechtliche und materiellrechtliche Gemeinschaft.22

3. Ergebnis Die „Befugnisse der Gläubigerversammlung“ sind Verfahrensrechte, die den Gläubigern als Bruchteilsgemeinschaft i. S. d. § 741 BGB zustehen.23

16  Für

Gesamthand lediglich Stein/Juncker, Grundriß des Zivilprozeßrechts, S. 413: „Die Gläubigerschaft ist [...] eine Gesamthand mit wechselnden Teilnehmern und Anteilen, ähnlich der Gesellschaft des BGB. während der Liquidation, BGB. § 705.“ 17 Gegen die Heranziehung dieses Merkmals überzeugend Flume, AT I/1, S. 111 und Schmidt, in: MüKo BGB, § 741, Rn. 6. 18  Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 106 (hinsichtlich der Insolvenzgläubiger). 19  Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 38 Rn. 38 (hinsichtlich der Insolvenzgläubiger). 20 Siehe zu dieser Unterscheidung der Gesamthand von der Bruchteilsgemeinschaft Flume, AT I/1, S. 113 und Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 2 f. 21  Richtig erkannt bereits von Hellmann, Lehrbuch, S. 642 f. 22  Schmidt, in: MüKo InsO, § 741 Rn. 13; Proff, in: Staudinger (2015), § 741 Rn. 169. 23  Solche gemeinschaftlichen Verfahrensrechte stellen im System des Zivilprozesses eine Besonderheit dar, lassen sich aber dadurch rechtfertigen, dass das Insolvenzverfahrens das einzige zivilprozessuale Verfahren ist, das als Massenverfahren angelegt ist. Siehe dazu noch unten D II 1 b bb.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

II.  Gemeinschaftliches Befriedigungsrecht Neben den explizit als solchen benannten Berechtigungen „der Gläubigerversammlung“ bzw. „der Gläubiger“ ist richtigerweise auch ein Recht auf Befriedigung aus der Masse anzuerkennen, das den Gläubigern ebenfalls gemeinschaftlich zusteht.24

1.  Historischer Hintergrund Der KO-Gesetzgeber wollte durch § 3 KO25 einen „Konkursanspruch“ normieren26 und ging von einer kraft Gesetzes begründeten Gemeinschaft der Gläubiger aus.27 Es ist augenfällig, dass die beiden beabsichtigten Regelungsaspekte in einer Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger an dem „Konkursanspruch“ stimmig zusammengeführt werden können. Die Lehre vom Konkursanspruch stieß jedoch in der Literatur vielfach auf Ablehnung, was vermutlich darauf zurückzuführen ist, dass man bei der Bekämpfung der gemeinrechtlichen Generalhypotheken über das Ziel hinausschoss.28 Die Folge ist, dass die Existenz des Befriedigungsrechts und daher auch die Gemeinschaft der Gläubiger bis heute bestritten werden. Aus dem Gesetzeswortlaut lässt sich jedoch auch nach der Insolvenzrechtsreform das gemeinschaftliche Recht der Gläubiger ableiten, die entscheidende Aussage des § 3 KO, dass nämlich die Befriedigung der Gläubiger gemeinschaftlich zu erfolgen hat, wurde in § 1 S. 1 InsO übernommen.

2.  Herleitung und Einordnung des Befriedigungsrechts Tatsächlich stellt das gemeinschaftliche Befriedigungsrecht der Gläubiger das Kernelement des Insolvenzverfahrens dar. Ein Vergleich mit der Einzelvollstreckung macht deutlich, dass der Wesensgehalt des Insolvenzverfahrens in einem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht der Gläubiger auf den Punkt gebracht wird. 24 Treffend

Berges, KTS 1957, 49, 52 ff., dem Linke, KTS 1966, 193, 214, 216 folgt; ähnlich Oelrichs, Gläubigermitwirkung, S. 123 („Zugriffsrecht“) und Madaus, Insolvenzplan, S. 192 ff. („Verwertungsrecht“). Grundsätzlich zustimmend auch Häsemeyer, KTS 1982 507, 526. 25  Ursprünglich § 2 KO. 26  Hahn, Materialien, S. 45. 27  Hahn, Materialien, S. 47. 28  Siehe dazu die historische Analyse bei Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 4 und Henckel, FS Weber, S. 237, 238. Als Dokument aus der Zeit ist die Schrift von Friedrich Stein aufschlussreich, der ähnlich der hier folgenden Darstellung die Beschlagnahme der Masse in Parallele zur Einzelvollstreckung darlegt, sich aber gegen ein „Pfandrecht“ der Gläubiger ausspricht unter Verweis auf „die grundsätzliche Ablehnung aller Generalhypotheken durch das moderne Recht, bes. das BGB“ (Stein/Juncker, Grundriß des Zivilprozeßrechts, S. 421).



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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a)  Parallelen zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung Die Bestimmungen des Achten Buchs der ZPO und des ZVG unterscheiden sich deutlich von jenen der InsO. Nichtsdestotrotz sind beide Regelungssysteme unter dem gemeinsamen Oberbegriff der privaten Zwangsvollstreckung zusammenzufassen.29 Genauer gesagt trifft die InsO Sonderregelungen für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. Zu diesen zählen sowohl reine Zahlungsansprüche als auch die „Haftungsansprüche für Geldleistungen“ wie zum Beispiel Pfandrechte, Hypotheken oder das Zurückbehaltungsrecht nach § 371  III HGB.30 Nur solche Geldforderungen werden gem. §§ 38 ff. InsO im Insolvenzverfahren befriedigt.31 Dabei werden zwar durch Sondernormen manche Ansprüche in der Insolvenz anders eingeordnet als in der Einzelvollstreckung,32 gerade diese expliziten Ausnahmeregelungen zeigen aber den grundsätzlichen Gleichlauf. Die Gemeinsamkeiten rechtfertigen es, zur Einzelvollstreckung gewonnene Erkenntnisse auf die Gesamtvollstreckung zu übertragen, soweit Parallelen bestehen. Aufgrund der im Einzelnen sehr unterschiedlich gestalteten Verfahren betrifft dies weniger Einzelprobleme als vielmehr dogmatische Grundsatzfragen. Gerade solche Grundeinsichten zur Zwangsvollstreckung sind aber auch in der Insolvenzrechtstheorie zu beachten, um Folgeprobleme zu vermeiden. Für die hier zu untersuchende Frage, ob ein Recht der Gläubiger auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse besteht, bringt der Vergleich mit der Einzelvollstreckung wesentliche Erkenntnisse.

b)  Beschlagnahme und Befriedigungsrecht als Voraussetzungen der Haftungsverwirklichung In der Einzelvollstreckung werden drei besondere Rechte des Gläubigers erkannt, von denen hier der Vollstreckungsanspruch und das Recht auf Befriedigung aus einem beschlagnahmten Gegenstand von Interesse sind.33 Der „Vollstreckungsanspruch“ des Gläubigers ist gegen den Staat als Träger des Vollstreckungsmonopols34 und auf Durchführung der gesetzlich normierten Vollstreckungsmaßnahmen gerichtet; er bildet damit eine besondere Ausfor29 

Siehe nur Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 42. Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 48 Rn. 6 f. 31  Die Begrenzung auf Geldansprüche wird deutlich in § 45 InsO: Für die Verfahrensteilnahme muss eine nicht auf Geld gerichtete Forderung umgerechnet werden. 32 Z. B.: Behandlung des Sicherungseigentums als reiner Haftungsanspruch gem. § 51 Nr. 1 InsO. 33  Zu dem aus Art. 14 I GG abgeleiteten „Befriedigungsrecht“, das mit dem hier gemeinten Recht auf Befriedigung aus dem beschlagnahmten Gegenstand nicht identisch ist, siehe Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 2 und § 3 Rn. 7. 34  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 9 ff. 30 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

mung des Justizgewährungsanspruchs (Art. 19 IV GG).35 Der Vollstreckungsanspruch konkretisiert sich durch die Beschlagnahme.36 Eine Beschlagnahme von Vermögensgegenständen des Schuldners erfolgt bei jeder Vollstreckung wegen Geldforderungen.37 Sie stellt den „Zusammenhang zwischen der Geldvollstreckung und der Vermögenshaftung des Schuldners“ her,38 indem durch sie ein Recht des Gläubigers auf Befriedigung aus dem betroffenen Gegenstand entsteht.39 Dieses allgemeine Prinzip lässt sich aus § 804 I ZPO, §§ 20 I, 146 I ZVG ableiten. Die „Verwirklichung der Vermögenshaftung des Schuldners“, die sich in der Beschlagnahme realisiert,40 ist auch das Ziel des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO). Es entspricht daher dem genannten Grundsatz, von einer Beschlagnahme der Insolvenzmasse auszugehen, durch die ein Recht der Gläubiger auf Befriedigung aus derselben begründet wird. Ohne sie würde es an der Verbindung der Gläubiger zur Masse fehlen, da vorher allein der gegen den Staat als Inhaber des Vollstreckungsmonopols gerichtete Vollstreckungsanspruch besteht. In der Literatur wird eine Verbindung zwischen den Gläubigern und der Insolvenzmasse richtigerweise allgemein hergestellt. Doch der Begriff der Beschlagnahme, der sich in der InsO – ebenso wie in der ZPO – nicht findet,41 wird in den Publikationen zur Gesamtvollstreckung kaum verwendet. Es liegt an der oben dargestellten historischen Entwicklung, dass man nicht von Beschlagnahme und Befriedigungsrecht, sondern stattdessen vom „Insolvenzbeschlag“ und einer „haftungsrechtlichen Zuordnung“ der Masse an die Gläubiger spricht.42 Diese Ausdrucksweise ist als Beschreibung durchaus treffend, aber juristisch unpräzise. Durch die Passivkonstruktion wird nämlich übergangen, dass eine „haftungsrechtliche Zuordnung“ an die Gläubiger rechtlich nichts anderes bedeuten kann, als dass diese ein Recht auf Befriedigung aus dem Gegenstand haben.43 Dieser Inhalt ist mit dem Begriff ursprünglich auch 35 

Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht § 6 Rn. 1 ff., § 8 Rn. 9. Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 6 Rn. 10. 37  Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 48 Rn. 1. 38  Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 48 Rn. 2. 39  Zum Pfändungspfandrecht nach § 804 I ZPO: Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 45, 81. Zu §§ 20 I, 146 I ZVG (der Sonderfall der Zwangshypothek kann hier außer Betracht bleiben): Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 62 Rn. 15, 17, § 68 Rn. 14. 40  Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 48 Rn. 2. 41  Allerdings ist zu beachten, dass von einer „Beschlagnahme“ ausdrücklich nur in § 20 I ZVG gesprochen wird. 42  So insbesondere Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 1.15 und Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 4; ebenso: Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 5 ff.; Holzer, in: Kübler/Prütting/ Bork, InsO, § 35 Rn. 5; Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 22; Schilken, in: Jaeger, InsO, § 27 Rn. 35. 43  In die richtige Richtung geht Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 22: „Mit dem Übergang des Verwaltungs- und Verfügungsrechts auf den Verwalter nach § 80 Abs. 1 tritt die haftungs36 



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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gemeint, denn der Ausdruck geht zurück auf Wolfram Henckel, der dazu ausführt: „Die haftungsrechtliche Zuweisung ist eine dingliche Rechtsposition. Für die Konkursgläubiger wird sie mit der Konkurseröffnung als gemeinschaftliche Rechtsposition begründet.“44 Die Entstehung und die rechtliche Einordnung dieses Befriedigungsrechts werden im Folgenden aufgezeigt.

c)  Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Beschlagnahme und Begründung des Befriedigungsrechts Wie bereits erläutert, ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Zwangsvollstreckung bei der Geldvollstreckung eine Beschlagnahme erforderlich, die zu dem Befriedigungsrecht des Gläubigers an dem beschlagnahmten Gegenstand führt; dessen Verwertung dient wiederum dazu, das Befriedigungsrecht zu verwirklichen.45 Nun bleibt nachzuweisen, dass im Insolvenzverfahren eine solche Beschlagnahme der Masse stattfindet und dadurch ein Befriedigungsrecht begründet wird. Dabei ist die Beschlagnahme der Masse im Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu sehen.

rechtliche Zuweisung der Insolvenzmasse an die Gläubiger ein. Die damit verbundenen pfandähnlichen Rechte der Gesamtheit der Gläubiger werden mit dem Begriff des Insolvenzbeschlags umschrieben.“ 44  Henckel, FS Weber, S. 237, 252; dort wird auch ausdrücklich auf Berges, KTS 1957, 49 verwiesen, der oben schon für die Theorie vom Befriedigungsrecht genannt wurde. Häse­ meyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.05 folgt Henckel. 45 Insoweit unstreitig; ob allerdings die Wirksamkeit der weiteren Vollstreckungsmaßnahmen von jener der Beschlagnahme oder aber der des Befriedigungsrechts abhängen soll, ist im Einzelnen umstritten, vgl. Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 21, 90 und Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn. 27.6 ff. – Dieser Streit kann für die vorliegende Untersuchung offengelassen werden, da eine Verknüpfung zwischen dem weiteren Vollstreckungsverfahren und dem Befriedigungsrecht, auf die es später noch ankommen wird, schon darin besteht, dass die Verwertung und Verteilung jedenfalls auf die Verwirklichung des Befriedigungsrechts abzielt. Es sei aber darauf hingewiesen, dass die Situation im Insolvenzrecht dafür spricht, die Wertungen der für die Einzelvollstreckung herrschenden Meinung zu übertragen und die Wirksamkeit von Verwertungs- und Verteilungsmaßnahmen nur von der Wirksamkeit der Beschlagnahme abhängig zu machen (siehe zu dieser h. M. Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 21 und dort auch Fn. 42). Denn bei Verteilungen, die der Insolvenzverwalter ungerechtfertigterweise vornimmt, werden zwar Rückabwicklungsmöglichkeiten diskutiert (vgl. Schwab, in: MüKo BGB, § 812 Rn. 282 ff.), es wird aber grundsätzlich nicht die Wirksamkeit der entsprechenden Verwalterhandlung in Frage gestellt (eine Unwirksamkeit wird nur in Ausnahmefällen, und dann entsprechend den Grundsätzen über einen Missbrauch der Vertretungsmacht begründet, vgl. Ott/ Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 60 ff.).

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

aa)  Vollstreckungsanspruch als Grundlage Grundlage jeder Beschlagnahme ist der Vollstreckungsanspruch des Gläubigers. Die Beschlagnahme konkretisiert diesen gegen den Staat gerichteten Anspruch und bewirkt die rechtliche Verbindung des Gläubigers zum Vollstreckungsgegenstand, die in dem Befriedigungsrecht liegt.46 Der Vollstreckungsanspruch, den jeder Gläubiger besitzt, liegt auch dem Insolvenzverfahren zugrunde. Das drückt sich in dem Antragsrecht der Gläubiger nach § 13 I 2 InsO aus. Das Antragsrecht des Schuldners (§ 13 I 2 InsO) ändert daran nichts. Der Schuldner mag zwar unter Umständen ein eigenes Interesse an der Durchführung des Verfahrens haben. Doch selbst ein Schuldnerantrag kann hauptsächlich im Gläubigerinteresse erfolgen, nämlich dann, wenn er aufgrund der gläubigerschützenden Pflicht aus § 15a InsO erfolgt. Vor allem aber wird auch ein auf Antrag des Schuldners eröffnetes Insolvenzverfahren stets nach § 1 S. 1 InsO primär zur Verwirklichung des Vollstreckungsanspruchs der Gläubiger durchgeführt. Richtigerweise sind die Vollstreckungsansprüche der sämtlichen Gläubiger als die Grundlage der Beschlagnahme zu sehen und nicht nur derjenige des Antragstellers. Andernfalls würde bei einem auf Schuldnerantrag eröffneten Verfahren die Grundlage für die Beschlagnahme fehlen. Dass somit zugunsten der Gläubiger, die keinen Eröffnungsantrag gestellt haben, der Vollstreckungsanspruch von Amts wegen verwirklicht wird, ist gerade die Besonderheit des Insolvenzverfahrens, die als dessen Universalität bezeichnet wird.47

bb)  Verfügungsbeschränkung nach § 80 I InsO Allgemeine Folge der Beschlagnahme in der Geldvollstreckung ist eine Beschränkung der Verfügungsbefugnis48 des Schuldners über den beschlagnahmten Gegenstand.49 In der Einzelvollstreckung geschieht dies durch ein Verfügungsverbot. Im Insolvenzeröffnungsverfahren kann das Insolvenzgericht als vorläufige Maßnahme nach § 21 II Nr. 2 InsO „dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegen oder anordnen, daß Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.“ „Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ hingegen „geht das Recht des 46 

Siehe schon oben b. Insoweit lässt sich eine Verbindung zu der zeitweise im universellen gemeinrechtlichen Verfahren bestehenden Möglichkeit einer „vollständigen“ Verfahrenseröffnung von Amts wegen ziehen (vgl. dazu oben § 2 A III 2 a). 48  „Veräußerungsverbot“ in §§ 135, 136 BGB, § 23 I ZVG ist als „Verfügungsverbot“ zu lesen (allgemeine Meinung, vgl. Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 135 Rn. 1). 49  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 30, § 6 Rn. 10; Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 39. 47 



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über“ (§ 80 I InsO). Diese Regelung des § 80 I InsO könnte daran zweifeln lassen, ob hier tatsächlich von einer Beschlagnahme gesprochen werden kann. Bei einer Gesamtbetrachtung dieser Vorschriften und insbesondere angesichts des nach § 21 II Nr. 2 Var. 2 InsO möglichen „Verfügungsverbots mit Erlaubnisvorbehalt“, bei dem der Verwalter bereits involviert ist, zeigt sich jedoch, dass ein genuiner Unterschied zwischen Verfügungsverbot und Verlagerung der Verfügungsbefugnis auf den Verwalter nicht besteht. Die Grenzen sind fließend (vgl. § 21 II Nr. 2 InsO), in beiden Fällen wird aber durch einen hoheitlichen Eingriff dem Schuldner die Verfügungsmacht genommen. Die gegenüber §§ 135, 136 BGB weitergehende Regelung des § 80 I InsO rechtfertigt sich aus den Erfordernissen der Verwertung im Insolvenzverfahren und dem aufgrund der prekären Lage der Masse noch höher zu gewichtendem Gläubigerschutz. Im Kern handelt es sich aber um nichts anderes als die beschlagnahmetypische Verfügungsbeschränkung.50

cc)  Eröffnungsbeschluss als tauglicher Beschlagnahmeakt Für die Vornahme einer Beschlagnahme kommen unterschiedliche Vollstreckungsorgane51 in Betracht, die in jeweils unterschiedlichen Formen handeln. Es gibt hier keine allgemeinverbindlichen Regeln. Insoweit spricht nichts dagegen, dass das Insolvenzgericht als Vollstreckungsgericht durch Beschluss die Beschlagnahme der Masse vornimmt. Entgegenzutreten ist aber der Aussage, dass die Beschlagnahme nicht durch den Beschluss, sondern kraft Gesetzes eintrete.52 Ein ausdrücklicher Hinweis oder gar die Nennung des Worts „Beschlagnahme“ ist für den entsprechenden Hoheitsakt nicht erforderlich. Begriffsnotwendig setzt eine Beschlagnahme aber ein staatliches Handeln im Einzelfall voraus. § 80 I InsO kann daher die Folgen der Beschlagnahme beschreiben und festlegen, dass sie durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintreten, die Beschlagnahme im konkreten Fall liegt aber in dem gerichtlichen Eröffnungsbeschluss nach § 27 InsO. Die Beschlagnahme muss bestimmt sein und bekanntgemacht werden. Bedenken hinsichtlich der Bestimmtheit könnten sich daraus ergeben, dass §§ 35 I, 50  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 9.04 erkennt ebenfalls „eine deutliche Parallele zur Einzelzwangsvollstreckung, nur dass der Zwangszugriff intensiviert werden muss.“ 51  In der Einzelvollstreckung: Prozessgericht, Vollstreckungsgericht, Gerichtsvollzieher, Grundbuchamt und andere Registerbehörden (Becker-Eberhard, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 24 Rn. 1, § 30 Rn. 2). 52 So aber Schilken, in: Jaeger, InsO, § 27 Rn. 35: Die „Verhängung des Insolvenzbeschlags“ ist „nicht Inhalt, sondern Folge der beschlossenen Eröffnung“; „der Eintritt des Beschlags [erfolgt] unmittelbar kraft Gesetzes [...].“

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

80 I InsO nur vom Vermögen des Schuldners sprechen, und auch im Eröffnungsbeschluss nicht die einzelnen Vermögensgegenstände aufgeführt werden. Die zur Masse gehörenden Gegenstände sind aber jedenfalls bestimmbar, was insoweit genügt. Zweifel an der Publizität könnte man erheben, wenn man in entsprechender Anwendung der Regelungen in § 808 I, III 1 ZPO bei beweglichen Sachen eine Inbesitznahme oder Pfandsiegelanbringung für erforderlich hielte, gemäß § 829 I 1 ZPO bei Geldforderungen ein Zahlungsverbot und bei Grundstücken eine Eintragung ins Grundbuch. Aus den §§ 864, 865 ZPO, §§ 20 II, 22 ZVG, die eine Beschlagnahme beweglicher Sachen durch den Beschluss nach § 20 I ZVG vorsehen, lässt sich aber der Grundsatz ableiten, dass die Form der Beschlagnahme nicht durch das Vollstreckungsobjekt, sondern durch das Verfahren bestimmt wird. Der Eröffnungsbeschluss nach § 27 InsO ist daher als Publizitätsakt ausreichend für eine Beschlagnahme und die Entstehung eines Befriedigungsrechts. Aus dem Fehlen einer dem § 22 ZVG entsprechenden Regelung in der InsO ist zu schließen, dass diese Beschlagnahme unmittelbar durch den Beschluss über die Eröffnung bewirkt wird. Dazu passen die Dokumentationspflicht über den genauen Zeitpunkt der Eröffnung und dessen hilfsweise gesetzliche Fiktion (§ 27 II Nr. 3, III InsO), sowie die Pflicht zur sofortigen Bekanntmachung (§ 30 I InsO).

dd)  Vereinbarkeit mit der Rechtsstellung des Insolvenzverwalters Der Theorienstreit über die rechtliche Stellung des Verwalters ist für die obige Konstruktion der Beschlagnahme ohne Belang. Denn diese erfolgt, wenn auch zugunsten der Verwalterbefugnisse, so doch durch das Insolvenzgericht, an dessen Einordnung als staatliches Vollstreckungsorgan keine Zweifel bestehen. Folge der Beschlagnahme eines Gegenstands ist die Verstrickung, die als „staatliche Sicherstellung des Vollstreckungsobjektes“ definiert wird.53 Mit dieser Definition ist es ebenfalls vereinbar, dass dem Insolvenzverwalter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Masse und deren Verwertung zugewiesen wird, da nur die Sicherstellung staatlich sein muss, und diese bereits in der Zuweisung zu sehen ist. Auch insofern ist demnach der dogmatische Streit über den Verwalter ohne Belang. Dennoch soll zu diesem Streit kurz Stellung bezogen werden. Anschließend kann gezeigt werden, dass die richtigerweise zu bevorzugende „Amtstheorie“ in den hier gefundenen Ergebnissen weitere Unterstützung findet.

53 

Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 12, 14.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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aaa)  Stellungnahme zum Theorienstreit Nach den unterschiedlichen Theorien wird der Insolvenzverwalter als Vertreter der Gläubiger, des Schuldners oder der Masse angesehen, oder er soll „neutral“ handeln; herrschend ist die sog. Amtstheorie, die Rechte und Pflichten des Verwalters aus seiner Amtsstellung herleitet und nach welcher er über die Masse im eigenen Namen mit Wirkung für den Schuldner verfügt.54 Die Theorie vom neutralen Handeln ist nicht haltbar, weil gemäß § 164 II BGB eine Willenserklärung immer entweder im eigenen oder im fremden Namen abgegeben werden muss.55 Auch gegen die Vertretertheorien werden überzeugende Argumente vorgebracht. Der Verwalter ist nach § 60 InsO allen Beteiligten verpflichtet, was gegen eine Vertretung nur der Gläubiger spricht.56 Die Annahme einer Stellvertretung des Schuldners passt nicht zu den gesetzlichen Befugnissen des Verwalters, weil sowohl eine verdrängende als auch eine objektbezogene Vertretungsmacht dem deutschen Zivilrecht fremd sind.57 Eine Vertretung der Masse ist schon dadurch ausgeschlossen, dass diese kein Rechtssubjekt ist.58 Insgesamt spricht gegen die Stellvertretung, dass in der InsO Befugnisse des Verwalters geregelt sind, die die angeblich Vertretenen selbst nicht haben.59 Man muss daher feststellen, dass der Insolvenzverwalter zwar die Interessen der Beteiligten „vertritt“, das heißt bei seiner Tätigkeit berücksichtigen muss, aber kein Stellvertreter im Rechtssinn ist. Für die Amtstheorie spricht, dass sie die Regelungen der InsO stimmig erklären kann. Da es ohnehin nicht Aufgabe einer begrifflichen Beschreibung der Verwalterstellung sein kann, allein daraus die Entscheidung von Zweifelsfragen abzuleiten, ist es kein Mangel, dass die Amtstheorie sich nur auf die gesetzlichen Einzelvorschriften konzentriert und diese näher erfassen möchte.60 Vom Gesetzgeber wurde die Amtstheorie in § 116 Nr. 1 ZPO anerkannt.61 Aufgrund dieser Argumente ist mit der herrschenden Meinung der Amtstheorie zu folgen.

bbb)  Konsequenz aus der Konstruktion: Öffentlich-rechtliches Verwalterhandeln als weiteres Argument für die Amtstheorie Die Amtstheorie kann durch die bislang gewonnenen Ergebnisse unterstützt werden. Dabei ist zu betonen, dass diese nur anhand der allgemeinen Grund54 Ausführlich mit Nachweisen: Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 13 ff.; Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 20 ff. 55  Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 34. 56  Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 13. 57  Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 34. 58  Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 34; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 17. 59  Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 34. 60  Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 35; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 11, 15. 61  Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 15.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

sätze und ohne die Prämisse einer bestimmten Rechtsstellung des Verwalters entwickelt wurden. Aus der so begründeten Verstrickung der Masse folgt aber, dass das Verwalterhandeln in zwei Fällen öffentlich-rechtlicher Natur sein muss, was nur mit der Amtstheorie zu erklären ist.

(1)  Grundsätzliche Fähigkeit des Insolvenzverwalters zu hoheitlichem Handeln Zwar ist völlig unstreitig, dass der Insolvenzverwalter kein Beamter ist, und dass seine Handlungen im Allgemeinen privatrechtlicher Natur sind.62 Der „privatrechtliche Charakter des Amtes des Insolvenzverwalters“63 soll hier auch nicht in Frage gestellt werden. Es ist aber die Qualität des Insolvenzverfahrens als ein staatliches Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen. Diese spricht zwar nicht dagegen, dass sich weite Teile desselben im Bereich des materiellen Zivilrechts bewegen,64 aufgrund des im Rechtsstaat notwendigen Vollstreckungsmonopols des Staates spielen aber zwingend auch öffentlichrechtliche Aspekte eine Rolle. Es ist daher anerkannt, dass die Frage, ob der Insolvenzverwalter als Träger eines öffentlichen Amtes agiert, jeweils im Einzelfall zu entscheiden ist.65 Nach der KO handelte der Verwalter hoheitlich bei der Ladung des Schuldners zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung (§ 125 KO); diese Regelung wurde in die InsO nicht übernommen.66 Nach § 8 III InsO kann der Insolvenzverwalter aber vom Insolvenzgericht mit Zustellungen beauftragt werden, die er selbst als Amtszustellungen vornimmt.67 Das beweist, dass der Insolvenzverwalter hoheitlich handeln kann und widerlegt somit die Theorie, der Insolvenzverwalter sei ein Stellvertreter der Gläubiger oder des Schuldners, der seine Rechte unmittelbar von diesen ableitet. Die Amtstheorie hingegen ist damit vereinbar, da einzelne hoheitliche Befugnisse auch auf Private, hier den Inhaber eines „privaten Amts“ übertragen werden können. In Form der „Beleihung“ ist die Möglichkeit einer solchen Übertragung anerkannt und verfassungsrechtlich unbedenklich, solange es sich nicht um eine ständige Übertragung handelt.68 Im Hinblick auf den Insolvenzverwalter, der vom Gericht für das jeweilige Verfahren speziell ausgewählt und bestellt wird (§ 56 I InsO) und dort nur begrenzte hoheitliche Befugnisse hat, ergeben sich insoweit keine Bedenken.69 62  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 56 Rn. 9 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 11 ff., insb. Rn. 19 und 21 ff. 63  Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 19. 64  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 28. 65  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 56 Rn. 13. 66  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 56 Rn. 12. 67  Sabel, ZIP 1999, 305, 307; Ganter/Lohmann, in: MüKo InsO, § 8 Rn. 32. 68  Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 57. 69 Anders liegen die Dinge hingegen bei den Gerichtsvollziehern; gegen die Möglich-



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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Die wesentlichen Merkmale70 einer Beleihung sind insoweit beim Insolvenzverwalter erfüllt: Ihm werden seine Aufgaben durch Hoheitsakt übertragen und er handelt in Erfüllung staatlicher Aufgaben, bleibt aber Privatrechtssubjekt. Daneben und für den weit überwiegenden Teil seiner Aufgaben bleibt es allerdings bei rein privatrechtlichem Handeln des Verwalters. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass in der Bestellung des Verwalters nur ein öffentlichrechtlicher71 Auftrag liegt, der die zivilrechtliche Natur des Verwalterhandelns unberührt lässt.72 Im Einzelfall ist also zu unterscheiden, ob der Insolvenzverwalter hoheitliche Befugnisse als Beliehener ausübt, oder ob er kraft öffentlich-rechtlichen Auftrags privatrechtlich handelt.

(2)  Aufhebung der Verstrickung als Hoheitsakt bei Freigabe und Verteilung Oben wurde gezeigt, dass die Insolvenzmasse in Form des „Insolvenzbeschlags“ der öffentlich-rechtlichen Verstrickung unterliegt. Der Insolvenzverwalter ist jedoch zur Freigabe73 von Massegegenständen und zu Verteilungen74 an die Gläubiger befugt; in beiden Fällen wird die Verstrickung der damit aus der Masse fallenden Gegenstände unmittelbar durch das Handeln des Verwalters aufgehoben. Die Aufhebung der staatlichen Verstrickung ist aber nicht Sache der Parteien, sie ist den Vollstreckungsorganen vorbehalten.75 Als actus contrarius zur Beschlagnahme muss die Aufhebung der Verstrickung ebenfalls durch Hoheitsakt erfolgen.76 Für die Freigabe wird in § 35 II 3 InsO besonders deutlich, dass sie das Gegenstück zur gerichtlichen Beschlagnahme im Eröffnungsbeschluss darstellt: Die durch den Eröffnungsbeschluss bewirkte Verstrickung wird durch die Freigabeerklärung des Verwalters nach § 35 II 1 InsO aufgehoben, das Gericht kann jedoch durch die sog. „An-

keit einer Beleihung bei diesen siehe Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 20 ff. 70 Dazu Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rn. 56 ff. 71 Der öffentlich-rechtliche Charakter zeigt sich auch darin, dass ein nach § 57 InsO Gewählter erst mit der Bestellung durch das Insolvenzgericht in die Verwalterstellung eintritt (siehe Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 57 Rn. 13). 72  Die Möglichkeit einer privatrechtlichen Verwertung kraft öffentlich-rechtlichen Auftrags ist auch in der Einzelvollstreckung anerkannt, siehe dazu die Ausführungen und Nachweise bei Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 53 Rn. 36, 48 zu den §§ 817a, 821, 825 II ZPO. 73  Zur Möglichkeit der Freigabe siehe §§ 33 III 1, 35 II 1 InsO und Ott/Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 65. 74  Nach § 187 II 1 InsO werden die Verteilungen vom Insolvenzverwalter vorgenommen. 75  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 12. 76 Dieser Grundsatz ist in der Einzelvollstreckung richtigerweise ebenfalls anerkannt, siehe Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 36.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

ordnung der Unwirksamkeit“ nach § 35 II 3 InsO eine neue Beschlagnahme77 durchführen. Da der Insolvenzverwalter gem. § 80 I InsO kraft Amtes privatrechtlich über die Masse verfügt, bleibt es dabei, dass die Freigabe und Erlösverteilung als solche durch Privatrechtsgeschäfte erfolgen. Mit ihnen ist aber jeweils eine hoheitliche Aufhebung der Verstrickung verbunden. Letzteres stellt somit einen weiteren Fall von öffentlich-rechtlichem Handeln des Insolvenzverwalters dar und spricht somit für die schon oben als richtig erkannte Amtstheorie.

ccc) Zusammenfassung Die Theorie, dass der Eröffnungsbeschluss eine Beschlagnahme der Masse darstellt und zu deren Verstrickung führt, ist mit der Rolle des Insolvenzverwalters im Verfahren vereinbar. Sie liefert zudem ein Argument für die herrschende und richtige Amtstheorie, indem sie in der Aufhebung der Verstrickung bei Freigaben und Verteilungen eine weitere Kategorie hoheitlichen Handelns des Insolvenzverwalters aufzeigt.

ee)  Anwendbarkeit des § 136 StGB kein Gegenargument Nach der hier vertretenen Ansicht ist eine Strafbarkeit nach § 136 I StGB möglich, wenn im Sinn der Vorschrift Massegegenstände der Verwertung im Insolvenzverfahren entzogen werden. Dieses Ergebnis entspricht der herrschenden Meinung in der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur78 und stellt kein Gegenargument gegen die vorgebrachte These dar. Im Gegenteil verdient auch das Insolvenzverfahren als staatliches Zwangsvollstreckungsverfahren den entsprechenden strafrechtlichen Schutz.

ff) Ergebnis Der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Beschlagnahme der Insolvenzmasse. Nach den Grundsätzen der Zwangsvollstreckung entsteht mit dieser Beschlagnahme ein Recht auf Befriedigung aus den beschlagnahmten Gegenständen.

77  Trotz des Wortlauts spricht für diese Deutung als neue Beschlagnahme, dass die „Unwirksamkeitsanordnung“ nur ex nunc wirkt (dazu: Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 47). 78  Hohmann, in: MüKo StGB, § 136 Rn. 7; Fischer, StGB, § 136 Rn. 5, jeweils mit Nachweisen. A. A. hingegen Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 56 Rn. 17.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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d)  Rechtsnatur des Befriedigungsrechts Es bleibt zu klären, ob das insolvenzrechtliche Befriedigungsrecht ein dingliches oder ein persönliches Recht ist. Das Pfändungspfandrecht nach § 804 ZPO ist – zumindest nach der herrschenden Meinung, die es auch privatrechtlich einordnet79 – ein dingliches, das durch die Beschlagnahme nach § 20 I ZVG begründete Recht auf Befriedigung hingegen ein persönliches.80 Das insolvenzrechtliche Befriedigungsrecht ist aus denselben Gründen, die vom RG zum Befriedigungsrecht im ZVG-Verfahren erkannt wurden, nicht als dingliches Recht einzuordnen: Indem die Beschlagnahme bei Mobilien ohne Besitzergreifung oder Kenntlichmachung und bei Immobilien ohne Eintragung im Grundbuch erfolgt, fehlt es an den allgemeinen Erfordernissen zur Begründung von dinglichen Pfandrechten.81 Ein Wille des Gesetzgebers, von diesen allgemeinen Erfordernissen abzuweichen, ist aber nicht ersichtlich,82 sodass im Ergebnis von einem persönlichen Recht auszugehen ist. Das Befriedigungsrecht ist außerdem akzessorisch83 zu den im Insolvenzverfahren zu befriedigenden Ansprüchen. Es ist der Höhe nach auf die Summe der gegen den Schuldner gerichteten Forderungen beschränkt. Gesetzlichen Ausdruck findet die Akzessorietät in der Bestimmung des § 199 S. 1 InsO, dass ein Masseüberschuss nicht an die Gläubiger verteilt wird, sowie in dem Gesamtsystem der Regelungen über die Gläubiger, in dem stets deren Forderungen als Bezugspunkt dienen. Schließlich bildet des Befriedigungsrecht den Rechtsgrund für die Verwertung der Masse und deren Verteilung an die Gläubiger.

e)  Verhältnis des Befriedigungsrechts zu den oben genannten Verfahrensrechten Das Verhältnis des Befriedigungsrechts zu den oben erörterten Befugnissen „der Gläubigerversammlung“ ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der letzteren. Die Erfassung des gesamten Schuldnervermögens sowie die prekäre wirtschaftliche Situation der Haftungsmasse machen es erforderlich, dass im Insolvenzverfahren bei der Verwertung von einer strengen Formalisierung, wie sie in der Einzelvollstreckung herrscht, abgewichen und ein Raum für wirtschaftliche Entscheidungen eröffnet wird. Die genannten Befugnisse sollen den 79 

Dazu umfassend: Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 45 ff. Böttcher, ZVG, §§ 20, 21, Rn. 4; Fischinger, in: Löhnig, ZVG, § 20 Rn. 6, jeweils mit Verweis auf RGZ 19, 295, 299 ff. 81  Argument in RGZ 19, 295, 302 f. 82  Argument in RGZ 19, 295, 303. 83  Die Akzessorietät des Pfändungspfandrechts ist von der h. M. anerkannt, siehe Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 50 Rn. 76. Für das Recht auf Befriedigung im ZVG-Verfahren kann nichts anderes gelten. 80 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Gläubigern solche wirtschaftlichen Entscheidungen und eine Überwachung der Wirtschaftlichkeit des Verfahrens ermöglichen.84

aa)  Gläubigerrechte in der Vollstreckung als Ausprägung eines allgemeinen Effizienzgebots In der Einzelvollstreckung besitzt der Gläubiger keine den Befugnissen im Insolvenzverfahren entsprechenden Möglichkeiten, die Vollstreckungsorgane zu bestimmten Verwertungshandlungen zu verpflichten. Nach §§ 825, 844 ZPO, § 65 ZVG sind jedoch Anträge auf ein vom Regelverfahren abweichendes Vorgehen zulässig, dem das Vollstreckungsorgan nach pflichtgemäßem Ermessen folgen kann oder nicht. Diese Regelungen dienen ebenfalls einer effektiven Verwertung85 und sind damit das Gegenstück zu den Gläubigerbefugnissen in der Gesamtvollstreckung. Allgemein lassen sich solche Befugnisse auf ein vollstreckungsrechtliches Effizienzgebot stützen. Der „Grundsatz effektiver Verwertung“ ist in einigen Regelungen zur Einzelzwangsvollstreckung erkennbar, und er hat seinen Ursprung nicht nur im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und einer Schonung des Schuldners.86 Vielmehr dient eine wirtschaftliche Vollstreckung auch den Gläubigerinteressen, und das nicht nur im Insolvenzverfahren. Besonders deutlich wird dies bei einer Vollstreckung aus dinglichen Sicherungsrechten, wenn der Schuldner dem Gläubiger nicht persönlich haftet, denn eine Verringerung des Erlöses kann in diesem Fall einen unwiederbringlichen Schaden für den Gläubiger bedeuten. Aber auch in anderen Fällen der Einzelvollstreckung liegt die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens im Interesse des Gläubigers, da jede Verfahrensverzögerung durch eine zunächst unzureichende Befriedigung einen wirtschaftlichen Verlust bedeuten kann. Das Interesse des Gläubigers an einer wirtschaftlichen Verwertung wird daher zurecht in dessen Antragsrechten nach §§ 825, 844 ZPO, § 65 ZVG anerkannt. Die Befugnisse der Gläubiger im Vollstreckungsverfahren dienen also stets einer effektiven Verwertung. Wenn die Verwertung effektiv ist, bedeutet dies ein insgesamt effizientes Verfahren, und man kann daher von einem allgemeinen Effizienzgebot sprechen.

bb)  Akzessorietät des Befriedigungsrechts als Grund für das Effizienzgebot Die rechtliche Grundlage für das Prinzip der effektiven Verwertung liegt in dem vollstreckungsrechtlichen Befriedigungsrecht. Dieses ist akzessorisch zu der 84 

Pape, ZIP 1990, 1251, 1253 ff. Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 80. 86  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 79 f. 85 



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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gegen den Schuldner gerichteten Forderung und insoweit zweckgebunden. Diese Zweckbindung gebietet eine effiziente Verwirklichung des Befriedigungsrechts. Ob das Gebot der Effizienz sich in einer Beschränkung oder einer Erweiterung des Verwertungsrechts eines Gläubigers niederschlägt, hängt von der konkreten Situation und Interessenlage ab. Einerseits weist schon im materiellen Recht § 1230 S. 2 BGB einen gut abgesicherten Gläubiger in seine durch die Akzessorietät des Pfandrechts begründeten Schranken.87 Hier wirkt sich das Effizienzgebot in einem Recht des Schuldners aus. Demgegenüber sind im hier interessierenden Fall der Gesamtvollstreckung die Gläubiger mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen ausgestattet. Dies lässt sich damit erklären, dass regelmäßig das Befriedigungsrecht eine viel höhere Summe umfasst als den Wert des Schuldnervermögens und somit besonders die Gläubiger an der Effizienz des Verfahrens interessiert sind.

cc) Ergebnis Die Befugnisse der Gläubiger im Insolvenzverfahren leiten sich aus dem vollstreckungsrechtlichen Effizienzgebot ab, das seinerseits durch die Akzessorietät des Befriedigungsrechts begründet wird. Damit bildet im Ergebnis das Befriedigungsrecht die Grundlage für die Entscheidungsbefugnisse der Gläubiger.

f) Zusammenfassung Das Insolvenzverfahren ist ein Verfahren der Geldvollstreckung und regelt daher eine Beschlagnahme88 bestimmter Vermögensgegenstände des Schuldners; diese liegt im Eröffnungsbeschluss. Folge der Beschlagnahme ist ein Recht auf Befriedigung aus der Masse. Dieses insolvenzrechtliche Befriedigungsrecht stellt kein dingliches Recht an der Masse dar, sondern ein persönliches Recht. Es ist akzessorisch zu den Forderungen der Gläubiger und bildet die Grundlage für deren Entscheidungsbefugnisse im Insolvenzverfahren; die gesamte Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse dient der Verwirklichung dieses Rechts. 87 Von dieser Seite und mit ebendiesem Beispiel stellen auch Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 80 und Jauernig/Berger, Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht, § 1 Rn. 44 die Verbindung zur Akzessorietät her. 88  Zugunsten wissenschaftlicher Genauigkeit sollte insofern nicht nur vom „Insolvenzbeschlag“ oder einer „haftungsrechtlichen Zuordnung“ der Masse gesprochen werden. Stattdessen ist durch den Begriff der „Beschlagnahme“ der Bezug zu den allgemeinen Lehren der Zwangsvollstreckung herzustellen. Denn auch wenn diese in ihrer Form und ihren Wirkungen von den Normen des jeweiligen Vollstreckungsverfahrens bestimmt wird, bleibt der Oberbegriff anwendbar und sollte verwendet werden, um so das Bewusstsein für mögliche weitere Parallelen zu schärfen.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

3.  Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger am Befriedigungsrecht Dem Ergebnis der Untersuchung zu den einzelnen Verfahrensrechten der Gläubiger entspricht es, auch das Recht auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse den sämtlichen Gläubigern als Bruchteilsgemeinschaft zuzuerkennen. Alternativ müsste man davon ausgehen, dass jeder Gläubiger ein eigenes Recht auf Befriedigung hat, das in Konkurrenz zu den anderen Befriedigungsrechten steht. Im Gegensatz zu den Entscheidungsbefugnissen der Gläubiger würde die Einheitlichkeit des Verfahrens ein Recht jedes einzelnen Gläubigers zwar nicht grundsätzlich ausschließen; doch eine stimmige Erklärung für die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens liefert nur ein gemeinschaftliches Befriedigungsrecht.

a)  Unterschiede zwischen Einzel- und Gesamtvollstreckung Ein Vergleich mit der Einzelvollstreckung zeigt, dass die typischen Folgen einer Kollision von Befriedigungsrechten im Insolvenzverfahren nicht auftreten. Das Zusammentreffen mehrerer Rechte, die sich auf dieselbe Haftungsmasse beziehen, führt grundsätzlich nicht zu einer Verbindung unter den Rechtsinhabern. Materielle Forderungsrechte können einander nicht wechselseitig beschränken.89 Bei dinglichen Rechten gibt es eine Rangfolge, die jedoch nur bestimmt, in welcher Reihenfolge die Einzelansprüche zu bedienen sind. In der Einzelvollstreckung wird das Zusammentreffen mehrerer Befriedigungsrechte speziell geregelt, hier gilt ebenfalls eine Rangordnung (§§ 10 ff. ZVG, §§ 804 III, 827, 872 ff. ZPO). Die getrennten Rechtspositionen der Verfahrensbeteiligten spiegeln sich darin, dass jeder Gläubiger eigene Anträge stellen oder zurücknehmen kann, und dass für die Vollstreckungsorgane verbindliche Entscheidungen über die Abweichung vom Regelverfahren nur durch eine Einigung aller Beteiligten getroffen werden können (§ 143 ZVG). Mehrheitsentscheidungen finden hingegen nicht statt. Würden im Insolvenzverfahren mehrere Befriedigungsrechte der einzelnen Gläubiger miteinander kollidieren, wäre demnach zu erwarten, dass jeder Gläubiger von den anderen Gläubigern unabhängige Verfahrensrechte hätte, und dass eine Rangfolge festgelegt würde. Bei den verfahrensleitenden Entscheidungen der Gläubiger kommt jedoch das Mehrheitsprinzip zur Anwendung. Außerdem gibt es keine durch das Prioritätsprinzip bestimmte „Rangfolge“, sondern es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger.90 Es bestehen somit im Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz und dem Mehrheitsprinzip wesentliche 89 

So zutreffend Berges, KTS 1957, 49, 52. Eine Rangfolge findet sich nur in § 39 InsO, der die „nachrangigen Insolvenzgläubiger“ behandelt. Insgesamt ist aber das Regelungskonzept der §§ 38–55 InsO mit der Rangordnung in § 804 II, III ZPO und §§ 10–12 ZVG nicht vergleichbar. 90 



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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Unterschiede gegenüber den bei Rechtskollisionen typischerweise auftretenden Folgen.

b)  Erklärung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes mit der Bruchteilsgemeinschaft Über die dogmatische Herleitung des Gleichbehandlungsprinzips herrscht Streit.91 Überwiegend wird der Grundsatz der par conditio creditorum auf Art. 3 I GG gestützt und damit als besonderes Willkürverbot für den Erlass oder die Anwendung insolvenzrechtlicher Regelungen verstanden.92 Eine solche Anwendung von Art. 3 I GG ist zweifellos richtig.93 Es ist aber weiterzusuchen, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht auch eine einfachgesetzliche Ausprägung erfahren hat.94 Insoweit ist insbesondere das von Ludwig Häsemeyer entwickelte Haftungsmodell zu nennen. Häsemeyer knüpft an die Beziehungen der Gläubiger mit dem Schuldner im Rechts- und Wirtschaftsverkehr an, die in ihrer Gesamtheit zu der Insolvenz geführt haben, und folgert daraus: „Dementsprechend haften die Gläubiger einander wechselseitig mit ihren Forderungen für den Ausgleich ihres Einflusses auf das Schuldnervermögen.“95 Nach diesem Erklärungsansatz soll die „wechselseitige Beschränkung“ der Forderungen allgemeinen Grundsätzen der Haftung entsprechen. Das stimmt aber nicht, denn eine Haftung gegenüber Dritten ergibt sich aufgrund der Relativität der Schuldverhältnisse nicht,96 und Verträge mit den anderen Gläubigern liegen nicht vor.97 Als Grund der Haftung bleibt somit nur eine Deliktshaftung, jedoch steht die Teilnahme am Wirtschaftsleben nicht im Widerspruch zur Rechtsordnung. Darüberhinaus versagt Häsemeyers Haftungsmodell völlig im Hinblick auf die Deliktsgläubi91  Einen Überblick bieten Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 50 ff. und Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 193 ff. 92  So insb. Baur/Stürner, Insolvenzrecht, Rn. 5.37; Stürner, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 62; zu weiteren Nachweisen siehe Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 53 f. 93  Zustimmend auch Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 60. 94 Nach der einfachgesetzlichen Verankerung des Gleichbehandlungsgebots muss sich ebenfalls fragen lassen, wer dieses als „Gebot des Sozialen Friedens“ oder der „Billigkeit“ ansieht (siehe zu solchen Überlegungen die Nachweise bei Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 193 ff.). 95  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 2.33. 96  So auch die zutreffende Kritik von Berger, ZZP 2008, 407, 413 f. 97 Eine solche „Vorausvereinbarung“ unter sämtlichen Gläubigern als zusätzliches Argument neben dem Haftungsmodell von Häsemeyer und verfassungsrechtlichen Erwägungen nimmt hingegen Bauer, Ungleichbehandlung, S. 70 an. Die Konstruktion eines entsprechenden Vertrages kann jedoch nicht gelingen, denn die dazu nötige Annahme von Bevollmächtigungen und Vertretungen wäre lebensfremd und widerspräche damit §§ 133, 157 BGB. – Insgesamt kann die Konstruktion einer von allen Gläubigern selbst, privatautonom begründeten Bindung an das Gleichbehandlungsprinzip nicht gelingen, vgl. Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 201 ff.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

ger, denen ihre Forderungen gegen den Insolvenzschuldner ohne eigenes Zutun aufgedrängt wurden, indem sie eine Verletzung ihrer eigenen Rechte erleiden mussten.98 Das Haftungsmodell ist daher abzulehnen.99 Hingegen lässt sich der Gleichbehandlungsgrundsatz durch eine Bruchteilsgemeinschaft am Befriedigungsrecht einfachgesetzlich erklären.100 Denn im Recht der Bruchteilsgemeinschaft ist dieses Prinzip allgemein anerkannt.101 – Peter Windel meint dagegen, obwohl er die Theorie einer Bruchteilsgemeinschaft an einem insolvenzrechtlichen „Beschlagsrecht“ nicht ablehnt, dass „der Gleichbehandlungsgrundsatz die Zuweisung eines gemeinschaftlichen Beschlagsrechts überhaupt erst ermöglicht, nicht umgekehrt durch dieses Beschlagsrecht legitimiert werden kann.“102 Das ist jedoch falsch. Der Gesetzgeber darf grundsätzlich frei über die Entstehung eines gemeinschaftlichen Rechts entscheiden, die Grenze bildet lediglich die Verfassung. In der Zwangsvollstreckung sind insbesondere die Grundrechte der Art. 3 I, 14 I und 19 IV GG sowie der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu berücksichtigen. Die Schaffung eines gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts und eine nähere Ausgestaltung der Bruchteilsgemeinschaft sind aber gerade geeignet, eine verfassungskonforme Regelung zu treffen, denn die gesetzliche Verbindung der Gläubiger in einer Bruchteilsgemeinschaft setzt eben das Gleichbehandlungsprinzip in Geltung.103

c)  Anwendbarkeit des Mehrheitsprinzips Dass es sich bei den Mitwirkungsrechten der Gläubiger im Verfahren um gemeinschaftliche Rechte handelt, wurde bereits gezeigt. Hierbei ist insbesondere das Mehrheitsprinzip ein schlagendes Argument. Da die entsprechenden Befugnisse ihre rechtliche Grundlage im Befriedigungsrecht haben, lässt sich hieraus schließen, dass auch das Befriedigungsrecht ein gemeinschaftliches sein muss, denn aufgrund der Zusammengehörigkeit dieser Rechte wäre es atypisch, wenn 98  So der zutreffende Hinweis von Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 198. 99  Unter Nennung weiterer Schwächen der Theorie lehnt diese auch Berger, ZZP 2008, 407, 414 ab. 100  Richtig erkannt hat dies Berges, KTS 1957, 49, 52. Soweit eine Interessen- oder sonstige Gemeinschaft eigener Art angenommen und das Gleichbehandlungsprinzip aus der Bruchteilsgemeinschaft auf diese übertragen wird (siehe hierzu insbesondere Weidmüller, Rückschlagsperre, S. 52), ist darauf nicht mehr einzugehen, da eine entsprechende Qualifizierung der Gläubigergemeinschaft bereits oben abgelehnt wurde. 101  Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 36. 102  Windel, JURA 2002, 230, 232. 103  Des Rückgriffs auf ein „materiell-rechtliches Auffangprinzip“, das „greift […] wenn eine andere Verteilung privatrechtlich nicht angezeigt ist“ (so Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 208) bedarf es demnach nicht mehr: Ein „Auffangprinzip“ muss hier nicht greifen, weil bereits durch die Anordnung der Bruchteilsgemeinschaft die Gleichbehandlung als Grundsatz festgelegt ist.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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ein vollständiges Befriedigungsrecht nur einen Bruchteil an den Mitbestimmungsrechten begründen würde. Zudem ist das Mehrheitsprinzip nicht für die einzelnen Mitwirkungsrechte besonders, sondern als allgemeiner Grundsatz in § 76 II InsO niedergelegt. Eine sinnvolle Erklärung hierfür bieten das gemeinschaftliche Befriedigungsrecht und die dadurch begründete Bruchteilsgemeinschaft: Ebenso wie sich die einzelnen Verfahrensbefugnisse aus dem Befriedigungsrecht ableiten, folgt die allgemeine Geltung des Mehrheitsprinzips aus der bestehenden Bruchteilsgemeinschaft. Denn das Mehrheitsprinzip wird deshalb erforderlich, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz eine eigenständige Verwaltungs- und Verfügungsmacht eines jeden Teilhabers verbietet;104 wenn mithin gemeinsam gehandelt werden muss, besteht damit ein tatsächliches Bedürfnis nach Mehrheitsentscheidungen, um die notwendige Handlungsfähigkeit rechtlich zu ermöglichen.

d)  Möglichkeit der Aufteilung des Befriedigungsrechts in Bruchteile Da es sich bei dem Befriedigungsrecht nicht um ein dingliches Recht handelt, gilt nicht der Spezialitätsgrundsatz.105 Daher gibt es nicht mehrere Befriedigungsrechte an den einzelnen Gegenständen, die in Bruchteile zu zerlegen wären, sondern nur ein einziges Befriedigungsrecht, das sich durch seinen Inhalt auf sämtliche Massegegenstände bezieht, und an dem die Gläubiger beteiligt sind. Die Bruchteile der einzelnen Gläubiger bemessen sich nach der Höhe ihrer Forderungen. Wenn die Masse nicht zur vollen Befriedigung sämtlicher Gläubiger ausreicht, ergibt sich daraus eine entsprechend geringere Quote.

e)  Vereinbarkeit der Bruchteilsgemeinschaft mit Differenzierungen bei der Erlösverteilung Weder der Gleichbehandlungsgrundsatz noch die allgemeinen Bestimmungen über die Bruchteilsgemeinschaft stehen Sonderregelungen für einzelne Anteile bezüglich der Erlösverteilung entgegen. Dies soll durch die Untersuchung eines Beispiels verdeutlicht werden: Welche Gläubiger zu den Mitgliedern der Bruchteilsgemeinschaft zählen, wird unten noch im Einzelnen analysiert, es liegt aber auf der Hand, dass die Insolvenzgläubiger hier einzubeziehen sind. Wie ist es nun mit dem Wesen der Bruchteilsgemeinschaft vereinbar, dass nach § 39 InsO bestimmte Insolvenzforderungen nachrangig zu befriedigen sind? Hierfür ist zunächst festzustellen, dass das Befriedigungsrecht unmittelbar darauf gerichtet ist, dass ein Geldbetrag aus der Masse an den Gläubiger 104 Vgl.

Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 36. Geltung der sachenrechtlichen Grundsätze bei dinglichen Rechten siehe Baur/ Stürner, Sachenrecht, § 60 Rn. 1 ff. 105 Zur

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

gezahlt wird. Folglich ist diese Zahlung ein Ertrag des Befriedigungsrechts und als dessen unmittelbare Rechtsfrucht (§ 99 II BGB)106 zu qualifizieren. Für die Verteilung der Früchte in der Bruchteilsgemeinschaft ordnet § 743 I BGB an, dass jedem Teilhaber ein seinem Bruchteil entsprechender Anteil zusteht. Damit ergibt sich grundsätzlich für jeden Gläubiger ein Anteil, welcher der Höhe seiner Forderung bzw. bei unzureichender Masse einer danach berechneten Quote entspricht. § 39 InsO bestimmt aber, dass die dort genannten Gläubiger nur dann eine Befriedigung erhalten, wenn die Insolvenzgläubiger voll befriedigt wurden, und bringt diese nachrangigen Insolvenzgläubiger selbst noch einmal in eine Rangfolge. In § 39 InsO liegt somit eine Abweichung von § 743 I BGB. Das bedeutet jedoch keinen Widerspruch zum Wesen der Bruchteilsgemeinschaft; auf die Möglichkeit gesetzlicher Sonderregelungen, die von §§ 742 ff. BGB abweichen, verweist vielmehr § 741 BGB selbst ausdrücklich. Zum Wesenskern der Bruchteilsgemeinschaft ist § 743 I InsO hingegen keinesfalls zu rechnen, da dieser mit Zustimmung des betroffenen Teilhabers sogar durch Vereinbarung abbedungen werden kann.107 Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz stellt die Unterscheidung der Anteile hinsichtlich der Beteiligung an den Früchten ebensowenig dar. Zwar liegt den Nummern 1–5 in § 39 I InsO kein einheitliches System zugrunde,108 doch es lassen sich sachliche Begründungen für eine Differenzierung109 in jedem Einzelfall finden:110 Die ersten beiden Nummern führen den in § 38 InsO begründeten Gedanken fort, dass Gläubiger von Forderungen, die nach Insolvenzeröffnung entstehen, ohne Masseverbindlichkeiten zu sein, weniger schutzwürdig sind. Für die Nummer 3 lässt sich argumentieren, dass die darin genannten Sanktionen andernfalls nicht den Schuldner, sondern nur die anderen Gläubiger treffen würden. Nummer 4 entspricht dem allgemeinen Rechtsprinzip eines geringeren Schutzes unentgeltlichen Erwerbs. Und die Regelung der Nummer 5 ist schließlich mit der Schuldnernähe des Gesellschafters zu rechtfertigen. An dem Beispiel des § 39 InsO konnte somit gezeigt werden, dass eine Differenzierung bei der Masseverteilung zwar von § 743 I BGB abweicht, dies jedoch mit der Annahme eines gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts in Einklang zu bringen ist. 106 

Zur Definition siehe Stresemann, in: MüKo BGB, § 99 Rn. 8. Schmidt, in: MüKo BGB, § 743 Rn. 8. 108  Schmidt/Herchen, in: Schmidt, InsO, § 39 Rn. 1; Ehricke, in: MüKo InsO, § 39 Rn. 2. 109  Differenzierungen sind durch den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht ausgeschlossen, sondern geboten (Baur, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 62; Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 40 ff.; vgl. außerdem schon oben § 3 D II 3 b bb ddd). 110  Siehe dazu Ehricke, in: MüKo InsO, § 39 Rn. 2, dessen Erklärungen hier im Grundsatz übernommen, aber teilweise konkreter formuliert werden. 107 Siehe



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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f) Ergebnis In dem Gegensatz „Kollision einzelner Befriedigungsrechte“ in der Einzelvollstreckung gegenüber „gemeinschaftlichem Befriedigungsrecht“ in der Gesamtvollstreckung lassen sich die erheblichen Unterschiede bei den Gläubigerrechten, insbesondere das Mehrheitsprinzip und der Gleichbehandlungsgrundsatz, dogmatisch verankern. Die Aussage des § 1 S. 1 InsO, das Insolvenzverfahren diene „dazu, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen,“ bietet dafür auch einen Anhaltspunkt im Gesetz, denn eine „gemeinschaftliche“ Befriedigung wird durch ein gemeinschaftliches Recht auf Befriedigung auf natürliche Weise erklärt. Mit den Regelungen zur Bruchteilsgemeinschaft in §§ 741 ff. BGB ist diese Konstruktion einer Gläubigergemeinschaft im Insolvenzverfahren vereinbar.

4.  Schlussfolgerung: Entscheidung über Ausübung der Verfahrensbefugnisse durch Beschluss Sowohl die ausdrücklich gesetzlich festgelegten Verfahrensbefugnisse, als auch das in jeder Geldvollstreckung erforderliche Befriedigungsrecht sind Rechte, die den Gläubigern gemeinschaftlich zustehen. Streng genommen bilden die Gläubiger damit mehrere personenidentische Bruchteilsgemeinschaften, weil mehrere Rechte vorliegen, eine Bruchteilsgemeinschaft aber nach dem Spezialitätsgrundsatz111 nur an einem Recht bestehen kann. Die Situation, dass dieselbe Personenmehrheit unterschiedliche Rechte innehat, die einem einheitlichen Rechtsgrund entstammen, ist jedoch nicht ungewöhnlich. Typisch ist etwa, dass im Rahmen der Verwaltung eines gemeinschaftlichen Gegenstands gemeinschaftliche Forderungen begründet werden.112 Auch in solchen Fällen bleibt es nach dem Spezialitätsgrundsatz dabei, dass an jeder Forderung eine besondere Bruchteilsgemeinschaft als Rechtsträger bestehen muss.113 Möglich ist jedoch eine Gesamtbetrachtung aller Gegenstände „der“ Gemeinschaft, sofern es um die schuldrechtlichen Regelungen im Innenverhältnis unter den Teilhabern geht, auch wenn dies nichts an der für jeden Gegenstand speziellen Rechtsinhaberschaft ändert.114 Da die Verfahrensbefugnisse ihren Rechtsgrund 111 

Schmidt, in MüKo BGB, § 741 Rn. 33. Proff, in: Staudinger, BGB (2015), § 741 Rn. 121. 113  Insbesondere ist auch in solchen Fällen nicht die Parteistellung in einem Schuldverhältnis als solche ein „Recht“ der Bruchteilsgemeinschaft (zutreffend Flume, AT I/1, S. 114 ff.; Proff, in: Staudinger, BGB (2015), § 741 Rn. 121; a. A. Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 n. 18). 114  Schmidt, in MüKo BGB, § 741 Rn. 33. Den Spezialitätsgrundsatz bestätigt explizit BGH NJW 1999 781, 783 im sog. „Rittergutsfall“, indem er feststellt, dass die streitige Verwaltungsmaßnahme – der Tausch einiger von mehreren gemeinschaftlichen Grundstücken gegen angrenzende Grundstücke einer Gemeinde –, „zur Entstehung neuer Bruchteilsgemeinschaften an den eingetauschten Parzellen führt.“ – Für die Beurteilung einer Verwaltungsmaßnahme werden aber dennoch alle gemeinschaftlichen Rechte in den Blick genommen. 112 Vgl.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

in dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht haben und mit diesem untrennbar verbunden sind, ist somit bezüglich der schuldrechtlichen Verbindung unter den Teilhabern eine Gesamtbetrachtung „der“ Bruchteilsgemeinschaft an den verschiedenen Rechten legitimiert. Weiterhin dienen die Befugnisse der Gläubiger der Verwirklichung des Befriedigungsrechts und somit dem gemeinschaftlichen Interesse der daran beteiligten Gläubiger; somit sind die Entscheidungen über ihre Ausübung als Verwaltungsentscheidungen115 einzuordnen. Das erklärt, warum hierbei das Mehrheitsprinzip zur Anwendung kommt: Es ist die natürliche Folge des in § 745 I 1 BGB für die Bruchteilsgemeinschaft niedergelegten Grundsatzes.116 Diese Sichtweise der insolvenzrechtlichen Gläubigerbefugnisse kann mit einer Parallele zur Bruchteilsgemeinschaft an einem GmbH-Anteil untermauert werden: Auch dort gibt es ein Recht, das den Gläubigern nach Bruchteilen zusteht, nämlich den Anteil. Dieser Anteil bringt Stimmrechts- und Verwaltungsbefugnisse mit sich, die gem. § 18 I GmbHG nur einheitlich ausgeübt werden können. Über die Wahrnehmung dieser aus dem Anteilsrecht abgeleiteten Befugnisse wird durch Mehrheitsbeschluss der Teilhaber entschieden.117 Ähnlich liegen die Dinge im Insolvenzverfahren: Das insolvenzrechtliche Befriedigungsrecht steht den Gläubigern gemeinschaftlich zu. Aus der Inhaberschaft dieses Befriedigungsrechts ergeben sich einzelne Verfahrensbefugnisse, die dessen bestmöglicher Verwirklichung dienen, und kraft Natur der Sache nur einheitlich ausgeübt werden können. Daher sind die Gläubiger zur Entscheidung über die Ausübung dieser Rechte in der Form von Mehrheitsbeschlüssen berufen.

III.  Gemeinschaftliche Regelungsbefugnisse beim Insolvenzplan Die bisher gewonnenen Erkenntnisse zur Gläubigergemeinschaft liefern die Grundlage zur Erklärung eines zentralen Punktes für die rechtliche Konstruk115  Definition bei Schmidt, in: MüKo BGB §§ 744, 745 Rn. 4: „Verwaltung, Gebrauch und Nutzung sind Gegenstand von Verwaltungsentscheidungen. Zur Verwaltung in diesem Sinne gehören Maßnahmen, die das gemeinschaftliche Interesse aller Teilhaber innerhalb der ungeteilten Gemeinschaft, insbesondere die Erhaltung oder Veränderung des gemeinschaftlichen Gegenstands oder seine Verwendung, betreffen; Gebrauch und Nutzung (‚Früchte‘) i. S. des § 743 dienen dagegen dem Interesse der einzelnen Teilhaber.“ – Die Entscheidung über die Ausübung der aus dem Befriedigungsrecht abgeleiteten Befugnisse ist eine solche über die Verwendung, es handelt sich also um eine Entscheidung über die Verwaltung. 116  Ob man hingegen die Ausübung selbst als Verfügung über diese einordnet oder nicht, ändert nichts an der Heranziehung des § 745 I BGB, da auch Verfügungen Gegenstand von Verwaltungsentscheidungen sein können (überzeugend Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 4). 117  So die insbesondere von Karsten Schmidt vertretene, mittlerweile herrschende Auffassung: siehe dazu Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 10 und Altmeppen, in: Roth/ Altmeppen, GmbHG, § 18 Rn. 13 f., jeweils mit weiteren Nachweisen.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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tion des Insolvenzplans: die Möglichkeit von Planregelungen aufgrund Mehrheitsentscheids mit Wirkung gegenüber allen Gläubigern.

1.  „Plan-Befugnisse“ als Mittel zur Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts Der Insolvenzplan dient der Befriedigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren. Das zeigt der Wortlaut des § 1 S. 1 InsO, entspricht der gesetzgeberischen Intention118 und ist unbestrittene herrschende Meinung.119 Er ist demnach ebenso wie die oben genannten Verfahrensrechte als ein Hilfsmittel zur bestmöglichen Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts der Gläubiger einzuordnen. Das scheinbare Paradox, dass die regelmäßig in Insolvenzplänen vorgesehene Beschränkung von Rechten der Gläubiger deren Befriedigung dienen soll, erklärt sich aus einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise: Auch wenn rechtlich ein Nachteil vorliegt, kann dies wirtschaftlich einen Vorteil bringen, indem etwa das Verfahren beschleunigt oder eine Geschäftsbeziehung mit dem Schuldner nach Verfahrensende wiederaufgenommen werden kann. Eine rein rechtliche Betrachtung entspräche hingegen nicht den tatsächlichen Interessen, da der Nennwert der Forderung deren wirtschaftlichen Wert in der Insolvenz, das ist die zu erwartende Quote, in aller Regel ganz erheblich übersteigt und somit die formelle Rechtsposition die wirtschaftliche Realität nicht abbildet. Die Entscheidung für oder gegen einen Insolvenzplan ist demnach vor allen Dingen von wirtschaftlichen Überlegungen getragen. Damit stellt der Insolvenzplan auch kein singuläres Phänomen des Vollstreckungsrechts dar: Eine Regelung durch Vereinbarung, etwa über einen Zahlungsaufschub, sieht auch § 802b ZPO als Mittel in der Einzelvollstreckung vor.120 Die Rechtfertigung für das Mehrheitsprinzip ist wiederum das gemeinschaftliche Befriedigungsrecht der Gläubiger: Dadurch, dass es nur dieses eine gemeinschaftliche Befriedigungsrecht und nur ein Verfahren gibt, muss auch über den Insolvenzplan als Hilfsmittel zur Verwirklichung dieses Befriedigungsrechts eine einheitliche Entscheidung getroffen werden. Die Abstimmung über den Insolvenzplan weist damit alle Merkmale auf, die auch bei den Befugnissen „der Gläubigerversammlung“ festgestellt wurden: Es handelt sich um eine von wirtschaftlichen Überlegungen getragene Mehrheitsentscheidung der Gläubiger, die der Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts 118  „Instrument

der Masseverwertung“ (BT-Drucks. 12/2443, S. 90), „nicht eine Rechtswohltat für den Schuldner“ (BT-Drucks. 12/2443, S. 91). 119  Siehe z. B. Henckel, in: Jaeger, InsO, § 1 Rn. 7 f.; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, vor § 217 Rn. 17; Spliedt, in: Schmidt, InsO, vor § 217 Rn. 1. 120 Auf die Parallele zu § 813a ZPO a. F. hat schon Henckel, in: FS Merz, S. 197, 201 hingewiesen.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

dient.121 Dem Inhalt nach handelt es sich um eine Entscheidung über die „Verwaltung“ des Befriedigungsrechts, was gemäß der Wertung in § 745 I 1 BGB den Mehrheitszwang legitimiert. In weiterer Parallele zu den sonstigen Verfahrensrechten der Gläubigergemeinschaft sind daher die in §§ 217 ff. InsO vorgesehenen Regelungsbefugnisse als besondere gemeinschaftliche Rechte einzuordnen.122 Das gilt nicht nur für Regelungen über die „Verfahrensabwicklung“ (§ 217 S. 1 InsO), sondern auch für jene über die Rechte der einzelnen Gläubiger i. S. d. §§ 221 ff. InsO. Es verfügt also beim Insolvenzplan nicht jeder einzelne Gläubiger über seine jeweils eigenen Rechte, sondern die sämtlichen Gläubiger haben eine gemeinschaftliche Regelungsbefugnis.

2.  Inhalt dieser Rechte und Rechtfertigung mit der gemeinschaftlichen Verbindung Ein häufiger Einwand gegen die Konstruktion des Zwangsvergleichs bzw. Insolvenzplans mithilfe einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger ist, dass die Verbindung in einer Bruchteilsgemeinschaft keine Mehrheitsentscheidungen über private Rechte der Mitglieder erlaubt.123 Daran ist die rechtliche Aussage richtig, dass Mehrheitsentscheidungen der Bruchteilsgemeinschaften auf den gemeinschaftlichen Gegenstand begrenzt sind.124 – Deshalb ist nach dem soeben Gesagten insoweit auch von einer besonderen, gemeinschaftlichen Regelungsbefugnis auszugehen. – Falsch ist hingegen die Auffassung, dass durch den Insolvenzplan generell Eingriffe in das Privatvermögen der Gläubiger möglich seien. Die Möglichkeit zur Einschränkung von Gläubigerrechten im Insolvenzplan auf Grundlage einer Mehrheitsentscheidung der Gläubiger ergibt sich explizit aus §§ 223 II, 224, 225, 227 InsO. Weiterhin spricht der auf § 225a InsO abzielende § 217 S. 2 InsO davon, dass „Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte [...] in den Plan einbezogen werden“ können. Sonstige Rechtsgeschäfte zulasten der einzelnen Gläubiger, insbesondere Verpflichtungen, kann die Mehrheit hin121  Richtigerweise ordnen Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 74 Rn. 7 und Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 74 Rn. 13 die Abstimmung über den Plan als Form eines Beschlusses der Gläubigerversammlung ein. 122  Für den Zwangsvergleich wurde eine ähnliche Einordnung der Verfahrensbefugnisse von Curt Zernik und Karl Kießling vorgenommen: Beide Autoren sprechen insoweit von einem besonderen Recht zur „Verfügung“ über die Forderungen, und Zernik stützt dies auch ausdrücklich auf die wirtschaftlichen Interessen (Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 15; Kießling, Wesen des Zwangsvergleichs, S. 21 f.). Dabei handelt es sich aber in beiden Fällen leider nur um Randbemerkungen, die nicht näher verfolgt wurden, insbesondere ziehen beide Autoren daraus nicht die Konsequenz einer Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger. 123  Jüngst für den Insolvenzplan: Madaus, Insolvenzplan, S. 219. 124  Siehe dazu Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745, Rn. 31.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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gegen nicht vornehmen. Die Eingriffsmöglichkeiten sind damit bereits sachlich begrenzt, von Beschlüssen über das „Privatvermögen“ der Gläubiger kann nicht allgemein gesprochen werden. Darüber hinaus gilt für die inhaltliche Gestaltung das Gleichbehandlungsgebot, das durch eine sachgerechte Gruppenbildung (§ 222 InsO) und Parität innerhalb der Gruppe (§ 226 I InsO) verwirklicht wird. Das oben genannte Gegenargument wird durch diese Grenzen der Mehrheitsmacht bereits abgeschwächt. Endgültig widerlegt wird es, wenn man den Umfang dieser gemeinschaftlichen Befugnisse näher betrachtet. Denn dabei zeigt sich, dass §§ 223 II, 224, 225, 227 InsO eine besondere Ausprägung der innergemeinschaftlichen Pflichten125 darstellen, und die entsprechende Regelungsbefugnis somit zwar die Rechtsstellung der einzelnen Gläubiger berührt, sich aber in den Grenzen jener Rechtsbeschränkungen hält, welche die InsO selbst zur Umsetzung einer innergemeinschaftlichen Gleichbehandlung vorsieht. § 225a InsO hingegen regelt eine besondere Möglichkeit zur Verwertung, von der die Mitgliedschaftsrechte nur als Reflex betroffen sind. Insgesamt ist dem genannten Einwand also zu entgegnen: Erstens werden die Regelungsbefugnisse „der Gläubiger-Mehrheit“ im Planverfahren nicht aus der bloßen Verbindung der Gläubiger in der Gemeinschaft abgeleitet, was in der Tat nicht systemkonform wäre: sondern es bestehen insoweit besondere Eingriffsrechte, die den Gläubigern gemeinschaftlich zustehen, und über deren Ausübung durch Beschluss entschieden wird.126 Zweitens aber sind diese besonderen Regelungsbefugnisse inhaltlich damit zu rechtfertigen, dass sich in ihnen  – gewissermaßen auf einer anderen Ebene  – jene Pflichten fortsetzen, die innerhalb der Bruchteilsgemeinschaft am Befriedigungsrecht bestehen. Letzteres wird im Folgenden gezeigt.

a)  Regelungen betreffend die Insolvenzgläubiger Ausgangspunkt der Überlegungen müssen die in Bezug auf die Insolvenzgläubiger durch Mehrheitsentscheidung möglichen Regelungen sein. Sie bilden das Grundmodell, dem die Einbeziehung der absonderungsberechtigten Gläubiger nachgebildet wurde.

aa)  Obergrenze der Eingriffsbefugnisse in §§ 224, 225, 227 I InsO Um die Obergrenze der Gemeinschaftsbefugnisse nach §§ 224, 225, 227 I InsO zu bestimmen, sind die Wirkungen zu untersuchen, die einer „Kürzung“, 125 Vgl. Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 35: „[Die] Bruchteilsgemeinschaft als solche ist kraft Gesetzes Grundlage von Rechten und Pflichten [...].“ In diesem Sinn lassen sich die §§ 87–89 und 94–96 InsO als innergemeinschaftliche Pflichten qualifizieren, siehe noch unten bb. 126  Siehe oben 1.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

einem „Erlass“ oder einer „Befreiung“ im Sinn dieser Vorschriften zukommen. Dabei kann zugunsten sprachlicher Einfachheit nur noch von der „Kürzung“ gesprochen werden, wenn gezeigt wurde, dass die rechtlichen Grenzen der drei Begriffe identisch sind.

aaa)  Kein Eingriff in den Bestand des Anspruchs Durch eine „Kürzung“ i. S. d. § 224 InsO kann die Mehrheit lediglich die Verteilung127 der Masse an die Gläubiger begrenzen und die Durchsetzbarkeit128 der Gläubigeransprüche gegen den Schuldner regeln. Der Bestand der Insolvenzforderungen im Ganzen kann hingegen nach § 224 InsO nicht angetastet werden. Das bedeutet insbesondere, dass in voller Höhe der Forderung ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen einer Zahlung bestehen bleibt (§ 254 II InsO). Gleiches gilt auch für eine „Befreiung“ des Schuldners von seinen Verbindlichkeiten gemäß § 227 I InsO.129 Entgegen der in der Literatur einstimmig, aber ohne Begründung vertretenen Ansicht130 liegen die Dinge ebenso bei einem „Erlass“ i. S. d. § 225 I InsO: Die Gesetzesbegründung verweist insoweit ausdrücklich auf die alte Regelung des § 83 II VglO,131 bei der „Erlass“ nicht eine zum Erlöschen des Anspruchs führende Vereinbarung i. S. d. § 397 I BGB, sondern einen bloßen Ausschluss der Durchsetzbarkeit meinte.132 Allgemein wird also der Bestand von Gläubigeransprüchen durch Regelungen i. S. d. §§ 224, 225, 227 I InsO nicht berührt, sondern nur deren Durchsetzbarkeit. Dabei ist zwischen dem materiellrechtlichen Recht zur eigenmächtigen Durchsetzung, insbesondere mittels Aufrechnung, und der prozessualen Klageund Vollstreckungsbefugnis zu unterscheiden.133

127 

Breuer, in: MüKo InsO, § 224 Rn. 4. eine „Kürzung“ der Forderung soll nicht zu deren Erlöschen führen, sondern lediglich dazu, dass diese nur noch als „unvollkommene, natürliche Verbindlichkeit“ besteht (Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.80; Huber, in: MüKo InsO, § 254 Rn. 16, 27; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rn. 5; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 254 Rn. 12; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, § 254 Rn. 15; BGH NZI 2011, 538, 539). 129  Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 227 Rn. 4; Breuer, in: MüKo InsO, § 227 Rn. 8; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 227 Rn. 2; ausführlich: Rugullis, KTS 2012, 269, 281 ff. 130  Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 225 Rn. 5; Breuer, in: MüKo InsO, § 225 Rn. 13; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 225 Rn. 4; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 225 Rn. 1 – zu den praktischen Folgeproblemen dieser Ansicht im Hinblick auf bestellte Sicherheiten vgl. Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 225 Rn. 4. 131  BT- Drucks. 12/2443, S. 201 (zu § 268). 132  Bley/Mohrbutter, VglO, § 83 Rn. 8. 133  Zu dieser gebotenen Differenzierung siehe Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, Rn. 20 f.; Wagner, Prozessverträge, S. 419 f. 128 Auch



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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bbb)  Ausschluss der prozessualen Durchsetzbarkeit Prozessual kann durch einen Insolvenzplan neben der bereits erwähnten Verteilung im Insolvenzverfahren die Vollstreckungsmöglichkeit nach § 257 I InsO geregelt werden.134 Darüber hinaus wird bei einer entsprechenden Regelung die gerichtliche Durchsetzung in anderen Verfahren ebenfalls unmöglich. Der Plan besitzt insoweit die Wirkung eines prozessualen pactum de non petendo135. – Das hat allerdings die herrschende Meinung, obwohl auch sie im Ergebnis die Erfolglosigkeit von Klagen annimmt, die auf im Insolvenzplan gekürzte Ansprüche gestützt sind, bislang nicht erkannt; denn sie verortet dieWirkungen im materiellen Recht, indem sie insoweit von einer „Umwandlung“ in „unvollkommene Verbindlichkeiten“ ausgeht.136 Damit verstrickt sie sich jedoch in dogmatische Widersprüche, wenn es um die Beantwortung der Frage geht, ob durch die „Kürzung“ auch eine Aufrechnung ausgeschlossen wird, worauf im nächsten Punkt einzugehen ist. An dieser Stelle bleibt festzuhalten, dass die Erfolglosigkeit einer gerichtlichen Rechtsverfolgung von Ansprüchen, die durch den Insolvenzplan gekürzt wurden, richtigerweise nicht mit einer materiellrechtlichen Änderung zu begründen ist, sondern darauf beruht, dass der Insolvenzplan als prozessuale Regelung die Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit ausschließt.137 Die Zulässigkeit eines solchen vertraglichen Ausschlusses der Klagbarkeit ist von der herrschenden Meinung anerkannt.138 Als praktische Konsequenz folgt daraus, dass entsprechende Klagen nicht als unbegründet, sondern bereits als unzulässig ab-

134 

Huber, in: MüKo InsO, § 257 Rn. 17, 21. Siehe zu dieser Rechtsfigur Bittner, in: Staudinger, BGB, § 271 Rn. 18; Krüger, in: MüKo BGB, § 271 Rn. 18, 25 und grundlegend Wagner, Prozessverträge, S. 416 ff. (Zusammenfassung S. 501 ff.). 136  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.80; Huber, in: MüKo InsO, § 254 Rn. 16, 27; Lüer/ Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rn. 5; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 254 Rn. 12; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, § 254 Rn. 15; BGH NZI 2011, 538, 539. 137  Zur Abgrenzung zwischen prozessualen und materiellrechtlichen Mängeln der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen siehe grundlegend Stech, ZZP 1964, 161. 138 Vgl. Becker-Eberhard, in: MüKo ZPO, vor § 253 Rn. 10; Foerste, in: Musielak/Voit, ZPO, vor § 253 Rn. 6; Greger, in: Zöller, ZPO, vor § 253 Rn. 19. Die Gegenansicht will entsprechende Regelungen rein materiellrechtlich konstruieren (siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 89 Rn. 24 mit Nachweisen zu weiteren Vertretern dieser Auffassung), und verkennt damit die unterschiedlichen Konsequenzen materiellrechtlicher und prozessualer Regelungen über die Durchsetzbarkeit, insbesondere hinsichtlich der Aufrechnungsbefugnis (siehe dazu sogleich im Text). Grundsätzliche Bedenken gegen einen vertraglichen Ausschluss der Klagbarkeit können hingegen angesichts der gesetzlich anerkannten Möglichkeit von Schiedsklauseln (vgl. §§ 1025 ff. ZPO), die gerade den Zugang zu den staatlichen Gerichten regeln, nicht erhoben werden. 135 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

zuweisen sind; wenn sich der vertragliche Ausschluss der Klagbarkeit aus dem Parteivortrag ergibt, hat ihn das Gericht von Amts wegen zu beachten.139

ccc)  Begrenzte Möglichkeiten zum Ausschluss des Aufrechnungsrechts Als materiellrechtliche Begrenzung der Durchsetzbarkeit kommt nur ein Ausschluss der Aufrechnungsmöglichkeit in Betracht. Die in der Literatur herrschende Ansicht will eine Aufrechnung mit Forderungen, denen die gerichtliche Durchsetzbarkeit fehlt, ausschließen.140 Das ist jedoch nicht richtig, da zwischen der prozessualen und der materiellrechtlichen Durchsetzbarkeit zu unterscheiden ist.141 Mit der oben getroffenen Einordnung der Wirkung einer „Plan-Kürzung“ von Forderungen in das Gebiet des Prozessrechts ist daher über eine Aufrechnungsmöglichkeit noch nichts gesagt. Vielmehr tritt gerade beim Insolvenzplan die Bedeutung der Unterscheidung von materiellrechtlicher und prozessualer Durchsetzbarkeit hervor. Nur aufgrund dieser Differenzierung können die Wertungswidersprüche vermieden werden, die bei dem rein materiellrechtlichen Verständnis der herrschenden Meinung auftreten, und die nun aufgezeigt werden. Wie schon erwähnt, beschreiben Literatur und Rechtsprechung die „Kürzung“ insgesamt materiellrechtlich, indem es heißt, der Anspruch werde in eine „unvollkommene Verbindlichkeit“ bzw. „Naturalobligation“ umgewandelt;142 diese Begrifflichkeit verwendete auch der InsO-Gesetzgeber.143 Die Beschreibung passt jedoch dogmatisch nicht zu den Eigenschaften von Naturalobligationen: Der Begriff der Naturalobligation wird verwendet für „Fälle in denen das Gesetz selbst eine Verbindlichkeit verneint“, und zwar aufgrund „einer Missbilligung durch den Gesetzgeber“.144 Die „Kürzung“ i. S. d. §§ 224, 225 I, II InsO beruht aber nicht auf Gesetz, sondern auf Vertrag, und sie legitimiert sich nicht durch eine rechtliche Missbilligung der betroffenen Ansprüche durch den Gesetzgeber, sondern eine wirtschaftlich motivierte Entscheidung der Gläubiger. Vor allem aber passt die Einordnung nicht zu den Folgen einer „Kürzung“ nach § 224 InsO für die Aufrechnungsbefugnisse der Gläubiger. Denn durch einen Insolvenzplan wird eine nach § 94 InsO bestehende Aufrechnungsmög139 Vgl.

Greger, in: Zöller, ZPO, vor § 253 Rn. 19. Gursky, in: Staudinger, BGB, § 387 Rn. 132; Dennhardt, in: Bamberger/Roth, BGB, § 387 Rn. 28, 28.1. 141  Gegen die h. M. argumentiert zutreffend Wagner, Prozessverträge, S. 419 f.; in anderem Zusammenhang hat die Unterscheidung bereits Stech, ZZP 1964, 161, 162 ff. herausgearbeitet. 142  Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.80; Huber, in: MüKo InsO, § 254 Rn. 16, 27; Lüer/ Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rn. 5; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 254 Rn. 12; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, § 254 Rn. 15; BGH NZI 2011, 538, 539. 143  BT-Drucks. 12/2443, S. 213 (zu § 301). 144  Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, Rn. 24. 140 Vgl.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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lichkeit nicht tangiert.145 Das entspricht der früheren Regelung in § 54 S. 2 VglO, und dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der bestehende Aufrechnungsrechte einzelner Gläubiger der Mehrheitsmacht beim Planbeschluss entziehen wollte.146 Dieser Umstand steht im Widerspruch zu den Eigenschaften von Naturalobligationen, bei denen das Recht zur eigenmächtigen Durchsetzung, also insbesondere zur Befriedigung durch Aufrechnung, gerade ausgeschlossen ist.147 Von einer Möglichkeit der „Umwandlung von Gläubigeransprüchen in Naturalobligationen“ kann angesichts dessen nicht gesprochen werden. Richtig ist allein, dass durch eine Kürzung im Insolvenzplan für den gekürzten Betrag eine Aufrechnung aufgrund einer später entstehenden Aufrechnungslage ausgeschlossen wird. Ansonsten bleibt es bei dem Ausschluss der gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeit, der aber nach dem soeben Gesagten und den bereits zuvor getroffenen Feststellungen dogmatisch nicht als Folge einer materiellrechtlichen Verwandlung der Forderungen in Naturalobligationen, sondern mit einer im Plan getroffenen prozessualen Regelung über die Klagbarkeit der Insolvenzforderungen zu begründen ist.

bb)  Legitimation dieser Regelungsbefugnis Aus der Funktion des Insolvenzplans als Instrument zur Ermöglichung einer optimalen Gläubigerbefriedigung ergibt sich die Legitimation der aufgezeigten Gestaltungsmöglichkeiten.

aaa)  Bindung der Gläubiger an eine Mehrheitsentscheidung zum Verzicht auf die Befriedigung Wie bereits gesehen, bildet der Insolvenzplan funktional das insolvenzrechtliche Äquivalent zu einer Vollstreckungsvereinbarung nach § 802b ZPO. Er enthält Regelungen über die Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse, mit anderen Worten also über die Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts der Gläubiger. Wenn nun der Plan vorsieht, dass auf die Verwertung und Verteilung im Insolvenzverfahren ganz oder teilweise verzichtet 145 

So auch schon überzeugend BGH NZI 2011, 538, 539 f.; dem folgen Huber, in: MüKo InsO, § 254 Rn. 13; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254 Rn. 6. 146  Siehe die Begründung zu § 106 des Regierungsentwurfs, der dem heutigen § 94 InsO fast vollständig entspricht (ergänzt wurde nur auf Empfehlung des Rechtsausschusses der Einschub „kraft Gesetzes oder auf Grund einer Vereinbarung“, vgl. BT-Drucks. 12/7302, S. 38): „Die Formulierung der neuen Vorschrift bringt zusätzlich zum Ausdruck, daß auch der weitere Ablauf des Verfahrens, insbesondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen kann (vgl. § 54 Satz 2 VerglO). Eine erworbene Aufrechnungsbefugnis ist eine gesicherte Rechtsstellung, die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt wird“ (BT-Drucks. 12/2443, S. 140, Hervorhebungen von mir). 147 Dazu Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, Rn. 24.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

werden soll, um auf diesem Weg eine wirtschaftlich günstigere Befriedigung zu erreichen, ergibt sich ein Schutzbedürfnis gegenüber späteren Zugriffen einzelner Gläubiger, die das Planziel gefährden könnten. Daher liegt es nahe, Regelungen über die Durchsetzung der Ansprüche durch Mehrheitsentscheidung zu ermöglichen, die über das laufende Insolvenzverfahren hinausreichen. Rechtspolitisch lässt sich über eine solche Reichweite der Mehrheitsmacht zwar streiten, der Gesetzgeber hat sich aber sowohl in der Konkursordnung als auch in der Insolvenzordnung dafür entschieden, den Gläubigern die entsprechende gemeinschaftliche Befugnis einzuräumen.

bbb)  Konformität mit Bestimmungen des Regelverfahrens Soweit der Plan Wirkungen über das Insolvenzverfahren hinaus entfaltet, ist das kein Einzelfall im Insolvenzrecht. Der Vorrang des Insolvenzverfahrens vor der Einzelvollstreckung ist systemimmanent; die §§ 47 S. 2, 49, 88–90, 173 I, 259a InsO zeigen, dass es dem Insolvenzrecht vorbehalten ist, über die Zulässigkeit anderer Vollstreckungsverfahren zu bestimmen, und die §§ 88, 259a InsO verdeutlichen zudem, dass dies sogar über die zeitlichen Grenzen des Insolvenzverfahrens hinaus gilt.148 Entsprechende Wirkungen auf die Klagebefugnis lassen sich zum einen als „bloße Vorstufe“ zur Vollstreckung rechtfertigen. Zum anderen wird durch die Regelungen in §§ 87, 174–186, 201 f. InsO ein anderweitiges Erkenntnisverfahren ersetzt, sodass auch nichts dagegen spricht, im Rahmen einer insolvenzrechtlichen Regelung über die Klagbarkeit zu disponieren. Vielmehr handelt es sich dabei um eine Ausprägung der Universalität des Verfahrens, die einen Vorrang vor anderen Prozessen begründet.149 Schließlich enthält die InsO auch materiellrechtliche Regelungen über die Aufrechnungsbefugnis von Gläubigern (§§ 94–96 InsO), die als „materiellrechtliche Fortsetzung“ der prozessualen Durchsetzungsbeschränkung einzuordnen sind.150 Die Grenzen der §§ 94–96 InsO entsprechen dabei dem oben festgestellten Rahmen der gemeinschaftlichen Befugnis zum Aufrechnungsausschluss, indem ein bestehendes Aufrechnungsrecht nicht tangiert wird, und nur die spätere Entstehung einer Aufrechnungsbefugnis verhindert werden kann. Die genannten Vorschriften zum Ausschluss einer eigenmächtigen Rechtsdurchsetzung in §§ 87–89, 94–96 InsO dienen der Verwirklichung des Gläu-

148 

Dabei ist zu beachten, dass § 259a InsO keine Regelung zum Inhalt des Insolvenzplans ist, sondern einen insolvenzrechtlichen Rechtsbehelf zum Ausschluss der Einzelvollstreckung bestimmt. 149  Siehe zum historischen Ursprung oben § 2 A II 2 b, III 2 a, IV 2: Die Universalität begründete im Gemeinen Recht sogar noch die sog. vis attractiva. 150  Vgl. die Begründung bei Windel, in: Jaeger, InsO, § 94 Rn. 1, und sogleich im Text.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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bigergleichbehandlungsgrundsatzes.151 Da dieser Grundsatz aus der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger folgt,152 sind diese Regelungen somit als Ausprägungen innergemeinschaftlicher Pflichten153 einzuordnen. Es ist daher systematisch stimmig, den Gläubigern entsprechende Rechte zum Ausschluss der Durchsetzbarkeit im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens zuzugestehen: Die im Regelverfahren geltenden Beschränkungen der Gläubigerrechte, die sich aus der Bruchteilsgemeinschaft ableiten, spiegeln sich in dem gemeinschaftlichen Recht der Gläubiger, Entsprechendes selbst zu regeln, um so die gemeinschaftliche Entscheidung über die Verwirklichung des Befriedigungsrechts abzusichern.

cc) Ergebnis Die gemeinschaftlichen Regelungsbefugnisse und damit die Mehrheitsmacht im Rahmen der Entscheidung über einen Insolvenzplan stellen sich, soweit sie zulasten der persönlichen Rechte der Gläubiger gehen, als Kehrseite des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts dar: Es wird dann auf die Befriedigung aus dem Schuldnervermögen gemeinschaftlich verzichtet. Das gemeinschaftliche Recht zur Begrenzung der Durchsetzbarkeit der einzelnen Forderungen über das Insolvenzverfahren hinaus ist durch die Universalität des Insolvenzverfahrens und die innergemeinschaftlichen Pflichten unter den Gläubigern legitimiert. Es bildet das Gegenstück zu den §§ 87–89, 94–96 InsO, die eine Begrenzung der Einzelrechte aufgrund der gemeinschaftlichen Verbundenheit im Regelverfahren bedeuten. Im Ausgangspunkt hat ein entsprechender Insolvenzplan die Wirkungen eines prozessualen pactum de non petendo, indem von den rechtlichen Merkmalen154 eines Anspruchs die prozessualen Komponenten Klagbarkeit und Vollstreckbarkeit ausgeschlossen werden können, die materiellrechtlichen Regelungen zur eigenmächtigen Durchsetzbarkeit, der Verfügungsbefugnis und der Eigenschaft des Anspruchs als Rechtsgrund zum Behaltendürfen einer Leistung aber unberührt bleiben. Darüber hinaus kann aber entsprechend der Wertung in §§ 94–96 InsO eine insolvenzrechtlich nicht anerkannte, das ist eine erst später entstehende Aufrechnungsmöglichkeit ausgeschlossen werden. Als allgemeine Grenze der gemeinschaftlichen Befugnisse aus §§ 224, 225, 227 I

151  Windel, in: Jaeger, InsO, § 87 Rn. 1, § 94 Rn. 1 und Eckhardt, in: Jaeger InsO, § 88 Rn. 6, § 89 Rn. 4. 152  Siehe oben II 3 b. 153 Vgl. Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 35: „[Die] Bruchteilsgemeinschaft als solche ist kraft Gesetzes Grundlage von Rechten und Pflichten [...].“ 154  Aufzählung nach Medicus/Lorenz, Schuldrecht AT, Rn. 18 ff.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

InsO gilt somit, dass der Bestand von Gläubigeransprüchen nicht beseitigt, sondern nur deren Durchsetzbarkeit begrenzt werden kann.155 Gegenüber einer „Kürzung“, mit der die Durchsetzbarkeit dauerhaft ausgeschlossen wird, ist eine Stundung die weniger einschneidende Maßnahme. Sie ist daher als „Minus“ gerechtfertigt. Ebenso kann die Wirkung eines dilatorischen (prozessualen oder materiellrechtlichen) pactum de non petendo herbeigeführt werden, die ebenfalls einen geringeren Eingriff in die Gläubigerrechte darstellt. Der praktisch bedeutsamste Unterschied zwischen diesen Alternativen liegt darin, dass nur durch eine Stundung die Fälligkeit aufgeschoben wird156 und damit für den Zeitraum der Stundung keine Zinsen anfallen.157

b)  Regelungen nach § 223 II InsO Den obigen Feststellungen entsprechend ist auch den nach § 223 II InsO möglichen Regelungen zunächst ein prozessuales Verständnis zugrundezulegen.158

aa)  Prozessualer Ausgangspunkt An den in § 51 InsO genannten Absonderungsrechten zeigt sich, dass die von § 223 II InsO gewählten Bezeichnungen einer „Kürzung“ oder einer „Stundung“ auf die tatsächlich möglichen Regelungen rechtlich nicht passen können: Eigentum kann ebensowenig „gekürzt“ oder „gestundet“ werden, wie ein Zurückbehaltungsrecht an einer Sache. Hier führt nur ein prozessuales Verständnis zu sinnvollen Ergebnissen. Der wahre Regelungsgehalt des § 223 II InsO kann also hinsichtlich dieser Rechte zunächst lediglich darin liegen, dass eine vom Regelverfahren abweichende Verwertung oder Erlösverteilung bestimmt wird. Soll also beispielsweise ein Sicherungsrecht teilweise oder vollständig „erlöschen“, bedeutet dies einen Ausschluss der Erlösauskehr sowie einer späteren Geltendmachung des Sicherungsrechts. 155 Aufgrund dieser gesetzlichen Grenze ist auch der Auffassung von Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 227 Rn. 2, § 254 Rn. 20 entgegenzutreten, dass im Plan ein vollständiges Erlöschen von Forderungen durch reine Mehrheitsentscheidung bestimmt werden könnte. 156  Krüger, in: MüKo BGB, § 271 Rn. 21; Bittner, in: Staudinger, BGB, § 271 Rn. 16 f. 157  Krüger, in: MüKo BGB, § 271 Rn. 25. 158  Die Legitimation entsprechender Eingriffe in die Rechte der Absonderungsberechtigten ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus der Parallele zu den Bestimmungen des Regelverfahrens in §§ 87–89, 94–96 InsO, die nur für Insolvenzgläubiger gelten, aber aus der Einbeziehung der Absonderungsberechtigten in das Insolvenzverfahren: Die primäre Verwertungsbefugnis liegt nicht beim Gläubiger, sondern dem Insolvenzverwalter. Daher treffen den Gläubiger auch bei einer Verwertung außerhalb des Insolvenzverfahrens insolvenzrechtliche Pflichten und Beschränkungen, die sich aus der Zugehörigkeit der Bruchteilsgemeinschaft ableiten. Siehe dazu unten C II 2 und 3 b.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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Da die Absonderungsberechtigten in der InsO und insbesondere im Insolvenzplanverfahren als einheitliche Gläubigergruppe behandelt werden, müssen die obigen Feststellungen ebenso für die in §§ 49, 50 InsO benannten Rechte gelten. „Kürzung“ und „Stundung“ meinen demnach auch hier in erster Linie den vollständigen, teilweisen oder zeitlich befristeten Verzicht auf eine Erlösauskehr. Daraus ergibt sich nach den bereits aufgezeigten Grundsätzen gegebenenfalls auch ein Ausschluss anderweitiger gerichtlicher Geltendmachung.

bb)  Materiellrechtliche Folgen bei dauerhaftem Ausschluss der Geltendmachung Wenn die gerichtliche Geltendmachung der in §§ 49–51 InsO genannten Rechte dauerhaft ausgeschlossen wird, ergibt sich allerdings ein Bedürfnis nach einer Fortwirkung im materiellen Recht. Als allgemeines Rechtsprinzip bei Sicherungsrechten gilt, dass diese aufzuheben sind, wenn die Durchsetzung des gesicherten Anspruchs oder des Anspruchs, der sich aus dem Sicherungsrecht selbst ergibt, dauerhaft ausgeschlossen ist. Das folgt aus §§ 886, 1169, 1254 BGB, die in solchen Fällen einen Anspruch des Sicherungsgebers gegen den Sicherungsnehmer auf Mitwirkung an der Beseitigung der Sicherheit begründen.159 Eine Regelung i. S. d. § 223 II InsO, die die gerichtliche Geltendmachung eines Sicherungsrechts dauerhaft ausschließt, begründet demnach einen solchen Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger entsprechend §§ 886, 1169, 1254 BGB (ggf. in Gesamtanalogie160).161 Daraus folgt, dass bei einem dauerhaften Ausschluss der gerichtlichen Geltendmachung von Sicherheiten i. S. d. §§ 50, 51 InsO ein Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger auf Beseitigung der Sicherheit entsteht, nämlich bei den Rechten i. S. d. § 50 I InsO nach § 1254 BGB (ggf. i. V. m. § 1257 BGB), und bei den in § 51 InsO genannten Rechten in Gesamtanalogie zu §§ 886, 1169, 1254 BGB. Unabhängig von der Qualität als Sicherungsrecht muss das gleiche für alle dinglichen Rechte gelten, die ein Befriedigungsrecht nach § 49 InsO gewähren. Denn wenn die Durchsetzung dauerhaft ausgeschlossen ist, gebietet es die Billigkeit, die wirtschaftlich wertlose dingliche Rangposition freizumachen (arg. e § 1169 BGB162). Aus den allgemeinen Grundsätzen folgt also in diesen Fällen ein Anspruch des Schuldners gegen den Gläubiger auf den Verzicht auf die Sicherheit. Nun 159 

Der Grundsatz findet z. B. auch Ausdruck in § 58 LuftRG beim Registerpfandrecht. Bildung einer Gesamtanalogie in Anknüpfung an einen aus mehreren Normen ableitbaren allgemeinen Rechtsgrundsatz vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 383 f. 161  Richtig ist daher die Einordnung von Eickmann, in: MüKo BGB, § 1169 Rn. 8, wenn er feststellt, dass im Insolvenzplan ein Gegenrecht i. S. d. § 1169 BGB begründet werden kann. 162  Zum entsprechenden Normzweck siehe Eickmann, in: MüKo BGB, § 1169 Rn. 1. 160 Zur

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

wäre es jedoch bloße Förmelei, wollte man bei einer solchen Regelung im Insolvenzplan die gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruchs als notwendigen Verfahrensschritt verlangen. Damit wäre außerdem eine Verzögerung der Verfahrensabwicklung verbunden, und im schlimmsten Fall das Risiko einer insolvenzplanwidrigen Vollstreckung. Daher ist es notwendig und interessengerecht, die vom materiellen Recht beabsichtigte Rechtsfolge im Plan selbst herbeizuführen. Materiellrechtliche Regelungen sind einem Insolvenzplan auch nicht fremd. Deshalb muss es vom gemeinschaftlichen Rechtskreis der Gläubiger umfasst sein, in den Fällen des dauerhaften Ausschlusses der gerichtlichen Geltendmachung eines Rechts i. S. d. §§ 49–51 InsO zugleich das materielle Recht selbst zu beseitigen. Die prozessuale Regelung ist dabei allerdings nicht überflüssig, da erst der dauerhafte Ausschluss der gerichtlichen Durchsetzbarkeit die materielle Regelung legitimiert.

c)  Regelungen nach § 225a III InsO Durch §§ 217 S. 2, 225a InsO wird den Gläubigern die Möglichkeit zur Gestaltung der Binnenstruktur des Schuldner-Verbands eingeräumt. Dabei legen die §§ 217 S. 2, 222 I 2 Nr. 4, 225a I InsO zunächst nahe, eine den §§ 223 II, 224, 225 InsO entsprechende Regelungsbefugnis hinsichtlich der Mitgliedschaftsrechte anzunehmen. Tatsächlich ist eine solche Parallele aber nicht gegeben. Wie gesehen beziehen sich die §§ 223 II, 224, 225 InsO auf die Verteilung der Masse und die gerichtliche Durchsetzbarkeit von Ansprüchen nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Demgegenüber enthält § 225a III InsO als die zentrale Vorschrift in diesem Zusammenhang eine generelle Ermächtigung der Gläubiger, die materiellrechtliche Struktur des Schuldnerverbands umzugestalten. Daraus folgt rein logisch eine Einwirkungsmöglichkeit hinsichtlich der Mitgliedschaftsrechte, und daher benennt § 225a III InsO a. E. nur ausdrücklich die zwingende Konsequenz, dass eine Mitgliedschaft dem bisherigen Inhaber auch im Ganzen entzogen werden kann. Die Mitglieder des Schuldner-Verbands sind damit weiter reichenden Regelungsmöglichkeiten unterworfen als die übrigen Gläubiger, indem ihre materiellen Mitgliedschaftsrechte im Ganzen den Planregelungen unterliegen. Dies ist die Folge einer Verfügungsmacht der Gläubigergemeinschaft über die Rechte innerhalb des Verbands, die sich als besonderes Verwertungsrecht begründen lässt; denn der rechtliche Bestand des Verbands selbst stellt einen wirtschaftlichen Wert dar, dessen Realisierung die Gläubiger im Plan regeln können. Der Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte erfolgt dabei nicht in Parallele zu den sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gläubigeransprüche, sondern ist ein bloßer Reflex der besonderen Regelungsmacht.



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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Demnach beruht die Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher Regelungen nicht auf der Teilhabe der Verbands-Mitglieder an der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft, sondern auf einer besonderen Ermächtigung der Gläubiger. Trotz des missverständlichen Wortlauts der Normen entspricht dieses dogmatische Verständnis dem Ansatz des ESUG-Gesetzgebers: Konstruktiv hat der Gesetzgeber die Möglichkeit gesellschaftsrechtlicher Regelungen nicht aus einer Parallele zu der Position der (übrigen) Gläubiger abgeleitet. Er äußert insoweit nur, dass die Beteiligung der Mitglieder am Planverfahren diesen den Minderheitenschutz und die Möglichkeit zur Einlegung von Rechtsbehelfen garantiert.163 Die gesellschaftsrechtliche Regelungsmöglichkeit wird also nicht aus einer Beteiligung der Mitglieder des Schuldner-Verbands am Planverfahren abgeleitet, sondern es werden nur deren Verfahrensrechte zum Schutz vor einer Benachteiligung sichergestellt, weil die Gläubiger die entsprechende Gestaltungsmacht durch das ESUG erhalten haben.

d) Ergebnis Die im Insolvenzplanverfahren bestehende gemeinschaftliche Regelungsbefugnis über die Rechte der einzelnen Gläubiger ist grundsätzlich begrenzt auf Regelungen zur Durchsetzbarkeit der Ansprüche.164 Dies lässt sich durch die Bruchteilsgemeinschaft am Befriedigungsrecht begründen: Die Gläubiger sind zur Befriedigung gemeinschaftlich berechtigt, können auf sie aber auch gemeinschaftlich verzichten. In einem solchen Verzicht muss jedoch, wenn dadurch die wirtschaftlichen Vorteile einer Geschäftsfortführung durch den Schuldner genutzt werden sollen, gleichzeitig der Ausschluss einer anderweitigen Durchsetzung der Ansprüche liegen, damit die getroffene Entscheidung nicht ad absurdum geführt wird. Die notwendige gemeinschaftliche Befugnis zur Vornahme entsprechender Regelungen ist systemkonform. Sie entspricht dem in der Universalität begründeten Vorrang des Insolvenzverfahrens vor anderen Prozessen, der sich in §§ 47 S. 2, 49, 88–90, 173 I, 259a InsO sowie in §§ 174–186, 201 f. InsO zeigt, und bildet das genaue Gegenstück zu den §§ 87– 89, 94–96 InsO,165 die ebenfalls auf der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger beruhen und daran negative Folgen für den Einzelnen knüpfen. Die gesellschaftsrechtlichen Regelungsmöglichkeiten in § 225a III InsO stellen hingegen eine Sonderregelung über die Reichweite der durch das Befrie163 

BT-Drucks. 17/5712, S. 31. bei einem dauerhaften Ausschluss der Geltendmachung von Rechten i. S. d. §§ 49–51 InsO gem. § 223 II InsO folgt daraus die weitergehende Rechtsmacht, diese Rechte auch materiellrechtlich zu beseitigen. 165  Zu entsprechenden Beschränkungen der Rechte der Absonderungsberechtigten siehe unten C II 2, 3 b. 164 Nur

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

digungsrecht legitimierten Verwertungsmöglichkeiten dar. Auswirkungen auf bestehende Mitgliedschaftsrechte sind dabei ein bloßer Reflex dieser Befugnis.

IV.  Insolvenzanfechtung als weitere Folge des Befriedigungsrechts Um das Bild zu vervollständigen, ist auch die Insolvenzanfechtung als Ausdruck des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts zu nennen. Eine Aufarbeitung der umfangreichen Diskussion zum Wesen der Anfechtung im Insolvenzverfahren166 und als Mittel in der Einzelvollstreckung167 ist dabei für eine grundlegende Einordnung nach dem hier erarbeiteten Modell nicht erforderlich. Die sog. Gläubigeranfechtung nach dem AnfG und die Insolvenzanfechtung nach §§ 129 ff. InsO beruhen auf einem einheitlichen Konzept.168 Die Idee ist, dass die gläubigerschädigenden Handlungen des Vollstreckungsschuldners keinen Bestand haben sollen. Dies drückt der Begriff der Anfechtung aus. Nach dem Gedanken des § 142 I BGB, der die Anfechtung von Willenserklärungen regelt, wäre die Unwirksamkeit der betreffenden Schuldnerhandlung die nächstliegende Rechtsfolge. Eine so weitreichende Wirkung ist aber jedenfalls vom modernen Gesetzgeber nicht gewollt, sondern es soll lediglich ein Anspruch gewährt werden, der auf die Rückgängigmachung des Geschäfts abzielt.169 Als Lösung bietet sich dabei ein Anspruch des Vollstreckungsgläubigers gegen den Anfechtungsgegner auf Rückgewähr des Erlangten an den Schuldner an; in einem zweiten Schritt kann dann die Vollstreckung in das so gemehrte Vermögen des Schuldners stattfinden. Diese Vorstellung lag noch dem § 7 I AnfG a. F. zugrunde,170 und findet ihren Ausdruck weiterhin in § 143 I 1 InsO. Die Unterschiede zwischen Gläubiger- und Insolvenzanfechtung beruhen nur auf ökonomischen Erwägungen: In der Gläubigeranfechtung wäre es unwirtschaftlich, den Anfechtungsgegenstand und die Anfechtungsverhältnisse über den „Umweg“ des Schuldnervermögens bzw. des Schuldners laufen zu lassen; stattdessen hat der Gläubiger einen Anspruch gegen den Anfechtungsgegner auf Duldung der Zwangsvollstreckung in den betreffenden Teil von dessen Vermögen. Anders liegen die Dinge in der Insolvenz: Zum einen ist der Anfech166  Siehe dazu Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 3 ff.; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 51. 167 Dazu Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 35 Rn. 18 ff. 168  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 35 Rn. 6 ff. 169  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 35 Rn. 15 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 3 f.; einen Anspruch kann auch die „Haftungstheorie“ nicht abstreiten, vgl. Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 35 Rn. 26 f.; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 143 Rn. 94. 170  RGBl 1879, S. 277, 278: „Der Gläubiger kann, soweit es zu seiner Befriedigung erforderlich ist, beanspruchen, daß dasjenige, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist, als noch zu demselben gehörig von dem Empfänger zurückgewährt werde.“



B.  Einordnung als Bruchteilsgemeinschaft

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tungsanspruch der Höhe nach unbegrenzt; das lässt sich durch die regelmäßig unzureichende Masse rechtfertigen, sowie durch die Ansprüche des Anfechtungsgegners nach § 144 InsO, die einen Ausgleich schaffen und im Fall des § 144 II 2 InsO für eine Erledigung noch im Insolvenzverfahren sorgen. Zum anderen ist das anfechtbar Erlangte in die Masse, also das Schuldnervermögen zurückzuführen (§ 143 I 1 InsO). Dass im Insolvenzverfahren diese Regelung gegenüber einer Pflicht zur Duldung der Einzelvollstreckung vorzugswürdig ist, liegt an dem ohnehin bereits eröffneten (Gesamt-)Vollstreckungsverfahren; da die Beschlagnahme hier das gesamte Schuldnervermögen inklusive des Neuerwerbs erfasst, führt die Rückgewähr unmittelbar zur Verstrickung und zur Ausdehnung des Befriedigungsrechts auf die betreffenden Gegenstände. Eine Verdoppelung der Vollstreckungsverfahren wäre hingegen unökonomisch. Macht man sich das gemeinsame Konzept von Gläubiger- und Insolvenz­ anfechtung klar, kann es keinen Zweifel über die Rechtsträgerschaft des Insolvenzanfechtungsrechts geben.171 Das Anfechtungsrecht ist kein Recht des Schuldners oder des Staates, sondern der Gläubiger; es dient zur Vollstreckung, das heißt der Befriedigung der Gläubiger. Das Recht aus der Insolvenzanfechtung steht also den Gläubigern zu, und zwar – nach dem hier erläuterten System – gemeinschaftlich. Die Besonderheit ist nur, dass zur Ausübung nicht die Gläubiger als Gemeinschaft berechtigt sind, sondern allein der Insolvenzverwalter die Anfechtung geltend machen kann. Der Verwalter ist hierzu durch sein Amt ermächtigt. Diese Ermächtigung dient der Rechtssicherheit und Prozessökonomie, da die Gläubigergemeinschaft zur Führung der notwendigen Prozesse tatsächlich nicht fähig wäre und die Möglichkeit der Geltendmachung auch nicht von Beschlüssen der Gläubigerversammlung abhängen darf, um eine schnelle und reibungslose Durchsetzung nicht zu gefährden.172

V.  Abgrenzung der gemeinschaftlichen Rechte zu Individualrechten Von den gemeinschaftlichen Rechten der Gläubiger sind individuelle Rechte einzelner Beteiligter abzugrenzen. Denn die InsO weist nicht sämtliche Rechte der Gläubiger diesen gemeinschaftlich zu. Insbesondere die Befugnisse zur 171 Dennoch

werden hierzu verschiedenste Auffassungen vertreten, siehe Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 51. 172  Vgl. dazu die Motive zur KO, in denen es heißt: „Entspringt sonach das Anfechtungsrecht aus den Rechten der Gläubiger und zwar aller Gläubiger, so erscheint es doch fraglich, ob die einzelnen Gläubiger zur Ausübung desselben zugelassen werden sollen“ (Hahn, Materialien, S. 150). Die Frage wird unter Verweis auf die „Mängel und die Nutzlosigkeit solcher Prozesse“ verneint (Hahn, Materialien, S. 150). Damit wird die Befugnis des Verwalters zur Anfechtung begründet, die vorher schon so beschrieben wurde: „Das ganze Amt des Verwalters entspringt den Rechten der Gläubiger; in Folge derselben hat er das Vermögen des Gemeinschuldners [...] zum Zweck der Befriedigung der Gläubiger beizutreiben“ (Hahn, Materialien, S. 149).

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Einlegung von Rechtsbehelfen, zum Beispiel nach §§ 57 S. 4, 78 I InsO und das Recht jedes Insolvenzgläubigers, die Forderungen anderer Gläubiger zu bestreiten (§ 178 I 1 InsO), sind Rechte, die jeder Betroffene für sich innehat. Auch die Ansprüche der Gläubiger gegen den Schuldner bleiben ungeteilte Individualrechte. Die Regelungen über die Gemeinschaft der Gläubiger sind nur von Bedeutung, soweit die gemeinsame Rechtsinhaberschaft betroffen ist. Diese ist ihrerseits begrenzt auf das Recht auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse und die daraus abgeleiteten Verfahrensbefugnisse, die speziell „der Gläubigerversammlung“, das heißt den Gläubigern gemeinschaftlich zugewiesen sind. Ob der Ursprung einzelner gesetzlich festgelegter Individualrechte in dem Schuldverhältnis gegenüber den anderen Gläubigern liegt oder auf andere Weise begründet ist, kann zunächst dahinstehen. Für die Rechtsfortbildung ist diese Einordnung hingegen von Bedeutung, etwa bei der Frage nach ungeschriebenen Ansprüchen oder einer analogen Anwendung einzelner Normen. Auf solche Einzelprobleme ist hier aber nicht einzugehen.

VI. Zusammenfassung Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht ein Befriedigungsrecht an der Masse, das den Gläubigern gemeinschaftlich zusteht (§ 1 InsO). Die Gläubiger bilden daher eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB).173 Um eine wirtschaftlich erfolgreiche Verwirklichung des Befriedigungsrechts zu gewährleisten, hat die Gläubigergemeinschaft flankierende Befugnisse, die in der InsO speziell geregelt werden. Hierzu zählt unter anderem das Recht, die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen der Gläubiger gegen den Insolvenzschuldner zu begrenzen, das im Insolvenzplan ausgeübt wird. Für den einzelnen Gläubiger hat der kraft Gesetzes erfolgende Erwerb174 des Anteils am Befriedigungsrecht zwei Konsequenzen: Einerseits nimmt er an der Befriedigung teil und kann an verfahrensleitenden Entscheidungen mitwirken, genießt also Vorteile. Andererseits unterliegt er aber auch den im Gemeinschaftsverhältnis bestehenden Pflichten gegenüber den anderen Teilhabern.175 Dieses 173  Die Bruchteilsgemeinschaft entsteht, wenn der Tatbestand des § 741 BGB erfüllt ist, und somit immer kraft Gesetzes (Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 25). 174  Der gesetzliche Erwerb des Anteils ist nicht notwendig, aber typisch für die Bruchteilsgemeinschaft (Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 28). 175  Die Kombination von Rechtsinhaberschaft als rechtlichem Vorteil und Pflichtenbindung gegenüber anderen Mitgliedern als rechtlicher Nachteil folgt schon aus dem Wesen der Bruchteilsgemeinschaft: „Die Bruchteilsgemeinschaft hat ein doppeltes Gesicht, das sich teils dem gemeinschaftlichen Gegenstand, teils der Beziehung unter den Bruchteilsberechtigten zuwendet. Sie beruht auf gemeinsamer Rechtszuständigkeit mehrerer Personen. Sie ist zugleich Grundlage gesetzlicher Schuldverhältnisse unter den Teilhabern.“ (Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 3; näher zu den wechselseitigen Pflichten bei Rn. 34 f. und Proff, in: Staudinger, BGB (2015), § 741 Rn. 260 ff.).



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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Sonderrechtsverhältnis unter den Gläubigern, das sich aus der Gemeinschaft am Befriedigungsrecht ergibt, begründet daher sowohl das Mehrheitsprinzip als auch den Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz im Insolvenzverfahren.

C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft Es sind nunmehr die Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft zu bestimmen, also die Inhaber des Rechts auf Befriedigung aus der Masse. Die vorangegangenen Feststellungen haben gezeigt, dass ein Anteil am Befriedigungsrecht nur für Gläubiger in Betracht kommt, die einen Geldanspruch gegen den Schuldner haben. Ein Anteil am Befriedigungsrecht bewirkt, dass der entsprechende Gläubiger innerhalb des Verfahrens Mitwirkungsrechte hat, aber auch Beschränkungen unterworfen ist, und dass er schließlich einen aus der Verwertung der Masse erzielten Erlös erhalten soll. Anhand dieser Merkmale ist zu prüfen, welchen der in §§ 38–55 InsO genannten Gläubigern ein Anteil am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht zukommt.

I.  Insolvenzgläubiger und nachrangige Insolvenzgläubiger Nach § 38 InsO steht den Insolvenzgläubigern eine Befriedigung aus der Masse aufgrund eines Vermögensanspruchs zu; dass der Vermögensanspruch zumindest ab dem Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung auf Geld gerichtet sein muss, zeigt § 45 InsO. Die Insolvenzgläubiger können ihre Befriedigung ausschließlich nach den Vorschriften der InsO suchen (§ 87 InsO) und erhalten somit einen Erlös stets aufgrund der insolvenzrechtlichen Verwertung der Masse. Bei ihnen liegen damit die Merkmale einer Beteiligung am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht offen zutage. Die Teilhabe der nachrangigen Insolvenzgläubiger wurde bereits oben176 dargelegt. Nur scheinbar problematisch ist die Frage, ob für die Eigenschaft als Insolvenzgläubiger und damit die Zugehörigkeit zur Bruchteilsgemeinschaft das materielle Forderungsrecht gegen den Schuldner oder die verfahrensrechtliche Stellung im Verfahren entscheidend ist. Der Wortlaut des § 38 InsO beantwortet sie eindeutig zugunsten der materiellrechtlichen Stellung. Wenn Verfahrensrechte des einzelnen Gläubigers dennoch davon abhängen, ob die Forderung angemeldet wird und unbestritten bleibt, so bedeutet das keinen Widerspruch dazu. Hier zeigt sich lediglich der allgemeine Vorrang des Prozessrechts, der darin besteht, dass der praktische Wert jeder materiellen Rechtsposition von der prozessualen Durchsetzung abhängt. Im Insolvenzverfahren, das kraft Gesetzes mit seiner Eröffnung ein Befriedigungsrecht für alle Gläubiger schafft, müssen 176 

B II 3 e.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

die Feststellung der Forderung und die Geltendmachung des Befriedigungsrechts nachgeholt werden; die tatsächliche materielle Rechtslage kann freilich wie in jedem Prozess von dem im Verfahren festgestellten Ergebnis abweichen. Rechtsfrieden tritt aber ein, sobald die prozessualen Vorgänge und Ergebnisse nicht mehr angefochten werden können.

II. Absonderungsberechtigte Auch den Absonderungsberechtigten kommt ein Anteil an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht zu, wie die folgende Analyse zeigt.

1.  Inhalt der zugrundeliegenden Ansprüche Allen in §§ 49–51 InsO und außerhalb177 der InsO genannten Rechten, die ein Absonderungsrecht begründen, liegt ein auf Zahlung von Geld gerichteter Anspruch zugrunde, was die Einbeziehung in das Insolvenzverfahren rechtfertigt. Dabei handelt es sich entweder um „Haftungsansprüche für Geldleistungen“, die auch in der Einzelvollstreckung im Rahmen der Geldvollstreckung durchgesetzt werden,178 oder um Sicherungsrechte, die zugunsten eines Geldanspruchs bestehen, und die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch mit dem Erlös in Geld zu befriedigen sind, somit also ebenfalls Geldansprüche darstellen.

2.  Befriedigung aus Massegegenständen im Insolvenzverfahren Das Befriedigungsrecht bildet den Rechtsgrund für die Verwertung der Masse und die Erlösverteilung an die Gläubiger. Eine Teilhabe der Absonderungsberechtigten am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht ist daher nur stimmig, wenn der mit dem Absonderungsrecht belastete Gegenstand innerhalb des Insolvenzverfahrens verwertet wird, und der Gläubiger den Erlös im Rahmen des Verfahrens erhält. Die Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, sind Teil der Insolvenzmasse.179 Der Begriff der abgesonderten Befriedigung und die Zugriffsmöglichkeiten der absonderungsberechtigten Gläubiger nach §§ 49, 173

177  Zu diesen siehe Henckel, in: Jaeger, InsO, vor § 49, Rn. 14 f., 20 f.; Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 51 Rn. 60 ff. 178  Siehe oben B II 2 a, sowie Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 48 Rn. 6 f. 179  Dass es sich bei den Absonderungsrechten um Sicherheiten an Gegenständen der Masse handelt, sagt nur § 50 I InsO ausdrücklich, für §§ 49, 51 InsO gilt aber nichts anderes. Siehe auch Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 49 Rn. 1; Henckel, in: Jaeger, InsO, vor § 49 Rn. 7.



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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InsO könnten aber Zweifel daran wecken, dass eine Verwertung innerhalb des Insolvenzverfahrens stattfindet. Eine Verwertung innerhalb des Insolvenzverfahrens liegt jedoch jedenfalls dann vor, wenn sie vom Insolvenzverwalter kraft der Berechtigungen in §§ 159, 165, 166 InsO betrieben wird. Bezüglich der mit Absonderungsrechten belasteten Gegenstände hat der Insolvenzverwalter die „primäre Verwertungsbefugnis“180. Bei den der Immobiliarvollstreckung unterliegenden Sachen kann der Insolvenzverwalter ein spezielles Zwangsversteigerungs- oder -verwaltungsverfahren gem. § 165 InsO, §§ 172–174a ZVG durchführen, er kann diese aber auch gestützt auf § 159 InsO freihändig verwerten.181 Andere Gegenstände kann er nach § 166 I, II InsO selbst verwerten. Schon aufgrund dieser Regelungen müssen die absonderungsberechtigten Gläubiger einen Anteil am Befriedigungsrecht haben, da sie insoweit unmittelbar nach den insolvenzrechtlichen Verfahrensregelungen befriedigt werden. Um eine insolvenzrechtliche Verwertung und Befriedigung handelt es sich außerdem, wenn der absonderungsberechtigte Gläubiger mit dem Insolvenzverwalter eine Abrede über eine andere Verwertungsart von Gegenständen i. S. d. § 49 InsO182 trifft oder wenn der Verwalter dem Gläubiger einen Gegenstand nach § 168 III oder § 170 II InsO überlässt.183 Diese Verwertungsarten sind als „wesensgleiches Minus“ zur „reinen“ Verwalterverwertung einzuordnen.184 Damit liegt der Rechtsgrund für die Erlösauszahlung in diesem Fall ebenso in dem Anteil am Befriedigungsrecht. Fraglich bleibt nur, ob eine vom Gläubiger selbst durchgeführte Verwertung nach §§ 49, 173 InsO als eine solche des Insolvenzverfahrens einzuordnen ist. 180  Reischl, Insolvenzrecht, Rn. 408. Hinsichtlich des Rechts eines Gläubigers zur Zwangsvollstreckung nach § 49 InsO zeigt sich der Vorrang der insolvenzrechtlichen Verwertung in den Antragsrechten des Insolvenzverwalters nach §§ 30d I 1, 153b I ZVG. 181  Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 165 Rn. 27. 182 Zur Möglichkeit einer freihändigen Veräußerung oder „kalten Zwangsverwaltung“ siehe etwa Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 49 Rn. 27; 34, Sinz, in: Schmidt, InsO, § 165 Rn. 20 ff. 183  Auch in einer solchen Überlassung nach § 168 III InsO oder § 170 II InsO ist eine Vereinbarung zwischen dem Verwalter und dem Gläubiger zu sehen, vgl. Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 168 Rn. 16, § 170 Rn. 21; Tetzlaff, in: MüKo InsO, § 170 Rn. 22. 184  Nicht übersehen werden darf aber der Unterschied zwischen § 168 III InsO und § 170 II InsO: Im Fall des § 168 III InsO besteht die Befriedigung in der Übertragung des Gegenstands, womit die Verstrickung endet und das gemeinschaftliche Befriedigungsrecht sich nicht mehr auf den Gegenstand erstreckt. Folglich darf der Gläubiger einen aus einer Weiterveräußerung erzielten „Mehrerlös“ behalten (so das richtige Ergebnis der h. M., siehe dazu Brinkmann, in Uhlenbruck, § 168 Rn. 17; Tetzlaff, in: MüKo InsO, § 168 Rn. 42; BGH NJW 2006, 228, 229; BT-Drucks. 12/2443, S. 179). Hingegen bleibt bei der Verwertung nach § 170 II InsO der Gegenstand verstrickt und vom gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht erfasst, weshalb vom Erlös ein Kostenbeitrag abzuziehen ist und ein Mehrerlös in der Masse verbleibt (ohne Nennung des Befriedigungsrechts, aber des „Insolvenzbeschlags“; ähnlich Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 170 Rn. 20 und Tetzlaff, in MüKo InsO, § 170 Rn. 21: „keine echte Freigabe“).

190

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Richtigerweise ist dies abzulehnen und diese Verwertung allein an den außerhalb des Insolvenzverfahrens bestehenden Regelungen zu messen. Das insolvenzrechtliche Befriedigungsrecht kann nicht die Grundlage einer außerhalb des Insolvenzverfahrens durchgeführten Verwertung sein, auch wenn deren Zulässigkeit von §§ 49, 173 InsO angeordnet ist. Aufgrund der vorher genannten Fälle ist jedoch eine Teilhabe der absonderungsberechtigten Gläubiger am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht anzuerkennen. Dieses Ergebnis bestätigt § 223 II InsO, der im Insolvenzplanverfahren – das nach § 1 S. 1 InsO eine gleichwertige Alternative zum Regelverfahren darstellt und sich aus der bestmöglichen Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts legitimiert – Regelungen über Absonderungsrechte erlaubt.

3.  Vereinbarkeit der Regelung mit dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft Die Regelungen über die Befriedigung der absonderungsberechtigten Gläubiger scheinen auf den ersten Blick dem in der Bruchteilsgemeinschaft geltenden Gleichbehandlungsprinzip zu widersprechen. Tatsächlich ist dies aber nicht der Fall.

a)  „Vorzugsweise“ Befriedigung bei Verwertung im Insolvenzverfahren Am Beispiel der nachrangigen Insolvenzgläubiger wurde bereits aufgezeigt, dass eine von § 743 I BGB, also von der Höhe der Forderungssumme bzw. der daraus folgenden Quote abweichende Verteilung zulässig sein kann.185 Soweit die absonderungsberechtigten Gläubiger innerhalb des Insolvenzverfahrens in anderer Weise als die Insolvenzgläubiger am Erlös beteiligt werden, widerspricht dies also nicht von vornherein den Grundsätzen der Bruchteilsgemeinschaft; es muss nur wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes ein sachlicher Grund für die Abweichung bestehen. Hinsichtlich der Höhe des auszuzahlenden Erlöses rechtfertigt sich die Differenzierung durch die Andersartigkeit des Rechts, das zur Teilhabe an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht führt: Die Absonderungsberechtigten haben außerhalb des Insolvenzverfahrens ein besonderes Zugriffsrecht auf einzelne Vermögensgegenstände des Schuldners erworben, das auf die Auszahlung einer Geldsumme gerichtet ist. Aus diesem Grund wäre es unbillig, ihre Beteiligung am Erlös nur nach der Geldsumme zu bestimmen. Denn aus der Natur des Zugriffsrechts folgt einerseits ein Vorrang gegenüber den anderen Gläubigern, andererseits eine wertmäßige Begrenzung auf den Erlös, der durch die Verwertung des betroffenen Massegegenstands erzielt wird. Der besonderen 185 

B II 3 e.



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

191

Verbindung des Gläubigers mit dem Gegenstand würde es beispielsweise nicht gerecht, wenn der Inhaber eines Grundpfandrechts an einem Grundstück der Masse, dem der Schuldner nicht persönlich haftet, und dessen Geldanspruch aus dem Grundpfandrecht den Wert des Grundstücks deutlich übersteigt, mit der vollen Summe des Grundpfandrechtskapitals an der Erlösverteilung aus der gesamten Masse teilnehmen würde: Er würde dann unter Umständen mehr oder weniger erhalten, als es die besondere Verbindung mit dem Grundstück gebietet. Dieses Beispiel zeigt auch, dass von einer „Bevorzugung“ der Absonderungsberechtigten nicht allgemein gesprochen werden kann. Der Schutz der Sicherungsrechte gebietet aber auch, den damit garantierten „ersten Zugriff“ im Insolvenzverfahren anzuerkennen. Es ist daher eine sachgerechte Differenzierung, die Auszahlung an die Absonderungsberechtigten der Höhe nach nur durch den Wert zu begrenzen, der bei der Verwertung des Gegenstands erzielt wurde, auf den sich das Zugriffsrecht bezog. Den Absonderungsberechtigten wird der ihnen zustehende Erlös unverzüglich vom Verwalter (§ 170 I 2 InsO) bzw. unmittelbar im Verteilungsverfahren des Vollstreckungsgerichts (§ 172 InsO i. V. m. §§ 105 ff. ZVG) ausbezahlt, sie müssen also nicht wie die Insolvenzgläubiger auf eine Abschlags- oder die Schlussverteilung warten. Eine ungerechtfertigte Bevorzugung liegt hierin jedoch nicht, sondern die Regelung entspricht dem in § 196 I InsO erkennbaren Prinzip, dass eine „[V]erteilung erfolgt, sobald die Verwertung [...] beendet ist.“ Denn die Verwertung ist im Hinblick auf die absonderungsberechtigten Gläubiger bereits mit der Verwertung des Gegenstands beendet, an dem das Absonderungsrecht bestand.

b)  Recht auf Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens Wenn ein absonderungsberechtigter Gläubiger seine Befriedigung gemäß §§ 49, 173 I InsO außerhalb des Insolvenzverfahrens erhält, liegt der Rechtsgrund für die Verwertung des Gegenstands und die Auszahlung des erzielten Erlöses nicht im Anteil am insolvenzrechtlichen Befriedigungsrecht. Aus der Bruchteilsgemeinschaft scheidet der Gläubiger jedoch erst mit dem Erlöschen des Absonderungsrechts durch Befriedigung aus, da der entsprechende Bruchteil akzessorisch zu dem Absonderungsrecht ist und nur mit diesem untergeht. Erst dann besteht kein Recht mehr auf eine insolvenzmäßige Befriedigung. Begründungsbedürftig ist insoweit, warum der Gläubiger nicht zwangsweise seine Befriedigung im Insolvenzverfahren zu suchen hat. Ein solcher Zwang könnte sich aus einer Pflicht gegenüber den anderen Teilhabern ähnlich §§ 87–89, 94–96 InsO ergeben. Einer Befriedigung außerhalb des Verfahrens stehen jedoch die Interessen der übrigen Gläubiger nicht entgegen, wenn diesen dadurch kein Nachteil droht. Das ist hier gewährleistet. Im Fall des § 49 InsO

192

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

wird dies durch § 10 I Nr. 1a InsO und bezüglich eines Erlösüberschusses durch dessen Massezugehörigkeit sichergestellt; zudem besitzt der Insolvenzverwalter ein eigenes, vorrangiges186 Verwertungsrecht. Bei § 173 InsO gilt für einen Erlösüberschuss dasselbe, außerdem wird hier, wo der Insolvenzverwalter zunächst kein eigenes Verwertungsrecht besitzt, durch § 173 II InsO für eine Verwertung innerhalb eines wirtschaftlich vernünftigen Zeitraums gesorgt. Hinsichtlich der Verwertungsart hingegen findet sich in § 173 InsO keine Regelung. Als innergemeinschaftliche Pflicht ist aber dem Gläubiger aufzugeben, dass er die günstigste Verwertungsart wählt, und dafür auch entsprechende Vorschläge des Insolvenzverwalters oder anderer Gläubiger berücksichtigt.187

4. Ergebnis Die absonderungsberechtigten Gläubiger sind Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft am insolvenzrechtlichen Befriedigungsrecht. Zu diesem Ergebnis passt auch ihr Stimmrecht in der Gläubigerversammlung.188

III. Massegläubiger Für die Beantwortung der Frage, ob Massegläubiger Teilhaber sind, ist zwischen verschiedenen Verfahrenssituationen zu differenzieren.

1. Grundsatz Die Massegläubiger (§ 53 InsO) haben grundsätzlich keinen Anteil an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht. Für die Begründung dieser Abgrenzung ist zwischen den Verfahrenskosten (§ 54 InsO) und den sonstigen Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO) zu unterscheiden. 186 

Beachte dazu §§ 30d I 1, 153b I ZVG. Im Ergebnis ist eine solche Pflicht des absonderungsberechtigten Gläubigers in der Literatur anerkannt (Sinz, in: Schmidt, InsO, § 173 Rn. 7; Tetzlaff, ZInsO 2007, 478, 483; Tetzlaff, in: MüKo InsO, § 173 Rn. 10). Dogmatisch falsch ist es, insoweit von einer „Obliegenheit“ zu sprechen (so aber Sinz, in: Schmidt, InsO, § 173 Rn. 7; Tetzlaff, in: MüKo InsO, § 173 Rn. 10), da die Verletzung eine Schadensersatzpflicht begründet, was nur bei Pflichten möglich ist (Wolf/Neuner, AT, § 19 Rn. 38). Auch ein sich aus dem Sicherungsvertrag ergebendes „Gebot[s] zur schonenden Pfandverwertung“ (Tetzlaff, ZInsO 2007, 478, 483) ist als Grundlage einer Schadensersatzpflicht nicht überzeugend, da der insolvente Schuldner als Vertragspartner evtl. gar keinen Schaden aus einer suboptimalen Verwertung hat. Wirtschaftlich geschädigt sind die in der Bruchteilsgemeinschaft verbundenen Gläubiger, und dementsprechend handelt es sich bei der Pflicht zur effektiven Verwertung um eine Rücksichtnahmepflicht gegenüber den anderen Gläubigern. 188  Für die „nur-absonderungsberechtigten“ Gläubiger, um die allein es hier geht, ergibt sich das Stimmrecht insb. aus § 76 II Hs. 2 InsO. Siehe dazu auch Jungmann, in: Schmidt, InsO, § 76 Rn. 12, sowie Knof, in: Uhlenbruck, InsO § 76 Rn. 24 und § 77 Rn. 29. 187 



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

193

Eine Beteiligung des Insolvenzgerichts, des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht der Gläubiger wäre sinnwidrig und nicht systemkonform. Das Insolvenzgericht kann schon aus rechtsstaatlichen Gründen nicht als Gläubiger, das heißt als Partei am Verfahren teilnehmen. Unabhängig vom Theorienstreit über die genaue dogmatische Einordnung des Verwalters kann auch er jedenfalls aufgrund der nach § 56 I InsO erforderlichen Unabhängigkeit von den Gläubigern nicht selbst zu diesen gehören. Dasselbe gilt für den Gläubigerausschuss, der den Insolvenzverwalter unterstützt (§ 69 S. 1 InsO). Die Regelung in §§ 53 Var. 1, 54 InsO begründet folglich keine Teilhabe der Kostengläubiger an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht. Vielmehr drückt sich hierin das allgemeine Prinzip der Zwangsvollstreckung aus, dass Verfahrenskosten vorab vom Erlös abzuziehen sind.189 Eine Teilhabe der in § 55 InsO genannten Massegläubiger kommt schon deshalb nicht infrage, weil deren Forderungen nicht in Geld befriedigt werden müssen.190 Mit dem Inhalt des Befriedigungsrechts und einer Teilhabe an demselben ist dies unvereinbar. Aber auch der Zweck des Insolvenzverfahrens spricht gegen einen Anteil der Massegläubiger an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht. Das Insolvenzverfahren dient der Befriedigung der Gläubiger (§ 1 S. 1 InsO); Gläubiger in diesem Sinne kann aber nur sein, wer einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Anspruch gegen den Schuldner hat. Demgegenüber sind die Masseverbindlichkeiten „dadurch gekennzeichnet, dass sie nach Insolvenzeröffnung begründet werden.“191 Man kann daher sagen: Das Befriedigungsrecht ist der Grund für die Insolvenzverwertung, die Masseverbindlichkeiten sind hingegen deren Folge; das Insolvenzverfahren dient nicht der Befriedigung der Masseverbindlichkeiten, sondern bringt diese erst hervor. Dementsprechend ordnet die InsO an, dass das Insolvenzverfahren den Massegläubigern nicht als Vollstreckungsverfahren offensteht: Während §§ 87, 89 I InsO für die Insolvenzgläubiger ausdrücklich und §§ 159, 165 ff. InsO für die absonderungsberechtigten Gläubiger sinngemäß aussagen, dass diese Gläubiger ihre Befriedigung im Insolvenzverfahren suchen müssen bzw. können, steht den Massegläubigern ausschließlich die Einzelzwangsvollstreckung zur zwangsweisen Durchsetzung ihrer Forderungen offen, wie § 90 InsO zu entnehmen ist. Damit sind die Vollstreckungsverfahren für die Massegläubiger einerseits und die Insolvenzgläubiger und die Absonderungsberechtigten andererseits getrennt. Ein gemeinschaftliches Befriedigungsrecht scheidet damit aus. 189 

Vgl. §§ 817 IV 1, 874 II ZPO, § 109 ZVG. Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 14.25; Hefermehl, in: MüKo InsO, § 53 Rn. 47; Henckel, in Jaeger, InsO, § 53 Rn. 3 f. 191  Hefermehl, in: MüKo InsO, § 53 Rn. 9 (siehe auch Rn. 19 ff.). 190 Siehe

194

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

2.  Ausnahme im „Insolvenzfall“ des § 208 I InsO Für die in §§ 207 I, 208 I InsO definierten Fälle unzureichender Masse hat sich die Bezeichnung der „Insolvenz in der Insolvenz“ eingebürgert.192 Darin liegt aber nicht nur eine pointierte Beschreibung der wirtschaftlichen Situation, sondern die Rechtsfolgen der Massearmut entsprechen in wichtigen Punkten tatsächlich derjenigen der „Erst-Insolvenz“: So setzt sich in der Folge einer Massearmut i. S. d. § 207 I InsO193 das Gebot der Kostendeckung nach § 26 InsO fort, und § 208 I InsO194 spiegelt in seinen beiden Sätzen die Insolvenzeröffnungsgründe der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 I, II 1 InsO) und der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 I, II InsO) im Bezug auf die Massegläubiger. Für die vorliegende Untersuchung ist hierbei die Zäsurwirkung einer Massearmutsanzeige des Verwalters nach § 208 I InsO relevant. Denn diese Anzeige, die ein einheitliches Gegenstück zum Eröffnungsantrag (§ 13 I 1 InsO) und dem Eröffnungsbeschluss (§ 27 InsO) darstellt, hat für die Gläubiger der bis dahin begründeten Masseverbindlichkeiten ebenso einschneidende Wirkungen wie die Insolvenzeröffnung für die Insolvenzgläubiger. Für die sog. Alt-Massegläubiger195 i. S. d. § 209 I Nr. 3 InsO greifen nämlich nun Regelungen, die denjenigen des Regelverfahrens in Bezug auf die Insolvenzgläubiger entsprechen, indem für sie ein Vollstreckungsverbot greift (§ 210 InsO), und ihnen eine Befriedigung nur noch nach der Befriedigung von Neu-Massegläubigern i. S. d. § 209 I Nr. 2 InsO zusteht, die – und das ist besonders zu beachten – nicht mehr in Natur, sondern nur noch in Geld, ggf. nach einer Umrechnung entsprechend § 46 InsO, erfolgt.196 Man kann daher formulieren: Die Alt-Massegläubiger sind die Insolvenzgläubiger innerhalb der „Insolvenz in der Insolvenz“. Aufgrund dieser veränderten Rechtslage muss aber auch die Zugehörigkeit zur Gläubigergemeinschaft neu beurteilt werden. Die oben vorgebrachten Argumente gegen eine Teilhabe greifen nun hinsichtlich der in § 209 I Nr. 3 InsO genannten Gläubiger nicht mehr, weil sie eine Befriedigung nur noch im Insolvenzverfahren und nur in Geld verlangen können. Da sie auch nicht als „Kostengläubiger“ aus rechtsstaatlichen Gründen aus der Gemeinschaft auszuschließen sind, spricht nun nichts mehr gegen ihre Einbeziehung. Vielmehr zeigt wiederum die Parallele zur Eröffnung des Regelverfahrens, dass eine 192 

Rn. 1.

Früher „Konkurs im Konkurs“, siehe stellvertretend Ries, in: Uhlenbruck, InsO, § 207

193 Sog. „Massearmut im engeren Sinn“ oder „Masselosigkeit“ (Hefermehl, in: MüKo InsO, § 207 Rn. 2); Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 207 Rn. 9 spricht von „Massekostenarmut“. 194  Sog. „Massearmut im weiteren Sinn“ oder „Masseunzulänglichkeit“ (Hefermehl, in: MüKo InsO, § 207 Rn. 2). 195  Hefermehl, in: MüKo InsO, § 208 Rn. 16. 196  Hefermehl, in: MüKo InsO, § 209 Rn. 14; Pape, in: Kübler/Prütting/Bork, § 209 Rn. 4; Windel, in: Jaeger, InsO, § 209 Rn. 11; die Gesetzesbegründung sieht eine Umrechnung ausdrücklich vor, siehe BT-Drucks. 12/2443, S. 220.



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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Teilhabe der Alt-Massegläubiger am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht systemkonform ist. Denn im Hinblick auf die „Insolvenz in der Insolvenz“ sind die Ansprüche der Alt-Massegläubiger eben nicht mehr Folge, sondern Grund dieser prozessualen Lage. Damit liegt eine Übertragung der Rechtsfolgen aus der Regelinsolvenz nahe, und diese verwirklichen sich in der Teilhabe der entsprechenden Gläubiger an einem gemeinschaftlichen Recht auf Befriedigung aus der unzureichenden Haftungsmasse. Legt man dieses Verständnis zugrunde, ist die Regelung des § 210a InsO und auch deren Begründung durch den Gesetzgeber unmittelbar einleuchtend. Wie bereits gesehen, sind die Regelungsbefugnisse beim Insolvenzplan durch die Bruchteilsgemeinschaft am Befriedigungsrecht legitimiert.197 Nach § 210a Nr. 1 InsO werden i. F. d. § 208 I InsO die Alt-Massegläubiger in das Insolvenzplanverfahren einbezogen. Der Gesetzgeber sieht dies nicht als Sonderregelung, sondern als Konsequenz aus den allgemeinen Grundsätzen an; die Einführung der Regelung bezeichnet er als „gesetzliche Klarstellung“, mit der Zweifel über die Zulässigkeit eines Plans bei Massearmut beseitigt werden sollen.198 Er meint, die Möglichkeit zu Regelungen über die Masseansprüche sei in diesen Fällen „zwangsläufig“ gegeben.199 Durch eine Einbeziehung der Alt-Massegläubiger in die Bruchteilsgemeinschaft lässt sich diese Auffassung dogmatisch verankern. Die Alt-Massegläubiger werden in dieser Verfahrenssituation zu „bevorrechtigten Insolvenzgläubigern“.

3. Ergebnis Die Massegläubiger haben im Regelverfahren keinen Anteil am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht. Im Fall der Masseunzulänglichkeit nach § 208 I InsO werden sie hingegen zu „vorrangigen Insolvenzgläubigern“ im besonderen Verfahren der „Insolvenz in der Insolvenz“ und sind in dieser Rolle an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht beteiligt. In den folgenden Ausführungen werden die Massegläubiger daher nicht mehr als Mitglieder der Gläubigergemeinschaft berücksichtigt. Für den Fall des § 208 I InsO und insbesondere eines Insolvenzplans nach § 210a InsO ist aber die dadurch begründete Änderung ihres Status zu berücksichtigen; entsprechend § 210a InsO ist dann anstelle von „nicht nachrangige Insolvenzgläubiger“ jeweils „Alt-Massegläubiger“ zu lesen, anstelle von „nachrangigen Insolvenzgläubigern“ hingegen „nicht nachrangige und nachrangige Insolvenzgläubiger“.

197 

Oben B III. BT-Drucks. 17/5712, S. 29. 199  BT-Drucks. 17/5712, S. 29. 198 

196

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

IV.  Mitglieder des insolventen Verbands Wenn es sich beim Schuldner um keine natürliche Person handelt, kommt eine Teilhabe am insolvenzrechtlichen Befriedigungsrecht auch der Personen in Betracht, die am Schuldner beteiligt sind. Die nach § 11 I, II Nr. 1 InsO insolvenzfähigen juristischen Personen und Vereinigungen werden im Folgenden unter dem Begriff „Verband“200 zusammengefasst. Der in §§ 225a, 246a InsO verwendete Begriff „Anteilsinhaber“ wird durch „Mitglieder“ ersetzt, da der Begriff der Mitgliedschaft für Personengesellschaften und Körperschaften trotz der Unterschiede bei den einzelnen Rechtsformen einheitlich verwendet werden kann.201

1.  Vorüberlegung zum Wesen der Mitgliedschaft Die grundsätzliche Frage, ob die Mitglieder überhaupt als Gläubiger des Verbands in Betracht kommen, ist anhand des Wesens der Mitgliedschaft zu entscheiden. „Die Mitgliedschaft ist zugleich subjektives Recht und Rechtsverhältnis.“202 Zunächst ist festzustellen, dass die Vollstreckung gegen den Verband grundsätzlich nicht auf das subjektive Recht der Mitgliedschaft als Vollstreckungsgegenstand gerichtet ist, da Vollstreckungsmaßnahmen nur gegen den Vollstreckungsschuldner, also den Verband vorzunehmen sind.203 Die Mitgliedschaft kann im Gegenteil aber eine Gläubigerstellung des Mitglieds gegenüber dem Verband begründen. In einer Personengesellschaft ist die Mitgliedschaft ein „subjektives Recht [...] mit personenrechtlichem und vermögensrechtlichem Doppelcharakter“.204 Der personenrechtliche Inhalt besteht dabei in der Teilhabe an der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis für die Gesellschaft, sowie den Rechtsverhältnissen unter den Gesellschaftern, die sich in der Möglichkeit der actio pro socio prozessual ausdrücken.205 Bei Körperschaften bedeutet die Mitgliedschaft hingegen kein Rechtsverhältnis der Mitglieder untereinander, sondern nur der Mitglieder zum Verband.206 Als teilweise Parallele zum personenrechtlichen Teil der Mitgliedschaft in der Personengesellschaft gewährt die Mitgliedschaft hier ein Stimmrecht als „Befugnis, bei der Herstellung des Willens für die Kör200 Zu diesem Oberbegriff siehe Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 5 III; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I 1. 201  Flume, AT I/1, S. 125; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I 2, 3 b. 202  Flume, AT I/2, S. 258; siehe auch: Flume, AT I/1, S. 125 ff.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 I 3. 203  Die Trennung der Rechtskreise von Verband und Mitgliedern auch in der Insolvenz des Verbands bestätigt § 93 InsO. 204  Wiedemann, Übertragung von Mitgliedschaftsrechten, S. 39 mit Nachweisen; diesen zitierend ebenso Flume, AT I/1, S. 127. 205  Flume, AT I/1, S. 128 ff. 206  Flume, AT I/1, S. 95 ff. 128; a. A. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 1 b.



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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perschaft mitzuwirken“.207 Zudem stehen dem Mitglied auch hier Klagerechte als Gesellschafter zu.208 Diese Aspekte der Mitgliedschaft – Karsten Schmidt bezeichnet sie als Teilhabe- und Schutzrechte209 – führen für sich genommen noch nicht zu einer Gläubigerstellung der Mitglieder, da es sich nicht um Forderungen gegen den Verband, sondern um Mitwirkungsrechte innerhalb des Verbands oder sogar nur um Rechte gegenüber den anderen Mitgliedern handelt. Im Insolvenzverfahren relevant ist hingegen der vermögensmäßige Gehalt der Mitgliedschaft. Bei Personengesellschaften besteht die „vermögensrechtliche Teilhabe des Gesellschafters [nur] in der Gewinn- und Verlustbeteiligung, dem Anteil am Liquidationserlös bzw. dem Auseinandersetzungsanspruch für den Fall des Ausscheidens und in der Haftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft.“210 Auch bei Körperschaften gibt es einen entsprechenden „vermögensmäßigen Inhalt des Mitgliedschaftsrechts“211, der ebenfalls insbesondere im Recht auf Anteile an einem Gewinn, einem Liquidationserlös oder in einem Abfindungsanspruch beim Ausscheiden besteht.212 Dieser vermögensrechtliche Inhalt der Mitgliedschaft ist ein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung der Mitglieder als Gläubiger in das Insolvenzverfahren.

2.  Vermögensanspruch aus dem Verbandsrecht Voraussetzung der Gläubigerstellung und der Teilhabe am Befriedigungsrecht ist ein auf Geld gerichteter oder in Geld umrechenbarer Vermögensanspruch gegen den Schuldner, der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde. Als ein solcher kommt der nach Auflösung der Gesellschaft bestehende Anspruch auf einen Anteil am verbleibenden Verbandsvermögen in Betracht, der hier zunächst unter Außerachtlassung insolvenzverfahrensrechtlicher Bestimmungen dargestellt wird.

a)  Anspruch auf Teil des verbleibenden Vermögens Verbände werden mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über deren Vermögen aufgelöst.213 Regelmäßige Folge der Auflösung eines Verbands ist die 207 

Flume, AT I/2, S. 201. Flume, AT I/2, S. 302 ff. 209  Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 c aa; siehe auch dessen Darstellung dieser Rechte, die sich in der Dogmatik von der Flumes teilweise unterscheidet, § 21. 210  Flume, AT I/1, S. 145. 211  Flume, AT I/2 S. 274. 212  Flume, AT I/2 S. 284 f.; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 3 c aa. 213  Eingetragener Verein: § 42 I 1 BGB; Gesellschaft bürgerlichen Rechts: § 728 I 1 BGB; offene Handelsgesellschaft: § 131 I Nr. 3 HGB; Gesellschaft mit beschränkter Haftung:§ 60 I 208 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Durchführung einer Liquidation, nach deren Abschluss der Verband „beendet“ wird (sog. Vollbeendigung).214 Im Rahmen der Liquidation haben die Mitglieder stets einen persönlichen Anspruch gegen den Verband auf Auszahlung eines verbleibenden Überschusses, geregelt in § 45 BGB215, § 734 BGB216, § 155  I HGB217, § 72 GmbHG218, § 271 AktG219 und § 91 GenG220.

b)  Kein Ausschluss durch Insolvenzeröffnung nach dem Verbandsrecht Dieser Anspruch geht nach dem Recht der Verbände nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter. Man könnte einen Ausschluss zwar im Hinblick darauf annehmen, dass die Durchführung der Liquidation nach den Spezialregelungen für den Verband nur stattfindet, „sofern nicht [...] das Insolvenzverfahren eröffnet“ ist.221 Da die oben genannten Ansprüche systematisch in der verbandsrechtlichen Abwicklung verankert sind, ließe sich folgern, dass sie mit Insolvenzeröffnung gesetzlich ausgeschlossen werden. Das wäre aber nicht richtig, weil es auch nach Insolvenzeröffnung möglich bleibt, dass eine Liquidation nach dem Verbandsrecht durchgeführt wird, nämlich jedenfalls dann, wenn das Insolvenzverfahren gem. §§ 212, 213 InsO eingestellt oder nach § 258 I InsO aufgehoben und eine Fortsetzung des Verbandes nicht beschlossen wird;222 außerdem sind die Regeln zur Abwicklung auf freigegebene Gegenstände anzuwenden.223 Damit bedeutet die Regelung, dass eine Abwicklung nur stattfindet, „sofern“ das InsolvenzNr. 4 GmbHG; Aktiengesellschaft: § 262 I Nr. 3 AktG; Genossenschaft: § 101 GenG. Hinsichtlich Auflösung und Liquidation gilt für den nicht rechtsfähigen Verein das Recht der GbR (§ 54 S. 1 BGB), für die Partnerschaftsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft sowie für die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung das Recht der OHG (§ 9 I PartGG, § 161 II HGB, § 1 EWIVAG), für die Kommanditgesellschaft auf Aktien gelten §§ 289 f. AktG und ansonsten das Recht der AG (§ 278 III AktG). Die Partenreederei ist mittlerweile nicht mehr gesetzlich geregelt, auf noch bestehende Partenreedereien sind aber nach dem alten Recht ebenfalls in der Liquidation die Regelungen zur OHG entsprechend anzuwenden (BGH NJW 1991, 3148, LS 4); die Auflösung bei Insolvenz war speziell angeordnet in § 506a HGB a. F. 214  Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V. 215  Arnold, in: MüKo BGB, § 47 Rn. 4. 216  Kilian, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 734 BGB, Rn. 4. 217  Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 155 Rn. 1; Kamanabrou, in: Oetker, HGB, § 155 Rn. 1. 218  Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 72 Rn. 2. 219  Hüffer, in: MüKo AktG, § 271 Rn. 3. 220  Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 18 GenG Rn. 4. 221  § 47 BGB, § 730 I BGB, § 145 I HGB, § 264 I AktG; sinngemäß auch § 66 I GmbHG. 222  Nach § 42 I 2 BGB, § 728 I 2 BGB, § 144 I HGB, § 60 I Nr. 4 GmbHG, § 274 I, II Nr. 1 AktG kann in diesen Fällen eine Fortsetzung beschlossen werden; erfolgt kein solcher Beschluss, bleibt es bei der Auflösung und der Durchführung der Liquidation. Zu den Möglichkeiten einer verbandsrechtlichen Liquidation nach Verfahrenseinstellung oder Aufhebung gem. §§ 207 I, 211 I, 200 I InsO siehe unten. 223 Siehe z. B. für die GmbH: Büteröwe, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 66



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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verfahren nicht eröffnet ist, lediglich eine Aussetzung der verbandsrechtlichen Abwicklung „solange und soweit“ das Insolvenzverfahren läuft. Die Ansprüche der Mitglieder auf das Restvermögen des Verbandes aus § 45 BGB, § 734 BGB, § 155 I HGB, § 72 GmbHG, § 271 AktG, § 91 GenG sind somit nach dem Verbandsrecht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeschlossen.

c) Zwischenergebnis Aus den Regelungen zu den in § 11 I, II Nr. 1 InsO genannten Verbänden ergibt sich ein Anspruch der Mitglieder gegen den Verband auf einen Teil des Verbandsvermögens, soweit ein solches nach Berichtigung der Verbindlichkeiten verbleibt.

3.  Behandlung des Anspruchs im Insolvenzverfahren Es stellt sich die Frage, wie dieser Anspruch im Insolvenzverfahren zu behandeln ist. Der gegen den Verband gerichtete Anspruch des Mitglieds ist auf Geld gerichtet oder zumindest gemäß § 45 InsO umrechenbar. Er ist auch vor der Insolvenzeröffnung begründet, da er in dem Mitgliedschaftsrecht selbst angelegt ist.224 Dass der Anspruch dem Mitgliedschaftsrecht an dem Verband entspringt, schließt dessen Geltendmachung als Insolvenzforderung nicht aus. Zwar wird allgemein gesagt, dass Mitgliedschaftsrechte am Schuldner keine Insolvenzforderungen begründen,225 gemeint ist damit aber nicht ein Ausschluss sämtlicher aus der Mitgliedschaft folgender Ansprüche; vielmehr sollen lediglich die Einlagen nicht zurückgefordert und aus der Mitgliedschaft folgende Nebenrechte nicht durch Umrechnung geltend gemacht werden können. Bereits gesicherte Rechtspositionen in Form von Ansprüchen gegen den Verband können aber sehr wohl Insolvenzforderungen darstellen.226 Demnach sind die Mitglieder nach § 38 InsO als Insolvenzgläubiger einzuordnen.227 GmbHG Rn. 4; mit der h. M. ist die Möglichkeit einer Freigabe bei Verbandsinsolvenzen anzuerkennen (dazu unten 3 a bb aaa). 224  Nicht entscheidend ist hingegen der Zeitpunkt der Entstehung oder der Fälligkeit des Anspruchs, es kommt nur darauf an, dass die materiell-rechtlichen Vorgänge, die zur Entstehung des Anspruchs führen, vor Verfahrenseröffnung abgeschlossen waren (statt aller: Ehricke, in: MüKo InsO, § 38 Rn. 16). Bei dem Anspruch auf einen Vermögensüberschuss ließe sich evtl. darüber streiten, ob dieser bereits mit Auflösung des Verbands oder erst später, insbesondere nach der Erfüllung der sonstigen Verbindlichkeiten entsteht; darauf kommt es aber hier nicht an. 225  Ehricke, in: MüKo InsO, § 38 Rn. 54; Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 31; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 38 Rn. 8. 226  Henckel, in: Jaeger, InsO, § 38 Rn. 36 ff. 227  Die Mitglieder wollten der ESUG-Gesetzgeber (BT-Drucks. 17/5712, S. 18) und auch

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Da der Anspruch aber inhaltlich an die vorherige Erfüllung sämtlicher Verbindlichkeiten anknüpft, steht er von Gesetzes wegen im Rang nach den Ansprüchen des § 39 I InsO. Dass dieser Nachrang nicht explizit in der InsO geregelt ist, sondern sich aus dem Anspruch selbst ergibt, ist unproblematisch; ein Nachrang kann sogar vertraglich bestimmt werden (§ 39 II InsO). Zu prüfen ist aber, ob nach den Bestimmungen der InsO der Anspruch ausgeschlossen oder sonst inhaltlich tangiert wird. Hierfür ist die systematische Einordnung des § 199 S. 2 InsO von entscheidender Bedeutung.

a)  Keine Verdrängung durch § 199 S. 2 InsO als „spezielles Verbandsrecht“ § 199 S. 2 InsO könnte lex specialis zu den oben genannten Anspruchsgrundlagen für den Liquidationsanspruch sein und diese verdrängen. Die Deutung des § 199 S. 2 InsO als materiell-verbandsrechtliche Anspruchsgrundlage kommt aber nur dann infrage, wenn man das Insolvenzverfahren als ein spezielles verbandsrechtliches Abwicklungsverfahren ansieht.

aa)  Die Ansicht von Karsten Schmidt Ganz in diesem Sinn will Karsten Schmidt das Insolvenzverfahren gesellschaftsrechtlich usurpieren.228 Seiner Ansicht nach ist „Zweck des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Verbandes [...] nicht bloß die Vermögensverwertung und Gläubigerbefriedigung, sondern – sofern nicht eine Sanierung gelingt – die Vollabwicklung des Rechtsträgers.“229 Dies gipfelt in der Aussage: „Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Handelsgesellschaft [...] leitet aber nicht ein gesellschaftsrechtliches Insolvenzverfahren, sondern ein insolvenzrechtliches Liquidations- oder Sanierungsverfahren ein [...].“230 – Das Insolvenzverfahren ist also gar kein Insolvenzverfahren, sondern ein Liquidationsverfahren. Dementsprechend soll der Insolvenzverwalter auch kein Insolvenzverwalter sein, sondern ein Organ der Gesellschaft

Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 553 den Gläubigern „gleichstellen“. Das wurde durch die Einbeziehung ins Insolvenzplanverfahren und die systematische Stellung der §§ 222 I Nr. 4, 225a InsO umgesetzt (Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 225a Rn. 3). Dabei stützen sich aber sowohl der Gesetzgeber als auch Eidenmüller/Engert, ZIP 2009, 541, 543 ff. auf ökonomische Erwägungen. Dass die Anwendung des Gesetzes zur Einordnung als nachrangige Insolvenzgläubiger führt, wird nicht angesprochen. 228  Zusammenfassend und mit Nachweisen zu vielen weiteren Publikationen desselben Inhalts Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 3 b, VI und Schmidt, in: Schmidt, InsO, Einl. Rn. 23, § 1 Rn. 14; grundlegend: Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, insb. S. 99 ff., 151 ff. und 255 (Leitsatz 6). 229  Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b aa. 230  Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b bb.



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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in Gestalt eines Fremdliquidators.231 Hierbei stützt sich Schmidt explizit auch auf § 199 S. 2 InsO, der zeige, dass Aufgabe des Verwalters die Vollabwicklung der Gesellschaft sei.232

bb) Kritik Diese Umdeutung der InsO in ein gesellschaftsrechtliches Regelwerk verkennt jedoch die Rechtsnatur dieses Gesetzes und führt letztlich zu unhaltbaren, weil verfassungswidrigen Ergebnissen. Sie entspricht auch nicht dem Willen des Gesetzgebers und der Gesetzessystematik.

aaa)  Insolvenzverfahren muss Zwangsvollstreckung bleiben Man kann es nicht oft genug wiederholen: Das Insolvenzverfahren ist ein Verfahren der Zwangsvollstreckung.233 Dies ist die klare Aussage des § 1 S. 1 InsO. Eine andere Einordnung führt zu verfassungswidrigen Ergebnissen. Deutschland ist ein Rechtsstaat, daher ist die Selbsthilfe grundsätzlich verboten. Als Ausgleich für dieses Verbot ist der Staat durch die Grundrechte in Art. 14 I, 19 IV GG verpflichtet, Zwangsvollstreckungsverfahren zur Verfügung zu stellen, um die Durchsetzung von Ansprüchen zu ermöglichen.234 Wäre das Insolvenzverfahren nur ein gesellschaftsrechtliches Liquidationsverfahren235 läge darin also – wegen des gleichzeitigen Ausschlusses der Einzelvollstreckung nach §§ 87, 89 I InsO – hinsichtlich der Insolvenzgläubiger ein Verstoß gegen diese Pflicht und damit gegen die Verfassung. Karsten Schmidt erkennt zwar pro forma die „Vermögensverwertung und Gläubigerbefriedigung“ als Verfahrenszweck an, und will nicht gesagt haben, dass die „Vollabwicklung Vorrang vor der Gläubigerbefriedigung hat.“236 Das sind aber bloße Lippenbekenntnisse, denn in Wahrheit soll nach seiner Vorstellung eindeutig die Gläubigerbefriedigung hinter der Vollabwicklung zurücktreten. Augenfällig wird dies bei der Freigabe von Massegegenständen, die 231 

Schmidt, in: Schmidt, InsO, § 1 Rn. 14; Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b cc. Schmidt, in: Schmidt, InsO, § 1 Rn. 14. 233 Allgemeine Ansicht, vgl. etwa Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 11 f.; Stürner in: MüKo InsO, Einl. Rn. 1 und Gaul, in Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 42 ff.; siehe außerdem die Begründung zu § 1 InsO in BT-Drucks. 12/2443, S. 108 und den Beschluss des BVerfG vom 12. 01. 2016 (Az. 1 BvR 3102/13), Rn. 43. 234  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 1 Rn. 2, § 5 Rn. 9, 12, § 6 Rn. 1 ff.; bezogen auf das Insolvenzverfahren außerdem: Becker, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 1 Rn. 3. Auch das BVerfG hat jüngst die verfassungsrechtliche Pflicht des Staates betont, in Form des Insolvenzverfahrens eine effektive Zwangsvollstreckung zu ermöglichen (Beschl. v. 12. 01. 2016, Az. 1 BvR 3102/13, Rn. 43 f.). 235  So die Aussage von Karsten Schmidt. 236  Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b aa. 232 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Schmidt in der Verbandsinsolvenz ausschließen will: Nach seiner Konstruktion des Insolvenzverfahrens als Liquidationsverfahren kann es massefreies Verbandsvermögen nicht geben, eine Freigabe scheidet damit aus.237 Die Freigabe ist jedoch ein notwendiges Instrument zur Gewährleistung einer effektiven Vollstreckung, da sie dazu dient, Gegenstände aus dem Verfahren auszusondern, durch die eine Schmälerung der Masse droht.238 Inwieweit bei Umweltlasten eine Freigabe ausscheidet, ist ein nicht verbandsspezifisches Sonderproblem, das hier nicht zu klären ist;239 fest steht aber jedenfalls, dass ein genereller Ausschluss der Freigabe in der Insolvenz von Verbänden insolvenzzweckwidrig wäre und daher mit der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung abzulehnen ist.240 Bei einer Umdeutung des Insolvenzverfahrens in ein Liquidationsverfahren wäre also eine wirksame Zwangsvollstreckung in der Verbandsinsolvenz nicht mehr gewährleistet: Die Haftungsverwirklichung würde zugunsten der Abwicklung zurückgestellt, den Insolvenzgläubigern stünde kein Zwangsvollstreckungsverfahren zur Verfügung. Dass dies nicht nur eine begriffsdogmatische Betrachtung ist, zeigen die Konsequenzen, die sich für die Freigabe von Massegegenständen ergeben. Nach Karsten Schmidt würde in der Verbandsinsolvenz die Zwangsvollstreckung ausgesetzt. Das wäre verfassungswidrig.

bbb)  Gesetzliche Regelung In der gesetzlichen Regelung zeigt sich, dass das Insolvenzverfahren, den obigen Anforderungen entsprechend, nicht der Abwicklung eines Verbands, sondern der Befriedigung der Gläubiger dient. § 1 S. 1 InsO nennt als Verfahrensziel die Abwicklung eines insolventen Verbands nicht. Auch im Gesamtsystem der InsO ist eine Liquidation des Schuldnerverbands nicht angelegt. Das gilt zunächst für die Verfahrenseinstellung nach §§ 212, 213 InsO. Insbesondere bei einer Verfahrensaufhebung nach Zustandekommen eines Insolvenzplans (§ 258 InsO), der nach § 1 S. 1 InsO gleichberechtigt neben dem Regelverfahren steht, muss aber auch keine Vollabwicklung erfolgen. Schließlich lassen §§ 203 III, 207, 211 III 2 InsO Raum für eine verbandsrechtliche Liquidation nach einem Insolvenzverfahren: Wäre das Insolvenzverfahren selbst Liquidationsverfahren, müsste eine Nachtragsverteilung konsequenterweise ebenfalls stets nach Insolvenzrecht geschehen. Das ist aber nicht der Fall, denn es ist durchaus denkbar, dass die Voraussetzungen einer verbandsrechtlichen (Nachtrags-)Liquidation vorliegen, die einer insolvenzrecht237 

Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 VI 4 b bb. Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 72. 239  Siehe dazu Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 75 ff. 240  Ebenso mit zahlreichen Nachweisen: Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 72. 238 



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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lichen Nachtragsverteilung aber nicht. Ob nach einer Einstellung nach § 207 I InsO überhaupt eine insolvenzrechtliche Nachtragsverteilung in Betracht kommt, ist umstritten.241 Und auch nach einer Einstellung gem. § 211 I InsO oder einer Aufhebung gemäß § 200 I InsO ist eine verbandsrechtliche Liquidation nicht ausgeschlossen, wenn sich nachträglich Vermögenswerte finden. Denn bei der Entscheidung über die insolvenzrechtliche Nachtragsverteilung gem. §§ 203 III, 211 III 2 InsO wird die für sämtliche unbefriedigte Insolvenzgläubiger zu erwartende Quote in den Blick genommen;242 hingegen ist eine vollständige Liquidation bei Personengesellschaften schlicht von Gesetzes wegen notwendig243 und bei juristischen Personen ist für die Entscheidung über die Anordnung einer Nachtragsliquidation allein die Kostendeckung maßgeblich.244 Das Insolvenzverfahren führt also nicht notwendig zu einer Vollabwicklung des Verbands und schließt eine verbandsrechtliche Liquidation nicht aus. Die Vollabwicklung kann demnach nicht als Ziel des Insolvenzverfahrens und dieses somit nicht als Liquidationsverfahren bezeichnet werden.

ccc)  Auffassung des Gesetzgebers Jedoch ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Gesetzgeber der InsO Rücksicht auf das Bedürfnis nach einer Abwicklung des Verbands genommen hat. Daher ist näher zu untersuchen, welche Konsequenzen sich daraus für das Insolvenzverfahren ergeben, insbesondere, ob die Vollabwicklung zumindest ein „nachrangiges“ Ziel des Insolvenzverfahrens darstellen sollte. Es wird sich aber zeigen, dass dies nicht der Fall ist, und dass die Äußerungen und Neuregelungen des Gesetzgebers der Insolvenzrechtsreform zur Vollabwicklung in erster Linie auf vollstreckungsverfahrensrechtlichen Überlegungen beruhten.

(1)  Begründung zu § 199 InsO Die Gesetzesbegründung zu § 199 InsO lautet: „Die Vorschrift stellt in ihrem Satz 1 zunächst klar, daß ein Überschuß bei der Verteilung der Insolvenzmasse dem Schuldner auszuhändigen ist. Ihre Hauptbedeutung liegt jedoch 241  Wenn man dies mit der h. M. bejaht, gelangt man zur Anwendung des § 203 III InsO (Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 203, Rn. 38) und damit zu denselben Überlegungen, wie sie nun zu den ausdrücklich geregelten Fällen folgen. 242  So die h. M.: Hintzen, in: MüKo InsO, § 203 Rn. 25; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 203 Rn. 33. Aber auch wenn man mit der Gegenansicht nur die Kosten dem zu verteilenden Wert gegenüberstellen will (hierfür: Meller-Hannich, in: Jaeger, InsO, § 203 Rn. 14), ergeben sich Unterschiede zur verbandsrechtlichen Liquidation, da im Insolvenzverfahren die Kosten regelmäßig höher sein werden. 243  Am Beispiel der OHG: Kamanabrou, in: Oetker, HGB, § 155 Rn. 12. 244  Am Beispiel von GmbH und AG: Altmeppen, in: Roth, Altmeppen, GmbHG, § 74 Rn. 23 (Deckung voraussichtlicher Kosten); Hüffer, in: MüKo AktG, § 273 Rn. 39 (Vorschusspflicht).

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

in Satz 2: Verbleibt ein solcher Überschuß im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer juristischen Person oder einer Gesellschaft, so hat der Insolvenzverwalter auch für die Verteilung des Überschusses an die einzelnen Beteiligten zu sorgen. Auf die Weise wird vermieden, daß sich dem Insolvenzverfahren noch eine gesellschaftsrechtliche Liquidation anschließen muß. Maßstab für diese Verteilung sind die gesetzlichen oder vertraglichen Bestimmungen über die Aufteilung des Vermögens im Falle einer solchen Liquidation.“245

Der Gesetzgeber trennt hier klar zwischen dem „Insolvenzverfahren“ und der „gesellschaftsrechtlichen Liquidation“, was bereits zeigt, dass das Insolvenzverfahren selbst gerade nicht als verbandsrechtliche Abwicklung verstanden wird. Auch der gesamte Gedankengang belegt diese Trennung: Wäre das Insolvenzverfahren selbst das Abwicklungsverfahren der Gesellschaft, hätte dies in der Begründung zu § 199 S. 2 InsO klar gesagt werden können. Die Vorschrift wäre dann eine den Regelungen in § 45 BGB, § 734 BGB, § 155 I HGB, § 72 GmbHG, § 271 AktG und § 91 GenG246 entsprechende Norm für die „insolvenzrechtliche Liquidation“, eine Anordnung, die sich natürlicherweise aus den Grundsätzen der Verbandsabwicklung ergibt und bei deren Fehlen eine Gesamtanalogie zu den vorgenannten Normen hätte gebildet werden müssen. Ein solches Verständnis liegt aber § 199 S. 2 InsO gerade nicht zugrunde: Der Gesetzgeber bringt hier keinen Grundsatz zum Ausdruck, sondern will eine Ausnahme regeln, nämlich eine Ausnahme von dem insolvenzverfahrensrechtlichen Grundsatz, dass ein Überschuss an den Schuldner herauszugeben ist (§ 199 S. 1 InsO). Davon soll bei der Verbandsinsolvenz abgewichen werden, da eine Auszahlung an den Verband nur zur Folge hätte, dass nun noch eine gesellschaftsrechtliche Liquidation durchgeführt werden müsste. Dem Gesetzgeber erscheint es aber vorzugswürdig, eine solche Liquidation entbehrlich zu machen, indem der Überschuss direkt an die Mitglieder ausgezahlt wird. Diese Regelung fügt sich angesichts der Ansprüche der Mitglieder in das Gesamtsystem des Insolvenzverfahrens nahtlos ein, wie unten noch gezeigt wird. An dieser Stelle genügt die Feststellung, dass in § 199 S. 2 InsO nicht die Vollabwicklung des Verbands zum Verfahrensziel erhoben und das Insolvenzverfahren zur gesellschaftlichen Liquidation umdeklariert wird,247 sondern dass im Gegenteil der Vorschrift eine klare Trennung zwischen Insolvenzverfahren und Verbandsabwicklung zugrunde liegt.

245 

BT-Drucks. 12/2443, S. 187. Geibel, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 18 GenG Rn. 4. 247  So aber Schmidt, in: Schmidt, InsO, § 1 Rn. 14 und Jungmann, in: Schmidt, InsO, § 199 Rn. 3. 246 



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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(2)  Vollabwicklung als „Ziel“ des Insolvenzverfahrens? Die in der Begründung zu § 199 InsO erkennbare gedankliche und juristische Trennung von Insolvenzverfahren und Verbandsliquidation kommt in den übrigen Gesetzesmaterialien zur Insolvenzrechtsreform meist weniger deutlich zum Ausdruck. Dort wird die Vollabwicklung immer wieder als „Ziel“ des Insolvenzverfahrens benannt, was eine Einordnung des Insolvenzverfahrens als besonderes Liquidationsverfahren nahezulegen scheint. Eine genauere Untersuchung zeigt aber, dass auch nach den Gesetzesmaterialien die Abwicklung tatsächlich nicht als Verfahrensziel eingeordnet werden kann.

(a)  Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfs und Begründung zu § 141a FGG Für ein Verständnis des Insolvenzverfahrens als echtes Liquidationsverfahren spricht auf den ersten Blick die Formulierung in der allgemeinen Begründung des Regierungsentwurfs und der Begründung zur Einführung des § 141a FGG, dessen hier interessierender Teil in § 394 I 2 FamFG übernommen wurde: Aus der allgemeinen Begründung des Regierungsentwurfs zur InsO: „Die Einbeziehung der Inhaber von nachrangigen Forderungen und von Eigentumstiteln in das Insolvenzverfahren gestattet es, die Vollabwicklung des Schuldnervermögens als insolvenzrechtliche Aufgabe zu bewältigen. Das Verfahren übernimmt bei Gesellschaften regelmäßig zugleich die Aufgabe der gesellschaftsrechtlichen Abwicklung bis hin zur Herbeiführung der Löschungsreife und anschließenden Löschung. Für eine außergerichtliche Liquidation im Anschluß an das Insolvenzverfahren besteht dann kein Bedürfnis mehr. Im Interesse des Rechtsverkehrs wird sichergestellt, daß insolvente Gesellschaften nach Durchführung des Verfahrens in aller Regel gelöscht werden.“248

Aus der Begründung des Entwurfs für § 141a FGG: „Es ist ein Ziel des neuen Insolvenzverfahrens, das Vermögen des Schuldners vollständig abzuwickeln. Bei Gesellschaften soll es vermieden werden, daß sich an die Liquidation im Insolvenzverfahren noch eine gesellschaftsrechtliche Liquidation anschließen muß. Eine Gesellschaft soll, sofern kein Sanierungsplan zustande kommt, im Insolvenzverfahren bis zur Löschungsreife abgewickelt werden; ein bei Verfahrensende etwa noch vorhandenes Restvermögen soll vom Insolvenzverwalter nach den Regeln des Gesellschaftsrechts an die am Schuldner beteiligten Personen verteilt werden (vgl. die §§ 1, 227 des Entwurfs der Insolvenzordnung). Auch für den Fall, daß im Insolvenzverfahren Masseunzulänglichkeit festgestellt wird, ist eine vollständige Verteilung der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter vorgesehen (§ 324 des Entwurfs der Insolvenzordnung). Nur wenn sich nach der Eröffnung des Verfahrens herausstellt, daß nicht einmal die Kosten des Verfahrens gedeckt werden können, wird das Verfahren ohne weitere Verwertungshandlungen mangels Masse eingestellt (§ 317 des Entwurfs der Insolvenzordnung). Auch die seltenen Fälle der Einstellung wegen Wegfalls des Eröffnungsgrunds 248 

BT-Drucks. 12/2443, S. 83 f.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

oder mit Zustimmung der Gläubiger (§§ 325, 326 des Entwurfs der Insolvenzordnung) bilden Ausnahmen vom Grundsatz der vollständigen Verwertung des Schuldnervermögens im Insolvenzverfahren.   In Zukunft kann damit im Regelfall davon ausgegangen werden, daß nach der Durchführung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft kein Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist. Es erscheint wünschenswert, für diesen Regelfall auch die Löschung der Gesellschaft im Handelsregister sicherzustellen.“249

Diese Passagen benennen die Abwicklung tatsächlich als „Aufgabe“ und „Ziel“ des Insolvenzverfahrens. Allerdings beziehen sie sich dabei nicht auf konkrete Regelungen, sondern bleiben im Allgemeinen. Vor allem aber stützt sich die Gedankenführung auf die „regelmäßigen“ Folgen des Insolvenzverfahrens, die genutzt werden sollen.250 Die Begriffe der „Aufgabe“ und des „Ziels“ sind insoweit unglücklich gewählt, denn inhaltlich beschreibt der Gesetzgeber nur die typischen Folgen des Insolvenzverfahrens und erklärt seine Absicht, diese für die Vollabwicklung zu nutzen. Tatsächlich war es also das Ziel der Insolvenzrechtsreform, die Vollabwicklung als „regelmäßigen“ Nebeneffekt des Insolvenzverfahrens zu ermöglichen; das bedeutet aber nicht, dass die Vollabwicklung selbst ein gesetzliches Ziel des Insolvenzverfahrens wäre.

(b)  Gesetzgebungsgeschichte des § 1 InsO Der Regierungsentwurf zur InsO sah eine Erwähnung der Abwicklung im Gesetzestext in § 1 bei den „Zielen des Insolvenzverfahrens“ vor: „Bei juristischen Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit tritt das Verfahren an die Stelle der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung.“251 In der Begründung dazu heißt es: „Bei Gesellschaften und juristischen Personen dient das Verfahren auch der gesellschafts- oder organisationsrechtlichen Abwicklung, wobei gegebenenfalls ein Restvermögen unter den am Schuldner beteiligten Personen verteilt wird (Absatz 2 Satz 3).“252 Die Vorschrift des § 1 InsO wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses aber „redaktionell gestrafft und dadurch auf ihre wesentlichen Elemente zurückgeführt“253; eine Abwicklung des Schuldnerverbands fand keine Erwähnung mehr, wurde also nicht als wesentlich angesehen.

249 

BT-Drucks. 12/3803, S. 70. Zutreffend weist Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 112 darauf hin, dass der Gesetzgeber nur im Regelfall eine verbandsrechtliche Abwicklung für entbehrlich hielt, was logischerweise Raum für Ausnahmen lässt. 251  BT-Drucks. 12/2443, S. 10. 252  BT-Drucks. 12/2443, S. 109. 253  BT-Drucks. 12/7302, S. 155. 250 



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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(c)  Vollstreckung als „Hauptzweck“ Eine grundlegende Aussage des Gesetzgebers in der allgemeinen Begründung des Regierungsentwurfs lautet: „Der einheitliche Hauptzweck des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Verwirklichung der Vermögenshaftung.“254 Damit ist die Hierarchie klargestellt, falls die Vollabwicklung tatsächlich als Verfahrensziel einzuordnen wäre. Ob es allerdings neben der Gläubigerbefriedigung überhaupt „nachrangige Verfahrensziele“ in einem Zwangsvollstreckungsverfahren geben kann, erscheint fraglich: Es wurde bereits oben gezeigt, dass der Staat aus der Verfassung gegenüber den Gläubigern verpflichtet ist, ein wirksames Vollstreckungsverfahren bereitzustellen. Was aber sollen „nachrangige Ziele“ in einem Vollstreckungsverfahren sein? Die Restschuldbefreiung zählt jedenfalls nicht dazu, sie ist in §§ 1 S. 2, 286 InsO von der eigentlichen Zwangsvollstreckung klar getrennt und nicht deren „Ziel“; es wäre auch absurd, als Ziel der Zwangsvollstreckung deren Verunmöglichung zu definieren. Auch die Rücksicht auf Interessen des Schuldners, seiner Familienangehörigen und Arbeitnehmer, ist kein Verfahrensziel (anders noch § 1 II des Regierungsentwurfs zur InsO), sondern Gebot eines rechtsstaatlichen Verfahrens.255 Ebensowenig kann die Verbandsabwicklung als „Verfahrensziel“ der Zwangsvollstreckung eingeordnet werden. Sie muss gegenüber den Gläubigerinteressen stets zurücktreten. Daher überzeugt auch eine Einordnung als „nachrangiges“ Ziel nicht, da das Insolvenzverfahren hinsichtlich einer Abwicklung des Schuldnerverbands ergebnisoffen ist. Wenn eine Vollabwicklung aber nicht angestrebt wird, sondern nur „nebenbei passieren“ kann, ist der Begriff eines „Verfahrensziels“ unzutreffend. Es kann allenfalls darum gehen, durch das Insolvenzverfahren eingetretene Wirkungen für die Vollabwicklung zu nutzen.

(3)  Möglichkeit der Vollabwicklung als Folge des § 39 InsO Ein genauerer Blick in die Gesetzesmaterialien und ein Vergleich mit den Regelungen der KO lässt erkennen, dass die Ermöglichung einer Vollabwicklung weniger ein eigenständiges Regelungsziel der Insolvenzrechtsreform, als vielmehr eine naheliegende Nutzung des Potentials darstellte, das man durch die Einführung von § 39 InsO schuf. Tatsächlich kann im neuen Insolvenzverfahren der InsO anders als nach der KO eine Abwicklung des Gesamtvermögens eines Verbands faktisch vorweggenommen werden. Das resultiert aus der Nichtübernahme des § 63 KO bzw. genauer gesagt aus der Übertragung der in §§ 226, 227 KO enthaltenen Ausnahmebestimmungen für den Nachlasskonkurs als allgemeine Regelung in die 254  255 

BT-Drucks. 12/2443, S. 83. Henckel, in: FS Merz, S. 197, 203 ff.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

InsO.256 Nach § 63 KO konnten im Konkurs solche Forderungen nicht geltend gemacht werden, die ihrem Inhalt nach den nun in § 39 I Nr. 1–4 InsO genannten Anspruchsarten entsprachen. § 226 KO ordnete jedoch die Einbeziehung dieser Forderungen im Nachlasskonkurs an, wobei diese nachrangig zu befriedigen waren; § 227 KO traf eine dem § 39 III InsO entsprechende Bestimmung über Zinsen und Kosten. Demnach war im Regelverfahren eine Abwicklung des gesamten Verbandsvermögens unmöglich, da stets die Zinsen ab Verfahrenseröffnung sowie die Kosten der Verfahrensteilnahme als Restforderungen übrigblieben (§ 63 Nr. 1, 2 KO). Selbstverständlich musste daraus folgen, dass Überschüsse nach Konkursbeendigung nicht an die Mitglieder, sondern an den Verband auszuzahlen waren, der dann im Rahmen der verbandsrechtlichen Liquidation die übrigen Forderungen zu befriedigen und das Restvermögen an die Mitglieder zu verteilen hatte.257 Die Frage nach einer Einbeziehung der Mitglieder als Konkursgläubiger wurde daher zurecht überhaupt nicht aufgeworfen. Rechtstechnisch könnte man dies mit einer entsprechenden Anwendung des § 63 KO auf den Liquidationsanspruch erklären. Indem aber für die InsO die Regelung der §§ 226, 227 KO als Grundsatz übernommen und in § 39 I Nr. 5, II, IV und V InsO sinngerecht ergänzt wurde, hat sich der Kreis der verfahrensbeteiligten Gläubiger vervollständigt. Der Gesetzgeber der InsO wollte die nachrangigen Insolvenzgläubiger jedoch nicht deshalb ins Verfahren einbeziehen, weil eine Vollabwicklung ermöglicht werden sollte, sondern aus spezifisch vollstreckungsrechtlichen Gründen: Es sollten dieselben Beschränkungen für die nachrangigen wie für die übrigen Insolvenzgläubiger gelten, ein Überschuss sollte nicht in die Verfügungsmacht des Schuldners zurückgelangen, solange noch Verbindlichkeiten offen sind, und nicht zuletzt sollten die nachrangigen Insolvenzgläubiger in das Insolvenzplanverfahren einbezogen werden, um sachgerechte Regelungen zu ermöglichen.258 All dies hat mit einer Vollabwicklung als Verfahrensziel nichts zu tun. Dennoch wurde aufgrund der Einbeziehung der nachrangigen Insolvenzgläubiger eine faktische Vollabwicklung „durch“ das Insolvenzverfahren möglich: Es musste nur für eine Erfüllung des Liquidationsanspruchs im Verfahren und eine amtswegige Löschung gesorgt werden. Beides hat der Gesetzgeber durch die Einführung von § 199 S. 2 InsO und § 141a I 2 FGG a. F. (§ 394 I 2 FamFG) getan, und dies aus guten verfahrensökonomischen Gründen. Der Hintergrund dieser Regelungen zeigt aber, dass die Vollabwicklung dadurch nicht zum eigenständigen Verfahrensziel erhoben wurde. 256 So ausdrücklich die Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 123 f. 257  Ohne jeden Zweifel dargestellt bei Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage), § 163 Anm. 8, §§ 207, 208 Anm. 37, §§ 209, 210 Anm. 26. 258  BT-Drucks. 12/2443, S. 123.



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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Dass der aufgezeigte Gedankengang – Einbeziehung der nachrangigen Insolvenzgläubiger als Grundlage, nicht Ausdruck eines Abzielens auf Vollabwicklung – der des Gesetzgebers war, wird in dem bereits oben zitierten Teil der allgemeinen Begründung des Regierungsentwurfs einleitend deutlich gesagt: „Die Einbeziehung der Inhaber von nachrangigen Forderungen und von Eigentumstiteln in das Insolvenzverfahren gestattet es, die Vollabwicklung des Schuldnervermögens als insolvenzrechtliche Aufgabe zu bewältigen.“259

cc) Ergebnis Das Insolvenzverfahren ist kein verbandsrechtliches Liquidationsverfahren. Eine gesellschaftsrechtliche Usurpation und Überformung des Insolvenzverfahrens wäre verfassungswidrig. Der Gesetzgeber hat bei der Insolvenzrechtsreform lediglich in § 199 S. 2 InsO und § 141a I 2 FGG (jetzt: § 394 I 2 FamFG) zwei Normen geschaffen, die zu einer Vollabwicklung des Schuldnerverbands im Anschluss an das Insolvenzverfahren führen können, ohne dass es dazu einer verbandsrechtlichen Liquidation bedürfte. Trotz teilweise missverständlicher Wortwahl wurde niemals infrage gestellt, dass das Insolvenzverfahren ein Zwangsvollstreckungsverfahren mit dem Ziel der Gläubigerbefriedigung ist. Der Gesetzgeber bezeichnet die Abwicklung des Schuldnerverbands zwar teilweise als „Aufgabe“ oder „Ziel“ des Insolvenzverfahrens, leitet dies aber aus seinen Beobachtungen über die „regelmäßigen“ Folgen des Verfahrens ab. Dabei stützt er sich vor allem auf die verfahrensrechtliche Einbeziehung der nachrangigen Insolvenzgläubiger, die er in § 39 InsO vornimmt. Diese wiederum ist nicht durch die Möglichkeit einer Vollabwicklung, sondern spezifisch vollstreckungsrechtliche Überlegungen motiviert. Demnach ist § 199 S. 2 InsO nicht als spezielle gesellschaftsrechtliche Anspruchsgrundlage zu sehen;260 die Bestimmungen in § 45 BGB, § 734 BGB, § 155 I HGB, § 72 GmbHG, § 271 AktG und § 91 GenG werden durch sie nicht verdrängt.

b)  Behandlung als letztrangige Insolvenzforderung Wenn die Abwicklung eines Verbands kein Ziel des Insolvenzverfahrens darstellt, bleibt zu klären, in welchem Verhältnis Insolvenzverfahren und Liquida259 

BT-Drucks. 12/2443, S. 83 (Hervorhebung von mir). der herrschenden Ansicht, nach der Streitigkeiten über die Verteilung nach § 199 S. 2 InsO innerhalb des Insolvenzverfahrens zu entscheiden sind (Westphal, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 199 Rn. 10), passt diese Einordnung. Hingegen müsste eine solche Zuständigkeit abgelehnt werden, wenn man in § 199 S. 2 InsO einen materiell-verbandsrechtlichen Anspruch sähe. 260  Zu

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

tion zueinander stehen, um § 199 S. 2 InsO einordnen und damit das Schicksal der Ansprüche der Mitglieder bestimmen zu können.

aa)  Verhältnis des Insolvenzverfahrens zur verbandsrechtlichen Liquidation Nach dem oben Gesagten lässt sich das Verhältnis des Insolvenzverfahrens zur verbandsrechtlichen Abwicklung mit zwei Feststellungen beschreiben: Das Insolvenzverfahren geht der Liquidation vor, ohne spezielles Verbandsrecht zu sein, und es kann diese faktisch entbehrlich machen.

aaa)  Verdrängung der Liquidation durch Zwangsvollstreckung Wie gesehen, sind Liquidations- und Insolvenzverfahren zu trennen. Selbstverständlich stehen aber für die Liquidation Vermögensgegenstände nicht zur Verfügung, die in einem Zwangsvollstreckungsverfahren beschlagnahmt wurden. Die Vollstreckung hat insofern „Vorrang“, da die entsprechenden Vermögensgegenstände der Verfügungsbefugnis des Verbands entzogen sind. Aufgrund der Sondersituation, dass die Beschlagnahme im Insolvenzverfahren die sämtlichen Vermögensgegenstände eines Verbands erfasst, weil unpfändbare Gegenstände i. S. d. § 36 InsO bei Verbänden nicht vorkommen, schließt daher die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst die Liquidation insgesamt aus. Dies bringen § 47 BGB, § 730 I BGB, § 145 I HGB, § 66 I GmbHG und § 264 I AktG zum Ausdruck. Raum für eine verbandsrechtliche Liquidation entsteht erst bei einer Freigabe von Massegegenständen oder der Beendigung des Insolvenzverfahrens. Dadurch wird das Insolvenzverfahren aber nicht zum „speziellen Gesellschaftsrecht“ für den Fall der Insolvenz, sondern es zieht den Vorrang aus seiner Qualität als Vollstreckungsverfahren.

bbb)  Vorwegnahme der Abwicklung als möglicher Kollateralnutzen Wie der Gesetzgeber zutreffend erkannt hat, führt nach der Insolvenzrechtsreform in vielen Fällen die Verwertung und Verteilung der Masse im Insolvenzverfahren zu demselben Ergebnis wie die verbandsrechtliche Abwicklung und nimmt diese somit faktisch vorweg. Aufgrund der §§ 39, 199 S. 2 InsO und § 394 I 2 InsO wird somit eine verbandsrechtliche Liquidation möglicherweise entbehrlich. Dennoch kann eine Abwicklung im Insolvenzverfahren auch unterbleiben. Die Vollabwicklung des Verbands ist damit ein aufgrund des Insolvenzverfahrens möglicher aber nicht notwendiger Kollateralnutzen. Terminologisch ist es nach alldem nicht falsch, von einer „Abwicklung im Insolvenzverfahren“ zu sprechen, solange mit „Abwicklung“ nur der Vorgang der Berichtigung der Verbindlichkeiten des aufgelösten Verbands inklusive der



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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Verteilung eines möglichen Überschusses an die Mitglieder gemeint ist. Wichtig ist in diesem Zusammenhang aber, die Abwicklung vom für sie geltenden Verfahren zu trennen, und zu erkennen, dass die Abwicklung auch in einem Verfahren stattfinden kann, das nicht selbst auf die Abwicklung zielt und nicht dem Recht der Verbände zuzuordnen ist. So bleibt das Insolvenzverfahren auch dann ein Verfahren der Zwangsvollstreckung, wenn es in seinen Wirkungen zur Abwicklung des Verbands führt.

bb)  Rechtliche Umsetzung durch Einbeziehung der Mitglieder als letztrangige Gläubiger Der Vorrang des Insolvenzverfahrens und die Ermöglichung einer Vollabwicklung drücken sich darin aus, dass die Mitglieder mit ihrem Anspruch auf einen Vermögensüberschuss als letztrangige Insolvenzgläubiger am Verfahren teilnehmen. Genau diese Einbeziehung der Mitglieder regelt § 199 S. 2 InsO.

aaa)  Regelungsgehalt des § 199 S. 2 InsO Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Regelung des § 199 S. 2 InsO nicht entbehrlich; man kann also nicht entgegenhalten, hier würde dem Gesetzgeber die Schaffung einer überflüssigen Norm unterstellt. Zwar wurde gezeigt, dass bereits die konsequente Anwendung der §§ 38, 39 InsO und § 45 BGB, § 734 BGB, § 155 I HGB, § 72 GmbHG, § 271 AktG § 91 GenG zu einer Einordnung der Mitglieder als letztrangige Insolvenzgläubiger führt. Dennoch brächte es Probleme mit sich, wenn eine dem § 199 InsO entsprechende Regelung nicht vorhanden wäre: Fehlte diese Norm, oder würde lediglich allgemein angeordnet, dass „ein Überschuss an den Schuldner“ herauszugeben wäre, so könnten sich Zweifel ergeben, ob bei der Insolvenz eines Verbands die Mitglieder als Gläubiger ausgeschlossen sein sollten. Eine solche Fortführung der Tradition aus der KO läge in diesem Fall durchaus nahe. Zudem wäre angesichts § 47 BGB, § 730 I BGB, § 145 I HGB, § 66 I GmbHG, § 264 I AktG, welche die verbandsrechtliche Liquidation unter den Vorbehalt stellen, dass kein Insolvenzverfahren läuft, unklar, ob der verbandsrechtliche Liquidationsanspruch überhaupt vor Beendigung des Insolvenzverfahrens entstehen und fällig werden kann. § 199 S. 2 InsO ist daher als ausdrückliche Abweichung von der historischen Tradition und zur Klarstellung erforderlich. Geregelt wird die Teilnahme der Mitglieder am Verfahren und der Rang des Liquidationsanspruchs. Damit hat § 199 S. 2 InsO eine materiellrechtliche und eine prozessuale Bedeutung.261 261 

Insoweit richtig: Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, § 199 Rn. 2.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Materiellrechtlich wird kein völlig neuer Anspruch geschaffen,262 sondern für die Ansprüche aus § 45 BGB, § 734 BGB, § 155 I HGB, § 72 GmbHG, § 271 AktG, § 91 GenG bestimmt, dass diese auch dann entstehen, wenn die Verbindlichkeiten des Verbands innerhalb eines Insolvenzverfahrens beglichen werden und sich ein Vermögensüberschuss ergibt. Auf diese Ansprüche zahlt der Insolvenzverwalter nach Maßgabe des § 199 S. 2 InsO als prozessualer Regelung über die Masseverteilung.

bbb)  Systematische Stimmigkeit Das gefundene Ergebnis fügt sich in das Gesamtsystem der InsO ein. Die Auslegung des § 199 S. 2 InsO als Ergänzung zu § 39 InsO ist kein Systembruch, da beide Normen, obwohl sie im Gesetz an verschiedenen Stellen stehen, inhaltlich Regelungen zur Rangfolge bei der Befriedigung treffen. Dass insoweit zwischen § 39 I, II InsO und § 199 S. 2 InsO nur graduelle, nicht qualitative Unterschiede bestehen, zeigt die Möglichkeit einer Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger über einen Rangrücktritt, bei der zwischen diesen Rangklassen gewählt werden kann.263 Dass bei einem solchen Rangrücktritt der betroffene Gläubiger und die Mitglieder verfahrensrechtlich auf derselben Stufe stehen, verdeutlicht außerdem, dass die Einordnung als letztrangiger Insolvenzgläubiger mit der Stellung eines Mitglieds vereinbar ist; ein wesentlicher Unterschied zwischen Mitgliedern und Gläubigern besteht im Insolvenzfall nicht mehr. Vielmehr ist das Mitgliedschaftsrecht aufgrund der durch die Insolvenzeröffnung verursachten Auflösung des Verbands nichts anderes mehr als ein Anspruch auf Beteiligung an einem Vermögensüberschuss. Beobachtet wurde diese qualitative Änderung des Mitgliedschaftsrechts bisher fast ausschließlich im Zusammenhang mit der Leistungsstörung beim Verkauf von Aktien, wenn vor der Vertragserfüllung über das Vermögen der AG der Konkurs bzw. das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.264 Holger Altmeppen stellt aber auch bei der Bestimmung der Rechte 262  So aber wohl die h. M., siehe Füchsl/Weishäupl/Kebekus/Schwarzer, in: MüKo InsO, § 199 Rn. 4; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, § 199 Rn. 2; Meller-Hannich, in: Jaeger, InsO, § 199 Rn. 6; Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 199 Rn. 9. 263  Siehe zu dieser Möglichkeit Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, § 199 Rn. 2, sowie ausführlich Wittig, NZI 2001, 169, 172 ff. 264  Ernst, in: FS Bucher, S. 89, 115 schreibt: „Insgesamt ist festzuhalten, dass im Konkurs der Aktiengesellschaft der Aktionär – obschon er ‚Mitglied‘ der als juristische Person fortbestehenden Aktiengesellschaft ist – eine nennenswerte mitgliedschaftsrechtliche Rechtsstellung nicht mehr einnimmt. [...] Nach der Eröffnung des Konkursverfahrens steht dem Aktionär ein einziges Vermögensrecht zu: das Recht auf einen verhältnismässigen Anteil am Ergebnis der Liquidation [...].“ Ihm folgt Altmeppen, in: FS Picker, S. 23, 31, der insoweit feststellt, „[...] dass die Mitgliedschaftsrechte durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine massive Qualitätsänderung erfahren, die auf eine ‚konkursbedingte Aushöhlung‘ der Rechtsstellung



C.  Teilhaber der Gläubiger-Bruchteilsgemeinschaft

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von Mitgliedern im Insolvenzplanverfahren fest: „[Die] Rechtsstellung aus dem Mitgliedschaftsrecht wandelt sich [...] mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Kapitalgesellschaft in ein ‚aliud‘ um, welches seinen Inhabern letztlich nur die (praktisch irrelevante) Teilhabe am Liquidationsüberschuss vermittelt.“265 Auch in der Rechtsprechung des BGH werden die für Insolvenzgläubiger geltenden Vorschriften immer wieder auf Mitglieder angewandt.266 Besonders hervorzuheben ist hier das Urteil des BGH vom 15. 04. 2010, also noch vor Einführung des ESUG, in dem § 225 InsO auf Vorzugsaktionäre ausgedehnt wurde: Der BGH wandte hier unter Verweis auf die Wertung in § 199 S. 2 InsO die für nachrangige Insolvenzgläubiger geltenden Vorschriften auf die Vorzugsaktionäre entsprechend an, da deren Forderungen aus den Mitgliedschaftsrechten resultierten und sie daher selbst bei einer Verfahrensteilnahme als Insolvenzforderungen nur im Rang hinter § 39 I InsO zu befriedigen seien.267 Der Gedankengang des BGH ist dabei exakt derselbe, der hier für die Ansprüche der Mitglieder auf einen Vermögensüberschuss angestellt wurde. Die Insolvenzforderungen der Mitglieder treten gemäß § 199 S. 2 InsO im Rang hinter den in § 39 I InsO genannten Ansprüchen zurück; auf die Mitglieder sind die Regelungen über nachrangige Insolvenzgläubiger anzuwenden. Lediglich die vom BGH für nötig befundene Analogie ist – jedenfalls mittlerweile268 – überflüssig, da sich das gefundene Ergebnis bereits direkt aus den gesetzlichen Vorschriften ergibt.

4.  Teilhabe am Befriedigungsrecht Logische Konsequenz der Gläubigerstellung der Mitglieder ist, dass sie Teilhaber des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts sind. Dieses Ergebnis entspricht den Rechten der Mitglieder im Verfahren.

des Anteilskäufers [hinausläuft].“ Ebenso hat das RG Seufferts Archiv, Nr. 164, S. 296, 297 f. zutreffend erkannt, dass eine Aktie nach Konkurseröffnung „nur das beschränkte Recht auf den sich etwa bei der Liquidation ergebenden Anteil“ gewährt. (Im Kern ebenso, aber hinsichtlich der Stellung im Konkurs ungenau RG RGZ 143, 20, 21: „Ansprüche gegen den Konkursverwalter auf Beteiligung am Überrest des Vermögens der Aktiengesellschaft“ – ein Überschuss wurde nach der KO in einer anschließenden verbandsrechtlichen Liquidation verteilt, s. o.). 265  Altmeppen, in: FS Hommelhoff, S. 1, 19. 266  Z. B. § 64 III 1 InsO in BGH NZI 2014, 383, 383 unter Verweis auf den „Anspruch aus § 199 S. 2 InsO“. 267  BGH NZI 2010, 1039, 1041. 268 Vor Einführung des ESUG musste freilich bezweifelt werden, ob Mitglieder des Schuldnerverbands am Insolvenzplanverfahren beteiligt waren, was eine analoge Anwendung rechtfertigte.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Zunächst erklärt sich aus der Teilhabe am Befriedigungsrecht, warum sie innerhalb des Insolvenzverfahrens aus der Masse befriedigt werden (§ 199 S. 2 InsO). Aber auch ihre Mitwirkungsrechte in der Gläubigerversammlung sind mit dieser Stellung zu begründen. Nach § 77 I 2 InsO sind sie als nachrangige Insolvenzgläubiger grundsätzlich nicht stimmberechtigt. Bei der Abstimmung über den Insolvenzplan hingegen kann sich ein Stimmrecht der Mitglieder ebenso wie der nachrangigen Insolvenzgläubiger ergeben. Dass für die Mitglieder gemäß §§ 222 I Nr. 4, 225a, 238a, 246a InsO Sonderregeln gelten, ist sachgerecht und setzt die nach § 222 I Nr. 3 InsO gebotene Binnendifferenzierung bei den nachrangigen Insolvenzgläubigern fort, wie auch ein Vergleich mit §§ 225, 246 InsO zeigt. Dass der Liquidationsanspruch nicht anzumelden ist, steht der Einordnung ebenfalls nicht entgegen. Denn nach § 174 III 1 InsO ist die Anmeldung nachrangiger Insolvenzforderungen ohnehin nicht in jedem Fall vorgesehen; sie kommt nur in Betracht, wenn die Masse zur (teilweisen) Befriedigung dieser Forderungen ausreicht.269 Da aber der Liquidationsanspruch zudem erst dann zu beziffern ist, wenn das Ergebnis der Schlussverteilung feststeht, und der Verwalter außerdem die entsprechenden Anteile selbst ermitteln kann,270 ist es systemkonform, von einer Anmeldung ab­zusehen und die entsprechende Verteilung gesondert nach § 199 S. 2 vorzunehmen.

V. Ergebnis Als Teilhaber an dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht im Insolvenzverfahren wurden identifiziert: die nicht nachrangigen und die nachrangigen Insolvenzgläubiger, die absonderungsberechtigten Gläubiger sowie in dem Fall, dass es sich bei dem Schuldner um einen Verband handelt, die Mitglieder dieses Verbands als „letztrangige“ Insolvenzgläubiger. Die Massegläubiger sind hingegen grundsätzlich nicht am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht beteiligt, etwas anderes gilt nur im Fall des § 208 I InsO für die Alt-Massegläubiger i. S. d. § 209 I Nr. 3 InsO.

D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung und Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte Nachdem die gemeinschaftlichen Befugnisse und der Personenkreis der Teilhaber festgestellt wurden, bleibt nun zu klären, wie die Rechte der GläubigerBruchteilsgemeinschaft ausgeübt werden. Das Gesetz spricht an vielen Stellen 269 Vgl. 270 

Riedel, in: MüKo InsO, § 174 Rn. 38. Siehe dazu Westphal, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 199 Rn. 8.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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von einer „Zustimmung der Gläubigerversammlung“ teilweise aber auch davon, dass „die Gläubigerversammlung beschließt“, und dass sie den Verwalter „wählt“ oder ihn „beauftragt“. In allen Fällen entscheidet die Gläubigerversammlung durch Beschluss (§ 76 InsO), was auch dem oben ermittelten Ergebnis entspricht, dass die Gläubiger insoweit als Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft am Befriedigungsrecht Verwaltungsentscheidungen treffen.271 Die Normen, in denen die Einzelbefugnisse geregelt sind, schweigen jedoch ebenso wie die allgemeinen Bestimmungen in §§ 74–79 InsO über eine „Ausführung“ der Beschlüsse der Gläubigerversammlung. Dies legt nahe, dass bei den Beschlussfassungen unmittelbar eine rechtliche Wirkung nicht nur gegenüber den Gläubigern, sondern auch gegenüber dem Gericht, dem Insolvenzverwalter und dem Schuldner erzielt wird. Im Ergebnis ist dies mit dem Recht der Bruchteilsgemeinschaft vereinbar, da dort eine sog. „Außenwirkung“ der Beschlüsse mittlerweile weitgehend anerkannt ist.272 Allerdings bedarf die rechtliche Konstruktion dieser Wirkung einer näheren Untersuchung. Dabei ist zunächst auf die allgemeinen Regeln über die Beschlüsse in einer Bruchteilsgemeinschaft einzugehen, bevor die speziellen Vorschriften der InsO eingeordnet und die Besonderheiten der Beschlussfassung der Gläubigergemeinschaft herausgearbeitet werden können.

I.  Grundsätze über Beschlüsse in einer Bruchteilsgemeinschaft Dass in einer Bruchteilsgemeinschaft Beschlüsse gefasst werden können, besagt § 745 I 1 BGB. Zur Erörterung der Grundlagen einer Beschlussfassung in der Bruchteilsgemeinschaft ist auf den Begriff des Beschlusses und das Verfahren einzugehen. Außerdem ist zu untersuchen, wie Beschlüsse, die ein rechtliches Handeln gegenüber Dritten mit Wirkung für alle Teilhaber vorsehen, umgesetzt werden.

1.  Allgemeine Definition des Beschlusses In der modernen Literatur wird der Beschluss als ein regelmäßig mehrseitiges Rechtsgeschäft angesehen, dessen Besonderheit darin besteht, dass die dadurch für alle Beteiligten ausgelösten Rechtsfolgen durch die Entscheidung der Mehrheit bestimmt werden können.273 Horst Bartholomeyczik hat herausgearbeitet, dass es sich um ein Rechtsgeschäft nur der Zustimmenden handelt, das jedoch 271 

Vgl. oben B II 4. die h. M.: Aderhold, in: Erman, BGB, § 745 Rn. 5; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 745 Rn. 8; Hadding, in: Soergel, BGB, § 745 Rn. 9; Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745, Rn. 31; differenzierend: Eickelberg, in: Staudinger, BGB (2015), § 745 Rn. 33 ff. 273  Unbestritten, siehe vor allem Wolf/Neuner, AT, § 29 Rn. 11 ff. und Medicus, BGB AT, Rn. 205. 272  So

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

auch gegenüber Dritten274 Wirkungen hervorbringt.275 Hieran ergeben sich zunächst weder allgemein noch im Hinblick auf die Bruchteilsgemeinschaft Zweifel. Weitere häufig genannte Definitionsmerkmale sind jedoch nicht überzeugend. So kann der Beschluss gegenüber dem Vertrag nicht dadurch abgegrenzt werden, dass beim Beschluss die Willenserklärungen „gleich lauten“276 sollen, denn ein Vertrag kann auch geschlossen werden, indem die Vertragspartner einem gegebenen Vorschlag durch „gleichlautende“ Erklärungen zustimmen – überhaupt lässt sich anhand des Inhalts der Willenserklärungen und der ausgelösten Rechtsfolgen eine scharfe Trennung von Vertrag und Beschluss nicht erzielen.277 Vor allem greift es zu kurz, den Beschluss nur vom Gesellschaftsrecht her definieren zu wollen. Dies geschieht in der Aussage, dass bei der Beschlussfassung die Willenserklärungen gegenüber einem „Gremium“ oder „der Personenvereinigung oder ihrem Organ“ abzugeben sind, nicht aber gegenüber den anderen am Beschluss beteiligten Personen.278 Manche bezeichnen den Beschluss gar als ein ausschließlich gesellschaftsrechtliches Phänomen.279 Angesichts der Regelung in § 745 I 1 BGB ist das offensichtlich nicht richtig. Die 274  Wen die unmittelbare Wirkung trifft, hängt von der Art des Rechtsverhältnisses und dem Beschlussgegenstand ab. Bartholomeyczik, ZHR 1938, 293, 306 nennt den Fall, dass die Mitglieder einer Körperschaft eine Regelung für das Verhältnis der Körperschaft zu allen Mitgliedern treffen, es sind aber verschiedenste Konstellationen denkbar. Die entscheidende Erkenntnis liegt in der Feststellung der Drittwirkung. 275  Bartholomeyczik, ZHR 1938, 293, 306; dass es sich um ein Rechtsgeschäft nur der Zustimmenden handelt, wird in den Formulierungen der heutigen Literatur nicht recht deutlich, kann aber aus dem Merkmal geschlossen werden, dass die Willenserklärungen, die den Beschluss hervorbringen „gleich lauten“ sollen (Wolf/Neuner, AT, § 29 Rn. 13; Medicus, BGB AT, Rn. 205) – zur Untauglichkeit dieses Merkmals als Abgrenzungskriterium gegenüber dem Vertrag siehe sogleich im Text. 276 So Wolf/Neuner, AT, § 29 Rn. 13; Medicus, BGB AT, Rn. 205 (bei dem allerdings unklar bleibt, ob er sich ausschließlich auf den Verein bezieht, oder eine allgemeine Definition aufstellen will). 277 Dazu Tuhr, AT II/1, S. 235: „Meines Erachtens ist [das Unterscheidungsmerkmal] nicht darin zu suchen, daß die Erklärungen der in der Mehrheit stimmenden gleichen Inhalt haben; denn auch die Erklärungen der Kontrahenten sind, bei möglicherweise verschiedenem Wortlaut, inhaltlich identisch; auch nicht darin, daß der Vertrag, im Gegensatz zum Beschluß, Rechtsverhältnisse der Parteien betrifft; denn der Vertrag kann Rechte für Dritte begründen, und ein Beschluß kann Rechtsverhältnisse der Beschließenden gestalten (§§ 709, 745 [BGB]). Auch darin kann der Unterschied nicht gefunden werden, daß der Vertrag für die Kontrahenten entgegengesetzte Bedeutung, der Beschluß für die Beteiligten gleichartige Bedeutung habe; das trifft für viele Verträge zu (der eine Kontrahent ist berechtigt, der andere verpflichtet; der eine veräußert, der andere erwirbt), aber nicht für alle: der Gesellschaftsvertrag kann den Parteien zur Erreichung des gemeinsamen Zieles gleiche Opfer auferlegen.“ 278  Medicus, BGB AT, Rn. 205; Wolf/Neuner, AT, § 29 Rn. 11, 13. 279  Bork, BGB AT, Rn. 436 f.; Windbichler, Gesellschaftsrecht, § 13 Rn. 9; zumindest missverständlich auch Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 2 a, der das Schweigen des Allgemeinen Teils des BGB zum Beschluss damit erklärt, dass „sich unser Bürgerliches Gesetzbuch der



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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Bruchteilsgemeinschaft ist kein Verband; ihr gegenüber können keine Erklärungen abgegeben werden, ebensowenig gegenüber Organen, die eine Bruchteilsgemeinschaft grundsätzlich nicht besitzt. Genauso unpassend scheint der Begriff einer „innerorganisatorischen Willensbildung“280 bei der Bruchteilsgemeinschaft, die gerade nicht „organisiert“ ist. Das Wesen des Beschlusses vom Verbandsrecht ausgehend ergründen zu wollen ist also nicht zielführend. Mehr Weitblick zeigt Andreas von Tuhr. Zutreffend stellt er fest, dass der Beschluss ein bereits unter den Beteiligten bestehendes Rechtsverhältnis voraussetzt,281 und unterscheidet dabei zwei Arten rechtlicher Verbundenheit, die als Grundlage für eine Beschlussfassung vorliegen können: einerseits die gemeinsame Zuständigkeit für „einen fremden Rechtskreis“, der zu verwalten ist, und andererseits eine unter den Einzelnen bestehende „Gemeinschaft [...], welche eine einheitliche Entscheidung von Verwaltungsfragen erfordert.“282 Zum ersten Fall sind nach heutiger Dogmatik die Beschlüsse innerhalb der Verbände zu zählen, die selbst Rechtsträger eines eigenen Vermögens sind. Auch die Beschlüsse einer Erbengemeinschaft gem. §§ 2038 II 1, 745 BGB sind hier einzuordnen, da der Nachlass den Erben zur gesamten Hand zusteht, also ein für die Erben fremdes Sondervermögen darstellt.283 Die Bruchteilsgemeinschaft unterscheidet sich aber insoweit schon in der Begründung der Beschlussmöglichkeit, weil die Teilhaber nicht ein fremdes Vermögen verwalten, sondern, wie von Tuhr richtig feststellt, nur aufgrund der gemeinschaftlichen Rechtsträgerschaft zu einheitlichen Entscheidungen genötigt sind. Im Hinblick auf das Verfahren stellt von Tuhr fest, dass die Beschlussfassung in Versammlungen erfolgen kann, wobei die Erklärungen an „den Versammlungsleiter“284 zu richten sind.285 Ergeht der Beschluss hingegen in anderer Form, so werden Grundprobleme des Verbandsrechts nicht angenommen hat.“ Kein Bezug zu nicht-verbandsrechtlichen Beschlüssen findet sich auch bei Bork, in: Staudinger, BGB, vor § 145 Rn. 6. 280  Wolf/Neuner, AT, § 29 Rn. 10. 281  Tuhr, AT II/1, S. 232, 235; so auch Flume, AT II, S. 602 unter Verwendung des Oberbegriffs „Gemeinschaft“. 282  Tuhr, AT II/1, S. 232 f. 283 Soweit unbestrittene allgemeine Meinung, siehe Weidlich, in: Palandt, BGB, vor § 2032 Rn. 1 und § 2032 Rn. 1. 284 Aus heutiger Sicht muss dabei der Versammlungsleiter als Empfangsermächtigter eingeordnet werden; bei Körperschaften nimmt er die Erklärungen für die Körperschaft entgegen (h. M. – GmbH: Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 7; Römermann, in: Michalski, GmbHG, § 47 Rn. 377 – AG: Liebscher, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 133 AktG Rn. 4; Spindler, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 133 Rn. 16 – Verein: Arnold, in: MüKo BGB, § 32 Rn. 23), bei Personengesellschaften für die anderen Gesellschafter (insoweit ist keine andere Funktion des Versammlungsleiters denkbar, da nach ganz h. M. die Erklärungen gegenüber den anderen Gesellschaftern abzugeben sind: Weitemeyer, in: Oetker, HGB, § 119 Rn. 23; Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 119 Rn. 26; Kindler, in: Koller/Kindler/Roth/Morck, HGB, § 119, Rn. 13) – letzteres muss auch gelten, wenn die Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft in einer Versammlung beschließen, siehe sogleich im Text. 285  Tuhr, AT II/1, S. 233 f. – Man muss ergänzen: Wenn ein solcher bestellt ist.

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die Abstimmungserklärungen den anderen Beteiligten gegenüber erklärt.286 Von letzterem ist in der Bruchteilsgemeinschaft auszugehen. Auf der Grundlage dieser Analyse ist eine allgemeingültige rechtliche Beschreibung des Beschlusses möglich: Tatsächlich handelt es sich beim Beschluss um ein Rechtsgeschäft, denn es wird eine Rechtsfolge durch mindestens eine Willenserklärung gesetzt.287 Die Besonderheit des Beschlusses besteht darin, dass er Wirkungen zulasten Dritter – nämlich sowohl der Minderheit als auch eines fremden Rechtsträgers – hervorbringen kann; dies ist legitimiert durch ein bereits bestehendes Rechtsverhältnis unter den Abstimmenden bzw. gegenüber dem fremden Rechtsträger. Wem gegenüber die Abstimmungserklärungen abzugeben sind und Wirkungen entfalten, hängt von der Art der rechtlichen Grundlage für die Beschlussfassung ab. Der Beschluss ist somit nicht ein spezifisch gesellschaftsrechtliches Institut, und seine phänotypischen Ausprägungen in diesem Rechtsgebiet dürfen daher auch nicht vorschnell verallgemeinert werden.

2.  Verfahren der Beschlussfassung in der Bruchteilsgemeinschaft Nach dem soeben Gesagten steht bereits fest, dass die Willenserklärungen der Teilhaber gegenüber den anderen Teilhabern abzugeben sind, da eine Erklärung gegenüber „der Bruchteilsgemeinschaft“ nicht in Frage kommt. Eine besondere Form ist dafür nicht angeordnet, § 745 BGB stellt keine Verfahrensregeln für die Beschlussfassung auf. Die Teilhaber sind daher in der Wahl eines Beschlussverfahrens frei.288 Aus der Formfreiheit folgt logisch, dass die Mehrheit die Minderheit an der Beschlussfassung nicht beteiligen muss; wenn nicht jedem Teilhaber Gelegenheit zur Mitwirkung gegeben wurde, steht dies also der Wirksamkeit des Beschlusses nicht entgegen, sondern zieht nur möglicherweise Schadensersatzansprüche des oder der übergangenen nach sich.289 Für die Konstruktion des Beschlusses bedeutet dies weiterhin, dass die Willenserklärungen nicht sämtlichen anderen Teilhabern zugehen müssen, sondern nur den anderen zustimmenden Teilhabern. Für den Zugang dieser Willenserklärungen ist weiterhin zu beachten, dass in dem Einlassen auf ein bestimmtes Verfahren durch Stimmabgabe auch ein konkludent erklärter Verzicht auf den Zugang der anderen Erklärungen analog § 151 S. 1 BGB290, eine Empfangsbevollmächtigung oder sonst eine Sonderregelung über den Zugang der anderen Erklärungen liegen kann. 286 

Tuhr, AT II/1, S. 234. Siehe zur Definition des Rechtsgeschäfts Flume, AT II, S. 24 ff.; Medicus, BGB AT, Rn. 175; Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 2. 288  Zu den Möglichkeiten siehe Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 19. 289  Siehe zu dieser „ganz h. M.“ Eickelberg, in: Staudinger, BGB (2015), § 745 Rn. 19 f. mit Nachweisen. 290  § 151 S. 1 BGB regelt nur den Verzicht auf den Zugang, nicht die Abgabe einer Wil287 



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3.  Ermächtigung, nicht Vollmacht als Folge des Beschlusses einer Bruchteilsgemeinschaft Von der herrschenden Meinung wird es als „Außenwirkung“ von Beschlüssen in einer Bruchteilsgemeinschaft bezeichnet, dass auf Grundlage des Beschlusses einzelne Teilhaber die übrigen vertreten können sollen.291 Eine Stellvertretung ist jedoch nicht der richtige Weg, um Geschäfte gegen den Willen der Minderheit mit Wirkung für diese zu ermöglichen. Zudem ist der Begriff der Außenwirkung dafür unzutreffend, denn die Verleihung von Vertretungsmacht findet im Innenverhältnis statt; sie ist nur die Grundlage für eine dann noch erforderliche Willenserklärung eines Vertreters gegenüber einem Dritten. Erst mit dieser Willenserklärung würde eine „Außen“-Wirkung erzielt. Im Folgenden wird gezeigt, dass die Rechtsfolge eines Beschlusses über die Vornahme eines Geschäfts gegenüber einem Dritten nicht eine Vollmacht, sondern eine Ermächtigung ist.

a)  Systemwidrigkeit einer Zwangs-Stellvertretung Es wurde bereits dargelegt, dass die Stellvertretung kein Mittel zum Zwang darstellt, und dass sie sich nicht gegen einen erklärten, rechtlich beachtlichen Willen des zu Vertretenden richtet.292 Schon aus diesem Grund wäre es paradox, eine Zwangs-Vertretung zulasten der widersprechenden Teilhaber als Folge des Beschlusses nach § 745 I 1 BGB zu konstruieren. Eine solche Zwangsvertretung kommt auch bei Beschlüssen der Mitglieder eines Verbandes nicht vor. Denn diese können zwar eine Vertretungsmacht verleihen, jedoch nicht für das Handeln im Namen der Mitglieder, sondern nur im Namen des Verbands.293 Die Begründung einer Zwangs-Stellvertretung zulasten der Überstimmten lässt sich demnach auch nicht als eine Eigenart des Rechtsgeschäfts „Beschluss“ rechtfertigen. Vielmehr sind die Rechtsfolgen eines Beschlusses durch dessen Legitimationsgrundlage begrenzt, also davon abhängig, ob es sich um die Verwaltung fremden Vermögens oder eines gemeinschaftlichen „eigenen“ Gegenstands handelt: Bei der Verwaltung fremden Vermögens steht der Begründung einer Vertretungsmacht zulasten des fremden Rechtsträgers nichts entgegen, sondern diese Möglichkeit ist natürlicherweise in der Verwaltungszuständigkeit angelegt. Hingegen legitimiert die Verwaltungslenserklärung, siehe Wolf/Neuner, BGB AT, § 28 Rn. 32 f., § 37 Rn. 37 und Medicus, BGB AT, Rn. 382; weiter differenzierend, aber im Ergebnis genauso: Flume, AT II, S. 655. 291  Hadding, in: Soergel, BGB, § 745 Rn. 9; Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745, Rn. 31, differenzierend Eickelberg, in: Staudinger, BGB (2015), § 745 Rn. 33 ff.; in der Rechtsprechung ebenfalls anerkannt seit BGHZ 56, 47, 49 ff. 292  § 3 D II 2. 293  Entgegen dem Wortlaut des § 714 BGB gilt dies auch bei der GbR (Flume, AT I/1, S. 130).

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zuständigkeit für einen gemeinsamen Gegenstand nicht die Stellvertretung einzelner Teilhaber, sondern höchstens Eingriffe in deren Bruchteilsrechte.294 Das Wesen der Bruchteilsgemeinschaft steht außerdem den Haftungsfolgen entgegen, die eine Stellvertretung nach sich zöge. Nach § 748 BGB ist jeder Teilhaber nur im Innenverhältnis gegenüber den anderen zur anteilsmäßigen Kostentragung verpflichtet. Würde der überstimmte Teilhaber durch Stellvertretung im Außenverhältnis als Vertragspartner verpflichtet, wäre er demgegenüber einer unbeschränkten Haftung ausgesetzt.295 Im Außenverhältnis würde er als Gesamtschuldner dem Vertragspartner in voller Höhe haften (§ 421 S. 1 BGB). Aber auch die Haftungsordnung im Innenverhältnis gem. § 748 BGB würde durch § 426 I 2 BGB überspielt. Allein aufgrund dieses Haftungsrisikos wäre jedem überstimmten Bruchteilsinhaber in solchen Fällen zu raten, sofort die Aufhebung der Gemeinschaft zu verlangen. Im Ergebnis wäre die Haftung hier noch umfangreicher als jene aufgrund der Mitgliedschaft in einem Verband, obwohl Verbände regelmäßig sogar wirtschaftlich tätig sind, also mit Unternehmerrisiko handeln, und sich das Verbandsmitglied freiwillig an diesem Risiko beteiligt. Bei den Körperschaften haftet das Mitglied schon von vornherein nur mit seinem Anteil, nicht persönlich für die Verbindlichkeiten des Verbands; die Gesellschafter einer Personengesellschaft haften zwar gem. § 128 HGB296 persönlich und grundsätzlich auch auf Erfüllung, können aber zumindest in Einzelfällen darlegen, dass sie 294  Aufgrund dieser Unterscheidung müssen auch die Rechtsfolgen von Beschlüssen nach § 745 I 1 BGB bei der Bruchteilsgemeinschaft anders ausfallen als bei einer Erbengemeinschaft. Dieser Unterschied wird jedoch sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung verkannt, indem dort zwischen Bruchteils- und Erbengemeinschaft hinsichtlich der Rechtsfolge von Beschlüssen nicht differenziert wird (vgl. Aderhold, in: Erman BGB, § 745 Rn. 5; Eickelberg, in: Staudinger, BGB (2015), § 745 Rn. 33 f.; Gehrlein, in: Bamberger/Roth, BGB, § 745 Rn. 8; Hadding, in: Soergel, BGB, § 745 Rn. 9; Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 31; Stürner, in: Jauernig, BGB, §§ 743–748, Rn. 13 und OLG Schleswig NZG 2010, 103, 104). Es ist hier nicht der Ort, ausführlich von der Erbengemeinschaft zu handeln. Dennoch kann nach den Überlegungen zum Unterschied zwischen der Verwaltung fremden Vermögens gegenüber derjenigen gemeinschaftlicher Gegenstände festgestellt werden, dass bei der Erbengemeinschaft die systemkonforme Konstruktion in der Begründung von Vertretungsmacht für die Gesamthand bestünde. Dazu müsste allerdings zunächst die derzeit noch bestrittene Rechtsfähigkeit der Erbengemeinschaft anerkannt werden; diese folgt jedoch richtigerweise bereits daraus, dass sie als Gesamthand Trägerin des Gesamthandsvermögens ist, das im Nachlass besteht. Als Folge eines Beschlusses nach §§ 2038 II 1, 745 I 1 BGB könnte also ein einzelner Erbe die Gesamthand verpflichten; da die Erben jedoch dem Gesamthandsprinzip entsprechend (Flume, AT I/1, S. 316 f.) nach § 2058 BGB persönlich für Nachlassverbindlichkeiten haften, gilt dies auch für die so begründeten Verbindlichkeiten der Gesamthand. Daraus folgt für die Haftung im Ergebnis dasselbe wie bei einer Stellvertretung der anderen Erben, wie sie der BGH (BGHZ 56, 47, 49) und mit ihm die h. M. annimmt – allerdings ohne den Systembruch einer Zwangsvertretung, sondern gemäß den Grundsätzen zur Stellvertretung der Gesamthand und der Haftung der Anteilsinhaber. 295  So der zutreffende Hinweis von Flume, AT I/1, S. 116. 296  Ggf. analog (GbR) oder i. V. m. § 161 II HGB (KG).



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persönlich zu Erfüllungsleistungen nicht verpflichtet sind.297 Während also selbst bei der freiwilligen Beteiligung an einem Verband zwischen dessen Sphäre und der Privatsphäre des Mitglieds unterschieden wird, wäre bei der Bruchteilsgemeinschaft allein aufgrund der Inhaberschaft eines Rechts die Möglichkeit zu unbeschränkten Verpflichtungen der Privatperson gegen deren ausdrücklichen Willen eröffnet. Dieses Ergebnis ist absurd. Auch der Gläubigerschutz gebietet keine Mitverpflichtung widersprechender Teilhaber durch Zwangsvertretung. Dem Vertragspartner muss es genügen, dass diejenigen, die mit ihm kontrahieren wollen, die rechtliche Möglichkeit zur Erfüllung der Primärleistung haben und ihm persönlich haften. Ein Vertrauensschutz hinsichtlich der Haftung Dritter besteht jedoch nicht. Wem dies nicht ausreicht, der kann vom Vertragsschluss Abstand nehmen. Insgesamt würde eine Zwangsvertretung aufgrund von Beschlüssen der Teilhaber nach § 745 I 1 BGB nicht nur dem Wesen der Stellvertretung, sondern auch dem der Bruchteilsgemeinschaft widersprechen.

b)  Ermächtigung als systemkonformes „Zwangsmittel“ Die gegenüber der Stellvertretung vorzugswürdige Lösung besteht in einer Ermächtigung. Der Begriff „Ermächtigung“ meint die Befugnis, im eigenen Namen mit unmittelbarer Wirkung für einen anderen zu handeln, wobei eine „Verpflichtungs-“ oder „Erwerbsermächtigung“ von der herrschenden Meinung abgelehnt wird.298 Werner Flume fasst dies treffend in der Definition als „Autorisation des Ermächtigten zur Ausübung oder Geltendmachung eines Rechts, welches ihm nicht zusteht.“299 Der begrenzte Umfang der Ermächtigung, die nämlich im Gegensatz zur Stellvertretung nicht personen- sondern gegenstandsbezogen ist,300 passt zu der Legitimation der Beschlussfassung in der Bruchteilsgemeinschaft, denn diese dient lediglich dazu, eine ordnungsmäßige Verwaltung zu ermöglichen, und bezieht sich somit nur auf den Gegenstand des Bruchteilsrechts, nicht aber auf die gesamte Person eines jeden Teilhabers. Zudem wird die Ermächtigung anders als die Stellvertretung vom Gesetzgeber auch als Zwangsmittel eingesetzt: Dass nicht nur rechtsgeschäftliche Ermächtigungen möglich sind, zeigt § 37 II 1 BGB, der eine „Ermächtigung“ einzelner Vereinsmitglieder zur Einberufung der Mitgliederversammlung regelt, zu der nach der Satzung oder dem Gesetz regelmäßig nur der Vorstand oder ein anderes Vereinsorgan berechtigt ist.301 Aber auch die Überweisung einer Forde297 

Siehe dazu Roth, in: Baumbach/Hopt, HGB § 128 Rn. 8 ff. Flume, AT II, S. 901 ff.; Medicus, BGB AT, Rn. 1003–1009, 1014; Wolf/Neuner, § 49 Rn. 65, § 54 Rn. 25 ff. 299  Flume, AT II, S. 905. 300  Flume, AT II, S. 904. 301  Arnold, in: MüKo BGB, § 36 Rn. 2. 298 

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rung zur Einziehung gemäß § 835 I Alt. 1 ZPO stellt in ihren Wirkungen302 eine zwangsweise Ermächtigung des Vollstreckungsgläubigers zulasten des Vollstreckungsschuldners dar: Der vollstreckungsrechtliche Überweisungsbeschluss verleiht ebenso wie das vertragliche Pfandrecht an einer Forderung lediglich die Befugnis zur „Ausübung“ des fremden Rechts.303 Die Ermächtigung kann also durch Rechtsgeschäft oder Hoheitsakt begründet werden, und sie wird vom Gesetzgeber auch eingesetzt, um eine Rechtsausübung gegen den Willen des Rechtsinhabers zu ermöglichen. In Bezug auf die Bruchteilsgemeinschaft lässt sich für die Ermächtigung als Rechtsfolge zudem mit einer Parallele zu § 744 II BGB argumentieren. Werner Flume betrachtet richtigerweise die §§ 745 I und 744 II BGB zusammen und legt überzeugend dar, dass der Gesetzgeber in diesen Normen keine Vertretungsregelung schaffen wollte.304 Mittlerweile ist auch für § 744 II BGB anerkannt, dass dieser – wie von Flume befürwortet305 – lediglich eine Rechtsmacht zum Handeln im eigenen Namen mit Wirkung für die anderen Teilhaber verleiht, also insbesondere Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis.306 Davon ausgehend, steht das argumentum a maiore ad minus307 aus § 744 II BGB einer Vertretungsmacht als Rechtsfolge eines Beschlusses gem. § 745 I 1 BGB entgegen und legt eine Ermächtigung nahe: Wenn sogar bei einer notwendigen Maßnahme keine Vertretungsmacht besteht, dann kommt diese für eine nur ordnungsmäßige erst recht nicht in Betracht. Stattdessen ist die Rechtsfolge des § 744 II BGB, nämlich eine Ermächtigung, auch bei § 745 I BGB gegeben.

c) Ergebnis Die nach § 745 I 1 BGB gefassten Beschlüsse der Teilhaber einer Bruchteilsgemeinschaft begründen keine Vertretungsmacht. Die überstimmten Teilhaber werden keine Vertragspartner, wenn Verträge mit Dritten abgeschlossen werden, sondern sind lediglich im Innenverhältnis zur Duldung und anteilsmäßigen Kostentragung verpflichtet. Außerdem besitzen die in Ausführung der Beschlüsse handelnden Teilhaber die nötige Rechtsmacht zur Durchführung der beschlossenen Maßnahme, insbesondere sind sie insoweit verfügungs- und prozessführungsbefugt. 302  Der Vollstreckungsschuldner bleibt Inhaber der Forderung, der Vollstreckungsgläubiger kann diese aber im eigenen Namen geltend machen (Schilken, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 55 Rn. 36 f.; Smid, in: MüKo ZPO, § 835, Rn. 11–19) – parallel dazu sind die Rechtsstellung von Gläubiger und Ermächtigtem bei der rechtsgeschäftlich erteilten Einziehungsermächtigung (Medicus, BGB AT, Rn. 1008; Wolf/Neuner, BGB AT, § 54 Rn. 29 f.). 303  Pfersche, JherJahrb 65, 51, 62 ff., 75 ff. 304  Flume, AT I/1, S. 116. 305  Flume, AT I/1, S. 116 f. 306  Schmidt, in: MüKo BGB, § 744, 745 Rn. 45 ff. 307  Siehe zu diesem Argumentationsprinzip Larenz, Methodenlehre, S. 389 f.



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4.  Mögliche Außenwirkung der zur Beschlussfassung abgegebenen Stimmen Weder Vertretungsmacht noch Ermächtigung sind richtigerweise als Außenwirkung eines Beschlusses zu bezeichnen, da es sich dabei um Regelungen im Innenverhältnis handelt. Von einer Außenwirkung des Rechtsgeschäfts „Beschluss“ in diesem Sinn kann schon grundsätzlich nicht gesprochen werden, da die Beschlusswirkungen per definitionem auf einen bestimmten Kreis beschränkt sind. Eine andere Frage ist hingegen, ob die bei der Beschlussfassung abgegebenen Stimmen als Willenserklärungen auch nach außen wirken können. In den allgemeinen Beschreibungen des Beschlusses als Rechtsgeschäft wird meist betont, dass dieser an sich keine Willenserklärung ist und dass seine Wirkungen auf das Innenverhältnis beschränkt sind,308 woraus man folgern könnte, dass Beschlussfassung und -ausführung niemals zusammentreffen. Die Trennung von interner Willensbildung und externer Ausführungshandlung hat Otto Gierke grundlegend herausgearbeitet,309 der dabei allerdings selbst feststellt: „Beiderlei Elemente treten freilich niemals rein für sich auf.“310 Nun verstand Gierke den Beschluss nicht als Rechtsgeschäft, sondern nur als einen Akt der internen Willensbildung311 – eine Ansicht die mittlerweile nicht mehr vertreten wird312 – seine Gedanken zur Willensbildung und -ausführung sind aber auch auf der Grundlage der heutigen Auffassung noch verwertbar.313 Demnach muss zwar rechtlich zwischen dem Beschluss als internem Rechtsgeschäft und einer außenwirksamen Handlung unterschieden werden; dies hindert jedoch nicht, dass in Einzelfällen die beiden rechtlichen Vorgänge in einem einzigen tatsächlichen zusammentreffen können, denn ein einheitlicher Lebenssachverhalt kann juristisch in mehrfacher Hinsicht beachtlich sein, wofür Gierke in diesem Zusammenhang selbst verschiedenste Beispiele nennt.314 Dementsprechend können sich in einigen Fällen Beschluss und Ausführung in derselben Handlung vollziehen. Als ein Beispiel kann die Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers durch die Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung genannt werden.315 Und auch für die Bruchteilsgemeinschaft ist ein Zusammentreffen von Be308  So bereits Tuhr, AT II/1, S. 236, heute aus der Verbandsperspektive: Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 2; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 14. 309  Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 693 ff. 310  Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 693. 311  Gierke, Deutsches Privatrecht, S. 283 Fn. 2; Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 568 f., 693 f. 312 Allerdings war dies lange umstritten, siehe dazu etwa Bartholomeyczik, ZHR 1938, 293; das RG entschied noch im Jahr 1928, dass „der Beschluß als solcher kein Rechtsgeschäft“ sei (RGZ, 122, 367, 369). 313  Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 15 I 4 beruft sich explizit auf Gierke. 314  Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 693 ff. 315  Roth, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, § 47 Rn. 2a, § 46 Rn. 23 und grundlegend Plander, GmbHR 1968, 197, 202 f.; siehe auch allgemein zum Zusammentreffen von Beschluss und Ausführung bei der GmbH Zöllner, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 47 Rn. 10.

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schluss und Ausführung anerkannt im Fall der Ausübung eines Stimmrechts aus einem gemeinschaftlichen GmbH-Anteil.316 Konstruktiv lassen sich die zur Beschlussfassung abgegebenen Stimmen unproblematisch gleichzeitig als Ausführungshandlung qualifizieren. Sie sind Willenserklärungen der Abstimmenden, und eine Außenwirkung ergibt sich natürlicherweise, wenn diese Erklärungen nicht nur an die anderen Abstimmenden, sondern auch an einen Dritten gerichtet sind und diesem zugehen. Ein Bedürfnis für eine erneute Kundgabe des bereits erklärten und kraft des Beschlusses rechtlich beachtlichen Willens der Mehrheit besteht in diesen Fällen nicht; vielmehr wäre das Postulat eines solchen Erfordernisses reine Förmelei und liefe dem Zweck des § 745 I BGB, „die ordnungsgemäße Verwaltung auf unkomplizierte, Verzögerungen ausschließende Weise zu ermöglichen“317, zuwider.

5. Zusammenfassung Beschlüsse sind Rechtsgeschäfte, die durch die Willenserklärungen der Zustimmenden zustandegebracht werden und ihre Wirkung nicht nur gegenüber diesen, sondern auch gegenüber Dritten entfalten können. In der Bruchteilsgemeinschaft müssen die betreffenden Willenserklärungen gegenüber den anderen zustimmenden Teilhabern abgegeben werden, wofür keine besondere Form vorgeschrieben ist. Rechtsfolge des Beschlusses ist die Ermächtigung eines oder mehrerer Teilhaber, im eigenen Namen die Befugnisse aus den übrigen Bruchteilsrechten auszuüben, soweit dies für die Ausführung der beschlossenen Maßnahme erforderlich ist. Hingegen wird keine Vertretungsmacht begründet, sodass bei einem Vertragsschluss mit Dritten nur die zustimmenden Teilhaber Vertragspartner werden. Die Stimmabgaben zur Beschlussfassung können mit Erklärungen gegenüber Dritten zusammenfallen, in denen der Beschluss unmittelbar ausgeführt wird. Nur insofern lässt sich von einer „Außenwirkung“ sprechen, und zwar nicht des Beschlusses, sondern der Beschlussfassung im Sinn der Gesamtheit der Erklärungen.

II.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung Die allgemeinen Regelungen über die Beschlussfassung innerhalb der Bruchteilsgemeinschaften werden für die Gläubigergemeinschaft durch die §§ 74–78 316  Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 10, Verse, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 18 GmbHG, Rn. 8; Reichert/Weller, in: MüKo GmbHG, § 18 Rn. 62; hinsichtlich einer Erbengemeinschaft so auch OLG Karlsruhe NJW-RR 1995, 1189, 1190. 317  So die zutreffende Feststellung des LG Bonn NJW-RR 1991, 1114, 1115, dort allerdings bezogen auf die Begründung einer Vertretungsmacht.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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InsO modifiziert. Als Grundlage der Erörterung dieser Vorschriften und der Beschlussfassungen der Gläubigergemeinschaft muss zunächst der Inhalt der gemeinschaftlichen Rechte genau analysiert werden, da dieser den Beschlussgegenstand bestimmt. Insgesamt wird an dieser Stelle die Rechtsnatur des Insolvenzverfahrens als Prozess der Gesamtvollstreckung relevant. Für die Erörterung der prozessualen Aspekte der Gläubigerversammlung sind die allgemeinen Definitionen und Lehren aus dem Zivilprozessrecht gültig, denn das Vollstreckungsverfahren ist ebenso wie das Erkenntnisverfahren und das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Teil der Zivilrechtspflege318 und zählt zur ordentlichen streitigen Zivilgerichtsbarkeit.319 Trotz dieser allgemeinen Einordnung weist das Insolvenzverfahren allerdings eine „verfahrensrechtliche Typenmischung“ auf, insbesondere sind manche Aufgaben des Insolvenzgerichts solche, die typischerweise in der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorkommen.320 Inwieweit Regeln des Erkenntnisverfahrens in der Vollstreckung anwendbar sind, ist nach dem jeweiligen Einzelfall zu beurteilen.321 Dabei besitzen aber die Lehren über die Prozesshandlungen allgemeine Geltung.322

1. Beschlussgegenstand Die Rechte der Gläubigergemeinschaft sind spezifisch insolvenzverfahrensrechtliche Befugnisse. Diese Besonderheit des Beschlussgegenstands wirkt sich auf die Beschlussfassung und -ausführung aus und muss daher zuerst dogmatisch erfasst werden.

a)  Rechte der Gläubigergemeinschaft als Befugnisse zur Vornahme von Prozesshandlungen Die Rechte der Gläubiger, die sich aus dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht ergeben, sind Befugnisse zur Gestaltung der insolvenzverfahrensrechtlichen Rechtsverhältnisse. Sie zielen zum ganz überwiegenden Teil darauf ab, prozessuale Rechte oder Pflichten anderer Verfahrensbeteiligter323 zu begrün318 

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 16 ff. ausdrücklich unter Einbeziehung des Insolvenzverfahrens Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 2 Rn. 1, 11, zur Abgrenzung siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §§ 9 ff. Speziell zum Insolvenzverfahren trifft die entsprechende Einordnung ausführlich Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 13 ff. 320  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 16 f. 321  Becker-Eberhard, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 28 Rn. 1 ff. 322 Siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 9. 323  Der Begriff des „Beteiligten“ ist hier weiter zu verstehen als in §§ 226, 248 I, 250 InsO; gemeint sind alle am Prozessrechtsverhältnis Beteiligten, also auch das Insolvenzgericht, der Insolvenzverwalter und ein Gläubigerausschuss, sowie sonstige ins Verfahren einbezogene 319 So

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

den, aufzuheben oder umzugestalten.324 Die Ausübung eines solchen Rechts hat mithin ihren Schwerpunkt im Verfahrensrecht und stellt daher eine Prozesshandlung dar.325 Dies kann im einzelnen gezeigt werden. Prozesshandlungen lassen sich in drei Gruppen einteilen: Die sog. Erwirkungs- und Bewirkungshandlungen, die jeweils einseitige Prozesshandlungen darstellen, und die Prozessverträge als mehrseitige Prozesshandlungen.326 Die gemeinschaftlichen Befugnisse der Gläubiger umfassen alle drei Arten von Prozesshandlungen.

aa) Erwirkungshandlungen Erwirkungshandlungen bringen nicht selbst unmittelbar die gewollte prozessuale Folge hervor, sondern „sollen das Gericht oder ein Gerichtsorgan zu einer bestimmten Entscheidung veranlassen“; hierzu zählen vor allem Anträge und Behauptungen.327 Gemeinschaftliche Rechte zum Vorbringen von Behauptungen kann es im Insolvenzverfahren nicht geben, denn das Gericht ist schon nach dem Amtsermittlungsgrundsatz (§ 5 I 1 InsO) verpflichtet, jeden Hinweis zu berücksichtigen. Daher kommen hier nur gemeinschaftliche Antragsrechte in Betracht. Die §§ 59 I 2 Var. 4, 70 I 2 Var. 3, 271 S. 1, 272 I Nr. 1, 277 InsO sprechen ausdrücklich von „Anträgen“. In diesen Fällen sind die Gläubiger berechtigt, das Gericht zur Anordnung bestimmter Maßnahmen aufzufordern. Antragsrechte sind auch den §§ 97 I 1 Var. 4 und 233 S. 2 InsO zu entnehmen. Im ersten Fall ist nach der herrschenden Ansicht ein Antrag der Gläubigerversammlung für die gerichtliche Anordnung der Auskunftserteilung nicht erforderlich,328 Personen, wie etwa ein in den Gläubigerausschuss zu wählender Dritter. Sämtliche Befugnisse, die der Gläubigergemeinschaft durch die InsO gewährt werden, betreffen die Rechtsstellung dieser am Prozessrechtsverhältnis Beteiligten, vgl. die Auflistung bei Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 74 Rn. 3 ff. und die Ausführungen im nächsten Unterpunkt. 324  Keine solche Befugnis, sondern reine Informationsrechte begründen hingegen §§ 66 I 1, 156 I, 281 II, III InsO; Information und rechtliches Gehör sind bei den „Erörterungsterminen“ i. S. d. § 197 I 2 Nr. 1, 207 II, InsO zu gewähren. Weil für die Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts und die Ausübung der Gläubigerbefugnisse diese Rechte grundlegende Bedeutung haben, wird man hier annehmen können, dass jeder Gläubiger nach § 744 II BGB zur Geltendmachung der Rechte für alle Gläubiger im eigenen Namen befugt ist. Damit wird das Grundrecht des einzelnen Gläubigers auf rechtliches Gehör gewahrt und gleichzeitig sichergestellt, dass sämtliche Gläubiger auf demselben Informationsstand und damit zu interessengerechten Entscheidungen imstande sind. Beschlüsse müssen im Zusammenhang mit diesen Rechten nicht gefasst werden. 325 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 1. 326  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 1, § 64 Rn. 1, 15; die Unterscheidung von Er- und Bewirkungshandlungen geht zurück auf Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 364 ff. 327  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 64 Rn. 1 ff. 328  Stephan, in: MüKo InsO, § 97 Rn. 20.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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möglich muss ein solcher Antrag aber jedenfalls sein. In § 233 S. 2 Var. 3 InsO ist entgegen dem Wortlaut ebenfalls von einem Antrag der Gläubiger auszugehen, nur dass hier als besondere Voraussetzung Anträge der Gläubiger und des Insolvenzverwalters erforderlich sind.329 Schließlich stellt auch die „Wahl“ des Insolvenzverwalters nach § 57 InsO inhaltlich einen Antrag dar, denn die Bestellung muss vom Gericht vorgenommen werden.330

bb) Bewirkungshandlungen Bewirkungshandlungen bringen eine gewollte prozessrechtliche Folge unmittelbar hervor.331 In diesem Sinn können die Gläubiger Pflichten des Insolvenzverwalters begründen, indem von diesem Auskünfte verlangt (§§ 66 III, 79 S. 1) oder ihm allgemeine Handlungsvorgaben gemacht werden (§ 157 InsO). Zudem ist der Verwalter verpflichtet, die Zustimmung der Gläubigerversammlung für Maßnahmen nach §§ 160 I 2, 162 I, 163 I InsO einzuholen; diese Zustimmung oder deren Verweigerung wirkt sich zwar nicht auf die Verfügungsmacht nach § 80 I InsO aus, begründet aber für den Verwalter die Pflicht zur Berücksichtigung des Votums der Gläubiger und ein Recht, sich an dieses zu halten, sodass er sich bei Nichtbeachtung möglicherweise schadensersatzpflichtig macht, durch Beachtung eine Schadensersatzpflicht hingegen regelmäßig ausschließen kann.332 Nach § 100 I InsO können die Gläubiger Rechte des Schuldners und seiner Familie auf Unterhalt aus der Masse begründen, nach § 101 I 3 InsO gilt entsprechendes für die vertretungsberechtigten persönlich haftenden Gesellschafter einer Schuldner-Gesellschaft. Auch durch eine Bestimmung i. S. d. § 149 II InsO wird unmittelbar eine prozessuale Regelung herbeigeführt.

cc) Prozessverträge Die dritte Gruppe der Prozesshandlungen bilden die Prozessverträge, das „sind Verträge, die ihre unmittelbare Hauptwirkung auf prozessualem Gebiet entfal329 

Siehe dazu noch unten die erste Fußnote zu den Prozessverträgen (Fn. 333). Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 57 Rn. 13. 331  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 64 Rn. 15. 332 Zu Abweichungsmöglichkeiten des Verwalters und einer möglichen Haftung trotz Beachtung des Gläubigervotums siehe Görg/Jansen, in: MüKo InsO, § 160 Rn. 28 f., die allerdings beim zweiten Punkt Aspekte der Wirksamkeit der Zustimmung mit solchen eines möglicherweise vorangegangenen Verschuldens des Verwalters (insb. Fehlinformation) vermischen. Richtigerweise wird man eine Unwirksamkeit der Zustimmung bei Falschinformation durch den Verwalter nicht annehmen können, weil einseitige Prozesshandlungen nicht anfechtbar sind (siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 46 und weiter unten im Text); in Betracht kommt allerdings ein Verbot des Verwalters zur Berufung auf eine solchermaßen herbeigeführte Zustimmung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 46, 50). 330 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

ten.“333 Ein solcher Vertrag wird geschlossen bei der Wahl eines Mitglieds des Gläubigerausschusses nach § 68 II Var. 2, 3 InsO. Um dies zu belegen, muss zunächst der Begriff des Vertrags definiert werden. „Der Vertrag ist die rechtsgeschäftliche Regelung eines Rechtsverhältnisses, die von den Vertragspartnern einverständlich getroffen wird.“334 Es handelt sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft.335 Anders als der Beschluss setzt der Vertrag kein vorher bestehendes Rechtsverhältnis unter den von ihm Betroffenen voraus und wirkt nicht zulasten derer, die ihm nicht zustimmen.336 Durch letzteres unterscheidet er sich auch vom Gesamtakt, bei dem mehrere zusammenwirken, um eine – möglicherweise belastende – Wirkung gegenüber einem Dritten herbeizuführen, und der insofern „einseitig“ ist.337 Nach dieser Definition handelt es sich bei der Wahl eines Mitglieds in den Gläubigerausschuss um einen Vertrag, denn neben den Erklärungen der Gläubiger ist auch eine Erklärung des Gewählten, die sog. Annahme, erforderlich.338 Durch die Erklärungen der Gläubiger und des Gewählten wird dieser unmittelbar zum Ausschussmitglied, einer gerichtlichen Bestellung bedarf es nicht.339 Am Vorliegen eines Vertrages könnte man allerdings zweifeln, wenn man dem häufig genannten Vergleich des Gläubigerausschusses mit dem Aufsichtsrat in einer AG340 nachgeht. Wie jeder Vergleich hinkt auch dieser, doch lassen sich tatsächlich manche Parallelen feststellen: Zur Bestellung der Mitglieder sind ein Beschluss, dessen Ausführung und die Annahme des Gewählten erforderlich,341 es entsteht aber kein Rechtsverhältnis zwischen den Wählenden und den Gewählten.342 Zudem kann in beiden Fällen eine Einsetzung der Mit333 

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 1; sie sind zu unterscheiden von der Konstellation, dass lediglich mehrere einseitige Prozesshandlungen zusammentreffen müssen, um eine prozessuale Folge zu begründen, siehe dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 9. Dieses Zusammentreffen mehrerer einseitiger Erklärungen wird teilweise auch als „Gesamtakt“ bezeichnet (Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 19). Einen solchen Fall stellt in der InsO § 233 S. 2 Var. 2, 3 dar; der Begriff des „Gesamt“-Akts scheint hier aber nicht ganz passend, da eine Zustimmung des Schuldners nicht erforderlich ist. 334  Flume, AT II, S. 602. 335  Medicus, BGB AT, Rn. 203 f.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 6 ff. 336  Siehe zum Beschluss die obigen Ausführungen unter I 1. 337  Siehe dazu Flume, AT II, S. 602; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 5. 338  Schmid-Burgk, in: MüKo InsO, § 78 Rn. 12. 339  Schmid-Burgk, in: MüKo InsO, § 78 Rn. 12. 340  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 67 Rn. 3; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 67 Rn. 1; SchmidBurgk, in: MüKo InsO, § 68 Rn. 12. 341 Aufsichtsrat: Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 13; Habersack, in: MüKo AktG, § 101 Rn. 61; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 101 AktG Rn. 4 – Gläubigerausschuss: Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 68 Rn. 4; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 68 Rn. 19; Schmid-Burgk, in: MüKo InsO, § 68 Rn. 12; zur InsO jedoch alle ohne Differenzierung zwischen Beschlussfassung und -ausführung. 342 AG: Drygala, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 101 Rn. 2; Habersack, in: MüKo AktG, § 101 Rn. 67; Henssler, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 101 AktG Rn. 1 – Gläubiger-



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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glieder durch Gericht erfolgen, die aber nur als Notbehelf dient, vgl. §§ 21 II Nr. 1a, 22a, 67 InsO und § 104 AktG. Nun ist weiterhin festzustellen, dass die Kommentarliteratur zu § 101 AktG den Begriff des Vertrags strikt meidet.343 Stattdessen wird die Wahl als ein „korporationsrechtlicher Akt“ bezeichnet, zu dessen Wirksamkeit dann noch die Annahme des Gewählten erforderlich sein soll.344 Aufschlussreich ist ein Blick auf die inhaltliche Begründung dieser Konstruktion: Man lehnt ein sog. Anstellungsverhältnis ab, das über die gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Rechte und Pflichten des Aufsichtsratsmitglieds gegenüber der AG und ihren Organen (sog. korporationsrechtliches Verhältnis)345 hinausgeht, und deshalb auch den Vertragsbegriff.346 Nun ist aber mit der Einordnung als Vertrag nichts über die Begründung irgendeines Rechtsverhältnisses gesagt, sondern nur, dass Rechtsfolgen aufgrund der Einigung eintreten.347 Die Ablehnung des Vertragsbegriffes hinsichtlich § 101 AktG beruht also lediglich auf einem Missverständnis des Vertrags in dem Sinn, dass dieser stets ein Schuldverhältnis begründen müsste. Dieser Irrtum darf für den hier zu untersuchenden Gegenstand nicht zu einer Fehldeutung führen. Eine Mitgliedschaft im Gläubigerausschuss nach § 68 II 1 Var. 2, 3 InsO wird also durch Vertrag begründet. Da der Gläubigerausschuss ein besonderes Organ des Insolvenzverfahrens ist, hat dieser Vertrag seinen Schwerpunkt im Verfahrensrecht. Es handelt sich um einen Prozessvertrag. Daneben gibt es eine zweite Form des Prozessvertrags im Insolvenzverfahren: Den Insolvenzplan. Seine prozessualen Wirkungen sind zwar nicht auf das Insolvenzverfahren beschränkt, sondern können weitere Verfahren erfassen, und er kann außerdem eine prozessual-materiellrechtliche Doppelnatur besitzen.348 Daraus ergeben sich jedoch für die folgenden Ausführungen grundsätzlich keine Änderungen, da die Erklärungen der Gläubiger somit stets auch Prozesshandlungen sind. Das Zustandekommen des Plans im Ganzen wird unten noch ausführlich dargestellt.

ausschuss: Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 67 Rn. 6; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 67 Rn. 2; Schmid-Burgk, in: MüKo InsO, § 69 Rn. 9 ff. 343 Besonders deutlich Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, §  101 Rn. 10: „Ein Vertrag kommt durch die Annahme nicht zustande.“ 344  Siehe auch hierfür beispielhaft Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 10. 345  Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 8. 346 Vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 10, 9. 347  Flume, AT II, S. 602; Medicus, BGB AT, Rn. 203 f.; Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 6: ein Beispiel für einen Vertrag, der kein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien regelt, ist der dingliche Vertrag i. S. d. § 929 BGB. 348  Siehe unten § 5 B.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

b)  Beschluss und Ausführung in denselben Erklärungen Bei Anwendung der oben erarbeiteten Grundsätze über Beschlüsse von Bruchteilsgemeinschaften349 sind die Erklärungen der Gläubiger, gleichzeitig auf die Herbeiführung des Beschlusses und auf die Vornahme der beschlossenen Maßnahme gerichtet. Der so zustandegebrachte Beschluss bildet den rechtlichen Grund für die Wirksamkeit der ihm entsprechenden Erklärungen. Fraglich ist aber, welche Rechtsfolge genau der Beschluss hervorbringt.

aa)  Prozessführungsbefugnis als regelmäßige, aber hier unpassende Grundlage für Ausführung eines Beschlusses im Prozess Bei Prozessen mit Bezug zu einem gemeinschaftlichen Recht ist die „Standardkonstellation“, dass ein Teilhaber nach dem Recht der Gemeinschaft in Bezug auf einen bestimmten Streitgegenstand prozessführungsbefugt ist und diese eine Befugnis sich auf das Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren erstreckt.350 Dieses Prinzip übertragend könnte man daher, gestützt auf das einheitliche Befriedigungsrecht, die Begründung einer Prozessführungsbefugnis für das gesamte Insolvenzverfahren als Folge eines Gläubigerbeschlusses erwägen. Das war jedoch vom Gesetzgeber nicht gewollt. Vielmehr ist für die „Gläubigerautonomie“ im Insolvenzverfahren die jeweils besondere Abstimmungsmöglichkeit bei den einzelnen Sachfragen gerade wesentlich. Die Besonderheit bei den Beschlüssen der Gläubigergemeinschaft besteht darin, dass es nicht um die Durchsetzung eines Rechts mithilfe eines Gerichtsverfahrens, sondern um die Ausübung bestimmter Rechte im Verfahren geht. Die Begründung einer Prozessführungs-Befugnis, die sich begrifflich auf ein Verfahren im Ganzen bezieht, ist damit als rechtliches Mittel untauglich.

bb)  Ermächtigung zu einzelnen Prozesshandlungen als besonderes Mittel in einem Massenverfahren Im deutschen Zivilprozessrecht gilt das Zweiparteienprinzip.351 Auch wenn auf einer Seite mehrere Personen stehen können, bestehen zwischen diesen stets getrennte und grundsätzlich voneinander unabhängige Prozessrechtsverhältnis349 

I 3, 4. Das ist jedenfalls für die Befugnis aus § 744 II BGB anerkannt (Hadding, in: Soergel, BGB, § 744 Rn. 5; Hausmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, vor § 50 Rn. 53; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 29; Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 47; Proff, in: Staudinger, BGB (2015), § 744 Rn. 43); richtigerweise ist die Wirkung eines Beschlusses nach § 745 I BGB dieselbe, siehe dazu oben I 3, 5. 351  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  40 Rn. 26; Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 5 Rn. 19, § 32 Rn. 1 ff. 350 



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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se.352 Trotz dieser grundsätzlichen Trennung können sich aber die verbundenen Prozesse und die Handlungen der Personen wechselseitig beeinflussen. So sind etwa im Fall der Streitgenossenschaft die Beweismittel des einen Prozesses auch in den anderen zu beachten.353 Bei einer materiellrechtlich notwendigen Streitgenossenschaft auf Klägerseite führt die Klagerücknahme eines Streitgenossen zur Unzulässigkeit der Klagen der anderen.354 Nach § 62 I ZPO werden bei notwendiger Streitgenossenschaft sogar säumige Streitgenossen als durch die übrigen vertreten angesehen. Mithin bedeutet das Zweiparteienprinzip zwar eine grundsätzliche Trennung von Verfahren, in Einzelfällen sind jedoch übergreifende Wirkungen möglich. Als Grundsatz des Zivilprozesses ist das Zweiparteienprinzip auch dem Insolvenzverfahren zugrundezulegen. Jeder Gläubiger steht demnach im Verfahren dem Insolvenzschuldner als einzelner mit seiner Forderung gegenüber. Es sind jedoch alle Gläubiger an dem Verfahren unmittelbar kraft Gesetzes beteiligt. Daraus folgt das schon aufgezeigte Problem, dass die Gläubiger zwar nach dem Willen des Gesetzgebers zu wesentlichen Entscheidungen berechtigt sein sollen, diese aber notwendigerweise nur einheitlich mit Wirkung für das gesamte Verfahren ergehen können, und dass sich einstimmige Entscheidungen praktisch nicht erzielen lassen. Die Lösung des Problems liegt darin, das Recht zur Vornahme bestimmter Prozesshandlungen den Gläubigern gemeinschaftlich einzuräumen. Durch Beschluss können die Gläubiger regeln, wie von diesem Recht Gebrauch zu machen ist. Eine solche Bruchteilsgemeinschaft an Verfahrensrechten ist im deutschen Recht zwar singulär, aber das Insolvenzverfahren ist auch das einzige Massenverfahren im deutschen Zivilprozess355 und erfordert daher besondere rechtliche Lösungen. Für das hier vertretene Modell spricht auch ein Vergleich mit § 67a VwGO: Nach dieser Vorschrift kann in verwaltungsrechtlichen Massenverfahren vom Gericht die Bestellung eines gemeinsamen Prozessvertreters aufgegeben oder angeordnet werden. Eine solche Konzentration der gesamten Handlungsmacht auf bestimmte Personen ist gerade nicht die Lösung, die der InsO-Gesetzgeber gewählt hat; vielmehr hat er sich dafür entschieden, sämtliche Gläubiger an den einzelnen Verfahrensrechten teilhaben zu lassen, was zu einer Bruchteilsgemeinschaft führt. Eine solche Lösung ist aufgrund der Besonderheiten des Insolvenzverfahrens gangbar: Durch die Tätigkeit des Insolvenzverwalters wird verhindert, dass das Verfahren insgesamt wegen fehlender Entscheidungen der Gläubiger ins Stocken gerät. Zudem wird durch die 352  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  40 Rn. 26, § 48 Rn. 1, 12, § 49 Rn. 36. 353  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 48 Rn. 28. 354  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 49 Rn. 38. 355  Siehe schon oben § 2 A IV 2, sowie Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 47 Rn. 14 ff.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

gerichtliche Überwachung die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassungen in der Gläubigergemeinschaft sichergestellt. Prozessökonomie und Rechtssicherheit, die speziell im Erkenntnisverfahren die Konzentration der Handlungsbefugnisse in einer Person erfordern, werden somit im Insolvenzverfahren mit anderen Mitteln gewährleistet. Problematisch ist nur, mit welchem Rechtsbegriff man die Befugnis der Mehrheit zur Vornahme der einzelnen Prozesshandlungen beschreibt. Die ZPO kennt eine Prozessvollmacht, die nur für einzelne Prozesshandlungen gilt (§ 83 II ZPO), jedoch ist eine Stellvertretung als Folge des Beschlusses aus den bereits oben erläuterten Gründen abzulehnen. Der Begriff der Prozessführungsbefugnis passt insoweit, als diese das prozessuale Pendant zur materiellen Verfügungsmacht356 bildet, allerdings ist davon nicht das Recht zur Vornahme einzelner Handlungen, sondern die Befugnis zur Führung des gesamten Prozesses umfasst. Zutreffend beschreiben lässt sich die durch den Beschluss geschaffene Rechtsmacht der Mehrheit eher als eine „Prozesshandlungsbefugnis“, oder schlicht als das Recht der Mehrheit zur Vornahme der betreffenden Handlung. Inhaltlich handelt es sich um eine „Ermächtigung“, nämlich das Recht, die betreffende Maßnahme im eigenen Namen mit Wirkung gegenüber allen vorzunehmen.

c) Zusammenfassung Die gemeinschaftlichen Rechte der Gläubiger im Insolvenzverfahren sind darauf gerichtet, bestimmte Verfahrensregelungen herbeizuführen oder auf sie hinzuwirken. Es handelt sich also um Rechte zur Vornahme einzelner Prozesshandlungen. Zusammenfassend lässt sich somit von einer „gemeinschaftlichen Berechtigung zu Prozesshandlungen“ oder kürzer noch von einer „gemeinschaftlichen Prozesshandlungsberechtigung“ sprechen. Dass das Recht, Prozesshandlungen in einem Verfahren vorzunehmen, schon nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen anderen Rechtsträgern als einer Partei zugeschrieben werden kann, zeigt dabei schon § 67 ZPO.357 Darüber, wie von diesen Berechtigungen Gebrauch gemacht werden soll, entscheiden die Gläubiger durch Beschluss. Rechtsfolge des Beschlusses ist dann eine Ermächtigung der Zustimmenden zur Vornahme der Prozesshandlung mit Wirkung für Alle. In Anlehnung an den Begriff der „Prozessführungsbefugnis“ könnte man diese Ermächtigung als „Prozesshandlungsbefugnis“ beschreiben. In einem Satz also: Die Gläubiger beschließen über die Ausübung ihrer gemeinschaftlichen „Prozesshandlungsberechtigung“ mit der Folge, dass der Be356 

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 46 Rn. 2. Indem § 67 ZPO dem Nebenintervenienten eine solche Berechtigung zuspricht, macht die Norm nämlich deutlich, dass das Recht zur Vornahme von Prozesshandlungen verselbständigungsfähig ist und von der Stellung als „Partei“ gelöst werden kann. 357 



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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schluss für die Zustimmenden eine entsprechende „Prozesshandlungsbefugnis“ begründet. Diese im deutschen Zivilprozess einzigartige Rechtsfigur lässt sich durch den besonderen Charakter des Insolvenzverfahrens als Massenverfahren erklären. Die eigenständige Tätigkeit des Insolvenzverwalters und die Integration der Beschlussfassung ins Verfahren erlauben eine solche Lösung.

2.  Beschlussfassung und -ausübung in einer vom Insolvenzgericht geleiteten Versammlung Für die Gläubigergemeinschaft gilt nicht der Grundsatz der Formfreiheit für die Beschlussfassung, sondern es ist die Abhaltung förmlicher Versammlungen vorgeschrieben. Da Beschlussfassung und -ausübung zusammenfallen, werden dabei auch die jeweiligen Prozesshandlungen vorgenommen.

a)  Versammlung in einem „Termin“ Die Versammlungen werden vom Insolvenzgericht von Amts wegen oder auf Antrag, und aufgrund gesetzlicher Vorschrift oder nach gerichtlichem Ermessen einberufen.358 Dass nicht jeder einzelne Gläubiger ein Einberufungsrecht oder die Möglichkeit zur Erzwingung der Einberufung hat, bedeutet keine unangemessene Beschneidung der Gläubigerrechte, sondern dient dem Interesse sämtlicher Gläubiger, indem überflüssige Versammlungen vermieden werden. Das Insolvenzgericht ist außerdem in § 76 I InsO zum Versammlungsleiter bestimmt. Die Gläubigerversammlung findet insgesamt im Rahmen eines Termins zur mündlichen Verhandlung statt. Verhandlung ist jede „Tätigkeit des Gerichts oder eines Gerichtsorgans mit den Beteiligten oder unter Zuziehung der Beteiligten in einem Termin“359, wobei der Begriff des Termins definiert werden kann als ein vom Gericht nach Zeit und Ort bestimmtes Treffen, zu dem die Beteiligten geladen werden.360 Anhand der äußeren Merkmale lässt sich die Gläubigerversammlung unproblematisch als Termin einordnen: Sie wird vom Insolvenzgericht „einberufen“, ihr gehen also die Anberaumung und Ladung361 in Form der Bekanntmachung (§ 74 II InsO) durch das Gericht voraus. Dadurch wird auch die „Bereitschaft des Gerichts oder Gerichtsorgans zur Vornahme einer Handlung oder zur Entgegennahme einer Parteihandlung“ angezeigt.362 358 

Überblick bei Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 74 Rn. 12–15. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 79 Rn. 21. 360  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 70 Rn. 1 ff. 361 Vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 70 Rn. 2 ff. 362  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 70 Rn. 2. 359 

234

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Die Versammlungsleitung ist als eine „sonstige“ Handlung des Gerichts einzuordnen.363 Soweit das Gericht die Versammlung leitet und die Ergebnisse der Abstimmungen feststellt, ist dies als eine Form der „Beurkundung“ typenmäßig dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Form einer „Mitwirkung an Rechtsgeschäften“364 zuzuordnen.365 Gleichzeitig mit der Beschlussfassung ­nehmen die Gläubiger dabei die Prozesshandlungen im Vollstreckungsverfahren vor. Darüberhinaus können nach §§ 77 II 2, 3; 78 InsO366 Entscheidungen des Gerichts ergehen. Hier zeigt sich die Typenmischung des Insolvenzverfahrens367 besonders deutlich.

b)  Austausch von Erklärungen Für den Austausch der zur Beschlussfassung nötigen Erklärungen ist zu berücksichtigen, dass auch die Beschlussfassung eine Prozesshandlung darstellt. Eine „Prozess-Bruchteilsgemeinschaft“ gibt es zwar nicht; die Bruchteilsgemeinschaft bleibt immer eine zivil-materiellrechtliche, unabhängig von der Natur des gemeinschaftlichen Rechts.368 Aber der Schwerpunkt der von den Gläubigern gefassten Beschlüsse liegt im Prozessrecht, da eine inhaltliche Festlegung auf prozessuale Maßnahmen vorgenommen und eine prozessrechtliche Ermächtigung zur Vornahme dieser Maßnahmen erteilt wird. Damit ist auch der Beschluss ein Prozessgeschäft.369 Die Voraussetzungen von Prozesshandlungen sind zwar grundsätzlich von denen materiellrechtlicher Rechtsgeschäfte zu unterscheiden, doch viele Regelungen des Bürgerlichen Rechts können 363 

Zu dieser Kategorie: Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 58 Rn. 6. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 11 Rn. 4. 365  Nicht die Versammlungsleitung, aber die Protokollführung bei der Hauptversammlung der AG war früher eine dem Gericht zugewiesene Tätigkeit (§ 259 HGB a. F.). Dies gehörte eindeutig zur freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das bloße Hinzutreten der Versammlungsleitung zu der Protokollführung würde wohl an dieser Einordnung nichts ändern, solange damit keine bedeutsamen Entscheidungsbefugnisse verbunden wären. 366  Die Aufhebung kann noch im selben Termin beschlossen und verkündet werden (Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 78 Rn. 16). 367  Siehe dazu Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 16 f. 368  Proff, in: Staudinger (2015), § 741 Rn. 169; Schmidt, in: MüKo InsO, § 741 Rn. 13; Hadding, in: Soergel, BGB, vor § 741 Rn. 2. 369  Auch wenn von der h. M. die Erteilung einer Prozessführungsermächtigung – obwohl Prozesshandlung – nach materiell-rechtlichen Maßstäben beurteilt wird, ist diese Wertung auf die Beschlüsse der Gläubigerversammlung nicht zu übertragen. Denn der Grund für diese Einordnung ist die Prozessferne, welche die Anwendung prozessualer Maßstäbe als nicht gerechtfertigt erscheinen lassen soll (Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 50 Rn. 56 mit Nachweisen). Allgemein gelten für Prozessverträge (wenn überhaupt) nur dann materiellrechtliche Regelungen, wenn diese vor dem Prozess oder außerhalb des Prozesses geschlossen werden (Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 308). Die Fassung der Beschlüsse der Gläubigerversammlung ist hingegen in das Verfahren integriert. 364 Vgl.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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entsprechend angewendet werden.370 Jedenfalls für Abgabe und Zugang der Erklärungen kann auf die für Willenserklärungen geltenden Regeln zurückgegriffen werden. Für den Beschluss müssen die Gläubiger ihre Erklärungen untereinander austauschen. Allgemein gilt, dass bei Beschlussfassungen in einer Versammlung mit einem Versammlungsleiter die Stimmen der Teilnehmer dem letzteren gegenüber abzugeben sind. In der Regel fungiert der Versammlungsleiter dabei als Stellvertreter (§ 164 III BGB) der anderen Teilnehmer oder einer Körperschaft.371 Mit der Rolle des Insolvenzgerichts erscheint es jedoch unvereinbar, als Stellvertreter einzelner Beteiligter372 zu agieren. Gemäß § 4 InsO gelten die Regelungen der §§ 41–48 ZPO auch für den Insolvenzrichter,373 er ist also zur Neutralität verpflichtet. Dieses Neutralitätsgebot ergibt sich zudem bereits aus Art. 97 GG,374 und ist für ein rechtsstaatliches Verfahren unentbehrlich. Es stellt sich damit die Frage nach dem Zugang der Willenserklärungen der abstimmenden Gläubiger.

aa)  Verwertung der für § 278 VI 1 Alt. 2 ZPO entwickelten Modelle Das damit aufgeworfene Problem ist parallel gelagert zur Konstruktion des Prozessvergleichs, der nach § 278 VI 1 Alt. 2 ZPO im schriftlichen Verfahren auf Vorschlag des Gerichts zustandekommt. Für diesen Fall wird von manchen eine Stellvertretung durch das Gericht angenommen,375 andere meinen, die Parteien würden dabei konkludent auf den Zugang der jeweils anderen Erklärung verzichten.376 Diesen Ansätzen ist für die Gläubigerversammlung ebensowenig zu folgen wie für den Prozessvergleich nach § 278 VI 1 Alt. 2 ZPO. Die Stellvertreterlösung wurde bereits abgelehnt. Aber auch die Annahme eines Verzichts auf den Zugang ist keine brauchbare Lösung, denn in den infrage stehenden Fällen ist der Zugang nicht entbehrlich, sondern hat nur nicht bei demjenigen zu erfolgen, demgegenüber die Erklärung wirken soll; sehr wohl erforderlich ist aber der Zugang bei Gericht.

370 

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 3 f. Siehe dazu die obigen Ausführungen unter I 2. 372  Berechtigte Bedenken gegen eine Vertreterstellung des Gerichts äußert auch Siemon, NJW 2011, 426, 429 im Hinblick auf § 278 VI ZPO, wobei als möglicher „Ausweg“ aufgezeigt wird, dass das Gericht immerhin beide Parteien vertreten würde. So wäre es im Fall der Gläubigerabstimmung hingegen nicht, denn zu einer Vertretung des Schuldners käme es nicht notwendigerweise. 373 Vgl. Ganter/Lohmann, in: MüKo InsO, § 4 Rn. 40 ff. 374  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 1 Rn. 27. 375  Assmann, in: Wieczorek/Schütze, ZPO, § 278 Rn. 87. 376  Prütting, in: MüKo ZPO, § 278 Rn. 40. 371 

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Richtig erkannt und dogmatisch korrekt erfasst hat diese Konstellation Matthias Siemon als einen Fall besonderer Empfangszuständigkeit.377 Der Begriff der Empfangszuständigkeit meint hier die Bestimmung desjenigen, dem gegenüber eine Willenserklärung abzugeben ist, dem diese also zugehen muss.378 Dass die Empfangszuständigkeit nicht stets bei der Person liegt, der gegenüber die Willenserklärung wirken soll, lässt sich anhand des Gesetzes nachweisen; der Fall, dass eine Erklärung gegenüber einer öffentlichen Stelle abzugeben ist, aber gegenüber einer Privatperson wirkt, ist dabei eine typische Situation. Der Zugang sog. amtsempfangsbedürftiger Willenserklärungen, die gegenüber einer „Behörde“ abzugeben sind, wird in § 130 III BGB geregelt.379 Diesen Erklärungen stehen solche gleich, die wahlweise gegenüber einer Privatperson oder einer Behörde abgegeben werden können, etwa die in §§ 875 I, 876, 880 II BGB erwähnten.380 Gerade in den letztgenannten Fällen wird deutlich, dass diese Willenserklärungen zwar der Behörde zugehen, aber gegenüber der Privatperson wirken; es handelt sich um einen Fall besonderer Empfangszuständigkeit.381 Als Argument hierfür ist auch die Regelung des § 143 III 2 BGB anzuführen, die für die Fälle einseitiger Rechtsgeschäfte mit wahlweiser Abgabe bestimmt, dass Anfechtungsgegner stets die andere Privatperson, niemals die Behörde ist.382 Denn Anfechtungsgegner soll in diesen Fällen derjenige sein, den die Wirkungen der Anfechtung treffen; wenn das Gesetz nun als Anfechtungsgegner nicht die Behörde bestimmt, selbst wenn die Erklärung ihr gegenüber abgegeben wurde, macht es damit deutlich, dass die Behörde eben nur für den Empfang zuständig, nicht aber selbst betroffen war.383 Zu der Erkenntnis, dass die Empfangszuständigkeit für eine Willens377 

Siemon, NJW 2011, 426, 429 f.; ihm folgt Saenger, in: Saenger, ZPO, § 278 Rn. 22. Siehe zu dieser Bedeutung Wolf/Neuner, BGB AT, § 19 Rn. 28; auch BGH, NJW 2005, 3576, 3577 erörtert die „Empfangszuständigkeit“. Insgesamt scheint dieses Phänomen allerdings bisher in der Literatur eher vernachlässigt worden zu sein, was vermutlich daran liegt, dass anders als bei der Abgabe einer Willenserklärung bei deren Empfangnahme in tatsächlicher Hinsicht zwischen Handeln im eigenen und im fremden Namen weniger klar zu unterscheiden ist. Man ist offenbar geneigt, hier der Einfachheit halber stets auf § 164 III BGB zurückzugreifen. Dabei zeigt aber das Institut der „Ermächtigung“, dass bei der Empfangnahme ebenso wie bei der Kundgabe ein Handeln im eigenen Namen mit Wirkung für einen anderen möglich sein muss (siehe dazu weiter unten im Text). 379  Einsele, in: MüKo BGB, § 130 Rn. 44; Hefermehl, in: Soergel, BGB, §§ 130, 131 Rn. 32; Singer/Benedict, in: Staudinger, BGB, § 130 Rn. 13. 380  Einsele, in: MüKo BGB, § 130 Rn. 44; Hefermehl, in: Soergel, BGB, §§ 130, 131 Rn. 32. 381  Siemon, NJW 2011, 426, 430; ähnlich ist die Auffassung von Alfred Manigk, der allerdings die Behörde als „Interessenvertreter“ bezeichnet (Manigk, Willenserklärung, S. 322 ff.). 382  Zum Inhalt des § 143 III 2 BGB siehe Hefermehl, in: Soergel, BGB, §§ 143, 144 BGB Rn. 10. 383  Ohne Bezugnahme auf Empfangszuständigkeit, aber inhaltlich entsprechend Medicus, BGB AT, Rn. 719: „Hier muss nach § 143 III 2 die Anfechtung selbst dann an die Privatperson gerichtet werden, wenn die anzufechtende Erklärung an die Behörde gerichtet war. Denn nur 378 



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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erklärung bei einer anderen Person als der von der Erklärung Betroffenen liegen kann, gelangt man auch, wenn man sich den Inhalt der „Ermächtigung“ klarmacht. Wie bereits an früherer Stelle erläutert384, ist die Möglichkeit des Handelns im eigenen Namen mit Wirkung für einen anderen grundsätzlich anerkannt. Dabei ist der Anwendungsbereich keineswegs auf einseitige Rechtsgeschäfte beschränkt, was aber bedeutet, dass die Ermächtigung die Zuständigkeit nicht nur für die Abgabe, sondern auch den Empfang von Willenserklärungen erfasst. Wenn beispielsweise der zur Eigentumsübertragung ermächtigte Kommissionär385 dem Käufer eine bewegliche Sache nach § 929 S. 1 BGB übereignet, ist für die „Einigung“ nicht nur erforderlich, dass der Kommissionär eine eigene Erklärung mit Wirkung für den Kommittenten abgibt, sondern auch, dass ihm die Erklärung des Käufers mit Wirkung gegenüber dem Kommittenten zugeht. Wenn also Willenserklärungen dem Gericht zugehen, aber gegenüber Beteiligten wirken müssen, dann ist von einer Empfangszuständigkeit im obigen Sinn auszugehen. Diese Konstruktion vermeidet den Interessenkonflikt, den eine Stellvertretung der Beteiligten durch das Gericht bedeuten würde, und muss dennoch das Zugangserfordernis nicht leugnen.

bb)  Anwendung auf die Abstimmung der Gläubiger Die Gläubiger geben mithin ihre Stimmen in der Versammlung gegenüber dem Insolvenzgericht ab, das aufgrund gesetzlicher Bestimmung (§ 76 I InsO) für die Empfangnahme dieser Willenserklärungen zuständig ist. Mit dem Zugang beim Gericht wirken diese Erklärungen deshalb unmittelbar gegenüber den anderen Gläubigern, sodass Beschlüsse zustandekommen können. Auch für die Außenwirkung gegenüber anderen Beteiligten genügt der Zugang der Erklärungen bei Gericht. Bei Prozessverträgen, etwa der Wahl eines Mitglieds in den Gläubigerausschuss, müssen die Erklärungen des oder der Vertragspartner ebenfalls gegenüber dem Gericht abgegeben werden.386

die Privatperson wird durch die Anfechtung in ihren Rechten betroffen und muss daher vorrangig von der Anfechtung erfahren.“ 384  Oben I 3 b. 385  Von stillschweigender Ermächtigung des Kommissionärs ist idR auszugehen, Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 383 Rn. 22. 386 Insoweit entspricht die hier gefundene Einordnung der Wahl eines Mitglieds des Gläubigerausschusses der h. M., die ebenfalls eine Erklärung der Annahme gegenüber dem Gericht verlangt, vgl. Schmid-Burgk, in: MüKo InsO, § 68 Rn. 12.

238

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

3.  Wirksamkeitsvoraussetzungen, Rücknahmemöglichkeiten und Anfechtbarkeit der Erklärungen Aus der Natur der Erklärungen der Gläubiger als Prozesshandlungen ergeben sich Konsequenzen für deren Wirksamkeitsvoraussetzungen, sowie für die Regeln über Rücknahme und Anfechtbarkeit.

a) Wirksamkeitsvoraussetzungen Zunächst bestimmen sich die persönlichen Handlungsvoraussetzungen nicht nach materiellem Recht, sondern bestehen in Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit sowie gegebenenfalls einer Vertretungsmacht; einschlägig sind §§ 50 ff., 80 ff. ZPO i. V. m. § 4 InsO. Die weiteren Wirksamkeitsvoraussetzungen sind grundsätzlich aus dem Prozessrecht, also der InsO und der ZPO zu entwickeln, Regelungen des materiellen Rechts sind nur ergänzend heranzuziehen.387 Allgemein ist die Abgabe der Erklärungen gegenüber dem Gericht erforderlich und genügend. Soweit eine schriftliche Abstimmung nicht ausnahmsweise zugelassen ist, müssen die Erklärungen mündlich im Termin für die Gläubigerversammlung abgegeben werden; Abweichungen hiervon kommen insbesondere für die Erklärungen Dritter in Betracht. Unwirksamkeitsgründe des BGB gelten für Prozesshandlungen nicht; in Einzelfällen können Prozesshandlungen aber nach dem Prozessrecht wegen Rechtsmissbrauchs unbeachtlich sein.388 Eine Ausnahme gilt für Prozessverträge, auf sie sind die Regelungen über Sittenwidrigkeit und zur Nichtigkeit führende Willensmängel anwendbar.389 Einseitige Prozesshandlungen können nur an innerprozessuale Bedingungen geknüpft werden, Befristungen und außerprozessuale Bedingungen sind unzulässig.390 Bei Prozessverträgen sind hingegen Bedingungen und Befristungen möglich.391

b)  Rücknahme- und Anfechtungsrechte Für Prozesshandlungen gilt ein „Grundsatz der Rücknehmbarkeit“, wobei jeweils im Einzelfall zu entscheiden ist, ob ein Widerruf oder eine Rücknahme 387 Vgl.

Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 3 f. und zum folgenden § 63 Rn. 12 ff. 388  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 288 ff., 294; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 47. 389  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 311; grundlegend Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 145 ff. 390  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 23 ff. 391  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 14.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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möglich sein soll.392 Für die InsO kann man den Grundsatz aufstellen, dass sämtliche durch Beschluss getroffenen Entscheidungen der Gläubiger mit Wirkung ex nunc revidiert werden können, solange die betreffende Verwertungsmaßnahme noch nicht abgeschlossen ist.393 Der Grundsatz der Rücknehmbarkeit gilt jedoch nicht für Prozessverträge,394 was der Regelung in § 70 InsO entspricht, die eine „Abberufung“ eines Mitglieds des Gläubigerausschusses durch Beschluss ausschließt. – Eine andere Frage ist, ob die einzelnen in der Gläubigerversammlung abgegebenen Stimmen widerruflich sind. Diskutiert wird dies nur für die Abstimmung über den Insolvenzplan; dazu erst später. Als allgemeine Regel für die Beschlussfassung nach § 76 II Hs. 1 InsO ist eine Widerrufsmöglichkeit abzulehnen, weil der Beschluss als mehrseitiges Rechtsgeschäft dem (Prozess-)Vertrag näher steht als den frei widerruflichen einseitigen Prozesshandlungen. Eine Anfechtung ist bei einseitigen Prozesshandlungen ausgeschlossen,395 bei Prozessverträgen hingegen grundsätzlich möglich.396 Die Ausübung der gemeinschaftlichen Gläubigerbefugnisse wird damit regelmäßig nicht zum Gegenstand einer Anfechtung, da es sich überwiegend um einseitige Prozesshandlungen handelt. Die Anfechtung der Wahl eines Mitglieds des Gläubigerausschusses ist hingegen durch § 70 InsO ausgeschlossen. Eine Anfechtung käme hier nur für das in der Beschlussausführung liegende Vertragsangebot vor der Annahme durch den Gewählten in Betracht.397 Zum Insolvenzplan werden die Anfechtungsmöglichkeiten unten erörtert. Bei den einzelnen Stimmen für die Beschlussfassung ist eine Anfechtungsmöglichkeit wegen der Mehrseitigkeit des Geschäfts theoretisch anzuerkennen; da jedoch die Beschlussfassung durch die unmittelbare Ausführung des Beschlusses „prozessual überholt“398 wird, spielt diese Möglichkeit nahezu keine Rolle: Eine Anfechtung wäre nur in dem kurzen Zeitraum zwischen Stimmabgabe und Vollendung des Beschlusses möglich. Wenn allerdings die Ausführungshandlung selbst angefochten wird, 392  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 278; siehe auch Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 63 Rn. 17, § 64 Rn. 11, 16 und Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 147 ff. 393  Klarstellend die gesetzliche Regelung in § 157 S. 3; für ein Beispiel der Widerrufsmöglichkeit siehe Görg/Jansen, in: MüKo InsO, § 160 Rn. 27. 394  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 313; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 16; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 147 ff. 395  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 288 ff.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 65 Rn. 46. 396  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 311; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 16; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 147 ff. 397  Und auch nur dann, wenn sich durch die Anfechtung die Mehrheitsverhältnisse ändern würden: Denn es müsste auch durch die Anfechtung der Erklärungen für die Beschlussfassung (siehe sogleich im Text) den noch vorhandenen Zustimmungserklärungen die Grundlage entzogen werden. 398  Zur prozessualen Überholung siehe sogleich c.

240

§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

tritt keine Überholung ein und die Erklärungen für den Beschluss können angefochten werden. Im Ergebnis fällt dann die Anfechtung der gemeinschaftsinternen Erklärung mit jener der nach außen gerichteten ebenso zusammen, wie es bei der Abgabe dieser Erklärungen geschieht. Wegen der allgemeinen Empfangszuständigkeit des Insolvenzgerichts bei der Vereinbarung des Insolvenzplans ist eine solche Anfechtung abweichend von § 143 I BGB dem Gericht gegenüber zu erklären.

c)  Geltendmachung von Mängeln Mängel, die nach dem oben Gesagten beachtlich sind, führen bei Bewirkungshandlungen dazu, dass die beabsichtigte Folge nicht eintritt, bei Erwirkungshandlungen wird die angestrebte Maßnahme nicht vorgenommen.399 Wird die Mangelhaftigkeit nicht berücksichtigt, kann dies nur geltend gemacht werden, soweit dafür ein Rechtsbehelf vorgesehen ist.400 Nach richtiger Auffassung des BGH ist in der InsO ein Rechtsbehelf zur Feststellung der Unwirksamkeit von Beschlüssen der Gläubigerversammlung nicht gegeben.401 Die Nichtigkeit kann ohnehin stets geltend gemacht werden, soweit es auf sie in irgendeinem Zusammenhang ankommt.402 Allerdings ist ein Antrag nach § 78 I InsO dann als zulässig anzusehen, wenn Zweifel über das Zustandekommen eines Beschlusses bestehen und der fragliche Beschluss dem gemeinsamen Interesse der Gläubiger widersprechen würde; in diesen Fällen muss eine Aufhebung des nichtigen Beschlusses möglich sein, wenn der Nachweis der Interessenwidrigkeit leichter zu führen ist, als es der Nachweis der Nichtigkeit des Beschlusses wäre.403 Auch bei den Prozessverträgen gilt, dass die Geltendmachung ihrer Unwirksamkeit nur dann möglich sein kann, wenn ein entsprechender Rechtsbehelf eingeräumt ist. Über den richtigen Rechtsbehelf herrscht bei den einzelnen Verträgen Streit.404 In jedem Fall gilt für die Geltendmachung von Mängeln ebenso wie für andere Prozesshandlungen der Grundsatz der prozessualen Überholung405, sie ist also ausgeschlossen, wenn „eine unverrückbare prozessuale 399  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor §  128 Rn. 296 f.; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 67 Rn. 2 f. 400  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 298. 401  BGH NZI 2011, 713, 714; zur Diskussion über eine analoge Anwendung des § 78 InsO in diesem Fall trotz § 6 I InsO siehe Ehricke, in: MüKo InsO, § 78 Rn. 10. 402  BGH NZI 2011, 713, 714. 403  Dieser Gedanke liegt der h. M. zur Anfechtbarkeit nichtiger Rechtsgeschäfte zugrunde, vgl. Medicus, BGB AT, Rn. 730; Busche, in: MüKo BGB, § 142 Rn. 12. 404 Vgl. Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 57 ff.; Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 49 ff. 405  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 255.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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Lage eingetreten ist.“406 Für die Wahl eines Mitglieds des Gläubigerausschusses greift hier aber die Spezialregelung in § 70 InsO. Auf den Insolvenzplan wird unten gesondert eingegangen.

4.  Stimmrecht und Stimmgewicht Das Mehrheitsprinzip ist notwendige Folge des in der Bruchteilsgemeinschaft geltenden Gleichbehandlungsgrundsatzes.407 Abweichend von § 745 I 2 BGB bemisst sich aber das Stimmgewicht der Gläubiger nicht nur nach der Größe ihres Anteils am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht, sondern es gelten einige Sonderregeln. Nach § 76 II InsO werden für die Berechnung der Mehrheit nur die tatsächlich Abstimmenden berücksichtigt. Diese Regelung, die rechnerisch das Stimmgewicht der nicht Abstimmenden auf „Null“ reduziert, ist erforderlich, um die Handlungsfähigkeit der Gläubigergemeinschaft sicherzustellen. Denn in vielen Fällen erscheinen die allermeisten Gläubiger nicht zur Gläubigerversammlung, sodass ohne diese Regelung de facto keine Entscheidungen möglich wären. Eine weitere Sonderbestimmung gilt für die nachrangigen Insolvenzgläubiger, zu denen auch die Mitglieder des Schuldner-Verbands zu zählen sind. Sie sind nach § 77 I 2 InsO nicht stimmberechtigt. Dies ist allerdings nicht eine Einschränkung, sondern vielmehr Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes. Denn eine Bemessung des Stimmgewichts nur am rechnerischen Anteil jedes Teilhabers ließe die tatsächlich unterschiedlich zu gewichtenden Interessen außer Betracht. Im Gegensatz zu den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern und den Absonderungsberechtigten sind nämlich die nachrangigen Insolvenzgläubiger regelmäßig von den Verwaltungsentscheidungen gar nicht betroffen, weil die Insolvenzmasse in den meisten Fällen schon nicht zur Befriedigung der nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger ausreicht.408 Es wäre aber unangemessen, denjenigen ein Stimmrecht zu gewähren, die von der konkreten Entscheidung sicherlich nicht betroffen wären. Dass über das Stimmrecht der nachrangigen Insolvenzgläubiger nicht im Einzelfall danach entschieden wird, ob die Masse vermutlich zu ihrer Befriedigung hinreichen wird, sondern das Gesetz eine pauschale Regelung trifft, ist durch das Gebot der Prozessökonomie zu rechtfertigen.

406  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 16; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 150 f.; Wagner, Prozeßverträge, S. 296 ff. (in der Darstellung begrenzt auf Anfechtung, aber inhaltlich verallgemeinerungsfähig); Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 311. 407  Siehe oben B II 3 c. 408  Vgl. die Regierungsbegründung, in der es heißt, dass die nachrangigen Insolvenzforderungen „in der Regel keinen wirtschaftlichen Wert verkörpern“ (BT-Drucks. 12/2443, S. 133).

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

Ein Stimmrechtsausschluss für einzelne Gläubiger kommt nach den Grundsätzen der Bruchteilsgemeinschaft bei einer Interessenkollision in Betracht.409 Auf Einzelfälle ist hier nicht einzugehen. Die Anmeldung der Forderung ist eine formelle Voraussetzung, um sicherzustellen, dass nur tatsächlich Berechtigte in der Gläubigerversammlung abstimmen können. Es wurde bereits festgestellt, dass dadurch nicht etwa die Gläubigerversammlung als solche zu einer „prozessualen Gemeinschaft“ wird, sondern lediglich – wie stets im Prozess – die verfahrensmäßigen Feststellungen über die materielle Rechtslage entscheidend sind und nicht die materielle Rechtslage selbst. Hinsichtlich der bestrittenen Forderungen besteht dabei ein Schwebezustand. Die Einigungsmöglichkeit in § 77 II 1 InsO richtet sich danach, wer gemäß § 178 I InsO angemeldete Forderungen mit Wirkung für das Insolvenzverfahren410 bestreiten kann. Dass die Letztentscheidung – sozusagen „abweichend von § 180 InsO“ – nach § 77 II 2 InsO beim Insolvenzgericht liegt, lässt sich als Notzuständigkeit begreifen, die aufgrund ihrer sachlichen Begrenzung auf das Stimmrecht und der Änderungsmöglichkeit in § 77 II 3 InsO keinen Bedenken begegnet, sondern vielmehr zur Wahrung der Gläubigerrechte geboten ist.

5. Minderheitenschutz Die Macht, die der Mehrheit durch die Beschlussmöglichkeit eingeräumt wird, darf nicht zulasten der Minderheit missbraucht werden. In der Bruchteilsgemeinschaft wird die Minderheit zum einen durch die Begrenzung des Beschlussgegenstands auf eine ordnungsgemäße Verwaltung und Benutzung des gemeinschaftlichen Gegenstands (§ 745 I 1 BGB) mit den zusätzlichen Einschränkungen des § 745 III BGB geschützt. Zum anderen gibt § 745 II BGB jedem Teilhaber einen Anspruch auf eine „dem Interesse aller Teilhaber“ entsprechende Regelung. Damit wird zunächst das Blockadepotential der Mehrheit eingeschränkt. Umstritten ist, ob über den Wortlaut hinaus der Anspruch auch dann besteht, wenn bereits ein Beschluss ergangen ist, der dem gemeinsamen Interesse der Teilhaber nicht entspricht.411 In der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger bleibt kein Raum für die Regelungen in § 745 I 1, III BGB, weil die möglichen Gegenstände von Beschlüssen abschließend gesetzlich bestimmt sind. Eine „Ersetzung“ fehlender oder dem Interesse aller Gläubiger nicht entsprechender Beschlüsse durch das 409 Vgl.

Schmidt, in: MüKo BGB, §§ 744, 745 Rn. 20 und Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 77 Rn. 15 f. 410  Ein Widerspruch des Schuldners ist nur für eine spätere Einzelvollstreckung aus dem Tabellenauszug relevant, §  201 II 1 InsO. 411 Dafür Schmidt, in: MüKo BGB, § 741 Rn. 36, §§ 744, 745 Rn. 29; dagegen Eickelberg, in: Staudinger, BGB (2015), § 745 Rn. 50.



D.  Beschlüsse der Gläubigerversammlung

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Insolvenzgericht ist aufgrund der historischen Entwicklung abzulehnen: Das Gericht ist zu Verwertungsentscheidungen nicht berufen. Einen dem § 745 II BGB entsprechenden Anspruch kann es daher nicht geben. § 78 I InsO enthält jedoch eine Regelung, die den zuletzt genannten – und als solchen bestrittenen – Anwendungsfall des § 745 II BGB teilweise aufgreift, indem ein Beschluss aufgehoben werden kann, der dem „gemeinsamen Interesse der Insolvenzgläubiger“ widerspricht. Hier wird jedenfalls dasselbe Kriterium verwendet, da das „gemeinsame“ Interesse gleichbedeutend mit dem „Interesse aller“ ist. Erklärungsbedürftig ist dabei allerdings, warum nur das Interesse der Insolvenzgläubiger als Maßstab dienen soll. Die Nichtberücksichtigung der absonderungsberechtigten Gläubiger stellt keinen Redaktionsfehler dar, sondern beruht auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers für eine vom Rechtsausschuss empfohlene Änderung des ursprünglichen Entwurfs.412 Dieser Ausschluss der Interessen der Absonderungsberechtigten für die Entscheidung nach § 78 I InsO lässt sich jedoch rechtfertigen, wenn man sich klarmacht, worin ein „gemeinsames Interesse“ der Gläubiger bestehen kann. Dieses Interesse kann nur darauf gerichtet sein, dass die Masse gemehrt und möglichst bald verteilt wird.413 Beides betrifft die absonderungsberechtigten Gläubiger nicht: Ihre Befriedigung ist der Höhe nach von der Verwertung eines bestimmten Massegegenstands, nicht der Massemehrung abhängig, und zeitlich nicht von der Beendigung der gesamten Masseverwertung. Obwohl die Beschlüsse ihre individuellen Interessen berühren können, bleiben diese für die Bestimmung des gemeinsamen Interesses daher außer Betracht. Von diesem Prüfungsmaßstab für die Aufhebung eines Beschlusses ist das entsprechende Antragsrecht zu unterscheiden. Insbesondere das Antragsrecht des Verwalters nach § 78 I InsO zeigt, dass nicht nur die Träger des fraglichen Interesses antragsberechtigt sein sollen. Ebenso ist das Antragsrecht der absonderungsberechtigten Gläubiger nur mit einer „allgemeinen Sachnähe“ zu begründen, die der Gesetzgeber offensichtlich für ausreichend hielt.

III. Zusammenfassung Die Beschlüsse der Gläubigergemeinschaft können nur in einer vom Insolvenzgericht einberufenen und geleiteten Versammlung gefasst werden. Rechtstechnisch werden dabei Erklärungen der Gläubiger gegenüber dem Gericht abgegeben, die sowohl für die interne Beschlussfassung als auch nach außen als Vornahme der beschlossenen Maßnahme wirken; dabei verleiht der Beschluss denjenigen, die im Sinne der Mehrheit abstimmen, die nötige Rechtsmacht 412  Siehe BT-Drucks. 12/7302, S. 164; anders noch der Regierungsentwurf in § 89, dazu BT-Drucks. 12/2443 S. 134. 413  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 78 Rn. 13; Ehricke, in: MüKo InsO, § 78 Rn. 17.

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§ 4 Gemeinschaft der Gläubiger

zur Ausführung. Die übrigen Stimmen sind hingegen in Ermangelung der erforderlichen Rechtsmacht nach außen unwirksam. Da die Erklärungen der Gläubiger Prozesshandlungen darstellen, richtet sich deren Wirksamkeit nach Verfahrensgrundsätzen. Abweichend von § 745 I 2 BGB sind in §§ 76 II, 77 InsO Stimmrecht und Stimmgewicht besonders geregelt. Dies ist Ausdruck des Gleichheitsgrundsatzes. Durch den Rechtsbehelf des § 78 InsO wird ein Minderheitenschutz gewährleistet.

E.  Gesamtergebnis zur Gläubigergemeinschaft Die im Insolvenzverfahren zu befriedigenden Gläubiger bilden eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB). Ihnen steht gemeinschaftlich ein Recht auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse zu, das mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht. Die Verwertung und Verteilung der Masse im Verfahren dienen zur Verwirklichung dieses Rechts. Aus ihm folgen außerdem weitere, ebenfalls gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger: Das Recht der Insolvenzanfechtung – dessen Geltendmachung allerdings dem Insolvenzverwalter vorbehalten ist – sowie Befugnisse zur Einwirkung auf den Verfahrensverlauf sollen im Regelverfahren eine möglichst erfolgreiche Vollstreckung ermöglichen. Weiterhin haben die Gläubiger die Möglichkeit zum Abschluss eines Vertrages mit dem Schuldner im Insolvenzplanverfahren. Insoweit rechtfertigt sich aus dem Befriedigungsrecht die gemeinschaftliche Befugnis, Regelungen über die Durchsetzbarkeit der im Verfahren zu befriedigenden Ansprüche zu treffen. Dies dient der Absicherung einer Mehrheitsentscheidung für den Verzicht auf die Verwirklichung des Befriedigungsrechts im Insolvenzverfahren, sodass durch die Inkaufnahme dieses rechtlichen Nachteils wirtschaftliche Vorteile erzielt werden können. Das besondere Eingriffsrecht lässt sich dabei als Ausprägung der innergemeinschaftlichen Pflichten verstehen. Die Entscheidungen über die Ausübung dieser Rechte sind als Verwaltungsentscheidungen einzuordnen und ergehen daher dem Grundsatz des § 745 I 1 BGB entsprechend durch Beschluss. Außerdem zählt zu den Grundsätzen der Bruchteilsgemeinschaft das Gleichbehandlungsprinzip. Somit erklärt sich aus der Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger sowohl das Mehrheitsprinzip des § 76 II InsO, als auch der insolvenzrechtliche Grundsatz der par conditio creditorum. Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft sind die Insolvenzgläubiger und die absonderungsberechtigten Gläubiger. Nur im Fall des § 208 I InsO, der sog. „Insolvenz in der Insolvenz“, haben auch die Alt-Massegläubiger i. S. d. § 209 I Nr. 3 InsO einen Anteil am gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht. In der Insolvenz eines Verbandes zählen die Verbandsmitglieder aufgrund



E.  Gesamtergebnis zur Gläubigergemeinschaft

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des vermögensrechtlichen Teils der Mitgliedschaft, der sich im Liquidationsanspruch konkretisiert, als letztrangige Gläubiger zu den Insolvenzgläubigern. Unterschiede bei der Erlösverteilung sind als Regelungen zur Verteilung der Rechtsfrüchte abweichend von § 743 I BGB einzuordnen. Die Gläubigergemeinschaft fasst ihre Beschlüsse in Versammlungen, die nur in besonderen Terminen vor dem Insolvenzgericht stattfinden können. Die gemeinschaftsinterne Beschlussfassung und außenwirksame Erklärungen fallen dabei zusammen; durch den Beschluss erhält die Mehrheit die notwendige Rechtsmacht zur Ausführung der beschlossenen Maßnahme. Diese Ausführungshandlungen sind ebenso wie die Erklärungen zur Beschlussfassung aufgrund ihres Inhalts Prozesshandlungen, sodass sich die Wirksamkeit nach prozessualen Grundsätzen bemisst.

§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag Die bisherigen Ergebnisse liefern die Grundlage für die rechtliche Erklärung des Zustandekommens eines Insolvenzplans und dessen möglicher Wirkungen. Dabei wurden zwei besonders wichtige Prämissen erarbeitet: Erstens handelt es sich beim Insolvenzplan um einen Vertrag.1 Zweitens bilden die Gläubiger eine Bruchteilsgemeinschaft mit dem gemeinschaftlichen Recht, die Durchsetzbarkeit der im Insolvenzverfahren zu erfüllenden Ansprüche regeln zu können, sowie die gesellschaftsrechtliche Binnenstruktur des insolventen Verbands umzugestalten.2 Dieses Recht leitet sich aus dem gemeinschaftlichen Recht der Gläubiger auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse ab und dient dessen wirtschaftlich optimaler Verwirklichung.3 Über seine Ausübung wird durch Mehrheitsbeschluss entschieden. Das entspricht dem Grundsatz des § 745 I 1 BGB, weil es sich bei der Entscheidung über den Plan, wie bei den sonstigen gemeinschaftlichen Verfahrensbefugnissen der Gläubiger auch, um eine solche über die „ordnungsgemäße Verwaltung“ des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts handelt.4

A. Vertragsparteien Der Insolvenzplan ist stets ein Vertrag zwischen dem Schuldner und den zustimmenden Gläubigern. Darüber hinaus können sich Dritte als Vertragspartner beteiligen.5 Der Insolvenzverwalter ist niemals Vertragspartei, ebensowenig wie ein Gläubigerausschuss oder das Insolvenzgericht. 1 Vgl. oben § 2 C II, § 3. Sprachlich ergibt sich die Schwierigkeit, dass man Verträge „schließt“, dieses Verb jedoch nicht auf „Pläne“ angewandt werden kann. Synonyme zum Vertragsschluss sind aber die „Vereinbarung“, oder „Einigung“ (Wolf/Neuner, BGB AT, § 29 Rn. 9), die sich auf einen „Plan“ beziehen lassen. Im Folgenden wird daher von der „Vereinbarung des Insolvenzplans“ oder einer „Einigung auf den Insolvenzplan“ gesprochen, wenn der entsprechende Vertragsschluss gemeint ist. 2  § 4 B III 2. 3  § 4 B III 1. 4  Vgl. dazu § 4 B II 4. 5  A. A. Madaus, Insolvenzplan, S. 295, 417 f.; näheres dazu unten beim Vertragsschluss (C II 1).

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Soweit sich die Planregelungen im Rahmen der gemeinschaftlichen Befugnisse der Gläubiger halten, wird der Plan nur mit den nach §§ 243–246a InsO zustimmenden Gläubigern vereinbart, entfaltet jedoch Wirkungen auch gegenüber den ablehnenden und abwesenden Gläubigern. Die entsprechende Rechtsmacht der Zustimmenden folgt dabei aus den gemeinschaftlichen Gläubigerrechten und einem entsprechenden Gemeinschaftsbeschluss.6 Wenn der Plan darüber hinausgehende rechtliche Nachteile für Gläubiger vorsieht, ist deren jeweilige persönliche Zustimmung erforderlich.7

B.  Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur Der Insolvenzplan ist ein Vertrag mit potentieller Doppelnatur.8 Er entfaltet stets Wirkungen im Verfahrensrecht und kann zusätzlich materiellrechtliche Regelungen enthalten.

I. Prozessvertrag Durch einen Insolvenzplan werden prozessuale Regelungen getroffen. Auf diese Wirkungen kommt es den Beteiligten entscheidend an. Die daraus folgende Einordnung des Insolvenzplans als Prozessvertrag9 ist aber nicht unbestritten. Stephan Madaus sieht im Insolvenzplan einen rein materiellrechtlichen Vertrag.10 Als Argumente nennt er das Fehlen einer Titelwirkung und einer unmittelbaren Verfahrensbeendigung durch den Plan.11 Die Möglichkeit eines „verfahrensleitenden“ Insolvenzplans lehnt er mit dem Hinweis ab, ein solcher sei nichts anderes als ein Plan ohne vollständige Regelung für das gesamte Verfahren.12 Schließlich deutet Madaus auch die in der Abstimmung abgegebenen Erklärungen nicht als Prozesshandlungen, sondern als rein materiellrechtliche Willenserklärungen, die das Gericht aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes in § 5 InsO beachten müsse.13 Diese Ansicht ist nicht richtig. Im Folgenden wird der prozessuale Gehalt eines Insolvenzplans aufgezeigt. 6 

Siehe dazu grundsätzlich oben § 4 D und zum Plan noch unten F I 3 a. Dazu unten C II 1. 8 Allgemein für Doppelnatur: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 32 f.; Gaul, FS Huber, 1187, 1206; Jaffé, in: FK InsO, § 217 Rn. 53; Reischl, Insolvenzrecht, Rn. 816. 9 Zum prozessualen Regelungsschwerpunkt als Voraussetzung eines Prozess-Vertrags siehe oben § 4 D II 1. 10  Madaus, Insolvenzplan, S. 407. 11  Madaus, Insolvenzplan, S. 383 ff. 12  Madaus, Insolvenzplan, S. 390 ff. 13  Madaus, Insolvenzplan, S. 396 ff. 7 



B.  Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur 

249

1.  Disposition über die Fortsetzung des Regelverfahrens Die Vertragschließenden können im Insolvenzplan festlegen, ob das Verfahren nach § 258 I InsO oder nach den Bestimmungen des Regelverfahrens aufgehoben werden soll.14 Damit ist ihnen eine prozessuale Dispositionsbefugnis eingeräumt. Nach der historisch gewachsenen Konzeption des Insolvenzverfahrens können die Gläubiger die Verfahrenseröffnung und -beendigung nicht unmittelbar selbst herbeiführen. Für das Eröffnungsverfahren und die Einstellung oder Aufhebung des Insolvenzverfahrens wurde die verfahrensleitende Stellung des Gerichts, wie sie das Gemeine Recht kannte, übernommen.15 Die Gläubigerautonomie betrifft grundsätzlich nur die Masseverwertung. Auf eine Eröffnung oder Einstellung bzw. Aufhebung des Insolvenzverfahrens können die Gläubiger nur – aber immerhin – hinwirken: Die Eröffnung kann jeder Gläubiger allein beantragen,16 die Verfahrensbeendigung auf Betreiben der Parteien setzt hingegen die Zustimmung des Schuldners und einer qualifizierten Gläubigeranzahl voraus: § 213 I InsO verlangt für eine Verfahrenseinstellung den Antrag des Schuldners und die Zustimmung mindestens aller Insolvenzgläubiger, die Forderungen angemeldet haben. Auch wenn es also nicht in der Macht der Beteiligten steht, das Insolvenzverfahren selbst zu beenden, können sie doch eine Pflicht des Gerichts zur Einstellung bzw. Aufhebung des Verfahrens begründen. Genau das geschieht in einem Insolvenzplan, der im Sinne des § 258 I InsO „nicht etwas anderes“ bestimmt. Dabei ist auch nicht die Aufhebung nach § 258 I InsO als rein gesetzliche Folge, und nur eine Fortführungsanordnung als vertragliche Regelung anzusehen. Der Gesetzgeber war vielmehr der Auffassung, dass „der Insolvenzplan mit seinem Inhalt selbst vorgibt, ob schon durch diesen die Voraussetzungen zum Verfahrensabschluss geschaffen werden oder dies dem Regelverfahren (oder möglicherweise einem weiteren Insolvenzplan) überlassen bleibt.“17 Er zählte also eine Regelung über die Fortsetzung des Regelverfahrens zum notwendigen Inhalt eines Insolvenzplans. Indem § 258 I InsO an das Schweigen des Plans anknüpft, werden lediglich Zweifel vermieden, so wie es bei anderen vertragsergänzenden gesetzlichen Regelungen auch der Fall ist. Dies ändert nichts daran, dass die Grundlage für eine Aufhebung „nach § 258 I InsO“ der Insolvenzplan bildet, die Pflicht des Gerichts zur Aufhebung des Verfahrens also durch den Vertrag begründet wird.

14 

Huber, in: MüKo InsO, § 258 Rn. 6. Dazu oben § 2 A III 3 b und § 2 A IV 2. 16  Deutlich macht das nicht schon § 13 I 2 Alt. 1 InsO, sondern erst § 14 InsO. 17  BT-Drucks. 17/5712, S. 58 (Nr. 19). 15 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Im Ergebnis enthält jeder Insolvenzplan eine Disposition über die Fortführung des Regelverfahrens. Ein prozessualer Schwerpunkt des Vertrags liegt darin allemal.18

2.  Ermöglichung eines Vollstreckungstitels Es ist umstritten, worin genau bei einer Vollstreckung auf Grundlage von § 257 I 1 InsO der Vollstreckungstitel zu sehen ist.19 Für die Frage nach der prozessualen Qualität des Insolvenzplans kommt es aber auf den Streitentscheid nicht an, denn jedenfalls beruht die Vollstreckbarkeit auf dem Plan. Indem der Insolvenzplan die Zwangsvollstreckung nach § 257 I 1 InsO ermöglicht, setzt er eine prozessuale Rechtsfolge: Er „bestimmt [...] den Zeitpunkt und Inhalt der Vollstreckbarkeit der erfassten Forderungen [...].“20 Mithin ist der Insolvenzplan insoweit Prozessvertrag.

3.  Mögliche Anordnung zur Überwachung der Planerfüllung „Im gestaltenden Teil des Insolvenzplans kann vorgesehen werden, daß die Erfüllung des Plans überwacht wird“ (§ 260 I InsO). Die Beteiligten können demnach eine Planüberwachung durch den Insolvenzverwalter vereinbaren, die „Ämter des Verwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses und die Aufsicht des Insolvenzgerichts bestehen insoweit fort“ (§ 261 I 1, 2 InsO). Im Rahmen der Überwachung kann gemäß § 263 I 1 InsO auch ein Zustimmungsvorbehalt ähnlich demjenigen im Eröffnungsverfahren nach § 21 II 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO geregelt werden.21 In einer solchen Überwachung dauert also das – „eigentlich“, oder richtig gesagt: größtenteils aufgehobene (§ 260 II InsO) – Insolvenzverfahren teilweise fort.22 Eine solche Regelung des Plans ist damit ebenso eine prozessuale wie jene über die Aufhebung nach § 258 I InsO. Hinsichtlich der Planüberwachung bedarf es aber keines besonderen Umsetzungsakts des 18  So – allerdings noch zu § 258 I InsO a. F., der den Einschub „und der Plan nichts anderes vorsieht“ noch nicht enthielt – auch Gaul, FS Huber, S. 1187, 1206: Der Plan „schafft [...] die Grundlage für [...] die Aufhebung des Verfahrens“. 19  Überblick zum Meinungsstand bei Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rn. 5. Überzeugend ist die Ansicht, dass der Bestätigungsbeschluss, der Insolvenzplan und der Tabelleneintrag gemeinsam den Titel bilden, da sich erst aus der Kombination aller drei Teile die vollstreckbare Forderung ergibt (dazu Haas, in: HeidelbK InsO, § 257 Rn. 2 mit Nachweisen zu weiteren Vertretern dieser Meinung). 20  Gaul, FS Huber, S. 1187, 1206. Zu der Relevanz der Planregelungen nach §§ 224, 225 I InsO für die Vollstreckbarkeit siehe § 4 B III 2 a aa aaa und bbb. 21  Vgl. § 263 I 2 InsO mit § 24 I InsO. 22  A. A., aber in sich widersprüchlich Stephan, in: MüKo InsO, § 260 Rn. 3, 14: Die Überwachung sei kein Teil des Insolvenzverfahrens, aber Teil des Insolvenzplanverfahrens. – Das Insolvenzplanverfahren ist sicherlich seinerseits nur ein Teil des Insolvenzverfahrens. Gegen ein eigenständiges Verfahren und für Fortdauer spricht § 261 I 2 InsO.



B.  Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur 

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Gerichts.23 Beachtlich sind auch die Gestaltungsmöglichkeiten der Beteiligten zur Regelung von Einzelheiten des Überwachungsverfahrens.24 Wird eine solche Überwachung im Insolvenzplan vorgesehen, liegt darin eine prozessuale Regelung.25

4.  Mögliches Aufrechterhalten der Prozessführungsbefugnis gem. § 259  III InsO Nach § 259 III InsO kann durch den Insolvenzplan die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters für anhängige Rechtsstreite über die Insolvenzanfechtung aufrechterhalten werden. Dies ist in zweifacher Hinsicht eine prozessuale Bestimmung, denn mit dem Anfechtungsprozess und dem Insolvenzverfahren sind zwei Prozesse betroffen. Die Prozessführungsermächtigung ist als Prozesshandlung einzuordnen,26 sodass hinsichtlich des Anfechtungsstreits die prozessuale Regelung offensichtlich vorliegt. Genauso betrifft eine Bestimmung nach § 259 III InsO aber das Insolvenzverfahren. Denn nur der Insolvenzverwalter kommt als Ermächtigter in Betracht, es handelt sich hier ebenso wie im Fall des § 261 I 2 InsO um eine teilweise Fortwirkung des Insolvenzverfahrens. Die Prozessführungsbefugnis des Verwalters wird nicht besonders begründet, sondern besteht abweichend von § 259 I 1 InsO weiter. Auch im Falle des § 259 III InsO handelt der Insolvenzverwalter in dieser Eigenschaft und kraft seines Amtes.27 Aber nicht nur in der Prozessführungsbefugnis des Verwalters, sondern auch im Fortbestehen des Anfechtungsanspruchs aus § 143 InsO überhaupt setzt sich das Insolvenzverfahren fort. Denn die Insolvenzanfechtung hängt von einem laufenden Insolvenzverfahren ab. In dem begrenzten Fortwirken des Insolvenzverfahrens wird auch hier eine prozessuale Regelung getroffen. 23 

Stephan, in: MüKo InsO, § 260 Rn. 14. Siehe dazu Stephan, in: MüKo InsO, § 260 Rn. 13. 25  Nach dem oben zu § 258 I InsO Gesagten kann in der Anordnung der Planüberwachung eine inhaltliche Begrenzung der vertraglichen Regelung über die Verfahrensaufhebung gesehen werden: Das Gericht darf dann das Verfahren nur soweit aufheben, als dadurch die vorgesehene Planüberwachung nicht tangiert wird. 26  Jacoby, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 50 Rn. 56; Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 211. 27  Verfehlt ist daher der Versuch einer Abgrenzung von „gewillkürter“ und „gesetzlicher“ Prozessstandschaft von Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 259 Rn. 22. Die Prozessführungsbefugnis des Verwalters folgt im Falle des § 259 III InsO stets aus seiner Amtsstellung, deren begrenzte Fortdauer beruht aber auf dem Insolvenzplan als Vertrag. Dafür spielt es keine Rolle, ob der Verwalter schließlich den Erlös an die Gläubiger oder an den Schuldner herausgibt: Das aus der Insolvenzanfechtung Erlangte fließt stets dem Schuldnervermögen zu (§ 143 I 1, II 1, III 1 InsO), weil dies der Grundgedanke der Vollstreckungsanfechtung ist (siehe § 4 B IV), die endgültige Verteilung richtet sich dann nach den verfahrensrechtlichen Bestimmungen. Eine solche verfahrensrechtliche Verteilungsbestimmung ist in § 259 III 2 InsO vorgesehen. Wenn das Erlangte nach § 259 III 2 InsO dem Schuldner zukommt, wird auch dadurch die Situation der Gläubiger wegen deren Vollstreckungsmöglichkeit (§§ 201 I, 257 I InsO) verbessert. 24 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

5.  Regelung über die Rechnungslegung nach § 66 I 2 InsO Nach § 66 I 2 InsO kann ein Insolvenzplan eine von § 66 I 1 InsO abweichende Regelung über die Pflicht des Verwalters zur Rechnungslegung bei der Beendigung seines Amtes treffen. Eine entsprechende Regelung ist prozessualer Natur, weil sie eine Amtspflicht des Verwalters modifiziert.

6.  „Kürzung“ und „Erlass“ von Ansprüchen sowie „Befreiung von Verbindlichkeiten“ Trotz der irreführenden Begrifflichkeiten betreffen Regelungen nach §§ 223 II, 224, 225 I, 227 I InsO nicht primär das materielle Recht, sondern vor allem die Klag- und Vollstreckbarkeit, wie bereits oben erläutert wurde. Insoweit ist der Insolvenzplan demnach ein prozessuales pactum de non petendo.28

7.  Abweichung vom Regelverfahren als Kern jedes Insolvenzplans Die vorangegangenen Ausführungen haben bereits die prozessrechtliche Dimension des Vertrags aufgezeigt. Jedoch lässt sich diese auch unabhängig von konkreten Regelungsbeispielen allgemein begründen. Denn schon seinem Wesen nach ist der Insolvenzplan ein Vollstreckungsvertrag. Bei Vollstreckungsverträgen handelt es sich um Prozessverträge, deren Regelungen sich nicht auf das Erkenntnisverfahren sondern auf die Zwangsvollstreckung beziehen.29 Ihr Gegenstand ist die Vereinbarung über das „Können, Dürfen und Sollen in der Zwangsvollstreckung“ und damit ob, wie und wann vollstreckt wird.30 Die in einem Insolvenzplan möglichen Vereinbarungen regeln die Durchführung, also das „Ob und Wie“ des Insolvenzverfahrens als Vollstreckungsverfahren. Das folgt schon aus § 1 S. 1 InsO, weil die dort genannte „Regelung“ nach der Normüberschrift und den ersten Satzteilen keine andere sein kann als eine solche über das Insolvenzverfahren. In § 217 S. 1 InsO setzt sich diese Einordnung fort, indem die Regelungsmöglichkeiten des Plans bestimmt werden: Demnach hat der Plan zum Gegenstand die „Befriedigung“ der Gläubiger, die „Verwertung“ und die „Verteilung“ der Insolvenzmasse,31 also insgesamt die 28 

Siehe § 4 B III 2, insbesondere a aa bbb. Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 1, 3. 30  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 2. – Beschränkt wird die Möglichkeit von Verträgen über die Vollstreckung nur durch zwingendes Prozessrecht, siehe dazu Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 14 f. mit zutreffendem Hinweis auf Flume, AT II, S. 340 f.: Die Nichtigkeit von Verträgen, die diese Grenzen überschreiten, folgt unmittelbar aus den prozessualen Normen, nicht aus dem tatsächlich gegenstandslosen § 134 BGB (Im Folgenden wird § 134 BGB dennoch zur Klarstellung genannt, wenn Verstöße gegen zwingendes Recht angesprochen werden). 31  Der Begriff der Befriedigung kann dabei mit Blick auf das Regelverfahrens zunächst nichts anderes bedeuten als die Verwertung und Verteilung der Masse (vgl. § 1 S. 1 InsO und 29 



B.  Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur 

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„Verfahrensabwicklung“32. Auch die Nachhaftung, die § 217 S. 1 InsO nennt, ist ein spezifisch insolvenzverfahrensrechtlicher Gegenstand (vgl. § 1 S. 2 InsO).33 Weiterhin haben Regelungen gemäß §§ 223 II, 224, 225 InsO immer einen prozessualen Gehalt, indem sie zumindest auch die Verteilung der Masse betreffen. Zudem kann nach diesen Vorschriften und nach § 227 I InsO die spätere prozessuale Durchsetzbarkeit der Ansprüche geregelt werden.34 Hingegen können die materiellen Mitgliedschaftsrechte am Schuldner lediglich „in den Plan einbezogen werden“ (§ 217 S. 2 InsO), entsprechende Regelungen setzen also zunächst eine Verfahrensgestaltung nach § 217 S. 1 InsO voraus. Eine Strukturierung der genannten Aspekte zeigt, dass im Ergebnis ein Plan ohne prozessualen Inhalt nicht möglich ist. Denn es lassen sich zusammenfassend nur zwei Arten möglicher Planregelungen feststellen: Zum einen kommt die Modifikation von Verwertung und Verteilung im Regelverfahren selbst in Betracht, zum anderen eine Regelung zur Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens. Ersteres ist eindeutig ein verfahrensrechtlicher Gegenstand. Zweiteres kann hingegen entweder eine Begrenzung der späteren Geltendmachung von Gläubigeransprüchen bedeuten, was dann notwendigerweise mit einer Beschränkung der Verfahrensrechte im schon laufenden Insolvenzverfahren verbunden sein muss, nämlich mindestens einem entsprechenden Verzicht auf die Masseverteilung, also wiederum einer prozessualen Regelung. Oder es kann eine Befriedigung außerhalb des Insolvenzverfahrens in Form einer Begünstigung der Gläubiger vereinbart werden, indem etwa ein Dritter eine Leistung zusagt. Solche Regelungen können aber nur dann zum Inhalt eines Plans werden, wenn dieser auch prozessuale Regelungen im vorgenannten Sinn enthält. Denn andernfalls wäre die Durchführung des Planverfahrens nicht gerechtfertigt, weil die Gläubigerbegünstigung einfacher außerhalb des Verfahrens vereinbart werden könnte; der Zeit- und Kostenaufwand eines Planverfahrens dürfte den Gläubigern dafür nicht zugemutet werden.35 Die nach § 225a III InsO möglichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen passen in dieses System als besondere Verwertungsmaßnahmen, die zudem nur dann sinnvollerweise unten F I 1). Materiellrechtliche Regelungen über die Befriedigung sind aber nur zulässig, wenn sie mit prozessualen verbunden werden, dazu sogleich im Text. 32  Eigenständige Bedeutung kommt dem Begriff der „Verfahrensabwicklung“ nicht zu, siehe Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 124 ff. 33  Zum prozessualen Gehalt entsprechender Regelungen siehe ausführlicher unten F I 1 c. 34  Siehe oben § 4 B III 2. 35  Ein Vertrag zugunsten der Gläubiger ist außerhalb des Verfahrens unproblematisch möglich und kann als „Vertrag zugunsten Dritter“ auch rechtliche Vorteile für Gläubiger vorsehen, die sich am Vertragsschluss nicht beteiligen. Der Aufwand eines Planverfahrens ist hingegen nur damit zu rechtfertigen, dass in diesem durch einen Gemeinschaftsbeschluss die Grundlage für rechtlich nachteilige Regelungen geschaffen wird, die gegenüber allen Gläubigern wirken und so das wirtschaftliche Gesamtergebnis begünstigen können. Zur möglichen Aufnahme solcher gläubigerbegünstigender Regelungen in den Plan siehe aber noch unten F I 3 a.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

getroffen werden können, wenn gleichzeitig von einer vollständigen Verteilung der wirtschaftlich werthaltigen Masse im Regelverfahren abgesehen wird, da sie nur auf die Abschöpfung eines Fortführungsgewinns zielen können. Daraus rechtfertigt sich auch die in § 217 S. 2 InsO formulierte Verknüpfung mit Regelungen nach § 217 S. 1 InsO. Damit ist klar, dass der Regelungsgehalt eines Insolvenzplans im Ausgangspunkt stets prozessualer Natur ist. Es besteht hier eine Parallele zu der „gütlichen Einigung“, die §§ 802a II 1 Nr. 1, 802b I ZPO nennen. Eine solche stellt einen Vollstreckungsvertrag dar.36 Die prozessuale Natur ist hier unzweifelhaft, fraglich ist hingegen, ob im Einzelfall auch eine materiellrechtliche Regelung gewollt ist.37 Ebenso wie bei der gütlichen Einigung in der Zwangsvollstreckung besteht der Sinn und Zweck eines Insolvenzplans zuallererst darin, vom gesetzlichen Verfahren abzuweichen und andere Regeln für die Vollstreckung aufzustellen. Nicht die prozessuale Seite, sondern die materiellrechtliche ist also begründungsbedürftig. Zwar kann ein Insolvenzplan Wirkungen im materiellen Recht entfalten, und im Vergleich zur Einzelvollstreckung mag eine optimale Befriedigung der Gläubiger häufiger eine Erstreckung der Regelungen auf das materielle Recht erfordern.38 Die Möglichkeit materiellrechtlicher Regelungen darf aber nicht den Blick auf die Notwendigkeit eines prozessualen Inhalts versperren. Ausgangspunkt für einen Insolvenzplan ist das laufende Insolvenzverfahren, und er dient primär dazu, die Verfahrensregeln zu ändern. Einen Insolvenzplan, der nicht vom Regelverfahren abweicht, kann es nicht geben, denn er hätte keinen nach § 217 InsO zulässigen Inhalt. § 217 S. 1 InsO bestimmt nicht, dass in einem Insolvenzplan neben materiellen Regelungen zusätzlich noch eine Abweichung vom insolvenzrechtlichen Regelverfahren angeordnet werden kann;39 sondern er legt fest, in welcher Form eine Abweichung vom Regelverfahren zu vereinbaren ist, nämlich nur in der eines Insolvenzplans. Wenn ein 36  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 7, 39; Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79; Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 115. 37  Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 6 f., 39; Schwörer, DGVZ 2011, 77, 79 f.; Hergenröder, DGVZ 2012, 105, 115. 38  Deutlich wird dies am Beispiel eines Zahlungsaufschubs: In der Einzelvollstreckung ist es regelmäßig sinnvoll, eine rein vollstreckungsrechtliche Zahlungsvereinbarung zu treffen, nicht aber die Forderung zu stunden, insbesondere um den Zinslauf nicht zu stoppen (Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 6 f.). Hingegen droht, wenn die Voraussetzungen des Insolvenzverfahrens vorliegen, dem Gläubiger ein Totalausfall aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs des Schuldners, der gerade in den zu hohen Passiva besteht, also sozusagen „materiellrechtlich begründet“ ist. Zielt ein Insolvenzplan auf eine spätere Befriedigung mithilfe von Gewinnen, die der Schuldner nach Verfahrensaufhebung erwirtschaftet (sog. Sanierungsplan), dann hängt der Erfolg im gewählten Beispiel möglicherweise eher davon ab, dass die Forderungen materiellrechtlich gestundet werden, weil der Schuldner nicht nur einstweilen von Vollstreckungsmaßnahmen, sondern auch von einer weiteren Erhöhung der Verbindlichkeiten in Form der Zinsen verschont bleiben muss. 39  So aber Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 96.



B.  Insolvenzplan als reiner Prozessvertrag oder Vertrag mit Doppelnatur 

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Vertragsvorschlag prozessual nichts anderes als das Regelverfahren vorsieht, handelt es sich inhaltlich nicht um einen Insolvenzplan i. S. d. § 217 S. 1 InsO. Eine entsprechende Planvorlage wäre nach § 231 I 1 Nr. 1 InsO zu verwerfen.

8. Ergebnis Der Insolvenzplan ist ein Prozessvertrag in der Form eines Vollstreckungsvertrags. Systematisch ist er untrennbar mit dem Insolvenzverfahren verbunden und sein Regelungsgehalt muss nach §§ 1, 217 InsO zumindest auch im Bereich des Prozessrechts liegen. Das Gesetz benennt einzelne prozessuale Regelungsmöglichkeiten ausdrücklich in §§ 66 I 2, 257 I 1, 258 I, 259 III und 260 InsO, während sich der verfahrensrechtliche Inhalt der §§ 223 II, 224, 225, 227 I InsO erst durch Auslegung zeigt. In jedem Fall muss ein Insolvenzplan von den Verwertungs- oder Verteilungsregeln der InsO abweichen.

II.  Materiellrechtlicher Vertrag Dass in einem Insolvenzplan materiellrechtliche Regelungen getroffen werden können, ist unbestritten. Obwohl es sich im Ausgangspunkt um ein genuin prozessuales Institut handelt, ist die Umgestaltung der materiellen Rechtsverhältnisse oftmals unentbehrlich, um die bestmögliche Befriedigung der Gläubiger zu erreichen. Insbesondere die in § 225a InsO genannten gesellschaftsrechtlichen Gestaltungen betreffen materielles Recht, und § 228 InsO bezieht sich ebenfalls auf nicht-prozessuale Regelungen. Außerdem kann nach §§ 224, 225, 227 InsO über die Klagbarkeit hinaus auch eine spätere Aufrechnungsmöglichkeit ausgeschlossen werden,40 und ein dauerhafter Ausschluss der Durchsetzbarkeit eines Anspruchs i. S. d. § 223 II InsO greift auf das materielle Recht über.41 Der Insolvenzplan kann demnach auch materiellrechtlichen Inhalt haben. Zwingend ist ein solcher jedoch nicht.

III.  Ergebnis und Einordnung eines prozessual-materiellen Insolvenzplans Jeder Insolvenzplan enthält eine Abweichung vom insolvenzrechtlichen Regelverfahren und ist daher ein Vollstreckungsvertrag. Zudem sind prozessuale Regelungen für andere Verfahren möglich; insoweit ist der Plan nicht mehr als reiner Vollstreckungs-, aber weiterhin als Prozessvertrag einzuordnen. Es können aber zu den prozessualen Regelungen auch materiellrechtliche hinzutreten. Dann stellt sich die Frage, ob ein sog. Doppeltatbestand vorliegt, bei dem ein prozessualer und ein materiellrechtlicher Vertrag als zwei ge40  41 

§ 4 B III 2 a aa bbb. § 4 B III 2 b bb.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

trennt voneinander zu beurteilende Vereinbarungen bestehen, oder ob es sich um einen einzigen Vertrag handelt, der eine materiell-prozessuale Doppelnatur besitzt.42 Die Einordnung wirkt sich darauf aus, welche Folgen prozessuale oder materiellrechtliche Fehler haben: Bei einem Doppeltatbestand werden beide Geschäfte getrennt voneinander beurteilt, sodass ein Mangel des Prozessvertrags sich grundsätzlich nicht auf den materiellrechtlichen Vertrag auswirkt und umgekehrt.43 Hingegen ist ein Vertrag mit Doppelnatur im Ganzen unwirksam, wenn sich diese Folge aus materiellen oder prozessualen Gründen ergibt.44 Wenn ein Insolvenzplan vereinbart wird, der sowohl prozessuale als auch materiellrechtliche Regelungen vorsieht, sind diese nach dem Parteiwillen untrennbar miteinander verknüpft. Es besteht insoweit eine Parallele zum Prozessvergleich im Erkenntnisverfahren; der Insolvenzplan besitzt daher, sofern er materiellrechtliche Bestimmungen enthält, eine Doppelnatur.45

C. Vertragsschluss Ein Vertrag setzt Willenserklärungen aller Beteiligten voraus, die auf dieselbe rechtliche Gestaltung abzielen.46 Das in §§ 145 ff. BGB geregelte Schema von Antrag und Annahme beschreibt nur eine Möglichkeit der Einigung; es muss und es kann nicht für alle Verträge eingehalten werden.47 Im Folgenden wird anhand des chronologischen Ablaufs dargelegt, wie die Vereinbarung des Insolvenzplans vonstatten geht.48

I.  Gericht als empfangsermächtigte Stelle für alle Erklärungen Für alle den Insolvenzplan betreffenden Erklärungen ist der Zugang bei Gericht maßgeblich. Dies folgt aus den oben dargelegten Grundsätzen über die 42 Zur

Problematik und den Begriffen siehe Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 321 ff. 43  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 323 f.; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 6. 44  Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 325; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 6, 66 ff. 45 Vgl. Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 6, 76: Wenn (!) materiellrechtliche Regelungen zu der prozessualen hinzukommen, begründet die „nahezu untrennbare Einheit“ von „Prozeßhandlung und Rechtsgeschäft“ eine Doppelnatur, sodass Mängel, die zur Unwirksamkeit führen, den gesamten Vergleich erfassen, seien sie prozessualer oder materieller Natur. 46  Zur Definition des Vertrags siehe schon oben § 4 D II 1 a cc. 47  Wolf/Neuner, BGB AT, § 37 Rn. 2; Flume, AT II, S. 619. 48  Auf Wirksamkeitserfordernisse bzw. Unwirksamkeitsgründe für die Erklärungen nach prozessualem oder materiellem Recht wird gesondert eingegangen; siehe dazu unten E I und F I 3 b.



C. Vertragsschluss

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Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger sowie der Überwachungsfunktion des Insolvenzgerichts.49

II.  Verfahren zur Vertragsvorbereitung mit Möglichkeit erster Zustimmungserklärungen Beim Insolvenzplan ist der Abstimmungstermin von zentraler Bedeutung für den Vertragsschluss. Ihm geht aber eine Vorbereitung im Insolvenzplanverfahren voraus, die durch die Planvorlage eingeleitet wird. In diesem Stadium können bereits einzelne Zustimmungserklärungen zu der angestrebten Vereinbarung abgegeben werden.

1.  „Antizipierte“ Zustimmungserklärungen §§ 226 II 2, 230 InsO setzen voraus, dass einige Erklärungen zusammen mit der Planvorlage abgegeben werden, und verlangen deren schriftliche Einreichung als Bestandteil des Planentwurfs. Ein rechtliches Bedürfnis nach diesen Erklärungen folgt zum einen aus den begrenzten Befugnissen der Gläubigergemeinschaft: Auf Grundlage eines Beschlusses kann in den Rechtskreis Dritter nicht eingegriffen werden, und in den Rechtskreis der einzelnen Gläubiger nicht über das in §§ 223 II, 224, 225 I, II, 225a, 226 I InsO bestimmte Maß hinaus;50 dadurch werden individuelle Erklärungen nach §§ 226 II, 230 I 2, II, III InsO erforderlich. Zum anderen ordnet § 230 I 1 InsO für den Spezialfall der Verpflichtung des Schuldners zur Unternehmensfortführung durch den Plan eine vorherige Zustimmung an, um eine aussichtslose Planvorlage zu verhindern.

a)  Erklärungen i. S. d. § 230 InsO als Zustimmung einzelner Vertragspartner Die in § 230 InsO genannten Erklärungen stellen inhaltlich die Zustimmung zu dem beabsichtigten Vertrag dar. Die Erklärungen sind nicht aufschiebend bedingt i. S. d. § 158 I BGB, und es gibt keine Aufspaltung in „materiellrechtliche Erklärungen“ und deren Beifügung als „unselbstständigen Teil einer Prozesshandlung“.51 Die betreffenden Personen erklären schlicht ihre Zustimmung, die selbstverständlich nur im Fall des Zustandekommens des Insolvenzplans zu den beabsichtigten Rechtsfolgen führt. Aufgrund der Doppelnatur52 des Plans müssen für die Erklärungen die Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen und 49  § 4 D II 2 b. Siehe dort auch die Erläuterung zur insoweit bestehenden Parallele zum Prozessvergleich nach § 278 VI ZPO. 50  Zu den begrenzten gemeinschaftlichen Eingriffsrechten der Gläubiger und die Legitimation dieser Befugnis siehe oben § 4 III. 51  So aber Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 230 Rn. 9 ff., 27 ff., 59 ff. 52  In diesem Fall immer gegeben.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

es sind die materiellrechtlichen Normen über Willenserklärungen anwendbar. Der Planinitiator fungiert hier als Erklärungsbote.53 Für den Vertragsschluss gibt es keine „Präklusion“, daher können Erklärungen grundsätzlich nachgereicht werden.54 Die zeitliche Grenze richtet sich danach, ob die Erklärung in den Planunterlagen berücksichtigt wurde: Ist der Plan ohne Rücksicht auf die nichtvorhandene Erklärung gemäß § 248 I InsO vereinbart worden, bleibt kein Raum mehr für eine Beteiligung. Wurde die noch fehlende Erklärung hingegen im Inhalt des von den Gläubigern angenommenen Plans berücksichtigt, hat das Gericht entsprechend der Vorgehensweise bei bedingten Plänen55 den Betreffenden zur Erklärung seiner Zustimmung innerhalb angemessener Frist aufzufordern. Wird die Erklärung nicht fristgerecht abgegeben, kommt der Plan nicht zustande. Dritte i. S. d. § 230 III InsO sind am Insolvenzplan als Vertragspartner beteiligt. Die Konstruktion eines Vertrags mit dem Schuldner oder dem Insolvenzverwalter zugunsten der Gläubiger als Dritten unter der aufschiebenden Bedingung des Zustandekommens des Plans ist unnötig kompliziert. Wie bereits gesagt, bedarf es des § 158 I BGB nicht, um die Rechtsfolgen vom Zustandekommen des Plans abhängig zu machen, sondern diese Abhängigkeit ergibt sich aus den Vertragsgrundsätzen. Auch der Wortlaut des § 230 III InsO ist einer solchen rechtlichen Konstruktion nicht entgegenzuhalten. Denn der Gesetzgeber begründet die Regelung nur mit dem Interesse der Gläubiger an einer frühzeitigen Information und damit an der Aufnahme der Erklärung in die Planvorlage, lässt aber nicht erkennen, dass die Norm eine Aussage zur rechtlichen Einordnung dieser Erklärung treffen sollte.56 Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Stellung als Vertragspartner noch nichts über die Haftung gegenüber einzelnen Gläubigern aussagt, da diese sich erst aus dem vereinbarten Inhalt ableitet. § 230 III InsO ist auf Erklärungen Dritter anwendbar, die nicht auf die Begründung eines klagbaren Anspruchs der Gläubiger abzielen; dies beruht 53  Wegen § 230 I 3 InsO gilt das immer: Bei Personenidentität von Vorlegendem und Erklärendem gibt es keine „Botenschaft“, sondern die Vorlage ist die Erklärung; möglich ist diese Konstellation nur beim Schuldner als Planinitiator. 54  Im Ergebnis zutreffend Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 230 Rn. 82 unter Verweis auf § 257 II InsO. Das Ergebnis entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 204 (siehe die übernächste Fußnote). 55 Dazu Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 248 Rn. 2. 56  Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 204 (zu § 274): „Absatz 3 schließlich betrifft den Fall, daß ein Dritter zu Leistungen an die Gläubiger bereit ist. [Es werden Beispiele genannt.] In all diesen Fällen dient es der vollständigen Unterrichtung der Gläubiger, wenn die Erklärung des Dritten dem Plan als Anlage beigefügt wird, so daß ihre genaue Tragweite von jedem interessierten Gläubiger beurteilt werden kann. Die Vorschrift schließt nicht aus, daß ein Dritter noch nachträglich, etwa im Zusammenhang mit dem Erörterungstermin, Verpflichtungen gegenüber den Gläubigern übernimmt (vgl. § 304 Abs. 2 des Entwurfs [jetzt: § 257 II InsO]). Liegt die Verpflichtungserklärung des Dritten jedoch bereits vor, bevor der Plan eingereicht wird, und nimmt der Plan auf sie Bezug, so ist sie dem Plan beizufügen.“



C. Vertragsschluss

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allerdings nicht auf einer Analogie57 denn eine „Verpflichtung gegenüber den Gläubigern“ liegt bereits in der Beteiligung an dem für alle Vertragsparteien bindenden Vertrag, unabhängig davon, wer die eingegangenen Verpflichtungen durchsetzen kann.58 Die Rücknahme der in § 230 InsO genannten Erklärungen muss allen drei Personenkreisen in gleichem Umfang gestattet sein. Aus der Möglichkeit des Schuldners zur Rücknahme der Planvorlage59 ergibt sich daher, dass auch die in § 230 I 2, II, III InsO genannten Erklärungen Dritter oder einzelner Gläubiger grundsätzlich zurückgezogen werden können. Eine Rücknahme ist erst dann wegen des prozessualen Arglisteinwands auszuschließen, wenn die Erörterung des Plans beendet ist. Aufgrund der Regelung in § 240 InsO müssen sich nämlich der Planvorlegende und die übrigen Beteiligten auf das Ergebnis des Erörterungstermins verlassen können, weil mit Beginn der Abstimmung eine Änderung der Planvorlage nicht mehr möglich ist. Damit kommt dem Ergebnis der Erörterung entscheidende Bedeutung zu.60

b)  Ratio legis und Analogiebildung Eine analoge Anwendung des § 230 II InsO wird diskutiert für den Fall sog. „Nichtbargebote“, wenn also die Gläubiger auf andere Weise als durch Geldzahlung befriedigt werden sollen.61 Die Bildung einer Analogie62 ist richtig. Eine Regelungslücke ist vorhanden, da entsprechende Planregelungen im 57 

Für Analogie hingegen Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 230 Rn. 6. Wenn der Plan neben einem Verpflichtungs- auch ein entsprechendes Erfüllungsgeschäft enthalten soll, muss die Erklärung ebenfalls in den Plan aufgenommen werden. Nur in diesem Fall kommt eine analoge Anwendung des § 230 III InsO in Betracht, siehe dazu sogleich im nächsten Punkt. 59  Siehe dazu unten II. 60  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 230 Rn. 88 ff., der die Rücknahmemöglichkeit nur für die Erklärungen Dritter problematisiert, geht davon aus, dass „im Zweifel“ ein Widerrufsoder Rücknahmerecht des aufschiebend bedingten Vertrags bzw. ein Ausschluss der Bindungswirkung „gem. § 145 BGB“ vertraglich vereinbart sei und stellt dann ohne nähere Begründung auf den Beginn der Abstimmung als zeitliche Grenze ab. Weil regelmäßig Erörterung und Abstimmung in einem Termin stattfinden (§ 235 I 1 InsO) könnte man den Unterschied zwischen Ende der Erörterung und Beginn der Abstimmung für irrelevant halten. Das ist er aber nicht, wie § 240 InsO zeigt und soeben im Text erörtert wurde. Neben dem Vertrauensschutz der Beteiligten spricht aber auch die Prozessökonomie dafür, den maßgeblichen Zeitpunkt auf das Ende des Erörterungstermins zu legen, denn im Fall eines gesonderten Abstimmungstermins (§§ 241 f. InsO) bedeutet dessen Vorbereitung eine Verfahrensverzögerung und einen möglicherweise nicht unerhebliche Kosten verursachenden Aufwand, der nicht durch eine Änderung der Verfahrenslage, die nach dem Erörterungstermin zugrundegelegt wurde, frustriert werden darf. 61  Für Analogie: Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 230 Rn. 4; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 230 Rn. 6; dagegen: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 230 Rn. 46 ff. 62  Zu den Voraussetzungen der Analogie (planwidrige Regelungslücke bei vergleichbarer Interessenlage) und ihrer Legitimation ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff. 58 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Gesetz nicht genannt werden. Die Interessenlage ist aber mit der in § 230 II InsO genannten vergleichbar, was zum einen auf die Planwidrigkeit der Regelungslücke schließen lässt und zum anderen die entsprechende Anwendung dieser Vorschrift rechtfertigt. Denn § 230 InsO fordert die vorherige Abgabe der vertraglichen Zustimmungserklärungen, wenn im Planentwurf Regelungen enthalten sind, welche das Zustandekommen des Plans als unsicher erscheinen lassen; das ist der Fall, wenn die betreffenden Maßnahmen von den Gläubigern nicht mehrheitlich beschlossen werden können, oder ein nach § 247 II InsO beachtlicher Widerspruch des Schuldners droht. Obwohl die Gesetzesbegründung insoweit nur von einem Bedürfnis nach „Klarheit“ bzw. einer „Unterrichtung der Gläubiger“ spricht,63 kann damit tatsächlich nur die Sicherstellung der Zustimmung gemeint sein. § 230 InsO stellt sich damit als eine Vorverlagerung des in § 231 I 1 Nr. 2, 3 InsO maßgeblichen Schutzes vor Verfahrensverzögerungen durch aussichtslose Planvorlagen dar.64 Der Schutz wird hier in einem Formerfordernis verwirklicht, das nach § 231 I 1 Nr. 1 InsO überprüfbar ist. Nach dieser ratio legis sollten auch andere Fälle erfasst sein, in denen das Zustandekommen des Plans aufgrund besonderer Zustimmungserfordernisse unsicher erscheint. Die Analogiebildung darf allerdings nicht dazu führen, dass das Gericht den Erklärungen der Beteiligten inhaltlich vorgreift.65 Daher ist allein darauf abzustellen, ob der Plan zustandekommen könnte, wenn die Betroffenen weiterhin schweigen würden, wobei für den Schuldner die Möglichkeit einer Zustimmungsfiktion nach § 247 I InsO zu berücksichtigen ist: Denn weder darf zulasten eines zügigen Verfahrens und damit der Gläubiger angenommen werden, dass eine erforderliche, aber bisher nicht abgegebene Erklärung nachgereicht werde, noch darf dem Schuldner die Obliegenheit zur Erhebung eines eigenen Widerspruchs nach § 247 I InsO durch das Gericht abgenommen werden. Nur wenn von einem Schweigen der Beteiligten ausgegangen wird, ist zu verhindern, dass durch die Analogie dem Insolvenzgericht eine ihm nicht zustehende Prognoseentscheidung über das künftige Verhalten der potentiellen Vertragspartner ermöglicht wird.66

63 

BT-Drucks. 12/2443, S. 203 f. (zu § 274). Zu dieser ratio legis des § 231 I 1 Nr. 2, 3 InsO oben § 3 B I 6. 65  Das folgt aus den Grenzen der gerichtlichen Befugnisse, siehe auch dazu § 3 B I 6. 66  Die einzige Ermessensentscheidung des Gerichts betrifft die Bestimmung einer „angemessenen Frist“ nach § 231 I 1 Nr. 1 InsO, wenn Anlagen fehlen (in diesem Fall muss dem Planersteller Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben werden, siehe Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 231 Rn. 16). Eine solche Fristsetzung liegt aber im Interesse der Gläubiger, da sie eine unangemessene Verfahrensverzögerung verhindert, und ist etwas genuin anderes als es eine Prognose im oben erwähnten Sinn wäre. 64 



C. Vertragsschluss

261

Daraus ergibt sich, dass Regelungen zulasten von Gläubigern, die über die gemeinschaftlichen Befugnisse der Gläubiger hinausgehen,67 eine Erklärung analog § 230 II InsO erforderlich machen. Aus denselben Gründen ist zudem § 230 III InsO analog anzuwenden, wenn der Plan nicht nur eine Verpflichtung, sondern auch ein dingliches Erfüllungsgeschäft eines Dritten beinhaltet. Dagegen bleibt für eine analoge Anwendung des § 230 I 1 InsO bei Regelungen zulasten des Schuldners kein Raum.

c)  Erklärungen nach § 226 II InsO Regelungen in einem Insolvenzplan, die zwar gegenständlich nicht über die Befugnisse der Gläubigergemeinschaft hinausgehen, aber inhaltlich gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, können ebensowenig durch einen Mehrheitsbeschluss legitimiert werden. Für sie ordnet § 226 II InsO ebenso wie § 230 II InsO das Erfordernis einer vorherigen Zustimmungserklärung der betroffenen, das heißt schlechtergestellten68 Gläubiger an. Die oben entwickelten Grundsätze für eine spätere Abgabe oder eine Rücknahme müssen hier entsprechend gelten.

2.  Vorlage, Niederlegung und Erörterung des Plans Die Vorlage des Insolvenzplans (§ 218 InsO) und dessen Niederlegung zur Einsicht (§ 234 InsO) sowie die Abhaltung des Erörterungstermins sind Vorbereitungshandlungen für den Vertragsschluss. Die gerichtlichen Befugnisse nach § 231 InsO sollen die Beteiligten vor einer Verzögerung des Verfahrens durch offensichtlich aussichtslose Planverfahren schützen und geben dem Gericht keine Möglichkeit zur Gestaltung des Vertragsinhalts nach seinen eigenen Vorstellungen über dessen Zweckmäßigkeit.69 Am Ende liegt ein Planentwurf vor, dem die Gläubiger, der Schuldner und gegebenenfalls Dritte durch ein bloßes „Ja“ zustimmen können. Die Aufforderung zur Stimmabgabe lässt sich dann rechtstechnisch als Art einer invitatio ad offerendum beschreiben,70 wobei allerdings aufgrund der von §§ 145 ff. BGB abweichenden Form des Vertragsschlusses streng genommen nicht zur Abgabe einer „Offerte“ aufgefordert wird.

67  Zu den Grenzen dieser Befugnisse siehe oben § 4 B III 2 und zusammenfassend noch einmal unten F I 3 a. 68  Breuer, in: MüKo InsO, § 226 Rn. 10. 69  Dazu oben § 3 B I 6. 70  Madaus, Insolvenzplan, S. 174  ff. und Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 30 bezeichnen schon die Planvorlage als invitatio ad offerendum.

262

§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

a)  Rechtsnatur der Planvorlage Die Planvorlage ist eine Prozesshandlung, sie leitet das Insolvenzplanverfahren ein.71 Legt der Schuldner einen Planentwurf vor, stellt sich die Frage, ob hierin bereits die Zustimmungserklärung zu dem angestrebten Vertrag enthalten ist.72 Entgegen der wohl herrschenden Ansicht in der Literatur73 ist dies zu bejahen. Zwar enthält § 247 InsO keine Regelung, die besagt, dass die Zustimmung des Schuldners nicht fingiert wird, wenn die Planvorlage von ihm stammt.74 Indes „fehlt“ eine entsprechende Bestimmung ebenso für den Fall, dass der Schuldner dem Plan ausdrücklich zustimmt, was zweifellos möglich sein muss.75 Richtigerweise findet § 247 InsO schlichtweg keine Anwendung, wenn der Schuldner seine Zustimmung erklärt. Denn Rechtsnormen entfalten nur dann Wirkung, wenn ihr Tatbestand erfüllt ist, und zum Tatbestand des § 247 I InsO gehört das Fehlen einer Zustimmung des Schuldners, wie aus dem Wort „gilt“ hervorgeht. Dieses Wort zeigt nämlich eine gesetzliche Fiktion an, und für eine solche ist nur Raum, wenn die Dinge tatsächlich anders sind, hier also: wenn der Schuldner nicht zugestimmt hat. Der gesetzlichen Regelung ist auch nicht zu entnehmen, dass die Zustimmung des Schuldners erst nach der Abstimmung der Gläubiger erteilt werden könnte.76 Im Gegenteil zeigt § 230 I 3 InsO, dass die Planvorlage des Schuldners nicht nur eine auf die Eröffnung des Planverfahrens gerichtete Handlung darstellt, sondern die Erklärung der Zustimmung zum Plan beinhaltet. Denn nach dieser Vorschrift ist eine Erklärung des Schuldners, die als besonders bedeutsame Zustimmung nach § 230 I 1 InsO bereits mit der Planvorlage abzugeben ist, entbehrlich, wenn der Schuldner den Plan selbst vorlegt. Eine andere Erklärung für diese Regelung als die, dass die Planvorlage des Schuldners dessen Zustimmung zum Plan enthält, gibt es nicht.

b)  Rücknahme der Planvorlage Ein anderes Problemfeld stellt die Möglichkeit der Rücknahme einer Planvorlage dar. Für die Bestimmung der Rücknahmemöglichkeiten kommt es nicht darauf an, ob der Verwalter oder der Schuldner den Plan vorlegt, weil auch dann, wenn die Vorlage bereits eine Zustimmung zum Plan enthält, die spezi71 

Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 218 Rn. 10 f.; Madaus, Insolvenzplan, S. 176. dem Insolvenzverwalter als Partei kann ein Insolvenzplan nicht vereinbart werden (gegen diese von Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.70 vertretene Ansicht oben § 3 D I 2), sodass eine Zustimmung zum Plan in der Verwaltervorlage niemals liegen kann. 73 Dagegen insb. Madaus, Insolvenzplan, S. 179 ff. und Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 30. 74  Damit argumentiert Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 30. 75 Richtig: Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 247 Rn. 2. 76 So aber ohne weitere Begründung, Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 30 und Madaus, Insolvenzplan, S. 182. 72  Mit



C. Vertragsschluss

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ellen Vorschriften der InsO den – hier ohnehin unpassenden – Regelungen des BGB zur Bindung an den Antrag vorgehen.77 § 231 II InsO geht davon aus, dass eine Planvorlage zurückgenommen werden kann. Aufgrund dieser Regelung und entsprechend allgemeiner Verfahrensgrundsätze ist daher eine Rücknahme der Planvorlage zu jedem Zeitpunkt des Planverfahrens möglich.78 Allerdings ergeben sich aus der Rücknahme der Planvorlage nur dann rechtliche Wirkungen, wenn keine prozessuale Überholung eingetreten ist. Sobald das Insolvenzgericht die Beteiligten zur Stimmabgabe aufgefordert hat, kommt es auf die Planvorlage aber nicht mehr an. Denn diese leitet zwar das Planverfahren ein und bildet zunächst dessen Grundlage. Doch in der Aufforderung des Insolvenzgerichts zur Stimmabgabe tritt das Insolvenzplanverfahren in ein neues Stadium: Ab diesem Zeitpunkt ist der Inhalt für die abzugebenden Stimmen verbindlich konkretisiert, eine Zugangsmöglichkeit für alle abzugebenden Erklärungen ist eröffnet, und somit ist die Möglichkeit eines Vertragsschlusses geschaffen.79 Damit wird die Planvorlage als Voraussetzung für den Vertragsschluss entbehrlich; sie war eine bloße Vorbereitungshandlung, kein Bestandteil des zu schließenden Vertrags.80 Wenn also der Verwalter seine Planvorlage nach Beginn der Abstimmung zurückzieht, geht dies ins Leere und einer Einigung der Beteiligten auf den Plan steht nichts entgegen. Zieht der Schuldner seine Vorlage nach diesem Zeitpunkt zurück, wäre dies nur beachtlich, soweit darin auch die Rücknahme der Zustimmungserklärung und ein Widerspruch i. S. d. § 247 I InsO läge. Dem stünde jedoch aus den schon zu § 230 InsO erläuterten Gründen der prozessuale Arglisteinwand entgegen:81 In seiner Eigenschaft als Vertragsbeteiligter unterliegt der Schuldner der Bindung an die Erklärungen, die er bis zum Ende des Erörterungstermins abgegeben hat. Aus der Stellung als Planinitiator zieht der Schuldner daher lediglich den Vorteil einer etwas längeren Rücknahmefrist,

77  Trotz der anderen Ansicht zur Natur der Planvorlage richtig erkannt von Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 218 Rn. 144. 78  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 218 Rn. 145 ff.; zur Begrenzung auf den Zeitraum bis zum „Beginn der Abstimmung“ (Hintzen, in: MüKo InsO, § 235 Rn. 33) sogleich. 79 Vorher war das nicht der Fall. Auch wenn dem Gericht bereits Erklärungen nach § 230 InsO zugegangen sind, kann deren rechtliche Wirkung erst anhand des endgültig zur Abstimmung gestellten Planentwurfs beurteilt werden: Nur wenn sie so gefasst sind, dass sie sich trotz möglicher zwischenzeitlicher Änderungen des Plans nach §§ 231 I 1 Nr. 1, 240 S. 1 InsO inhaltlich noch auf diesen beziehen, liegt nämlich eine wirksame Zustimmung vor. Daher ist der Hinweis von Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 230 Rn. 1, dass bei der Abfassung der Erklärungen auf eine Vereinbarkeit mit möglichen Änderungen zu achten ist, sehr berechtigt. 80  Madaus, KTS 2012, 27, 58 kann nur deswegen zu einer anderen Lösung gelangen, weil er vor dem Bestätigungsbeschluss keinen Vertrag annimmt und offensichtlich die Planvorlage als Voraussetzung für das Bestätigungsverfahren sieht. 81 Ähnlich Sinz, in: MüKo InsO, § 247 Rn. 25: Ausschluss des Widerspruchsrechts bei Schuldnerplänen.

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indem er die Planvorlage im Ganzen bis zum Beginn der Abstimmung, also der entsprechenden Aufforderung des Gerichts, zurückziehen kann.

3. Zusammenfassung Die Vorbereitung für die Vereinbarung des Insolvenzplans erstreckt sich zeitlich von der Planvorlage gemäß § 218 InsO bis zur Aufforderung des Insolvenzgerichts zur Abstimmung. Erst diese Aufforderung zur Stimmabgabe ist eine „invitatio ad offerendum“ in dem Sinne, dass ab diesem Zeitpunkt die Gläubiger ihren Beschluss über die Planannahme fassen und diese erklären können. Danach geht eine Rücknahme der Planvorlage ins Leere. Wegen der Notwendigkeit der Beschlussfassung in einem besonderen Abstimmungstermin kann es vor der Aufforderung des Gerichts zur Stimmabgabe keinen wirksamen Beschluss der Gläubigergemeinschaft geben. Zustimmungen des Schuldners und Dritter sowie einzelner Gläubiger, deren „private“ Rechtsstellung betroffen ist, können hingegen vorher abgegeben werden. Der Schluss der Erörterung, sei es in einem einheitlichen Erörterungs- und Abstimmungstermin oder in einem gesonderten Erörterungstermin, ist die zeitliche Grenze für die Rücknahme dieser Erklärungen. Die in § 230 InsO genannten Erklärungen können auch nach dem Einreichen der Planvorlage noch wirksam abgegeben werden. Wenn die Erklärungen bis zum Ende des Abstimmungstermins nicht vorliegen, kommt es darauf an, ob sie in dem zur Abstimmung gestellten Plan berücksichtigt wurden: Ist dies der Fall, kommt eine Nachholung noch bis zum Ablauf einer vom Gericht zu setzenden Frist in Betracht. Wenn nicht, bleibt für eine Beteiligung am Vertrag kein Raum.

III.  Abstimmung der Gläubiger Für die Abstimmung nach §§ 243–246a InsO über den Insolvenzplan gilt grundsätzlich das zur Gläubigerversammlung Gesagte: Durch die Stimmabgabe gegenüber dem Gericht kommt ein Beschluss zustande, der in denselben Erklärungen unmittelbar außenwirksam ausgeführt wird.82 Inhalt des Beschlusses und seiner Ausführung ist die Zustimmung der Gläubiger zum Plan, die das Gesetz als „Annahme“ bezeichnet (§§ 244 I, 248 I InsO).83 82  Dazu § 4 D I 5, II 2, III. Der Gedanke, dass in der Gläubigerabstimmung eine Kombination von internem Beschluss und außenwirksamen Erklärungen vorliegt, ist zum Zwangsvergleich bereits von mehreren Autoren vorgebracht, aber nicht weiter ausgeführt worden (vgl. Gerland, KritVjSchr 1905, 29, 39 f.; Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 17; Zernik, Tod des Gemeinschuldners, S. 11). 83  Diese Bezeichnung ist rechtstechnisch nicht korrekt, wenn man den Begriff der Annahme in §§ 146 ff. BGB zugrundelegt, weil das Schema von Antrag und Annahme für die Vereinbarung des Insolvenzplans nicht passt; er wurde wohl vorschnell aus der KO übernommen, deren § 182 I aus Sicht der Vertragstheorie noch richtig formuliert war: Strittig war damals



C. Vertragsschluss

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Gegenüber §§ 76 II, 77 InsO gelten für die Abstimmung über die Zustimmung zum Insolvenzplan spezielle Regelungen. Von besonderer Bedeutung ist insoweit die Abstimmung in Gruppen (§ 243 InsO).84 Wie auch §§ 237 II, 238 II, 238a II InsO zeigen, will der Gesetzgeber im Abstimmungsmodus für den Beschluss über den Insolvenzplan die individuelle Betroffenheit der Abstimmenden stärker berücksichtigen. Daher findet  – in Erweiterung eines Gedankens des früheren § 8 II VglO – keine „Gesamtabstimmung“, sondern eine Abstimmung in Gruppen statt.85

1. Stimmrecht Ein Stimmrecht kommt wegen § 243 InsO von vornherein nur für Gläubiger in Betracht, die bei der Gruppenbildung nach § 222 InsO berücksichtigt werden. Für das Stimmrecht gelten dabei grundsätzlich nach §§ 237 I 1, 238 I 2, 3 InsO die Regelungen des § 77 InsO entsprechend.86

a)  Missglückte Regelungen in §§ 237 II, 238 II, 238a II InsO Probleme bereiten die Regelungen zum Stimmrechtsausschluss in §§ 237 II, 238 II, 238a II InsO. Zunächst ist festzustellen, dass in dem Fall, dass die nur, wann ein Antrag des Schuldners vorliegen sollte (vgl. oben § 2 B II 4 e bb ddd). – Diese Ungenauigkeit des Gesetzgebers stellt jedoch kein Hindernis für die vertragliche Konstruktion des Insolvenzplans dar, es ist nur statt des durch §§ 146 ff. BGB speziell definierten Wortes „Annahme“ in §§ 244 I, 248 I InsO berichtigend der Oberbegriff „Zustimmung“ zu lesen. 84  Insoweit ist vorsorglich einem Einwand gegen die hier entwickelte Konstruktion zu begegnen, der angesichts des Planinitiativrechts von Insolvenzverwalter und Schuldner und der damit einhergehenden Befugnis zur Gruppeneinteilung (§ 222 II 1 InsO) erhoben werden könnte: Man mag vielleicht argumentieren, durch die Gruppeneinteilung könnte der Vorlegende Einfluss auf die Binnenorganisation der Gläubigergemeinschaft nehmen, und daraus ableiten, dass ein solcher Eingriff eines Dritten in den Rechtskreis der Bruchteilsgemeinschaft unerklärlich sei, was zeige, dass eine solche Gemeinschaft tatsächlich gar nicht existiere. Das wäre jedoch zu kurz gedacht und ließe die gesetzliche Regelung außer Acht. Denn trotz der Gruppeneinteilung in der Planvorlage ist es nicht der Planinitiator, der über den Abstimmungsmodus entscheidet, sondern das Gesetz: Durch die Planvorlage kann von den §§ 243 ff. InsO nicht abgewichen werden, und es ist nicht die Planvorlage, sondern die Regelung in § 243 InsO, die festlegt, dass in Gruppen abgestimmt wird. Daher kann von einer Regelung des Abstimmungsmodus durch den Planinitiator keine Rede sein. 85  BT-Drucks. 12/2443, S. 208 (zu § 288) – dazu schon oben § 2 B V 2 d. Zu weit geht freilich Madaus, wenn er daraus den Schluss ziehen will, das Mehrheitsprinzip legitimiere sich überhaupt erst aus den gleichgerichteten Interessen innerhalb jeder einzelnen Gruppe, dagegen ausführlich § 3 D II 3 b bb. 86  Sie gelten „entsprechend“, weil es nicht um das Stimmrecht innerhalb der Gläubigerversammlung, sondern der jeweiligen Gruppe geht, und unter Umständen auch die nachrangigen Insolvenzgläubiger stimmberechtigt sind. Das Stimmrecht der Mitglieder eines insolventen Verbands folgt unmittelbar aus § 222 I 2 Nr. 4 InsO (§ 238a I InsO regelt hingegen das Stimmgewicht).

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Rechtsstellung der Absonderungsberechtigten und der Mitglieder eines Schuldner-Verbands nicht tangiert ist, schon keine Gruppen nach § 222 I 2 Nr. 1, Nr. 4 InsO zu bilden sind, sodass die §§ 238 II, 238a II InsO leerlaufen.87 Darüber hinaus kann aber auch die „Grundregel“ in § 237 II InsO bei näherer Betrachtung nicht wortgetreu angewandt werden. Die Norm spricht davon, dass „Forderungen durch den Plan [nicht] beeinträchtigt werden“. In der Kommentarliteratur wird dieses Merkmal dem Wortlaut entsprechend nur auf das materielle Recht bezogen,88 was dem Verständnis des Gesetzgebers entspricht, der für § 237 II InsO die Regelung des § 72 I VerglO übernommen hat.89 Es wurde bereits gezeigt, dass die damit gemeinten Planregelungen allerdings primär einen prozessualen Inhalt haben;90 das ist jedoch weniger problematisch, da sich auch ein Ausschluss der prozessualen Durchsetzbarkeit noch als „Beeinträchtigung der Forderung“ verstehen lässt. Jedoch ist § 237 II InsO selbst bei einem solchen erweiterten Verständnis nicht auf alle möglichen Arten von Plänen anwendbar. Denn der Wortlaut ist nur auf die Erscheinungsform eines sog. Sanierungsplans zugeschnitten, der unter allseitigen Beschränkungen der Gläubigerrechte dem Schuldner einen „Neustart“ ermöglichen soll. Hingegen enthält ein sog. Liquidationsplan, der nur die Art der insolvenzverfahrensrechtlichen Befriedigung modifiziert, keine solchen Einschnitte für die Gläubiger; insbesondere ist die Erfüllung einer Forderung keine „Beeinträchtigung“. Dass die oben genannte Auslegung des § 237 II InsO nicht allgemeingültig ist, wird schließlich besonders deutlich bei einer dritten Gestaltungsmöglichkeit, dem sog. verfahrensbegleitenden Insolvenzplan: Ein Plan kann auch ausschließlich Verwertungsbestimmungen und damit überhaupt keinen unmittelbaren Bezug zu den einzelnen Forderungen enthalten. In den genannten Fällen wäre aufgrund des § 237 II InsO kein einziger Gläubiger stimmberechtigt, entsprechende Pläne könnten also nicht angenommen werden. Das war vom Gesetzgeber jedoch nicht gewollt. Das aufgezeigte Problem folgt daraus, dass sich § 217 InsO – richtigerweise – für die Möglichkeiten der Planregelungen auf prozessuale Aspekte stützt, die §§ 237 II, 238 II, 238a II InsO hingegen dem Wortlaut nach nur auf materielle Rechte abstellen: Im Ergebnis kann es dazu kommen, dass keine „Schnittmenge“ besteht. Besser, weil offener formuliert ist § 222 InsO zur Gruppenbildung, der allgemein von „Rechten“ spricht, was sich auf Rechtspositionen jeder Art 87  Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 238 Rn. 5, § 238a Rn. 17; Hintzen, in: MüKo InsO, § 238 Rn. 14; Madaus, in: MüKo InsO, § 238a Rn. 2; a. A. Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 238 Rn. 8, die meinen, eine Gruppe könnte auch nur gebildet sein, um „Klarheit“ zu schaffen; das widerspricht aber § 222 I 2 Nr. 1 InsO. 88  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 237 Rn. 35 ff.; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 237 Rn. 8 f.; Flessner, in: HeidelbK, § 238 Rn. 7 ff.; Hess, Insolvenzrecht, § 237 Rn. 11; Lüer/ Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 237 Rn. 5 ff.; Thies, in: HambK, § 238 Rn. 3a. 89  BT-Drucks. 12/2443, S. 206 (zu § 281). 90  Oben § 4 B III 2.



C. Vertragsschluss

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beziehen lässt. Es muss daher unter Berücksichtigung von §§ 217, 222 InsO ein vom Wortlaut des § 237 II InsO abweichendes Kriterium entwickelt werden, anhand dessen über die Stimmberechtigung zu entscheiden ist.91

b)  Grundsatz über das Stimmrecht im Planverfahren Der entscheidende Gedanke hinter § 237 II InsO sowie §§ 238 II, 238a II InsO ist, dass Gläubiger dann nicht über den Plan sollen mitbestimmen können, wenn sie von dessen Regelungen nicht rechtlich nachteilig betroffen sind. Wie gesehen, ist dieses Prinzip für die in §§ 238 II, 238a II InsO genannten Gläubiger bereits durch § 222 I 2 Nr. 1, 4 InsO verwirklicht: Denn ohne Gruppe gibt es wegen § 243 InsO kein Stimmrecht, und umgekehrt ist die Gruppenbildung verpflichtend, wenn die Rechtsstellung der genannten Personen betroffen ist.92 Für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger kommt aufgrund der obligatorischen Bildung einer entsprechenden Gruppe (§ 222 I 2 Nr. 2 InsO) dieser Grundsatz dagegen erst in § 237 II InsO zum tragen, und für die nachrangigen Gläubiger i. S. d. § 222 I 2 Nr. 3 InsO gilt dasselbe, sofern nicht § 225 I InsO greift. Das Prinzip, dass nur Betroffene stimmberechtigt sein sollen, wurde bereits als ratio legis der Bestimmung in § 77 I 2 InsO und Ausdruck des Gleichbehandlungsprinzips erkannt. Es ist daher als allgemeine Regel für die Gläubigergemeinschaft anzusehen.93 Zusätzlich will der Gesetzgeber aber für das Planverfahren das Merkmal der „Betroffenheit“ ausweislich § 222 I 2 Nr. 1, 4 InsO und § 237 II InsO auf rechtliche Nachteile beschränken. Ein solcher Nachteil ist zum einen gegeben, wenn der Gläubiger im laufenden Verfahren nicht in voller Höhe94 befriedigt werden soll, oder zu einem 91  Im Grundsatz erkennen das Hintzen, in: MüKo InsO, § 238 Rn. 12 („Eine Beeinträchtigung durch den Insolvenzplan ist somit grundsätzlich dann nicht gegeben, mit der Folge des fehlenden Stimmrechtes, wenn der Gläubiger sowohl bei planmäßiger Verwertung bzw. Befriedigung als auch bei Liquidation in gleicher Weise und Höhe befriedigt bzw. mit seinem Anspruch ausfallen würde.“), Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, § 237 Rn. 15 („Beeinträchtigung ist jede Verschlechterung gegenüber der Lage ohne Insolvenzplan“), und Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 238 Rn. 9 („Der Eingriff kann sich auf die verfahrensrechtliche Position beschränken“). 92  Zur Besonderheit, dass keine Gruppe nach § 222 I 2 Nr. 4 InsO zu bilden ist, wenn der Plan keine Zahlung an die Mitglieder vorsieht, aber auch keine gesellschaftsrechtlichen Regelungen nach § 225a III InsO enthält, siehe den nächsten Punkt. 93  Siehe oben § 4 D II 4: Aus dem Gleichheitssatz folgt, dass diejenigen kein Stimmrecht haben, die von einer Entscheidung sicherlich nicht betroffen sind; § 77 I 2 InsO trifft deshalb aus prozessökonomischen Gründen eine pauschale Entscheidung zulasten der nachrangigen Insolvenzgläubiger. Hinsichtlich des Insolvenzplans ist eine solche Pauschalregelung nicht erforderlich, weil sich aus dem gestaltenden Teil unmittelbar die Betroffenheit ergibt, und mithin Zweifel und Streit über die Betroffenheit, die das Verfahren verlängern könnten, ausgeschlossen sind. 94  Die Festlegung einer geringeren Befriedigung ist ein Ausschluss der verfahrensrechtlich garantierten Chance auf eine vollständige Befriedigung im Regelverfahren. Eine Prognose des tatsächlichen Ausgangs wird hingegen erst bei §§ 245 I Nr. 1, 251 I Nr. 2 InsO relevant.

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späteren Zeitpunkt95 als es nach den Bestimmungen des Regelverfahrens der Fall wäre.96 Zum anderen liegt ein rechtlicher Nachteil für die nach § 76 II, 77 InsO stimmberechtigten Gläubiger vor, wenn die gesetzliche Verwertung nach §§ 159 ff. InsO durch eine planmäßige ersetzt wird,97 sofern nicht im Plan gleichzeitig die vollständige sofortige Befriedigung des Gläubigers vorgesehen ist. Denn nach der Wertung des § 160 I 1, 2 InsO sind diese Gläubiger berechtigt, über besonders bedeutsame Verwertungsmaßnahmen mitzubestimmen, sodass zu ihrem Nachteil diese Mitwirkungsmöglichkeit durch den Plan ausgeschlossen wird.98

c)  Ergebnis für die einzelnen Gläubigergruppen Das Stimmrecht eines Gläubigers ergibt sich aus den Vorschriften über die Pflicht zur Gruppenbildung sowie gegebenenfalls zusätzlich aus § 237 II InsO.99 Entscheidend ist dabei, ob der Insolvenzplan einen rechtlichen Nachteil für den betreffenden Gläubiger enthält, indem er die Chance auf die schnellstmögliche vollständige Befriedigung im Insolvenzverfahren oder die Möglichkeit der Einflussnahme auf die Verwertung nach § 160 I 1, 2 InsO ausschließt. Ein Nachteil liegt demnach vor, wenn der Plan für den Gläubiger eine nicht vollständige oder gegenüber dem Regelverfahren spätere Befriedigung vorsieht, oder – sofern nicht gleichzeitig die vollständige sofortige Befriedigung des Gläubigers geregelt ist – eine von §§ 159 ff. InsO abweichende Verwertung anordnet. Für die nachrangigen Insolvenzgläubiger gelten hinsichtlich einer nicht vollständigen 95 Für

den maßgeblichen Zeitpunkt ist jedoch nicht auf ein hypothetisches Regelverfahren ohne Planverfahren abzustellen, weil sonst immer sämtliche Gläubiger stimmberechtigt wären (Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 237 Rn. 36; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 237 Rn. 9; Flessner, in: HeidelbK InsO, § 237 Rn. 9; Hintzen, in: MüKo InsO, § 238 Rn. 12; Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 237 Rn. 15; Thies, in: HambK InsO, § 237 Rn. 3a). Es kommt also vor allem darauf an, ob eine Befriedigung vor oder nach Verfahrensaufhebung erfolgen soll, ob z. B. Abschlagsverteilungen nach § 187 II InsO ausgeschlossen werden. 96  Der hier entwickelten Teil-Definition steht die von Hintzen, in: MüKo InsO, § 238 Rn. 12 am nächsten. Soweit dieser allerdings von einer Befriedigung spricht, die nicht „in gleicher Weise“ erfolgen soll, ist darauf hinzuweisen, dass die Befriedigung auf andere Art als durch die Zahlung von Geld gar nicht von der Entscheidungsmacht der Gläubigergemeinschaft umfasst ist. Das ergibt sich aus dem Charakter des Insolvenzverfahrens als Verfahren der Geldvollstreckung. Die Gläubigergemeinschaft kann nur über die Elemente dieser Geldvollstreckung, nämlich Verwertung der Masse und Erlösverteilung disponieren, wobei diese Regelungen auf die Rechte der einzelnen Gläubiger „übergreifen“ können. Wenn Gläubiger hingegen eine andere Leistung als eine Geldzahlung als Erfüllung akzeptieren sollen, ist ein Mehrheitsbeschluss nicht ausreichend, sondern es sind individuelle Erklärungen nach § 230 II InsO analog erforderlich (siehe schon oben II 1 b). 97  Zu möglichen Regelungen über die Verwertung siehe unten F I 1 a. 98  Sofern ein Gläubigerausschuss eingesetzt ist, ändert dies nichts, da auch dieser bei der Entscheidung über eine Zustimmung nach § 160 I 1 InsO die Interessen der Gläubiger vertritt und er von den Gläubigern nach §§ 76 II, 77 InsO eingesetzt wird (§ 68 InsO). 99  Nicht etwa aus einer Zuteilung durch den Planersteller.



C. Vertragsschluss

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Befriedigung jedoch die Spezialregelungen in §§ 222 I 2 Nr. 3, 4 InsO, die mit dem regelmäßigen Ausfall nachrangiger Gläubiger im Regelverfahren zu rechtfertigen sind, und für sie bedeutet die Nichtbeteiligung an Verwertungsentscheidungen wegen §§ 76 II, 77 InsO keinen Nachteil. Im Ergebnis ist daher der genannte Grundsatz uneingeschränkt nur für die absonderungsberechtigten Gläubiger und die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger anwendbar. Deren Stimmrecht folgt dann aus § 222 I 2 Nr. 1 InsO bzw. §§ 222 I 2 Nr. 2, 237 II InsO. Die nachrangigen Insolvenzgläubiger i. S. d. § 222 I 2 Nr. 3 InsO sind hingegen nur stimmberechtigt, wenn der Plan eine Regelung i. S. d. § 225 II InsO enthält, und sich zusätzlich nach § 237 II InsO ein rechtlicher Nachteil in Form nicht vollständiger oder späterer Befriedigung ergibt.100 Die Mitglieder des Schuldner-Verbands behandelt das Gesetz in §§ 222 I 2 Nr. 4, 238a InsO gesondert, aber – mit der hier vertretenen Ansicht übereinstimmend – systematisch als letztrangig berechtigte Insolvenzgläubiger. Eine Anwendung der §§ 222 I 2 Nr. 3, 225, 237 InsO ist daher hinsichtlich des Liquidationsanspruchs der Mitglieder ausgeschlossen. Allerdings entspricht das Ergebnis, dass eine Stimmberechtigung nicht daraus folgt, dass der Plan keine Zahlung an Mitglieder vorsieht, dem des § 222 I 2 Nr. 3 InsO. Ein Stimmrecht der Mitglieder ergibt sich aus § 222 I 2 Nr. 4 InsO nach der obigen Formel, wenn der Plan durch Regelungen gem. § 225a III InsO einen rechtlichen Nachteil für die Mitglieder bringt. Solche Regelungen können nur dann der Befriedigung der Gläubiger dienen und somit zulässig sein, wenn die Fortsetzung des Verbands angeordnet wird. In diesem Fall ist der Liquidationsanspruch ausgesetzt, die Mitglieder erhalten abweichend von § 199 S. 2 InsO keine geldmäßige Be100  Zutreffend daher Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 246 Rn. 1, der bei einer Planquote unter 100 % für die nachrangigen Insolvenzgläubiger eine Beeinträchtigung i. S. d. § 237 II InsO bejaht. A. A. aber Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 246 Rn. 4 und Sinz, in: MüKo InsO, § 246 Rn. 6; sie meinen, ein Stimmrecht käme nur beim Ausschluss der Wiederauflebensklausel nach § 255 III InsO in Betracht. Tatsächlich bezieht sich § 237 II InsO aber nicht auf einen fiktiven Alternativplan als Vergleichsmaßstab für die Schlechterstellung, sondern auf den rechnerischen Wert der Forderung und die Chance der vollständigen Befriedigung im Regelverfahren. Das Ergebnis, dass eine vollständige Forderungskürzung gemäß der Regelung in § 225 InsO wegen §§ 222 I 2 Nr. 3, 243 InsO kein Stimmrecht gewährt, eine nur teilweise hingegen schon, ist allerdings auf den ersten Blick absurd. Es lässt sich jedoch dadurch rechtfertigen, dass in den meisten Fällen nachrangige Insolvenzgläubiger ohnehin nichts erhalten, sodass nur dann, wenn der Plan Zahlungen für sie vorsieht, von einer dafür hinreichenden Masse auszugehen ist. In diesem Fall sind aber die für alle Gläubiger geltenden Grundsätze anwendbar. – Durch die hier vertretene Zuteilung des Stimmgewichts wird auch nicht die Gefahr einer Benachteiligung einzelner Gläubiger geschaffen: Wird in einem Plan für die nachrangigen Insolvenzgläubiger keine Befriedigung vorgesehen, obwohl eine solche im Regelverfahren zu erwarten wäre, ist zwar wegen § 222 I 2 Nr. 3 InsO eine Teilnahme an der Abstimmung nicht möglich, es bleibt aber der Rechtsbehelf des § 251 I InsO; wäre im Regelverfahren hingegen keine Befriedigung zu erwarten und den nachrangigen Gläubigern wird dennoch eine Planquote zuteil, können sich dadurch benachteiligte andere Gläubiger nach § 251 I InsO wehren.

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friedigung im Verfahren, und sie tragen das wirtschaftliche Risiko, das sich aus der Beteiligung an dem Verband ergibt, der ohne Plan beendet würde. Damit erleiden sie rechtliche Nachteile und werden somit stimmberechtigt.101

2.  Erforderliche Mehrheiten und Stimmgewicht Das Stimmgewicht wird gegenüber § 76 II 1 InsO modifiziert. Innerhalb der Gruppen ist nicht nur eine Summen-, sondern zusätzlich eine Kopfmehrheit erforderlich (§ 244 I InsO). Das Stimmgewicht des Einzelnen wird aber nicht nur dadurch beeinflusst, sondern hängt auch davon ab, welcher Gruppe ein Stimmberechtigter angehört. Insoweit kann der Planersteller durch taktische Ausübung seiner Gestaltungsspielräume nach § 222 II InsO einen Beschluss begünstigen. § 238a I 1 InsO, der entgegen seinem Wortlaut nicht das Stimmrecht, sondern das Stimmgewicht regelt, stellt allein auf den Vermögenswert der Mitgliedschaft ab, was die obige Einordnung der Mitglieder als Gläubiger aufgrund dieses Teils des Mitgliedschaftsrechts bestätigt.

3. Rücknahmemöglichkeiten Die gem. §§ 226 II, 230 InsO vor dem Abstimmungstermin abgegebenen Erklärungen können nur bis zum Ende der Erörterung des Plans zurückgenommen werden.102 Damit stellt sich die Frage, ob Gläubiger, die schon vor dem Beginn der Abstimmung Erklärungen nach §§ 226 II, 230 II InsO abgegeben haben, noch innerhalb ihrer Gruppe gegen den Plan stimmen können. Das ist aufgrund des unterschiedlichen Inhalts der Erklärungen zu bejahen. Die Zustimmungserklärungen nach §§ 226 II, 230 II InsO betreffen nicht die Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte der Gläubiger, sondern der Rechte, die ihnen im Ganzen persönlich zustehen. Sie können daher die Stimmabgabe innerhalb der Gemeinschaft schon rein inhaltlich nicht vorwegnehmen. Die betreffenden Gläubiger handeln insoweit in zwei unterschiedlichen Funktionen, nämlich bei der Abstimmung als Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft, und bei den Erklärungen nach §§ 226 II, 230 II InsO als Alleinzuständige für die entsprechende Regelung und somit gewissermaßen als „Dritte“.103 Die daraus 101 

Im Ergebnis ebenso: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 222 Rn. 70 ff. Oben II 1. 103  Zutreffend ist daher die Wertung in BGH NZI 2011, 538, 540, dass in der Zustimmung eines aufrechnungsberechtigten Gläubigers zu einem Insolvenzplans im Rahmen der Abstimmung kein Verzicht auf das Aufrechnungsrecht liegt, auch wenn nach dem Plan die entsprechende Forderung „als erlassen gelten“ soll. Die „strengen Anforderungen“ die der BGH an einen solchen Aufrechnungsverzicht stellen will, sind als diejenigen für Erklärungen i. S. d. § 230 II InsO zu qualifizieren: Denn mit dem Ausschluss einer bestehenden Aufrechnungsbefugnis geht der Plan über den gemeinschaftlichen Zuständigkeitsbereich der Gläubiger 102 



C. Vertragsschluss

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folgende getrennte rechtliche Beurteilung beider Erklärungen ist in der Praxis des Planverfahrens gerechtfertigt. Denn die Erklärungen nach §§ 226 II, 230 II InsO beziehen sich nur auf die Rechtsstellung des Einzelnen und sollten so gefasst sein, dass sie auch mit möglichen späteren Änderungen des Plans in anderen Punkten zu vereinbaren sind.104 Bei der Abstimmung innerhalb der Gemeinschaft und damit der Ausübung des Stimmrechts innerhalb der Gruppen liegt hingegen der Plan in der endgültigen Fassung vor, und so kann es durchaus vorkommen, dass ein Gläubiger, der zunächst mit den Einzelregelungen für seine Person einverstanden war, später den Gesamt-Plan ablehnt. Ihm muss es unbenommen bleiben, gegen den Plan zu stimmen. Ein ablehnendes Stimmverhalten ist also keine Rücknahme von Erklärungen nach §§ 226 II, 230 II InsO und bleibt somit auch nach der bindenden Abgabe jener Erklärungen möglich. Ein anderes Problem betrifft die Rücknahmemöglichkeiten hinsichtlich der im Rahmen der Abstimmung abgegebenen Erklärungen. Bei einer mündlichen Abstimmung wird ein Widerruf der Stimmabgabe mittlerweile fast einhellig abgelehnt.105 Ist ein Gläubiger in mehreren Gruppen stimmberechtigt, muss das Stimmverhalten aber nicht einheitlich sein.106 Bei einer schriftlichen Stimmabgabe gemäß § 242 InsO ist die Widerrufsmöglichkeit umstritten, vertreten wird eine Zulassung des Widerrufs bis zur Verlesung der Stimme im Abstimmungstermin,107 der Protokollierung108 oder sogar bis zum Ende der Abstimmung.109 Aus der Konzeption des Insolvenzplanverfahrens und der Rechtsnatur des Insolvenzplans ergibt sich jedoch, dass ein Widerruf der nach §§ 242, 243 InsO hinaus (§ 4 B III 2 a aa ccc), es ist eine persönliche Erklärung des betroffenen Gläubigers erforderlich (oben II 1 und unten F I 3 a). 104  Siehe II 1 a. 105  Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 243 Rn. 3; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 243 Rn. 10; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 243 Rn. 4; Haas, in: HeidelbK InsO, § 243 Rn. 4 f.; Hintzen, in: MüKo InsO, § 243 Rn. 6; Jaffé, in: FK InsO, § 243 Rn. 5; Kebekus/Wehler, in: Graf-Schlicker, InsO, § 243 Rn. 1; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 243 Rn. 6; Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 243 Rn. 12; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 243 Rn. 4; Thies, in: HambK InsO, § 243 Rn. 6 – für Widerrufsmöglichkeit bis zur Protokollierung hingegen: Backes, in: Pape/Uhländer, NWB Kommentar, § 243 Rn. 8. 106  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 243 Rn. 10; Hintzen, in: MüKo InsO, § 243 Rn. 6. 107  Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 242 Rn. 3; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 243 Rn. 10 f.; Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 243 Rn. 4; Haas, in: HeidelbK InsO, § 242 Rn. 3, § 244 Rn. 5; Hintzen, in: MüKo InsO, § 242 Rn. 7; Jaffé, in: FK InsO, § 243 Rn. 5; Kebekus/Wehler, in: Graf-Schlicker, InsO, § 243 Rn. 1; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 243 Rn. 4 – ebenso Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 243 Rn. 12, der allerdings in der Kommentierung zu § 242 Rn. 20 anführt, ein Grund für die Abhängigkeit vom Verlesen sei „nicht ersichtlich“, und dort einen Widerruf generell ablehnt. 108  Backes, in: Pape/Uhländer, NWB Kommentar, § 243 Rn. 8; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 242 Rn. 7; Thies, in: HambK InsO, § 242 Rn. 3. 109  Hess, Insolvenzrecht, § 242 Rn. 4.

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abgegebenen Stimmen generell ausgeschlossen ist, sobald diese dem Insolvenzgericht zugegangen sind. Da es sich beim Insolvenzplan um einen Vertrag und bei der Abstimmung nach §§ 243 ff. InsO um den Beschluss einer Bruchteilsgemeinschaft handelt, können für die abgegebenen Erklärungen die Regeln der §§ 116 ff. BGB herangezogen werden. Ein Widerruf nach dem Zugang der Erklärung ist daher nach § 130 I BGB grundsätzlich ausgeschlossen; aus der Empfangszuständigkeit des Insolvenzgerichts ergibt sich nichts anderes (§ 130 III BGB).110 Daher ist es verfehlt, auf die Verlesung oder Protokollierung schriftlich abgegebener Erklärungen abzustellen.111 Es stellt sich allein die Frage, ob sich aus dem Verfahrensrecht eine Widerrufsmöglichkeit ergibt. Für die Beschlussfassung nach § 76 II Hs. 1 InsO wurde der Widerruf einzelner Stimmen wegen der Nähe zum Prozessvertrag bereits abgelehnt.112 Im Insolvenzplanverfahren gilt nichts anderes; der Beschleunigungsgrundsatz spricht hier sogar zusätzlich gegen die Möglichkeit einer Rücknahme.113 Oben wurde dargelegt, dass Erklärungen nach §§ 226 II, 230 InsO nur bis zum Ende der Erörterung des Plans zurückgenommen werden können.114 Obwohl der dort angeführte Gedanke des Vertrauensschutzes hinsichtlich vorheriger Erklärungen für die Gläubigerabstimmung nicht greift, lässt sich doch aus § 240 InsO die allgemeine Wertung ableiten, dass mit dem Ende der Erörterung die Zeit des Nachdenkens und Verhandelns über den Planinhalt beendet sein soll: Die zügige Abwicklung wird nun zur herrschenden Verfahrensmaxime.115 Die mit Widerrufsmöglichkeiten verbundenen Unsicherheiten sind damit unvereinbar, sie würden de facto zu einer über die gesetzlichen Vorschriften zum Erörterungstermin hinausreichenden Bedenkfrist führen. Eine Abweichung von § 130 I, III BGB lässt sich somit nicht rechtfertigen. Ein Widerruf der nach §§ 242, 243 InsO abgegebenen Erklärungen ist nach deren Zugang bei Gericht ausgeschlossen.

4.  Zustimmungsfiktionen Um das Zustandekommen eines Insolvenzplans zu begünstigen, hat der Gesetzgeber in §§ 245–246a InsO Regelungen über die Fiktion der Zustimmung 110  Auf § 130 I, III BGB stützt sich auch Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 242 Rn. 20. 111  Es wäre absurd anzunehmen, dass das Insolvenzgericht erst durch die Verlesung oder Protokollierung für den Zugang an sich selbst sorgt; auf einen Zugang bei den anderen Abstimmungsberechtigten kommt es hingegen nicht an. 112  § 4 D II 3 b. 113  So auch Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 242 Rn. 20, § 243 Rn. 11. 114  Siehe II 1. 115  Dieses Konzept belegt auch BT-Drucks. 12/7302, S. 184 (zu § 292): Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen wurde auf Empfehlung des Rechtsausschusses auf die Möglichkeit eines zweiten Abstimmungstermins verzichtet. (Diesen zutreffenden Hinweis führt Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 243 Rn. 11 an.)



C. Vertragsschluss

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einzelner Abstimmungsgruppen geschaffen. Damit soll zum einen einer Obstruktion durch Nichtbeteiligung (§§ 246 Nr. 2, 246a InsO) vorgebeugt werden; nach der Wertung des § 246 Nr. 1 InsO gilt sogar unabhängig von der Beteiligung die Nichtzustimmung der dort genannten Gruppen nachrangiger Insolvenzgläubiger schlechthin als Obstruktion, sofern diese nicht schlechter gestellt werden als die Insolvenzgläubiger. Zum anderen wird durch § 245 I InsO das Mehrheitsprinzip unter bestimmten Voraussetzungen auf Gruppenebene fortgeführt, was sich durch die einheitliche Gläubigergemeinschaft erklärt.116 Insgesamt beruhen diese Zustimmungsfiktionen auf den Gedanken des Schikaneverbots (§ 226 BGB) oder des Mehrheitsprinzips innerhalb der Gemeinschaft, wobei sich beide Aspekte teilweise überschneiden.117 Einen „Kontrahierungszwang“ mag man als gedanklichen Zwischenschritt zwischen dem Schikaneverbot bzw. Mehrheitsprinzip als Hintergrund der Vorschrift und dem Vorliegen der fingierten Erklärungen als deren Rechtsfolge noch einfügen,118 allerdings ergibt sich daraus nichts Neues. Im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut steht hingegen die Auffassung, dass die Fiktionen der §§ 245–246a InsO eine Folge der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans119 seien: Denn nach §§ 243, 248 I InsO darf das Gericht einen Plan nicht bestätigen, wenn nicht eine positive Abstimmung vorliegt. Die Fiktionen in §§ 245–246a InsO sollen und können aber diese Annahme, die eben tatsächlich nicht vorliegt, gerade herbeiführen. Durch die Deutung der §§ 245–246a InsO als dem § 894 ZPO entsprechende Regelungen, die nach der gerichtlichen Prüfung greifen, werden Ursache und Wirkung vertauscht.

5. Zusammenfassung Die rechtliche Konstruktion der „Annahme“ des Insolvenzplans durch die Gläubiger ist dieselbe wie bei sonstigen Beschlussfassungen der Gläubiger: Die Abstimmung bringt gemeinschaftsintern einen Beschluss hervor und beinhaltet 116  Zu beachten ist insoweit der Unterschied des § 245 I Nr. 1 InsO gegenüber der Benachteiligung als Voraussetzung für das Stimmrecht: Während für letzteres der rechtliche Nachteil entscheidend ist, kommt es im Rahmen des § 245 I Nr. 1 InsO auf einen voraussichtlichen tatsächlichen, das heißt wirtschaftlichen Nachteil an. Nur aufgrund des Unterschieds dieser beiden Kriterien ist für § 245 I InsO ein Anwendungsbereich eröffnet. Dass das Insolvenzgericht im Rahmen der Beurteilung, ob § 245 I InsO eingreift, eine wirtschaftliche Einschätzung vornehmen muss, steht der vertraglichen Natur des Insolvenzplans nicht entgegen, siehe oben § 3 B I 5. 117  Dazu schon oben § 2 B V 2 c, § 3 D II 3 b bb aaa. 118 So Madaus, Insolvenzplan, S. 261 ff. 119 So Madaus, Insolvenzplan, S. 364 ff., 425 f.; Madaus, KTS 2012, 27, 40: Die gerichtliche Feststellung des Kontrahierungszwangs im Bestätigungsverfahren führe zu der Fiktion ähnlich wie in § 894 ZPO; das soll auch für die Fiktionen, nach §§ 245–247 InsO gelten, so explizit Madaus, Insolvenzplan, S. 294.

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zugleich die nach außen gerichteten Zustimmungserklärungen, die aufgrund des Beschlusses rechtliche Wirkung entfalten. Gegenüber den allgemeinen Vorschriften sind für die Abstimmung über den Insolvenzplan die Regelungen über das Stimmrecht und das Stimmgewicht modifiziert. Stimmberechtigt sind grundsätzlich nur Gläubiger, die durch den Plan rechtlich benachteiligt werden. Eine Benachteiligung kann in einer nicht vollständigen oder gegenüber dem Regelverfahren späteren Befriedigung liegen, aber auch in dem Ausschluss einer im Regelverfahren bestehenden Kontrollmöglichkeit hinsichtlich der Verwertung. Zu beachten sind insoweit die Sonderregeln für nachrangige Insolvenzgläubiger in § 222 I 2 Nr. 3, 4 InsO. Das Stimmgewicht wird durch die Gruppenbildung und das Erfordernis einer Kopf- und Summenmehrheit beeinflusst. Erklärungen i. S. d. §§ 226 II, 230 II InsO (analog) sind von den Zustimmungserklärungen im Rahmen der Abstimmung verschieden: Weder wird durch solche Erklärungen das Stimmverhalten eines Gläubigers vorweggenommen, noch kann die Zustimmung im Rahmen der Gruppenabstimmung eine nach §§ 226 II, 230 II InsO (analog) erforderliche Erklärung ersetzen. Eine dem Gericht zugegangene Stimme i. S. d. § 244 I InsO ist unwiderruflich. Als Besonderheit im Insolvenzplanverfahren kann die Zustimmung in einzelnen Abstimmungsgruppen nach §§ 245–246a InsO fingiert werden.

IV.  Zustimmung des Schuldners nach § 247 I InsO Dem InsO-Gesetzgeber war daran gelegen, einen Insolvenzplan auch gegen den tatsächlichen Willen des Schuldners zu ermöglichen. Daher kann in den Fällen, in denen der Schuldner seine Zustimmung nicht erklärt,120 diese nach § 247 I InsO fingiert werden. Um dem Schuldner aber ein Mittel zu geben, diese Fiktion zu verhindern, falls seine Verweigerung der Zustimmung sich nicht als Schikane oder Obstruktion durch Untätigkeit darstellt, sondern auf der Verletzung berechtigter Interessen durch den Plan beruht, hat er eine Widerspruchsmöglichkeit nach § 247 InsO.

V.  Ergebnis: Vertragliche Bindung Der Insolvenzplan ist als Vertrag geschlossen, sobald alle nach dem Planinhalt erforderlichen Erklärungen dem Gericht zugegangen sind. Frühestens und regelmäßig ist dies mit dem Ende der Abstimmung nach §§ 243 ff. InsO der Fall, wenn der Beschluss zur Annahme wirksam gefasst und unmittelbar ausgeführt ist, und die Zustimmung des Schuldners entweder tatsächlich oder nach 120  Zur Möglichkeit der ausdrücklichen Zustimmung in der Planvorlage oder im Laufe des Planverfahrens siehe oben C II 2.



D.  Gerichtliche Bestätigung als Wirksamkeitsvoraussetzung

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§ 247 I InsO kraft Fiktion vorliegt. Möglich ist auch eine spätere Perfektion des Vertrags, wenn noch Erklärungen Dritter oder einzelner Gläubiger hinzutreten müssen.121 Der Zugang der erforderlichen Erklärungen bei Gericht führt für sich allein noch nicht zur Wirksamkeit des Insolvenzplans, diese hängt nach § 254 I InsO von der Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses ab. Was sich aber ergibt, ist eine vertragliche Bindung der Vertragspartner, also der Gläubiger und des Schuldners sowie gegebenenfalls dritter Beteiligter. Der Insolvenzplan entfaltet somit zunächst lediglich eine Bindungswirkung, aber noch keine Geltung: Während die „Bindung“ für einen Vertragspartner bedeutet, dass dieser den Vertrag nicht einseitig aufheben kann, meint die „Geltung“ des Vertrags den Eintritt der intendierten Rechtsfolgen.122 Ein Auseinanderfallen von Bindung der Vertragspartner und Wirksamkeit des Vertrags ist nicht ungewöhnlich, in den Fällen einer staatlichen Mitwirkung am Vertrag sogar typisch.123 Auch die Bindung der Vertragspartner zu unterschiedlichen Zeitpunkten, bei manchen Beteiligten eventuell sogar schon vor Vertragsschluss,124 ist nichts Außergewöhnliches.125

D.  Gerichtliche Bestätigung als Wirksamkeitsvoraussetzung Wirksamkeit entfaltet ein Insolvenzplan erst mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses (§ 254 I InsO). Die in den §§ 248, 249–253 InsO geregelte Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht beinhaltet keine richterliche Gestaltung, wie bereits ausführlich dargelegt wurde.126 Vielmehr stellt sie eine Form staatlicher Mitwirkung an einem Privatrechtsgeschäft dar, welche die Rechtsnatur des letzteren unberührt lässt.127 Da der Staat hier nicht durch eine Verwaltungsbehörde, sondern durch das Insolvenzgericht als Organ der ordentlichen Gerichtsbarkeit an dem Vertrag mitwirkt, liegt ein Vergleich mit den familiengerichtlichen Genehmigungen nach §§ 1642 ff., 1811 ff. BGB nahe. 121  Dazu

F I 3.

122 

oben II 1 a; zu sonstigen besonderen Wirksamkeitsvoraussetzungen siehe unten

Siehe zu dieser Differenzierung Flume, AT II, S. 605. Flume, AT II, S. 606. 124  Zu denken ist hier an die Erklärungen, die nach §§ 226 II, 230 InsO (analog) schon vor der Abstimmung der Gläubiger abgegeben wurden, aber nach dem Ende der Erörterung des Plans nicht mehr widerrufen werden können, oder an die Fälle, in denen nach dem Abstimmungstermin noch Erklärungen abzugeben sind. 125 Vgl. Flume, AT II, S. 605 f. 126  Siehe § 3 B. 127 Siehe zu solchen Hoheitsakten als Wirksamkeitsvoraussetzung privater Geschäfte Flume, AT II, S. 45, zum Beispiel der familiengerichtlichen Genehmigungen Gursky, in: Staudinger, BGB, vor § 182 Rn. 66 f. und speziell zur öffentlich-rechtlichen Natur der Genehmigung in Vormundschaftssachen Schumacher, Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung, S. 4 ff. 123 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Diese Parallele wurde zum Zwangsvergleich von den Vertretern der Vertragstheorie fast vollkommen übereinstimmend gezogen, und sogar die Bestätigung des Zwangsvergleichs selbst wurde teilweise als „obervormundschaftlich“128 charakterisiert. Mit dem Wegfall des Widerspruchs zum „gemeinsamen Interesse“ der Gläubiger als Verwerfungsgrund (§ 188 I Nr. 2 KO) im Bestätigungsverfahren der InsO ist die letztgenannte Bezeichnung aber jedenfalls heute nicht mehr treffend: eine „Bevormundung“ der Gläubiger soll gerade nicht stattfinden.129 Die gerichtliche Bestätigung hängt nunmehr davon ab, ob der Insolvenzplan mit einem zulässigen Inhalt und unter Beachtung der für ihn geltenden Verfahrensregeln durch die erforderlichen Erklärungen vereinbart wurde (§§ 248 I, 250 I Nr. 1 InsO); ein treuwidriges Verhalten,130 das zu einer Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse führt,131 stellt nach § 250 Nr. 2 InsO einen die Bestätigung hindernden Verfahrensverstoß dar. Nach § 251 InsO kann ein durch den Plan wirtschaftlich Benachteiligter die Bestätigung durch einen entsprechenden Antrag verhindern. Die Veränderung einzelner Voraussetzungen für die gerichtliche Bestätigung gegenüber der KO ändert aber nichts am Ergebnis der rechtlichen Einordnung.132 Auch weiterhin ist die Bestätigung des Insolvenzplans daher nach der Vertragstheorie als ein staatlicher Mitwirkungsakt zu qualifizieren.133 Eine andere Auffassung vertritt Stephan Madaus. Er sieht im Bestätigungsbeschluss eine echte Rechtsprechungsentscheidung des Inhalts, dass Zustimmungspflichten der Beteiligten bestehen und dass der Insolvenzplan wirksam zustande gekommen ist.134 Hinsichtlich der angeblichen Feststellung von Zu128  Heimann, Die rechtliche Natur des Zwangsvergleichs, S. 33; 39, Jaeger, Lehrbuch, S. 190; A. Wach, Handbuch, S. 52. 129  Bezeichnenderweise fehlt eine dem § 78 I InsO entsprechende Regelung im Insolvenzplanverfahren. 130  Siehe zu diesem Merkmal Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO § 250 Rn. 15 mit zahlreichen Nachweisen. 131  Dass die Auswirkung auf die Mehrheitsverhältnisse entscheidend ist, ergibt sich aus dem Merkmal der Kausalität für die Annahme (vgl. zu diesem Erfordernis Braun, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 250 Rn. 11; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 250 Rn. 31; Pleister, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO § 250 Rn. 15; Sinz, in: MüKo InsO, § 250 Rn. 59 f.) 132  So auch das Verständnis des Gesetzgebers in BT-Drucks. 12/2443, S. 210 (zu § 295): „Das Erfordernis der gerichtlichen Bestätigung des Plans (Absatz 1) entspricht dem geltenden Recht [...].“ 133  Man kann diese Mitwirkung in Anlehnung an die familienrechtliche BGB-Terminologie auch als „Genehmigung“ bezeichnen (so Gaul, in: FS Huber, 1187, 1215; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67), ohne dass dies in der Sache etwas ändern würde. 134  Madaus, Insolvenzplan, S. 366, 413 ff., 425 f.; ähnliche Ansätze finden sich zum Zwangsvergleich bei Kurlbaum/Kurlbaum, in: Wilmowski, KO (6. Auflage), vor § 173 Anm. 3: „Die gerichtliche Bestätigung des Vergleichs dient dem Zwecke, das Zustandekommen rechtskräftig festzustellen. Sie ist ihrer Natur nach eine Entscheidung über das Zustandekommen des Vergleichs [...].“ Auch Franz Schlote sieht in der Bestätigung des Zwangsvergleichs eine Feststellungsentscheidung enthalten: „Die rechtskräftige Bestätigung ist nicht nur Konsequenz aus dem Mangel eines Verwerfungsgrundes [...]. Sie enthält vielmehr zugleich die rechtskräftige



D.  Gerichtliche Bestätigung als Wirksamkeitsvoraussetzung

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stimmungspflichten mit dem „Charakter eines Leistungsurteils“135 im Bestätigungsbeschluss widerspricht Madaus’ Konstruktion wie schon gesagt136 der Regelung in § 248 I InsO, die für die Bestätigung eine mehrheitliche Annahme voraussetzt,137 sowie § 244 I InsO, nach dem eine Zustimmung sämtlicher Gläubiger nicht erforderlich ist.138 Was den zweiten Teil des Feststellungsinhalts angeht, versucht Madaus auf diese Weise, den allgemein als notwendig erachteten Ausschluss der späteren Geltendmachung von Unwirksamkeitsgründen oder eines Anfechtungsrechts zu begründen, indem er insoweit eine die materielle Rechtskraft schützende Präklusion annimmt.139 Madaus zieht also den Grundsatz der „Präklusion durch Rechtskraft“ heran, der auch als „relative Rechtskraft“ bezeichnet wird.140 Die Deutung der Entscheidung über die Planbestätigung als ein vorgezogenes Erkenntnisverfahren entspricht jedoch nicht der gesetzlichen Konzeption. Der Tenor des Bestätigungsbeschlusses beinhaltet keine Feststellung.141 Das Bestätigungsverfahren hat zudem strukturell mit einem Erkenntnisverfahren im ordentlichen Zivilprozess nichts gemein: Weder gelten der Dispositions- und der Beibringungsgrundsatz142, indem §§ 5 I, 248, 250 InsO eine amtswegige Entscheidung regeln, noch handelt es sich um ein kontradiktorisches Verfahren.143 Entscheidung, daß alles das, was der Richter zu prüfen hatte, zu Recht besteht“ (Schlote, Wirkungen des Zwangsvergleichs, S. 92). 135  Madaus, Insolvenzplan, S. 414. 136  Oben C III 4. 137  Das schließt allerdings nicht aus, sondern bedingt vielmehr, dass das Gericht im Rahmen der Entscheidung über die Bestätigung prüft, ob die erforderlichen Erklärungen vorliegen: Ist dies nicht der Fall, kommt eine Bestätigung selbstverständlich nicht in Betracht, weil dann schon kein Vertrag vorliegt, der genehmigt werden könnte. Richtigerweise ist in dem Fall mit der h. M. ein Beschluss des Gerichts zu fordern, der dieses Ergebnis förmlich feststellt (vgl. Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 248 Rn. 5; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 248 Rn. 1; Sinz, in: MüKo InsO, § 248 Rn. 26). Sprachlich-logisch ist es in diesem Fall zwar nicht ganz korrekt, davon zu sprechen, dass die Bestätigung „des“ Insolvenzplans versagt wird, denn tatsächlich gibt es ja keinen Insolvenzplan, der vereinbart worden wäre. Doch es ließe sich auch bei Verfahrensmängeln darüber streiten, ob überhaupt ein Plan vorliegt, wobei die Abgrenzung in Einzelfällen große Schwierigkeiten bereiten kann. Praktische Bedeutung hätte eine solche Unterscheidung jedenfalls nicht. Das sprachliche Problem lässt sich umgehen, indem man in der Formulierung eher § 253 I Alt. 2 InsO statt § 252 I Alt. 2 InsO folgt, und nicht von einer Bestätigung „des Plans“, sondern nur allgemein von „der Bestätigung“ spricht, die zweifellos auch dann versagt werden kann, wenn es nichts zu bestätigen gibt. 138  Dazu oben § 3 D II 3 b cc. 139  Madaus, Insolvenzplan, S. 415 f. 140  Zu der Rechtsfigur und den Begriffen siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 155 Rn. 5 ff.; zur Einordnung in das Gesamtsystem der Rechtskraft richterlicher Entscheidungen vgl. Reischl, Rechtskraft, S. 240. 141  Hingegen muss der Tenor eines Feststellungsurteils lauten: „Es wird festgestellt ...“ (Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 90 Rn. 1). 142 Dazu Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §§ 76, 77. 143  Madaus, Insolvenzplan, S. 365 f. will den kontradiktorischen Charakter damit begründen, dass über die „Zustimmungspflichten“ und damit „streitige materielle Ansprüche

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Vor allen Dingen aber geht eine Konstruktion des Bestätigungsbeschlusses als Feststellungsurteil daran vorbei, dass dieser eine unmittelbare Gestaltung der Rechtslage bewirkt: Auch wenn das Insolvenzgericht keine richterliche Gestaltungsmacht der Art besitzt, dass es die im Plan vorgesehenen Regelungen selbst vornehmen könnte, so hängt doch die Wirksamkeit des Vertrags von der richterlichen Mitwirkung ab (vgl. §§ 248 I, 254 I InsO). Das Gericht regelt also zwar nicht selbst die prozessuale und materiellrechtliche Lage nach den Bestimmungen des Insolvenzplans, aber es setzt durch seine Bestätigung die zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung erst in Geltung. Dieses Abhängigkeitsverhältnis steht einer Einordnung des richterlichen Handelns als bloße „Feststellung“ entgegen. Das Insolvenzgericht untersucht nicht nur den status quo des Vertragsschlusses und hält diesen förmlich fest, sondern es leistet einen eigenen hoheitlichen Beitrag zu dem Vertrag und verleiht ihm dadurch die Wirksamkeit. Stephan Madaus kann daher nur darin zugestimmt werden, dass die Regelungen über die Planbestätigung dem Schutz der Beteiligten dienen, indem das Gericht den Vertragsschluss im Hinblick auf die in §§ 248 I, 250, 251 InsO genannten Kriterien überprüft. Dieser Zweck ändert aber nichts an dem Inhalt und der Rechtsnatur des Bestätigungsbeschlusses: dieser ist kein Feststellungsurteil, sondern ein Akt staatlicher Mitwirkung an einem privatrechtlichen Vertrag, den das Gesetz als Wirksamkeitsvoraussetzung für diesen Vertragstypus bestimmt. Dass der Insolvenzplan in solcher Weise von einer gerichtlichen Prüfung abhängt, ist nach der ursprünglichen Idee des Gesetzgebers deshalb erforderlich, weil dem Plan eine besondere Wirksamkeit zukommt.144 Insoweit ist Madaus’ Gedankengang also umzukehren: Der Ausschluss späterer Einwendungen gegen den Insolvenzplan ist nicht Folge der gerichtlichen Feststellungsentscheidung; sondern die gerichtliche Prüfung ist deshalb erforderlich, weil im Nachhinein Mängel des Insolvenzplans nicht mehr geltend gemacht werden können. Der rechtliche Grund für diese „Bestandskraft“ des Insolvenzplans liegt indes nicht in den Rechtskraftwirkungen, sondern in dem Verfahrensgrundsatz der prozessualen Überholung, wie sogleich gezeigt wird.

zwischen den Beteiligten“ entschieden werde – solche Ansprüche sind dem Gesetz aber unbekannt. 144  Hahn, Materialien, S.  355: „Je umfassender aber und dauernder das gewonnene Resultat sein muß, desto mehr sind Garantieen geboten zum Schutz der Gläubiger gegen das Zustandekommen leichtfertiger und schädlicher Akkorde. [...] Soll der Vergleich verbindlich sein gegen alle Gläubiger, auch gegen solche, die ihn nicht angenommen haben, so wird man mit dem von einer gewissen Majorität selbst gerichtlich erfolgten Abschluß des Vergleichs [...] sich nicht begnügen dürfen. Wirksamkeit darf der Vergleich erst durch die gerichtliche Prüfung und Bestätigung erlangen.“ (Vgl. zum Ganzen oben § 2 B IV 5 a cc.)



E.  Rechtliche Behandlung von Mängeln beim Vertragsschluss

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E.  Rechtliche Behandlung von Mängeln beim Vertragsschluss Die Anfechtung eines Zwangsvergleichs war in § 196 KO derart geregelt, dass nach der gerichtlichen Bestätigung nur „Betrug“, also Täuschung i. S. d. § 123 BGB einen Anfechtungsgrund darstellte. Im Übrigen sollten sämtliche Mängel nur bis zum Eintritt der Rechtskraft der Bestätigung geltend gemacht werden können; als Gegenschluss aus § 196 KO wurde eine „heilende Wirkung“ des Bestätigungsbeschlusses angenommen.145 Die InsO enthält keine ausdrückliche Regelung mehr zur Anfechtung eines Insolvenzplans. Teilweise wird dem ein gesetzlicher Ausschluss jeder Anfechtungsmöglichkeit entnommen.146 Nach der wohl herrschenden Ansicht ist dagegen eine Anfechtung bis zur rechtskräftigen Bestätigung des Plans möglich.147 Nur Hans Friedhelm Gaul befürwortet eine dem § 196 KO entsprechende Regelung, die er aus § 250 Nr. 2 InsO ableiten will.148 Vorherrschend ist in der Literatur die Aussage, mit der Bestätigung des Insolvenzplans trete eine „Heilung sämtlicher Willens- und Verfahrensmängel“ ein.149 Worin die „heilende Wirkung“ der Planbestätigung rechtlich begründet liegt, bleibt dabei unklar. Ein konkretes Rechtsinstitut benennt hingegen Stephan Madaus mit der „Präklusion durch Rechtskraft“ auf die er den Ausschluss der Geltendmachung von Mängeln nach der rechtskräftigen Bestätigung stützt.150 Horst Eidenmüller und Ludwig Häsemeyer kommen zu demselben Ergebnis durch eine Interessenabwägung,151 verwenden aber ebenfalls den Begriff der „Heilung“.152

I.  Mögliche Fehler Um die Relevanz von Mängeln für die Wirksamkeit des Insolvenzplans fundiert beurteilen zu können, muss zunächst festgestellt werden, welche Fehlerarten auftreten können. Entscheidend ist dafür die Rechtsnatur des Plans.153 145 

Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage), § 184 Anm. 4, § 186 Anm. 2, § 196 Anm. 3. Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 83; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Handbuch, S. 977. 147  So ausdrücklich Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 37; die Mehrzahl der Autoren beschränkt sich darauf, die (rechtskräftige) Bestätigung als Ausschlussgrund für die Geltendmachung von Mängeln zu bestimmen. 148  Gaul, in: FS Huber, S. 1187, 1222. 149  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 248 Rn. 7; Hess, Insolvenzrecht, § 248 Rn. 32; Jaffé, FK InsO, § 248 Rn. 2; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 248 Rn. 3; Pleister, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 248 Rn. 11; Sinz, in: MüKo InsO, § 248 Rn. 34. 150  Madaus, Insolvenzplan, S. 415 f. 151  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 37; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.73 f. 152  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 198; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.84. 153  Leipold, KTS 2006, 109, 126 lehnt – aus der Sicht der Urteilstheorie konsequent – die „Anwendung materiellrechtlicher Regeln über das Zustandekommen von Verträgen, über Willensmängel u.ä. von vornherein“ ab. 146 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Der Insolvenzplan ist ein Vertrag auf dem Gebiet des Prozessrechts. Für die Wirksamkeit der Erklärungen, die den Vertrag zustande bringen sollen, ist daher das Vorliegen der Prozesshandlungsvoraussetzungen erforderlich.154 Neben dem Fehlen der Prozesshandlungsvoraussetzungen kommen aufgrund der Vertragsnatur und möglicher materiellrechtlicher Inhalte des Plans als Unwirksamkeitsgründe der Erklärungen bzw. des Vertrags die §§ 116–118 BGB, § 142 I BGB oder §§ 134,138 BGB in Betracht,155 wobei aufgrund der Empfangszuständigkeit des Insolvenzgerichts für §§ 116 f. BGB kein Raum bleiben wird. Ein anderer Fehlertypus liegt vor, wenn erforderliche Erklärungen ganz fehlen. Dies können Erklärungen sein, die nach §§ 226 II, 230 InsO (analog) abzugeben wären. Ebenso fehlt es aber an der notwendigen Zustimmung zum Plan vonseiten der Gläubigergesamtheit, wenn die zustimmenden Gläubiger die nötige Rechtsmacht nicht besitzen; dazu kommt es, wenn in der Abstimmung die nach § 244 I InsO erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht werden, sodass die Zustimmenden ohne die Rechtsgrundlage eines wirksamen Beschlusses handeln.

II.  Rechtliche Behandlung Die rechtliche Behandlung von Mängeln richtet sich bis zur Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses nach §§ 248, 249–253 InsO. Bis zum Erlass des Bestätigungsbeschlusses können daher Mängel uneingeschränkt geltend gemacht werden, das Insolvenzgericht hat sie nach § 250 Nr. 1 InsO von Amts wegen zu berücksichtigen.156 Nach der Verkündung des Bestätigungsbeschlusses (§ 252 I 1 InsO) ändert sich die Rechtslage: Indem § 253 InsO die Voraussetzungen für eine sofortige Beschwerde festlegt, spricht er gleichzeitig die Unbeachtlichkeit sonstiger 154 Auch soweit einzelne Erklärungen von Gläubigern oder Dritten nach §§ 226 II, 230 InsO (analog) rein materiellrechtlichen Inhalt haben, müssen die Prozesshandlungsvoraussetzungen der §§ 50 ff. ZPO vorliegen, weil insoweit die Aufgaben des Insolvenzgerichts beim Empfang der Erklärungen und der Bestätigung des Plans (siehe oben C I, D) die Einhaltung bestimmter Verfahrensregeln erfordern. Auch wenn es sich bei solchen „Mitwirkungsakten“ beim Vertragsschluss inhaltlich um typische Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, gelten aber nicht die Regeln des FamFG, sondern nach § 4 InsO die der ZPO, denn die „verfahrensrechtliche Typenmischung“ des Insolvenzverfahrens ändert nichts an der Geltung einheitlicher Verfahrensregeln (siehe dazu Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 2 Rn. 16 f. und schon oben § 4 D II). 155  Dazu schon oben § 4 D II 3. 156  Bei der Anfechtung fallen die Anfechtung der internen Stimme und der nach außen gerichteten Erklärung ebenso zusammen, wie bei deren Abgabe. Sie ist dem Gericht gegenüber zu erklären. Relevant wird die Anfechtung nur, wenn sich dadurch die Mehrheitsverhältnisse ändern. Vgl. hierzu schon oben § 4 D II 3 b.



E.  Rechtliche Behandlung von Mängeln beim Vertragsschluss

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Mängel aus. Im Ergebnis können daher Einwendungen gegen den Vertragsschluss im Insolvenzverfahren nicht mehr geltend gemacht werden.157 Der in der Literatur allgemein befürwortete Grundsatz über die Wirkungen der Planbestätigung erweist sich damit im Kern als richtig. Fraglich ist aber die rechtliche Konstruktion.

1.  Kritik an den bisher vertretenen Theorien Überwiegend werden die Rechtsfolgen der Planbestätigung mit einer „Heilung“ möglicher Mängel der Erklärungen oder des Verfahrens beschrieben. Der Begriff „Heilung“ weist jedoch allgemein „eine gewisse Konturenlosigkeit“158 auf, ein einheitliches rechtstechnisches Institut wird damit nicht beschrieben.159 In der Formulierung nähert sich die Konstruktion den mittlerweile überwundenen „materiellrechtlichen Rechtskrafttheorien“160 an, indem sie suggeriert, das Gericht schaffe durch den Bestätigungsbeschluss „nötigenfalls“ die erforderliche Rechtslage selbst; dadurch verschwimmen gleichzeitig die Grenzen zur Urteilstheorie.161 Am Ansatz von Stephan Madaus wurde bereits oben kritisiert, dass er die staatliche Mitwirkung am Vertragsschluss unberücksichtigt lässt, indem der Bestätigungsbeschluss in eine Feststellungsentscheidung ohne entsprechenden Tenor umgedeutet wird. Nach dem Verständnis des Gesetzgebers ist der Ausschluss von Einwendungen auch nicht die Folge der gerichtlichen Bestätigung, sondern umgekehrt soll die staatliche Mitwirkung als Ausgleich für die weitreichenden Folgen des Vertrags dienen. Das Modell, die Bestandskraft des Plans mit einer Interessenabwägung zu belegen, liefert eine taugliche Rechtfertigung für die gesetzliche Regelung, aber keine dogmatische Einordnung, die über die Annahme einer singulären Gesetzesregelung für den Insolvenzplan hinausginge. Tatsächlich lässt sich die besondere Wirksamkeit des Insolvenzplans aber mit allgemeinen Verfahrensund Vertragsgrundsätzen erklären.

157  Obwohl § 253 II Nr. 3 InsO nur von der Zulässigkeit der Beschwerde spricht, folgt aus dieser Vorschrift, dass im Beschwerdeverfahren nur eine wesentliche wirtschaftliche Schlechterstellung des Schuldners oder der Gläubiger geprüft wird (Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 253 Rn. 14, Sinz, in: MüKo InsO, § 253 Rn. 55). 158  Mock, Heilung, S. 39. 159 Vgl. Mock, Heilung, S. 294 f. für das allgemeine Zivilrecht und S. 696 für das Zivilprozessrecht. 160  Siehe dazu Reischl, Rechtskraft, S. 170 ff. 161  Zu einer solchen Annäherung an die Urteilstheorie neigte auch die Rechtsprechung zum Zwangsvergleich trotz ihres grundsätzlichen Bekenntnisses zur Vertragstheorie, vgl. oben § 2 B IV 5 d ee.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

2.  Lösung anhand der allgemeinen Verfahrens- und Vertragsgrundsätze Der Ausschluss von Einwendungen gegen den Insolvenzplan ergibt sich im Ausgangspunkt aus dem verfahrensrechtlichen Grundsatz der prozessualen Überholung. Durch Vereinbarung wird die damit erzielte „Bestandskraft“ des Plans auf einzelne Regelungen, die diesem Verfahrensprinzip grundsätzlich nicht unterfallen würden, in aller Regel ausgedehnt. Diese unterschiedlichen Rechtsgrundlagen führen zu einer differenzierten Behandlung der Regelungen im Insolvenzplan.

a)  Grundsatz der prozessualen Überholung als Ausgangspunkt Nach dem Grundsatz der prozessualen Überholung162 bleibt für die Geltendmachung der Unwirksamkeit eines Prozessvertrags kein Raum mehr, wenn das Verfahren weitergelaufen und eine „unverrückbare prozessuale Lage“ eingetreten ist.163 Anders als der Prozessvergleich im Erkenntnisverfahren kann der Insolvenzplan das laufende Verfahren nicht beenden.164 Vielmehr wird er zur Grundlage des weiteren Verfahrens, was einen Raum für die prozessuale Überholung stets eröffnet. Es ist folglich zu prüfen, wann und inwieweit nach der Vereinbarung eines Insolvenzplans eine „unverrückbare prozessuale Lage“ eingetreten ist. Das Merkmal der „Unverrückbarkeit“ erfordert eine wertende Betrachtung. Denn angesichts des gesetzlichen Instrumentariums, zu dem unter anderem Rückwirkungen und Fiktionen zählen, gilt im Recht zunächst der Grundsatz: „Nichts ist unmöglich.“ Eine prozessuale Lage kann also nur dann als „unverrückbar“ angesehen werden, wenn die mit einer Rückabwicklung verbundenen Probleme nach Abwägung aller Umstände als unerträglich empfunden werden. Hinsichtlich des Insolvenzplans kann insoweit auf die Interessenabwägung verwiesen werden, die Eidenmüller und Häsemeyer inhaltlich zutreffend anstellen: Nach der Bestätigung165 des Insolvenzplans wird dieser zur Grundlage 162  Zu diesem allgemeinen Prinzip des Verfahrensrechts siehe Goldschmidt, Prozeß als Rechtslage, S. 520 f.; Stephan, NJW 1966, 2394, 2395; Peters, JR 1973, 337, 342 f. und zu seiner Bedeutung im Insolvenzverfahren Zipperer, NZI 2006, 688, 688 ff. 163  Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 66 Rn. 16; Schiedermair, Vereinbarungen im Zivilprozeß, S. 150 f.; Wagner, Prozeßverträge, S. 296 ff. (in der Darstellung begrenzt auf Anfechtung, aber inhaltlich verallgemeinerungsfähig); Leipold, in: Stein/Jonas, ZPO, vor § 128 Rn. 311 – siehe schon schon oben § 4 D II 3 c. 164  Zur Beseitigung der Rechtshängigkeit einer Klage durch Prozessvergleich siehe Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, § 130 Rn. 16 f.; Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO § 794 Rn. 31 f. 165  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 37 und Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.73 stellen auf den „rechtskräftigen“ Bestätigungsbeschluss ab; angesichts der gesetzlichen Wertung in § 253 II Nr. 3 InsO muss für Erklärungs- und Verfahrensmängel aber bereits die Verkündung des Bestätigungsbeschlusses als maßgeblicher Zeitpunkt angesehen werden; eine



E.  Rechtliche Behandlung von Mängeln beim Vertragsschluss

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des weiteren Insolvenzverfahrens.166 Das Interesse der am Plan Beteiligten Personen an dessen Bestandskraft steht dann einer nachträglichen Geltendmachung von Mängeln entgegen.167 Auf Grundlage der rechtstechnischen Verankerung dieses Ergebnisses im Prinzip der prozessualen Überholung ist präzisierend hinzuzufügen, dass das „Interesse an der Bestandskraft“ des Plans nicht etwa deshalb überwiegt, weil der Planinhalt für die Beteiligten besonders günstig wäre, sondern wegen des schützenswerten Vertrauens der Beteiligten auf die Geltung des Plans und zur Vermeidung einer Verfahrensverschleppung. Klärungsbedürftig ist die Reichweite dieser Bestandskraft. Diese bemisst sich danach, welche Regelungen durch den Verfahrensfortgang überholt werden.

b)  Anwendung auf Planregelungen mit unmittelbarem Bezug zum Befriedigungsrecht Das gemeinschaftliche Befriedigungsrecht der Gläubiger bildet das zentrale Element des Insolvenzverfahrens. Regelungen des Insolvenzplans, die sich unmittelbar auf dieses Recht beziehen, sind daher grundlegend für das Verfahren und werden durch dessen Fortgang zwingend prozessual überholt; denn ein Verfahrenslauf ohne Rücksicht auf das Befriedigungsrecht ist nicht möglich. Unangreifbar sind mithin Verwertungsentscheidungen und Bestimmungen zur Erlösverteilung sowie die damit untrennbar verknüpften Regelungen über die Durchsetzbarkeit der Gläubigeransprüche nach Verfahrensbeendigung. Weiterhin besteht eine solche Verbindung, wenn für einen Gläubiger eine andere Art der Befriedigung als in Geld vorgesehen ist, etwa die Übernahme einzelner Vermögensgegenstände aus der Masse oder die Beteiligung am Schuldner-Verband unter Beseitigung der Forderung gegen den Verband als Einlage168; denn darin liegt nichts anderes als eine besondere Form der Verwertung und Verteilung. Selbst wenn sie neben dem prozessualen auch einen materiellrechtlichen Gehalt haben, werden diese Regelungen daher im Ganzen von der prozessualen Wirkung des Plans liegt zu diesem Zeitpunkt bereits vor in Form der vertraglichen Bindung der beteiligten Personen. Die Vereinbarung wird somit bereits dann überholt, wenn im Beschwerdeverfahren nur noch die „wesentliche Schlechterstellung“ geprüft wird: Der gültig geschlossene Vertrag wird zur Grundlage des Beschwerdeverfahrens, in dem Mängel des Vertragsschlusses schon nicht zu einer Aufhebung der Bestätigung führen können. 166  Auch wenn der Plan – mangels von § 258 I InsO abweichender Regelung – die Aufhebung des Insolvenzverfahrens vorsieht, erfolgen weitere Verfahrensakte auf Grundlage des Plans (vgl. § 258 II InsO und Huber, in: MüKo InsO, § 258 Rn. 6, 10 ff.), zu denen schließlich auch die gerichtliche Verfahrensaufhebung zählt. 167  So richtigerweise Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 37 und Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.73. 168  Sog. Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (engl. „debt-equity-swap“); zur Diskussion über die rechtliche Umsetzung des Vorgangs siehe: Ekkenga, DB 2012, 331, 333 f.; Altmeppen, in: FS Hommelhoff, S. 1, 8 ff.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Überholung erfasst. Insoweit schlägt sich die Doppelnatur des Insolvenzplans nieder.169 Insgesamt können somit gegen Erklärungen der Gläubiger im Rahmen der Abstimmung und über eine individuelle Befriedigung nach §§ 226 II, 230 I 2, II InsO (analog) nach der Planbestätigung keine Einwendungen vorgebracht werden; ebensowenig sind Mängel der Zustimmung des Schuldners beachtlich.170

c)  Nur vertragliche Begrenzung bei sonstigen Regelungen Flankierend zu den Regelungen über die Verwirklichung des Befriedigungsrechts kann ein Insolvenzplan weitere Bestimmungen enthalten, die zwar im Zusammenhang mit dem Verfahren stehen, aber nicht unmittelbar die Befriedigung der Gläubiger aus der Insolvenzmasse oder durch eine Beteiligung am Schuldner-Verband betreffen. Dazu zählen insbesondere Leistungszusagen an den Schuldner oder die Gläubiger von Dritten (§ 230 III) oder einzelnen Gläubigern (§ 230 II analog). Solche Vertragsteile können durch den weiteren Verfahrensgang nicht überholt werden.171 Gerade diese Erklärungen haben aber typischerweise maßgeblichen Einfluss auf die Abstimmung der Gläubiger über einen Insolvenzplan. Somit besteht ein erhöhtes Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Die spätere Geltendmachung von Mängeln muss grundsätzlich ausgeschlossen sein, um den anderen, unanfechtbaren Planregelungen nicht nachträglich die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen. Vorbehaltlich einer ausdrücklichen anderen Vereinbarung ist daher von einem konkludenten Verzicht auf die Irrtumsanfechtung172 ab dem Zeit169  Es handelt sich um eine Parallele Wertung zum Prozessvergleich i. S. d. § 794 I Nr. 1 ZPO. Da bei diesem eine prozessuale Überholung aber unmöglich ist, wirkt sich die Doppelnatur nur in der Beachtlichkeit von Mängeln aus (vgl. schon oben B III). Eine ebenso einheitliche Bewertung muss aber auch für die Unbeachtlichkeit von Mängeln gelten. 170  Von der prozessualen Überholung, die eine Geltendmachung von Mängeln des Vertragsschlusses ausschließt, sind vertragliche Regelungen im Plan zu unterscheiden, die aufgrund späterer Ereignisse Rechtsfolgen eintreten lassen. Ihnen steht die prozessuale Überholung nicht entgegen, denn diese verhindert nur eine nachträgliche Rückabwicklung der prozessualen Vorgänge. Soweit solche vertraglichen Sonderregeln greifen, besteht auch keine untrennbare Verbindung zwischen den Regelungen für das Insolvenzverfahren und den entsprechenden Regeln über die Durchsetzbarkeit der Forderungen. Daher steht die Möglichkeit einer Wiederauflebensklausel i. S. d. § 255 InsO der hier entwickelten Konstruktion nicht entgegen. 171  Die Doppelnatur eines materiell-prozessualen Vertrages steht einer Betrachtung der einzelnen Regelungen hinsichtlich ihrer individuellen Fehlerhaftigkeit nicht entgegen, es stellt sich dann die Frage, ob es zur Teil- oder Gesamtunwirksamkeit kommt (vgl. Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 71, 76). Entsprechendes muss für den Ausschluss der Geltendmachung von Mängeln gelten. Während Regelungen nach §§ 223–225a InsO unmittelbar das Vollstreckungsverfahren und das materielle Recht betreffen, und aufgrunddessen insgesamt der prozessualen Überholung unterliegen, trifft dies bei rein materiellen Regelungen nicht zu. 172  Ein konkludenter Verzicht auf die Irrtumsanfechtung ist auch im Vorhinein möglich:



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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punkt der Planbestätigung auszugehen. – Ebenso müssen die Rechte aus § 313 BGB173 vertraglich ausgeschlossen werden, da die Möglichkeit von deren Geltendmachung zu ähnlichen Unsicherheiten führen würde, wie die von Mängeln des Vertragsschlusses. Ein Mangel ist demnach nur beachtlich, soweit auf seine Geltendmachung nicht vertraglich verzichtet wurde. Das ist immer der Fall, wenn der Dritte oder der Gläubiger überhaupt keine wirksame Erklärung abgegeben hat, wenn ein Anfechtungsgrund nach § 123 BGB vorliegt, oder wenn die Vereinbarung gesetzes- oder sittenwidrig (§§ 134, 138 BGB) ist.174 Den Rest des Plans lässt ein solcher Fehler unberührt, da für den Plan im Ganzen aus den genannten prozessrechtlichen Gründen ein nachträglicher Wegfall nicht in Betracht kommt. Für die Gläubiger wird in den entsprechenden Fällen regelmäßig ein Schadensersatzanspruch gegen den entstehen, der die Fehlerhaftigkeit der Planregelung verursacht hat.

F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln Im Vorangegangenen wurden an unterschiedlichen Stellen bereits einzelne Ergebnisse zu möglichen Planinhalten gewonnen. Die folgende Darstellung fasst diese Erkenntnisse systematisch zusammen und vervollständigt sie zu einem Überblick über die möglichen Regelungsgegenstände eines Insolvenzplans. Dabei ist auch auf besondere Wirksamkeitserfordernisse einzugehen, die nur bei bestimmten Planregelungen relevant werden. Näher betrachtet wird die Zulässigkeit sog. Nachzüglerklauseln, da in diesem Zusammenhang grundsätzliche Fragen zur Reichweite möglicher PlanArmbrüster, in: MüKo BGB, § 119 Rn. 140; richtigerweise ist § 120 BGB als davon umfasst anzusehen, da es sich um den Fall handelt, dass den Empfänger ein anderes Erklärungszeichen erreicht, als es der Absender wollte (dazu Medicus, BGB AT, Rn. 747). 173 Vgl. Finkenauer, in: MüKo BGB, § 313 Rn. 51: Ein Ausschluss der Vertragsanpassung ist möglich, über die Wirksamkeit und Reichweite eines solchen Ausschlusses entscheidet die Auslegung. Beim Insolvenzplan wird die Auslegung regelmäßig ergeben, dass ein Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht in Betracht kommt. 174  Demgegenüber will Madaus, Insolvenzplan, S. 417 ff. in diesen Fällen die Geltendmachung sämtlicher Mängel ermöglichen; die entsprechenden Erklärungen seien eben „genau zu prüfen“. Widersprüchlich ist insoweit, dass Madaus sein Ergebnis mit den subjektiven Grenzen der Rechtskraft begründet, bei den „Plangaranten“ aber nicht zwischen Gläubigern und Dritten unterscheidet. Demgegenüber schließt Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.83 die Geltendmachung von Mängeln durch Dritte allgemein aus. Gaul, in: FS Huber, S. 1187, 1223 f. leitet aus § 250 Nr. 2 InsO ein dem früheren § 196 KO entsprechendes Ergebnis ab, also die Möglichkeit zur Anfechtung nach § 123 BGB, wenn diese dem Garanten vorher nicht möglich war. Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 201 nimmt nur dann eine „Heilung“ der Mängel durch die Planbestätigung an, wenn der Plangarant die „Planregelung zurechenbar veranlasst hat“. – Insgesamt zeigt die Diskussion die Konsequenzen aus dem Fehlen einer klaren dogmatischen Grundlage, die nur Stephan Madaus überhaupt ernsthaft untersucht.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

regelungen aufgeworfen werden, die anhand der gewonnenen Erkenntnisse zu beantworten sind.

I. Allgemeines Die oft zur Beschreibung möglicher Planinhalte verwendeten Begriffe „Sanierungs-“ und „Liquidationsplan“ beruhen auf einer ökonomischen Betrachtungsweise; sie bilden keine rechtlichen Kategorien, sondern beschreiben typische Regelungsbündel aus Sicht eines Unternehmens, dessen Träger der Insolvenzschuldner ist. Diese Bezeichnungen sind für eine funktionale Beschreibung des Insolvenzplans tauglich, in einer rein rechtstechnischen Betrachtung aber uninteressant. Eine Unterscheidung von „zwangsweise“ und „nicht zwangsweise Planunterworfenen“175 verfehlt hingegen sprachlich und somit im Denkansatz die Vertragsnatur des Plans, da ein Vertrag auf dem Konsens der Vertragspartner beruht und nicht auf „Unterwerfung“. Eine rechtlich klare Darstellung der Möglichkeiten zur Plangestaltung ist anhand der Rechtsfolgen zu gliedern, die ein Insolvenzplan hervorbringen kann. Grundsätzlich zu unterscheiden sind dabei prozessuale und materiellrechtliche Regelungen. Anschließend sind die Wirksamkeitsvoraussetzungen entsprechender Regelungen zu benennen.

1.  Prozessuale Regelungen Als mögliche Regelungsgegenstände eines Insolvenzplans nennt § 217 InsO die „Befriedigung“ der Gläubiger, die „Verwertung“ und „Verteilung“ der Masse, sowie die „Verfahrensabwicklung“; weiterhin die „Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens“ und Regelungen über die „Anteils- oder Mitgliedschaftsrechte der am Schuldner beteiligten Personen“.176 Davon gehören die ersten vier Begriffe eindeutig dem Gebiet des Prozessrechts an, wobei die „Befriedigung“ und die „Verfahrensabwicklung“ gegenüber der Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse im Regelverfahren keinen eigenständigen Gehalt besitzen: Die Befriedigung der Gläubiger ist das Ziel des Insolvenzverfahrens, das im Regelverfahren durch Verwertung und Verteilung der Masse erreicht werden soll (§ 1 S. 1 InsO). Damit stellt die Durchführung der Verwertung und Verteilung zugleich die „Verfahrensabwicklung“ dar. Mögliche Planregelungen auf prozessualem Gebiet betreffen also zunächst die Verwertung und die Verteilung der Insolvenzmasse. 175 So

Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 94 ff. ebenfalls genannte „Haftung des Schuldners“ hat hingegen einen materiellrechtlichen Gehalt und ist damit erst im nächsten Punkt zu erörtern, ebenso wie die Regelung des § 217 S. 2 InsO. 176  Die



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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Darüber hinaus stellen Regelungen über die „Haftung des Schuldners nach Verfahrensbeendigung“ solche auf dem Gebiet des Prozessrechts dar; sie bilden eine einheitliche Kategorie mit den nach §§ 223–225 InsO möglichen Bestimmungen, die ebenfalls einen prozessualen Gehalt aufweisen.177 Weitere prozessuale Regelungsgegenstände des Plans ergeben sich aus §§ 66 I 2, 257 I, 258 I, 259 III, 260, 263 InsO.

a) Verwertung Die Verwertung der Insolvenzmasse wird in der InsO im Vierten Teil (§§ 148– 173 InsO) geregelt. Aufgrund der zentralen Bedeutung des Berichtstermins für die Information der Gläubiger und deren Möglichkeit zu grundlegenden Entscheidungen (§§ 156, 157 InsO) kann durch einen Insolvenzplan von den Vorschriften über den Berichtstermin nicht abgewichen werden.178 Damit sind im Ergebnis nicht nur §§ 156–158 InsO indisponibel, sondern wegen § 154 InsO auch die §§ 148–155 InsO. Lediglich Entscheidungen i. S. d. § 157 S. 3 InsO kann ein Plan beinhalten bzw. ersetzen.179 Die Verwertungsregeln in §§ 159– 173 InsO werden hingegen allgemein als nicht zwingend angesehen.180 Damit ist aber nicht gemeint, dass die entsprechenden Befugnisse des Verwalters und die Rechte der Gläubiger und des Schuldners in einem ansonsten „regulären“ Verfahrensablauf ausgeschlossen werden könnten, sondern nur die Verwertung bestimmter Massegegenstände kann von den gesetzlichen Vorgaben abweichend geregelt werden.181 Ermöglicht wird dadurch die Vornahme von Geschäften, die von dem allgemeinen Verwertungsauftrag des Verwalters in § 159 InsO umfasst sind,182 durch eine Vereinbarung im Insolvenzplan oder die Übertragung dieser Aufgabe 177 

Siehe dazu § 4 B III 2 a, b. Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 116; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 45; Thies, in: HambK InsO, vor § 217 Rn. 4. 179 Vgl. Thies, in: HambK InsO, § 217 Rn. 10. 180  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 116; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 45; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 10; Thies, in: HambK InsO, vor § 217 Rn. 4, 10. 181 Vgl. dazu die Argumentation von Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 117: Ein Plan, der nicht zumindest teilweise von §§ 159–164 abweicht, sei „kaum [...] vorstellbar“. – Demgegenüber würde eine Regelung, die dem Insolvenzverwalter nach Art einer Generaleinwilligung bei der Verwertung völlig freie Hand ließe, die verfahrensrechtlichen Garantien der §§ 160–163 InsO in unzulässiger Weise ausschalten. Siehe dazu die parallele und treffende Argumentation von Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO § 160 Rn. 7 gegen eine generelle Zustimmung der Gläubigerversammlung oder des Gläubigerausschusses im Regelverfahren (mit Nachweisen zur Gegenansicht). Richtigerweise sind nur Regelungen als zulässig anzusehen, die konkrete Geschäfte oder zumindest bestimmte Typen von Geschäften betreffen. 182  Hinsichtlich der Massegegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, ist der Verwalter generell zur Verwertung befugt (vgl. oben § 4 C II 2, 3 b). Eine Ausnahme ergibt sich aber aus §§ 166, 173 I InsO; soweit ein Gläubiger danach zur Verwertung allein berechtigt 178 

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an einen Treuhänder.183 Prozessual liegt darin ein teilweiser Ausschluss des Regelverfahrens, nämlich der Verzicht auf die verfahrensmäßige Verwertung. Alternativ kann an der Verwertung durch den Verwalter festgehalten und eine nach §§ 160, 162 f. InsO erforderliche Zustimmung in den Plan aufgenommen werden. Dadurch wird im Hinblick auf die Gläubiger entweder von einer Regel-Zuständigkeit des Gläubigerausschusses nach § 160 I 1 InsO oder von dem regulären Beschlussverfahren der Gläubigergemeinschaft nach §§ 76 II, 77 InsO abgewichen.184 Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der Insolvenzplan nicht als ein Mittel zur Umgehung der Zustimmungserfordernisse nach §§ 160 I 1, 2, 162 I, 163 I InsO und § 76 II Hs. 1 InsO eingesetzt werden darf. Die Rechtsform des Insolvenzplans würde missbraucht, wenn ein Plan lediglich eine nach diesen Vorschriften nicht zu erlangende Zustimmung ersetzen sollte.185 Zulässig sind entsprechende Planregelungen daher nur als Teil eines größeren Konzepts, das über eine einzelne zustimmungsbedürftige Maßnahme oder Maßnahmenart hinausgeht; eine Bündelung von inhaltlich zusammengehörigen Verwertungsentscheidungen ist insoweit aber bereits als ausreichend anzusehen.186 Für entsprechende Planregelungen folgt dann aus der Vertragsnatur des Insolvenzplans eine gegenüber der Zustimmung im Regelverfahren erhöhte Wirksamkeit: Erstens kommt bei diesen Regelungen, die einem Vertrag der Gläubiger mit dem Schuldner und möglicherweise weiteren Personen entspringen, eine „einseitige“ Rücknahme durch die Gläubiger nicht in Betracht.187 Zweitens ist der Insolvenzverwalter zur Durchführung einer im Plan vorgesehenen Maßnahme verpflichtet.188 ist, kann durch den Plan der „insolvenzrechtliche Zugriff“ nicht ohne eine ausdrückliche Zustimmung des Berechtigten (§ 230 II InsO analog) ausgedehnt werden. 183  Zu der zweiten Möglichkeit Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 117. 184  Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 45; Görg/Janssen, in: MüKo InsO, § 160 Rn. 35; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 160 Rn. 5. 185  Ein Missbrauchspotential ist trotz der insoweit bestehenden Stimmberechtigung der auch im Regelverfahren stimmberechtigten Gläubiger (zur Begründung für dieses Stimmrecht siehe oben C III 1 b, c) aufgrund des veränderten Stimmgewichts gegeben (vgl. oben C III 2). 186  Nicht zuzustimmen ist daher der Überlegung von Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 15, wenn er ausführt, dass verfahrensleitende Pläne „einzelne Bereiche innerhalb der Regelabwicklung [betreffen], für die eine Entscheidung der Gläubigerversammlung mit der in § 76 genannten Stimmenmehrheit nicht möglich ist, weil es an der allseitigen Bindung fehlt (§ 254 Abs. 1), oder nicht zweckmäßig ist, weil eine Abstimmung in Gruppen mit Obstruktionsverbot zu sinnvolleren Ergebnissen führt.“ – Was „zweckmäßig“ und „sinnvoll“ ist, hat die Gläubigergemeinschaft im Rahmen des für die jeweilige Entscheidung gesetzlich festgelegten Verfahrens selbst zu beurteilen. Das Insolvenzplanverfahren dient nicht der Umgehung der gesetzlichen Vorschriften für Entscheidungen der Gläubiger im Regelverfahren. 187  Beschlüsse der Gläubigerversammlung i. S. d. §§ 160 I 2, 162 I, 163 I InsO können hingegen durch einen späteren Beschluss zurückgenommen werden, siehe § 4 D II 3 b. 188  Das ist bei den Beschlüssen nach §§ 160 I 2, 162 I, 163 I InsO nicht der Fall (siehe schon § 4 D II 3 a bb); der Grund für diese fehlende Verpflichtung liegt aber allein darin, dass der Schuldner der Maßnahme nicht zugestimmt hat, dessen Interessen der Verwalter zu berücksichtigen hat (Görg/Janssen, in: MüKo InsO, § 160 Rn. 28), und greift daher bei einem



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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Im Hinblick auf Gegenstände, an denen ein Absonderungsrecht besteht, kann dem Verwalter eine bestimmte Art der Verwertung aufgegeben werden, was inhaltlich eine entsprechende Verwertungsvereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem absonderungsberechtigten Gläubiger ersetzt.189 Zusammenfassend ist festzustellen: Im Insolvenzplan kann auf eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter nach §§ 159 ff. InsO verzichtet werden oder es können dem Verwalter verbindliche Vorgaben für die Verwertung gemacht werden.

b) Verteilung Die Verteilung der Insolvenzmasse an die Insolvenzgläubiger behandelt der Zweite Abschnitt des Fünften Teils der InsO (§§ 187–206 InsO). Für die absonderungsberechtigten Gläubiger regelt zudem § 170 I InsO ausdrücklich die „Verteilung“ eines zur Masse gehörenden Erlöses; sinngemäß gehören zur Verteilung im Hinblick auf Absonderungsberechtigte auch die Kostenbeitragsregeln in §§ 170 II, 171 InsO und § 10 I Nr. 1a Hs. 2 ZVG. Im Insolvenzplan kann von diesen Vorschriften abgewichen werden. Für die Verteilung an die absonderungsberechtigten Gläubiger bedeutet dies, dass eine andere Erlösverteilung vereinbart werden kann, so wie es auch in einer „Verwertungsvereinbarung“ mit dem Insolvenzverwalter möglich ist.190 Eine Verteilung an die Insolvenzgläubiger kann anders als in §§ 187 ff. InsO vorgesehen erfolgen, wobei die Rechtsbehelfe der §§ 194, 197 III, 204 InsO jedoch nicht ausgeschlossen werden können, sofern die entsprechenden rechtlichen Anknüpfungspunkte nicht aufgrund des Plans wegfallen.191 Insoweit ist zu beachten, dass eine Nachtragsverteilung gem. §§ 203–205 InsO nur in Betracht kommt, wenn der Plan eine Verfahrensaufhebung nach § 258 I InsO ausschließt, weil es andernfalls gemäß § 259 I S. 2 InsO keine Insolvenzmasse mehr gibt.192 Außerdem ist richtigerweise davon auszugehen, dass auf die AbInsolvenzplan wegen der Zustimmung des Schuldners nicht ein. – Dass der Insolvenzplan Amtspflichten des Verwalters begründen kann, bedarf schon angesichts der gesetzlichen Regelung in § 261 InsO keiner weiteren Begründung. 189  Davon ist es auch umfasst, dass dem Verwalter die Stellung eines Antrags nach § 30d oder § 153b ZVG aufgegeben oder untersagt wird und der betreffende Gläubiger zum Verzicht auf eine Vollstreckung nach dem ZVG verpflichtet wird. (Unklar ist hingegen, was Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 101 meint, wenn er die §§ 30d–30f, 153b f. ZVG für „plandispositiv“ erklärt. Ein Insolvenzplan kann das ZVG-Verfahren wohl nicht ändern.) 190  Zur Abdingbarkeit des § 170 InsO siehe Tetzlaff, in: MüKo InsO, § 170 Rn. 17; Brinkmann, in: Uhlenbruck, InsO, § 170 Rn. 6; für § 10 I Nr. 1a Hs. 2 InsO kann nichts anderes gelten. Für eine entsprechende Regelung im Insolvenzplan siehe Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 101. 191  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 122; Thies, in: HambK InsO, § 217 Rn. 5. 192  Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 12; Thies, in: HambK InsO, § 259 Rn. 7 f. – Entgegen Kühne/Hancke, ZInsO 2012, 812, 812 ff. kann eine gegenständlich begrenzte Fortwir-

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haltung eines Schlusstermins nach § 197 InsO verzichtet werden kann, wenn im Plan gemäß § 66 I 2 InsO eine Schlussrechnung abbedungen und eine Regelung für sämtliche Massegegenstände getroffen wird; in diesem Fall ist der Schlusstermin gegenstandslos (vgl. § 197 I 2 InsO).193 Ebenfalls die Verteilung betreffen Regelungen i. S. d. §§ 223 II, 224, 225 InsO. Auch wenn der Wortlaut dieser Normen materiellrechtlich formuliert ist, bestimmen entsprechende Planteile in erster Linie, inwieweit bei der Verteilung an die Gläubiger von den Normen des Regelverfahrens abgewichen werden soll.194 Möglich ist dabei eine Ausdehnung der Wirkung auf spätere Klage- oder Vollstreckungsverfahren, indem durch „Erlass“, „Kürzung“ oder „Stundung“ die Durchsetzbarkeit dauernd oder zeitweise ausgeschlossen wird.195 Damit sind im Fall der §§ 224, 225 InsO die Grenzen fließend zur Regelung der Nachhaftung nach § 227 I InsO.

c)  Vollstreckung nach § 257 I InsO und Nachhaftung Der Plan als solcher bildet die Grundlage für eine Zwangsvollstreckung nach § 257 InsO. Wie schon zu §§ 223, 224, 225, 227 I InsO festgestellt, ergibt sich die Vollstreckbarkeit von Insolvenzforderungen nach § 257 I InsO daraus, inwieweit die Ansprüche aufrecht erhalten werden.196 Damit wird gegebenenfalls auch die Möglichkeit zu einer anderweitigen gerichtlichen Durchsetzung begrenzt,197 was inhaltlich zugleich eine Bestimmung über die Nachhaftung des Schuldners darstellt. Darüberhinaus ist aber im Rahmen der allgemeinen Grundsätze auch die Zulässigkeit vollstreckungserweiternder Vereinbarungen anzuerkennen.198 Ein Verzicht auf den Pfändungsschutz und damit eine Vollstreckungsmöglichkeit in „insolvenzfreies“199 Vermögen ist danach im Insolkung der Verfügungsbeschränkung des Schuldners nicht im Plan angeordnet werden (dagegen auch Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 12; Thies, in: HambK InsO, § 259 Rn. 7 f.). Über die Aufhebung oder Fortsetzung des Insolvenzverfahrens können Gläubiger und Schuldner grundsätzlich nicht disponieren, sodass ohne eine entsprechende gesetzliche Anordnung auch eine partielle Fortwirkung des Verfahrens im Plan nicht geregelt werden kann. Zu den §§ 259 III, 260, 263 InsO als Beispiele solcher Regelungen siehe oben B I 3, 4. 193  Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 47; für zwingende Abhaltung eines Schlusstermins hingegen Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 122; Thies, in: HambK InsO, § 217 Rn. 5. 194  Richtig daher Breuer, in: MüKo InsO, § 224 Rn. 4, der als Regelungsgehalt des § 224 InsO die Abweichung von §§ 187 ff. InsO bezeichnet. 195  Siehe oben § 4 B III 2. 196  Siehe dazu Huber, in: MüKo InsO, § 257 Rn. 17, 21. 197  Zum Ganzen oben § 4 B III 2. 198 Zutreffend Sinz, in: MüKo InsO, § 47 Rn. 29; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 247 Rn. 6; gegen Zulässigkeit aber Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 131. 199  Ob die gesamt- oder die einzelvollstreckungsrechtliche Terminologie anzuwenden ist, hängt davon ab, in welchem Verfahren ein Zugriff eröffnet werden soll.



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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venzplan als zulässig zu erachten, weil die Beschlagnahme durch die Insolvenzeröffnung bereits erfolgt ist.200 Nach § 217 S. 1 InsO kann der Plan die „Haftung des Schuldners nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens“ regeln. Daran anknüpfend besagt § 227 I InsO, dass der Schuldner insoweit von den Verbindlichkeiten gegenüber den Insolvenzgläubigern „befreit“ wird, als deren Betrag eine im Plan vorgesehene Befriedigung übersteigt.201 Durch eine solche „Befreiung“ wird die Klag- und Vollstreckbarkeit ausgeschlossen.202 Weiterhin kann der Plan auch in Abweichung von § 227 I InsO regeln, dass der Schuldner nur eine Restschuldbefreiung im Verfahren nach §§ 286 ff. InsO erlangen kann, oder bei aufrechterhaltener Nachhaftung ein Restschuldbefreiungsverfahren insgesamt ausschließen.203 Gegebenenfalls können die Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO modifiziert werden.204 Hinsichtlich der Nachhaftung kann im Plan also zum einen die spätere Klag- und Vollstreckbarkeit geregelt und zum anderen bei gegebener Nachhaftung über das Ob und Wie einer Restschuldbefreiung nach §§ 286 ff. InsO disponiert werden. Wenn der Plan einen Ausschluss der Klag- und Vollstreckbarkeit von Ansprüchen gegen den Schuldner vorsieht, könnte dies grundsätzlich auch die Durchsetzbarkeit von Haftungsansprüchen gegen Dritte berühren. Dies schließt jedoch die Sondervorschrift in § 254 II 1 InsO aus.205 Dabei handelt es sich um eine materiellrechtliche Spezialregelung über die Wirkung entsprechender Abreden in einem Insolvenzplan gegenüber Dritten. Nicht erfasst werden davon aber die in §§ 227 II, 334 II InsO genannten Dritten, also persönlich haftende Gesellschafter und die Ehegatten bei Insolvenz der Gütergemeinschaft; gegenüber diesen Personen bleibt es bei der Wirkung der Akzessorietät, sodass sie grundsätzlich von der Haftung befreit werden. Im Plan können die Gläubiger aber nach § 227 II bzw. §§ 334 II, 227 I InsO etwas anderes vorsehen. Wichtig ist insoweit, dass die Gläubigergemeinschaft hier nicht etwa eine dem § 227 I InsO entsprechende Regelung für die Ansprüche der Teilhaber gegen Dritte treffen, sondern nur zugunsten der Gläubiger von der durch §§ 227 II, 334 II InsO im Grundsatz aufrechterhaltenen Akzessorietät abweichen kann.206 200  Zu der Voraussetzung, dass die Beschlagnahme bereits erfolgt sein oder unmittelbar bevorstehen muss, um einen Verzicht auf den Pfändungsschutz wirksam vereinbaren zu können, siehe Gaul, in: Rosenberg, Zwangsvollstreckungsrecht, § 33 Rn. 29. 201  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 130 und Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 227 Rn. 6 bemerken richtig, dass hiervon die in § 225 III InsO genannten Forderungen ausgenommen sein müssen. 202  Siehe § 4 B III 2 a aa. 203  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 130. 204  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 130. 205  Siehe dazu Huber, in: MüKo InsO, § 254 Rn. 25 ff. 206  Zu diesem Ergebnis kommen auch Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 142; Braun/ Frank, in: Braun, InsO, § 227 Rn. 7; Kebekus/Wehler, in: Graf-Schlicker, InsO, § 227 Rn. 2;

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d)  Rechnungslegung, Verfahrensaufhebung, partielle Fortwirkung des Verfahrens Weitere prozessuale Regelungsmöglichkeiten nennt das Gesetz in §§ 66 I 2, 258 I, 259 III, 260, 263 InsO, die bereits oben erörtert wurden.207

e)  Zwingendes Verfahrensrecht Andere Abweichungen vom Regelverfahren als die oben genannten können im Insolvenzplan nicht wirksam getroffen werden, da ihnen zwingendes Verfahrensrecht entgegensteht. Dies ergibt der Umkehrschluss aus § 217 S. 1 InsO.208 Insbesondere sind somit die §§ 174–186 InsO über die Anmeldung und Feststellung der Insolvenzforderungen indisponibel.209 Kein Gegenstand der Verwertung oder der Verteilung der Insolvenzmasse sind außerdem die Regelungen in §§ 1–147 InsO; daher bleiben die Wahlrechte nach §§ 103–128 InsO sowie die Ausübung der Insolvenzanfechtung nach §§ 129–147 InsO dem Verwalter vorbehalten und können durch den Insolvenzplan nicht geregelt werden.210 Da es sich allerdings beim Anfechtungsrecht um ein gemeinschaftliches Recht der Gläubiger handelt,211 ist die Möglichkeit eines Verzichts auf Anfechtungsansprüche im Insolvenzplan anzuerkennen.212 Gleiches gilt aber nicht für die Ansprüche, deren Geltendmachung während der Dauer des Insolvenzverfahrens dem Insolvenzverwalter nach §§ 92 f. InsO hingegen erachten Breuer, in: MüKo InsO, § 227 Rn. 13; Haas, in: HeidelbK InsO, § 227 Rn. 8 einen Gleichlauf von Schuldner- und Gesellschafterhaftung für zwingend. 207  Siehe B I. 208  Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 9; Thies, in: HambK InsO, § 217 Rn. 7; Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 96, 152. 209  Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 9; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 51; Thies, in: HambK InsO, § 217 Rn. 7; BGH NZI 2009, 230, 232 f.; nicht überzeugend daher Heinrich, NZI 2009, 546, 548 f. und Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 13, die eine Regelung über die Berechnung anzumeldender Forderungen für möglich halten. Im Anmeldeverfahren sind die Insolvenzforderungen festzustellen, es ersetzt insoweit ein Erkenntnisverfahren; eine Regelung darüber betrifft also nicht die in § 217 S. 1 InsO genannten Gegenstände. – Ebensowenig kann im Insolvenzplan das Widerspruchsrecht geregelt oder von diesem Gebrauch gemacht werden (dafür aber Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 13): Dagegen spricht neben der Funktion des Anmeldeverfahrens zusätzlich, dass es sich beim Widerspruchsrecht nicht um ein gemeinschaftliches Recht der Gläubiger, sondern ein Individualrecht jedes einzelnen Gläubigers handelt. 210  Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 217 Rn. 51; Thies, in: HambK InsO, § 217 Rn. 7: Hinsichtlich §§ 103–128 InsO ebenso: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 121; Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 9; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 18; sie halten aber eine Disposition über die Anfechtungsansprüche für zulässig (Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 120; Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 4; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 10). 211  Siehe oben § 4 B IV. 212  Möglicherweise zielt auf dieses Ergebnis auch Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 4, wenn er meint, die Anfechtungsansprüche könnten im Plan geregelt werden, aber „nicht zu Lasten des Anspruchsgegners“.



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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vorbehalten ist.213 Rechtsträger dieser Ansprüche sind die einzelnen Gläubiger, nicht sämtliche Gläubiger gemeinschaftlich. Lediglich über die gerichtliche Durchsetzbarkeit der in § 93 InsO genannten Ansprüche gegen persönlich haftende Gesellschafter kann nach § 227 II InsO disponiert werden,214 worin allerdings nur eine Regelung zugunsten der einzelnen Gläubiger liegt, indem die Akzessorietätslockerung nach § 254 II 1 InsO aufrecht erhalten werden kann.215

2.  Materiellrechtliche Regelungen Die Befriedigung der Gläubiger ist das Ziel des Insolvenzverfahrens (§ 1 S. 1 InsO). Die oben genannten prozessualen Regelungen können das wirtschaftliche Ergebnis begünstigen; in manchen Fällen wird jedoch zusätzlich eine Umgestaltung der materiellen Rechtslage erforderlich sein, um das wirtschaftliche Optimum zu erreichen. Das Gesetz nennt in §§ 217 S. 2, 225a II, III InsO ausdrücklich materiellrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts. Nach §§ 224, 225 I, 227 InsO können zukünftige Aufrechnungsbefugnisse ausgeschlossen oder Stundungen vereinbart werden. Weiterhin entfalten Regelungen nach § 223 II InsO, wenn sie die Geltendmachung von Rechten i. S. d. §§ 49–51 InsO dauerhaft ausschließen, auch materiellrechtliche Wirkung.216 Regelungen nach §§ 227 II, 334 II InsO betreffen eine Aufrechterhaltung der Akzessorietät.217 Sonstige materiellrechtliche Regelungen sind nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit als prinzipiell zulässig zu erachten, für die Aufnahme in den Insolvenzplan ist jedoch deren Tauglichkeit zur Förderung des Verfahrensziels der Befriedigung der Gläubiger zu verlangen,218 was sich aus §§ 1 S. 1, 217 S. 1 InsO ableiten lässt.

a)  Gesellschaftsrechtliche Gestaltungen: § 225a III InsO Wie bereits oben festgestellt, ergibt sich die Regelungsbefugnis in § 225a III InsO aus einer besonderen Verfügungsmacht der Gläubigergemeinschaft über die Rechte innerhalb des Verbands, die sich als Verwertungsrecht begründen lässt. Dadurch ermöglichte Eingriffe in die Mitgliedschaftsrechte stellen daher 213 Für eine Dispositionsmöglichkeit über diese Ansprüche hingegen: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 119 (nur zu § 92 InsO); Haas, in: HeidelbK InsO, § 217 Rn. 4; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 10. 214  Insoweit richtig erkannt von Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 134 ff. 215  Siehe oben c. 216  § 4 B III 2 b bb. 217  Siehe oben 1 c. 218  Nur für die Zulässigkeit von Regelungen „im Verhältnis zu nicht zwangsweise Planunterworfenen“ stellt Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 160 auf das Kriterium der optimalen Gläubigerbefriedigung ab.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

keine Parallele zu den sonstigen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Gläubigerforderungen dar, sondern eine bloße Folge dieser besonderen Rechtsmacht. In ihrer Rolle als (letztrangige) Gläubiger genießen die Mitglieder jedoch den aus dem innergemeinschaftlichen Gleichbehandlungsgebot folgenden Minderheitenschutz, sodass bei einer Planwirkung auf die Mitgliedschaftsrechte ein finanzieller Ausgleich i. S. d. § 251 III 1 InsO erforderlich werden kann.219 In der Gesetzesbegründung zum ESUG wird deutlich, dass die Mitglieder nicht etwa im Rahmen der Abstimmung über den Insolvenzplan verbandsinterne Beschlüsse fassen. Das zeigt sich zunächst an dem vom Gesetzgeber genannten Beispiel, dass der Plan die Fortsetzung der Gesellschaft anordnet: In der Gesetzesbegründung heißt es dazu nicht, dass der Fortsetzungsbeschluss gefasst würde, sondern dass es eines solchen Beschlusses nicht mehr bedürfe.220 Noch deutlicher wird die Begründung zu § 254a InsO: „Absatz 2 bestimmt, dass der Plan auch die Gesellschafterbeschlüsse und Erklärungen [...] ersetzt, die für die enthaltenen gesellschaftsrechtlichen Regelungen notwendig sind.“221 Damit wird die in dieser Arbeit entwickelte Konstruktion des Insolvenzplans bestätigt: Der Plan entfaltet seine Wirkung nicht dadurch, dass die einzelnen Beteiligten jeweils im Rahmen ihrer persönlichen Rechtsmacht bestimmte Erklärungen abgeben; sondern im Insolvenzplan können aufgrund gemeinschaftlicher Befugnisse der Gläubiger bestimmte Rechtsgestaltungen vorgenommen werden. Diese schon oben zu den §§ 223 II, 224, 225, 227 InsO getroffene Feststellung222 entspricht der Gesetzesbegründung zu §§ 225a, 254a InsO, die eben besagt: Der Insolvenzplan enthält keine Erklärungen der Verbandsmitglieder, sondern ersetzt diese. Dogmatisch erklären lässt sich eine solche Ersetzung nur durch ein besonderes Recht, über dessen Ausübung die Gläubiger durch Beschluss entscheiden.223

b)  Sonstige materiellrechtliche Regelungen Grundsätzlich kann ein Insolvenzplan materiellrechtliche Regelungen jeder Art enthalten. Zu fordern ist lediglich ein Bezug zu dem Zweck der Befriedigung der Gläubiger (§§ 1 S. 1, 217 S. 1 InsO). 219 

Vgl. BT-Drucks. 17/5712, S. 32. BT-Drucks. 17/5712, S. 32. 221  BT-Drucks. 17/5712, S. 36. 222  § 4 B III 1. 223 Der Unterschied des §  225a InsO gegenüber den sonstigen gemeinschaftlichen Planbefugnissen besteht nur darin, dass sich diese Regelung als besonderes Verwertungsrecht legitimiert und nicht durch die innergemeinschaftlichen Rücksichtnahmepflichten (§ 4 B III 2 c); die unterschiedliche Herleitung ändert aber nichts daran, dass in beiden Fällen nicht die Betroffenen über jeweils eigene Rechte verfügen, sondern dass besondere gemeinschaftliche Eingriffsbefugnisse bestehen. 220 



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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Als Beispiele sind etwa Darlehen an den Schuldner oder die Bestellung von Sicherheiten durch Dritte oder einzelne Gläubiger für die Gläubigeransprüche zu nennen. Außerdem können als Leistung an Erfüllungs statt i. S. d. § 364 I BGB einzelne Massegegenstände einem Gläubiger zur Befriedigung übertragen werden. Aber auch die Begründung oder Umgestaltung von Schuldverhältnissen zwischen dem Schuldner und Dritten oder einzelnen Gläubigern kann der Plan enthalten, vor allem wenn eine Unternehmensfortführung vorgesehen ist und dadurch die Bereitstellung von Produktionsmitteln oder die Abnahme von Produkten sichergestellt wird. Zu denken ist etwa an Dauerschuldverhältnisse über die Nutzung von Gegenständen oder die Erbringung von Dienst- oder Sachleistungen, aber auch an einmalige Austauschverhältnisse zum Beispiel im Rahmen eines Kauf- oder Werkvertrags. Sofern sich hierbei Dritte beteiligen, steht dem die Einordnung des Insolvenzplans als Prozessvertrag nicht entgegen. Denn auch beim prominentesten Vertreter dieser Vertragsart, dem Prozessvergleich i. S. d. § 794 I Nr. 1 ZPO, ist die Möglichkeit einer Beteiligung Dritter allgemein anerkannt.224

c)  Zur Person des Verfügenden bei Verfügungen über Massegegenstände Wenn Vereinbarungen im obigen Sinn Verfügungen über Massegegenstände enthalten, indem etwa eine Leistung an Erfüllungs statt durch Übereignung an einen Gläubiger erfolgt, oder Dritte einen Gegenstand im Rahmen eines Austauschverhältnisses erwerben sollen, stellt sich die Frage nach der Person des Verfügenden. In einem launigen Beitrag von Thomas Kluth wird dieses Problem am Beispiel einer „Unternehmensveräußerung“ im Insolvenzplan diskutiert. Der Autor lehnt eine Veräußererstellung des Insolvenzplans selbst, des Schuldners sowie des Insolvenzverwalters ab, und kommt schließlich zu dem Ergebnis, die Gläubiger seien die Veräußerer.225 Zuzustimmen ist dabei dem Ausschluss des Plans und des Insolvenzverwalters als mögliche Veräußerer. Der Plan ist kein Rechtssubjekt.226 Der Insolvenzverwalter kommt ebenfalls nicht als Veräußerer in Betracht, allerdings nicht deshalb, weil dadurch der Plan „als eigenständiger Alleskönner entwertet“ oder der Insolvenzverwalter „als Abschiebepartner und Lückenbüßer, als Befehls- und Ermächtigungsempfänger“ durch den Plan „missbraucht“ würde.227 Der Grund liegt vielmehr schlicht darin, dass der Verwalter am Vertragsschluss nicht beteiligt ist (vgl. § 248 I InsO).

224 

Münzberg, in: Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 12. Kluth, ZInsO 2002, 1115, 1119 f. 226 Richtig Kluth, ZInsO 2002, 1115, 1119. 227 So Kluth, ZInsO 2002, 1115, 1119. 225 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Es kommen also von vornherein nur die Gläubiger oder der Schuldner als Veräußerer in Betracht. Nach § 903 S. 1 BGB ist grundsätzlich der Schuldner als Eigentümer zur Veräußerung berechtigt. Kluth erklärt hingegen eine Veräußererstellung des Schuldners für „nicht ernsthaft diskutabel.“228 Zur Begründung verweist er auf § 80 I InsO und bemerkt richtig, dass im Falle einer Veräußerung in einem Plan, der keine Aufhebung des Insolvenzverfahrens vorsieht, nicht auf die Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis durch den Schuldner nach Verfahrensaufhebung verwiesen werden kann.229 Allerdings besitzen auch die Gläubiger im Regelverfahren keine Verfügungsbefugnis über die Massegegenstände. Zum logischen Bruch kommt es daher in Kluths Argumentation, wenn er im Hinblick auf den Schuldner an den Bestimmungen des Regelverfahrens festhält, für die Gläubiger aber ohne Anhaltspunkt im Gesetzeswortlaut eine besondere Verfügungsbefugnis im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens aus § 217 InsO konstruiert.230 Gegen eine Verfügungsmacht der Gläubiger über die Masse im Rahmen des Planverfahrens spricht zudem das Erfordernis der Schuldnerzustimmung zum Plan (arg. e §§ 247 I, 248 I InsO). Wenn die Gläubiger selbst zu Verfügungen über die Masse berechtigt sein sollen, ist diese Voraussetzung nur schwer zu erklären. Tatsächlich erfolgt eine Verfügung über Massegegenstände im Insolvenzplan durch den Schuldner selbst. Er ist als Eigentümer der grundsätzlich Berechtigte. Aufgrund der Verstrickung der Masse ist er allerdings zum Zeitpunkt der Vereinbarung des Plans nicht verfügungsbefugt (§ 80 I InsO). Aus §§ 228, 254 I InsO ergibt sich jedoch, dass Verfügungen mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses wirksam werden. Rechtstechnisch ist dies mit einer nachträglichen Wiedererlangung der Verfügungsbefugnis durch den Schuldner zu erklären. Der gerichtliche Bestätigungsbeschluss muss daher bei einem entsprechenden Planinhalt eine Beseitigung der Verfügungsbeschränkung hinsichtlich der betroffenen Massegegenstände enthalten. Damit stellt der Bestätigungsbeschluss neben der Freigabe durch den Insolvenzverwalter und der Aufhebung bzw. Einstellung des Insolvenzverfahrens eine dritte Form der Aufhebung der Verstrickung dar, die – anders als die Verfahrensbeendigung, aber genauso wie die Freigabe durch den Verwalter – auf einzelne Massegegenstände beschränkt ist. Die Wirksamkeit der Schuldnerverfügungen folgt dann aus der analogen Anwendung des § 185 II 1 BGB.231

228 

Kluth, ZInsO 2002, 1115, 1119. Kluth, ZInsO 2002, 1115, 1119. 230  Kluth, ZInsO 2002, 1115, 1120. 231  Zur analogen Anwendung des § 185 II 1 BGB bei Schuldnerverfügungen nach „Einstellung“ des Insolvenzverfahrens siehe Bayreuther, in: MüKo BGB, § 185 Rn. 52. 229 



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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3.  Besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen bei bestimmten Regelungen Für manche Planregelungen gelten besondere Wirksamkeitsvoraussetzungen: Zum einen kann die Zustimmung einzelner Gläubiger oder Dritter erforderlich sein. Zum anderen kommen besondere Formerfordernisse in Betracht.

a)  Zustimmungserklärungen einzelner Gläubiger oder Dritter Eine Unterscheidung von „zwangsweise“ und „nicht zwangsweise Planunterworfenen“232 wird der Vertragsnatur des Insolvenzplans nicht gerecht. Auch bei der Vereinbarung des Insolvenzplans gilt der Grundsatz der Privatautonomie. Besonderheiten bestehen allerdings hinsichtlich der Zuständigkeit für bestimmte Regelungen. Der Begriff der „Zuständigkeit“ meint im Privatrecht die Rechtsmacht, durch Rechtsgeschäft Pflichten oder Rechte eines Rechtsträgers begründen oder über bestehende Rechte verfügen zu können.233 Wie weiter oben ausführlich dargelegt wurde, ist die Gläubigergemeinschaft im Insolvenzverfahren zuständig für bestimmte Regelungen, die die Rechtsstellung einzelner Gläubiger tangieren können.234 Über die Ausübung dieser Befugnisse wird durch Beschluss entschieden; bei der Abstimmung über den Insolvenzplan ergibt sich daraus die nötige Rechtsmacht der Gläubigermehrheit zur Vornahme des entsprechenden Rechtsgeschäfts. Die außenwirksamen Erklärungen fallen dabei mit der gemeinschaftsinternen Abstimmung zusammen.235 Worauf die oben genannte Unterscheidung tatsächlich – und berechtigterweise – abzielt, ist daher die Bestimmung der Grenzen dieser gemeinschaftlichen Zuständigkeit der Gläubiger, die sich allerdings nicht einfach anhand der Personen bestimmen lässt, sondern nur jeweils gesondert im Hinblick auf die intendierte Rechtsfolge – denn derselbe Gläubiger kann hinsichtlich mancher Planregelungen der Mehrheitsmacht unterworfen sein, während für andere möglicherweise seine persönliche Zustimmung erforderlich ist. Nur zur Klarstellung sei am Rande noch einmal erwähnt, dass aber unabhängig von den Grenzen der Mehrheitsmacht die Zustimmung des Schuldners stets für das Zustandekommen und die Wirksamkeit des Plans erforderlich ist. Die Grenzen der Mehrheitsmacht unter den Gläubigern wurden bereits weiter oben dargelegt.236 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Gläubigergemeinschaft für alle oben genannten prozessualen Regelungen zuständig ist, sodass insoweit das Mehrheitsprinzip zur Anwendung kommt. Gleiches gilt für materiellrechtliche und gesellschaftsrechtliche Regelungen nach §§ 223 II, 224, 232 So

Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 94 ff. Medicus, BGB AT, Rn. 998. 234  § 4 B III 2. 235  Siehe dazu grundsätzlich oben § 4 D, insb. I 3, 4, II 2 b, III. 236  § 4 B III 2 c. 233 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

225 I, II, 225a III, 227 InsO. Dabei greift nach den Grundsätzen der Bruchteilsgemeinschaft das Gleichbehandlungsgebot, das im Planverfahren in den §§ 222, 226 I InsO konkretisiert wird, und das die Grundlage für den Minderheitenschutz darstellt, den § 251 I InsO gewährleistet. Immer wenn die damit gezogenen Grenzen überschritten werden sollen, ist die Zustimmung der individuell Betroffenen notwendig, die dafür nach allgemeinen Grundsätzen zuständig sind. Davon umfasst ist insbesondere eine Schlechterstellung einzelner Gläubiger bei der Masseverteilung, eine Begründung von Verpflichtungen von Gläubigern oder Dritten, außerdem ein Erwerb von Massegegenständen oder einer Mitgliedschaft im Schuldner-Verband sowie Verfügungen über eigene Rechte durch Gläubiger oder Dritte. Erfasst sind mithin alle Fälle, für die oben das Erfordernis einer „antizipierten“ Zustimmung nach den §§ 226 II, 230 I 2, II, III InsO (ggf. analog) festgestellt wurde.237 Eine Ausnahme ergibt sich lediglich für die Begründung von Rechten der Minderheit oder abwesender Gläubiger. Soweit sich der Schuldner, einzelne Gläubiger oder Dritte gegenüber sämtlichen Gläubigern verpflichten, oder nach §§ 227 II, 334 II InsO eine Akzessorietätslockerung bestimmt wird, wirkt dies auch zugunsten der nicht zustimmenden Gläubiger. Diese sind zwar, obwohl sie im Rahmen des Mehrheitsprinzips die Wirkungen des Plans gegen sich gelten lassen müssen, keine Vertragspartner. Doch nach allgemeinen Grundsätzen sind Begünstigungen einer Person, die an einem Rechtsgeschäft nicht mitgewirkt hat, nicht ausgeschlossen.238 Insoweit ist der Insolvenzplan ein Vertrag zugunsten Dritter.

b) Formerfordernisse Für einzelne Planregelungen können außerinsolvenzrechtliche Formvorschriften greifen. Durch §§ 254a wird die Wahrung dieser Form fingiert; insoweit besteht eine weitere Parallele zum Prozessvergleich i. S. d. § 794 I Nr. 1 ZPO, bei dem gemäß § 127a BGB die Aufnahme von Erklärungen ins Protokoll die notarielle Beurkundung, also die Wahrung einer anderen Form, ersetzen kann. Zudem nennt das Gesetz bei der Grundstücksauflassung in § 925 I 3 InsO Prozessvergleich und Insolvenzplan in einem Atemzug als Möglichkeiten zur Formwahrung. Im Ergebnis bestimmt § 254a InsO die Formwirksamkeit sämtlicher schuldrechtlicher und dinglicher Geschäfte, die der Insolvenzplan enthält.

237 

Vgl. oben C II 1. Medicus, BGB AT, Rn. 1000.

238 Vgl.



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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Davon sind auch dingliche Geschäfte mit Dritten umfasst.239 Die von Stephan Madaus vertretene Gegenansicht240 beruht auf einer reinen Wortlautauslegung, die am Willen des Gesetzgebers vorbeigeht.

aa)  Gleiche Reichweite bei Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäften Zunächst zeigt die Vorstellung des Gesetzgebers von der Gesetzessystematik, dass unabhängig vom betroffenen Personenkreis die formwahrende Kraft im Hinblick auf Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte i. S. d. § 254a I, III InsO deckungsgleich sein muss. In § 254a I, III InsO sollte die Regelung des § 254 I 2 InsO a. F. übertragen werden.241 Dieser lautete: „Soweit Rechte an Gegenständen begründet, geändert, übertragen oder aufgehoben oder Geschäftsanteile einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung abgetreten werden sollen, gelten die in den Plan aufgenommenen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben; entsprechendes gilt für die in den Plan aufgenommenen Verpflichtungserklärungen, die einer Begründung, Änderung, Übertragung oder Aufhebung von Rechten an Gegenständen oder einer Abtretung von Geschäftsanteilen zugrunde liegen.“

Ersichtlich sollte damit geregelt sein, dass Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfte im selben Umfang formwirksam im Plan vorgenommen werden konnten. Da im Rahmen des ESUG weitergehende gesellschaftsrechtliche Regelungen ermöglicht wurden als die in § 254 I 2 InsO a. F. genannte Übertragung von Gesellschaftsanteilen, entschloss man sich zur Einfügung des § 254a II InsO, der im Hinblick auf entsprechende Planinhalte nach § 225a III InsO Sonderbestimmungen enthält. Der Gesetzgeber verstand dabei die neue Fassung des § 254a InsO so, dass dessen erster Absatz die Formwirksamkeit der dinglichen Geschäfte bestimmen sollte, und der zweite die Ersetzung notwendiger Gesellschafterbeschlüsse (Satz 1 und 2) sowie eine besondere Anmeldebefugnis des Verwalters (Satz 3). Schließlich sollte der dritte Absatz – so wie bisher § 254 I 2 Hs. 2 InsO a. F. – klarstellen, dass die Verpflichtungserklärungen, die den zuvor genannten Regelungen zugrundelagen, ebenfalls formwirksam sein sollten.242 239  H. M., siehe: Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 161; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254a Rn. 4; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 254a Rn. 3. 240  Madaus, in: MüKo InsO, § 254a Rn. 4 f., 18; ähnlich, aber ohne Entscheidung: Horstkotte/Martini, ZInsO 2012, 557, 573 (Fn. 98). 241  BT-Drucks. 17/5712, S. 36 f. 242  BT-Drucks. 17/5712, S. 37: „Absatz 3 entspricht der derzeitigen Regelung in § 254 Absatz 1 Satz 2 InsO und erweitert ihren Anwendungsbereich auf Verpflichtungserklärungen aufgrund von Regelungen die ein Insolvenzplan nach § 225a InsO-E vorsehen kann. Verpflichtungserklärungen, die aufgrund von Regelungen nach Absatz 1 und Absatz 2 in den Plan aufgenommen werden, gelten mit der Rechtskraft des Plans als in der vorgeschriebenen Form

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

§ 254a III InsO besagt also nichts weiter, als dass die formwahrende Wirkung des Insolvenzplans nicht nur für die von § 254a I, II InsO umfassten dinglichen Geschäfte, sondern auch für deren schuldrechtliche causa gilt. Indem Madaus daraus, dass § 254a III InsO den Begriff der „Beteiligten“ nicht wiederholt, einen unterschiedlichen Umfang der Regelungen in Absatz 1 und 3 ableitet, verkennt er also den systematischen Zusammenhang zwischen den unterschiedlichen Absätzen des § 254a InsO und die Entstehungsgeschichte der Norm.

bb)  Kein Ausschluss der Geschäfte mit Dritten von der formwahrenden Wirkung Damit stellt sich nur noch die Frage, ob Geschäfte mit Dritten an der formwahrenden Wirkung des Plans teilhaben sollen. Die Gesetzesmaterialien zu § 254 I 2 InsO a. F. und § 254a InsO n. F., aber auch zu § 228 InsO schweigen jedoch dazu, ob die Möglichkeit einer Einbeziehung dinglicher Erklärungen und die Anordnung von deren Formwirksamkeit sich auf die Erklärungen Dritter erstreckt.243 Nach der hier entwickelten Konstruktion des Insolvenzplans sind Dritte als Vertragspartner einzuordnen. Legt man § 254a I, III InsO dieses Verständnis zugrunde, so sind die Erklärungen Dritter als Erklärungen von am Vertrag „Beteiligten“ damit formwirksam. Dem widerspricht auch § 228 InsO nicht, der im Hinblick auf die Aufnahme von dinglichen Erklärungen ebenfalls den allgemeinen Begriff der „Beteiligten“ verwendet. Dass nach dieser Deutung den §§ 228, 254a I InsO ein anderer „Beteiligten“-Begriff zugrundegelegt wird als den §§ 217 S. 1, 221 S. 1, 222 I 1, 226, 243, 248 I InsO, ist kein Systembruch. Denn auch wenn man Dritte nicht dazuzählen wollte, müsste man aufgrund der Parteistellung des Schuldners den Begriff in §§ 228, 254a I InsO anders verstehen. Diese Normen müssen nämlich die Erklärungen des Schuldners umfassen, während die §§ 217 S. 1, 221 S. 1, 222 I 1, 226, 243, 248 I InsO den Schuldner gerade nicht zu den „Beteiligten“ zählen. Der von Stephan Madaus abgegeben.“ – Der Gesetzgeber irrt hier allerdings über die Beziehung von Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, weil die Verpflichtung nicht „aufgrund“ der Verfügung begründet wird, sondern als deren Grundlage; im Normtext ist das Verhältnis richtig abgebildet. 243  Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 202 (zu § 271), S. 212 f. (zu § 301); BT-Drucks. 17/5712, S. 36 f. Soweit im erstzitierten Regierungsentwurf zur InsO davon die Rede ist, dass Erklärungen „als abgegeben gelten“ kann dies von vornherein nur auf Regelungen i. S. d. § 223 II InsO bezogen sein, womit über mögliche Erklärungen Dritter nichts gesagt ist. (Im Übrigen sei erwähnt, dass die dort hinsichtlich des jetzigen § 228 InsO anklingende Vorstellung von einer „Ersetzung“ oder „Fiktion“ von Erklärungen durch die gerichtliche Planbestätigung die hier entwickelte Konstruktion des Plans nicht erschüttern kann; eine verbindliche Aussage über die dogmatische Herleitung der Planwirkungen konnte der Gesetzgeber an dieser Stelle nicht treffen und wollte dies höchstwahrscheinlich auch nicht.)



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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herangezogene Wortlaut kann daher richtigerweise nicht gegen eine Erstreckung der Wirkungen auf die Erklärungen Dritter angeführt werden, weil den Regelungen über den Insolvenzplan kein einheitlicher Begriff der „Beteiligten“ zugrundeliegt und an den entscheidenden Stellen, nämlich bei §§ 228, 254a InsO nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung offen bleibt, ob darunter auch Dritte zu verstehen sind.244 Für die Einbeziehung spricht jedenfalls das allgemeine Ziel einer zügigen Verfahrensabwicklung. Als Rechtfertigung für die formwahrende Wirkung kann auch hinsichtlich der Erklärungen Dritter die gerichtliche Prüfung im Rahmen des Bestätigungsverfahrens dienen.245 Da die Erstreckung der formwahrenden Wirkung also im Interesse aller Beteiligten liegt und ihr der Gesetzeswortlaut nicht entgegensteht, ist sie mit der herrschenden Meinung anzuerkennen.

c) Publizitätsakte Die Wirksamkeit einiger Rechtsgeschäfte, die im Plan vorgenommen werden können, hängt materiellrechtlich von der Durchführung eines Publizitätsakts wie zum Beispiel einer Übergabe oder einer Registereintragung ab. Solche materiellrechtlichen Publizitätserfordernisse bleiben – im Gegensatz zu Formvorschriften – vom Plan unberührt, insbesondere werden sie nicht durch die gerichtliche Bestätigung ersetzt.246 Gesetzlichen Niederschlag findet dies in § 254a II 3 InsO, der dem Insolvenzverwalter ein besonderes Anmelderecht in Registersachen einräumt und damit logisch voraussetzt, dass diese Anmeldungen nicht ersetzt werden. Eine Besonderheit ergibt sich allerdings bei Planregelungen nach § 223 II InsO, die zum materiellen Erlöschen von Rechten i. S. d. § 49 InsO führen. Denn bei den von § 49 InsO umfassten Rechten an Grundstücken, Schiffen und Schiffsbauwerken sowie Luftfahrzeugen247 ist zur Löschung aus dem jeweiligen Register grundsätzlich eine Bewilligung des Rechtsinhabers erforderlich (§ 19 GBO und § 29 SchRegO, ggf. i. V. m. § 86 I 1 LuftRG). Nun 244  Das gilt auch für die Begründung des § 254 I 1 InsO a. F., die zwar eine scheinbar abschließende Aufzählung der Beteiligten enthält und dabei „Dritte“ nicht nennt, damit aber auf die Begründung der „Zwangswirkung“ abzielt (BT-Drucks. 12/2443, S. 212 f. (zu § 301)). Die Wirkung des Plans gegenüber Dritten beruht indes nicht auf einer besonderen Regelung hinsichtlich nicht zustimmender Gläubiger i. S. d. (deklaratorischen) §§ 254 I 1 InsO a. F. bzw. § 254b InsO n. F., sondern auf der persönlichen Zustimmung. 245  Vgl. dazu BT-Drucks. 17/5712, S. 36: „Mit seiner Bestätigung gelten die in den Plan aufgenommenen Willenserklärungen der Beteiligten als in der vorgeschriebenen Form abgegeben. Eine zusätzliche notarielle Beurkundung oder Beglaubigung der Willenserklärungen ist wegen der gerichtlichen Bestätigung des Plans nicht erforderlich.“ 246  BT-Drucks. 12/2443, S. 213 (zu § 301). 247  Dieser Anwendungsbereich ergibt sich aus § 49 InsO i. V. m. §§ 1 I, 162, 171a ZVG.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

ist zwar anerkannt, dass der Insolvenzplan eine Bewilligung i. S. d. § 19 GBO enthalten kann,248 nach der hier entwickelten Konstruktion des Plans muss aber eine persönliche Zustimmung des Gläubigers, in der man möglicherweise eine Eintragungsbewilligung enthalten sehen könnte, nicht vorliegen. Denn für das Zustandekommen genügen die Erklärungen der Mehrheit. Es wäre aber ein absurdes Ergebnis, die Eintragung in diesen Fällen an der fehlenden Bewilligung scheitern zu lassen. Die einzig sinnvolle Lösung ist es daher, das Erfordernis der Eintragungsbewilligung nach § 19 GBO, § 29 SchRegO (ggf. i. V. m. § 86 LuftRG) als durch die Vorschriften über das wirksame Zustandekommen des Insolvenzplans verdrängt anzusehen, soweit dadurch die Umsetzung einer nach § 223 II InsO vorgesehenen Regelung verhindert würde. Die Möglichkeit der Ersetzung solcher Bewilligungserfordernisse ist anerkannt.249 Es muss deshalb ebenso, wie für die entsprechenden Planregelungen die Mehrheitsentscheidung ausreicht, für die entsprechende Eintragung die Vorlage des Insolvenzplans und des Bestätigungsbeschlusses gem. § 29 I GBO bzw. § 37 SchRegO (ggf. i. V. m. § 86 LuftRG) genügen.250 Insoweit ersetzt der Insolvenzplan zwar nicht den erforderlichen Publizitätsakt, er modifiziert aber das Verfahren für dessen Vornahme durch die Beseitigung eines Bewilligungserfordernisses.

II. Nachzüglerklauseln Der Erfolg sog. Sanierungspläne, die eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens vorsehen und typischerweise für einen Teil der Ansprüche die gerichtliche Durchsetzung dauerhaft oder zeitweise ausschließen, um dem Schuldner eine Unternehmensfortführung und den Gläubigern einen späteren wirtschaftlichen Vorteil durch den Zugriff auf die dadurch erwirtschafteten Gewinne oder weitere Geschäftsbeziehungen zu ermöglichen, wird in der Praxis erheblich durch das Auftreten von Nachzüglern gefährdet, die nach der Ausarbeitung oder sogar erst nach der rechtskräftigen Bestätigung des Insolvenzplans ihre Forderungen geltend machen. Soweit diese Forderungen bei der Planerstellung unberücksichtigt bleiben, führt deren spätere Geltendmachung dazu, dass entweder schon bei der Planverteilung, oder nach Verfahrensaufhebung durch Vollstreckungszugriff dem Schuldner das für die Unternehmensfortführung notwendige Vermögen entzogen wird. In der Folge wird dessen wirtschaftliche Tätigkeit unmöglich und der beabsichtigte Vorteil für die Gläubiger entfällt. 248 

Rn. 2.

Jaffé, in: FK InsO, § 254a Rn. 5; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 254a

249  Siehe für § 19 GBO Kössinger, in: Bauer/von Oefele, GBO, § 19 Rn. 19 ff.; Demharter, GBO, § 19 Rn. 6 ff. 250  Eine Eintragung auf Grundlage von § 29 I GBO hielt der InsO-Gesetzgeber für möglich, wobei er allerdings davon ausging, dass die entsprechende Bewilligung im Plan enthalten wäre (BT-Drucks. 12/2443, S. 213 (zu § 301)).



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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Seit Einführung der InsO wird darüber diskutiert, wie diese Gefahr durch bestimmte Planregelungen251 gebannt werden könnte.

1. Meinungsstand Karsten Otte und Roland Wiester erklären Präklusionsklauseln für zulässig, die eine Geltendmachung der nicht bis spätestens zum Erörterungstermin angemeldeten Insolvenzforderungen ausschließen.252 Dem wurde schon vor der gesetzlichen Änderung durch das ESUG entgegengehalten, dass der Gesetzgeber sich bewusst gegen einen gesetzlichen Ausschluss entschieden habe.253 Nachdem der Gesetzgeber des ESUG zum Schutz von Sanierungsplänen die §§ 229 S. 3, 259a, 259b InsO eingefügt, eine allgemeine Präklusionsfrist aber unter Verweis auf die Notwendigkeit einer Wiedereinsetzungsmöglichkeit und die daraus resultierenden Rechtsunsicherheiten abgelehnt hat,254 ist dieses Argument mittlerweile auch vom BGH als entscheidender Einwand gegen die Zulässigkeit von Nachzüglerklauseln angesehen worden. In dem Beschluss vom 07. 05. 2015, der bereits zu Beginn dieser Arbeit erwähnt wurde, gelangt der BGH zu dem Ergebnis, dass „jedenfalls“ nach den genannten Neuregelungen durch das ESUG, eine gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Eigentumsrecht, den der „vollständige Verlust einer Forderung als Folge einer Ausschlussfrist“ darstelle, fehle.255 Weiter meint das Gericht, eine Differenzierung bei der Verteilung zwischen Nachzüglern und den Gläubigern, die ihre Forderungen angemeldet haben, sei aufgrund des Gleichbehandlungsgebots unzulässig; entsprechende Regelungen ließen sich nicht auf

251  Für den Fall einer angemeldeten, aber bestrittenen und daher nicht festgestellten Forderung wollen hingegen Breutigam/Kahlert, ZInsO 2002, 469, 469 ff. den § 189 InsO analog anwenden, und folgern dann in Parallele zu den Wertungen des Restschuldbefreiungsverfahrens, dass bei Versäumen der Klagefrist, die bereits ab Bekanntmachung des Erörterungstermins laufen soll, die Forderung insgesamt gesetzlich ausgeschlossen ist. Dem folgt Jaffé, in: FK InsO, § 254 Rn. 10. – Das geht deutlich zu weit. Insbesondere ist die Anwendung der Wertungen aus dem Restschuldbefreiungsverfahren ein Systembruch. Gegen die Analogie daher schon Otte/Wiester, NZI 2005, 70, 71, Rose/Tetzlaff/Wollstadt, ZInsO 2005, 673, 676; nach Einführung des § 259a InsO folgt nun aus dieser Regelung, dass Nachzügler nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen sind (so der zutreffende Hinweis von Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254b Rn. 4). 252  Otte/Wiester, NZI 2005, 70, 73; ihnen folgen Rose/Tetzlaff/Wollstadt, ZInsO 2005, 673, 676. 253  Schreiber/Flitsch, BB 2005, 1173, 1177 ff.; Prahl, ZInsO 2007, 318, 318 (Fn. 3); Schultze/Tögel, ZIP 2011, 1250, 1251. 254  BT-Drucks. 17/5712; siehe auch oben § 2 B VI 4. 255  BGH NJW 2015, 2660, 2662.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

§ 222 II 1 InsO stützen und verstießen gegen § 226 I InsO.256 Damit übernimmt der BGH vollumfänglich die Argumentation von Stephan Madaus.257 Im Ergebnis hält somit die heute wohl herrschende Meinung in Literatur und Rechtsprechung lediglich eine Planregelung für zulässig, nach der in Anlehnung an § 189 InsO für bereits angemeldete und bestrittene Forderungen eine Präklusionsfrist gilt, welche sich wiederum nur auf eine Planverteilung bezieht; jeder für die Zeit nach der Verfahrensaufhebung wirkende Ausschluss soll hingegen auch insoweit unzulässig sein.258 Teilweise wird aber darüber hinaus für die angemeldeten und bestrittenen Forderungen eine Präklusion für möglich gehalten, die sich nicht nur auf die Planverteilung, sondern auch die spätere Durchsetzbarkeit der Forderung bezieht.259 Auf der anderen Seite wird jedoch nach wie vor die Ansicht vertreten, Präklusionsregelungen im Insolvenzplan seien allgemein zulässig, wobei sowohl eine gruppenübergreifende bzw. gruppeninterne Ausschlussfrist260 als auch die Bildung einer eigenen Nachzüglergruppe vorgeschlagen wird.261

2. Stellungnahme Die gegen die Zulässigkeit von Nachzüglerklauseln vorgebrachten Argumente treffen nicht zu. In einem Insolvenzplan kann wirksam vereinbart werden, dass Ansprüche, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht geltend gemacht werden, bei der Masseverteilung unberücksichtigt bleiben, und dass deren spätere Durchsetzung gegenüber jener der angemeldeten Forderungen zurückzustehen hat oder vollständig ausgeschlossen ist. Entgegen Madaus und dem BGH sind 256 

BGH NJW 2015, 2660, 2662. Vgl. BGH NJW 2015, 2660, 2662 und Madaus, in: MüKo InsO, § 254b Rn. 6 ff., sowie die Anmerkung von Madaus, NZI 2015, 702, 703. 258  Madaus, in: MüKo InsO, § 254b Rn. 10 und ihm folgend Stephan, NZI 2014, 539, 540 f. sowie BGH NJW 2015, 2660, 2662 (ähnlich bereits BGH NJW-RR 2012, 1255, 1255 f.); im Ergebnis wohl ebenso Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 217 Rn. 12. – Teilweise werden auch „Nachzüglerklauseln“ bzw. „Präklusionsvorschriften“ allgemein für unzulässig erklärt, ohne dass klar wäre, ob damit auch eine Verteilungsregel im genannten Sinn ausgeschlossen sein soll: Bremen, NZI 2014, 137, 142; Haas, in: HeidelbK InsO, § 254b Rn. 2; Horstkotte, ­ZInsO 1297, 1310; Küpper/Heinze, ZInsO 2013, 471, 474. 259 LAG Düsseldorf NZI 2014, 913, 915; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 254b Rn. 7. 260 So Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 221 Rn. 56 ff. 261 So Braun/Frank, in: Braun, InsO, § 222 Rn. 13, § 254b Rn. 2; Braun, in: Nerlich/ Römermann, InsO, § 222 Rn. 115. – Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254b Rn. 8 nennen alle Möglichkeiten und sprechen sich für die Zulässigkeit aus (Rn. 32), ohne sich für eine Variante zu entscheiden. Reischl, Insolvenzrecht, Rn. 867 erklärt eine gruppenübergreifende Präklusionsregel und die Bildung einer Nachzüglergruppe für zulässig. – Für Präklusionsregeln, deren Konstruktion allerdings nicht erläutert wird, sind außerdem Andres, in: Andres/ Leithaus, InsO; Fridgen, GWR 2014, 20; Heinrich, NZI 2012, 235, 242 und Jacobi/Stapper, NJ 2012, 265, 266. 257 



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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solche Regelungen durch das ESUG weder ausgeschlossen, noch entbehren sie einer gesetzlichen Grundlage; ferner sind sie mit dem Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz sehr wohl vereinbar. Dass sich Nachzüglerklauseln somit prinzipiell rechtfertigen und wie sie sich unter strenger Bindung an die gesetzlichen Regelungen konstruieren lassen, wird im Folgenden aufgezeigt. Dabei kann auf das bisher erarbeitete dogmatische Gerüst des Insolvenzplans aufgebaut werden.

a)  Kein gesetzlicher Ausschluss Die Möglichkeit von Nachzüglerklauseln wird durch die §§ 229 S. 3, 259a, 259b InsO nicht ausgeschlossen. Diese durch das ESUG eingefügten Vorschriften sollen „das Risiko mindern, dass ein Insolvenzplan nach rechtskräftiger Bestätigung durch nachträglich angemeldete Forderungen zu Fall gebracht wird [...].“262 Eine gesetzliche Vorschrift, die zum materiellrechtlichen Erlöschen nichtangemeldeter Forderungen nach der Bestätigung des Insolvenzplans geführt hätte, hat der Gesetzgeber bewusst abgelehnt: „Eine solche Ausschlussfrist hätte aus verfassungsrechtlichen Gründen mit der Möglichkeit verbunden werden müssen, dass bei unverschuldeter Fristversäumnis Wiedereinsetzung verlangt werden kann. Eine vergleichbare Ausschlussfrist in § 14 der Gesamtvollstreckungsordnung hat zu zahlreichen langwierigen Streitigkeiten über die Frage des Verschuldens bei der Fristversäumnis geführt. Dies soll für das Insolvenzplanverfahren durch eine Kombination von Vollstreckungsschutz und verkürzter Verjährung vermieden werden.“263

Diese Überlegungen des Gesetzgebers sind inhaltlich nicht zu beanstanden. Allerdings enthalten sie keine Aussage darüber, welche Regelungen ein Insolvenzplan enthalten kann. Der Gesetzgeber hat mit §§ 259a, 259b InsO einen gesetzlichen Mindestschutz für Sanierungspläne geschaffen und diese gesetzliche Regelung begründet. Welche vertraglichen Regelungen in einem Plan möglich sind, ist demgegenüber weder Gegenstand der §§ 229 S. 3, 259a, 259b InsO, noch der Überlegungen des Gesetzgebers.264

b)  Vorhandene gesetzliche Grundlage für den Eingriff in das Eigentumsrecht Der BGH meint, es fehle „jedenfalls“ nach Erlass des ESUG an einer gesetzlichen Grundlage für den mit einer Nachzüglerklausel verbundenen Eingriff in das Eigentumsrecht.265 Dieser Hinweis auf Art. 14 I GG geht jedoch fehl. 262 

BT-Drucks. 17 /5712, S. 32. BT-Drucks. 17 /5712, S. 37. 264 Auch Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254b Rn. 19 f. betonen, dass der Gesetzgeber durch §§ 259a f. InsO nichts über die Zulässigkeit von Planregelungen bestimmt hat. 265  BGH NJW 2015, 2660, 2662. 263 

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

Es gehört zum Wesen des Insolvenzplans, dass durch ihn die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen der Gläubiger gegen den Schuldner beschränkt werden kann. Die ausdrückliche gesetzliche Grundlage für solche Planregelungen bilden die §§ 223 II, 224, 225 I, II, 227 InsO.266 Wie soeben gezeigt, folgt auch aus §§ 229 S. 3, 259a, 259b InsO nichts anderes, weil diese Vorschriften keine Aussage zu möglichen Planinhalten treffen.

c)  Zeitpunkt der Forderungsgeltendmachung als zulässiges Differenzierungskriterium Entscheidend für die Beurteilung der Zulässigkeit von Nachzüglerklauseln ist, ob rechtliche Folgen daran geknüpft werden dürfen, zu welchem Zeitpunkt ein Gläubiger seinen Anspruch geltend macht. Ob ein Differenzierungskriterium zulässig ist, bemisst sich aber primär nicht an Art. 14 I GG, sondern an Art. 3 I GG und dessen einfachgesetzlicher Ausprägung im Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung.267 Dabei ist noch einmal268 zu betonen, dass dieser Grundsatz Differenzierungen zwischen den Gläubigern sogar gebietet: Nach dem Gleichheitssatz muss nicht nur Gleiches gleich, sondern auch Ungleiches ungleich behandelt werden.269 Die Frage ist daher nur, woran eine Unterscheidung anknüpfen darf.

aa)  Grundsatz: Präklusion als notwendige Folge des Universalitätsprinzips Gegen eine Anknüpfung an den Zeitpunkt der Forderungsgeltendmachung könnte man einwenden, dass im Insolvenzverfahren im Gegensatz zur Einzelvollstreckung nicht das Prioritäts- sondern das Ausgleichsprinzip vorherrscht. Allerdings darf, wie bereits an anderer Stelle erwähnt, nicht generell die Einzelvollstreckung mit der Geltung des Prioritätsprinzips und die Gesamtvollstreckung nicht mit einer uneingeschränkten Anwendung des Ausgleichsprinzips gleichgesetzt werden.270 Vielmehr begründet die Universalität des Insolvenz266 Ähnlich Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254b Rn. 13 ff., die als Grundlage § 217 S. 1 InsO nennen und insoweit auf die Begriffe der „Haftung des Schuldners“ und der „Befriedigung der Gläubiger“ abstellen. 267  Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 254b Rn. 21 ff. stellen hingegen nur allgemeine verfassungsrechtliche Erwägungen an; sie arbeiten aber zutreffend heraus, dass es nicht generell verfassungswidrig ist, eine Rechtsposition wegen verspäteter Geltendmachung auch ohne Wiedereinsetzungsmöglichkeit bei unverschuldeter Säumnis zu entziehen, und verweisen insoweit unter anderem ebenfalls auf das Restschuldbefreiungsverfahren und § 189 InsO. 268 Beispiele für Differenzierungen zwischen einzelnen Gläubigern wurden bereits an mehreren Stellen genannt: § 3 D II 3 b bb ddd (Gruppenbildung im Plan), § 4 B II 3 e (Erlösverteilung), § 4 D II 4 und § 5 C III 1 b (Stimmrecht in der Gläubigerversammlung). 269  Baur, in: MüKo InsO, Einl. Rn. 62, und ausführlich: Nachtmann, Fiskusvorrecht, S. 40 ff. 270  Vgl. oben § 2 A I 4 d.



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verfahrens gerade ein Bedürfnis nach Ausschlussfristen, ohne die ein Ende des Insolvenzverfahrens praktisch unerreichbar wäre; denn ohne sie würde stets beim Auftreten weiterer Gläubiger eine Rückabwicklung und Neuvornahme des Verfahrens entsprechend der geänderten Quote erforderlich. In der Insolvenzrechtsgeschichte wird dieser Zusammenhang deutlich: Während in den partikularen Systemen der oberitalienischen Statuten des Mittelalters Beträge für unbekannte Gläubiger teilweise zurückbehalten wurden, weil diese am Verfahren nicht beteiligt waren und daher keinen Nachteil haben sollten, waren in den universellen Verfahren des spanischen concursus und des Gemeinen Rechts Präklusionsvorschriften aufgrund der Einbeziehung sämtlicher Gläubiger ein natürlicher Bestandteil.271

bb)  Nachweis im System der InsO und Schlussfolgerungen Als universelles Verfahren kennt das moderne deutsche Insolvenzverfahren im Grundsatz eine Präklusion. Die Anmeldefrist für Insolvenzforderungen nach § 28 I InsO ist zwar keine Ausschlussfrist, wie § 177 I InsO zeigt; doch nach dem Gesamtsystem der InsO kann eine verspätete Anmeldung für einen Insolvenzgläubiger sehr wohl nachteilige Folgen zeitigen: Die Verspätung bewirkt, „dass die Nachzügler das Insolvenzverfahren in der Lage, in der es sich befindet, übernehmen müssen“272, und sie begründet eine Kostentragungspflicht des Gläubigers für den gesonderten Prüfungstermin nach § 177 I 2 InsO. Schließlich ist eine Anmeldung nach der in § 189 I InsO genannten Frist zwar noch möglich;273 sie bewirkt aber keine Aufnahme mehr in das Verteilungsverzeichnis,274 sodass eine Befriedigung der Forderung im Insolvenzverfahren ausgeschlossen ist: Weder bei der Schlussverteilung nach §§ 196 ff. InsO, noch bei einer späteren Nachtragsverteilung gem. § 203 InsO oder bei Verteilungen im Restschuldbefreiungsverfahren wird die verspätet angemeldete Forderung berücksichtigt.275 Daraus folgt für den Gläubiger das Risiko, dass durch eine verspätete Anmeldung sein Anspruch endgültig uneinbringlich wird. Denn wenn es sich beim Schuldner um eine natürliche Person handelt, droht eine Restschuldbefreiung,276 wenn der Schuldner aber ein Verband ist, wird nach 271 

Vgl. oben § 2 A II 1 b, 2 b und 3 b. Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 177 Rn. 4. 273  Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 177 Rn. 7 ff.; Riedel, in: MüKo InsO, § 177 Rn. 9 f. 274  Riedel, in: MüKo InsO, § 177 Rn. 4 ff.; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 177 Rn. 10. 275  Gerhardt, in: Jaeger, InsO, § 177 Rn. 7 und Meller-Hanich, in: Jaeger, InsO, § 197 Rn. 14 f. 276  Wie soeben erwähnt, bleibt der Gläubiger bei den Verteilungen im Restschuldbefreiungsverfahren unberücksichtigt, er kann aber wegen § 294 I InsO auch nicht die Einzelvollstreckung betreiben, und schließlich wird die Durchsetzbarkeit der Forderung bei Erteilung der Restschuldbefreiung gem. § 301 I InsO endgültig ausgeschlossen (zu letzterem siehe Stephan, in: MüKo InsO, § 301 Rn. 18 ff.). 272 

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einer Verfahrensaufhebung nach § 200 I InsO regelmäßig dessen Vollbeendigung eintreten,277 sodass die Forderung wegen des ersatzlosen Wegfalls des Schuldners278 erlischt. Anders liegen die Dinge nur bei den absonderungsberechtigten Gläubigern, die ihre Ansprüche entweder gar nicht im Insolvenzverfahren geltend machen müssen, oder zumindest keinem Anmeldeverfahren mit bestimmten Fristen unterworfen sind. Daher kommen für sie Nachzüglerklauseln nicht in Betracht. Mit den Grundprinzipien der InsO ist demnach eine Differenzierung nach dem Zeitpunkt der Forderungsanmeldung bei der Behandlung der Insolvenzgläubiger vereinbar: Das zeigen § 177 I 2 InsO und vor allem der einschneidende § 189 InsO. In einem universellen Verfahren kann eine effektive Vollstreckung zugunsten der übrigen Gläubiger nur durch eine Präklusion der Nachzügler sichergestellt werden. Der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz und Art. 3 I GG werden dadurch nicht verletzt; die zeitliche Differenzierung ist vielmehr dadurch gerechtfertigt, dass nur so eine Verwirklichung des ebenfalls grundrechtlich geschützten Vollstreckungsanspruchs und des Rechts auf Befriedigung (Art. 19 IV, 14 I GG) der „pünktlichen“ Gläubiger gelingen kann.

d)  Konsequenzen für die Zulässigkeit von Nachzüglerklauseln Aus den bisherigen Feststellungen ergibt sich, dass grundsätzlich einer Aufnahme von Nachzüglerklauseln für Insolvenzgläubiger in einen Insolvenzplan nichts entgegensteht: Entsprechende Planregelungen sind nicht gesetzlich ausgeschlossen, sie haben eine taugliche gesetzliche Grundlage und sie verstoßen nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, sondern entsprechen der auch im Regelverfahren prinzipiell angelegten Präklusion. Zu untersuchen bleiben die konkreten Gestaltungsmöglichkeiten.

aa)  Anwendung des § 189 InsO nicht ausreichend § 189 InsO gilt nur für Verteilungen innerhalb des Regelverfahrens. Auch wenn der Insolvenzplan eine entsprechende Anwendung auf eine Verteilung nach dem Plan vorsehen kann, wird davon nur diese betroffen. Eine Klage und Vollstreckung in einem anderen Verfahren wird hingegen nach § 189 InsO nicht ausgeschlossen.279 Wenn der Plan allerdings eine Ausschlussfrist „entsprechend § 189 InsO“ vorsieht, wird eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB regelmäßig ergeben, dass ein Ausschluss der späteren Durchsetzbarkeit von Nachzügler277  Zu den Auflösungsgründen im Insolvenzfall und der Vollbeendigung des Verbands siehe § 4 C IV 2 a. 278  Zu diesem Erlöschensgrund siehe Fetzer, in: MüKo BGB, vor § 362 Rn. 5. 279  Insoweit unrichtig daher LAG Düsseldorf NZI 2014, 913, 915; Spahlinger, in: Kübler/ Prütting/Bork, InsO, § 254b Rn. 7.



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forderungen vereinbart wurde.280 Es ist dann auf eine der im Folgenden dargestellten Konstruktionen zurückzugreifen.

bb)  Gruppeninterne Nachzüglerklauseln Ob gruppeninterne Nachzüglerklauseln, die innerhalb einer Gläubigergruppe eine Sonderregelung für nicht angemeldete Forderungen enthalten, als zulässig zu erachten sind, hängt vom Verständnis des § 226 I InsO ab. Nach einer Ansicht erfordert diese Regelung eine formelle Gleichbehandlung der Gläubiger, womit eine gruppeninterne Differenzierung von vornherein ausgeschlossen ist.281 Die Gegenansicht versteht § 226 I InsO lediglich als ein Gebot wirtschaftlicher Gleichbehandlung und will eine unterschiedliche Behandlung der Gläubiger innerhalb einer Gruppe zulassen.282 Der Streit ist anhand der Funktion der Gruppenbildung im Insolvenzplanverfahren zu entscheiden.

aaa)  Gruppenbildung und par conditio creditorum im Planverfahren Im Gruppenprinzip hat der Gesetzgeber einen Rahmen für Differenzierungen zwischen den Gläubigern mit unterschiedlicher Rechtsstellung (§ 222 I InsO) und unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen (§ 222 II InsO) geschaffen. Als Vorbild diente für diese Regelung § 8 II VglO.283 Allerdings distanzierte sich der Gesetzgeber dabei vom Begriff der „Zurücksetzung“ einzelner Gläubiger, und sprach stattdessen von einer „differenzierten Behandlung“.284 Im Ergebnis ging damit die zum Zwangsvergleich entwickelte Lehre über „sachliche Gleichbehandlung“285 oder „wirtschaftliche Gleichwertigkeit“286 als Maßstab für eine dem Gleichheitserfordernis in § 181 S. 1 KO, § 8 I VglO entsprechende Vergleichsregelung in der gesetzlichen Vorschrift des § 222 II InsO auf.287 Denn wenn der Anwendungsbereich der Gruppenbildung auf alle Fälle einer differenzierten Gläubigerbehandlung ausgedehnt wird, ist diese Regelung umfassend und damit abschließend. 280 

Im Ergebnis ist deshalb LAG Düsseldorf NZI 2014, 913, 915 wieder zuzustimmen. Andres/Leithaus, InsO, § 226 Rn. 2; Haas, in: HeidelbK InsO, § 226 Rn. 2; Jaffé, in: FK InsO, § 226 Rn. 6; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 226 Rn. 2; Thies, in: HambK InsO, § 226 Rn. 2 – tendenziell ebenso Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 226 Rn. 5 f. 282  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 226 Rn. 6; Braun/Frank, in: Braun, InsO § 226 Rn. 5 f.; Breuer, in: MüKo InsO, § 226 Rn. 8; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 226 Rn. 4 und (für Nachzüglerklauseln) § 254b Rn. 18. 283  Siehe schon oben § 2 B V 2 d. 284  BT-Drucks. 12/2443, S. 92 f. 285  Weber, in: Jaeger, KO (8. Auflage), § 181 Anm. 2. 286  Bley/Mohrbutter, VglO, § 8 Rn. 18. 287  Dass die jetzt für § 222 II InsO relevanten Kriterien bereits beim Zwangsvergleich differenzierte Regelungen erlaubten, beweist, dass das Mehrheitsprinzip nicht erst in der jeweils „homogenen Gruppe“ verankert ist, siehe schon oben § 3 D II 3 b bb ddd. 281 

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Daraus ergibt sich zweierlei. Erstens ist die überall zu lesende Aussage, im Insolvenzplanverfahren gelte der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung nur eingeschränkt, nämlich nur innerhalb der einzelnen Gruppen,288 nicht richtig. Denn der Gleichheitssatz erlaubt und gebietet gerade eine Differenzierung, wie sie durch die Gruppenbildung vollzogen wird. Zweitens folgt aus diesem Verständnis, dass § 226 I InsO im Sinne formaler Gleichbehandlung auszulegen ist. Denn § 222 II InsO bestimmt, in welcher Form eine interessengerechte Differenzierung im Sinne wirtschaftlicher Gleichbehandlung vorzunehmen ist, nämlich in der einer entsprechenden Gruppenbildung. Daneben bleibt kein Raum mehr für eine „Unter-Differenzierung“. Die par conditio creditorum verwirklicht sich im Planverfahren damit auf zwei Ebenen, die voneinander zu trennen sind: Im Rahmen des § 222 InsO ist nur eine wirtschaftliche Gleichbehandlung erforderlich; dadurch hat der Planersteller den nötigen Gestaltungsspielraum. Für § 226 I InsO bleibt folglich aber nur die Auslegung als ein strenges Gebot formaler Gleichbehandlung.289

bbb)  Konsequenz: Unzulässigkeit gruppeninterner Nachzüglerklauseln Aus dieser Auslegung des § 226 I InsO folgt die Unzulässigkeit von gruppeninternen Nachzüglerklauseln. Sie würden gegen das Gebot formeller Gleichheit innerhalb der Gläubigergruppen verstoßen.290

cc)  Nachzüglergruppe als mögliche Lösung Nach dem soeben Gesagten liegt eine andere Lösung allerdings auf der Hand. Möglich sind spezielle Regelungen über Nachzüglerforderungen durch die Bildung einer eigenen Gruppe.

aaa)  Möglichkeit entsprechender Gruppenbildung nach § 222 II 1 InsO § 222 II 1 InsO erlaubt eine Gruppenbildung anhand der unterschiedlichen wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger. Nicht angemeldete Forderungen sind im Regelverfahren wegen § 189 InsO und des hohen Risikos einer Restschuldbefreiung oder Verbandsbeendigung nicht mehr werthaltig. Diese wirtschaftliche 288  Andres/Leithaus, InsO, § 226 Rn. 1; Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 226 Rn. 1; Braun/Frank, in: Braun, InsO § 226 Rn. 1; Breuer, in: MüKo InsO, § 226 Rn. 2; Haas, in: HeidelbK InsO, § 226 Rn. 1; Jaffé, in: FK InsO, § 226 Rn. 3; Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 226 Rn. 3; Spahlinger, in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, § 226 Rn. 1 f.; Spliedt, in: Schmidt, InsO, § 226 Rn. 1; Thies, in: HambK InsO, § 226 Rn. 1. 289  Ähnlich argumentiert Haas, in: HeidelbK InsO, § 226 Rn. 2. 290  Soweit, aber auch nur soweit, ist BGH NJW 2015, 2660, 2662 und Madaus, in: MüKo InsO, § 254b Rn. 8 also zuzustimmen.



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Wertminderung ist somit ein nach § 222 II 1 InsO taugliches Differenzierungskriterium. Es kann daher eine Nachzüglergruppe gebildet und nach § 224 InsO die Durchsetzbarkeit dieser Forderungen ausgeschlossen werden. Stephan Madaus und der BGH erkennen diesen Unterschied in den wirtschaftlichen Interessen nicht an, sondern verweisen auf die „außerinsolvenzliche“ Rechtsstellung, die für alle Insolvenzgläubiger gleich sei; unterschiedliche wirtschaftliche Interessen seien deshalb nicht gegeben, weil durch eine verspätete Anmeldung „lediglich Verfahrensrechte“ verlorengingen.291 Dieses Verständnis steht jedoch im Widerspruch zu der Konzeption des § 222 InsO. Denn der Gesetzgeber selbst beruft sich bei der Gruppenbildung nicht nur auf die „außerinsolvenzliche“, sondern explizit auf die verfahrensinterne Rechtsstellung der Gläubiger. Das zeigen schon die im Wortlaut des § 222 I InsO herangezogenen Kriterien. Das Gesetz selbst knüpft hier, in §§ 222 I 2, 225 I InsO, an den wirtschaftlichen Wert von Forderungen aufgrund insolvenzrechtlicher Regelungen an, indem bei der Gruppenbildung an den von § 39 InsO festgelegten Nachrang angeknüpft und damit außerdem die nachteilige Regelung in § 225 I InsO verbunden wird. Noch deutlicher wird die entsprechende Gesetzesbegründung: „[Eine Verbesserung der Stellung aller Beteiligten] kann der Plan nur erreichen, wenn er die Rechtsstellung der Beteiligten im Insolvenzverfahren berücksichtigt. Bei den Gläubigern muß der Plan differenzieren zwischen den absonderungsberechtigten Gläubigern, soweit es um deren Recht auf Befriedigung aus der Sicherheit geht, den nicht nachrangigen Insolvenzgläubigern, die im Regelfall des Insolvenzverfahrens Aussicht auf eine quotale Befriedigung ihrer Forderung aus dem Verwertungserlös der Insolvenzmasse haben, und den verschiedenen Rangklassen der nachrangigen Gläubiger, die ohne einen Plan regelmäßig leer ausgehen.“292

„Regelmäßig leer ausgehen“ werden aber im Insolvenzverfahren gerade auch die Insolvenzgläubiger, die es versäumen, ihre Forderungen rechtzeitig anzumelden.293 Vor dem Hintergrund dieser Gesetzesbegründung zu § 222 I InsO ist daher die Bildung einer Nachzüglergruppe nach § 222 II 1 InsO sogar sehr naheliegend.

bbb)  Fiktion der Zustimmung in der Nachzüglergruppe nach § 245 I InsO Auch dass die Nachzügler per definitionem ihr Stimmrecht im Planverfahren nicht ausüben können steht der Zulässigkeit nicht entgegen; dies sorgt vielmehr 291  BGH

NJW 2015, 2660, 2662, Madaus, in: MüKo InsO, § 254b Rn. 8. – Der Verweis auf die „außerinsolvenzliche Rechtsstellung“ findet sich wörtlich nur bei Madaus, wird vom BGH aber durch das entsprechende Zitat übernommen, sowie durch den Hinweis, das Anmeldeversäumnis begründe allein den Verlust von Verfahrensrechten. 292  BT-Drucks. 12/2443, S. 199 (zu § 265) (Hervorhebungen von mir). 293  Vgl. oben c.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

für eine gerichtliche Überprüfung der Planregelung, die einen Missbrauch ausschließt, was sogar als zusätzliche Legitimation angesehen werden kann. Denn nach § 244 I InsO ist die Zustimmung aller Gruppen für den Annahmebeschluss erforderlich. Im Hinblick auf die Nachzüglergruppe kann eine solche Zustimmung nur im Wege der Fiktion nach § 245 I InsO erreicht werden, deren Voraussetzungen das Gericht bei der Entscheidung über die Planbestätigung zu prüfen hat, weil die Bestätigung nach § 248 I InsO die wirksame Annahme voraussetzt. Dabei wird zunächst durch § 245 I Nr. 3 InsO sichergestellt, dass eine Mehrheit der Gläubigergruppen dem Plan zustimmt. Weiterhin muss eine Schlechterstellung der Nachzügler i. S. d. § 245 I Nr. 1 InsO ausgeschlossen sein. Das ist nur der Fall, wenn durch den Plan der im jeweiligen Verfahren mindestens erforderliche Zeitraum bis zu einem Ausschluss nach § 189 InsO für die Bestimmung der „Nachzügler“ berücksichtigt wird. Demnach muss bis zum „Stichtag“ die Anmeldefrist (§ 28 I InsO) verstrichen sein, und der nach § 187 I InsO erforderliche allgemeine Prüfungstermin muss zumindest stattgefunden haben können, wofür die weitere Frist des § 29 I Nr. 2 Hs. 2 zu beachten ist; schließlich muss als weitere Anlehnung an § 189 I InsO eine zweiwöchige Frist ab dem Eintritt der Rechtskraft der Planbestätigung abgelaufen sein. Denn entgegen § 245 I Nr. 1 InsO würden die Nachzügler gegenüber dem Regelverfahren schlechter gestellt, wenn ihnen die durch §§ 188, 189 InsO eingeräumte „letzte Chance“ auf eine Geltendmachung genommen würde. Daher muss der Plan ebenfalls eine § 188 S. 2, S. 3 Hs. 2 entsprechende Bekanntgabe vorsehen, um die erforderliche Publizität herbeizuführen;294 das kann aber erst geschehen, nachdem der Plan wirksam geworden ist, was nach § 254 I InsO mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses der Fall ist.295 Wenn diese Fristen eingehalten werden, ist eine Schlechterstellung gegenüber dem Regelverfahren ausgeschlossen.296 Als letzte Voraussetzung des § 245 I InsO muss schließlich die Beteiligung der Nachzügler am wirtschaftlichen Wert „angemessen“ sein. Wann dieses Erfordernis des § 245 I Nr. 2 InsO erfüllt ist, sagt § 245 II InsO: Kein Gläubiger darf einen Wert erhalten, der den vollen Betrag seines Anspruchs übersteigt (Nr. 1), und die nachrangigen Insolvenzgläubiger297 und der Schuldner dürfen 294 

Der Planbestätigungsbeschluss wird nicht öffentlich bekannt gemacht, vgl. § 252 InsO. zu diesem Fristbeginn bei einer den §§ 188, 189 InsO entsprechenden Planregelung BGH NZI 2010, 734, 735. 296  Hingegen kann nicht eingewandt werden, die Nachzügler würden gegenüber der Regelung in § 254b InsO schlechtergestellt: § 245 I Nr. 1 InsO bezieht sich eindeutig auf einen Vergleich mit dem Verfahrensablauf „ohne Plan“. Das ist auch sachgerecht, weil es im Rahmen des § 245 I InsO nicht um einen Vergleich mit irgendwelchen hypothetischen Alternativplänen gehen kann. 297 Nach hier vertretener Ansicht zählen dazu auch die Mitglieder des Schuldner-Verbands. – Da nur Insolvenzgläubiger von einer Nachzüglerklausel erfasst werden können, sind Gläubiger „mit Nachrang“ gegenüber diesen nur die nachrangigen Insolvenzgläubiger. 295  Vgl.



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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gar keinen wirtschaftlichen Wert erhalten (Nr. 2), wobei zu beachten ist, dass dies nicht schon bei jeder Unternehmensfortführung der Fall ist.298 Dadurch wird sichergestellt, dass sich nicht die übrigen Gläubiger oder der Schuldner auf Kosten möglicher Nachzügler bereichern. Außerdem darf kein anderer Insolvenzgläubiger besser gestellt werden als die Nachzügler (Nr. 3). Dieser letzte Punkt wirft die Frage auf, ob nicht die übrigen Insolvenzgläubiger gegenüber den Nachzüglern bessergestellt werden, wenn sie nach dem Verteilungsverzeichnis quotal befriedigt werden, die Nachzügler hingegen nichts erhalten, und jede weitere Befriedigung ausgeschlossen ist. Allerdings kann der Vergleichsmaßstab dafür wiederum kein anderer sein als eine hypothetische Befriedigung im Regelverfahren. Bei einer Verteilung nach §§ 187 ff. InsO würden die übrigen Gläubiger eine Quote erhalten, die Nachzügler nichts. Genau das sieht auch die Nachzüglerregelung vor. Weiterhin stünde im Regelverfahren den übrigen Gläubigern ebenso wie den Nachzüglern das freie Nachforderungsrecht gemäß § 201 I InsO zu, wohingegen nach dem Plan die Forderungen über die planmäßige Befriedigung hinaus nicht mehr durchsetzbar sind. Jedoch wird insoweit niemand bessergestellt, weil dieser Ausschluss der Nachforderung für alle Insolvenzgläubiger gilt. Insgesamt werden damit die anmeldenden Gläubiger gegenüber den Nachzüglern nicht i. S. d. § 245 II Nr. 3 InsO bessergestellt.

ccc) Ergebnis Durch die Bildung einer Nachzüglergruppe kann die Geltendmachung nicht angemeldeter Forderungen ausgeschlossen werden. Der Plan muss dazu vorsehen, dass eine den §§ 188, 189 InsO entsprechende Möglichkeit zur „Nachmeldung“ der Forderungen besteht. Ist der entsprechende zeitliche Abstand zum Eröffnungsbeschluss eingehalten, steht einem zeitlichen oder dauerhaften Ausschluss der Durchsetzbarkeit der Nachzüglerforderungen nichts entgegen. Die notwendige Zustimmung in der Nachzüglergruppe wird nach § 245 I InsO fingiert. Inhalt der entsprechenden Regelung über die Insolvenzforderungen der Nachzügler ist dann in prozessualer Hinsicht ein Ausschluss von der Planverteilung, der Vollstreckungsmöglichkeit nach § 257 I InsO, sowie der Klagbarkeit in einem späteren Verfahren, und materiellrechtlich ein Aufrechnungsverbot, soweit eine Aufrechnungsbefugnis nicht schon nach §§ 94–96 InsO bestand. Die Durchsetzbarkeit der Forderungen wird dabei regelmäßig dauerhaft ausgeschlossen werden, möglich ist aber auch ein zeitweiser Ausschluss bzw. eine rein materiellrechtliche Stundung.299 Ein Anwendungsfall für eine nur zeit298  Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 245 Rn. 27 ff.; Drukarcyk, in: MüKo InsO, § 245 Rn. 74 ff. 299  Vgl. zur dogmatischen Einordnung solcher „Kürzungen“ oder „Stundungen“ oben § 4 B III 2 a.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

weise Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Nachzüglerforderungen könnte etwa sein, dass zunächst auf die angemeldeten Forderungen Ratenzahlungen erfolgen, bis eine bestimmte Tilgungsquote erreicht wurde; anschließend könnte dann eine weitere ratenweise Tilgung sämtlicher Forderungen bis zu einer weiteren Quote erfolgen. Eine Besserstellung der anmeldenden Gläubiger i. S. d. § 245 II Nr. 3 InsO ist auch in einem solchen Fall nicht gegeben, wenn der Umfang der vorzugsweisen Befriedigung auf die Summe begrenzt bleibt, die bei einer sofortigen Verteilung hätte erreicht werden können. Solange dieser „Abstand“ bei der Befriedigung nicht unterschritten wird, liegt eine Schlechterstellung der Nachzügler nicht vor, sodass einer Fiktion der Zustimmung der Nachzüglergruppe nichts entgegensteht.

dd)  Planverteilung und Nachhaftungsausschluss als Alternative Alternativ zur Bildung einer besonderen Gruppe kann die Durchsetzbarkeit von Nachzüglerforderungen mithilfe einer Kombination aus einer Verteilung entsprechend §§ 187 ff. InsO und einer Regelung zur Nachhaftung erreicht werden. Das Ergebnis entspricht auch in diesem Fall dem Ausgang des Regelverfahrens bei anschließender Restschuldbefreiung bzw. Verbandsbeendigung. Erreichen lässt sich das, indem der Plan neben der Haftungsbefreiung des Schuldners i. S. d. § 227 I InsO nicht nur eine Quote für die Insolvenzgläubiger festsetzt, sondern zusätzlich ein Verteilungsverfahren nach §§ 187 ff. InsO anordnet. Diese Schlussverteilung kann entweder nach § 258 I InsO vollständig dem Regelverfahren überlassen oder im Plan selbst geregelt werden. Erforderlich ist nur, dass die Verteilung aufgrund eines Verzeichnisses erfolgt, für das die in §§ 188, 189 InsO enthaltenen Anforderungen für die Aufnahme von Forderungen gelten. Würde der Plan nämlich keine solche „Nachfrist“ vorsehen, läge darin eine Benachteiligung der Nachzügler gegenüber dem Regelverfahren, die wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes und nach dem Rechtsgedanken der §§ 245 I Nr. 1, 251 I Nr. 2 InsO als unzulässige Planregelung zu werten wäre. Der Situation im Regelverfahren entsprechend wird dann das so erstellte Verzeichnis zum alleinigen Maßstab der planmäßigen Verteilung sowie möglicher späterer Verteilungen nach § 203 I InsO oder § 292 I 2 InsO.300 Für Vollstreckungen nach § 257 I InsO ist hingegen die Eintragung in die Tabelle maßgeblich, die durch eine Anmeldung bis spätestens zum Schlusstermin301 bewirkt werden kann  – sofern ein Schlusstermin stattfindet, ist diese Anmeldefrist planfest.

300 Die Planquote kann die tatsächliche Ausschüttung übersteigen, sodass Raum für weitere Verteilungen bzw. ein Restschuldbefreiungsverfahren bleibt. 301  Riedel, in: MüKo InsO, § 177 Rn. 10.



F.  Möglicher Vertragsinhalt – insbesondere: Nachzüglerklauseln

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Die eigentliche „Nachzüglerklausel“ besteht darin, dass das freie Nachforderungsrecht des § 201 InsO ausgeschlossen wird, was nach § 227 I InsO möglich ist. Damit werden die gerichtlichen Durchsetzungsmöglichkeiten aller Insolvenzforderungen auf die planmäßige Verteilung sowie die Vollstreckung nach § 257 InsO begrenzt und es wird eine Aufrechnung mit den Insolvenzforderungen ausgeschlossen, soweit nicht eine Aufrechnung im Regelverfahren nach §§ 94–96 InsO zulässig gewesen wäre – im Ergebnis bleiben insoweit nur die bis zum Verfahrensende angemeldeten Forderungen durchsetzbar. An dieser Stelle ist noch einmal zu betonen, dass der Ausschluss des freien Nachforderungsrechts ein allgemeines Risiko für nicht anmeldende Insolvenzgläubiger darstellt, sodass eine entsprechende Nachzüglerklausel keine systemwidrige oder unangemessene Benachteiligung begründet. Neben dem bereits erläuterten Schicksal dieser Forderungen im Regelverfahren belegt dies auch ein Vergleich mit allgemein anerkannten Gestaltungsmöglichkeiten für einen Insolvenzplan. So kann nämlich bei natürlichen Personen der § 227 I InsO gerade auch dazu dienen, die Voraussetzungen für eine Restschuldbefreiung abzusenken, was die Nachhaftung massiv einschränkt oder ganz ausschließt.302 Handelt es sich beim Schuldner hingegen um einen Verband, zeigt der Vergleich mit einer sog. „übertragenden Sanierung“303, dass ein Ausschluss der Nachhaftung eine mögliche Folge des Plans darstellt: Denn bei der „übertragenden Sanierung“ wird das Schuldnerunternehmen im Ganzen, das heißt das gesamte Verbandsvermögen, auf einen Erwerber übertragen. Dies kann durch Insolvenzplan geschehen,304 wobei es sich um einen sog. Liquidationsplan handelt. Die Folge ist dann, dass nach Ausschüttung des Erlöses aus dem Unternehmensverkauf der Verband vollkommen vermögenslos ist und beendet wird. Eine spätere Geltendmachung von Forderungen ist damit ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund kann es aber keinen Zweifel geben, dass eine Nachforderung ebenso ausgeschlossen werden können muss, wenn die Sanierung zugunsten eines besseren wirtschaftlichen Ergebnisses sozusagen „nicht einem Dritten, sondern dem Schuldner selbst“ übertragen wird.

3. Ergebnis Nachzüglerklauseln für Insolvenzgläubiger sind in zwei Formen zulässig: Es kann entweder eine eigene Nachzüglergruppe gebildet oder das freie Nachforderungsrecht des § 201 I InsO beschränkt werden. Im ersten Fall stützt sich die Regelung auf §§ 222 II 1, 224 InsO, im zweiten auf § 227 I InsO. Der „Aus302 

Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 130. der ursprünglich von Karsten Schmidt geprägte und auch heute noch überwiegend verwendete Begriff, vgl. Schmidt, ZIP 1980, 328, 336 f., und z. B. Ellenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 58 ff.; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 7. 304 Siehe Ellenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 58 ff. 303  So

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

schluss“ der Nachzügler erfolgt dabei durch die Anordnung einer „Plan-Verteilung“ auf Grundlage eines Verzeichnisses entsprechend §§ 188, 189 InsO in Kombination mit der Bestimmung, dass die Durchsetzbarkeit der insoweit nicht erfüllten Insolvenzforderungen begrenzt wird; letzteres kann entweder durch eine Regelung gem. § 224 InsO für die (dann zu bildende) Gruppe der Nachzügler erfolgen, oder durch einen nach § 227 I InsO zulässigen allgemeinen Ausschluss des Nachforderungsrechts aus § 201 I InsO. Für beide Konstellationen ist also erforderlich, dass entsprechend den §§ 188, 189 InsO eine öffentliche Bekanntmachung und die Möglichkeit einer Nachmeldung besteht. Als „Nachzügler“ darf nur behandelt werden, wer seine Forderung erst nach Ablauf der in § 189 I InsO genannten Zwei-Wochen-Frist geltend macht, wobei deren Lauf vor dem im Eröffnungsbeschluss festgelegten Zeitpunkt für den allgemeinen Prüfungstermin nicht beginnen darf (arg. e § 187 I InsO), und vor Eintritt der Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses nicht beginnen kann (§ 254 I InsO). Diese Nachmeldefrist muss eingehalten werden, um eine Schlechterstellung gegenüber dem Regelverfahren zu vermeiden; nur so kann eine Zustimmungsfiktion der Nachzüglergruppe über § 245 I InsO herbeigeführt bzw. der Ausschluss des Nachforderungsrechts mit dem Gleichbehandlungsgebot in Einklang gebracht werden. Da jedes Sanierungskonzept nur bis zu einer gewissen Obergrenze an planmäßigen Verteilungen und fortbestehenden durchsetzbaren Verbindlichkeiten funktioniert, sollte der Planersteller diese zweiwöchige Nachmeldefrist im Plan berücksichtigen. Dazu können entweder im Insolvenzplan bestimmte Summen festgelegt und die Quoten von den Eintragungen in dem zu erstellenden Verzeichnis abhängig gemacht werden, oder es kann die planmäßige Verteilung im Ganzen unter die auflösende Bedingung305 gestellt werden, dass bis zum Ende der Aufnahmefrist eine bestimmte Höchstsumme von angemeldeten Forderungen erreicht wurde. Welche Alternative günstiger ist, richtet sich danach, ob die Gläubiger lieber eine unsichere Quote oder eine „Alles-oder-Nichts“-Regel akzeptieren wollen. Dabei muss durch Nachzüglerklauseln die Durchsetzbarkeit entsprechender Forderungen nicht unbedingt endgültig ausgeschlossen werden. Vielmehr kann der Planersteller den vollen Gestaltungsspielraum von § 224 InsO und § 227 I InsO ausschöpfen. Von der Art der beabsichtigten Regelung wird es auch abhängen, auf welche Lösungsmöglichkeit zurückgegriffen wird. Sollen bei305 Aufgrund seiner Vertragsnatur kann ein Insolvenzplan Bedingungen enthalten (vgl. auch Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217, Rn. 44). Die Anerkennung einer auflösenden Bedingung widerspricht auch nicht der hier vertretenen Konstruktion der Bestandskraft des Plans mithilfe der Figur der prozessualen Überholung, denn soweit Planregelungen bedingt sind, kann keine „unverrückbare“ prozessuale Lage eingetreten sein. Allerdings gibt es in diesen Fällen stets auch unbedingte Planteile, indem nämlich zumindest eine vorläufige Regelung bis zum Bedingungseintritt getroffen sein muss (z. B. hier: keine Verwertung und Verteilung der Masse mehr im Regelverfahren). Wegen dieser Planinhalte ist somit dennoch die Geltendmachung von Mängeln insgesamt ausgeschlossen, da der Plan eine Einheit bildet.



G.  Insolvenzplan als Vergleich i. S. d. § 779 BGB

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spielsweise nach einer Planverteilung und dem anschließenden Ablauf einer „Schonfrist“ sämtliche (Rest-)Forderungen wieder unbeschränkt durchsetzbar werden, empfiehlt sich eine Regelung nach § 227 I InsO. Wenn hingegen die Nachzüglerforderungen auch nach Verfahrensaufhebung anders als die angemeldeten Forderungen behandelt werden sollen, wie es in dem oben genannten Beispiel von Ratenzahlungen bis zu unterschiedlichen Tilgungsquoten der Fall wäre, muss eine entsprechende Gruppeneinteilung erfolgen.

G.  Insolvenzplan als Vergleich i. S. d. § 779 BGB Wie schon für den Zwangsvergleich der KO und der VglO stellt sich auch für den Insolvenzplan die Frage, ob er als Vergleich i. S. d. § 779 I BGB zu qualifizieren ist.306 Innerhalb der Vertragstheorie wird diese Frage uneinheitlich beantwortet.307

I.  Ansichten in der Literatur Eine Einordnung nach § 779 I BGB ist zweifelhaft, wenn man den Schuldner nicht zwingend als Vertragspartner ansieht, weil damit das „klassische“ Gegenüber von Schuldner und Gläubigern fehlt, an das ein „gegenseitiges Nachgeben“ anknüpfen könnte. Ludwig Häsemeyer äußert sich zu dieser Frage allerdings nicht.308 Eberhard Braun hingegen lehnt konsequenterweise eine Einordnung des Insolvenzplans als Vergleich ab.309 Erkennt man hingegen richtigerweise die Stellung des Schuldners als Vertragspartner, erscheint ein gegenseitiges Nachgeben i. S. d. § 779 I BGB in der Form möglich, dass Gläubiger und Schuldner im Insolvenzplan Zugeständnisse machen. Horst Eidenmüller äußert dazu, dass der Insolvenzplan einen Vergleich darstellt, „sofern“ er eine Regelung enthält, „nach der der Schuldner plangemäß irgendwelche Leistungen an die Gläubiger oder Anteilsinhaber erbringen soll, diese ihrerseits dafür irgendwelche Rechtseinbußen in Kauf nehmen [...].“310 Damit bleibt allerdings offen, wann genau „der Schuldner plangemäß“ Leistun306  Der Zwangsvergleich wurde überwiegend als Vergleich i. S. d. § 779 I BGB eingeordnet, siehe dazu oben § 2 B IV 5 b dd (Literatur), § 2 B IV 5 c (Gesetzgeber der VglO) und § 2 B IV 5 d dd (Rechtsprechung). 307  Der Satz des Gesetzgebers „Der Plan ist kein Vergleich“ bezieht sich hingegen nicht auf die vertragliche Einordnung (siehe § 2 B V 2 a) und bleibt daher im Folgenden außer Betracht. 308  Zu dessen Modell siehe oben § 3 D I 2; zur Subsumtion unter § 779 I BGB schweigt der Autor, vgl. Häsemeyer, in: FS Gaul, S. 175, 177 ff.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rn. 28.67 ff. 309  Braun, in: Nerlich/Römermann, InsO, vor § 217 Rn. 78 (allerdings unter Nennung von „§ 794 BGB“); zu Brauns Theorie und Parallelfundstellen siehe oben § 3 D I 1. 310  Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 31.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

gen erbringt. Zweifelhaft ist dies insbesondere, wenn der Plan nur Verwertungsund Verteilungsregeln enthält, die vom Verwalter umzusetzen sind. Stephan Madaus kommt zu dem Ergebnis, der Insolvenzplan sei „typischerweise“ ein Vergleich.311 Seiner Meinung nach ist der Insolvenzplan insoweit ein Vergleich i. S. d. § 779 I BGB, als „in der Regel“ zumindest „nahezu jeder Gläubiger“ Rechtseinbußen hinnimmt; sollte dies jedoch nicht der Fall sein, so sei dies als „atypische Behandlung einzelner Gläubiger“ insgesamt „nicht prägend für den Vertragstypus [...].“312 Ein Nachgeben des Schuldners sieht Madaus in dessen „Anerkenntnis“ der „im Plan festgestellten Forderungen“.313 Letzteres ist jedoch falsch. In einem Insolvenzplan werden Forderungen weder festgestellt noch anerkannt. Die Feststellung der Forderungen erfolgt im Insolvenzverfahren in dem Anmeldeverfahren zur Tabelle nach §§ 174–186 InsO, das einer Regelung durch Insolvenzplan gerade entzogen ist.314 Aus dem Insolvenzplan ergibt sich auch nicht, welche Forderungen vom Schuldner „anerkannt“ werden, weshalb für die Vollstreckung nach § 257 I InsO zusätzlich die Tabelle erforderlich ist.315 Für den Schuldner kann Madaus das Nachgeben also nicht belegen. Hinsichtlich der Gläubiger muss es dabei bleiben, dass Madaus nur in „vielen Fällen“ ein Nachgeben bejahen kann, da es für die Bestimmung des Vertragstypus nicht darauf ankommt, was typischerweise, sondern was im konkreten Fall geregelt ist. Das Vorliegen der Definitionsmerkmale eines Vergleichs bejahen Harald Hess und Michaela Weis nach eigener Aussage „regelmäßig“, inhaltlich aber für alle Fälle des Insolvenzplans. Denn sie argumentieren, dass der Insolvenzplan „die Unwägbarkeiten des gesetzlichen Verfahrens“ beseitigt, und das gegenseitige Nachgeben darin liege, dass „die Beteiligten darauf verzichten, das Verfahren nach Maßgabe der gesetzlichen Regelungen abzuwickeln.“316 Diese Einordnung ist richtig, bedarf aber der Erläuterung.

II.  Vorliegen der Merkmale des § 779 I BGB und praktische Relevanz Ein Vergleich i. S. d. § 779 I BGB setzt die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis voraus; die in § 779 II BGB genannte Unsicherheit der Verwirklichung eines Anspruchs ist ein Unterfall dieser Konstellation und somit eine bloße Klarstellung.317 Als im Insolvenzverfahren bestehende Ungewissheit, die durch den Insolvenzplan beseitigt werden kann, kommt nur eine solche über die 311 

Madaus, Insolvenzplan, S. 430. Madaus, Insolvenzplan, S. 428 f. 313  Madaus, Insolvenzplan, S. 429. 314  Siehe oben F I 1 e. 315 Vgl. Lüer/Streit, in: Uhlenbruck, InsO, § 257 Rn. 5 und oben B I 2. 316  Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350. 317  Marburger, in: Staudinger, BGB, § 779 Rn. 26. 312 



G.  Insolvenzplan als Vergleich i. S. d. § 779 BGB

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Verwirklichung der Ansprüche gegen den Schuldner in Betracht, denn Gegenstand des Insolvenzplans ist die Befriedigung der Gläubiger (§ 1 S. 1 InsO). Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wird der Erfolg einer Durchsetzung der Ansprüche ungewiss, weil im Insolvenzverfahren regelmäßig nur eine quotale Befriedigung erreicht wird, und nach Abschluss des Verfahrens eine Beendigung des Schuldner-Verbands oder eine Restschuldbefreiung die weitere Durchsetzung hindern kann. Aufgrund des großen Verfahrensumfangs und der Abhängigkeit von wirtschaftlichen Prognosen ist der Verfahrensablauf und -ausgang äußerst unsicher.318 Indem der Plan verbindliche Regeln für die Verwertung und Verteilung der Masse aufstellt (§ 217 S. 1 InsO), beseitigt er diese Ungewissheiten mindestens teilweise. Sofern nicht sogar eine konkrete Höhe von Zahlungen festgesetzt wird, bestimmt der Plan zumindest Teile des weiteren Verfahrens, was dessen Ausgang und damit die Befriedigung besser vorhersehbar, also weniger ungewiss macht. Bevor auf das „gegenseitige Nachgeben“ eingegangen wird, ist an dieser Stelle zu betonen, dass der Grund für die Ungewissheit der Anspruchsverwirklichung i. S. d. § 779 II BGB wie gesehen in dem laufenden Insolvenzverfahren liegt. Das ist von entscheidender Bedeutung für die praktische Relevanz des § 779 I BGB. Denn die dort angeordnete Rechtsfolge der Unwirksamkeit des Vergleichsvertrags setzt einen Irrtum voraus, ohne den die „Ungewissheit [...] nicht entstanden sein würde.“ Die hier in Rede stehende Ungewissheit ist aber eine, die nach Insolvenzeröffnung immer vorliegt. Daher könnte ein nach § 779 I BGB beachtlicher Irrtum nur darin bestehen, dass ein Beteiligter das Insolvenzverfahren für eröffnet hielt, obwohl dies tatsächlich nicht der Fall war. Wenn das zuträfe, wäre aber der Insolvenzplan nicht erst aufgrund des § 779 I BGB unwirksam, sondern schon deshalb, weil für sein Zustandekommen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine notwendige Voraussetzung darstellt (vgl. § 1 S. 1 InsO). Aufgrund dieser Identität des einzigen nach § 779 I BGB relevanten „Unsicherheitsgrunds“ mit der unabdinglichen Plan-Voraussetzung eines eröffneten Insolvenzverfahrens ist die Rechtsfolge des § 779 I BGB auf den Insolvenzplan in keinem Fall anwendbar. Trotz der Bedeutungslosigkeit des § 779 I BGB als Nichtigkeitsgrund für den Insolvenzplan entbehrt die Frage, ob der Plan die Legaldefinition des Vergleichs in § 779 I BGB erfüllt, aber nicht der praktischen Relevanz. Denn nach § 1822 Nr. 12 BGB kommt bei Mitwirkung eines Vormunds am Vertragsschluss ein Genehmigungserfordernis in Betracht, wenn der Plan einen Vergleich dar318  Zutreffend und mit einigen Beispielen Hess/Weis, WM 1998, 2349, 2350; auch Madaus, Insolvenzplan, S. 427 begründet die Unsicherheit mit den Regelungen des Insolvenzverfahrens. Wenn hingegen Eidenmüller, in: MüKo InsO, § 217 Rn. 31 und Gaul, in: FS Huber, S. 1197, 1205 nur auf die Unsicherheiten in „der Insolvenz“ bzw. „der Insolvenzsituation“ verweisen, ist unklar, ob damit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners oder die Tatsache des eröffneten Insolvenzverfahrens gemeint ist.

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§ 5 Konstruktion des Insolvenzplans als Vertrag

stellt. Entsprechendes gilt bei Betreuung (§ 1908i I 1 BGB) und Pflegschaft (§ 1915 I 1 BGB). Daher ist die weitere Erörterung, ob beim Insolvenzplan ein „gegenseitiges Nachgeben“ vorliegt, nicht allein durch das akademische Interesse gerechtfertigt. Die Anforderungen an ein solches Nachgeben werden allgemein als gering bezeichnet, jedes Zugeständnis irgendeiner Art soll genügen.319 Hess und Weis nennen dafür den Verzicht auf das Regelverfahren. Tatsächlich wird durch jeden Insolvenzplan das Regelverfahren zumindest teilweise ausgeschlossen.320 Zu zeigen bleibt, dass darin ein beiderseitiges Nachgeben liegt. Das Insolvenzverfahren zielt auf eine bestmögliche Verwirklichung des gemeinschaftlichen Befriedigungsrechts der Gläubiger. Damit dient es sowohl dem Interesse der Gläubiger als auch dem des Schuldners.321 Besonders deutlich wird dies in § 60 I 1 InsO, der für den Insolvenzverwalter, dessen Handeln durch die Vorschriften der InsO bestimmt wird, eine Haftung nicht nur gegenüber den Gläubigern, sondern auch gegenüber dem Schuldner bestimmt. Wenn demnach in einem Insolvenzplan von den Normen der InsO abgewichen wird, liegt darin stets eine Abweichung von dem Schutz für alle Beteiligten, den das Regelverfahren bietet. Es wird also die Ungewissheit über den genauen Verfahrensablauf und -ausgang beseitigt, indem Gläubiger und Schuldner auf den Schutz, den das formalisierte Verfahren für beide Seiten gewährleistet, verzichten und damit „nachgeben“.

III. Ergebnis Der Insolvenzplan ist ein Vergleich i. S. d. § 779 I BGB. Ungewissheiten über den genauen Ablauf der Verwertung und deren Ausgang werden beseitigt, indem Gläubiger und Schuldner vereinbaren, dass vom Regelverfahren abgewichen wird. Damit verzichten sie auf den gesetzlichen Schutz, den die Normen der InsO allen Beteiligten bieten, und geben insoweit nach. Praktisch ist allerdings § 779 I BGB als Unwirksamkeitsgrund irrelevant, weil nur ein tatsächlich nicht laufendes Insolvenzverfahren als wahre Sachlage in Betracht käme, über die ein beachtlicher Irrtum der Beteiligten bestehen könnte; in diesem Fall wäre aber das Zustandekommen eines wirksamen Insolvenzplans von vornherein wegen § 1 S. 1 InsO ausgeschlossen. Bedeutsam ist die Einordnung des Insolvenzplans als Vergleich jedoch, wenn auf die Erklärung eines Vertragspartners der § 1822 Nr. 12 BGB Anwendung findet. 319 

Marburger, in: Staudinger, BGB, § 779 Rn. 27; Gröschler, in: Soergel, BGB, § 779 Rn. 25; Habersack, in: MüKo InsO, § 779 Rn. 26. 320  Siehe oben B I 7, 8. 321  Vgl. dazu die oben angestellten Überlegungen zum Effizienzgebot, das sich bei einem akzessorischen Befriedigungsrecht ergibt, und das seine Ausprägung sowohl in Rechten des Schuldners als auch solchen der Gläubiger finden kann (§ 4 B II 2 e bb).

§ 6 Gesamtergebnis Die Ergebnisse der vorangegangenen Untersuchung zur juristischen Konstruktion des Insolvenzplans lassen sich wie folgt zusammenfassen. 1. Der Insolvenzplan ist ein Vertrag1 zwischen dem Schuldner2 und den im Rahmen der Abstimmung über den Plan zustimmenden Gläubigern3 über eine Abweichung vom insolvenzrechtlichen Regelverfahren. Er ist ein Prozessvertrag in der Form eines Vollstreckungsvertrags; falls der Plan zusätzliche Regelungen enthält und diese materiellrechtlicher Natur sind, ist er gleichzeitig ein materiellrechtlicher Vertrag und besitzt damit eine Doppelnatur.4 Der Insolvenzplan ist ein Vergleich i. S. d. § 779 I BGB.5 2. Ein Insolvenzplan regelt stets eine Modifikation der Masseverwertung und -verteilung nach dem insolvenzrechtlichen Regelverfahren, muss sich darauf aber nicht beschränken: Die nach §§ 243–246a InsO zustimmenden Gläubiger können darüber hinaus mit dem Schuldner für die Zeit nach der Beendigung des Verfahrens eine Begrenzung der Durchsetzbarkeit der Ansprüche sämtlicher am Verfahren beteiligter Gläubiger vereinbaren (§§ 223 II, 224, 225 I, II, 227 I InsO) und in der Insolvenz eines Verbandes diesen durch den Plan gesellschaftsrechtlich umgestalten (§ 217 S. 2, 225a III InsO).6 Zudem sind auch außerhalb der Mehrheitsmacht liegende Regelungen jeder Art inklusive einer Beteiligung Dritter möglich; der Plan muss nur irgendeine Abweichung vom insolvenzrechtlichen Regelverfahren enthalten, und alle Regelungen müssen sich auf die Befriedigung der Gläubiger beziehen (§§ 1 S. 1, 217 S. 1 InsO).7 3. Die größte Schwierigkeit der vertraglichen Konstruktion des Insolvenzplans besteht in der Beantwortung der Frage, wie ein Teil der Gläubiger mit dem Schuldner eine Vereinbarung treffen kann, die auch gegenüber den anderen Gläubigern und dabei potentiell zu deren rechtlichem Nachteil wirkt. Die Erklärung für diese Rechtsmacht der zustimmenden Gläubiger leitet sich aus einer Gemeinschaft der Gläubiger ab: Die Gläubiger sind gemeinschaftlich Inhaber 1 

Siehe dazu § 2 C II und ausführlich § 3. § 3 D I. 3  § 5 C III, zu den Grundlagen: § 4 D I und II 1, 2. 4  § 5 B, F I 1, 2. 5  § 5 G. 6  § 4 B III, § 5 F I 1, 2. 7  § 5 C II 1 und F I 3 a. 2 

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§ 6 Gesamtergebnis

einer besonderen Regelungsbefugnis8, und in der Abstimmung über den Plan liegt sowohl ein Beschluss über deren Gebrauch als auch die Ausführung dieses Beschlusses durch entsprechende Erklärungen nach außen; die interne Stimmabgabe fällt hier mit der außenwirksamen Erklärung zusammen.9 Im Einzelnen lässt sich das mit den Grundsätzen dieser Gläubigergemeinschaft erklären. Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens entsteht ein Recht auf Befriedigung aus der Insolvenzmasse. Dieses Recht steht den sämtlichen absonderungsberechtigten Gläubigern und Insolvenzgläubigern (zu denen ggf. als letztrangig Berechtigte auch die Mitglieder des insolventen Verbandes gehören) gemeinschaftlich zu, sodass diese Gläubiger nach § 741 BGB eine Bruchteilsgemeinschaft bilden. Auf eine aktive Verfahrensteilnahme kommt es insoweit nicht an, es verwirklicht sich vielmehr die „Universalität des Insolvenzverfahrens“. Das Befriedigungsrecht ist die Grundlage sowohl der Durchführung des Insolvenzverfahrens, das nämlich auf seine Verwirklichung abzielt, als auch weiterer gemeinschaftlicher Rechte der Gläubiger, zu denen unter anderen die Befugnisse im Planverfahren zählen. Über die Ausübung dieser Rechte entscheiden die Gläubiger, weil es sich dabei um die Verwaltung des Befriedigungsrechts handelt, durch Beschluss (§ 745 I 1 BGB, § 76 II InsO). Die gemeinschaftlichen Befugnisse und ihre Ausübung sind gemeint, wenn von der insolvenzrechtlichen „Verfahrensherrschaft der Gläubiger“ die Rede ist. Zudem gilt innerhalb der Bruchteilsgemeinschaft der Grundsatz der Gleichbehandlung, was das insolvenzrechtliche Prinzip der par conditio creditorum erklärt. Die Bruchteilsgemeinschaft der Gläubiger an dem insolvenzrechtlichen Befriedigungsrecht liefert somit die rechtliche Begründung der Prinzipien des Insolvenzverfahrens.10 Ebenfalls aus der Bruchteilsgemeinschaft rechtfertigen sich die Befugnisse der Gläubiger im Planverfahren. Denn die gemeinschaftliche Regelungsbefugnis betrifft zum einen die Durchführung des Regelverfahrens, insbesondere die Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (wobei gesellschaftsrechtliche Gestaltungen des Schuldner-Verbands eine besondere Art der Verwertung darstellen), und zum anderen die Möglichkeit zur Begrenzung der Durchsetzbarkeit von Gläubigeransprüchen nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Der erste Aspekt leitet sich unmittelbar aus dem gemeinschaftlichen Befriedigungsrecht ab, indem die Masseverwertung und -verteilung im Regelverfahren auf dessen Verwirklichung gerichtet ist. Die zweitgenannte Befugnis spiegelt hingegen die im Regelverfahren geltenden Beschränkungen der Durchsetzbarkeit von Gläubigeransprüchen außerhalb des Insolvenzverfahrens (insb. §§ 87–89, 94–96 InsO). Ein solcher Eingriff in die Gläubigerrechte rechtfertigt sich aus 8 

§ 4 B III. Siehe dazu grundsätzlich § 4 D I und II 1, 2, und für den Plan § 5 C III. 10  Zu all diesen Merkmalen der Gläubigergemeinschaft ausführlich § 4. 9 



§ 6 Gesamtergebnis

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innergemeinschaftlichen Pflichten als Ausdruck des Gleichbehandlungsgebots und als Folge der Mehrheitsbeschlüsse über die Verwertung.11 Der Gleichbehandlungsgrundsatz gilt außerdem auch für die Planregelungen selbst. Die danach gebotenen Differenzierungen werden im Rahmen der Gruppenbildung nach § 222 InsO vorgenommen, innerhalb der Gruppen erfolgt hingegen nach § 226 I InsO eine formale Gleichbehandlung.12 Die Erklärungen zum Abschluss des Vertrags und damit zur Ausübung dieser Regelungsbefugnisse werden im Rahmen der Abstimmung über den Plan abgegeben. Die Stimmen der Gläubiger sind dabei rechtlich in zweifacher Hinsicht relevant: Erstens als gemeinschaftsinterne Erklärungen für eine Beschlussfassung über die Ausübung dieser Rechte, und zweitens als nach außen gerichtete Zustimmung zum Vertrag bzw. als dessen Ablehnung. Somit bringt die Abstimmung einen Beschluss hervor, der die Grundlage für die außenwirksamen Erklärungen bildet, indem er eine Ermächtigung der Teilhaber zu einer entsprechenden Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte bewirkt. Rechtlich wirksam werden daher ausschließlich jene Vertragserklärungen, die inhaltlich dem Mehrheitsbeschluss entsprechen, weil nur diese Erklärungen mit der erforderlichen Rechtsmacht abgegeben werden.13 Planregelungen, die über den gemeinschaftlichen Rechtskreis der Gläubiger hinausgehen, erfordern hingegen die persönliche Zustimmung der Betroffenen. Daher werden Einzelerklärungen von Gläubigern notwendig, wenn vom Gleichbehandlungsgebot abgewichen (§ 226 II InsO) oder die Grenze für Eingriffe in die Rechte der Gläubiger gegenständlich überschritten wird (§ 230 I 2, II InsO, ggf. analog). Planregelungen zulasten Dritter sind nur mit deren persönlicher Zustimmung möglich (§ 230 III InsO, ggf. analog).14 4. Im Gegensatz zum Prozessvergleich nach § 794 I Nr. 1 ZPO beendet der Insolvenzplan nicht das laufende Verfahren, sondern bildet die Grundlage für den Fortgang des Insolvenzverfahrens. Er unterliegt daher der prozessualen Überholung, nach der Bestätigung des Plans können deshalb Mängel nicht mehr geltend gemacht werden.15 5. Aufgrund der erhöhten Bestandskraft des Insolvenzplans bei möglicherweise einschneidenden Wirkungen gegenüber den Vertragspartnern ist zu deren Schutz eine hoheitliche Überprüfung geboten. Deshalb ist nach § 248 I InsO die gerichtliche Bestätigung des Insolvenzplans erforderlich. Der Plan wird erst mit der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses wirksam (§ 254 I InsO), sodass im Rahmen des Bestätigungsverfahrens geprüft werden kann, ob der 11 

Zu den Regelungsbefugnissen und ihrer Herleitung siehe § 4 B III. § 5 F II 2 d bb aaa. 13  Dazu ausführlich § 4 D I, II 1, 2, zur Anwendung auf den Insolvenzplan § 5 C III. 14  § 5 C II 1 und F I 3 a. 15  § 5 E. 12 

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§ 6 Gesamtergebnis

Vertragsschluss und -inhalt den gesetzlichen Vorgaben entspricht.16 Es handelt sich dabei um einen hoheitlichen Mitwirkungsakt an dem Vertrag, der dessen Rechtsnatur unberührt lässt.17 6. Nachzüglerklauseln zum Nachteil von Insolvenzgläubigern, die ihre Forderungen nicht angemeldet haben, sind zulässig. Solche Regelungen müssen sich an §§ 188, 189 InsO orientieren, indem sie an eine öffentliche Bekanntmachung und eine mindestens zweiwöchige Nachmeldefrist anknüpfen. Für die bis zum Ablauf dieser Frist nicht geltend gemachten Insolvenzforderungen können im Plan gesonderte Regelungen getroffen werden, indem nach § 222 II 1 InsO eine entsprechende Gruppe gebildet wird. Möglich ist auch eine auf § 227 I InsO gestützte Begrenzung des freien Nachforderungsrechts (§ 201 I InsO) mit der Folge, dass ein nach dem Plan zu erstellendes Verzeichnis entsprechend §§ 188, 189 InsO die alleinige Grundlage für Verteilungen bildet.18

16 

§ 5 D. Und nicht etwa um einen gerichtlichen Gestaltungsakt, siehe § 3 B. 18  Zu der Zulässigkeit und den Gestaltungsmöglichkeiten von Nachzüglerklauseln siehe § 5 F II. 17 

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Sachverzeichnis Absonderungsberechtigte Gläubiger 188 ff. Abstimmung siehe Beschluss und Stimmrecht Anfechtung – von Erklärungen 239, 279 ff. – zur Insolvenzanfechtung siehe dort Anmeldung von Insolvenzforderungen 35 f., 214, 29 Anteilsinhaber 196 ff.; siehe auch Gesellschaftsrecht Aufhebung des Insolvenzverfahrens siehe Verfahrenseröffnung und -beendigung Aufrechnung 176 f., 270 Ausgleichsprinzip 13, 22 f., 26 siehe auch Gleichbehandlungsgrundsatz Bankruptcy Code 94, 102 f. Bedingungen im Insolvenzplan 258, 294, 316 Befriedigungsrecht 150 ff. Befugnisse der Gläubiger siehe gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger Befugnisse des Insolvenzverwalters siehe Insolvenzverwalter Beschlagnahme der Insolvenzmasse 153 ff. Beschluss als Privatrechtsgeschäft – Definition 215 ff. – in der Bruchteilsgemeinschaft 218 ff. – im Gesellschaftsrecht 216 ff. – in der Erbengemeinschaft 216,220. – in der Gläubigerversammlung 224 ff., 264 ff. Bestandskraft des Insolvenzplans siehe Fehler im Planverfahren Bestätigung des Insolvenzplans 114 ff., 275 ff., 296

Cessio bonorum – im römischen Recht 8 f. – im Gemeinen Recht Italiens 15 – im Gemeinen Recht Spaniens 18 f. – im Gemeinen Recht Deutschlands 23 f. Code de Commerce von 1807 26, 44 f., 56, 60 ff. Concursus 18 ff., 41 Concordat 44 Concordato 43 f. Dritte als Vertragspartner 247 f., 257 ff., 284 f., 295 Einzelvollstreckung 7, 9 ff., 26, 151, 164 f., 169, 171, 178, 189 ff., 193 ff., 290 f. Empfangszuständigkeit 236 f., 256 f. Entschuldungsplan 49 f. Erlass siehe Kürzung von Forderungen Eröffnung des Insolvenzverfahrens siehe Verfahrenseröffnung und -beendigung Ermächtigung 221 f., 236 f. Ernst Jaeger 86 ff. ESUG 104 ff. Fehler im Planverfahren 279 ff. Formvorschriften und Insolvenzplan 298 ff. Freigabe 159 f., 202, 287 ff. Gemeinschaft der Gläubiger – Motive zur KO 55 ff. – Urteilstheorie 66 f. – Sui-generis-Theorie 69 f. – Rechtsnormtheorie 71 – Vertragstheorie 77 ff., 128, 131, 133 ff. – Vertragstheorie nach dieser Arbeit 110, 145 ff.

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Sachverzeichnis

Gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger 150 ff., 225 ff. Gerichtliche Bestätigung siehe Bestätigung des Insolvenzplans Gerichtsmacht 27 ff., 31 f.; siehe auch publizistisches Prinzip Geschäftsaufsicht 46 f. Gesamtvollstreckungsordnung 33, 48 Gesellschaftsrecht 182 f., 200 ff., 291, 293 f. Gläubigerautonomie 108 ff.; siehe auch Verfahrensherrschaft der Gläubiger Gläubigerausschuss 228, 237, 239 Gläubigergemeinschaft siehe Gemeinschaft der Gläubiger Gleichbehandlungsgrundsatz 141, 165 f., 167 f., 178 f., 306 ff., 310 Gruppeneinteilung 138 ff., 264 f., 309 ff. Haftung von Gesellschaftern 196, 291 Inhalt eines Insolvenzplans 248 ff., 285 ff. Insolvenzanfechtung 184 f., 251, 292 Insolvenzbeschlag siehe Befriedigungsrecht, Beschlagnahme und Verstrickung Insolvenzgericht – zur Entwicklung der Befugnisse siehe privatrechtliches und publizistisches Prinzip. – zur Bestätigung des Insolvenzplans siehe dort – Sonstige Tätigkeit 155 f., 233 ff., 242 f. Insolvenzgläubiger 167 f., 187 f. Insolvenzplanverfahren 2 f., 256 ff. Insolvenzrechtsreform 29 ff., 93 ff., 203 ff. Insolvenzverwalter – zur Historie siehe Verwalter in anderen Verfahren – Rechtsstellung 156 ff. – Rechte und Pflichten 158 ff., 189 f., 227, 250 ff. Jaeger siehe Ernst Jaeger Konkordat 43 Kürzung von Forderungen 173 ff., 252

Labyrinthus creditorum 18 ff. Landwirtschaftshilfe 48 ff. Liquidation von Verbänden siehe Gesellschaftsrecht Liquidationsplan siehe Inhalt eines Insolvenzplans Massearmut 104 f., 194 ff. Massegläubiger 192 ff. Mehrheitsprinzip 138 ff., 166 f., 169 f., 171 f. Minderheitenschutz 115, 242 f., 275 ff. Missio in bona – im römischen Recht 7 ff. – im Gemeinen Recht Italiens 15 – im Gemeinen Recht Spaniens 18 – im Gemeinen Recht Deutschlands 23 f. Moratorium 38; siehe auch Zwangsstundung Motive zur Konkursordnung 54 ff. Nachrangige Insolvenzgläubiger 167 f., 187 f., 207 ff. Nachzügler 106 f., 302 ff. Par conditio creditorum siehe Gleich­ behandlungsgrundsatz Plangaranten siehe Dritte Planvorlage 261 ff. Preußische Konkursordnung von 1855 27 f. Prioritätsprinzip 13, 22 f., 26 Privatrechtliches Prinzip – siehe auch Verfahrensherrschaft der Gläubiger – zum Begriff 5 – im römischen Recht 13 f. – im italienischen Statutarrecht 20 f. – im Code de Commerce von 1807 27 – in der Preußischen Konkursordnung von 1855 27 – in der Reichskonkursordnung 28 – in der Insolvenzordnung 31 ff. Prozesshandlungen 225 ff. Prozessuale Überholung 239 f., 282 ff. Publizistisches Prinzip – zum Begriff 5

Sachverzeichnis

– im spanischen concursus-Verfahren 19 ff. – im Gemeinen Recht Deutschlands 24 ff. Publizitätsakte und Insolvenzplan 301 f. Quinquinelle 41 Rechte der Gläubiger siehe Befriedigungsrecht und gemeinschaftliche Rechte der Gläubiger Rechtsnormtheorie – zum Zwangsvergleich 71 – zum Insolvenzplan 113 Rechtsinstitut eigener Art siehe ­Sui-generis-Theorie Rechtsprechung – zum Zwangsvergleich 89 ff. – zum Insolvenzplan 113, 126 f., 302 ff. Rechtsvergleichung 102 f., 119 Regelungsbefugnisse der Gläubiger 171 ff., 297 f. Rücknahme von Erklärungen im ­Planverfahren 238 f., 259, 262 ff., 270 ff. Salgado de Somoza 18 ff. Sanierungsplan siehe Inhalt eines Insolvenzplans und Nachzügler Spanisches concursus-Verfahren 18 ff. Statutarrecht Oberitaliens im Mittelalter 14 ff., 20 ff., 43 f. Stundung siehe Kürzung von Forderungen Stimmrecht 241 f., 265 ff. Stellvertretung 74 f., 132 f., 157, 219 ff., 235 Sui-generis-Theorie – zum Zwangsvergleich 68 ff. – zum Insolvenzplan 125 ff. Übertragende Sanierung siehe Inhalt eines Insolvenzplans und Nachzügler Universalitätsprinzip – im römischen Recht 12 – im spanischen concursus 20 ff. – im modernen Insolvenzrecht 35 f., 109 f., 154, 178

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Urteilstheorie – zum Zwangsvergleich 64 ff. – zum Insolvenzplan 114 ff. Verfahrenseröffnung und -beendigung 28 f., 36, 249 Verfahrensherrschaft der Gläubiger – siehe auch privatrechtliches Prinzip – im römischen Recht 13 f. – im italienischen Statutarrecht 20 f. – im Code de Commerce von 1807 27 – in der Preußischen Konkursordnung von 1855 27 – in der Insolvenzordnung 31 ff., 108 ff., 147 ff. Verfahrensleitender Insolvenzplan 248, 255; siehe auch Inhalt eines Insolvenzplans Verfügungen über Massegegenstände im Insolvenzplan 259 ff., 295 f. Vergleich i. S. d. § 779 BGB 317 ff. Vergleichsordnung 46 Verstrickung 156, 159 f., 296; siehe auch Freigabe und Verfahrensbeendigung Verteilung 159, 289 f. Vertrag 228 Vertragshilfe 51 ff., 103 f. Vertragsparteien beim Insolvenzplan 127 ff., 247 f., 257 ff. Vertragstheorie – zum Zwangsvergleich 54 f., 58 ff., 72 ff., 89 ff. – zum Insolvenzplan 98 ff., 107, 126 ff. – in dieser Arbeit 111, 144 ff. Verwalter in anderen Verfahren – im römischen Recht 7 – in italienischen Statuten 17 – im spanischen concursus-Verfahren 19 – im Gemeinen Recht Deutschlands 24 – im Code de Commerce von 1807 27 – in der Preußischen Konkursordnung von 1855 27 – in der Reichskonkursordnung 28 Verwertung der Insolvenzmasse 189 f., 242 f., 287 ff. Vis attractiva 20, 24, 28, 37

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Sachverzeichnis

Vollstreckung durch Gläubiger außerhalb des Insolvenzverfahrens siehe Einzelvollstreckung Vollstreckungsvertrag 252 ff., 290 f. Vorlage des Insolvenzplans siehe ­Planvorlage Vorläufer des Insolvenzplans 37 ff., 95 ff., 109 Widerruf siehe Rücknahme

Zustimmung zum Insolvenzplan – Gläubiger als Teilhaber der Bruchteilsgemeinschaft 264 ff. – Schuldner 99 ff., 127 ff., 257 ff., 262 f., 274 – Dritte und einzelne Gläubiger 257 ff., 297 f. Zwangserlass 39, 41 f. Zwangsstundung 39, 41 ff. Zwangsvergleich 41 f., 45 ff.