Die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren [1 ed.] 9783428581276, 9783428181278

In sämtlichen Bereichen der Naturwissenschaften, Technik und Medizin sind Entscheidungsträger in Staat und Zivilgesellsc

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Die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren [1 ed.]
 9783428581276, 9783428181278

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1439

Die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren

Von

Johannes Schulte

Duncker & Humblot · Berlin

JOHANNES SCHULTE

Die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 1439

Die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren

Von

Johannes Schulte

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Leibniz Universität Hannover hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2020 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 978-3-428-18127-8 (Print) ISBN 978-3-428-58127-6 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2020 von der Juristi­ schen Fakultät der Leibniz Universität Hannover als Dissertation angenom­ men und für die Drucklegung geringfügig überarbeitet. Inhaltlich befindet sich die Arbeit auf dem Stand ihrer Abgabe im August 2019. Später erschie­ nene Rechtsprechung und Literatur sind nicht mehr berücksichtigt worden. Allen voran gilt mein besonderer Dank meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Veith Mehde, Mag. rer. publ. Er hat im Studium mein Interesse am wis­ senschaftlichen Arbeiten geweckt und mir im Anschluss an meine Lehr­ stuhlbeschäftigung als studentische Hilfskraft die Möglichkeit gewährt, mein Promotionsvorhaben parallel zum Referendariat und Berufseinstieg voranzu­ treiben und abzuschließen. Herrn Prof. Dr. Timo Rademacher, MJur (Oxon) danke ich für die Über­ nahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Beim Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat bedanke ich mich für die Gewährung eines großzügigen Druckkostenzuschusses. In meinem privaten Umfeld habe ich stets viel Zuspruch für die Arbeit an diesem Buch erhalten. Hier gebührt mein Dank insbesondere Lara Weßling und Andreas Schulte, die die Mühe des Korrekturlesens auf sich genommen haben. Meinen Eltern danke ich für die Förderung meines Studiums, durch das die Grundlage für die Entstehung dieser Arbeit gelegt wurde. Mein größter Dank gilt meiner lieben Frau Celina Schulte. Sie hat nach den intensiven Vorbereitungs- und Prüfungsphasen beider Staatsexamina auch meine berufsbegleitende Dissertation ab der ersten Themenidee durch Wort und Tat maßgeblich unterstützt. Ihr und unseren Kindern ist dieses Buch gewidmet. Essen, im Juli 2020

Johannes Schulte

Inhaltsverzeichnis

§ 1 Einleitung 

A. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Wissensasymmetrien in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Legitimation und Legitimität sachverständiger Stellen . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit und außerjuridische Expertise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 2 Grundlegung 

A. Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Erfasste Verfahrenstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anlagenzulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Risikoverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Qualitätssicherungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bedeutung der verschiedenen Verfahrenstypen im Rahmen der Unter­ suchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Hoheitliche Einbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwaltungsseitige Tätigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwaltungssubstituierende Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufgaben in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Belangwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Antragsteller  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 25 26 29 30 31 35 40 40 40 42 42 43 44 45 46 47 48 48 49 50 52 53 53 54 55 55 56 58

8 Inhaltsverzeichnis 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit im Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erstellen des Entscheidungsbeitrags  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kontrollmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Entscheidungsbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kontrollzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 3 Beratende sachverständige Stellen 

A. Zur Auswahl der Referenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtGim atomrechtlichen Genehmi­ gungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Genehmi­ gungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme . . . . . . . . . 2. Behandlung der Stellungnahme durch die Genehmigungsbehörde . . . a) Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Tätigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit der ZKBS in den Genehmigungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme . . . . . . . . . 2. Behandlung der Stellungnahme durch die Genehmigungsbehörde . . . a) Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Überprüfung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

59 60 62 62 63 64 66 66 67 68 69 71 71 75 75 76 78 79 84 91 91 96 96 98 100 103 104 105 106 111 111 115 119 120 125 125 129 131 134

Inhaltsverzeichnis9 D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) im Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben . . . . . . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Antrags und Abgabe einer Stellungnahme . . . . . . . . . . . 2. Behandlung der Stellungnahme durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

136 136 138 141 142 146 152 152 157 157 159 162 165 166 169

A. Zur Auswahl der Referenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 B. Die Bundesnetzagenturim Planfeststellungsverfahren für länderübergreifen­ de und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 IV. Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren . . . . . . . 187 1. Durchführung des Planfeststellungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMGim nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Tätigkeit des Gegensachverständigen im Zulassungsverfahren . . . . . . . . 216 1. Prüfung und Beurteilung des Zulassungsantrags . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

10 Inhaltsverzeichnis VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahrenfür Hoch­ risiko-Medizinprodukte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit der Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren . . 1. Durchführung der Konformitätsbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 4 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen 

A. Zur Auswahl der Referenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) im Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit des BAF im Prüfverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme . . . . . . . . . 2. Behandlung der Stellungnahme durch die BImSchG-Genehmi­ gungsbehörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die anerkannten Umweltverbändebei der Planfeststellung von ­Fernstraßenvorhaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Tätigkeit der anerkannten Umweltverbände im Planfeststellungs­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prüfung des Plans und Erstellung einer Stellungnahme . . . . . . . . . . .

227 228 229 231 235 236 240 243 243 250 252 255 256 260 260 264 265 266 268 269 271 275 276 282 282 285 286 287 288 289 290 294 294 298 303 303

Inhaltsverzeichnis11 2. Behandlung der Stellungnahme durch die Planfeststellungsbehörde . 306 a) Rechtliche Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 b) Praktische Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 D. Die Ethik-Kommissionenbei der Genehmigung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 I. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 II. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 IV. Tätigkeit der Ethik-Kommissionen im Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . 333 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme . . . . . . . . . 333 2. Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 V. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 VI. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen 346

A. Rechtlicher Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 I. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 II. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 1. Rechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 a) Reichweite und Grenzen der Prüf- und Entscheidungskompeten­ zen sachverständiger Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich konzipierte Zulassungs­ verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 2. Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 3. Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 B. Einbindungsmodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 I. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 II. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 1. Rechtliche Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 a) Einbindung sachverständiger Stellen als Verfassungsgebot . . . . . 362 b) Primat des Rückgriffs auf verwaltungsinterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 c) Demokratische Legitimation  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 aa) Herkömmliches Legitimationsverständnis  . . . . . . . . . . . . . . 367 (1) Ausübung von Staatsgewalt als Legitimationsobjekt . . . 368 (2) Legitimationsmodi und Legitimationsniveau . . . . . . . . . 368 bb) Übertragbarkeit auf Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370

12 Inhaltsverzeichnis (1) Legitimationsbedürftigkeit privater Entscheidungsbei­ träge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dogmatischer Anknüpfungspunkt und Umsetzung des Legitimationserfordernisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Legitimation sachverständiger Stellen – Ansatz des „Legi­ timationsbeitrags“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Legitimationsbeitrag der untersuchten Einbindungsmodi . . . (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen . . . . . (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen  . . . . (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbindungspublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verwirklichung bei obligatorischen Einbindungsmodi . . . . . bb) Offenlegungspflicht bei fakultativen Einbindungsmodi? . . . (1) Aussagen im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Obligatorische und fakultative Einbindungsmodi . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Entscheidungsbefugte und entscheidungsvorbereitende sach­ verständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aktuelle Entwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nochmals: Publizität der fakultativen Einbindung externer ­sachverständiger Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Vorstrukturierung des Besetzungsverfahrens von Kollegial­ gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Fachkompetenz sachverständiger Stellen als rechtliches Gebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . .

370 372 374 376 376 377 378 378 379 379 382 382 385 386 387 389 390 391 392 393 395 397 397 399 400 401 401 401 404 404 404 405

Inhaltsverzeichnis13 (2) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . 406 bb) Mechanismen zur Gewährleistung von Fachkompetenz . . . . 407 (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen . . . . . 407 (a) Durch Einrichtung und Organisation . . . . . . . . . . . . 407 (b) Durch gesetzliche bzw. untergesetzliche ­Vorgaben . 409 (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen  . . . . 411 (a) Durch gesetzliche bzw. untergesetzliche Vorgaben . 412 (b) Durch Anerkennungs-, Benennungs-, Berufungsund Registrierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 (c) Durch Einzelfallprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 cc) Legitimationsbeitrag der untersuchten Mechanismen zur Gewährleistung von Fachkompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen . . . . . 420 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . 420 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen  . . . . 422 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . 423 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 aa) Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sachverständi­ ge Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 bb) Entscheidungsbefugte und entscheidungsvorbereitende sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 cc) Vergleich mit anderen naturwissenschaftlich-technisch geprägten Rechtsgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 c) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 429 II. Unabhängigkeit  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 430 2. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Rechtliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 aa) Unabhängigkeit sachverständiger Stellen als rechtliches Gebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 (1) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . 433 (2) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . 434 bb) Mechanismen zur Gewährleistung von Unabhängigkeit . . . . 436 (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen . . . . . 437 (a) Durch (Grund-)Rechts- und Gesetzesbindung  . . . . 437

14 Inhaltsverzeichnis (b) Durch Vermeidung des „bösen Scheins“ . . . . . . . . . 438 (aa) Betätigungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 (bb) Abstands- und Distanzgebote . . . . . . . . . . . . . . 440 (cc) Trennungsgebote? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 443 (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen  . . . . 444 (a) Durch gesetzliche bzw. untergesetzliche ­Vorgaben . 444 (aa) (Grund-)Rechts- und Gesetzesbindung . . . . . . 445 (bb) Statuierung konkreter Ge- und Verbote im Fachrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 (cc) Vermeidung des „bösen Scheins“ durch Rückgriff auf die §§ 20, 21 VwVfG  . . . . . . . . 451 (dd) Plurale Besetzung von Kollegialgremien  . . . . 452 (b) Durch Anerkennungs-, Benennungs-, Berufungsund Registrierungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 (c) Durch Einzelfallprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 453 cc) Legitimationsbeitrag der untersuchten Mechanismen zur Gewährleistung von Unabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 454 (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen . . . . . 454 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . 454 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen  . . . . 456 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . 456 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 aa) Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sachverstän­ dige Stelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 bb) Entscheidungsbefugte und entscheidungsvorbereitende sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 c) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 aa) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . 460 (1) Veröffentlichung ministerieller Weisungen . . . . . . . . . . . 460 (2) Dokumentation der Überprüfung von Voten externer sachverständiger Stellen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 bb) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . 462 (1) Vermeidung „institutioneller Befangenheitskonstellatio­ nen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 (2) Klärung des personellen Anwendungsbereichs der §§ 20, 21 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464

Inhaltsverzeichnis15 I. Erstellen des Entscheidungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 464 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 465 2. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 a) Rechtliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 aa) Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 (1) Außenentscheidungsbefugte sachverständige Stellen . . . 469 (2) Binnenrechtlich sachentscheidungsbefugte sach­ verständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 470 (3) Entscheidungsvorbereitend tätige sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 bb) Pflichten – insbesondere: Anhörung des Antragstellers . . . . 472 (1) Außenentscheidungsbefugte sachverständige Stellen . . . 472 (2) Binnenrechtlich sachentscheidungsbefugte sachverstän­ dige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 473 (a) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen . . . . . . . 474 (b) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen . . . . . . 476 (3) Entscheidungsvorbereitend tätige sachverständige Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 cc) Mechanismen zur Kontrolle der Tätigkeit sachverständiger Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 478 (1) Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . 478 (2) Staatliche Aufsichts- und Weisungsstrukturen . . . . . . . . 479 (3) Behördliche Prüfung und Rezeption von Entschei­ dungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 (4) Binnenrationalität bei pluralistisch besetzten Kollegial­ gremien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 dd) Legitimationsbeitrag der untersuchten Kontrollmechanis­ men . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 481 (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen . . . . . 481 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . 481 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen  . . . . 482 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen . . . . . . . . . . . 483 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbei­ trägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 483 b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 aa) Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . 484 bb) Anhörungspflichten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 cc) Kontrollmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485

16 Inhaltsverzeichnis c) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anhörungspflichten für sachverständige Stellen mit intern bindenden Entscheidungsbeiträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Sachgebietsspezifische Ausweitung von Dritt- und Öffent­ lichkeitsbeteiligungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Errichtung einer staatlichen Gutachtenstelle . . . . . . . . . . . . . II. Der Entscheidungsbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Letztentscheidungskompetenzen auf der Ebene des Zulas­ sungsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grundsatz: Formelle Letztverantwortung verwaltungs­ interner sachverständiger Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einschränkungen und Durchbrechungen . . . . . . . . . . . . . (a) Verhältnis zu privaten Antragstellern . . . . . . . . . . . . (b) Verhältnis zu externen sachverständigen Stellen . . . (aa) Verzicht auf staatliche Aufgabenwahrneh­ mung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (bb) Entscheidungsverlagerungen . . . . . . . . . . . . . . . (cc) Entscheidungspräformation . . . . . . . . . . . . . . . (dd) „Faktische Bindungswirkung“ . . . . . . . . . . . . . bb) Begründungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Außenwirksame Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Binnenrechtlich verbindliche Entscheidungsbeiträge . . . (a) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen . . . . . . . (b) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen . . . . . . (3) Unverbindliche Entscheidungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . cc) Legitimationsbeitrag der untersuchten Vorgaben an die Entscheidungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Begründungspflichten für binnenrechtlich wirkende ­Entscheidungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verbindliche Entscheidungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Unverbindliche Entscheidungsbeiträge . . . . . . . . . . . . . . bb) Aufgabenzuweisung und Zuerkennung subjektiver Rechts­ positionen   . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Publizität der Entscheidungsbeiträge externer sachverstän­ diger Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Gerichtliche Überprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kontrollzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

486 486 487 489 490 491 492 493 493 493 494 494 496 496 497 498 498 499 499 500 501 503 504 505 505 506 506 506 507 507 509 510 511 511 513

Inhaltsverzeichnis17 a) Rechtliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513 aa) Grundsätzlicher Vorrang subjektiven Rechtsschutzes . . . . . . 514 (1) Im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 514 (2) Im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 bb) Implementierung objektiver Rechtsschutzstrukturen . . . . . . . 516 (1) Im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 (2) Im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 516 cc) Kontrolldruck und Präventionsfunktion des Zugangs zu Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 dd) Legitimationsbeitrag des Kontrollzugangs in den betrachte­ ten Referenzgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 521 b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 522 c) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 II. Kontrolldichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . 524 2. Analyseraster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 a) Rechtliche Betrachtung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 aa) Grundsatz der vollständigen gerichtlichen Überprüfung . . . . 526 (1) Im Verwaltungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 526 (2) Im Zivilprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 528 bb) Einlösung des verfassungsrechtlichen Vollüberprüfungs­ anspruchs durch Sachverständigenbeweis . . . . . . . . . . . . . . . 528 (1) Rechtliche Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 (2) Pflicht zur Bestellung von gerichtlichen „Obergutach­ tern“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 530 cc) „Kompensation“ fehlender Unabhängigkeit sachverständi­ ger Stellen durch Ausweitung der gerichtlichen Kontroll­ dichte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 dd) Legitimationsbeitrag der Kontrolldichte in den betrachteten Referenzgebieten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 b) Kohärenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536 c) Rechtspolitischer Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 536

§ 7 Ergebnisse und Fazit 

539

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 548 Auskunftsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 571 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572

Abkürzungsverzeichnis 4. BImSchV

Vierte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions­ schutzgesetzes

9. BImSchV

Neunte Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissions­ schutzgesetzes

a. A.

andere Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

a. D.

außer Dienst

a. E.

am Ende

a. U.

amtlicher Umdruck

ABl.

Amtsblatt der Europäischen Union (bzw. Gemeinschaft)

Abs.

Absatz, Absätze

AEG

Allgemeines Eisenbahngesetz

Alt. Alternative AMG Arzneimittelgesetz Anm. Anmerkung AnwBl Anwaltsblatt AöR

Archiv des öffentlichen Rechts

AtG Atomgesetz AtVfV

Atomrechtliche Verfahrensverordnung

atw

Atomwirtschaft – Atomtechnik (Zeitschrift)

BAF

Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung

BAFG

Gesetz über die Errichtung des Bundesaufsichtsamtes für Flug­ sicherung

BAnz Bundesanzeiger BauO NRW 2018

Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen

BayVBl.

Bayerische Verwaltungsblätter

BB Betriebs-Berater BBergG Bundesberggesetz BBG Bundesbeamtengesetz BBPlG

Gesetz über den Bundesbedarfsplan

BeamtStG Beamtenstatusgesetz BeckRS

Beck-Rechtsprechung (Datenbank)

Begr. Begründer

Abkürzungsverzeichnis19 Bek. Bekanntmachung BfArM Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BImSchG Bundes-Immissionsschutzgesetz BMEL Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft BMI Bundesministerium des Innern BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Si­ cherheit BNAG Gesetz über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Tele­ kommunikation, Post und Eisenbahnen BNatSchG Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege BPatGE Entscheidungen des Bundespatentgerichts BR-Drs. Bundesratsdrucksache BT-Drs. Bundestagsdrucksache Buchholz Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bun­ desverwaltungsgerichts BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVL Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit d. der, die, das, des Der Staat Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre und Verfassungsgeschichte, deutsches und europäisches öffentliches Recht ders. derselbe DFS Deutsche Flugsicherung GmbH Die Verwaltung Die Verwaltung. Zeitschrift für Verwaltungsrecht und Verwal­ tungswissenschaften dies. dieselbe, dieselben DÖV Die Öffentliche Verwaltung DVBl Deutsches Verwaltungsblatt e. V. eingetragener Verein Ebda. ebenda EEG Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien EnWZ Zeitschrift für das gesamte Recht der Energiewirtschaft ER EnergieRecht – Zeitschrift für die gesamte Energierechtspraxis ESVGH Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichts­ hofs und des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg

20 Abkürzungsverzeichnis ET Energiewirtschaftliche Tagesfragen EuGH Europäischer Gerichtshof EurUP Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht EuZW Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht f. folgende ff. fortfolgende FG Festgabe FS Festschrift FStrBAG Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz FStrG Bundesfernstraßengesetz GCP-Verordnung Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimit­ teln zur Anwendung am Menschen GenTAnhV Gentechnik-Anhörungsverordnung GenTG Gentechnikgesetz GenTVfV Gentechnik-Verfahrensverordnung GesR GesundheitsRecht (Zeitschrift) GewArch Gewerbearchiv GG Grundgesetz GMBl. Gemeinsames Ministerialblatt GVBl. NRW Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen GVO Gentechnisch veränderter Organismus, gentechnisch veränderte Organismen Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HStR Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland HWO Gesetz zur Ordnung des Handwerks i. d. F. in der Fassung i. S. d. im Sinne des, im Sinne der i. S. v. im Sinne von i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiten Sinne IFG Informationsfreiheitsgesetz JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KfSachVG Gesetz über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr KJ Kritische Justiz LG Landgericht

Abkürzungsverzeichnis21 lit. littera LuftVG Luftverkehrsgesetz m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

MedR

Medizinrecht (Zeitschrift)

MPG Medizinproduktegesetz MPR

Medizin Produkte Recht. Zeitschrift für das Gesamte Medizin­ produkterecht

MPV

Verordnung über Medizinprodukte

n. F.

neue Fassung

NABEG

Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NJW-RR

Neue Juristische Wochenschrift Rechtsprechungs-Report Zivil­ recht

NordöR

Zeitschrift für öffentliches Recht in Norddeutschland

Nr. Nummer(n) NuR

Zeitschrift Natur und Recht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtsprechungs-Report

NWVBl.

Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter

OVG Oberverwaltungsgericht OVGE Berlin

Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Berlin (Samm­ lung)

OVGE MüLü

Entscheidungssammlung der Oberverwaltungsgerichte in Müns­ ter und Lüneburg

PflSchG Pflanzenschutzgesetz Pharm. Ind.

Die Pharmazeutische Industrie (Zeitschrift)

PharmR

Pharmarecht (Zeitschrift)

PIP

Poly Implant Prothèse (französisches Unternehmen)

PlfZV Planfeststellungszuweisungverordnung ProdSG Produktsicherheitsgesetz RdE

Recht der Energiewirtschaft (Zeitschrift)

REE

Recht der Erneuerbaren Energien (Zeitschrift)

RW

Rechtswissenschaft. Zeitschrift für rechtswissenschaftliche For­ schung

S. Seite(n) s. o.

siehe oben

s. u.

siehe unten

SchfHwG

Gesetz über das Berufsrecht und die Versorgung im Schornstein­ fegerhandwerk

22 Abkürzungsverzeichnis Spiegelstr. Spiegelstrich SprengG Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe StPO Strafprozessordnung StrlSchG Gesetz zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung u. und u. a. unter anderem UA Unterabsatz UBA Umweltbundesamt UGB-KomE Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission für ein Umweltgesetzbuch UmwRG Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz UPR (Zeitschrift für) Umwelt- und Planungsrecht UTR Jahrbuch des Umwelt- und Technikrechts UVPG Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Verf. Verfasser, Verfassers VerfG Verfassungsgericht VerwArch Verwaltungsarchiv VG Verwaltungsgericht VGH Verwaltungsgerichtshof Vorb. Vorbemerkung VVDStRL Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechts­ lehrer VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz (Bund) VwVfG NRW Verwaltungsverfahrensgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen WaStrG Bundeswasserstraßengesetz WHG Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts WM Wertpapier-Mitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht z. B. zum Beispiel ZES Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung ZfBR Zeitschrift für deutsches und internationales Bau- und Vergabe­ recht ZfU Zeitschrift für Umweltpolitik ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht ZKBS Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit ZKBS-GO Geschäftsordnung der ZKBS ZLG Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimit­ teln und Medizinprodukten

Abkürzungsverzeichnis23 ZLW Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht ZNER Zeitschrift für Neues Energierecht ZPO Zivilprozessordnung ZUR Zeitschrift für Umweltrecht Hinsichtlich sonstiger Abkürzungen wird ergänzend auf das folgende Werk verwie­ sen: Kirchner, Hildebert: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 8. Auflage, Ber­ lin 2015.

§ 1 Einleitung A. Problemstellung „[W]issenschaftliche Expertise muss gesellschaftliche und politische Willensbil­ dung stets begleiten – die Entscheidungsfindung selbst muss aber bei den gewähl­ ten Volksvertretern liegen. Nur sie sind demokratisch legitimiert. Nur sie können, auf der Grundlage der bestmöglichen Beratung, die Verantwortung für diese Ent­ scheidungen tragen.“1

Die Steuerung und Ausgestaltung des technischen Fortschritts bleibt auch im 21. Jahrhundert eine der großen Herausforderungen demokratisch verfass­ ter Gesellschaften. Trotz unterschiedlicher Deregulierungstendenzen – insbe­ sondere der Verlagerung präventiver Kontrollfunktionen auf Private2 – sind im naturwissenschaftlich-technischen Bereich nach wie vor insbesondere die Verwaltungsbehörden berufen, menschliche Betätigungen mit potenziell ge­ fährlichen Auswirkungen für Individual- und Allgemeinrechtsgüter im Wege eines administrativen Zulassungsverfahrens einer Vorabprüfung zu unterzie­ hen.3 Dabei erschweren die Komplexität naturwissenschaftlich-technischer Sachmaterien sowie die dynamische Fortentwicklung des wissenschaftlichen Erkenntnisstands die Entstehung von behördlichem Erfahrungs- und Regel­ wissen.4 In der Konsequenz steht den federführenden Behörden das erforder­ liche Entscheidungswissen regelmäßig nicht abrufbar zur Verfügung, sondern muss im Verfahren im konkreten Fall stets neu erzeugt werden.5 Zur Aufbe­ reitung und Beurteilung komplexer Sachverhalte ist die Verwaltung deshalb zunehmend auf spezifische naturwissenschaftlich-technische Expertise ange­ wiesen. In organisatorischer Hinsicht kann die verfahrensbezogene Ausge­ 1  Auszug aus einer Rede von Bundespräsident a. D. Christian Wulff, gehalten bei einem Besuch der Universität Tsukuba am 25.10.2011 in Tokio/Japan (http://www. bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Christian-Wulff/Reden/2011/10/111025Japan-Universitaet-Tsukuba.html, zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 2  Zur Aufteilung von Kontrollfunktionen zwischen Staat und Privaten siehe Eifert, Die Verwaltung 39 (2006), 309 ff. 3  Demgegenüber lassen sich in anderen Bereichen des Wirtschaftsverwaltungs­ rechts zunehmend Tendenzen einer Verlagerung von der präventiven zur repressiven behördlichen Kontrolltätigkeit beobachten. Zu dieser Entwicklung siehe etwa Cancik, DÖV 2011, 1 ff. 4  Reiling, Der Hybride, S. 48. 5  Vgl. dazu Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, S. 69 ff.

26

§ 1 Einleitung

staltung des behördlichen Wissens(erzeugungs)apparats grundsätzlich auf zwei Wegen erfolgen:6 Zum einen kann der Staat den seitens der Verwaltung zur einzelfallbezogenen Wissensgenerierung benötigten Sachverstand institu­ tionell in eigenen Organisationseinheiten (z. B. in den federführenden Ver­ waltungsbehörden oder in Fachbehörden) vorhalten. Zum anderen kann die extern bei privaten Stellen vorhandene Expertise einzelfallbezogen in An­ spruch genommen werden.7 Diese verschiedenen Formen des „Verwaltungssachverstands“ werfen nach wie vor zahlreiche Rechtsfragen auf, die einer Klärung harren.8 Die vorliegende Untersuchung geht der leitenden Arbeitsthese nach, dass die verwaltungsseitige bzw. verwaltungssubstituierende Einbindung hoheitlich wie privatrechtlich organisierter sachverständiger Stellen in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren losgelöst von ihren je­ weils konkret wahrgenommenen Aufgaben regelmäßig vergleichbare Frage­ stellungen aufwirft, die regulatorisch nicht immer konsistent gelöst werden. Das dahinterstehende Erkenntnisinteresse resultiert rechtsgebietsübergreifend aus drei ineinandergreifenden Problemfeldern, auf die im Folgenden einzu­ gehen ist.

I. Wissensasymmetrien in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren Das erste Problemfeld betrifft den gerade in naturwissenschaftlich-tech­ nisch geprägten Verwaltungsverfahren häufig festzustellenden Wissensvor­ sprung der Antragsteller gegenüber den Verwaltungsbehörden. Die Ursache für solche verfahrensbezogenen Wissensasymmetrien kann zunächst in der 6  Wie hier Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 4 u. 8: ähn­ lich die Differenzierung bei Braun, Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 80 ff. 7  Grundsätzlich kann das zur Durchführung eines komplexen Verwaltungsverfah­ rens benötigte Wissen den Behörden auch auf anderem Wege als durch Einbindung sachverständiger Stellen zur Verfügung gestellt werden, etwa durch den Einsatz mo­ derner Informations- und Kommunikationstechniken in Form vernetzter Datenbanken oder durch die Verwendung sogenannter Expertensysteme. Letzterer Begriff bezeich­ net Computerprogramme, deren Nutzen ähnlich wie beim Einsatz menschlicher Ex­ perten in der Bearbeitung und Lösung spezifischer Problemstellungen besteht. Zum Einsatz von Expertensystemen bei der Tätigkeit in der Verwaltung siehe insgesamt etwa Tönsmeyer-Uzuner, Expertensysteme in der öffentlichen Verwaltung. 8  Zum „Verwaltungssachverstand“ siehe etwa Augsberg, Die Verwaltung 51 (2018), 351 ff.; Hilbert, Die Verwaltung 51 (2018), 313 ff.; Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 ff. Zum Forschungsstand im Kontext des vorliegenden Untersuchungsge­ genstands siehe nachfolgend die Angaben unter B.



A. Problemstellung27

Person des Antragstellers9 begründet sein, etwa wenn die federführende Be­ hörde mit dem Genehmigungsantrag eines auf seinem Fachgebiet besonders renommierten Forschers befasst wird.10 Eine Wissensasymmetrie kann ferner vorliegen, wenn sich Antragsteller durch private Sachverständige unterstüt­ zen lassen und diese mit der Erstellung der Antragsunterlagen beauftragen. In manchen naturwissenschaftlich-technisch geprägten Zulassungsverfah­ ren – etwa im Arzneimittelrecht11 – sind Antragsteller gesetzlich ausdrücklich verpflichtet, ihrem Zulassungsantrag eigens eingeholte Sachverständigengut­ achten beizufügen.12 In anderen Bereichen, in denen es an einer entsprechen­ den gesetzlichen Verpflichtung fehlt, kommen Antragsteller praktisch nicht umhin, aufgrund der Komplexität und des Umfangs der Sachmaterie spezia­ lisierte Gutachter mit der Erstellung der beizubringenden Antragsunterlagen zu betrauen.13 Die Bedeutung solcher privaten Sachverständigengutachten für behördliche Zulassungsentscheidungen kann rechtsgebietsübergreifend als hoch angesehen werden. Dies gilt insbesondere für umweltrechtliche bzw. von technischen Fragestellungen geprägte Zulassungsverfahren, in denen es sich bei den von Antragstellern beauftragten Sachverständigen nicht selten „um die ersten Fachleute der Republik“ handelt, die „das Vorhaben […] nicht lediglich nachträglich-distanziert beurteilt, sondern schon dessen Kon­ zeption mitgeprägt“ haben.14 Aufgrund der Vorgaben des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips muss die Verwaltung zwar über hinreichend eigenen Sachverstand verfügen, um von Antragstellern beigebrachte Gutachten kri­ tisch prüfen zu können.15 Gleichwohl wird für die Praxis die Beobachtung gemacht, dass sich Verwaltungsbehörden bei der Prüfung von vorgelegten 9  Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung männlicher und weiblicher Sprachformen verzichtet. Sämtliche Berufs- oder Perso­ nenbezeichnungen gelten stets für beide Geschlechter. 10  Dies kann beispielsweise in Genehmigungsverfahren für die klinische Prüfung von Arzneimitteln (§§ 40 AMG) der Fall sein. Zur Tätigkeit von Ethik-Kommissionen bei der Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG siehe unten § 5 D. 11  Vgl. für das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren § 24 AMG. 12  Zur Bedeutung der von Antragstellern im nationalen Arzneimittelzulassungsver­ fahren beizubringenden Sachverständigengutachten vgl. Di Fabio, Risikoentscheidun­ gen im Rechtsstaat, S. 188 f.; ders.: VerwArch 81 (1990), 193 (200 f.). 13  Dies gilt etwa für das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren, wo die vom Vorhabenträger vorzulegenden Antragsunterlagen (vgl. §§ 4  ff. der 9. BImSchV) oft zu großen Teilen aus Fachgutachten bestehen. Zur Bedeutung der Antragsunterlagen im BImSchG-Genehmigungsverfahren vgl. Bringewat, REE 2017, 32 ff. 14  Siehe für Planfeststellungsverfahren Rennert, DVBl 2017, 69 (78). 15  Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 68; Meßerschmidt, ­EurUP 2014, 11 (19); ähnlich Fellenberg, AnwBl 2016, 648 (651).

28

§ 1 Einleitung

Privatgutachten häufig auf eine bloße Plausibilitätskontrolle beschränken.16 Als Grundlage für die Entscheidung der formell-letztverantwortlichen Be­ hörde besteht hinsichtlich dieser Privatgutachten der Antragsteller bzw. Vor­ habenträger – ungeachtet ihrer fachlichen Qualität – jedoch „ein legitimato­ risches Problem, und zwar – angesichts der Bedeutung dieser Gutachten im weiteren Verfahren – um ein gravierendes“.17 Im Schrifttum ist in Anbetracht dieser Entwicklung von einer „Herrschaft der Sachverständigen“,18 der „Pri­ vatisierung der Wissensgenerierung (und teils auch der Wissensumsetzung)“19 bzw. der „Privatisierung von Beurteilungsspielräumen“20 die Rede.21 Um derartige Wissensvorteile der Antragsteller ausgleichen bzw. minimieren zu können, ist die Verwaltung in naturwissenschaftlich-technisch geprägten Ver­ waltungsverfahren regelmäßig selbst auf die Einbindung entsprechend qua­ lifizierter sachverständiger Stellen angewiesen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht wird die hoheitliche Einbindung verwaltungsinterner wie verwaltungs­ externer sachverständiger Stellen zur Klärung von komplexen, naturwissen­ schaftlich-technisch geprägten Fragestellungen als Ausprägung eines im „Rechtsstaatsprinzip verwurzelte[n] objektive[n] Sachgerechtigkeits- und Effektivitätsgebot[s]“22 bzw. als ein aus den Grundrechten23 abgeleitetes ­Einbindungs- bzw. Mitwirkungsgebot angesehen. Dieser Verfassungsauftrag wird durch die stetige Ausdifferenzierung naturwissenschaftlich-technischen Wissens herausgefordert. Vor diesem Hintergrund soll vorliegend der insti­ tutionelle Wissens(erzeugungs)apparat des Staates in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren näher untersucht werden. Konkret 16  So Seibert, NWVBl. 2015, 372 (373) („wenn überhaupt“). In manchen Risiko­ verfahren (zum Begriff siehe unten § 2 A. II. 2.) wird von den Behörden eine über eine bloße Plausibilitätskontrolle hinausgehende Prüfung der von den Antragstellern vorgelegten Privatgutachten gar nicht mehr verlangt, siehe hierzu etwa Braun, Bun­ desbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikoverfahren des Umweltund Gesundheitsschutzrechts, S. 36 f. 17  Vgl. Rennert, DVBl 2017, 69 (78). 18  Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 67. 19  Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (369). 20  Meßerschmidt, EurUP 2014, 11 (17 ff.); Seibert, NWVBl. 2015, 372 (373). 21  Diese Beobachtung wird nicht nur für das Verwaltungsverfahren, sondern auch für den Verwaltungsprozess getroffen. Zu letzterem siehe sogleich unter A. III. 22  So etwa Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210 ff.). 23  Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (288 ff.). Dieser subjektiv-rechtliche Ansatz wird gestützt durch eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, die im Zu­ sammenhang mit der Bewertung von Habilitationsleistungen ergangen ist (BVerwGE 95, 237 ff.). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus dem aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Gebot der sachkundigen Leistungsbewertung, dass die Entscheidung über die Annahme einer Habilitationsschrift „mit dem verfassungs­ rechtlich gebotenen Maß an fachwissenschaftlichem Sachverstand getroffen [werde]“, BVerwGE 95, 237 (243).



A. Problemstellung29

ist der Frage nachzugehen, ob und in welcher Form die für die Tätigkeit verschiedener Typen sachverständiger Stellen gemeinhin als selbstverständ­ lich erachtete Anforderung der „Fachkompetenz“ normativ geregelt bzw. re­ gulatorisch abgesichert werden kann.

II. Legitimation und Legitimität sachverständiger Stellen Neben der dargelegten Wissensdimension sind mit der hoheitlichen Ein­ bindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren auch Fragen der demokratischen Legitimation ver­ bunden. In diesem zweiten Problemfeld steht schwerpunktmäßig die Legiti­ mation privater Sachverständiger im Mittelpunkt der rechtswissenschaftlichen Diskussion.24 Im Schrifttum werden zunehmend auch rechtlich unverbindli­ che Beiträge privater sachverständiger Stellen, die in staatlichen Verfahrensund Entscheidungsstrukturen erbracht werden, unter dem Gesichtspunkt der demokratischen Legitimation für relevant erachtet, auch wenn die exakte dogmatische Verortung des Legitimationserfordernisses noch nicht abschlie­ ßend geklärt erscheint.25 In der vorliegenden Untersuchung soll geklärt wer­ den, ob und inwieweit die Tätigkeit unterschiedlicher sachverständiger Stel­ len in Abhängigkeit von ihrer Rechtsform (hoheitlich, öffentlich-rechtlich, privatrechtlich) und der rechtlichen Qualität ihrer Entscheidungsbeiträge (rechtsverbindlich bzw. rechtlich unverbindlich) in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren einer demokratischen Legitima­ tion bedarf und welche rechtlichen Probleme sich insoweit stellen können. Nicht weniger als ihre demokratische Legitimation stellt die hoheitliche Einbindung verwaltungsinterner wie verwaltungsexterner sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auch eine Frage von Legitimität bzw. Vertrauen dar.26 Das Vertrauen in die Tätigkeit sachverständiger Stellen ist insbesondere dann beeinträchtigt, wenn bei vernünftiger Betrachtung die berechtigte Annahme besteht, eine sachver­ ständige Stelle werde ein von ihr anzufertigendes Gutachten nicht unvorein­ genommen erstatten.27 Im Allgemeinen legt die Rechtsprechung für die An­ nahme mangelnder Objektivität eines von der Verwaltung bestellten Sachver­ 24  Vgl.

hierzu auch die Literaturnachweise unter B. etwa Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (387 f.); Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (303); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61; für den Verwaltungshelfer insbesondere von Münch, Das Spannungsverhältnis zwischen funktionaler Privatisierung und demokratischer Legitimation, S.  119 ff., 123 ff. 26  Zum Vertrauen in Gutachter bei der Zulassung großer Infrastrukturvorhaben vgl. Waechter, DÖV 2015, 121 (125 f.). 27  Vgl. für die Ablehnung von Sachverständigen im Verwaltungsprozess BVerwG, NVwZ 1999, 184 (185); VGH München, NVwZ-RR 2001, 207. 25  Siehe

30

§ 1 Einleitung

ständigen hohe Hürden an. Das Bundesverwaltungsgericht schließt in ständi­ ger Rechtsprechung von der Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz auf deren Neutralität und folgert hieraus, dass „auch die von einer Verwal­ tungsbehörde bestellten Gutachter grundsätzlich als objektiv urteilende Ge­ hilfen der das öffentliche Interessen wahrenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen sind. […] Eine tatsächliche Vermutung für mangelnde Objektivität eines Gutachters besteht“ – so das Bundesverwaltungsgericht – „jedenfalls schon nicht deswegen, weil die Ver­ waltungsbehörde den Gutachter bestellt hat“.28 Generell scheinen die Verwal­ tungsgerichte sachverständigen Stellen deutlich mehr Vertrauen entgegen zu bringen, als dies etwa in der Bevölkerung der Fall ist.29 Dieser Befund gilt, wie anhand verschiedener Beispiele zu zeigen sein wird, auch für Sachver­ ständigentätigkeit in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren. Vor diesem Hintergrund soll vorliegend untersucht werden, welche organisations- und verfahrensrechtlichen Anforderungen für sachverständige Stellen gelten, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren hoheitlich eingebunden werden. Diesbezüglich sollen in organisa­ tions- wie verfahrensrechtlicher Hinsicht die Normbestände und Regelungs­ strukturen herausgearbeitet und analysiert werden, mithilfe derer das Recht die Sachlichkeit und Rationalität sachverständiger Stellen und damit die Vertrauenswürdigkeit ihrer Tätigkeit abzusichern versucht.

III. Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit und außerjuridische Expertise Das dritte der Untersuchung zugrunde liegende Problemfeld ist die Quint­ essenz der beiden vorgenannten Problemfelder und betrifft die dem Zulas­ sungsverfahren nachgelagerte Ebene der gerichtlichen Überprüfung. Ange­ sprochen ist damit das Verhältnis von Verwaltung und Verwaltungsgerichts­ barkeit, das „zu den dauernden Problemstellungen im gewaltenteiligen Rechts- und Sozialstaat moderner, verwaltungsstaatlicher Prägung [gehört]“.30 Die Diskussion um den Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit31 muss auch die Frage des Umgangs mit bzw. der Einbindung von außerrecht­ 28  BVerwGE 18, 216 (218); BVerwGE 22, 215 (insoweit dort nicht abgedruckt) = Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 14; BVerwG, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 137; BVerwGE 76, 135 (137); aus der jüngeren Rechtsprechung vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.10.2013 – 6 B 32.13 –, juris, Rn. 14. 29  So Waechter, DÖV 2015, 121 (127). 30  Scholz, VVDStRL 34 (1976), 145 (146). 31  Dazu nur Classen, NJW 2016, 2621 ff.; Gärditz, Gutachten D zum 71. Deut­ schen Juristentag; Rennert, DVBl 2015, 793 ff.; Wegener, JZ 2016, 829 ff.



B. Forschungsstand31

licher Fachexpertise in den Blick nehmen.32 Denn ebenso wie die Verwal­ tungsbehörden sind auch die Verwaltungsgerichte zur Aufklärung und Beur­ teilung naturwissenschaftlich-technisch komplexer Sachverhalte auf das bei verwaltungsinternen oder aber bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen vorrätige Expertenwissen angewiesen.33 Zwar können die Verwal­ tungsgerichte im Prozess grundsätzlich selbst einen „eigenen“ Gutachter be­ stellen, soweit sich eine weitere Beweiserhebung aufdrängt. In der Praxis greifen die Verwaltungsgerichte jedoch nicht selten auf bereits im behörd­ lichen Zulassungsverfahren seitens der federführenden Verwaltungsbehörde oder des Antragstellers beigebrachte Sachverständigengutachten zurück.34 Die Frage nach der Qualität und Legitimität der von Antragstellern oder Be­ hörden eingeholten Sachverständigengutachten betrifft mithin nicht nur die oben angesprochene Ebene des Verwaltungsverfahrens, sondern stellt sich nachgelagert auch auf der Ebene des Verwaltungsprozesses.35 Aus diesem Grund sind vorliegend auch die Modalitäten der gerichtlichen Überprüfung der von sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren abgegebenen Entscheidungsbeiträge näher zu unter­ suchen.

B. Forschungsstand Di Fabio hat in seiner Abhandlung zu „Risikoentscheidungen im Rechts­ staat“ festgehalten, dass die staatliche Entscheidungsfindung in Risikoverfah­ ren „immer mehr von einer organisatorischen Kooperation zwischen unab­ hängigem externen wissenschaftlichen Sachverstand und staatlichen Sonder­ behörden, die ihrerseits über internen Sachverstand verfügen, geprägt [wird]“.36 Durch die Vorverlagerung der Entscheidungsfindung in den der Gefahrenabwehr vorhergehenden Bereich der Risikoeinschätzung und -be­ wertung entstünden bereichsspezifisch neue Rechtsverhältnisse zwischen „Sachverständigengremien mit faktischer Entscheidungsmacht, […] Behör­ de[n] mit außenverbindliche[n] Entscheidungskompetenz[en] und private[n] Unternehmer[n] oder sonstigen Betroffenen“, die einer „vertieften Bearbei­ tung [harren]“.37 An diesen Befund anknüpfend versucht die vorliegende 32  Zur

Problematik siehe Guckelberger, VerwArch 108 (2017), 143 ff. DVBl 2017, 69 (77 f.). Zur Wissensgenerierung im Verwaltungsprozess siehe etwa Guckelberger, VerwArch 108 (2017), 1 (4 ff.). 34  Zu diesem Befund am Beispiel von Infrastrukturvorhaben siehe Waechter, DÖV 2015, 121 (125 f.). 35  Siehe auch Rennert, DVBl 2017, 69 (77 f.). 36  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 452 f. 37  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 453. 33  Rennert,

32

§ 1 Einleitung

Arbeit einen Beitrag zu der Frage zu leisten, welche übergeordneten Struktu­ ren für die hoheitliche Einbindung verwaltungsinterner wie verwaltungsexter­ ner sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren ausgemacht werden können. Dieser Untersuchungs­ ansatz hat in der Literatur bis dato keine Entsprechung gefunden: Einen im Ausgangspunkt ähnlichen Ansatz wie die vorliegende Untersu­ chung verfolgt insbesondere die Arbeit von Delhey,38 die sich Fragen der Organisation, des Verfahrens und der Kontrolle der hoheitlichen Einbindung von sachverständigen Kollegialgremien bei Risikoentscheidungen annimmt. Ausgehend vom Begriff und den Maßstäben der Risikoentscheidung formu­ liert Delhey in einem allgemeinen Teil zunächst abstrakt-generelle Ausgestal­ tungsvorgaben an die Einsetzung von Kollegialgremien,39 die er sodann in einem besonderen Teil auf die Verfahrenstätigkeit und Entscheidungen von Ethik-Kommissionen bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arz­ neimitteln und Medizinprodukten bei Menschen überträgt und vertieft.40 Auch vorliegend wird die Tätigkeit ausgewählter Kollegialgremien in Risi­ koverfahren näher in den Blick genommen.41 Darüber hinaus werden jedoch auch weitere Typen von Zulassungsverfahren42 und Organisationsformen sachverständiger Stellen43 in die Betrachtung einbezogen, um die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren möglichst umfassend abzubilden und auf dieser Grundlage zu systematisieren. Im Vergleich zur Abhandlung Delheys verfolgt die vorliegende Untersuchung somit konzeptionell ein breiter angelegtes Er­ kenntnisinteresse. Darüber hinaus setzt sich auch Vomhof44 „lediglich“ mit den Rechtsproblemen von Kollegialgremien im Umwelt- und Technikrecht auseinander, ohne jedoch auf die Verfahrenstätigkeit von Verwaltungsbehör­ den oder privaten (Einzel-)Sachverständigen einzugehen. Andere Abhandlungen beschränken sich speziell auf die Betrachtung von privaten sachverständigen Stellen und bilden daher thematisch ebenfalls nur Teilaspekte des hiesigen Untersuchungsgegenstands ab. Dies betrifft etwa die Staatliche Risikoentscheidungen. Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S. 92 ff., 98 ff., 121 ff., 140 ff., 172 ff., 205 ff. 40  Ebda., S.  243 ff. 41  Siehe zur Tätigkeit der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren unten § 3 C. Zur Rolle von EthikKommissionen bei der Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben bei Menschen siehe unten § 5 D. 42  Dazu näher unten § 2 A. 43  Zu den erfassten sachverständigen Stellen siehe unten § 2 B. 44  Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht. 38  Delhey, 39  Siehe



B. Forschungsstand33

Arbeit von Seidel45, die sich in der Durchdringung der Tätigkeit privater Sachverständiger erschöpft und dabei die vorliegend zu berücksichtigenden Rollen von hoheitlich bzw. öffentlich-rechtlich organisierten sachverständi­ gen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren außer Betracht lässt. Entsprechendes gilt für die Untersuchungen von Scholl46 und Häfner47, die jeweils für die Einbeziehung privater Sachverstän­ diger in den Verwaltungsvollzug Elemente einer allgemeinen Sachverständi­ genlehre bzw. eines Sachverständigenmodells entwickelt haben. Auch von Münch48 behandelt lediglich die aus dem Demokratieprinzip folgenden Legi­ timationsanforderungen an die hoheitliche Einbindung Privater im Vorfeld von Verwaltungsentscheidungen. Die hiermit einhergehenden Fragen betref­ fen lediglich einen Teilausschnitt des vorliegenden Erkenntnisinteresses, ohne dass von Münchs umfassenden Ausführungen hier im Einzelnen aufge­ griffen werden sollen. Ebenso verfolgt Reiling49, die im Bereich der adminis­ trativen Wissensorganisation partiell eine Grenzverwischung von öffentlicher und privater Organisation feststellt und auf Grundlage dieses Befundes die Rechtsfigur des Hybriden entwickelt, in ihrer Arbeit ein vom vorliegenden Untersuchungsgegenstand abweichendes Erkenntnisinteresse. Die Untersu­ chung von Hahn50 nimmt vornehmlich die Einbeziehung wissenschaftlichen Sachverstands in die staatliche Entscheidungsfindung auf Ebene der Politik in den Blick. Im Gegensatz zum hier verfolgten Erkenntnisinteresse begrenzt sich schließlich auch die Arbeit von Remmert51 allein auf Private, die auf­ grund einer vertraglichen Abrede mit einer Verwaltungseinheit in Verwal­ tungsverfahren tätig werden. Sachverständige Stellen, die pluralistisch bzw. als Kollegialgremien verfasst sind und in Verwaltungsverfahren aufgrund ei­ ner gesetzlichen Vorgabe obligatorisch eingebunden werden, bleiben in der Abhandlung von Remmert anders als vorliegend explizit außer Betracht.52 Soweit es um die Tätigkeit insbesondere von hoheitlich bzw. öffentlichrechtlich organisierten sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren geht, fehlt es ebenfalls an Unter­ suchungen, die den hiesigen Forschungsansatz abbilden: 45  Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungs­ recht. 46  Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht. 47  Häfner, Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht. 48  von Münch, Das Spannungsverhältnis zwischen funktionaler Privatisierung und demokratischer Legitimation. 49  Reiling, Der Hybride. 50  Hahn, Umwelt- und zukunftsverträgliche Entscheidungsfindung des Staates. 51  Remmert, Private Dienstleistungen in staatlichen Verwaltungsverfahren. 52  Ebda., S.  24 f.

34

§ 1 Einleitung

Die Untersuchung von Braun53 befasst sich mit der Ausgestaltung von Aufgaben- und Organisationsstrukturen innerhalb von Bundesbehörden und Unionsagenturen, die in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsrechts eingebunden werden. Eine Beleuchtung der für die Tätigkeit von privaten sachverständigen Stellen geltenden Organisations- und Verfahrensgrundsätze nimmt Braun jedoch nicht vor. Auch der Arbeit von Fehling54 liegt ein von der vorliegenden Untersuchung abweichendes Erkenntnisinteresse zugrunde. Fehling setzt sich zwar (u. a.) mit der Expertise- bzw. Sachverstandsfunktion der in einem weiten Sinne verstandenen Verwaltung55 auseinander und be­ leuchtet diese unter dem Blickwinkel der Unabhängigkeit. Einen Vergleich mit der Rolle privater sachverständiger Stellen, der eines der leitenden Ziele der vorliegenden Untersuchung darstellt, zieht Fehling hingegen nicht. In der Abhandlung von Siegel56 zur Verfahrensbeteiligung von Behörden und ande­ ren Trägern öffentlicher Belange bildet vor allem die Tätigkeit von Gemein­ den in Planungsverfahren einen Schwerpunkt der Untersuchung. Demgegen­ über bleibt vorliegend die Einbindung hoheitlicher Stellen in Planungsver­ fahren, die namentlich im Umweltrecht häufig dem Zulassungsverfahren für eine Anlage oder ein Infrastrukturvorhaben vorgelagert sind, außer Betracht. Im Übrigen sind die von Siegel insbesondere in den Blick genommenen Ge­ meinden nicht als sachverständige Stellen im Sinne der vorliegenden Arbeit zu qualifizieren.57 Schließlich sind aus dem jüngeren Schrifttum die Abhandlungen von Schröder58 und Hofmann59 zu erwähnen, die die rechtliche Dogmatik und die Kodifikationsfähigkeit des Verfahrenstyps des Zulassungs- bzw. Genehmi­ gungsverfahrens im allgemeinen Verwaltungsrecht vertieft behandeln, ohne hierbei jedoch die hier interessierende Problematik der Einbindung sachver­ ständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren näher zu betrachten oder gar in ihrem Gesamtkontext zu erfassen. Zur Schließung dieser „Lücke“ will die vorliegende Untersuchung einen Beitrag leisten. 53  Braun, Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikover­ fahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts. 54  Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe. 55  Der Begriff „Verwaltung“ erfasst im Rahmen der Untersuchung von Fehling (siehe zur dortigen Begriffsbildung S. 26 ff.) die verwaltende Regierungstätigkeit, die exekutive Normsetzung, die Verwaltungstätigkeit in Privatrechtsform sowie die Betei­ ligung Privater an der Erfüllung von Verwaltungsaufgaben. 56  Siegel, Die Verfahrensbeteiligung von Behörden und anderen Trägern öffent­ licher Belange. 57  Zum Begriff der sachverständigen Stelle siehe unten § 2 B. I. 58  Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht. 59  Hofmann, Das Genehmigungsverfahren als Verwaltungsverfahrenstyp.



C. Gang der Untersuchung35

C. Gang der Untersuchung In der vorliegenden Arbeit sollen anhand der eingangs aufgezeigten Pro­ blemfelder die unterschiedlichen Erscheinungsformen und Strukturen der Tätigkeit sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren herauskristallisiert, einander gegenübergestellt und analysiert werden. An diesem Erkenntnisinteresse hat sich auch der Gang der Untersuchung zu orientieren. In Kapitel § 2 der Abhandlung werden im Rahmen einer Grundlegung die der Bearbeitung zugrunde liegenden Begriffe des naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahrens, der sachverständigen Stelle so­ wie des Antragstellers erläutert. In diesem Zusammenhang wird zunächst auf die Verfahrenstypen des Anlagenzulassungs-, des Risiko- sowie des Quali­ tätssicherungsverfahrens einzugehen sein, die zum einen die Reichweite des Untersuchungsgegenstands abstecken und die zum anderen den dogmatischen Überbau für die das Erkenntnis- und Anschauungsmaterial der Untersuchung liefernden Referenzgebiete bilden.60 Hiervon ausgehend wird sodann der Terminus der sachverständigen Stelle in begrifflicher Hinsicht näher darge­ legt.61 Im Anschluss hieran werden anhand des Oberbegriffs der „hoheit­ lichen“ Einbindung die Unterformen der verwaltungsseitigen und der verwal­ tungssubstituierenden Tätigkeit sachverständiger Stellen in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren vorgestellt und von­ einander abgegrenzt.62 An diese Betrachtung schließt sich eine Identifizierung von Aufgabentypen an, die von sachverständigen Stellen in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren wahrgenommen wer­ den.63 Dieser Arbeitsschritt dient dazu, die Betrachtung unterschiedlicher sachverständiger Stellen vorzustrukturieren und die Ableitung von Referenz­ gebieten zu systematisieren. Vorliegend werden die Aufgabentypen der ver­ waltungsberatenden, der entscheidungsbefugten und der belangwahrenden sachverständigen Stellen unterschieden, die teilweise Schnittmengen aufwei­ sen und daher voneinander abzugrenzen sind. Um diese verschiedenen Auf­ gabentypen miteinander vergleichen zu können, wird nach einer vorherigen Bestimmung des hiesigen Verständnisses des Begriffs des Antragstellers64 eine übergeordnete Prüfstruktur herausgearbeitet, die auf alle in der in der Untersuchung zu betrachtenden Referenzgebiete angewendet wird. Diese Prüfstruktur setzt sich aus fünf Teilaspekten zusammen. Zunächst wird für 60  § 2 A.

61  § 2 B. I.

62  § 2 B. II.

63  § 2 B. III. 64  § 2 C.

36

§ 1 Einleitung

jedes Referenzgebiet der rechtliche Rahmen des betreffenden Zulassungsver­ fahrens überblicksartig skizziert, um die Tätigkeit der jeweils zu untersu­ chenden sachverständigen Stelle zu kontextualisieren.65 Hiervon ausgehend wird in einem zweiten Schritt der der Tätigkeit der jeweiligen sachverständi­ gen Stelle im Zulassungsverfahren zugrunde liegende Einbindungsmodus (z. B. obligatorische Aufgabenzuweisung durch Gesetz oder fakultative Hin­ zuziehung durch die Zulassungsbehörde im Einzelfall) näher betrachtet.66 Durch die vergleichende Untersuchung verschiedener Einbindungsmodi soll dargelegt werden, welche Möglichkeiten das Recht zur Herstellung der per­ sonell-organisatorischen demokratischen Legitimation von hoheitlich in na­ turwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren eingebunde­ nen sachverständigen Stellen bereithält und welche Probleme sich hierbei ergeben können.67 Im Anschluss an den Einbindungsmodus werden auf der abstrakt-organisatorischen Ebene die im jeweils kodifizierten bzw. unge­ schriebenen (Fach-)Recht statuierten Anforderungen an die Fachkompetenz und Unabhängigkeit der verschiedenen sachverständigen Stellen vertieft be­ trachtet. Mithilfe dieses Prüfungsschritts soll in organisationsrechtlicher Hinsicht herausgearbeitet werden, wie die aufgezeigten Wissensasymmetrien in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren bewältigt werden68 und auf welche Weise dabei die Legitimität der Tätigkeit verwal­ tungsseitig agierender bzw. verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen gewährleistet wird.69 Damit unterschiedlich organisierte sachverstän­ dige Stellen (z. B. Behörden, Kollegialgremien, private Sachverständigenor­ ganisationen und Einzelsachverständige) hinsichtlich ihrer Fachkompetenz und Unabhängigkeit miteinander verglichen werden können, wird im Rah­ men der Grundlegung vor allem auf das hiesige Verständnis beider Begriffe näher einzugehen sein.70 An die abstrakt-organisatorische Untersuchung der Fachkompetenz und Unabhängigkeit der verschiedenen sachverständigen Stellen schließt sich für jedes Referenzgebiet sodann eine Betrachtung der Ebene des konkreten Zulassungsverfahrens an. Auf der Verfahrensebene sol­ len zum einen die sachverständigen Stellen eingeräumten Befugnisse, die ihnen auferlegten Pflichten sowie die für sie vorgesehenen Kontrollmecha­ nismen näher beleuchtet werden. Um diesbezüglich eine gewisse Vergleich­ barkeit zwischen den unterschiedlichen sachverständigen Stellen herzustel­ len, werden zur Abbildung der angesprochenen Prüfungspunkte Anleihen bei 65  Zur

näheren Erläuterung des Zwecks dieses Prüfungspunkts siehe unten § 2 D. I. im Einzelnen näher unten § 2 D. II. 67  Zum diesbezüglichen Problemaufriss siehe oben A. II. 68  Siehe hierzu oben A. I. 69  Dazu oben A. II. 70  Hierzu unten § 2 D. III. 66  Siehe



C. Gang der Untersuchung37

allgemein anerkannten Funktionen bzw. Steuerungszielen71 von Verwaltungs­ verfahren genommen, ohne dass diese den Schwerpunkt der Untersuchung der jeweiligen Referenzgebiete ausmachen sollen.72 Zum anderen wird auf der Verfahrensebene auf die Bedeutung der abgeschlossenen Entscheidungs­ beiträge der verschiedenen sachverständigen Stellen einzugehen sein. Inso­ weit soll schwerpunktmäßig die rechtliche Qualität der Entscheidungsbeiträge analysiert werden. Soweit möglich und dem Erkenntnisinteresse dienlich, soll bei rechtlich unverbindlichen Voten sachverständiger Stellen zudem auch deren praktische Bedeutung sachbereichsspezifisch herausgearbeitet wer­ den.73 Im fünften und letzten Prüfungspunkt werden schließlich für jedes Referenzgebiet die Grundsätze und Maßstäbe für den gerichtlichen Kontroll­ zugang und die Kontrolldichte aufgezeigt, die für die Überprüfung der Ent­ scheidungen bzw. Voten der untersuchten sachverständigen Stellen gelten.74 Im Kontext der Untersuchung dient die Analyse des Kontrollzugangs und der Kontrolldichte auf der gerichtlichen Rechtsschutz- und Überprüfungsebene dem übergeordneten Ziel, Erkenntnis- und Anschauungsmaterial für die Dis­ kussion um den Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu gewin­ nen.75 Auf der Grundlage der vorstehend dargelegten Prüfstruktur erfolgt sodann in den Kapiteln § 3 bis § 5 anhand der Untersuchungsgruppen der verwal­ tungsberatenden, entscheidungsbefugten und belangwahrenden sachverstän­ digen Stellen eine Bestandsaufnahme und Analyse zur verwaltungsseitigen bzw. verwaltungssubstituierenden Sachverständigentätigkeit in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren.76 Diese Untersuchung erfolgt mithilfe von Referenzgebieten. Als Referenzgebiete werden solche Gebiete des besonderen Verwaltungsrechts bezeichnet, die „einen exemplari­ schen Problem- und Problemlösungsbestand aufweisen, der von grundsätz­ licher Natur für die dogmatische Weiterentwicklung des allgemeinen Verwal­ 71  Beide Begriffe werden im Kontext der vorliegenden Untersuchung nicht unter­ schieden. Zwar dürfte der Begriff „Funktion“ in der Literatur geläufiger sein, siehe etwa die Terminologie bei Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (238 ff.); Hill, Das feh­ lerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 199 ff.; Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 (157 ff.). Indes verwenden Teile des Schrifttums beide Begriffe weit­ gehend synonym, vgl. etwa die Ausführungen bei Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S.  52 ff. 72  Siehe zur Grundlegung unten § 2 D. IV. 73  Zur Bedeutung und den Problemen rechtstatsächlicher Untersuchungen im Ver­ waltungsrecht vgl. etwa Voßkuhle, VerwArch 85 (1994), 567 (571 ff.). 74  Zur näheren Erläuterung der beim Kontrollzugang und der Kontrolldichte im Einzelnen zu behandelnden Aspekte siehe unten § 2 D. V. 75  Zum Problem siehe oben A. III. 76  Zum Arbeiten mit Referenzgebieten des besonderen Verwaltungsrechts vgl. all­ gemein Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 8 ff.

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§ 1 Einleitung

tungsrechts ist“.77 Um die Arbeit auf eine möglichst breite Erkenntnisgrund­ lage zu stützen, werden für jeden der drei genannten Aufgabentypen jeweils drei Referenzgebiete ausgewählt. Diese für jede der drei Untersuchungsgrup­ pen im Einzelnen näher zu begründende Auswahl der Referenzgebiete folgt dabei drei Prämissen. Erstens soll eine möglichst große Bandbreite unter­ schiedlicher sachverständiger Stellen betrachtet werden, die auf hoheitliche Veranlassung in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren eingebunden werden. Zweitens sollen die sachgebietsspezifischen Besonderheiten eines jeden Referenzgebiets stets an vergleichbare Problem­ lagen aus anderen Rechtsgebieten sowie an die Handlungsformen und Insti­ tute des allgemeinen Verwaltungsrechts rückgekoppelt werden.78 Da der bloße Normtext für sich genommen regelmäßig noch kein hinreichendes Anschauungsmaterial für den Erkenntnisgewinn liefert, erfordert die Einbe­ ziehung eines Referenzgebiets in die Untersuchung drittens ein Mindestmaß an forensischer und (rechts-)wissenschaftlicher Durchdringung.79 Vor dem Hintergrund dieser vorliegend an die Auswahl der Referenzgebiete gestellten Anforderungen lassen sich ganz unweigerlich Argumente für oder gegen die Berücksichtigung anderer bzw. zusätzlicher Rechtsgebiete aus dem Umwelt-, Technik- und Pharmarecht finden, die ebenfalls eine hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren vorsehen. Gerade diese Fülle an (potenziellem) Anschau­ ungsmaterial erfordert jedoch zum Zweck des wissenschaftlichen Erkenntnis­ gewinns eine Begrenzung des Untersuchungsstoffs. Insofern kann und will die Arbeit keinen Anspruch auf „Vollständigkeit“ erheben. Die Erkenntnisse aus den für die verschiedenen Untersuchungsgruppen zu betrachtenden Referenzgebieten werden sodann in Kapitel § 6 im Rahmen einer Gesamtschau verglichen und ausgewertet. Hierzu wird für jeden Teil­ aspekt aus der oben erörterten Prüfstruktur zunächst in einem ersten Schritt eine überblicksartige Darstellung über den Normbestand und die Regelungs­ strukturen aus den betrachteten Referenzgebieten gewährt. Anschließend werden die Erkenntnisse aus den jeweiligen Referenzgebieten unter recht­ lichen Gesichtspunkten, in systematischer Hinsicht auf ihre Kohärenz bzw. Systemgerechtigkeit sowie unter rechtspolitischen Aspekten untersucht. Ziel dieser Analyse ist es, die Tätigkeit verwaltungsberatender, entscheidungsbe-

77  So die prägnante Umreißung des Begriffs bei Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 4. 78  Zur Bedeutung dieses Aspekts siehe grundlegend Schmidt-Aßmann, Das allge­ meine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 8; siehe ferner Di Fabio, Risikoent­ scheidungen im Rechtsstaat, S. 4. 79  Zur Relevanz dieses Aspekts im Kontext von Genehmigungsverfahren siehe etwa Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 22.



C. Gang der Untersuchung39

fugter und belangwahrender sachverständiger Stellen in einem übergeordne­ ten Gesamtkontext zu erfassen und neben unzweifelhaft bestehenden Unter­ schieden auch Gemeinsamkeiten bzw. vergleichbare Problemlagen herauszu­ arbeiten. Die Arbeit endet mit dem Kapitel § 7, in welchem die Untersuchungs­ ergebnisse zusammengefasst werden.

§ 2 Grundlegung Im Rahmen der Grundlegung werden zunächst die für die Untersuchung zentralen Begrifflichkeiten des naturwissenschaftlichen-technisch komplexen Zulassungsverfahrens, der sachverständigen Stelle sowie des Antragstellers terminologisch und inhaltlich näher erläutert (A.–C.). Hierauf aufbauend wird sodann die überblickartig bereits aufgezeigte Prüfungsstruktur für die Untersuchung der Referenzgebiete im Einzelnen näher dargelegt (D.).

A. Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren Die vorliegende Abhandlung beschränkt sich auf die Betrachtung von na­ turwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren. Diese Ein­ grenzung des Untersuchungsgegenstands bedarf in terminologischer (I.) wie in rechtsdogmatischer Hinsicht (II. u. III.) einer Einordnung.

I. Begriff Der Terminus des „naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahrens“ untergliedert sich in die Einzelbegriffe der „Zulassung“ sowie der „naturwissenschaftlichen-technischen Komplexität“. Gerade im Umweltrecht existiert für die Umschreibung von behördlichen Zustimmungsentscheidungen, die im Vorfeld der Aufnahme bestimmter Tä­ tigkeiten eingeholt werden müssen, kein einheitlicher Sprachgebrauch.1 In­ soweit wird in der vorliegenden Untersuchung als Oberbegriff der Begriff der Zulassung verwendet. Der Begriff der Zulassung meint hier zunächst jede behördliche Entscheidung über die Zulässigkeit einer Tätigkeit oder ei­ nes Vorhabens, die in einem Verwaltungsverfahren getroffen wird.2 Als Zu­ lassung im vorgenannten Sinne gelten dabei grundsätzlich auch Vorbescheide, Teilgenehmigungen und andere Teilzulassungen, nicht aber bloße Anzeige-

1  Zu den hiermit mitunter einhergehenden dogmatischen Schwierigkeiten vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 5 Rn. 208 ff. 2  Vgl. die Legaldefinition der Zulassungsentscheidung in § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG.



A. Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren 41

und Anmeldeerfordernisse.3 Dieses „öffentlich-rechtliche“ Verständnis des Ausdrucks der Zulassung ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung zu erweitern. Denn in bestimmten Wirtschaftsbereichen werden nicht mehr Verwaltungsbehörden, sondern vielmehr vom Staat zur Aufgabenerfüllung eingesetzte Private mit der eigenverantwortlichen Durchführung präventiver Kontrolltätigkeiten betraut. Dies gilt insbesondere für weite Teile des Pro­ duktsicherheitsrechts, wo Hersteller bestimmte Produkte mit erhöhtem Risi­ kopotenzial nur dann in Verkehr bringen dürfen, wenn staatlich ausgewählte Private zuvor die Einhaltung der an die jeweiligen Produkte gestellten Si­ cherheitsanforderungen prüfen und bestätigen (Konformitätsbestätigung bzw. Prüfbescheinigung). Diese staatlich veranlasste Einbindung privater sachver­ ständiger Stellen in im Kern zivilrechtlich geregelte Eröffnungskontrollver­ fahren wird ebenfalls in die Untersuchung einbezogen. Dementsprechend erfasst der Begriff der Zulassung vorliegend auch für den Marktzugang von Produkten obligatorisch einzuholende Konformitätsbestätigungen bzw. Prüf­ bescheinigungen. Der der Untersuchung des Weiteren zugrunde gelegte Ausdruck der „na­ turwissenschaftlich-technischen Komplexität“ wird vorliegend weit interpre­ tiert. Er umfasst nach hiesigem Begriffsverständnis grundsätzlich alle Zulas­ sungsverfahren für Anlagen, Produkte oder Vorhaben, die in den Bereichen Umwelt, Technik oder Medizin verortet sind. Derartige Zulassungsverfahren gelten gemeinhin als „komplex“. Komplexität meint, „dass die zur Untersu­ chung stehenden Sachverhalte von vielen sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst werden, die eine einfache Beurteilung erschweren und die Wahr­ scheinlichkeit erhöhen, dass die Analyse zu kontraintuitiven Lösungen kommt.“4 Diese Begriffsdefinition ist im Zusammenhang mit den Charakte­ ristika „komplexer Verwaltungsentscheidungen“5 bzw. „komplexer Verwal­ tungsverfahren“6 zu sehen. Insoweit sind die regelmäßig nur grobmaschige gesetzliche Programmierung des behördlichen Entscheidungsprogramms, die Komplexität der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts und das Erfor­ dernis prognostischer (Risiko-)Abschätzungen, die Vielzahl der zu berück­ sichtigenden und von unterschiedlichen Behörden wahrgenommenen öffent­ lichen Belange sowie die (potenzielle) Betroffenheit der Rechte und Interes­ sen Dritter zu nennen.7 3  Insoweit weicht das der Untersuchung zugrunde liegende Begriffsverständnis von der Terminologie des § 2 Abs. 6 Nr. 1 UVPG a. E. ab. 4  So die Begriffsdefinition bei Torgersen, in: Bogner/Torgersen (Hrsg.), Wozu Experten?, S. 67 (81), auf die auch in der vorliegenden Untersuchung abgestellt wird. 5  Grundlegend Schmidt-Aßmann, VVDStRL 34 (1976), 221 (222 ff.). 6  Ausführlich Steinberg, DÖV 1982, 619 ff. 7  Zu den genannten Aspekten siehe Steinberg, DÖV 1982, 619 f. m. w. N.

42

§ 2 Grundlegung

II. Erfasste Verfahrenstypen Rechtsdogmatisch können Zulassungsverfahren im vorstehenden Sinne grundsätzlich den Verfahrenstypen der Anlagenzulassungs-, Risiko- und Qualitätssicherungsverfahren zugeordnet werden.8 Auf die Merkmale dieser Verfahrenstypen wird nachfolgend kurz eingegangen, um zum einen die Bandbreite des Untersuchungsgegenstands aufzuzeigen und zum anderen die Ableitung von Referenzgebieten für die Untersuchungsgruppen der verwal­ tungsberatenden, entscheidungsbefugten und belangwahrenden sachverstän­ digen Stellen vorzustrukturieren. 1. Anlagenzulassungsverfahren Herkömmlich werden zu den verwaltungsverfahrensrechtlichen „Grund­ typen“ Verfahren zur schlichten Gefahrenabwehr, zur Kontrolle privater Freiheitsbetätigungen sowie Verfahren der Anlagenzulassung gezählt.9 Die vorliegend näher interessierenden Anlagenzulassungsverfahren sind darauf gerichtet, die von raumbedeutsamen Anlagen ausgehenden Auswirkungen auf die Umwelt und Individualrechtsgüter einer präventiven Vorabkontrolle zu unterwerfen. Kennzeichnende Merkmale dieses Verfahrenstyps sind Vor­ schriften zur Zusammenarbeit von Vorhabenträger bzw. Antragsteller und federführender Behörde, zur Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung, zur Verfahrensbeschleunigung (z. B. Präklusionsregelungen) sowie zur Bünde­ lung mehrerer erforderlicher Zulassungen in einer einheitlichen behördlichen Zulassungsentscheidung mit – regelmäßig formeller – Konzentrationswir­ kung.10 Dabei reicht das Spektrum raumbezogener Anlagenzulassungsverfah­ ren von förmlichen Genehmigungsverfahren für technische (Groß-)Anlagen (z. B. im Atom-, Gentechnik- oder Immissionsschutzrecht) bis hin zur Zulas­ sung von Infrastrukturvorhaben (z. B. Stromtrassen) in Planfeststellungsver­ fahren.11 8  Siehe zu dieser Unterscheidung und weiteren, vom vorliegenden Untersu­ chungsgegenstand nicht erfassten Verfahrenstypen Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (289 ff., 309 ff., 330 ff.) (dort in anderer Reihenfolge). Zu den vergleichsweise „neuen“ Verfahrenstypen des Risiko- sowie des Qualitätssicherungsverfahrens siehe auch Schmidt-Aßmann, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 109 Rn. 52 f. 9  Zu dieser Unterscheidung siehe Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (286 ff.). 10  Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (290). 11  Siehe die Zusammenfassung mit weiteren Beispielen und Nachweisen bei Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Ver­ waltungsverfahrensgesetz, S. 277 (289).



A. Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren 43

2. Risikoverfahren Bestimmte naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren können dem Verfahrenstyp des Risikoverfahrens zugeordnet werden. Als Risikoverfahren werden Verwaltungsverfahren bezeichnet, „deren Ziel ein rationaler Umgang mit den potentiell vom Verfahrensgegenstand ausgehen­ den, unerwünschten Folgen für die Schutzgüter der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt ist.“12 Als Verfahrenstyp dienen Risikoverfahren gemeinhin dem Zweck, die Entscheidungsfindung einer Behörde bezüglich des Um­ gangs mit risikobehafteten Anlagen, Produkten oder Verfahren zu gestalten.13 Am Ende des Risikoverfahrens ergeht die behördliche „Risikoentscheidung“. Der Begriff der Risikoentscheidung bezeichnet eine im Bereich des Gefah­ renverdachts oder noch im zeitlichen Vorfeld des Gefahrenverdachts erge­ hende normative oder einzelfallbezogene Entscheidung, die der Minimierung eines von einer Betätigung ausgehenden Risikos dient.14 Strukturell ist allen Risikoentscheidungen „ein besonderes Maß an kognitiver Unsicherheit bei der Beurteilung der Schadenswahrscheinlichkeit oder auch die Lockerung der Konnexität von Ursache und Schadenserfolg“ immanent.15 Aus Sicht der für die Entscheidung zuständigen Behörde weisen Risikoentscheidungen drei im Verwaltungsverfahren zu bewältigende Herausforderungen auf:16 Zum einen muss das Verfahren zur Informationserlangung hinsichtlich der poten­ ziellen Risiken adäquat organisiert und ausgestaltet werden. Zum anderen muss die Behörde auch dann eine nachvollziehbar begründete Risikoent­ scheidung treffen, wenn die der Entscheidung zugrunde liegende Informa­ tionslage defizitär ist und sich auf empirisch nicht gesicherte Annahmen stützt. Schließlich muss die Behörde abwägen, welche Risiken einer poten­ ziell gefährlichen Betätigung vorrangig zu minimieren sind und ob der Auf­ wand der insoweit zu ergreifenden Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum erwarteten Nutzen steht. Als Konsequenz dieser Schwierig­ keiten beim Erlass von Risikoentscheidungen ist für die im Verwaltungsver­

12  Braun, Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikover­ fahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 33. 13  Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (330). 14  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 115. 15  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 115 f.; vgl. ferner Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwal­ tungsverfahrensgesetz, S. 277 (330). 16  Zum Folgenden vgl. Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 116; vgl. zu dem aus diesen Problemfeldern resultierenden Anforderungsprofil von Risiko­ verfahren etwa Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwal­ tungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (331).

44

§ 2 Grundlegung

fahren mit Entscheidungskompetenzen ausgestatteten Behörden die Einbezie­ hung wissenschaftlicher Expertise regelmäßig unerlässlich.17 3. Qualitätssicherungsverfahren Neben den vorrangig von den staatlichen Verwaltungsbehörden durchzu­ führenden und mit einer Entscheidung abzuschließenden Anlagenzulassungsund Risikoverfahren kommt vor allem unter Einfluss des Unionsrechts dem Verfahrenstyp des Qualitätssicherungsverfahrens eine zunehmende Bedeu­ tung zu.18 Kennzeichnendes Merkmal von Qualitätssicherungsverfahren ist, dass die Überprüfung der Einhaltung von gesetzlich definierten Standards unter gleichzeitiger Reduzierung von hoheitlicher Prüf- und Kontrolltätigkeit weitgehend auf private Akteure verlagert wird.19 Das dahinter stehende Kon­ zept der „regulierten Selbstregulierung“20 kennt im Grundsatz zwei Erschei­ nungsformen. Neben der hier nicht zu vertiefenden Implementierung von privaten Eigenüberwachungsstrukturen unterwirft das Recht in bestimmten Bereichen die Akteure des Wirtschaftsverkehrs (insbesondere Hersteller von Produkten) anstelle einer hoheitlichen Kontrolle einer Fremdkontrolle durch vom Staat zu diesem Zweck ausgewählte Private. Derartige private Kontroll­ mechanismen erfolgen längst nicht mehr nur in den tradierten Handlungsfor­ men der dem hoheitlichen Verantwortungsbereich zuzuordnenden Verwal­ tungshilfe und Beleihung, sondern sind zunehmend als eigenständige private Fremdkontrolle konzipiert.21 Entsprechende Anwendungsbeispiele für prä­ ventive Qualitätssicherungsverfahren finden sich, wie schon angedeutet, vor allem im Produktsicherheitsrecht. Dort hängt in vielen Bereichen die Zuläs­ sigkeit des Marktzugangs von gefährlichen Produkten von einem erfolgrei­ chen Durchlauf eines gesetzlich implementierten, unter Verantwortung aus­ gewählter privater sachverständiger Stellen durchzuführenden Kontrollver­ fahrens ab. Trotz nicht zu verkennender struktureller Unterschiede zwischen

17  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 116 („besondere Abhängig­ keit“). 18  Der Anwendungsbereich von Qualitätssicherungsverfahren reicht über die vor­ liegend interessierenden naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren hinaus in sämtliche Bereiche des Verwaltungsrechts hinein, siehe etwa Geis, FS Schmidt-Preuß, S. 21 (24 ff.). 19  Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (309). 20  Zum Konzept und den praktischen Anwendungsfeldern der „regulierten Selbst­ regulierung“ siehe insbesondere Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungs­ verwaltungsrecht, S.  42 ff., 83 ff. 21  Eifert, Die Verwaltung 39 (2006), 309 (310).



A. Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren 45

den jeweiligen Verfahrenstypen22 wirft die Einbindung sachverständiger Stellen in Qualitätssicherungsverfahren grundsätzlich vergleichbare Fragen wie die Tätigkeit sachverständiger Stellen in Anlagenzulassungs- und Risiko­ verfahren auf, denen im Laufe der Untersuchung nachzugehen sein wird.23

III. Bedeutung der verschiedenen Verfahrenstypen im Rahmen der Untersuchung Die obige Charakterisierung von Anlagenzulassungs-, Risiko- und Quali­ tätssicherungsverfahren dient im Kontext des Erkenntnisinteresses der vorlie­ genden Untersuchung vor allem dem Zweck, die Bandbreite der verwal­ tungsseitigen bzw. verwaltungssubstituierenden Tätigkeit24 sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren überblicksartig aufzuzeigen. Es bedarf insoweit keiner näheren Erläuterung, dass für die Einbindung sachverständiger Stellen bei der Zulassung eines Arzneimittels oder in die Konformitätsbewertung eines Hochrisiko-Medizin­ produkts nicht nur in materiell-rechtlicher, sondern auch in organisationsund verfahrensrechtlicher Hinsicht andere Vorgaben gelten als für die hoheit­ lich veranlasste Sachverständigentätigkeit in Zulassungsverfahren für techni­ sche Anlagen und Infrastrukturvorhaben. Dies gilt nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass – worauf sogleich zurückzukommen sein wird – sachverständige Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen.25 Indes schließen die – oben freilich nur angedeuteten – Unterschiede zwi­ schen Anlagenzulassungs-, Risiko- und Qualitätssicherungsverfahren einen Vergleich der unterschiedlichen Rollen sachverständiger Stellen in den jewei­ ligen Verfahren nicht schlechterdings aus. Im Gegenteil: Bei der Zulassung von gefährlichen Anlagen, Produkten oder medizinischen Forschungsvorha­ ben besteht ein generelles Interesse daran, dass die hoheitlich in die jeweili­ gen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen gemäß dem Umfang der ihnen übertragenen Aufgaben ausreichend demokratisch legitimiert sind, über eine hinreichende Fachkompetenz verfügen, im Rah­ 22  Dazu etwa Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwal­ tungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (289 ff., 309 ff., 330 ff.). 23  Zu übergreifenden Entwicklungstendenzen bei den genannten Verfahrenstypen und weiteren, hier nicht näher zu behandelnden Verteilungsverfahren allgemein Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Ver­ waltungsverfahrensgesetz, S. 277 (343 ff.). 24  Zu diesen beiden vorliegend unterschiedenen Erscheinungsformen der hoheit­ lichen Einbindung sachverständiger Stellen siehe noch näher unten B. II. 25  Siehe dazu unten B. III.

46

§ 2 Grundlegung

men ihrer Tätigkeit keinen unzulässigen bzw. sachwidrigen Eigeninteressen oder Fremdeinflüssen unterliegen, über die zur ordnungsgemäßen Aufgaben­ erfüllung erforderlichen Befugnisse verfügen, bei der Erledigung ihrer Auf­ gabe die Rechte des Antragstellers bzw. (potenziell) betroffener Dritter wah­ ren sowie einer hinreichenden Kontrolle durch Exekutive, Judikative und (gegebenenfalls) der Öffentlichkeit unterliegen. Im Hinblick auf die vorste­ henden Aspekte kann die Tätigkeit sachverständiger Stellen in den unter­ schiedlichen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren miteinander verglichen werden.26 Auf eben diese Herausarbeitung und Analyse verschiedener organisations- und verfahrensrechtlicher Strukturen konzentriert sich die vorliegende Untersuchung. Im Übrigen wird den aufge­ zeigten Unterschieden zwischen den Verfahrenstypen bei der Auswahl der Referenzgebiete Rechnung getragen. Soweit möglich, soll jeder genannte Verfahrenstyp in den zu betrachtenden Untersuchungsgruppen mit einem Referenzgebiet vertreten sein. Insoweit sei hier vorweggenommen, dass die­ ser an die Bestimmung der Referenzgebiete formulierte Anspruch bezüglich der Anlagenzulassungs- und Risikoverfahren ohne weiteres eingelöst werden kann. Demgegenüber kann der Verfahrenstyp des Qualitätssicherungsverfah­ rens vorliegend nur in der Untersuchungsgruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen mit einem Referenzgebiet besetzt werden. Für die Untersuchungsgruppen der beratenden und belangwahrenden sachverständi­ gen Stellen finden sich, soweit ersichtlich, keine Rechtsgebiete, durch die der Verfahrenstyp des Qualitätssicherungsverfahrens im Hinblick auf das vorlie­ gend verfolgte Erkenntnisinteresse mit einem Referenzgebiet hätte abgebildet werden können. Dies ist aus den oben dargelegten Gründen zur Erreichung des Untersuchungsziels jedoch unschädlich.27

B. Sachverständige Stellen Neben dem Begriff des naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahrens bedarf auch der weitere der Untersuchung zugrunde liegende Ausdruck der sachverständigen Stelle einer terminologischen Konkretisie­ rung (I.). Darüber hinaus ist auf die vorliegend unter dem Oberbegriff der „hoheitlichen Einbindung“ zusammengefassten Erscheinungsformen der verwaltungsseitigen bzw. verwaltungssubstituierenden Tätigkeit sachverstän­ diger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren jeweils näher einzugehen (II.), bevor die von ihnen wahrgenommenen 26  Nichts anderes gilt für die mitunter sehr unterschiedliche Ausgestaltung von Zulassungsverfahren innerhalb der genannten Verfahrenstypen. 27  Zur Auswahl der Referenzgebiete siehe im Einzelnen unten § 3 A., § 4 A. u. § 5 A.



B. Sachverständige Stellen47

Aufgabentypen der Verwaltungsberatung, Entscheidung und Belangwahrung dargestellt sowie voneinander abgegrenzt werden (III.).

I. Begriff Zur Beschreibung der im Interesse bzw. im Auftrag der staatlichen Verwal­ tung tätigen Experten wird vorliegend der Ausdruck der sachverständigen Stelle verwendet. Diese Bezeichnung ist nicht mit dem Begriffsverständnis in verschiedenen Vorschriften des Umwelt- oder IT-Sicherheitsrechts28 oder mit dem Sprachgebrauch in anderen wissenschaftlichen Abhandlungen29 gleichzusetzen. In der vorliegenden Untersuchung meint der Begriff der sachverständigen Stelle jede selbstständige, auf der Seite der Verwaltung tä­ tige bzw. letztere substituierende natürliche oder juristische Person, die auf­ grund ihrer Expertise dazu in der Lage ist, einen von komplexen naturwis­ senschaftlichen, technischen oder medizinischen Fragestellungen geprägten Sachverhalt aufzubereiten und zu beurteilen. Dabei können sowohl öffent­ lich-rechtliche als auch privatrechtlich organisierte Personen als sachverstän­ dige Stellen im vorstehenden Sinne zu qualifizieren sein.30 Konkret umfasst der hier verwendete Terminus beispielsweise (Fach-)Behörden im organisa­ tionsrechtlichen Sinne,31 kollegial bzw. pluralistisch besetzte Sachverständi­ gengremien, private (Einzel-)Sachverständige oder Sachverständigenorgani­ sationen.32

28  Vgl. etwa § 21 des „Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emis­ sion von Treibhausgasen“ (TEHG) i. d. F. des „Gesetzes zur Anpassung der Rechts­ grundlagen für die Fortentwicklung des Emissionshandels“ vom 21.07.2011 (BGBl. I 2011, S. 1475), geändert durch das „Erste Gesetz zur Änderung des TreibhausgasEmissionshandelsgesetzes“ vom 15.07.2013 (BGBl. I 2013, S. 2431); vgl. ferner § 9 Abs. 3 des Gesetzes über das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSIG) vom 14.08.2009 (BGBl. I 2009, S. 2821). 29  Etwa im Hinblick auf die Begriffsinterpretation bei Siegel, Die Verfahrensbe­ teiligung von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange, S. 46. 30  Anders das Begriffsverständnis bei Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (378), der nur Private vom Begriff der sachverständigen Stelle als umfasst sieht. 31  Als Behörden im organisatorischen bzw. organisationsrechtlichen Sinne be­ zeichnet man herkömmlich selbstständige, eigenverantwortlich handelnde Verwal­ tungsorgane des Staates oder seiner Untereinheiten, siehe etwa Bull/Mehde, Allge­ meines Verwaltungsrecht mit Verwaltungslehre, Rn. 385. 32  Für die Erfassung sowohl von Behörden als auch beliehenen Privaten durch den allgemeinen Sachverständigenbegriff siehe Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 93.

48

§ 2 Grundlegung

II. Hoheitliche Einbindung Die rasante Fortentwicklung des Wissens in naturwissenschaftlich-techni­ schen Fachdisziplinen und das mitunter erhebliche Risikopotenzial, das von gefährlichen Anlagen, Produkten oder Forschungsvorhaben ausgeht, haben weite Teile des besonderen Verwaltungsrechts längst zu einem Sachverstän­ digen- und Expertenrecht überformt. Dies wird im Kontext von naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren mitunter an der Antrag­ stellern33 auferlegten bzw. auferlegbaren Pflicht deutlich, den von ihnen beizubringenden Antragsunterlagen Sachverständigengutachten beizufügen.34 Selbst wenn Antragsteller fachrechtlich nicht explizit zur Einholung eigener Sachverständigengutachten verpflichtet sind, ist die Vorlage entsprechender Privatgutachten in vielen Bereichen gleichwohl gelebte Verwaltungspraxis. Wirken vom Antragsteller beauftragte Privatgutachter bereits an der Konzep­ tion der Anlage, des Produkts oder des Forschungsvorhabens mit, besteht in der Sphäre des Antragstellers häufig ein Wissensvorsprung gegenüber dem Staat, den letzterer für eine möglichst vollständige und umfassende Überprü­ fung des Antrags ausgleichen bzw. zumindest reduzieren muss. Knüpft das Recht die Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage, das Inverkehrbringen eines Produkts oder die Aufnahme eines Forschungsvorhabens an die vorhe­ rige Durchführung eines Zulassungsverfahrens, können die in diese Eröff­ nungskontrolle hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen verwal­ tungsseitig (1.) oder verwaltungssubstituierend (2.) tätig werden. 1. Verwaltungsseitige Tätigkeit Aus dem Spektrum der aufgezeigten Typen präventiver Eröffnungskon­ trollverfahren35 sind ungeachtet der Art und des Umfangs der Mitwirkung Privater an der staatlichen Entscheidungsfindung namentlich Anlagenzulas­ sungs- und Risikoverfahren nach wie vor als öffentlich-rechtliche Verwal­ tungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG ausgestaltet, die durch Erlass eines Ver­ waltungsaktes durch eine Behörde i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG abgeschlossen

33  Zum

Begriffsverständnis siehe unten C. Pflicht von Antragstellern zur Beibringung von Privatgutachten ist bei­ spielsweise im Arzneimittelrecht (§ 24 AMG) kodifiziert. Im Immissionsschutzrecht werden von Antragstellern beigebrachte Privatgutachten nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 der 9. BImSchV eingeholten Behördengutachten gleichgestellt. Sachverstän­ dige Auftragnehmer des Antragstellers eines Verwaltungsverfahrens werden als sog. Privatgutachter bezeichnet. Zur Tätigkeit von Privatgutachtern im Verwaltungsrecht siehe Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 205 ff. 35  Siehe oben A. II. 34  Eine



B. Sachverständige Stellen49

werden.36 Das § 9 VwVfG zugrunde liegende Verständnis des Verwaltungs­ verfahrens bildet vorliegend den rechtlichen Ausgangspunkt für die Charak­ terisierung der verwaltungsseitig tätigen sachverständigen Stellen. Im Kon­ text der vorliegenden Untersuchung ist eine sachverständige Stelle auf der Seite der Verwaltung tätig, wenn sie entweder selbst als Behörde i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG ein naturwissenschaftlich-technisch komplexes Zulassungs­ verfahren durchführt und durch Erlass eines Verwaltungsakts abschließt oder aber ihre Tätigkeit im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens i.  S.  d. § 9 VwVfG im Auftrag bzw. im Interesse der federführenden Behörde erbringt. Wie anhand verschiedener Referenzgebiete zu zeigen sein wird, erfasst diese Begriffsinterpretation eine vergleichsweise große Bandbreite sachverständi­ ger Stellen. Mit Blick auf das vorliegend verfolgte Erkenntnisinteresse ist dieses weite Begriffsverständnis sachgerecht, um eine umfassende Betrach­ tung der dem Staat zur Verfügung stehenden Handlungsoptionen bei der Einbindung von sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu ermöglichen. 2. Verwaltungssubstituierende Tätigkeit Während Anlagenzulassungs- und Risikoverfahren nach wie vor als „klas­ sisch“ öffentlich-rechtliche Verwaltungsverfahren zu qualifizieren sind, sind in zahlreichen Bereichen des stark unionsrechtlich geprägten Produktsicher­ heitsrechts Präventivkontrollverfahren etabliert, die trotz ihrer mitunter öf­ fentlich-rechtlichen Überformung im Kern zivilrechtlichen Grundsätzen fol­ gen. Angesprochen sind damit die oben37 charakterisierten Qualitätssiche­ rungsverfahren, die im Wesentlichen in zwei Unterformen auftreten.38 Zum einen können Hersteller gesetzlich verpflichtet sein, vor dem Inverkehrbrin­ gen ihrer Produkte durch eigens durchzuführende Vorabprüfungen und -kon­ trollen selbst die Einhaltung definierter Sicherheitsstandard nachzuweisen (präventive Eigenkontrolle). Zum anderen ist Herstellern für den Marktzu­ gang von Produkten mit hohem bis sehr hohem Risikopotenzial mitunter eine Pflicht auferlegt, die Sicherheit ihrer Produkte durch eine entsprechende Er­ klärung einer staatlich zugelassenen (häufig im Wege der „Akkreditierung“ oder „Benennung“), jedoch auf privatrechtlicher Grundlage tätig werdenden 36  Zur partiellen Überformung bzw. Verdrängung öffentlich-rechtlicher Erlaubnis­ vorbehalte durch zivilrechtliche Regulierungsmechanismen siehe Di Fabio, in: Hoff­ mann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wech­ selseitige Auffangordnungen, S.  143 (146 ff.). 37  A. II. 3. 38  Zu dieser Differenzierung siehe etwa Eifert, Die Verwaltung 39 (2006), 309 (310).

50

§ 2 Grundlegung

sachverständigen Stelle nachzuweisen (präventive Fremdkontrolle). Im Rah­ men der vorliegenden Untersuchung soll es allein um die zweite Fallgruppe der präventiven Fremdkontrolle gehen. In denjenigen Bereichen des Produkt­ sicherheitsrechts, die derartige private Fremdkontrollverfahren vorsehen, er­ folgt die präventive Kontrolltätigkeit nicht durch Behörden, sondern durch private sachverständige Stellen. Letztere ersetzen durch ihre Arbeit gewisser­ maßen die herkömmlich hoheitliche Eröffnungskontrolle. Die Rolle der staatlichen Verwaltungsbehörden ist insoweit auf die repressive Überwachung der Tätigkeit der privaten sachverständigen Stellen beschränkt. Im Folgenden wird diese Ersetzung der präventiven Kontrolltätigkeit des Staates durch die Einbindung privaten Sachverstands terminologisch unter Verwendung des Begriffs der verwaltungssubstituierenden sachverständigen Stelle zum Aus­ druck gebracht.

III. Aufgaben in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren Generell kann die Expertise sachverständiger Stellen sowohl verwaltungs­ seitig als auch verwaltungssubstituierend auf sehr unterschiedliche Weise in Anspruch genommen werden. Dementsprechend sind die Rollen sachverstän­ diger Stellen im Verwaltungsrecht und ihre Tätigkeit in Verwaltungsverfahren Gegenstand verschiedener Systematisierungsansätze.39 Die zu diesem The­ menkreis bislang erschienenen Arbeiten beschränken sich allesamt auf die Untersuchung von entweder öffentlich-rechtlich oder aber privatrechtlich ­organisierten sachverständigen Stellen.40 Vorliegend wird jedoch gerade der 39  Eine Systematisierung der unterschiedlichen Aufgabenbereiche privater sach­ verständiger Stellen im Verwaltungsrecht leistet insbesondere die Arbeit von Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht. Scholl differenziert zwischen dem Behördengutachter als sachverständigem Verwaltungshelfer (S. 147 ff.), dem Privat­ gutachter als sachverständigem Auftragsnehmer des Normadressaten (S. 205 ff.), dem beliehenen Sachverständigen als privatem Sachverständigen in einer öffentlich-recht­ lich organisierten Garantiefunktion (S. 244 ff.) sowie dem sogenannten „Verifika­ teur“, der kraft Gesetz als privater Sachverständiger in unterschiedlichen Konstellatio­ nen in den Normvollzug eingebunden wird (S. 279 ff.). Eine andere Typologisierung findet sich hingegen bei Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstel­ lung im Verwaltungsrecht, S. 195. Hinsichtlich der Einbindung von hoheitlich bzw. öffentlich-rechtlich organisierten sachverständigen Stellen in Zulassungsverfahren ist vor allem auf die Untersuchung von Braun, Bundesbehörden und europäische Agen­ turen als Akteure in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, hinzuweisen. Braun unterscheidet als Erscheinungsformen unmittelbarer Verfahrens­ einbindung zwischen der Federführung (S. 56 f.), Mitentscheidung (S. 57 ff.), Mitwir­ kung (S. 59 ff.), Bereitstellung von Datenbanken (S. 62 ff.) sowie der Forschung un­ abhängig von konkreten Risikoverfahren (S. 64 ff.). 40  Dazu oben § 1 B.



B. Sachverständige Stellen51

These nachgegangen, dass die Einbindung sachverständiger Stellen in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren rechtsformunab­ hängig im Wesentlichen vergleichbare Problemstellungen hervorruft, die ähnlich gelöst werden können und sollten.41 Dementsprechend werden sach­ verständige Stellen hier nicht nach ihrer Rechtsform, sondern anhand der von ihnen wahrgenommenen Aufgaben unterschieden.42 Insoweit wird vorliegend mit der Beratung, Entscheidung und Belangwahrung insgesamt zwischen drei unterschiedlichen Aufgabentypen differenziert, die von sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren wahrgenommen werden. Der weitere, insbesondere im Fachplanungsrecht verbreitete Aufgabentyp der Verfahrensleitung, bei dem eine von der ent­ scheidungsbefugten Behörde getrennte Anhörungsbehörde die Zulassungs­ entscheidung lediglich vorbereitet und hierzu sämtliche Verfahrensschritte durchführt, wird mangels Erkenntnisinteresse vorliegend nicht gesondert be­ trachtet. Die rechtlichen wie auch rechtspolitischen Argumente, die für bzw. gegen die Aufgabentrennung von Anhörungs- und Entscheidungsbehörde streiten, können exemplarisch anhand eines Referenzgebiets behandelt wer­ den, in welchem ein und dieselbe Behörde in einem naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren beide Aufgaben wahrnimmt. Nicht zuletzt unter diesem Gesichtspunkt wird für den Aufgabentyp der Entschei­ dung ein einschlägiges Referenzgebiet auszuwählen sein.43 Generell können die Aufgabentypen der Beratung, Entscheidung und Be­ langwahrung im Hinblick auf ihren Tätigkeitsbereich gewisse Schnittmengen aufweisen, weshalb sie im Folgenden abstrakt voneinander abzugrenzen sind. Diesbezüglich lassen sich gewisse inhaltliche Unschärfen nicht vollständig vermeiden,44 was jedoch mit Blick auf das avisierte Untersuchungsziel im Ergebnis unschädlich ist. Dabei kann und darf die vorliegend maßgeblich der Systematisierung der Untersuchung geschuldete Differenzierung zwischen den verschiedenen Aufgabentypen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die hoheitliche Einbindung verwaltungsberatender, entscheidungsbefugter und belangwahrender sachverständiger Stellen insbesondere im Umweltrecht ty­ 41  Siehe

oben § 1 A. ist selbstverständlich nicht zu verkennen, dass das Grundgesetz der Aufga­ benübertragung auf private sachverständige Stellen von vornherein Grenzen setzt. Die vorliegende Untersuchung hat jedoch nicht die generelle Zulässigkeit der Aufgaben­ delegation auf Private zum Gegenstand, sondern will einen Beitrag zur Lösung der durch Expertenbeteiligungen hervorgerufenen Rechtsprobleme leisten. 43  Dazu unten § 4 A. 44  Dies ist letztlich bereits darin begründet, dass der Gesetzgeber insbesondere bei der Bestimmung der Aufgabentypen nicht an einen abschließenden Handlungs­kanon gebunden ist, sondern über einen vergleichsweise großen Gestaltungsspielraum ver­ fügt. 42  Es

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§ 2 Grundlegung

pischerweise in einem einheitlichen Zulassungsverfahren und damit mehr oder weniger „gleichzeitig“ erfolgt. 1. Beratung Die Einbindungsform sachverständiger Stellen mit der formal geringsten Einflussmöglichkeit auf die gegenüber dem Antragsteller ergehende Zulas­ sungsentscheidung liegt in der Beratung der im Außenverhältnis verantwort­ lich handelnden Behörde durch Abgabe einer rechtlich unverbindlichen Stellungnahme. Für verwaltungsberatende sachverständige Stellen ist kenn­ zeichnend, dass sie gegenüber der nach außen handelnden Behörde vorberei­ tend tätig werden, ohne dass ihnen hierbei die Leitung des Zulassungsverfah­ rens obliegt oder dass ihnen verwaltungsintern oder im Außenverhältnis for­ male Entscheidungskompetenzen zustehen. Ihre Aufgabe besteht vielmehr darin, die außenverantwortlich handelnde und entscheidende Behörde bei der Aufbereitung und Bewertung des Zulassungsantrags zu unterstützen. Die Voten bzw. Stellungnahmen verwaltungsberatender sachverständiger Stellen beziehen sich regelmäßig nicht auf das gesamte Prüfprogramm der außenent­ scheidungsbefugten Behörde, sondern betreffen einzelne fachliche Aspekte, die allerdings einen beträchtlichen Umfang aufweisen können. Die Abgabe ihrer vorbereitenden Entscheidungsbeiträge erfolgt dabei üblicherweise in Form eines schriftlichen Gutachtens bzw. einer Stellungnahme, die sodann hinsichtlich bestimmter Themenkomplexe die Entscheidungsgrundlage der im Außenverhältnis zum Antragsteller handelnden Behörde bilden. Herkömmlich werden sachverständige Stellen, die gegenüber der außen­ wirksam entscheidenden Zulassungsbehörde formal lediglich vorbereitende Stellungnahme abgeben, als Verwaltungs- bzw. Behördengutachter bezeich­ net. Im besonderen Verwaltungsrecht werden regelmäßig private sachverstän­ dige Stellen als Gutachter für eine Verwaltungsbehörde tätig.45 Eine solche Verknüpfung zwischen beratender Gutachtertätigkeit und der Rechtsform ih­ rer Erbringung ist indes nicht zwingend, da auch Behörden und andere öf­ fentlich-rechtlich organisierte sachverständige Stellen beratend tätig werden können. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung wird daher der all­ gemeine Terminus der verwaltungsberatenden sachverständigen Stelle ver­ wendet. Er umfasst nach hiesigem Verständnis grundsätzlich sowohl hoheit­ lich bzw. öffentlich-rechtlich als auch privatrechtlich organisierte sachver­ ständige Stellen.

45  Dazu

Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 153 ff.



B. Sachverständige Stellen53

2. Entscheidung Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren werden durch eine Entscheidung abgeschlossen, durch die dem jeweiligen Antrag­ steller vorbehaltlich einer anderweitigen Erledigung des Verfahrensgegen­ stands die Aufnahme der von ihm in Aussicht genommenen Tätigkeit entwe­ der gestattet oder versagt wird. Diejenigen Behörden oder privaten Sachver­ ständigen, denen in einem Zulassungsverfahren die Entscheidung über den Zulassungsantrag des Antragstellers obliegt, werden vorliegend als entschei­ dungsbefugte sachverständige Stellen bezeichnet. Damit bildet der Aufgaben­ typ der Entscheidung das Gegenstück zur Gruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen. Als entscheidungsbefugte sachverständige Stellen werden vorliegend zum einen solche Stellen angesehen, die die im Außenverhältnis zum Antragstel­ ler ergehende Entscheidung über dessen Zulassungsantrag erlassen. Zum anderen werden aber auch solche Stellen dem Aufgabentyp der Entscheidung zugeordnet, die lediglich mit verwaltungsinterner Wirkung eine auf den ge­ samten Zulassungsantrag bezogene Sachentscheidung treffen, mit diesem Entscheidungsbeitrag jedoch eine andere, im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller handelnde Stelle inhaltlich binden. 3. Belangwahrung Die Aufgabentypen der verwaltungsberatenden und der entscheidungsbe­ fugten sachverständigen Stellen kennzeichnen die beiden Einbindungsformen mit dem formal schwächsten bzw. stärksten Einfluss auf die schlussendliche Entscheidung über die (Nicht-)Zulassung einer Anlage, eines Produkts oder Forschungsvorhabens. Es lassen sich jedoch weitere Formen der Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren identifizieren, die weder dem Aufgabentyp der Beratung noch der Entscheidung in „Reinform“ zugeordnet werden können. So sind in manchen Zulassungsverfahren sachverständige Stellen neben der Einbrin­ gung ihrer fachlichen Expertise zugleich dazu berufen, ihnen spezifisch zu­ gewiesene oder von ihnen aus eigenem Entschluss verfolgte (öffentliche) Belange im Verfahren wahrzunehmen und gegebenenfalls durchzusetzen. In dieser Verantwortlichkeit für einen bestimmten Belang liegt das kennzeich­ nende Merkmal des hiermit angesprochenen Aufgabentyps der Belangwah­ rung. Im Gegensatz zum Aufgabentyp der Beratung können die Voten belang­ wahrender sachverständiger Stellen für die im Zulassungsverfahren nach au­ ßen handelnde Behörde im Innenverhältnis formal verbindlich sein. Die im

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§ 2 Grundlegung

Außenverhältnis entscheidungsbefugte Behörde kann sich in dieser Konstel­ lation also gegebenenfalls über das Votum einer belangwahrenden sachver­ ständigen Stelle nicht rechtlich zulässig hinwegsetzen. Ob eine solche ver­ waltungsinterne Bindungswirkung besteht, richtet sich dabei nach den jewei­ ligen Vorgaben des Fachrechts. Zur Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen unter­ scheidet sich der Aufgabentyp der belangwahrenden sachverständigen Stellen insbesondere dadurch, dass erstere eine auf den gesamten Zulassungsantrag bezogene Sachentscheidung erlassen. Demgegenüber beziehen sich die Ent­ scheidungsbeiträge zweiterer allein auf den von ihnen jeweils wahrgenom­ menen Belang, mithin nur auf einen bestimmten Teilausschnitt des Zulas­ sungsantrags.

C. Antragsteller Die Initiative zur Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage bzw. von Infrastruktur, zum Inverkehrbringen eines Produkts oder zur Aufnahme eines Forschungsvorhabens geht regelmäßig von einer natürlichen oder juristischen Person des öffentlichen Rechts oder Privatrechts aus, die in einem öffentlichrechtlich oder privatrechtlich ausgestalteten Zulassungsverfahren die formelle und materielle Zulassungsfähigkeit ihres Vorhabens bzw. ihrer Tätigkeit vorab prüfen und feststellen lassen muss.46 Zur Bezeichnung dieser Perso­ nen wird hier der vor allem im Zusammenhang mit Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG geläufige Terminus des Antragstellers als Oberbegriff verwendet. Diese Begrifflichkeit wird auch der Untersuchung der Tätigkeit sachverständiger Stellen in privatrechtlich ausgestalteten Präventivkontroll­ verfahren des Produktsicherheitsrechts zugrunde gelegt,47 obschon diese Verfahren nicht durch einen „Antrag“ des Herstellers, sondern durch einen von letzterem gegenüber einer staatlich zugelassenen sachverständigen Stelle erteilten Prüfauftrag eingeleitet werden. Da sich der Hersteller indes obliga­ torisch der Präventivkontrolle einer von ihm auszuwählenden sachverständi­ gen Stelle unterwerfen muss, um sein Produkt in den Verkehr bringen zu dürfen, erscheint seine terminologische Einbeziehung unter den Oberbegriff des „Antragstellers“ sachlich gerechtfertigt.

46  Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn das einschlägige Zulassungsverfahren Möglichkeiten zur Verfahrensstufung bzw. Entscheidungsabschichtung (z. B. Teilge­ nehmigung oder Vorbescheid) vorsieht. 47  Zum insoweit angesprochenen Verfahrenstyp des Qualitätssicherungsverfah­ rens siehe oben A. II. 3.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 55

D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete In einem übergeordneten Kontext wirft die Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren die allgemeine Frage nach der Organisation und verfahrensbezogenen Aus­ gestaltung staatlicher Wissensinfrastruktur und -generierung auf.48 Eine ein­ heitliche Linie, in welchen Bereichen der Staat die zur Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben notwendige Wissensinfrastruktur selbst bereithalten muss und wo er auf externe Ressourcen zurückgreifen darf, lässt sich abs­ trakt nicht vorgeben.49 Eine der Kernthesen der vorliegenden Untersuchung besteht indes darin, dass sich bei der hoheitlichen Einbindung sachverständi­ ger Stellen ungeachtet deren Rechtsform (hoheitlich bzw. öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) und Aufgabenstellung (Beratung, Entscheidung, Belang­ wahrung) häufig die gleichen grundsätzlichen Fragen und Problemen stellen, die trotz ihrer partiell unterschiedlichen Beantwortung bzw. Lösung kon­ sistent geklärt werden können und müssen.50 Um die Tätigkeit von unter­ schiedlich organisierten und mit divergierenden Aufgaben betrauten sach­ verständigen Stellen sinnvoll miteinander vergleichen zu können, ist im Folgenden ein Prüfungsraster festzulegen, das auf jedes der innerhalb der drei ­ Untersuchungsgruppen zu betrachtenden Referenzgebiete angewendet werden kann.51

I. Rechtlicher Rahmen Der Untersuchung eines jeden Referenzgebiets wird in einem ersten Schritt jeweils ein kurzer Überblick über den rechtlichen Rahmen des jeweiligen Zulassungsverfahrens vorangestellt. Dieser Prüfungsschritt dient dazu, die Rolle der zu betrachtenden sachverständigen Stellen im jeweiligen Präventiv­ 48  Siehe zur Problematik des Rückgriffs auf externen Sachverstand im Zusam­ menhang mit Verwaltungsentscheidungen etwa Augsberg, Informationsverwaltungs­ recht, S.  115 ff. 49  Groß, Die Verwaltung 2010 (Beiheft 9), 135 (152). 50  Siehe insoweit insgesamt oben § 1 A. 51  Wie bereits oben (§ 1 B.) dargelegt, wird die Tätigkeit sachverständiger Stellen typischerweise in Abhängigkeit von ihrer Organisation bzw. Rechtsform analysiert und systematisiert. Siehe für hoheitliche bzw. öffentlich-rechtlich organisierte sach­ verständige Stellen (i. S. d. vorliegenden Untersuchung) etwa Siegel, Die Verfahrens­ beteiligung von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange, S. 63 ff.; für privatrechtlich organisierte sachverständige Stellen siehe etwa Häfner, Verantwor­ tungsteilung im Genehmigungsrecht, S.  548  ff.; Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 65 ff.

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§ 2 Grundlegung

kontrollverfahren zu kontextualisieren. Insgesamt sollen die allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen naturwissenschaftlich-technisch komplexer Zulassungsverfahren nicht den Schwerpunkt der Untersuchung bilden.52 Gleichwohl können aus der Betrachtung unterschiedlicher Rechtsrahmen von verschiedenen Zulassungsverfahren generelle Leitlinien und Rückschlüsse herauskristallisiert werden, die Gesetz- bzw. Normgeber bei der regulatori­ schen Ausgestaltung der Einbindung sachverständiger Stellen sowohl in öf­ fentlich-rechtlich als auch privatrechtlich konzipierten Zulassungsverfahren zu beachten haben.

II. Einbindungsmodus Ausgehend vom rechtlichen Rahmen des jeweiligen Zulassungsverfahrens wird anhand der verschiedenen Referenzgebiete zu untersuchen sein, auf welche Weise sachverständige Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren konkret hoheitlich eingebunden werden können. Diesbezüglich soll unabhängig von Rechtsform und Aufgaben­ stellung der verschiedenen sachverständigen Stellen geklärt werden, welche Modi das Recht für die verwaltungsseitige bzw. verwaltungssubstituierende Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren bereithält und wie diese sachgerecht ausgestaltet werden können. Die Untersuchung verschiedener Einbindungsmodi von sachverständigen Stellen erfolgt zunächst im Hinblick auf das aus Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG fol­ gende Gebot der demokratischen Legitimation. Nach ständiger Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts gilt als legitimationsbedürftige Aus­ übung von Staatsgewalt jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter, das entweder unmittelbar nach außen wirkt, behördenintern die Vorausset­ zungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schafft oder die Wahrneh­ mung von Mitentscheidungsbefugnissen einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten betrifft.53 Ungeachtet der trotz jahrzehntelanger Diskus­ sion im Schrifttum im Detail nach wie vor nicht abschließend geklärten Vorgaben an das Erfordernis demokratischer Legitimation von Staatsge­ walt54 ist es im Hinblick auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand 52  Zum verfassungs- und unionsrechtlichen Rahmen von Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahren allgemein Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 426 ff., 499 ff. 53  Siehe nur BVerfGE 107, 59 (87) m. w. N. 54  Aus dem kaum mehr zu überblickenden Schrifttum zum Gebot demokratischer Legitimation von Herrschaftsausübung siehe nur Kirste, VVDStRL 77 (2018), 161 ff.; Kley, VVDStRL 77 (2018), 125 ff., jeweils m. w. N.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 57

nicht fraglich, dass verwaltungsseitig tätige bzw. verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen ihre Aufgaben in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren aufgrund hoheitlicher Veranlassung erfüllen (z. B. durch Beauftragung, Ernennung, Kompetenzeinräumung oder aufgrund eines eingeräumten Beteiligungsrechts). Vor dem Hintergrund des – wie an­ hand verschiedener Referenzgebiete darzulegen sein wird – jedenfalls in tat­ sächlicher Hinsicht regelmäßig hohen Einflusses ihrer Entscheidungsbeiträge auf die außenwirksamen Zulassungsentscheidungen soll vorliegend die These verfolgt und begründet werden, dass auch die rechtlich unverbindliche Tätig­ keit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen einer demokratischen Le­ gitimation bedarf. Hierbei kommt, wie ebenfalls darzulegen sein wird, den Modalitäten der verschiedenen Einbindungsmodi eine nicht zu verkennende Bedeutung für die Erreichung des verfassungsrechtlich geforderten Legitima­ tionsniveaus55 zu. Neben den Bezügen zum Gebot demokratischer Legitimation kommt dem Einbindungsmodus weitergehend auch eine Bedeutung für die sachverständi­ gen Stellen in abstrakt-organisatorischer Hinsicht abzuverlangenden Tätig­ keitsanforderungen zu.56 So kann beispielsweise die Einbindung einer sach­ verständigen Stelle in ein Zulassungsverfahren von der vorherigen Fest­ stellung ihrer Fachkompetenz in einem vorab gesondert durchzuführenden Verfahren abhängen. Ebenso denkbar ist, dass die Verfahrenseinbindung einer sachverständigen Stelle formell an keine näheren Voraussetzungen geknüpft ist und weitgehend im Ermessen der außenverantwortlich handelnden Be­ hörde steht. Insoweit soll die Bandbreite unterschiedlicher Einbindungsmodi aufgezeigt werden, durch die ungeachtet der inhaltlichen Anforderungen zu­ gleich die Fachkompetenz verwaltungsseitig tätiger bzw. verwaltungssubsti­ tuierender sachverständiger Stellen in organisatorisch-verfahrensrechtlicher Hinsicht ein Stück weit gewährleistet werden kann.57 Daneben wirkt sich der verfahrensrechtliche Einbindungsmodus potenziell auch auf die sachver­ ständigen Stellen abzuverlangende Unabhängigkeit aus. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das über die Einbindung befindende Staatsorgan (z. B. ein Bundesministerium oder die im Einzelfall zuständige Zulassungsbehörde) gegenüber der jeweiligen sachverständigen Stelle über ein inhaltliches Wei­ sungsrecht verfügt oder die sachverständige Stelle ein wirtschaftliches Eigen­ interesse an ihrer Einbindung im konkreten Zulassungsverfahren hat. Auch diese Querbezüge zwischen Einbindungsmodus und der vorliegend als aus­ 55  BVerfGE 83, 60 (72); 93, 37 (67); 107, 59 (87) 119, 331 (366). Aus dem Schrifttum siehe statt vieler Kirste, VVDStRL 77 (2018), 161 (188). 56  Zu den hier zu untersuchenden Anforderungen der Fachkompetenz und Unab­ hängigkeit siehe sogleich unten D. III. 57  Siehe zu den vorliegend nachzugehenden Fragestellungen an die Fachkompe­ tenz sachverständiger Stellen unten D. III. 1.

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§ 2 Grundlegung

schließliche Orientierung an sachlichen und rationalen Handlungsmaßstäben verstandenen Unabhängigkeit58 sachverständiger Stellen sollen herausgear­ beitet und systematisiert werden. Schließlich ist unter dem Prüfungspunkt des Einbindungsmodus auch auf die Publizität der Mitwirkung sachverständiger Stellen in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren einzugehen. Wie in diesem Zusammenhang zu erörtern sein wird, ist für Außenstehende gerade die ­fakultative Einbindung externer sachverständiger Stellen in Zulassungsver­ fahren häufig nicht erkennbar, weshalb weder das „Ob“ ihres Tätigwerdens noch das ihren Einfluss auf die Zulassungsentscheidung betreffende „Wie“ ihrer Aufgabenerfüllung einer Beurteilung bzw. Kontrolle Dritter (z. B. der Öffentlichkeit) zugänglich ist. An diesen Befund anknüpfend soll auch der im Schrifttum erhobenen Forderung, externe Sachverständigenbeteiligungen in administrativen Entscheidungsverfahren generell offenzulegen und zu dokumentieren,59 unter rechtlichen Gesichtspunkten nachgegangen werden.

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Ungeachtet der von ihnen jeweils konkret wahrgenommenen Aufgaben (Beratung, Entscheidung, Belangwahrung) steht außer Zweifel, dass sachver­ ständige Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren hoheitlich eingebunden werden sollen, fachkompetent sein müssen (1.) und sich bei ihrer Tätigkeit ausschließlich von sachlichen und rationalen Beurteilungs- und Entscheidungsparametern leiten lassen dürfen. Letztere Vorgabe wird vorliegend in terminologischer Hinsicht mit dem Be­ griff der Unabhängigkeit umschrieben (2.).60

58  Zum Begriff der Unabhängigkeit im vorliegenden Untersuchungskontext siehe unten D. III. 2. 59  Insbesondere Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 73; zustimmend Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (390). 60  Zur Fachkompetenz und Unabhängigkeit als die beiden bedeutsamsten Anfor­ derungen an Sachverständigentätigkeit siehe etwa Steinberg, Der ökologische Verfas­ sungsstaat, S. 267. Beide Anforderungen lassen sich auch aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis des verwaltungsgerichtlichen Untersu­ chungsgrundsatzes und der Zulässigkeit des Rekurses auf von den Verfahrensbeteilig­ ten beigebrachten Parteigutachten ableiten: „Je unzweifelhafter eine gutachterliche Äußerung als Ausdruck der Sachkundigkeit, Unparteilichkeit und Objektivität zu qualifizieren ist, desto unbedenklicher ist sie verwertbar“, siehe BVerwG, NVwZ 2004, 100 (102); Beschluss vom 25.06.2015 – 9 B 69.14 –, juris, Rn. 12. Für die Verwertung von Fachgutachten als Grundlage von Abwägungsentscheidungen in Planfeststellungsbeschlüssen siehe zuvor bereits BVerwG, NVwZ 1994, 688 (689).



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 59

1. Fachkompetenz Natürliche oder juristische Personen, die als verwaltungsseitig tätige bzw. verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren mitwirken sollen, müssen über eine hinreichende Fachkompetenz verfügen. Im Hinblick auf Individualpersonen kann der Oberbegriff der Fachkompe­ tenz in die Unterbegriffe des „Sachverstands“ und der „Sachkunde“ zerlegt werden.61 Sachverstand meint „ein regelmäßig anhand von Studienabschlüs­ sen nachweisbares Spezialwissen in einem unterschiedlich eng abgegrenzten Sachgebiet“ einschließlich der „Fähigkeit, aufgrund der besonderen Sach­ kenntnisse einen Sachverhalt objektiv beurteilen zu können“.62 Sachkunde meint bei Individualpersonen hingegen „ein aufgrund einer bestimmten Be­ rufstätigkeit oder eines bestimmten gesellschaftlichen Engagements erwor­ benes Erfahrungswissen, das im Einzelnen nicht durch Prüfungen nachge­ wiesen sein muss“ sowie „die Fähigkeit, aufgrund dieses Erfahrungswissens bestimmte Aspekte in einen Entscheidungsprozess einbringen zu können und einen bestimmten gesellschaftlichen Standpunkt zu repräsentieren“.63 Ebenso wie bei natürlichen Personen ist die Fachkompetenz auch bei juristi­ schen Personen des öffentlichen Rechts (z. B. Behörden oder Gremien) und des Privatrechts (z. B. Unternehmen, Sachverständigenorganisationen oder Verbände) Voraussetzung für eine Tätigkeit als verwaltungsseitige oder ver­ waltungssubstituierende sachverständige Stelle. Dabei lassen sich die oben für Individualpersonen genannten Ausprägungen der Anforderung der Fach­ kompetenz grundsätzlich auch auf juristische Personen übertragen, wenn­ gleich sie um organisatorische Aspekte ergänzt werden müssen. Hierauf wird anhand der zu untersuchenden Referenzgebiete näher einzugehen sein. Allge­ mein gesprochen wird die Fachkompetenz juristischer Personen durch ihre organisatorische, personelle und technische Ausstattung bestimmt. Im Kontext der Untersuchung wird der Frage nachzugehen sein, ob und auf welche Weise die Fachkompetenz verwaltungsseitiger und verwaltungs­ substituierender sachverständiger Stellen organisationsrechtlich bzw. durch Vorgaben im positiven Recht gewährleistet werden kann. Dazu wird anhand der auszuwählenden Referenzgebiete exemplarisch untersucht, welchen Normbestand und welche Regelungsstrukturen das nationale Recht zwecks Absicherung der Fachkompetenz von in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen bereithält. Hierbei sollen auch etwaige regulatorische Schwierigkei­ 61  Zur

Abgrenzung siehe etwa Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (291 f.). AöR 129 (2004), 282 (291). 63  Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (292). 62  Nußberger,

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§ 2 Grundlegung

ten bei der abstrakt-rechtlichen Kodifizierung fachlicher Kompetenzanforde­ rungen identifiziert und analysiert werden. 2. Unabhängigkeit Fachkompetenz ist für sich genommen noch keine hinreichende Voraus­ setzung, um in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren als verwaltungsseitige bzw. verwaltungssubstituierende sachverstän­ dige Stelle tätig werden zu können. Im Unterschied zu Experten, die ihren Sachverstand auf Seiten und im Interesse insbesondere von privaten Vorha­ benträgern bzw. Antragstellern in Zulassungsverfahren einbringen, sollen hoheitlich in Zulassungsverfahren eingebundene sachverständige Stellen im Rahmen ihrer verfahrensbezogenen Tätigkeit dem Gemeinwohl dienen. Im Schrifttum wird diese inhaltliche Vorgabe ohne eine erkennbare einheitliche Terminologie durch Forderungen nach „Objektivität“; „Neutralität“, „Unpar­ teilichkeit“ oder „Unabhängigkeit“ beschrieben.64 Häufig wird mit der Neu­ tralität und Unparteilichkeit die an sachverständige Stellen gerichtete Anfor­ derung verbunden, sich nicht mit dem Interesse eines Verfahrensbeteiligten zu identifizieren,65 während Objektivität und Unabhängigkeit stärker auf das von institutionellen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen unbeeinflusste Ergebnis der Sachverständigentätigkeit abzielen.66 Für die Zwecke der vor­ liegenden Untersuchung ist eine vertiefte Abgrenzung der Begrifflichkeiten im Einzelnen entbehrlich, da sie allesamt die Gewährleistung einer allein an sachlichen und rationalen Maßstäben orientierten Tätigkeit sachverständiger 64  Für externe Sachverständige siehe etwa Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (384) („Unparteilichkeit (Neutralität, Objektivität) und Unabhängigkeit“); Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 298 (303 ff.) („Unabhängig­ keit“); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 18 („Unparteilich­ keit und Unabhängigkeit“); vgl. auch Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (293 f.), die es jedoch für problematisch erachtet, „Unabhängigkeit“ als Charakteristikum externer Sachverständigentätigkeit anzusehen. Für die Verwaltung ist vor allem der Begriff der „Unparteilichkeit“ gebräuchlich, siehe dazu insgesamt Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe; ferner Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 37 ff., 73 ff., („Unparteilichkeit“); siehe aber auch Burgi Die Verwaltung 33 (2000), 183 (191) („Neutralität und Objektivität des Verwaltungshandelns“); Waechter, DÖV 2015, 121 (126) („Weil die Behörde neutral sein muss, […]“). 65  Böttger, in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, §  2 Rn. 27; Nicklisch, BB 1981, 1653 (1655). Zur Unterscheidung beider Begriffe im Hinblick auf die Tätigkeit der Verwaltung siehe etwa Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 39 m. w. N.: Neutralität als staatliche Nicht-Intervention, Unparteilichkeit hingegen als auf Gerechtigkeit und Sachlichkeit programmierte Intervention. 66  Böttger, in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, § 2 Rn. 25 u. 28.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 61

Stellen zum Gegenstand haben.67 Um die Vergleichbarkeit der sich in den verschiedenen Untersuchungsgruppen stellenden Fragestellungen auch be­ grifflich zum Ausdruck zu bringen, soll dieses allgemeine Sachlichkeits- und Rationalitätsgebot auf abstrakt-organisatorischer Ebene terminologisch ein­ heitlich umschrieben werden. Hierzu wird im Folgenden auf die Unabhän­ gigkeit als Oberbegriff abgestellt,68 der auch im kodifizierten Recht häufig als Tätigkeitsvoraussetzung sachverständiger Stellen formuliert wird.69 Nicht selten wird „Weisungsfreiheit“ als eine vom Unabhängigkeitspostulat inbegriffene bzw. als eine mit letzterem Gebot eng verknüpfte Anforderung angesehen.70 Im Hinblick auf die Tätigkeit von Behörden weckt die Forde­ rung nach Weisungsfreiheit Konnotationen mit der Problematik der „ministe­ rialfreien Räume“,71 die – wie noch näher darzulegen sein wird72 – in als Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipierten naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren typischerweise nicht existieren. Eine im Sinne „ministerialfreier Räume“ verstandene Unabhängigkeit von Behörden wirft verfassungs- und verwaltungsrechtliche Probleme eigener Art auf, denen vorliegend weder nachgegangen werden kann noch soll. Im Fall ihrer organisatorischen Eingliederung in die Ministerialverwaltung sind die Verwaltungsbehörden in die staatliche Weisungs- und Verantwortungshie­ rarchie eingebunden und jedenfalls in diesem Sinne nicht „unabhängig“.73 Nicht fraglich ist jedoch, dass gerade Behörden aufgrund der verfassungs­ 67  Böttger, in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, § 2 Rn. 25; prä­ gnant Wemdzio, NuR 2012, 19 (21): „Sachverständige sollen sich von ihrem Sachver­ stand und von nichts anderem leiten lassen.“ 68  Für die Objektivität als Oberbegriff plädieren hingegen Böttger, in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, § 2 Rn. 25; Fiebig, RdE 1995, 104 (106). 69  Für die Untersuchungsgruppe der beratenden sachverständigen Stellen siehe z. B. für die Mitglieder der in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren mitwirkenden ZKBS die maßgebliche Vorschrift des § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG, dazu näher unten § 3 C. III. 2. Für die Untersuchungsgruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen siehe beispielsweise den Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs. 5 S. 5 AMG, dazu unten § 4 C. III. 2. Für die Untersuchungsgruppe der belang­ wahrenden sachverständigen Stellen siehe etwa § 41a Abs. 3 Nr. 7 AMG und § 42 Abs. 1 S. 1 AMG für die in die Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorha­ ben eingebundenen Ethik-Kommissionen, dazu näher unten § 5 D. III. 2. 70  Aus dem Spektrum der in der vorherigen Fußnote genannten Vorschriften siehe etwa § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG. 71  Der Begriff geht zurück auf Loening, DVBl 1954, 173 ff. Aus der Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts siehe früh BVerfGE 9, 268 (281 f.). 72  Zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren i. S. d. §§ 18 ff. NABEG siehe unten § 4 B. III. 2. 73  Vgl. zur Notwendigkeit dieser Klarstellung nur Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183 (198 f.), der im Zusammenhang mit der Vorbereitung staatlicher Entschei­ dungen durch Private auf den nach seiner Ansicht unter Rationalitätsgesichtspunkten bestehenden Widerspruch zwischen der Weisungsunterworfenheit behördlicher Amts­

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§ 2 Grundlegung

rechtlichen Vorgaben aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sowie den Grundrechten bei ihrer Tätigkeit in Verwaltungsverfahren verpflichtet sind, ihre Entscheidungen und Handlungen ausschließlich anhand von sach­ lichen und rationalen Maßstäben zu treffen.74 Allein in diesem Sinne wird für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung das für Behörden geltende Unab­ hängigkeitspostulat interpretiert.75 Ähnlich wie beim Merkmal der Fachkompetenz sollen auch im Hinblick auf die Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger bzw. verwaltungssubstituie­ render sachverständiger Stellen der im geltenden Recht vorhandene Normbe­ stand sowie die gesetzlich bzw. im untergesetzlichen Regelwerk implemen­ tierten Regelungsstrukturen anhand von Referenzgebieten herausgearbeitet und analysiert werden. Es wird zu untersuchen sein, ob und inwieweit die Forderung nach „Unabhängigkeit“ normativ umgesetzt wird und welche Um­ stände der Gewährleistung und Konkretisierung des Unabhängigkeitspostu­ lats durch Vorgaben im positiven Recht entgegenstehen können.

IV. Tätigkeit im Zulassungsverfahren Neben den abstrakt-organisatorischen Modalitäten ihrer Einbindung, Fach­ kompetenz und Unabhängigkeit sollen die Rollen verwaltungsseitig tätiger bzw. verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen auch für die Ebene des jeweiligen Zulassungsverfahrens vergleichend untersucht werden. Dabei ist zwischen der verfahrensmäßigen Erstellung des jeweiligen Entscheidungs­ beitrags und letzterem selbst zu differenzieren. 1. Erstellen des Entscheidungsbeitrags Um die Tätigkeiten verschiedener sachverständiger Stellen in unterschied­ lichen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren sinn­ voll miteinander vergleichen zu können, gilt es solche Prüfungspunkte zu bestimmen, die nicht vom Verfahrensgegenstand (Anlage, Produkt, For­ schungsvorhaben) oder von der Rechtsform (hoheitlich, öffentlich-rechtlich, privatrechtlich) bzw. der Aufgabenstellung (Beratung, Entscheidung, Belang­ träger auf der einen und der „gleichsam wesensmäßigen Unabhängigkeit“ privater Sachverständiger auf der anderen Seite hinweist. 74  Statt aller Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 6; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 2 f. 75  Dementsprechend wird auf die allgemeinere Frage nach der „Unabhängigkeit von Behörden“, wie sie etwa im Regulierungsrecht durch ihre organisatorische und institutionelle Herauslösung aus der Weisungs- und Verantwortungshierarchie der Ministerialverwaltung zum Ausdruck kommt, vorliegend nicht eingegangen.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 63

wahrung) der jeweiligen sachverständigen Stelle abhängen. Dies stellt die Arbeit naturgemäß vor Herausforderungen. Denn es dürfte ohne weiteres einzusehen sein, dass die Einbindung sachverständiger Stellen in Zulassungs­ verfahren für Arzneimittel nicht nur in materiell-rechtlicher, sondern auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht anderen Regelungen bzw. Strukturen folgt, als dies beispielsweise in Planfeststellungsverfahren für Stromleitungsvorhaben der Fall ist. Schon unter diesem Gesichtspunkt scheidet ein „Vollvergleich“ von Anlagenzulassungs-, Risiko- und Qualitätssicherungsverfahren notwen­ digerweise aus. Um gleichwohl eine gewisse Vergleichbarkeit zwischen den zu betrachtenden Referenzgebieten herstellen zu können, kann auf für Ver­ waltungsverfahren allgemein anerkannte Steuerungsziele zurückgegriffen werden. Ungeachtet ihrer hier nicht zu vertiefenden Systematisierung können Steuerungsziele von Verwaltungsverfahren grundsätzlich in zwei Kategorien eingeteilt werden.76 Zum einen können solche Steuerungsziele bzw. Funk­ tionen identifiziert werden, die vorrangig auf den Schutz der Interessen der öffentlichen Hand abzielen. Zum anderen lassen sich aber auch solche Steu­ erungsziele ausmachen, die primär den Interessen der Bürger dienen. Eine vollständige bzw. strikte Trennung der den Belangen der öffentlichen Hand und der den Bürgerinteressen dienenden Funktionen von Verwaltungsverfah­ ren ist nicht möglich. Vielmehr bestehen zwischen den verschiedenen Ver­ fahrensfunktionen zahlreiche Wechselbeziehungen. Dies kann hier jedoch dahinstehen. Für das vorliegend verfolgte Erkenntnisse können aus beiden genannten Kategorien anerkannter Steuerungsziele von Verwaltungsverfah­ ren die Prüfungspunkte „Befugnisse“ (dazu a)), „Pflichten“ (dazu b)) sowie „Kontrollmechanismen“ (dazu c)) abgeleitet werden. a) Befugnisse Der Prüfungspunkt „Befugnisse“ betrifft vornehmlich, wenn auch nicht ausschließlich, das Verhältnis zwischen sachverständigen Stellen und Antrag­ stellern. Diesbezüglich sind vor allem die aus Sicht der öffentlichen Hand relevanten Steuerungsziele von Bedeutung. Generell dient die Durchführung von Verwaltungsverfahren zunächst ganz maßgeblich der verwaltungssei­ tigen Informationsbeschaffung und -verarbeitung.77 Nur umfassend infor­ mierte Behörden können Verwaltungsverfahren effizient durchführen und 76  Zur vorliegenden Unterscheidung der Funktionen sowohl von nationalen als auch von europäischen Verwaltungsverfahren siehe etwa Siegel, Entscheidungsfin­ dung im Verwaltungsverbund, S. 55 u. 259. 77  Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 55  f. u. 260; ferner Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 201 („Voll­ ständigkeit der Entscheidungsgrundlagen“).

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§ 2 Grundlegung

richtige bzw. sachgerechte Entscheidungen treffen.78 Damit bildet die Infor­ mationsfunktion die Grundlage zur Verwirklichung der weiteren Steuerungs­ ziele von Verwaltungsverfahren.79 Eng verbunden mit dieser Informations­ funktion steht das weitere Ziel von Verwaltungsverfahren, die Gewähr für eine inhaltlich möglichst „richtige“ Entscheidung der nach außen handelnden Behörde zu bieten.80 Diese Steuerungsziele sind grundsätzlich auch dann relevant, wenn der Staat in verschiedenen Bereichen des Produktsicherheitsrechts nicht eigene Behörden, sondern verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen mit der Wahrnehmung von präventiven Kontrollaufgaben betraut. Auch in die­ sem Fall müssen die vom Staat eingesetzten privaten sachverständigen Stel­ len eine hinreichende Informationsgrundlage ermitteln, um eine rechtmäßige und im Übrigen richtige Entscheidung über die Marktzugangsfähigkeit eines Produkts treffen zu können. Um die Steuerungsziele der Informationsbeschaffung und Richtigkeits­ gewähr in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren erreichen zu können, müssen sachverständige Stellen über Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung und Tatsachenfeststellung verfügen. Vorliegend soll untersucht werden, inwieweit das Recht die Einräumung derartiger Befug­ nisse mit den von sachverständigen Stellen konkret wahrzunehmenden Auf­ gaben (Beratung, Entscheidung, Belangwahrung) sowie der Rechtsqualität ihrer Entscheidungsbeiträge (Verbindlichkeit im Außen- bzw. Innenverhältnis oder rechtliche Unverbindlichkeit, Außenwirkung oder lediglich verwal­ tungsinterne Wirkung) verknüpft. b) Pflichten Der zweite auf der Verfahrensebene zu behandelnde Prüfungspunkt der „Pflichten“ nimmt die aus der Perspektive von Antragstellern relevanten Steuerungsziele stärker in den Fokus. Zu nennen ist insoweit zunächst das Steuerungsziel der Akzeptanz, welches insbesondere den Inhalt der im Ver­ waltungsverfahren ergehenden Entscheidung betrifft, subsidiär aber jedenfalls 78  Vgl. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 801. Zur Funktion der Richtig­ keitsgewähr und zum Effizienzprinzip siehe sogleich. 79  Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 55 f. u. 260. 80  Siehe Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (238); Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 57 f. u. 262 f; ferner Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 801, der auf die „Sachgerechtigkeit“ der Entscheidung abstellt. Ablehnend gegen­ über der Richtigkeitsgewähr als Steuerungsziel von Verwaltungsverfahren hingegen Hilbert, Die Verwaltung 51 (2018), 313 (332 ff.), der die Funktion von Verwaltungs­ verfahren vor allem darin sieht, sachbereichsbezogen eine stärkere Entscheidungsratio­ nalität zu fördern.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 65

im Hinblick auf die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens erreicht wer­ den soll.81 Generell finden Verwaltungsentscheidungen Akzeptanz, wenn der Bürger zwar grundsätzlich eine andere Entscheidung befürwortet hätte, die getroffene Entscheidung jedoch zumindest als eine (noch) annehmbare und zu befolgende Regelung eines Sachverhalts erachtet.82 Dies wird umso eher der Fall sein, wenn der Adressat vor Ergehen der Entscheidung angehört wird oder ihm anderweitige Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den Aus­ gang der ihn betreffenden Entscheidung eingeräumt werden. Eng verbunden mit dem Ziel der Akzeptanz ist das Gebot, das Handeln der Verwaltung durch entsprechende rechtliche Vorgaben für den Bürger messbar, voraussehbar und berechenbar zu machen.83 Darüber hinaus weisen Verwaltungsverfahren eine (Grund-)Rechtsschutzfunktion auf, die bei ihrer Konzeption zu beachten sind.84 Soweit ersichtlich, werden die ihrem Inhalt nach hier freilich nur grob umrissenen Steuerungsziele der Akzeptanz, Transparenz und des Rechts­ schutzes lediglich für Zulassungsverfahren diskutiert, die als Verwaltungs­ verfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipiert sind. Grundsätzlich dürften die ange­ führten Verfahrensfunktionen jedoch auch Geltung beanspruchen, wenn ver­ waltungssubstituierenden sachverständigen Stellen die Durchführung von Präventivkontrollen in privatrechtlich ausgestalteten Zulassungsverfahren obliegt. Insofern soll anhand der zu betrachtenden Referenzgebiete insgesamt ver­ gleichend analysiert werden, welche verfahrensrechtlichen Pflichten hoheit­ lich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren ein­ gebundenen sachverständigen Stellen auferlegt werden und inwieweit die Ausgestaltung dieser Pflichten von der Rechtsform der jeweiligen sachver­ ständigen Stellen sowie der Rechtsqualität ihrer Entscheidungsbeiträge ab­ hängt. Den Schwerpunkt der Untersuchung soll dabei das Bestehen einer ­etwaigen Pflicht zur Anhörung des Antragstellers bilden.

81  Hoffmann-Riem, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Re­ form des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 115 (134). 82  Würtenberger, Die Akzeptanz von Verwaltungsentscheidungen, S. 62. 83  BVerfGE 8, 274 (325) (im Hinblick auf in Rechte des Bürgers eingreifende Verwaltungsakte); Siegel, Entscheidungsfindung im Verwaltungsverbund, S. 72. 84  BVerfGE 52, 380 (389); 53, 30 (65). Zur (Grund-)Rechtsschutzfunktion von Verwaltungsverfahren siehe auch Hill, Das fehlerhafte Verfahren und seine Folgen im Verwaltungsrecht, S. 205 u. 207.

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§ 2 Grundlegung

c) Kontrollmechanismen In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren für gefährliche und risikobehaftete Anlagen, Produkte oder Forschungsvorhaben, die unter hoheitlicher Einbindung verwaltungsseitig tätiger bzw. verwal­ tungssubstituierender sachverständiger Stellen durchgeführt werden, können unmittelbar oder mittelbar gewichtige Individual- (z. B. Leben, Gesundheit oder Eigentum) oder Allgemeinrechtsgüter (Umwelt) betroffen werden. In­ folge des potenziell vom Gegenstand des jeweiligen Zulassungsverfahrens ausgehenden Risikos auf verfassungsrechtliche Schutzgüter soll herausgear­ beitet werden, durch welche unterschiedlichen Kontrollmechanismen die ordnungsgemäße Erfüllung der sachverständigen Stellen in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zugewiesenen Aufga­ ben sichergestellt werden kann. Diesbezüglich wird auch zu diskutieren sein, inwieweit bestimmte, beispielsweise lediglich in Anlagenzulassungsverfahren etablierte Kontrollmechanismen auch auf die Kontrolle der Tätigkeit sach­ verständiger Stellen in Risiko- oder Qualitätssicherungsverfahren übertragen werden können. Konkret angesprochen sind damit Formen und Möglichkei­ ten der Dritt- und Öffentlichkeitsbeteiligung, die in Risiko- und Qualitäts­ sicherungsverfahren des nationalen Stoff- und Produktrechts nur außeror­ dentlich selten vorgesehen sind. Auf diese Problematik wird im Rahmen der einschlägigen Referenzgebiete im Kontext des Untersuchungsgegenstands vertieft einzugehen sein.85 2. Der Entscheidungsbeitrag Die unterschiedlichen Aufgabenstellungen verwaltungsseitig tätiger bzw. verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren schlagen sich in ihrem jewei­ ligen Entscheidungsbeitrag als verfahrensrechtliches Arbeitsprodukt nieder. Beratende sachverständige Stellen erstellen vorbereitende Gutachten, fach­ liche Einschätzungen und Empfehlungen, während mit originären Entschei­ dungskompetenzen ausgestattete sachverständige Stellen den im Außenver­ hältnis ergehenden Zulassungsakt erlassen oder zumindest dessen Inhalt binnenrechtsverbindlich festlegen. Demgegenüber können, wie anhand ver­ schiedener Referenzgebiete darzulegen sein wird, die Beiträge belangwah­ render sachverständiger Stellen als außen- bzw. binnenrechtsverbindliche Sachentscheidung oder auch als rechtlich unverbindliche Stellungnahme ausgestaltet sein.

85  Siehe

insoweit unten § 3 C. IV. 1, § 4 C. IV. 1. u. § 4 D. IV. 1.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 67

Die Untersuchung wird zeigen, dass den Entscheidungsbeiträgen beraten­ der, entscheidungsbefugter und belangwahrender sachverständiger Stellen ungeachtet ihrer formalen Rechtsqualität jedenfalls in rechtstatsächlicher Hinsicht eine erhebliche Bedeutung zukommt bzw. zukommen kann, die in außenwirksamen Zulassungsentscheidungen sowohl qualitativ als auch quan­ titativ durchaus unterschiedlich zum Ausdruck kommt. In einem übergeord­ neten Gesamtkontext sollen diese Erkenntnisse aus den jeweiligen Referenz­ gebieten zum einen unter dem Gesichtspunkt des Postulats der staatlichen Letztverantwortung aufgearbeitet werden. Zum anderen sollen auf der Grundlage der Ergebnisse aus der Untersuchung verschiedener Referenzge­ biete allgemeine Rückschlüsse im Hinblick auf die Statuierung von Begrün­ dungspflichten an außenwirksame bzw. lediglich verwaltungsintern wirkende Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen gezogen werden.

V. Gerichtliche Überprüfung Die Judikative gilt aufgrund der durch Art. 97 Abs. 1 GG abgesicherten Unabhängigkeit der Richter als diejenige der drei Staatsgewalten, die insti­ tutionell der geringsten Beeinflussbarkeit durch Dritte unterliegt.86 Dem­ entsprechend hoch sind häufig die Erwartungen, die vor allem Kläger in na­ turwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren des Umwelt­ rechts an die gerichtliche Überprüfung von behördlichen Zulassungsent­ scheidungen hegen. Gleichzeitig gilt der Befund, wonach „die begrenzte Überschaubarkeit und zunehmende Komplexität moderner Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse […] zur Folge [haben], dass Rechtsfragen oft nicht ohne professionellen Sachverstand aus anderen Berufen ausreichend beant­ wortet werden können“87, auch für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die etwa bei der Anwendung von Rechtsnormen mit dynamischen Verweisen auf na­ turwissenschaftlich-technische Kategorien (z. B. „Stand der Technik“) viel­ fach auf die Inanspruchnahme außerjuridischer Expertise Dritter angewiesen ist.88 Vorliegend soll unter dem Prüfungspunkt der gerichtlichen Überprü­ fung anhand der zu betrachtenden Referenzgebiete herausgearbeitet werden, welche Probleme bei der gerichtlichen Kontrolle der Entscheidungsbeiträge von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren eingebundenen sachverständigen Stellen auftreten. Hierbei soll einer­ seits auf Fragen des gerichtlichen Kontrollzugangs (1.) und andererseits auf Aspekte der gerichtlichen Kontrolldichte (2.) eingegangen werden. 86  Hahn, Umwelt- und zukunftsverträgliche Entscheidungsfindung des Staates, S.  137 f.; Jacob/Lau, NVwZ 2015, 241 (247). 87  BVerfGE 141, 82 (105). 88  Guckelberger, DVBl 2017, 222 (225).

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§ 2 Grundlegung

1. Kontrollzugang Das Recht zur Initiierung einer gerichtlichen Überprüfung von Verwal­ tungsentscheidungen hängt nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO von der Klagebefugnis des (potenziellen) Klägers ab. Dieser muss für die Zulässig­ keit seines Rechtsbehelfs hinreichend substantiiert geltend machen können, durch den von ihm angegriffenen Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung (möglicherweise) in seinen Rechten verletzt zu sein. In dieser einfach-gesetzlichen Regelung kommt die verfassungsrechtlich in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG angeordnete Grundsatzentscheidung des Vorrangs des Indivi­ dualrechtsschutzes und die gleichzeitige Subsidiarität einer umfassenden ob­ jektiven Rechtskontrolle von Verwaltungshandeln zum Ausdruck.89 Ange­ trieben durch die vor allem im Umweltrecht seit Jahren zu beobachtende Ausweitung überindividueller Verbandsklagemöglichkeiten und die hieran anknüpfende Diskussion um den Funktionswandel der Verwaltungsgerichts­ barkeit gerät das an die Verletzung subjektiver Rechte anknüpfende Rechts­ schutzmodell des nationalen Verwaltungsrechts zunehmend unter Druck.90 Vergleichsweise wenig Beachtung hat in diesem Zusammenhang bislang die Frage gefunden, welche Rückwirkungen die Weite des gerichtlichen Kont­ rollzugangs auf die Ebene des Verwaltungsverfahrens hat. Insoweit ist im Kontext der Untersuchung vor allem der Frage nachzugehen, inwieweit der Umfang des Kreises potenziell klagebefugter Personen die verfahrensbezo­ gene Tätigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen beeinflussen kann und welche Konsequenzen sich hieraus für die Anwendung und Fort­ entwicklung des in naturwissenschaftlich-technischen Sachgebieten häufig von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägten materiellen Rechts ergeben. Zwar ist die Auslegung des materiellen Rechts durch den in Art. 20 Abs. 3 GG normierten Gewaltenteilungsgrundsatz letztverantwortlich den Gerichten überantwortet. Indes setzt die gerichtliche Prüfung der materiellen Rechts­ lage stets die Zulässigkeit der erhobenen Klage und damit nicht zuletzt die Klagebefugnis des jeweiligen Klägers voraus. Folglich treffen klagebefugte Personen, sei es bewusst oder unbewusst, in jedem Einzelfall mit ihrer Ent­ scheidung für oder gegen eine Klageerhebung potenziell eine Art „Voraus­ wahl“, welche Rechtsfragen einer (höchst-)gerichtlichen Klärung zugeführt werden. Dadurch kommt der Einräumung bzw. Versagung von Klageinitia­ tivrechten eine noch weitgehend unerforschte, vermutlich aber nicht völlig unerhebliche Bedeutung für die Fortbildung des materiellen Rechts zu. Die­ ser grundsätzlichen Problematik, die den Gegenstand der hiesigen Untersu­ 89  Siehe statt aller Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8 f. 90  Kritisch hierzu etwa Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D  41 ff.



D. Prüfungsraster für die Untersuchung der Referenzgebiete 69

chung bei weitem übersteigt, soll vorliegend zumindest in Ansätzen im Zu­ sammenhang mit der verwaltungsseitigen Einbindung sachverständiger Stel­ len in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nachgegangen werden. Das hinter diesem Untersuchungsansatz stehende Erkenntnisinteresse ist indes nicht auf den Verwaltungsprozess begrenzt, sondern stellt sich grund­ sätzlich gleichermaßen, wenn private sachverständige Stellen anstelle der staatlichen Verwaltungsbehörden in privatrechtlich ausgestalteten Zulas­ sungsverfahren mit präventiven Kontrollaufgaben betraut werden. Insoweit unterliegt die privatrechtliche Kontrolltätigkeit verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen als bürgerlich-rechtliche Angelegenheit der Über­ prüfung durch die Zivilgerichte.91 Diesbezüglich sei hier vorweggenommen, dass Fragen des zivilgerichtlichen Kontrollzugangs im Zusammenhang mit präventiven Kontrollentscheidungen verwaltungssubstituierender sachver­ ständiger Stellen sowohl in der Rechtsprechung als auch im Schrifttum bis­ lang eine allenfalls untergeordnete Rolle einnehmen. Dies bedeutet freilich nicht, dass diese Problematik nicht von wissenschaftlicher Relevanz wäre. Es wird vielmehr herauszuarbeiten sein, dass gerade die für verwaltungssubsti­ tuierende sachverständige Stellen geltenden Verfahrens- und Rechtsschutz­ strukturen durchaus beachtliche Probleme aufwerfen, zu deren rechtswissen­ schaftlicher Erfassung und Lösung vorliegend ein kleiner Beitrag geleistet werden soll. 2. Kontrolldichte Nicht nur der Kontrollzugang, sondern auch die üblicherweise als „Kon­ trolldichte“ bezeichnete Intensität der gerichtlichen Überprüfung der Ent­ scheidungsbeiträge von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen bedarf vor dem Hintergrund des vielfach diskutierten Funktionswandels der Verwal­ tungsgerichtsbarkeit92 im Kontext der Untersuchung einer näheren Betrach­ tung. Die Gerichte sind aufgrund der in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG normierten Garantie effektiven Rechtsschutzes grundsätzlich verpflichtet, angefochtene Verwaltungsakte sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht voll­ ständig zu überprüfen.93 Demzufolge scheidet eine gerichtliche Bindung an rechtliche oder tatsächliche Feststellung der Verwaltung im Grundsatz aus.94 Dieses verfassungsrechtliche Regel-Ausnahme-Verhältnis wird in zahlreichen 91  Dazu

näher § 4 D. V. hierzu oben § 1 A. III. 93  BVerfGE 129, 1 (20); BVerfG, NVwZ 2019, 52 (53). 94  BVerfGE 129, 1 (20). 92  Siehe

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§ 2 Grundlegung

Bereichen des Umweltrechts ebenso wie in anderen von naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Fragestellungen dominierten Rechtsgebieten zwar nicht in sein Gegenteil verkehrt, wohl aber auf seine „Belastungsgrenzen“ ausgetestet, was im vorliegenden Untersuchungskontext anhand verschiede­ ner Beispiele aufzuzeigen ist. Jede Reduzierung der gerichtlichen Kontroll­ dichte gegenüber behördlichen Zulassungsentscheidungen wurzelt ungeachtet ihrer verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Kategorisierung schlussend­ lich in den Strukturen der jeweils im materiellen Fachrecht normierten Prüf­ programme, die im Detail nicht Gegenstand der hiesigen Betrachtung sein sollen. Dementsprechend gilt das Hauptaugenmerk der vorliegenden Unter­ suchung insbesondere der Diskussion von solchen Handlungsansätzen, die auf die Ergreifung organisatorischer bzw. prozessualer Maßnahmen zur Ge­ währleistung einer strukturell möglichst hohen Kontrolldichte abzielen. Aus­ gangspunkt ist dabei der rechtspraktische, im Schrifttum vielfach kritisierte Befund, dass die Verwaltungsgerichte gerade bei der Überprüfung von natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsentscheidungen mitunter keine eigene Beweiserhebung durch Bestellung von gerichtlichen Sachver­ ständigen durchführen,95 sondern sich im Prozess ihrerseits nicht selten auf die sachverständig untermauerten Annahmen der Behörden stützen.96 Grundsätzlich stellen sich Fragen nach der gerichtlichen Kontrolldichte auch dann, wenn verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren präventive ­ Kontrollaufgaben wahrnehmen. In diesem Zusammenhang geben gerade die vorliegend anhand eines Referenzgebiets zu veranschaulichenden Modalitä­ ten privatrechtlich ausgestalteter Präventivkontrollverfahren Anlass, sich dem Aspekt der gerichtlichen Kontrolldichte von Entscheidungen verwaltungs­ substituierender sachverständiger Stellen anzunehmen, wenngleich die foren­ sische Praxis diesbezüglich bislang noch kein einschlägiges Anschauungs­ material liefert.97

95  §§ 96 Abs. 1 S. 2, 173 S. 1 VwGO i. V. m. §§ 402 ff. ZPO. Fehlt dem erkennen­ den Gericht im Einzelfall das zur Beurteilung des Sachverhalts erforderliche Wissen, ist es ihm in den Grenzen des Verfahrensrechts grundsätzlich unbenommen, die Un­ terstützung von Sachverständigen in Anspruch zu nehmen, vgl. etwa BVerfGE 83, 130 (147). 96  Zur diesbezüglich geführten, im Laufe der Untersuchung noch näher aufzugrei­ fenden Diskussion siehe hier nur Breuer, NVwZ-Beilage 2018, 3 (9); Rennert, DVBl 2017, 69 (77 f.); Waechter, DÖV 2015, 121 (126). 97  Zu den Erkenntnissen aus diesem „privatrechtlichen“ Referenzgebiet siehe un­ ten § 4 D. V.

§ 3 Beratende sachverständige Stellen Aus dem Spektrum der aufgezeigten Aufgaben, die sachverständige Stel­ len in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren wahr­ nehmen, wird zunächst der Aufgabentyp der verwaltungsberatenden sachver­ ständigen Stellen anhand von Referenzgebieten betrachtet. Durch die Aus­ wahl geeigneter Referenzgebiete sollen Rückschlüsse zu typischen Rege­ lungsstrukturen und Problemen gezogen werden, die bei verwaltungsseitig tätigen sachverständigen Stellen anzutreffen sind.1 Hierbei sollen neben der Herausarbeitung der rechtlichen Grundstrukturen auch, soweit möglich, Er­ kenntnisse aus der Verwaltungspraxis in die Betrachtung einfließen.2 Das bedeutet im Hinblick auf die im Folgenden zu betrachtenden verwaltungs­ beratenden sachverständigen Stellen, dass neben der rechtlichen auch die praktische Bedeutung ihrer im Zulassungsverfahren zu erstellenden Entschei­ dungsbeiträge behandelt werden soll. Zu letzterem Zweck werden Aussagen aus dem (juristischen) Schrifttum sowie sonstige öffentlich zugängliche Materialien ausgewertet. Darüber hinaus fließen bereichsspezifisch eigens ­ durchgeführte Erhebungen in die Untersuchung ein. Da der Erkenntnisgewinn aus der Betrachtung einzelner Sachgebiete des besonderen Verwaltungsrechts die rechtliche und praktische „Wirklichkeit“ der Tätigkeit verwaltungsberatender sachverständiger Stellen in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zwangsläufig nur un­ vollständig wiedergeben kann, wird zunächst dargelegt, welche Erwägungen der vorliegenden Auswahl der Referenzgebiete jeweils zugrunde liegen (A.). Im Anschluss hieran werden die jeweiligen Sachgebiete anhand der oben3 erarbeiteten Prüfstruktur ausgewertet (B.–D.).

A. Zur Auswahl der Referenzgebiete Als erstes Referenzgebiet für die Untersuchungsgruppe der beratenden sachverständigen Stellen wird die Hinzuziehung von Sachverständigen im 1  Für verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen ist insoweit kein Refe­ renzgebiet ersichtlich, das in der Untersuchung hätte berücksichtigt werden können. 2  Zur Beachtung der Verwaltungspraxis bei der Arbeit mit Referenzgebieten siehe Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 9. 3  § 2 D.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

atomrechtlichen Genehmigungsverfahren analysiert. Das Atomrecht wird seit jeher sowohl auf der Ebene der abstrakt-generellen Normsetzung wie auch auf der vorliegend interessierenden Ebene des einzelfallbezogenen Genehmi­ gungsverfahrens maßgeblich von Sachverständigen geprägt. In der Bundes­ republik Deutschland hat die verwaltungsseitige Hinzuziehung von Sachver­ ständigen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren insbesondere im Zu­ sammenhang mit der Zulassung von Kernkraftwerken nicht nur in Rechtspre­ chung und juristischen Schrifttum, sondern gerade auch in der (gesellschafts-) politischen Diskussion eine hohe Aufmerksamkeit erlangt.4 Für die Hinzuzie­ hung sachverständiger Stellen in das atomrechtliche Genehmigungsverfahren bestimmt § 20 S. 1 Atomgesetz (AtG)5 lediglich, dass die im Genehmigungs­ verfahren zuständige Behörde Sachverständige hinzuziehen kann.6 Detail­ lierte Voraussetzungen an die Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, etwa zum verfahrensrechtlichen Auswahlprozess oder im Hinblick auf dessen erforderliche Fachkompetenz oder Unabhängigkeit, statuieren die einschlägigen Vorschriften des Atomrechts nicht. Diese fakultative, hinsicht­ lich des „Ob“ und „Wen“ in das Ermessen der federführenden Behörde ge­ stellte Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG entspricht einer typischen Regelungsstruktur des nationalen Rechts, die normativ etwa in der für das allgemeine Verwaltungsrecht maßgeblichen Bestimmung des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG zum Ausdruck kommt. Wie die Normtexte von § 20 S. 1 AtG bzw. § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG zeigen, enthält das nationale Recht für die einzelfallbezogene Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren herkömmlich nur wenige Vorgaben. Welche Probleme mit dieser regulatori­ schen Zurückhaltung des Gesetz- bzw. Normgebers verbunden sein können, soll vorliegend exemplarisch anhand der Sachverständigenbeteiligung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren dargelegt werden, das insoweit reichlich rechtliches und praktisches Anschauungsmaterial bereithält. Dabei ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass das atomrechtliche Genehmigungs­ verfahren abgesehen von dem durch die Atomrechtsnovelle aus dem Jahr 20027 eingeführten Verbot der Erteilung von Neugenehmigungen für die Er­ richtung und den Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen 4  Siehe nur den Artikel „TÜV: Ein lupenreines Monopol“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26/1977, S. 42 ff. 5  „Gesetz über die friedliche Nutzung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren (Atomgesetz)“ vom 23.12.1959 (BGBl. I 1959, S. 814). 6  Entsprechendes gilt für atomrechtliche Aufsichtsverfahren. Die im Atomrecht durchaus bedeutsame Beteiligung von Sachverständigen auf Ebene der abstrakt-gene­ rellen Normsetzung (z. B. technische Regelwerke, Leitlinien) liegt außerhalb des vorliegenden Untersuchungsgegenstands und bleibt daher außer Betracht. 7  „Gesetz zur geordneten Beendigung der Kernenergienutzung zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität“ vom 22.04.2002 (BGBl. I 2002, S. 1351).



A. Zur Auswahl der Referenzgebiete73

zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität und von Anlagen zur Aufarbei­ tung bestrahlter Kernbrennstoffe8 weiterhin über einen eigenständigen, prak­ tisch relevanten Anwendungsbereich verfügt.9 Neben der fakultativen Einbindung von Einzelsachverständigen und Sach­ verständigenorganisationen sieht das nationale Recht in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren mitunter auch eine obligatori­ sche Hinzuziehung beratend tätiger sachverständiger Stellen vor. Dies betrifft neben den an späterer Stelle noch vertieft zu behandelnden Fachbehörden10 vor allem als Kollegialgremien verfasste, mit verwaltungsexternen Fachleu­ ten besetzte sachverständige Stellen. Ein Beispiel stellt insoweit die in gen­ technikrechtlichen Genehmigungsverfahren als sachverständiges Beratungs­ gremium eingebundene Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) dar, auf die vorliegend als zweites Referenzgebiet für die Untersu­ chungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen eingegan­ gen werden soll.11 Der ZKBS wird eine Schlüsselfunktion für den Umgang mit der Gentechnik beigemessen.12 Ihre formell-gesetzliche Institutionalisie­ rung im Gentechnikgesetz (GenTG)13 gilt als „Markstein“ für das gesamte Umwelt- und Technikrecht.14 Diese Einschätzung ist zum einen darauf zu­ rückführen, dass die ZKBS in einer Doppelfunktion sowohl auf der Ebene der untergesetzlichen Normkonkretisierung als auch auf der Ebene des Ver­ waltungsverfahrens in den einzelfallbezogenen Gesetzesvollzug maßgeblich eingebunden ist. Zum anderen sind in der ZKBS trotz ihrer mehrheitlichen Besetzung mit Sachverständigen15 auch sogenannte sachkundige Personen 8  § 7

Abs. 1 S. 2 AtG. in § 7 Abs. 1 S. 2 AtG geregelte Verbot umfasst nicht die nach § 7 Abs. 1 S. 1 AtG ebenfalls genehmigungspflichtigen Forschungsreaktoren, Urananreicherungsoder Brennelementefertigungsanlagen, vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 16 Rn. 94. 10  Zum Referenzgebiet siehe unten § 5 B. 11  Als strukturell mit der ZKBS vergleichbare sachverständige Stellen, auf die im Rahmen der Untersuchung der Tätigkeit der ZKBS vereinzelt belegweise zurückzu­ kommen sein wird, sind insbesondere die Zulassungskommissionen im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren (§ 25 Abs. 6 – 7a AMG) sowie die in Genehmi­ gungsverfahren für die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen (§§ 6 ff. StZG) zu beteiligende Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES) zu nennen. 12  Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 70. 13  Art. 1 des „Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gentechnik“ vom 20.06.1990 (BGBl. I 1990, S. 1080). 14  So vor allem Breuer, UTR 14 (1991), 37 (56); siehe auch Vomhof, Rechtspro­ bleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technik­ recht, S. 63. 15  Zur Gruppe der Sachverständigen siehe § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG. 9  Das

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

aus verschiedenen gesellschaftlichen Interessengruppen16 vertreten, weshalb sie kein reines Expertengremium, sondern eine gemischt besetzte, kollegial verfasste sachverständige Stelle darstellt.17 Am Beispiel der ZKBS soll ex­ emplarisch aufgezeigt werden, welche Regelungsstrukturen für die obligato­ rische Einbindung pluralistisch besetzter sachverständiger Stellen in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren gelten und wel­ che rechtlichen Probleme ihre Tätigkeit mit sich bringen kann. Als drittes Referenzgebiet für die Untersuchungsgruppe der verwaltungs­ beratenden sachverständigen Stellen wird die Rolle der Deutschen Flugsiche­ rung GmbH (DFS) im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) in den Blick genommen. Besondere Bedeutung und Aufmerksamkeit kommt dieser Tätigkeit der DFS im Zusammenhang mit dem Zubau von Windenergieanlagen an Land zu.18 Können durch ein geplantes Windenergievorhaben zivile Flugsicherungseinrichtungen19 in ihrer Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werden, wird zur Beurteilung dieser Stör­ wirkung häufig die DFS nach Maßgabe von § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG als gutachtlich20 tätige sachverständige Stelle im Rahmen eines mehrfach ge­ stuften, bei der konkreten Betrachtung des Referenzgebiets noch näher zu erläuternden Prüfverfahrens eingebunden. Das Erkenntnisinteresse an dieser Verfahrenskonstellation rührt aus Problemstellungen, die im allgemeinen Verwaltungsrecht wurzeln. Nach der Verwaltungspraxis des im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG federführenden Bundesaufsichtsamts für Flug­ sicherung (BAF) wird nämlich die DFS regelmäßig dann um Abgabe einer gutachtlichen Stellungnahme gebeten, wenn ein geplantes Windenergievorha­ ben gerade die Funktionsfähigkeit solcher ziviler Flugsicherungseinrichtun­ gen beeinträchtigen kann, die im Eigentum der DFS stehen und von dieser betrieben werden. Aus dieser vom Bundesverwaltungsgericht nicht beanstan­ deten Verwaltungspraxis des BAF ergibt sich in verfahrensrecht­licher Hin­ sicht eine durchaus markante Doppelstellung der DFS: In ihrer Funktion als verwaltungsberatende sachverständige Stelle gibt sie bei „Betroffenheit“ der 16  Zu

den sachkundigen Personen siehe § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GenTG. dieser Besetzung wird die ZKBS auch als eingeschränkter „Commu­ nity-Review“ bezeichnet, siehe etwa Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 26. Dieser Begriff beschreibt die Erweite­ rung eines im naturwissenschaftlichen Bereich tätigen, mit Forschern besetzten Gre­ miums um fachliche Laien, etwa mit Juristen, Theologen oder Vertretern aus anderen Disziplinen, vgl. den Bericht der vom Deutschen Bundestag eingesetzten EnqueteKommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“, BT-Drs. 10/6775, S. 299 f. 18  Auf das Planfeststellungverfahren für Windenergieanlagen, die auf See zuge­ lassen werden sollen (§§ 44 ff. WindSeeG), wird vorliegend nicht eingegangen. 19  Gemeint sind insbesondere der Zivilluftfahrt dienende Navigationsanlagen. 20  Amtlicher Wortlaut des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG. 17  Aufgrund



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG75

in ihrem Eigentum stehenden Flugsicherungseinrichtungen im luftfahrtinter­ nen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gegenüber dem BAF eine Stellungnahme zu etwaigen Störwirkungen geplanter Windenergievorhaben ab. Zugleich bietet sie als privatrechtlich organisiertes Unternehmen, dessen Anteile zu 100 % dem Bund gehören,21 mit den in ihrem Eigentum stehenden Flugsicherungseinrichtungen im Bereich der Zivilluftfahrt nach Maßgabe von § 27c Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 u 3 LuftVG Navigationsdienstleistungen zu Marktbedingungen als privatwirtschaftliche Dienstleistung an. Ob und inwie­ weit sich derartige an den Problemkreis der „institutionellen Befangenheit“ von Trägern öffentlicher Verwaltung22 erinnernde Konstellationen mit dem Gebot der Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen vereinbaren lassen, soll vorliegend am konkreten Beispiel der DFS näher aufbereitet werden. Darüber hinaus weist die Tätigkeit der DFS im Prüfver­ fahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG starke Bezüge zur im Schrifttum ge­ führten Diskussion um die Verrechtlichung von Verwaltungsbinnenrecht und verwaltungsinternen Mitwirkungsakten in gestuften Verwaltungsverfahren auf,23 die es im Laufe der Untersuchung anhand der Erkenntnisse aus dem Referenzgebiet aufzugreifen gilt.

B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren Innerhalb der Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachver­ ständigen Stellen wird anhand der oben entwickelten Prüfstruktur24 als erstes Referenzgebiet auf die Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren eingegangen.

I. Rechtlicher Rahmen Nach § 7 Abs. 1 S. 1 AtG bedarf derjenige, der eine ortsfeste Anlage zur Erzeugung oder zur Bearbeitung oder Verarbeitung oder zur Spaltung von Kernbrennstoffen oder zur Aufarbeitung bestrahlter Kernbrennstoffe errich­ tet, betreibt oder sonst innehat oder die Anlage oder ihren Betrieb wesentlich 21  DFS, Geschäftsbericht 2018, S. 10, im Internet abrufbar unter https://www.dfs. de/dfs_homepage/de/Unternehmen/Zahlen%20und%20Daten/Finanzen/DFS-Gesch% C3%A4ftsbericht%202018_DE.pdf (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 22  Siehe dazu die grundlegende Arbeit von Barbirz, Institutionelle Befangenheit. 23  Zur Problematik siehe etwa Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  783 ff. 24  § 2 D.

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verändert, einer Genehmigung.25 Das Atomgesetz geht damit konzeptionell von der Gestattung der Errichtung und des Betriebs einer beantragten Anlage in einer einheitlichen Genehmigungsentscheidung aus (sog. Vollgenehmi­ gung).26 Indes kommt in der atomrechtlichen Verwaltungspraxis weniger der Vollgenehmigung als vielmehr verschiedenen Instrumenten der Verfahrens­ stufung eine hohe Bedeutung zu.27 Diesbezüglich sind insbesondere die Teilgenehmigung (§ 7b AtG, § 18 AtVfV28) sowie der Vorbescheid (§ 7a AtG, § 19 AtVfV)29 und das zeitweise in manchen Bundesländern prakti­ zierte, vom Bundesverwaltungsgericht jedoch für unzulässig erklärte30 „Frei­ gabeverfahren“31 zu nennen. Für die vorliegende Untersuchung spielt die Differenzierung zwischen diesen Entscheidungsformen keine Rolle, da die die Hinzuziehung von Sachverständigen im atomrechtlichen Genehmigungs­ verfahren regelnde Vorschrift des § 20 S. 1 AtG für alle genannten I­ nstrumente gleichermaßen gilt.32 Im Folgenden ist daher ohne Unterscheidung allgemein vom atomrechtlichen Genehmigungsverfahren die Rede.

II. Einbindungsmodus Der verwaltungsrechtliche „Grundfall“ der Einbindung sachverständiger Stellen durch die außenverantwortliche Zulassungsbehörde wird durch die Bestimmungen der §§ 24, 26 VwVfG geregelt. Nach § 24 Abs. 1 S. 1, S. 2 Hs. 1 VwVfG bestimmt die im Verwaltungsverfahren zuständige Behörde über Art und Umfang des von Amts wegen zu ermittelnden Sachverhalts und 25  Der Genehmigungstatbestand gilt für alle Kernkraftwerke unabhängig vom Reaktortyp. Zur Reichweite des Anlagenbegriffs vgl. Kloepfer, Umweltrecht, § 16 Rn. 91 u. 95 ff. 26  Die Vollgenehmigung berechtigt ihren Inhaber zum einen zur Ausübung der in § 7 Abs. 1 S. 1 AtG genannten Betätigungen. Zum anderen beinhaltet die Vollgeneh­ migung die Feststellung, dass hinsichtlich der Errichtung und des Betriebs der Anlage alle einschlägigen Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. 27  Zur Stufung atomrechtlicher Genehmigungsverfahren vgl. näher Vogelsang/ Zartmann, NVwZ 1993, 855 ff.; Wieland, DVBl 1991, 616 ff. 28  „Verordnung über das Verfahren bei der Genehmigung von Anlagen nach § 7 des Atomgesetzes (Atomrechtliche Verfahrensverordnung – AtVfV)“ in der Fassung der Bekanntmachung vom 03.02.1995 (BGBl. I 1995, S. 180), zuletzt geändert durch Verordnung vom 29.11.2018 (BGBl. I 2018, S. 2034). 29  In der atomrechtlichen Genehmigungspraxis hat der Vorbescheid keine größere Bedeutung erlangt, vgl. Ipsen, VVDStRL 48 (1990), 177 (195). 30  BVerwGE 80, 207 (212 ff.). 31  Zu den hier nicht weiter relevanten Modalitäten des Freigabeverfahrens siehe etwa Wieland, DVBl 1991, 616 (618). 32  Die große praktische Bedeutung des § 20 S. 1 AtG für atomrechtliche Geneh­ migungs- und Aufsichtsverfahren betont etwa Skouris, AöR 107 (1982), 215 (228 f.).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG77

befindet gemäß § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG nach pflichtgemäßem Ermessen über die Erforderlichkeit der Beiziehung von Sachverständigen. Letztere können sowohl natürliche als auch juristische Personen des Privat­ rechts ebenso wie Einrichtungen und Behörden sein.33 Die Erforderlichkeit der behördlichen Inanspruchnahme der Unterstützung eines Sachverständigen i. S. d. § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG ist zu bejahen, wenn die Behörde selbst nicht über die zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachver­ halts gebotene Fachkompetenz verfügt. Für diese Selbstbeurteilung wird der Behörde ein Beurteilungsspielraum zugestanden.34 Weitere Verfahrens- oder Formanforderungen (z. B. bezüglich der Feststellung der Eignung des Sach­ verständigen oder zur Offenlegung seiner Einbindung gegenüber dem An­ tragsteller oder Dritten) statuiert das VwVfG für die Hinzuziehung von Sachverständigen nicht. Dieser einaktige, weitgehend verfahrens- und formfreie Einbindungsmo­ dus des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG liegt regelmäßig auch Vorschrif­ ten des Fachrechts zugrunde, die die fakultative Hinzuziehung sachverständi­ ger Stellen gesondert regeln.35 Ein Beispiel ist insoweit § 20 S. 1 AtG, der die Hinzuziehung von Sachverständigen in das atomrechtliche Genehmi­ gungsverfahren ausdrücklich zulässt36 und insofern eine spezialgesetzliche Ausprägung der allgemeinen Bestimmung des § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG darstellt.37 § 20 S. 1 AtG stellt die Beauftragung von Sachverständigen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren hinsichtlich des „Ob“ und „Wen“ in das Hinzuziehungs- bzw. Auswahlermessen der Genehmigungsbehörde. Beim Hinzuziehungsermessen hat die Genehmigungsbehörde zu prüfen, ob die Beauftragung eines Sachverständigen erforderlich ist. Dies ist nur dann in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 31. in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar VwVfG, § 26 Rn. 24; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 29. 35  Zur Grundregel des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG und verschiedenen Mo­ difikationen im Fachrecht siehe auch Augsberg, Informationsverwaltungsrecht, S.  123 ff. 36  Ein weiteres, ebenfalls der Gruppe der verwaltungsberatend tätigen sachverstän­ digen Stellen zuzuordnendes Beispiel stellt die für das immissionsschutzrecht­liche Genehmigungsverfahren maßgebliche Vorschrift des § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV dar. 37  Scherzberg, NVwZ 2006, 377 (378); Seidel, Privater Sachverstand und staat­ liche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, S. 196. Die explizite Normierung des § 20 S. 1 AtG soll dem Umstand Rechnung tragen, dass die Tätigkeit von Sachver­ ständigen in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren regelmäßig auf Dauer angelegt ist, vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Umweltgesetzbuch (UGB-KomE) – Entwurf der Unabhängigen Sachverständigen­ kommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Natur­ schutz und Reaktorsicherheit, S. 1291 f. (zum mit § 20 S. 1 AtG inhaltsgleichen § 488 Abs. 1 UGB-KomE). 33  Ramsauer,

34  Herrmann,

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

der Fall, wenn die Beauftragung des Sachverständigen eine Erhöhung des Erkenntnisstands der Genehmigungsbehörde erwarten lässt, weil letzterer der im Einzelfall zur Entscheidung benötigte Sachverstand fehlt.38 Bei der Aus­ übung des ihr eingeräumten Auswahlermessens muss die Genehmigungs­ behörde insbesondere die Fachkompetenz und Unabhängigkeit der für eine Beauftragung in Betracht gezogenen sachverständigen Stelle berücksichtigen und prüfen.39 Besondere Anforderungen an die Organisation oder Rechts­ form des Sachverständigen oder sonstige verfahrensrechtliche Anforderun­ gen – etwa zum Auswahlprozess oder zur Bekanntmachung der Beauftra­ gung – sind für die Hinzuziehung von Sachverständigen in das atomrecht­ liche Genehmigungsverfahren analog zum allgemeinen Verwaltungsverfah­ rensrecht nicht vorgesehen.40

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Ebenso wie die allgemeine Vorschrift des § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG lässt auch § 20 S. 1 AtG offen, welche Anforderungen eine sachverständige Stelle erfüllen muss, die durch die zuständige Behörde im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren hinzugezogen werden soll.41 Ungeachtet termino­ logischer Unterschiede herrscht im Grundsatz jedoch Einigkeit, dass Sach­ verständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Wesentlichen über eine hinreichende Fachkompetenz und Unabhängigkeit42 verfügen müssen.43 Auf beide Tätig­ keitsanforderungen ist im Folgenden näher einzugehen.

38  Dazu OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91, S. 22 a. U. (unveröf­ fentlicht); Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 846, die insofern auf das Erfordernis eines gewissen behördlichen „Grundsachverstands“ hin­ weisen. 39  Zu beiden Anforderungen siehe sogleich unten B. III. 40  Siehe insoweit auch Gierke/Paul, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, § 20 AtG Rn. 9 f.; Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 9. 41  Gleiches gilt auch für andere Vorschriften des Fachrechts, die wie § 20 S. 1 AtG die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen klarstellend regeln, siehe etwa § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV. 42  Zum hiesigen Begriffsverständnis beider Anforderungen siehe oben § 2 D. III. 43  Für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG wie hier Steinberg, Der ökolo­ gische Verfassungsstaat, S. 267; zu den näheren Ableitungen aus beiden Vorgaben siehe Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 2 ff. Zu den Auswahlkri­ terien an Sachverständige i. S. d. § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG siehe statt vieler Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 31 („unparteiisch“ und „Sachkunde“).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG79

1. Fachkompetenz In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren wird die Fachkompetenz von hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen im kodifizierten Recht häufig nur vage bis formelhaft umschrieben. Vor­ schriften, die die Fachkompetenz sachverständiger Stellen im Hinblick auf ihren abstrakten Qualifikationsgrad (z. B. Hochschul- oder Ausbildung), ihre Erfahrung, ihr Methodenwissen bzw. ihre Methodenkompetenz oder ihre sonstige Ausstattung näher vorgeben, finden sich im Bereich präventiver Zulassungsverfahren allenfalls selten.44 Für die Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen zeigt sich dieser Regelungs­ mechanismus beispielhaft am Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG.45 Der Wortlaut der Vorschrift lässt ebenso wie die Gesetzesbegründung46 offen, welche Merkmale die Fachkompetenz des Sachverständigen ausmachen. Zwar enthält § 12 S. 1 Nr. 9 AtG47 bereits seit dem Jahr 197648 eine Er­ mächtigungsgrundlage, nach der durch Rechtsverordnung an den Sachver­ ständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG unter anderem Anforderungen an dessen Ausbildung sowie seine beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten (insbeson­ dere hinsichtlich Berufserfahrung, Eignung und Einweisung in die Sachver­ ständigentätigkeit) näher geregelt werden können. Als spezifische Vorgaben an Sachverständigenorganisationen, deren Einbindung in der atomrechtlichen Verwaltungspraxis den Regelfall darstellt,49 nennt § 12 S. 1 Nr. 9 AtG zu­ dem deren technische Ausstattung und die Zusammenarbeit von Angehörigen verschiedener Fachrichtungen. Unter Inanspruchnahme dieser Ermächti­ 44  Zu diesem über den vorliegenden Untersuchungsgegenstand hinausreichenden Befund siehe auch Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 298 (305). 45  Entsprechendes gilt für die allgemeine Regelung des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG; aus dem Fachrecht siehe § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV. 46  Dort ist lediglich von „eingehende[m] Fachwissen auf dem Gebiet der Kern­ energie“, der Notwendigkeit der Hinzuziehung von „erfahrenen Wissenschaftlern“ sowie einer Beratung der Genehmigungsbehörden durch „geeignete Sachverständige“ die Rede, vgl. BT-Drs. 3/759, S. 32. 47  Die Vorschrift wurde hinsichtlich ihres Regelungsstandortes und Inhalts mehr­ fach geändert, zuletzt durch Art. 3 Nr. 8 des „Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlung“ vom 27.06.2017 (BGBl. I 2017, S. 1966). Durch die letztgenannte Änderung ist der Abs. 2 der Vor­ schrift entfallen. Vorliegend wird auf die gegenwärtige Fassung der Vorschrift abge­ stellt. 48  Die durch das „Vierte Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes“ vom 30.08.1976 (BGBl. I 1976, S. 2573) implementierte Verordnungsermächtigung war zunächst in § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 8a) AtG a. F. geregelt. 49  Lukes, Die Mehrfachtätigkeit von Sachverständigen unter besonderer Berück­ sichtigung der Gutachtertätigkeit im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren, S. 3 f.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

gungsgrundlage sollte der Verordnungsgeber für im atomrechtlichen Geneh­ migungsverfahren mitwirkende (Einzel-)Sachverständige und Sachverstän­ digenorganisationen einheitliche Beauftragungsanforderungen formulieren.50 Indes ist eine solche Rechtsverordnung trotz der in der Bundesrepublik Deutschland über Jahrzehnte andauernden Sachverständigenbeteiligung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke (bislang) nicht ergangen. Dabei hatte die Bundesregierung in einem im Jahr 1979 vorgeleg­ ten Praxisbericht die aus ihrer Sicht bestehende Notwendigkeit des Erlasses eines entsprechenden Regelwerks betont, um sowohl die inhaltliche Qualität als auch die Unabhängigkeit51 der Sachverständigentätigkeit in atomrecht­ lichen Verwaltungsverfahren erhalten zu können.52 Zum Zeitpunkt der Vor­ lage ihres Berichts hatte die Bundesregierung bereits mit der Erarbeitung ei­ ner „Atomrechtlichen Sachverständigen-Verordnung (AtSachV)“ begonnen,53 die jedoch aus unbekannten Gründen nicht fertiggestellt bzw. erlassen wur­ de.54 Auch aus dem sonstigen untergesetzlichen Regelwerk lassen sich keine über die Aufzählung des § 12 S. 1 Nr. 9 AtG qualitativ hinausgehenden An­ forderungen entnehmen.55

50  BR-Drs.

101/76, S. 8 (zu § 12 Abs. 1 Nr. 8a AtG a. F.). hierzu sogleich unten B. III. 2. 52  Vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung über Grundlagen und Praxis der Sachverständigentätigkeit im Rahmen atomrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 9, 15, 53, 58. 53  Zu den erwogenen Inhalten siehe Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Be­ richt der Bundesregierung über Grundlagen und Praxis der Sachverständigentätigkeit im Rahmen atomrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 58 f.; hierzu kritisch Wagner, atw 1980, 86 (87 ff.). 54  Im Nachgang an den im Jahr 1979 veröffentlichten Bericht der Bundesregie­ rung wurde die Notwendigkeit der Verabschiedung einer AtSachV im Deutschen Bundestag weiterhin diskutiert, vgl. Plenarprotokoll 9/124 vom 27.10.1982, S. 7479 (C). 55  Aus dem Spektrum der im untergesetzlichen Regelwerk ergangenen Vorschrif­ ten (vgl. dazu auch https://www.bmu.de/themen/atomenergie-strahlenschutz/nuklearesicherheit/atomrechtliche-behoerden-gremien-und-organisationen/sachverstaendige/, zuletzt abgerufen am 07.08.2019) sind insoweit zum einen die „Rahmenrichtlinie über die Gestaltung von Sachverständigengutachten in atomrechtlichen Verwaltungs­ verfahren“ (Bek. d. BMI v. 15.12.1983, – RS I 6 – 513 820/4 –, GMBl. 1984, Nr. 2, S. 21) und zum anderen die „Grundsätze für die Vergabe von Unteraufträgen durch Sachverständige“ vom 07.10.1981 (Bek. d. BMI v. 29.10.1981 – RS 16 – 513 800/5 –, GMBl. 1981, Nr. 33, S. 517) zu erwähnen. Beide Regelwerke formulieren jedoch keine abstrakt-generellen Tätigkeitsanforderungen an die Fachkompetenz des Sach­ verständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG. Andere thematisch einschlägige Richtlinien bzw. Verwaltungsvorschiften existieren nicht, bestätigt durch Auskunft des Bundesministe­ riums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) vom 11.04.2019 per E-Mail an den Verfasser. 51  Siehe



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG81

Als Konsequenz dieser für das nationale Recht typischen56 regulatori­ schen Zurückhaltung von Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bleibt die Konkre­ tisierung des Merkmals der Fachkompetenz von Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG dem Rechtsanwender überlassen. Nach herrschender Auffas­ sung in Rechtsprechung und Literatur müssen Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG in Anlehnung an die zum Sachverständigen i. S. d. § 36 GewO er­ gangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts57 über „­besondere“, d. h. „erheblich über dem Durchschnitt liegende Kenntnisse und Fähigkeiten“ verfügen.58 Wodurch sich diese fachlichen Anforderungen indes konkret aus­ zeichnen, bleibt offen. Auch im jüngeren Schrifttum wird die Fachkompetenz des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG weitgehend unbestimmt mit Er­ fordernissen wie „fachspezifische Ausbildung[,] weit überdurchschnittliche Kenntnisse und Fähigkeiten[,] wissenschaftliche Arbeitsweise[,] praktische Erfahrung [und] detaillierte Anlagenkenntnisse“ umschrieben.59 Dementspre­ chend sind es die Verwaltungsbehörden, die in der Vollzugspraxis die Fach­ kompetenz der von ihnen beigezogenen Sachverständigen vertraglich re­ geln.60 Vergegenwärtigt man sich die Komplexität und die potenziell von einer Risikotechnologie wie der Kernenergie ausgehenden Gefahren, zu deren Be­ urteilung und Einhegung die im Zulassungsverfahren zuständigen Behörden im Einzelfall nur mithilfe der Unterstützung sachverständiger Stellen in der 56  So auch Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 298 (305). 57  Siehe insoweit BVerwGE 45, 235 (238). 58  OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91, S. 35 f. a. U. (unveröffent­ licht); OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 606 (608); Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 838; Gierke/Paul, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Ener­ gierecht, § 20 AtG Rn. 4; Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 3. Diese Vorgabe gilt auch für solche Sachverständige, die der friedlichen Nutzung der Kernenergie aus politischen bzw. weltanschaulichen Gründen kritisch gegenüberste­ hen, vgl. dazu Schirp, NVwZ 1996, 560 (562). Die gleiche – unbestimmte – Anfor­ derung wird auch für die behördliche Hinzuziehung von Sachverständigen nach § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG gestellt, siehe Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 26 Rn. 35; Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (384); Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 26 Rn. 66; Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 26 Rn. 31. 59  Stellvertretend insoweit Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 3 f. Als Indizien für die Fachkompetenz bzw. Leistungsfähigkeit speziell von Sachverständigenorganisationen werden deren Personalkapazität, Leitungsorganisa­ tion, Sachausstattung, Kontinuität sowie ihre räumliche Nähe zur zu begutachtenden Anlage und zur auftragserteilenden Genehmigungsbehörde genannt, siehe etwa Haedrich, AtG, § 20 Rn. 7. 60  Bestätigt durch Auskunft des BMU vom 11.04.2019 per E-Mail an den Verfas­ ser.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Lage sind,61 ist abseits von Diskussionen über rechtspolitische Regelungs­ notwendigkeiten62 die allgemeine Frage aufgeworfen, ob nicht den Gesetz­ geber selbst eine Pflicht trifft, die Fachkompetenz sachverständiger Stellen selbst zu regeln, wenn diese bereits durch bloße Beratung in tatsächlicher Hinsicht maßgeblichen Einfluss auf behördliche Zulassungsentscheidungen für eine Risikotechnologie nehmen63 und ihre Entscheidungsbeiträge über­ dies nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegen.64 Eine Regelungsverantwortung des Gesetzgebers dahingehend, konkrete in­ haltliche Anforderungen an die Fachkompetenz sachverständiger Stellen im positiven Recht zu normieren, kann aber von vornherein nur bestehen, wenn der Gesetzgeber zum Erlass entsprechender Vorschriften überhaupt in der Lage ist und eine entsprechende Kodifizierung darüber hinaus zur Verbesse­ rung des Status quo geeignet ist. Kann der Gesetzgeber in einem Sachbereich aus tatsächlichen Gründen keine adäquaten Anforderungen an die Fachkom­ petenz verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen formulieren oder hätte der Erlass entsprechender Vorschriften absehbar keine praktischen Auswirkungen, kann selbst die grundgesetzliche Wesentlichkeitstheorie65 den Gesetzgeber nicht zum Tätigwerden verpflichten. Hiervon ausgehend ist der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG ein exem­ plarisches Beispiel dafür, dass die Fachkompetenz sachverständiger Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auf hoheitliche Veranlassung tätig werden, häufig nicht sachgerecht reguliert werden kann. Die Ursache hierfür ist regelmäßig bereits in den jeweiligen materiell-rechtlichen Prüfprogrammen begründet, zu deren Bewältigung die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren typischerweise erfolgt. Die Geset­ zesbegründung zu § 20 S. 1 AtG sieht die Aufgabe der von den Behörden in das atomrechtliche Genehmigungsverfahren fakultativ hinzuziehbaren Sach­ 61  So

die Gesetzesbegründung zu § 20 S. 1 AtG, siehe BT-Drs. 3/759, S. 32. eine Notwendigkeit des Erlasses einer Verordnung i. S. d. (heutigen) § 12 S. 1 Nr. 9 AtG plädieren etwa Fischerhof, AtG I, § 20 Rn. 11; Steinberg, Der ökolo­ gische Verfassungsstaat, S. 267 („Bedauerlicherweise ist […] die Verordnungs­ ermächtigung […] von der Bundesregierung bislang nicht genutzt worden.“); a. A. hingegen Hartung, Die Atomaufsicht, S. 84; Rittstieg, Die Konkretisierung techni­ scher Standards im Anlagenrecht, S. 116. Die von Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 82 f., angeführte Begründung für den bislang ausgebliebenen Erlass einer Rechtsverordnung i. S. d. § 12 S. 1 Nr. 9 AtG, „[v]on einer Regulierung der Sachverständigenbeteiligung im Wege der Rechtsverordnung [sei] unter Berufung auf eine funktionierende Beteiligungspraxis […] abgesehen“ worden, ist quellenmä­ ßig nicht belegt. 63  Dazu unten B. IV. 2. b). 64  Hierzu unten B. V. 65  Für den Bereich des Atomrechts grundlegend BVerfGE 49, 89 (127 ff.). 62  Für



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG83

verständigen vor allem in der Prüfung der Frage, ob die „nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage“ i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ge­ troffen sind.66 Der hier in seinen Details nicht zu vertiefende Regelungsge­ halt67 des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ist Ausdruck einer hohen Wissensdynamik im Bereich der Kernenergie, die sich rechtlich in seinem weithin unbestimm­ ten Normtext widerspiegelt, der für die atomrechtliche Genehmigungspraxis nur mithilfe technischer Regelwerke handhabbar gemacht werden kann. Die hier nur anzudeutenden Schwierigkeiten des Gesetz- und Verordnungsgebers, das im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren zu absolvierende Prüfpro­ gramm zur Schadensvorsorge i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG aufgrund des stetig fortschreitenden Stands von Wissenschaft und Technik im kodifizierten Recht normativ auszugestalten, lassen es zugleich kaum möglich erscheinen, die fachlichen Auswahlanforderungen an die im Einzelfall68 mit der Ermittlung des Stands von Wissenschaft und Technik betrauten Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG mit signifikant höherer Regelungsdichte vorzustrukturieren. Ungeachtet der vielfach betonten Notwendigkeit, die infolge hoher Komple­ xität und Wissensdynamik von Risikoentscheidungen schwindende materiellrechtliche Steuerbarkeit der Sachverständigen durch besondere ­Anforderungen an deren Auswahl zu kompensieren,69 kann es gerade das materielle Recht selbst sein, das etwaigen Kodifikationsbestrebungen in Richtung einer um­ fassenden normativen Vorstrukturierung fachlicher Kompetenzanforderungen an sachverständige Stellen „faktisch“ Grenzen setzt. Dementsprechend wird es dem Gesetz- bzw. Normgeber insbesondere in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Sachgebieten regelmäßig allenfalls möglich sein, die Fachkompetenz sachverständiger Stellen mithilfe von unbestimmten, konkre­ tisierungsbedürftigen Rechtsbegriffen in Gestalt von abstrakten Mindestan­ forderungen normativ zu umschreiben, um der Fortentwicklung von Wissen­ schaft und Technik einigermaßen Rechnung tragen zu können. Insoweit wird man Legislative und Exekutive bei der Normsetzung einen gewissen Ein­ schätzungs- und Beurteilungsspielraum zum Erlass derart abstrakter fachli­ cher Tätigkeitsanforderungen zugestehen müssen, zumal es für eine andere 66  BT-Drs.

3/759, S. 32. sei hier insgesamt verwiesen auf R.  Nolte, Rechtliche Anforderungen an die technische Sicherheit von Kernanlagen. 68  Dies betonend Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anla­ genrecht, S. 116. 69  Siehe insbesondere Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 462. Siehe im Zusammenhang mit der Debatte um die Privatisierung umweltbehördlicher Aufgaben auch Lübbe-Wolff/Steenken, ZUR 1993, 263 (267): „Zur Sicherung der Qualität der privaten Aufgabenerfüllung sind mindestens normative Vorgaben zur Aus- und Fortbildung sowie zur erforderlichen gerätetechnischen Ausstattung zu for­ dern.“ 67  Insoweit

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Sichtweise jedenfalls für die hier zunächst interessierende Gruppe der ver­ waltungsberatenden sachverständigen Stellen an greifbaren verfassungsrecht­ lichen Vorgaben fehlt, aus denen sich ein bestimmtes, vom Grundgesetz ge­ fordertes Regelungsniveau ableiten ließe.70 Neben der Komplexität des materiellen Rechts ist die in Sachgebieten mit hoher Komplexität häufig geringe Anzahl hinreichend fachlich qualifizierter sachverständiger Stellen ein weiterer limitierender Faktor, der sowohl die Möglichkeit als auch Sinnhaftigkeit einer abstrakt- rechtlichen Kodifikation des Merkmals der Fachkompetenz begrenzt. Hält der „Markt“ in personeller Hinsicht nur eine kleine Gruppe sachverständiger Stellen bereit, die für eine behördliche Hinzuziehung in ein naturwissenschaftlich-technisch komplexes Zulassungsverfahren in Betracht kommen, kann der Normgeber sinnhafter­ weise keine anderen oder gar „besseren“ fachlichen Anforderungen stellen, als die verfügbaren Experten nicht schon ohnehin aufweisen. Deutlich wird dies am Beispiel des Atomrechts, wo in der Vergangenheit insbesondere die Technischen Überwachungsvereine (TÜV) aufgrund ihrer besonderen Fach­ kompetenz und Ausstattung von den zuständigen Behörden häufig in Geneh­ migungsverfahren für Kernenergiekraftwerke hinzugezogen wurden und dort einen Großteil der Sachverständigentätigkeit i. S. d. § 20 S. 1 AtG erbrach­ ten,71 ohne dass ihre Einbindung durch im positiven Recht statuierte fach­ liche Anforderungen besonders vorstrukturiert worden wäre. 2. Unabhängigkeit Können infolge der hohen Wissensdynamik naturwissenschaftlich-tech­ nisch komplexer Sachmaterien wie der Kernenergie fachliche Anforderungen an verwaltungsseitig tätige bzw. verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen nicht oder nur eingeschränkt im positiven Recht kodifiziert werden, gerät das Merkmal der Unabhängigkeit als zweite wesentliche Anforderung an Sachverständigentätigkeit stärker in den Fokus.72 Typischerweise pro­ grammiert das nationale Recht die Unabhängigkeit von hoheitlich in Zulas­ sungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen nicht im Einzelnen 70  Zur Problematik bei der Einbindung externer sachverständiger Stellen mit ori­ ginären Sachentscheidungskompetenzen siehe unten § 4 C. III. 1. 71  Laut Lukes (in: Lukes/Bischof/Pelzer, Sachverständigentätigkeit im atomrechtli­ chen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 13 (44)) sei bezogen auf ein einzel­ nes Kernkraftwerk Schätzungen zufolge zwischen 75 % bis 80 % der insgesamt im Genehmigungsverfahren anfallenden Sachverständigentätigkeit auf die TÜV entfal­ len. Auf diese aus den 1970er Jahren stammenden Zahlenangaben nimmt auch Hartung, Die Atomaufsicht, S. 85 f., Bezug. 72  Zur Bedeutung der Unabhängigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe auch Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 267.



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG85

durch konkrete Ge- oder Verbote vor, sondern überlässt ihre Interpretation weitgehend73 dem Rechtsanwender. Dabei wird die Unabhängigkeit verwal­ tungsberatend tätiger sachverständiger Stellen in den einschlägigen Vor­ schriften des Fachrechts häufig weder als Tätigkeitsanforderung angespro­ chen noch inhaltlich näher ausgeformt.74 Ein Beispiel hierfür ist das Atom­ recht, wo das vorliegend als ausschließliche Orientierung an sachlichen und rationalen Beurteilungsmaßstäben interpretierte Unabhängigkeitspostulat75 des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG in der Ermächtigungsgrundlage des § 12 S. 1 Nr. 9 AtG mit dem Merkmal der „Unparteilichkeit“ lediglich allgemein anklingt, jedoch nicht im Atomgesetz oder im untergesetzlichen Regelwerk76 näher ausgestaltet wird. Mangels besonderer Vorgaben wird für die Unabhängigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG unter Rück­ griff auf zum allgemeinen Sachverständigenrecht entwickelte Grundsätze zusammengefasst gefordert, dieser müsse seine Gutachten insbesondere frei von subjektiven Beweggründen, inhaltlichen Weisungen der atomrechtlichen Genehmigungsbehörde und fachlichen, materiellen oder wirtschaftlichen Ab­ hängigkeiten erstellen.77 Entsprechendes gilt für Sachverständigenorganisa­ tionen, die zudem die Unabhängigkeit der bei ihnen angestellten bzw. be­ schäftigten Sachverständigen gewährleisten müssen.78 Aus dem Spektrum der nachgerade weitgehend vagen Anforderungen scheint zunächst die Weisungsfreiheit dem Unabhängigkeitspostulat des Sachverständigen nähere Konturen zu verleihen.79 Die Weisungsfreiheit wird allgemein dahingehend verstanden, dass die beauftragende Behörde auf die 73  Auf die Mitwirkungsverbote der §§ 20, 21 VwVfG wird insoweit noch einzu­ gehen sein. 74  Für sachverständige Stellen, die von den Behörden als gutachterlich tätige Ver­ waltungshelfer in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren eingebunden werden, siehe außerhalb des Atomrechts und abgesehen von der allge­ meinen Regelung des § 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG etwa § 25 Abs. 5 S. 2 u. 9 AMG, § 13 Abs. 1 der 9. BImSchV. 75  § 2 D. III. 2. 76  Eine Ausnahme gilt für das Merkmal der Weisungsfreiheit, dazu sogleich. 77  Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 6 u.8 („Objektivität“ und „Unabhängigkeit“); ähnlich, jedoch unter vornehmlicher terminologischer An­ knüpfung an das Merkmal der „Objektivität“ OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91, S. 39 f. a. U. (unveröffentlicht); Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 841 u. 847. 78  Ob Sachverständigenorganisationen das Unabhängigkeitspostulat bei ihren Be­ schäftigten einhalten, ist dabei im Einzelfall anhand ihrer Satzung, rechtlichen Orga­ nisationsform und Leitung, den getroffenen Betriebsvereinbarungen und abgeschlos­ senen Arbeitsverträgen sowie der wirtschaftlichen Stellung der einzelnen Sachver­ ständigen innerhalb der Organisation zu beurteilen, siehe Haedrich, AtG, § 20 Rn. 7. 79  Zur vorliegenden Einbeziehung der Weisungs(un)abhängigkeit unter das Unab­ hängigkeitspostulat siehe oben § 2 D. III. 2.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Tätigkeit und Prüfergebnisse des Sachverständigen keinen sachfremden in­ haltlichen Einfluss ausüben darf, sondern sich auf Hinweise zu technischen Richtlinien, Normen und Formalien ohne Relevanz für das Gutachtenergeb­ nis beschränken muss.80 Diese abstrakte Vorgabe wird für den Sachverständi­ gen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im untergesetzlichen Regelwerk ausdifferenziert. Nach Ziffer 4 a) der „Rahmenrichtlinie über die Gestaltung von Sachverstän­ digengutachten in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren“81 (im Folgenden: Rahmenrichtlinie) hat der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG seine Gut­ achten stets mit einer eigenhändigen Erklärung zu unterzeichnen, er habe sein Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen frei von Ergebnisweisungen erstellt. Ob derartige Erklärungen, die bei verwaltungs­ seitiger Hinzuziehung beratend tätiger sachverständiger Stellen auch vertrag­ lich geregelt sein können, die Weisungsfreiheit effektiv absichern, muss all­ gemein bezweifelt werden.82 In der Regel wird ein Auftraggeber einer von ihm beauftragten sachverständigen Stelle regelmäßig keine formelle Weisung oder Ergebnisvorgabe erteilen müssen, um ein gewünschtes Prüfergebnis zu erhalten. Vielmehr dürfte die sachverständige Stelle ihr Gutachten realisti­ scherweise bereits im Wege eines „vorauseilenden Gehorsams“ im Sinne ­ihres jeweiligen Auftraggebers erstellen – und zwar auch dann, wenn eine Behörde und nicht ein Privater die Hinzuziehung der sachverständigen Stelle in das Verwaltungsverfahren initiiert hat.83 Auch ohne explizite Weisungen des Auftraggebers können in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Sachgebieten die Zugrundelegung bestimmter Beurteilungsparameter oder die Methodenwahl zu vom Auftraggeber „gewünschten“ Ergebnissen führen,84 ohne dass dies im Einzelnen konkret nachprüfbar wäre oder die abgegebene Versicherung zur Gutachtenerstellung „nach bestem Wissen und Gewissen“ unrichtig wäre. Dieses Risiko „interessengeleiteter“ oder gar op­ 80  Siehe allgemein nur Hegele, Die Bedeutung von Sachverständigengutachten für die richterliche Rechtskonkretisierung im Umweltschutz, S. 46; speziell zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 8; Lukes, in: Lukes/Bischof/Pelzer, Sachverständigentätigkeit im atom­ rechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 13 (15); ferner Büdenbender/ Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 847. 81  „Rahmenrichtlinie über die Gestaltung von Sachverständigengutachten in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren“ in der Bek. d. BMI v. 15.12.1983, – RS I 6 – 513 820/4 –, GMBl. 1984, Nr. 2, S. 21. 82  Waechter, DÖV 2015, 121 (126) weist diesbezüglich darauf hin, dass sich die Verwaltungsgerichte in Rechtsstreitigkeiten offenbar nur ausnahmsweise durch Vor­ lage der geschlossenen Beratungs- bzw. Begutachtungsverträge versichern, dass das Gebot der Weisungsfreiheit in Verwaltungsverfahren tatsächlich eingehalten wird. 83  Zutreffend Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 424; Waechter, DÖV 2015, 121 (126). 84  In diesem Sinne Waechter, DÖV 2015, 121 (126).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG87

portunistischer Gutachten lässt sich in komplexen Sachgebieten regelmäßig regulatorisch nicht vollständig einhegen, zumal es häufig nicht eine be­ stimmte, allein richtige methodische Vorgehensweise für die Abfassung eines Gutachtens gibt, die normativ festgeschrieben werden könnte.85 Insofern wird man die von der herrschenden Meinung geforderte Weisungsfreiheit von verwaltungsseitig fakultativ in Zulassungsverfahren hinzugezogenen sachverständigen Stellen generell nicht als umfassend gesichert ansehen kön­ nen.86 Fragt man nach den weiteren konkreten Regelungsgehalten des Unabhän­ gigkeitspostulats sachverständiger Stellen, beschränken sich diese vorbehalt­ lich einer konkreten Ausgestaltung im Fachrecht durch Ge- oder Verbote ty­ pischerweise im (Nicht-)Vorliegen der allgemeinen Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG,87 die nach herrschender Meinung grundsätzlich sowohl auf verwaltungsinterne als auch auf verwaltungsexterne sachverständige Stel­ len Anwendung finden.88 Der Sinn und Zweck der §§ 20, 21 VwVfG wird generell darin gesehen, einerseits die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsver­ fahren und -entscheidungen zu gewährleisten und andererseits beim Bürger einem etwaigen Anschein sachwidrigen, interessengeleiteten Verwaltungs­ handelns vorzubeugen.89 Indes können diese hehren Ziele der §§ 20, 21 VwVfG im Hinblick auf die Verfahrenstätigkeit sachverständiger Stellen nicht darüber hinwegtäuschen, dass deren Unabhängigkeit nie „absolut“ sein kann und durch die genannten Vorschriften allenfalls eingeschränkt gewähr­ leistet wird. Insbesondere schließen beide Vorschriften die Beauftragung von sachverständigen Stellen, die eine weltanschaulich-politische Grundhaltung zum Gegenstand des Zulassungsverfahrens (z. B. der Kernenergie) aufwei­ 85  Dazu unter dem Gesichtspunkt der Ausgestaltung von Fachkompetenz näher unten D. III. 1. 86  Zur Weisungsfreiheit von in Zulassungsverfahren obligatorisch eingebundenen sachverständigen Stellen siehe unten C. III. 2. 87  Vgl. für das Atomrecht auch Wagner/Nobbe, ZfU 1980, 509 (515), nach denen fehlende Objektivität, Neutralität und Unabhängigkeit des Sachverständigen „letztlich zur Ablehnung […] wegen Besorgnis der Befangenheit“ führe, die des Weiteren (S. 519) jedoch annehmen, die Genehmigungsbehörde müsse etwaige Interessenbin­ dungen des Sachverständigen erkennen und mitbewerten, falls dieser „nicht ohnehin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden“ müsse. 88  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 13a; Steinkühler, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 35. Für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 841; Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atomenergierecht – Internationale und na­ tionale Entwicklungen, S. 251 (259); Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 18 f. 89  Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 2; vgl. auch Ritgen, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 6 f.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

sen, ebenso wenig aus wie eine Verständigung zwischen zuständiger Behörde und Antragsteller darüber, welche sachverständige Stelle in einem Zulas­ sungsverfahren konkret verwaltungsseitig eingebunden wird. Dieser Befund betraf während der „aktiven Phase“ atomrechtlicher Genehmigungsverfahren für Kernkraftwerke insbesondere die bekennend „kernenergiefreundlich“90 ausgerichteten TÜV, die häufig verwaltungsseitig als sachverständige Stellen in atomrechtlichen Genehmigungsverfahren tätig wurden. Aufgrund ihrer „Nähe“ zur kerntechnischen Industrie war in der Vergangenheit die Tätigkeit der TÜV auf Behördenseite und „im Interesse“ der Antragsteller in atom­ rechtlichen Genehmigungsverfahren für Kernenergiekraftwerke in der Öf­ fentlichkeit durchaus umstritten.91 In rechtlicher Hinsicht stehen die Aus­ schlusstatbestände der §§ 20, 21 VwVfG der Beauftragung von – zugespitzt formuliert – „antragstellernahen“ wie den TÜV im atomrechtlichen Geneh­ migungsverfahren häufig nicht entgegen. Über eine lange Zeit ging die wohl herrschende Meinung im Atomrecht davon aus, dass die §§ 20, 21 VwVfG auf Mitarbeiter externer sachverständiger Stellen wie den TÜV von vornher­ ein nicht bzw. nur im Einzelfall anwendbar seien.92 Im Allgemeinen ist die Interpretation der in den §§ 20, 21 VwVfG geregelten, für Sachverständigen­ tätigkeit in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren besonders relevanten Ausschlussgründe nicht übermäßig streng. Dies betrifft zunächst den Umgang mit etwaigen Vortätigkeiten sachverständiger Stellen auf Behörden- oder Antragstellerseite. Gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG darf in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde nicht tätig werden, wer außerhalb seiner amtlichen Eigenschaft in der Angelegenheit ein Gutachten abgegeben hat oder sonst tätig geworden ist. Nach ständiger Rechtsprechung liegt das Tatbestandsmerkmal „in der Angelegenheit“ i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 90  Vgl. etwa Roßnagel, DVBl 1995, 644 („wohlwollend bis affirmativ“). Als dies­ bezüglichen Beleg wird man auch die Eigeninterpretation der Aufgabe als Behörden­ gutachter im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren im Geschäftsbericht des TÜV Rheinland e. V. aus dem Jahr 1974 zu einem von der BASF Ludwigshafen geplanten Kernkraftwerk anführen können. Dort heißt es u. a. (TÜV Rheinland e. V., Geschäfts­ bericht 1974, S. 59, zitiert nach Albrecht, Blätter für deutsche und internationale ­Politik 1978, 938 (940)): „Die Beurteilung des vom Hersteller vorgelegten Konzeptes der Berstsicherung wird vom TÜV Rheinland als Gutachter im Auftrag der atom­ rechtlichen Genehmigungsbehörde unter dem Gesichtspunkt vorgenommen, ob und gegebenenfalls unter welchen Bedingungen dieses Konzept einen gangbaren Weg darstellt, die (…) sicherheitstechnischen Anforderungen zu erfüllen und wie die mög­ lichen Nachteile gemildert oder gar ausgeschlossen werden können.“ 91  Zur gesellschaftspolitischen Diskussion siehe nur den Artikel „TÜV: Ein lu­ penreines Monopol“, in: „Der Spiegel“, Nr. 26/1977, S. 42 ff. 92  So etwa Lukes, Die Mehrfachtätigkeit von Sachverständigen unter besonderer Berücksichtigung der Gutachtertätigkeit im atomrechtlichen Verwaltungsverfahren, S. 15 u. 38; ähnlich, jedoch für eine Prüfung im Einzelfall Fischerhof, AtG I, § 20 Rn. 18; Haedrich, AtG, § 20 Rn. 10.



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG89

Nr. 6 VwVfG nur vor, wenn der in Rede stehende Lebenssachverhalt in ei­ nem engen inneren Zusammenhang mit dem konkreten Fall steht, auf den sich nunmehr die auf Seiten der Behörde vorgesehene Tätigkeit einer Person im Verwaltungsverfahren bezieht.93 Gerade in der atomrechtlichen Recht­ sprechung und Literatur wird diese durchaus als großzügig anzusehende Auslegung mit dem praktischen Bedürfnis nach „Kontinuität auf Gutachter­ seite und begleitender Mitwirkung“ sowie dem verwaltungsseitigen Interesse an einer hinreichenden Anzahl fachkompetenter sachverständiger Stellen be­ gründet.94 Infolgedessen sind insbesondere behördliche Mehrfachbeauftra­ gungen sachverständiger Stellen nach Maßgabe von § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG nicht generell ausgeschlossen. Kein Verstoß gegen § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG liegt etwa vor, wenn eine sachverständige Stelle eine bestimmte Komponente in verschiedenen Kernkraftwerken begutachtet, insoweit bereits im Vorfeld des Verwaltungsverfahrens behördlich beauftragt war und später auch als gerichtlicher Sachverständiger im Verwaltungsstreitverfahren tätig wird oder eine Einbindung durch unterschiedliche Behörden in verschiede­ nen Zulassungsverfahren erfolgt.95 Dabei haben Rechtsprechung und Litera­ tur insbesondere im Hinblick auf Sachverständigenorganisationen wie den TÜV bislang offen gelassen, ob diese als solche dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG unterliegen oder ob allein auf die konkret eingesetzten Mitarbeiter als Individualpersonen abzustellen ist.96 Selbst wenn eine Hinzuziehung eines Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Einzelfall nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG unzulässig ist, führt seine Mit­ wirkung an der Zulassungsentscheidung nach § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts, sondern ist nach Maßgabe von §§ 45, 46 VwVfG zwar rechtswidrig, aber heilbar bzw. im Ergebnis unbeachtlich. Eine „absolute“ bzw. „umfassende“ Unabhängigkeit von Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG wird durch die Bestimmung des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG mithin nicht gewährleistet. Ähnliches gilt für den Auffangtatbestand des § 21 Abs. 1 S. 1 VwVfG, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur vorliegt, wenn im Einzelfall aufgrund objektiv feststellbarer Tatsachen bei vernünftiger 93  BVerwGE 140, 359 (363); zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe zuvor bereits OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91, S. 40 a. U. (unver­ öffentlicht); OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 606 (609); VG Karlsruhe, NVwZ 1996, 616 (620). 94  Siehe etwa VG Karlsruhe, NVwZ 1996, 616 (620); Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 841; Roßnagel, DVBl 1995, 644 (646). 95  Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 19; siehe auch Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 841. 96  OVG Lüneburg, Urteil vom 08.03.2006 – 7 KS 145/02 –, juris, Rn. 36; Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 18.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Würdigung der Sachlage die subjektive Besorgnis nicht auszuschließen ist, dass ein Amtsträger bzw. eine auf Seiten der Verwaltung tätige Person in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden bzw. handeln werde.97 Für das Atomrecht hat der Ausschlussgrund des § 21 Abs. 1 S. 1 VwVfG vor allem im Zuge der Diskussion um die verwaltungs­ seitige Beauftragung bekennend kernenergiekritisch eingestellter sachver­ ständiger Stellen wie dem Ende der 1970er Jahre aus der Anti-AtomkraftBewegung hervorgegangenen Öko-Institut e. V. Darmstadt Beachtung gefun­ den.98 Nach wohl einhelliger Auffassung genügt eine bestimmte politische bzw. weltanschauliche Haltung zur Kernenergie ohne Hinzutreten weiterer Umstände für sich genommen noch nicht, um den Ausschluss eines Sachver­ ständigen vom atomrechtlichen Verwaltungsverfahren nach § 21 Abs. 1 S. 1 VwVfG zu rechtfertigen.99 Welche weiteren Umstände eine Besorgnis der Befangenheit auslösen, ist im Einzelfall zu klären und stark wertungsabhän­ gig, wie Beispiele aus der Rechtsprechung zeigen. Demnach soll die Mit­ gliedschaft einer sachverständigen Stelle im Deutschen Atomforum ihrer Hinzuziehung nach § 20 S. 1 AtG im Verwaltungsverfahren nicht entgegen­ stehen,100 während Aussagen zu Schwachstellen eines konkreten Kernkraft­ werks, die im Vorfeld eines atomrechtlichen Verwaltungsverfahrens ohne Kenntnis der konkreten Faktenlage in einem Gutachten getätigt wurden, eine Besorgnis der Befangenheit begründen.101 Insgesamt wird am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG der im Ergebnis nur begrenzte Anwendungsbereich der Ausschlusstatbestände der §§ 20, 21 VwVfG deutlich. Wie die Sachverständigenbeteiligung im Atomrecht zeigt, ist die relativ enge Auslegung des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG sowie des § 21 VwVfG auch dem Bedürfnis geschuldet, die in ­naturwissenschaftlich-technisch komplexen Sachgebieten häufig nur geringe Zahl fachlich hinreichend qualifizierter sachverständiger Stellen nicht durch übermäßig strenge Anforderungen an deren Unabhängigkeit weiter einzu­ schränken. Bestätigt wird dieser Befund durch die Bestimmung des § 21 Abs. 2 AtG, die unter bestimmten Voraussetzungen dem Antragsteller die 97  BVerwGE

141, 1 (9 f.). der Rechtsprechung siehe etwa VGH Kassel, NVwZ 1992, 391; VG Karls­ ruhe Urteil vom 21.12.1994 – 10 K 2805/93, BeckRS 1994, 31220280; im Zusam­ menhang mit Kostenfragen ferner OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91 (unveröffentlicht); OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 606 ff.; zu Aufsichtsverfahren VGH Kassel, NVwZ 1992, 391 f.; VGH Kassel, NVwZ-RR 1997, 75 f. 99  OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91, S. 42 a. U. (unveröffent­ licht); Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 841; Fiebig, RdE 1995, 104 (107). 100  So VGH München, BayVBl. 1984, 592. 101  Siehe OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 606 (609). 98  Aus



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG91

Kosten für die Hinzuziehung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG auf­ erlegt. Diese Kostenregelung dürfte in der Praxis zu einer Vorabstimmung zwischen Behörden und Antragstellern führen, da letztere eine aus ihrer Sicht nach Art oder Umfang unangemessene Beauftragung einer sachverständigen Stelle gerichtlich anfechten können.102

IV. Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Genehmigungsverfahren Die Hinzuziehung von Sachverständigen betrifft alle Phasen des atom­ rechtlichen Genehmigungsverfahrens, beginnend bei der Planung über die Errichtung bis hin zur Inbetriebnahme einer Anlage.103 Die verwaltungsseitig hinzugezogenen Sachverständigen erledigen ihren Prüfauftrag in der Regel durch die Erstellung von Gutachten.104 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren stellt ein auf Verordnungs­ ebene105 ausgestaltetes, komplexes Zulassungsverfahren dar, das konkrete Anforderungen an den Zulassungsantrag,106 die durchzuführende Umwelt­ verträglichkeitsprüfung sowie die Öffentlichkeits- und Behördenbeteili­ gung107 enthält. Der Prüfauftrag des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG ist im kodifizierten Recht nicht ausdrücklich geregelt. Er besteht jedoch, wie oben bereits angedeutet,108 maßgeblich darin, anhand der vom Antragsteller vorgelegten Antragsunterlagen Detailfragen der objektiven Genehmigungs­ 102  Vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91 (unveröffentlicht); OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 606 ff.; VGH Kassel, NVwZ 1992, 391 f.; VGH Kas­ sel, NVwZ-RR 1997, 75 f. 103  Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung über Grundlagen und Praxis der Sachverständigentätigkeit im Rahmen atomrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 17; Rittstieg, Die Konkretisierung techni­ scher Standards im Anlagenrecht, S. 117; siehe auch Hartung, Die Atomaufsicht, S. 83. 104  Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 146; Schattke, ET 1986, 740 (744). 105  § 7 Abs. 4 S. 3 AtG i. V. m. §§ 1 ff. AtVfV. 106  Der Antrag ist bei der Genehmigungsbehörde nach § 2 Abs. 1 AtVfV schrift­ lich zu stellen und muss die in § 2 Abs. 2 AtVfV und § 3 AtVfV aufgeführten Anga­ ben und Unterlagen enthalten. 107  § 1b Abs. 4 AtVfV; §§ 4 ff. AtVfV. 108  Im Zusammenhang mit der Fachkompetenz des Sachverständigen, siehe oben B. III. 1.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

voraussetzungen des Atomgesetzes zu klären.109 Insoweit hat der Sachver­ ständige unter Beachtung der maßgeblichen fachlichen Beurteilungsmaßstäbe zu ermitteln, ob im Einzelfall jede nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen sind, die durch die Errichtung oder den Betrieb einer Anlage entstehen können.110 Um die Erledigung dieses Prüfungsauftrags abzusichern, ist der Antrag­ steller nach § 20 S. 2 AtG i. V. m. § 36 ProdSG unter anderem111 verpflichtet, dem beauftragten Sachverständigen etwaige vorgeschriebene oder behördlich angeordnete Prüfungen zu gestatten, die hierfür benötigten Arbeitskräfte und Hilfsmittel bereitzustellen sowie die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen, die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich sind. Diese dem Sachverständigen eingeräumten Befugnisse korrespondieren mit Mitwir­ kungs- und Duldungspflichten des Antragstellers, deren Durchsetzung erfor­ derlichenfalls jedoch nicht dem Sachverständigen selbst, sondern der ihn beauftragenden Behörde obliegt.112 Für die Erstellung seines Gutachtens hat der Sachverständige die Vorgaben der bereits erwähnten113 Rahmenricht­ linie114 zu beachten. Ziffer 2 a)–h) der Rahmenrichtlinie verpflichtet den 109  Hartung, Die Atomaufsicht, S. 83; Fiebig, RdE 1995, 104. Zu den praktischen Aufgabenstellungen siehe etwa Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungs­ verfahren, S.  301 ff. 110  § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG. Diese Beurteilungsmaßstäbe ergeben sich aus dem Atom­ gesetz und sonstigen Gesetzesrecht, Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften, Richtlinien, den sogenannten Regeln der Technik sowie aus Empfehlungen von fach­ kundigen Gremien, vgl. Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Bericht der Bundesre­ gierung über Grundlagen und Praxis der Sachverständigentätigkeit im Rahmen atom­ rechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 23. Vgl. zu diesen unterschied­ lichen Normschichten auch Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 132 ff.; Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, S. 76 ff. Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 835, sehen die Kom­ plexität des Prüfungsauftrags darin begründet, dass die einschlägigen Regelwerke nicht für jede Problemstellung eine Lösung bereithalten und der Sachverständige so­ mit den Stand von Wissenschaft und Technik im Einzelfall zu bestimmen hat. 111  § 20 S. 2 AtG i. V. m. § 36 S. 1 ProdSG erwähnen des Weiteren die Verpflich­ tung, dem Sachverständigen auf dessen Verlangen hin die jeweilige Anlage zugäng­ lich zu machen. Diese Befugnis betrifft vorrangig das repressive Aufsichtsverfahren. Zur grundsätzlichen Anwendbarkeit von § 20 S. 2 AtG i. V. m. § 36 S. 1 ProdSG im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren siehe Haedrich, AtG, § 20 Rn. 17; Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 849; Schattke, ET 1986, 740 (744). 112  Gierke/Paul, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, § 20 AtG Rn. 21; Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 24. 113  Siehe oben B. III. 2. 114  „Rahmenrichtlinie über die Gestaltung von Sachverständigengutachten in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren“ (Bek. d. BMI v. 15.12.1983, – RS I 6 – 513 820/4 –, GMBl. 1984, Nr. 2, S. 21).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG93

Sachverständigen mit detaillierten Einzelregelungen dazu, das von ihm vor­ zulegende Gutachten verständlich, nachvollziehbar und schlüssig zu gestalten und hierbei insbesondere auf eine Trennung von Tatsachen und Bewertungen zu achten. Darüber hinaus finden sich in Ziffer 3 a)–g) der Rahmenricht­linie konkrete Anforderungen an den äußeren Aufbau des Gutachtens sowie zu den vom Sachverständigen zu klärenden Fragestellungen. In Ziffer 4 der Rahmenrichtlinie sind zudem Vorgaben zur Unterzeichnung des Gutachtens geregelt, durch die die fachliche Verantwortung des Verfassers für den Gut­ achteninhalt betont werden soll. Weitere spezifische Anforderungen statuiert das kodifizierte Recht an die Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG nicht. Insbesondere besteht keine Pflicht des Sachverständigen, den Antragsteller vor Fertigstellung des Gutachtens anzuhören. Umgekehrt ergibt sich aus den einschlägigen Vorschriften auch kein Anhörungsrecht des An­ tragstellers, wodurch informelle Abstimmungen und Rückfragen als „Vor­ feldmaßnahmen“ zu den Befugnissen des Sachverständigen aus § 20 S. 2 AtG i. V. m. § 36 S. 1 ProdSG freilich nicht ausgeschlossen oder gar unzuläs­ sig sind. Neben den ihm gegenüber dem Antragsteller eingeräumten Befugnissen sowie den Vorgaben an das von ihm zu erstellende Gutachten ist des Weite­ ren das Verhältnis des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG zu Dritten bzw. der Öffentlichkeit, mithin von etwaigen durch die Zulassung eines kerntech­ nischen Vorhabens bzw. einer Anlage betroffenen Personen, von Interesse. Diesbezüglich enthält das atomrechtliche Genehmigungsverfahren eine für das nationale Recht – inzwischen115 – typische Regelungsstruktur, die sich auch in anderen umweltrechtlichen Anlagenzulassungsverfahren wiederfin­ det.116 Für die Phase der inhaltlichen Gutachtenbearbeitung bzw. -erstellung verfügen Dritten generell über keine Rechte zur Einsichtnahme in Arbeitsent­ würfe des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oder zur Abgabe von Stel­ lungnahmen. Allerdings können fertige Gutachten des Sachverständigen nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 AtVfV Gegenstand der im Rahmen des atomrecht­ lichen Genehmigungsverfahrens durchzuführenden Öffentlichkeitsbeteiligung 115  Die heutige Regelungsstruktur geht im Wesentlichen auf das „Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/ 35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz)“ vom 09.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 2819) zurück. Zur früheren Rechtslage im Atomrecht siehe sogleich unten. 116  Unterschiede ergeben sich lediglich hinsichtlich der normativen Regelungs­ ebene. Ähnliche wie die im Folgenden darzulegenden Regelungsstrukturen finden sich im immissionsschutzrechtlichen (§ 10 Abs. 3 S. 2–4 BImSchG) sowie störfall­ rechtlichen Genehmigungsverfahren (§ 23b Abs. 2 S. 2–4 BImSchG) sowie in man­ chen Bauordnungen der Länder, siehe etwa § 72 Abs. 5 S. 1–3 BauO NRW 2018. Weitergehende Vorschriften finden sich hingegen in den fachplanungsrechtlichen Planfeststellungsverfahren.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

sein,117 sofern die Zulassung des beantragten Vorhabens aufgrund seiner po­ tenziellen Auswirkungen auf die Umwelt die Durchführung einer Umwelt­ verträglichkeitsprüfung erfordert.118 Zu den „entscheidungserheblichen Be­ richten und Empfehlungen“, welche die zuständige Behörde nach § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV in der Öffentlichkeitsbeteiligung auszulegen hat, wenn sie ihr im Zeitpunkt des Beginns des Beteiligungsverfahrens vorliegen, gehören auch von ihr eigens eingeholte Sachverständigengutachten.119 Soweit von der Ge­ nehmigungsbehörde eingeholte Sachverständigengutachten hiernach gemäß § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung sind, kann die Öffentlichkeit nach § 7 Abs. 1 S. 1 AtVfV auch Einwendungen bezüglich dieser Sachverständigengutachten erheben. Liegt der zuständigen Behörde ein von ihr eingeholtes Sachverständigengutachten erst nach Beginn des Be­ teiligungsverfahrens vor, ist dieses hingegen nicht Gegenstand der Öffent­ lichkeitsbeteiligung. Vielmehr hat die Behörde in diesem Fall der Öffentlich­ keit gemäß § 6 Abs. 2 S. 2 AtVfV das ihr erst nach Beginn des Beteiligungs­ verfahrens vorliegende Sachverständigengutachten nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Vorschriften des Bundes bzw. der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen zugänglich zu machen. Durch die vorstehenden Regelungen erhalten Dritte im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren die Möglichkeit, durch Einsichtnahme in die die behördliche Zulassungsentscheidung regelmäßig vorprägenden120 Gutachten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG ihrerseits Stellungnahmen abzuge­ ben und so verwaltungsinterne Rechtsschutzmöglichkeiten in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig geht von diesen Beteiligungsmöglichkeiten Dritter ein Kontrolldruck auf die Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG aus. Besonderer Betonung bedürfen diese Aspekte deshalb, weil die Öffent­ lichkeit während der „aktiven Phase“ der Genehmigung von Kernkraftwer­ ken in der Bundesrepublik Deutschland keine bzw. nur wenige Möglichkeiten hatte, die Gutachten von nach § 20 S. 1 AtG behördlich hinzugezogenen Sachverständigen einzusehen und zu diesen Stellungnahmen abzugeben. Die nunmehr in § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV statuierte Pflicht der Atombehörden, in Zulassungsverfahren für einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedürfenden Vorhaben alle ihr zu Beginn des Beteiligungsverfahrens vorliegenden, ent­ scheidungserheblichen Berichte und Empfehlungen in die Öffentlichkeitsbe­ teiligung zu geben, ist erst seit dem Jahr 2006 aus unionsrechtlichen Gründen 117  Zu den Vorschriften über die Öffentlichkeitsbeteiligung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren siehe § 4 ff. AtVfV. 118  Siehe zu den erfassten Vorhaben Nr. 11 der Anlage 1 zum UVPG. 119  So für die mit § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV inhaltlich gleichlautende Vorschrift des § 10 Abs. 3 S. 2 BImSchG etwa Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, § 10 Rn. 92a; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 78. 120  Dazu näher unten B. IV. 2. b).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG95

in verschiedenen Bereichen des nationalen Anlagenzulassungsrechts vorgese­ hen.121 Nach dem Wortlaut des bis dato geltenden § 6 Abs. 1 AtVfV a. F.122 gehörten die von den Behörden im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten nicht zu den im Rahmen der Öffent­ lichkeitsbeteiligung auszulegenden Unterlagen.123 Nach seinerzeit herrschen­ der Meinung stand die Entscheidung, ob und inwieweit eingeholte Sachver­ ständigengutachten den Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis gegeben werden, im einzelfallbezogenen Ermessen der zuständigen Behörde.124 Die hieraus resultierende Genehmigungspraxis ist im juristischen Schrifttum teils heftig kritisiert worden. Teile der Literatur wähnten Behörden, Antragsteller, Her­ steller und Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG „in einem geschlossenen Informationssystem“125 bzw. sahen diese als Teil einer gemeinsamen „Innen­ welt“126. Aufgrund der fehlenden Offenlegung von Sachverständigengutach­ ten sei der Öffentlichkeit „nicht nur nicht [bekannt], was die vom Antragstel­ ler und von der Genehmigungsbehörde beteiligten Fachleute wissen, sondern sie wissen darüber hinaus nicht, was alles diese Fachleute nicht wissen, was aber im Interesse einer sachgerechten Beurteilung des Projekts gewu[ss]t und berücksichtigt werden sollte.“127 Soweit ein TÜV im Einzelfall fachliche Bedenken gegenüber der Konzeption eines Vorhabens geäußert habe, seien diese frühzeitig „durch Verhandlungen zwischen Antragsteller, Hersteller, Gutachter und Genehmigungsbehörde“ mithilfe von „Kompromi[ssen] zwi­ schen nötiger Sicherheit und Wirtschaftlichkeit“ ausgeräumt worden.128 Ob diese Kritik an der behördlichen Hinzuziehung von Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG sachlich zutrifft, bedarf hier keiner Bewertung. Sie ver­ 121  „Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz)“ vom 09.12.2006 (BGBl. I 2006, S. 2819). 122  Wortlaut und Inhalt des § 6 Abs. 1 AtVfV sind seit Erlass der AtVfV nahezu identisch geblieben, vgl. § 6 Abs. 1 AtVfV i. d. F. der Verordnung vom 18.02.1977 (BGBl. I 1977, S. 280); ähnlich zuvor schon § 2 Abs. 3 S. 1 der Atomanlagen-Verord­ nung vom 20.05.1960 (BGBl. I 1960, S. 310). 123  OVG Koblenz, ET 1976, 539 (541) (noch zur Vorgängervorschrift des § 2 Abs. 3 der Atomanlagen-Verordnung); Heitsch, Genehmigung kerntechnischer Anla­ gen nach deutschem und US-amerikanischem Recht, S. 131. 124  Fischerhof, AtG I, § 20 Rn. 15; Haedrich, AtG, § 20 Rn. 21. 125  de Witt, in: Lukes (Hrsg.), Fünftes Deutsches Atomrechts-Symposium, S. 271 (277). 126  Gerhardt/Jacob, DÖV 1986, 258 (271). 127  Meyer-Abich, in: Roßnagel (Hrsg.), Recht und Technik im Spannungsfeld der Kernenergiekontroverse, S. 221 (230 f.). 128  So unter Berufung auf regelmäßige Aussagen in den Verfahrensakten der Atombehörden de Witt, in: Roßnagel (Hrsg.), Recht und Technik im Spannungsfeld der Kernenergiekontroverse, S. 167 (168 f.).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

deutlicht aber exemplarisch das Bedürfnis, die verwaltungsseitige Einbin­ dung sachverständiger Stellen in komplexen Zulassungsverfahren geeigneten Transparenz- bzw. Kontrollstrukturen zu unterwerfen, wenn und soweit auf­ grund der strukturellen Knappheit von Expertenwissen in einem Sachgebiet keine besonders strengen Anforderungen an das Unabhängigkeitspostulat gestellt werden (können). 2. Behandlung der Stellungnahme durch die Genehmigungsbehörde Hinsichtlich der Behandlung der von Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren erstellten Gutachten durch die Genehmigungsbehörde ist zwischen der rechtlichen und der praktischen Bedeutung der Voten zu unterscheiden. a) Rechtliche Bedeutung Obschon in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren, die von außerjuristischen Fragestellungen geprägt werden, eine (verfas­ sungsrechtliche) Pflicht der Staates zur Einbindung internen oder externen Sachverstands bestehen kann,129 ist jedenfalls die Tätigkeit externer sachver­ ständiger Stellen für die staatlichen Verwaltungsbehörden in der Regel recht­ lich unverbindlich.130 Dies ist vor allem den Anforderungen des grundgesetz­ lichen Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) geschuldet. Eröffnet das materielle Recht ausfüllungsbedürftige, von der Rechtsprechung als Aus­ nahme vom grundgesetzlich statuierten Vollüberprüfungsanspruch von Ver­ waltungsentscheidungen (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG) anerkannte Beurteilungsund Gestaltungsspielräume, ist die Zuerkennung originärer Konkretisierungsund Entscheidungsbefugnisse zu Gunsten verwaltungsexterner sachverständi­ ger Stellen, die nicht in die staatliche Weisungs- und Verantwortungshierarchie eingegliedert sind, unter dem Postulat sachlich-inhaltlicher demokratischer Legitimation häufig problematisch.131 Dieses Problem wird ausgehend von einem herkömmlichen Demokratieverständnis im einschlägigen Fachrecht häufig durch Zuweisung der formellen Letztverantwortung auf staatliche 129  Unter Herleitung aus einem im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Sachgerechtig­ keits- und Effektivitätsgebot etwa Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210 f.); für eine Herleitung aus den Grundrechten siehe Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (288 ff.). Siehe hierzu insgesamt näher unten unter § 6 B. II. 1. a). 130  Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1250). 131  Siehe dazu näher Augsberg, Die Verwaltung 51 (2018), 351 (357 f.); Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (304). Auf das hiermit einhergehende Problem der staat­ lichen Letztverantwortung in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren wird unten unter § 6 D. II. 2. a) aa) vertieft eingegangen.



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG97

Verwaltungsbehörden gelöst, wenngleich diese mit zunehmender Komplexi­ tät einer Materie tatsächlich kaum in der Lage sein mögen, die in ihrem Namen ergehenden Entscheidungen auch materiell zu verantworten.132 Diesen Überlegungen folgt auch die Verantwortungs- und Entscheidungs­ struktur des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens. Nach § 15 Abs. 1 AtVfV entscheidet die zuständige Behörde über den Genehmigungsantrag des Antragstellers unter Würdigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens. Die durch die hinzugezogenen Sachverständigen erstellten Gutachten oblie­ gen der freien Beweiswürdigung durch die Genehmigungsbehörde, die sich substanziell mit dem Gutachteninhalt und den dort angeführten Argumenten auseinanderzusetzen hat und ihren Umgang mit dem Sachverständigenvotum schriftlich dokumentieren muss.133 Dabei obliegt der Genehmigungsbehörde die alleinige Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung.134 Sie darf sich insoweit nicht auf die Einschätzung der von ihr beigezogenen Sachverständigen verlassen, sondern muss alle vertretbaren wissenschaft­ lichen Erkenntnisse in Erwägung ziehen.135 In der Literatur werden als Indi­ zien für die Richtigkeit des eingeholten Gutachtens die Autorität des Sach­ verständigen und die Akzeptanz der angewandten Untersuchungsmethoden in den maßgebenden Fachkreisen genannt.136 Den hinzugezogenen Sachver­ ständigen kommt insofern in rechtlicher Hinsicht eine unterstützende, jedoch keine letztentscheidende Funktion zu. Insoweit wird eine Verlagerung der Entscheidung seitens der Behörde auf die hinzugezogenen Gutachter für ­unzulässig erachtet.137 In rechtlicher Hinsicht muss die zuständige Behörde auch dann eine „eigene“ Entscheidung treffen, wenn ihr selbst im Einzelfall die erforderlichen wissenschaftlichen Kenntnisse fehlen und sie sich daher der Expertise von verwaltungsexternen sachverständigen Stellen bedienen muss.

132  Augsberg, Die Verwaltung 51 (2018), 351 (357) spricht insoweit von einer „paradoxen Situation“, die aber den typischen Fall der sachverständigen Beratung der Verwaltung durch Private darstelle. 133  Fiebig, RdE 1995, 104 (110); Leidinger, in: Frenz (Hrsg.), Atomrecht, AtG, § 20 Rn. 22, 25 f. 134  BVerwGE 72, 300 (316); BVerwG, NVwZ 1989, 1169 (1169 f.). 135  BVerwGE 72, 300 (316); BVerwG, NVwZ 1989, 1169 (1169 f.). 136  So Lange, Fehler und Fehlerfolgen im atomrechtlichen Genehmigungsverfah­ ren, S. 83; dem folgend Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atomenergierecht – Interna­ tionale und nationale Entwicklungen, S. 251 (268). 137  Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atomenergierecht – Internationale und natio­ nale Entwicklungen, S. 251 (268).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

b) Praktische Bedeutung Die rechtliche Alleinverantwortung der zuständigen Behörden im Außen­ verhältnis sagt in rechtstatsächlicher Hinsicht nichts darüber aus, inwieweit die Verwaltungsentscheidungen durch vorbereitende Beiträge der in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren behördlicherseits hinzugezogenen sachverständigen Stellen inhaltlich vorgeprägt werden. Bei­ spielhaft, wenn auch ohne empirische Befunde, lässt sich die häufig unter dem Stichwort der „faktischen Bindungswirkung“ diskutierte138 Problematik des Einflusses externer sachverständiger Stellen auf behördliche Zulassungs­ entscheidungen am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtlichen Genehmigungsbehörden illustrieren, die insbesondere im Rahmen der Zulassung von Kernenergiekraftwerken praktische Bedeutung erlangt hat. Im Schrifttum wurde den Gutachten der seinerzeit in atomrecht­ lichen Genehmigungsverfahren im Einzelfall hinzugezogenen Sachverständi­ gen in tatsächlicher Hinsicht eine für die Konkretisierung des Stands von Wissenschaft und Technik sehr große Bedeutung beigemessen.139 Unter Zu­ grundelegung der einschlägigen – ebenfalls mit sachverständiger Unterstüt­ zung erstellten – Regelwerke und Leitlinien seien es „effektiv“ die im Ein­ zelfall hoheitlich eingebundenen Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG ge­ wesen, die anstelle der formal zuständigen Behörden Entscheidungen im Bereich der Risikoermittlung und -bewertung getroffen und hierbei nicht vom Staat vorgegebene Beurteilungsmaßstäbe angewendet, sondern diese in der Entscheidungspraxis selbst geliefert hätten.140 Diese – freilich nicht nä­ her belegte141 – hohe praktische Bedeutung der einzelfallbezogenen Sach­ 138  Siehe außerhalb des Atomrechts etwa Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S.  294 f.; Häfner, Verantwortungsteilung im Genehmigungsrecht, S. 251 u. 253 (beide am Beispiel des Arzneimittelrechts); ferner Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 75 Rn. 7; Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staats­ aufgaben, S. 298 (306). 139  Rittstieg, Die Konkretisierung technischer Standards im Anlagenrecht, S. 116; Steinberg, JZ 1991, 431 (435); Schattke, ET 1986, 740 (744) sieht in der Befugnis zur Hinzuziehung von Sachverständigen die „stärkste Unterstützung [der Genehmigungs­ behörde] zur Entscheidungsbildung“; ferner Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atom­ energierecht – Internationale und nationale Entwicklungen, S. 251 (273); Ronellenfitsch, Das atomrechtliche Genehmigungsverfahren, S. 301. Unter Betonung von abs­ trakt-genereller und einzelfallbezogener Sachverständigentätigkeit auch Degenhart, Kernenergierecht, S.  128 ff.; Marburger, Atomrechtliche Schadensvorsorge, S. 146. 140  Steinberg, JZ 1991, 431 (435); vgl. ferner Ossenbühl, DÖV 1981, 1 (3). 141  Eine empirische Erhebung zur praktischen Bedeutung der Voten von Sachver­ ständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG in der seinerzeitigen atomrechtlichen Genehmigungs­ praxis konnte vorliegend nicht durchgeführt werden. Zu statistischen Befunden für die formal ebenfalls verwaltungsberatend tätige ZKBS sowie für die DFS siehe aber unten C. IV. 2. b) und D. IV. 2. b).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG99

verständigentätigkeit i. S. d. § 20 S. 1 AtG lässt sich mit Blick auf die bereits erwähnte Problematik um „kernenergiebefürwortende“ und „kernenergie­ ablehnende“ Sachverständige anhand von zwei unterschiedlichen Beauftra­ gungsphasen verdeutlichen.142 Die erste, mit dem Inkrafttreten des Atomge­ setzes im Jahr 1960143 beginnende und bis in die 1980er Jahre hineinrei­ chende Beauftragungsphase war geprägt durch die Tätigkeit der TÜV, die aufgrund ihrer großen kerntechnischen Abteilungen für eine Hinzuziehung als Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG in fachlicher Hinsicht als besonders prädestiniert galten144 und an der Errichtung zahlreicher Kernkraftwerke maßgeblich beteiligt waren,145 wobei ihre diesbezügliche Rolle aufgrund der ihnen attestierten Nähe zur kerntechnischen Industrie nicht unumstritten war. Die zweite Beauftragungsphase lässt sich am ab Mitte der 1980er Jahre in manchen Bundesländern praktizierten „ausstiegsorientierten Gesetzesvoll­ zug“ festmachen.146 Dieser Verwaltungsvollzug äußerte sich unter anderem darin, dass Behörden unter Verweis auf eine geänderte Sicherheitsphilosophie Genehmigungsvorschriften überkompliziert anwendeten,147 die Erteilung von Genehmigungen versagten bzw. verzögerten148 und dies durch gezielte Ver­ 142  Beide Phasen können weder in zeitlicher Hinsicht vollständig voneinander ge­ trennt werden noch sind mit ihrer vorliegenden Identifizierung quantitative Aussagen zum Umfang der Beauftragung bestimmter sachverständiger Stellen verbunden. Die zeitliche Überschneidung der im Folgenden – freilich nur kurz – zu erläuternden Pha­ sen der Sachverständigenbeteiligung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren verdeutlicht der der Kalkar II-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde liegende Sachverhalt (BVerfGE 81, 310 ff.). 143  Durch das im Jahr 1959 erlassene Atomgesetz sollte nach den seinerzeitigen Erwartungen des Gesetzgebers die Grundlage für eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland gelegt werden, vgl. BT-Drs. 2/3026, S. 16. 144  Hingewiesen sei erneut auf Lukes, in: Lukes/Bischof/Pelzer, Sachverständigen­ tätigkeit im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 13 (44), der auf Schätzungen verweist, wonach zwischen 75 % bis 80 % der insgesamt in einem Genehmigungsverfahren für ein einzelnes Kernkraftwerk erbrachten Sachverständi­ gentätigkeit seinerzeit auf die TÜV entfallen sei. 145  In der Bundesrepublik Deutschland wurden bis zum Jahr 1989 insgesamt 32 kommerzielle Reaktoren gebaut, siehe Ruttloff/Staubach, NuR 2017, 826 (828) mit weiteren statistischen Angaben zur Nutzung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. 146  Dazu allgemein Sendler, DÖV 1992, 181 (182 ff.). Der Beginn des ausstiegs­ orientierten Gesetzesvollzugs wird am Bundesparteitag der SPD im Jahr 1986 festge­ macht, auf welchem im Nachgang an den Reaktorunfall von Tschernobyl über ein konkretes Ausstiegsprogramm diskutiert wurde, siehe Ruttloff/Staubach, NuR 2017, 826 (828). 147  Burgi, NVwZ 2019, 585 (590). 148  Sendler, DÖV 1992, 181 (187); ferner Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atom­ energierecht – Internationale und nationale Entwicklungen, S. 251 (276).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

gaben von Gutachtenaufträgen an „kernenergiekritische“ sachverständige Stellen wie dem oben erwähnten Öko-Institut e. V. Darmstadt steuerten,149 dem im Rahmen dieser behördlichen Vollzugspraxis eine „strategische Schlüs­ selfunktion“ beigemessen wurde.150

V. Gerichtliche Überprüfung Die am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG illustrierten Probleme, die Fachkompetenz und Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen organisations- und verfahrensrechtlich umfassend regulatorisch einzuhegen,151 verlagern die Suche nach Lösungsansätzen auf die Ebene des gerichtlichen Klageverfahrens. In prozessualer Hinsicht gelten für die gerichtliche Überprüfung der Tätig­ keit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG zunächst allgemeine Grund­ sätze, die partiell durch besondere Vorgaben des Umweltrechts überformt werden. Sowohl die behördliche Entscheidung der Hinzuziehung eines Sach­ verständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG als auch der von letzterem gelieferte Ent­ scheidungsbeitrag können nach § 44a S. 1 VwGO nicht isoliert, sondern nur gemeinsam mit der außenwirksamen Zulassungsentscheidung der zuständi­ gen Behörde gerichtlich angefochten werden. Nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO ist bei (Teil-)Ablehnung seines Antrags zunächst der Antragsteller befugt, die vom Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG regelmäßig inhaltlich vorgeformte Zulassungsentscheidung gerichtlich anzugreifen. Ferner können Dritte, also vom Antragsteller personenverschiedene Nicht-Adressaten der Verwaltungsentscheidung, nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt sein, wenn sie geltend machen können, durch die von ihnen angegriffene Zulassungsent­ scheidung möglicherweise in subjektiven Rechten verletzt zu sein.152 Da­ neben unterliegen atomrechtliche Zulassungsentscheidungen für Vorhaben bzw. Anlagen seit dem Jahr 2006 dem Kontrollregime der umweltrechtlichen Verbandsklage.153 Mithilfe der ihnen gesetzlich eingeräumten Klagerechte können anerkannte Umweltverbände die vom Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG vorgeprägten Zulassungsentscheidungen auch in Bezug auf ihre 149  Dazu ausführlich Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atomenergierecht – Interna­ tionale und nationale Entwicklungen, S. 251 (273 ff.); ferner Roßnagel, DVBl 1995, 644. Die Rolle des Verfahrensrechts für den ausstiegsorientierten Gesetzesvollzug betont überdies Wagner, NVwZ 1991, 834 (842). 150  So mit kritischer Würdigung Fiebig, in: Pelzer (Hrsg.), Neues Atomenergie­ recht – Internationale und nationale Entwicklungen, S. 251 (273 ff.). 151  Siehe oben B. III. u. B. IV. 152  Näher zum Drittschutz im Atomrecht siehe etwa Wahl/Schütz, in: Schoch/ Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, § 42 Abs. 2 Rn. 177 ff. 153  Vgl. insoweit die Bestimmung des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) UmwRG.



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG101

Vereinbarkeit mit objektiv-rechtlichen Vorschriften einer gerichtlichen Über­ prüfung unterziehen.154 Damit bestehen auf der Kontrollzugangsseite gegen­ über behördlichen Zulassungsentscheidungen für atomrechtliche Vorhaben und Anlagen, die unter Mitwirkung von verwaltungsseitig hinzugezogenen Sachverständigen erlassen wurden, mittlerweile155 vergleichsweise156 weitge­ hende Rechtsschutzmöglichkeiten, deren Auswirkungen in der forensischen Praxis in den vergangenen Jahren vor dem Hintergrund des Ausstiegs der Bundesrepublik Deutschland aus der kommerziellen Kernenergienutzung zur Stromerzeugung freilich begrenzt sind.157 Nähere Beachtung verdient die gerichtliche Überprüfung der Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Hinblick auf die Kontrolldichte, deren Modalitäten insbesondere im Zusammenhang mit der verwaltungs­ gerichtlichen Überprüfung von Zulassungsentscheidungen für Kernenergie­ kraftwerke ausgeformt wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwal­ tungsgerichts unterliegen die Entscheidungen der atomrechtlichen Genehmi­ gungsbehörden hinsichtlich der gerade (auch)158 vom Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG zu klärenden Frage, ob gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Errichtung und den Betrieb der Anlage getroffen ist, nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung.159 Das Atomrecht richte die zur Schadensvorsorge erforderlichen Maßnahmen am Maßstab des Stands von Wissenschaft und Technik aus und weise in der Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG dadurch nicht den Gerichten, sondern der Verwaltung die Verant­ wortung für die Risikoermittlung und -bewertung letztverantwortlich zu.160 154  Der Maßstab für die Begründetheitsprüfung von Umweltverbandsklagen folgt aus § 2 Abs. 4 UmwRG. 155  Zur früheren Unzulässigkeit der Verbandsklage im Atomrecht nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO siehe BVerwG, NJW 1981, 362. 156  Wie noch näher darzulegen sein wird, gelten im Produktzulassungsrecht als Konsequenz der Schutznormtheorie im Ergebnis deutlich restriktivere Zugangsmög­ lichkeiten Dritter zu den (Verwaltungs-)Gerichten. 157  In der Bundesrepublik Deutschland waren behördliche Genehmigungen für die Errichtung und den Betrieb von Kernkraftwerken häufig Gegenstand verwaltungsge­ richtlicher Entscheidungen. Prägnant Ossenbühl, DVBl 1978, 1: „Die Genehmigung von Kraftwerken bedarf der gerichtlichen Bestätigung.“ Zum Teil ist von einer regel­ rechten „Prozesslawine“ die Rede, vgl. Bosselmann, KJ 1980, 389 (393). 158  Siehe insoweit zum Zusammenhang zwischen der Unbestimmtheit von mate­ riell-rechtlichen Prüfprogrammen und den vagen Anforderungen an die Fachkompe­ tenz sachverständiger Stellen oben B. III. 1. 159  BVerwGE 72, 300 (316 ff.); 78, 177 (180). 160  BVerwGE 72, 300 (316). Danach müssen die Genehmigungsbehörden zur Be­ hebung etwaiger Unsicherheiten bei der Beurteilung des Risikopotenzials alle vertret­ baren wissenschaftlichen Erkenntnisse in Erwägung ziehen, auch wenn unter Zugrun­

102

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Bei ordnungsgemäßer Wahrnehmung dieser Aufgabe könne es „nicht Sache der nachträglichen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein […], die der Exe­ kutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen.“161 Diese Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte führt indes dazu, dass die von der Rechtsprechung bezüglich der Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG eingeräumten Beurteilungsspielräume praktisch nicht nur durch die Atombehörden, sondern ganz maßgeblich auch durch die von diesen nach § 20 S. 1 AtG beauftragten Sachverständigen ausgeübt werden.162 Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass in der verwaltungsgerichtlichen Praxis für die Überprüfung von Zulassungsentscheidungen für Kernkraftwerke häufig die bereits im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren verwaltungsseitig einge­ bundenen sachverständigen Stellen auch in nachfolgenden Klageverfahren als gerichtliche Sachverständige geladen wurden.163 Das Bundesverwaltungs­ gericht hat bereits in seinem „Würgassen-Urteil“ aus dem Jahr 1972 klarge­ stellt, dass die Instanzgerichte ihrer Aufklärungspflicht unter Umständen be­ reits dadurch genügen könnten, wenn sie sich die im Genehmigungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten unter Vorhalt der Einwendungen des Klägers durch einen der Gutachter mündlich erläutern lassen. Ebenso stünde es den Instanzgerichten frei, selbst einen Sachverständigen aus dem Kreis der Arbeitsgemeinschaft der TÜV auszuwählen.164 Voraussetzung hierfür sei, dass sich aus den der Zulassungsentscheidung der Behörde zugrunde liegen­ den Sachverständigengutachten kein Anlass für eine weitere Beweiserhebung durch Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen ergebe. Später gingen die Gerichte bei der Überprüfung atomrechtlicher Zulassungsentscheidungen mitunter sogar noch einen Schritt weiter und verzichteten aufgrund der der Exekutive zugewiesenen Verantwortung für die Risikoermittlung und -be­ wertung darauf, sich die von den Genehmigungsbehörden eingeholten Sach­ delegung des Maßstabs der praktischen Vernunft nicht jedes erdenkliche „Restrisiko“ eingestellt werden braucht, siehe dazu BVerwGE 92, 185 (195 f.); 101, 347 (351). 161  BVerwGE 72, 300 (316). Teile der Rechtsprechung neigen der Auffassung zu, den Atombehörden aufgrund ihrer materiell-rechtlichen Verantwortung für die Risiko­ ermittlung und -bewertung auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht einen Beurteilungs­ spielraum hinsichtlich der fachlichen Eignung hinzugezogener Sachverständige ein­ zuräumen, vgl. OVG Lüneburg, NVwZ 1996, 606 (608). 162  Wie hier Fiebig, RdE 1995, 104 (112). Zur praktischen Bedeutung der Gutach­ ten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben B. IV. 2. b). 163  Vgl. dazu mit Nachweisen Bundesministerium des Innern (Hrsg.), Bericht der Bundesregierung über Grundlagen und Praxis der Sachverständigentätigkeit im Rah­ men atomrechtlicher Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren, S. 31. 164  BVerwG, Urteil vom 16.03.1972 – I C 49.70 –, juris, Rn. 52 = DÖV 1972, 757 (759) (insoweit dort nicht abgedruckt).



B. Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG103

verständigengutachten durch die Gutachter mündlich erläutern zu lassen.165 Diese Überprüfungspraxis der Verwaltungsgerichte bei der Kontrolle ange­ fochtener Zulassungsentscheidungen für Kernkraftwerke ist ein frühes Bei­ spiel für den gerichtlichen Umgang mit Sachverständigengutachten, die von der federführenden Behörde – gegebenenfalls in Abstimmung mit dem An­ tragsteller bzw. Vorhabenträger – bereits auf der Ebene des Zulassungsver­ fahrens eingeholt wurden und die auch im anschließenden Verwaltungspro­ zess zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Eine ähnliche Vorgehensweise bei der gerichtlichen Überprüfung behördlicher Zulassungsentscheidungen lässt sich auch in anderen Bereichen feststellen.166 Insoweit zeigt das Atomrecht exemplarisch, dass die fachlich qualifiziertes­ ten sachverständigen Stellen häufig bereits im behördlichen Zulassungsver­ fahren auf Seiten der Verwaltung bzw. für andere Verfahrensbeteiligte167 tätig sind, weshalb in sich anschließenden Verwaltungsprozessen häufig keine anderen Sachverständigen mit gleicher Fachkompetenz und größerer Unab­ hängigkeit als „gerichtliche Obergutachter“ zur Verfügung stehen.168

VI. Ergebnisse Das Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtli­ chen Genehmigungsverfahren veranschaulicht typische Probleme, die sich bei der regulatorischen Einhegung externer Sachverständigentätigkeit in na­ turwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren stellen. Auf abstrakt-organisatorischer Ebene zeigt sich dies zunächst für die normative Ausgestaltung der Merkmale der Fachkompetenz und Unabhängigkeit sach­ verständiger Stellen, deren Konkretisierung im untergesetzlichen Regelwerk sich der Verordnungsgeber trotz der ihm eingeräumten gesetzlichen Ermäch­ tigung seit jeher enthält. Die Ursache für diese regulatorische Zurückhaltung liegt für das Merkmal der Fachkompetenz in der hohen Wissensdynamik naturwissenschaftlich-technischer Sachmaterien begründet, die sich ihrerseits in weithin unbestimmten, inhaltlich konkretisierungsbedürftigen Prüfpro­ 165  Vgl. VGH München, Gerichtsbescheid vom 30.09.1997 – 22 A 96.40044 (u. a.) –, juris, Rn. 13 ff., bestätigt durch BVerwG, NVwZ-RR 1999, 15. 166  Zur ähnlichen Situation im Planfeststellungsrecht siehe unten § 4 B. V. 167  Insbesondere für den Antragsteller. 168  Zur Mehrfachtätigkeit von Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG (insbeson­ dere der TÜV) im auf das atomrechtliche Genehmigungsverfahren folgenden Verwal­ tungsprozess siehe insbesondere Lukes, Die Mehrfachtätigkeit von Sachverständigen unter besonderer Berücksichtigung der Gutachtertätigkeit im atomrechtlichen Verwal­ tungsverfahren, S.  22 ff.; ders., in: Lukes (Hrsg.), Erstes Deutsches Atomrechts-Sym­ posium, S. 221 (229 f.); kritisch Heitsch, Genehmigung kerntechnischer Anlagen nach deutschem und US-amerikanischem Recht, S. 128 ff.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

grammen des materiellen Rechts äußert (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG). Kann der Gesetzgeber die Steuerung von Risikotechnologien nur mithilfe vager materiell-rechtlicher Entscheidungs- und Kontrollmaßstäbe regeln, fällt ge­ rade in Sachgebieten mit nur wenig verfügbaren sachverständigen Stellen die detaillierte Regelung von Fachkompetenzanforderungen schwer. Gleich­ zeitig schränkt die nur begrenzte Anzahl hinreichend fachlich qualifizierter sachverständiger Stellen die regulatorischen Gestaltungsmöglichkeiten be­ züglich des Unabhängigkeitspostulats nicht unerheblich ein. Insoweit illus­ triert das Referenzgebiet des Atomrechts, dass eine Kodifizierung übermäßig strenger Anforderungen an die Unabhängigkeit die Rückgriffsmöglichkeiten der Verwaltung auf die Unterstützung externer sachverständiger Stellen spürbar erschweren und im schlimmsten Fall dazu führen kann, dass den Behörden keine Möglichkeiten mehr zur Einbindung von außerhalb des staatlichen Verwaltungsapparats tätigen sachverständigen Stellen verbleiben. Mit diesem Verzicht des Gesetz- und Verordnungsgebers gehen freilich Steuerungsdefizite bezüglich der hoheitlichen Verfahrenseinbindung sachver­ ständiger Stellen einher, die nicht zuletzt zum Schutz der Rechte (z. B. Le­ ben, Gesundheit) und Interessen (z. B. Akzeptanz und Vertrauen in die Ver­ fahrensdurchführung) Drittbetroffener entweder auf Ebene des Zulassungs­ verfahrens oder des nachgelagerten Verwaltungsstreitverfahrens die Imple­ mentierung von Kontrollstrukturen erfordern. Aufgrund der begrenzten Problemlösungskapazitäten des Verwaltungsprozesses sind etwaige Lösungs­ ansätze vorrangig auf Ebene des Verwaltungsverfahrens zu suchen. Entspre­ chende Handlungsmöglichkeiten könnten, wie am Beispiel des Sachverstän­ digen i. S. d. § 20 S. 1 AtG dargelegt, zumindest teilweise in der Etablierung von Transparenzstrukturen und Beteiligungsmöglichkeiten Dritter bzw. der Öffentlichkeit liegen.

C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS)in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren Als zweites Referenzgebiet ist nunmehr die Tätigkeit der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren in den Blick zu nehmen. Wie im Folgenden darzulegen sein wird, weicht die organisations- und verfah­ rensrechtliche Ausgestaltung der obligatorischen Einbindung von pluralis­ tisch besetzten, als Kollegialgremien verfassten sachverständigen Stellen wie der ZKBS zunächst deutlich von den Regelungsstrukturen ab, die für die fakultative Hinzuziehung von sachverständigen Stellen wie dem Sachver­ ständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG gelten. Nichtsdestotrotz lassen sich für beide Einbindungskonstellationen vergleichbare Problembereiche identifizieren,



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 105

die am Beispiel der ZKBS anhand der eingangs erörterten Prüfstruktur169 herausgearbeitet werden sollen.

I. Rechtlicher Rahmen Das Gentechnikgesetz (GenTG)170 unterscheidet mit den Vorgaben für gentechnische Arbeiten in gentechnischen Anlagen (§§ 7 ff. GenTG)171 auf der einen und den Bestimmungen für die Freisetzung und das Inverkehrbrin­ gen von gentechnisch veränderten Organismen (im Folgenden: GVO) (§§  14 ff. GenTG)172 auf der anderen Seite im Wesentlichen zwei unter­ schiedliche Systeme präventiver Eröffnungskontrollen. Die Errichtung und der Betrieb gentechnischer Anlagen, in denen gentech­ nische Arbeiten mit mäßigem (Sicherheitsstufe 3) oder hohem (Sicherheits­ stufe 4) Risiko173 durchgeführt werden sollen, bedürfen nach § 8 Abs. 1 S. 2 169  Siehe

oben § 2 D. durch Art. 1 des „Gesetzes zur Regelung von Fragen der Gen­ technik“ vom 20.06.1990 (BGBl. I 1990, S. 1080). 171  Nach § 8 Abs. 1 S. 1 GenTG dürfen gentechnische Arbeiten ohne ausdrückli­ che gesetzliche Ausnahme nur in gentechnischen Anlagen durchgeführt werden. Die gesetzlichen Begrifflichkeiten sind für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung nicht weiter relevant, sollen hier aber dennoch kurz definiert werden. Der Begriff der „gentechnischen Arbeiten“ meint gemäß § 3 Nr. 2 GenTG die Erzeugung gentech­ nisch veränderter Organismen und die Vermehrung, Lagerung, Zerstörung oder Ent­ sorgung sowie den innerbetrieblichen Transport gentechnisch veränderter Organismen sowie deren Verwendung in anderer Weise, soweit noch keine Genehmigung für die Freisetzung oder das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde. Eine „gentechnische Anlage“ ist nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 4 GenTG eine Einrichtung, in der gentechnische Arbeiten im geschlossenen System durchgeführt werden und bei der spezifische Einschließungsmaßnahmen an­ gewendet werden, um den Kontakt der verwendeten Organismen mit Menschen und der Umwelt zu begrenzen und ein dem Gefährdungspotenzial angemessenes Sicher­ heitsniveau zu gewährleisten. 172  Nach der Legaldefinition des § 3 Nr. 5 GenTG meint Freisetzung das gezielte Ausbringen von gentechnisch veränderten Organismen in die Umwelt, soweit noch keine Genehmigung für das Inverkehrbringen zum Zweck des späteren Ausbringens in die Umwelt erteilt wurde. Der Begriff des Inverkehrbringens bezeichnet gemäß § 3 Nr. 6 GenTG die Abgabe von Produkten an Dritte, einschließlich der Bereitstellung für Dritte, und das Verbringen in den Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes, soweit die Produkte nicht zu gentechnischen Arbeiten in gentechnischen Anlagen oder für genehmigte Freisetzungen bestimmt sind; jedoch gelten unter zollamtlicher Überwa­ chung durchgeführter Transitverkehr sowie die Bereitstellung für Dritte, die Abgabe sowie das Verbringen in den Geltungsbereich des Gentechnikgesetzes zum Zweck einer genehmigten klinischen Prüfung nicht als Inverkehrbringen. 173  Nach § 7 Abs. 1 S. 1 GenTG werden gentechnische Arbeiten in vier Sicher­ heitsstufen eingeteilt. Der Sicherheitsstufe 3 sind gentechnische Arbeiten zuzuordnen, 170  Implementiert

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

GenTG einer vorherigen Genehmigung (sog. Anlagengenehmigung).174 Über die Erteilung der Genehmigung entscheidet nach § 31 S. 1 GenTG die nach dem jeweiligen Landesrecht zuständige Behörde.175 Im Rahmen der Ent­ scheidung über die Genehmigungserteilung liegt die Aufgabe der ZKBS da­ rin, gegenüber der Zulassungsbehörde Stellungnahmen zur sicherheitstechni­ schen Einstufung der vorgesehenen gentechnischen Arbeiten und zu den er­ forderlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen abzugeben.176 Nach Maßgabe von § 14 Abs. 1 S. 1 GenTG bedarf die Freisetzung ebenso wie das Inverkehrbringen von GVO grundsätzlich einer vorherigen Geneh­ migung der zuständigen Bundesoberbehörde.177 Dies ist nach § 31 S. 2 GenTG das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die ZKBS prüft und bewertet eingegangene Anträge für Freiset­ zungsvorhaben und das Inverkehrbringen von GVO im Hinblick auf mög­ liche Gefahren und gibt gegenüber dem BVL entsprechende Empfehlungen ab.178

II. Einbindungsmodus Wie am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG dargestellt, ist die Hinzuziehung externer sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren häufig in das Verfahrensermessen der zuständigen Behörde gestellt und erfolgt regelmäßig in einem einaktigen, mehr oder weniger verfahrens- und formfreien Einbindungsmodus. Dieser fakultative Einbindungsmodus ist für das nationale Recht zwar typisch, je­ bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem mäßigen Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt auszugehen ist (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 GenTG). Der Sicherheitsstufe 4 sind gentechnische Arbeiten zuzuordnen, bei denen nach dem Stand der Wissenschaft von einem hohen Risiko oder dem begründeten Verdacht eines solchen Risikos für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt aus­ zugehen ist (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GenTG). 174  Die Anlagengenehmigung berechtigt ihren Inhaber zur Durchführung der im Genehmigungsbescheid genannten gentechnischen Arbeiten (§ 8 Abs. 1 S. 3 GenTG). Soweit weitere, vom sachlichen Geltungsbereich der Anlagengenehmigung nicht er­ fasste gentechnische Arbeiten mit mäßigem oder hohem Risikopotenzial durchgeführt werden soll, ist nach § 9 Abs. 3 GenTG eine gesonderte Tätigkeitsgenehmigung ein­ zuholen. 175  § 8 Abs. 3 GenTG sieht zudem die Möglichkeit der Erteilung einer Teilerrich­ tungs- (Nr. 1) bzw. Teilgenehmigung (Nr. 2) vor. 176  § 10 Abs. 7 S. 1 GenTG. 177  Zu den vorliegend nicht relevanten Ausnahmen und Einschränkungen des Ge­ nehmigungserfordernisses vgl. im Einzelnen die Regelungen in § 14 Abs. 1 S. 4, Abs. 2–5 GenTG. 178  § 16 Abs. 5 S. 1 GenTG.



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 107

doch nicht ohne Ausnahme. In manchen Zulassungsverfahren stellt der Ge­ setzgeber zur Bewältigung der besonderen naturwissenschaftlich-technischen Komplexität einer Sachmaterie die Hinzuziehung externer sachverständiger Stellen nicht in das Verfahrensermessen der federführenden Behörde, son­ dern ordnet diese obligatorisch an. Dieser Einbindungsmodus ist häufig bei gesetzlich eingerichteten Kollegialgremien vorgesehen, deren aus der Zivil­ gesellschaft stammenden Mitglieder in einem dem späteren Zulassungsver­ fahren vorgelagerten Verfahren durch das jeweils zuständige Bundesministe­ rium berufen werden. Die im Zulassungsverfahren federführende Behörde wirkt weder an der abstrakt-organisatorischen Einrichtung des Sachverständi­ gengremiums noch an der Berufung der Gremienmitglieder mit. Der Behörde obliegt lediglich die obligatorische Beteiligung des Gremiums auf der Ebene des konkreten Zulassungsverfahrens, ohne dass ihr ein diesbezügliches Ein­ bindungsermessen zugestanden wird. Ein Beispiel für diesen zwei- bzw. dreiaktigen179 Einbindungsmodus stellt im Hinblick auf die Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sach­ verständigen Stellen die Beteiligung der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren dar.180 Nach § 4 Abs. 1 S. 1 GenTG wird die ZKBS bei der zuständigen Bundesoberbehörde – dies ist nach § 31 S. 2 GenTG gegenwärtig das BVL – eingerichtet, bei dem sie gemäß § 8 Abs. 1 der „Ver­ ordnung über die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit“ (im Folgenden: ZKBS-Verordnung)181 ihre Geschäftsstelle hat. Hieraus ergibt sich, dass die ZKBS nicht Teil des BVL, sondern letzterem lediglich organi­ satorisch angegliedert ist.182 Über den weiteren organisationsrechtlichen Status der ZKBS geben das GenTG bzw. die ZKBS-Verordnung keinen Auf­ schluss, weshalb die Rechtsnatur der ZKBS nicht abschließend geklärt ist. 179  Je nachdem, ob man die (einmalige) gesetzliche Institutionalisierung der ZKBS durch das im Jahr 1990 in Kraft getretene Gentechnikgesetz sowie die sich hieran anschließende, in chronologischen Abständen durchzuführende (Neu-)Berufung ihrer jeweiligen Mitglieder durch die zuständigen Bundesministerien zusammenfasst oder als selbstständige Stufen des Einbindungsmodus ansieht. 180  Weitere Beispiele für diesen Einbindungsmodus finden sich bei der Zulas­ sungskommission im Arzneimittelrecht (§ 25 Abs. 6 AMG) sowie bei der Zentralen Ethik-Kommission für Stammzellenforschung (ZES), die in Genehmigungsverfahren für die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen beteiligt wird und hinsichtlich ihrer organisations- und verfahrensrechtlichen Strukturen der ZKBS in vielerlei Hinsicht nachgebildet ist. 181  „Bekanntmachung der Neufassung der ZKBS-Verordnung“ vom 05.08.1996 (BGBl. I 1996, S. 1232), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I 2015, S. 1474). 182  Schmieder, Risikoentscheidungen im Gentechnikrecht, S. 75. Zur organisa­ tionsrechtlichen Stellung der ZKBS ausführlich Mesenburg, Erosion staatlicher Voll­ zugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S. 17 ff.

108

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Mangels Außenrechtszuständigkeit183 wird sie nicht als Behörde i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG bzw. als Beliehene angesehen,184 während ihrer Einordnung als Verwaltungshelferin die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mit­ glieder185 sowie die Komplexität ihres Begutachtungsauftrags entgegengehal­ ten wird.186 Die überwiegende Auffassung qualifiziert die ZKBS als teil­ rechtsfähigen Verband des öffentlichen Rechts187 sowie als Ausschuss i. S. d. § 88 VwVfG.188 Damit finden vorbehaltlich speziellerer Verfahrens­regelungen die Vorschriften der §§ 89 ff. VwVfG auf die Tätigkeit der ZKBS Anwen­ dung.189 Von besonderer Bedeutung sind bei kollegial verfassten Sachverständigen­ gremien die Modalitäten der Berufung ihrer Mitglieder.190 Diesbezüglich ist für die ZKBS ein nach den im Gremium vertretenen Gruppen der Sachver­ ständigen und sachkundigen Personen differenzierendes Berufungsverfahren vorgesehen. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 GenTG werden die Mitglieder der ZKBS durch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Einvernehmen mit den Bundesministerien für Bildung und Forschung, Wirtschaft und Energie, Arbeit und Soziales, Gesundheit sowie Umwelt, Na­ turschutz und nukleare Sicherheit für die Dauer von drei Jahren berufen, wobei eine Wiederberufung zulässig ist (§ 4 Abs. 2 S. 2 GenTG). Unter In­ anspruchnahme der ihm in § 4 Abs. 5 S. 1 GenTG eingeräumten Ermächti­ 183  Siehe

2. a).

zur rechtlichen Bedeutung der Voten der ZKBS insoweit unten C. IV.

184  Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S. 19 f.; im Ergebnis ebenso Schmieder, Risikoentscheidungen im Gentechnikrecht, S. 75; of­ fen hingegen Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 19 ff. 185  Siehe dazu unten C. III. 2. 186  Etwa von Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/ BioMedR, § 4 GenTG Rn. 12; Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S.  20 f. 187  Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 14; Karthaus, ZUR 2001, 61 (63); Mesenburg, Erosion staatlicher Voll­ zugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S. 22; zurückhaltender I.  Appel, in: Ehlers/Feh­ ling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 72, der jedoch darauf verweist, an der Klassifizierung der ZKBS als teilrechtsfähiger Verband des öffentlichen Rechts habe sich durch die organisatorische Ansiedlung beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit nichts geändert. Die Figur des teil­ rechtsfähigen Verbands des öffentlichen Rechts geht zurück auf Bachof, AöR 83 (1958), 208 (257 ff., 263 f., 271 f.). 188  Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S. 23. 189  Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S. 23. 190  Die folgenden Regelungsstrukturen finden sich in vergleichbarer Weise im Arzneimittelrecht bei der Berufung der Mitglieder der Zulassungskommission (§ 25 Abs. 6 S. 4 AMG) sowie bei der ZES im Stammzellrecht (§ 8 Abs. 2 S. 1 StZG).



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 109

gung hat der Verordnungsgeber in § 2 ZKBS-Verordnung das Nähere über die Berufung und das Verfahren der ZKBS geregelt. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 ZKBS-Verordnung beruft das BMEL die Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der ZKBS im Benehmen mit den Landesregierungen. Das BMEL macht zudem nach § 2 Abs. 2 ZKBS-Verordnung die Namen der berufenen Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der ZKBS im Bundesanzeiger bekannt. Nähere Beachtung verdienen die Einzelheiten des auch in anderen Bereichen191 in vergleichbarer Weise vorgesehenen Vorauswahlverfahrens der Mitglieder der ZKBS. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 ZKBS-Verordnung hat das BMEL zur Berufung der Sachverständigen192 Vorschläge des Wissenschafts­ rates und zur Berufung der sachkundigen Personen193 Vorschläge der jewei­ ligen gesellschaftlichen Interessengruppen einzuholen.194 Durch dieses Vor­ schlagsverfahren soll in Wissenschaft und Gesellschaft Akzeptanz in die Tätigkeit der ZKBS als unabhängiges Expertengremium geschaffen bzw. gewährleistet werden.195 Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 S. 2 ZKBS-Verord­ nung lässt jedoch offen, wie viele Personen der Wissenschaftsrat bzw. die gesellschaftlichen Gruppen dem BMEL für eine Berufung vorschlagen müs­ sen und welche rechtliche Bedeutung den Vorschlägen für die dem BMEL letztverantwortlich obliegende Berufungsentscheidung zukommt. Auch wird das interne Vorauswahlverfahren innerhalb des Wissenschaftsrats bzw. der gesellschaftlichen Gruppen nicht rechtlich vorstrukturiert.196 Die wohl über­ wiegende Auffassung sieht das BMEL aufgrund des lediglich auf Verord­ nungsebene geregelten Besetzungsverfahrens nicht an die vom Wissen­ schaftsrat bzw. von den gesellschaftlichen Gruppen unterbreiteten Vorschläge

191  Siehe etwa § 25 Abs. 6 S. 4 – 6 AMG für die Zulassungskommission im Arz­ neimittelrecht. 192  Die Fachbereiche der in der ZKBS tätigen Sachverständigen ergeben sich aus § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG. 193  Zu den in der ZKBS vertretenen sachkundigen Personen siehe § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GenTG. 194  Für jedes Mitglied der ZKBS ist aus demselben Bereich ein stellvertretendes Mitglied zu bestellen (§ 4 Abs. 1 S. 3 GenTG). Soweit es zur sachgerechten Erledi­ gung der Aufgaben erforderlich ist, können darüber hinaus nach Anhörung der ZKBS in einzelnen Bereichen bis zu zwei Sachverständige als zusätzliche stellvertretende Mitglieder berufen werden (§ 4 Abs. 1 S. 4 GenTG). 195  Zugleich soll das den gesellschaftlichen Gruppen eingeräumte Vorschlagsrecht vor allem das BMEL in die Lage versetzen, den in den gesetzlich genannten Berei­ chen vorhandenen Sachverstand für die ZKBS fruchtbar zu machen. Zu den genann­ ten Zwecken siehe BR-Drs. 227/90, S. 14 (Verordnungsbegründung zu § 2 Abs. 1 S. 2 ZKBS-Verordnung). 196  Ähnliche Probleme dürfte das vergleichbar geregelte Besetzungsverfahren nach § 25 Abs. 6 S. 4–6 AMG für die Zulassungskommission im nationalen Arzneimittel­ zulassungsverfahren bereiten.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

gebunden.197 Allerdings soll die Berufung einer Person in die ZKBS voraus­ setzen, dass diese zuvor vom Wissenschaftsrat bzw. von den gesellschaftli­ chen Gruppen vorgeschlagen wurde.198 Eine solche partielle bzw. n ­ egative Bindungswirkung wird unter dem Gesichtspunkt demokratischer Legitima­ tion allgemein für zulässig erachtet, wenn das für die Berufungsentschei­ dung zuständige Ministerium pro zu besetzender Stelle aus mindestens zwei Vorschlägen wählen kann oder über eine uneingeschränkte Zurückweisungsund Ergänzungskompetenz bezüglich der Vorschlagsliste verfügt.199 Die Be­ rufungspraxis des BMEL trägt diesen Anforderungen wohl (noch) Rechnung,200 auch wenn gerade der Wissenschaftsrat unter fachlichen Ge­ sichtspunkten die für eine Berufung als Sachverständige in Betracht kom­ menden Personen offenbar selbst nicht beurteilen kann201 und er daher zur Erarbeitung seiner Vorschläge ein informelles Vorabstimmungsverfahren mit anderen Wissenschaftsorganisationen durchführt.202 Da Vorschlagsrechte, die im Fall ihrer Ausübung andere Verwaltungsträger in ihren Entscheidungen rechtlich binden, als amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter einer demokratischen Legitimation bedürfen203 und die Tätigkeit externer Sach­ verständigengremien regelmäßig keiner umfassenden sachlich-inhaltlichen 197  Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 42; Karthaus, ZUR 2001, 61 (62); Tünnesen-Harmes, Risikobewertung im Gentechnikrecht, S. 268. 198  Tünnesen-Harmes, Risikobewertung im Gentechnikrecht, S. 268. 199  Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (361); Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 172 f. m. w. N. In eine ähnliche Richtung weist die Rechtsprechung des Bundesverfassungs­ gerichts zur Besetzung von Ehrengerichten bzw. Berufung von Laienrichtern, siehe etwa BVerfGE 26, 186 (196 f.); 27, 312 (320 f.). 200  Nach Auskunft des BMEL vom 29.03.2019 per E-Mail an den Verfasser hängt der Ablauf des Vorschlagverfahrens von den jeweiligen Modalitäten der konkreten Berufungskonstellation ab: In Fällen der Wiederberufung eines Mitglieds (§ 4 Abs. 2 S. 2 GenTG) schlügen Wissenschaftsrat bzw. gesellschaftliche Gruppen bei dessen Einverständnis lediglich das jeweilige Mitglied zur Wiederwahl vor. Müsse ein neues ordentliches Mitglied berufen werden (§ 4 Abs. 2 S. 1 GenTG), werde regelmäßig das bis dato stellvertretende Mitglied als neues ordentliches Mitglied vorgeschlagen. Für den Platz des bisherigen Stellvertreters würden sodann mehrere in Betracht kom­ mende Personen vorgeschlagen. Sofern Wissenschaftsrat bzw. gesellschaftliche Grup­ pen innerhalb der von ihnen für eine Berufung vorgeschlagenen Personen eine Präfe­ renzliste mitteilten, folge das BMEL dieser regelmäßig, jedoch nicht immer. 201  So Röhl, Der Wissenschaftsrat, S. 32, der betont, dem Wissenschaftsrat fehle es insoweit an einem Überblick bezüglich der für eine Berufung in Betracht kommenden Sachverständigen. 202  Wissenschaftsrat, Arbeitsprogramm Juli 2019–Januar 2020, S. 36 (im Internet abrufbar unter https://www.wissenschaftsrat.de/download/2019/Arbeitsprogramm.pdf, zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 203  BVerfGE 83, 60 (73).



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Kontrolle unterliegt,204 dürften zur Absicherung des staatlichen Einflusses auf die Besetzung pluralistisch besetzter sachverständiger Stellen unter Ge­ sichtspunkten des Demokratieprinzips an das Auswahlverfahren grundsätz­ lich strengere Anforderungen zu stellen sein, als dies bislang bei der ZKBS und anderen sachverständigen Stellen mit vergleichbarer Organisation und Aufgabenstellung205 de lege lata der Fall ist. Auf diesen Aspekt wird zu­ rückzukommen sein. Auf der konkreten Verfahrensebene wird die ZKBS sodann durch die je­ weils zuständige Genehmigungsbehörde obligatorisch in das Genehmigungs­ verfahren eingebunden.206 In Genehmigungsverfahren für Anlagengenehmi­ gungen i. S. d. § 8 Abs. 1 S. 2 GenTG holt die nach Landesrecht zuständige Behörde gemäß § 10 Abs. 7 S. 1 GenTG über das BVL (vgl. § 31 S. 2 GenTG) eine Stellungnahme der ZKBS zur sicherheitstechnischen Einstu­ fung der vorgesehenen gentechnischen Arbeiten und zu den erforderlichen sicherheitstechnischen Maßnahmen ein. In den vom BVL federführend gelei­ teten Genehmigungsverfahren für Freisetzungen und das Inverkehrbringen von GVO wirkt die ZKBS nach Maßgabe von § 16 Abs. 5 S. 1 GenTG eben­ falls obligatorisch mit und prüft und bewertet den Antrag im Hinblick auf mögliche Gefahren für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter und gibt unter Berücksichtigung der vom Antragsteller gegebenenfalls geplanten Sicherheitsvorkehrungen Empfehlungen zum Antrag ab.

III. Abstrakt-organisatorische Tätigkeitsanforderungen Auch für die ZKBS ist nachfolgend auf die Tätigkeitsanforderungen der Fachkompetenz und Unabhängigkeit einzugehen. 1. Fachkompetenz Die Fachkompetenz kollegial verfasster Sachverständigengremien wird in erster Linie durch die Expertise ihrer Mitglieder bestimmt. Der Gesetzgeber muss für Sachverständigengremien, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren einen zumindest faktischen Einfluss auf die Entscheidungen der Verwaltungsbehörden ausüben, eine hinreichende Fach­ 204  Dazu 205  Etwa

unten C. IV. 2. b) und C. V. bei der Zulassungskommission im Arzneimittelrecht (§ 25 Abs. 6 S. 4–6

AMG). 206  Durch die obligatorische Beteiligung der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren soll ein bundesweit einheitlicher Vollzug des Gentechnik­ rechts gewährleistet werden, siehe dazu Hirsch/Schmidt-Didczuhn, NVwZ 1990, 713 (716).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

kompetenz gewährleisten.207 Wirkt sich eine unter zentraler Mitwirkung ei­ nes externen Sachverständigengremiums in einem Verwaltungsverfahren er­ gehende Entscheidung unmittelbar auf grundrechtlich geschützte Positionen aus, muss der Gesetzgeber die fachliche Besetzung des betreffenden Gremi­ ums jedenfalls in seinen Grundzügen selbst vorgeben.208 Dementsprechend sehen die einschlägigen Fachgesetze für die Zusammensetzung von Sachver­ ständigengremien, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren gegenüber der nach außen handelnden Zulassungsbehörde beratend tätig werden, häufig konkret ausgestaltete Besetzungskonzepte vor. Dies wird am Beispiel209 der ZKBS deutlich, die nach § 4 Abs. 1 S. 2 GenTG zum einen mit zwölf Sachverständigen aus im Einzelnen näher bestimmten Fachrichtungen (Nr. 1) und zum anderen mit sachkundigen Personen aus im Gesetz angeführten gesellschaftlichen Interessengruppen (Nr. 2) besetzt wird. Die mehrheitliche Besetzung der ZKBS mit Experten unter ergänzender Ein­ beziehung sachkundiger Vertreter aus gesellschaftlichen Gruppen stellt vor dem Hintergrund der seinerzeit intensiven Beratungen im Gesetzgebungsver­ fahren einen Kompromiss zwischen erforderlichem Sachverstand und als notwendig empfundener Repräsentation der Zivilgesellschaft dar.210 Dabei soll durch die innerhalb der Gruppe der Sachverständigen gesetzlich vorge­ sehene Zusammensetzung211 zum einen der zur Beurteilung gentechnischer Fragen erforderliche spezifische Sachverstand institutionalisiert und zum anderen innerhalb der ZKBS die Bandbreite verschiedener wissenschaftlicher Fachbereiche umfassend personell repräsentiert werden.212 Durch die Beru­ fung sachkundiger Personen soll hingegen der außerhalb der Wissenschaft verfügbare Sachverstand für die Beratungstätigkeit der ZKBS nutzbar ge­ macht werden.213 Zugleich kommt der Gruppe der sachkundigen Personen 207  Allgemein

Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 66 ff.,72. 83, 130 (152 f.); Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 265. 209  Vgl. auch § 25 Abs. 6 S. 4 AMG u. § 8 Abs. 1 S. 1 u. 2 StZG; siehe ferner § 13a Abs. 6 S. 4 WHG. 210  Breuer, UTR 14 (1991), 37 (57); Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 24. Bereits die vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission „Chancen und Risiken der Gentechnologie“ hatte für eine personelle Vertretung gesellschaftlicher Gruppen in der ZKBS plädiert, vgl. BT-Drs. 10/6775, S. 304. Zu den seinerzeit im Gesetzgebungsverfahren diskutierten Besetzungsmodellen siehe etwa BT-Drs. 11/6778, S. 28. 211  Siehe insoweit § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG. 212  BT-Drs. 11/5622, S. 24. In der Literatur wird diese doppelte Zielrichtung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG begrifflich prägnant mit „Einzelfragenkompetenz“ und „Fachpluralität“ umschrieben, vgl. Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 23. 213  BT-Drs. 11/5622, S. 24. 208  BVerfGE



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eine Beteiligungs- und Kontrollfunktion zu, die darin besteht, die Voten der Sachverständigen kritisch gegenzulesen und dadurch auf eine ausführliche und verständliche Begründung der Einschätzungen der Sachverständigen hinzuwirken.214 Sieht man indes von der konkreten Regelung der Besetzungskonzepte für verwaltungsberatend tätige, als Kollegialgremien verfasste sachverständige Stellen ab, so fällt auf, dass das jeweils einschlägige Gesetzes- und Verord­ nungsrecht ebenso wie beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG regelmä­ ßig offen lässt, welche fachlichen Qualifikationsanforderungen die Mitglieder von Sachverständigengremien konkret erfüllen müssen.215 Dies wird bei­ spielhaft an der ZKBS deutlich, für die § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG von den in das Gremium zu berufenden Sachverständigen eine „besondere und mög­ lichst auch internationale Erfahrung“ in ihrem jeweiligen Fachbereich ver­ langt, ohne dass diese Vorgabe jedoch näher normativ ausgestaltet würde. Für die Gruppe der sachkundigen Personen in der ZKBS sind keinerlei An­ forderungen an die zur Ausübung ihrer Tätigkeit benötigte Fachkompetenz kodifiziert. Die regulatorische Zurückhaltung des Gesetz- bzw. Normgebers bei der normativen Ausgestaltung der Fachkompetenz betrifft mithin nicht nur fakultativ,216 sondern auch obligatorisch in komplexen Zulassungsverfah­ ren mitwirkende sachverständige Stellen. Ein rechtlich relevantes Regelungs­ defizit ergibt sich hieraus indes nicht. In seiner im Zusammenhang mit der damaligen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften ergangenen „Mutzenbacher-Entscheidung“ hat das Bundesverfassungsgericht den Ge­ setzgeber nicht für verpflichtet gehalten, neben der Verbandszugehörigkeit auch die fachliche Qualifikation der in das Gremium zu berufenden Grup­ penbeisitzer gesetzlich im Einzelnen vorzugeben.217 Für formal lediglich beratend tätige Sachverständigengremien wie die ZKBS, die anders als die Bundesprüfstelle über keine formellen Entscheidungskompetenzen verfügen, kann trotz der unterschiedlich gelagerten Aufgabenbereiche nichts anderes gelten. Ungeachtet dessen macht die Bestimmung des § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG, der die von der Gruppe der Sachverständigen zu besetzenden Fach­ 214  Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 23 u. 33 f.; ebenso Schmieder, Risikoentscheidungen im Gentechnikrecht, S. 69, die zugleich darauf hinweist, dass die Einbindung gesellschaftlichen Sachver­ stands nicht dem Zweck dient, einen gesellschaftspolitischen Diskurs über Chancen und Risiken der Gentechnik zu eröffnen. Zur Kontrollfunktion der sachkundigen Per­ sonen siehe auch unten C. IV. 1. 215  Siehe für die Mitglieder der Zulassungskommission im nationalen Arzneimit­ telzulassungsverfahren die Regelungen des § 25 Abs. 6 S. 4–6 AMG; für die ZES im Stammzellrecht siehe § 8 Abs. 1 S. 1 u. 2 StZG. 216  Zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe insoweit oben B. III. 1. 217  BVerfGE 83, 130 (152).

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disziplinen im Einzelnen aufführt,218 hinreichend deutlich, dass in die ZKBS nur hochqualifizierte, im Wissenschaftsbereich allgemein anerkannte Perso­ nen mit entsprechender Qualifikation und Erfahrung berufen werden sol­ len.219 Ungeachtet dessen erscheint es aus den bereits im Zusammenhang mit dem Atomrecht dargelegten220 Gründen fraglich, ob auf Ebene des Gesetzesund Verordnungsrechts tatsächlich konkrete, inhaltlich über die getroffenen Regelungen hinausgehende Anforderungen an Qualifikation, Ausbildung, Erfahrung oder Methodenwissen sachgerecht formuliert werden können. Die Gentechnik stellt eine in Entwicklung befindliche Technologie dar, deren regulatorische Einhegung im GenTG im gesetzgeberischen Bewusstsein feh­ lender praktischer Erfahrungswerte und vorhandener theoretischer Wissens­ defizite erfolgte.221 Das materielle Gentechnikrecht trägt diesem Umstand durch dynamische Verweise auf den „Stand der Wissenschaft und Technik“222 und den „Stand der Wissenschaft“223 Rechnung.224 Können die von verwal­ tungsseitig tätigen sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-tech­ nisch komplexen Zulassungsverfahren abzuarbeitenden Prüfprogramme im materiellen Recht aber nur mithilfe unbestimmter Rechtsbegriffe beschrieben werden, kann die normative Regelungsdichte hinsichtlich der den sachver­ ständigen Stellen abzuverlangenden Fachkompetenz kaum höher ausfallen. 218  Nach § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG müssen in der ZKBS zwölf Sachverständige vertreten sein, die über besondere und möglichst auch internationale Erfahrungen in den Bereichen der Mikrobiologie, Zellbiologie, Virologie, Genetik, Pflanzenzucht, Hygiene, Ökologie, Toxikologie und Sicherheitstechnik verfügen; von diesen müssen mindestens sieben auf dem Gebiet der Neukombination von Nukleinsäuren arbeiten; jeder der genannten Bereiche muss durch mindestens einen Sachverständigen, der Bereich der Ökologie durch mindestens zwei Sachverständige vertreten sein. 219  Vgl. Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 30. 220  Siehe oben B. III. 1. 221  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 119. 222  § 11 Abs. 1 Nr. 4 GenTG, § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG. 223  § 16 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 S. 1 GenTG. 224  Ein weiteres Beispiel hierfür ist neben der Beteiligung der ZKBS in den gen­ technikrechtlichen Genehmigungsverfahren die in § 25 Abs. 6–7a AMG vorgesehene Beteiligung von Zulassungskommissionen im nationalen Arzneimittelzulassungsver­ fahren. Auch das im Arzneimittelzulassungsverfahren zu absolvierende Prüfprogramm ist von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt, die an die Dynamik von Wissensbe­ ständen anknüpfen, vgl. insoweit etwa die Verweise auf den „jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (§ 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 u. 4, S. 3 AMG) oder den „anerkannten Stand der Wissenschaft“ (§ 25 Abs. 7a S. 7 AMG). Zum allge­ meinen Wissensdefizit im Zeitpunkt von Arzneimittelzulassungen und der hierauf gründenden Beteiligung der arzneimittelrechtlichen Zulassungskommissionen siehe Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 169 ff., 192 ff.



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Insoweit gilt für als Individualpersonen agierende bzw. als Sachverständigen­ organisationen verfasste sachverständige Stellen225 nichts anderes als für pluralistisch besetzte Kollegialgremien. 2. Unabhängigkeit Als ein Wesensmerkmal verwaltungsexterner, als Kollegialorgane verfass­ ter sachverständiger Stellen gilt die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit ihrer Mitglieder.226 Beide Anforderungen werden nicht selten ausdrücklich gesetzlich kodifiziert, ohne jedoch inhaltlich näher ausgeformt zu werden. Ein typisches Beispiel ist insoweit die ZKBS, deren Mitglieder und stellver­ tretende Mitglieder nach § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG in ihrer Tätigkeit unabhän­ gig und nicht an Weisungen gebunden sind.227 Eine inhaltliche Konkretisie­ rung beider Anforderungen sieht das Gesetz nicht vor. Mit dem Merkmal der Unabhängigkeit i. S. d. § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG soll allgemein die unvoreinge­ nommene, ausschließlich an sachlichen und rationalen Entscheidungsmaß­ stäben orientierte Tätigkeit des jeweiligen Mitglieds der ZKBS sichergestellt werden, während die Anforderung der Weisungsfreiheit die Abkoppelung der Mitglieder zu Dritten zum Ausdruck bringt.228 Anders als bei fakultativen Hinzuziehungsmodi dürfte die häufig mit dem Unabhängigkeitspostulat verknüpfte229 Weisungsfreiheit sachverständiger Stellen in obligatorischen Einbindungskonstellationen wie im Fall der Ver­ fahrensbeteiligung der ZKBS regelmäßig unproblematisch sein. Da der Ge­ setzgeber und nicht ein Dritter (insbesondere nicht die Zulassungsbehörde) die obligatorische Einbindung der ZKBS in die gentechnikrechtlichen ­Genehmigungsverfahren anordnet, liegt kein Beauftragungsverhältnis vor, in dem sich sachwidrig ausgeübte Weisungsrechte bzw. ein „vorauseilender Gehorsam“ manifestieren könnten.230 Im Fall der ZKBS kommt hinzu, dass diese nicht in die staatliche Weisungs- und Verantwortungshierarchie einge­ 225  Zum

entsprechenden Befund für das Atomrecht siehe oben B. III. 1. allgemein Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 131 ff.; Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 60. Für die Zulassungskommission im Arzneimittelrecht siehe Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (204, 209). 227  Ein weiteres Beispiel ist im Kontext der Untersuchung die ZES, siehe § 8 Abs. 3 S. 1 StZG; vgl. ferner § 13a Abs. 6 S. 5 WHG. 228  Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 48 f., 51. 229  Zum Begriff siehe oben § 2 D. III. 2. 230  Anders hingegen bei fakultativen Einbindungsmodi, siehe für den Sachverstän­ digen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben B. III. 2. 226  Dazu

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gliedert ist, sondern lediglich aus organisationsrechtlichen Gründen beim BVL über eine Geschäftsstelle verfügt.231 Stärkere Beachtung verdient hingegen der konkrete Gehalt der in § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG explizit angeordneten, freilich im kodifizierten Recht nicht näher ausgestalteten Unabhängigkeit der Mitglieder der ZKBS. Im Ver­ hältnis zu den für ihre abstrakt-organisatorische Besetzung und ihre konkrete Verfahrenseinbindung in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren zuständigen Ministerien und Genehmigungsbehörden scheint die ZKBS im Vergleich zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG über ein „Mehr“ an Unabhängigkeit zu verfügen. Insbesondere ist ihre Angliederung beim BVL rein organisatorischer Natur.232 Soweit sich die Tätigkeit der ZKBS im Rah­ men des gesetzlichen Arbeitsauftrages hält und die durch die ZKBS-Verord­ nung festgelegten Verfahrensvorschriften eingehalten werden,233 kann das BVL im Genehmigungsverfahren für Freisetzungen und das Inverkehrbrin­ gen von GVO auf die Arbeit des Gremiums keinen inhaltlichen Einfluss nehmen.234 Gleiches gilt für das auf Landesebene durchzuführende Geneh­ migungsverfahren für die Errichtung und den Betrieb gentechnischer Anla­ gen der Sicherheitsstufen 3 und 4. Auch die nach § 4 Abs. 2 S. 1 GenTG auf drei Jahre befristete Berufung der Mitglieder in die ZKBS steht deren Unab­ hängigkeit nicht entgegen, zumal § 4 Abs. 2 S. 2 GenTG eine wiederholte235 Wiederberufung zulässt. Anders als der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG üben die Mitglieder der ZKBS ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus (§ 3 Abs. 1 S. 1 ZKBS-Verordnung). Sie erhalten daher lediglich einen Ersatz ihrer Rei­ sekosten nach dem Bundesreisekostenrecht sowie eine Sitzungsentschädi­ gung (§ 3 Abs. 1 S. 2 ZKBS-Verordnung). Nach § 3 Abs. 2 ZKBS-Verord­ nung können die Mitglieder der ZKBS durch schriftliche Erklärung gegen­ über dem BMEL ihre Mitgliedschaft im Gremium zudem jederzeit beenden. Im Übrigen gelten für die Mitglieder der ZKBS aufgrund ihrer ehrenamt­ 231  Dazu

oben C. II. galt nach alter Rechtslage für das Verhältnis zwischen der ZKBS und dem Robert Koch-Institut, vgl. Schmieder, Risikoentscheidungen im Gen­ technikrecht, S. 72. Das Robert Koch-Institut war bis zur Verabschiedung des „Geset­ zes zur Anpassung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht“ vom 22.03.2004 (BGBl. I 2004, S. 454) federführende Bundesoberbehörde in Genehmigungsverfahren für Freisetzungen und Inverkehrbringen. 233  Zur Verfahrensebene siehe unten C. IV. 1. 234  Siehe vormals für das Verhältnis von ZKBS und dem damaligen Bundesge­ sundheitsamt bereits Hirsch/Schmidt-Didczuhn, GenTG, § 4 Rn. 14. 235  Dies ist einhellige Auffassung, siehe Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellen­ fitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 43; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, GenTG, § 4 Rn. 12; Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentech­ nikrecht, S. 35; M. Reinhardt, NVwZ 2003, 1446 (1451). 232  Entsprechendes



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lichen Tätigkeit die Bestimmungen der §§ 81 ff. VwVfG.236 Nach § 86 S. 1 VwVfG kann das BMEL als für die Berufung zuständige Stelle die Mitglie­ der der ZKBS gegen deren Willen abberufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. An das Vorliegen eines unbenannten wichtigen Grundes i. S. d. § 86 S. 1 VwVfG werden dabei gemeinhin hohe Anforderungen gestellt,237 wo­ durch willkürliche Abberufungen der Mitglieder der ZKBS vor Ablauf des Berufungszeitraums zwar nicht ausgeschlossen, jedoch erheblich erschwert sind.238 Insbesondere stellen fachliche Ansichten keinen eine vorzeitige Ab­ berufung rechtfertigenden wichtigen Grund i. S. d. § 86 S. 1 VwVfG dar.239 Ein generelles, auch bei anderen Sachverständigengremien anzutreffendes Problem im Hinblick auf die gebotene Unabhängigkeit ihrer Mitglieder be­ trifft die Einhegung von tatsächlich bestehenden oder potenziell auftretenden Eigeninteressen.240 Bezogen auf die ZKBS gilt dies namentlich für die in ihr vertretene Gruppe der Sachverständigen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG, für die von vornherein nur eine kleine Anzahl hochrangiger Experten in Be­ tracht kommt, die gleichzeitig aber regelmäßig selbst im Bereich der Gen­ technik als Forscher tätig sind.241 Andere Experten, die bei vergleichbarer fachlicher Qualifikation nicht selbst im Bereich der Gentechnik als Forscher, Entwickler oder Anwender tätig sind, stehen für eine Berufung in die ZKBS folglich nicht bzw. nicht in hinreichendem Umfang zur Verfügung. Daher kann eine Besetzung der ZKBS mit Sachverständigen, die von der Tätigkeit des Gremiums weder konkret noch abstrakt-potenziell242 betroffen sind, praktisch nicht gewährleistet werden.243 Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum darf dem großen Interesse an einer verwaltungsseitigen Aktivie­ 236  BR-Drs. 227/90, S. 13; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, GenTG, § 4 Rn. 16; Karthaus, ZUR 2001, 61 (63). 237  Siehe dazu etwa Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 86 Rn. 5 f. 238  A. A. M. Reinhardt, NVwZ 2003, 1446 (1451), demzufolge sich der anerkannte Abberufungsgrund der hinreichenden Erschütterung des Vertrauens praktisch leicht konstruieren lasse. 239  Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, S. 91. 240  Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 134. 241  Zu diesem Befund Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 132; Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Um­ welt- und Technikrecht, S. 133. 242  Insoweit ist beispielsweise an Konstellationen zu denken, in denen ein in der ZKBS tätiger Sachverständiger mit dem Vorhaben eines Forschers befasst wird, mit welchem er in anderen Zusammenhängen zusammenarbeitet. 243  Früh bereits Nicklisch, BB 1989, 1 (6); siehe ferner I.  Appel, in: Ehlers/Feh­ ling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 70; Graf Vitz­ thum/Geddert-Steinacher, Standortgefährdung, S. 111; Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (293).

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rung geeigneter Experten und der gleichzeitig geringen Anzahl der für eine Berufung in die ZKBS in Betracht kommenden Personen Rechnung getragen werden, indem an die Unabhängigkeit der Mitglieder der ZKBS keine über­ steigerten Anforderungen gestellt werden.244 Die Unabhängigkeit der ZKBS müsse nicht absolut sichergestellt werden, sondern sei lediglich „in möglichst hohem Maße“ zu gewährleisten.245 In der Konsequenz erschöpft sich der Regelungsgehalt der in § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG geregelten Unabhängigkeit der Mitglieder der ZKBS ähnlich wie beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG zunächst in der Geltung der Mitwirkungsverbote der §§ 20, 21 VwVfG,246 was letztlich auch § 4 der Geschäftsordnung der ZKBS (ZKBSGO)247 belegt. Wie schon dargelegt, ist der Anwendungsbereich der §§ 20, 21 VwVfG relativ eng gefasst.248 Dieser Befund gilt auch für die Bestim­ mung des § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG, die für die Tätigkeit der Sachverständi­ gen innerhalb der ZKBS bedeutsam sein kann. Nach dieser Vorschrift steht eine Person einem Beteiligten i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 1 VwVfG gleich und ist vom Verwaltungsverfahren auszuschließen, wenn sie durch die Tätigkeit oder durch die Entscheidung einen „unmittelbaren“ Vorteil oder Nachteil erlangen kann, also bei wertender Betrachtung im Einzelfall über ein individuelles Sonderinteresse am Ausgang des Verfahrens verfügt.249 Dieser Ausschlusstat­ bestand dürfte bei einem Sachverständigen der ZKBS regelmäßig wohl erst dann vorliegen, wenn dieser in Person einen von ihm selbst gestellten Zulas­ 244  So bereits Nicklisch, BB 1989, 1 (6); ferner Graf Vitzthum/Geddert-Steinacher, Standortgefährdung, S. 111; Hirsch/Schmidt-Didczuhn, GenTG, § 4 Rn. 14; Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 134; wohl auch I.  Appel, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Beson­ deres Verwaltungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 70; Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S.  132 f. 245  Ausdrücklich Nicklisch, BB 1989, 1 (6). 246  Siehe auch I.  Appel, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwal­ tungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 70; wohl auch, wenngleich ohne Normbezug Nicklisch, BB 1989, 1 (6). Zur Anwendbarkeit der §§ 20, 21 VwVfG auf die Mitglieder der ZKBS siehe Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 GenTG Rn. 52; Karthaus, ZUR 2001, 61 (63); Tünnesen-Harmes, Risikobewer­ tung im Gentechnikrecht, S. 238. Umstritten ist, ob aufgrund der Ansiedlung der ZKBS beim BVL stets die bundesrechtlichen Vorschriften der §§ 20, 21 VwVfG An­ wendung finden (so Di Fabio a. a. O.) oder ob auf die einschlägigen Tatbestände des Landesrechts abzustellen ist, wenn die ZKBS im gentechnikrechtlichen Anlagenge­ nehmigungsverfahren (§ 10 GenTG) im Zuständigkeitsbereich der Länder tätig wird (so Hirsch/Schmidt-Didczuhn, GenTG, § 4 Rn. 15). 247  Rechtsgrundlage für den Erlass der Geschäftsordnung ist § 16 ZKBS-Verord­ nung. Die Geschäftsordnung ist im Internet abrufbar unter https://www.zkbs-online. de/ZKBS/SharedDocs/Downloads/Gesetze%20und%20ZKBS%20Verordnung/ZKBSGesch%C3%A4ftsordnung.html?nn=8568694 (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 248  Siehe oben B. III. 2. 249  Statt vieler Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 35.



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sungsantrag begutachten müsste. Nicht genügen dürfte hingegen die Konstel­ lation, in der ein Sachverständiger der ZKBS in derselben Universität bzw. Einrichtung wie der Antragsteller des jeweiligen Zulassungsverfahrens tätig ist.250 Die vorstehenden Überlegungen bedeuten indes nicht, dass der Gesetz­ geber auf eine regulatorische Absicherung der Unabhängigkeit der ZKBS und ihrer Mitglieder, mithin auf eine Gewährleistung des ausschließlich an ­sachlichen und rationalen Kriterien ausgerichteten Tätigwerdens, vollständig verzichtet hat.251 Vielmehr sollen durch die Berufung der sachkundigen Per­ sonen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GenTG Vertreter verschiedener zivilgesell­ schaftlicher Interessengruppen an den Beratungs- und Entscheidungsvorgän­ gen innerhalb der ZKBS partizipieren, wodurch die Gruppe der forschungsund anwendernahen Sachverständigen einem stetigen Diskurszwang sowie einer gremieninternen Kontrolle unterliegt.252 Gemäß diesem regulatorischen Regelungsansatz soll die Unabhängigkeit der ZKBS also nicht „von außen“ durch abstrakt-generelle Regelungen im kodifizierten Gesetzes- und Verord­ nungsrecht, sondern gewissermaßen durch die Arbeit des Gremiums selbst „von innen“ heraus gewährleistet werden. Ob und wie dieser Mechanismus im Genehmigungsverfahren funktioniert, gilt es im Folgenden anhand der für die ZKBS geltenden Verfahrensregelungen näher zu untersuchen.

IV. Tätigkeit der ZKBS in den Genehmigungsverfahren Ungeachtet des konkreten Gegenstands gentechnikrechtlicher Genehmi­ gungsverfahren (Errichtung einer gentechnischen Anlage, Freisetzung oder Inverkehrbringen von GVO) kann bezüglich der Tätigkeit der ZKBS zwi­ schen der Erstellung ihrer Entscheidungsbeiträge und der Behandlung letzte­ rer durch die jeweilige Genehmigungsbehörde unterschieden werden.

250  Es drängt sich insoweit die Parallele zu in Parteien bzw. Verbänden tätigen Personen auf, deren Mitgliedschaft für sich betrachtet regelmäßig ein unbeachtliches Gruppeninteresse begründet. Siehe hierzu Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 41. 251  Im Gesetzgebungsverfahren wurde seinerzeit gefordert, zur Herstellung einer fachlichen Meinungspluralität innerhalb der ZKBS die Anzahl der zu berufenden Sachverständigen deutlich zu erhöhen und dabei gezielt gentechnisch kritisch einge­ stellte Fachleute zu benennen. Siehe hierzu etwa Riedel/Führ/Tappesser, KJ 1989, 349 (358). 252  Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 133.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme Gentechnikrechtliche Genehmigungsverfahren werden durch schriftlichen Antrag des Antragstellers eingeleitet.253 Für die Beteiligung der ZKBS gelten unabhängig vom Verfahrensgegenstand einheitliche Regelungen. Lediglich die Zuständigkeit für die Einbindung der ZKBS variiert: Im Genehmigungs­ verfahren für gentechnische Anlagen und Arbeiten holt die nach Landesrecht zuständige Behörde die Stellungnahme der ZKBS über das BVL ein (§ 10 Abs. 7 S. 1 GenTG), während im Genehmigungsverfahren für Freisetzungen und Inverkehrbringen von GVO das BVL das Votum der ZKBS direkt anfor­ dert (§ 16 Abs. 5 S. 1 GenTG).254 Im Vergleich zur Sachverständigenbeteili­ gung im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren255 und auch zu anderen Zulassungsverfahren mit obligatorischer Verfahrensbeteiligung pluralistisch besetzter sachverständiger Stellen256 haben Gesetz- und Verordnungsgeber die Einbindung der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsver­ fahren sehr detailliert geregelt. Ergänzende Regelungen finden sich überdies in der bereits erwähnten ZKBS-GO.257 Anders als für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG enthält das Ge­ setz explizite Vorgaben zum Prüfauftrag der ZKBS, der auf spezifische Teil­ aspekte des von der jeweiligen Genehmigungsbehörde zu absolvierenden Prüfprogramms beschränkt ist.258 Das Begutachtungs- und Bewertungsver­ 253  § 10

Abs. 1 GenTG. verfahrensrechtliche Besonderheiten, die sich aus einer beabsichtigten unionsweiten Freisetzung bzw. einem Inverkehrbringen von GVO ergeben, bleiben für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung außer Betracht. Siehe hierzu im Ein­ zelnen die auf Grundlage von § 16 Abs. 6 S. 1 GenTG erlassene „Verordnung über die Beteiligung des Rates, der Kommission und der Behörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Euro­ päischen Wirtschaftsraum im Verfahren zur Genehmigung von Freisetzungen und ­Inverkehrbringen sowie im Verfahren bei nachträglichen Maßnahmen nach dem Gen­ technikgesetz (Gentechnik-Beteiligungsverordnung – GenTBetV)“ vom 17.05.1995 (BGBl. I 1995, S. 734), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23.03.2006 (BGBl. I 2006, S. 565). 255  Dazu oben B. IV. 1. 256  Siehe insbesondere die obligatorische Beteiligung der Zulassungskommissio­ nen im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren nach § 25 Abs. 6–7a AMG. Sehr ähnliche Regelungen finden sich hingegen für die Tätigkeit der ZES im Genehmi­ gungsverfahren zur Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen, vgl. §§ 6 ff. ZES-Verordnung. 257  Diese ist, wie dargelegt, im Internet abrufbar, siehe https://www.zkbs-online. de/ZKBS/SharedDocs/Downloads/Gesetze%20und%20ZKBS %20Verordnung/ZKBSGesch%C3%A4ftsordnung.html?nn=8568694 (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 258  In Genehmigungsverfahren für gentechnische Anlagen und Arbeiten liegt der Prüfauftrag der ZKBS darin, eine Stellungnahme zur sicherheitstechnischen Einstu­ 254  Etwaige



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 121

fahren innerhalb der ZKBS ist weitgehend auf Verordnungsebene ausgestal­ tet. Zu Beginn des Begutachtungsprozesses werden innerhalb der ZKBS zwei Berichterstatter bestimmt, die wesentliche Vorarbeiten bei der Aufberei­ tung des Sachverhalts und der zu klärenden wissenschaftlichen Fragen leis­ ten.259 Trotz ihrer bloßen Beratungsfunktion gegenüber der jeweiligen Ge­ nehmigungsbehörde stehen der ZKBS für die Erarbeitung ihrer Stellungnah­ men originäre Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung zur Verfügung. Nach § 4 Abs. 2 ZKBS-Verordnung kann die ZKBS den Antragsteller des Geneh­ migungsverfahrens und etwaige von diesem beauftragte Sachverständige zum mündlichen Vortrag vor der ZKBS zulassen, um Sachverhaltsunklarhei­ ten zu beseitigen und somit das Zulassungsverfahren zu beschleunigen.260 Darüber hinaus kann die ZKBS nach § 7 ZKBS-Verordnung selbst Sachver­ ständige hören, Gutachten beiziehen, Untersuchungen durch Dritte vorneh­ men lassen oder einzelne Mitglieder oder stellvertretende Mitglieder mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben betrauen. In zeitlicher Hinsicht gelten für die ZKBS konkrete Vorgaben zur Anberaumung von Sitzungen261 und Bearbeitungsfristen,262 durch die gewährleistet werden soll, dass die jewei­ lige Genehmigungsbehörde binnen der gesetzlichen Frist über den Antrag auf Genehmigungserteilung entscheiden kann.263 Es finden sich ferner Regelun­ gen zur Durchführung der Sitzungen, Beschlussfähigkeit und Abstimmung im schriftlichen Verfahren.264 Die ZKBS fasst ihre Beschlüsse nach Maßgabe fung der vorgesehenen gentechnischen Arbeiten und zu den erforderlichen sicher­ heitstechnischen Maßnahmen abzugeben (§ 10 Abs. 7 S. 1 GenTG). Damit erfasst der Prüfauftrag der ZKBS nicht sämtliche Aspekte der in § 11 Abs. 1 GenTG normierten Genehmigungsvoraussetzungen, sondern ist auf einen Teilausschnitt (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 4 GenTG) des von der nach außen handelnden Genehmigungsbehörde zu absol­ vierenden Prüfprogramms beschränkt. In Genehmigungsverfahren für Freisetzungen und Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Organismen prüft und bewertet die ZKBS nach § 16 Abs. 5 S. 1 GenTG den eingereichten Genehmigungsantrag im Hin­ blick auf mögliche Gefahren für die in § 1 Nr. 1 GenTG genannten Rechtsgüter. Bei Genehmigungsanträgen für Freisetzungsvorhaben hat die ZKBS ihre Prüfung und Bewertung unter Berücksichtigung der geplanten Sicherheitsvorkehrungen vorzuneh­ men. Auch hier ist das Prüfprogramm der ZKBS nicht vollständig mit den von der Genehmigungsbehörde zu prüfenden Genehmigungsvoraussetzungen (vgl. § 16 Abs. 1 und 2 GenTG) kongruent, sondern auf wichtige Teilaspekte beschränkt. 259  § 6 Abs. 1 ZKBS-Verordnung. Eine weitere Konkretisierung erfolgt durch § 3 ZKBS-GO. 260  Zur Begründung dieses Regelungsziels des – auch für das Anmeldeverfahren – geltenden § 4 Abs. 2 ZKBS-Verordnung siehe BR-Drs. 227/90, S. 15. 261  § 9 Abs. 1–5 ZKBS-Verordnung. 262  § 14 Abs. 1 S. 1 ZKBS-Verordnung. 263  Zu den für die Genehmigungsbehörden maßgeblichen Fristen siehe § 10 Abs. 5 u. § 16 Abs. 3 GenTG. 264  § 10 u. § 11 Abs. 1 u. 2 ZKBS-Verordnung.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

des § 91 VwVfG mit Stimmenmehrheit.265 Überstimmte Mitglieder können verlangen, dass ein Minderheitsvotum bei der Veröffentlichung oder Weiter­ leitung von Stellungnahmen der ZKBS zum Ausdruck gebracht wird (§ 11 Abs. 3 S. 1 ZKBS-Verordnung). Hierzu müssen die Minderheitsvoten zuläs­ sig sein und hinreichend begründet werden (§ 11 Abs. 3 S. 2–4 ZKBS-Ver­ ordnung). Ausdrückliche Regelungen, die das Verhältnis der ZKBS zum Antragsteller regeln, finden sich abgesehen von der erwähnten Möglichkeit, den Antragsteller zum mündlichen Vortrag zuzulassen (§ 4 Abs. 2 ZKBSVerordnung), nicht. Es sind weder Anhörungsrechte noch verwaltungsinterne Rechtsschutzmöglichkeiten (z. B. die Einlegung eines Widerspruchs) des Antragstellers gegenüber der ZKBS vorgesehen. Nach allgemeinen Regeln besteht für den Antragsteller lediglich die Möglichkeit, gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG im Wege der Akteneinsicht bei der zuständigen Behörde Kennt­ nis über den Inhalt der vorbereitenden Entscheidungsbeiträge der ZKBS zu nehmen.266 Während das regulatorische Hauptaugenmerk dieser für die ZKBS gelten­ den Regelungen erkennbar auf der Informationssammlung und der Verfah­ renseffizienz liegt, finden sich im Verhältnis zu Dritten, deren Interessen durch die im Außenverhältnis unter Mitwirkung der ZKBS ergehende Ent­ scheidung der jeweiligen Zulassungsentscheidungen unmittelbar oder mittel­ bar betroffen werden,267 keine besonderen Regelungen.268 Die Tätigkeit der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren unterliegt we­ der einer partizipatorischen noch informatorischen Dritt- bzw. Öffentlich­ keitsbeteiligung. Zwar hat gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 GenTG die zuständige Behörde vor ihrer Entscheidung über die Errichtung und den Betrieb einer gentechnischen Anlage, in der gentechnische Arbeiten mit mäßigem oder hohem Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt durchgeführt werden sollen, ein Anhörungsverfahren (Öffentlichkeitsbeteiligung) durchzu­ 265  § 1 Abs. 1 i. V. m. § 8 ZKBS-GO. Zur Beschlussfassung in der ZKBS siehe ausführlich Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S.  43 ff. 266  Gutachten und Stellungnahmen unterliegen nicht dem Ausschlusstatbestand des § 29 Abs. 1 S. 2 VwVfG, siehe Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 29 Rn. 52; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 29 Rn. 18a. 267  Zu denken ist etwa an einen Bürger, der im räumlichen Umkreis einer zur Er­ richtung und Inbetriebnahme geplanten gentechnischen Anlage wohnt. Ein weiteres Beispiel sind Landwirte, deren Äcker und Felder in der Nähe eines Freisetzungsvor­ habens für GVO liegen. 268  Auch dies ist ein strukturtypisches Merkmal für die obligatorische Einbindung pluralistisch besetzter sachverständiger Stellen. Für die Beteiligung der Zulassungs­ kommissionen im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren siehe § 25 Abs. 6–7a AMG; zur Tätigkeit der ZES im Genehmigungsverfahren zur Einfuhr und Verwen­ dung embryonaler Stammzellen siehe §§ 6 ff. ZES-Verordnung.



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 123

führen.269 Entsprechendes270 gilt nach § 18 Abs. 2 S. 1 GenTG in Genehmi­ gungsverfahren für die Freisetzung von GVO, wohingegen die Genehmigung des Inverkehrbringens von GVO – insoweit typisch für das nationale Pro­ duktzulassungsrecht271 – ohne vorherige Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt.272 Selbst in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit erstreckt sich das durchzuführende Anhörungsverfahren weder auf den Prozess der internen Willensbildung innerhalb der ZKBS noch auf ihren abschließenden Entscheidungsbeitrag.273 Nach § 10 Abs. 1 S. 1 ZKBS-Verordnung sind die Sitzungen der ZKBS gerade nicht öffentlich. Zudem haben die Sitzungsteilnehmer nach § 10 Abs. 5 ZKBS-Verordnung über den Inhalt der Sitzung Verschwiegenheit zu wahren. Im Übrigen werden weder die Sitzungsprotokolle, die u. a. die Ergebnisse zu den Beratungsge­ genständen und deren Begründung sowie das Abstimmungsverhalten der Mitglieder inklusive etwaiger Minderheitsvoten ausweisen,274 noch die an die Genehmigungsbehörden adressierten Voten der ZKBS veröffentlicht. Schließlich sind die Stellungnahmen und Empfehlungen der ZKBS nach Maßgabe von § 18 Abs. 3 S. 1 GenTG i. V. m. § 4 GenTAnhV275 auch nicht Bestandteil der im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung auszulegenden Unterlagen. Dementsprechend bezieht sich das der Öffentlichkeit in § 18 Abs. 3 S. 1 GenTG i. V. m. § 5 GenTAnhV eingeräumte Recht zur Erhebung von Einwendungen nicht auf die Stellungnahmen und Empfehlungen der ZKBS. Umgekehrt wird auch die ZKBS nicht mit den in der Öffentlichkeits­ beteiligung abgegebenen Einwendungen befasst, da sie nicht zu den in ihrem Aufgabenbereich berührten Stellen gehört, denen nach § 5 Abs. 2 S. 2 GenT­ AnhV i. V. m. § 9 GentVfV der anonymisierte Inhalt der Einwendungen be­ 269  Das Anhörungsverfahren im Gentechnikrecht dient neben der Richtigkeitsge­ währ den Steuerungszielen der Akzeptanz und des Rechtsschutzes, vgl. Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungs­ verfahrensgesetz, S. 277 (338). 270  Auf die Unterschiede zwischen den jeweiligen Anhörungsverfahren (vgl. ins­ besondere § 18 Abs. 3 S. 3 GenTG) ist hier mangels Relevanz für die Tätigkeit der ZKBS nicht einzugehen. 271  Hierauf wird im Rahmen der Untersuchung der Tätigkeit des Gegensachver­ ständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfah­ ren noch näher einzugehen sein. Siehe hierzu § 4 C. IV. 1. 272  Zum Anwendungsbereich des Anhörungsverfahrens siehe § 18 Abs. 3 S. 1 GenTG i. V. m. § 1 GenTAnhV. 273  Dazu kritisch Gerlach, Das Genehmigungsverfahren zum Gentechnikgesetz, S.  105 f.; Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207 (220 f.); Riedel/Führ/Tappesser, KJ 1989, 349 (357); Winter, Grundprobleme des Gentechnikrechts, S. 55. 274  § 12 Abs. 1 S. 1 u. 2 ZKBS-Verordnung. 275  „Verordnung über Anhörungsverfahren nach dem Gentechnikgesetz (Gentech­ nik-Anhörungsverordnung – GenTAnhV) vom 04.11.1996 (BGBl. I 1996, S. 1649), geändert durch die Verordnung vom 28.04.2008 (BGBl. I 2008, S. 766).

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kanntzugeben ist.276 Zwar kann die ZKBS abgesehen von ihrem jährlichen Tätigkeitsbericht, der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirt­ schaft veröffentlicht wird,277 die Öffentlichkeit in geeigneter Weise über Stellungnahmen von allgemeiner Bedeutung berichten, dies jedoch nicht vor Abschluss des jeweiligen Verfahrens.278 Ungeachtet dessen werden die ­Stellungnahmen der ZKBS, die Gegenstand des Zulassungsverfahrens waren, auch nach dessen Abschluss durch (bestandskräftige) Entscheidung der Ge­ nehmigungsbehörde nicht öffentlich zugänglich gemacht.279 Sinn und Zweck dieses weitgehenden Ausschlusses der Öffentlichkeit sind der Schutz von vertraulichen und geheimhaltungsbedürftigen Angaben bzw. Unterlagen des Antragstellers sowie des individuellen Abstimmungsverhaltens der einzelnen Mitglieder der ZKBS einschließlich des gremieninternen Willensbildungs­ prozesses als solchem vor äußeren Einflussnahmen.280 Dieser Ausschluss von Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten der Öf­ fentlichkeit281 verleiht pluralistisch besetzten, kollegial verfassten sachver­ ständigen Stellen ein hohes Maß an Unabhängigkeit gegenüber Dritten, führt aber gleichzeitig zu einer geringen Transparenz und öffentlichen Kontrollier­ barkeit ihrer Verfahrenstätigkeit. Da die Genehmigungsbehörden mangels hinreichend eigener Fachkompetenz die Einschätzungen der ZKBS inhaltlich in aller Regel übernehmen und ihre außenwirksamen Entscheidungen zu­ 276  Dies ist rechtlich nicht eindeutig. Für eine diesbezügliche Unterrichtung der ZKBS plädieren etwa Hirsch/Schmidt-Didczuhn, DVBl 1991, 428 (432). Dass die ZKBS jedenfalls in der Praxis bei der Zulassung von Freisetzungsvorhaben nicht mit eingegangenen Einwendungen befasst wird, hat das BVL – Abteilung Gentechnik, Stabsstelle Juristische Angelegenheiten der Gentechnik – per E-Mail vom 16.11.2018 dem Verfasser bestätigt. Die Öffentlichkeitsbeteiligung und das Verfahren zur Einho­ lung der Stellungnahme der ZKBS begönnen laut BVL regelmäßig parallel, um eine Entscheidung der Genehmigungsbehörde binnen der gesetzlichen Frist zu gewährleis­ ten. Auf eine Rückfrage des Verfassers teilte das BVL mit weiterer E-Mail vom 19.03.2019 mit, der innerhalb des BVL zuständigen Referentin sei nicht bekannt, dass die ZKBS mit Einwendungen der Öffentlichkeit aus dem Anhörungsverfahren für die Genehmigung gentechnischer Anlage befasst werde. Daher sei davon auszugehen, dass die ZKBS über den Inhalt eingegangener Einwendungen grundsätzlich nicht unterrichtet werde. 277  § 15 Abs. 1 ZKBS-Verordnung. 278  § 15 Abs. 2 ZKBS-Verordnung. 279  Dazu sehr kritisch Gerlach, Das Genehmigungsverfahren zum Gentechnik­ gesetz, S. 106 („unverständlich“); ähnlich die Kritik bei Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207 (220 f.). 280  BR-Drs. 227/90, S. 20. 281  Allgemein ist in Produkt- und Stoffzulassungsverfahren des nationalen Rechts keine bzw. nur eine eingeschränkte Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Zur dies­ bezüglichen Kritik an dieser Rechtslage siehe etwa Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, S. 111 (abgedruckt in BT-Drs. 14/8792); fer­ ner Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (251 f.).



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gleich einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegen, ist die Sicherstellung der ausschließlichen Sachorientierung und Handlungs­ rationalität der ZKBS im Genehmigungsverfahren weitgehend dem Gremium selbst überantwortet. Während die Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren einer „äußeren“ Kon­ trolle durch die Auslegung seiner Gutachten im Rahmen der Öffentlichkeits­ beteiligung unterliegt,282 erfolgt bei der ZKBS insbesondere über die Gruppe der sachkundigen Personen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GenTG eine „interne“ Kontrolle der in der numerischen Überzahl befindlichen Sachverständigen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG. Ob eine solche interne Kontrollstruktur zum Schutz von Individual- und Allgemeinrechtsgütern allgemein ausreicht und darüber hinaus in der Öffentlichkeit eine breitenwirksame Akzeptanz in die Tätigkeit pluralistisch besetzter sachverständiger Stellen schafft, ist vor­ rangig eine rechtspolitische Frage,283 der hier nicht nachzugehen ist. Zu einer rechtlichen Frage werden derartige auf Binnenrationalität der jeweiligen sachverständigen Stellen angelegte Kontrollmechanismen erst dann, wenn sie zur Beherrschung der von einer zuzulassenden Risikotechnologie ausgehen­ den Gefahren für drittbetroffene Bürger und die Umwelt nicht mehr geeignet erscheinen. Unterhalb dieser Schwelle besteht vorbehaltlich vorrangiger Vor­ gaben aus dem Unionsrecht keine allgemeine Pflicht des Gesetzgebers, in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren Möglich­ keiten der Dritt- und Öffentlichkeitsbeteiligung zu implementieren.284 2. Behandlung der Stellungnahme durch die Genehmigungsbehörde Ebenso wie beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG ist auch für die ZKBS nach der rechtlichen und der praktischen Bedeutung ihrer Empfehlun­ gen und Stellungnahmen für die zuständige Genehmigungsbehörde zu fragen. a) Rechtliche Bedeutung Wie schon am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG dar­ gestellt, sind an die außenverantwortlich handelnden Verwaltungsbehörden 282  Dies gilt nach Maßgabe von § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV jedenfalls dann, wenn der Antrag ein UVP-pflichtiges Vorhaben betrifft und der Genehmigungsbehörde das Gutachten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG bereits zum Zeitpunkt des Be­ ginns des Beteiligungsverfahrens vorliegt. Siehe hierzu auch oben B. IV. 1. 283  In der Tendenz das Kontrollsystem der ZKBS wohl für ausreichend erachtend Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 133 ff.; a. A. Murswiek, VVDStRL 48 (1990), 207 (221), der eine Besetzung der ZKBS gerade mit kritischen Wissen­ schaftlern (und nicht „nur“ mit sachkundigen Personen) fordert. 284  Siehe hierzu auch unten § 6 D. I. 2. a) cc) (1).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

adressierte Voten und Gutachten externer sachverständiger Stellen grundsätz­ lich als reine fachliche Empfehlungen zu qualifizieren, denen keine recht­ liche Bindungswirkung zukommt. Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn der Gesetzgeber den Verwaltungsbehörden die verfahrensmäßige Einbindung pluralistisch besetzter Sachverständigengremien verbindlich vorgibt.285 Dabei erfolgt der obligatorische Einsatz von Sachverständigengremien häufig in Bereichen, in denen die zuständigen Behörden für eine eigenverantwortliche Beurteilung des Antragsgegenstands des Zulassungsverfahrens nicht über ausreichend eigenes Fachwissen verfügen und dieses im Verwaltungsverfah­ ren auch nicht kurzfristig selbst erzeugen können. Infolgedessen entsteht ein rechtliches Spannungsfeld: Um eine in fachlicher Hinsicht möglichst richtige Entscheidung zu gewährleisten, besteht ein Bedürfnis nach einer stärkeren Anbindung der Verwaltung an die Einschätzungen der spezifisch besetzten und daher zur Begutachtung komplexer Fragestellungen besonders prädesti­ nierten Sachverständigengremien. Gleichzeitig ist die Übertragung von Ent­ scheidungskompetenzen auf verwaltungsexterne Expertengremien aufgrund ihrer (relativen)286 Unabhängigkeit und fehlenden Einbindung in die staat­ liche Weisungs- und Verantwortungshierarchie unter Gesichtspunkten des Demokratieprinzips nicht unbedenklich.287 Zur Auflösung dieses rechtlichen Konflikts wählt der Gesetzgeber in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren häufig ein entscheidungspräformierendes Bera­ tungsmodell, in welchem die zuständige Behörde unter Erhalt ihrer außen­ wirksamen Letztentscheidungskompetenz im Einzelfall begründet darlegen muss, aus welchem Grund sie dem fachlichen Votum des sie unterstützenden 285  Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1250); ferner Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (38) mit Beispielen. 286  Siehe oben C. III. 2. Im Verhältnis zu Dritten wird man die ZKBS als durchaus unabhängig ansehen können. Interpretiert man das Unabhängigkeitspostulat wie vor­ liegend als ausschließliche Sachorientierung und Handlungsrationalität (dazu oben § 2 D. III. 2), können jedoch die abstrakt bestehenden Eigeninteressen der innerhalb der ZKBS vertretenen Sachverständigen Zweifel an der Unabhängigkeit des Kolle­ gialgremiums wecken. 287  Exemplarisch sei insoweit auf die jüngere Diskussion um den Einsatz einer Expertenkommission in wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren für Fracking-Vorhaben hingewiesen. Nach § 13a Abs. 7 Nr. 1 WHG i.  d.  F. des Gesetzesentwurfs vom 23.04.2015 (BT-Drs. 18/4713) sollte die Erteilung der für Fracking-Vorhaben benötig­ ten wasserrechtlichen Erlaubnis durch die zuständige Behörde u. a. davon abhängen, dass eine Expertenkommission auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichtes den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen im Bericht näher bezeichneten geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich ­ einstuft. Aus dieser Regelung wurde im Schrifttum eine inhaltliche Bindung der Wasserbehörde an die fachliche Einschätzung der Expertenkommission abgeleitet, ­ siehe etwa Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1250 ff.); Frenz, NVwZ 2016, 1042 (1046 ff.).



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Sachverständigengremiums nicht folgt.288 Die Implementierung entschei­ dungspräformierender Beratungsverhältnisse beruht bereichsspezifisch auf der Annahme, dass die außenentscheidungsbefugte Zulassungsbehörde auf­ grund des erheblichen Wissensgefälles regelmäßig kaum in der Lage sein wird, die Einschätzungen der ihr zuarbeitenden sachverständigen Stelle fun­ diert zu überprüfen.289 Durch die Pflicht, eine vom Votum der sie beratenden sachverständigen Stelle abweichende Entscheidung zu begründen, soll der Behörde im Einzelfall das Ausmaß und die Tragweite ihres Handelns vor Augen geführt werden. Ein gesetzlich vertyptes Anwendungsbeispiel dieses entscheidungspräfor­ mierenden Beratungsmodells stellt die Beteiligung der ZKBS in den gentech­ nikrechtlichen Genehmigungsverfahren dar. Nach § 10 Abs. 7 S. 3 GenTG hat die zuständige Behörde die Stellungnahme der ZKBS bei ihrer Entschei­ dung zu berücksichtigen. Weicht die Behörde bei ihrer Entscheidung von der Stellungnahme der ZKBS ab, hat sie nach § 10 Abs. 7 S. 4 GenTG die Gründe hierfür schriftlich darzulegen. Für die von der ZKBS abgegebenen Empfehlungen zu beantragten Freisetzungs- und Inverkehrbringensgenehmi­ gungen gelten diese Bestimmungen entsprechend (siehe § 16 Abs. 5 S. 2 GenTG). Nach einhelliger Auffassung entfalten die Empfehlungen und Stel­ lungnahmen der ZKBS für die Genehmigungsbehörde keine rechtliche Bin­ dungswirkung.290 Zwar habe der Gesetzgeber der ZKBS in den gentechnik­ rechtlichen Genehmigungsverfahren nicht nur eine starke verfahrensrecht­ liche Stellung einräumen, sondern auch den von ihr abgegebenen Voten eine „Indizwirkung“ bei der Bestimmung des jeweiligen Standes der Wissenschaft beimessen wollen.291 Eine Übertragung materieller Entscheidungskompeten­ zen folge aus der Beteiligung der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Ge­ 288  Zu Begrifflichkeit und Modell siehe Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 47. Weitere Beispiele im Kontext der Untersuchung finden sich insbesondere für die Zulassungskommissionen im nationalen Arzneimittelzulassungs­ verfahren (§ 25 Abs. 6 S. 1–3, Abs. 7 S. 4 u. 5, Abs. 7a S. 4–6 AMG) sowie für die ZES im Genehmigungsverfahren für die Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen (§ 6 Abs. 5 S. 2 u. 3 StZG). 289  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 47. 290  BVerwG, NVwZ 1999, 1232 (1234); VGH Mannheim, NVwZ 2002, 224 (227); VG Freiburg, ZUR 2000, 216 (219); Karthaus, ZUR 2001, 61 (64 f.); Kroh, DVBl 2000, 102 (105 f.); Krug, Gentechnikrecht und Umwelt, S. 190 ff.; Mesenburg, Ero­ sion staatlicher Vollzugsbefugnisse im Gentechnikrecht, S. 105; Schlacke, ZUR 2001, 393 (396): Schmieder, Risikoentscheidungen im Gentechnikrecht, S. 73 f.; Graf Vitz­ thum/Geddert-Steinacher, Standortgefährdung, S. 109; wohl auch Breuer, UTR 14 (1991), 37 (58, 68), der die Behörde „durch subtilen rechtlichen Druck“ dazu ange­ halten sieht, „den naturwissenschaftlichen und technischen Sachverstand der Kom­ mission zu suchen, zu nutzen und im Zweifel der Entscheidung zugrunde zu legen.“ 291  So das VG Freiburg, ZUR 2000, 216 (219).

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nehmigungsverfahren jedoch nicht. Die Tätigkeit der ZKBS solle die Geneh­ migungsbehörden allein in die Lage versetzen, über die mit einer gestattenden Genehmigungsentscheidung einhergehenden Risiken letztverantwortlich zu entscheiden.292 Dies bedeutet jedoch nicht, dass den Voten der ZKBS keine rechtliche Bedeutung zukommt.293 Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Verabschiedung des GenTG seinerzeit die Erwartung geäußert, wonach die Genehmigungsbehörden den einzelfallbezogenen Empfehlungen und Stel­ lungnahmen der ZKBS im Regelfall folgen werden.294 Dementsprechend hat er neben der organisatorischen Bündelung spezifischer Fachkompetenz in­ nerhalb der ZKBS den Genehmigungsbehörden in § 10 Abs. 7 S. 4 GenTG bzw. § 16 Abs. 5 S. 2 GenTG die Pflicht auferlegt, von den Voten der ZKBS abweichende Entscheidungen zu begründen. Der ZKBS kommt mithin „rechtlich eine qualifizierte Empfehlungszuständigkeit zu“.295 Weithin ungeklärt ist bislang, ob und auf welche Weise bei entscheidungs­ präformierenden Beratungsmodellen die vom Gesetzgeber für den Regelfall gewollte Bindung der Behörden an die Sachverständigenvoten rechtlich ab­ gesichert werden soll.296 Insoweit wird für die ZKBS die Einräumung einer eigenständigen Klageposition diskutiert, kraft derer sie die inhaltliche Beach­ tung ihrer Voten sowie das Erfordernis einer hinreichenden substantiierten Abweichungsbegründung gerichtlich durchsetzen können soll.297 Auf diese 292  BVerwG, NVwZ 1999, 1232 (1234). In der Konsequenz der fehlenden recht­ lichen Bindungswirkung der Voten der ZKBS wird in der Rechtsprechung die Auffas­ sung vertreten, die im Einzelfall zuständige Behörde könne in sachlich begründeten Fällen neben der ZKBS auch Dritte um die Erstellung einer wissenschaftlichen Stel­ lungnahme bitten, siehe VGH Mannheim, NVwZ 2002, 224 (227); zuvor bereits VG Freiburg, ZUR 2000, 216 (217 f.). Allerdings sei die Behörde dann gehalten, der ZKBS die extern eingeholte Beurteilung zwecks Abgabe einer ergänzenden Stellung­ nahme zu übermitteln, vgl. VG Freiburg, ZUR 2000, 216 (218). 293  So auch Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 5 GenTG Rn. 22. 294  Vgl. BT-Drs. 11/5622, S. 27 f. 295  Siehe Karthaus, ZUR 2001, 61 (64). Nach weitergehender Auffassung von Di Fabio (in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 5 GenTG Rn. 22) sollen die Genehmigungsbehörden nur in Ausnahmekonstellationen befugt sein, von den Einschätzungen der ZKBS abzuweichen. In eine ähnliche Richtung geht das VG Karlsruhe, indem es an von den Einschätzungen der ZKBS abweichende Entscheidungen der Genehmigungsbehörden hohe Begründungsanforderungen stellt, vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 19.09.1997 – 7 K 873/97 –, juris, Rn. 15. 296  Dieser Befund dürfte sich für das Gentechnikrecht vor allem dadurch erklären, dass die Genehmigungsbehörden von den Voten der ZKBS in der Verwaltungspraxis nicht bzw. nicht substanziell abweichen, siehe dazu unten C. IV. 2. b). 297  Für die Zuerkennung einer solchen klagefähigen Rechtsposition der ZKBS etwa Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 Rn.  16 f.; Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 129 f.; zur Gegenauffassung siehe I. Appel, in: Eh­



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hier nur anzudeutende Problematik wird unter Berücksichtigung der Erkennt­ nisse aus anderen Referenzgebieten im Laufe der Untersuchung noch zurück­ zukommen sein. b) Praktische Bedeutung Die Rolle der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfah­ ren äußert sich nicht in der rechtlichen Verbindlichkeit ihrer Voten, sondern vielmehr in deren faktischer Autorität.298 Auch wenn eine rechtliche Bindung der Genehmigungsbehörden an die Stellungnahmen der ZKBS überwiegend abgelehnt wird, soll von ihren Einschätzungen aus tatsächlichen Gründen grundsätzlich nicht abgewichen werden.299 Insoweit wird der ZKBS eine über die bloße Stellung eines reinen Beratungsgremiums hinausgehende Be­ deutung beigemessen. Im Schrifttum ist von einem „faktischen Entschei­ dungsrecht“300 bzw. einer „faktischen Bindungswirkung“301 der Stellungnah­ men der ZKBS die Rede. Lediglich ganz vereinzelt finden sich Hinweise auf von den Einschätzungen der ZKBS abweichende Entscheidungen der Geneh­ migungsbehörden.302 Diese offenbar hohe praktische Bedeutung der Voten der ZKBS lässt sich auch anhand der vom Gremium jährlich veröffentlichten Tätigkeitsberichte303 nachvollziehen. Diese weisen im Hinblick auf Freiset­ zungsvorhaben keine von den Voten der ZKBS grundlegend abweichenden Zulassungsentscheidungen der zuständigen Behörden aus.304 Für die eben­ lers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 72; Kart­haus, ZUR 2001, 61 (63). 298  VGH Mannheim, NVwZ 2002, 224 (227 f.). 299  Schubert, NVwZ 2010, 871 (876). 300  Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 71. 301  Gerlach, Das Genehmigungsverfahren zum Gentechnikgesetz, S. 100. 302  Aus der Rechtsprechung siehe etwa VG Braunschweig, NuR 2010, 145 (148). 303  Im Internet abrufbar unter http://www.zkbs-online.de/ZKBS/DE/06_Taetig­ keitsberichte/taetigkeitsberichte_node.html (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 304  In wenigen Fällen gingen die Genehmigungsbehörden jedoch in ihren Ent­ scheidungen über die von der ZKBS vorgeschlagenen Sicherheitsmaßnahmen hinaus. Im Zeitraum von 2013 bis 2018 hat die ZKBS ausweislich ihrer Tätigkeitsberichte keine Stellungnahmen zu Freisetzungsanträgen abgegeben. Für die vorhergehenden Berichtsjahre ergibt sich anhand der Tätigkeitsberichte folgendes Bild: 2012: drei befürwortende Stellungnahmen, drei erteilte Genehmigungen; 2011: drei befürwor­ tende Stellungnahmen, zwei „bereits erteilte Genehmigungen“; 2010: fünf befürwor­ tende Stellungnahmen; vier erteilte Genehmigungen, eine Erledigung („Genehmigung nicht mehr erforderlich“); 2009: sieben befürwortende Stellungnahmen, sieben erteilte Genehmigungen; 2008: sechs befürwortende Stellungnahmen, sechs erteilte Geneh­ migungen; 2007: zwölf befürwortende Stellungnahmen; zwölf erteilte Genehmigun­ gen; 2006: elf befürwortende Stellungnahmen; elf erteilte Genehmigungen; 2005:

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falls in den Aufgabenbereich der ZKBS fallenden Begutachtungen genehmi­ gungsbedürftiger gentechnischer Anlagen und Arbeiten der Sicherheitsstufen 3 und 4 liegen keine ausführlichen Statistiken zur Berücksichtigung der Gremienvoten durch die Genehmigungsbehörden der Länder vor.305 Nach Angaben der ZKBS folgen die Landesgenehmigungsbehörden jedoch in der Regel den von ihr im Genehmigungsverfahren abgegebenen Stellungnah­ men.306 Für eine verlässliche Beurteilung der praktischen Bedeutung der Stellungnahmen der ZKBS zu Anträgen auf Inverkehrbringen von GVO fehlt es hingegen (bislang) an hinreichendem statistischen Datenmaterial.307 Insge­ acht befürwortende Stellungnahmen, acht erteilte Genehmigungen; 2004: acht befür­ wortende Stellungnahmen, acht erteilte Genehmigungen, wobei laut Tätigkeitsbericht der ZKBS die Genehmigungsbehörde (Robert Koch-Institut (RKI) bzw. BVL) in mehreren Fällen über die von der ZKBS unter fachlichen Gesichtspunkten vorge­ schlagenen Sicherheitsmaßnahmen hinausgegangen sei, um das erforderliche Einver­ nehmen mit den weiteren am Genehmigungsverfahren beteiligten Fachbehörden her­ zustellen; 2003: elf befürwortende Stellungnahmen; elf erteilte Genehmigungen, wo­ bei das RKI laut Tätigkeitsbericht der ZKBS zur Herstellung des Einvernehmens mit den weiteren am Genehmigungsverfahren beteiligten Fachbehörden in mehreren Fäl­ len über die von der ZKBS unter fachlichen Gesichtspunkten vorgeschlagenen Si­ cherheitsmaßnahmen hinausgehen musste; 2002: sieben befürwortende Stellungnah­ men, sieben erteilte Genehmigungen; 2001: sieben befürwortende Stellungnahmen, sieben erteilte Genehmigungen; 2000: neun befürwortende Stellungnahmen; neun er­ teilte Genehmigungen. Aus den Tätigkeitsberichten für die Berichtsjahre zwischen 1990 bis einschließlich 1999 geht die Behandlung der von der ZKBS abgegebenen Stellungnahmen durch die zuständige Genehmigungsbehörde nicht explizit hervor. Dies ist teilweise dem Umstand geschuldet, dass gestellte Freisetzungsanträge erst im darauffolgenden Jahr von der ZKBS begutachtet und von der zuständigen Genehmi­ gungsbehörde beschieden wurden. Vor diesem Hintergrund wurde für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung auf eine weitere Auswertung der Tätigkeitsberichte ver­ zichtet. 305  Auskunft der ZKBS vom 20.03.2018 per E-Mail an den Verfasser. 306  Auskunft der ZKBS vom 20.03.2018 per E-Mail an den Verfasser. Diese An­ gabe wird anhand von Praxisberichten zum Vollzug des Gentechnikgesetzes sowie von Erkenntnissen aus anderen wissenschaftlichen Abhandlungen bestätigt. Siehe etwa für das Land Rheinland-Pfalz Meffert, VerwArch 83 (1992), 463 (473), demzu­ folge die zuständigen Behörden in den ersten zwei Jahren nach Inkrafttreten des GenTG bei ihren Entscheidungen in keinem einzigen Fall von den Gutachten der ZKBS abgewichen seien. Die Auskunft von Meffert betrifft dabei sowohl Anmeldeals auch Genehmigungsverfahren. Laut Mesenburg (Erosion staatlicher Vollzugsbe­ fugnisse im Gentechnikrecht, S. 53) seien die jeweils zuständigen Landesbehörden bei ihren Zulassungsentscheidungen im Zeitraum vom 01.07.1990 bis zum 31.12.1998 in 3 von 1205 Fällen von den Voten der ZKBS zur Sicherheitseinstufung abgewichen. 307  In den Jahren 2018 bis 2016, 2014–2009, 2007–2001 hat die ZKBS ausweis­ lich ihrer Tätigkeitsberichte keine Stellungnahmen zu Anträgen bezüglich des Inver­ kehrbringens von GVO abgegeben. Unter dem Regime der Richtlinie 2001/18/EG hat die ZKBS ausweislich ihrer Tätigkeitsberichte in den Jahren 2008 und 2015 jeweils eine Stellungnahme zu im EU-Ausland eingereichten Anträgen auf Genehmigung des Inverkehrbringens von GVO abgegeben. Zur Behandlung der Voten der ZKB durch



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samt lassen die vorstehenden empirischen Befunde jedoch den Schluss zu, dass den rechtlich unverbindlichen Empfehlungen und Stellungnahmen der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren eine sich gera­ dezu zu einer faktischen Bindungswirkung verdichtende Bedeutung zu­ kommt. Die formal als Beratung firmierte Tätigkeit der ZKBS „ist inhaltlich zumindest Mitentscheidung“.308 Erkenntnisse aus anderen, jedenfalls zum Teil mit statistischem Datenmaterial erschlossenen Sachbereichen deuten dabei darauf hin, dass die praktische Bindungswirkung der Stellungnahmen der ZKBS kein sektoraler Befund ist, sondern vielmehr ein rechtsgebiets­ übergreifendes Phänomen der Einbindung pluralistisch besetzter sachverstän­ diger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren darstellt.309

V. Gerichtliche Überprüfung Auch für die Stellungnahmen und Empfehlungen der ZKBS ist auf die für ihre gerichtliche Überprüfung geltenden Grundsätze einzugehen. Bezüglich der inhaltlichen Kontrolldichte gesteht die Rechtsprechung in Anbetracht der von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägten materiellen die Zulassungsbehörden der EU-Mitgliedstaaten verhalten sich beide Tätigkeitsbe­ richte jeweils nicht. 308  So Karthaus, ZUR 2001, 61 (64). 309  Ein mit der Rolle der ZKBS in Genehmigungsverfahren nach dem Gentechnik­ gesetz in seiner Regelungsstruktur weithin vergleichbares Beispiel ist die Beteiligung der ZES in Genehmigungsverfahren für die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen. Die praktische Bindungswirkung der Voten der ZES wird anhand der Angaben aus dem 15. Tätigkeitsbericht der ZES nach Inkrafttreten des Stammzellge­ setzes (StZG) für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis 31.12.2017, S. 11, deutlich (im Internet abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/ZES/Taetig keitsberichte/15-taetigkeitsbericht.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 07.08.2019): Seit dem Inkrafttreten des StZG hat die ZES im besagten Zeitraum zu 131 eingereichten Anträgen auf Einfuhr bzw. Verwendung von humanen embryonalen Stammzellen gegenüber dem RKI eine Stellungnahme abgeben. Darüber hinaus gab die ZES zu 36 Anträgen auf Erweiterung bereits genehmigter Projekte gegenüber dem RKI ein Votum ab. In allen Fällen ist das RKI als zuständige Genehmigungsbe­ hörde bei seiner Entscheidung den Empfehlungen der ZES gefolgt und hat die bean­ tragten Genehmigungen erteilt. Als zweites Beispiel ist die Hinzuziehung der soge­ nannten Zulassungskommission im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren zu nennen (§ 25 Abs. 7 AMG). Nach Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1622, habe es über „lange Zeit regelmäßig etwa zehn Fälle im Jahr gegeben, in denen das BfArM [Anm: gemeint ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte] ohne oder gegen das Votum der Zulassungskommission entschieden hat.“ Auf welchen Zeitraum und welche Gesamtzahl an Entscheidungen über Arzneimittelzulassungen sich diese Angabe bezieht, ist indes unklar.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Prüfprogramme des Gentechnikrechts310 unter Verweis auf das insoweit strukturähnliche Atomrecht den Genehmigungsbehörden bei ihren Entschei­ dungen einen die verwaltungsgerichtliche Überprüfung begrenzenden Beur­ teilungsspielraum zu.311 Insbesondere das Bundesverwaltungsgericht stützt die Rücknahme des gerichtlichen Überprüfungsanspruchs maßgeblich auf die Rolle der ZKBS in gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren: Nach Auffassung des Gerichts werden die Genehmigungsbehörden durch den in der ZKBS institutionalisierten Sachverstand in die Lage versetzt, eine (letzt-) verantwortliche Entscheidung über die mit den Genehmigungsanträgen ver­ bundenen Risiken zu treffen. Die der Genehmigungsentscheidung zugrunde liegende Risikobewertung beruhe ebenfalls auf einer entsprechenden Bera­ tung der Behörden durch die ZKBS, weshalb eine Ersetzung der sachver­ ständig untermauerten behördlichen Bewertung durch eigene Einschätzun­ gen der Gerichte regelmäßig nicht gerechtfertigt sei.312 Ungeachtet ihrer dogmatischen Einordnung313 erweist sich diese Rücknahme des Überprü­ fungsanspruchs unter Berücksichtigung der hohen praktischen Bedeutung der Voten der ZKBS314 nicht lediglich als eine Verschiebung von Letztent­ scheidungsbefugnissen von der Rechtsprechung auf die Verwaltung, sondern vielmehr auf eine pluralistisch besetzte, verwaltungsseitig tätige sachverstän­ dige Stelle. Vergleichbare Befunde ergeben sich auch für andere Bereiche, in denen Sachverständigengremien Verwaltungsentscheidungen der Sache nach faktisch vorprägen.315 Den Wissensvorsprung, den die Verwaltungsbehörden durch die Unterstützung von pluralistisch besetzten Sachverständigengre­ mien erlangen, können die Verwaltungsgerichte mithilfe des ihnen gegen­

310  „Nach dem Stand der Wissenschaft und Technik“ notwendige Einrichtungen und Vorkehrungen (vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 4 GenTG); „nach dem Stand von Wissen­ schaft und Technik“ erforderliche Sicherheitsvorkehrungen (§  16 Abs.  1 Nr.  2 GenTG); „Stand der Wissenschaft“ (§ 16 Abs. 1 Nr. 3 GenTG). 311  BVerwG, NVwZ 1999, 1232 (1233  f.); OVG Berlin, NVwZ 1995, 1023 (1024 f.); OVG Berlin, NVwZ 1999, 96 (99); VG Braunschweig, ZUR 2009, 157 (159); ablehnend hingegen Beaucamp, DÖV 2002, 24 (25 ff.). 312  BVerwG, NVwZ 1999, 1232 (1233 f.). 313  Dogmatisch lässt sich die auf die besondere Expertise der ZKBS gestützte Zu­ erkennung behördlicher Beurteilungsspielräume in die von der Rechtsprechung allge­ mein anerkannte Fallgruppe der Risikobewertung einordnen. Daneben wird man in Anbetracht der de facto regelmäßig durch die ZKBS getroffenen Entscheidungen über die Genehmigungsanträge den der Fallgruppe der Entscheidungen weisungsfreier Ausschüsse zugrunde liegenden Rechtsgedanken für die Zulässigkeit einer reduzier­ ten gerichtlichen Kontrolldichte fruchtbar machen können. 314  Dazu oben C. IV. 2. b). 315  Zu denken ist etwa an die ZES in Genehmigungsverfahren für die Einfuhr und die Verwendung embryonaler Stammzellen, siehe insoweit die Nachweise in den obi­ gen Fußnoten.



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 133

wärtig zur Verfügung stehenden Instrumentariums nicht bzw. kaum ausglei­ chen.316 Die gerichtliche Überprüfung der Voten pluralistisch besetzter sachverstän­ diger Stellen wie der ZKBS, die typischerweise in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren des Stoff- bzw. Produktrechts317 sowie im Bereich der Forschung318 eingesetzt werden, ist indes nicht nur ein Problem der Kontrolldichte, sondern auch des Kontrollzugangs. Prozessual können die Stellungnahmen und Gutachten der ZKBS zwar gemeinsam mit der außenwirksamen Zulassungsentscheidung der jeweils zuständigen Be­ hörde einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden (§ 44a S. 1 VwGO). Insoweit ist jedenfalls der auf Grundlage eines entsprechenden Votums der ZKBS mit seinem Zulassungsantrag negativ beschiedene Antragsteller nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Demgegenüber sind als Kon­ sequenz der § 42 Abs. 2 VwGO zugrunde liegenden Schutznormtheorie Dritte regelmäßig nicht befugt, behördliche Zulassungsentscheidungen für Stoffe, Produkte oder Forschungs- bzw. Versuchsvorhaben gerichtlich anzu­ fechten. Die rechtswidrige Zulassung von Stoffen, Produkten, Forschungsbzw. Versuchsvorhaben verletzt nicht notwendigerweise Vorschriften, die nicht nur der Allgemeinheit, sondern gerade auch dem Schutz subjektiver Rechte Dritter zu dienen bestimmt sind. Als ein Beispiel kann etwa die Frei­ setzung oder das Inverkehrbringen von GVO genannt werden, die in die Umwelt gelangen, sich dort verbreiten und irreversible Schäden hervorrufen, die mit der Zeit auch Auswirkungen auf die Gesundheit Dritter haben kön­ nen. Letzteren wird es realistischerweise kaum möglich sein, eine mögliche Rechtswidrigkeit der Zulassungsentscheidung infolge eines behördlicherseits nicht zutreffend ermittelten bzw. bewerteten individuellen Schadensrisikos, welches sich erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt realisieren könnte, innerhalb der ab Bekanntgabe des Verwaltungsakts geltenden Klagefrist von einem Monat (§ 74 Abs. 1 VwGO) hinreichend darzulegen. In aller Regel wird die bloße Zulassungsentscheidung für die Freisetzung und das Inver­ kehrbringen von GVO nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO zu keiner möglich erscheinenden Rechtsverletzung Dritter und einer Annahme ihrer Klagebefugnis führen.319 Die große Anzahl von potenziell durch eine Stoffbzw. Produktzulassungsentscheidung betroffenen Personen ist für die Schutz­ 316  Ebenso

Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (299). ist insbesondere auf die Zulassungskommissionen im Arzneimit­ telrecht, vgl. § 25 Abs. 6–7a AMG. 318  Hier insbesondere zur ethischen Beurteilung von naturwissenschaftlich-tech­ nisch komplexen Fragen, siehe etwa die bereits erwähnte ZES (§§ 6 Abs. 5, 8, 9 StZG) oder die administrative Einschaltung von Kommissionen in tierschutzrecht­ lichen Genehmigungsverfahren (§ 15 TierSchG). 319  Zum vergleichbaren Befund für das Arzneimittelrecht siehe unten § 4 C. V. 317  Hinzuweisen

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

normdoktrin des nationalen Verwaltungsprozessrechts nicht maßgeblich.320 Abhilfe könnte insoweit die Implementierung eines Verbandsklagerechts leisten. Das nationale Umweltrecht sieht jedoch lediglich für den Bereich der Vorhabenzulassung (Anlagen, Infrastruktur), nicht aber für Produktzulassun­ gen Verbandsklagemöglichkeiten vor.321 Dementsprechend unterliegen auch von der ZKBS inhaltlich vorgeprägte Entscheidungen für Freisetzungen und das Inverkehrbringen von GVO nicht dem Klagerecht anerkannter Umwelt­ verbände. Infolgedessen geht ein gerichtlicher Kontrolldruck auf die ZKBS potenziell allein von den Antragstellern aus, die – ebenso wie die in der ZKBS mehrheitlich vertretenen Sachverständigen – gerade Anwender und Nutznießer von GVO sind.322 Ob dies eine hinnehmbare Situation ist, muss vor allem rechtspolitisch bewertet werden. Praktisch spielt dieser rechtliche Befund aufgrund der geringen Bedeutung von Freisetzungs- und Inverkehr­ bringensgenehmigungen in Deutschland bislang (noch) keine Rolle. Sollten sich in Deutschland jedoch die politischen Rahmenbedingungen für die ­Anwendung der Gentechnik ändern und in der Folge die Anzahl gentechnik­ rechtlicher Genehmigungsverfahren für die Freisetzung und das Inverkehr­ bringen von GVO steigen, könnten sich etwaige Debatten um Rechtsschutz­ fragen im Gentechnikrecht auch auf die Problematik des auf die ZKBS ausgehenden Kontrolldrucks erstrecken. Die diesbezügliche Entwicklung ­ bleibt abzuwarten.

VI. Ergebnisse Die Rolle der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfah­ ren ist ein weiteres Beispiel für die regulatorische Zurückhaltung des Gesetzund Verordnungsgebers bei der normativen Ausgestaltung der sachverständi­ gen Stellen abzuverlangenden Fachkompetenz in Sachgebieten, in denen fachwissenschaftlich als gesichert geltende Wissensbestände einer kurzen Halbwertszeit unterliegen. Die zunehmende Komplexität und Dynamik na­ turwissenschaftlich-technisch geprägter Sachmaterien führt den Gesetz- bzw. 320  Zur Kritik siehe hier nur Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Um­ weltgutachten 2002, S. 111 (abgedruckt in BT-Drs. 14/8792). 321  In normativer Anknüpfung an die Bestimmung des insoweit allein in Betracht kommenden § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG siehe Schieferdecker, in: Hoppe/Beck­ mann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 1 Rn. 65; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 1 UmwRG Rn. 50; ferner VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 – 6 K 12341/17 –, juris, Rn. 80 ff. Zur seinerzeitigen Diskussion im Gesetzgebungsver­ fahren zur Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 UmwRG siehe etwa BT-Drs. 18/12146, S. 14. 322  Nichts anderes dürfte für die Zulassungskommissionen nach § 25 Abs. 6–7a AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren gelten.



C. Die Zentrale Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS) 135

Normgeber nicht nur bei der Kodifikation materiell-rechtlicher Prüfpro­ gramme, sondern auch bei der Formulierung fachlicher Auswahlbestimmun­ gen an die im Zulassungsverfahren verwaltungsseitig einzubindenden sach­ verständigen Stellen an die Grenzen der regulatorischen Gestaltungsmöglich­ keiten. Wie das Beispiel der ZKBS zeigt, kann dieser Problematik zum einen durch stärker ausdifferenzierte Einbindungsmodi (obligatorische Einbindung einer sachverständigen Stelle anstatt Hinzuziehungsermessen der Zulassungs­ behörde) und zum anderen – speziell bei als Kollegialgremien verfassten sachverständigen Stellen – durch legislative Besetzungskonzepte ein Stück weit Rechnung getragen werden. Zugleich hat die Untersuchung des Refe­ renzgebiets verdeutlicht, dass auch in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren mit obligatorischer Verfahrensbeteiligung sach­ verständiger Stellen die geringe Verfügbarkeit hinreichend fachlich qualifi­ zierter Experten ein limitierender Faktor für die Auslegung des gesetzlich angeordneten Unabhängigkeitspostulats darstellen kann. Indes kann bei plu­ ralistisch besetzten, als Kollegialgremien verfassten sachverständigen Stellen ein über den Regelungsgehalt der §§ 20, 21 VwVfG hinausgehendes Maß an innerer Unabhängigkeit durch Implementierung eines ausgewogenen Beset­ zungskonzepts sowie internen Diskurs- und Kontrollstrukturen gewährleistet werden. Ferner kann die Unabhängigkeit von Sachverständigengremien ge­ genüber Einflussnahmen Dritter insbesondere durch den für das nationale Recht typischen Ausschluss der Öffentlichkeit vom internen Willensbildungs­ prozess von Kollegialgremien und der Nichtoffenlegung ihrer Entscheidungs­ beiträge gesichert werden. Kehrseite dieses „Mehr“ an Unabhängigkeit ist die insbesondere unter dem Blickwinkel des grundgesetzlichen Demokra­ tieprinzips nicht unproblematische Einschränkung der Kontrollierbarkeit der Sachverständigentätigkeit, die sich nicht allein auf die sachlich-inhaltliche Richtigkeit ihrer Voten bezieht, sondern bei Kollegialgremien auch die Ef­ fektivität ihrer auf Binnenrationalität setzenden Arbeitsstrukturen betrifft. Auf der Ebene der gerichtlichen Überprüfung ist die Tätigkeit der ZKBS im Zusammenhang mit Freisetzungen und dem Inverkehrbringen von GVO ein typisches Beispiel für die restriktiven Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter ge­ genüber Zulassungsentscheidungen im nationalen Stoff- und Produktzulas­ sungsrecht, die in der Folge häufig zu einem einseitig von den Antragstellern auf die Arbeit von hoheitlich in Zulassungsverfahren eingebundenen sachver­ ständigen Stellen ausgehenden Kontrolldruck führt.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS) im Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben Als drittes und letztes Referenzgebiet für die Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen ist im Folgenden die Tätig­ keit der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) im Zusammenhang mit der Zulas­ sung von Windenergievorhaben zu untersuchen. Wie bereits oben angedeutet, erfüllt die DFS diese Aufgabe innerhalb eines mehrfach gestuften Zulas­ sungsverfahrens. Dadurch unterscheidet sich die Tätigkeit der DFS bei der Zulassung von Windenergievorhaben von der verfahrensmäßigen Rolle der zuvor betrachteten sachverständigen Stellen. Gleichwohl kann auch für die DFS an der Prüfstruktur aus den vorangehenden Referenzgebieten festgehal­ ten werden.

I. Rechtlicher Rahmen Die gutachtliche323 Tätigkeit der DFS nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG e­rfolgt in einem luftfahrtinternen Prüfverfahren, das bei zur Zulassung ge­ stellten Windenergievorhaben in ein außenwirksames immissionsschutzrecht­ liches Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) eingebettet wird. Die verfahrensrechtliche Verknüpfung des au­ ßenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahrens und des luftfahrtinternen Prüfverfahrens des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG erfolgt über die im BImSchGGenehmigungsverfahren durchzuführende Behördenbeteiligung.324 In der vorliegend interessierenden Konstellation ist das BImSchG-Genehmigungs­ verfahren mithin das Trägerverfahren für das luftfahrtinterne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG.325 Zum Verständnis der Rolle der DFS bei der Zulassung von Windenergieanlagen an Land sind die für das BImSchG-­ Genehmigungsverfahren und das Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG geltenden Rechtsregime auseinanderzuhalten. Für die Errichtung und den Betrieb von Windenergieanlagen an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern326 bedarf es gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV i. V. m. Anhang 1 323  Amtlicher

Wortlaut des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG. sogleich. 325  Zum verfahrensmäßigen Vollzug des § 18a Abs. 1 LuftVG siehe etwa Meyer/ Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 29 f. 326  Für Anlagen mit einer Gesamthöhe von weniger als 50 Metern ist nach Maß­ gabe der Landesbauordnungen ein Baugenehmigungsverfahren durchzuführen. 324  Dazu



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)137

Nr. 1.6 der 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (­BImSchG-Genehmigung),327 über deren Erteilung die nach Landesrecht zu­ ständige BImSchG-Genehmigungsbehörde entweder in einem vollständi­ gen328 oder vereinfachten329 BImSchG-Genehmigungsverfahren entschei­ det.330 Sowohl im vollständigen als auch im vereinfachten BImSchG-Geneh­ migungsverfahren hat die BImSchG-Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG bzw. § 19 Abs. 2 BImSchG die Stellungnahmen derjenigen Behörden einzuholen, deren Aufgabenbereiche das Vorhaben berührt. Im Zuge der im Jahr 2011 politisch forcierten Energiewende hat der verstärkte Ausbau von Windenergieanlagen an Land vermehrt zu Nutzugskonflikten mit zivilen Flugsicherungseinrichtungen geführt. Die Wahrung der Belange der zivilen Flugsicherung fällt in den Aufgabenbereich des Bundesaufsicht­ samts für Flugsicherung (BAF).331 Kann durch ein zur Zulassung gestelltes Wind­energievorhaben eine zivile Flugsicherungseinrichtung gestört werden, hat die zuständige BImSchG-Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 5 S. 1 ­BImSchG332 das BAF zur Abgabe einer Stellungnahme aufzufordern. Recht­ licher Anknüpfungspunkt für die Abgabe dieser Stellungnahme ist die Vor­ schrift des § 18a Abs. 1 LuftVG. Nach § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG dürfen Bauwerke nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtun­ gen gestört werden können. Die Vorschrift statuiert ein materielles Bauver­ bot, das als „andere öffentlich-rechtliche Vorschrift“ i. S. d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 ­BImSchG der Erteilung der vom Antragsteller begehrten BImSchG-Geneh­ migung entgegenstehen kann.333 Ob durch ein geplantes Bauwerk (z. B. Windenergieanlagen) Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können, wird im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ermittelt. Nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG entscheidet das BAF auf der Grundlage einer gutacht­ lichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation, ob durch die geplante 327  Auch für die Ersetzung bestehender Windenergieanlagen durch leistungsstär­ kere Neuanlagen (sog. Repowering) bedarf es in der Regel einer neuen BImSchGGenehmigung. Mangels Relevanz für die vorliegende Untersuchung wird im Folgen­ den nicht zwischen „echten“ Neugenehmigungen und Repowering unterschieden. 328  § 10 BImSchG. 329  § 19 BImSchG. 330  Im vollständigen Genehmigungsverfahren ist nach Maßgabe von § 10 ­BImSchG eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen, wohingegen die Vorhabenzulassung im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach § 19 Abs. 2 BImSchG ohne Beteili­ gung der Öffentlichkeit erfolgt. 331  Auf die Rolle des BAF bei der Zulassung von Windenergievorhaben wird un­ ten unter § 5 B. gesondert eingegangen. 332  § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG gilt gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG auch im verein­ fachten Genehmigungsverfahren. Auf die gesonderte Nennung des § 19 Abs. 2 ­BImSchG wird im Folgenden verzichtet. 333  OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268).

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Errichtung eines Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen gestört werden kön­ nen. Aus dem Kreis der in Deutschland für die Erbringung von Flugsiche­ rungsdiensten in der Europäischen Union zertifizierten Flugsicherungs­ organisationen334 wird sehr häufig335 die DFS vom BAF um Abgabe einer gutachtlichen Stellungnahme gebeten.336 Hat das BAF auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der DFS über das Vorliegen einer bau­ werksbedingten Störung einer Flugsicherungseinrichtung entschieden, teilt es seine Entscheidung gemäß § 18a Abs. 1 S. 3 Alt. 1 LuftVG der für die Genehmigung des geplanten Bauwerks zuständigen Behörde – im BImSchGGenehmigungsverfahren also der nach Landesrecht zuständigen BImSchGGenehmigungsbehörde – mit.337 Letztere entscheidet im außenwirksamen ­BImSchG-Genehmigungsverfahren sodann über den Antrag auf Zulassung des zur Genehmigung gestellten Windenergievorhabens. Im Folgenden wird schwerpunktmäßig die Tätigkeit der DFS im luftfahrt­ internen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu untersuchen sein, die nicht nur ein zentrales Konfliktfeld im Rahmen des Zubaus von Windener­ gieanlagen darstellt, sondern – wie zu zeigen sein wird – verschiedene im allgemeinen Verwaltungsrecht verortete Fragestellungen aufwirft.

II. Einbindungsmodus Anhand der Beispiele des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG und der ZKBS wurden bereits zwei Einbindungsmodi vorgestellt, bei denen in einem Fall die Hinzuziehung einer sachverständigen Stelle vollständig im Verfah­ rensermessen der im Zulassungsverfahren federführenden Behörde steht,338 während im anderen Fall der Gesetzgeber selbst die Verfahrenseinbindung der sachverständigen Stelle obligatorisch anordnet.339 Indes sind derartige 334  https://www.baf.bund.de/DE/Themen/Flugsicherungsorga/flugsicherungsorga_ node.html (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 335  Aus einer vom Verfasser eingeholten Auskunft des BAF ergibt sich, dass die DFS im Zeitraum vom 03.08.2009 (Tag der Gründung des BAF) bis zum 24.01.2017 (Zeitpunkt der Auskunft des BAF) etwa 97,7 % aller gutachtlichen Stellungnahmen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Zusammenhang mit der Zulassung von Windener­ gieanlagen abgegeben hat. Siehe dazu näher unten D. IV. 2. b). 336  Zur Verwaltungspraxis des BAF bei der Einbindung der DFS siehe sogleich die Ausführungen und Nachweise unter D. II. 337  Bedarf das Bauwerk keiner Genehmigung, teilt das BAF seine Entscheidung dem Bauherrn mit (§ 18a Abs. 1 S. 3 Alt. 2 LuftVG). Diese Konstellation bleibt im Folgenden außer Betracht. 338  So beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Atomrecht, siehe hierzu oben B. II. 339  Siehe zur Einbindung der ZKBS oben C. II.



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fakultative und obligatorische bzw. ein- und mehraktige Einbindungsmodi nicht notwendigerweise in Reinform verwirklicht, sondern können auch in Zwischenformen auftreten. Dies ist etwa der Fall, wenn der Gesetzgeber ei­ ner Behörde allein das „Ob“ der Hinzuziehung vorgibt, die konkret einzu­ bindende sachverständige Stelle („Wen“) hingegen offen lässt bzw. nicht eindeutig regelt. Ein Beispiel für einen solchen Einbindungsmodus stellt die Hinzuziehung der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG dar. Nach dieser Vorschrift trifft das BAF seine Entscheidung über das Vorliegen einer bauwerksbedingten Störung von Flugsicherungseinrichtungen auf Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme „der Flugsicherungsorganisa­ tion“. Wie schon aus dem Wortlaut des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG hervorgeht, steht die Einholung der gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorga­ nisation nicht im Verfahrensermessen des BAF. Vielmehr hat das BAF im Fall einer möglichen bauwerksbedingten Störung einer Flugsicherungseinrichtung zwingend die Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation einzuholen. Letztere wiederum ist ihrerseits aufgrund der Regelung des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG verpflichtet, einer entsprechenden Anfrage des BAF Folge zu leis­ ten.340 Dabei ist die Erstellung der gutachtlichen Stellungnahme durch die Flugsicherungsorganisation nicht als hoheitliche, sondern als eine privatrecht­ liche Tätigkeit in Erfüllung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht zu qualifizie­ ren.341 Die Vorschrift des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG regelt lediglich das „Ob“ der Einholung der gutachtlichen Stellungnahme verbindlich, lässt aber offen, bei welcher konkreten Flugsicherungsorganisation das BAF die Abgabe der Stellungnahme anzufordern hat. Der Gesetzeswortlaut („der Flugsicherungs­ organisation“) deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber eine bestimmte Flugsi­ cherungsorganisation mit der Erstellung der gutacht­lichen Stellungnahme be­ traut wissen wollte.342 Dieser Befund ist als solcher jedoch mehrdeutig, da in Deutschland verschiedene Flugsicherungsorganisationen mit der Erbringung von Flugsicherungsdiensten in der Europäischen Union zertifiziert sind.343 Im Schrifttum und in der Verwaltungspraxis herrschen unterschiedliche Auffas­ sungen zu der Frage, bei welcher Flugsicherungsorganisation das BAF für 340  Dies ist – soweit ersichtlich – unstreitig, siehe nur Meyer/Wysk, in: Grabherr/ Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 52. 341  VG Oldenburg, ZNER 2015, 125 (126); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405). 342  So Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 51; a. A. VG Ol­ denburg, ZNER 2014, 125 (126), das für die Beauftragung der gutachtlich tätigen Flugsicherungsorganisation ein Wahlrecht des BAF annimmt. 343  Einen Überblick über die vom BAF beaufsichtigten Flugsicherungsorganisatio­ nen findet sich im Internet unter https://www.baf.bund.de/DE/Themen/Flugsiche rungsorga/flugsicherungsorga_node.html (zuletzt abgerufen am 07.08.2019).

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seine Entscheidung nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG eine gutachtliche Stellung­ nahme anzufordern hat. Teilweise wird davon ausgegangen, als gutachtlich tätige Flugsicherungsorganisation könne in § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG allein die DFS gemeint sein, da diese als einzige in Deutschland zertifizierte Flugsi­ cherungsorganisation umfassend mit der Erbringung von hoheitlichen Flug­ verkehrsdiensten344 betraut sei.345 Andere Stimmen plädieren dafür, zur Ver­ meidung etwaiger Interessenkollisionen solle eine Flugsicherungsorganisation in das Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG eingebunden werden, die im konkreten Fall nicht zugleich Eigentümerin bzw. Betreiberin der durch ein geplantes Bauwerk möglicherweise gestörten Flugsicherungseinrichtung sei.346 Das BAF wiederum geht davon aus, dass stets diejenige Flugsiche­ rungsorganisation um Erstellung der gutachtlichen Stellungnahme nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu bitten ist, die die betreffende Flugsicherungseinrich­ tung betreibt und gegenüber dem BAF gemeldet hat.347 Diese Vorgehensweise sei unter fachlichen Gesichtspunkten sachgerecht, da allein die Eigentümerin bzw. Betreiberin der jeweiligen Flugsicherungseinrichtung auch die maßgeb­ lichen technischen und betrieblichen Aspekte in ihrer gutachtlichen Einschät­ zung umfassend berücksichtigen könne.348 Folge dieser vom Bundesverwal­ tungsgericht hinsichtlich ihrer Rechtmäßigkeit indirekt bestätigten349 Praxis des BAF ist, dass regelmäßige diejenige Flugsicherungsorganisation die Stel­ lungnahme i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG abgibt, die zugleich „betroffene“ Eigentümerin bzw. Betreiberin der durch ein Bauvorhaben möglicherweise gestörten Flugsicherungseinrichtung ist. Dies ist sehr häufig die DFS,350 die

344  Die Beauftragung der DFS mit der umfassenden Erbringung von Flugsiche­ rungsdiensten (insbesondere: Flugverkehrsdienste) folgt aus § 31b Abs. 1 LuftVG i. V. m. § 27c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LuftVG i. V. m. § 1 der Verordnung zur Beauftragung eines Flugsicherungsunternehmens (FS-AuftragsV) vom 11.11.1992 (BGBl. I 1992, S. 1928), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24.08.2009 (BGBl. I 2009, S. 2942). 345  So Fülbier, ZUR 2015, 432 (433) (dort Fn. 4); dies., NVwZ 2018, 453 (454) (dort Fn. 12); Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 51; wohl ebenso, wenn auch ohne Begründung Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Ge­ nehmigung von Windenergieanlagen, S. 13 f.; ferner Giemulla, in: Giemulla/Schmid, LuftVG, § 18a Rn. 13. 346  Sittig-Behm, ER 2016, 202 (206). 347  Auf Anfrage bestätigt durch Auskunft des BAF vom 08.10.2018 per E-Mail an den Verfasser; ebenso Nickel, UPR 2016, 405 (409). Das Meldeverfahren ist in § 18a Abs. 1a S. 2 LuftVG geregelt. 348  Auskunft des BAF vom 08.10.2018 per E-Mail an den Verfasser. 349  Vgl. BVerwGE 154, 377 (384 f.). 350  Dazu mit statistischem Material näher unten unter D. IV. 2. b). Zum Befund vgl. auch Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405); Kümper, VerwArch 108 (2017), 409 (410); Sittig/Falke, ER 2015, 17.



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bundesweit insgesamt 60 vom Schutz des § 18a Abs. 1 S. 1 u. 2 LuftVG um­ fasste „Drehfunkfeuer“351 betreibt.352 Eine unmittelbare Einbindung der DFS in das außenwirksame BImSchGGenehmigungsverfahren erfolgt nicht. Vielmehr erbringt die DFS ihre gut­ achtliche Tätigkeit allein im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG. Ähnlich wie beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG353 ist eine Pflicht der BImSchG-Genehmigungsbehörde oder des BAF, die im Ein­ zelfall mit der Abgabe der gutachtlichen Stellungnahme konkret betraute Flugsicherungsorganisation gegenüber dem Antragsteller, sonstigen Beteilig­ ten des BImSchG-Genehmigungsverfahrens oder der Öffentlichkeit mitzu­ teilen, nicht ausdrücklich vorgesehen. Gegebenenfalls kann der Antragsteller von der Einbindung der DFS in das luftfahrtinterne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG jedoch mittelbar Kenntnis erlangen, wenn ihn die ­BImSchG-Genehmigungsbehörde bei Vollständigkeit der Antragsunterlagen nach § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV über die voraussichtlich zu beteiligenden Behörden unterrichtet.354

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Ähnlich wie § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG und § 20 S. 1 AtG lässt auch § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ebenso wie die übrigen Bestimmungen des Luftverkehrsrechts offen, ob und welche Anforderungen die im Einzelfall mit der Erstellung der gutachtlichen Stellungnahme betraute Flugsicherungsorga­ nisation im Hinblick auf ihre Fachkompetenz und Unabhängigkeit erfüllen muss. Auch die Gesetzesbegründungen zur im Jahr 2009 in ihrer gegenwär­ tigen Grundstruktur implementierten355 und im Jahr 2016 teilweise geänder­ 351  Zur Erfassung von Drehfunkfeuern als Flugsicherungseinrichtung i. S. d. § 18a Abs. 1 LuftVG siehe Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 18. 352  Angabe zur Anzahl der Drehfunkfeuer nach Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Vorhaben IIe. Stromerzeugung aus Windenergie – Wissenschaftlicher Bericht, S. 208 (im Internet abrufbar unter https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/ Downloads/XYZ/zwischenbericht-vorhaben-2e.pdf?__blob=publicationFile&v=1, zu­ letzt abgerufen am 07.08.2019). 353  Zur Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben B. II. 354  Diese Unterrichtungspflicht des § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV erstreckt sich un­ mittelbar zwar nur auf die nach § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG bzw. § 19 Abs. 2 ­BImSchG zu beteiligenden Behörden. Im Fall seiner Unterrichtung über die Beteiligung des BAF kann je nach Lage des Einzelfalls für den Antragsteller auch die Mitwirkung der DFS publik werden. 355  „Gesetz zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften“ vom 29.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2424). Zur Begründung dieser Änderung in § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG siehe BTDrs. 16/11608, S. 17.

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ten356 Bestimmung des § 18a Abs. 1 LuftVG enthalten diesbezüglich keine Aussagen. Ungeachtet dessen lassen sich am Beispiel der Rolle der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG typische regulatorische Pro­ blemstellungen im Hinblick auf die Fachkompetenz und Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen illustrieren, die es nachfol­ gend aufzuzeigen gilt. 1. Fachkompetenz Anhand des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG und der ZKBS wurde bereits herausgearbeitet, dass die naturwissenschaftlich-technische Komple­ xität einer Sachmaterie sich häufig in weithin unbestimmten Prüfprogram­ men des materiellen Rechts niederschlägt. Insoweit wurde die These aufge­ stellt, dass neben der mitunter geringen Anzahl geeigneter Fachleute auch die in unbestimmten Rechtsbegriffen wie dem „Stand von Wissenschaft und Technik“ zum Ausdruck kommende Wissensdynamik der Naturwissenschaf­ ten dem Normgeber bei der regulatorischen Ausgestaltung der Fachkompe­ tenz sachverständiger Stellen Grenzen setzen kann. Diese regulatorischen Schwierigkeiten können vor allem in solchen Sachgebieten auftreten, wo sich die Fachkompetenz einer sachverständigen Stelle nicht allein durch abs­ trakte Qualifikationsmerkmale wie Ausstattung oder Hochschul- und Ausbil­ dung, sondern vielmehr durch ihr Methodenwissen bzw. ihr methodisches Vorgehen auszeichnet. Gerade im Umwelt- und Technikrecht fehlt es in den einschlägigen Fachdisziplinen und Wissenschaftsbereichen nicht selten an allgemein anerkannten Maßstäben und Methoden, die als gesicherte Erkennt­ nisse der im Einzelfall vorzunehmenden fachlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden können bzw. müssen. Dementsprechend ist es regelmäßig auch dem Gesetz- bzw. Normgeber nicht möglich, bei der Kodifizierung materiell-rechtlicher Prüfprogramme normativ vorzugeben, mit welchen kon­ kreten Prüf- bzw. Beurteilungsmethoden sachverständige Stellen bereichs­ spezifisch den „Stand von Wissenschaft und Technik“ oder das Vorliegen einer „Störung“ zu ermitteln haben. Dies erscheint relativ unproblematisch, wenn und soweit sich in einschlägigen technischen Regelwerken, Fachkon­ ventionen, Leitfäden oder Verwaltungsvorschriften des jeweiligen Sachge­ biets mit der Zeit anerkannte Vorgehensweisen und Methoden herauskristal­ lisieren. Ist dies jedoch nicht der Fall oder steht die Herausbildung allgemein anerkannter Beurteilungs- und Methodenstandards über einen längeren Zeit­ 356  „Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsgesetzes“ vom 28.06.2016 (BGBl.  I 2016, S.  1548). Zur diesbezüglichen Gesetzesbegründung siehe BTDrs. 18/8102, S. 24 (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr und digitale Infrastruktur).



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raum aus, kann nicht nur das „Wie“ der Konkretisierung des unbestimmten materiellen Rechts („Stand von Wissenschaft und Technik“, „Störung“) durch außerrechtliche Kategorien fraglich sein, sondern darüber hinaus auch die Fachkompetenz der zur Bewältigung der Problematik verwaltungsseitig ein­ gebundenen sachverständigen Stellen in Streit stehen. Liegen nämlich zur Beantwortung außerrechtlicher Fragestellungen keine exakten, als solche gemeinhin anerkannten Prüf- und Beurteilungsmethoden vor, kann auch das kodifizierte Recht die verwaltungsseitige Einbindung einer sachverständigen Stelle nicht von deren Befähigung abhängig machen, dass diese eine be­ stimmte Prüf- oder Beurteilungsmethode beherrscht und im Einzelfall an­ wenden kann. Derartige im materiellen Recht wurzelnde Steuerungsdefizite sind die Ur­ sache für die häufig im Zusammenhang mit naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren anzutreffenden „Gutachterkriege“, in denen regelmäßig insbesondere den verwaltungsseitig eingeschalteten sachverstän­ digen Stellen vom Antragsteller oder Dritten fehlende Fachkompetenz bzw. fehlendes oder unzureichendes Methodenwissen vorgeworfen wird. Ein an­ schauliches, in der Praxis der Energiewende besonders umstrittenes Beispiel stellt insoweit die Rolle der DFS im Zusammenhang mit ihrer Rolle als Verwaltungsgutachterin im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben dar. Für die Erle­ digung des der DFS als Flugsicherungsorganisation i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gesetzlich zugewiesenen Prüfauftrags, ob durch die Errichtung eines Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können, statuieren weder das Gesetzes- bzw. Verordnungsrecht noch das (sonstige) untergesetz­ liche Regelwerk abschließende Vorgaben zu den Prüf- und Beurteilungsme­ thoden, die die DFS zu beherrschen und anzuwenden hat.357 Für die Beurtei­ lung, ob geplante Windenergievorhaben die Funktionsfähigkeit von zivilen Flugsicherungseinrichtungen stören können, enthalten zwar die Richtlinien und Empfehlungen der internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO358 357  Um Flugsicherungsdienste i. S. d. § 27c Abs. 2 S. 1 LuftVG erbringen zu dür­ fen, müssen sich Flugsicherungsorganisationen durch das BAF zertifizieren lassen. Dies gilt auch für die DFS. In diesem Zertifizierungsverfahren wird auch die Kompe­ tenz von Flugsicherungsorganisationen im Hinblick auf die Erbringung von Flugsi­ cherungsdiensten geprüft. Einschlägige Vorgaben enthält insoweit die Durchführungs­ verordnung (EU) Nr. 1035/2011 der Kommission vom 17.10.2011 (ABl. Nr. L 271/23). Die dortigen Vorgaben bleiben vorliegend außer Betracht. Sie haben keinen Bezug zu fachlichen Kompetenzanforderungen, die für die Bewertung von Nutzungs­ konflikten zwischen Windenergieanlagen und Flugsicherungseinrichtungen einschlä­ gig sind. 358  Die Gründung der ICAO erfolgte auf der Grundlage des sogenannten Chica­ goer Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt vom 07.12.1944. Der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Chicagoer Abkommen erfolgte durch das „Ge­

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konkretisierende Maßstäbe.359 Ohne dass dieser Aspekt vorliegend einer nä­ heren Vertiefung bedarf, erweisen sich die ICAO-Vorgaben bei der Beurtei­ lung der von Windenergieanlagen auf Flugsicherungseinrichtungen ausge­ henden Störwirkung mitunter als in sich widersprüchlich.360 Da sich eine allein „richtige“ und somit allgemein anerkannte Methode bislang nicht her­ ausgebildet hat,361 sind die ICAO-Vorgaben Gegenstand unterschiedlicher wissenschaftlicher Interpretationen.362 Infolgedessen obliegt es gerade der DFS in ihrer Funktion als Verwaltungsgutachterin i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, für die Erstellung ihrer gutachtlichen Stellungnahme eine eigene wissenschaftlich geeignete Prüfmethode zu entwickeln und anzuwenden.363 Die Details dieser Methodenbildung und -anwendung durch die DFS sollen vorliegend nicht im Einzelnen vertieft werden. Hinzuweisen ist hier lediglich darauf, dass die DFS bei der Beurteilung von windenergievorhabenbedingten Störwirkungen auf in ihrem Eigentum stehende bzw. von ihr betriebene Flugsicherungseinrichtungen364 für letztere pauschal einen anlageninternen Fehler (sogenannter anlageninterner Winkelfehler) zugrunde legen darf. Die pauschale Zugrundelegung dieses anlageninternen Winkelfehlers der jeweili­ gen Flugsicherungseinrichtung führt – vereinfacht ausgedrückt – dazu, dass nach der von der DFS verwendeten Methode Windenergieanlagen nur in re­ lativ großen Abständen zu bestehenden Flugsicherungseinrichtungen errichtet werden dürfen, wo sie aber möglicherweise aus anderen Gründen (z. B. auf­ grund entgegenstehender Belange des Artenschutzes) nicht genehmigungs­ fähig sind. Technisch könnten diese anlageninternen Winkelfehler grundsätz­ lich durch strenge, indes kostenintensive Wartungsintervalle reduziert wer­ setz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu dem Abkommen vom 7. Dezember 1944 über die Internationale Zivilluftfahrt und die Annahme der Verein­ barung vom 7. Dezember 1944 über den Durchflug im Internationalen Fluglinienver­ kehr“ vom 07.04.1956 (BGBl. II 1956, S. 411). 359  Zur Anwendbarkeit der ICAO-Dokumente siehe etwa BVerwGE 154, 377 (380 f.); OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268 f.); OVG Lüneburg, DVBl 2015, 381 (383); VG Düsseldorf, ZNER 2014, 501 (502); VG Magdeburg, Urteil vom 30.11.2017 – 4 A 297/14 –, juris, Rn. 32 ff.; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11, juris, Rn. 31; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (404); Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 8 ff., 24 ff. 360  OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (269, 272); Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/ Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 25. 361  Aus der jüngeren Rechtsprechung siehe etwa VGH Kassel, Urteil vom 11.10.2018 – 9 A 867/15 –, juris, Rn. 53. 362  Für einen Überblick zum fachwissenschaftlichen Diskussions- und Methoden­ stand siehe etwa Josipovic, Windenergie und Drehfunkfeuer, S. 10 ff. 363  Giemulla/Kortas, ZLW 2014, 373 (382). 364  Genau genommen geht es um Drehfunkfeuer, die dem Schutzbereich des § 18a Abs. 1 LuftVG unterliegen. Siehe dazu Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 18.



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den.365 Hiervon sieht die DFS unter ausdrücklicher Billigung durch die Rechtsprechung366 jedoch regelmäßig ab,367 was im Ergebnis zu einer Ver­ knappung der für den Zubau von Windenergievorhaben in Betracht kommen­ den Flächen führt.368 Dementsprechend sind die von der DFS vorgenommene Interpretation der ICAO-Vorgaben sowie ihr methodisches Vorgehen bei der Ermittlung von Störwirkungen sowohl fachwissenschaftlich369 als insbeson­ dere auch in der Windenergiebranche sehr umstritten, weshalb das Vorgehen der DFS in der jüngeren Vergangenheit häufiger Gegenstand von Verwal­ tungsstreitverfahren war. Bei der Klärung dieses Konflikts sieht das Bundes­ verwaltungsgericht die Verwaltungsgerichte an ihren „Funktionsgrenzen“ angelangt370 und erkennt der DFS für die Beurteilungs- und Methodenwahl einen Spielraum zu, dessen Ausübung von den Gerichten bis zur Herausbil­ dung eines wissenschaftlich allgemein anerkannten Vorgehens lediglich auf seine Vertretbarkeit zu überprüfen sei.371 Zur Begründung verweist das Bun­ desverwaltungsgericht maßgeblich auf die besondere verfahrensrechtliche Stellung der DFS, deren Stellungnahmen der Gesetzgeber in § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG „zwar keine Richtigkeitsgewähr, wohl aber einen im Vergleich mit anderen behördlichen Gutachten […] hervorgehobenen Stellenwert“ bei­ gemessen habe.372

365  Dies hat die DFS in verschiedenen Gerichtsverfahren eingeräumt, siehe etwa OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG Düsseldorf, ZNER 2014, 501 (504). 366  BVerwGE 154, 377 (382 f.); OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG Düs­ seldorf, ZNER 2014, 501 (504 f.); VG Halle (Saale), Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 68. 367  Die pauschale Beurteilungsmethodik wendet die DFS auch dann an, wenn der anlageninterne Winkelfehler des Drehfunkfeuers im Einzelfall tatsächlich geringer ausfällt als die von ihr pauschal zugrunde gelegte Fehlerpauschale. Insoweit betont das Bundesverwaltungsgericht zwar, dass die Bestimmung des § 18a Abs. 1 LuftVG dem Ausschluss konkreter Störungen von Flugsicherungseinrichtungen diene und nicht auf den Schutz des – durch die für die Flugsicherungseinrichtung erteilte Anla­ genzulassung – rechtlich Erlaubten ziele. Allerdings dürfe die DFS bei ihrer gutacht­ lichen Prüfung eine pauschale Beurteilungsmethodik anwenden, da nur diese eine Betrachtung des „worst case“ ermögliche, siehe BVerwGE 154, 377 (382 f.). 368  Zur technischen Dimension des Nutzungskonflikts siehe aus dem juristischen Schrifttum etwa Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (406 f.); von der Groeben/ Kindler, ZfBR 2015, 337 (339). 369  Hingewiesen sei hier nur auf die Darstellung und Nachweise bei Josipovic, Windenergie und Drehfunkfeuer, S. 8 ff. 370  BVerwGE 154, 377 (384). 371  BVerwGE 154, 377 (385 f.). 372  BVerwGE 154, 377 (384). Gleiches gilt nach der Rechtsprechung des Bundes­ verwaltungsgerichts (a. a. O.) für die auf die Gutachten der DFS gestützten Entschei­ dungen des BAF. Auf die Rolle des BAF wird unten unter § 5 B. eingegangen.

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Damit ist die DFS ein weiteres Beispiel für die Grenzen, die das zur Be­ wältigung naturwissenschaftlich-technisch komplexer Sachverhalte nahezu notwendigerweise373 unbestimmte materielle Recht dem Gesetz- bzw. Norm­ geber bei der Ausgestaltung von fachlichen Kompetenzanforderungen an verwaltungsseitig tätige sachverständige Stellen setzt. Den naturwissen­ schaftlich-technischen Nutzungskonflikt zwischen Windenergievorhaben und zivilen Flugsicherungssicherungseinrichtungen löst das Bundesverwaltungs­ gericht argumentativ mit einer aus § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu Gunsten der DFS abgeleiteten Vermutung erhöhter Fachkompetenz. Mit Blick auf ihre „Doppelstellung“ als Verwaltungsgutachterin im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auf der einen und Eigentümerin bzw. Betreiberin von durch Bauvorhaben „betroffenen“ Flugsicherungseinrichtungen auf der ande­ ren Seite ist freilich die Frage nach der Unabhängigkeit der DFS aufgewor­ fen, der im Folgenden nachzugehen ist. 2. Unabhängigkeit Ebenso wenig wie für die Fachkompetenz lassen sich den Vorschriften des Luftverkehrsrechts Vorgaben hinsichtlich der Unabhängigkeit der im Prüfver­ fahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG jeweils vom BAF eingebundenen Flug­ sicherungsorganisation entnehmen. Vielmehr fehlt es im Unterschied zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oder zur ZKBS im Fachrecht an einem normativen Anknüpfungspunkt dafür, dass Flugsicherungsorganisationen im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einem Unabhängigkeitspostulat unterliegen.374 Dass diese Vorgabe im kodifizierten Recht weder angesprochen noch in­ haltlich ausgeformt wird, kann nicht schon zu der Annahme führen, die DFS unterliege bei ihrer Tätigkeit im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG von vornherein keinem Unabhängigkeitsgebot. Ein Indiz für eine ungeschrie­ bene Geltung des Unabhängigkeitspostulats einer sachverständigen Stelle kann sich aus ihrer rechtlichen Stellung ergeben. Die DFS ist eine als GmbH verfasste juristische Person des Privatrechts, deren Anteile zu 100 % dem Bund gehören.375 Während die DFS bei der Erbringung der ihr zur Aufga­ benwahrnehmung zugewiesenen Flugverkehrsdienste als Beliehene hoheit­ 373  Die Etablierung von Prüfprogrammen im materiellen Fachrecht, die durch un­ bestimmte Rechtsbegriffe geprägt werden, ist unter dem Blickwinkel des rechtsstaat­ lichen Bestimmtheitsgrundsatzes nicht grundsätzlich zu beanstanden, vgl. BVerfGE 49, 89 (134 ff.). 374  Siehe auch die Regelung des § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV. 375  DFS, Geschäftsbericht 2018, S. 10, im Internet abrufbar unter https://www.dfs. de/dfs_homepage/de/Unternehmen/Zahlen%20und%20Daten/Finanzen/DFS-Gesch% C3%A4ftsbericht%202018_DE.pdf (zuletzt abgerufen am 07.08.2019).



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lich tätig wird,376 erbringt sie weitere Flugunterstützungsdienste zu Marktbe­ dingungen als privatwirtschaftliche Dienstleistung.377 Bei der Erstellung ihrer gutachtlichen Stellungnahme nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG wird die DFS ebenfalls nicht hoheitlich als Beliehene, sondern als Verwaltungshelferin tä­ tig.378 Dementsprechend ist die Abgabe der gutachtlichen Stellungnahme i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG durch die DFS nicht hoheitlicher Natur, sondern als privatrechtliche Tätigkeit in Erfüllung einer ihr auferlegten öf­ fentlich-rechtlichen Pflicht einzuordnen.379 Insofern wird man die Geltung des Unabhängigkeitspostulats für die DFS bereits aus ihrer Stellung als in die staatliche Aufgabenwahrnehmung eingebundene sachverständige Stelle ab­ leiten können.380 Gleichzeitig ist die DFS aufgrund ihrer verfahrensrechtli­ chen Doppelstellung im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG abstrakt nicht vollständig frei von Eigen- bzw. Bestandsinteressen. Im Schrifttum wird die Prüf- und Beurteilungsmethodik, welche die DFS bei der Beurteilung von windenergievorhabenbedingten Störwirkungen auf Flug­ sicherungseinrichtungen anwendet,381 als Ausdruck eines Eigeninteresses an möglichst weiten Abständen zwischen neuen Windenergieanlagen und den in ihrem Eigentum stehenden bzw. von ihr betriebenen Flugsicherungseinrich­ tungen angesehen.382 Diese Einschätzung ist darauf zurückzuführen, dass die DFS mittels der von ihr betriebenen, gegenüber dem Betrieb von Windener­ 376  §§ 27c

Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 31b Abs. 1 LuftVG i. V. m. § 1 FS-AuftragsV. Abs. 2 S. 1 Nr. 2–5, S. 2 u. 3 LuftVG. 378  Siehe Brandt, in: Thiele/Brandt (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen der Wind­ energienutzung, S. 1 (9); wohl auch Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Ge­ nehmigung von Windenergieanlagen, S. 14; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405), die jeweils darauf hinweisen, dass die DFS Unterstützungsdienste für die Flug­ sicherung nach § 27c Abs. 2 S. 2 u. 3 LuftVG als privatwirtschaftliche Dienstleistun­ gen erbringe. 379  VG Oldenburg, ZNER 2015, 125 (126); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405). 380  Zu diesem Ansatz allgemein Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 298 (305 f.). 381  Dazu oben D. III. 1. 382  Siehe aus dem juristischen Schrifttum etwa Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S. 15 ff.; Battis/von der Groeben, ZNER 2015, 107 (108); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (407); von der Groeben/Kindler, ZfBR 2015, 337 (340); Kindler, NVwZ 2016, 1459 (1460); Sittig/Falke, ER 2015, 17 (20); Sittig-Behm, ER 2016, 202 (206); kritisch unter dem Gesichtspunkt der nach Auffassung der Autoren fehlenden demokratischen Legitima­ tion der DFS Federwisch/Schmitz, ZfBR 2015, 542 (544). Siehe allgemein zu den Auswirkungen von Bestandsinteressen auf Entscheidungen von Verwaltungseinheiten Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 243 ff. 377  § 27c

148

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

gieanlagen als besonders störanfällig geltenden Drehfunkfeuern383 Flugnavi­ gationsdienste als privatwirtschaftliche Dienstleistung zu Marktbedingungen erbringt.384 Damit – vereinfacht ausgedrückt – der Betrieb von Windenergie­ anlagen die Funktionsfähigkeit der Drehfunkfeuer nicht beeinträchtigt, müsste die DFS die von ihr betriebenen Anlagen sehr häufig warten.385 Et­ waige kürzere Wartungsintervalle, die aus dem Zubau neuer Windenergiean­ lagen im räumlichen Umkreis von Drehfunkfeuern resultierten, würden je­ doch neben nachteiligen Folgen für den Luftverkehr nicht zuletzt auch einen erhöhten Kostenaufwand für die DFS bedeuten.386 Dieses wirtschaftliche Eigeninteresse der zwar hoheitlich beherrschten, indes als GmbH verfassten und im Bereich der Flugnavigation nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen handelnden DFS stellt den tatsächlichen Anknüpfungspunkt für das norma­ tive Bedürfnis dar, etwaige Interessenkollisionen bei ihren gutachtlichen Stellungnahmen im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG regulatorisch einzuhegen. Allerdings klärt die nachgerade grundsätzlich zu bejahende Anwendbarkeit des Unabhängigkeitspostulats weder dessen konkreten Regelungsgehalt noch die exakten Voraussetzungen, unter denen die DFS bei der Erstellung ihrer gutachtlichen Stellungnahme als unabhängig bzw. nicht mehr als unabhängig angesehen werden kann. Mangels vorrangiger Bestimmungen im Fachrecht könnte sich die Unabhängigkeit der DFS ebenso wie beim Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG387 und für die Mitglieder der ZKBS388 aus dem norma­ tiven Regelungsgehalt der Ausschlusstatbestände der §§ 20, 21 VwVfG erge­ ben. Dies setzt die Eröffnung des Anwendungsbereichs beider Vorschriften 383  Drehfunkfeuer sind von § 18a Abs. 1 LuftVG erfasste Flugsicherungseinrich­ tungen, siehe nur Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 18. 384  Vgl. § 27c Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 2 u. 3 LuftVG. Zum hieraus erwachsenden wirtschaftlichen Eigeninteresse der DFS siehe auch Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S. 14; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405). 385  Zu diesem Aspekt siehe oben D. III. 1. 386  Dies räumt die DFS selbst ein, vgl. das entsprechende Prozessvorbringen in den Entscheidungen des OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG Halle (Saale), Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 68; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11 –, juris, Rn. 22; aus der jüngeren Rechtsprechung siehe etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 8. Nach Auffas­ sung von BAF und DFS umfasst der in § 18a Abs. 1 LuftVG verwendete Begriff der Störung auch den Umstand, dass nach den international anerkannten Wartungspro­ grammen nicht vorgesehene Maßnahmen ergriffen werden müssen, vgl. VG Düssel­ dorf, Urteil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 8. 387  Siehe oben B. III. 2. 388  Dazu oben C. III. 2.



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)149

hinsichtlich der Tätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG voraus. Nach herrschender Meinung gelten die §§ 20, 21 VwVfG zwar über ihren Wortlaut hinaus nicht lediglich für Ver­ waltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG, sondern in entsprechender Anwendung auch für sonstiges Verwaltungshandeln, bei dem eine Gefahr von Interessen­ kollisionen bestehen kann.389 Ebenso erfasst der personelle Anwendungsbe­ reich beider Vorschriften grundsätzlich auch verwaltungsexterne sachverstän­ dige Stellen.390 Ob dies auch dann gilt, wenn letztere – wie im Fall der DFS– als juristische Personen organisiert, ist nach verbreiteter Auffassung zu verneinen,391 wurde aber vom OVG Lüneburg jedenfalls im Hinblick auf die Bestimmung des § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 VwVfG explizit offen gelassen.392 Bezogen auf die DFS kann die Klärung dieser Frage jedoch dahinstehen. Nach wohl einhelliger Auffassung finden die Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG auf eine für eine Behörde tätige Person keine unmittelbare oder analoge Anwendung, wenn diese im Verwaltungsverfahren kraft Gesetz obli­ gatorisch mitwirken muss.393 In diesem Fall komme der Einbringung spezifi­ scher Fachkompetenz gegenüber dem Unabhängigkeitspostulat ein regulato­ rischer Vorrang zu, der sich konkret darin äußere, dass der Gesetzgeber eine mögliche Voreingenommenheit des Beteiligten und eine Gefahr der Verfol­ gung von Partikularinteressen in Kauf nehme.394 Ein solcher Fall liegt bei der Einbindung der DFS als Verwaltungsgutach­ terin im luftfahrtinternen Prüfverfahren i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG vor, ohne dass Rechtsprechung und Schrifttum diesen Befund im Hinblick auf die gutachtliche Tätigkeit der DFS explizit diskutieren. Wie oben dargelegt, steht die Hinzuziehung der Flugsicherungsorganisation im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG nicht im Verfahrensermessen des BAF, sondern ist die­

389  Für verwaltungsprivatrechtliches Handeln siehe BVerwGE 111, 35 (41); Heßhaus, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar VwVfG, § 20 Rn. 12; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 7a; Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 19. 390  Siehe zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben B. III. 2. 391  Ausdrücklich gegen eine Anwendung auf juristische Personen etwa Scheuing, NVwZ 1982, 487 (488 f.); siehe ferner VerfG Brandenburg, NVwZ-RR 2017, 394 (398); Ziekow, VwVfG, § 20 Rn. 5. 392  OVG Lüneburg, Urteil vom 08.03.2006 – 7 KS 145/02 –, juris, Rn. 36 (zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG). 393  BVerwG, NVwZ-RR 2014, 465 (468  f.); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 7a; ähnlich, aber lediglich unter Bezug auf § 20 VwVfG VGH Kas­ sel, Urteil vom 30.11.2011 – 6 A 2903/09 –, juris, Rn. 101 f.; Steinkühler, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 25. 394  VGH Kassel, Urteil vom 30.11.2011 – 6 A 2903/09 –, juris, Rn. 101; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 25.

150

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

sem gesetzlich verbindlich vorgegeben.395 Nach dem Verständnis des BAF, das sich in auch seiner behördlichen Beauftragungspraxis widerspiegelt,396 gibt § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG nicht nur das „Ob“ der Betrauung, sondern auch die konkret mit der Abgabe einer gutachtlichen Stellungnahme zu be­ fassende Flugsicherungsorganisation verbindlich vor. So sei die Fertigung der gutachtlichen Stellungnahme im Einzelfall stets bei derjenigen Flugsiche­ rungsorganisation zu erfragen, die die möglicherweise durch ein geplantes Bauwerk gestörte Flugsicherungseinrichtung betreibe und dem BAF nach § 18a Abs. 1a S. 2 LuftVG gemeldet habe.397 Folgt man dem, sind auf Grundlage der herrschenden Meinung zur Reichweite des Anwendungsbe­ reichs der §§ 20, 21 VwVfG beide Vorschriften auf die Tätigkeit der DFS als verwaltungsberatende sachverständige Stelle nicht anwendbar. Denn nach der vom BAF vertretenen Auslegung des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ist die Einbindung der DFS im Fall der „Betroffenheit“ ihrer Flugsicherungseinrich­ tungen gesetzlich zwingend vorgeschrieben. Auf die oben aufgeworfene Frage, ob die Mitwirkungsverbote der §§ 20, 21 VwVfG nicht lediglich für Individualpersonen, sondern weitergehend auch für juristische Personen des Privatrechts gelten können, kommt es daher im Fall der DFS nicht an. Auch die Rechtsprechung lässt die ständige Einbindungspraxis des BAF bei der Hinzuziehung von Flugsicherungsorganisationen in das luftfahrt­ interne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Ergebnis unbeanstan­ det. In seiner bislang einzigen zum Nutzungskonflikt zwischen Windenergie und ziviler Flugsicherung ergangenen Entscheidung hat das Bundesverwal­ tungsgericht die Handlungsrationalität und ausschließliche Sachorientierung der DFS ungeachtet deren Doppelstellung als Verwaltungsgutachterin i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auf der einen und Eigentümerin bzw. Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen (genauer: Drehfunkfeuer) auf der anderen Seite aus ihrer öffentlich-rechtlichen Trägerschaft abgeleitet, die überdies durch eine „übergeordnete Entscheidungskompetenz des als Behörde öffent­ lich-rechtlich organisierten BAF“ abgesichert werde.398 Dem Gesetzgeber sei bei der Privatisierung der DFS bewusst gewesen, dass etwaige wirtschaftli­ che Eigeninteressen der DFS möglicherweise auch in ihre Begutachtungs­ tätigkeit im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einfließen könnten. Gleichwohl habe er den Gutachten der DFS einen hervorgehobenen verfah­ rensrechtlichen Stellenwert beigemessen. Jedenfalls bestehe ohne anderwei­ tige konkrete Anhaltspunkte im jeweiligen Einzelfall kein Anlass, die „Ob­

395  Siehe

396  Ebda. 397  Ebda.

oben D. II.

398  BVerwGE

154, 377 (385).



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)151

jektivität der gutachtlichen Stellungnahmen der DFS von vornherein in Frage zu stellen“.399 Diese knappe Argumentation des Bundesverwaltungsgerichts überzeugt nicht. Die Einbindungskonstellation der DFS erscheint vergleichbar mit den Fällen der „institutionellen Befangenheit“, die dadurch gekennzeichnet sind, dass ein Träger öffentlicher Verwaltung tatsächlich oder dem äußeren An­ schein nach über ein Sonder- bzw. Eigeninteresse an einem bestimmten Ausgang eines Verwaltungsverfahrens verfügt.400 Nach ständiger Rechtspre­ chung des Bundesverwaltungsgerichts kennt die nationale Rechtsordnung eine „institutionelle Befangenheit“ von Behörden nicht. Daher finden die Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG auf die Tätigkeit von Behörden in Verwaltungsverfahren keine Anwendung.401 Gleichwohl hält es das Bundes­ verwaltungsgericht in entsprechenden Fallkonstellationen für geboten, durch eine organisatorische bzw. personelle Trennung von Aufgabenbereichen die Sachorientierung und Handlungsrationalität innerhalb einer Behörde zu ge­ währleisten.402 Ob sich dieser Ansatz unmittelbar auf die DFS übertragen lässt, erscheint fraglich. Es steht zu vermuten, dass innerhalb der DFS ohne­ hin verschiedene Abteilungen und Personen für die Abfassung von Stellung­ nahmen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auf der einen und die Wartung von Flugsicherungseinrichtungen auf der anderen Seite zuständig sind.403 Aller­ 399  BVerwGE 154, 377 (385). Für die Annahme, der Gesetzgeber habe im Zuge der im Jahr 2009 erfolgten Neukonzeption des Prüfverfahrens nach § 18a Abs. 1 LuftVG der DFS trotz ihrer wirtschaftlichen Eigeninteressen bewusst eine starke ver­ fahrensrechtliche Stellung zugewiesen (so das BVerwG a. a. O.), fehlt es an entspre­ chenden Anhaltspunkten in der Gesetzesbegründung. Der Gesetzgeber begründete die seinerzeitigen Neuerungen in § 18a LuftVG mit der unionsrechtlich gebotenen Tren­ nung von regulativen und operativen Aufgaben der Flugsicherung sowie dem Infor­ mationsaustausch zwischen BAF und der jeweiligen Flugsicherungsorganisation bei geplanten Bauvorhaben. Zu etwaigen wirtschaftlichen Eigeninteressen der DFS, die sich auf ihre Begutachtungspraxis auswirken können, verhält sich die Gesetzesbe­ gründung hingegen nicht, vgl. BT-Drs. 16/11608, S. 15. Der Nutzungskonflikt zwi­ schen Windenergievorhaben und zivilen Flugsicherungseinrichtungen, der den An­ knüpfungspunkt für die in Rede stehende Unabhängigkeit der DFS als gutachtlich tätige sachverständige Stelle bildet, hat sich erst durch die im Jahr 2011 politisch forcierte Energiewende zugespitzt. Zu diesem Gesichtspunkt und weiteren Hinter­ gründen des Nutzungskonflikts siehe Nickel, UPR 2016, 405 (406 ff.). 400  Zu unterschiedlichen Erscheinungsformen institutioneller Befangenheit siehe Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 66 ff. 401  Zur diesbezüglichen Rechtsprechung siehe etwa BVerwGE 153, 367 (372); BVerwG, NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71); NVwZ-RR 2018, 928 (929). 402  BVerwGE 133, 239 (245); 139, 150 (155); BVerwG, LKV 2018, 69 (71). 403  Diese Frage konnte im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in tatsächlicher Hinsicht nicht geklärt werden.

152

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

dings wird anhand der angeführten Rechtsprechung ein allgemeines, im rechtsstaatlichen Gebot fairer Verfahrensgestaltung wurzelndes Bedürfnis er­ kennbar, etwaige sachwidrige Eigeninteressen verwaltungsseitig agierender sachverständiger Stellen regulatorisch einzuhegen. Vor diesem Hintergrund ist in Ermangelung besonderer organisatorischer Vorkehrungen im Folgenden zu prüfen, ob und inwieweit die Unabhängigkeit der DFS auf der Verfahrens­ ebene rechtlich abgesichert wird.

IV. Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren Wie bereits dargelegt, stellt das Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Rahmen der Zulassung von Windenergievorhaben kein auf ­Außenwirkung gerichtetes Verwaltungsverfahren dar, sondern wird vielmehr über die im BImSchG-Genehmigungsverfahren nach Maßgabe von § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG durchzuführende Behördenbeteiligung in ein anderes Verwaltungsverfahren eingebettet. Damit stellt das Prüfverfahren i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ein Beispiel für ein verwaltungsinternes Mitwirkungsver­ fahren dar, das innerhalb eines gestuften Zulassungsverfahrens durchzufüh­ ren ist. Ausgehend von der oben herausgearbeiteten Doppelstellung der DFS sind nachfolgend die Modalitäten ihrer Tätigkeit im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG in den Blick zu nehmen. Zunächst ist ebenso wie beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG und der ZKBS auch für die DFS in einem ersten Schritt auf die von ihr bei der Fertigung ihrer Stellungnahme zu beachtenden Verfahrensvorgaben einzugehen, bevor in einem zweiten Schritt ihre gutachtliche Stellungnahme als „Arbeitsprodukt“ näher betrachtet wird. 1. Prüfung des Antrags und Abgabe einer Stellungnahme Die rechtlichen Vorgaben für die Tätigkeit der DFS als Verwaltungsgut­ achterin im luftfahrtinternen Prüfverfahren ergeben sich allein aus der Be­ stimmung des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG.404 Nach dieser Vorschrift hat die DFS in ihrer gutachtlichen Stellungnahme zu prüfen, ob durch die Errichtung eines Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können.405 Für 404  Es sei nochmal darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auch für andere vom BAF hinzugezogene Flugsicherungsorganisationen gilt. 405  Der Begriff der „Störung“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der Konkretisierung bedarf. Die Rechtsprechung und ihr folgend ein Teil der Literatur gehen von einem objektiven, technisch geprägten Störungsbegriff aus. Eine Störung sei hiernach dann anzunehmen, wenn die Funktionalität der Flugsicherungseinrich­ tung durch ein geplantes Bauwerk in einem Maß beeinträchtigt werde, das sich auf die sichere, geordnete und flüssige Abwicklung des Flugverkehrs (vgl. § 27c Abs. 1 LuftVG) auswirke. Ob die Schwelle von einer bloßen Beeinflussung zur Beeinträch­



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)153

die Fertigung ihrer Stellungnahme hat die DFS eine fachtechnische Analyse vorzunehmen,406 bei der sie sich, wie oben bereits dargelegt, mangels nähe­ rer Vorgaben im Gesetz bzw. untergesetzlichen Regelwerk an den Empfeh­ lungen der ICAO orientieren darf, die sich jedoch mitunter als widersprüch­ lich erweisen und daher interpretationsbedürftig sind.407 Das Bundesverwal­ tungsgericht erkennt der DFS diesbezüglich einen methodischen Spielraum zu, bei dessen Ausübung sie aber berücksichtigen muss, ob sich allgemein anerkannte Methoden und Maßstäbe herausgebildet haben, infolge derer ab­ weichende Vorgehensweisen wissenschaftlich als nicht mehr vertretbar an­ zusehen sind.408 Hat die DFS ihre Stellungnahme fertiggestellt, übermittelt sie diese an das BAF, das auf dieser Grundlage seine Entscheidung über das Vorliegen einer bauvorhabenbedingten Störung i.  S.  d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG trifft. Weitere verfahrensrechtliche Anforderungen oder Vorgaben statuiert das kodifizierte Fachrecht an die Tätigkeit der DFS im Prüfverfah­ ren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG nicht. Es finden sich weder auf Gesetzesnoch auf Verordnungsebene an die DFS gerichtete Pflichten oder Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung.409 Auch ist die DFS vor Abfassung ihrer gutacht­ lichen Stellungnahme nicht zu einer Anhörung des Antragstellers verpflichtet oder muss – wie etwa der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG410 – bei der Verfassung ihrer Stellungnahme besondere Form- oder Begründungsanforde­ rungen einhalten. Ebenso wenig ist eine Bekanntgabe der Stellungnahmen der DFS gegenüber dem Antragsteller des außenwirksamen BImSchG-­ tigung einer Flugsicherungseinrichtung durch ein geplantes Bauwerk überschritten sei, könne unter Rückgriff auf die Regelungen des Annex 10 des Chicagoer Abkom­ mens sowie auf solche des europäischen Regionalbüros der durch das Abkommen gegründeten internationalen Zivilluftfahrtbehörde ICAO (ICAO Euro Doc 015) be­ stimmt werden. Zu diesem objektiv-technischen Störungsbegriff siehe BVerwGE 154, 377 (379 f.); Kümper, NJW 2016, 2924 (2925); ders., ZfBR 2016, 739 (740); Nickel, UPR 2016, 405 (408). Teile der Rechtsprechung und der Literatur befürworten dem­ gegenüber eine am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz orientierte Auslegung des Stö­ rungsbegriffs, vgl. VG Oldenburg, ZNER 2015, 125 (129 ff.); Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S. 21; Brandt, in: Thiele/Brandt (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen der Windenergienutzung, S. 1 (5); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403; Federwisch/Schmitz, ZfBR 2015, 542 (544); ähnlich Giemulla/Kortas, ZLW 2014, 373 (381 f.). 406  Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergiean­ lagen, S. 14. 407  Siehe dazu oben D. III. 1. 408  BVerwGE 154, 377 (385 f.). 409  Sofern binnenrechtliche Vorgaben des BAF bzw. Regelwerke der DFS existie­ ren, sind diese jedenfalls nicht öffentlich zugänglich und müssen daher vorliegend außer Betracht bleiben. 410  Dazu oben B. IV. 1.

154

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Genehmigungsverfahrens explizit geregelt. Bejaht das BAF jedoch auf der Grundlage der gutachtlichen Stellungnahme der DFS eine Störung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, übermittelt in der Praxis die zuständige BImSchGGenehmigungsbehörde die Beiträge von BAF und DFS nachrichtlich an den Antragsteller. Eine weitergehende Offenlegung der gutachtlichen Stellung­ nahmen der DFS – etwa im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung im ­BImSchG-Genehmigungsverfahren411 – ist nicht vorgesehen.412 Etwaige Verfahrens- oder Formanforderungen an die Stellungnahmen der DFS ergeben sich auch nicht aus allgemeinen Vorschriften. Das Prüfverfah­ ren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ist, soweit es in das BImSchG-Genehmi­ gungsverfahren eingebettet wird, kein Verwaltungsverfahren i.  S.  d. §  9 VwVfG, da es nicht auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist.413 Infolgedessen sind die Bestimmungen des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Amtsermittlung, Beratung, Anhörung, Gewährung von Aktenein­ sicht sowie Bestimmtheits- und Begründungsanforderungen (§§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 u. 2, 28 Abs. 1, 29, 37 Abs. 1, 39 VwVfG) auf die Tätigkeit der DFS nicht unmittelbar anwendbar.414 Ob und inwieweit die genannten Vor­ schriften über das Verwaltungsverfahren für die DFS jedenfalls analog gel­ ten, wird in Rechtsprechung und Literatur – soweit ersichtlich – nicht disku­ tiert und ist entsprechend ungeklärt.415 Damit ist die Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ein typisches Beispiel für eine Vorbereitungsmaßnahme, die in einem verwaltungsinternen Verfahren durchgeführt wird und für die mangels Außenwirkung die auf Verwaltungs­ akte abzielenden Verfahrens- und Formanforderungen der §§ 24 Abs. 1, 25

411  Siehe

insoweit nur die Bestimmung des § 10 Abs. 3 BImSchG. lässt sich in rechtlicher Hinsicht an der regelmäßig parallelen Durchfüh­ rung von Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung (vgl. § 11 S. 1 der 9. BImSchV) festmachen. Im Zeitpunkt der Bekanntmachung des Vorhabens, durch die die Öffent­ lichkeitsbeteiligung eingeleitet wird, wird die DFS die Erstellung ihrer gutachtlichen Stellungnahmen regelmäßig noch nicht abgeschlossen haben. 413  Die das Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG abschließende Entschei­ dung des BAF wird als interner Mitwirkungsakt und nicht als Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG qualifiziert, siehe dazu BVerwGE 154, 377 (379); Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 51. 414  Zur Frage der Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf die Tätigkeit des BAF siehe näher unten § 5 B. IV. 1. 415  Lediglich für die auf das Votum der DFS ergehende Entscheidung des BAF neigen Teile der Rechtsprechung aus „rechtsstaatlichen Gründen“ der Annahme eines Begründungserfordernisses zu, vgl. OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268) und unten § 5 B. IV. 1. Zu allgemeinen Tendenzen der Verrechtlichung des bislang weithin „ver­ fahrensfreien Binnenbereichs“ der Verwaltung siehe Hufen/Siegel, Fehler im Verwal­ tungsverfahren, Rn.  785 ff. 412  Dies



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Abs. 1 u. 2, 28 Abs. 1, 29, 37 Abs. 1, 39 VwVfG nicht bzw. nicht unmittel­ bar gelten.416 In Teilen des Schrifttums wird diese auch für andere Bereiche geltende „Formenstrenge“ des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts insbesondere im Hinblick auf solche Mitwirkungsakte kritisiert, denen trotz ihrer fehlen­ den unmittelbaren Wirkung im Außenverhältnis gleichwohl eine vorprägende „Außenrechtsrelevanz“ bzw. „faktische Außenwirkung“ zukommen kann.417 Um in solchen Konstellationen den Verfahrens- und Rechtsschutzinteressen insbesondere des Adressaten der im Außenverhältnis ergehenden Verwal­ tungsentscheidung Rechnung zu tragen, wird gefordert, auch bloße Vorberei­ tungshandlungen den allgemeinen Verfahrens- und Formanforderungen der §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 u. 2, 28 Abs. 1, 29, 37 Abs. 1, 39 VwVfG zu unter­ werfen.418 Für dahingehende Überlegungen und Forderungen bieten verschiedene, hier weder als repräsentativ noch als empirisch belegt zu verstehende Praxis­ erfahrungen mit der Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben durchaus Anschau­ ungs- und Argumentationsmaterial.419 Nicht selten liegen den gutachtlichen Stellungnahmen der DFS veraltete oder unrichtige Angaben zur räumlichen Lage geplanter Windenergievorhaben zugrunde,420 was einen Überarbei­ tungsbedarf der von der DFS bereits erstellten Stellungnahmen und folglich Verzögerungen des außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahrens nach sich zieht. Von Seiten bauwilliger Träger von Windenergievorhaben wird kritisiert, die DFS sei häufig nicht bereit, bei der Erstellung ihrer gut­ achtlichen Stellungnahmen die Antragsteller selbst und nicht lediglich über

416  Zu weiteren Beispielen siehe Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 784. 417  Siehe etwa Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 788; vgl. ferner am Beispiel der Verfahrensbeteiligung Lange, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schuppert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 307 (313 f.). 418  Aus dem Schrifttum siehe insbesondere Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungs­ verfahren, Rn.  788 f. 419  Soweit nicht anderweitig belegt, beruhen die nachfolgenden Darlegungen mit­ unter auf eigenen praktischen Erfahrungen aus der anwaltlichen Tätigkeit des Verfas­ sers sowie aus Gesprächen, die dieser mit Personen aus der Windenergiebranche ge­ führt hat. 420  Das zuletzt durch das „Fünfzehnte Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsge­ setzes“ vom 28.06.2016 (BGBl. I 2016, S. 1548) angepasste Verfahren zur Informa­ tionsgewinnung nach § 18a Abs. 1a LuftVG wird nicht als ausreichend gesehen, um eine frühzeitige Kenntniserlangung von BAF und DFS über geplante Bauvorhaben zu gewährleisten, vgl. Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 60 ff.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

die federführende BImSchG-Genehmigungsbehörde anzuhören.421 Zudem lege die DFS die von ihr angewendete Beurteilungsmethodik in den techni­ schen Details nicht offen, weshalb ihr methodisches Vorgehen und die Ergeb­ nisse ihrer Prüfungen häufig intransparent und nicht nachvollziehbar seien.422 Ob diese Kritikpunkte ein objektiv vorhandenes, flächendeckendes Phäno­ men beschreiben oder lediglich punktuelle, von subjektiven Wahrnehmungen überformte Einschätzungen aus „der“ Windenergiebranche darstellen, kann und soll hier nicht abschließend behandelt werden. Jedenfalls im ersten Fall bestünde aufgrund der Erkenntnisse aus dem Referenzgebiet durchaus An­ lass, die trotz punktueller Ausweitungen auf sonstiges außenwirksames Ver­ waltungshandeln ausgehend vom Gesetzeswortlaut nach wie vor an das Vorliegen eines Verwaltungsakts anknüpfenden Anwendungsbereiche der §§ 24 Abs. 1, 25 Abs. 1 u. 2, 28 Abs. 1, 29, 37 Abs. 1, 39 VwVfG sachbe­ reichsspezifisch auf verwaltungsinternes Handeln externer sachverständiger Stellen zu erweitern. Soweit demgegenüber teilweise vertreten wird, etwaige Verfahrens- und Formmängel der gutachtlichen Stellungnahmen der DFS seien nur insoweit relevant, soweit diese sich in den auf ihrer Grundlage er­ gehenden Entscheidungen des BAF inhaltlich niederschlügen,423 greift dies zu kurz. Wie im Folgenden darzulegen sein wird, kommt den gutachtlichen Stellungnahmen der DFS ungeachtet ihrer rechtlichen Unverbindlichkeit für die Entscheidungen des BAF nicht nur eine empirisch belegbare „faktische Bindungswirkung“ im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu. Vielmehr entfalten die Voten der DFS im Zusammenhang mit der Zulassung von Windenergievorhaben jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht auch Wirkungen im außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahren.

421  Die Kritik bezieht sich dabei gleichermaßen auf das BAF. Zu dessen Verfah­ renstätigkeit als im BImSchG-Genehmigungsverfahren zu beteiligende Fachbehörde siehe unten § 5 B. IV. 1. 422  Aus dem (juristischen) Schrifttum siehe Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405); Josipovic, in: Brandt (Hrsg.), Jahrbuch Windenergierecht 2016, S. 33 (40); siehe auch Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Be­ deutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Wind­ energieanlagen, S. 17; Kindler, NVwZ 2016, 1459 (1461); ferner BT-Drs. 18/7050, S. 1 f. (Entschließungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen). In einem vom Verfasser anwaltlich begleiteten Fall wurde parallel zu einem laufenden BImSchGGenehmigungsverfahren beim BAF (zu dessen Zuständigkeit vgl. §§ 1 Abs. 1 S. 3, 7 Abs. 1 S. 2 IFG) ein Antrag auf Informationszugang eingereicht, um die von der DFS zugrunde gelegte Berechnungsmethodik näher aufklären zu können. 423  In diesem Sinne etwa Brandt, in: Thiele/Brandt (Hrsg.), Aktuelle Herausforde­ rungen der Windenergienutzung, S. 1 (10 f.).



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)157

2. Behandlung der Stellungnahme durch das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) Wie schon für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG und bei der ZKBS ist auch für die Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zwischen der rechtlichen und der praktischen Bedeutung ihrer gutachtlichen Stellungnahmen zu differenzieren. a) Rechtliche Bedeutung Nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG entscheidet das BAF auf der Grundlage einer gutachtlichen Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation, ob durch die Errichtung von Bauwerken Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Bejaht das BAF das Vorliegen einer solchen Störung, darf das ge­ plante Bauwerk gemäß § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG nicht errichtet werden. § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG statuiert ein materiell-rechtliches Bauverbot, bei dessen Vorliegen der vom Antragsteller begehrten Erteilung einer BImSchGGenehmigung andere öffentlich-rechtliche Vorschriften i.  S.  d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG entgegenstehen. Hinsichtlich der hier interessierenden rechtlichen Bedeutung der Stellung­ nahmen der DFS stellt der Wortlaut des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG („entschei­ det auf der Grundlage“) klar, dass das BAF bei seiner Entscheidung über das Vorliegen einer Störung nicht an die gutachtliche Stellungnahme der DFS gebunden ist, sondern über eine „übergeordnete Entscheidungskompetenz“ verfügt.424 Welche konkreten Begründungsanforderungen das BAF bei etwa­ igen von den Stellungnahmen der DFS abweichenden Entscheidungen erfül­ len muss, ist dabei bislang noch nicht geklärt.425 Ähnlich wie bei der ZKBS426 darf die rechtliche Unverbindlichkeit der Stellungnahmen der DFS jedenfalls nicht im Sinne einer rechtlichen Bedeutungslosigkeit verstanden werden. Die gesetzlich vorgegebene Verfahrens- und Entscheidungsstruktur des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG steht nicht zur Disposition des innerhalb des luftfahrt­ 424  BVerwGE 154, 377 (384). Gegen eine Bindungswirkung der gutachtlichen Stellungnahmen der DFS zuvor bereits OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (275); VG Düsseldorf, ZNER 2014, 501 (503); VG Oldenburg, ZNER 2015, 125 (126); Battis/ Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errich­ tungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S.  15 f.; Brandt, in: Thiele/Brandt (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen der Windener­ gienutzung, S. 1 (10); ders., ER 2015, 181 (187); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (404). 425  Vgl. VG Düsseldorf, ZNER 2014, 501 (503) („bei entsprechender Begrün­ dung“). 426  Vgl. oben C. IV. 2. a).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

internen Prüfverfahrens federführenden BAF. Vielmehr statuiert § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gerade eine Pflicht des BAF, eine gutachtliche Stellungnahme „der“ Flugsicherungsorganisation einzuholen.427 Umgekehrt besteht für letz­ tere eine Rechtspflicht, einer Aufforderung des BAF zur Abgabe eines Vo­ tums nachzukommen.428 Ob darüber hinaus die DFS als regelmäßig429 mit der Erstellung einer gutachtlichen Stellungnahme befasste Flugsicherungsorganisation aus § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG eine subjektive Rechtsposition zusteht, die sie kraft ihrer Stellung als Verwaltungsgutachterin zur Anfechtung etwaiger von ihren Stel­ lungnahmen abweichenden Entscheidungen des BAF oder der landesrecht­ lichen BImSchG-Genehmigungsbehörden berechtigt, ist ebenso wie bei der ZKBS430 bislang nicht geklärt.431 Indes folgt aus der Bestimmung des § 18a Abs. 1 LuftVG432 nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedenfalls im Hinblick auf die Stellung der DFS als Eigentümerin und Betrei­ berin von Flugsicherungseinrichtungen eine subjektive Rechtsposition, kraft derer sie etwaige in ihren Rechtskreis eingreifende Entscheidungen der BImSchG-Genehmigungsbehörden433 gerichtlich überprüfen lassen kann.434 427  Zum

Einbindungsmodus siehe oben D. II. in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 52. 429  Zu statistischen Befunden siehe sogleich unten D. IV. 2. b). 430  Siehe oben C. IV. 2. a). 431  Gegen die Anerkennung einer klagefähigen subjektiven Rechtsposition zu Gunsten der DFS unter dem Gesichtspunkt ihrer Gutachterstellung im Rahmen des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG wohl VG Oldenburg, ZNER 2014, 125 (126); Kümper, VerwArch 108 (2017), 409 (430 f.). In diesem Zusammenhang haben das OVG Lüne­ burg sowie das VG Trier offen gelassen, ob eine Klage- bzw. Rechtsmittelbefugnis der DFS aus einer nachteiligen Berührung ihrer rechtlichen Interessen bzw. Rechte „als Beliehene“ hergeleitet werden könnte, vgl. OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (274); DVBl 2015, 381 (382); VG Trier, Urteil vom 18.01.2016 – 6 K 1674/15.TR –, juris, Rn. 43. Richtigerweise scheidet die Zuerkennung einer klagefähigen Rechts­ position der DFS aus § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG kraft Beleihung von vornherein aus, da die DFS weder bei der Erbringung von Flugsicherungsdiensten (vgl. § 27c Abs. 2 S. 1 Nr. 2–5, S. 2 u. 3 LuftVG) noch bei der Erfüllung ihrer Aufgabe als Verwaltungs­ gutachterin i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG hoheitlich als Beliehene handelt, siehe dazu bereits oben D. II. 432  Auf eine nähere Differenzierung zwischen § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG bzw. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner bislang einzi­ gen Entscheidung zum Nutzungskonflikt zwischen Windenergie und ziviler Flug­ sicherung verzichtet. 433  Abweichende Entscheidungen des BAF sind aus der bisherigen Verwaltungs­ praxis nicht bekannt. Siehe dazu näher unten D. IV. 2. b). 434  BVerwGE 154, 377 (386). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts dient § 18a Abs. 1 LuftVG dem Schutz der Interessen der DFS als von der Allge­ meinheit abgrenzbare, nicht nur reflexartig begünstigte Eigentümerin und Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen; für die Zuerkennung einer klagefähigen subjekti­ 428  Meyer/Wysk,



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)159

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht diese Drittwirkung des § 18a Abs. 1 LuftVG zu Gunsten der DFS bislang lediglich unter dem Gesichtspunkt ihrer Rechtsmittelbefugnis geprüft und insoweit bejaht. Da das Gericht jedoch allgemein von einer „drittschützende[n] Wirkung“ des § 18a Abs. 1 LuftVG spricht, beinhaltet die Vorschrift zugleich ein nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO klagefähiges subjektives Recht der DFS.435 Die Folge der Zuerkennung einer subjektiven Rechtsposition der DFS aus ihrer Eigentums- und Betreiberstellung für ihre Rolle als Verwaltungsgutach­ terin i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ist im Schrifttum bislang weitgehend unerwähnt geblieben: Im Wege eines Rechtsreflexes wird die DFS kraft ihrer klagefähigen Rechtsposition in die Lage versetzt, unter Berufung auf eine mögliche Beeinträchtigung ihrer Eigentums- und Betriebsinteressen letztlich die Inhalte ihrer gutachtlichen Stellungnahme i.  S.  d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gerichtlich geltend zu machen. Besonders markant ist dabei, dass das BAF bei seinen Entscheidungen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG in der Praxis nahezu immer den Voten der DFS folgt. Hierauf ist nachfolgend näher einzugehen. b) Praktische Bedeutung Im Hinblick auf die technische Funktionsweise der in ihrem Eigentum stehenden bzw. von ihr betriebenen Flugsicherungseinrichtungen verfügt die DFS gegenüber Dritten über einen Wissens- und Erkenntnisvorsprung.436 Ähnlich wie das Bundesverwaltungsgericht, das den Stellungnahmen der DFS unter Verweis auf die Bestimmung des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG „zwar keine Richtigkeitsgewähr, wohl aber einen im Vergleich mit anderen behörd­ lichen Gutachten […] hervorgehobenen Stellenwert“ attestiert,437 nehmen ven Rechtsposition der DFS siehe auch OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (274). Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dürfte grundsätzlich auch für andere Flugsicherungsorganisationen gelten, siehe Sittig-Behm, ER 2016, 202 (207). In der instanzgerichtlichen Judikatur wird eine Klagebefugnis der DFS teilweise nicht aus dem einfachen Recht, sondern aus deren möglichen Verletzung ihrer grundgesetzlich durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsfreiheit hergeleitet, siehe etwa das VG Trier, Urteil vom 18.01.2016 – 6 K 1674/15.TR –, juris, Rn. 40. Diese Begrün­ dung steht jedoch in Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der inländische juristische Personen des Privatrechts, die vollständig vom Staat beherrscht werden, nicht Träger materieller Grundrechte sein können, vgl. dazu BVerfGE 143, 246 (314). Zur Grundrechtsberechtigung staatlich beherrschter Unter­ nehmen und juristischer Personen des öffentlichen Rechts siehe etwa Ludwigs/Friedmann, NVwZ 2018, 22 ff. 435  Zutreffend Kümper, VerwArch 108 (2017), 409 (433). 436  Vgl. von der Groeben/Kindler, ZfBR 2015, 337 (341). 437  BVerwGE 154, 377 (384).

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Teile des Schrifttums eine „faktische Bindung“ der gutachtlichen Einschät­ zungen der DFS an,438 ohne dass sich dieser Befund – soweit ersichtlich – auf statistische bzw. empirische Erhebungen stützt. Um die praktische Be­ deutung der Voten der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG näher beleuchten zu können, wurde für die Zwecke der vorliegenden Unter­ suchung eine Anfrage an das BAF gestellt, in der um Mitteilung der Anzahl der seit dem 03.08.2009439 von Flugsicherungsorganisationen nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu geplanten Windenergievorhaben erstellten gutachtli­ chen Stellungnahmen sowie um eine Auskunft zur Behandlung letzterer durch das BAF gebeten wurde. Nach eigenen Angaben lagen dem BAF für den Zeitraum vom 03.08.2009 bis zum 24.01.2017 Informationen zu insge­ samt 1890 gutachtlichen Stellungnahmen von Flugsicherungsorganisationen betreffend die Frage der Störung von Flugsicherungseinrichtungen durch geplante Windenergievorhaben i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG vor.440 Dabei seien 1847 gutachtliche Stellungnahmen – dies entspricht ca. 97,7 % aller Stellungnahmen – durch die DFS erstellt worden.441 Von den insgesamt 1890 gutachtlichen Stellungnahmen wich das BAF nach eigenen Angaben ledig­ lich in einem Vorgang von der Einschätzung einer von ihm angefragten Flugsicherungsorganisation ab.442 Hierbei habe es sich um eine gutachtliche Stellungnahme der DFS gehandelt.443 Im besagten Zeitraum entschied das BAF mithin in knapp 99,95 % aller Vorgänge gemäß den Stellungnahmen der gutachtlich tätigen Flugsicherungsorganisationen.444 Mit minimaler Abwei­ 438  Battis/von der Groeben, ZNER 2015, 107 (108); ähnlich Meyer/Wysk, in: Grab­ herr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 53, die den Stellungnahmen der DFS zum einen „ein schwer zu überwindendes fachliches Gewicht“ bescheinigen und zum anderen betonen, das BAF dürfe und solle bei etwaigen Mängeln der Voten der DFS in einem internen Zwischenverfahren auf eine Fehlerbeseitigung hinwirken, wodurch ihm ein Abweichen von den endgültigen Einschätzungen der DFS aus Sachgründen regelmä­ ßig kaum möglich sei. 439  Das BAF wurde durch „Gesetz zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften“ vom 29.07.2009 gegründet (BGBl. I 2009, S. 2424). Die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt erfolgte am 03.08.2009. 440  Auskunft des BAF vom 24.01.2017 per E-Mail an den Verfasser. 441  Auskunft des BAF vom 24.04.2017 per E-Mail an den Verfasser. Von den üb­ rigen 43 Stellungnahmen seien in sieben Vorgängen mehrere Flugsicherungsorganisa­ tionen beteiligt gewesen. 442  Auskunft des BAF vom 24.01.2017 per E-Mail an den Verfasser. 443  Auskunft des BAF vom 24.04.2017 per E-Mail an den Verfasser. 444  Nach der weiteren Auskunft des BAF vom 24.01.2017 per E-Mail an den Ver­ fasser sei bei den vorstehend dargelegten Angaben zu berücksichtigen, dass die An­ zahl der gutachtlichen Stellungnahmen der Flugsicherungsorganisationen aufgrund einer im Jahr 2012 vorgenommenen Systemumstellung in Form eines zentralen ITgestützten Erfassungs- und Prüftools nicht als absolut eingestuft werden könne.



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chung im Nachkommabereich ergibt sich für die gutachtlichen Stellungnah­ men der DFS eine ähnlich hohe Übereinstimmungsquote.445 Im Laufe der Untersuchung wurde eine zweite Anfrage an das BAF mit der Bitte um Ak­ tualisierung des Datensatzes gerichtet. Hierauf teilte das BAF mit, dass ihm im Zeitraum von Ende Januar 2017 bis Anfang Oktober 2018 insgesamt 97 weitere gutachtliche Stellungnahmen von Flugsicherungsorganisationen übermittelt worden seien. In keinem dieser 97 Vorgänge sei das BAF bei seiner Entscheidung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG vom Votum der jeweils eingebundenen Flugsicherungsorganisation inhaltlich abgewichen.446 Aus diesem Grund wurde im Rahmen der Aktualisierung auf eine weitere Auf­ schlüsselung des nachgereichten Datensatzes verzichtet. In Anbetracht der hohen Übereinstimmungsquote zwischen den Entscheidungen des BAF und den gutachtlichen Stellungnahmen der Flugsicherungsorganisationen (ein­ schließlich der DFS) erscheint es insgesamt zulässig, den Voten letzterer ebenso wie den Gutachten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oder der ZKBS eine „faktische Bindungswirkung“ beizumessen. Nicht weiter aufgeklärt wurde vorliegend, aus welchem Grund das BAF in aller Regel den Einschätzungen der Flugsicherungsorganisationen folgt. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung können etwaige Erklärungsan­ sätze indes dahinstehen.447 Wie die Erhebung zeigt, trifft die „materielle“ Entscheidung über das Vorliegen einer bauvorhabenbedingten Störung einer Flugsicherungseinrichtung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG nicht das BAF bzw. die außenwirksam handelnde BImSchG-Genehmigungsbehörde,448 son­ dern de facto die DFS. Gleichzeitig ist es der DFS kraft ihrer Eigentümerund Betreiberstellung im Wege eines Rechtsreflexes möglich, die Inhalte ih­ rer rechtlich unverbindlichen Stellungnahmen gerichtlich geltend zu machen. Ob es hierzu zukünftig praktische Anwendungsbeispiele geben wird, erscheint gleichwohl ungewiss. Wie an späterer Stelle noch näher darzulegen sein wird, sind die BImSchG-Genehmigungsbehörden nämlich im Verwaltungs­ binnenbereich an die Entscheidungen des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 445  1846 Übereinstimmungen zwischen den Voten der DFS und den Entscheidun­ gen des BAF bei insgesamt 1847 Vorgängen. 446  Auskunft des BAF vom 08.10.2018 per E-Mail an den Verfasser. 447  Neben einer hohen fachlichen Qualität und inhaltlichen Überzeugungskraft der Einschätzungen der DFS könnte die hohe Übereinstimmungsquote theoretisch auch in einer auf eine bloße Plausibilitätsprüfung reduzierten Verwaltungspraxis des BAF begründet sein. Ebenso denkbar ist der Fall, dass das BAF in einem informellen Zwi­ schenverfahren regelmäßig auf eine Beseitigung der von ihm in den Stellungnahmen der DFS erkannten Fehler hinwirkt und so die faktische Bindungswirkung selbst her­ beiführt. Zur Möglichkeit einer solchen verwaltungsinternen Fehlerbeseitigung siehe Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 53. 448  Zur Bedeutung der Stellungnahmen des BAF siehe insgesamt unten § 5 B. IV. 2.

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§ 3 Beratende sachverständige Stellen

LuftVG gebunden.449 Bei unterstellter Rechtstreue der BImSchG-Genehmi­ gungsbehörden erscheint es gegenwärtig eher unwahrscheinlich, dass die DFS von den ihr eingeräumten Klagerechten Gebrauch machen muss.

V. Gerichtliche Überprüfung Insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Stellung als „betroffene“ Eigentü­ merin bzw. Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen und der praktischen Bindungswirkung ihrer Voten für die luftfahrtinterne Entscheidung des BAF stellt sich die Frage nach der gerichtlichen Überprüfung der gutachtlichen Stellungnahmen der DFS aus dem Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG. Insoweit bestehen beim gerichtlichen Kontrollzugang keine Besonderhei­ ten. Insbesondere der Antragsteller, dessen Zulassungsantrag durch die zu­ ständige Behörde im Außenverhältnis aufgrund der gutachtlichen Stellung­ nahme der DFS und der sich auf diese stützenden Entscheidung des BAF zurückgewiesen wird, kann nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO im Wege der Verpflichtungsklage in Form der sogenannten Versagungsgegenklage die Entscheidung des BAF – und damit in der Sache das Votum der DFS450 – inzident (§ 44a S. 1 VwGO) einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen.451 Relevante Drittrechtsschutzkonstellation sind im Hinblick auf die gutacht­ lichen Stellungnahmen der DFS weder ersichtlich noch aus der forensischen Praxis bekannt. Im Hinblick auf die inhaltliche Kontrolldichte geht die obergerichtliche Rechtsprechung im Grundsatz von einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit der auf die gutachtlichen Stellungnahmen der DFS gestützten Entscheidun­ gen des BAF aus. Aus der Normstruktur des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG folge nicht von vornherein ein behördlicher Beurteilungsspielraum zu Gunsten des BAF.452 Indes bejaht das Bundesverwaltungsgericht für die – jedenfalls ge­ genwärtig noch besonders praxisrelevante453 – Konstellation der Wider­ sprüchlichkeit der ICAO-Vorgaben einen partiellen „behördliche[n] Rege­ lungsspielraum“ des BAF hinsichtlich der Frage, ob durch die Errichtung eines Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen des BAF einschließlich der 449  Dazu

unten § 5 B. IV. 2. a). praktischen Bindungswirkung der Voten der DFS siehe oben D. IV. 2. b). 451  Soweit im Landesrecht vorgesehen, kann zuvor die Durchführung eines Wider­ spruchsverfahrens erforderlich sein (§ 68 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwGO). 452  BVerwGE 154, 377 (383). 453  Dazu unter dem Gesichtspunkt der Fachkompetenz der DFS bereits oben D. III. 1. 450  Zur



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)163

Voten der DFS sei solange auf eine Vertretbarkeitskontrolle reduziert, bis sich „für die Feststellung der möglichen Störung einer Flugsicherungsein­ richtung eine bestimmte Methode oder für die Risikobewertung ein bestimm­ ter Maßstab durchgesetzt hat und gegenteilige Meinungen als nicht mehr vertretbar angesehen werden.“454 Wären die Gerichte im Streitfall dazu ange­ halten, sich zwischen mehreren vertretbaren wissenschaftlichen Auffassungen zu entscheiden, seien im Fall der Widersprüchlichkeit der ICAO-Vorgaben die „Funktionsgrenzen der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ überschritten.455 Auf­ grund ihrer hervorgehobenen gesetzlichen Stellung genüge es, wenn die gutachtlichen Stellungnahmen der DFS und die auf ihrer Grundlage ergehen­ den Entscheidungen des BAF „wissenschaftlichen Ansprüchen genügen und durch wissenschaftliche Gegenpositionen in ihren Grundannahmen, ihrer Methodik und ihren Schlussfolgerungen jedenfalls nicht substanziell in Frage gestellt werden.“456 Der Überlegung, die Entscheidungen des BAF deshalb einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, weil diese maßgeblich auf den gutachtlichen Stellungnahmen der wirtschaftlichen Ei­ geninteressen unterliegenden DFS beruhen, erteilt das Bundesverwaltungsge­ richt unter Verweis auf die öffentlich-rechtliche Trägerschaft der DFS und dem ihr gesetzlich zugewiesenen Begutachtungsauftrag eine Absage.457 Im Anschluss an diese Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts findet eine umfassende gerichtliche Überprüfung der im Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 LuftVG ergangenen Entscheidungen des BAF einschließlich der diesen zugrunde liegenden Voten der DFS gegenwärtig nicht statt. Wie Bei­ spiele aus der jüngeren Judikatur zeigen, verzichten die Verwaltungsgerichte 454  BVerwGE 154, 377 (385 f.); ferner OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268). Für einen Beurteilungsspielraum des BAF plädierten zuvor noch Teile der Instanzgerichte, siehe VG Düsseldorf, ZNER 2014, 501 (502); VG Frankfurt, Urteil vom 08.10.2014 – 8 K 3509/13.F –, juris, Rn. 46; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11 –, juris, Rn. 36; offen gelassen hingegen durch VG Halle, Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 60. Im Schrifttum herrscht ein geteiltes Meinungsbild. Für eine Vertretbarkeitskontrolle etwa Kämper, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Luftverkehrsrechts-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2012, S. 27 (37); Masing/ Eckart, NVwZ 2016, 1250 (1252); Nickel, UPR 2016, 405 (409); wohl auch Uhl, ZLW 2016, 419 (422). Für eine vollständige gerichtliche Überprüfung der Entschei­ dungen des BAF einschließlich der Voten der DFS hingegen Battis/Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S. 32 ff.; Battis/von der Groeben, ZNER 2015, 107; Brandt, ER 2015, 181 (188 f.); Falke/Sittig, REE 2014, 76 (80 f.); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405 f.); Fest/Fechler, NVwZ 2016, 1050 (1053); Fülbier, ZUR 2015, 432 (435); dies., NVwZ 2018, 453 (454 ff.); Kindler, NVwZ 2016, 1459 (1460 f.). 455  BVerwGE 154, 377 (384). 456  BVerwGE 154, 377 (384). 457  BVerwGE 154, 377 (385). Siehe dazu auch oben D. III. 2.

164

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

mitunter darauf, die fachlichen Einschätzungen des BAF und der DFS in auf das behördliche Zulassungsverfahren folgenden Verwaltungsprozessen um­ fassend durch Einholung gerichtlicher Sachverständigengutachten zu über­ prüfen.458 Teile der Literatur kritisieren die vorläufige Reduzierung der gerichtlichen Überprüfung auf eine Vertretbarkeitsprüfung insbesondere im Hinblick auf den Einfluss der DFS auf die Entscheidungspraxis des BAF. Die DFS stelle kein dem BAF zuarbeitendes, pluralistisch besetztes Gremium dar, das in einem justizähnlichen Verfahren eine Auswahlentscheidung zwischen ver­ schiedenen naturwissenschaftlich-physikalischen Beurteilungsmethoden tref­ fen und auf dieser Grundlage eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Störungsprognose anstellen müsse.459 Soweit die Gerichte für eine vollstän­ dige Überprüfung der auf die Gutachten der DFS gestützten Entscheidungen des BAF nicht über hinreichend eigene Fachkenntnisse verfügten, könnten sie sich eines gerichtlichen Sachverständigen bedienen.460 Dies sei nicht zu­ letzt deshalb geboten, da eine „Uneinigkeit der Fachwelt“, wie sie vom Bundesverwaltungsgericht argumentativ bemüht werde, allein aus der von DFS und BAF gewählten Beurteilungsmethodik herrühre, die fachwissen­ schaftlich eine Mindermeinung darstelle. Folglich führten DFS und BAF selbst den Zustand herbei, auf den die Rechtsprechung die Zuerkennung ei­ nes vorläufigen Beurteilungsspielraums stütze.461 Diese Kritik geht am Kern der Problematik vorbei. Ähnlich wie beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG sind auch in BImSchG-Genehmi­ gungsverfahren für Windenergievorhaben, in denen eine mögliche Störung von zivilen Flugsicherungseinrichtungen in Rede steht, die besten Fachleute bereits im Verwaltungsverfahren eingebunden. Fehlt es demnach (bislang) an einem der DFS überlegenen „Obergutachter“,462 fragt sich, warum die Ver­ 458  Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 11.10.2018 – 9 A 867/15 –, juris, Rn. 84 f.; VG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 94. Im Vorfeld der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bereits OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (273). 459  Fülbier, NVwZ 2018, 453 (457). 460  Fest/Fechler, NVwZ 2016, 1050 (1053). 461  So Sittig-Behm, ER 2016, 202 (205). 462  Vgl. insoweit BVerwGE 154, 377 (385): „Es [Anm.: gemeint ist das OVG Lüneburg als Vorinstanz] ist nach mehrstündiger Erörterung in der mündlichen Ver­ handlung unter Einbeziehung des Fachbeistands des Kl. zum Ergebnis gelangt, dass angesichts der Offenheit der wissenschaftlichen Diskussion insbesondere zu der Frage des externen Störeinflusses durch die geplanten Windenergieanlagen und wegen des Umstandes, dass neben den bereits beteiligten Gutachtern keine weiteren, besser ge­ eigneten Gutachter zur Verfügung stehen, eine verlässliche, die bestehenden Wider­ sprüche beseitigende Antwort nicht gefunden werden kann.“



D. Die Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)165

waltungsgerichte für die inzidente gerichtliche Überprüfung der Entscheidun­ gen des BAF bzw. der Voten der DFS auf die Einschätzung lediglich anderer Sachverständiger, die gegenüber letzteren jedoch nicht über eine höhere fachliche Qualifikation verfügen, zurückgreifen sollten. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verpflichtet auch die Rechts­ schutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG die Verwaltungsgerichte in nonliquet-Situationen nicht dazu, außerrechtliche tatsächliche Erkenntnisdefizite selbstständig oder durch Erteilung wissenschaftlicher Forschungsaufträge zu schließen.463 Diese grundsätzlichen Überlegungen finden auch für die inzi­ dente gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen des BAF bzw. Voten der DFS aus dem Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ihre Berechti­ gung.464 Tatsächlich liegt die eigentliche Ursache der Kritik wohl nicht aus­ schließlich im fachlich-methodischen Vorgehen der DFS als solchem begrün­ det, sondern ist ganz maßgeblich auf ihre Doppelstellung als „betroffene“ Eigentümerin bzw. Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen und Verwal­ tungsgutachterin „in eigener Sache“ zurückzuführen. Die Lösung dieser Problematik kann jedoch nicht Sache der Verwaltungsgerichte sein, sondern ist vor allem ein Auftrag an den Gesetzgeber, zur Einhegung des „bösen Anscheins“ einer interessengeleiteten Tätigkeit der DFS geeignete organisa­ tions- bzw. verfahrensrechtliche Vorkehrungen zu treffen. Etwaige Lösungs­ ansätze, die an späterer Stelle noch einmal in einem allgemeineren Kontext aufgegriffen werden sollen, könnten in regulatorischer Hinsicht etwa in der Vermeidung der Schaffung von Konstellationen „institutioneller Befangen­ heit“ oder in der Implementierung von Transparenz- und Kontrollstrukturen liegen.

VI. Ergebnisse Wie schon die zuvor betrachteten Referenzgebiete wirft auch die Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Rahmen der Zulassung von Windenergievorhaben allgemeine verwaltungsrechtliche Fra­ gen auf. Neben ihrer regulatorisch kaum zu gewährleistenden bzw. einzuhe­ genden methodischen Fachkompetenz bereitet insbesondere die Unabhängig­ keit der DFS Probleme. Infolge der Verwaltungspraxis des BAF, im Prüf­ verfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG stets die von einem Bauvorhaben „betroffene“ Flugsicherungsorganisation um Erstellung der gutachtlichen 463  BVerfG,

NVwZ 2019, 52 (54). verweist das Bundesverfassungsgericht (a. a. O., dort Rn. 20) hinsichtlich der Grenzen der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG auch auf die zum Nutzungskonflikt zwischen Windenergie und ziviler Flugsicherung ergangene Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. 464  Bemerkenswerterweise

166

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

Stellungnahme zu bitten, ist es in der Praxis regelmäßig die wirtschaftlichen Eigeninteressen unterliegende, jedoch nicht nach Maßgabe der §§ 20, 21 VwVfG befangene DFS, die trotz ihrer Stellung als formal beratende sach­ verständige Stelle faktisch über die flugsicherungsrechtliche Zulassungsfä­ higkeit von Windenergievorhaben entscheidet. Dabei wird diese starke Stel­ lung der DFS zusätzlich durch eine in ihrem Eigentums- und Betreiberrecht begründete, klagefähige Rechtsposition abgesichert, ohne dass die DFS selbst im Rahmen ihrer Tätigkeit besonderen Verfahrens- oder Formanforderungen bzw. ihre Unabhängigkeit effektiv absichernden Kontrollstrukturen unterläge. Auch die gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten von Antragstellern, die mit ihrem Antrag auf Vorhabenzulassung auf Grundlage von gutachtlichen Stellungnahmen der DFS im Außenverhältnis durch die BImSchG-Genehmi­ gungsbehörde negativ beschieden werden, erweisen sich zur Einhegung bzw. Kompensation der zweifelhaften Unabhängigkeit der DFS ebenfalls als nicht geeignet. Insgesamt gibt die Rolle der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Kontext der vorliegenden Untersuchung Anlass, die allgemeine Diskussion um eine stärkere Vorstrukturierung von Verwal­ tungsbinnenrecht465 auf die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu erstre­ cken. Auf diesen Aspekt wird noch einzugehen sein.

E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 3 Die Betrachtung der für die Untersuchungsgruppe der verwaltungsberaten­ den sachverständigen Stellen ausgewählten Referenzgebiete hat gezeigt, dass das kodifizierte (Fach-)Recht sowohl in fakultativen als auch in obligatori­ schen Einbindungsmodi kaum konkrete Vorgaben bezüglich der Fachkompe­ tenz und Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen normiert. Dieser Befund ist für die Anforderung der Fachkompetenz zunächst in der naturwissenschaftlich-technischen Komplexität der verschiedenen Sachmaterien begründet, infolge derer bereichsübergreifend eine strukturelle Knappheit hinreichend fachlich qualifizierter sachverständiger Stellen festzu­ stellen ist. Wie die untersuchten Referenzgebiete zeigen, wurzelt die regula­ torische Zurückhaltung von Gesetz- bzw. Normgeber bei der Ausgestaltung der Fachkompetenz verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen darü­ ber hinaus im materiellen Recht: Können infolge der Dynamik naturwissen­ schaftlich-technisch komplexer Sachgebiete die für die Zulassung einer An­ lage, eines Produkts oder sonstigen Vorhabens zu absolvierenden Prüfpro­ 465  Siehe

nur Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 783 ff.



E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 3167

gramme im materiellen Recht nur abstrakt und unbestimmt geregelt werden („Stand von Wissenschaft und Technik“, „Störung“), wird es dem Gesetzbzw. Normgeber abseits der Statuierung von allgemeinen Mindestanforde­ rungen regelmäßig nicht möglich sein, die zur Aufgabenerledigung benötigte Ausbildung, Ausstattung oder das Methodenwissen einer sachverständigen Stelle im Detail vorzugeben. Weitergehend hat die Untersuchung der verschiedenen Referenzgebiete eine Konnexität zwischen den Anforderungen der Fachkompetenz und der Unabhängigkeit sachverständiger Stellen veranschaulicht. Als Konsequenz des sachbereichsspezifisch knappen Bestands von in fachlicher Hinsicht hin­ reichend qualifizierten Experten werden im kodifizierten (Fach-)Recht regel­ mäßig keine besonders strengen Anforderungen an deren Unabhängigkeit gestellt, um den Kreis der für eine verwaltungsseitige Tätigkeit in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren in Betracht kom­ menden sachverständigen Stellen nicht weiter einzuschränken. Folglich er­ schöpfen sich die Vorgaben an die Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen regelmäßig im Nichtvorliegen der Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG, die jedoch jedenfalls im Kontext des vorliegenden Untersuchungsgegenstands lediglich über einen eingeschränkten Anwen­ dungsbereich verfügen. Auf Ebene der jeweiligen Zulassungsverfahren hat die Untersuchung ab­ gesehen von den „faktischen Bindungswirkungen“ der Stellungnahmen und Voten der betrachteten sachverständigen Stellen ein divergentes Bild für die verschiedenen Referenzgebiete gezeigt. Während sich insbesondere für die ZKBS, aber auch für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG vergleichs­ weise detaillierte Vorgaben hinsichtlich etwaiger Befugnisse und Anforderun­ gen an die von ihnen zu fertigenden Stellungnahmen finden, sind vergleich­ bare Vorschriften für die Tätigkeit der DFS auf Gesetzes- bzw. Verordnungs­ ebene nicht kodifiziert. Ein entsprechender Befund ergibt sich für etwaige im Fachrecht etablierte Kontrollstrukturen: Die Gutachten des Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG sind Gegenstand der im atomrechtlichen Genehmi­ gungsverfahren durchzuführenden Öffentlichkeitsbeteiligung. Demgegenüber setzen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber für die Absicherung der ausschließli­ chen Sach- und Handlungsrationalität der ZKBS auf die Binnenrationalität ihrer Kollegialstruktur, deren Effektivität indes von außen kaum überprüfbar ist. Im Fall der DFS statuiert das höherrangige Recht abgesehen von der – letztlich rein formalen466 – übergeordneten Entscheidungskompetenz des BAF keine weiteren Kontrollmechanismen, was in Anbetracht der regel­ mäßigen Begutachtung der DFS „in eigener Sache“ insbesondere aus der Perspektive der mit ihr um Nutzungsflächen „konkurrierenden“ Antragsteller 466  Siehe

oben D. IV. 2. b).

168

§ 3 Beratende sachverständige Stellen

des außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahrens unbefriedigend er­ scheint. Für die Ebene der gerichtlichen Überprüfung hat die Untersuchung für alle Referenzgebiete verdeutlicht, dass eine umfassende, „unabhängige“ gerichtli­ che Kontrolle der Tätigkeit verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen bzw. der von ihnen maßgeblich vorgeprägten Zulassungsentscheidungen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Sachgebieten häufig nur einge­ schränkt möglich ist. Regelmäßig stehen den Gerichten im Verwaltungspro­ zess keine sachverständigen Stellen mehr zur Verfügung, die nicht schon bereits zuvor für die ein oder andere Seite im vorhergehenden Zulassungs­ verfahren aktiv waren. Forderungen, von sachverständigen Stellen maßgeb­ lich vorgeprägte Zulassungsentscheidungen mithilfe gerichtlicher „Obergut­ achter“ umfassend zu überprüfen,467 laufen in der Rechtswirklichkeit regel­ mäßig leer. Im Ergebnis müssen etwaige Ansätze zur Lösung der mit der hoheitlichen Einbindung verwaltungsseitig tätiger sachverständiger Stellen in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren verbundenen Pro­ bleme vor allem im Organisationsrecht sowie auf der Verfahrensebene anset­ zen. Auf etwaige Handlungs- und Gestaltungsoptionen von Gesetz- bzw. Normgeber wird unter Berücksichtigung der Ergebnisse aus den im Folgen­ den zu betrachtenden Untersuchungsgruppen im Rahmen der vergleichenden Analyse468 der Erkenntnisse aus den Referenzgebieten zurückzukommen sein.

467  Allgemein Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsauf­ gabe, S. 497. 468  Hierzu insgesamt unten § 6.

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen Im Anschluss an die Betrachtung der Untersuchungsgruppe der verwal­ tungsberatenden sachverständigen Stellen wird im folgenden Kapitel die Tä­ tigkeit von sachverständigen Stellen untersucht, die in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren mit Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sind. Dabei ist das potenzielle Anschauungsmaterial für diese Untersuchungsgruppe denkbar weit: Knüpft das Gesetz die Zulässigkeit der Errichtung und Inbetriebnahme einer gefährlichen Anlage, des Inverkehrbrin­ gens eines risikobehafteten Produkts oder der Aufnahme eines komplexen Forschungsvorhabens an das Erfordernis der Durchführung einer vorherigen Präventivkontrolle, ist grundsätzlich jede Stelle, die mit verbindlicher Außenoder Binnenrechtswirkung über die Zulassungsfähigkeit der vom Antrag­ steller in Aussicht genommenen Betätigung in Gänze entscheidet, als ent­ scheidungsbefugte sachverständige Stelle im Kontext der vorliegenden Un­ tersuchung anzusehen.1 Dies betrifft zunächst insbesondere Behörden, die in Zulassungsverfahren mit der Federführung und außenwirksamen Zulassungs­ entscheidung betraut sind. Gleichzeitig sind in verschiedenen Rechtsgebieten jedoch auch private sachverständige Stellen mit Sach- bzw. Außenentschei­ dungskompetenzen ausgestattet. Vor diesem Hintergrund ist auch für die Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen zunächst die Auswahl der Referenzgebiete näher zu begründen (A.), bevor diese anhand der eingangs entwickelten Prüfstruktur untersucht werden (B.–D.).

A. Zur Auswahl der Referenzgebiete Ziel der Auswahl der Referenzgebiete für die Untersuchungsgruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen ist es, eine große Bandbreite der mit diesem Aufgabentyp typischerweise verbundenen Regelungsstruktu­ ren und Problemfelder aufzuzeigen und diese zu systematisieren. Zu diesem Zweck werden drei sehr unterschiedlich konzipierte, jeweils der Untersu­ chungsgruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stelle zuzuord­ nende Referenzgebiete in den Blick genommen.2 1  Zum

Begriff siehe oben § 2 B. III. 2. diese Untersuchungsgruppe können die oben (§ 2 A. II.) aufgezeigten Ty­ pen naturwissenschaftlich-technisch komplexer Zulassungsverfahren jeweils mit ei­ nem Referenzgebiet besetzt werden. 2  Für

170

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Im „Normalfall“ ist jede für den Gesetzesvollzug zuständige Behörde or­ ganisatorisch und personell so ausgestattet, dass sie ohne eine Inanspruch­ nahme Dritter selbstständig Entscheidungen treffen kann.3 Ausgehend von dieser Prämisse soll ein „klassisch“ öffentlich-rechtliches Referenzgebiet betrachtet werden, in welchem eine Behörde im organisatorischen Sinne4 für die Ebene des behördlichen Zulassungsverfahrens eine letztverantwortliche Entscheidung über den Zulassungsantrag trifft. Auf diesen verwaltungsrecht­ lichen „Normalfall“ wird vorliegend am Beispiel der Bundesnetzagentur eingegangen, der im Planfeststellungsverfahren für länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen nach den §§ 18 ff. „Netz­ ausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz“ (im Folgenden: NABEG)5 sowohl die Durchführung des Anhörungsverfahrens als auch die Entschei­ dung über die Planfeststellung obliegt. Beide Aufgaben wurden der bis dato vor allem mit Regulierungsaufgaben betrauten Bundesnetzagentur im Zuge der im Jahr 2011 politisch forcierten Energiewende mit dem Ziel zugewie­ sen, den bundesweiten Ausbau des Stromübertragungsnetzes zu beschleuni­ gen.6 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Bundesetzagen­ tur bis zu diesem Zeitpunkt über keinerlei Expertise bzw. Erfahrung im Be­ reich der Fachplanung besaß.7 Im Kontext der Untersuchung ist daher am Beispiel des Referenzgebiets danach zu fragen, welche Modalitäten für die Zuweisung von Entscheidungskompetenzen an Behörden gelten, denen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren die Verfah­ rensfederführung sowie die verfahrensabschließende Zulassungsentscheidung überantwortet wird. Des Weiteren kann anhand der Übertragung der Planfest­ stellungskompetenz auf die Bundesnetzagentur exemplarisch dargelegt wer­ den, auf welche Weise die abstrakt-organisatorische Fachkompetenz von Behörden im Hinblick auf eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung gemein­ hin regulatorisch gewährleistet wird. Nähere Beachtung verdient schließlich die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur, die für den vorliegend interessie­ renden Bereich des Stromnetzausbaus in Teilen des Schrifttums besonders

3  Vgl.

Püttner, Verwaltungslehre, § 18 Rn. 16. Begriff siehe etwa Bull/Mehde, Allgemeines Verwaltungsrecht mit Ver­ waltungslehre, Rn. 385. 5  Verabschiedet durch Art. 1 des „Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleuni­ gung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze“ vom 28.07.2011 (BGBl. I 2011, S. 1690), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.05.2019 (BGBl. I 2019, S. 706). Das Planfest­ stellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG ist als Anlagenzulassungsverfahren zu charakterisieren. Zu diesem Verfahrenstyp siehe oben § 2 A. II. 1. 6  Zur Bedeutung des Ausbaus des Übertragungsnetzes für das Gelingen der Ener­ giewende siehe statt vieler Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.), Wege zur 100  % erneuerbaren Stromversorgung, S. 295. 7  Vgl. BT-Drs. 17/6366, S. 13 u. 15. 4  Zum



A. Zur Auswahl der Referenzgebiete171

positiv hervorgehoben bzw. betont wird,8 unter dem Gesichtspunkt ihrer de­ mokratischen Legitimation möglicherweise aber auch Probleme aufwirft.9 Vor dem Hintergrund dieser hier nur anzudeutenden Fragestellungen ist die neue Rolle der Bundesnetzagentur im Bereich der Planung und Zulassung von Stromleitungstrassen im Kontext des vorliegend verfolgten Erkenntnis­ interesses in die Untersuchung einzubeziehen. Als zweites Referenzgebiet soll ein als Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipiertes Zulassungsverfahren untersucht werden, das durch eine Sachentscheidung einer privaten sachverständigen Stelle abgeschlossen wird. Diese Konstellation wird vorliegend am Beispiel der fakultativen Hinzuzie­ hung von sogenannten Gegensachverständigen nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren untersucht.10 Das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren gilt seit seiner im Zuge des ConterganSkandals im Jahr 1976 erfolgten Neustrukturierung als „komplexes Verwal­ tungsverfahren par excellence“,11 das unterschiedliche Formen von Sachver­ ständigenbeteiligungen kennt.12 Zieht die außenverantwortlich handelnde Zulassungsbehörde im Einzelfall nach Maßgabe von § 25 Abs. 5 S. 5 AMG einen Gegensachverständigen hinzu, trifft dieser nach überwiegender Auffas­ sung als Beliehener eine eigenverantwortliche und abschließende Entschei­ dung über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen, die trotz ihrer le­ diglich verwaltungsinternen Rechtswirkung die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung über den Zulassungsantrag des Antragstellers im Außenverhält­ nis bindet.13 Sinn und Zweck dieser fakultativen Einbindung von Gegen­ sachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ist es, im Einzelfall fehlenden behördeninternen Sachverstand im Vergleich zu den ihrerseits umfassend sachverständig unterstützten Antragstellern14 des nationalen Arzneimittelzu­ lassungsverfahrens zu kompensieren und gleichzeitig ein möglichst hohes Maß an Unabhängigkeit für die zu treffende Verwaltungsentscheidung zu gewährleisten.15 In Anbetracht dieser Zielsetzungen ist am Beispiel des Ge­ 8  Etwa von Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 294; Waechter, VVDStRL 72 (2013), 499 (511). 9  Dazu Durner, DVBl 2011, 853 (856 f.). 10  Das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren ist dem oben (§ 2 A. II. 2.) vor­ gestellten Verfahrenstyp des Risikoverfahrens zuzuordnen. Siehe insoweit ausführlich Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 166 ff. 11  Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (197). 12  Diesbezüglich sei neben dem hier näher zu betrachtenden Gegensachverständi­ gen i. S. d. § 25 Abs. 5 AMG auf die Bestimmungen in § 24 AMG, § 25 Abs. 5 S. 2, Abs. 6–7a AMG und § 25a Abs. 1 AMG hingewiesen. 13  Siehe zu den Nachweisen im Einzelnen unten C. I. u. C. IV. 2. 14  Vgl. § 24 AMG. 15  Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 402.

172

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

gensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG danach zu fragen, ob und inwieweit das Recht einem erhöhten formalen Einfluss verwaltungsexterner sachverständiger Stellen auf behördliche Zulassungsentscheidungen tatsäch­ lich, wie im Schrifttum gefordert,16 durch besondere Anforderungen an deren Fachkompetenz und Unabhängigkeit sowie an ihre verfahrensinterne Kon­ trolle Rechnung trägt. Als drittes und letztes Beispiel wird ein „privatrechtliches“ Referenzgebiet ausgewählt, in welchem einer externen sachverständigen Stelle in einem weitgehend zivilrechtlich ausgestalteten, partiell jedoch öffentlich-rechtlich überformten Präventivkontrollverfahren originäre Entscheidungskompeten­ zen übertragen sind. Zwar statuiert das Recht für gefährliche und risikobe­ haftete Betätigungen herkömmlich öffentlich-rechtliche Eröffnungskontrol­ len, durch die der Staat tendenziell am ehesten seiner Aufgabe genügen kann, unter Berücksichtigung der Allgemeinwohlbelange einen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen der (potenziell) betroffenen Bürger auf der einen und den Betreibern bzw. Herstellern auf der anderen Seite herbeizuführen.17 Dies schließt verfassungsrechtlich indes nicht zwingend aus, auch gefährli­ che Vorhaben und Produkte in einem privatrechtlich ausgestalteten Präven­ tivkontrollverfahren ohne Beteiligung staatlicher Verwaltungsbehörden zuzu­ lassen.18 Entsprechende Beispiele finden sich in zahlreichen Bereichen des Produktsicherheitsrechts, wo das Inverkehrbringen bestimmter Produkte mit hohem Risiko- bzw. Gefahrenpotenzial regelmäßig vom vorherigen Durch­ lauf eines Qualitäts-, Konformitäts- bzw. Zertifizierungsverfahrens19 abhängt, in welchen jeweils sogenannte „Benannte Stellen“ vor Marktzugang eines Produkts die Einhaltung definierter Sicherheitsstandards eigenverantwortlich und bezüglich der präventiven Zulassungsentscheidung20 abschließend prü­ 16  Siehe etwa Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 66. 17  Vgl. BVerfGE 53, 30 (57 f.). 18  Ein „staatliches ex-ante-Kontroll-Monopol“ ist dem Grundgesetz fremd, siehe Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (196) (dort Fn. 130). Mit der Implementie­ rung von privaten Fremdkontrollmechanismen im Bereich des Markzugangs poten­ziell gefährlicher Produkte reagiert der Staat auf die zunehmende Ausdifferenzierung und Fortentwicklung naturwissenschaftlich-technischer Wissensbestände, die er selbst im hinreichenden Umfang nicht kosteneffizient vor- bzw. nachhalten kann. Zu diesen funktionalen Gründen für die bereichsspezifische Etablierung von privaten Fremdkon­ trollen siehe Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundla­ gen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 80. 19  Nach hiesigem Verständnis können die Begriffe des Qualitäts-, Konformitätsund Zertifizierungsverfahrens synonym verwendet werden. Zum Begriff des Quali­ tätssicherungsverfahrens siehe oben § 2 A. II. 3. 20  Demgegenüber obliegt die repressive Überwachung vielfach den staatlichen Verwaltungsbehörden.



B. Die Bundesnetzagentur173

fen. Als diesbezügliches Referenzgebiet wird vorliegend auf die obligatori­ sche Einbindung Benannter Stellen in das Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte eingegangen, das als typisches Anwen­ dungsbeispiel für die Funktionsweise der dem europäischen Produktsicher­ heitsrecht zugrunde liegenden „Globalen Konzeption“21 gilt.22 Insbesondere durch den im Jahr 2010 bekannt gewordenen Skandal um mangelhafte und gesundheitsgefährdende Brustimplantate des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP)23 sowie die Ende November 2018 veröffentlich­ ten „Implant Files“, in denen Missstände bei der Zulassung und Überwa­ chung von Implantaten, Prothesen und Herzschrittmachern aufgedeckt wurden,24 geriet das Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medi­ zinprodukte in den Fokus der öffentlichen und juristischen Diskussion. Wel­ che organisations- und verfahrensrechtlichen Probleme mit diesem privat­ rechtlich ausgestalteten Zulassungsverfahren25 im Hinblick auf die Tätigkeit Benannter Stellen einhergehen, soll in der vorliegenden Untersuchung näher betrachtet werden.

B. Die Bundesnetzagenturim Planfeststellungsverfahren für länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen Für die Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen wird zunächst auf die Rolle der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG eingegangen. Dabei folgt der Gang der Untersu­ chung dem eingangs dargelegten Prüfungsraster.26

21  Europäische Kommission, Ein Globales Konzept für Zertifizierung und Prüf­ wesen, vorgelegt am 15.06.1989, ABl. Nr. C 267, S. 3. 22  Siehe dazu Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 178, der als weitere einschlägige Bereiche das Inverkehrbringen von Druckgeräten, Aufzügen und Sportbooten anführt. 23  Das Unternehmen hatte über einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt bei der Herstellung von Brustimplantaten einfaches Industriesilikon anstelle von medi­ zinischem Silikongel verwendet, um Kosten zu sparen. Dieses Industriesilikon riss nach seinem Einsatz sehr leicht und stand im Verdacht, neben schwerwiegenden Ent­ zündungen u. a. Krebs hervorzurufen. 24  Dazu ausführlich Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2018, S. 9 ff. 25  Das Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte ist als Qualitätssicherungsverfahren (hierzu oben § 2 A. II. 3.) einzuordnen. 26  Siehe oben § 2 D.

174

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

I. Rechtlicher Rahmen Länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen i. S. d. § 2 Abs. 1 NABEG (im Folgenden: NABEG-Vorhaben) werden in ei­ nem mehrstufigen Verfahren aus gesetzlicher Bedarfsfeststellung, Bundes­ fachplanung und abschließender Planfeststellung unter jeweils maßgeblicher Beteiligung der Bundesnetzagentur geplant und zugelassen. Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung ist allein die Tätigkeit der Bundesnetzagentur auf der Ebene des Planfeststellungsverfahrens nach den §§ 18 ff. NABEG, auf der die einzelfallbezogene Vorhabenzulassung erfolgt. Nach § 18 Abs. 1 NABEG bedürfen die Errichtung und der Betrieb sowie die Änderung von NABEG-Vorhaben der Planfeststellung durch die zustän­ dige Behörde. Die für die Planfeststellung zuständige Behörde ist nach Maß­ gabe von § 31 Abs. 1 u. 2 NABEG i. V. m. § 2 Abs. 2 NABEG i. V. m. § 1 PlfZV27 die Bundesnetzagentur. Gemäß § 19 Abs. 1 NABEG beginnt das Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben mit der Einreichung des Antrags durch den Vorhabenträger.28 Unverzüglich nach Einreichung des Antrags führt die Bundesnetzagentur als zuständige Planfeststellungsbehörde nach § 20 Abs. 1 S. 1 NABEG mit dem Vorhabenträger sowie den betroffe­ nen Trägern öffentlicher Belange und Vereinigungen eine Antragskonferenz durch, auf Grundlage derer Ergebnisse sie den Untersuchungsrahmen für die Planfeststellung festlegt und den erforderlichen Inhalt der vom Vorhabenträ­ ger einzureichenden Unterlagen bestimmt (§ 20 Abs. 3 S. 1 NABEG). Nach der Einreichung des Plans und der Planunterlagen durch den Vorhabenträger (§ 21 NABEG) führt die Bundesnetzagentur nach Maßgabe von § 22 ­NABEG ein Anhörungsverfahren mit Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung durch. Unter Berücksichtigung und Abwägung der ihr vorliegenden Planunterlagen, Stellungnahmen und Einwendungen aus dem Anhörungsverfahren sowie den Ergebnissen einer Umweltverträglichkeitsprüfung (§ 23 NABEG) trifft die Bundesnetzagentur sodann die Entscheidung über die Planfeststellung des NABEG-Vorhabens (§ 24 NABEG).

27  „Verordnung über die Zuweisung der Planfeststellung für länderübergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen auf die Bundesnetzagentur (Planfeststellungszuweisungverordnung – PlfZV) vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, S. 2582), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.05.2019 (BGBl. I 2019, S. 706). 28  Als Vorhabenträger im Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben kom­ men nach Maßgabe von § 3 Nr. 9 NABEG i. V. m. § 12c Abs. 4 S. 1 EnWG bzw. § 12c Abs. 8 EnWG die vier Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH, Transnet BW GmbH und Tennet TSO GmbH in Betracht.



B. Die Bundesnetzagentur175

II. Einbindungsmodus Im Allgemeinen erfolgt die Einbindung von Behörden im organisations­ rechtlichen Sinne, denen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren originäre Außenentscheidungskompetenzen übertragen sind, durch ihre Errichtung, die abstrakt-generelle Regelung ihrer Zuständig­ keit im kodifizierten Recht sowie die Einleitung des Verwaltungsverfahrens durch den Antrag (vgl. § 22 S. 2 Nr. 2 VwVfG) des jeweiligen Antragstellers. Aus dem Spektrum dieser verschiedenen Einbindungsstufen bedürfen im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststel­ lungsverfahren der §§ 18 ff. NABEG zunächst die Ebenen der organisatori­ schen Errichtung und Aufgabenzuweisung im Fachrecht einer näheren Be­ trachtung.29 Während die Einbindung verwaltungsberatender sachverständi­ ger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren vor allem30 nach Maßgabe des einfachen Rechts erfolgt,31 sind für die Errichtung und Aufgabenzuweisung von Behörden32 auch die verfassungs­ rechtlichen Vorgaben zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich des Verwaltungsvollzugs zu beachten. Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus, so regeln sie nach Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG auch die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsver­ fahren. Unter Inanspruchnahme der Verwaltungskompetenzregelungen des Art. 86 und Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG33 hat der Verordnungsgeber auf Grund­ lage der gesetzlichen Ermächtigung des § 2 Abs. 2 NABEG der Bundesnetz­ agentur in § 1 PlfZV die Aufgabe zur Durchführung von Planfeststellungs­ verfahren für NABEG-Vorhaben übertragen. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG lässt die Errichtung34 selbstständiger Bundesoberbehörden durch Verordnung grund­ 29  Zum weiteren Schritt der Einreichung des Planfeststellungsantrags durch den jeweiligen Vorhabenträger des zur Zulassung gestellten NABEG-Vorhabens siehe noch näher unten B. IV. 1. 30  Freilich darf auch die Einbindung beratender sachverständiger Stellen in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht gegen höherrangi­ ges Recht, insbesondere nicht gegen das Grundgesetz, verstoßen. Insoweit hat die Untersuchung der vorliegend im Rahmen des Kapitels § 3 behandelten Referenzge­ biete jedoch keine Probleme aufgezeigt. 31  Siehe zum Einbindungsmodus für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. II., für die ZKBS oben § 3 C. II. und für die DFS oben § 3 D. II. 32  Die folgenden Ausführungen gelten grundsätzlich auch für Behörden mit (ver­ waltungsinterner) Belangwahrungsfunktion, siehe dazu unten § 5 B. II. 33  Siehe BT-Drs. 17/6073, S. 32. 34  Der Begriff der „Errichtung“ in Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG bezieht sich nicht nur auf die Schaffung der Behörde, sondern umfasst auch ihre „sachliche, personelle und aufgabenmäßige Zurüstung“, siehe Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 3, Art. 87 Abs. 3 Rn. 94.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

sätzlich zu, sofern die wichtigsten Fragen der Aufgabenwahrnehmung durch Parlaments­gesetz geregelt sind.35 Zudem darf der Bund nach der Rechtspre­ chung des Bundesverfassungsgerichts auf Grundlage von Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG nur für solche Aufgaben eine Verwaltungskompetenz begründen, die im ganzen Bundesgebiet von einer Oberbehörde ohne Mittel- und Unterbau und – abgesehen von reiner Amtshilfe – ohne Inanspruchnahme von Verwal­ tungsbehörden der Länder wahrgenommen werden können.36 Diese Voraus­ setzungen sind nur hinsichtlich solcher Aufgaben erfüllt, die „zur zentralen Erledigung geeignet“ sind.37 Ob die Durchführung von Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorha­ ben eine „zur zentralen Erledigung“ durch die Bundesnetzagentur geeignete Aufgabe darstellt, ist umstritten und bislang ungeklärt. Teile des Schrifttums halten Planfeststellungsverfahren für große Infrastrukturprojekte vorbehalt­ lich einer anderweitigen ausdrücklichen Kompetenzzuweisung im Grundge­ setz38 nicht nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverfassungsge­ richts „zur zentralen Erledigung“ geeignet. Diese Auffassung wird damit begründet, dass planfeststellungsbedürftige Vorhaben (wie z. B. NABEGVorhaben) häufig über einen kleinteilig-örtlichen Bezug verfügten, der es aus der Perspektive von mit Planfeststellungsaufgaben betrauten Bundesoberbe­ hörden regelmäßig unmöglich mache, auf die Inanspruchnahme der Verwal­ tungsbehörden der Länder zu verzichten.39 Ungeachtet ihrer konkreten Lösung führt die Streitfrage um die Verfas­ sungsmäßigkeit der Planfeststellungskompetenz der Bundesnetzagentur im Kontext der vorliegenden Untersuchung auf die allgemeine Frage, welche rechtlichen Folgen an eine – allgemein gesprochen – fehlerhafte Einbindung einer sachverständigen Stelle in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren geknüpft sind. Im hier als Referenz genommenen Bei­ 35  Burgi, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 3, Art. 87 Abs. 3 Rn. 5; Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band III, Art. 87 Rn. 84. 36  BVerfGE 14, 197 (211); 110, 33 (49). 37  Ebda. 38  Herkömmliche Beispiele sind die Eisenbahnverkehrsverwaltung (Art. 87e GG) mit dem Planfeststellungsverfahren nach §§ 18 ff. AEG sowie die Bundeswasser­ straßenverwaltung (Art. 89 GG) mit dem Planfeststellungsverfahren nach §§ 14 ff. ­WaStrG. Zur jüngeren Novellierung der Kompetenzverteilung für die Planfeststellung von Bundesautobahnen in Art. 90 GG siehe die einfach-rechtlichen Bestimmungen in §§ 17 ff. FStrG i. V. m. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 des „Gesetzes zur Errichtung eines Fern­ straßen-Bundesamtes“ (Fernstraßen-Bundesamt-Errichtungsgesetz – FStrBAG) vom 14.08.2017 (BGBl. I 2017, S. 3122, 3143). 39  Zu diesen verfassungsrechtlichen Bedenken bezüglich der Aufgabenzuweisung an die Bundesnetzagentur siehe vor allem Moench/Ruttloff, NVwZ 2011, 1040 (1041); ferner Durner, DVBl 2011, 853 (857 f.). Zur Gegenauffassung siehe etwa M.  Appel, UPR 2011, 406 (412); Sellner/Fellenberg, NVwZ 2011, 1025 (1032).



B. Die Bundesnetzagentur177

spiel der Bundesnetzagentur hätte die Unvereinbarkeit von § 31 NABEG bzw. § 2 Abs. 2 NABEG i. V. m. § 1 PlfZV mit Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG die Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit der einfach-rechtlichen Aufgabenzu­ weisung an die Bundesnetzagentur zur Folge. Welche Bedeutung eine Ver­ fassungswidrigkeit der Planfeststellungskompetenz und damit ihrer Einbin­ dung im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG für die von der Bundesnetzagentur im Einzelfall erlassenen Planfeststellungsbeschlüsse hätte, bestimmt sich mangels besonderer fachrechtlicher Bestimmungen40 nach den Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts. Im Fall der Nich­ tigkeit der ihre Aufgabenwahrnehmung regelnden Rechtsvorschriften wären die Planfeststellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur i. S. d. § 24 NA­ BEG mangels Verwaltungskompetenz des Bundes in jedem Fall rechtswidrig. Während die rechtswidrige Einbindung verwaltungsberatender sachverständi­ ger Stellen (z. B. wegen Befangenheit nach §§ 20, 21 VwVfG) vorbehaltlich einer praktisch kaum vorstellbaren Nichtigkeit (vgl. insoweit § 44 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG) nach Maßgabe von §§ 45, 46 VwVfG geheilt werden kann bzw. unbeachtlich ist, fehlt es für den Umgang mit einer sachlichen Unzu­ ständigkeit der den Verwaltungsakt41 erlassenden Behörde im kodifizierten Recht an einer ausdrücklichen Regelung. Nach herrschender Meinung leidet ein Verwaltungsakt, den eine Behörde trotz fehlender Verbandszuständigkeit bzw. sachlicher Zuständigkeit erlassen hat, nur dann an einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen, zu seiner Nichtigkeit führenden Feh­ ler i. S. d. § 44 Abs. 1 VwVfG, wenn die handelnde Behörde unter keinen Umständen mit der Angelegenheit befasst sein kann.42 Dies hat das Bundes­ verwaltungsgericht obiter dicta für den Fall bejaht, dass die handelnde Be­ hörde nicht dem für den Erlass des Verwaltungsakts zuständigen Verband angehört.43 Ob die Zuweisung von Planfeststellungskompetenzen auf die Bundesnetz­ agentur den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG genügt und – verneinendenfalls – ihre hieraus resultierende Unzuständig­ keit einen „offensichtlichen“ Fehler i. S. d. § 44 Abs. 1 VwVfG darstellt, der zur Nichtigkeit der von ihr erlassenen Planfeststellungsentscheidungen führt,

40  Auf die Bestimmung des § 79 Abs. 2 BVerfGG sei hier lediglich hingewiesen. Sie ist im Hinblick auf die sich vorliegend stellenden Fragestellungen nicht von Re­ levanz. 41  Zur Verwaltungsaktqualität von Planfeststellungsentscheidungen siehe statt vie­ ler Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 19. 42  Siehe nur BVerwG, DÖV 1972, 173; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 44 Rn. 15; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 170 f. 43  BVerwG, DÖV 1972, 173; siehe aus dem Schrifttum auch Leisner-Egensperger, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 44 Rn. 13.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

kann hier nicht abschließend behandelt werden.44 Dass die Aufgabe der Pla­ nung bzw. Zulassung von sich in räumlicher Hinsicht mitunter über mehrere Bundesländer erstreckenden NABEG-Vorhaben „zur zentralen Erledigung“ i. S. d. Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG geeignet ist, erscheint jedenfalls nicht von vornherein über jeden rechtlichen Zweifel erhaben.45 Gleichzeitig zeigt ge­ rade die verwaltungsgerichtliche Praxis, dass Kläger in Rechtsstreitigkeiten betreffend die Zulassung umstrittener Infrastrukturvorhaben ihre Rechtsbe­ helfe neben materiell-rechtlichen Aspekten häufig auch auf eine fehlende Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde stützen,46 ohne dass freilich das diesbezügliche Klagevorbringen notwendigerweise zum Erfolg führt. Nichts­ destotrotz ist es durchaus bemerkenswert, dass der Bund anders als für die Schienenwege,47 Wasserstraßen48 und zuletzt die Autobahnen49 für den Aus­ bau des Stromübertragungsnetzes die Begründung seiner Planfeststellungs­ kompetenz nicht mit einer entsprechenden Verfassungsänderung verknüpft hat und damit ein nicht ganz unerhebliches Klagerisiko in Kauf nimmt.50 Im Kontext der vorliegenden Untersuchung verdeutlicht das Beispiel der Übertragung von Planfeststellungskompetenzen auf die Bundesnetzagentur die hohe Bedeutung, die einem (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstan­ denden Einbindungsmodus bei der Zuweisung von Außenentscheidungs­ kompetenzen an Behörden im Vergleich zur Einbindung von verwaltungsbe­

44  Ohne nähere Begründung für eine bloße Rechtswidrigkeit Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 173. 45  Wie hier Durner, DVBl 2011, 853 (858); a. A. Sachverständigenrat für Umweltfragen (Hrsg.), Wege zur 100  % erneuerbaren Stromversorgung, S. 317, der die Plan­ feststellungskompetenz der Bundesnetzagentur für unproblematisch erachtet. 46  Entsprechende Rechtsstreitigkeiten können sich durchaus durch mehrere In­ stanzen ziehen, siehe etwa BVerwG, Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 12; Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 18 (Planfeststellungsbefugnis der Bundesbahn nach § 36 BBahnG); BVerwG, NVwZ 2008, 795 f.; OVG Lüneburg, OVGE MüLü 51, 319 ff. (Zuständigkeit einer Planfeststellungsbehörde für ein Straßenbauvorhaben); OVG Bremen, ZUR 2017, 541 (542 f.); VG Bremen, Beschluss vom 18.05.2016 – 5 V 366/16 – , juris, Rn. 7 ff., 37 ff. (Planfeststellungsbefugnis des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr der Freien Hansestadt Bremen für den Neubau eines Offshore-Ter­ minals); vgl. ferner BVerwG, Buchholz 442.09 § 23 AEG Nr. 2; OVG Schleswig, BeckRS 2010, 49156 (Zuständigkeit der Planfeststellungsbehörde für die Freistellung von Bahnbetriebszwecken nach § 23 Abs. 1 AEG). 47  Art. 87e Abs. 1 GG; § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BEVVG. 48  Art. 89 Abs. 2 GG; § 45 Abs. 1 WaStrG. 49  Art. 90 Abs. 2 GG; zur einfach-rechtlichen Zuständigkeit des neuen Fern­ straßen-Bundesamts ab dem 01.01.2021 (§ 1 Abs. 1 FStrBAG) siehe § 2 Abs. 2 S. 1 FStrBAG. 50  Ähnlich die Einschätzung von Durner, DVBl 2011, 853 (858).



B. Die Bundesnetzagentur179

ratenden bzw. auf sonstige Weise51 verwaltungsintern mitwirkenden sach­ verständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren zukommt. Während die rechtswidrige (Nicht-)Einbindung letzterer im Zweifel lediglich einen Verfahrensfehler darstellt und zu einer rechtswidrigen, in aller Regel jedoch wirksamen52 und daher heilbaren be­ hördlichen Verwaltungsentscheidung führt,53 kann die sachliche Unzustän­ digkeit einer Behörde mit Entscheidungszuständigkeit im Außenverhältnis in Konstellationen von verfassungsrechtlich unklaren Verteilungen der Verwal­ tungskompetenzen zwischen Bund und Ländern gegebenenfalls zur Nichtig­ keit der ergangenen Zulassungsentscheidung führen.54 Vor diesem Hinter­ grund sollte die Neubegründung von behördlichen Außenzuständigkeiten gerade bei langwierigen Planungs- und Zulassungsverfahren für komplexe, regelmäßig umstrittene Infrastrukturvorhaben verfassungsrechtlich gesondert abgesichert werden, wenn und soweit in einem Sachgebiet die Abgrenzung der Verwaltungskompetenzen zwischen Bund und Ländern zweifelhaft ist. Ob sich bei den zu erwartenden Klagen gegen die Planfeststellungsentschei­ dungen für NABEG-Vorhaben das erst- und letztinstanzliche zuständige Bundesverwaltungsgericht55 der nicht unproblematischen Frage der Verfas­ sungsmäßigkeit der Planfeststellungskompetenz der Bundesnetzagentur an­ nehmen wird,56 wird im Schrifttum zwar offen angezweifelt,57 bleibt in der Sache jedoch abzuwarten und bedarf jedenfalls vorliegend keiner näheren Betrachtung.

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Behörden, denen in Planfeststellungsverfahren die Entscheidung über die Zulassung komplexer Anlagen bzw. Infrastrukturvorhaben obliegt, benötigen zur Erledigung ihres Prüfauftrags regelmäßig hochspezialisierten Sachver­

51  Zum Referenzgebiet für die vorliegend in der Untersuchungsgruppe der Be­ langwahrung verorteten Behördenbeteiligung siehe unten § 5 B. 52  Siehe etwa § 44 Abs. 3 Nr. 2 u. 4 VwVfG. 53  Vgl. für die Heilung etwa § 45 Abs. 1 Nr. 4 u. 5 VwVfG; zur Unbeachtlichkeit siehe § 46 VwVfG. 54  Freilich ist insoweit die Einschränkung der Nichtigkeitsfolge in § 79 Abs. 2 BVerfGG zu berücksichtigen. 55  Zu den für die gerichtliche Überprüfung geltenden Grundsätzen siehe unten B. V. 56  In Bezug auf die Vorschriften der §§ 2 Abs. 2, 31 Abs. 1 u. 2 NABEG ist die Vorlagepflicht aus Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG zu beachten. 57  Etwa von Durner, in: Quaas/Deutsches Anwaltsinstitut e. V. (Hrsg.), Rechtspro­ bleme der Energiewende, S. 57 (63 f.).

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

stand.58 Zugleich stellen die in Planfeststellungsverfahren für komplexe In­ frastrukturvorhaben regelmäßig kollidierenden öffentlichen und privaten Inte­ ressen von Vorhabenträgern und Drittbetroffenen die Unparteilichkeit und Objektivität der zuständigen Planfeststellungsverfahren auf eine harte Probe.59 Letzteres gilt insbesondere für den politisch und gesellschaftlich umstrittenen Ausbau des Stromübertragungsnetzes, die ein wesentlicher Anlass für die Verlagerung der Planfeststellungskompetenz auf die Bundesebene war.60 Vor diesem Hintergrund ist im Folgenden auf die Fachkompetenz und Unabhän­ gigkeit61 der Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit ihren Aufgaben im Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben einzugehen. 1. Fachkompetenz Im Unterschied zu externen sachverständigen Stellen62 kann der Staat die Fachkompetenz der von ihm zur Aufgabenerledigung eingesetzten Behörden jedenfalls im Hinblick auf ihre Organisation, personelle Besetzung und tech­ nische Ausstattung aktiv steuern. Dementsprechend wird die Fachkompetenz von Behörden ungeachtet von Art und Umfang der ihnen übertragenen Auf­ gaben typischerweise nicht durch normative Regelungen im Fachrecht, son­ dern durch schlichte Einrichtung einer Behörde, interne Vorgaben an ihre Organisation, Einstellung von Personal sowie Bereitstellung von Sach- und Arbeitsmitteln gewährleistet. Auch zu den fachlichen Qualifikationsanforde­ rungen der konkret zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Amtswalter verhält sich das einschlägige Fachrecht regelmäßig nicht. Allerdings muss der jewei­ lige Amtswalter zur Erlangung seiner Stellung innerhalb der Behörde die für den jeweiligen Dienstgrad maßgeblichen Zugangsvoraussetzungen erfüllen, die sich etwa aus allgemeinen Vorschriften des Beamtenrechts, aus dem Recht des öffentlichen Dienstes sowie aus dem Hochschul- bzw. Ausbil­ dungsrecht ergeben.63 Er unterliegt zudem Fortbildungspflichten sowie der 58  Siehe unter dem Gesichtspunkt der Trennung der Aufgaben von Anhörungsund Planfeststellungsbehörde etwa Ossenbühl, FS Sendler, S. 107 (118). 59  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 617. 60  Dazu Steinbach, Rationale Gesetzgebung S. 293 f. 61  Bereits an dieser Stelle sei klargestellt, dass die Unabhängigkeit von Planfest­ stellungsbehörden im Hinblick auf die Vorgaben des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) nicht deren Weisungsfreiheit gegenüber der Spitze der Ministerial­ verwaltung meinen kann. Siehe im Einzelnen näher unten B. III. 2. 62  Zu den insoweit einschlägigen Referenzgebieten siehe für die Verwaltungsbe­ ratung oben § 3 B. III. 1., § 3 C. III. 1. u. § 3 D. III. 1. Zum Regelungsmechanismus bei externen sachverständigen Stellen mit originären Entscheidungskompetenzen siehe unten C. III. 1. u. D. III. 1. 63  Da vorliegend nicht die Tätigkeit individueller Amtswalter, sondern von Be­ hörden in ihrer Funktion als in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­



B. Die Bundesnetzagentur181

Dienstaufsicht und dem Weisungsrecht seines Dienstherrn. Von diesen allge­ meinen Anforderungen abgesehen finden sich im kodifizierten Recht auch für die Amtswalter von Behörden keine ausdrücklich normierten Anforderun­ gen im Hinblick auf deren fachliche Erfahrung oder Methodenkompetenz. Dass das (Fach-)Recht die Fachkompetenz von Behörden und ihren Mitar­ beitern nicht ausdrücklich regelt, heißt indes nicht, dass sie rechtlich entbehr­ lich wäre. Vielmehr folgt bereits aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) eine Organisationspflicht des Staates, die Anwendung und Durchsetzung des Rechts institutionell und personell zu ermöglichen.64 Ein aktuelles Bei­ spiel für eine derartige Gewährleistung behördlicher Fachkompetenz durch Einrichtung und Ausstattung stellt im Kontext des vorliegenden Untersu­ chungsgegenstands die Bundesnetzagentur dar, der im Jahr 2011 die Aufgabe zur Durchführung von Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben übertragen wurde. Bei der Planung und Zulassung von NABEG-Vorhaben stellen sich neben rechtlichen Problemen auch hochkomplexe technische, umwelt- und naturschutzfachliche Fragen, zu deren Klärung die im Planfest­ stellungsverfahren zuständige Behörde in der Lage sein muss.65 Während die fachliche Kompetenz der Bundesnetzagentur in ihrer Funktion als Regulie­ rungsbehörde seit jeher außer Frage steht,66 verfügte sie bis zum Erlass des NABEG im Bereich der Planung und Zulassung länderübergreifender und grenzüberschreitender Höchstspannungsleitungen über keine besonderen Kompetenzen oder Erfahrungen.67 Vor diesem Hintergrund wurde die zur Aufgabenwahrnehmung erforderliche fachliche Eignung der Bundesnetz­ agentur im Gesetzgebungsverfahren insbesondere seitens der Länder offen angezweifelt.68 Entsprechende Bedenken, die in rechtlicher Hinsicht vor­ nehmlich im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit der Zuweisung von Plan­ feststellungskompetenzen mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 87 Abs. 3 GG vorgebracht werden, finden sich, wie dargelegt, auch im juristischen Schrifttum.69 Damit die Bundesnetzagentur ihre neue Aufgabe sungsverfahren mit Außenentscheidungskompetenzen ausgestattete sachverständige Stellen im Vordergrund steht, wird hier auf eine Darstellung der allgemeinen Anfor­ derungen der einschlägigen Ausbildungs- bzw. Studiengänge, die Amtswalter für ih­ ren Einsatz innerhalb der Behörde erfüllen müssen, verzichtet. 64  Siehe Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grund­ lagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 15 Rn. 55. 65  Praktisch relevante Fragen sind etwa Gesundheitsbeeinträchtigungen durch In­ fraschall sowie arten- und gebietsschutzfachliche Themen. 66  Siehe aus der Rechtsprechung nur BVerwGE 130, 39 (49); 151, 56 (66). 67  Diesen Umstand räumte die Bundesnetzagentur im Rahmen des Gesetzge­ bungsverfahrens zur Verabschiedung des NABEG selbst ein, vgl. BT-Drs. 17/6366, S. 13. 68  Siehe insoweit BR-Drs. 342/11 (B), S. 6. 69  Siehe dazu oben C. II.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

als Planfeststellungsbehörde ordnungsgemäß wahrnehmen kann, wurde ihr seinerzeit für die Bereiche Recht, Ingenieurswesen, Raumplanung, Kommu­ nikation, Biologie, Content-Management, Geoökologie, Elektro- und Um­ welttechnik sowie Verwaltung ein zusätzlicher Personalbedarf von 240 Stel­ len attestiert.70 Nach Einstellung des zusätzlich benötigten Personals71 und dem Aufbau einer neuen Fachabteilung72 steht die Fachkompetenz der Bun­ desnetzagentur als solche nicht mehr generell in Frage.73 Darüber hinaus bestätigt das Beispiel der Bundesnetzagentur auch im Hin­ blick auf Behörden den bereits oben74 herausgearbeiteten Befund, dass unbe­ stimmte und ausfüllungsbedürftige Prüfprogramme des materiellen Rechts in einem engen Zusammenhang mit fehlenden regulatorischen Vorgaben an die institutionelle Fachkompetenz sachverständiger Stellen bzw. individuelle Fachkompetenz des konkreten Mitarbeiters/Amtswalters stehen. In naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren des Umwelt- und Fachplanungsrechts müssen Behörden für die von ihnen zu erlassenden Zu­ lassungsentscheidungen häufig Erhebungen und Prognosen zum Vorkommen bestimmter Tier- und Pflanzenarten im räumlichen Umkreis des jeweiligen Vorhabens durchführen bzw. entsprechende vom Antragsteller beigebrachte Daten und Unterlagen beurteilen,75 deren Anforderungen sowohl in fachwis­ senschaftlicher als auch insbesondere in materiell-rechtlicher Hinsicht völlig ungeklärt bzw. ungeregelt sind. Die Planung und Zulassung von NABEGVorhaben ist hierfür ein geradezu paradigmatisches Beispiel.76 Dementspre­ chend lässt nicht nur das materielle Recht regelmäßig offen, auf welche Weise Erhebungen, Prognosen und Bewertungen naturschutzfachlicher Sach­ verhalte durchzuführen sind.77 Vielmehr ist dem Fachrecht auch in organisa­

70  BT-Drs.

17/6073, S. 3. BR-Drs. 333/13, S. 6. 72  Die Bundesnetzagentur nimmt die ihr im Zusammenhang mit der Planung und Zulassung länderübergreifender und grenzüberschreitender Höchstspannungsleitun­ gen zugewiesenen Aufgaben in der Abteilung 8 „Netzausbau“ wahr. 73  Gleichwohl wird nach wie vor diskutiert, ob die als zentrale Bundesoberbe­ hörde organisierte Bundesnetzagentur die vor Ort erforderlichen Tatsachenermitt­ lungen ebenso gut wie eine mit den örtlichen Verhältnissen vertraute (Landes-) Planfeststellungsbehörde durchführen könne. Dies verneinen im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit der der Bundesnetzagentur zugewiesenen Planfeststellungs­ kompetenz etwa Moench/Ruttloff, NVwZ 2011, 1040 (1041); Durner, DVBl 2011, 853 (858). 74  Siehe § 3 B. III. 1., C. III. 1. u. D. III. 1. 75  Dies erfordert regelmäßig die Einbindung der in ihrem Aufgabenbereich be­ troffenen Fachbehörden. 76  Siehe hierzu für den Bereich der Netzplanung aus dem jüngeren Schrifttum etwa Knauff, EnWZ 2019, 51 (57 ff.). 71  Vgl.



B. Die Bundesnetzagentur183

tionsrechtlicher Hinsicht nicht zu entnehmen, welche Methoden und Vorge­ hensweisen die zur Ausfüllung der materiellen Prüfprogramme und zur Ent­ scheidung berufenen Behörden bzw. deren Amtswalter beherrschen müssen.78 Insoweit bestehen zwischen den für Behörden und private sachverständige Stellen geltenden Regelungsmechanismen keine Unterschiede.79 2. Unabhängigkeit Fraglich ist, ob und inwieweit die Bundesnetzagentur bei der Wahrneh­ mung ihrer Aufgabe als Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfah­ ren nach den §§ 18 ff. NABEG dem Postulat der Unabhängigkeit unterliegt. Aus den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Prinzi­ pien der Verfahrensgerechtigkeit und des fairen Verfahrens sowie den Grund­ rechten folgt das Gebot, Verwaltungsverfahren objektiv und unparteiisch durchzuführen. Dementsprechend sind die staatlichen Verwaltungsbehörden bei ihrer Tätigkeit in Verwaltungsverfahren verpflichtet, ihre Entscheidungen und Handlungen ausschließlich an sachlichen und rationalen Maßstäben aus­ zurichten.80 Im einfachen Recht wird diese verfassungsrechtliche Vorgabe in den Bestimmungen der §§ 20, 21 VwVfG umgesetzt, die nach ihrem perso­ nellen Anwendungsbereich das Unabhängigkeitspostulat in der Person des individuellen Amtswalters verorten.81 Dieser Befund klärt nicht, inwieweit Behörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren auch in institutioneller Hinsicht unabhängig sein müssen. Im Hinblick auf das Referenzgebiet ist zunächst festzustellen, dass im kodifizierten Fach­ recht eine Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur lediglich im Zusammen­ hang mit ihren regulierungsrechtlichen Aufgaben,82 nicht aber für ihre Funktion als Planfeststellungsbehörde bei der Zulassung von NABEG-Vorha­ 77  Siehe im Zusammenhang mit dem angesprochenen Beispiel des Naturschutz­ rechts etwa die inhaltlich ausfüllungs- und konkretisierungsbedürftigen Prüfpro­ gramme in § 34 BNatSchG sowie in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG. 78  Auch unter diesem Gesichtspunkt sind die Bestimmungen des § 34 BNatSchG und des § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG exemplarische Beispiele. 79  Zu den entsprechenden Feststellungen für die Untersuchungsgruppe der verwal­ tungsberatenden sachverständigen Stellen siehe oben § 3 B. III. 1, C. III. 1, D. III. 1. 80  Siehe insoweit etwa Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 6; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 2 f. 81  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 6. 82  Aus dem Unionsrecht siehe etwa Art. 35 Abs. 4 Richtlinie 2009/72/EG (Elektri­ zitätsbinnenmarktrichtlinie), Art. 39 Abs. 4 Richtlinie 2009/73/EG (Erdgasbinnen­ marktrichtlinie) oder Art. 3 Abs. 3a Richtlinie 2002/21/EG (Rahmenrichtlinie Tele­ kommunikation). Auf die Tätigkeit der Amtswalter der Bundesnetzagentur finden die §§ 20, 21 VwVfG hingegen nach allgemeinen Regeln Anwendung.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

ben positiv geregelt ist.83 Anders als bei den in Kapitel § 3 untersuchten verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen kann die „fachplanungs­ rechtliche“ Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur auch nicht nach Maßgabe der Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG bestimmt werden. Nach der – bereits erwähnten84 – ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge­ richts kennt die nationale Rechtsordnung eine „institutionelle Befangenheit“ von Behörden nicht, weshalb die Mitwirkungsverbote der §§ 20, 21 VwVfG auf ihre Tätigkeit in Verwaltungsverfahren keine Anwendung finden.85 Aus diesem Grund führt auch der Umstand, dass sich die Bundesnetzagentur im Hinblick auf das Ziel eines zügigen Stromnetzausbaus selbst im „Maschinen­ raum der Energiewende“ in der Funktion als „Motor“ sieht,86 jedenfalls unter dem Gesichtspunkt einer etwaigen institutionellen Befangenheit von vornherein zu keinem rechtlich beachtlichen Unabhängigkeitsdefizit.87 Darüber hinaus kann die Unabhängigkeit der im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie angesiedelten88 Bundes­ netzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG auch nicht im Sinne einer formellen Weisungsfreiheit gegenüber der Spitze der Ministerialverwaltung interpretiert werden. Zum einen lässt sich die im ­Unionsrecht statuierte Weisungsfreiheit der Regulierungsbehörden89 auf die Tätigkeit der Bundesnetzagentur als Planfeststellungsbehörde für NABEGVorhaben nicht übertragen, da der Ausbau des nationalen Stromnetzes im 83  Für eine Herleitung einer Unabhängigkeitspflicht der Bundesnetzagentur aus dem unionsrechtlichen Regulierungsrecht aber offenbar Waechter, VVDStRL 72 (2013), 499 (511 f.). 84  Vgl. oben § 3 D. III. 2. 85  BVerwGE 153, 367 (372); BVerwG NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71); NVwZ-RR 2018, 928 (929). Zur Problematik der Anwendbarkeit der §§ 20, 21 VwVfG auf Verwaltungseinheiten siehe ausführlich Barbirz, Institutionelle Befangen­ heit, S. 115 ff., der konstatiert, dass institutionelle Interessenkonflikte zwar grundsätz­ lich vom Regelungszweck beider Vorschriften erfasst seien, im Ergebnis jedoch nicht zu einem Ausschluss ganzer Behörden vom Verwaltungsverfahren führen könnten (S.  139 f.). 86  Siehe insoweit den Beitrag von Homann, in: Mohr (Hrsg.), Energierecht im Wandel, S. 36 (38), seines Zeichens Präsident der Bundesnetzagentur. 87  Ob entsprechende Aussagen von Amtswaltern der Bundesnetzagentur nach Maßgabe von § 21 VwVfG zu einem Mitwirkungsverbot führen können, bedürfte ei­ ner Klärung im Einzelfall und soll vorliegend dahinstehen. 88  § 1 S. 2 des „Gesetzes über die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Tele­ kommunikation, Post und Eisenbahnen“ (BNAG), erlassen durch Art. 2 des „Zweiten Gesetzes zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrecht“ vom 07.07.2005 (BGBl. I 2005, S. 1970, 2009), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 17.07.2017 (BGBl. I 2017, S. 2503, 2506). 89  Art. 35 Abs. 4 S. 2 lit. b) ii) Richtlinie 2009/72/EG; Art. 39 Abs. 4 S. 2 lit. b) ii) Richtlinie 2009/73/EG; Art. 3 Abs. 3a S. 1 Richtlinie 2002/21/EG.



B. Die Bundesnetzagentur185

Hinblick auf die Behördenorganisation nicht unionsrechtlich vorgeprägt wird.90 Zum anderen erfordert das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufga­ ben betrauten Organen und Amtswaltern, die im Bereich der unmittelbaren Staatsverwaltung insbesondere durch das Einzelweisungsrecht der Regierung bzw. des zuständigen Ministers gegenüber nachgeschalteten Stellen her­ gestellt und gewahrt wird.91 Da Planfeststellungsbeschlüsse von NABEGVorhaben enteignungsrechtliche Vorwirkungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken Privater entfalten (§ 27 Abs. 2 S. 2 NABEG)92 und auch im Übrigen Rechts- bzw. Grundrechtspositionen von Drittbetroffenen ausgestal­ ten (§ 75 Abs. 1 S. 2 VwVfG), muss nach Maßgabe des tradierten Demo­ kratie- und Legitimationsverständnisses des Bundesverfassungsgerichts zur Vermeidung eines „ministerialfreien Raums“93 das im Regulierungsrecht unionsrechtlich ausgeschlossene Weisungsrecht der Ministerialverwaltung bei der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Bereich des Netzausbaus vorbe­ halten bleiben und gegebenenfalls eingesetzt werden.94 Dies bedeutet indes nicht, dass die Bundesnetzagentur bei der Durchfüh­ rung von Planfeststellungsverfahren und ihrer Entscheidung über die Plan­ feststellung keinem – hier als Obergriff mit dem Terminus der Unabhängig­ keit umschriebenen95 – Sachlichkeits- und Rationalitätsgebot unterliegt.96 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) wurzelnden Grundsatz fairer Verfah­ rensgestaltung eine Pflicht von Planfeststellungsbehörden, in jeder Phase des Planfeststellungsverfahrens „gegenüber jedermann“ ein hinreichendes Maß an innerer Distanz und Neutralität zu wahren, um nach Durchführung des Planfeststellungsverfahrens noch „ein abgewogenes“ Urteil bei der Entschei­ dung über die Planfeststellung treffen zu können.97 Dieses Distanzgebot 90  Ähnlich

Durner, DVBl 2011, 853 (857). 93, 37 (67); 107, 59 (87 f.). 92  Statt vieler Wichert, in: Danner/Theobald (Hrsg.), Energierecht, § 27 NABEG Rn. 99. 93  Vgl. bereits BVerfGE 9, 268 (282). 94  So auch Durner, DVBl 2011, 853 (857); ähnlich Erbguth, in Kment (Hrsg.), Netzausbau zugunsten erneuerbarer Energien, S. 17 (42 f.); offener hingegen Waechter, VVDStRL 72 (2013), 499 (513) (dort Fn. 63): vorsichtiges Herantasten an eine größere Unabhängigkeit der Entscheidungsbehörde. 95  Zur Begrifflichkeit siehe oben § 2 D. III. 2. 96  Unter dem Gesichtspunkt der Verfahrensdurchführung für eine Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur etwa Waechter, VVDStRL 72 (2013), 499 (512). 97  Grundlegend BVerwGE 75, 214 (230); siehe ferner BVerwGE 133, 239 (245); 139, 150 (154); 141, 171 (177). 91  BVerfGE

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

schließt dem Bundesverwaltungsgericht zufolge im Interesse eines sachge­ rechten Verfahrensablaufs eine Zusammenarbeit zwischen Planfeststellungs­ behörde und Vorhabenträger in Gestalt von – auch informaler – Beratung und Information nicht aus. Allerdings dürfe sich die Planfeststellungsbehörde durch ihre Verfahrensgestaltung weder in eine rechtliche noch faktische Ab­ hängigkeit zum Vorhabenträger begeben, von der etwa dann auszugehen sei, wenn letzterer im Einzelfall „mit am Entscheidungstisch“ sitze.98 Auch im Verhältnis zwischen Planfeststellungsbehörde und (Spitze der) Ministerial­ verwaltung geht das Bundesverwaltungsgericht von einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Besprechungen und Beratungen aus. Allerdings dürfe die Einflussnahme der Politik auf die Tätigkeit der Planfeststellungsbehörde nicht dazu führen, dass „verfahrensrechtlich gebotene Entscheidungsebenen nicht mehr getrennt, einseitig Absprachen über die weitere Verfahrensgestal­ tung getroffen und der Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde von vornherein […] sachwidrig eingeengt wird.“99 Wie diese Vorgaben an die Unabhängigkeit von Planfeststellungsbehörden konkret inhaltlich ausgefüllt bzw. abgesichert werden können, lassen indes sowohl das kodifizierte Recht als auch die bisherige Rechtsprechung weithin offen.100 Zwar gilt die Bundesnetzagentur im Bereich der Planung und Zu­ lassung von NABEG-Vorhaben aufgrund ihrer Ansiedlung auf Bundesebene jedenfalls im Hinblick auf sachwidrige, rein politisch motivierte und damit unzulässige101 Einflussnahmen der Länder als relativ102 unabhängig.103 Im Verhältnis zu den vier Übertragungsnetzbetreibern als Vorhabenträger des Planfeststellungsverfahrens der §§ 18 ff. NABEG104 bzw. zur Ministerialver­ waltung105 wird die ausschließliche Sachorientierung und Handlungsrationa­ lität der Bundesnetzagentur nicht gesetzlich abgesichert. Die Inhalte infor­ 98  BVerwGE

75, 214 (231). 75, 214 (231). Für die Betätigung von Amtswaltern in Aufsichtsbe­ hörden im Verwaltungsverfahren der federführenden Behörde vgl. zuvor bereits BVerwGE 69, 256 (267). 100  Siehe insoweit zur Tätigkeit der Bundesnetzagentur auf der Ebene des Plan­ feststellungsverfahrens noch unten B. IV. 1. 101  Siehe nur BVerwGE 75, 214 (231). 102  Nicht vertieft werden sollen hier die Rollen des Bundesfachplanungsbeirats i. S. d. § 32 NABEG und des Beirats i. S. d. §§ 5, 7 BNAG, die jeweils mit Länderver­ tretern besetzt werden. 103  Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 294. 104  Wie schon oben erwähnt, folgt die Vorhabenträgerstellung der vier Übertra­ gungsnetzbetreiber 50 Hertz Transmission GmbH, Amprion GmbH, Transnet BW GmbH und Tennet TSO GmbH aus § 3 Nr. 9 NABEG i. V. m. § 12c Abs. 4 S. 1 EnWG bzw. § 12c Abs. 8 EnWG. 105  Nach § 1 S. 2 BNAG ist die Bundesnetzagentur im Geschäftsbereich des Bun­ desministeriums für Wirtschaft und Energie angesiedelt. 99  BVerwGE



B. Die Bundesnetzagentur187

meller Gespräche mit Vorhabenträgern und Politik, die es für die effektive und ordnungsgemäße Durchführung von Planfeststellungsverfahren geben muss und darf,106 werden nicht in einer durch Dritte von außen kontrollier­ baren Art und Weise dokumentiert bzw. protokolliert.107 Insbesondere ist das der Bundesnetzagentur auch in ihrer Funktion als Planfeststellungsbehörde übergeordnete Bundesministerium für Wirtschaft und Energie weder nach dem NABEG noch nach sonstigen einschlägigen Vorschriften des Fachpla­ nungsrechts verpflichtet, etwaige der Bundesnetzagentur erteilte – nach hier vertretener Auffassung nicht per se ausgeschlossene (s. o.) – Weisungen zu veröffentlichen, wie dies etwa im Zusammenhang mit deren regulierungs­ rechtlichen Aufgaben der Fall ist.108 Insgesamt ist festzustellen, dass die Unabhängigkeit der Bundesnetzagen­ tur in ihrer Stellung als Planfeststellungsbehörde für NABEG-Vorhaben auf abstrakt-organisatorischer Ebene durch die zum allgemeinen Fachplanungs­ recht ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zwar recht­ lich gefordert ist, jedoch in ihren Konturen weitgehend vage bleibt und überdies nicht umfassend abgesichert wird. Damit ist die Bundesnetzagentur ein typisches Beispiel auch für andere in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren mit der Verfahrensfederführung und Ent­ scheidungsgewalt ausgestattete Behörden, deren Unabhängigkeit vom jewei­ ligen Antragsteller bzw. zur Spitze der (Ministerial-)Verwaltung auf abstraktgesetzlicher Organisationsebene regelmäßig ebenfalls kaum gewährleistet wird.109

IV. Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren Ausgehend von ihrer organisationsrechtlich nur eingeschränkt sicherge­ stellten Unabhängigkeit ist im Kontext des vorliegend verfolgten Erkenntnis­ interesses nunmehr auf die Modalitäten der Tätigkeit der Bundesnetzagentur 106  Siehe

wiederum BVerwGE 75, 214 (231). der behördlichen Aktenführung bleiben hier außer Betracht. Es bedarf jedoch wohl keiner näheren Begründung, dass Notizen und Vermerke über Gespräche mit besonders kritischen oder problematischen Punkten in der Praxis nicht zwangs­ läufig zu den Verfahrensakten genommen werden. 108  Siehe insoweit die Veröffentlichungspflichten im regulierungsrechtlichen Be­ reich: § 4 Abs. 3 S. 2 BEVVG, § 61 EnWG, § 117 S. 1 TKG. 109  Dieser Befund gilt aufgrund der engen Zusammenarbeit mit dem Vorhabenträ­ ger und der politisch häufig umstrittenen Projekte vor allem für (sonstige) fach­ planungsrechtliche Planfeststellungsverfahren. Generell sind die vorstehenden Aus­ führungen jedoch auch auf andere naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulas­ sungsverfahren übertragbar. 107  Fragen

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

auf Ebene des konkreten Planfeststellungsverfahrens nach den §§ 18  ff. ­NABEG und die für ihre Planfeststellungsentscheidung geltenden Vorgaben einzugehen. 1. Durchführung des Planfeststellungsverfahrens Wie eingangs dargelegt, besteht das Planfeststellungsverfahren der §§ 18 ff. NABEG aus mehreren Verfahrensschritten, die jeweils unter Federführung der Bundesnetzagentur durchgeführt werden. Obschon das Verfahren der §§ 18 ff. NABEG gerade im Hinblick auf die vorliegend interessierende Rolle der Bundesnetzagentur von den allgemeinen Regelungen der §§ 72 ff. VwVfG unter verschiedenen Gesichtspunkten abweicht, wirft es Fragen und Probleme allgemeiner Art zur verfahrensrechtlichen Stellung von Behörden auf, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren gleichzeitig mit der Verfahrensfederführung und Außenentscheidungskompe­ tenz betraut sind. Im Vergleich zu den oben betrachteten verwaltungsberatenden sachver­ ständigen Stellen110 ist die Verfahrenstätigkeit der im Planfeststellungsver­ fahren nach den §§ 18 ff. NABEG mit der Federführung und abschließenden Entscheidung betrauten Bundesnetzagentur sehr detailliert geregelt. Nach § 19 Abs. 1 NABEG beginnt das Planfeststellungsverfahren für NABEGVorhaben mit der Einreichung des Antrags auf Planfeststellung durch den Vorhabenträger.111 Die gesetzlichen (Mindest-)Anforderungen an den Antrag (§ 19 S. 2–4 NABEG) werden im Verwaltungsvollzug durch Hinweise der Bundesnetzagentur näher konkretisiert.112 Eine besondere, von allgemeinen Regelungen (vgl. § 22 S. 2 Nr. 2 VwVfG) abweichende Vorschrift enthält insoweit § 12 Abs. 2 S. 4 NABEG, der bestimmt, dass die Bundesnetzagen­ tur den Vorhabenträger nach Abschluss der der Planfeststellung vorgehenden Bundesfachplanung durch Bescheid aufzufordern hat, innerhalb einer zu be­ stimmenden angemessenen Frist den Antrag auf Planfeststellung zu stellen. Im Anschluss an die Einreichung des Plans führt die Bundesnetzagentur un­ verzüglich eine Antragskonferenz durch (§ 20 Abs. 1 S. 1 NABEG), in der sie den Untersuchungsrahmen für die Planfeststellung festlegt und den erfor­ 110  Dies gilt vor allem für die DFS (§ 3 D. IV. 1.), aber auch für den Sachverstän­ digen i. S. d. § 20 S. 1 AtG (§ 3 B. IV. 1.) und die ZKBS (§ 3 C. IV. 1.). 111  Zum allgemeinen Fachplanungsrecht siehe § 73 Abs. 1 VwVfG. 112  Bundesnetzagentur, Hinweise für die Planfeststellung. Übersicht der Bundes­ netzagentur zu den Anforderungen nach §§ 18 ff. NABEG, S. 3 ff., im Internet abruf­ bar unter https://www.netzausbau.de/SharedDocs/Downloads/DE/Methodik/Hinweise _Planfeststellung_2018.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 07.08. 2019).



B. Die Bundesnetzagentur189

derlichen Inhalt der vom Vorhabenträger einzureichenden Unterlagen be­ stimmt (§ 20 Abs. 3 S. 1 NABEG). An der Antragskonferenz nehmen neben der Bundesnetzagentur als Planfeststellungsbehörde und dem jeweiligen Vorhabenträger auch die Träger öffentlicher Belange und Umweltverbände teil (§ 20 Abs. 2 S. 1 NABEG). Die Antragskonferenz ist öffentlich (§ 20 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 NABEG). Die Öffentlichkeit ist über die Durchführung der Antragskonferenz zu unterrichten (§ 20 Abs. 2 S. 3 Hs. 2 NABEG). Auf Grundlage der Ergebnisse der Antragskonferenz reicht der Vorhabenträger nach Maßgabe von § 21 Abs. 1 u. 2 NABEG seinen Plan bei der Bundesnetz­ agentur ein. Bei Bedarf kann die Bundesnetzagentur vom Vorhabenträger die Vorlage weiterer Gutachten verlangen oder selbst Gutachten einholen (§ 21 Abs. 3 S. 1 NABEG).113 Sie hat die eingereichten Unterlagen innerhalb eines Monats nach Eingang auf ihre formelle Vollständigkeit und Plausibilität zu überprüfen (§ 21 Abs. 5 S. 1 u. 2 NABEG). Sind die Unterlagen nicht voll­ ständig, hat die Bundesnetzagentur den Vorhabenträger unverzüglich aufzu­ fordern, die Unterlagen innerhalb einer angemessenen Frist zu ergänzen (§ 21 Abs. 5 S. 3 NABEG). Nach Abschluss der Vollständigkeitsprüfung hat die Bundesnetzagentur dem Vorhabenträger die Vollständigkeit der Unter­ lagen schriftlich zu bestätigen (§ 21 Abs. 5 S. 4 NABEG).114 Nähere Beachtung verdient vorliegend die Rolle der Bundesnetzagentur im auf die Antragskonferenz folgenden Verfahren zur Anhörung der Träger öffentlicher Belange und Öffentlichkeit (§ 22 NABEG). Im Allgemeinen dienen Anhörungs- bzw. Beteiligungsverfahren zum einen dem Zweck, durch die Einbeziehung von Behörden, Verbänden und (sonstiger) Öffentlichkeit das für die Entscheidung über den Planfeststellungsantrag benötigte Abwä­ gungs- und Informationsmaterial der Planfeststellungsbehörde zu ermitteln bzw. zu vervollständigen. Zum anderen soll durch die Unterrichtung der ge­ nannten Stellen die Transparenz der Planung und die Akzeptanz für das zur Planfeststellung gestellte Vorhaben erhöht werden. Da die Planfeststellungs­ behörde bei ihrer Planfeststellungsentscheidung zudem über die eingegange­ nen Stellungnahmen und Einwendungen zu befinden hat, kommt dem An­ hörungs- und Beteiligungsverfahren überdies eine verfahrensinterne Rechts­ schutzfunktion zu.115 Die Besonderheit des in seinen Details hier nicht zu vertiefenden Anhörungsverfahrens für die Planfeststellung von NABEGVorhaben besteht darin, dass – insoweit anders als nach den allgemeinen 113  Diese Regelung ist für naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungs­ verfahren typisch. Siehe für das BImSchG-Genehmigungsverfahren etwa § 7 Abs. 1 S. 3 u. § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV. 114  Ganz ähnliche Regelungen gelten beispielsweise im BImSchG-Genehmigungs­ verfahren, siehe § 10 Abs. 1 BImSchG i. V. m. §§ 7, 20 Abs. 2 S. 2 der 9. BImSchV. 115  Zu den genannten Funktionen statt vieler Neumann/Külpmann, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 7 ff.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Bestimmungen der §§ 73, 74 VwVfG116 – die Vorschrift des § 22 NABEG die Durchführung der Anhörung der Träger öffentlicher Belange und der Öffentlichkeit (§ 22 Abs. 2 u. 3 NABEG) nicht einer gesonderten Anhö­ rungsbehörde, sondern der überdies für die Entscheidung über die Planfest­ stellung (§ 24 NABEG)117 zuständigen Bundesnetzagentur überträgt. Ebenso wie in weiteren in jüngerer Zeit neu implementierten bzw. ausgerichteten (Bundes-)Planfeststellungsverfahren118 ist auch für die Planfeststellung von NABEG-Vorhaben eine Bündelung der Zuständigkeiten für Verfahrensdurch­ führung und Planfeststellungsentscheidung bei einer einzigen Behörde vorge­ sehen. Die Konzentration von Verfahrens- und Entscheidungskompetenzen in ei­ ner Behörde wirft nicht nur für die Organisations-,119 sondern auch für die Verfahrensebene die Frage nach der Gewährleistung ihrer Unabhängigkeit auf. Wie schon für die Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen herausgearbeitet, kann bei abstrakt-organisatorisch nur eingeschränkt abgesicherter Unabhängigkeit einer sachverständigen Stel­ le120 sowohl zur Wahrung der Rechte und Interessen von Drittbetroffenen121 wie auch des jeweiligen Antragstellers122 eine Implementierung verfahrens­ rechtlicher Kontrollmechanismen geboten sein. Ganz ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen, wenn das Gesetz die Aufgaben von Verfahrensfederfüh­ rung und Entscheidung für die Zulassung naturwissenschaftlich-komplexer, in der Öffentlichkeit umstrittener123 Infrastrukturprojekte wie NABEG-Vor­ haben umfassend bei der Bundesnetzagentur konzentriert. Im Sinne des 116  Zur Trennung von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde siehe für das Bun­ desrecht etwa § 18a Nr. 1 AEG, § 43a Nr. 3 S. 2 EnWG, § 17a Nr. 1 FStrG, § 10 Abs. 1 LuftVG oder § 29 Abs. 1a Nr. 1 PBefG. 117  Dazu unten B. IV. 2. 118  Für das eisenbahnrechtliche Planfeststellungsverfahren nach §§ 18  ff. AEG siehe die durch das „Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungs­ verfahren im Verkehrsbereich“ vom 29.11.2018 (BGBl. I 2018, S. 2237) neu gefasste, ab dem 06.12.2020 in Kraft tretende Zuständigkeitsbündelung beim Eisenbahn-Bun­ desamt in § 3 Abs. 2 BEVVG n. F. 119  Siehe dazu bereits oben B. III. 2. 120  Die von Dritten gegebenenfalls nur als eingeschränkt empfunden wird. 121  Siehe insoweit zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG die Ausführungen oben unter § 3 B. IV. 1; zur ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 1. 122  Zum Beispiel, wenn die verwaltungsseitige sachverständige Stelle durch den Gegenstand des Zulassungsverfahrens „betroffen“ ist und „in eigener Sache“ tätig wird, dazu am Beispiel der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG oben § 3 D. IV. 1. 123  Siehe nur die Internetauftritte diverser Bürgerinitiativen wie http://bundesver band-gegen-suedlink.de/ oder https://www.garbsen-gegen-suedlink.de/ (jeweils zuletzt abgerufen am 07.08.2019).



B. Die Bundesnetzagentur191

übergeordneten Ziels des zügigen Ausbaus des länderübergreifenden und grenzüberschreitenden Stromnetzes (§ 1 NABEG) soll nach den Vorstellun­ gen des Gesetzgebers die umfassende Übertragung der Aufgaben von Bun­ desfachplanung und Planfeststellung auf die Bundesnetzagentur eine organi­ satorische Verknüpfung beider Verfahren sicherstellen und Zeit- sowie Infor­ mationsverlusten vorbeugen.124 Diese ihr zugedachte Rolle im „Maschinen­ raum der Energiewende“ in der Funktion als „Motor“ hat zwischenzeitlich auch die Bundesnetzagentur als solche erkannt und angenommen.125 Gerade im Hinblick auf die Durchführung des Anhörungsverfahrens wer­ fen die an die Bundesnetzagentur gerichtete Erwartungshaltung und die Selbstinterpretation126 ihrer Aufgabe die Frage auf, wie ihre Rolle als über­ parteilicher und „fairer Schiedsrichter“ zwischen dem öffentlichen Interesse an einem zügigen Stromnetzausbau und den Belangen der durch Leitungs­ vorhaben betroffenen Personen abgesichert werden kann.127 In rechtlicher Hinsicht ist damit die Problematik der Funktionentrennung von Verfahrensund Entscheidungsbehörde angesprochen, deren Bedeutung vor allem in fachplanungsrechtlichen Zulassungsverfahren für komplexe und raumbedeut­ same Infrastrukturvorhaben betont wird. Nach der Rechtsprechung und der wohl überwiegenden Auffassung im Schrifttum ist eine inneradministrative Funktionentrennung der Aufgaben von Anhörungs- und Planfeststellungs­ behörde jedenfalls nach Maßgabe des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG) verfassungsrechtlich nicht geboten.128 Demzufolge ist die Durchführung des Anhörungsverfahrens und der Entscheidung über die ­Planfeststellung durch zwei unterschiedliche, organisatorisch voneinan­ der getrennte Behörden zunächst weniger eine rechtliche als vielmehr eine rechtspolitische bzw. unter Zweckmäßigkeitserwägungen zu beantwortende

124  BT-Drs.

17/6073, S. 28; siehe auch BR-Drs. 333/13, S. 3. die Funktionsbeschreibung bei Homann, in: Mohr (Hrsg.), Energierecht im Wandel, S. 36 (38). 126  Ebda. 127  Zur Problematik siehe etwa Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  617 f. 128  BVerwGE 58, 344 (350); 141, 171 (177); BVerwG, NVwZ 2002, 1103 (1104); OVG Bautzen, NVwZ-RR 2006, 767; VGH Mannheim, NVwZ 1988, 842; Lieber, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 73 Rn. 34; Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 6; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 (214); Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, D 41; a. A. Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 619 („wenig Gespür für elementare Verfahrens­ grundsätze, wenn die Rechtsprechung keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Identität […] von Anhörungsbehörde und Planfeststellungsbehörde hegt.“); siehe ferner Waechter; VVDStRL 72 (2013), 499 (512 f.), der die Forderung der Unabhän­ gigkeit von Verfahrensbehörden in Vorgaben des Unionsrechts begründet sieht. 125  So

192

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Frage.129 Indes könnte für den Fall einer Identität von Anhörungs- und Plan­ feststellungsbehörde erwogen werden, die unparteiliche und neutrale Aufga­ benwahrnehmung behördenintern durch eine organisatorische und personelle Trennung beider Bereiche zu gewährleisten. Ob aus dem Rechtsstaatsprinzip ein Gebot der Funktionentrennung abzuleiten ist, scheint bislang nicht ab­ schließend geklärt.130 Mangels normativ greifbarer Anhaltspunkte wird man eine Trennung der Aufgabenbereiche von Verfahrensdurchführung und Ent­ scheidung unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten kaum für zwingend erach­ ten können. Selbst im Fall der Funktionenbündelung der Aufgaben von Ver­ fahrensdurchführung und Entscheidung in lediglich einem Referat ist die handelnde Behörde nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 3 GG unmittelbar an Recht und Gesetz gebunden. Zusätzliche organisatorische Vorkehrungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Planfeststellungsbehörde müsste sachbereichsspezifisch der Gesetzgeber regeln. Das Bundesverwaltungsge­ richt sieht das Gebot der neutralen Aufgabenwahrnehmung „jedenfalls“ im Fall der organisatorischen und personellen Trennung der verschiedenen Auf­ gabenbereiche als gewahrt an.131 Möglicherweise wird die Planfeststellung von NABEG-Vorhaben dem Bundesverwaltungsgericht Anlass geben, die Frage nach dem Gebot der inneradministrativen Funktionentrennung endgül­ tig zu klären: Innerhalb der Bundesnetzagentur sind die für die Planung und Zulassung von NABEG-Vorhaben zuständigen Referate hinsichtlich der Auf­ gaben von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde nicht funktionell von­ einander getrennt.132 Eine andere, (ebenfalls) nicht anhand von ausdrücklich im positiven Recht normierten Vorgaben zu klärende Problematik ist, inwieweit das hinter der behördeninternen Trennung der Funktionen von Anhörungs- und Planfeststel­ lungsbehörde stehende Ziel der Gewährleistung einer unabhängigen, mithin 129  Für eine Trennung etwa Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  618 f.; Meyer, FG 50 Jahre BVerwG, S. 551 (567); Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 (214); Waechter; VVDStRL 72 (2013), 499 (511 ff.); Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, D 154 ff.; dagegen Burgi/Durner, Modernisierung des Verwaltungsverfahrensrechts durch Stärkung des VwVfG, S. 170; Ronellenfitsch, DÖV 1989, 737 (744) („optische Interessenneutralität“). Zur Trennung von Anhö­ rungs- und Planfeststellungbehörde siehe auch § 89 Abs. 2 UGB-KomE, abgedruckt in Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.), Um­ weltgesetzbuch (UGB-KomE) – Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkom­ mission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, S. 141. 130  Vgl. insoweit etwa BVerwGE 141, 171 (177). 131  BVerwGE 141, 171 (177). Im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall nahmen drei unterschiedliche Referate einer Behörde die Aufgaben der Anhö­ rungs- und Planfeststellungsbehörde sowie des Vorhabenträgers wahr. 132  Auskunft der Bundesnetzagentur vom 14.06.2019 per E-Mail an den Verfasser.



B. Die Bundesnetzagentur193

unparteilichen und objektiven Entscheidungsfindung auch äußerlich, d. h. insbesondere gegenüber Drittbetroffenen des zur Planfeststellung gestellten Vorhabens, sichtbar zu machen ist. Herkömmlich wird diesem Bedürfnis, wenn man es denn als ein solches erachtet, gerade durch die Aufteilung der Durchführung des Anhörungsverfahrens und der Entscheidung auf zwei un­ terschiedliche Behörden Rechnung getragen. Das gesetzliche Paradebeispiel ist insofern die Bestimmung des § 73 VwVfG, dessen Wortlaut eine derartige Trennung vorsieht. Demgegenüber setzt der Gesetzgeber in jüngerer Zeit im Fachplanungsrecht verstärkt auf den Einsatz verwaltungsexterner Projektma­ nager.133 Dies gilt auch für das Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vor­ haben. Hier kann nach § 29 S. 1 Nr. 9 NABEG die Bundesnetzagentur auf Vorschlag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers und auf dessen Kosten einen Dritten, der als Verwaltungshelfer beschäftigt werden kann, mit der Leitung des Erörterungstermins betrauen.134 Durch die Beauftragung eines Projektmanagers gerade135 mit dieser Aufgabe soll die Planfeststellungsbe­ hörde die Möglichkeit erhalten, sich insbesondere bei umstrittenen und kon­ troversen Vorhaben selbst aus der „Schusslinie“ zu nehmen, um im Sinne einer stringenten, auf das gesetzliche Prüfprogramm beschränkten Gesprächs­ führung von den Teilnehmern nicht als „Verbündete“ des Vorhabenträgers wahrgenommen zu werden.136 Inwieweit der Einsatz von Projektmanagern in Erörterungsterminen tatsächlich zu einem „Mehr“ an (wahrgenommener) Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur führen wird, muss und wird die Ver­ waltungspraxis zeigen.137 Insgesamt zeigt das Beispiel der Bundesnetzagentur, dass nicht nur bei verwaltungsberatenden externen sachverständigen Stellen, sondern auch bei mit der Verfahrensdurchführung und Zulassungsentscheidung betrauten staat­ lichen Verwaltungsbehörden ein Bedürfnis nach Absicherung deren Unab­ hängigkeit durch verfahrensinterne Kontrollmechanismen bestehen kann, ohne dass sich diesbezüglich für die regulatorische Ausgestaltung exakte Vorgaben definieren lassen.

133  Siehe

etwa § 17a AEG, § 43g EnWG, § 17h FStrG oder § 14f WaStrG. die Parallelnormen in § 17a S. 1 Nr. 7 AEG, § 43g S. 1 Nr. 9 EnWG, § 17h S. 1 Nr. 7 FStrG und § 14f S. 1 Nr. 6 WaStrG. 135  Auf die übrigen delegierbaren Aufgaben (vgl. insoweit den Katalog in § 29 S. 1 NABEG) ist vorliegend nicht näher einzugehen. 136  Zu diesen Zielsetzungen im Hinblick auf den Erörterungstermin siehe insbe­ sondere Wulfhorst; DÖV 2011, 581 (585); ferner Mann, VVDStRL 72 (2013), 544 (587). 137  Zur Problematik der Betrauung externer Projektmanager mit sitzungspolizei­ lichen Aufgaben im Erörterungstermin siehe die kritischen Anmerkungen von Scheuten, in: de Witt/Scheuten, NABEG, § 29 Rn. 27. 134  Vgl.

194

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

2. Entscheidung Nach § 24 Abs. 1 NABEG stellt die Bundesnetzagentur als zuständige Planfeststellungsbehörde den vom Vorhabenträger vorgelegten Plan durch Beschluss fest. Die Anforderungen an die Planfeststellungsentscheidung der Bundesnetzagentur sind gesetzlich im Einzelnen vorgegeben. In formeller Hinsicht muss die Bundesnetzagentur ihre Planfeststellungs­ entscheidung begründen138 und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung verse­ hen.139 Der Planfeststellungsbeschluss der Bundesnetzagentur wird dem Vorhabenträger, den bekannten Betroffenen sowie denjenigen, über deren Einwendungen entschieden worden ist, grundsätzlich zugestellt.140 Er ist zu­ dem mitsamt einer vorherigen Bekanntmachung an im Einzelnen vorgegebe­ nen Orten zur Einsicht auszulegen141 und im Internet zu veröffentlichen.142 Neben der Feststellung des Plans muss die Bundesnetzagentur auch Ent­ scheidungen über die unerledigten Einwendungen143 sowie über etwaige Schutzauflagen144 und Entschädigungen145 treffen. In materieller Hinsicht bedarf es in Anbetracht des angesprochenen Ver­ hältnisses der Bundesnetzagentur zum jeweiligen Vorhabenträger einer nähe­ ren Betrachtung, welche Rolle und Verantwortung der Bundesnetzagentur für die Recht- und Zweckmäßigkeit der von ihr nach Maßgabe von § 24 NABEG zu treffenden Entscheidung über die Planfeststellung146 zukommt. Nach all­ gemeinen Grundsätzen werden Planfeststellungsbehörden bei fachplanungs­ rechtlichen Vorhaben regelmäßig nicht selbst planend tätig, sondern sind dazu berufen, die vom Vorhabenträger zur Entscheidung vorgelegte Planung „abwägend nachzuvollziehen“. Das bedeutet zum einen, dass die Planfest­ stellungsbehörde die vom Vorhabenträger getroffene planerische Entschei­ dung auf deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen hat. Zum anderen darf die Planfeststellungsbehörde etwaige vom Vorhabenträger noch nicht berück­ sichtigte, jedoch abwägungsrelevante Gesichtspunkte in ihre Überlegungen 138  §§ 74

Abs. 1 S. 2, 69 Abs. 2 S. 1, 39 VwVfG. Abs. 3 S. 1 NABEG. 140  § 24 Abs. 2 S. 1 NABEG. Sind außer an den Vorhabenträger mehr als 50 Zu­ stellungen vorzunehmen, können diese Zustellungen durch öffentliche Bekanntma­ chung ersetzt werden (§ 24 Abs. 2 S. 2 NABEG i. V. m. § 74 Abs. 5 VwVfG). 141  § 24 Abs. 3 S. 1 u. 2 NABEG. 142  § 24 Abs. 3 S. 3 u. 4 NABEG. 143  §§ 72 Abs. 1, 74 Abs. 2 S. 1 VwVfG. 144  §§ 72 Abs. 1, 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG. 145  §§ 72 Abs. 1, 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG. 146  Fragen der Bindungswirkungen der der Planfeststellung vorgelagerten Bundes­ bedarfs- und Bundesfachplanung (§ 12e Abs. 4 S. 1 EnWG bzw. § 15 Abs. 1 S. 1 NABEG) bleiben im Folgenden außer Betracht. 139  § 24



B. Die Bundesnetzagentur195

einstellen und diesen in ihrer Abwägungsentscheidung Rechnung tragen. Es ist ihr jedoch nicht gestattet, die vom Vorhabenträger angestellten planeri­ schen Erwägungen durch eigene abweichende Überlegungen zu ersetzen. Indem die Planfeststellungsbehörde die planerischen Vorstellungen des Vor­ habenträgers abwägend nachvollzieht, übernimmt sie die rechtliche Verant­ wortung für die Planung.147 Ob diese Vorgaben auch dann uneingeschränkte Geltung beanspruchen, wenn der Vorhabenträger ein Privater und keine Stelle der öffentlichen Ver­ waltung ist, ist für die Planfeststellung von NABEG-Vorhaben umstritten.148 Hinter dieser hier nicht vertieft zu führenden Diskussion verbirgt sich im Kern die Frage, ob die im Rahmen der Vorhabenplanung und -zulassung er­ öffneten Gestaltungsspielräume149 letztlich durch private Vorhabenträger oder aber durch die Bundesnetzagentur als in die staatliche Verantwortungs­ hierarchie eingebundene,150 demokratisch legitimierte Planfeststellungsbe­ hörde ausgeübt werden sollen.151 Eine Klärung dieser demokratietheoretisch wie politisch kontroversen Frage durch das Bundesverwaltungsgericht steht im Zusammenhang mit der Planung und Zulassung von NABEG-Vorhaben

147  Zum Vorstehenden siehe BVerwGE 112, 140 (151); Kment, ZUR 2016, 331 (333); Steinberg/Wickel/Müller, Fachplanung, § 3 Rn. 132 f., 136; Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 11. Rn. 3. 148  Für eine Übertragung der allgemeinen Grundsätze etwa Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 11 Rn. 3; Sangenstedt/Karrenstein, in: Steinbach/Franke (Hrsg.), Kommentar zum Netz­ ausbau, NABEG, § 20 Rn. 14; vgl. auch Leidinger, DVBl 2014, 683 (691). Gegen einen der Einwirkung durch die Bundesnetzagentur entzogenen Gestaltungsspielraum der Vorhabenträger plädieren Durner, in: Schlacke/Schubert (Hrsg.), Energie-Infra­ strukturrecht, S. 87 (105); Grigoleit/Weisensee, UPR 2011, 401 (405); Riemer, Inves­ titionspflichten der Betreiber von Elektrizitätsübertragungsnetzen, S. 132. Die Bun­ desnetzagentur verweist in öffentlich zugänglichen Aussagen zu ihrer Rolle beim Ausbau des Übertragungsnetzes darauf, dass über die von den Übertragungsnetzbe­ treibern erhobenen Netzentgelte indirekt Verbraucher die Kosten für den Netzausbau trügen. Hieraus leitet die Bundesnetzagentur für sich das Ziel ab, den Ausbau des Übertragungsnetzes auf das zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit erforder­ liche Maß zu reduzieren (https://www.netzausbau.de/wissenswertes/akteure/de.html, zuletzt abgerufen am 07.08.2019). Damit hält sich offenbar auch die Bundesnetzagen­ tur selbst jedenfalls in einem gewissen Umfang für befugt, die Planungen der Vorha­ benträger zu gestalten. 149  Zur gerichtlichen Überprüfung der Planfeststellungsentscheidungen der Bun­ desnetzagentur siehe unten B. V. 150  Vgl. § 1 S. 2 BNAG. Zur Eingliederung der Bundesnetzagentur in die staat­ liche Weisungs- und Verantwortungshierarchie siehe unter dem Gesichtspunkt ihrer Unabhängigkeit oben B. III. 2. 151  Siehe Grigoleit/Weisensee, UPR 2011, 401 (405).

196

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

bislang aus.152 Im Kontext der vorliegenden Untersuchung zeigt das Refe­ renzgebiet, dass die bereits anhand der Einbindung verwaltungsberatender sachverständiger Stellen angedeutete Problematik des behördlichen Umgangs mit privaten Entscheidungsbeiträgen nicht nur das Zustandekommen der Zulassungsentscheidung innerhalb der Sphäre der entscheidungsberufenen Behörde betrifft,153 sondern sich jedenfalls bei der Planung raumgreifender Anlagen und Vorhaben auch im Verhältnis zum Vorhabenträger bzw. Antrag­ steller des Zulassungsverfahrens stellen kann.

V. Gerichtliche Überprüfung In der forensischen Praxis hat die gerichtliche Überprüfung von Planfest­ stellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur bislang noch keine Rolle gespielt, da im Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Untersuchung noch kein Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG durch Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses abgeschlossen war. Gleichwohl ist auf die allgemein für das Fachplanungsrecht anerkannten, auch für die gerichtliche Überprüfung von Planfeststellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur geltenden Grundsätze und Probleme einzugehen. Für Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben betreffen, ist nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i. V. m. § 1 Abs. 1 S. 1 u. § 6 BBPlG das Bundesverwaltungsgericht erst- und letztinstanzlich zuständig.154 Gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten gegenüber den Handlungen und Entscheidungen der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG stehen zunächst den Unternehmen der 50 Hertz Trans­ mission GmbH, Amprion GmbH, Tennet TSO GmbH und der Transnet BW GmbH zur Verfügung, die im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gegenüber der Planfeststellungsbehörde einen Anspruch auf die fehlerfreie Ausübung des Planungsermessens haben, der sich auf alle abwägungserheblichen Ge­ sichtspunkte erstreckt.155 Stehen dem Vorhaben unter dem Blickwinkel der planerischen Abwägung keine rechtlichen Hindernisse sowie Rechte bzw. 152  Hierzu

sogleich unten B. V. rechtlichen Bedeutung der Voten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, der ZKBS und der DFS siehe oben § 3  B. IV. 2. a), § 3  C. IV. 2. a) u. § 3 D. IV. 2. a). 154  Die in den Zuständigkeitsbereich des Bundesverwaltungsgerichts fallenden NABEG-Vorhaben ergeben sich im Einzelnen aus § 2 Abs. 1 BBPlG i. V. m. der An­ lage zum Bundesbedarfsplan. 155  Dazu allgemein BVerwGE 97, 143 (149); Neumann/Külpmann, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 266. Speziell zu NABEG-Vorhaben Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 273. 153  Zur



B. Die Bundesnetzagentur197

Interessen Dritter entgegen, kann ausnahmsweise ein Anspruch des Vorha­ benträgers auf Planfeststellung bestehen.156 Nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO sind darüber hinaus Dritte (insbesondere Behörden,157 Gemeinden, private Einwender und Betroffene) gegenüber Planfeststellungsentscheidun­ gen der Bundesnetzagentur klagebefugt, wenn sie hinreichend substantiiert geltend machen können, durch die Planfeststellung möglicherweise in sub­ jektiven Rechten verletzt zu sein.158 Nach Maßgabe und Reichweite des fachgesetzlich statuierten Verbandsklagerechts können überdies anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigungen Planfeststellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit mit objektivem (Um­ welt-)Recht einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen.159 Hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte gelten für Planfeststellungs­ beschlüsse der Bundesnetzagentur die gleichen Grundsätze wie für sonstige Fachplanungsentscheidungen.160 Die Rechtsprechung misst den Vorhabenträ­ gern und den Planfeststellungsbehörden insbesondere bei der Ausübung fachplanerischer Gestaltungsfreiheiten einen erheblichen Spielraum zu.161 Die gerichtliche Überprüfung der Planung ist insoweit auf die Einhaltung der

156  BVerwGE 97, 143 (149); Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 72 Rn. 70; für NABEG-Vorhaben siehe Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishand­ buch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 273. Hinsichtlich der Details der aus der Perspektive der Träger von NABEG-Vorhaben im Einzelnen denkbaren Rechts­ schutzkonstellationen sei hier insgesamt auf die ausführlichen Ausführungen bei Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzaus­ bau, Kap. 13 Rn. 254 ff., verwiesen. 157  Grundsätzlich verfügen Behörden lediglich über öffentlich-rechtliche Kompe­ tenzen, nicht aber über eigene Rechte i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO. Allerdings können Maßnahmen einer Behörde eines Rechtsträgers, durch die diese in den originären Aufgabenbereich der Behörde eines anderen Rechtsträgers eingreift, justiziabel sein. Siehe im Zusammenhang mit Planfeststellungsentscheidungen etwa BVerwGE 87, 332 (338 f.); Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 267. 158  Im Hinblick auf NAEBG-Vorhaben siehe die ausführlichen Darlegungen bei Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netz­ ausbau, Kap. 13 Rn. 140 ff., 278 ff. 159  § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 u. 5 UmwRG, § 64 Abs. 1 BNatSchG i. V. m. § 1 Abs. 3 UmwRG. Zu den Rechtsschutzmöglichkeiten anerkannter Umwelt- und Naturschutz­ vereinigungen gegenüber NABEG-Vorhaben siehe im Einzelnen Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn.  298 ff. 160  Vgl. Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzpla­ nung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 209. Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass bislang noch keine Planfeststellungsentscheidung der Bundesnetzagentur Gegenstand einer Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht war. 161  Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 210.

198

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Grenzen des planerischen Gestaltungsspielraums begrenzt.162 Darüber hinaus ist die gerichtliche Überprüfung der Planfeststellungsbeschlüsse der Bundes­ netzagentur auch eingeschränkt, soweit Vorhabenträger und Planfeststel­ lungsbehörde hinsichtlich einzelner Aspekte Prognoseentscheidungen zu treffen haben oder ihnen im abzuprüfenden materiellen Recht fachspezifische Beurteilungsspielräume zugestanden sind.163 Ebenso unterliegt die dem Vor­ habenträger und der Planfeststellungsbehörde obliegende Bewertung des im Planfeststellungsverfahren gesammelten Abwägungsmaterials nur einer ein­ geschränkten gerichtlichen Kontrolle.164 Diese allgemeinen, grundsätzlich für sämtliche Planfeststellungsentscheidungen geltenden Überprüfungsmaßstäbe sind Ausdruck der quantitativen und qualitativen Grenzen, an die die Verwal­ tungsgerichte bei der Kontrolle behördlicher Planfeststellungsentscheidungen für komplexe Fachplanungsvorhaben regelmäßig stoßen.165 Abweichend vom „prozessrechtlichen Idealbild“ des § 173 S. 1 VwGO i. V. m. §§ 402 ff. ZPO bedienen sich die Verwaltungsgerichte bei der Überprüfung von Planfeststel­ lungsentscheidungen häufig nicht der Unterstützung eigens bestellter Sach­ verständiger. Vielmehr treten in Verwaltungsprozessen, in denen es um die gerichtliche Überprüfung von Planfeststellungsentscheidungen geht, ähnlich wie im Atomrecht166 häufig die gleichen Sachverständigen auf, die zuvor bereits im Verwaltungsverfahren auf der Behörden- wie auf der Klägerseite aktiv waren, ohne dass die Gerichte für ihre Überzeugungsbildung geson­ derte „Obergutachter“ bestellten.167 In der Konsequenz ist den Verwaltungs­ gerichten eine vollständig eigenständige, von den Sichtweisen der Parteien­ gutachter losgelöste Würdigung naturwissenschaftlich-technisch komplexer Sachverhalte regelmäßig nicht möglich. Die diesbezüglichen Bewertungen der Gerichte mögen für sich genommen schlüssig und plausibel sein, sind

162  Hinsichtlich der auf vorgelagerten Planungsstufen ergangenen Entscheidungen hat das Bundesverwaltungsgericht etwa zu prüfen, ob die Bundesnetzagentur bei ihrer Planfeststellungsentscheidung die Bindungswirkung der Entscheidung über die Bun­ desfachplanung und die durch den Bundesbedarfsplan legislativ festgestellte Plan­ rechtfertigung beachtet hat. Die Bindungswirkung von Bundesfachplanung und Bun­ desbedarfsplan für die Planfeststellungsentscheidung folgt aus § 15 Abs. 1 S. 1 NA­ BEG, § 12e Abs. 4 S. 1 EnWG; siehe insoweit zum Maßstab der gerichtlichen Überprüfung Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzpla­ nung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 211 u. 213. 163  Dazu näher Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 214 f. 164  Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzplanung und Netzausbau, Kap. 13 Rn. 216. 165  Siehe allgemein auch Ramsauer, NordÖR 2019, 157 (164). 166  Dazu oben § 3 B. V. 167  Dazu Rennert, DVBl 2017, 69 (77); ders., DVBl 2019, 133 (136).



B. Die Bundesnetzagentur199

aber nicht notwendigerweise richtig.168 Als Konsequenz des auf Ebene des Verwaltungsprozesses häufig nicht mehr verfügbaren „unabhängigen“ Sach­ verstands hat allen voran das Bundesverwaltungsgericht zur Rechtfertigung der sachbereichsspezifischen Zurücknahme des gerichtlichen Vollüberprü­ fungsanspruchs gegenüber Planfeststellungsentscheidungen die Argumenta­ tionsfigur der „sachverständig beratenen Planfeststellungsbehörde“ geprägt.169 Freilich werden mit einer solchen gerichtlichen „Wiederverwertung“ von Einschätzungen der auf Seiten der Verwaltung bereits am Zustandekommen der Planfeststellungsentscheidung aktiv beteiligten sachverständigen Stellen allgemeine Fragen bezüglich des Verhältnisses zwischen Verwaltungsbehör­ den und Verwaltungsgerichten aufgeworfen, auf die an späterer Stelle im Kontext der Untersuchung noch näher eingegangen werden soll. Ob das Bundesverwaltungsgericht die vorstehend beschriebene Beweiserhebungspra­ xis auch bei der Überprüfung der Planfeststellungsentscheidungen der Bun­ desnetzagentur für NABEG-Vorhaben anlegen wird, bleibt abzuwarten. Hierfür spricht indes nicht zuletzt die Komplexität der im Rahmen der Zulas­ sung von NABEG-Vorhaben absehbar zu klärenden naturwissenschaftlichtechnischen Fragestellungen.170 Eine umfassende gerichtliche Überprüfung von Planfeststellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur steht insoweit nicht zu erwarten.

VI. Ergebnisse Die Untersuchung der Rolle der Bundesnetzagentur im Planfeststellungs­ verfahren für NABEG-Vorhaben zeigt exemplarische Probleme, die sich bei der Begründung bzw. Zuweisung behördlicher Entscheidungskompetenzen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren stellen kön­ nen. Im Vergleich zur Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sach­ verständigen Stellen kommt einem (verfassungs-)rechtlich abgesicherten Einbindungsmodus bei der Implementierung bzw. Erweiterung von behördli­ chen Entscheidungszuständigkeiten in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren aufgrund des strengen Fehlerfolgenregimes der §§ 44 ff. VwVfG bei sachlichen Unzuständigkeiten eine erhöhte Bedeutung 168  So

Rennert, DVBl 2017, 69 (77). etwa BVerwGE 131, 274 (296); BVerwG, NVwZ 2009, 1296 (1304); NuR 2010, 276 (279). Der Verzicht auf eine weitergehende Beweiserhebung von Planfeststellungsentscheidungen ist im Schrifttum nicht ohne Kritik geblieben und wird mitunter gar als „Beweiserhebungsphobie“ der Gerichte interpretiert, siehe etwa Breuer, NVwZ-Beilage 2018, 3 (9); ähnlich, wenn auch nicht zum Fachplanungsrecht Brandt, ZNER 2019, 92 (93) („Überzeugungsbildung aus zweiter Hand“). 170  Vgl. unter dem Gesichtspunkt der Fachkompetenz der Bundesnetzagentur oben B. III. 1. 169  Siehe

200

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

zu. Auf abstrakt-organisatorischer Ebene zeigt das Beispiel der Bundesnetz­ agentur, dass die Fachkompetenz von Behörden (einschließlich der für sie tätigen Amtswalter) nicht durch kodifiziertes Recht, sondern vornehmlich durch ihre organisatorische Einrichtung sowie personelle und technische Ausstattung gewährleistet wird. Daneben wird anhand des betrachteten Refe­ renzgebiets deutlich, dass sowohl die für Planfeststellungsverfahren typische, auf kooperative Gemeinwohlsicherung angelegte Zusammenarbeit mit dem Vorhabenträger als auch die aus verfassungsrechtlichen Gründen als „Reser­ vekompetenz“ notwendigen Weisungsmöglichkeiten der Ministerialverwal­ tung die Unabhängigkeit von Behörden gefährden können. Zur Wahrung der äußeren Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur im politisch umstrittenen Stromnetzausbau folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge­ richts zum Fachplanungsrecht ein an die Ministerialverwaltung bzw. den je­ weiligen Vorhabenträger gerichtetes Abstands- und Distanzgebot, das in sei­ nen Nuancen jedoch weitgehend unbestimmt ist und im Übrigen nicht effek­ tiv rechtlich abgesichert wird (z. B. Offenlegung von Verfahrensabsprachen oder Veröffentlichung ministerieller (Einzel-)Weisungen). Die innere Unab­ hängigkeit der Bundesnetzagentur könnte durch eine innerbehördliche Tren­ nung der Aufgaben von Verfahrensdurchführung und Entscheidung über die Planfeststellung gewährleistet werden, die aber wohl nicht als zwingendes Recht zu interpretieren ist. Eine ergänzende Kontrolle ihrer Tätigkeit erfolgt zudem durch die obligatorisch durchzuführende Behörden- und Öffentlich­ keitsbeteiligung. Auf der gerichtlichen Rechtsschutzebene, die im Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Untersuchung für NABEG-Vorhaben noch kein praktisches Anschauungsmaterial geliefert hat, dürften sich bei der Überprüfung von Planfeststellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur voraussichtlich allgemeine Fragen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Behörden und Verwaltungsgerichten stellen, die gegenwärtig bereits in ande­ ren Bereichen des Fachplanungsrechts diskutiert werden. Dies betrifft vor allem die gerichtliche Anhörung von bereits im vorgelagerten Zulassungsver­ fahren hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen.

C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren Als zweites Referenzgebiet für die Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen ist anhand der eingangs entwickelten Prüfstruktur die Tätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren zu untersuchen.



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG201

I. Rechtlicher Rahmen Für die Zulassung von Arzneimitteln sehen das nationale und europäische Recht ein ausdifferenziertes präventives171 Eröffnungskontrollsystem vor, das im Kern zwischen einem unionsweiten (zentralen)172 und verschiedenen na­ tionalen Arzneimittelzulassungsverfahren (rein national, dezentral und ge­ genseitige Anerkennung) unterscheidet. Die folgende Untersuchung des Ge­ gensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG beschränkt sich auf dessen Tätigkeit im rein nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren. Gemäß § 21 Abs. 1 S. 1 AMG dürfen Fertigarzneimittel173 in Deutschland grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zu­ ständige Bundesoberbehörde zugelassen sind.174 Die Zulassung ist vom pharmazeutischen Unternehmer bei der zuständigen Bundesoberbehörde – dies ist nach § 77 Abs. 1 AMG grundsätzlich das Bundesinstitut für Arznei­ mittel und Medizinprodukte (BfArM)175 – zu beantragen (§ 21 Abs. 3 S. 1 u. Abs. 4 S. 1 AMG). Dabei ist das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren als Unterlagenprüfverfahren konzipiert, das die Einhaltung der materiellrechtlichen Anforderungen für in den Verkehr zu bringende Arzneimittel weitgehend auf den pharmazeutischen Unternehmer als Antragsteller über­ trägt und die Rolle der Zulassungsbehörde auf eine „nachvollziehende Amts­ ermittlung“ reduziert.176 Infolgedessen muss der Antragsteller seinem Antrag auf Arzneimittelzulassung umfassende Unterlagen (§ 22 AMG) und Sachver­ ständigengutachten (§ 24 AMG) beifügen, auf deren Grundlage das BfArM nach § 25 Abs. 5 S. 1 AMG über die Erteilung der begehrten Zulassung ent­ 171  Die staatliche Arzneimittelüberwachung wird im Wesentlichen von einer prä­ ventiven Vormarktkontrolle (nationales Arzneimittelzulassungsverfahren) und einer repressiven Nachmarktkontrolle (Pharmakovigilanz) dominiert, die inhaltlich eng miteinander verzahnt sind. Daneben existieren die Herstellungskontrolle (§§ 13 ff. AMG) sowie das Recht der klinischen Prüfung (§§ 40 ff. AMG) und der Abgabepra­ xis (§§ 43 ff. AMG) als „eher flankierende Überwachungsbereiche“, siehe Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 184. 172  Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.03.2004 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Errichtung einer Euro­ päischen Arzneimittel-Agentur (ABl. Nr. L 136, S. 1). 173  Hierunter versteht das Gesetz Arzneimittel i. S. d. § 2 Abs. 1 AMG oder § 2 Abs. 2 Nr. 1 AMG. 174  Zu den Ausnahmen vom Zulassungserfordernis siehe § 21 Abs. 2 AMG. 175  Etwas anderes gilt, wenn einzelne Aufgaben dem Paul-Ehrlich-Institut oder dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit übertragen sind, siehe § 77 Abs. 1 AMG. 176  Dazu näher Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 185 ff.; ferner Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 235 m. w. N. zum Modell der „nachvollziehenden Amtsermittlung“.

202

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

scheidet.177 Hinter dieser weitgehenden Verlagerung der Sachverhaltsermitt­ lung auf den Antragsteller steht die Erwägung, dass die Zulassungsbehörde mangels hinreichend verfügbarem Wissen eine eigenständige Überprüfung der vorgelegten Antragsunterlagen nur mit sehr großem Aufwand durchfüh­ ren könnte und die Verantwortung für die im Verkehr befindlichen Arznei­ mittel nicht allein beim Staat liegen soll.178 Eigene Ermittlungen durch die Zulassungsbehörde sollen lediglich in Ergänzung zur vom Antragsteller ge­ schaffenen Informations- und Wissensbasis erfolgen.179 Um den Wissensvor­ sprung der Hersteller von Arzneimitteln ausgleichen zu können, stehen dem BfArM als Zulassungsbehörde im nationalen Arzneimittelzulassungsverfah­ ren mehrere Befugnisse zur Verfügung.180 Als weitestgehende Möglichkeit ist es dem BfArM nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gestattet, die Beurteilung der vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen und Gutachten durch Gegensach­ verständige durchführen zu lassen und deren Einschätzung der Zulassungs­ entscheidung „zugrunde zu legen“.181 Macht die Behörde von dieser Mög­ lichkeit Gebrauch, ist sie nach herrschender Auffassung bei der von ihr im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller zu erlassenden Zulassungsent­ scheidung inhaltlich an das Votum des überwiegend als Beliehenen qualifi­ zierten182 Gegensachverständigen gebunden.183

177  § 25

Abs. 5 S. 1 AMG. diesem Sinne der seinerzeitige Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neu­ ordnung des Arzneimittelrechts, BT-Drs. 7/3060, S. 51. 179  Da die Zulassungsbehörde grundsätzlich keine „eigenen“ Informationen und Daten beschafft, müssen die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen hinreichend verlässlich sein, siehe Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 186. 180  Siehe dazu auch unten C. IV. 1. 181  Bei Arzneimitteln, die nach § 48 Abs. 2 Nr. 1 AMG verschreibungspflichtig sind, erstellt die Zulassungsbehörde ebenfalls unter „Zugrundelegung“ der Beurtei­ lung des Gegensachverständigen einen Entscheidungsentwurf und legt diesen der nach § 25 Abs. 6 S. 1 AMG obligatorisch zu beteiligenden Zulassungskommission vor. 182  VG Köln, Urteil vom 08.08.2006 – 7 K 285/05 –, juris, Rn. 13; Klafki, Risiko und Recht, S. 83; Schwerdtfeger Pharm. Ind. 1989, 979 (984) (zur Vorgängervor­ schrift des § 25 Abs. 5 S. 3 AMG a. F.); zuvor für die Vorgängervorschrift des Art. 3 § 7a Abs. 1 des Gesetzes über die Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) vom 24.08.1976 (BGBl. I 1976, S. 2445) i. d. F. des „Dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ vom 20.07.1988 (BGBl. I 1988, S. 1050) bereits OVGE Berlin 20, 89 (92); VG Berlin, Urteil vom 20.02.1991 – 14 A 415.89 –, juris, Rn. 23. 183  OVGE Berlin 20, 89 (92) (zu Art. 3 § 7a Abs. 1 AMNG); VG Köln, Urteil vom 08.08.2006 – 7 K 285/05 –, juris, Rn. 13 („in der Regel“); Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (206, 219); Hofmann, Das Genehmigungsverfahren als Verwaltungsver­ fahrenstyp, S. 181; Klafki, Risiko und Recht, S. 83; Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (296); ähnlich, bei etwaigen Mängeln aber differenzierend Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 147 ff. 178  In



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG203

II. Einbindungsmodus Wie bereits anhand der Referenzgebiete für die Gruppe der verwaltungsbe­ ratenden sachverständigen Stellen herausgearbeitet, hält das nationale Recht für die verwaltungsseitige Hinzuziehung externen Sachverstands obligatori­ sche und fakultative, ein- und zwei- bzw. mehraktige Einbindungsmodi be­ reit. Entsprechend vielfältige Einbindungsmodi sind im Fachrecht auch für die hoheitliche Einbindung solcher externen sachverständigen Stellen imple­ mentiert, die gegenüber der außenwirksam handelnden Zulassungsbehörde nicht lediglich Beratungsaufgaben wahrnehmen, sondern die selbst mit origi­ nären (Sach-)Entscheidungskompetenzen ausgestattet sind. Ein Beispiel für einen einaktigen fakultativen Einbindungsmodus stellt insoweit die behördliche Hinzuziehung des Gegensachverständigen nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG in das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren dar. Nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG steht die Einbindung von Gegensachverständi­ gen in das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren im Ermessen der Zu­ lassungsbehörde. Ebenso wie die Vorschriften des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG oder § 20 S. 1 AtG statuiert auch § 25 Abs. 5 S. 5 AMG keine nähe­ ren rechtlichen Vorgaben zum „Ob“, „Wie“ und „Wen“ der Hinzuziehung des Gegensachverständigen.184 Hinsichtlich der Auswahl des Gegensachver­ ständigen („Wen“) nennt das Gesetz zwar die Kriterien „Unabhängigkeit“, „Sach­kenntnis“ und „Zuverlässigkeit“,185 ohne diese Anforderungen jedoch inhaltlich konkret auszugestalten.186 Auch in der Gesetzesbegründung heißt es lediglich, die Möglichkeit zur Hinzuziehung externen Sachverstands diene der Beschleunigung des Zulassungsverfahrens sowie der Entlastung der Zu­ lassungsbehörde, die bei ihrer Entscheidung über die Einbindung eines Ge­ gensachverständigen eine sorgfältige Auswahl aus „ausgewiesenen Fachleu­ 184  Der gegenwärtige Rechtsrahmen für die verwaltungsseitige Einschaltung von Gegensachverständigen nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG geht auf das „Vierte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ vom 11.04.1990 (BGBl. I 1990, S. 717) zurück. Bereits zuvor hatte der Gesetzgeber im Zuge des „Dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ vom 20.07.1988 (BGBl. I 1988, S. 1050) im Arzneimittelgesetz „die Rechtsfigur des unabhängigen Gegensachverständigen“ (Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979) geschaffen und damit die Möglichkeiten der Zulassungsbehörde zur Einbindung externen Sachverstands in das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren erheblich ausgeweitet. Hintergrund der gesetzlichen Implementierung des Gegensach­ verständigen war die seinerzeit große Anzahl unerledigter Anträge auf Zulassung von Arzneimitteln, die das damalige Bundesgesundheitsamt mit dem ihm eigens zur Ver­ fügung stehenden Personal nicht in angemessener Zeit abarbeiten konnte, siehe dazu BT-Drs. 11/2357, S. 6. 185  § 25 Abs. 5 S. 5 u. 6 AMG. 186  Zur Fachkompetenz und Unabhängigkeit des Gegensachverständigen siehe un­ ten C. III.

204

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

ten“ zu treffen habe.187 Weitergehende Anforderungen an die Einbindung von Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG sieht das Gesetz nicht vor. Auch ist die Einbindung von Gegensachverständigen im Einzelfall nicht auf besondere Weise publik zu machen.188 Fraglich ist, ob dieser in seiner normativen Ausgestaltung kaum über die allgemeinen Vorgaben aus § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG hinausgehende Einbindungsmodus des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG der dem Gegensachverständi­ gen im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren zukommenden Aufga­ benstellung in rechtlicher Hinsicht hinreichend Rechnung trägt. Nach wohl einhelliger Auffassung ist der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG als Beliehener zu qualifizieren,189 dessen Beurteilung das im Außen­ verhältnis zum Antragsteller handelnde BfArM inhaltlich bindet.190 Durch seine Beauftragung wird der Gegensachverständige mit hoheitlichen Ent­ scheidungsbefugnissen ausgestattet und somit in die staatliche Entschei­ dungshierarchie eingebunden.191 Dabei steht der Einordnung als Beliehener nicht entgegen, dass der Gegensachverständige nicht selbst die im Außenver­ hältnis zum Antragsteller ergehende Zulassungsentscheidung erlässt, sondern lediglich mit verwaltungsinterner Verbindlichkeit für das den außenwirksa­ men Bescheid erlassende BfArM eine Beurteilung des Zulassungsantrags vornimmt. Vielmehr können auch Private, die organintern mit der Ausübung von Hoheitsgewalt betraut und dabei in die Entscheidungszuständigkeit der nach außen agierenden Verwaltungsbehörde eingebunden sind, als Beliehene qualifiziert werden.192 187  BT-Drs.

11/5373, S. 14. die hier nicht näher zu betrachtende Nachzulassung von Arzneimitteln (§ 105 AMG) führt das BfArM eine Liste von bestellten Gegensachverständigen i. S. d. § 105 Abs. 5a S. 5 AMG, siehe https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arznei mittelzulassung/Zulassungsverfahren/National/zul-best-unabh-gegens_neu.html (zu­ letzt abgerufen am 07.08.2019). 189  VG Köln, Urteil vom 08.08.2006 – 7 K 285/05 –, juris, Rn. 13; Klafki, Risiko und Recht, S. 83; Schwerdtfeger Pharm. Ind. 1989, 979 (984) (zur Vorgängervor­ schrift des § 25 Abs. 5 S. 3 AMG a. F.); zur Vorschrift des Art. 3 § 7a Abs. 1 AMNG i. d. F. des Gesetzes vom 20.07.1988 (BGBl. I 1988, S. 1050) siehe OVGE Berlin 20, 89 (92); VG Berlin, Urteil vom 20.02.1991 – 14 A 415.89 –, juris, Rn. 23. 190  OVGE Berlin 20, 89 (92) (zu Art. 3 § 7a Abs. 1 AMG); VG Köln, Urteil vom 08.08.2006 – 7 K 285/05 –, juris, Rn. 13 („in der Regel“); Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (206, 219); Hofmann, Das Genehmigungsverfahren als Verwaltungsver­ fahrenstyp, S. 181; Klafki, Risiko und Recht, S. 83; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 147; Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (296). Ob diese Auf­ fassung zutrifft, scheint vor dem Hintergrund der Gesetzesbegründung nicht frei von Zweifeln (vgl. BT-Drs. 11/5373, S. 14), kann hier aber dahinstehen. Zur rechtlichen Bedeutung der Beurteilungen des Gegensachverständigen siehe noch näher unten C. IV. 2. 191  OVGE Berlin 20, 89 (92). 188  Für



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG205

Folgt man dem,193 muss die Einbindung des Gegensachverständigen in das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren den Anforderungen genügen, die gemeinhin an die Beleihung Privater mit Hoheitsaufgaben gestellt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts darf eine Belei­ hung nur durch oder aufgrund Gesetzes erfolgen.194 Der Gesetzesvorbehalt betrifft nicht nur das „Ob“ einer Beleihung, sondern umfasst – in den Worten des Bundesverwaltungsgerichts – „auch deren wesentliche Modalitäten“.195 Welche Modalitäten der Beleihung als „wesentlich“ zu qualifizieren sind und daher einer Ausgestaltung des Gesetzgebers bedürfen, lässt sich dabei nicht allgemein, sondern nur anhand der Rahmenbedingungen der konkreten Be­ leihungssituation klären. Entscheidend ist, „ob und in welchem Maße die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Staatsorganisationsrechts oder andere Verfassungssätze betroffen sind“.196 Auch die gebotene Regelungsdichte des die Beleihung im Grundsatz gestattenden formellen Gesetzes hängt von den konkreten Rahmenbedingungen der vom Staat auf den Privaten zu verlagern­ den Aufgabe ab.197 Nach diesem Maßstab wird man nicht nur die Fachkompetenz und Unabhängigkeit,198 sondern grundsätzlich bereits das Verfahren der Einbin­ dung von Privaten, die als Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG mit bindender Wirkung für die außenwirksam handelnde Zulassungs­ behörde über die Zulassungsfähigkeit von Arzneimitteln entscheiden sollen, als „wesentliche Beleihungsmodalität“ ansehen müssen. Das Bundesverfas­ sungsgericht hat bereits in seinem im Jahr 1958 ergangenen Apotheken-Urteil betont, dass eine „geordnete Arzneimittelversorgung zum Schutz der Volks­ gesundheit unumgänglich ist“.199 Diesem verfassungsrechtlich verankerten, einfach-rechtlich kodifizierten Ziel (vgl. auch § 1 AMG) dient gerade auch die verwaltungsseitige Einbindung von Gegensachverständigen in das natio­ 192  Für den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (985); allgemein zur Qualifizierung der Übertragung bindender Entscheidungsbeiträge als verwaltungsverfahrensinterne Beleihung etwa Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, S. 38 ff. 193  Ob eine Beleihung stets außenwirksames Handeln voraussetzt, ist umstritten. Zur Problematik siehe wiederum Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, S. 38 ff. m. w. N. Da die Beleihung des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG in der arzneimittelrechtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum nicht streitig ist, wird auf eine nähere Behandlung der Streitfrage vorliegend verzichtet. 194  BVerwGE 137, 377 (383). 195  Ebda. 196  Ebda. 197  Kirchhof, FS Rengeling, S. 127 (136). 198  Hierzu sogleich unten C. III. 199  BVerfGE 7, 377 (414).

206

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

nale Arzneimittelzulassungsverfahren.200 „Wesentlich“ kann zudem auch die besondere Entscheidungsstruktur sein, die für die Tätigkeit eines beliehenen Privaten bereichsspezifisch zu beachten ist. Können risikobehaftete, kom­ plexe Zulassungsentscheidungen wie im Arzneimittelrecht aufgrund einer unsicheren bzw. unvollständigen Wissensgrundlage nur durch externe sach­ verständige Stellen getroffen werden, sind an deren Auswahl aufgrund des verfassungsrechtlichen Gesetzmäßigkeitsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG) und infolge der schwindenden materiell-rechtlichen Kontrollierbarkeit ihrer ­Tätigkeit erhöhte Anforderungen zu stellen.201 Mit zunehmendem rechtlichen Einfluss auf die Verwaltungsentscheidung steigen zudem auch nach Maß­ gabe des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 2 GG) und der grundrechtlichen Schutzpflichten die organisationsrechtlichen Vorgaben an die Einbindung externer sachverständiger Stellen.202 Für die Ebene des Einbindungsmodus folgt hieraus zunächst, dass es in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren für gefähr­ liche Anlagen oder Produkte mit (potenziell) erheblicher Breitenwirkung203 hinsichtlich des „Ob“ nicht ausschließlich in das Ermessen der außenwirk­ sam handelnden Zulassungsbehörde im Verwaltungsvollzug gestellt sein kann, in welchen Fällen sie sich durch Einbindung einer externen sachver­ ständigen Stelle nicht nur „faktisch“, sondern auch rechtlich der ihr gesetz­ lich zugewiesenen Sachentscheidungskompetenz begibt. Dies schließt eine in das behördliche Ermessen gestellte fakultative Hinzuziehung sachverstän­ diger Stellen nicht aus. Da die interne Beleihung einer externen sachverstän­ digen Stelle aber die Art und Weise staatlicher Aufgabenwahrnehmung ändert,204 muss das „Ob“ der behördlichen Aufgabenverlagerung auf einen Privaten aus den oben genannten Gründen gesetzlich oder zumindest auf Verordnungsebene vorstrukturiert werden. Bestätigt wird diese Überlegung 200  Vgl. unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit des Gegensachverständigen auch OVGE Berlin 20, 89 (91); Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 150. 201  Siehe dazu Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 461 f., der darü­ ber hinaus in einer (zunehmenden) Zuerkennung von Beurteilungsspielräumen eine zulässige rechtliche Reaktion im Umgang mit Risikoentscheidungen sieht; für einen „adäquaten Regelungsrahmen“ plädierend ferner Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 66. 202  Für derart steigende regulatorische Anforderungen im Sinne einer „Je destoFormel“ siehe Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); unter ausdrück­ lichem Hinweis auf die Beleihung ferner Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 66. 203  Siehe § 21 Abs. 1 S. 1 AMG: Fertigarzneimittel, deren Zulassung im (rein) nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren erteilt wurde, dürfen im gesamten Bun­ desgebiet („Geltungsbereich dieses Gesetzes“) in den Verkehr gebracht werden. 204  In diesem Sinne auch BVerwGE 137, 377 (382).



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG207

durch entsprechende Regelungen, die das Fachrecht mitunter für Beleihungs­ konstellationen in anderen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren (i. w. S.) bereithält.205 Führt man sich weitergehend vor Au­ gen, dass das „Ob“ der verwaltungsseitigen Hinzuziehung beratender sach­ verständiger Stellen zum Teil206 stärker vorprogrammiert ist als die Verfah­ renseinbindung entscheidungsbefugter sachverständiger Stellen, drängt sich für letztere die Forderung nach einem stärkeren regulatorischen Zugriff auch aus Gründen der Systemgerechtigkeit bzw. Kohärenz nahezu auf.207 Diese Überlegung wird zum Ende der Untersuchung in einem übergeordneten Ge­ samtkontext noch einmal aufzugreifen sein.

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Im Anschluss an den verfahrensrechtlichen Einbindungsmodus ist nunmehr auf die Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG abzuverlan­ gende Fachkompetenz und Unabhängigkeit einzugehen. 1. Fachkompetenz Nach § 25 Abs. 5 S. 6 AMG müssen von der zuständigen Bundesoberbe­ hörde zu beauftragende Gegensachverständige u. a.208 über „die erforderliche Sachkenntnis“ verfügen. Wodurch sich die „erforderliche Sachkenntnis“ der für eine Beauftragung als Gegensachverständige in Betracht kommenden Personen auszeichnet bzw. nach welchen Kriterien das BfArM als zuständige Bundesoberbehörde das Vorliegen der geforderten Fachkompetenz feststellen soll, gibt das Gesetz nicht näher vor.209 Anders als etwa für den Sachverstän­ 205  Siehe etwa die Vorgaben in § 16a LuftSiG; für eine Ermächtigung zur Ausge­ staltung auf Verordnungsebene siehe § 6g Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Abs. 4 StVG. 206  Als Beispiel ist für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren die Vorschrift des § 13 Abs. 1 der 9. BImSchV zu nennen, die die behördliche Einholung von Sachverständigengutachten unter die Prämisse ihrer „Notwendigkeit“ für die Prü­ fung der Genehmigungsvoraussetzungen stellt (S. 1) und dabei selbst vorgibt, in wel­ chen Fällen ein Sachverständigengutachten „in der Regel notwendig“ ist (S. 4). 207  Klarstellend sei hier darauf hingewiesen, dass die Bestimmung des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG hier lediglich als Referenz dient, ohne dass sie hier dem „Verdikt der Ver­ fassungswidrigkeit“ ausgeliefert werden soll. Zu den verfassungsrechtlich kaum greif­ baren Spielräumen von Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bei der Ausgestaltung von Sachverständigenbeteiligungen siehe Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61. 208  Auf das in der Vorschrift des Weiteren genannte Merkmal der Zuverlässigkeit wird vorliegend nicht näher eingegangen. 209  Ebenso der Befund bei Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 155 u. 157; Rehmann, AMG, § 25 Rn. 16. Zwar verweist § 25 Abs. 5 S. 9 AMG

208

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

digen i. S. d. § 20 S. 1 AtG delegiert der Gesetzgeber die normative Ausge­ staltung der Fachkompetenz von Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 u. 6 AMG auch nicht auf den Verordnungsgeber, sondern überlässt dies dem Verwaltungsvollzug des BfArM. Die Gründe für diesen regulatorischen Regelungsverzicht sind nicht recht ersichtlich. Wie schon in den zuvor be­ trachteten Referenzgebieten läge es grundsätzlich nahe, die Zurückhaltung des Normgebers bei der normativen Ausgestaltung der Fachkompetenz des Gegensachverständigen auf die hohe Wissensdynamik im Bereich der For­ schung und Entwicklung von Arzneimitteln zurückzuführen.210 Letztere kommt ihrerseits im von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägten Prüfpro­ gramm des nationalen Arzneimittelzulassungsverfahrens,211 der hieraus resul­ tierenden Bedeutung des untergesetzlichen Regelwerks212 und in der Kon­ zentration der arzneimittelfachlichen Expertise auf wenige, vornehmlich im Umkreis der pharmazeutischen Industrie tätige213 sachverständige Stellen zum Ausdruck. Dieser Rückschluss griffe indes zu kurz: In der Vorschrift des Art. 3 § 7a Abs. 2 AMNG,214 die der Bestimmung des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG vorherging, hatte der Gesetzgeber noch recht präzise vorgegeben, dass der Nachweis der erforderlichen Sachkenntnis für Gegensachverständige durch das Zeugnis über eine nach dem Hochschulstudium der Pharmazie, der Hu­ man- oder Veterinärmedizin abgelegte Prüfung und eine zweijährige Erfah­ rung in der Beurteilung der analytischen oder klinischen Prüfung von Arznei­ mitteln oder den Nachweis nach § 15 AMG215 zu erbringen ist. Obwohl der Gesetzgeber diese Vorschrift im Jahr 1994 explizit aufgehoben hat,216 hat das für die Berufung von Gegensachverständigen auf die für die Besetzung der Zulas­ sungskommissionen geltenden Vorschriften. Diesbezüglich regeln § 25 Abs. 6 S. 6 u. 7 AMG nur, dass bei der Berufung der Mitglieder in die Zulassungskommissionen die „jeweiligen Besonderheiten der Arzneimittel zu berücksichtigen“ sind und die Sachverständigen „auf den jeweiligen Anwendungsgebieten und in der jeweiligen Therapierichtung über wissenschaftliche Kenntnisse verfügen und praktische Erfah­ rungen gesammelt“ haben müssen. 210  Zu diesem Aspekt insgesamt Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S.  292 ff. 211  Siehe insbesondere die Versagungsgründe in § 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2–5 AMG. 212  Vgl. § 26 AMG. 213  Für Gegensachverständige explizit Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (988). 214  Art. 3 § 7a Abs. 1 des Gesetzes über die Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) vom 24.08.1976 (BGBl. I 1976, S. 2445) i. d. F. des „Dritten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ vom 20.07.1988 (BGBl. I 1988, S. 1050). 215  Diese für den Erhalt einer Erlaubnis zur Herstellung von Arzneimitteln rele­ vante Vorschrift ist trotz mehrfacher Anpassungen seit ihrer Implementierung durch das im Jahr 1976 verabschiedete Arzneimittelgesetz in ihren Grundstrukturen im We­ sentlichen unverändert geblieben. 216  Art. 1 Nr. 60 h) des „Fünften Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ vom 09.08.1994 (BGBl. I 1994, S. 2071).



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG209

BfArM in einer späteren Bekanntmachung für die Einbindung von Gegen­ sachverständigen im arzneimittelrechtlichen Nachzulassungsverfahren217 an den vormals in Art. 3 § 7a Abs. 2 AMNG genannten Kriterien festgehalten.218 In der Literatur werden diese fachlichen Anforderungen aus der Bekannt­ machung des BfArM teilweise unausgesprochen,219 teilweise ausdrücklich auf den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG mit der Be­ gründung übertragen, im Zuge der seinerzeitigen Gesetzesnovelle sollten „[o]ffensichtlich […] nicht die Anforderungen an die Gegensachverständi­ gen, sondern lediglich ihre besonderen Aufgaben bei der Zulassung von Arz­ neimitteln entfallen […].“220 Für den praktischen Vollzug des AMG mag die Statuierung fachlicher Qualifikationsanforderungen an verwaltungsseitig eingebundene Gegensach­ verständige auf gesetzlicher Ebene oder im untergesetzlichen Regelwerk nicht entscheidend sein. Im Kontext der Untersuchung wirft das Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG indes die allgemeine Frage auf, ob die Fachkompetenz externer sachverständiger Stellen nicht je­ denfalls in ihren Grundzügen einer gesetzlichen Ausgestaltung bedarf, wenn diese im Wege der Beleihung mit originären Sachentscheidungskompetenzen ausgestattet werden und ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes fachliches Anforderungsprofil an die konkret zu erfüllende Aufgabe formuliert werden kann. In Anlehnung an die oben angeführte Rechtsprechung des Bundesver­ waltungsgerichts221 wird man die Fachkompetenz einer privaten sachverstän­ digen Stelle grundsätzlich als eine „wesentliche“, mithin einer gesetzlichen Regelung bedürfende Beleihungsmodalität anzusehen haben.222 In verfas­ sungsrechtlicher Hinsicht sprechen nicht zuletzt die staatlichen Schutzpflich­ ten bei in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren 217  § 105 Abs. 5a S. 5 AMG. Für die antragstellerseitig zu veranlassende Einschal­ tung des Gegensachverständigen in das Nachzulassungsverfahren gelten nach § 105 Abs. 5a S. 6 AMG die Bestimmungen der §§ 25 Abs. 5 S. 5, 6 und 8 AMG sowie § 30 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2. AMG entsprechend. 218  Siehe Ziffer 5.1 der „32. Bekanntmachung über die Verlängerungen der Zulas­ sungen nach § 105 des Arzneimittelgesetzes (Aufruf an Gegensachverständige im Sinne des § 105 Abs. 5a Satz 4 und des § 25 Abs. 5 Satz 4 AMG)“ vom 05.12.1995, BAnz Nr. 9 vom 13.01.1996, S. 349. Der Verweis auf den S. 4 bezieht sich auf § 25 Abs.  5 AMG a. F. 219  Vgl. etwa Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 157. 220  So Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 141. Im von den Autoren in Bezug genom­ menen Bericht des Ausschusses für Gesundheit heißt es jedoch lediglich, die Befas­ sung von Gegensachverständigen sei seit der 4. AMG-Novelle bereits in § 25 AMG vorgesehen, siehe BT-Drs. 12/7572, S. 8. 221  BVerwGE 137, 377 (383). 222  In diesem Sinne etwa Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 66 u. 68 f.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

regelmäßig zu treffenden Risikoentscheidungen ebenso wie die durch die Beleihung Privater berührten Verfassungsgüter des Rechtsstaats- und Demo­ kratiegebots sowie des beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalts223 grundsätz­ lich dafür, Fachkompetenz als „wesentliche“, in seiner normativen Ausge­ staltung dem Gesetzgeber vorbehaltene Beleihungsmodalität anzusehen. Un­ geachtet dessen liegt dem Instrument der Beleihung ohnehin die allgemeine Überlegung zugrunde, dass Private aufgrund ihrer Tätigkeit in bestimmten Bereichen Aufgaben besser erfüllen können, als dies den staatlichen Verwal­ tungsbehörden möglich wäre.224 Im Wege der Beleihung sollen die Verwal­ tungsbehörden die bei Privaten vorhandene Fachkompetenz, ihre Initiative und Interessen sowie die technischen und betrieblichen Möglichkeiten gerade für die staatliche Aufgabenerledigung fruchtbar machen.225 Diesbezüglich zeigen neben der erwähnten Bestimmung des Art. 3 § 7a Abs. 2 AMNG als Vorgängerregelung des heutigen § 25 Abs. 5 S. 5 AMG auch Beispiele aus Sachgebieten der (repressiven) Wirtschaftsüberwachung,226 dass eine detail­ lierte gesetzliche Ausgestaltung der Fachkompetenz beliehener sachverstän­ diger Stellen nicht schlechterdings ausgeschlossen ist.227 Ob sich unter den vorstehenden Gesichtspunkten eine Regelungsverant­ wortung des Gesetzgebers im Sinne einer Kodifikationspflicht ergibt bzw. ob die Fachkompetenz beliehener sachverständiger Stellen wie dem Gegensach­ verständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG grundsätzlich auch mithilfe ande­ rer Regelungsmechanismen gewährleistet werden kann, wird im Laufe der Untersuchung noch in einem übergeordneten Kontext zu diskutieren sein. 2. Unabhängigkeit Neben seiner fachlichen Qualifikation muss der im nationalen Arznei­ mittelzulassungsverfahren eingebundene Gegensachverständige gemäß § 25 223  Aus der Kollision der Beleihung mit den Vorgaben aus Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG bzw. Art. 33 Abs. 4 GG leitet auch das Bundesverwaltungsgericht den gesetzgeberi­ schen Vorbehalt bezüglich der Ausgestaltung wesentlicher Beleihungsmodalitäten ab, siehe BVerwGE 137, 377 (383). 224  Classen, Demokratische Legitimation im offenen Rechtsstaat, S. 71. 225  Rengeling, Erfüllung staatlicher Aufgaben durch Private, S. 26; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 246. 226  §§ 2, 4 u. 11 KfSachVG; § 9a Abs. 1 SchfHwG i. V. m. § 45 Abs. 1, 2 HWO i. V. m. der Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Schornstein­ feger-Handwerk (Schornsteinfegermeisterverordnung – SchoMstrV) vom 11.11.2015 (BGBl. I 2015, S. 1987). 227  Zulässig ist eine auf gesetzlicher Ebene erfolgende, detaillierte Ausgestaltung der Qualifikationsanforderungen von externen sachverständigen Stellen allemal, siehe nur Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungs­ recht, S. 85.



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG211

Abs. 5 S. 5 AMG unabhängig sein. Ebenso wie für die Fachkompetenz lässt das Gesetz die personelle Ausrichtung und inhaltlichen Konturen der dem Gegensachverständigen abzuverlangenden Unabhängigkeit offen, womit de­ ren Ausformung dem Verwaltungsvollzug des BfArM bzw. dem Rechtsan­ wender überlassen ist. Insoweit werden Umfang und Inhalt der Unabhängig­ keit des Gegensachverständigen zum einen durch die bereits erwähnte Be­ kanntmachung des BfArM,228 auf die Teile der Literatur unausgesprochen Bezug nehmen,229 und zum anderen durch die Rechtsprechung230 bestimmt. Im Verhältnis zum BfArM kann der beliehene Gegensachverständige be­ reits aufgrund der allgemeinen Anforderungen des Rechtsstaats- und Demo­ kratieprinzips nicht unabhängig im Sinne einer Weisungsfreiheit sein, auch wenn seine Beauftragung gerade dem behördlichen Interesse an einer zügi­ gen, von besonderer Expertise getragenen Aufgabenerledigung dient.231 Auf­ grund seiner das BfArM im Außenverhältnis bindenden Beurteilungen bedarf die Hinzuziehung des Gegensachverständigen im nationalen Arzneimittelzu­ lassungsverfahren ebenso wie Tätigkeit staatlicher Amtswalter einer demo­ kratischen Legitimation, die für Beliehene im Allgemeinen durch Begrün­ dung von administrativen Weisungs- und Aufsichtsbefugnissen hergestellt wird.232 Nach einhelliger Auffassung erfordert die in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG statu­ ierte Unabhängigkeit des Gegensachverständigen zunächst, dass dieser kei­ nem der in §§ 20, 21 VwVfG normierten Mitwirkungsverbote unterliegt.233 228  Siehe Ziffer 5.3 der „32. Bekanntmachung über die Verlängerungen der Zulas­ sungen nach § 105 des Arzneimittelgesetzes (Aufruf an Gegensachverständige im Sinne des § 105 Abs. 5a Satz 4 und des § 25 Abs. 5 Satz 4 AMG)“ vom 05.12.1995, BAnz Nr. 9 vom 13.01.1996, S. 349. 229  Etwa Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 136. 230  Insbesondere OVGE Berlin 20, 89 ff. 231  Zu diesem „institutionellen Widerspruch“ der Beleihung siehe allgemein Steiner, FS Koja, S. 603 (614 f.). 232  Siehe nur Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 65. Zu den Grenzen staatlicher Weisungen und Aufsicht gegenüber dem Be­ liehenen siehe Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, S. 194 ff. Zum Erfordernis einer formell-gesetzlichen Grundlage für die Begründung von Weisungs- und Auf­ sichtsbefugnissen siehe einerseits Kirchhof, FS Rengeling, S. 127 (137 f.); anderer­ seits Steiner, FS Koja, S. 603 (615). 233  Aus der Rechtsprechung siehe OVGE Berlin 20, 89 (93); für den Verwaltungs­ vollzug siehe Ziffer 6 der „32. Bekanntmachung über die Verlängerungen der Zulas­ sungen nach § 105 des Arzneimittelgesetzes (Aufruf an Gegensachverständige im Sinne des § 105 Abs. 5a Satz 4 und des § 25 Abs. 5 Satz 4 AMG)“ vom 05.12.1995, BAnz Nr. 9 vom 13.01.1996, S. 349; für die Literatur Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 138; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 151 u. 158; Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (988).

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

In deren – wie dargelegt durchaus begrenzten234 – Regelungsgehalt erschöpft sich die dem beliehenen Gegensachverständigen abzuverlangende Unabhän­ gigkeit jedoch nicht. Aufgrund der Verlagerung der Prüfung und Beurteilung des Zulassungsantrags auf den Gegensachverständigen und die diesem einge­ räumte, grundsätzlich abschließende Sachentscheidungskompetenz235 misst die überwiegende Auffassung dem Kriterium der Unabhängigkeit eine über die Befangenheitsvorschriften der §§ 20, 21 VwVfG hinausgehende Bedeu­ tung bei. Danach schließt die in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ausdrücklich statuierte Anforderung der Unabhängigkeit die Beauftragung solcher Personen als ­Gegensachverständige aus, die in einem Anstellungsverhältnis zu (irgend-) einem Unternehmen der pharmazeutischen Industrie stehen.236 Diese ver­ gleichsweise237 strenge Interpretation des Unabhängigkeitsgebots wird zum einen mit den Zielen der Gewährleistung von Arzneimittelsicherheit und Verbraucherschutz (vgl. § 1 AMG), zum anderen mit der die Zulassungsbe­ hörde im Außenverhältnis bindenden Sachentscheidungskompetenz des Ge­ gensachverständigen begründet, die es erforderlich mache, etwaige Interes­ senkollisionen des Gegensachverständigen oder deren Anschein per se auszu­ schließen.238 Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung der mit der Einbindung bezweckten Beschleunigung des Arzneimittelzulassungsverfah­ rens kann auch die vorherige Anzeige239 eines bestehenden Anstellungsver­

234  Siehe

dazu oben § 3 B. III. 2, § 3 C. III. 2. u. § 3 D. III. 2. noch näher unten C. IV. 2. 236  Aus der Rechtsprechung siehe OVGE Berlin 20, 89 (93 f.) (zu Art. 3 § 7a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AMNG); OVG Berlin, Beschluss vom 17.06.1999 – 5 N 8.99 –, juris, Rn. 2; VG Köln, Urteil vom 08.08.2006 – 7 K 285/05 –, juris, Rn. 15; VG Köln, Urteil vom 30.11.2007 – 18 K 936/07 –, juris, Rn. 26. Für die Arzneimittelpra­ xis vgl. Ziffer 5.3 der „32. Bekanntmachung über die Verlängerungen der Zulassun­ gen nach § 105 des Arzneimittelgesetzes (Aufruf an Gegensachverständige im Sinne des § 105 Abs. 5a Satz 4 und des § 25 Abs. 5 Satz 4 AMG)“ vom 05.12.1995, BAnz Nr. 9 vom 13.01.1996, S. 349. Aus dem Schrifttum siehe Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 136; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 150 f.; weiterge­ hend Rehmann, AMG, § 25 Rn. 16, der das Unabhängigkeitspostulat auch auf Ver­ bände der Arzneimittelindustrie erstreckt wissen will; a. A. hingegen Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (988 f.), der der Bestimmung des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG keinen über die §§ 20, 21 VwVfG hinausgehenden Bedeutungsgehalt beimisst. Da nach § 20 Abs. 1 S. 3 VwVfG die bloße abstrakt-generelle Zugehörigkeit einer Person zu einer bestimmten Berufsgruppe nicht zu einem Ausschluss vom Verwaltungsverfahren führe, sollen nach Schwerdtfeger (a. a. O.) auch in Beschäftigungsverhältnissen zu Unternehmen der Pharmaindustrie stehende Personen von der zuständigen Bun­ desoberbehörde als Gegensachverständige beauftragt werden. 237  Für die Mitglieder der ZKBS kommt dem in § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG geregelten Unabhängigkeitsgebot im Vergleich zu den §§ 20, 21 VwVfG kein normativ greifba­ rer, eigenständiger Anwendungsbereich zu, siehe oben § 3 C. III. 2. 238  Statt aller (s. o.) OVGE Berlin 20, 89 (91 f.). 235  Dazu



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG213

hältnisses im Einzelfall nicht über die dann fehlende Unabhängigkeit des Gegensachverständigen hinweghelfen.240 Welche weiteren Anforderungen an die in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gefor­ derte Unabhängigkeit des Gegensachverständigen zu stellen sind, ist im ko­ difizierten Recht nicht im Detail vorgegeben, sondern bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Relevant sind insoweit vor allem etwaige wirtschaftliche Eigeninteressen und Abhängigkeiten des Gegensachverständi­ gen. Grundsätzlich liegt eine dem Unabhängigkeitspostulat zuwiderlaufende indirekte wirtschaftliche Abhängigkeit des Gegensachverständigen vor, so­ fern dieser von einem Unternehmen wirtschaftlich abhängig bzw. mit einem solchen verbunden ist, das selbst dauerhaft für pharmazeutische Unterneh­ men tätig wird.241 Um dem BfArM eine diesbezügliche Prüfung zu ermög­ lichen, müssen für eine Beauftragung als Gegensachverständige in Betracht kommende Personen gegenüber dem BfArM sämtliche mit pharmazeutischen Unternehmen bestehenden Beraterverträge offenlegen. Darüber hinaus sind berufene Gegensachverständige auch nach Tätigkeitsaufnahme gegenüber dem BfArM verpflichtet, etwaige Änderungen ihrer beruflichen Verhältnisse mit potenziellem Einfluss auf ihre Unabhängigkeit unverzüglich anzuzei­ gen.242 Trotz dieser über die an verwaltungsberatende sachverständige Stellen hi­ nausgehenden Anforderungen243 wird auch für den beliehenen, mit originären Sachentscheidungskompetenzen ausgestatteten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG eine „absolute“ bzw. „umfassende“ Unabhängigkeit weder gefordert noch gewährleistet. Dies wird zunächst daran deutlich, dass eine aus einem Angestelltenverhältnis oder einer sonstigen Rechtsbeziehung 239  Diese ist für eine Beauftragung in Betracht kommende Personen verpflichtend, siehe Ziffer 5.3 der „32. Bekanntmachung über die Verlängerungen der Zulassungen nach § 105 des Arzneimittelgesetzes (Aufruf an Gegensachverständige im Sinne des § 105 Abs. 5a Satz 4 und des § 25 Abs. 5 Satz 4 AMG)“ vom 05.12.1995, BAnz Nr. 9 vom 13.01.1996, S. 349. 240  OVGE Berlin 20, 89 (92); Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 150. 241  Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 151. 242  Zu beiden Aspekten siehe Ziffer 5.3 der „32. Bekanntmachung über die Verlän­ gerungen der Zulassungen nach § 105 des Arzneimittelgesetzes (Aufruf an Gegen­ sachverständige im Sinne des § 105 Abs. 5a Satz 4 und des § 25 Abs. 5 Satz 4 AMG)“ vom 05.12.1995, BAnz Nr. 9 vom 13.01.1996, S. 349. Wie sich aus einem dem Ver­ fasser durch Auskunft des BfArM vom 24.05.2019 per E-Mail übersandten Muster­ vertrag ergibt, wird die Offenlegungs- und Anzeigepflicht in der Verwaltungspraxis durch einen entsprechenden Passus im Beauftragungsvertrag abgesichert. 243  Zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, zur ZKBS und zur Tätigkeit der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG siehe oben § 3 B. III. 2, C. III. 2., D. III. 2.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

resultierende wirtschaftliche Abhängigkeit des Gegensachverständigen nur dann als relevant angesehen wird, wenn sie im Zeitpunkt seiner Beauftra­ gung durch die Zulassungsbehörde noch besteht. Frühere wirtschaftliche Abhängigkeiten sollen der in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG geforderten Unabhän­ gigkeit hingegen grundsätzlich nicht entgegenstehen.244 Beispielsweise sind keine Karenzzeiten vorgesehen, obschon man ein dahingehendes Regelungs­ bedürfnis bei „gerade eben“ aus Unternehmen der Arzneimittelindustrie aus­ geschiedenen Personen im Hinblick auf die Sachentscheidungsgewalt von Gegensachverständigen durchaus bejahen könnte.245 Ob die Aufnahme einer Tätigkeit als behördlicher Gegensachverständiger im Anschluss an eine An­ stellung in einem Unternehmen einer „Abkühlungsphase“ bedarf, ist mangels abstrakt-rechtlich kodifizierter Vorgaben mithin dem einzelfallbezogenen Hinzuziehungs- und Auswahlermessen des BfArM überantwortet. Im Übri­ gen stehen nach wohl einhelliger Auffassung etwaige Beratungsverträge mit der pharmazeutischen Industrie der behördlichen Beauftragung als Gegen­ sachverständiger jedenfalls dann nicht entgegen, wenn es bei diesen lediglich um die Erteilung „sachlich begrenzter“ Gutachtenaufträge geht und sie auch ihrer Anzahl nach keine „wirtschaftliche Abhängigkeit“ zu einem Pharma­ unternehmen begründen.246 Diese allgemeinen Vorgaben bieten reichlich Spielraum für Interpretations- und Auslegungsmöglichkeiten, was jedoch schlussendlich praktischen Bedürfnissen geschuldet sein dürfte. Schlösse man Personen mit Vortätigkeiten in der Industrie generell oder auch nur übergangsweise von einer Beauftragung als Gegensachverständige aus, dürfte sich wohl kaum eine hinreichende Anzahl von für eine hoheitliche Einbin­ dung in fachlicher Hinsicht geeignet erscheinender Personen finden lassen.247 Insgesamt wird am Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG zwar deutlich, dass an die Unabhängigkeit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen, denen originäre, die nach außen handelnde Behörde formal bindende Sachentscheidungskompetenzen eingeräumt werden, im Vergleich zur Gruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen erhöhte Anforderungen zu stellen sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Gesetzgeber die Einzelheiten der diesen sachverständigen Stellen abzuver­ langenden Unabhängigkeit selbst vorgibt. Auch in anderen naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren (i. w. S.), in denen pri­ 244  Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 136; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 152. 245  Das nationale (Beamten-)Recht regelt derartige „Seitenwechsel“ üblicherweise lediglich aus der Verwaltung in Richtung einer Beschäftigung außerhalb des öffent­ lichen Dienstes, vgl. § 105 BBG, § 41 BeamtStG. 246  Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 136; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 152; ähnlich wohl Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (988). 247  So ausdrücklich Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (988).



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG215

vaten sachverständigen Stellen im Wege der Beleihung eigenständige Sach­ entscheidungskompetenzen übertragen werden können, lässt der Gesetzgeber die inhaltlichen Modalitäten des Unabhängigkeitspostulats offen248 und überlässt deren Ausgestaltung dem Verordnungsgeber249 bzw. dem Verwal­ tungsvollzug. Indes wird man unter Zugrundelegung der oben angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben der Fachkompetenz gerade auch die Unabhängigkeit beliehener sachverständiger Stellen als we­ sentliche Modalität der Beleihung Privater ansehen müssen,250 die jedenfalls in ihren Grundzügen einer normativen Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedarf.251 Ein „rechtstatsächliches Indiz“ für ein dahingehendes Regelungs­ bedürfnis geben wiederum Beispiele aus anderen naturwissenschaftlichtechnisch geprägten Regelungsbereichen, in denen beliehene Private Auf­ gaben der repressiven Überwachung wahrnehmen.252 Vor diesem Hintergrund soll auch253 für die Unabhängigkeit sachverständiger Stellen unter Berück­ sichtigung der weiteren Erkenntnisse aus den noch folgenden Referenzgebie­ ten am Ende der Untersuchung geklärt werden, inwieweit den Gesetzgeber 248  Ähnliche Regelungsstrukturen finden sich bei der Einbindung Beliehener in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren im Luftverkehrs-, Binnenschifffahrts- oder KfZ-Zulassungsrecht, siehe § 31c S. 1 Nr. 1 LuftVG, § 3a S. 2 BinSchAufgG und § 6g Abs. 3 S. 2 StVG. 249  Siehe etwa § 6g Abs. 4 S. 1 Nr. 4 StVG. 250  Zum diesbezüglichen Regelungsauftrag des Staates siehe allgemein Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 70, der – freilich ohne vertiefte Wür­ digung – bemerkenswerterweise den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG beispielhaft als regulatorische Handlungsmöglichkeit zur Einhegung von Beur­ teilungen privater sachverständiger Stellen anführt. 251  Dieser rechtliche Befund lässt namentlich für das als Referenzgebiet betrach­ tete Arzneimittelzulassungsverfahren freilich keine Rückschlüsse auf eine „rechtliche oder praktische Notwendigkeit“ (z. B. aus Gründen der Arzneimittelsicherheit) der Regulierung der Unabhängigkeit des Gegensachverständigen zu. 252  Als geradezu klassisches Beispiel ist insoweit die Rolle des amtlich anerkann­ ten Sachverständigen bzw. Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr im Rahmen der Hauptuntersuchung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (§ 29 StVZO) zu nennen, für den der Gesetzgeber im „Gesetz über amtlich anerkannte Sachverständige und amtlich anerkannte Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr“ (KfSachvG) vom 22.12.1971 (BGBl. I 1971, S. 2086, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.11.2016 (BGBl. I 2016, S. 2722)) die zentralen personell-organisatorischen Anforderungen selbst nor­ mativ ausgestaltet hat. Im Hinblick auf das Unabhängigkeitspostulat statuiert § 6 Abs. 1 S. 2 KfSachvG, dass Sachverständige und Prüfer ihre Aufgaben unparteiisch auszuführen haben und von der Zahl und dem Ergebnis der Prüfungen wirtschaftlich nicht abhängig sein dürfen. Die Technische Prüfstelle darf keinen auf Gewinn abzie­ lenden Geschäftsbetrieb führen (§ 10 Abs. 2 S. 1 KfSachvG). Fachliche Weisungen an die Sachverständigen und Prüfer der Technischen Prüfstelle dürfen nur der Leiter oder sein Stellvertreter geben (§ 11 Abs. 3 KfSachvG). 253  Siehe zum entsprechenden Erkenntnisinteresse für die Fachkompetenz oben C. III. 1.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

eine diesbezügliche Kodifikationspflicht trifft bzw. welche weiteren Rege­ lungsmechanismen zur Absicherung des Unabhängigkeitspostulats in Be­ tracht kommen.

IV. Tätigkeit des Gegensachverständigen im Zulassungsverfahren Anhand der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren nach §§ 18 ff. NABEG wurde bereits auf den „Normalfall“ naturwissen­ schaftlich-technisch komplexer Zulassungsverfahren eingegangen, die als Verwaltungsverfahren i. S. v. § 9 VwVfG von einer Behörde geführt und durch deren außenwirksame Entscheidung abgeschlossen werden. Als Abstu­ fung kennt das Recht jedoch auch Konstellationen, in denen einer Behörde zwar die Verfahrensfederführung und Entscheidungsverantwortung im Au­ ßenverhältnis obliegt, sie aber verwaltungsintern an den Beitrag einer priva­ ten sachverständigen Stelle inhaltlich gebunden ist. Ein entsprechendes Bei­ spiel ist der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, der mit der Prüfung des Zulassungsantrags betraut ist und im Anschluss hieran eine ei­ genständige, im Außenverhältnis durch das BfArM nur noch umzusetzende Sachentscheidung trifft. 1. Prüfung und Beurteilung des Zulassungsantrags Wie eingangs dargestellt, ist das nationale Arzneimittelzulassungsverfah­ ren als Unterlagenprüfverfahren konzipiert, in welchem die Informationsbe­ schaffung weitgehend auf den Antragsteller übertragen ist. Letzterer schafft, wie sich aus § 25 Abs. 5 S. 1 AMG ergibt, mit den von ihm eingereichten Unterlagen (§ 22 AMG) und Sachverständigengutachten (§ 24 AMG) regel­ mäßig die alleinige Grundlage für die behördliche Zulassungsentscheidung (sog. Beibringungsgrundsatz).254 In weitgehender Durchbrechung255 des in Verwaltungsverfahren herkömmlich geltenden Untersuchungsgrundsatzes (vgl. § 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG) ist im nationalen Arzneimittelzulassungsver­ fahren eine eigene Sachverhaltsermittlung durch die Verwaltung grundsätz­ lich nicht mehr vorgesehen und soll lediglich in Ergänzung zur vom Antrag­ steller gelegten Informationsbasis stattfinden.256 Entscheidet sich das BfArM nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, die Beurteilung der vom Antragsteller einge­ 254  Zum Verfahrensgang insgesamt näher Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S.  185 ff. 255  Siehe auch Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 187: „erheblich relativiert“. 256  Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 235.



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG217

reichten Unterlagen durch einen Gegensachverständigen durchführen zu las­ sen, übernimmt letzterer abgesehen vom Erlass der Entscheidung im Außen­ verhältnis alle Aufgaben der Zulassungsbehörde.257 Eine originäre Unter­ lagenprüfung durch das BfArM findet in diesem Fall nicht mehr statt.258 Während für die Tätigkeit der Zulassungsbehörde das zu absolvierende Prüfprogramm,259 ihre Pflichten (insbesondere Anhörung)260 und Befugnisse gegenüber dem Antragsteller bzw. Dritten zur Sachverhaltsermittlung,261 das Bestehen von Berichtspflichten262 und etwaige Pflichten zur Beteiligung weiterer, hier nicht näher zu betrachtender sachverständiger Stellen263 im Einzelnen vorgegeben sind, ist abgesehen vom insoweit identischen Prüfpro­ gramm264 das verwaltungsinterne Prüf- und Beurteilungsverfahren des Ge­ gensachverständigen weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsebene näher geregelt. Dies betrifft zunächst das Verhältnis zum Antragsteller. Obschon der Ge­ gensachverständige eine eigenverantwortliche und abschließende Entschei­ dung über das Vorliegen der Zulassungsvoraussetzungen trifft,265 ist er vor Fertigstellung seiner die Zulassungsbehörde im Außenverhältnis bindenden Beurteilung nicht zu einer eigenen Anhörung des Antragstellers verpflichtet. Zwar statuiert § 25 Abs. 5 S. 7 AMG hinsichtlich der Gutachten des Gegen­ sachverständigen ein besonderes Akteneinsichtsrecht des Antragstellers ge­ genüber der Zulassungsbehörde.266 Allerdings sieht das Gesetz eine vorherige Unterrichtung des Antragstellers durch die Zulassungsbehörde über die Ein­ bindung eines Gegensachverständigen nicht vor, sodass ersterer nicht zwin­ gend von der Beauftragung erfährt, um auf dieser Grundlage einen Antrag auf Akteneinsicht in das Gutachten stellen zu können. Zur Wahrung seiner 257  Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 147; vgl. auch Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (219), der „von einer nur noch formal verfahrensbeherrschenden Stellung“ der Zulassungsbehörde spricht. 258  Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 147. 259  § 25 Abs. 2 u. 3 AMG. 260  § 25 Abs. 4 AMG; ferner § 25 Abs. 5 S. 8 AMG. 261  § 25 Abs. 5 S. 2–4 AMG. 262  § 25 Abs. 5a AMG. 263  § 25 Abs. 6–7a AMG. Hinsichtlich der Zulassungskommission besteht eine gewisse Strukturähnlichkeit zur ZKBS. Zu letzterer siehe insgesamt oben § 3 C. 264  Siehe die Bestimmung des § 25 Abs. 2 AMG, die auch ohne ausdrückliche Regelung für die Tätigkeit des Gegensachverständigen gilt. 265  Dazu noch näher unten C. IV. 2. 266  Zum Anwendungsbereich des § 25 Abs. 5 S. 7 AMG siehe Kügel, in: Kügel/ Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 163.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Rechte steht dem Antragsteller allerdings gegenüber der Zulassungsbehörde ein dem Akteneinsichtsrecht vorgelagerter Anspruch auf Auskunft darüber zu, ob im betreffenden Zulassungsverfahren ein Gegensachverständiger be­ auftragt wurde.267 Verlangt der Antragsteller nach genommener Aktenein­ sicht, von ihm gestellte Sachverständige beizuziehen, so sind auch diese nach Maßgabe von § 25 Abs. 5 S. 8 AMG nicht durch den Gegensachverständigen, sondern nur durch die Zulassungsbehörde anzuhören.268 Dass das Gesetz di­ rekte Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Gegensachverständigen und dem Antragsteller nicht vorsieht,269 lässt sich einerseits als Ausdruck der auch270 auf Ebene des konkreten Zulassungsverfahrens zu gewährleistenden Unabhängigkeit des Gegensachverständigen begreifen. Andererseits erscheint eine gerade aus seiner „Anonymität“ folgende Unabhängigkeit des Gegen­ sachverständigen gegenüber dem Antragsteller nicht mehr gesichert, wenn letzterer im Wege des dem Akteneinsichtsrecht des § 25 Abs. 5 S. 7 AMG vorgelagerten Auskunftsanspruchs von der behördlichen Hinzuziehung eines Gegensachverständigen Kenntnis erlangt. Insofern wählt das Gesetz bei der Sicherstellung der Unabhängigkeit des Gegensachverständigen auf der einen und der Wahrung der Rechte des Antragstellers auf der anderen Seite eine Art Mittelweg. Neben der regulatorischen Zurückhaltung bei der Normierung etwaiger Verfahrenspflichten sind dem Gegensachverständigen auch keine eigenen Kompetenzen bzw. Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung eingeräumt. Nach dem Gesetzeswortlaut stehen die in § 25 Abs. 5 S. 2–4 AMG normierten Befugnisse zur Beiziehung von Sachverständigen, Anforderung von Gutach­ ten, Betretung von Betriebs- und Geschäftsräumen, Unterlageneinsicht und Auskunftsverlangen vielmehr allein der Zulassungsbehörde zu.271 Ausgehend 267  Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 142; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 165. Ohne einen konkreten Anhaltspunkt bzw. eine „freiwillige“ Of­ fenlegung des Beauftragungsverhältnisses kann allerdings auch dieser vorgelagerte Auskunftsanspruch im Einzelfall leerlaufen. Teile des Schrifttums fordern daher, der Antragsteller solle auch ohne Stellung eines entsprechenden Antrags stets die von Gegensachverständigen erstellten Gutachten erhalten, so etwa Anker, in: Deutsch/ Lippert (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 4. 268  Hierzu etwa Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 166. 269  Ob die Gesetzeslage der Zulassungspraxis entspricht, entzieht sich der vorlie­ genden Betrachtung. 270  Zur abstrakt-organisatorischen Unabhängigkeit des Gegensachverständigen siehe oben C. III. 1. 271  Dies entspricht laut Auskunft vom 24.05.2019 per E-Mail an den Verfasser auch dem Verständnis und der Verwaltungspraxis des BfArM. Das aus dem Rechts­ staatsprinzip abgeleitete Erfordernis einer parlamentarisch-gesetzlichen Grundlage für belastende Eingriffe in die Rechte des Bürgers gilt auch für den Beliehenen, siehe statt vieler Kirchhof, FS Rengeling, S. 127 (137).



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG219

von der gesetzlichen Systematik ist der Gegensachverständige daher trotz der Bindungswirkung seiner Beurteilungen letztlich nur eines von mehreren der Zulassungsbehörde zur Verfügung stehenden Beweismitteln. Hält der Gegen­ sachverständige für die Beurteilung des Zulassungsantrags eine Hinzuzie­ hung weiterer Experten oder sonstige Sachverhaltsermittlungen für erforder­ lich, muss er sich mit diesem Anliegen an die Zulassungsbehörde wenden. Dies erscheint insbesondere mit Blick auf die Grundrechtseingriffe, die mit der Inanspruchnahme der nur der Behörde gesetzlich eingeräumten Betre­ tungs- und Einsichtnahmebefugnisse einhergehen, zwar einerseits sachge­ recht, widerspricht aber andererseits dem Beschleunigungs- und Entlastungs­ zweck der behördlichen Einbindung von Gegensachverständigen im nationa­ len Arzneimittelzulassungsverfahren.272 Inwieweit das Schweigen des Geset­ zes zu etwaigen Befugnissen des mit originären Entscheidungskompetenzen ausgestatteten Gegensachverständigen im Vergleich zur mitunter anderweiti­ gen Rechtslage bei lediglich beratenden sachverständigen Stellen überzeugt,273 wird im Gesamtkontext der Untersuchung noch zu analysieren sein. Neben den Rechten und Pflichten ist weitergehend von Interesse, inwie­ weit die Tätigkeit des Gegensachverständigen vorbehaltlich der Rezeption seiner verwaltungsintern verbindlichen Beurteilung durch die Zulassungsbe­ hörde etwaigen Einsichtnahme- oder Beteiligungsrechten Dritter (z. B. von Krankenkassen, Patienten- und Verbraucherschutzverbänden oder Bürgern) unterliegt. Insoweit ist, wie bereits im Zuge der Untersuchung der Verfahren­ seinbindung der ZKBS im Gentechnikrecht angedeutet,274 allgemein festzu­ stellen, dass auf nationaler Ebene geregelte Stoff- und Produktzulassungsver­ fahren regelmäßig weder eine auf Rückäußerung abzielende („aktive“) Betei­ ligung noch eine informatorische („passive“) Unterrichtung Dritter bzw. der Öffentlichkeit vorsehen.275 Hierfür ist das nationale Arzneimittelzulassungs­ verfahren ein typisches, in Teilen des Schrifttums kritisiertes276 Beispiel. Weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsebene ist eine Beteiligung Dritter oder gar der Öffentlichkeit im Arzneimittelzulassungsverfahren geregelt. Vielmehr erfolgt eine informatorische Unterrichtung der Öffentlichkeit erst 272  Zu

diesem Zweck siehe BT-Drs. 11/5373, S. 14. für den Sachverständigen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren § 20 S. 2 AtG (oben § 3 B. IV. 1.); für die ZKBS in gentechnikrechtlichen Genehmi­ gungsverfahren siehe § 7 ZKBS-Verordnung (oben § 3 C. IV. 1.). 274  Dazu oben § 3 C. IV. 1. 275  Zum Befund siehe auch Knauff, DÖV 2012, 1; kritisch Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (251 f.), die von einer „Geringschätzung der Öffentlichkeit“ und einer „Rückständigkeit des Wissensgenerierungsmodells der deutschen Stoffzulassungsver­ fahren“ spricht. 276  Insbesondere von Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (251  f.); siehe ferner Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (215) („nicht ganz befriedigend“). 273  Siehe

220

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

nach Abschluss des Zulassungsverfahrens.277 Etwaige Einsichtnahme- bzw. Beteiligungsrechte Dritter ergeben sich auch nicht aus Vorschriften des allge­ meinen Verwaltungsrechts (z. B. § 13 Abs. 2 VwVfG).278 Nach der Recht­ sprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist dieser „Ausschluss“ der Öf­ fentlichkeit – insbesondere von Patienten – vom nationalen Arzneimittelzu­ lassungsverfahren auch im Hinblick auf die aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG folgen­ den Schutzpflichten des Staates verfassungsrechtlich unbedenklich.279 In der Konsequenz haben Dritte, anders als der Antragsteller (vgl. § 25 Abs. 5 S. 7 AMG), keine Möglichkeit, im Wege der Akteneinsicht Kenntnis von der be­ hördlichen Hinzuziehung eines Gegensachverständigen zu erlangen oder gar Einsicht in dessen Beurteilungen zu nehmen. Folglich unterliegt auch der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG bei seiner Tätigkeit im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren – vorbehaltlich der hier nicht zu vertiefenden arzneimittelrechtlichen Nachmarktkontrolle280 – keinen Kon­ trollmöglichkeiten von Arzneimittel „anwendenden“ Dritten (etwa von Pa­ tienten, Verbänden oder Ärzten). Ein Kontrolldruck auf den Gegensachver­ ständigen geht lediglich von den Antragstellern des Zulassungsverfahrens281 bzw. sonstigen „Anbietern“ von Arzneimitteln282 sowie vom BfArM aus, wobei letzteres trotz seiner Stellung als Auftraggeber bei seinen außenwirk­ samen Entscheidungen verwaltungsintern an die Beurteilungen des Gegen­ sachverständigen gebunden ist. Ob diese Verfahrensgestaltung gerade vor dem Hintergrund der „relativen“ Nähe283 des Gegensachverständigen zur 277  Vgl.§ 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 1d S. 2 AMG. Im Rahmen der Pharmakovigi­ lanz steht die Unterrichtung der Öffentlichkeit hingegen im behördlichen Ermessen, siehe § 62 Abs. 1 S. 3 AMG. 278  Ein aus dieser Vorschrift folgendes Beteiligungsrecht setzt ein „rechtliches In­ teresse“ am Ausgang des Verfahrens (§ 13 Abs. 2 S. 1 VwVfG) bzw. eine rechtsge­ staltende Wirkung des Ausgangs des Verfahrens für die Rechtsposition des Dritten (§ 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG) voraus. Diese Voraussetzungen liegen bei Personen, die weder Antragsteller des nationalen Arzneimittelzulassungsverfahrens noch Arzneimit­ telhändler, Arzneimittelhersteller oder Apotheker sind, nicht vor. Vgl. dazu – freilich ohne normative Anknüpfung an § 13 VwVfG – BVerwG, NJW 1993, 3002 (3003). Ob man dies anders sehen könnte, bedarf an dieser Stelle keiner näheren Prüfung. 279  BVerwG, NJW 1993, 3002 (3003). 280  Vgl. §§  62 ff. AMG. 281  Zu deren Klagebefugnis im auf das Zulassungsverfahren folgenden Verwal­ tungsprozess siehe unten C. V. 282  Dazu allgemein Hart/Hilken/Merkel/Woggan, Das Recht des Arzneimittelmark­ tes, S. 41. Der große Kreis potenziell von einer gestattenden Zulassungsentscheidung „betroffenen“ Personen, denen im Zulassungsverfahren weitgehend keine Beteili­ gungs- bzw. Klagerechte zustehen, stellt ein strukturtypisches Merkmal des nationa­ len Stoff- und Produktzulassungsrechts dar, vgl. Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, S. 110 f. (abgedruckt in BT-Drs. 14/8792). 283  Siehe zur Unabhängigkeit des Gegensachverständigen oben C. III. 2.



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG221

pharmazeutischen Industrie überzeugt, ist letztlich keine rechtliche, sondern eine rechtspolitische Frage. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, dass die Verfahrenstätigkeit des Gegensachverständigen trotz der ihm eingeräumten Sachentscheidungskom­ petenzen kaum gesetzlich vorstrukturiert ist. Dies gilt im Kontext der vorlie­ gend bereits betrachteten Referenzgebiete insbesondere im Vergleich zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Atomrecht284 sowie zur ZKBS im Gentechnikrecht,285 die jeweils formal nur verwaltungsberatend tätig werden. Auch auf diesen Befund wird im Laufe der Untersuchung insgesamt noch näher einzugehen sein. 2. Entscheidung Obschon die Verwaltung die Expertise externer sachverständiger Stellen üblicherweise in Gestalt von rechtlich unverbindlichen, lediglich in faktischer Hinsicht entscheidungsvorprägenden Beiträgen in Anspruch nimmt, ist grundsätzlich anerkannt, dass Voten privater Sachverständiger die Behörden auch rechtlich binden können.286 Ein Beispiel für einen solchen Ausnahme­ fall287 stellt der im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren hoheitlich eingebundene, beliehene Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG dar.288 Hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung der vom Gegensachverständi­ gen abgegebenen Beurteilungen ist nach Maßgabe von § 25 Abs. 5 S. 5 AMG zwischen nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit allgemein be­ kannten Wirkungen und in der Wissenschaft noch unbekannten, verschrei­ bungspflichtigen Arzneimitteln (§ 48 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AMG) zu differenzie­ ren. Bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln legt die Zulassungsbe­ hörde gemäß § 25 Abs. 5 S. 6 AMG ihrer Entscheidung die Beurteilung des Gegensachverständigen „zugrunde“. Aus dieser etwas verklausulierten For­ 284  Siehe

oben § 3 B. IV. 1. oben § 3 C. IV. 1. 286  Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (296); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 48; siehe auch Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373). 287  So die Klassifizierung bei Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht und Risikodogmatik, S. 227 (dort Fn. 503); Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (296). 288  Insoweit ist der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ein Bei­ spiel für den allgemein festzustellenden Vormarsch des Rechtsinstituts der Beleihung, der längst nicht mehr nur den Bereich der repressiven Überwachung, sondern ver­ stärkt auch präventive Kontrolltätigkeiten in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren (i. w. S.) betrifft, vgl. etwa die Bestimmungen der § 31c S. 1 Nr. 1 LuftVG, § 16a Abs. 1 Nr. 2 LuftSiG, § 3a S. 1 BinSchAufgG u. § 6g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 StVG. Zur allgemeinen Bedeutung der Beleihung siehe nur Burgi, FS Maurer, S. 581 („Breitband-Institut“); Steiner, FS Koja, S. 603 (605) („längst den Geruch ei­ ner fossilen Rechtsfigur verloren“). 285  Siehe

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

mulierung der Vorschrift folgt, dass die Zulassungsbehörde eine eigene Prü­ fung der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen nicht mehr vornimmt.289 Bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln (§ 48 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AMG) legt die Zulassungsbehörde die Beurteilung des Gegensachverständigen dem von ihr zu erstellenden Entwurf der Zulassungsentscheidung zugrunde, den sie sodann der nach § 25 Abs. 6 S. 1 AMG jeweils anzuhörenden Zulas­ sungskommission vorlegt. Auch in dieser Konstellation verzichtet die Zulas­ sungsbehörde auf eine eigene Prüfung der vom Antragsteller eingereichten Unterlagen und bedient sich stattdessen der Einschätzung des Gegensachver­ ständigen.290 Nach herrschender Auffassung ist die Zulassungsbehörde bei ihrer im Außenverhältnis zu treffenden Entscheidung bzw. dem von ihr vor­ zulegenden Entwurf somit an die Beurteilungen des in das Zulassungsverfah­ ren hinzugezogenen Gegensachverständigen gebunden.291 Ebenso wie bei seiner Tätigkeit im Zulassungsverfahren lässt das Gesetz auch für die vom Gegensachverständigen als Arbeitsprodukt fertiggestellte, die Zulassungsbehörde im Außenverhältnis bindende Beurteilung offen, wel­ che formellen und inhaltlichen Anforderungen diese erfüllen muss. Aufgrund ihrer lediglich verwaltungsinternen Wirkung gelten für die Voten des Gegen­ sachverständigen die allgemeinen Formanforderungen aus §§ 37, 39 VwVfG nicht bzw. nicht unmittelbar.292 Ob und inwieweit die Vorgaben der §§ 37, 39 VwVfG auf die Beurteilungen des Gegensachverständigen analog angewen­ det werden können, hat in der Rechtsprechung und Literatur bislang keine nähere Beachtung gefunden und ist dementsprechend ungeklärt. Soweit er­ sichtlich, regeln auch die Beauftragungsverträge des BfArM keine näheren Formvorgaben bezüglich der vom Gegensachverständigen zu erstellenden Voten.293 289  Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 148. 290  Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 149. 291  In normativer Anknüpfung an Art. 3 § 7a Abs. 1 AMNG siehe bereits OVGE Berlin 20, 89 (92); VG Berlin, Urteil vom 20.02.1991 – 14 A 415.89 –, juris, Rn. 22. Für die (heutige) Vorschrift des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe VG Köln, Urteil vom 08.08.2006 – 7 K 285/05 –, juris, Rn. 13 u. Urteil vom 30.11.2007 – 18 K 936/07 –, juris, Rn. 24 („in der Regel“); Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (206, 219); Hofmann, Das Genehmigungsverfahren als Verwaltungsverfahrenstyp, S. 181; Klafki, Risiko und Recht, S. 83; Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (296); Teile der Literatur nehmen lediglich bei offenkundigen Mängeln der Beurteilungen des Gegensachver­ ständigen eine (ungeschriebene) Abweichungsbefugnis der Zulassungsbehörde an, siehe etwa Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 148 f. Für ein generelles Überprüfungs- und Abweichungs­ recht der Zulassungsbehörde hingegen Schwerdtfeger, Pharm. Ind. 1989, 979 (984 f.). 292  Die im Außenverhältnis ergehende Zulassungsentscheidung des BfArM ist hin­ gegen als Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG zu qualifizieren, auf den die Form­ anforderungen der §§ 37 ff. VwVfG Anwendung finden.



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG223

Insgesamt wird deutlich, dass die organisatorische und verfahrensrecht­ liche Einhegung der Tätigkeit des beliehenen, mit originären Sachentschei­ dungskompetenzen ausgestatteten Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG abgesehen von den höheren Anforderungen an dessen Unabhän­ gigkeit qualitativ allenfalls den Vorgaben entspricht, die für die Tätigkeit der in Kapitel § 3 untersuchten Gruppe der verwaltungsberatenden sachverstän­ digen Stellen gelten. Auf der Verfahrensebene bleibt die regulatorische Aus­ gestaltung der Prüf- und Beurteilungstätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG sogar hinter den Anforderungen zurück, die im untergesetzlichen Regelwerk für die Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG294 und der ZKBS295 implementiert sind. Damit ist ungeachtet der fachspezifischen Besonderheiten des als Unterlagenprüfverfahren konzi­ pierten nationalen Arzneimittelzulassungsverfahrens unter dem Gesichtspunkt des grundgesetzlichen Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) die all­ gemeine Frage aufgeworfen, wo die rechtliche Grenze zwischen der gemein­ hin für zulässig erachteten hoheitlichen Einbindung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen mit Beratungsfunktion und der Delegation von Sachentscheidungskompetenzen auf private sachverständige Stellen außer­ halb der Verwaltung verläuft. Ausgehend vom tradierten monistischen Legi­ timationsmodell ist jede Übertragung von Entscheidungskompetenzen auf sachverständige Stellen, die außerhalb der staatlichen Weisungs- und Verant­ wortungshierarchie stehen, im Hinblick auf die sachlich-inhaltliche Legiti­ mation ihrer Tätigkeit per se problematisch.296 Wie bereits erwähnt, wird für den zur mittelbaren Staatsverwaltung zählenden Beliehenen gemeinhin ange­ nommen, die sachlich-inhaltliche Legitimation seiner Tätigkeit werde auf­ grund seiner Rechtsbindung und funktionalen Eingliederung in die staatliche Aufsichts- und Weisungsstrukturen gewahrt.297 Im Hinblick auf administra­ tive Einzelfallentscheidungen wird im Allgemeinen insbesondere dem Instru­ ment der Weisung eine besondere Bedeutung beigemessen, da diese geeignet sei, zwischen Verwaltungsspitze und Funktionsträger eine „volle Willens­ übereinstimmung ohne Zeitverlust herbeizuführen“.298 Dass eine solche je­ 293  Jedenfalls ergeben sich solche nicht aus dem Mustervertrag, den das BfArM dem Verfasser durch Auskunft vom 24.05.2019 per E-Mail übersandt hat. Im über­ sandten Mustervertrag ist lediglich ein Schriftlichkeitserfordernis statuiert. 294  Hierzu insgesamt oben § 3 B. IV. 295  § 3 C. IV. 296  Statt vieler Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (304). 297  Siehe etwa Freitag, Das Beleihungsrechtsverhältnis, S. 88; Heintzen, VVD­ StRL 62 (2003), 220 (242); Schönenbroicher, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 1 Rn. 65. 298  So Jestaedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 342. Zur legi­ timationsstiftenden Wirkung von Weisungen siehe auch von Münch, Das Spannungs­

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

derzeit bestehende bzw. zumindest herstellbare Willensübereinstimmung an den Realitäten des Verwaltungsvollzugs vorbeigehen kann,299 zeigt im Kon­ text der Untersuchung gerade das Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, dessen Beurteilungen das BfArM bei seiner Zulas­ sungsentscheidung im Außenverhältnis zugrunde legen darf, ohne dass es eine eigene Prüfung der vom Antragssteller eingereichten Unterlagen vorneh­ men müsste.300 Braucht die Zulassungsbehörde aber die der Beurteilung des Gegensachverständigen zugrunde liegenden Unterlagen nicht selbst prüfen, ist die Frage aufgeworfen, wie sie ihr aus dem Beauftragungsverhältnis301 herrührendes Weisungsrecht im Sinne der Herstellung einer „vollen Willens­ übereinstimmung ohne Zeitverlust“ effektiv und umfassend ausüben soll. Da sich das kodifizierte Recht hierzu nicht verhält, bleibt die diesbezügliche Antwort dem hinsichtlich dieses Aspekts vorliegend nicht weiter aufklärba­ ren Verwaltungsvollzug des BfArM vorbehalten. Letztlich bedarf dieser Ge­ sichtspunkt hier keiner abschließenden Würdigung. Denn jedenfalls die ge­ setzliche Ausgestaltung der Tätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs. 5 S. 5 AMG ruft unter Zugrundelegung des Konstrukts der „jederzeiti­ gen Willensübereinstimmung“ durch Erteilung von Weisungen Zweifel an der sachlich-inhaltlichen Legitimation seiner Beurteilungen im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren hervor, die in Rechtsprechung und Literatur bislang weder diskutiert wurden noch geklärt sind. Über das konkrete Refe­ renzgebiet hinaus wird am Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs. 5 S. 5 AMG deutlich, dass neben der faktischen Bindungswirkung302 rechtlich unverbindlicher Voten externer sachverständiger Stellen auch die Delegation von Entscheidungskompetenzen auf private Sachverständige in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren den für die Verfahrensebene immer wieder betonten Grundsatz der Letztverantwortung staatlicher Verwaltungsbehörden303 bereichsspezifisch einschränken bzw. verhältnis zwischen funktionaler Privatisierung und demokratischer Legitimation, S.  201 ff. 299  Zur diesbezüglichen Kritik siehe Mehde, Neueres Steuerungsmodell und De­ mokratieprinzip, S.  510 ff. 300  Hiervon gehen selbst diejenigen Teile des Schrifttums aus, die keine umfas­ sende rechtliche Bindungswirkung der Voten des Gegensachverständigen annehmen, vgl. Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 148 f. 301  In einem Passus des Mustervertrags, den das BfArM dem Verfasser durch Aus­ kunft vom 24.05.2019 per E-Mail übermittelt hat, behält sich das BfArM gegenüber dem jeweiligen Auftragnehmer das Recht vor, bis zur Abnahme des Gutachtens nach billigem Ermessen Änderungen und Ergänzungen verlangen zu dürfen. 302  Zum Phänomen siehe oben § 3 B. IV. 2. b), § 3 C. IV. 2. b) und § 3 D. IV. 2. b). 303  I.  Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 32 Rn. 97; Burgi, Die Verwaltung 33 (2000), 183



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG225

durchbrechen können. Auf diesen Befund wird im Rahmen der übergreifen­ den Analyse der Untersuchungsgruppen noch näher einzugehen sein.304

V. Gerichtliche Überprüfung Aufgrund der ihm eingeräumten, die Zulassungsbehörde im Außenverhält­ nis bindenden Sachentscheidungskompetenzen stellt sich auch für den Ge­ gensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG die Frage nach den für die gerichtliche Überprüfung seiner Beurteilungen geltenden Grundsätzen. Bezüglich der inhaltlichen Kontrolldichte von arzneimittelrechtlichen Zu­ lassungsentscheidungen ist bislang noch nicht im Detail abschließend geklärt, ob und in welchem Umfang der Verwaltung ein sich der gerichtlichen Kont­ rolle entziehender Beurteilungsspielraum zukommt.305 Nach Auffassung der Rechtsprechung eröffnet jedenfalls der unbestimmte Rechtsbegriff des „je­ weils gesicherten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (§ 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 u. 4, S. 3 AMG) der für die Erteilung von Arzneimittelzulassungen zuständigen Behörde – insoweit anders als etwa im Atomrecht306 – keinen Beurteilungsspielraum. Vielmehr sei der im Zeitpunkt der behördlichen Zu­ lassungsentscheidung jeweils festgelegte Stand der wissenschaftlichen Er­ kenntnisse im Arzneimittelrecht objektiv feststellbar und könne daher auch durch die Gerichte unter Berücksichtigung des zu seiner Konkretisierung er­ gangenen untergesetzlichen Regelwerks voll überprüft werden.307 Dieser Überprüfungsmaßstab gilt, ohne dass dies in Rechtsprechung und Literatur diskutiert wird, freilich auch dann, wenn der außenwirksamen Zulassungs­ (194, 205 f.); Heintzen, VVDStRL 62 (2003), 220 (238); Steinberg, Der ökologische Verfassungsstaat, S. 266. Kritisch zum Terminus unter dem Aspekt gesellschaftlicher Mitentscheidung Rossen-Stadtfeld, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 29 Rn. 67. 304  § 6 D. II. 2. a) aa). 305  Feststellend Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1823. 306  Zur gerichtlichen Überprüfung der Voten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. V. 307  OVG Berlin, Urteil vom 25.11.1999 – 5 B 11.98 –, juris, Rn. 27; OVG Müns­ ter, PharmR 2011, 55 (59); für das Nutzen-Risiko-Verhältnis i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 1 Nr. 5 AMG siehe VG Köln, Urteil vom 20.05.2014 – 7 K 2128/12 –, juris, Rn. 95. Im Schrifttum wird die Frage nach der Zuerkennung behördlicher Beurteilungsspiel­ räume unterschiedlich beantwortet. Für eine vollständige gerichtliche Überprüfung von Arzneimittelzulassungen etwa Engelke, Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln nach dem AMG und dem SGB V, S. 206 ff.; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 29; für die Zuerkennung (partieller) Beurteilungsspielräume hingegen Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1823; Di Fabio, Risikoentscheidun­ gen im Rechtsstaat, S. 287 f.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

entscheidung des BfArM die verwaltungsintern bindende Beurteilung eines Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG zugrunde liegt. Grundlegendere, über den vorliegenden Untersuchungsgegenstand hinaus­ reichende Fragen stellen sich im Hinblick auf den gerichtlichen Kontrollzu­ gang. Als Adressat der das nationale Arzneimittelzulassungsverfahren außen­ wirksam abschließenden Entscheidung des BfArM ist jedenfalls der Antrag­ steller gemäß § 42 Abs. 2 VwGO befugt, einen auf die Beurteilung eines Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gestützten, die Zulas­ sungserteilung versagenden Bescheid der Zulassungsbehörde im Wege der Verpflichtungsklage (Versagungsgegenklage) gerichtlich überprüfen zu las­ sen. Dabei kann der Antragsteller das Votum des Gegensachverständigen als lediglich verwaltungsintern wirkenden Entscheidungsbeitrag nach Maßgabe von § 44a S. 1 VwGO nicht isoliert, sondern nur gemeinsam mit der im Au­ ßenverhältnis ergehenden Zulassungsentscheidung des BfArM einer gericht­ lichen Überprüfung unterziehen. Neben den Interessen des Antragstellers als insoweit klagebefugten Adressaten der behördlichen Zulassungsentscheidung geht es im Arzneimittelrecht weitergehend auch um öffentliche Interessen sowie um subjektive Interessen und Belange von (mittelbar) betroffenen Dritten,308 deren gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten sich nach Maß­ gabe von § 42 Abs. 2 VwGO danach bestimmen, ob sie durch die Erteilung bzw. Versagung einer Arzneimittelzulassung in subjektiven Rechten verletzt sein können. Die obergerichtliche Rechtsprechung verneint dies und betont den ausschließlich objektiv-rechtlichen, der ordnungsgemäßen Arzneimittel­ versorgung und dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienenden Charakter der Vorschriften über die Zulassung von Arzneimitteln.309 Da das Arzneimit­ telgesetz einen abstrakt-generellen Schutzzweck verfolge und nicht auf die individuellen Verhältnisse des Bürgers abstelle, könne die Zulassung eines Arzneimittels, „das niemand zu nehmen braucht“, ebenso wenig in die Rechte von Patienten eingreifen wie die Versagung oder der Widerruf der Zulassungserteilung.310 Abgesehen von eher vereinzelt gebliebenen Her­ 308  Zur folgenden Problematik insgesamt Hart/Hilken/Merkel/Woggan, Das Recht des Arzneimittelmarktes, S.  39 ff. 309  BVerwG, NJW 1993, 3002 (3003); OVG Münster, NVwZ-RR 2016, 627 (628). 310  BVerwG, NJW 1993, 3002 (3003). Ob und inwieweit diese restriktive Interpre­ tation der Rechtsschutzmöglichkeiten Dritter, die gleichermaßen für andere Bereiche des nationalen Stoff- bzw. Produktzulassungsrechts gilt, vollends in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Drittschutz gegen behördliche Anlagenzulassungsentscheidungen steht, soll hier nicht vertieft werden. Im Atomrecht lässt das Bundesverwaltungsgericht bereits die Erteilung einer Genehmigung zur Er­ richtung einer kerntechnischen Anlage unabhängig von der Gestattung des Anlagen­ betriebs für die Annahme einer Klagebefugnis von Drittklägern genügen, siehe inso­ weit etwa BVerwG, DÖV 1972, 757: „Die für die Klagebefugnis erforderliche Be­ schwer fehlt dem Kl. nicht deshalb, weil das AtG […] zwischen der Genehmigung



C. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG227

stellerklagen erweist sich das nationale Arzneimittelzulassungsrecht im Hinblick auf Drittschutzklagen seit jeher als ein „relativ gerichtsfreies ­ Rechtsgebiet“.311 Dementsprechend unterliegt auch die Tätigkeit des Gegen­ sachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ungeachtet der verwaltungs­ internen Rezeption seiner Entscheidungsbeiträge durch das BfArM312 aus­ schließlich einem (potenziellen) Anfechtungs- und Kontrolldruck der „An­ bieter“ von Arzneimitteln, nicht aber etwaigen Überprüfungsmöglichkeiten der „Nachfrageseite“ (z. B. durch Ärzte, Patienten, Verbraucher) des Arznei­ mittelmarktes.313 Als Zwischenergebnis bleibt für das Referenzgebiet festzu­ halten, dass die Initiierung einer gerichtlichen Kontrolle der die Zulassungs­ behörde im Außenverhältnis bindenden Beurteilungen des Gegensachverstän­ digen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG vornehmlich etwaigen unter wirtschaftli­ chen Gesichtspunkten an der Zulassungsentscheidung interessierten Personen, insbesondere den Antragstellern des Arzneimittelzulassungsverfahrens, vor­ behalten ist. Auf diese „Monopolisierung“ des gerichtlichen Kontrollzugangs wird in einem allgemeineren Zusammenhang unter dem Aspekt der in einem Teil des Schrifttums diskutierten „Präventionsfunktion der Verwaltungs­ gerichte“314 noch näher einzugehen sein.

VI. Ergebnisse Das Beispiel des im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren tätigen Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG zeigt, dass das natio­ nale Recht auch in Risikoverfahren die hoheitliche Einbindung privater sach­ verständiger Stellen kennt, die mit originären Sachentscheidungskompeten­ zen ausgestattet sind. Abgesehen von den strengeren Anforderungen an die ihm abzuverlangende Unabhängigkeit315 geht die regulatorische Einhegung zur Errichtung und der Genehmigung zum Betrieb der Anlage unterscheidet und der Bescheid Nr. 7/1 KWW nur für die Errichtung der Anlage gilt, ‚Gefahren der Kern­ energie‘ für den Kl. und seine Familie aber erst durch den Betrieb der Anlage sowie durch die Beförderung und Aufbewahrung von Kernbrennstoffen entstehen […]. Eine genehmigungspfl. Anlage wird – selbstverständlich – nur errichtet, um betrieben zu werden.“ 311  So bereits Hart/Hilken/Merkel/Woggan, Das Recht des Arzneimittelmarktes, S.  40 f. 312  Siehe oben C. IV. 2. Bei offenkundigen Mängeln der Beurteilungen des Gegen­ sachverständigen nehmen Teile der Literatur eine Überprüfungs- und Abweichungs­ befugnis der Zulassungsbehörde an, siehe Kloesel/Cyran, AMG, § 25 Rn. 140; Kügel, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 25 Rn. 148 f. 313  Dies allgemein konstatierend Hart/Hilken/Merkel/Woggan, Das Recht des Arz­ neimittelmarktes, S. 41. 314  Siehe dazu etwa Ramsauer, NordÖR 2019, 157 (166). 315  Dazu oben C. III. 2.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

der Tätigkeit des beliehenen Gegensachverständigen trotz dessen die Zulas­ sungsbehörde im Außenverhältnis bindenden Beurteilungen weder auf orga­ nisations- noch auf verfahrensrechtlicher Ebene über die Vorgaben hinaus, die das Fachrecht gemeinhin an verwaltungsberatende sachverständige Stel­ len316 formuliert.317 Infolgedessen bleiben die Konkretisierung der abstraktorganisatorischen Anforderungen und der Verfahrenstätigkeit des Gegensach­ verständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG weitgehend dem Verwaltungsvoll­ zug überlassen. Wie das Referenzgebiet illustriert, besteht zwischen dem Umfang der Entscheidungskompetenz externer sachverständiger Stellen und dem Detaillierungsgrad der für ihre Aufgabenerfüllung maßgeblichen Rechts­ vorschriften nicht notwendigerweise ein Zusammenhang. Eine „Kompen­ sation“ der im kodifizierten Recht nur schwach vorprogrammierten Prüf- und Beurteilungstätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG erfolgt auf der verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz- und Überprü­ fungsebene nicht, was unter anderem auf den durch § 42 Abs. 2 VwGO im Wesentlichen auf die Antragsteller beschränkten Kreis potenzieller Kläger zurückzuführen ist.

D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte In bestimmten von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Fragestel­ lungen dominierten Rechtsgebieten wird die Einhaltung materieller Quali­ tätsstandards präventiv nicht mehr durch Verwaltungsbehörden, sondern durch private sachverständige Stellen geprüft, die vom Staat zur Erledigung dieser Aufgabe vorab ausgewählt und mit originären Entscheidungskompe­ tenzen ausgestattet werden.318 Verbreitet ist dieser Regelungsmechanismus insbesondere im unionsrechtlich geprägten Produktsicherheitsrecht, wo Her­ steller von Produkten mit erhöhtem Gefahrenpotenzial für deren zulässigen Marktzugang vorab eine Überprüfung durch sogenannte „Benannte Stellen“

316  Siehe zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. III. u. B. IV.; zur ZKBS siehe § 3 C. III. u. C. IV.; zur DFS siehe oben § 3 D. III. u. D. IV. 317  In anderen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren (i. w. S.), in denen Private im Wege der Beleihung mit präventiven Kontrollaufgaben betraut werden, ist die normative Regelungsdichte mitunter (vgl. § 16a LuftSiG, § 6g Abs. 3 S. 1 Nr. 1 u. Abs. 4 StVG), aber nicht zwangsläufig (vgl. § 31c S. 1 Nr. 1 LuftVG, § 3a BinSchAufgG) höher. 318  Zur dogmatischen Einordnung solcher privaten Entscheidungsverfahren als Verfahrensprivatisierung siehe I.  Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voß­ kuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 32 Rn. 27 f.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 229

durchführen lassen müssen.319 Die mit derartigen privatrechtlich konzipierten Konformitätsbewertungsverfahren einhergehenden Rechtsprobleme werden im Folgenden anhand der bewährten Prüfstruktur am Beispiel der Tätigkeit Benannter Stellen bei der Konformitätsbewertung von Hochrisiko-Medizin­ produkten behandelt.

I. Rechtlicher Rahmen Der gegenwärtige rechtliche Rahmen des Konformitätsbewertungsverfah­ rens für Hochrisiko-Medizinprodukte wird auf europäischer Ebene durch die Vorgaben der Richtlinie 93/42/EWG320 bestimmt, die im nationalen Recht im vorliegend interessierenden Kontext vor allem im Medizinproduktegesetz (MPG)321 und in der „Verordnung über Medizinprodukte“322 (MPV) umge­ setzt wurden. Das Inverkehrbringen von Medizinprodukten wird in § 6 MPG geregelt. Nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 S. 1 MPG dürfen Medizinprodukte in Deutsch­ land grundsätzlich nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie mit einer CE-Kennzeichnung versehen sind. Die CE-Kennzeichnung darf nach § 6 Abs. 2 S. 1 MPG nur dann angebracht werden, wenn das betreffende Medi­ zinprodukt die sogenannten „Grundlegenden Anforderungen“ aus § 7 MPG erfüllt und das für jeweilige Medizinprodukt vorgeschriebene Konformitäts­ bewertungsverfahren durchgeführt wurde. Die Durchführung der Konformi­ tätsbewertung erfolgt gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 MPV grundsätzlich durch den Hersteller. Für das zulässige Inverkehrbringen von Medizinprodukten der Klasse III (Hochrisiko-Medizinprodukte) bedürfen Hersteller jedoch einer vorherigen Bestätigung der Produktkonformität durch eine Benannte Stelle.

319  Die Grundlagen dieses Regelungsmechanismus wurden in der sogenannten „Neuen Konzeption“ (Entschließung des Rates vom 07.05.1985 über eine neue Kon­ zeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung, ABl. Nr. C 136, S. 1) sowie der „Globalen Konzeption“ (Europäische Kommission, Ein Globales Konzept für Zertifizierung und Prüfwesen, vorgelegt am 15.06.1989, ABl. Nr. C 267, S. 3) gelegt. 320  Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14.06.1993 über Medizinprodukte (ABl. Nr. L 169, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung vom 05.04.2017 (ABl. Nr. L 117, S. 1). 321  „Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz – MPG)“ i.  d. F. der Bekanntmachung vom 07.08.2002 (BGBl. I 2002, S. 3146), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18.07.2017 (BGBl. I 2017, S. 2757). 322  „Verordnung über Medizinprodukte (Medizinprodukte-Verordnung – MPV)“ vom 20.12.2001 (BGBl. I 2001, S. 3854), zuletzt geändert durch Verordnung vom 27.09.2016 (BGBl. I 2016, S. 2203).

230

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Beispiele für derartige Hochrisiko-Medizinprodukte sind etwa323 Herzkathe­ ter, künstliche Hüft-, Knie-, oder Schultergelenke, Stents, Brustimplantate oder Herzschrittmacher.324 Für den Gang des jeweiligen Konformitätsbewer­ tungsverfahrens325 für Medizinprodukte der Klasse III und die obligatorische Einbindung einer Benannten Stelle, die für das entsprechende Konformitäts­ bewertungsverfahren und das jeweilige Medizinprodukt staatlich zugelassen („benannt“) sein muss, vom Hersteller jedoch frei ausgewählt werden kann (§ 3 Abs. 2 S. 1 MPV),326 verweist § 7 Abs. 1 MPV auf die Anhänge II–IV der Richtlinie 93/42/EWG.327 Im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte prüfen Benannte Stellen auf Grundlage eines zivilrechtlichen Vertragsverhältnisses mit dem jeweiligen Hersteller, ob das betreffende Produkt die „Grundlegenden Anforderungen“ nach § 7 MPG er­ füllt. Ist dies der Fall, stellt die Benannte Stelle eine Konformitätsbescheini­ gung aus,328 die den Hersteller zur Anbringung des CE-Kennzeichens (§ 9 MPG) berechtigt. Die Anbringung des CE-Kennzeichens ist nach § 6 Abs. 1 S. 1 MPG erforderlich, um das betreffende Produkt in den Verkehr bringen bzw. in Betrieb nehmen zu dürfen. Dementsprechend ist bei HochrisikoMedizinprodukten das Vorliegen einer durch eine Benannte Stelle ausgestell­ ten Prüf- bzw. Konformitätsbescheinigung329 zwingende Voraussetzung für ihren Marktzugang und ihre Verkehrsfähigkeit. Da die „Grundlegenden An­ forderungen“ (§ 7 MPG) und der Gang des Konformitätsbewertungsverfah­ rens (§ 37 Abs. 1 MPG i. V. m. § 7 Abs. 1 MPV) im Detail nicht im nationalen 323  Allgemein gilt zu beachten, dass die Klassifizierung von Medizinprodukten nicht starr, sondern im jeweiligen Einzelfall unter Bezugnahme des bestimmungs­ gemäßen Gebrauchs („intended use“) erfolgt, siehe https://www.bvmed.de/de/recht/ was-sind-medizinprodukte/medizinprodukte-klassifizierung1 (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung sind die insoweit maß­ geblichen Regelungen und Bestimmungen zur Klassifizierung nicht weiter von Inte­ resse. 324  Beispiele nach https://www.bvmed.de/de/recht/was-sind-medizinprodukte/me dizinprodukte-klassifizierung1 (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 325  Das Unionsrecht unterscheidet allgemein zwischen verschiedenen Modulen für die Konformitätsbewertung von Produkten. Siehe dazu etwa Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukterecht, S. 41 ff.; Wiesendahl, Technische Normung in der Europäischen Union, S. 79 ff. 326  Zum Einbindungsmodus siehe sogleich unten D. II. 327  Grundsätzlich ist zwischen Konformitätsbewertungsverfahren für die sonstigen Medizinprodukte (§ 7 MPV), für aktive implantierbare Medizinprodukte (§ 4 MPV) und für In-vitro-Diagnostika zu unterscheiden (§ 5 MPV). Die vorliegende Betrach­ tung der Tätigkeit Benannter Stellen erfolgt exemplarisch anhand ihrer Einbindung in Konformitätsbewertungsverfahren für sonstige Medizinprodukte (§ 7 MPV). 328  § 7 Abs. 1 Nr. 1 MPV i. V. m. Anhang II Nr. 4.3 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EG; § 7 Abs. 1 Nr. 2 MPV i. V. m. Anhang III Nr. 5 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EG. 329  Beide Begriffe werden nachfolgend synonym verwendet.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 231

Recht, sondern auf europäischer Ebene geregelt sind, agieren Benannte Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinpro­ dukte als private Vollzugsorgane des Unionsrechts.330 Die vorstehend dargelegten Rahmenbedingungen der Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinpro­ dukte werden trotz verschiedener Änderungen im Kern auch unter dem Re­ gime der ab dem 26.05.2020 für das Inverkehrbringen von Medizinprodukten geltenden Verordnung (EU) Nr. 2017/745331 beibehalten.332 In der folgenden Untersuchung der Rolle Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsver­ fahren für Hochrisiko-Medizinprodukte wird schwerpunktmäßig auf die ge­ genwärtige Rechtslage abgestellt. Punktuell wird aber auf die neuen Anfor­ derungen der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 Bezug genommen, soweit diese im Kontext der Untersuchung von Belang sind.

II. Einbindungsmodus Gemeinhin erfolgt die Einbindung Benannter Stellen in Zertifizierungsund Konformitätsbewertungsverfahren für gefährliche Produkte im Rahmen eines zweiaktigen Einbindungsmodus. In dessen Rahmen stellt der Staat auf einer ersten Stufe zunächst die abstrakte Eignung der jeweiligen Stelle zur Erfüllung von Präventivkontrollaufgaben fest. Durch diese Feststellung über­ nimmt der Staat in äußerlich erkennbarer Weise die Gewähr dafür, dass die Stelle dauerhaft definierte Qualitätsstandards erfüllt.333 Die zweite Stufe des Einbindungsmodus betrifft sodann die Ebene des konkreten Zertifizierungsbzw. Konformitätsbewertungsverfahrens, auf der es der Entscheidung des Herstellers überlassen ist, eine staatlich zugelassene Benannte Stelle auszu­ 330  Zur diesbezüglichen Rolle Benannter Stellen im europäischen Produktzulas­ sungsrecht siehe umfassend Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S.  43 ff. 331  Verordnung (EU) Nr. 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Auf­ hebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. Nr. L 117, S. 1). Diese Verordnung firmiert ebenfalls unter der Bezeichnung „EU-Medizinpro­ dukte-Verordnung“. Diese Bezeichnung wird vorliegend zwecks Vermeidung von Verwechslungsgefahren mit der im nationalen Verordnungsrecht geregelten MPV nicht verwendet. 332  Siehe insoweit Art. 52 Abs. 3 u. Art. 53 Abs. 1 S. 1 Verordnung (EU) Nr. 2017/ 745. 333  Siehe zu diesem häufig – allerdings nicht im Medizinproduktebereich – als „Akkreditierung“ bezeichneten Verfahren allgemein Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/ Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S.  277 (318 ff.).

232

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

wählen und diese in das Zertifizierungs- bzw. Konformitätsbewertungsver­ fahren einzubeziehen. Ein konkretes Beispiel für einen solchen zweiaktigen Einbindungsmodus stellt die obligatorische Einbeziehung Benannter Stellen in das Konformitäts­ bewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte dar.334 Um als Be­ nannte Stelle in ein Konformitätsbewertungsverfahren für ein HochrisikoMedizinprodukt eingebunden werden zu dürfen, muss eine zu benennende Stelle im ersten Schritt nach Maßgabe von § 15 Abs. 1 MPG in einem beson­ deren Verfahren zur Benannten Stelle benannt werden. Dieses zu durchlau­ fende Benennungsverfahren wird nach § 15 Abs. 1 S. 1 MPG durch Antrag bei der zuständigen Behörde – dies ist die „Zentralstelle der Länder für Ge­ sundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten“ (ZLG)335 – einge­ leitet. Der formelle Ablauf des von der ZLG federführend geleiteten Benen­ nungsverfahrens ist durch das Unionsrecht vorgegeben. Dort regelt Art. 3 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/2013336 im Detail die von der zu benennenden Stelle vorzulegenden Antragsunterlagen, deren Bewertung durch die ZLG (bzw. die zuständige Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats) nach vorheriger Unterrichtung und Beteiligung der jeweils zuständigen Be­ hörden aus den weiteren Mitgliedstaaten erfolgt. In materieller Hinsicht muss die zu benennende Stelle die sich aus § 15 Abs. 1 S. 2 MPG ergebenden Benennungsvoraussetzungen aus dem Unionsrecht erfüllen. Die Entschei­ dung der ZLG über die Benennung stellt einen begünstigenden Verwaltungs­ akt i. S. v. § 35 S. 1 VwVfG NRW337 dar. Liegen die formellen und materiel­ len Benennungsvoraussetzungen vor, hat die jeweilige Stelle einen Anspruch auf Erteilung der Benennung, den sie erforderlichenfalls gerichtlich durchset­ 334  Etwaige repressive Marktüberwachungsaufgaben der Benannten Stellen blei­ ben nachfolgend außer Betracht. 335  Die Zuständigkeit der ZLG folgt aus dem „Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten“ vom 30.06.1994 (GVBl. NRW 1994, S. 972), das zuletzt durch Abkommen vom 15.12.2011 (GVBl. NRW 2012, S. 278) geändert worden ist. 336  Die Vorschrift unterscheidet entsprechend dem Status im Benennungsverfahren zwischen „Konformitätsbewertungsstelle“ und „Benannter Stelle“. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit ist vorliegend allein von „Benannter Stelle“ bzw. „zu benennen­ der Stelle“ die Rede, auch wenn diese beiden Bezeichnungen mit dem Terminus der Konformitätsbewertungsstelle inhaltlich nicht identisch sind: „Konformitätsbewer­ tungsstelle“ bezeichnet gemäß Art. 1 lit. b) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/ 2013 eine Stelle, die gemäß Anhang I Art. R1 Abs. 13 des Beschlusses Nr. 768/2008/ EG Kalibrierungs-, Prüfungs-, Zertifizierungs- und Inspektionstätigkeiten durchführt. Der Ausdruck „Benannte Stelle“ meint hingegen eine Konformitätsbewertungsstelle, die gemäß Art. 11 der Richtlinie 90/385/EWG oder Art. 16 der Richtlinie 93/42/EWG von einem Mitgliedstaat benannt wurde (Art. 1 lit. c) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/2013). 337  Der Sitz der ZLG befindet sich in Bonn.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 233

zen kann.338 Die Benennung kann unter Auflagen erteilt werden und ist zu befristen (§ 15 Abs. 1 S. 3 MPG). Die ZLG teilt die von ihr Benannten Stellen einschließlich deren Aufgabengebiete der EU-Kommission mit (§ 15 Abs. 1 S. 4 MPG) und macht sie mit ihren jeweiligen Aufgaben und ihren Kennnummern auf der Internetseite der ZLG bekannt (§ 15 Abs. 4 MPG). Darüber hinaus hat die ZLG die Benannten Stellen nach Ablauf des Benen­ nungsverfahrens zu überwachen (§ 15 Abs. 2 MPG). Entgegen der Rechts­ lage in anderen Bereichen des Produktsicherheitsrechts bedürfen Benannte Stellen für die Ausübung ihrer Prüftätigkeit im Medizinproduktebereich nicht zwingend einer Akkreditierung durch die Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS).339 Vielmehr steht es ihnen grundsätzlich frei, ob sie parallel zu ihrem Antrag auf Benennung durch die ZLG auch einen Antrag auf Ak­ kreditierung bei der DAkkS stellen.340 Nach erfolgter Benennung durch die ZLG obliegt nach § 3 Abs. 2 S. 1 MPV die Einbindung einer Benannten Stelle im konkreten Konformitätsbe­ wertungsverfahren für ein Hochrisiko-Medizinprodukt dem jeweiligen Her­ steller. Diesem steht es grundsätzlich frei, welche vom Staat zugelassene Benannte Stelle er mit der Konformitätsbewertung seines Produkts beauf­ tragt.341 Grundsätzlich kann er mit jeder Benannten Stelle einen Vertrag schließen, die für das durchzuführende Konformitätsbewertungsverfahren und das jeweilige Medizinprodukt benannt ist.342 Durch die Beauftragung entsteht zwischen Hersteller und Benannter Stelle ein zivilrechtliches Schuldverhältnis,343 deren Details die Parteien vorbehaltlich verschiedener 338  Gassner, in: Deutsch/Lippert/Ratzel/Tag /Gassner (Hrsg.), MPG, § 15 Rn. 19; Rehmann, in: Rehmann/Wagner (Hrsg.), MPG, § 15 Rn. 7 u. 9. 339  Die Akkreditierung durch die DAkkS richtet sich nach den Bestimmungen der §§ 1 ff. des „Gesetzes über die Akkreditierungsstelle (Akkreditierungsstellengesetz – AkkStelleG)“ vom 31.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2625), zuletzt geändert durch Ge­ setz vom 11.12.2018 (BGBl. I 2018, S. 2354). Nach Auskunft der ZLG (E-Mail vom 11.06.2019 an den Verfasser) sind die Benannten Stellen in aller Regel zugleich Zer­ tifizierungsstellen und lassen sich daher freiwillig von der DAkkS akkreditieren. 340  Küller, in: Anhalt/Dieners (Hrsg.), Medizinprodukterecht, § 13 Rn. 16. 341  In Anbetracht der zivilrechtlichen Vertragsbeziehung werden Benannte Stellen in Rechtsprechung und Literatur teilweise als „Begleiter des Herstellers“ bezeichnet, die diesen im Konformitätsbewertungsverfahren vor technischen und organisatori­ schen Fehlern zu bewahren habe, siehe LG Frankenthal, Urteil vom 14.03.2013 – 6 0 304/12 –, juris, Rn. 24; LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 25.09.2013 – 11 O 3900/13 –, juris, Rn. 46; Lücker, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, MPG, § 15a Rn. 3; ähnlich Pünder, ZHR 170 (2006), 567 (581), der Benannte Stellen bei ihrer Prüfungstätigkeit „nicht im Lager des Staates, sondern der Hersteller“ sieht und ihnen insoweit die Rolle des „Erfüllungsgehilfen“ beimisst. 342  § 3 Abs. 2 S. 1 MPV. 343  Die rechtliche Einordnung dieses Schuldverhältnisses zwischen Benannter Stelle und Hersteller ist nicht abschließend geklärt. Überwiegend wird von einem

234

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

nicht disponibler Vorgaben (z. B. bezüglich des zu absolvierenden Prüfpro­ gramms) grundsätzlich frei verabreden können. Dies gilt beispielsweise auch für die Höhe der zu entrichtenden Vergütung.344 Durch ihre Beauftragung ist die Benannte Stelle gegenüber dem Hersteller verpflichtet, gegen das ver­ traglich verabredete Entgelt im jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahren die Übereinstimmung des Hochrisiko-Medizinprodukts mit den sich aus § 7 MPG ergebenden „Grundlegenden Anforderungen“ zu überprüfen. Liegen die Voraussetzungen der in § 7 MPG in Bezug genommenen Qualitätsstan­ dards aus dem Unionsrecht vor, hat die Benannte Stelle dem Hersteller des Produkts das Vorliegen der Voraussetzungen zu bescheinigen. Erfüllt das betreffende Produkt die normierten Qualitätsstandards hingegen nicht, hat die Benannte Stelle die Ausstellung einer positiven Prüfbescheinigung zu versagen. Da der Hersteller ohne die von einer Benannten Stelle erteilte Konformitätsbescheinigung sein Produkt nicht mit dem CE-Kenneichen ver­ sehen (siehe insoweit § 9 MPG) und in den Verkehr bringen darf, stellt sich die Versagung der Prüfbescheinigung aus Sicht des Herstellers als Markt­ zutrittsbarriere dar.345 Vor dem Hintergrund dieses zweiaktigen Einbindungsmodus und der Strukturähnlichkeit ausgestellter bzw. versagter Prüfbescheinigungen mit dem verwaltungsrechtlichen Institut des präventiven Verbots mit Erlaubnis­ vorbehalt ist die rechtliche Einordnung bzw. der Rechtsstatus der Benannten Stellen zu klären. Teile des Schrifttums qualifizieren Benannte Stellen als Beliehene mit dem Argument, diese seien in Konformitätsbewertungsverfah­ ren mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben und Befugnissen ausgestattet und entschieden überdies mit der (Nicht-)Ausstellung von Konformitätsbeschei­ nigungen verbindlich über die Marktzugangsfähigkeit der von ihnen geprüf­ ten Produkte.346 Nach herrschender Meinung führen Benannte Stellen Kon­ formitätsprüfungen bzw. Zertifizierungen von Produkten hingegen nicht in der Rechtsform des Beliehenen durch, sondern erbringen diese Tätigkeit auf Grundlage eines zivilrechtlichen, teils öffentlich-rechtlich überformten typengemischten Vertrag ausgegangen, der Dienstleistungs-, Begutachtungs- und Werkvertragselemente enthält, siehe etwa BPatGE 52, 136 (139); Edelhäuser, in: Anhalt/Dieners (Hrsg.), Medizinprodukterecht, § 5 Rn. 52; Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S. 116 f.; Rehmann, in: Rehmann/Wagner (Hrsg.), MPG, Einführung Rn. 31. 344  Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S. 120; Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukterecht, S. 110. 345  Huber, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, § 45 Rn. 174. 346  Scheel, DVBl 1999, 442 (446 f.); Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 1 Rn. 256; mit ausführlicher Begründung Tacke, Die Benannte Stelle im Medizin­ produkterecht, S. 71 ff., 206; ferner von Czettritz, in: Anhalt/Dieners (Hrsg.), Medi­ zinprodukterecht, § 14 Rn. 17.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 235

Schuldverhältnisses mit dem jeweiligen Hersteller.347 Die Konformitätsbe­ wertung Benannter Stellen sei keine hoheitliche bzw. öffentlich-rechtliche Aufgabe oder Pflicht, sondern erfolge in Erfüllung einer zivilvertraglich ge­ schuldeten Leistung gegenüber dem Hersteller. Dieser Auffassung ist beizu­ pflichten. Das maßgebliche Argument gegen ihre Qualifikation als Beliehene dürfte dabei neben der zivilrechtlichen Ausgestaltung des Konformitätsbe­ wertungsverfahrens sein, dass Benannte Stellen nach Durchlauf des Benen­ nungsverfahrens im gesamten Bereich des europäischen Wirtschaftsraums tätig werden dürfen und die von ihnen ausgestellten Prüfbescheinigungen die jeweiligen Hersteller dazu berechtigen, ihre Medizinprodukte mit dem CEKennzeichen zu versehen und europaweit in den Verkehr zu bringen.348 Dieser auf die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarkts abzielende Regulierungsmechanismus soll in seinem präventiven Teil ungeachtet der den mitgliedstaatlichen Behörden obliegenden Marktüberwachung nicht in Gestalt einer hoheitlich wahrgenommenen Verwaltungsaufgabe umgesetzt werden, wie es beim Beliehenen gerade der Fall ist. Ungeachtet der vornehmlich rechtsdogmatischen Frage nach ihrem Rechts­ status sind auch für die Benannten Stellen nachfolgend die abstrakt-organisa­ torischen und verfahrensrechtlichen Vorgaben an ihre Tätigkeit im Konformi­ tätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte sowie die für die gerichtliche Überprüfung ihrer Arbeit geltenden Grundsätze zu untersuchen.

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Überträgt der Staat unter Verzicht auf eine behördliche Kontrolle die Sach­ entscheidung über den Marktzugang eines für die Rechtsgüter Dritter gefähr­ lichen Produkts auf eine private sachverständige Stelle, sind infolge des hieraus resultierenden staatlichen Kontrollverlustes erhöhte Anforderungen an die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung durch den eingebundenen Privaten zu stellen.349 Insoweit ist zunächst auf abstrakt-organisatorischer 347  VGH Kassel, NVwZ 2017, 1718 (1719); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 2071; Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S. 84; Merten, Private Entscheidungsträger und Europäisierung der Verwaltungsrechtsdogmatik, S.  159 f.; ders., DVBl 2004, 1211 (1213); Rehmann, in: Rehmann/Wagner (Hrsg.), MPG, § 15 Rn. 1a; Röhl, Akkreditierung und Zertifizierung im Produktsicherheits­ recht, S. 26; Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 2001 (Beiheft 4), 253 (258); Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 200 ff., 206; Unger, EuZW 2017, 299 (301); Weiß, Die rechtliche Gewährleistung der Produktsicherheit, S.  352 f. 348  Siehe nur Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/42/EWG i. V. m. den Erwägungsgründen der Richtlinie. 349  I.  Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 32 Rn. 95.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Ebene nach der Gewährleistung der Fachkompetenz und Unabhängigkeit von Benannten Stellen350 im Konformitätsbewertungsverfahren für HochrisikoMedizinprodukte zu fragen.351 1. Fachkompetenz Die materiellen Benennungsvoraussetzungen für Benannte Stellen ergeben sich aus § 15 Abs. 1 S. 2 MPG, der für die Konformitätsbewertung von Hochrisiko-Medizinprodukten i. S. d. § 7 Abs. 1 MPV auf die Kriterien des Anhangs XI der Richtlinie 93/42/EWG352 sowie die Vorgaben der Durchfüh­ rungsverordnung (EU) Nr. 920/2013 verweist. Ähnlich wie die einschlägigen Rechtsakte aus den oben betrachteten Referenzgebieten definieren auch der Anhang XI der Richtlinie 93/42/EWG sowie die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/2013 lediglich weitgehend unbestimmte Mindestkriterien für die Fachkompetenz Benannter Stellen. Diese müssen in institutioneller Hin­ sicht über „das Personal“ verfügen und „die Mittel“ besitzen, die „zur ange­ messenen Erfüllung der mit der Durchführung der Bewertungen und Prüfun­ gen verbundenen technischen und verwaltungsmäßigen Aufgaben erforderlich sind“.353 Ebenso müssen sie Zugang zu der „für die Prüfungen erforderlichen Ausrüstung“354 und den „Einrichtungen“355 haben. Dies schließt das Vorhan­ densein von „ausreichend wissenschaftlichem Personal“ ein, das „die ent­ 350  Wie bereits oben dargelegt, ist insbesondere in den einschlägigen Vorschriften der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/2013 entsprechend dem Status im Be­ nennungsverfahren nicht von „Benannter Stelle“, sondern Konformitätsbewertungs­ stelle“ die Rede. Im Folgenden wird trotz der inhaltlichen Unterschiede zwischen beiden Begriffen (siehe Art. 1 lit. b) u. c) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 920/ 2013) aus Gründen der besseren Lesbarkeit wiederum allein der Ausdruck „Benannte Stelle“ verwendet. 351  Die hiesige formale Unterscheidung zwischen Fachkompetenz und Unabhän­ gigkeit findet sich in den nachfolgend angesprochenen Rechtsakten in dieser Form nicht unmittelbar wieder. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung werden die im Folgenden angeführten Kriterien entweder der Fachkompetenz bzw. der Unabhän­ gigkeit zugeordnet. Neben den hier angesprochenen Merkmalen statuiert das Unions­ recht zudem weitere Benennungskriterien, die weder unter „Fachkompetenz“ noch „Unabhängigkeit“ angesprochen werden können und daher hier außer Betracht blei­ ben. 352  Siehe insoweit auch den Verweis in Art. 16 Abs. 2 S. 1 Richtlinie 93/42/EWG. 353  Anhang XI Nr. 3 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 Richtlinie 93/42/EWG; ähnlich Nr. 3. 2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 354  Anhang XI Nr. 3 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 Richtlinie 93/42/EWG. 355  Anhang I Nr. 3.2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. Dabei muss die Be­ nannte Stelle nicht zwingend Eigentümerin der Ausrüstung und Einrichtungen sein, sondern es genügt, wenn sie über einen Zugang zu diesen verfügt (Anhang I Nr. 3.2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 a. E.).



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 237

sprechenden Erfahrungen und Kenntnisse“ besitzt, um die medizinische Funktion und Leistung der Produkte gemäß den Anforderungen der Richtlinie 93/42/EWG zu beurteilen.356 Des Weiteren muss jede Benannte Stelle über die zur Aufgabenerledigung „erforderlichen Finanzressourcen“357 sowie ein „funktionierendes Qualitätsmanagementsystem“358 verfügen. Schließlich müssen sie Qualifikationskriterien sowie Auswahl- und Zulassungsverfahren für an Konformitätsbewertungstätigkeiten beteiligte Personen im Hinblick auf deren „Fachkenntnisse, Erfahrung und andere erforderliche Kompeten­ zen“ sowie die erforderlichen – anfänglichen und fortlaufenden – Fortbil­ dungsmaßnahmen festlegen und diese dokumentieren. Dabei müssen die Qualifikationskriterien die verschiedenen Funktionen innerhalb des Konfor­ mitätsbewertungsprozesses sowie die vom Umfang der Benennung erfassten Produkte, Technologien und Gebiete berücksichtigen.359 Auch die kodifizierten Anforderungen an die Fachkompetenz des Perso­ nals, welches die Benannten Stellen zu Bewertungen und Prüfungen von Medizinprodukten360 einsetzen, sind nicht im Detail vorgegeben. So muss das mit der Konformitätsprüfung beauftragte Personal nach Anhang XI Nr. 2 Abs. 1 Richtlinie 93/42/EWG für die Vornahme der Bewertungen und Prü­ fungen über die „höchste berufliche Zuverlässigkeit und größte erforderliche Sachkenntnis“ verfügen.361 Anhang XI Nr. 4 Richtlinie 93/42/EWG bestimmt zudem, dass das eingesetzte Personal über „eine gute berufliche Ausbildung“ in Bezug auf alle Bewertungen und Prüfungen, die die jeweilige Benannte Stelle vornehmen darf, über eine „ausreichende Kenntnis“ der Vorschriften für die von ihm durchzuführenden Prüfungen und eine ausreichende prakti­ sche Erfahrung auf diesem Gebiet sowie über die „erforderliche Eignung“ für die Abfassung der Bescheinigungen, Protokolle und Berichte, in denen die durchgeführten Prüfungen niedergelegt werden, verfügen muss. Auch die Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 formt die Fachkompetenz des von den Benannten Stellen eingesetzten Personals nicht näher aus, sondern ver­ 356  Anhang XI Nr. 3 Abs. 1 S. 3 Richtlinie 93/42/EWG; siehe auch Nr. 3. 1 Durch­ führungsverordnung Nr. 920/2013. 357  Anhang I Nr. 3.3 S. 1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. Hierbei muss die jeweilige Benannte Stelle ihre finanzielle Leistungsfähigkeit und ihre nachhaltige wirtschaftliche Rentabilität dokumentieren und diesbezügliche Nachweise erbringen, wobei besondere Umstände während der ersten Anlaufphase zu berücksichtigen sind (Anhang I Nr. 3.3 S. 2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013). 358  Anhang I Nr. 3.4 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 359  Anhang I Nr. 3.6 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 360  Weder § 15 Abs. 1 S. 2 MPG noch Anhang XI Richtlinie 93/42/EWG oder die Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 differenzieren zwischen den verschiedenen Klassen von Medizinprodukten. 361  Anhang XI Nr. 2 Abs. 1 Richtlinie 93/42/EWG.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

langt lediglich eine „solide wissenschaftliche, fachliche und beruf­liche Aus­ bildung“,362 „umfangreiche einschlägige“ Erfahrung363 sowie „ausreichende“ bzw. „angemessene“ Kenntnisse.364 Anhand dieser kodifizierten Vorgaben wird zwar die hohe Bedeutung deut­ lich, die § 15 Abs. 1 S. 2 MPG i. V. m. der Richtlinie 93/42/EWG bzw. der Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 der Fachkompetenz der Benannten Stellen einschließlich des von ihr eingesetzten Personals beimessen. Worin sich die jeweils angesprochenen Anforderungen jedoch inhaltlich im Detail auszeichnen (konkreter Ausbildungsgrad, Dauer der Berufserfahrung, spezifi­ sche Fachkenntnisse und Methodenwissen), gibt (auch) das kodifizierte Uni­ onsrecht nicht vor und überlässt deren Konkretisierung stattdessen den im durchzuführenden Benennungsverfahren zuständigen bzw. zu beteiligenden Behörden. Insgesamt gehen die im Anhang XI der Richtlinie 93/42/EWG sowie in der Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 statuierten Anforderun­ gen an die Fachkompetenz lediglich sprachlich, nicht aber inhaltlich über die Regelungsdichte der oben365 betrachteten Referenzgebiete hinaus. Auch in anderen Bereichen, die eine obligatorische Einbindung Benannter Stellen in Konformitätsbewertungsverfahren für gefährliche Produkte vorsehen, defi­ niert das einschlägige europäische Sekundärrecht für die Fachkompetenz Benannter Stellen lediglich grobe Mindestkriterien, auf die das nationale Recht sodann verweist. In Ermangelung kodifizierter Vorgaben im höherran­ gigen Recht erfolgt die Konkretisierung der fachlichen Anforderungen daher durch Rückgriff auf einschlägige technische Normen (z. B. DIN).366 Ähnlich wie bei den zuvor untersuchten verwaltungsseitig367 tätigen sachverständigen Stellen wird somit auch die den verwaltungssubstituierenden Benannten Stel­ len abzuverlangende Fachkompetenz nicht regulatorisch im Einzelnen vor­ programmiert. Vielmehr benennt auch das Unionsrecht lediglich einen mehr oder weniger abstrakten Kriterienkatalog, der von der im Benennungsverfah­ ren zuständigen Behörde abzuarbeiten und normativ auszufüllen ist. 362  Anhang

I Nr. 3.5 lit. a) Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. I Nr. 3.5 lit. b) Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 364  Anhang I Nr. 3.5 lit. c) und d) Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 365  Siehe zu den beratenden sachverständigen Stellen oben §  3 B.  III.  1.; § 3 C. III. 1. u. § 3 D. III. 1. Zur Bundesnetzagentur siehe oben B. III. 1.; zum Gegen­ sachverständigen siehe oben C. III. 1. 366  Zu diesem Regelungskonzept siehe Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß­ mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 94; Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (312 f.). 367  Für beratende sachverständige Stellen oben § 3 B. III. 1; § 3 C. III. 1. u. § 3 D. III. 1. Für entscheidungsbefugte sachverständige Stellen siehe oben B. III. 1. u. C. III. 1. 363  Anhang



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 239

Indes zeichnet sich unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 eine gewisse Änderung der vorbeschriebenen Regelungsstruktur ab. Im Zuge der Novellierung des Medizinprodukterechts hat der Unionsgesetzgeber den regulatorischen Zugriff auf die Fachkompetenz Benannter Stellen erhöht und im Anhang VII der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 die fachlichen Anforde­ rungen an Benannte Stellen sowie an das von diesen eingesetzte Personal konkreter gefasst. In institutioneller Hinsicht finden sich nunmehr relativ detaillierte Mindestanforderungen an das von den Benannten Stellen einzu­ richtende Qualitätsmanagementsystem,368 an die organisatorischen Struktu­ ren für die kontinuierliche Personalschulung bzw. -weiterbildung369 sowie hinsichtlich der Qualifikation des einzusetzenden Personals, die nach der Art der wahrgenommenen Prüfaufgabe differenzieren370 und mitunter aufgrund ihres Detaillierungsgrads jedenfalls in Teilen bereits aus sich heraus „voll­ zugstauglich“ erscheinen.371 Insgesamt ist festzustellen, dass die Benannten Stellen abzuverlangende Fachkompetenz in den von § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommenen Unionsrechtsakten quantitativ deutlich mehr Raum einnimmt, als dies in den betrachteten Referenzgebieten des nationalen Rechts der Fall ist.372 Qualita­ tiv bleibt jedoch auch das Unionsrecht bei der inhaltlichen Ausformung bzw. Konkretisierung der Fachkompetenz eher vage. Allerdings wird die norma­ tive Regelungsdichte hinsichtlich der Fachkompetenz Benannter Stellen durch den zukünftig geltenden Anhang VII der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 deutlich erhöht.

368  Siehe

im Einzelnen Anhang VII Nr. 2 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. VII Nr. 3.1.2 u. Nr. 3.5 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 370  Dazu im Einzelnen Anhang VII Nr. 3.2.1–3.2.7 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. Um die Einhaltung aller maßgeblichen fachlichen Anforderungen zu gewährleisten, treffen die Benannten Stellen spezifische Dokumentationspflichten hinsichtlich der Qualifikation, Schulung und Zulassung ihres Personals, siehe Anhang VII Nr. 3.3 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. Zieht eine Benannte Stelle Unterauftragnehmer oder externe Sachverständige zur Erfüllung ihres Prüfauftrags hinzu, muss sie dafür sor­ gen, dass auch diese alle Kompetenzanforderungen erfüllen, siehe Anhang VII Nr. 3.4.2 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 371  Anhang VII Nr. 3.2.5 u. 3.2.6 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 372  Für verwaltungsberatende sachverständige Stellen oben §  3 B. III. 1.; § 3 C. III. 1. u. § 3 D. III. 1. Für den entscheidungsbefugten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG C. III. 1. Die Fachkompetenz von Behörden wird aus den dargelegten (siehe oben B. III. 1.) Gründen nicht durch Vorgaben im kodifizierten Recht, sondern durch deren „schlichte“ Einrichtung sowie durch Personalbeschaf­ fung, finanzielle und technische Ausstattung gewährleistet. 369  Anhang

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

2. Unabhängigkeit Im Unterschied zum Merkmal der Fachkompetenz hat der Unionsgesetz­ geber in den durch § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommenen Bestim­ mungen des Anhangs XI der Richtlinie 93/42/EWG sowie der Durchfüh­ rungsverordnung (EU) Nr. 920/2013 die Unabhängigkeit Benannter Stellen373 im Einzelnen rechtlich ausgestaltet. Weder die Benannte Stelle selbst noch ihr Leiter noch das mit den Konformitätsbewertungen und Prüfungen beauf­ tragte Personal dürfen mit dem Verfasser der jeweiligen Produktauslegung, dem Hersteller, dem Lieferer,374 dem Monteur oder dem Anwender der Pro­ dukte, die von der Benannten Stelle geprüft werden, identisch noch Beauf­ tragte einer dieser Personen sein.375 Sie dürfen darüber hinaus weder unmit­ telbar noch als Beauftragte an der Auslegung, an der Herstellung, am Betrieb oder an der Instandhaltung dieser Produkte beteiligt sein.376 Sowohl die Be­ nannte Stelle als Institution als auch das mit der Prüfung konkret beauftragte Personal müssen bei den Bewertungen und Prüfungen unabhängig von jeder möglichen Einflussnahme – vor allem finanzieller Art – sein. Dies gilt insbe­ sondere im Hinblick auf eine Einflussnahme durch Personen oder Personen­ gruppen, die an den Ergebnissen der Prüfungen interessiert sind.377 Die Be­ nannte Stelle muss des Weiteren über Verfahren verfügen, mit denen die Identifizierung, Untersuchung und Lösung von Fällen, in denen es zu einem Interessenkonflikt kommen könnte, wirksam sichergestellt ist.378 Dazu gehört auch die Beteiligung der Mitarbeiter der jeweiligen Benannten Stelle an Beratungsdiensten im Bereich Medizinprodukte vor der Aufnahme ihrer ­ ­Beschäftigung.379 Steht die Benannte Stelle im Eigentum einer öffentlichen Stelle oder Einrichtung, gewährleistet und dokumentiert der jeweilige Mit­ gliedstaat deren Unabhängigkeit und das Nichtvorhandensein von Interessen­

373  Auch für das Merkmal der Unabhängigkeit ist aus Gründen der Lesbarkeit im Folgenden unter teilweiser Abweichung vom Normtext der Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 von „Benannter Stelle“ die Rede. 374  Amtlicher Wortlaut. 375  Anhang XI Nr. 1 S. 1 der Richtlinie 93/42/EWG; siehe auch Anhang I Nr. 1.1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. Allgemein schreibt Anhang I Nr. 1.2 S. 1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 vor, dass die Benannte Stelle bei der Aus­ übung ihrer Tätigkeit durch ihre Organisation und Arbeitsweise „Unabhängigkeit, Objektivität und Unparteilichkeit“ zu wahren hat. 376  Anhang XI Nr. 1 S. 2 der Richtlinie 93/42/EWG. Die Möglichkeit eines Aus­ tauschs technischer Informationen zwischen dem Hersteller und der Benannten Stelle wird dadurch nicht ausgeschlossen (Anhang XI Nr. 1 S. 3 der Richtlinie 93/42/EWG). 377  Anhang XI Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinie 93/42/EWG. 378  Anhang I Nr. 1.2 S. 2 Hs. 1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 379  Anhang I Nr. 1.2 S. 2 Hs. 2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 241

konflikten zwischen der für die Benennung bzw. im Übrigen zuständigen Behörde380 auf der einen und der Benannten Stelle auf der anderen Seite. Darüber hinaus finden sich im kodifizierten Unionsrecht Regelungen, die die abstrakt-organisatorische Unabhängigkeit des mit der Prüfung beauftrag­ ten Personals gewährleisten sollen.381 Dies erfolgt vor allem durch die nor­ mative Vorgabe, dass sich die Höhe der Bezüge jedes Prüfers weder nach der Anzahl der von ihm durchgeführten Prüfungen noch nach den Ergebnissen dieser Prüfungen richten darf.382 Ferner dürfen sich weder die Benannte Stelle selbst noch ihre oberste Leitungsebene noch die für Konformitätsbe­ wertungsaufgaben zuständigen Mitarbeiter mit Tätigkeiten befassen, die ihre Unabhängigkeit bei der Beurteilung oder ihre Integrität im Zusammenhang mit den wahrgenommenen Konformitätsbewertungstätigkeiten beeinträchti­ gen können.383 Sie dürfen keine Dienstleistungen anbieten oder erbringen, die das Vertrauen in ihre Unabhängigkeit, Unparteilichkeit oder Objektivität beeinträchtigen könnten,384 was insbesondere durch ein Beratungsverbot ge­ genüber dem Hersteller, dessen Bevollmächtigten, Lieferanten bzw. kommer­ ziellen Konkurrenten im Hinblick auf die rechtlich geforderten Produktanfor­ derungen gewährleistet werden soll.385 Sämtliche der vorstehenden Anforderungen an die Unabhängigkeit sind grundsätzlich auch dann zu beachten, wenn eine Benannte Stelle spezielle Arbeiten einem Unterauftragnehmer überträgt.386 Im Übrigen gelten die ge­ nannten Anforderungen an die Unabhängigkeit der Benannten Stellen auch

380  Dies ist in Deutschland die bereits erwähnte ZLG, vgl. § 15 MPG i. V. m. dem „Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimit­ teln und Medizinprodukten“ vom 30.06.1994 (GVBl. NRW 1994, S. 972), zuletzt geändert durch Abkommen vom 15.12.2011 (GVBl. NRW 2012, S. 278). 381  Anhang XI Nr. 5 S. 1 der Richtlinie 93/42/EWG. Siehe auch die allgemeine Bestimmung des Anhangs I Nr. 1.4 S. 1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013, nach der die oberste Leitungsebene der Benannten Stelle und ihr bewertendes Perso­ nal unparteiisch sind. 382  Anhang XI Nr. 5 S. 2 der Richtlinie 93/42/EWG; Anhang I Nr. 1.4 S. 2 Durch­ führungsverordnung Nr. 920/2013. 383  Anhang I Nr. 1.3 lit. a) Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 384  Anhang I Nr. 1.3 lit. b) S. 1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 385  Anhang I Nr. 1.3 lit. b) S. 2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. Dies schließt Konformitätsbewertungstätigkeiten für die oben genannten Hersteller und Wirtschaftsteilnehmer oder allgemeine Schulungen im Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften für Medizinprodukte oder einschlägigen Normen, die nicht kun­ denspezifisch sind, nicht aus (Anhang I Nr. 1.3 lit. b) S. 3 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013). 386  Vgl. Anhang XI Nr. 2 Abs. 2 der Richtlinie 93/42/EWG; siehe insoweit die Konkretisierung in Anhang I Nr. 2 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

nach der zukünftigen Rechtslage der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 im We­ sentlichen fort.387 Insgesamt wird die Benannten Stellen (einschließlich ihres Leitungs- bzw. Prüfpersonals) abzuverlangende Unabhängigkeit auf abstrakt-organisatori­ scher Ebene durch die genannten Rechtsakte des Unionsrechts im Einzelnen detailliert ausgestaltet und geht im Hinblick auf Regelungsniveau und -dichte deutlich über die Vorgaben hinaus, die das nationale Recht typischerweise an in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hoheit­ lich eingebundene sachverständige Stellen formuliert.388 Dieser normative Befund lässt sich anhand der strukturellen Rahmenbedingungen erklären, die für die hier am Beispiel des Medizinproduktrechts illustrierte Tätigkeit Be­ nannter Stellen in Konformitätsbewertungsverfahren für gefährliche Produkte gemeinhin gelten und die einen stärkeren regulatorischen Zugriff auf die Benannten Stellen abzuverlangende Unabhängigkeit erfordern. Benannte Stellen werden nicht unmittelbar durch den Staat, sondern durch den Herstel­ ler auf Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrags mit der Konformitätsprü­ fung von in den Verkehr zu bringenden Produkten betraut.389 Bereits diesem Entgeltcharakter des partiell freilich öffentlich-rechtlich überformten Ver­ tragsverhältnisses390 wohnt ein (potenzielles) wirtschaftliches Eigeninteresse Benannter Stellen an einer dauerhaften bzw. wiederholenden Beauftragung inne, welches einer regulatorischen Einhegung bedarf. Denn die Tätigkeit der unionsweit agierenden Benannten Stellen in Konformitätsbewertungsverfah­ ren391 erfolgt in einem marktwirtschaftlich ausgerichteten Wettbewerbssys­ tem, das strukturell das Risiko in sich trägt, dass die Benannten Stellen zwecks Kundengewinnung und -erhaltung „gefällige Nachlässigkeiten“ bei der Konformitätsbewertung an den Tag legen.392 Für den zur Ausgestaltung des Konformitätsbewertungsverfahrens berufenen Unionsgesetzgeber bzw. 387  Siehe im Einzelnen die Regelungen in Anhang VII Nr. 1.2 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 388  Zu den betrachteten Referenzgebieten siehe im Einzelnen §  3 B. III. 2., § 3 C. III. 2. u. § 3 D. III. 2. Zum sachentscheidungsbefugten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben C. III. 2. Ein Vergleich mit entscheidungsbe­ fugten Behörden (zur Bundesnetzagentur siehe oben B. III. 2) fällt insoweit schwer, da diese nicht gleichermaßen (eigen-)wirtschaftlichen Interessen erliegen (können) wie private sachverständige Stellen. 389  Siehe oben D. II. 390  Dazu etwa Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S. 120 ff. 391  Nochmals klarstellend sei darauf hingewiesen, dass nach hiesigem Verständnis der eingangs erläuterte Begriff des Qualitätssicherungsverfahrens (§ 2 A. II. 3.) den Terminus des Konformitätsbewertungsverfahrens ebenso wie denjenigen des Zertifi­ zierungsverfahrens erfasst. 392  Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfah­ ren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (328).



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 243

den Staat393 folgt aus diesem ökonomischen Wettbewerbsdruck der Benann­ ten Stellen die rechtliche Herausforderung, zum einen die Effektivität und Gemeinwohldienlichkeit der Aufgabenerfüllung und zum anderen das öffent­ liche Vertrauen in das Regime der privaten Fremdkontrolle regulatorisch zu gewährleisten.394 Dies schließt nicht zuletzt die Sicherstellung eines Min­ destniveaus an Unabhängigkeit der verwaltungssubstituierenden Benannten Stellen ein.395 Ob der insoweit durch das Unionsrecht gesetzte Rechtsrahmen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit Benannter Stellen im Medizinpro­ duktebereich abstrakt-organisatorisch ausreichend ist, bedarf als vornehmlich rechtspolitische Frage vorliegend keiner näheren Betrachtung.

IV. Tätigkeit der Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren Ist eine privatrechtlich organisierte sachverständige Stelle nicht nur mit der Sachverhaltsermittlung im Vorfeld der Entscheidung betraut, sondern obliegt ihr überdies die abschließende Sachentscheidung, folgen aus der Ge­ währleistungsverantwortung des Staates erhöhte Anforderungen an die regu­ latorische Verfahrensgestaltung.396 Unter diesem Gesichtspunkt ist im Fol­ genden auch für die im Konformitätsbewertungsverfahren für HochrisikoMedizinprodukte tätigen Benannten Stellen zunächst auf die Modalitäten ih­ rer Verfahrenstätigkeit und sodann auf die für ihre Entscheidung über die (Nicht-)Ausstellung einer Prüfbescheinigung geltenden Grundsätze einzu­ gehen. 1. Durchführung der Konformitätsbewertung Die Einzelheiten des jeweiligen397 Konformitätsbewertungsverfahrens für Hochrisiko-Medizinprodukte bestimmen sich gemäß § 37 Abs. 1 MPG i. V. m. 393  Inwieweit die Mitgliedstaaten in unionsrechtlich geprägten Konformitätsbe­ wertungsverfahren noch über Regelungsspielräume verfügen, ist generell nicht zu beantworten und soll auch hier nicht näher vertieft werden. 394  Eifert, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 19 Rn. 91. 395  Zu diesem Gebot an die „Kontrolle der Kontrolleure“ allgemein SchmidtPreuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (196). 396  I.  Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 32 Rn. 95. 397  Zu den unterschiedlichen, hier im Detail nicht zu vertiefenden Modulen siehe für das Medizinprodukterecht etwa Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukte­ recht, S.  41 ff.

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

§ 7 Abs. 1 MPV weitgehend nach den Anforderungen der verschiedenen Anhänge der Richtlinie 93/42/EWG. Obschon das Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizin­ produkte auf Grundlage eines zwischen dem Hersteller und der Benannten Stelle geschlossenen Vertrags durchgeführt wird,398 werden zentrale Prüfund Verfahrensschritte im kodifizierten Unionsrecht vorgegeben. Insoweit statuieren die Anhänge der Richtlinie 93/42/EWG detaillierte Anforderungen an die von den Herstellern vorzulegenden Unterlagen399 und an das von den Benannten Stellen zu absolvierende Prüfprogramm.400 Zur ordnungsgemä­ ßen Erfüllung ihres Prüfungsauftrags räumt das Unionsrecht den Benannten Stellen ergänzend einseitige Befugnisse gegenüber den Herstellern ein (z. B. für die Besichtigung von Betriebsstätten401 oder für die Forderung zur Durchführung weiterer Tests und Prüfungen402). Darüber hinaus gibt im nationalen Recht die Vorschrift des § 3 Abs. 3 MPV vor, dass Benannte Stel­ len im Konformitätsbewertungsverfahren von den Herstellern alle Informati­ onen und Angaben fordern können, die zur Durchführung der Überprüfungen und Bewertungen und zur Erteilung von Bescheinigungen erforderlich sind. Soweit im jeweils durchzuführenden Konformitätsbewertungsverfahren Er­ gebnisse von Prüfungen und Bewertungen vorliegen, die für die jeweiligen Produkte bereits durchgeführt wurden, sind diese (auch)403 von den Benann­ ten Stellen angemessen zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 4 MPV). Um die fach­ liche Qualität und Unabhängigkeit der Tätigkeit der Benannten Stellen auch auf der Ebene des konkreten Konformitätsbewertungsverfahrens sicherzustel­ len, erlegt das Unionsrecht den Herstellern bei Einreichung ihres Antrags auf Durchführung der Konformitätsprüfung diverse Auskunfts- und Mitteilungs­ pflichten auf, die einem etwaigen Unterbietungswettlauf („race to the bot­ tom“) zwischen den am Markt konkurrierenden Benannten Stellen vorbeugen sollen. So müssen die Hersteller in ihrem Antrag gegenüber den Benannten Stellen schriftlich erklären, dass sie für das betreffende Produkt im Hinblick 398  Zum

Einbindungsmodus siehe oben D. II. II Nr. 3.1, 3.2, 4.1 u. 4.2 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang III Nr. 2 u. 3 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang IV Nr. 2 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.1 u. 3.2 Richtlinie 93/42/EWG. 400  Anhang II Nr. 3.2 u. 3.3 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang III Nr. 3 u. 4.1 Richt­ linie 93/42/EWG; Anhang IV Nr. 5.1 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.2 u. 3.3 der Richtlinie 93/42/EWG. 401  Anhang II Nr. 3.3 Abs. 2 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.3 Abs. 2 der Richtlinie 93/42/EWG. 402  Anhang II Nr. 4.3 Abs. 1 S. 2 Richtlinie 93/42/EWG. 403  Außerhalb der hier interessierenden Hochrisiko-Medizinprodukte können die Hersteller die Konformitätsbewertung eigenständig, mithin ohne Einbindung einer Benannten Stelle, durchführen. 399  Anhang



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 245

auf das jeweilige Modul404 bei keiner anderen Benannten Stelle einen Paral­ lelantrag eingereicht haben.405 Auf der Verfahrensebene verfügen die Benannten Stellen im Verhältnis zum jeweiligen Hersteller nicht nur über Befugnisse und Kompetenzen, son­ dern müssen auch bestimmte Pflichten und Vorgaben beachten, die der Wah­ rung der Interessen des Herstellers zu dienen bestimmt sind. Zum einen sind Benannte Stellen zu einer Anhörung des Herstellers verpflichtet, bevor sie dessen auf Ausstellung einer positiven Prüfbescheinigung gerichteten Antrag ablehnen. Dies wird typischerweise vertraglich geregelt.406 Zum anderen werden etwaige Fristen für die Durchführung der Prüfungen und Bewertun­ gen von der jeweiligen Benannten Stelle und dem Hersteller einvernehmlich festgelegt (§ 3 Abs. 2 S. 2 MPV). Darüber hinaus sind die Benannten Stellen verpflichtet, in im Einzelnen näher geregelten, hier nicht zu vertiefenden Fällen von den Mitgliedstaaten bestimmte Behörden sowie weitere Stellen zu konsultieren, bevor sie ihre Entscheidung über die Ausstellung der Konfor­ mitätsbescheinigung treffen.407 An diesen Grundstrukturen der jeweiligen Konformitätsbewertungsverfah­ ren für Hochrisiko-Medizinprodukte wird sich im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Herstellern und Benannten Stellen auch unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 nichts ändern. Allerdings geht die Regelungs­ dichte der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 im Hinblick auf die normative Ausgestaltung der verschiedenen Konformitätsbewertungsverfahren über die nach gegenwärtiger Rechtslage maßgeblichen Vorgaben hinaus.408 Hinzuwei­ sen ist im Kontext der Untersuchung vor allem auf die erweiterten Aus­ kunfts- und Mitteilungspflichten der Hersteller gegenüber den Benannten Stellen im Hinblick auf Anträge, die sie zuvor bereits bei anderen Benannten Stellen eingereicht hatten (Art. 53 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 2017/745). Zieht ein Hersteller seinen Antrag zurück, bevor eine Entscheidung der Be­ 404  Siehe insoweit § 7 Abs. 1 MPV, der zum einen (Nr. 1) auf das Verfahren der EG-Konformitätserklärung (vollständiges Qualitätssicherungssystem) nach Anhang II Richtlinie 93/42/EWG (Nr. 1) und zum anderen (Nr. 2) auf das Verfahren der EGBaumusterprüfung nach Anhang III Richtlinie 93/42/EWG i. V. m. dem Verfahren der EG-Prüfung nach Anhang IV Richtlinie 93/42/EWG oder dem Verfahren der EGKonformitätserklärung (Qualitätssicherung Produktion) nach Anhang V Richtlinie 93/42/EWG verweist. 405  Anhang II Nr. 3.1 S. 2 Spiegelstr. 3 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang III Nr. 2 Spiegelstr. 3 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.1 S. 2 Spiegelstr. 3 Richtlinie 93/42/EWG. 406  Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 209. 407  Anhang II Nr. 4.3 Abs. 2 u. 3 Richtlinie 93/42/EWG. 408  Siehe im Einzelnen vor allem Art. 53 Verordnung (EU) Nr. 2017/745 sowie die Bestimmungen der Anhänge IX–XI Verordnung (EU) Nr. 2017/745.

246

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

nannten Stelle über die Konformitätsbewertung ergangen ist, hat die jewei­ lige Benannte Stelle die anderen Benannten Stellen hierüber mithilfe eines unter anderem zu diesem Zweck eingerichteten elektronischen Systems zu unterrichten (Art. 53 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 2017/745). Neben diesen Modalitäten der Prüftätigkeit Benannter Stellen bedarf es zum Erhalt der Funktionsfähigkeit und Legitimität der von ihnen durchzu­ führenden Konformitätsbewertungen geeigneter Kontrollstrukturen, mithilfe derer die Einhaltung und Durchsetzung der definierten Qualitätsstandards (vgl. § 7 MPG) gewährleistet werden kann.409 Typischerweise erfolgt die Kontrolle Benannter Stellen in Konformitätsbewertungsverfahren des Pro­ duktsicherheitsrechts durch staatliche Überwachung.410 Im Medizinproduk­ tebereich räumt § 15 Abs. 2 MPG diesbezüglich der zuständigen Behörde411 im Verhältnis zu den Benannten Stellen neben allgemeinen Überwachungs-412 und Anordnungsbefugnissen413 zusätzlich spezifische Auskunfts-,414 Beglei­ tungs-,415 Betretungs-416 und Unterlageneinsichtsrechte417 ein, bezüglich de­ ren Inanspruchnahme die Benannten Stellen zur Duldung und Mitwirkung verpflichtet sind.418 In Konkretisierung dieser vorgesehenen Überwachungs­ befugnisse verpflichtet die Durchführungsverordnung Nr. 920/2013 die zu­ ständigen Behörden dazu, bei den Benannten Stellen in regelmäßigen Zeitab­ ständen Unterlagenprüfungen, Vor-Ort-Bewertungen zu Kontrollzwecken so­ wie Audits unter Beobachtung durchzuführen.419 In Ergänzung hierzu hat die zuständige Behörde, sofern dahingehender Anlass besteht, bei Benannten Stellen unangekündigte oder kurzfristig angekündigte Vor-Ort-Bewertungen durchzuführen.420 Daneben sieht das Unionsrecht ein System des wechselsei­ 409  Dieses Gebot folgt aus der staatlichen Gewährleistungsverantwortung, siehe Voßkuhle, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Verwaltungsverfahren und Verwaltungsverfahrensgesetz, S. 277 (329). 410  Vergleichbare Regelungsstrukturen finden sich außerhalb des Medizinproduk­ terechts beispielsweise bei der Einschaltung Benannter Stellen in Konformitätsbewer­ tungsverfahren für Explosivstoffe und pyrotechnische Gegenstände (§ 5 Abs. 5 u. 6 SprengG). 411  Dies ist – wie bereits dargelegt – gegenwärtig die ZLG. 412  § 15 Abs. 2 S. 1 MPG. 413  § 15 Abs. 2 S. 2 MPG. 414  § 15 Abs. 2 S. 4 MPG. 415  § 15 Abs. 2 S. 5 MPG. 416  § 15 Abs. 2 S. 6 Hs. 1 MPG. Das Betretungsrecht erstreckt sich auch auf Grundstücke des Herstellers und seiner Unterauftragnehmer von entscheidender Be­ deutung, soweit die Überwachung dort erfolgt (§ 15 Abs. 2 S. 7 MPG). 417  § 15 Abs. 2 S. 6 Hs. 2 MPG. 418  § 15 Abs. 2 S. 8 MPG i. V. m. § 26 Abs. 4 u. 5 MPG. 419  Art. 5 Abs. 1 UA 1 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 420  Art. 5 Abs. 1 UA 3 Durchführungsverordnung Nr. 920/2013.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 247

tigen Erfahrungs- und Informationsaustausches zwischen den für die Über­ wachung der Benannten Stellen zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten421 sowie Untersuchungsbefugnisse der EU-Kommission vor.422 Die ihnen zu­ gewiesene Aufgabe der Überwachung der Benannten Stellen ermächtigt die zuständigen Behörden jedoch nicht dazu, die Konformitätsbewertungspraxis Benannter Stellen vor Marktzugang der von letzteren geprüften Produkte umfassend zu kontrollieren. Nach Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/42/EWG dürfen die EU-Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten, die mit einem CE-Kennzeichen ver­ sehen wurden, nicht behindern. Aufgrund dieser Vorgabe ist es den zuständi­ gen Behörden der Mitgliedstaaten nicht gestattet, seitens der Benannten Stellen geprüfte, von den Herstellern mit dem CE-Kennzeichen versehene Produkte einer systematischen Produktkontrolle zu unterziehen.423 Vielmehr sind allein stichprobenartige Kontrollen durch die Behörden der Mitglied­ staaten zulässig.424 An diese Kontrollstrukturen knüpft im Kern auch die zukünftig geltende Verordnung (EU) Nr. 2017/745 an, die im Detail allerdings zusätzliche, über die gegenwärtigen Anforderungen hinausgehende Vorgaben an die Überwa­ chung Benannter Stellen enthält.425 Weitere Kontrollstrukturen, etwa eine informatorische oder partizipatori­ sche Beteiligung der Öffentlichkeit, sind in Konformitätsbewertungsverfah­ ren des Produktsicherheitsrechts typischerweise nicht vorgesehen, obschon Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligungen zwecks Vorbeugung etwaiger Steue­ rungs- und Vollzugsdefizite auch in privatrechtlich konzipierten Kontrollver­ fahren ein die staatliche Überwachung Benannter Stellen flankierendes In­ strument darstellen können.426 Im Gegenteil: Sämtliche Informationen und Unterlagen, die die Grundlage des Konformitätsbewertungsverfahrens und der Prüftätigkeit Benannter Stellen bilden, sind grundsätzlich vertraulich zu behandeln.427 Damit erfolgt die Konformitätsprüfung von Hochrisiko-Medi­ 421  Art. 7

Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. Durchführungsverordnung Nr. 920/2013. 423  Scheel, DVBl 1999, 442 (444); Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinpro­ dukterecht, S. 132. 424  Zu den hier nicht zu vertiefenden Anforderungen an die repressive Marktauf­ sicht siehe etwa Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukterecht, S. 61 f., 132, 150 ff. 425  Siehe im Einzelnen vor allem die Bestimmungen in Art. 44–50 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 426  Dazu etwa I.  Appel, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 32 Rn. 97. 427  Art. 20 Abs. 1 Richtlinie 93/42/EWG; zu den Ausnahmen siehe Art. 20 Abs. 2 u. 3 Richtlinie 93/42/EWG. 422  Art. 6

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

zinprodukten durch Benannte Stellen, insoweit ähnlich wie die Beurteilung von Anträgen auf Arzneimittelzulassung durch den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfah­ ren,428 unter Ausschluss von Dritten (z. B. Verbraucher, Verbände) und der sonstigen Öffentlichkeit. An dieser Rechtslage wird sich auch unter Geltung der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 grundsätzlich nichts ändern. Zwar werden der Öffentlichkeit im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 deutlich mehr Informationen zu im Verkehr befindlichen Medizinprodukten, ausgestellten Prüfbescheinigun­ gen und der behördlichen Überwachung von Benannten Stellen zur Verfü­ gung gestellt. In zeitlicher Hinsicht knüpfen diese der Schaffung von Trans­ parenz dienenden Bestimmungen429 jedoch an den Abschluss des Konformi­ tätsbewertungsverfahrens an.430 Einem Kontrolldruck, der nicht von Herstel­ ler oder Aufsichtsbehörde ausgeht (z. B. von Verbrauchern oder Verbänden) unterliegen Benannte Stellen im laufenden Konformitätsbewertungsverfahren mithin nicht. Beteiligungsrechte oder Informationsansprüche Dritter ergeben sich auch nicht aus allgemeinen Vorschriften: Da Benannte Stellen nach herr­ schender Meinung bei der Durchführung von Konformitätsbewertungsver­ fahren nicht als Beliehene und somit auch nicht als funktionale Behörden i. S. d. §  1 Abs.  4 VwVfG handeln,431 werden sie nicht als informationspflich­ tige Stellen i. S. d. § 1 Abs. 1 IFG bzw. der einschlägigen Landesgesetze qualifiziert.432 Aus dem gleichen Grund scheiden auch etwaige Beteiligungsund Akteneinsichtsrechte Dritter nach Maßgabe der §§ 13, 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG aus, zumal Konformitätsbewertungsverfahren privatrechtlicher Natur sind433 und keine Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG darstellen.434 In rechtspolitischer Hinsicht wird teilweise unter argumentativem Rück­ griff auf das grundgesetzliche Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) gefor­ dert, in Verfahren der regulierten Selbst- bzw. Fremdregulierung (z. B. Kon­ formitätsbewertungsverfahren im Produktsicherheitsrecht435) Dritten bzw. 428  Zur diesbezüglichen Tätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG siehe oben C. IV. 1. 429  Siehe insoweit Erwägungsgrund 44 der Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 430  Siehe Art. 28, 33, 43 Abs. 2, 48 Abs. 1 S. 2 lit. g), 56 Abs. 5, 57 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 431  Dazu oben D. II. 432  VGH Kassel, NVwZ 2017, 1718 (1719); zustimmend Handorn/Martin, MPR 2017, 89 (90). 433  Siehe oben D. II. 434  BPatGE 52, 136 (137 f.). 435  Zur Einordnung von Konformitätsbewertungsverfahren des Produktsicher­ heitsrechts als Referenzgebiet des Konzepts der „Regulierten Selbstregulierung“ siehe Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 172 ff.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 249

Betroffenen Partizipationsmöglichkeiten zu eröffnen und die Abläufe im Prüf- bzw. Entscheidungsverfahren für die Öffentlichkeit transparent auszu­ gestalten.436 Dem wird wiederum entgegengehalten, eine Herstellung von Transparenz und Öffentlichkeit in produktsicherheitsrechtlichen Konformi­ tätsbewertungsverfahren durch Implementierung entsprechender Kontrollbzw. Beteiligungsmöglichkeiten sei weder sinnvoll noch erforderlich, da das Inverkehrbringen gefährlicher Produkte alle Verbraucher gleichermaßen be­ treffe und es daher für eine Etablierung entsprechender Verfahrensmechanis­ men an einem individuell abgrenzbaren Kreis drittbetroffener Personen feh­ le.437 Tatsächlich gibt die praktische Rolle Benannter Stellen in Konfor­ mitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte unter rechts­ politischen Gesichtspunkten durchaus Anlass, über die Implementierung zusätzlicher Transparenz- und Kontrollmechanismen im Bereich des Pro­ duktsicherheitsrechts nachzudenken. Neben dem eingangs erwähnten Skan­ dal um minderwertige Brustimplantate438 des französischen Unternehmens Poly Implant Prothèse (PIP), die weltweit ca. 400.000 Frauen eingesetzt wurden,439 haben zuletzt die auf strukturelle Missstände im Konformitätsbe­ wertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte hindeutenden Veröffent­ lichungen der Implant Files im November 2018440 die Frage nach der Sach­ gerechtigkeit des auf marktwirtschaftlichen Wettbewerb setzenden Systems privatrechtlicher Präventivkontrollverfahren aufgeworfen. Ungeachtet der oben dargelegten Strukturen zur organisatorischen und verfahrensrechtlichen Einhegung ihrer eigenwirtschaftlichen Interessen wird gerade die Vertragsbe­ ziehung der Benannten Stellen zum jeweiligen Hersteller als limitierender Faktor ihrer Unabhängigkeit angesehen.441 Völlig abwegig ist diese Einschät­ zung offenbar nicht, wenn Mitarbeiter von Benannten Stellen unter vorgehal­ tener Hand der Sache nach einräumen, der marktwirtschaftliche Druck wirke 436  In diesem Sinne etwa Schmidt-Aßmann, Die Verwaltung 2001 (Beiheft 4), 253 (266 f.). 437  So Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 348. 438  Brustimplantate sind Hochrisiko-Medizinprodukte der Klasse III, vgl. § 8 S. 2 MPV. 439  Vgl. https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2016-05/pip-brustimplantate-beru­ fungsprozess-urteil (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 440  Wie eingangs dargelegt, zeigen die Implant Files Missstände bei der Zulas­ sung und Überwachung von Implantaten, Prothesen und Herzschrittmachern auf. Zur diesbezüglichen Berichtserstattung siehe Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2018, S.  9 ff. 441  Siehe etwa die Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2018, S. 11: „[D]ie Kontrolle durch Private hat eine Kehrseite: Prüfer wie TÜV und Dekra sind insofern Geschäfts­ partner der Hersteller, als sie in deren Auftrag und auf deren Rechnung deren Pro­ dukte zertifizieren. Und Regierungen sehen weg, unter Umständen auf Kosten der Patienten.“

250

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

sich auf die unabhängige Durchführung ihrer Konformitätsbewertungen aus.442 Als Zwischenergebnis ist für die Ebene des Konformitätsbewertungsver­ fahrens festzuhalten, dass die durchaus hohen abstrakt-organisatorischen Anforderungen an die Unabhängigkeit Benannter Stellen verfahrensrechtlich zwar flankiert, jedoch (offenbar) nicht in jeder Hinsicht effektiv abgesichert werden. 2. Entscheidung Wie bereits angedeutet, weisen die Entscheidungen Benannter Stellen über die Ausstellung von Prüfbescheinigungen im Konformitätsbewertungsverfah­ ren für Hochrisiko-Medizinprodukte hinsichtlich ihrer rechtlichen Struktur Parallelen mit dem verwaltungsrechtlichen Instrument des präventiven Ver­ bots mit Erlaubnisvorbehalt auf.443 Zwar berechtigt eine positive Konformi­ tätsbescheinigung den Hersteller für sich genommen noch nicht zum Inver­ kehrbringen seines Produkts. Die Ausstellung einer entsprechenden Prüfbe­ scheinigung bildet jedoch eine zwingende Voraussetzung dafür, dass der Hersteller sein Produkt nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 MPG mit dem CE-Kennzeichen versehen und sodann in den Verkehr bringen darf. Dementsprechend sind Benannte Stellen bei Vorliegen der nach § 7 Abs. 1 MPG maßgeblichen „Grundlegenden Anforderungen“ dazu verpflichtet, die Konformität des betreffenden Produkts zu bescheinigen.444 Insoweit verfü­ gen die Hersteller gegenüber den von ihnen mit der Konformitätsprüfung beauftragten Benannten Stellen über einen gebundenen Anspruch auf die Erteilung einer Prüfbescheinigung,445 den sie erforderlichenfalls einklagen können.446 Erfüllt das zur Prüfung gestellte Medizinprodukt die „Grundle­ 442  D.  Reinhardt, Inverkehrbringen von Arzneimitteln und Medizinprodukten, S. 96, zitiert in seiner Untersuchung einen Vertreter einer Benannten Stelle wie folgt: „ ‚Natürlich gibt es die viel geforderte Unabhängigkeit als solche […] natürlich fak­ tisch nicht. Wir sind von unseren Kunden abhängig. Wenn wir keine Kunden haben, gehen wir pleite. Klar. Wir achten darauf, dass wir nicht einen Kunden haben, der viel ausmacht, wir haben viele kleine Kunden, wenn da ein, zwei wegbrechen, dann bre­ chen sie weg. Punkt. Nichtsdestotrotz, Unabhängigkeit als solches gibt es nicht‘ (B1).“ 443  Siehe bereits Scheel, DVBl 1999, 442 (446 f.); Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukterecht, S. 132. 444  Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S. 122; Merten, Private Entscheidungsträger und Europäisierung der Verwaltungsrechtsdogmatik, S. 240; Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukterecht, S. 131. 445  Merten, Private Entscheidungsträger und Europäisierung der Verwaltungs­ rechtsdogmatik, S. 240; Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 322. 446  Dazu näher unten D. V.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 251

genden Anforderungen“ im Einzelfall hingegen nicht, ist die betreffende Benannte Stelle berechtigt und verpflichtet, die vom Hersteller begehrte po­ sitive Prüfbescheinigung zu versagen. In beiden Konstellationen – Ausstel­ lung der positiven Prüfbescheinigung oder deren Versagung – kommt Be­ nannten Stellen kein Entscheidungsspielraum zu.447 Damit entscheiden Be­ nannte Stellen letztlich über den Marktzugang der von ihnen geprüften Pro­ dukte, da eine ausgestellte Prüfbescheinigung den jeweiligen Hersteller zur Anbringung des zum Inverkehrbringen des Produkts erforderlichen CEKennzeichens berechtigt (§ 9 MPG), während sich im umgekehrten Fall die Versagung der Prüfbescheinigung in der Sache wie eine Marktzutrittsbarriere auswirkt.448 Dieser „faktischen“ Entscheidungsmacht der Benannten Stellen wird durch verschiedene Anforderungen an ihre Entscheidung über die Ausstellung posi­ tiver Prüfbescheinigungen bzw. deren Versagung Rechnung getragen. Die für das jeweilige Konformitätsbewertungsverfahren einschlägigen Anhänge der Richtlinie 93/42/EWG erlegen den Benannten Stellen die Pflicht auf, den Herstellern ihre Entscheidungen unter Angabe der Ergebnisse der Überprü­ fung sowie einer Begründung mitzuteilen.449 Im Übrigen wird eine Begrün­ dungspflicht insbesondere dann angenommen, wenn eine Benannte Stelle dem Hersteller die Ausstellung der von ihm begehrten positiven Prüfbeschei­ nigung versagt.450 Nach Abschluss des Konformitätsbewertungsverfahrens hat die im Einzelfall mit der Prüfung befasste Benannte Stelle zudem der für sie zuständigen Behörde ihre Entscheidung über die (Nicht-)Ausstellung der vom Hersteller begehrten Prüfbescheinigung mitzuteilen.451 Demgegenüber ist eine Veröffentlichung der von Benannten Stellen ausgestellten bzw. ver­ sagten Prüfbescheinigungen nach derzeitiger Rechtslage im kodifizierten Recht nicht vorgesehen.452 Diese rechtlichen Grundanforderungen an die Ausstellung von Prüfbe­ scheinigungen durch Benannte Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte gelten im Kern auch unter dem Regime der 447  VGH Kassel, NVwZ 2017, 1718 (1720); Tacke, Die Benannte Stelle im Me­ dizinprodukterecht, S. 131. 448  Ebenso Huber, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grund­ lagen des Verwaltungsrechts, Band III, § 45 Rn. 174; Merten, DVBl 2004, 1211 (1212); Weiß, Die rechtliche Gewährleistung der Produktsicherheit, S. 351. 449  Anhang II Nr. 3.3 Abs. 3, Nr. 4.3 Abs. 1 S. 3 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang III Nr. 5 Abs. 1 S. 2 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.3 Abs. 3 Richtlinie 93/42/ EWG. 450  Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsverwaltungsrecht, S. 208 f. 451  Art. 16 Abs. 5 S. 1 Richtlinie 93/42/EWG. 452  Vgl. aber die allgemeine Bestimmung des Art. 20 Abs. 3 Richtlinie 93/42/ EWG.

252

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Verordnung (EU) Nr. 2017/745 fort. In Teilen geht die Verordnung (EU) Nr. 2017/745 jedoch über die gegenwärtig für Entscheidungen Benannter Stellen maßgeblichen Anforderungen hinaus. Insbesondere werden ausge­ stellte Prüfbescheinigungen zukünftig über das Internet zugänglich ge­ macht,453 um durch eine höhere Transparenz das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Tätigkeit Benannter Stellen zu erhöhen.454 Insgesamt zeigt sich, dass die Anforderungen an von Benannten Stellen ausgestellte Prüf- bzw. Konformitätsbescheinigungen durchaus Bezüge zu den Vorgaben aufweisen, die gemeinhin an Verwaltungsakte (vgl. §§ 28 ff. VwVfG) gestellt werden. Diese Strukturparallelität gilt es zu betonen, da die für das zulässige Anbringen der CE-Kennzeichnung und damit für den Marktzugang der geprüften Produkte obligatorischen Konformitätsbescheini­ gungen Benannter Stellen funktionell hoheitlich-präventive Zulassungsent­ scheidungen der staatlichen Verwaltungsbehörden substituieren.455

V. Gerichtliche Überprüfung Während die (repressive) Haftung Benannter Stellen für von diesen ge­ prüfte, tatsächlich oder vermeintlich fehlerhafte Hochrisiko-Medizinprodukte in Rechtsprechung und Literatur breiten Raum einnimmt,456 haben Fragen nach der (präventiven) gerichtlichen Überprüfung der von ihnen ausgestell­ ten Prüfbescheinigungen bislang kaum Resonanz gefunden und sind in der forensischen Praxis, soweit ersichtlich, ohne Relevanz.457

453  Siehe Art. 56 Abs. 5 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. Zu den Mindestinhalten der Prüfbescheinigungen siehe Art. 56 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Anhang XII Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 454  Siehe zu dieser Zielsetzung nur die Betonung der Transparenz in den Erwä­ gungsgründen 1, 4, 53 u. 74 der Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 455  Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn der Hersteller für Produkte mit verrin­ gertem Risikopotenzial selbst die Konformitätserklärung abgibt, siehe Di Fabio, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 143 (164). 456  Zur höchstrichterlichen Rechtsprechung siehe EuGH, Urteil vom 16.02.2017, Rs. C-219/15 (Schmitt/TÜV Rheinland LGA Products GmbH), ECLI:EU:C:2017:128, Rn. 38 ff.; BGH, NJW 2017, 2617 (2618 f.). Diese Rechtsprechung wurde im Schrift­ tum umfassend rezipiert, siehe hier nur Brüggemeier, MedR 2017, 527 ff.; Rott, NJW 2017, 1146 ff.; Unger, EuZW 2017, 299 ff. 457  Außerhalb des vorliegenden Untersuchungsgegenstands spielen die von Be­ nannten Stellen ausgestellten Konformitätsbewertungen allerdings in anderen Rege­ lungszusammenhängen – etwa bei wettbewerbsrechtlichen Beanstandungen von Wer­ beaussagen eines Herstellers zu Wirkungen eines von ihm hergestellten Medizinpro­ dukts – eine gewisse praktische Rolle.



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 253

Im Hinblick auf den gerichtlichen Kontrollzugang steht Herstellern auf Grundlage der herrschenden Meinung, die die Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren als Erfüllung einer zivilrechtlichen Ver­ tragspflicht qualifiziert,458 grundsätzlich der Rechtsweg zu den Zivilgerichten offen, sofern Benannte Stellen die Ausstellung einer positiven Prüfbescheini­ gung verweigern.459 Indes gehen aus der (veröffentlichten) Rechtsprechung keine Entscheidungen hervor, in denen ein Hersteller eine von ihm beauf­ tragte Benannte Stelle auf Erteilung einer positiven Konformitätsbewertung in Anspruch genommen hätte. Dies wird mitunter damit erklärt, dass entspre­ chende Klagen der Hersteller aufgrund der für die Zivilgerichte „nicht alltäg­ lichen Rechtsmaterie“ nur geringe Erfolgsaussichten hätten.460 Soweit ersichtlich, haben etwaige Klagemöglichkeiten Dritter (z. B. von Patienten bzw. Verbrauchern, Ärzten oder Verbänden) gegen von Benannte Stellen ausgestellte bzw. versagte Prüfbescheinigungen weder in der zivilge­ richtlichen Praxis noch in der Literatur nähere Beachtung gefunden.461 Dies überrascht, da zum einen das System der privaten Fremdkontrolle im Allge­ meinen gerade auch dem Schutz der Rechtsgüter von Dritten dient462 und sich zum anderen die Medizinproduktebranche im Hinblick auf die Rolle Benannter Stellen im Zuge des erwähnten PIP-Skandals selbst in einem Voll­ zugsdefizit wähnte,463 an dessen zwischenzeitlicher Bewältigung die Ver­ öffentlichungen der Implant Files im November 2018 zumindest zweifeln lassen. In der Sache dürften entsprechende Klagen Dritter – deren Kenntnis vom durchgeführten Konformitätsbewertungsverfahren an dieser Stelle ein­ mal unterstellt – indes bereits unzulässig sein. Denn nicht schon die Erteilung bzw. Versagung einer Prüfbescheinigung durch eine Benannte Stelle, sondern allenfalls das in den Verantwortungsbereich des Herstellers fallende Inver­ kehrbringen des betreffenden Produkts (bzw. dessen Unterlassen) könnte in rechtlicher Hinsicht einen Anknüpfungspunkt für eine drohende Beeinträch­ 458  Dazu

oben D. II. Die Verwaltung 39 (2006), 309 (327); Pünder, ZHR 170 (2006), 567

459  Eifert,

(582).

460  So die Einschätzung im Fall des Widerrufs des CE-Kennzeichens durch die Benannte Stelle bei von Czettritz, in: Anhalt/Dieners (Hrsg.), Medizinprodukterecht, § 14 Rn. 27. 461  Vgl. insoweit die auf den Hersteller beschränkten Ausführungen zu den Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Entscheidungen Benannter Stellen bei Eifert, Die Verwaltung 39 (2006), 309 (327); Röhl, Akkreditierung und Zertifizierung im Pro­ duktsicherheitsrecht, S.  94 f.; Thoma, Regulierte Selbstregulierung im Ordnungsver­ waltungsrecht, S.  389 f. 462  Dies betont auch Eifert, Die Verwaltung 39 (2006), 309 (318). 463  https://www.bvmed.de/de/bvmed/presse/pressemeldungen/bvmed-konferenzzum-medizinprodukterecht-kein-regelungs-sondern-ein-vollzugsdefizit-zulassungs stellen-sollen-besser-ueberwacht-werden (zuletzt abgerufen am 07.08.2019).

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§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

tigung von Rechtsgütern Dritter (insbesondere die Gesundheit) darstellen und insoweit den Gegenstand eines zivilrechtlichen Rechtsbehelfs (z. B. in Gestalt der vorbeugenden Unterlassungsklage bzw. der Leistungsklage) bilden. Frag­ lich könnte insofern lediglich sein, ob Dritte analog zur Rechtslage im Bau­ ordnungsrecht auf dem Verwaltungsrechtsweg die zuständige Aufsichtsbe­ hörde auf Einschreiten gegen die bevorstehende (Nicht-)Ausstellung einer Prüfbescheinigung bzw. das Inverkehrbringen eines Hochrisiko-Medizinpro­ dukts in Anspruch nehmen könnten.464 Dies bedarf hier indes keiner ab­ schließenden Klärung: Da Dritte im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte weder partizipatorisch noch informatorisch be­ teiligt werden, wird es ihnen selbst im Fall der Zu­lässigkeit eines entspre­ chenden Rechtsbehelfs regelmäßig an der für eine Klageerhebung erforder­ lichen Informations- und Wissensbasis fehlen. Wohl auch aus diesem Grund gehen aus der (veröffentlichten) Rechtsprechung keine Fälle hervor, in denen Dritte gegen ausgestellte bzw. versagte Prüfbescheinigungen Benannter Stel­ len gerichtlich vorgegangen sind.465 Dieser Befund schließt auch Rechtsbe­ helfe von Verbänden ein. Für den Bereich des Medizinprodukterechts sehen weder das nationale noch das europäische Recht (explizite) Verbandsklage­ möglichkeiten vor, kraft derer Verbände Entscheidungen Benannter Stellen einer gerichtlichen Kontrolle unterziehen könnten.466 Folglich unterliegen Benannte Stellen bei ihrer Tätigkeit im Konformitäts­ bewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte ähnlich wie der Ge­ gensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittel­ zulassungsverfahren lediglich einem (potenziellen) gerichtlichen Kontroll­ druck der Hersteller, ohne dass von letzteren initiierte Klageverfahren in der forensischen Praxis eine ersichtliche Rolle spielen. Inwieweit zwischen dem eingeschränkten gerichtlichen Kontrollzugang Dritter und den erwähnten Skandalen im Medizinproduktebereich467 ein Zusammenhang besteht, kann 464  Zu dieser Möglichkeit für das Bauordnungsrecht siehe I. Appel, in: HoffmannRiem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 32 Rn. 101. 465  Im Arzneimittelrecht hatte das Bundesverwaltungsgericht hingegen Gelegen­ heit, sich zu Fragen des Drittschutzes von Arzneimittelzulassungen zu äußern. Siehe dazu oben C. V. 466  Konkret sehen auf europäischer Ebene weder die Richtlinie 2009/22/EG noch die derzeit diskutierten Fassungen einer europäischen Verbandsklage bei Verstößen gegen die Vorgaben der Richtlinie 93/42/EWG bzw. die Verordnung (EU) Nr. 2017/745 kollektive Rechtsschutzmöglichkeiten vor. Der von der EU-Kommission jüngst zur Implementierung der Verbandsklage vorgelegte Verordnungsentwurf erstreckt sich nach seinem Anwendungsbereich nach nicht auf die Medizinprodukterichtlinie bzw. die zukünftig geltende Medizinprodukteverordnung, siehe COM (2018) 184 final, Anhang I. 467  PIP-Skandal (ab 2010), Implant Files (2018).



D. Die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren 255

und soll hier nicht vertieft werden. Grundsätzlich dürfte sich aber die Über­ legung, dass bereits das abstrakte Risiko der Anfechtung einer Entscheidung den Normadressaten präventiv zu rechtstreuem Verhalten diszipliniert,468 auch für die der Zivilgerichtsbarkeit unterworfene Tätigkeit der Benannten Stellen fruchtbar machen lassen. Dieser Gesichtspunkt wird an späterer Stelle noch einmal aufzugreifen sein.

VI. Ergebnisse Die Tätigkeit der in Konformitätsbewertungsverfahren für HochrisikoMedizinprodukte mit Entscheidungskompetenzen ausgestatteten Benannten Stellen ist ein typisches Beispiel für produktsicherheitsrechtliche Präventiv­ kontrollverfahren, die trotz öffentlich-rechtlicher Überformung im Kern pri­ vatrechtlich ausgestaltet sind und die marktwirtschaftlichen Prinzipien folgen. Um die eigenwirtschaftlichen Interessen dienende, privatnützige Tätigkeit Benannter Stellen gemeinwohldienlich einzuhegen, statuiert das Unionsrecht auf abstrakt-organisatorischer Ebene sowohl an ihre Fachkompetenz als auch insbesondere an ihre Unabhängigkeit vergleichsweise hohe Anforderungen, die quantitativ (bei der Fachkompetenz) und auch qualitativ (im Hinblick auf die Unabhängigkeit) weit über die typische Regelungsdichte des nationalen Rechts hinausgehen. Auf der Ebene des konkreten Konformitätsbewertungs­ verfahrens finden sich zudem ergänzende Kontrollstrukturen sowohl inner­ halb der Vertragsbeziehungen zwischen Herstellern und Benannten Stellen als auch im Verhältnis zwischen letzteren und der ZLG. Einsichtnahme- und Partizipationsmöglichkeiten Dritter bzw. der Öffentlichkeit, die eine diszipli­ nierende Wirkung auf die Prüftätigkeit Benannter Stellen entfalten könnten, sind ebenso wie in den bereits zuvor betrachteten Produktzulassungsverfah­ ren des Arzneimittel- und Gentechnikrechts nicht vorgesehen. Auch auf der gerichtlichen Rechtsschutzebene, die in der Praxis (bislang) keine Rolle spielt, unterliegen Benannte Stellen mangels entsprechender Klagerechte Dritter (z. B. Verbraucher oder Verbände) ausschließlich einem (potenziellen) Kontrolldruck der Hersteller. In Anbetracht der verschiedenen Gesundheits­ skandale im Medizinproduktebereich (minderwertige Brustimplantate der Firma PIP, Implant Files) wird in rechtspolitischer Hinsicht bereits eine voll­ ständige Ersetzung des gegenwärtig privatrechtlich ausgestalteten Präventiv­ kontrollverfahrens durch ein staatliches Zulassungsverfahren erwogen, wie es etwa in den USA implementiert ist.469 468  Für

den Verwaltungsprozess etwa Ramsauer, NordÖR 2019, 157 (166). zur Diskussion im politischen Bereich etwa BT-Drs. 19/6511, S. 134 (Schriftliche Antwort der Bundesregierung vom 11.12.2018); zur gesellschaftspoliti­ schen Dimension siehe Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2018, S. 4. 469  Siehe

256

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 4 Die Betrachtung der verschiedenen Referenzgebiete für die Untersu­ chungsgruppe der mit originären (Sach-)Entscheidungskompetenzen ausge­ statteten sachverständigen Stellen hat eine große Bandbreite verschiedener Regelungskonzepte aufgezeigt. Dieser Befund betrifft zunächst die dargelegten Einbindungsmodi. Da der Staat die für ihn handelnden Behörden selbst einrichten, ausstatten und ihnen Aufgaben zuweisen kann, erfolgt die Einbindung entscheidungsbefugter Be­ hörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht in einem besonderen Verfahren, sondern durch „schlichte“ Errichtung und Aufgabenzuweisung. Letztere kann grundsätzlich durch Gesetz oder im untergesetzlichen Regelwerk erfolgen. Hierbei können sich, wie das Beispiel der Bundesnetzagentur zeigt, gerade im Verhältnis zwischen Bund und Län­ dern schwierige verfassungsrechtliche Kompetenzfragen stellen. Fehlt einer im Außenverhältnis entscheidungsbefugten Behörde die sachliche Zuständig­ keit, kann dies auf der Verfahrensebene zur Nichtigkeit der Zulassungsent­ scheidung führen. Sowohl das Verfassungs- als auch das allgemeine Verwal­ tungsrecht gebieten daher eine sorgfältige Regelung der Aufgabenzuweisung an Behörden, die auf Ebene des Zulassungsverfahrens mit außenrechtswirk­ samen Letztentscheidungskompetenzen betraut werden sollen. Für die Ein­ bindung externer sachverständiger Stellen, denen im Zulassungsverfahren originäre (Sach-)Entscheidungskompetenzen eingeräumt werden, finden sich sowohl ein- als auch zwei- bzw. mehraktige Einbindungsmodi. Auf die ent­ sprechenden Regelungsstrukturen wurde vorliegend exemplarisch anhand des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arznei­ mittelzulassungsverfahren sowie der Benannten Stellen im Konformitätsbe­ wertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte eingegangen. Beide Re­ ferenzgebiete zeigen, dass, insoweit ähnlich wie bei der Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen, auch die Einbindung externer sachverständiger Stellen mit Sachentscheidungsbefugnissen in das Ermessen der im Außenverhältnis handelnden Behörde gestellt sein kann (so beim Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG) oder den vorhe­ rigen Durchlauf eines im Detail geregelten Verfahrens (so bei den Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinpro­ dukte) erfordert. Auch die Fachkompetenz entscheidungsbefugter Behörden wird grund­ sätzlich nicht durch Vorgaben im kodifizierten Recht, sondern durch deren „bloße“ Einrichtung sowie ihre fortlaufende Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln gewährleistet. Die Fachkompetenz der betrachteten verwaltungs­ externen sachverständigen Stellen wird hingegen auf unterschiedlichen Rege­



E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 4257

lungsebenen (gesetzlich oder untergesetzlich, Unions- oder Bundesrecht) im positiven Recht ausdrücklich normiert, wobei sich die Regelungsmodelle insbesondere in quantitativer Hinsicht, weniger in qualitativer Hinsicht unter­ scheiden. Denn dass eine Benannte Stelle zur Erledigung ihrer Konformitäts­ bewertungstätigkeit beispielsweise über „ausreichend qualifiziertes Personal“ verfügen muss, ergibt sich der Sache nach bereits aus ihrem im Konformi­ tätsbewertungsverfahren zu erledigenden Prüfauftrag, ohne dass dies zwin­ gend einer expliziten rechtlichen Kodifizierung bedürfte. In qualitativer Hinsicht belassen Gesetz- und Verordnungsgeber den für die Hinzuziehung (so beim Gegensachverständigen) bzw. Benennung (so bei Benannten Stel­ len) der externen sachverständigen Stellen zuständigen Behörden bezüglich des Merkmals der Fachkompetenz insgesamt einen weiten Konkretisierungs­ spielraum. Dies kann ausweislich des als Referenzgebiet betrachteten Gegen­ sachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG auch dann der Fall sein, wenn sich in einem Sachgebiet ein mehr oder weniger stark ausdifferenziertes fachliches Anforderungsprofil an die jeweilige sachverständige Stelle heraus­ gebildet hat.470 Ein ähnliches, partiell jedoch etwas differenzierteres Bild ergibt sich für die regulatorische Gewährleistung der Unabhängigkeit entscheidungsbefugter sachverständiger Stellen. Die gerade in Planfeststellungsverfahren für kom­ plexe und umstrittene Infrastrukturprojekte mitunter problematische Unab­ hängigkeit von Behörden wird nicht durch Kodifizierungen im positiven Recht sichergestellt, sondern soll durch von der Rechtsprechung entwickelte, in ihren Nuancen bislang freilich unscharf gebliebene und rechtlich letztlich nicht effektiv abgesicherte Abstands- und Distanzgebote (insbesondere im Verhältnis zur Politik und zum Vorhabenträger) sowie gegebenenfalls durch innerorganisatorische Trennungsgebote (Verfahrensfederführung und Ent­ scheidung) gewahrt werden. Demgegenüber ist bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen ein größeres Regelungsspektrum festzustellen: Während die Unabhängigkeit des beliehenen Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ohne nähere normative Ausformung lediglich abstrakt geregelt wird und somit einer Konkretisierung im Verwaltungsvollzug bedarf,471 gibt namentlich das Unionsrecht die Benannten Stellen abzuver­ langende Unabhängigkeit inhaltlich im Einzelnen vor. Auf der Verfahrensebene hat die Untersuchung der verschiedenen Refe­ renzgebiete ebenfalls große Unterschiede aufgezeigt, die insbesondere die Implementierung von Transparenz- und Kontrollstrukturen betreffen. Die 470  Zum

Gegensachverständigen siehe oben C. III. 1. für andere naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfah­ ren (i. w. S.) auch die Bestimmungen in § 16a LuftSiG, § 6g Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 StVG. 471  Siehe

258

§ 4 Entscheidungsbefugte sachverständige Stellen

Tätigkeit von Behörden, denen in Zulassungsverfahren für Anlagen bzw. Infrastrukturvorhaben die Federführung und verfahrensabschließende Ent­ ­ scheidungskompetenz übertragen ist, unterliegt einem Kontrolldruck der zu beteiligenden Fachbehörden und Öffentlichkeit. Im Unterschied hierzu sehen (nationale)472 Produkt- und Stoffzulassungsverfahren typischerweise keine Betroffenen- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung vor.473 Dementsprechend sind weder der beliehene Gegensachverständige noch die Benannten Stellen, die jeweils mehr oder weniger aus der „Sphäre“ der betreffenden Antragsteller stammen474 bzw. mit diesen im konkreten Zulassungsverfahren gar in einer Vertragsbeziehung stehen,475 einem Kontrolldruck durch Dritte bzw. der Öffentlichkeit ausgesetzt. Gleichzeitig kommt ihren (Sach-)Entscheidungen jedoch regelmäßig eine erhebliche Breitenwirkung zu, die über die zumeist lokal begrenzten Rechtswirkungen von Zulassungsentscheidungen für techni­ sche Großanlagen und Infrastrukturvorhaben deutlich hinausgehen. Relativ große Unterschiede sind darüber hinaus auf der Ebene der gericht­ lichen Überprüfung der jeweiligen Entscheidungen der zur Referenz genom­ menen sachverständigen Stellen festzustellen. In Anlagenzulassungsverfahren entscheidungsbefugte Behörden, auf die am Beispiel der Bundesnetzagentur bei der Planfeststellung von NABEG-Vorhaben eingegangen wurde, unterlie­ gen einem vergleichsweise breiten Kontrolldruck potenzieller Kläger (Vor­ habenträger, betroffene Bürger, Gemeinden oder Umwelt- bzw. Naturschutz­ verbände). Gleichzeitig ist die gerichtliche Kontrolldichte gegenüber behörd­ lichen Zulassungsentscheidungen für raumbedeutsame Planungen und Maß­ nahmen unter verschiedenen Gesichtspunkten vielfach reduziert. Letzteres kommt nicht zuletzt in der im Fachplanungsrecht häufiger zu beobachtenden gerichtlichen Anhörung von Sachverständigen zum Ausdruck, die bereits auf der Ebene des Zulassungsverfahrens als hoheitlich eingebundene sachver­ ständige Stellen verwaltungsseitig an der Zulassungsentscheidung mitgewirkt haben. Demgegenüber spielen die des Weiteren untersuchten Möglichkeiten der Einleitung von Klageverfahren gegen Zulassungsentscheidungen für Arz­ neimittel bzw. Prüfbescheinigungen für Hochrisiko-Medizinprodukte in der 472  Das Konformitätsbewertungsverfahren für (Hochrisiko-)Medizinprodukte ist trotz seiner Ausformung im nationalen Recht (§ 37 Abs. 1 MPG i. V. m. §§ 1 ff. MPV) weitgehend unionsrechtlich determiniert. 473  Zur (partiellen) Beteiligung von Behörden bzw. Stellen der Mitgliedstaaten sowie der Europäischen Union im Konformitätsbewertungsverfahren für HochrisikoMedizinprodukte siehe oben D. IV. 1. Im Übrigen sind jedenfalls Behördenbeteiligun­ gen auch dem nationalen Produkt- bzw. Stoffzulassungsrecht nicht völlig fremd, siehe für das Gentechnikrecht etwa § 16 Abs. 4 GenTG. 474  Zur Zulässigkeit von Beratungsverträgen des Gegensachverständigen mit Un­ ternehmen der pharmazeutischen Industrie siehe oben C. III. 2. 475  Zum Einbindungsmodus Benannter Stellen siehe oben D. II.



E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 4259

forensischen Praxis keine besonders große Rolle. Dies ist für den Fall der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nicht zuletzt dem Umstand geschul­ det, dass die nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO allein klagebefugten Antragsteller sich in der Praxis regelmäßig aus hier nicht zu erörternden Gründen nicht zu einer Klageerhebung veranlasst sehen, während Dritte (Pa­ tienten, Verbände) mangels unmittelbarer Betroffenheit in subjektiven Rech­ ten de lege lata über keine durchsetzbaren Klagerechte verfügen. Hierauf wurde anhand des Referenzgebiets des Arzneimittelrechts eingegangen. Ein im Ergebnis ganz ähnlicher Befund ergibt sich für die Entscheidungen Be­ nannter Stellen, für deren gerichtliche Überprüfung der Zivilrechtsweg eröff­ net ist. Folgerichtig sind etwaige Klagemöglichkeiten gegenüber (Sach-) Entscheidungen verwaltungsexterner sachverständiger Stellen in Stoff- und Produktzulassungsverfahren insgesamt weitgehend den jeweiligen Antrag­ stellern der Zulassungsverfahren vorbehalten. Dieser Befund soll zum Ende der Untersuchung noch einmal unter dem Aspekt der Präventionsfunktion gerichtlicher Klagemöglichkeiten vertieft werden.

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen Bislang wurde lediglich auf die Tätigkeit solcher sachverständiger Stellen eingegangen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren formal-rechtlich eine Beratungsfunktion einnehmen oder aber mit originären Sachentscheidungskompetenzen im Hinblick auf die (gesamte) gegenüber dem Antragsteller ergehende Zulassungsentscheidung ausgestattet sind. Indes lassen sich weitere sachverständige Stellen identifizieren, die keinen der genannten Aufgabentypen in Reinform erfüllen, sondern deren Aufgabe vor allem darin besteht, im Zulassungsverfahren auf die Wahrung bestimmter, ihnen speziell zugewiesener Belange hinzuwirken. Angesprochen ist damit die – freilich nur hier als solche gebildete und bezeichnete – Unter­ suchungsgruppe der belangwahrenden sachverständigen Stellen, für die ebenfalls zunächst die Auswahl der Referenzgebiete näher begründet wird (A.) und die sodann im Einzelnen näher betrachtet werden (B.–D.)

A. Zur Auswahl der Referenzgebiete Wie bereits bei den oben betrachteten Untersuchungsgruppen soll auch für die Gruppe der belangwahrenden sachverständigen Stellen durch die Aus­ wahl der Referenzgebiete eine große Bandbreite typischer Regelungsstruktu­ ren und Problemfelder aufgezeigt und betrachtet werden. Insoweit ergeben sich nahezu zwangsläufig Überschneidungen zu den verwaltungsberatenden bzw. entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen, da der Aufgabentyp der „Belangwahrung“ als solcher weder im allgemeinen Verwaltungsrecht noch im Fachrecht gesetzlich vertypt ist. Dies wird vorliegend jedoch in Kauf genommen, liegt der Untersuchung doch gerade die Arbeitsthese zu­ grunde, dass sich bei der hoheitlichen Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren losgelöst von der Rechtsform und konkreten Aufgabenstellung häufig sehr ähnliche Frage- und Problemstellungen ergeben, die einer übergeordneten Lösung zugeführt werden können.1 Um insoweit eine möglichst große Bandbreite der im Fachrecht für die Tätigkeit belangwahrender sachverständiger Stellen vorhandenen Organisations- und Verfahrensstrukturen abzubilden, wird zum einen anhand eines Referenzgebiets die Beteiligung einer Behörde im orga­ 1  Zu

diesem Ansatz der Untersuchung siehe oben § 1 A.



A. Zur Auswahl der Referenzgebiete261

nisationsrechtlichen Sinne betrachtet. Zum anderen wird jeweils eine Kon­ stellation untersucht, in der ein privatrechtlich organisierter Verband sowie ein pluralistisch besetztes Expertengremium mit dem Ziel der Wahrnehmung spezifischer Belange in naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulas­ sungsverfahren hoheitlich eingebunden werden. Als Referenzgebiet für die belangwahrende Arbeit von Behörden im orga­ nisationsrechtlichen Sinne wird in Anknüpfung an die bereits erfolgte Unter­ suchung der Rolle der Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS)2 im luftfahrt­ internen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben an Land nunmehr die Rolle des in jenem Prüfverfahren federführenden Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) in den Blick genommen. Anhand der Betrachtung der Tätigkeit des BAF sollen typische Regelungsstrukturen der Verfahrensbeteiligung von Fachbehörden in außen­ wirksamen Zulassungsverfahren aufgezeigt und hiermit einhergehende Pro­ blemstellungen herausgearbeitet werden.3 Wie die Untersuchung zeigen wird, wirft die Tätigkeit des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben allgemeine verwaltungsrechtliche Fragen auf. Dies betrifft etwa die Unabhängigkeit von in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren regelmä­ ßig obligatorisch zu beteiligenden Fachbehörden,4 der Geltung etwaiger Verfahrens- und Formvorschriften für behördliche Mitwirkungsakte mit blo­ ßer Verwaltungsbinnenwirkung5 sowie deren verwaltungsprozessuale Gel­ tendmachung bzw. Durchsetzung qua klagefähiger Rechtsposition des jewei­ ligen Rechtsträgers.6 Indes setzt der Staat für die Wahrung spezifischer Allgemeinwohlbelange in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht al­ 2  Dazu

insgesamt oben § 3 D. Behördenbeteiligung in Zulassungsverfahren dient allgemein dem Zweck, alle für die Entscheidung der federführenden Behörde bedeutsamen öffentlichen Inte­ ressen zur Geltung zu bringen, siehe aus der Rechtsprechung etwa BVerwG, NVwZ 1999, 876. 4  Im Schrifttum wird die Auffassung vertreten, die Beteiligung von Fachbehör­ den in Zulassungsverfahren für komplexe Vorhaben werfe kraft fachlicher Autorität in der Praxis keine Neutralitätsprobleme auf, siehe Gaentzsch, FS Sellner, S. 219 (230); Waechter, VVDStRL 72 (2013), 499 (511) (dort Fn. 52); für die Ebene des Verwal­ tungsprozesses siehe ferner Guckelberger, VerwArch 108 (2017), 143 (155). 5  Zu diesem bereits im Zusammenhang mit der Rolle der DFS (§ 3  D. III. 1.) an­ gedeuteten Problem siehe allgemein Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  248 ff., 788 f. 6  Diese Problematik kann und soll vorliegend nur im Kontext des hiesigen Unter­ suchungsgegenstands behandelt werden. Zu den verschiedenen Prozesskonstella­tionen und den Problemen der Zuerkennung von subjektiven Rechte zu Gunsten von Ho­ heitsträgern siehe umfassend Bartsch, Staat gegen Staat, S. 19 ff., 258 ff. 3  Die

262

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

lein auf die Beteiligung von Fachbehörden, sondern auch auf die Aktivie­ rung des in der Zivilgesellschaft vorhandenen Sachverstands. Gerade durch die Einbindung anerkannter Umwelt- und Naturschutzverbände in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren greift der Staat ge­ zielt auf „interessierten Sachverstand“ aus der Zivilgesellschaft zu.7 Insbe­ sondere in Zulassungsverfahren für Anlagen und Infrastrukturvorhaben kommt der Verfahrenstätigkeit von Verbänden praktisch eine erhebliche Be­ deutung zu. Während der rechtswissenschaftliche Fokus der Verbandsbetei­ ligung und -klage schwerpunktmäßig auf der Verwaltungskontroll- und Rechtsdurchsetzungsfunktion liegt,8 beschreibt das Bundesverwaltungsge­ richt in ständiger Rechtsprechung die anerkannten Naturschutzverbände9 auch als „Quasi-­ Verwaltungshelfer“, die ihren spezifischen Umwelt- und Naturschutzsachverstand zur Vorbereitung der außenwirksamen Verwal­ tungsentscheidung in das behördliche Zulassungsverfahren einbringen sol­ len.10 Diese vom Bundesverwaltungsgericht gewählte Beschreibung hat im Zuge der Novellierung des Rechtsschutzsystems im Umweltrecht nunmehr auch der Gesetzgeber für die Charakterisierung der Verfahrenstätigkeit aner­ kannter Umweltverbände verwendet.11 Vor diesem Hintergrund soll vorlie­ gend auf die vornehmlich durch das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) geregelte Tätigkeit anerkannter Umweltverbände im Kontext des hier ver­ folgten Untersuchungsziels näher eingegangen werden. Als konkretes Refe­ renzgebiet für die belangwahrende Tätigkeit von Umweltverbänden dient vorliegend ihre Mitwirkung im P ­ lanfeststellungsverfahren für Bundesfern­ straßen (§§ 17 ff. FStrG),12 das im Hinblick auf die Verfahrensbeteiligung von Verbänden zum einen besonders typische Regelungsstrukturen aufweist und zum anderen von erheblicher praktischer Relevanz ist. Planfeststellungs­ beschlüsse für (Bundes-)Fern­straßen sind vergleichsweise häufig Gegenstand

in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 32. dem kaum mehr zu überblickendem Schrifttum siehe für die Ebene des Verwaltungsverfahrens hier nur Siegel, NVwZ 2016, 337 ff.; Wilrich, Verbandsbeteili­ gung im Umweltrecht, S. 180 ff.; vgl. ferner Ziekow Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, D 72 ff. Zur Verbandsklage siehe statt vieler Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 41 ff.; Heß, ZUR 2018, 686 ff.; Koch, NVwZ 2007, 369 ff.; Seibert, NVwZ 2013, 1040 ff.; Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, S.  161 ff. 9  Siehe für diese die Bestimmungen der §§ 63, 64 BNatSchG. 10  BVerwGE 102, 358 (361); 105, 348 (350); 147, 118 (125); 152, 10 (18). 11  Zur Bezeichnung anerkannter Umweltverbände als „Quasi-Verwaltungshelfer“ siehe BT-Drs. 18/9526, S. 47; ferner Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 407. 12  Zum Vorrang des Rechtsregimes des UmwRG gegenüber dem Naturschutz­ recht bei Planfeststellungsentscheidungen siehe § 1 Abs. 3 UmwRG. 7  Voßkuhle, 8  Aus



A. Zur Auswahl der Referenzgebiete263

von Umweltverbandsklagen,13 wodurch die Frage nach dem Gehalt und den Konturen der anerkannten Umweltverbänden zugeordneten Funktion als „Quasi-Verwaltungshelfer“ aufgeworfen ist. Auf diese Problematik wird im Rahmen der Untersuchung vertieft einzugehen sein. Als Referenzgebiet für die Tätigkeit belangwahrender Expertengremien mit pluralistischer Besetzung wird vorliegend die Mitwirkung von EthikKommissionen im Genehmigungsverfahren für die klinische Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen (§§ 40 ff. AMG) in die Untersuchung einbezo­ gen.14 Die Aufgabe von Ethik-Kommissionen bei der Zulassung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln besteht darin, als „Patientenschutzinstitution[en] mit Behördencharakter“15 neben ethischen vor allem auch medizinfachliche und rechtliche Fragestellungen zu beantworten.16 Hierbei werden sie nicht lediglich als verwaltungsberatende sachverständige Stellen tätig, sondern nehmen die ihnen zugewiesenen Belange außenverantwortlich und selbst­ ständig wahr. Diese besondere Form ihrer hoheitlichen Einbindung macht im Arzneimittelrecht tätige Ethik-Kommissionen „zu eigentümlich schillernden Akteuren mit standes- wie hoheitsrechtlichen Zügen […], deren Atypizität zahlreiche Rechtsfragen aufwirft.“17 Grundsätzlich werden Ethik-Kommis­ 13  Nach Schmidt/Zschiesche (Die Klagetätigkeit der Umweltschutzverbände im Zeitraum von 2013 bis 2016, S. 20 u. 22) haben anerkannte Umweltverbände im Zeit­ raum von 2007 bis 2012 etwa gegen 40 und im Zeitraum von 2013 bis 2016 gegen insgesamt 17 für Straßenbauvorhaben erteilte Planfeststellungsbeschlüsse Klage erho­ ben. Laut dieser Untersuchung bildeten im Bereich der Planfeststellung Verbandskla­ gen gegen Zulassungsentscheidungen für Straßenbauvorhaben den Schwerpunkt der Klagetätigkeit, wobei die Autoren nicht zwischen nach Bundesrecht zuzulassenden Fernstraßenvorhaben und nach Landesrecht zuzulassenden sonstigen Straßenbauvor­ haben differenzieren. Auffällig ist, dass der in der Studie ausgewiesene Anteil der gegen Planfeststellungsentscheidungen erhobenen Verbandsklagen (24, 7 %) deutlich unter dem auf immissionsschutzrechtliche Zulassungsentscheidungen entfallenden Anteil liegt (35, 3 %). Diesen Befund wird man nicht zuletzt auf den gesteigerten fi­ nanziellen und personellen Ressourcenaufwand zurückführen können, den anerkannte Umweltverbände bei Klagen gegen Planfeststellungsentscheidungen bewältigen müs­ sen, vgl. insoweit auch Schmidt/Zschiesche, Die Klagetätigkeit der Umweltschutzver­ bände im Zeitraum von 2013 bis 2016, S. 22. 14  Nach § 4 Abs. 23 S. 1 AMG bezeichnet der Begriff der klinischen Prüfung bei Menschen jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen. 15  BT-Drs. 15/2109, S. 32 (für die Ethik-Kommissionen im Genehmigungsver­ fahren für die klinische Prüfung von Arzneimitteln). 16  Aus diesem Grund spricht sich Sobota, AöR 121 (1996), 229 (253, 259) für eine vom Gesetzgeber vorzunehmende Umbenennung der Ethik-Kommissionen aus. 17  Graf von Kielmansegg, Die Verwaltung 43 (2010), 195 (196).

264

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

sionen auch in anderen Zulassungsverfahren des Pharma- und Medizinrechts hoheitlich eingebunden.18 Der konkrete Zuschnitt ihres jeweiligen Prüfauf­ trags hängt von den bereichsspezifischen Modalitäten des betreffenden Rechtsgebiets ab. Da der wohl größte Anteil der administrativen Tätigkeit von Ethik-Kommissionen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren jedoch auf das Genehmigungsverfahren für die klinische Prüfung von Arzneimitteln entfällt,19 ist dieses Referenzgebiet durch das rechtswissenschaftliche Schrifttum besonders gut erschlossen und hält somit auch für die vorliegende Untersuchung reichlich Anschauungs- und Erkennt­ nismaterial bereit.

B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) im Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben Als erstes Referenzgebiet für die Untersuchungsgruppe der belangwahren­ den sachverständigen Stellen ist auf die Tätigkeit des Bundesaufsichtsamts für Flugsicherung (BAF) im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einzugehen, das im Zuge der ab dem Jahr 2011 politisch ­forcierten Energiewende vor allem im Zusammenhang mit dem Zubau neuer Windenergieanlagen an Land20 besondere praktische Relevanz erlangt hat.21 Anknüpfend an die insoweit bereits näher betrachtete Rolle der Deut­ schen Flugsicherung GmbH (DFS)22 ist nunmehr auf die auf zweiter Stufe 18  Siehe

etwa § 22 MPG; § 36 StrlSchG. die Leistungsbilanzen öffentlich-rechtlicher Ethik-Kommissionen bei Rittner, Rechtsmedizin 2007, 225 (227); ferner die Angaben bei von Dewitz/Luft/ Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 39 ff. Zum Über­ wiegen des Anteils der Arzneimittelprüfungen vgl. auch Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengremien im Licht des öffentlichen Rechts, S. 439 f., 484. 20  Auf das Planfeststellungverfahren für Windenergieanlagen, die auf See zuge­ lassen werden sollen (§§ 44 ff. WindSeeG), wird auch im Rahmen der Untersuchung der Rolle des BAF nicht eingegangen. 21  Siehe allgemein zu diesem Problemkreis Battis/von der Groeben, ZNER 2015, 107 f.; Brandt, ER 2015, 181 ff.; ders., in: Thiele/Brandt (Hrsg.), Aktuelle Herausfor­ derungen der Windenergienutzung, S. 1 ff.; Falke/Sittig, REE 2014, 76 ff.; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 ff.; Federwisch/Schmitz, ZfBR 2015, 542 ff.; Fülbier, ZUR 2015, 432 ff.; Giemulla/Kortas, ZLW 2014, 373 ff.; von der Groeben/Kindler, ZfBR 2015, 337 ff.; Hendler, ZNER 2015, 501 ff.; Kämper, in: Ziekow (Hrsg.), Aktu­ elle Probleme des Luftverkehrsrechts-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2012, S.  27 (35 ff.); Kindler, NVwZ 2016, 1459 ff.; Kümper, NJW 2016, 2924 ff.; ders., ZfBR 2016, 739 ff.; Meyer/Wysk, NVwZ 2013, 319 ff.; Nickel, UPR 2016, 405 ff.; Sittig/Falke, ER 2015, 17 ff.; Sittig-Behm, ER 2016, 202 ff. 22  Siehe hierzu im Einzelnen oben § 3 D. I–V. 19  Siehe



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)265

des luftfahrtinternen Prüfverfahrens i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG angesie­ delte Verfahrenstätigkeit des BAF bei der Zulassung von Windenergievorha­ ben einzugehen. Wie schon in den vorangehend betrachteten Referenzgebie­ ten folgt die Untersuchung der eingangs entwickelten Prüfstruktur.23

I. Rechtlicher Rahmen Für die Zulassung von Windenergieanlagen, die gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 BImSchG i. V. m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV i. V. m. Anhang 1 Nr. 1.6 der 4. BImSchV einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung (BImSchG-Ge­ nehmigung) bedürfen,24 hat die zuständige Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG bzw. § 19 Abs. 2 BImSchG25 die Stellungnah­ men derjenigen Fachbehörden einzuholen, deren Aufgabenbereiche durch das Vorhaben berührt werden. Berührt ein zur Genehmigung gestelltes Wind­ energievorhaben Belange der zivilen Flugsicherung, hat die zuständige BImSchG-Genehmigungsbehörde nach § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG das insoweit in seinem Aufgabenbereich berührte BAF zur Abgabe einer Stellungnahme aufzufordern. Das BAF trifft im luft­ fahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auf Grundlage der gutachtlichen26 Stellungnahme der Flugsicherungsorganisation – dies ist wie dargelegt regelmäßig die DFS27 – eine Entscheidung, ob ein geplantes Bauvorhaben zu einer Störung der betroffenen Flugsicherungseinrichtung führen kann. Diese Entscheidung hat das BAF gemäß § 18a Abs. 1 S. 3 Alt. 1 LuftVG der zuständigen BImSchG-Genehmigungsbehörde mitzuteilen,28 die sodann im Außenverhältnis zum Antragsteller über dessen Antrag auf Zulassung des zur Genehmigung gestellten Windenergievorhabens entschei­ det.

23  Siehe

oben § 2 D. im Folgenden wird mangels Relevanz für das Erkenntnisinteresse der vor­ liegenden Untersuchung nicht zwischen „echten“ Neugenehmigungen und Re­ powering unterschieden. 25  § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG gilt gemäß § 19 Abs. 2 BImSchG auch im verein­ fachten Genehmigungsverfahren. Auf die gesonderte Erwähnung des § 19 Abs. 2 BImSchG wird daher nachfolgend verzichtet. 26  Auch im Folgenden wird wiederum an die gesetzliche Terminologie des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG angeknüpft. 27  Zum Einbindungsmodus der DFS siehe oben § 3 D. II. 28  Die Konstellation des „genehmigungsfreien“ Bauwerks (§  18a Abs. 1 S. 3 Alt. 2 LuftVG) bleibt nachfolgend wiederum außer Betracht. 24  Auch

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

II. Einbindungsmodus Für die Beteiligung von Fachbehörden in einem von einer anderen Be­ hörde federführend geleiteten naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren gilt grundsätzlich ein – je nach Zählweise – zwei- bzw. dreiaktiger Einbindungsmodus aus Einrichtung der zu beteiligenden Fach­ behörde, der abstrakten Zuweisung der von ihr wahrzunehmenden Aufgaben bzw. Belange sowie ihrer Verfahrensbeteiligung im konkreten Einzelfall.29 Exemplarisch verdeutlichen lässt sich dieser Einbindungsmodus am Bei­ spiel des BAF. Das im Jahr 200930 gegründete BAF ist eine beim Bundesmi­ nisterium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) errichtete, dessen Rechts- und Fachaufsicht unterliegende Bundesoberbehörde.31 Die verfas­ sungsrechtliche Grundlage für die Errichtung des BAF findet sich in Art. 87d Abs. 1 S. 1 GG, der für die Luftverkehrsverwaltung eine grundsätzliche32 Verbandskompetenz des Bundes begründet. Die Organisationsstruktur und der Aufgabenbereich des BAF gehen in wesentlichen Teilen auf Vorgaben des Unionsrechts zurück,33 welches eine funktionelle Trennung zwischen der 29  Die der eigentlichen Verfahrensbeteiligung notwendig vorhergehenden Stufen der Errichtung einer Behörde und der Zuweisung ihrer Aufgaben werden häufig nicht näher erwähnt, vgl. etwa Siegel, Die Verfahrensbeteiligung von Behörden und ande­ ren Trägern öffentlicher Belange, S. 101. 30  „Gesetz zur Errichtung eines Bundesaufsichtsamtes für Flugsicherung und zur Änderung und Anpassung weiterer Vorschriften“ vom 29.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2424). 31  § 1 Abs. 2 S. 1 u. 2 des „Gesetzes über die Errichtung des Bundesaufsichtsam­ tes für Flugsicherung“ (BAFG) vom 29.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2424), zuletzt ge­ ändert durch Verordnung vom 31.08.2015 (BGBl. I 2015, S. 1474). 32  Zur Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben auf die Länder siehe Art. 87 Abs. 2 GG. 33  Maßgeblich sind insoweit die vom Europäischen Parlament und vom Rat zur europaweiten Verbesserung der Leistungen des Flugverkehrsmanagements und der Flugsicherungsdienste verabschiedeten Single-European-Sky- Verordnungen (SESVerordnungen). Durch das insgesamt vier Verordnungen umfassende SES-Regelungs­ paket (Verordnung (EG) Nr. 549/2000 vom 31.03.2004 (ABl. Nr. L 96/1), Verordnung (EG) Nr. 550/2000 vom 31.03.2004 (ABl. Nr. L 96/10), Verordnung (EG) Nr. 551/2000 vom 31.03.2004 (ABl. Nr. L 96/20) und Verordnung (EG) Nr. 552/2000 vom 31.03.2004 (ABl. Nr. L 96/26) wurde die Grundlage für eine neue europaweite Luft­ raumarchitektur geschaffen. Hiernach müssen die Mitgliedstaaten öffentliche oder private (vgl. die Begriffsbestimmung in Art. 2 Abs. 5 Verordnung (EG) Nr. 549/2004) Flugsicherungsorganisationen mit der Erbringung der Flugsicherungsdienste betrauen, während den nationalen Aufsichtsbehörden im Wesentlichen die Aufgaben der Zerti­ fizierung (vgl. Art. 7 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) Nr. 550/2004) und Überwachung (vgl. Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 550/2004) der Flugsicherungsorganisationen zu übertragen sind (vgl. Art. 2 Abs. 1 Verordnung (EG) Nr. 550/2004). Hinter dieser verpflichtenden Trennung zwischen Betrieb und Aufsicht stand die Erwägung, dass



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)267

für die Flugsicherung zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde und den Flugsicherungsorganisationen verlangt.34 In Deutschland ist als einzige Flug­ sicherungsorganisation die DFS umfassend35 mit der Erbringung von Flugsi­ cherungsdiensten betraut,36 während dem BAF für den Bereich der Flugsi­ cherung die Aufgabe der nationalen Aufsichtsbehörde zugewiesen ist.37 Zum Aufgabenbereich des BAF gehört u. a. nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG die einzelfallbezogene Entscheidung, ob durch die Errichtung eines geplanten Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können. Ob das BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren zu beteiligen ist, richtet sich gemäß § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG und § 11 S. 1 der 9. BImSchV nach der Berührung des BAF im eigenen Aufgabenbereich durch das zur Zulassung gestellte Vorhaben. Beide genannten Vorschriften stellen eine fachgesetzliche Konkretisierung der allgemeinen Amtshilfepflicht nach den §§ 4 ff. VwVfG dar.38 Die in § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG und § 11 S. 1 der 9. BImSchV statu­ ierte, für das nationale Recht typische39 Anknüpfung der Beteiligungspflicht an die Betroffenheit im behördlichen Aufgabenbereich dient allgemein dem Zweck, einerseits etwaige aus einer gesetzlich angeordneten Konzentrations­ wirkung eines Zulassungsverfahrens herrührenden Verluste von behördlichen Entscheidungskompetenzen bzw. Einflussmöglichkeiten zu kompensieren40 und andererseits die bei den zu beteiligenden Fachbehörden vorhandene Ex­ pertise in die im Außenverhältnis zu erlassende Zulassungsentscheidung ef­ fektiv einzubringen.41 Gleichzeitig soll durch die Pflicht zur Beteiligung der lediglich im eigenen Aufgabenbereich berührten Behörden eine Einbeziehung von nicht betroffenen und insofern lediglich „interessierten“ Behörden verhin­

nur so die Einhaltung der europarechtlichen Vorgaben zur Erreichung eines einheit­ lichen europäischen Luftraums gewährleistet werden kann, vgl. Erwägungsgründe 9 bis 11 der Verordnung (EG) Nr. 549/2004. 34  Art. 4 Abs. 2 S. 2 Verordnung (EG) Nr. 549/2004. 35  Neben der DFS existieren freilich weitere vom BAF beaufsichtigte Flugsiche­ rungsorganisationen, deren Aufgabenspektrum freilich eingeschränkt ist. Für einen Überblick zu den betreffenden Flugsicherungsorganisationen siehe https://www.baf. bund.de/DE/Themen/Flugsicherungsorga/flugsicherungsorga_node.html (zuletzt abge­ rufen am 07.08.2019). 36  § 31b Abs. 1 LuftVG i. V. m. § 27c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LuftVG i. V. m. § 1 FSAuftragsV. 37  Zum Aufgabenbereich des BAF siehe allgemein § 1 Abs. 3 BAFG. 38  Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, § 10 Rn. 97. 39  Ganz ähnliche Vorschriften enthalten beispielsweise § 7 Abs. 4 S. 1 AtG; § 10 Abs. 7 S. 5 GenTG; § 22 Abs. 1 Nr. 1 NABEG oder § 73 Abs. 2 VwVfG. 40  Siehe etwa § 13 BImSchG; § 75 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 VwVfG. 41  Zu den verfolgten Beteiligungszwecken siehe umfassend Siegel, Die Verfah­ rensbeteiligung von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange, S. 64 ff.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

dert werden.42 Da das Fachrecht den Kreis der einzubeziehenden Behörden typischerweise nicht abschließend festlegt, steht der federführenden Behörde bei der Bestimmung der im Einzelfall zu beteiligenden Behörden ein gewisser Ermessensspielraum zu.43 Wie sich aus § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 der 9. BImSchV weitergehend ergibt, hat die federführende Behörde den in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden nicht nur die Möglichkeit zu eröffnen, sich aus eigener Initiative in das Zulassungsverfahren einzubringen. Vielmehr hat die zuständige BImSchG-Genehmigungsbehörde die im eigenen Aufgabenbereich betroffenen Behörden aktiv zur Abgabe von Stellungnah­ men aufzufordern. Hierin liegt ein Unterschied zur Beteiligung der Öffentlich­ keit einschließlich der Umwelt- und Naturschutzverbände.44 Letztere sind zwar von der zuständigen Behörde über das zur Zulassung gestellte Vorhaben zu unterrichten, werden aber von dieser nicht aktiv zur Abgabe von Stellung­ nahmen und Einwendungen aufgefordert.45 Neben diesen allgemeinen Modalitäten bestimmt § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV ergänzend eine Pflicht der BImSchG-Genehmigungsbehörde, den Antragstel­ ler nach Feststellung der Vollständigkeit der Antragsunterlagen u. a. über die voraussichtlich zu beteiligenden Behörden zu unterrichten. Durch diese vor­ nehmlich der Verfahrensbeschleunigung dienende Vorschrift46 wird gegenüber dem Antragsteller der Kreis der durch das Vorhaben voraussichtlich in ihren Aufgabenbereich berührten und daher zu beteiligenden Behörden publik.47

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Ebenso wie für die Untersuchungsgruppen der verwaltungsberatenden und entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen lässt sich auch bei belang­ wahrenden sachverständigen Stellen wie dem BAF nach der abstrakt-organi­ satorischen Gewährleistung ihrer Fachkompetenz und Unabhängigkeit fra­ gen.

42  Die Betonung der Betroffenheit im behördlichen Aufgabenbereich ist insoweit deklaratorischer Natur, siehe Siegel, Die Verfahrensbeteiligung von Behörden und anderen Trägern öffentlicher Belange, S. 105. 43  Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, § 10 Rn. 106. 44  Zum Einbindungsmodus der anerkannten Umweltverbände siehe unten § 5 C. II. 45  Quaas, Die Behördenpräklusion, S. 46. 46  Zum Regelungszweck vgl. BR-Drs. 494/91, S. 49. 47  Die von Amts wegen zu treffende Mitteilung der BImSchG-Genehmigungsbe­ hörde verschafft dem Antragsteller allerdings keinen Anspruch darauf, dass nicht noch weitere Behörden in das BImSchG-Genehmigungsverfahren eingebunden wer­ den, siehe Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 9. BImSchV, § 7 Rn. 12.



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)269

1. Fachkompetenz Bereits im Zuge der Untersuchung der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben wurde dargelegt, dass die institutionelle Fachkompetenz von Behörden nicht durch geschriebene An­ forderungen im kodifizierten Recht, sondern durch Einrichtung, Organisation und Ausstattung (Personal, Technik) gewährleistet wird. Auch die indivi­ duelle Fachkompetenz der für die Behörden tätigen Amtswalter wird nicht durch spezifische Regelungen im einschlägigen Fachrecht, sondern durch die allgemeinen Vorgaben des Beamtenrechts, des Rechts des öffentlichen Diens­ tes sowie des Hochschul- bzw. Ausbildungsrechts geregelt und im Übrigen durch fortlaufende Leitungsbeurteilungen des jeweiligen Dienstherrn ge­ währleistet, auf die hier nicht näher einzugehen ist.48 Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn Behörden in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht federführend und/oder mit Außenentscheidungskompetenzen betraut werden, sondern zur Wahrneh­ mung und Geltendmachung ihnen spezifisch zugewiesener Aufgaben und Belange berufen sind. Dies lässt sich in normativer Hinsicht beispielhaft an­ hand der für die Beteiligung des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren maßgeblichen Bestimmungen des § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV i. V. m. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG festmachen. Nach Maß­ gabe dieser Vorschriften hängt die Pflicht der federführenden BImSchG-Ge­ nehmigungsbehörde zur Einbindung des BAF allein von dessen Berührung im eigenen Aufgabenbereich, nicht aber von einem spezifischen Nachweis von dessen Fachkompetenz ab. Dies bedeutet, wie schon am Beispiel der Bundesnetzagentur dargelegt, freilich nicht, dass die Fachkompetenz von in ­Zulassungsverfahren zu beteiligenden Fachbehörden nicht auch aus Rechts­ gründen erforderlich ist.49 Ihre ausdrückliche Normierung im kodifizierten Recht wäre lediglich redundant, weil der Staat auch ohne entsprechende Regelungen im positiven Recht für eine angemessene Ausstattung der Behör­ den und für deren ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung Sorge zu tragen hat.50 Eine andere Frage ist, inwieweit sich aus der gesetzlichen Aufgabenzuwei­ sung und der an die Betroffenheit im eigenen Aufgabenbereich anknüpfenden Pflicht zur Beteiligung von Fachbehörden im Zulassungsverfahren eine Ver­ 48  Siehe insoweit die entsprechenden Ausführungen zur Fachkompetenz der Bundesnetzagentur oben § 4 B. III. 1. 49  Vgl. für die Bestellung von Fachbehörden als gerichtliche Sachverständige etwa Hegele, Die Bedeutung von Sachverständigengutachten für die richterliche Rechtskonkretisierung im Umweltschutz, S. 39 f. 50  Für eine insoweit aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) folgende Organisationspflicht des Staates plädiert Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aß­ mann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 15 Rn. 55.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

mutung ihrer besonderen Fachkompetenz ableiten lässt. Insbesondere die Rechtsprechung zieht diesen Schluss relativ häufig, wie verschiedene Bei­ spiele im Zusammenhang mit der Beteiligung von im eigenen Aufgaben­ bereich betroffenen Fachbehörden im BImSchG-Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen zeigen.51 Besonders deutlich wird dies am Beispiel des BAF, das aufgrund der bundesweit zu verzeichnenden Nutzungskonflikte zwischen zur Zulassung gestellten Windenergievorhaben und zivilen Flug­ sicherungseinrichtungen regelmäßig nach § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV i. V. m. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG als Fachbehörde im BImSchG-Genehmigungsverfahren zu beteiligen ist.52 Wie bereits im Zuge der Betrachtung der Gutachterrolle der DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG dargelegt, existiert für die Beurteilung der von Wind­ energieanlagen auf zivile Flugsicherungseinrichtungen53 ausgehenden Stör­ wirkungen keine fachwissenschaftlich gesicherte, allgemein anerkannte Be­ urteilungs- und Bewertungsmethode, deren Beherrschung und Anwendung das Recht den im Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen

51  Im Konflikt zwischen Windenergievorhaben und Wetterradarsystemen betont die Rechtsprechung, „dass die besondere fachliche Expertise der Mitarbeiter“ des Deutschen Wetterdienstes deren Aussagen im Rahmen der richterlichen Überzeu­ gungsbildung im Verwaltungsprozess jedenfalls „in tatsächlicher Hinsicht ein beson­ deres Gewicht verleiht“, BVerwGE 156, 136 (142); 156, 148 (156); OVG Koblenz, ZNER 2016, 77 (81); VGH München, BayVBl. 2016, 265 (269); zur Rolle der Bun­ desanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe als „bundesunmittelbare Körper­ schaft des öffentlichen Rechts mit besonderer Fachkompetenz“ im Nutzungskonflikt zwischen Windenergieanlagen und seismologischen Messstationen siehe VG Regens­ burg, Urteil vom 27.07.2017 – RO 7 K 15.1736 –, juris Rn. 35; ferner Urteil vom 27.07.2017 – RO 7 K 14.1558 –, juris, Rn. 13 u. 51. In eine ähnliche Richtung geht letztlich auch die Rechtsprechung zu Nutzungskonflikten zwischen Windenergieanla­ gen und Belangen der Landesverteidigung. Dort gestehen die Gerichte der Bundes­ wehr bei der Bewertung etwaiger von Windkraftanlagen ausgehenden Störwirkungen auf militärische Infrastruktureinrichtungen und Übungen einen verteidigungspoliti­ schen Beurteilungsspielraums zu, vgl. BVerwG, ZfBR 2007, 54 (55); OVG Koblenz, ZNER 2018, 155 (156); OVG Lüneburg, ZfBR 2017, 477 (478); VGH München, NuR 2014, 879 (880); VG Hannover, ZNER 2011, 90 (92). 52  Nach einer Umfrage des Bundesverbands WindEnergie (BWE), die vorliegend nicht auf Plausibilität bzw. Richtigkeit überprüft wurde, konnten im Jahr 2015 rund 2.300 Megawatt Windenergieleistung aufgrund befürchteter Störungen von zivilen Flugsicherungseinrichtungen (insbesondere Drehfunkfeuern) nicht realisiert werden, vgl. https://www.wind-energie.de/fileadmin/redaktion/dokumente/publikationen-oef fentlich/arbeitskreise/luftverkehr/20170727-hintergrundpapier-windenergie-luftver kehr-radar-aktualisert-ueberarbeitung-2017.pdf (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). Zum Vergleich: § 4 Nr. 1 lit. a) EEG legt den jährlichen Brutto-Ausbaupfad für Wind­ energieanlagen an Land für die Jahre 2017 bis 2019 auf eine installierte Leistung von 2.800 Megawatt fest. 53  Hierbei geht es insbesondere um sogenannte Drehfunkfeuer.



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)271

Stellen aufgeben könnte.54 Dies gilt auch im Hinblick auf das BAF, das im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Einzelfall zu entscheiden hat, ob ein geplantes Windenergievorhaben55 prognostisch eine Störung ziviler Flugsicherungseinrichtungen erwarten lässt. Insoweit bejaht die Rechtspre­ chung unter Verweis auf den im BAF gebündelten Sachverstand und den besonderen Erfahrungen, über die die Behörde aufgrund ihrer kontinuierli­ chen Befassung mit den Hintergründen des technischen Nutzungskonflikts verfügt, ein besonderes rechtliches und fachliches Gewicht der Entscheidun­ gen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG.56 Nicht zuletzt das Bundesverwaltungs­ gericht schlussfolgert aus der in § 18a Abs. 1 Abs. 2 LuftVG getroffenen Aufgabenzuweisung, dass das Gesetz den auf die Stellungnahmen der DFS gestützten Entscheidungen des BAF „zwar keine Richtigkeitsgewähr, wohl aber einen […] hervorgehobenen Stellenwert beimisst […].“57 Ob die Annahme einer solchen „Kompetenzvermutung“ überzeugen kann, hängt in Konstellationen, in denen es für die Beurteilung des behördlichen Vorgehens in fachlicher Hinsicht an wissenschaftlich gesicherten Erkenntnis­ sen und Methoden fehlt, maßgeblich von den weiteren organisations- und ver­ fahrensrechtlichen Modalitäten der behördlichen Entscheidungs- und Über­ zeugungsbildung ab. Hierauf ist im Folgenden am Beispiel des BAF einzuge­ hen. 2. Unabhängigkeit Ähnlich wie bei der im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. ­ ABEG mit der Verfahrensfederführung und Planfeststellungskompetenz N betrauten Bundesnetzagentur stellt sich auch bei Behörden, die in Zulas­ sungsverfahren aufgrund ihrer Betroffenheit im eigenen Aufgabenbereich verwaltungsintern zu beteiligen sind, die Frage nach ihrer Unabhängigkeit. Insoweit kann, wie bereits dargelegt, die Unabhängigkeit von Behörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren aufgrund der regelmäßig erhöhten, unmittelbaren Grundrechtsrelevanz ihrer Tätigkeit nicht im Sinne eine vollständigen Weisungsfreiheit verstanden werden,58 sondern ist vielmehr als ausschließliche Sachorientierung und Handlungs­ 54  Siehe

dazu am Beispiel der DFS ausführlich oben § 3 D. III. 1. Abs. 1 S. 2 LuftVG gilt ausweislich des Gesetzeswortlauts für sämtliche geplante Bauwerke. 56  OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (276); OVG Lüneburg, Beschluss vom 22.01.2015 – 12 ME 39/14 –, juris, Rn. 18. 57  BVerwGE 154, 377 (384). 58  Für die Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 2. 55  § 18a

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

rationalität zu interpretieren.59 Dies gilt auch für die lediglich verwaltungsin­ tern wirkende Tätigkeit des BAF, welches auf der Ebene des Verwaltungs­ verfahrens über Letztentscheidungskompetenzen60 verfügt und das mit seinen dem Schutz der Belange der zivilen Flugsicherung dienenden Entscheidungen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einerseits die Grundrechte von Flugpassa­ gieren (Leben, Gesundheit) schützt, andererseits jedoch bei der Erteilung ei­ nes Bauverbots in die Grundrechte bauwilliger Vorhabenträger (insbesondere das Eigentum) eingreift.61 Vor diesem Hintergrund kann eine Unabhängigkeit des BAF im Sinne eines „ministerialfreien Raums“ im luftfahrtinternen Prüf­ verfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG nicht gefordert sein. Generell wird im kodifizierten Recht das Gebot der Unabhängigkeit von in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu beteili­ genden Fachbehörden nicht ausdrücklich angesprochen. Einen rechtlichen Anhaltspunkt zur Bestimmung der Konturen der Unabhängigkeit von Betei­ ligungsbehörden bieten die Vorschriften, die für den Fall ihrer Berührung im eigenen Aufgabenbereich ihre obligatorische Beteiligung in das jeweilige Zulassungsverfahren anordnen. Weist der Gesetzgeber einer Fachbehörde die Wahrnehmung und Wahrung eines öffentlichen Belangs als „eigene“ Aufgabe zu und knüpft ihre Beteiligung im Zulassungsverfahren an ihre Betroffenheit im eigenen Aufgabenbereich (vgl. § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV i. V. m. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG), können die Grenzen zwischen der rechtlich zulässigen, besonders engagierten Verfolgung der zu­ gewiesenen Interessen und deren sachwidrigen Verselbstständigung zu einem institutionalisierten, von den Zwecken der Verfahrensbeteiligung nicht mehr gedeckten Eigeninteresse der Behörde im Einzelfall schwer zu bestimmen sein.62 Indes stellt die Rechtsordnung an die „institutionelle Parteilichkeit“63 von Behörden keine sanktionsbewehrten Rechtsfolgen, da diese eine mehr oder weniger unausweichliche Konsequenz staatlicher Verwaltungsorganisa­ tion ist. Nach ständiger Rechtsprechung ist der im Rechtsstaatsprinzip veran­ kerte Grundsatz, dass niemand „Richter in eigener Sache“ sein kann, auf die Tätigkeit der Verwaltung im Verwaltungsverfahren nicht anzuwenden.64 Wie 59  Zur Begriffsbildung siehe oben § 2 D. III. 2. Dies gilt jedenfalls im vorliegen­ den Untersuchungskontext, in dem etwa Fragen des Regulierungsrechts keine Rolle spielen. 60  Dazu unten B. IV. 2. a). 61  Vgl. zur Grundrechtsrelevanz der Entscheidungen des BAF i. S. d. §  18a Abs.  1 S. 2 LuftVG auch BVerwGE 154, 377 (380). 62  Dazu allgemein ausführlich Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 44 ff. 63  Statt vieler Held, Der Grundrechtsbezug des Verwaltungsverfahrens, S.  53 m. w. N. 64  BVerfGE 3, 377 (381 f.); BVerfG, NJW 2004, 1648; BVerwGE 25, 72 (77); 28, 1 (9 f.).



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)273

schon erwähnt,65 kennt die Rechtsordnung auch keine institutionelle Befan­ genheit von Behörden.66 Insbesondere die Rechtsprechung sieht die Sachori­ entierung und Handlungsrationalität von Behörden durch deren verfassungs­ unmittelbare Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), die für sie geltende Rechts- und Fachaufsicht, die organisatorische und personelle Trennung verschiedener Aufgabenbereiche sowie die dem Bürger auf der Grundlage von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eingeräumten Rechtsbehelfsmöglich­ keiten abgesichert.67 Diese vornehmlich an außenwirksames Verwaltungs­ handeln anknüpfenden Grundsätze gelten konsequenterweise auch dann, wenn Fachbehörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren aufgrund ihrer Berührung im eigenen Aufgabenbereich „in eigener Sache“ zur Abgabe verwaltungsinterner Stellungnahmen berufen sind. Eine andere Frage ist, inwieweit in Zulassungsverfahren mitwirkende Be­ hörden die Vorgaben der §§ 20, 21 VwVfG beachten müssen, wenn sie sich zur effektiven Wahrnehmung und Wahrung der ihnen zugewiesenen Belange ihrerseits der Unterstützung anderer sachverständiger Stellen bedienen.68 Ausgehend vom Gesetzeswortlaut („in einem Verwaltungsverfahren“) hängt die Anwendbarkeit der §§ 20, 21 VwVfG auf die Tätigkeit von in Verwal­ tungsverfahren mitwirkenden Behörden davon ab, ob deren Mitwirkungs­ handlungen zur „nach außen wirkenden Tätigkeit“ der verfahrensfederfüh­ renden Behörde i. S. d. § 9 VwVfG gehören und daher die internen Verfah­ renspflichten der §§ 20, 21 VwVfG auslösen. Nach wohl einhelliger Auffas­ sung zählen jedenfalls binnenrechtlich bindende Mitwirkungsakte anderer Behörden zur „nach außen wirkenden Tätigkeit“ i. S. d. § 9 VwVfG der fe­ derführenden Behörde.69 Folgt man dem, sind auf die Tätigkeit von in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu beteiligenden Fachbehörden, deren Beiträge für die außenwirksam handelnde Behörde verbindlich sind, die Vorschriften der §§ 20, 21 VwVfG unmittelbar bzw. analog anzuwenden. Eine solche verwaltungsinterne Rechtsverbindlichkeit wird von der herrschenden Meinung für die Entscheidungen des BAF i. S. d. 65  Für

die Bundesnetzagentur siehe oben B. III. 2; vgl. ferner oben § 3 D. III. 2. 153, 367 (372); BVerwG, NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71); NVwZ-RR 2018, 928 (929). Zu verschiedenen Konstellationen institutionel­ ler Befangenheit und etwaigen regulatorischen Möglichkeiten zu ihrer Einhegung siehe ausführlich Barbirz, Institutionelle Befangenheit, S. 172 ff. 67  Siehe etwa BVerwG, NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71). 68  Zur Anwendbarkeit der §§ 20, 21 VwVfG auf verwaltungsexterne Gutachter siehe oben § 3 B. III. 2. 69  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 9 Rn. 11a; Ritgen, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 9 Rn. 17; Sennekamp, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), § 9 Rn. 27; wohl auch Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 128. 66  BVerwGE

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

§ 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Verhältnis zur außenwirksam handelnden BImSchG-Genehmigungsbehörde angenommen.70 Daher muss das BAF im Fall seiner Beteiligung im BImSchG-Genehmigungsverfahren bei seiner Be­ auftragung der gutachtlich tätigen Flugsicherungsorganisation i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG die Mitwirkungsverbote der §§ 20, 21 VwVfG beachten. Insoweit wurde jedoch am Beispiel der DFS bereits ausgeführt,71 dass die §§ 20, 21 VwVfG nach wohl einhelliger Auffassung weder unmittelbar noch analog anzuwenden sind, wenn eine Person72 in einem Verwaltungsverfahren kraft Gesetz obligatorisch mitzuwirken hat.73 Eben dies ist bei der gutachtli­ chen Tätigkeit der Flugsicherungsorganisation i.  S.  d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, die in das außenwirksame BImSchG-Genehmigungsverfahren ein­ gebettet wird, gerade der Fall. Denn die Beauftragung „der“ Flugsicherungs­ organisation im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG steht nicht im Ermessen des BAF, sondern ist gesetzlich verbindlich vorge­ geben.74 Wie schon dargelegt,75 bittet das BAF in ständiger, vom Bundesver­ waltungsgericht76 unbeanstandet gebliebener Verwaltungspraxis stets dieje­ nige Flugsicherungsorganisation um Erstellung der gutachtlichen Stellung­ nahme i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, die die im Einzelfall durch ein Bauvorhaben „betroffene“ Flugsicherungseinrichtung betreibt und diese ge­ genüber dem BAF gemeldet hat.77 Dass die vom BAF infolgedessen regel­ mäßig78 um die Abgabe einer gutachtlichen Stellungnahme erbetene DFS im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zugleich Eigentümerin bzw. Betreiberin der durch ein Bauvorhaben möglicherweise gestörten Flugsiche­ rungseinrichtung ist, die sie zur Erbringung privatwirtschaftlicher Dienstleis­ 70  Dazu

unten B. IV. 2. a). insoweit oben § 3 D. III. 2. 72  Ob der Anwendungsbereich der §§ 20, 21 VwVfG in personeller Hinsicht auch für juristische Personen des Privatrechts eröffnet ist, ist (wohl) nicht abschlie­ ßend geklärt, kann hier aber dahinstehen. 73  BVerwG, NVwZ-RR 2014, 465 (468  f.); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 7a; ähnlich, aber unter Beschränkung auf die Bestimmung des § 20 VwVfG VGH Kassel, Urteil vom 30.11.2011 – 6 A 2903/09 –, juris, Rn. 101; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 25. 74  Meyer/Wysk, in: Grabherr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 52. 75  Zum diesbezüglichen Einbindungsmodus für die DFS siehe oben § 3 D. II. 76  Siehe insoweit BVerwGE 154, 377 (385). 77  Auskunft des BAF vom 08.10.2018 per E-Mail an den Verfasser. Zum Melde­ verfahren siehe § 18a Abs. 1a S. 2 LuftVG. 78  Nach einer für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung durchgeführten Erhebung wurden im Zeitraum vom 03.08.2009 (Tag der Gründung des BAF) bis zum 24.01.2017 (Zeitpunkt der Auskunft des BAF) ca. 97,7 % aller gutachtlichen Stellungnahmen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG durch die DFS erstellt, siehe dazu oben § 3 D. IV. 2. b). 71  Siehe



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)275

tungen im Bereich der Flugnavigation nutzt,79 ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts unbedenklich, da das BAF gegenüber der DFS über eine „übergeordnete Entscheidungskompetenz“80 verfüge und „als Behörde öffentlich-rechtlich organisiert“ sei.81 Damit leitet das Bundesver­ waltungsgericht offenbar aus der gesetzlichen Kompetenzverteilung und der Behördenstellung des BAF eine Vermutung zu Gunsten dessen Unabhängig­ keit ab, obschon das BAF im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gewissermaßen „sehenden Auges“ die Expertise der DFS beansprucht, die bei ihren gutachtlichen Stellungnahmen nicht frei von wirtschaftlichen Ei­ geninteressen agiert.82 Ob ein derartiger Vertrauensvorschuss in die Unabhängigkeit einer Fach­ behörde in Konstellationen wie der aufgezeigten unter dem Gesichtspunkt des bereits erwähnten Distanzgebots83 überzeugt, erscheint zweifelhaft, soll aber als wohl vornehmlich rechtspolitische Frage an dieser Stelle nicht ver­ tieft werden. Im Schrifttum wird allgemein gefordert, eine fehlende bzw. zweifelhafte Unabhängigkeit einer Behörde durch entsprechende Vorkehrun­ gen auf Ebene des Verwaltungsverfahrens zu kompensieren.84 Im Folgen­ den gilt es daher am Beispiel des BAF zu untersuchen, inwieweit durch das geltende Recht eine fehlende Unabhängigkeit von in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren zu beteiligenden Fachbehörden auf der Verfahrensebene ausgeglichen werden kann.

IV. Tätigkeit des BAF im Prüfverfahren Am Beispiel der DFS wurde bereits auf die erste Stufe des in das außen­ wirksame BImSchG-Genehmigungsverfahren eingebetteten luftfahrtinternen Prüfverfahrens des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG eingegangen. Nunmehr ist mit der Entscheidung des BAF die zweite Stufe des Prüfverfahrens des § 18a 79  § 27c

Abs. 2 S. 1 Nr. 3, S. 3 LuftVG. folgt das BAF nahezu immer den gutachtlichen Stellungnahmen der DFS, siehe oben § 3 D. IV. 2. b). 81  BVerwGE 154, 377 (385). 82  Letzteres räumt die DFS letztlich sogar selbst ein, siehe ihr Prozessvorbringen in den bereits oben erwähnten Entscheidungen des OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG Halle (Saale), Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 68; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11 –, juris, Rn. 22; VG Düsseldorf, Ur­ teil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 8. 83  Am Beispiel der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 2.; aus der jüngeren Rechtsprechung siehe BVerwG, LKV 2018, 69 (70). 84  Grundlegend Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungs­ aufgabe, S. 442 ff.; vgl. im Hinblick auf Verwaltungsentscheidungen „in eigener Sa­ che“ auch Korte, Die Verwaltung 51 (2018), 187 (195 f.). 80  Praktisch

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Abs. 1 S. 2 LuftVG zu untersuchen. Zunächst sind die verfahrensrechtlichen Modalitäten der Erstellung der luftfahrtinternen Entscheidung des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu betrachten, bevor sodann die Behandlung des Votums des BAF durch die BImSchG-Genehmigungsbehörde in den Blick genommen wird. 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme Wird das BAF aufgrund seiner Berührung im Aufgabenbereich i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im BImSchG-Genehmigungsverfahren als Fachbe­ hörde beteiligt, ist bezüglich der Erstellung seines Votums zwischen den für die Behördenbeteiligung im außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsver­ fahren geltenden Vorschriften auf der einen und den Modalitäten des luft­ fahrtinternen Prüfverfahrens i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auf der anderen Seite zu unterscheiden. Auf der Ebene des BImSchG-Genehmigungsverfahrens ergeben sich die für die Verfahrensbeteiligung des BAF maßgeblichen Vorgaben aus § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG85 sowie aus § 11 der 9. BImSchV. Nach Eingang des Antrags auf Genehmigungserteilung und Prüfung der Vollständigkeit der Unterlagen führt die federführende BImSchG-Genehmigungsbehörde u. a.86 die Behördenbeteiligung durch. Nach § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV fordert die BImSchG-Genehmigungsbehörde die Be­ hörden, deren Aufgabenbereiche durch das Vorhaben berührt werden, dazu auf, für ihren Zuständigkeitsbereich eine Stellungnahme innerhalb einer Frist von grundsätzlich87 einem Monat abzugeben.88 Ihrer regelmäßig schriftlich ergehenden Aufforderung hat die BImSchG-Genehmigungsbehörde den An­ trag sowie diejenigen Antragsunterlagen beizufügen, die für die Stellungnah­ men der in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden jeweils relevant sein können.89 Die Versendung der Unterlagen hat nach § 11 S. 2 der 9. BImSchV sternförmig90 an alle zu beteiligenden Behörden zu erfolgen. Erforderlichenfalls hat die BImSchG-Genehmigungsbehörde den zu beteili­ 85  Für das vereinfachte Genehmigungsverfahren gilt § 10 Abs. 5 BImSchG ent­ sprechend, vgl. § 19 Abs. 2 BImSchG. 86  Auf die parallel durchzuführende Öffentlichkeitsbeteiligung (§ 10 Abs. 3, 4 u. 6 BImSchG) ist vorliegend nicht einzugehen. 87  Im Einzelfall steht die Fristsetzung im pflichtgemäßen Ermessen der ­BImSchG-Genehmigungsbehörde, siehe dazu Dietlein, Landmann/Rohmer, Umwelt­ recht, Band IV, 9. BImSchV, § 11 Rn. 7. 88  § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV. 89  Dietlein, Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 9. BImSchV, § 11 Rn. 5. 90  Das bedeutet gleichzeitig, siehe Dietlein, Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 9. BImSchV, § 11 Rn. 5.



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)277

genden Fachbehörden die Antragsunterlagen mit der Bitte um Prüfung zu übermitteln, ob diese für die Abgabe einer Stellungnahme ausreichend sind oder einer Ergänzung bedürfen.91 Dabei sind der BImSchG-Genehmigungs­ behörde keine Möglichkeiten eingeräumt, die Abgabe von Stellungnahmen der zu beteiligenden Fachbehörden zu erzwingen.92 Hat eine beteiligte Be­ hörde jedoch bis zum Ablauf der Frist keine Stellungnahme abgegeben, so ist nach § 11 S. 3 der 9. BImSchV davon auszugehen, dass sie sich nicht äußern will. Kann die BImSchG-Genehmigungsbehörde indes nach ihrer Auffassung nicht auf die Stellungnahme einer beteiligten Behörde verzichten, hat sie nach erfolgloser Erinnerung gegebenenfalls die zuständige Aufsichtsbehörde einzuschalten.93 Die weiteren Details der durchzuführenden Behördenbeteili­ gung geben § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG bzw. § 11 der 9. BImSchV nicht vor, sondern ergeben sich zumindest in Teilen aus Verwaltungsvorschriften bzw. Leitfäden des jeweiligen Landesrechts. Generell haben die Fachbehörden die von ihnen zuzuliefernden Stellungnahmen auf ihren Aufgaben- und Zustän­ digkeitsbereich zu beschränken.94 Etwaige Divergenzen und Unklarheiten, etwa im Hinblick auf die übersandten Unterlagen, sind im Verhältnis zwi­ schen der beteiligten Fachbehörde und der BImSchG-Genehmigungsbehörde zu klären. Allein letzterer obliegt als „Herrin des Verfahrens“ das Handeln nach außen, beispielsweise die Nachforderung etwaiger fehlender Antrags­ unterlagen beim Antragsteller.95 Wird das BAF im außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahren als im Aufgabenbereich des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG berührte Fachbehörde von der BImSchG-Genehmigungsbehörde zur Abgabe einer Stellungnahme auf­ gefordert, hat es seinerseits im bereits erörterten96 luftfahrtinternen Prüfver­ fahren i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei „der“ Flugsicherungsorganisa­ tion – in der Regel der DFS97 – die Abgabe einer gutachtlichen Stellung­ nahme zu möglichen Störwirkungen des geplanten Bauvorhabens auf die betroffene Flugsicherungseinrichtung anzufordern. Auf der Grundlage der ihm von der Flugsicherungsorganisation vorgelegten gutachtlichen Stellung­ nahme entscheidet das BAF sodann gemäß § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, ob durch die Errichtung des Bauwerks Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können und leitet diese Entscheidung gemäß § 18a Abs. 1 S. 3 Alt. 1 Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 9. BImSchV, § 11 Rn. 6. Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 9. BImSchV, § 11 Rn. 7. 93  Dietlein, Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band IV, 9. BImSchV, § 11 Rn. 7. 94  Dietlein, Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, § 10 Rn. 109. 95  § 7 Abs. 1 S. 3 der 9. BImSchV; Dietlein, Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, § 10 Rn. 110. 96  Zum Verfahren der Fertigung der gutachtlichen Stellungnahme der DFS siehe oben § 3 D. IV. 1. 97  Siehe oben § 3 D. II u. D. IV. 2. b). 91  Dietlein, 92  Dietlein,

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

LuftVG an die im Außenverhältnis zuständige BImSchG-Genehmigungsbe­ hörde weiter. Sonstige Verfahrensanforderungen statuiert das Gesetz an die Tätigkeit des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG nicht.98 Als Konsequenz der Parallelität99 von Behörden- und Öf­ fentlichkeitsbeteiligung werden die Stellungnahmen des BAF auch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Fraglich ist, ob für Mitwirkungsakte von Behörden, die in einem von einer anderen Behörde federführend geleiteten Verwaltungsverfahren erbracht wer­ den, die allgemeinen Verfahrenspflichten und -rechte der §§ 20, 21, 24, 28 und 29 VwVfG gelten, wenn das Fachrecht – wie im insoweit typischen100 Fall der Beteiligung des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren – keine besonderen Verfahrens- und Formvorschriften vorgibt. Die genannten Vor­ schriften knüpfen allesamt an das Vorliegen eines Verwaltungsakts i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG an. Sie gelten folglich jedenfalls für behördliche Mitwir­ kungsakte, denen selbst Verwaltungsaktcharakter zukommt.101 Nicht einheit­ lich beurteilt wird die Anwendbarkeit der angeführten Bestimmungen hinge­ gen auf solche Mitwirkungsakte, die nicht als Verwaltungsakte, sondern als unselbstständige Mitwirkungshandlungen anderer Behörden zu qualifizieren sind. Nach herrschender Meinung gelten für unselbstständige Mitwirkungs­ akte anderer Behörden lediglich die internen Verfahrenspflichten der Unpar­ teilichkeit (§§ 20, 21 VwVfG)102 und Amtsermittlung (§ 24 VwVfG).103 Demgegenüber sollen die Verfahrensrechte des Beteiligten (§ 13 VwVfG) über die Anhörung (§ 28 VwVfG) und Akteneinsicht (§ 29 VwVfG) auf die 98  Nicht im Detail zu vertiefen sind hier die Abläufe des vorgelagerten Meldeund Veröffentlichungsverfahrens des § 18a Abs. 1a LuftVG. Über den – insoweit missverständlichen – Gesetzeswortlaut („Die Flugsicherungsorganisation“) hinaus gilt die Meldepflicht des § 18a Abs. 1a S. 2 LuftVG nicht nur für eine bestimmte Flug­ sicherungsorganisation (z. B. die DFS), sondern ist an jede Flugsicherungsorganisa­ tion gerichtet, die Flugsicherungseinrichtungen betreibt, siehe Meyer/Wysk, in: Grab­ herr/Reidt/Wysk, LuftVG, § 18a Rn. 67 f. 99  Siehe § 11 S. 1 der 9. BImSchV. 100  Als Beispiele aus dem Bundesrecht sind außerhalb des Fachplanungsrechts etwa § 7 Abs. 4 AtG, § 15 BBergG, §§ 10 Abs. 7 S. 5, 16 Abs. 4 GenTG i. V. m. § 9 GenTVfV, § 34 PflSchG, § 17 UVPG oder § 11 Abs. 2 WHG zu nennen. Als Bei­ spiele aus dem Fachplanungsrecht können neben der allgemeinen Bestimmung des § 73 Abs. 2 u. 3a VwVfG etwa § 18a AEG, § 17a FStrG, § 22 Abs. 2 NABEG oder § 14a WaStrG angeführt werden. 101  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 9 Rn. 11a; Ritgen, in: Knack/Hen­ neke (Hrsg.), VwVfG, § 9 Rn. 18; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 129. 102  Zu diesen siehe bereits oben B. III. 2. 103  Zu erwähnen ist hier auch die Vorschrift über die Geheimhaltung (§ 30 VwVfG), auf die es im hiesigen Untersuchungskontext nicht ankommt.



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)279

Tätigkeit der mitwirkenden Behörden keine Anwendung finden.104 Zur Be­ gründung wird angeführt, aus verfahrensökonomischen Erwägungen müsse die diesbezügliche Kommunikation ausschließlich der federführenden Be­ hörde als „Herrin des Verfahrens“ vorbehalten bleiben, die insoweit als ­verfahrensrechtliches Bindeglied zwischen Bürger und Mitwirkungsbehörde fungiere und insofern die alleinige Adressatin der Verfahrensrechte des Be­ troffenen sei. Vorbehaltlich besonderer Bestimmungen im Fachrecht wird eine Anhörung des Betroffenen daher überwiegend erst vor Erlass des belas­ tenden Verwaltungsakts105 im Außenverhältnis, nicht hingegen schon im Zuge der Erstellung einer Stellungnahme einer lediglich verwaltungsintern mitwirkenden Fachbehörde gefordert.106 Im Übrigen gelten nach der oberge­ richtlichen Rechtsprechung auch die Begründungsanforderungen des § 39 VwVfG nicht für lediglich verwaltungsintern wirkende Mitwirkungsakte von Behörden und Stellen.107 Diese ausschließliche Anknüpfung von Anhörungs-, Akteneinsichts- und Begründungspflichten an den im Außenverhältnis zum Bürger ergehenden 104  Ritgen, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 9 Rn. 17; Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 128; Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 28 Rn. 91; Sennekamp, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), § 9 Rn. 27; Ule/Laubinger, Verwal­ tungsverfahrensrecht, § 19 Rn. 10; a. A. Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfah­ ren, Rn.  788 f.; Lange, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Schuppert (Hrsg.), Re­ form des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 307 (314); Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 9 Rn. 11b. 105  Ob die Zurückweisung eines Zulassungsantrags als belastender Verwaltungs­ akt zu qualifizieren ist, der die Anhörungspflicht des § 28 Abs. 1 VwVfG auslöst, ist umstritten und wird insbesondere von der Rechtsprechung verneint, siehe etwa BVer­ wGE 66, 184 (186); VGH Mannheim, NVwZ 1994, 919; OVG Greifswald, Urteil vom 23.06.2014 – 3 M 58/14 –, juris, Rn. 6. In der Verwaltungspraxis stellt sich die Problematik jedoch nicht, da die außenentscheidungsbefugten Behörden den Antrag­ steller regelmäßig vor Ablehnung dessen Zulassungsantrags auch dann anhören, wenn das Fachrecht keine dahingehende Pflicht statuiert, siehe etwa Engel/Pfau, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 28 Rn. 33; zum Baurecht Herrmann, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar VwVfG, § 28 Rn. 13; weitergehend Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 45, der für die Herleitung einer Anhörungspflicht der Zulassungsbehörde aus den Vorschriften zur Antragsbera­ tung (§ 25 Abs. 1 u. 2 VwVfG) plädiert. 106  Siehe neben obigen Nachweisen etwa OVG Koblenz, NuR 1998, 209 (210); Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 24; Ritgen, in: Knack/ Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 28 Rn. 33; vgl. auch BVerwG, NJW 1990, 2637 (2638). 107  BVerfGE 24, 268 (276); BVerwGE 70, 270 (275); 99, 371 (376); 102, 174 (177); 105, 89 (91 f.) (keine Begründungspflicht für Entscheidungen von Berufungsbzw. Wahlausschüssen für Staatsanwälte und Richter); siehe ferner BVerwGE 137, 74 (79); OVG Münster, DVBl 2015, 309 (310) (keine Begründungpflicht bei der Verwei­ gerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB).

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Verwaltungsakt erscheint in intern gestuften Verwaltungsverfahren nicht im­ mer sachgerecht. Dies gilt insbesondere in Konstellationen, in denen die au­ ßenverantwortlich handelnde Behörde an den Mitwirkungsbeitrag einer ande­ ren Behörde binnenrechtlich gebunden ist.108 Ein praktisches Beispiel stellt insoweit die Beteiligung des BAF im Fall seiner Berührung im durch § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG definierten Aufgabenbereich im BImSchG-Genehmi­ gungsverfahren dar. Nach überwiegender Auffassung sind Entscheidungen des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, die an die BImSchG-Genehmi­ gungsbehörde gerichtet sind, keine Verwaltungsakte, sondern als verwal­ tungsinterne Mitwirkungsakte zu qualifizieren.109 Damit ist das BAF nach dem oben Gesagten nicht Adressat der Anhörungs- und Akteneinsichtsrechte des Antragstellers, obschon seine Entscheidungen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG für die BImSchG-Genehmigungsbehörde verwaltungsintern verbind­ lich sind.110 Ob das BAF seine Entscheidungen in analoger Anwendung des § 39 VwVfG begründen muss,111 hat die Rechtsprechung bislang offen gelas­ sen.112 Dabei verdeutlicht das Beispiel des BAF, dass die „Verfahrens- und Formfreiheit“ behördlicher Mitwirkungsakte negative Auswirkungen auf die Verfahrensrechte von Antragstellern in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren haben kann. In der Genehmigungspraxis kritisie­ ren Antragsteller nicht selten, dass das BAF in BImSchG-Genehmigungsver­ fahren für Windenergievorhaben nicht zu ihrer Anhörung bereit sei und stattdessen auf die Zuständigkeit der federführenden BImSchG-Genehmi­ gungsbehörde verweise.113 Nicht immer sind die Entscheidungen des BAF 108  Siehe auch die Kritik bei Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  788 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 22; Weiß, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 39 Rn. 76. 109  BVerwGE 154, 377 (379); OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (275); VGH Kas­ sel, Urteil vom 11.10.2018 – 9 A 867/15 –, juris, Rn. 42; VG Düsseldorf, ZNER 2014, 501; VG Frankfurt, Urteil vom 08.10.2014 – 8 K 3509/13.F –, juris, Rn. 37; VG Trier, ZUR 2015, 241 (244); Masing/Eckart, NVwZ 2016, 1250 (1251); a. A. Giemulla/Kortas, ZLW 2014, 373 (378 f.); Hendler, ZNER 2015, 501 (502). 110  Dazu sogleich unten B. IV. 2. a). 111  Für eine Begründungspflicht etwa Giemulla/Kortas, ZLW 2014, 373 (383 f.), die die Entscheidungen des BAF indes als Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG qualifizieren. 112  Das OVG Lüneburg (NuR 2015, 265 (268); DVBl 2015, 381 (382)) neigt aus „rechtsstaatlichen Gründen“ der Auffassung zu, das BAF sei auch ohne explizite Vor­ gabe im kodifizierten Recht zu einer hinreichenden Begründung seiner Entscheidun­ gen verpflichtet. In seiner bislang einzigen Entscheidung zum Nutzungskonflikt zwi­ schen Windenergie und Belangen der zivilen Flugsicherung ist das Bundesverwal­ tungsgericht auf diese Frage nicht eingegangen, vgl. BVerwGE 154, 377 ff. 113  (Vereinzelte) Einschätzungen von Personen aus der Windenergiebranche, mit denen der Verfasser in seiner anwaltlichen Beratungspraxis in Kontakt stand. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt die Durchführung der



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)281

näher begründet, sodass Antragsteller die die Beurteilung des BAF tragenden Erwägungen mitunter erst im Zuge verwaltungsgerichtlicher Klageverfahren in Erfahrung bringen konnten.114 Mangels Verwaltungsaktqualität unterliegen die Entscheidungen des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auch nicht den Vorgaben über die Rück­ nahme und den Widerruf von Verwaltungsakten i. S. d. §§ 48, 49 VwVfG. Insoweit zeigen Beispiele aus der Genehmigungspraxis, dass das BAF mit­ unter im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bereits ergangene Ent­ scheidungen nachträglich korrigiert und zu Lasten des Antragstellers ver­ bösert,115 ohne dass dies von den Gerichten beanstandet wurde.116 Auf die zumindest für Antragsteller unbefriedigende Verwaltungspraxis des BAF, wonach stets die „betroffene“ Flugsicherungsorganisation (regelmäßig die DFS) um Abgabe einer gutachtlichen Stellungnahme gebeten wird, wurde bereits hingewiesen.117 Insgesamt verdeutlicht die – hinsichtlich der herangezogenen Praxisbei­ spiele freilich nicht als repräsentativ zu interpretierende – Verfahrensbeteili­ gung des BAF beispielhaft, dass eine Erstreckung der Verfahrens- und Form­ vorschriften der §§ 28, 29 oder 39 VwVfG auf verwaltungsinterne Mitwir­ kungsakte von in Verwaltungsverfahren zu beteiligenden Behörden geboten sein kann, um die Rechte und Interessen von Antragstellern zu wahren. Zwar lässt sich eine zwingende Anwendung allgemeiner Verfahrens- und Forman­ forderungen auf interne Mitwirkungsakte von in Zulassungsverfahren zu be­ teiligenden Behörden mangels greifbarer normativer Anknüpfungspunkte (verfassungs-)rechtlich kaum begründen. Nichtsdestotrotz liefern die Er­ kenntnisse aus der vorliegenden Betrachtung des Referenzgebiets durchaus rechtspolitisches Argumentations- und Diskussionsmaterial für ein entspre­

Anhörung nach § 28 VwVfG zwar allein der im Außenverhältnis handelnden Be­ hörde. Dies bedeute aber nicht, dass der Beteiligungsbehörde eine Kontaktaufnahme zum Adressaten der Verwaltungsentscheidung rechtlich verwehrt sei, vgl. BVerwG, DVBl 2014, 303 (304). 114  Eine derartige Fallkonstellation lag der bislang einzigen Grundsatzentschei­ dung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 154, 377 ff.) zum Nutzungskonflikt Windenergie und ziviler Flugsicherung zugrunde, siehe insoweit für die Vorinstanz OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268) (zu zwei Entscheidungen des BAF in einem BImSchG-Vorbescheidsverfahren). Zur Kritik siehe auch Kindler, NVwZ 2016, 1459 (1461). 115  Zu entsprechenden Fallkonstellationen siehe OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268); VG Frankfurt, Urteil vom 08.10.2014 – 8 K 3509/13.F –, juris, Rn. 5 f. u. 12. 116  Siehe etwa OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268) und im Anschluss hieran BVerwGE 154, 377 (378 ff.); die Zulässigkeit des Vorgehens des BAF ausdrücklich billigend gar VG Frankfurt, Urteil vom 08.10.2014 – 8 K 3509/13.F –, juris, Rn. 44. 117  Oben B. III. 2. Speziell zur DFS siehe oben § 3 D. III. 2. u. D. IV.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

chendes Tätigwerden des Gesetzgebers.118 Dies gilt insbesondere dann, wenn die Entscheidungsbeiträge die im Außenverhältnis handelnde Behörde bin­ den, worauf im Folgenden am Beispiel des BAF näher einzugehen ist. 2. Behandlung der Stellungnahme durch die BImSchG-Genehmigungsbehörde Für die Entscheidung des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, die im Zusammenhang mit der Zulassung von Windenergievorhaben als Stellung­ nahme (vgl. § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG, § 11 S. 1 der 9. BImSchV) aus der Behördenbeteiligung des außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfah­ rens an die BImSchG-Genehmigungsbehörde gerichtet ist, kann wiederum zwischen ihrer rechtlichen und praktischen Bedeutung unterschieden werden. a) Rechtliche Bedeutung Welche rechtliche Bedeutung behördlichen Mitwirkungsakten für die Ent­ scheidung der im Außenverhältnis gegenüber dem Antragsteller handelnden Behörde zukommt, ist typischerweise nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, sondern muss durch Auslegung des einschlägigen Verfahrensrechts bzw. ma­ teriellen Fachrechts ermittelt werden. Grundsätzlich hat die Zulassungsbe­ hörde die in ihren Aufgabenbereichen berührten Behörden lediglich zu betei­ ligen bzw. anzuhören, ohne dass sie an deren Stellungnahmen gebunden ist.119 Damit liegt die Letztentscheidungsbefugnis regelmäßig bei der außen­ wirksam handelnden Behörde, die die vom Antragsteller begehrte Zulassung üblicherweise auch dann erteilen kann, wenn die beteiligten Fachbehörden im Hinblick auf die von ihnen wahrgenommenen Belange Bedenken geäu­ ßert haben.120 Dieser Grundsatz gilt aber nicht ausnahmslos, wie das Beispiel des bei Berührung in seinem durch § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG definierten Aufgaben­ bereich im BImSchG-Genehmigungsverfahren zu beteiligenden BAF zeigt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stellt die Entschei­ dung des BAF nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG keinen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG dar, da sie nicht auf die Erzeugung unmittelbarer Rechts­ 118  Dazu

allgemein noch näher unten § 6 D. I. 2. c) aa). die Behördenbeteiligung im BImSchG-Genehmigungsverfahren siehe Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, § 10 Rn. 112; Jarass, BImSchG, § 10 Rn. 54. 120  Dietlein, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band III, BImSchG, §  10 Rn. 112. 119  Für



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)283

wirkungen nach außen gerichtet ist.121 Bejaht das BAF jedoch im luftfahrt­ internen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG das Vorliegen einer bauvorhabenbedingten Störung einer Flugsicherungseinrichtung, wird das in § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG statuierte materielle Bauverbot ausgelöst, das als entgegenstehende öffentlich-rechtliche Vorschrift i.  S.  d. § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG die im Außenverhältnis handelnde Behörde an der Erteilung einer BImSchG-Genehmigung hindert.122 In materieller Hinsicht wird das Bauver­ bot des § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG allein vom BAF verantwortet.123 Aus die­ sem Grund entfaltet die nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG vom BAF getroffene Störungsfeststellung verwaltungsinterne Bindungswirkung, die bei der Ent­ scheidung über den Zulassungsantrag im Außenverhältnis von der zuständi­ gen BImSchG-Genehmigungsbehörden zu beachten ist.124 Fraglich ist weitergehend, ob der Bund als Rechtsträger des BAF im Fall der Nichtbeachtung der verwaltungsinternen Rechtsverbindlichkeit der Stö­ rungsfeststellung des BAF durch die BImSchG-Genehmigungsbehörde eine von letzterer erteilte Zulassungsentscheidung nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO gerichtlich anfechten und somit die Bindungswirkung der Entschei­ dungen des BAF gerichtlich durchsetzen kann. Damit ist die Problematik der Zuerkennung subjektiver Rechte zu Gunsten von Hoheitsträgern angespro­ chen,125 die in der jüngeren Rechtsprechung gerade im Zusammenhang mit Nutzungskonflikten zwischen Windenergievorhaben und öffentlich-recht­ lichen Infrastruktureinrichtungen verstärkt Beachtung gefunden hat.126 Nach 121  BVerwGE 154, 377 (379). Rechtliche Außenwirkungen gegenüber Dritten, insbesondere dem bauwilligen Vorhabenträger, entfaltet die Entscheidung des BAF erst über das BImSchG-Genehmigungsverfahren als Trägerverfahren, in welchem die nach Landesrecht zuständige BImSchG-Genehmigungsbehörde über die Erteilung oder Versagung der begehrten Genehmigung entscheidet. 122  OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268). 123  BVerwGE 154, 377 (387). 124  BVerwGE 154, 377 (379); OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (275); OVG Lü­ neburg, DVBl 2015, 381; VG Trier, ZUR 2015, 241 (243); Giemulla/Kortas, ZLW 2014, 373 (378 f.); Kämper, in: Ziekow (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Luftverkehrs­ rechts-, Planfeststellungs- und Umweltrechts 2012, S. 27 (37); Kümper, VerwArch 108 (2017), 409 (424 f.); Masing/Eckart, NVwZ 2016, 1250 (1252). Gegen eine Bin­ dung der Zulassungsbehörde VG Oldenburg, ZNER 2015, 125 (128); Battis/Moench/ von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errichtungsver­ bots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S. 23; Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (404); Sittig/Falke, ER 2015, 17 (18 f.). 125  Dazu ausführlich Bartsch, Staat gegen Staat, S. 258 ff. 126  Für die Zuerkennung einer klagefähigen Rechtsposition des Bundes als Rechtsträger des Deutschen Wetterdienstes, der Radaranlagen betreibt, siehe BVer­ wGE 156, 148 (150 f.); OVG Koblenz, ZNER 2016, 77 (78), VG Trier, ZUR 2015, 429 (429 f.); für das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 27.02.2018 – 8 B 11970/17 –,

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgen aus bloßen Kompetenzvorschriften keine klagefähigen Rechtspositionen von Hoheitsträ­ gern.127 Dahinter steht die Erwägung, dass nicht sämtliche Differenzen des Binnenbereichs der Exekutive ohne entsprechende Veranlassung durch Vor­ schriften des materiellen Rechts beliebig vor die Verwaltungsgerichte getra­ gen werden sollen.128 Etwas anderes gilt aber dann, wenn mit der Zuweisung einer Wahrnehmungskompetenz zugleich die Zuerkennung einer materiellen Rechtsposition einhergeht129 oder aber der Rechtsträger einer Behörde durch etwaige Maßnahmen einer anderen Behörde eines anderen Rechtsträgers in seinem originären Aufgabenbereich betroffen wird. In diesem Fall nimmt die Rechtsprechung ausnahmsweise eine materielle Beschwer des Rechtsträgers der betroffenen Behörde an, die ihm eine verwaltungsprozessual wehrfähige Rechtsposition verleiht.130 Ausgehend von diesen Maßstäben leitet die Recht­ sprechung aus § 18a Abs. 1 S. 1 u. 2 LuftVG zu Gunsten des Bundes als Rechtsträger des BAF ein subjektives Recht ab, das er vor den Verwaltungs­ gerichten prozessual zulässig geltend machen kann.131 Weicht eine BImSchGGenehmigungsbehörde von den verwaltungsintern verbindlichen Entschei­ dungen des BAF ab, ist der Bund nach der Recht­sprechung des Bundes­ verwaltungsgerichts nicht lediglich in der Stellung als eine im BImSchGGenehmigungsverfahren „mitwirkende Behörde“, sondern „vielmehr als eigenständige juristische Person in andere Behörden bindenden Entschei­ dungsbefugnissen […] [seines] als Bundesverwaltung geführten originären Aufgabenbereichs“ betroffen.132 Ohne die Einräumung eines klage­ fähigen subjektiven Rechts zu Gunsten des Bundes sieht das Bundesver­ wal­ tungsgericht mangels gemeinsamer Verwaltungsspitze mit den landesrecht­ lichen BImSchG-Genehmigungsbehörden die Gefahr, dass bei unterschied­ lichen Auffassungen zu bauvorhabenbedingten Störwirkungen von Flug­ sicherungseinrichtungen das in materiell-rechtlicher Hinsicht vom BAF zu juris, Rn. 4; VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss vom 01.12.2017 – 3 L 1180/17. NW –, juris, Rn. 50 ff.; VG Hannover, ZNER 2011, 90 (91). 127  BVerwGE 31, 263 (267); 52, 226 (234); 82, 17 (18 f.). 128  Aus der jüngeren Rechtsprechung siehe BVerwG, NVwZ-RR 2016, 344 (An­ schluss einer neu gegründeten Kammer an ein bestehendes Versorgungswerk). 129  Vgl. dazu BVerwGE 31, 263 (267). 130  BVerwGE 87, 332 (338). 131  BVerwGE 154, 377 (386 f.); OVG Lüneburg, DVBl 2015, 381 („materielle Entscheidungskompetenz“ des Bundes); OVG Schleswig, Urteil vom 06.12.2016 – 1 LB 11/15 –, juris, Rn. 70; VG Trier, ZUR 2015, 241 (242 f.); a. A. zuvor noch VG Schleswig, ZNER 2015, 291 (292). Im Schrifttum wurde die insoweit klärende Ent­ scheidung des Bundesverwaltungsgerichts unterschiedlich aufgenommen. Zustim­ mend etwa Masing/Eckart, NVwZ 2016, 1250 (1252); kritisch hingegen Kümper, VerwArch 108 (2017) 409 (434, 436 f.). 132  BVerwGE 154, 377 (386 f.).



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)285

verantwortende Bauverbot nach § 18a Abs. 1 S. 1 LuftVG leerliefe, was nicht hinzunehmen sei.133 Damit verfügt das BAF im Hinblick auf den von ihm eigenverantwortlich wahrgenommenen Aufgabenbereich134 über eine originäre Sachentscheidungskompetenz, die der Bund trotz der lediglich ver­ waltungsintern wirkenden Tätigkeit des BAF gerichtlich geltend machen und sogar durchsetzen kann.135 Inwieweit die binnenrechtlich verbindliche Tätig­ keit von sachverständigen Stellen wie dem BAF in organisations- bzw. ver­ fahrensrechtlicher Hinsicht einer über den gegenwärtigen Rechtsrahmen hin­ ausgehenden regulatorischen Einhegung bedarf, wird in einem übergeordne­ ten Kontext noch unter verschiedenen Gesichtspunkten zu untersuchen sein. b) Praktische Bedeutung Im Nutzungskonflikt zwischen zur Zulassung gestellten Windenergievor­ haben und Belangen der zivilen Flugsicherung kommt den die landesrechtli­ chen Zulassungsbehörden im Außenverhältnis bindenden Stellungnahmen des BAF eine erhebliche praktische Bedeutung zu. Während die rechtliche Verbindlichkeit der luftfahrtinternen Entscheidungen des BAF i. S. d. §  18a Abs. 1 S. 2 LuftVG lange Zeit umstritten war und von den BImSchG-Geneh­ migungsbehörden aufgrund der bis dato unklaren Rechtslage nicht immer beachtet wurde,136 sind – soweit ersichtlich137 – im Anschluss an die insoweit klärende Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts138 keine von den Entscheidungen des BAF abweichenden Zulassungsentscheidungen der BImSchG-Genehmigungsbehörden mehr ergangen. Aus der verwaltungs­ internen Bindungswirkung der Entscheidungen des BAF ergibt sich zugleich eine mittelbar-faktische Bindung der BImSchG-Genehmigungsbehörden an die Voten der DFS, da das BAF bei seinen nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu 133  Ebda.

134  Dies unterscheidet das BAF vom Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG, dessen abschließenden und eigenverantwortlichen Beurteilungen sich auf das Vorliegen sämtlicher Zulassungsvoraussetzungen beziehen. Zur rechtlichen Be­ deutung der Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. IV. 2. 135  Ähnliches gilt aufgrund eines Rechtsreflexes für die DFS, siehe oben § 3 D. IV. 2. a). 136  Aus der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte siehe etwa VG Oldenburg, ZNER 2014, 125. Vgl. ferner die Nachweise in der Antwort der Bundesregierung vom 11.07.2014 auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grü­ nen in der BT-Drs. 18/2095, S. 4 (dort Frage 10). 137  Diese Beobachtung fußt auf einer Auswertung der öffentlich zugänglichen Entscheidung der Verwaltungsgerichte. Auf die Durchführung einer empirischen Er­ hebung wurde hier verzichtet. 138  BVerwGE 154, 377 ff.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

treffenden Entscheidungen nahezu ausnahmslos die vorbereitenden Einschät­ zungen der DFS inhaltlich übernimmt.139

V. Gerichtliche Überprüfung Hinsichtlich der für die gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG geltenden Grundsätze kann weitgehend auf die entsprechenden Ausführungen zur DFS verwiesen werden.140 Weist die zuständige BImSchG-Genehmigungsbehörde einen Antrag auf Erteilung einer Zulassung für ein (Windenergie-)Vorhaben141 aufgrund einer entspre­ chenden Entscheidung des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zurück, kann der bauwillige Antragsteller nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO gegen die im Außenverhältnis ergehende Zulassungsentscheidung im Wege der Verpflichtungsklage vorgehen142 und die Entscheidung des BAF inzident (§ 44a S. 1 VwGO) einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen. Inhaltlich gesteht die Rechtsprechung dem BAF bei seiner Entscheidung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zwar keinen Beurteilungsspielraum, wohl aber im Fall der Widersprüchlichkeit der ICAO-Vorgaben einen partiellen „behördliche[n] Regelungsspielraum“ zu, in dessen Konsequenz die gerichtliche Überprüfung der Entscheidung des BAF bis auf weiteres auf eine Vertretbarkeitskontrolle reduziert ist.143 Darüber hinaus hat das Bundesverwaltungsgericht die Praxis des BAF, regelmäßig bei der DFS als Eigentümerin bzw. Betreiberin der durch ge­ plante Bauvorhaben negativ „betroffenen“ Flugsicherungseinrichtungen die 139  Dazu

oben § 3 D. IV. 2. b).

140  § 3 D. V.

141  Die vorliegend erörterten organisations- und verfahrensrechtlichen Modalitä­ ten der Tätigkeit des BAF gelten grundsätzlich auch für andere Bauvorhaben, die zi­ vile Flugsicherungseinrichtungen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG stören können. 142  Je nach Landesrecht kann zuvor ein Widerspruchsverfahren durchzuführen sein (§ 68 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 VwGO). 143  BVerwGE 154, 377 (383); OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268  f.); VGH Kassel, Urteil vom 11.10.2018 – 9 A 867/15 –, juris, Rn. 51. Im Schrifttum befürwor­ ten eine Vertretbarkeitskontrolle etwa Masing/Eckart, NVwZ 2016, 1250 (1252); Nickel, UPR 2016, 405 (409); wohl auch Uhl, ZLW 2016, 419 (422); a. A. Battis/ Moench/von der Groeben, Gutachterliche Stellungnahme zur Bedeutung des Errich­ tungsverbots des § 18a LuftVG bei der Genehmigung von Windenergieanlagen, S.  32 ff.; Battis/von der Groeben, ZNER 2015, 107; Brandt, ER 2015, 181 (188 f.); Falke/Sittig, REE 2014, 76 (80 f.); Federwisch/Dinter, NVwZ 2014, 403 (405 f.); Fest/Fechler, NVwZ 2016, 1050 (1053); Fülbier, ZUR 2015, 432 (435); dies., NVwZ 2018, 453 (454 ff.); Kindler, NVwZ 2016, 1459 (1460 f.), die jeweils für eine voll­ ständige gerichtliche Überprüfung plädieren.



B. Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)287

Erstellung der gutachtlichen Stellungnahme anzufordern,144 im Ergebnis be­ stätigt, ohne jedoch ausdrücklich zu klären, ob das BAF auch im Einzelfall nicht betroffene Flugsicherungsorganisationen in das Prüfverfahren nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einbinden dürfte.145 Ein potenzielles wirtschaft­ liches Eigeninteresse der DFS, das eine (mögliche) Folge ihrer Privatisierung sei, sei vom Gesetzgeber im Zuge der Novellierung des Prüfverfahrens sei­ nerzeit erkannt worden, habe ihn aber von der Ausgestaltung des Verfahrens in der gesetzgewordenen Fassung nicht abgehalten.146 Ob diese Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zutrifft bzw. überzeugt, kann vorliegend da­ hinstehen.147 Festzuhalten bleibt, dass ein etwaiges Unabhängigkeitsdefizit des BAF, welches sich aus der regelmäßigen Beauftragung von „in eigener Sache“ betroffenen Flugsicherungsorganisationen als Verwaltungsgutachter i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG ergibt bzw. ergeben könnte,148 weder abs­ trakt-organisatorisch149 oder verfahrensrechtlich150 noch auf der gerichtlichen Überprüfungsebene kompensiert wird.151

VI. Ergebnisse Die Rolle des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren bei der Zulas­ sung von Windenergievorhaben ist ein Beispiel für das hohe Vertrauen, das die Rechtsprechung gemeinhin in die Fachkompetenz und Unabhängigkeit von in Zulassungsverfahren mitwirkenden Fachbehörden setzt. Im Detail zeigt sich jedoch, dass insbesondere die Unabhängigkeit von im eigenen Aufgabenbereich berührten und daher im Verfahren zu beteiligenden Behör­ den weder organisations- noch verfahrensrechtlich effektiv gewährleistet 144  Dazu unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit des BAF oben B. III. 2. Siehe im Hinblick auf die DFS ferner oben § 3 D. II. u. D. IV. 2. b). 145  Siehe insoweit BVerwGE 154, 377 (384 ff.). 146  BVerwGE 154, 377 (385). 147  Zur – nach hier vertretener Auffassung insoweit nicht aussagekräftigen – Ge­ setzesbegründung siehe BT-Drs. 16/11608, S. 15. 148  Letztlich ist die Bejahung bzw. Verneinung der ausschließlichen Sachorientie­ rung und Handlungsrationalität des BAF im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG eine Wertungsfrage, deren Beantwortung maßgeblich vom Standpunkt des jeweiligen Betrachters abhängt. 149  Da die DFS obligatorisch in das Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG eingebunden wird, ist für ihre Tätigkeit auf Grundlage der herrschenden Meinung der Anwendungsbereich der §§ 20, 21 VwVfG nicht eröffnet, siehe hierzu oben B. III. 2. 150  Dazu oben B. IV. 1. 151  Für eine Ausweitung der verfahrensrechtlichen Kontrolle der Unabhängigkeit bzw. Unparteilichkeit von Behörden in Konstellationen reduzierter inhaltlicher Kon­ trolldichte plädiert Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungs­ aufgabe, S.  474 ff.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

bzw. abgesichert ist. Dieser Befund betrifft insbesondere die Verfahrensebene, für die die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur auch dann für eine Verfahrens- und Formfreiheit behördlicher Mitwirkungsakte plädiert, wenn letztere die im Außenverhältnis ergehende Zulassungs­ entscheidung binnenrechtlich verbindlich vorprägen. Im Hinblick auf die Verfahrensrechte der Antragsteller von Zulassungsverfahren erscheint diese Rechtslage und Verwaltungspraxis jedenfalls dann nicht ganz befriedigend, sofern eine Fachbehörde bei der Erstellung ihres verwaltungsinternen Ent­ scheidungsbeitrags die beratende Unterstützung einer anderen sachverständi­ gen Stelle beansprucht, die bei ihrer Tätigkeit wirtschaftlichen Eigeninteres­ sen unterliegt. Entsprechende Fallkonstellationen sind nicht allein auf die insoweit als Referenzgebiet betrachtete Rolle des BAF beschränkt, sondern können nach Maßgabe der Vorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts auch in an­deren Bereichen auftreten, soweit das einschlägige Fachrecht keine spezifischen organisatorischen oder verfahrensrechtlichen Vorkehrungen trifft. Inwieweit hieraus ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf resultiert, der etwa in einer Erweiterung des Anwendungsbereichs der §§ 20, 21, 28, 29, 37, 39 ff. VwVfG liegen könnte, wird noch zu diskutieren sein.

C. Die anerkannten Umweltverbände bei der Planfeststellung von Fernstraßenvorhaben Neben der Verfahrensbeteiligung von in ihrem Aufgabenbereich berührten Fachbehörden setzt der Staat für die Wahrung von Allgemeinwohlbelangen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren des Um­ weltrechts ergänzend auf die Aktivierung zivilgesellschaftlicher Expertise, die häufig insbesondere in anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbänden gebündelt ist. In Anknüpfung an die ständige Rechtsprechung des Bundes­ verwaltungsgerichts zu den anerkannten Naturschutzverbänden152 sieht der Gesetzgeber nunmehr auch die anerkannten Umweltverbände in der Rolle von „Quasi-Verwaltungshelfern“, die auf freiwilliger Basis unter frühzeitiger und enger Abstimmung mit der jeweils zuständigen Behörde ihre besondere umweltschutzfachliche Expertise belangwahrend in naturwissenschaftlichtechnisch komplexe Zulassungsverfahren für Anlagen und Vorhaben einbrin­ gen sollen.153 Auf die Regelungsstrukturen und Probleme dieser „verwal­ tungshelferähnlichen“ Stellung der anerkannten Umweltverbände wird im Folgenden anhand des bewährten Prüfrasters exemplarisch am Beispiel des Planfeststellungsverfahrens für Bundesfernstraßen eingegangen. 152  BVerwGE 153  BT-Drs.

102, 358 (361); 105, 348 (350); 147, 118 (125); 152, 10 (18). 18/9526, S. 47.



C. Die anerkannten Umweltverbände289

I. Rechtlicher Rahmen Nach § 17 Abs. 1 S. 1 FStrG154 dürfen Bundesfernstraßen nur gebaut oder geändert werden, wenn der Plan vorher festgestellt ist. Für die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens für Bundesfernstraßen gelten nach § 17 Abs. 1 S. 4 FStrG die allgemeinen Vorschriften der §§ 72 ff. VwVfG. Dies gilt auch für das Anhörungsverfahren (siehe § 17a FStrG), in welchem neben den in ihrem Aufgabenbereich berührten Behörden (§ 73 Abs. 2, Abs. 3a VwVfG) auch die Öffentlichkeit einschließlich der Umweltverbände zu be­ teiligen ist (§ 73 Abs. 2, Abs. 4 VwVfG). Trotz ihrer Verortung im Beteili­ gungsverfahren für die Öffentlichkeit dient die Beteiligung der Umweltver­ bände ähnlich155 wie die der zu beteiligenden Behörden dem Schutz und der Einbringung der Allgemeinwohlbelange des Umwelt- und Naturschutzes.156 Zu diesem Zweck können Umweltverbände im Beteiligungsverfahren Ein­ sicht in die Planung des Vorhabenträgers nehmen und gegenüber der im An­ hörungsverfahren zuständigen Behörde Stellungnahmen bzw. Einwendungen abgeben (§ 74 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 5 VwVfG). Zur Erlangung dieses Betei­ ligungsrechts bedürfen Umweltverbände zuvor einer Anerkennung durch den Staat, deren Erteilung sich nach den Vorgaben des § 3 UmwRG157 richtet. Mit der staatlichen Anerkennung und der hiermit einhergehenden Einräu­ mung weitreichender Beteiligungsrechte geht die Erwartung einher, dass die Verbände kraft des in ihnen gebündelten Umwelt- und Naturschutzsachver­ stands ihrer Mitglieder die im Zulassungsverfahren federführende Behörde tatkräftig unterstützen können.158 Gleichzeitig sollen die Umweltverbände aus einer „Wächterrolle“159 heraus die in der Verwaltungspraxis mitunter als kollusiv empfundene160 Zusammenarbeit zwischen Planfeststellungsbehörde 154  Bundesfernstraßengesetz (FStrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.06.2007 (BGBl. I 2007, S. 1206), zuletzt geändert durch Gesetz vom 29.11.2018 (BGBl. I 2018, S. 2237). 155  Eine Übertragung von Aufgaben auf die Umweltverbände erfolgt hierbei nicht, siehe dazu unten C. II. 156  Treffend werden die Umweltverbände daher als „Mittler zwischen Bürgern und Behörden“ beschrieben, siehe etwa VGH Kassel, NVwZ 1988, 543 (545); Wilrich, Verbandsbeteiligung im Umweltrecht, S. 52. 157  Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegen­ heiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23.08.2017 (BGBl. I 2017, S. 3290), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.2018 (BGBl. I 2018, S. 2549). 158  Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, UmwRG, § 3 Rn. 27. 159  Breuer, UTR 45 (1998), 161 (210) hält diese Rolle für von den Verbänden „eigendefiniert“. 160  Siehe etwa Gärditz, NVwZ 2014, 1 (8).

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

und Vorhabenträger kontrollieren. Damit werden Umweltverbände in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren für Anlagen und Vorhaben gewissermaßen sowohl als „Kontrolleure der Verwaltung“161 als auch als „Quasi-Verwaltungshelfer“ eingebunden. Gegenstand der folgenden Betrachtung soll schwerpunktmäßig die den anerkannten Umweltverbänden beigemessene Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“ im insoweit exemplari­ schen Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen sein.

II. Einbindungsmodus Im Allgemeinen werden anerkannte Umweltverbände in umweltrechtlichen Anlagen- und Vorhabenzulassungsverfahren auf Grundlage eines zweiaktigen Einbindungsmodus beteiligt. Auf der ersten Stufe des Einbindungsmodus erfolgt die abstrakt-generelle Anerkennung der Umweltverbände durch den Staat. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG wird einem inländischen oder ausländischen Umweltverband auf dessen Antrag die staatliche Anerkennung zur Einlegung von Rechtsbehelfen nach der Verwaltungsgerichtsordnung erteilt.162 Obschon § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG seinem Wortlaut nach allein auf die Einräumung originärer Rechts­ behelfsbefugnisse abstellt, ist die staatliche Anerkennung eines Umweltver­ bands auch für die Erlangung von Beteiligungsrechten im Zulassungsver­ fahren erforderlich. Dies folgt aus dem systematischen Zusammenhang zwi­ schen § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG und den Bestimmungen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UmwRG bzw. § 5 UmwRG, nach denen die Zulässigkeit eines durch einen Umweltverband eingelegten Rechtsbehelfs grundsätzlich von der vor­ herigen Beteiligung des Verbands im Verwaltungsverfahren abhängt.163 Dementsprechend gehört die Erlangung von Beteiligungsrechten für Um­ weltverbände nach wie vor164 zum Kern ihrer gesetzlich vorgesehenen An­ 161  Zwar verfügen anerkannte Umweltverbände über keine formalen Kontroll­ rechte gegenüber der Verwaltung, siehe BVerwGE 105, 348 (350) (dort am Beispiel der anerkannten Naturschutzverbände). Nichtsdestotrotz erfüllen sie durch ihre Tätig­ keit im Rahmen der in Planfeststellungsverfahren grundsätzlich obligatorisch durch­ zuführenden Öffentlichkeitsbeteiligung im Hinblick auf die von ihnen satzungsmäßig vertretenen Belange eine Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung, siehe dazu etwa Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrechtlichen Zulassungsverfah­ ren, S.  272 f. 162  Zu den erfassten Rechtsbehelfsmöglichkeiten siehe § 2 UmwRG. 163  Gröhn, NuR 2019, 225 (226); ähnlich Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 94. 164  § 29 des „Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege“ (BNatSchG a. F.) vom 20.12.1976 (BGBl. I 1976, S. 3573) regelte allein „Mitwirkungen“ von Verbän­ den außerhalb gerichtlicher Klageverfahren.



C. Die anerkannten Umweltverbände291

erkennung.165 Diese ist durch die zuständige Behörde166 zu erteilen, wenn die in § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG enumerativ aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind.167 Die Anerkennung stellt einen den Umweltverband begünsti­ genden Dauerverwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG dar.168 Liegen die ge­ setzlich statuierten Voraussetzungen vor, hat der antragstellende Umweltver­ band einen gebundenen Anspruch auf Anerkennung,169 deren Erteilung im Versagungsfall vorbehaltlich eines zuvor durchzuführenden Widerspruchs­ verfahrens im Wege der Verpflichtungsklage gerichtlich erstritten werden kann.170 Eine erteilte Anerkennung ist von der zuständigen Behörde im In­ ternet zu veröffentlichen (§ 3 Abs. 1 S. 5 UmwRG). Die zweite Stufe des Einbindungsmodus anerkannter Umweltverbände betrifft ihre Beteiligung im einzelfallbezogenen Zulassungsverfahren. Ebenso wie in anderen umweltrechtlichen Zulassungsverfahren171 hat auch die im Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen nach dem jeweiligen Lan­ desrecht zuständige Behörde nach Maßgabe von § 17 Abs. 1 S. 4, § 17a Nr. 1 FStrG i. V. m. § 73 VwVfG grundsätzlich ein Anhörungsverfahren durchzu­ führen. Im Anhörungsverfahren wird u. a.172 die Öffentlichkeit über das zur Planfeststellung gestellte Vorhaben durch Bekanntmachung und Auslegung 165  Gröhn, NuR 2019, 225 (226); vgl. auch VG München, Urteil vom 03.12.2015 – M 24 K 12.6289 –, juris, Rn. 47. 166  Für die Anträge ausländischer Vereinigungen sowie von inländischen Vereini­ gungen mit einem Tätigkeitsbereich, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht, ist gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 UmwRG das Umweltbundesamt zuständige Anerkennungsbe­ hörde. Für inländische Vereinigungen mit einem Tätigkeitsbereich, der nicht über das Gebiet eines Landes hinausgeht, wird die Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes ausgesprochen (§ 3 Abs. 3 UmwRG). Nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 S. 2 UmwRG ist für die Erteilung der Anerkennung das Einvernehmen mit dem Bundes­ amt für Naturschutz herzustellen. 167  Zur Umweltverbänden für eine staatliche Anerkennung abzuverlangenden Fachkompetenz und Unabhängigkeit siehe unten C. III. 168  Gröhn, NuR 2019, 225 (233); Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Ne­ bengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 10. 169  Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 5. 170  Zu verschiedenen Rechtsschutzkonstellationen im Hinblick auf die Erteilung bzw. Versagung einer Anerkennung siehe Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/ Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 80 ff.; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 40 ff. 171  Für Planfeststellungsverfahren siehe neben der allgemeinen Vorschrift des § 73 VwVfG, auf die im besonderen Fachplanungsrecht typischerweise verwiesen wird (vgl. § 18a AEG, § 14a WaStrG), etwa § 22 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 6 S. 1 u. 2 NABEG. Für das BImSchG-Genehmigungsverfahren siehe § 10 Abs. 3, Abs. 3a ­ ­BImSchG. 172  Auf Fragen der Behördenbeteiligung (§ 73 Abs. 2, Abs. 3a VwVfG) wird nachfolgend nicht eingegangen.

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der vom Vorhabenträger eingereichten Planunterlagen unterrichtet (§ 73 Abs. 3 u. 5 VwVfG). Ferner wird ihr Gelegenheit zur Abgabe von Einwen­ dungen gewährt (§ 74 Abs. 4 S. 1 VwVfG). Dieses Einsichtnahme- und ­Äußerungsrecht steht nach Maßgabe von § 74 Abs. 4 S. 5 VwVfG auch aner­ kannten Umweltverbänden zur Verfügung.173 Im Unterschied zu den im Zulassungsverfahren zu beteiligenden Behörden (§ 73 Abs. 2 VwVfG)174 ­ werden anerkannte Umweltverbände – ebenso wie die sonstige Öffentlich­ keit – von der federführenden Behörde nicht aktiv zur Abgabe von Äußerun­ gen aufgefordert, sondern erhalten lediglich die Möglichkeit, sich freiwillig und aufgrund eigener Initiative im Anhörungsverfahren zu beteiligen. Im Rahmen ihres satzungsmäßig verfolgten Zwecks (§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, S. 3 UmwRG), der ausschließlich privater Natur ist (vgl. §§ 21, 25 BGB), wid­ men sich die anerkannten Umweltverbände im Zulassungsverfahren einer öffentlichen Aufgabe,175 ohne dass ihnen hierbei jedoch die Aufgabe selbst oder etwaige Entscheidungsbefugnisse der Verwaltung übertragen werden.176 Vielmehr bringen die Umweltverbände ihren spezifischen Sachverstand als „Quasi-Verwaltungshelfer“ in die behördliche Entscheidungsvorbereitung ein und unterstützen die zuständige Behörde im Wege einer „Sachverstandsparti­ zipation“, durch die etwaigen Vollzugsdefiziten im Umwelt- und Natur­ schutzbereich vorgebeugt bzw. entgegengewirkt werden soll.177 Bezüglich der von ihnen satzungsmäßig wahrgenommenen Belange sollen Umweltver­ bände ihren Sachverstand in ähnlicher Weise wie die zu beteiligenden staat­ lichen Verwaltungsbehörden in das Zulassungsverfahren einbringen.178 In normativer Hinsicht lässt sich die Bezeichnung anerkannter Umweltverbände als „Quasi-Verwaltungshelfer“ an der Vorschrift des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG festmachen, die „die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfül­ 173  Bezüglich Vorhaben, deren Zulassung die vorherige Durchführung einer Um­ weltverträglichkeitsprüfung erfordert, zählen Umweltverbände zur „betroffenen Öf­ fentlichkeit“, deren Belange durch die Zulassungsentscheidung berührt werden, § 2 Abs. 9 Hs. 2 UVPG. Hier folgt das Äußerungsrecht der Umweltverbände aus § 18 Abs. 1 i. V. m. § 21 UVPG. 174  Für die Behördenbeteiligung im BImSchG-Genehmigungsbehörde siehe § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV sowie die diesbezüglichen Ausführungen oben B. II. 175  BVerwGE 104, 367 (370 f.) (zu anerkannten Naturschutzverbänden). 176  BVerwGE 105, 348 (350); VGH Mannheim, NVwZ-RR 2001, 728 (729) (je­ weils zu anerkannten Naturschutzverbänden); Neumann/Külpmann, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 103. 177  Zur Rolle anerkannter Naturschutzverbände als „Quasi-Verwaltungshelfer“ siehe BVerwGE 102, 358 (361); 105, 348 (350); 147, 118 (125); 152, 10 (18); für anerkannte Umweltverbände vgl. etwa OVG Hamburg, ZUR 2019, 37 (39). 178  BVerwGE 102, 358 (361); 105, 348 (350); 121, 72 (75); 147, 118 (125) (je­ weils zu anerkannten Naturschutzverbänden).



C. Die anerkannten Umweltverbände293

lung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Ent­ scheidungsverfahren“ zur Anerkennungsvoraussetzung erhebt.179 Aufgrund ihrer „verwaltungshelferähnlichen“ Funktion sollen anerkannte Umweltver­ bände die im Zulassungsverfahren zuständige Behörde zwar in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen,180 sind hierzu aber nicht recht­ lich verpflichtet. Ihre Charakterisierung als „Quasi-Verwaltungshelfer“ ändert hieran nichts. Anerkannte Umweltverbände müssen nicht im konkreten Zu­ lassungsverfahren mitwirken, weil sie „Quasi-Verwaltungshelfer“ sind. Viel­ mehr sind sie „Quasi-Verwaltungshelfer“, wenn sie sich im Einzelfall zu ei­ ner Mitwirkung entschließen.181 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund ihrer umfassenden Beteiligungs- und Klagerechte in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren182 wird im Schrifttum intensiv diskutiert, ob anerkannte Umweltver­ bände für ihre Tätigkeit im Rahmen der Anlagen- bzw. Vorhabenzulassung einer demokratischen Legitimation bedürfen bzw. insoweit über ein hinrei­ chendes Legitimationsniveau verfügen. Ein Teil der Literatur hält die Um­ weltverbände bei der Inanspruchnahme der ihnen gesetzlich eingeräumten Äußerungs- und Rechtsbehelfsmöglichkeiten für hinreichend demokratisch legitimiert,183 während andere Stimmen eben dies verneinen bzw. bezwei­ feln.184 Ohne dass die Frage der demokratischen Legitimation von Umwelt­ verbänden als solche hier vertieft werden soll,185 gibt die Diskussion um ihr 179  Dies

betonend auch OVG Hamburg, ZUR 2019, 37 (39). ist mitunter fachrechtlich ausdrücklich kodifiziert, siehe etwa § 18 Abs. 1 S. 3 UVPG oder § 10 Abs. 3a BImSchG. 181  Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 5 Rn. 6. 182  Zu beiden Aspekten am Beispiel des Planfeststellungsverfahrens für Bundes­ fernstraßen siehe unten C. IV. 183  Calliess, NJW 2003, 97 (101 f.); von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274); Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 3; Heß, ZUR 2018, 686 (687); Koch, NVwZ 2007, 369 (371); Lübbe-Wolff, VVDStRL 60 (2001), 246 (279); Michael, Die Verwaltung 37 (2004), 35 (38 f.); Schlacke, Überindividueller Rechts­ schutz, S. 501. 184  Kritisch bis ablehnend gegenüber der Annahme einer demokratischen Legiti­ mation von Umweltverbänden äußern sich etwa Dietz/Meyer, AöR 140 (2015), 198 (207); Gärditz, Die Verwaltung 46 (2013), 257 (263 ff.); ders., NVwZ 2014, 1 (8 f.); Ipsen, NdsVBl. 1999, 225 (228); Spieth/Hellermann, NVwZ 2019, 745 (746); zur Kritik im älteren Schrifttum siehe ferner die Nachweise bei Schlacke, Überindivi­ dueller Rechtsschutz, S. 501 (dort Fn. 219). In der Rechtsprechung hat etwa das VG Düsseldorf (Urteil vom 24.01.2018 – 6 K 12341/17 –, juris, Rn. 247) die demokrati­ sche Legitimation anerkannter Umweltverbände explizit verneint. 185  Durch das in § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG statuierte Erfordernis ihrer staatlichen Anerkennung wird man jedenfalls ihre organisatorisch-personelle Legitimation als gewahrt ansehen können. Zur Legitimation der Umweltverbände durch Anerkennung siehe etwa Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 1 ff. 180  Dies

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Bestehen im Hinblick auf die vorliegend interessierende Rolle anerkannter Umweltverbände als „Quasi-Verwaltungshelfer“ Anlass, die ihnen organisa­ tionsrechtlich abverlangte Fachkompetenz und Unabhängigkeit sowie die verfahrensrechtliche Ausgestaltung ihrer Mitwirkungshandlung auf Ebene des behördlichen Zulassungsverfahrens näher in den Blick zu nehmen.

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Zum Erhalt ihrer Beteiligungs- und Klagerechte müssen Umweltverbände die in § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG normierten Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen, die auch Anforderungen an die Fachkompetenz und Unabhängigkeit anzuerkennender Umweltverbände formulieren.186 1. Fachkompetenz Nach § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG müssen Umweltverbände, die eine staatliche Anerkennung begehren, die Gewähr für eine sachgerechte Aufga­ benerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren bieten. Durch diese Voraussetzung soll neben der Einhaltung ihres Satzungszwecks vor allem gewährleistet werden, dass die Umweltverbände die ihnen eingeräumten Mitwirkungs- und Klagerechte ausfüllen können.187 Insoweit folgt aus § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG nach einhelliger Auffassung, dass Umweltverbände für eine staatliche Anerken­ nung über eine hinreichende Fachkompetenz verfügen müssen.188 Als An­ haltspunkte für eine Konkretisierung dieser Vorgabe nennt § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 2 UmwRG die Kriterien „Art und Umfang der bisherigen Tätig­ keit“, den „Mitgliederkreis“ sowie die „Leistungsfähigkeit“, ohne jedoch näher zu regeln, was unter diesen Voraussetzungen im Einzelnen zu verste­ hen ist. Auch im untergesetzlichen Regelwerk ist – soweit ersichtlich189 – 186  Auf die weiteren Anerkennungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG, die keinen Bezug zu den Merkmalen der Fachkompetenz und Unabhängigkeit von Umweltverbänden aufweisen, wird vorliegend nicht eingegangen. 187  Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, UmwRG, § 3 Rn. 23. 188  Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band I, UmwRG, § 3 Rn. 27; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 34 u. 36; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 24. Zur Erforderlichkeit von Fachkompetenz und Sachverstand als Voraussetzung für die Anerkennung von Naturschutzverbänden siehe BVerwGE 105, 348 (353). 189  Dies gilt jedenfalls für die Bundesebene. Sofern auf Ebene des Landesrechts interne Verwaltungsvorschriften existieren sollten, konnten diese vorliegend nicht in Erfahrung gebracht werden.



C. Die anerkannten Umweltverbände295

nicht näher normiert, welche exakten Anforderungen ein Umweltverband etwa im Hinblick auf seine Ausstattung (Personal, Technik, Finanzen) bzw. im Hinblick auf seine Mitglieder (z. B. Qualifikationsnachweise, Methoden­ wissen) erfüllen muss, um in fachlicher Hinsicht eine Gewähr für eine sach­ gerechte Aufgabenerfüllung i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG zu bieten. Auch in Rechtsprechung190 und Schrifttum werden die in § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 2 UmwRG angesprochenen Kriterien (bislang) allenfalls vage bebzw. umschrieben, ohne dass sich unter dem Gesichtspunkt der institutionel­ len191 Fachkompetenz der Umweltverbände bzw. der individuellen192 Fach­ kompetenz ihrer Mitglieder bislang konkret greifbare Anforderungen heraus­ gebildet hätten. Ähnlich wie in den zuvor betrachteten Referenzgebieten bleibt somit auch die Konkretisierung der Umweltverbänden bzw. deren Mitgliedern abzuverlangenden Fachkompetenz weitgehend den für den Ver­ waltungsvollzug zuständigen Anerkennungsbehörden vorbehalten. Dabei ist die Ausübung der behördlichen Konkretisierungsbefugnis aufgrund des prog­ nostischen Charakters des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG („Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung“) nach umstrittener Auffassung nur einge­ schränkt gerichtlich überprüfbar.193 190  Siehe insoweit etwa VG München, Urteil vom 03.12.2015 – M 24 K 12.6289 –, juris, Rn. 45. 191  Es existieren keine konkreten Anforderungen für eine erforderliche Mitglie­ derzahl, siehe Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 46; Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 11; Gröhn, NuR 2019, 225 (231); Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 42 f. (Untergrenze bei 25 bis 50 Mitgliedern, aber keine generalisierenden Annahmen); Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 26; vgl. ferner VG Hamburg, Urteil vom 28.11.2003 – 22 VG 2478/2002 –, juris, Rn. 33. An die organisatorische bzw. technische Ausstattung werden keine näheren Vorgaben definiert, siehe Gröhn, NuR 2019, 225 (231); Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 Um­ wRG Rn. 23 u. 27. Hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit wird auf die Um­ stände des konkreten Falls, nicht auf ein pauschales Mindestvermögen abgestellt, siehe etwa VG Hamburg, Urteil vom 28.11.2003 – 22 VG 2478/2002 –, juris, Rn. 36; Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 46; Gröhn, NuR 2019, 225 (231 f.); Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 49; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 27. 192  Gefordert wird ein „ausreichendes (Laien-)Fachwissen“, das durch Nachweise zu konkreten Tätigkeiten, nicht aber anhand formaler Qualifikationen darzulegen ist, siehe Gröhn, NuR 2019, 225 (231); in diese Richtung wohl auch Schlacke, in: Gär­ ditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 26. Eine „besondere“ Fach­ kompetenz einzelner Mitglieder kann eine geringe Mitgliederanzahl des betreffenden Umweltverbands kompensieren, siehe Gröhn, NuR 2019, 225 (231) („Je kleiner eine Vereinigung ist, desto eher muss sie aber doch ein qualifizierter und engagierter ‚Fachzirkel‘ sein.“); Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 49. 193  Für eine nur eingeschränkte gerichtliche Kontrolle etwa Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 66; a. A. (für eine umfassende

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Fraglich könnte sein, ob die Fachkompetenz anerkannter Umweltverbände einer näheren Regelung durch den Gesetzgeber bedarf. Ein rechtlicher An­ knüpfungspunkt für dahingehende Überlegungen könnte in der Kompensa­ tions- bzw. Sekundär- und Auffangverantwortung gesehen werden, die Teile des Schrifttums ungeachtet der in Art. 20a GG verfassungsrechtlich veranker­ ten Primärverantwortung des Staates den anerkannten Umweltverbänden bei der Durchsetzung des (objektiven) Umweltrechts beimessen.194 Hiervon aus­ gehend könnte in Anknüpfung an ihre – freilich untechnische195 – Charakteri­ sierung als „Quasi-Verwaltungshelfer“ möglicherweise die Forderung abgelei­ tet werden, die von Umweltverbänden für ihre staatliche Anerkennung zu verlangende Fachkompetenz auf Gesetzes- oder zumindest Verordnungsebene über das gegenwärtige Regelungsniveau hinaus stärker rechtlich vorzustruktu­ rieren.196 Insoweit dürfte zwar auch bei den anerkannten Umweltverbänden die bereits anhand der zuvor betrachteten Referenzgebiete dargelegte Proble­ matik der Unbestimmtheit des materiellen Rechts bestehen, die in der stetig fortschreitenden Ausdifferenzierung und dynamischen Fortentwicklung von Wissensbeständen in naturwissenschaftlich-technischen Bereichen begründet ist197 und dem Normgeber auch bei der Statuierung konkreter fachlicher An­ forderungen an sachverständige Stellen (Methodenwissen, Beherrschung fachlicher Beurteilungsstandards) regulatorische Grenzen setzt. Demgegen­ über ließen sich jedoch konkrete Vorgaben an die Mindestanzahl von Mitglie­ dern, das Finanzvermögen oder abstrakte Qualifikationsnachweise an die je­ weiligen Mitglieder von Umweltverbänden grundsätzlich ohne weiteres for­ mulieren, um ein fachliches Mindestniveau ihrer Tätigkeit in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren abzusichern. gerichtliche Überprüfung) VG München, Urteil vom 03.12.2015 –M 24 K 12.6289 –, juris, Rn. 43. Gegen die Versagung einer Anerkennung ist grundsätzlich die Verpflich­ tungsklage statthaft, siehe Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), Um­ wRG, § 3 Rn. 80; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 Um­ wRG Rn. 40. 194  Zu dieser Sekundärverantwortung der Umweltverbände siehe etwa Calliess, NJW 2003, 97 (101); Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz am Beispiel der altruistischen Verbandsklage in der deutschen, griechischen und europäischen Rechts­ ordnung, Teilband I, S. 250; ähnlich, jedoch unter stärkerer Betonung der fortbeste­ henden Gemeinwohlverantwortung des Staates von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274). 195  Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 5 Rn. 6; Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 98. 196  Demgegenüber wird im Schrifttum mit Blick auf die Umweltverbänden zuge­ dachte „Kontrollfunktion“ mitunter gefordert, zur Ermöglichung einer effektiven In­ anspruchnahme des Umweltverbandsklagerechts dürften bei der Anerkennung keine übermäßig strengen Anforderungen an die Fachkompetenz von Umweltverbänden gestellt werden, so etwa Gröhn, NuR 2019, 225 (233). 197  Siehe zur Problematik am Beispiel des artenschutzrechtlichen Tötungsverbots in § 44 Abs. 1 Nr. 1 BNatSchG etwa BVerfG, NVwZ 2019, 52 (53 ff.).



C. Die anerkannten Umweltverbände297

Indes verfügen der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber bei der Formulierung konkreter Anforderungen an die Fachkompetenz anzuerkennender Umwelt­ verbände aus anderen Gründen lediglich über eingeschränkte Regelungsbzw. Ausgestaltungsmöglichkeiten, die in den Handlungsmotiven der Ver­ bände angelegt sind. Während andere in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebundene verwaltungsexterne sachverständige Stellen dem Staat ihre Expertise häufig aufgrund von Ge­ winnerzielungsabsichten, sonstigen Eigeninteressen sowie unter Kosten- bzw. Auslagenerstattung zur Verfügung stellen, bringen Umweltverbände ihren Sachverstand typischerweise freiwillig und aus altruistischen Beweggründen in behördliche Zulassungsverfahren ein, ohne dass mit ihrer Verfahrensbetei­ ligung besondere Vorteile oder Chancen verbunden wären.198 Vielmehr ent­ lasten die Umweltverbände durch ihre Tätigkeit als gleichsam „unbezahlte Hilfskräfte“ die staatlichen Umwelt- und Naturschutzbehörden bei deren Aufgabenwahrnehmung.199 Vor diesem Hintergrund hängt die erfolgreiche Aktivierung der Verbände für ihre Mitwirkung in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren stärker noch als bei anderen sach­ verständigen Stellen davon ab, in organisationsrechtlicher Hinsicht keine allzu hohen regulatorischen Hürden an die Einbringung des in ihnen konzen­ trierten Umwelt- und Naturschutzsachverstands zu stellen. Strengere als die gegenwärtig im kodifizierten Recht definierten Anforderungen an die von anerkannten Umweltverbänden zu verlangende Fachkompetenz (z.  B. im Hinblick auf ihre personelle und technische Ausstattung oder die Statuierung etwaiger Qualifikationsanforderungen an ihre Mitglieder) könnten ungeachtet ihrer hier nicht zu vertiefenden Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht200 jedenfalls das freiwillige Engagement der Verbände hemmen und wären in­ soweit auch der verwaltungsseitigen Aktivierung des in der Zivilgesellschaft vorhandenen Umwelt- und Naturschutzsachverstands abträglich.201 Dies gilt gerade auch mit Blick auf die den Umweltverbänden mitunter beigemessene

198  Ein Eigeninteresse der Verbände mag man darin sehen, dass diese durch ihre Beteiligung im Zulassungsverfahren Einsicht in die Planunterlagen des Vorhabenträ­ gers nehmen können und dadurch indirekt die Möglichkeit erhalten, ihre Datensätze (z. B. bezüglich Kartierungen und sonstigen Bestandserhebungen für bestimmte Tier­ arten) zu vervollständigen bzw. zu aktualisieren. 199  Für die insoweit nicht anders zu beurteilenden Naturschutzverbände Wilrich, Verbandsbeteiligung im Umweltrecht, S. 53. 200  Zur Unionsrechtskonformität der Anerkennungsvoraussetzungen des §  3 ­UmwRG siehe Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 22 ff.; Dikaios, Überindividueller Umwelt­ rechtsschutz am Beispiel der altruistischen Verbandsklage in der deutschen, griechi­ schen und europäischen Rechtsordnung, Teilband I, S. 421 ff. 201  Aus der Perspektive der „Kontrolleurfunktion“ im Ergebnis ähnlich Gröhn, NuR 2019, 225 (233).

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Kompensationsfunktion bzw. Sekundärverantwortung für die Durchsetzung des Umweltrechts,202 die „kompetente und potente Sachwalter“203 erfordert. 2. Unabhängigkeit Ebenso wie das Merkmal der Fachkompetenz wird auch die Unabhängig­ keit von Umweltverbänden als Bestandteil der in § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Um­ wRG statuierten Anerkennungsvoraussetzung der „Gewähr für eine sachge­ rechte Aufgabenerfüllung“ angesehen.204 Nicht näher geregelt sind jedoch die konkreten Voraussetzungen, unter denen die von Umweltverbänden ver­ langte Unabhängigkeit bejaht bzw. verneint werden könnte. Ausgehend vom Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG, der die Ge­ währ für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung „insbesondere“ im Hinblick auf die Beteiligung eines Umweltverbands an behördlichen Entscheidungs­ verfahren fordert, könnten die Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG unter Zugrundelegung des zweiaktigen Einbindungsmodus ihrer Verfahrensbeteili­ gung205 in zweierlei Hinsicht als Maßstab zur Konkretisierung der Unabhän­ gigkeit anzuerkennender Umweltverbände herangezogen werden. Zum einen könnten die Anforderungen der §§ 20, 21 VwVfG im vorab durchzuführen­ den Anerkennungsverfahren den prognostischen Maßstab für die Prüfung des Vorliegens bzw. Fehlens der Unabhängigkeit eines Umweltverbands bilden. Zum anderen könnten die genannten Mitwirkungsverbote aber auch für das im jeweiligen Einzelfall durchzuführende Zulassungsverfahren als Kriterium zur Bestimmung des Unabhängigkeitspostulats dienen. Fraglich ist jedoch bereits, ob Umweltverbände i. S. d. §§ 20, 21 VwVfG „für“ eine Behörde in einem Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG tätig werden und in ihrer Funktion als bloße „Quasi-Verwaltungshelfer“ dem personellen Anwen­ dungsbereich beider Vorschriften unterliegen. Zwar wird der durch die §§ 20, 21 VwVfG erfasste Personenkreis weit gezogen und betrifft grundsätzlich alle Personen, deren Mitwirkung auf die im Verwaltungsverfahren ergehende Entscheidung der zuständigen Behörde Einfluss haben kann.206 Dies schließt 202  Hierzu Calliess, NJW 2003, 97 (101); von Danwitz, NVwZ 2004, 272 (274); Dikaios, Überindividueller Umweltrechtsschutz am Beispiel der altruistischen Ver­ bandsklage in der deutschen, griechischen und europäischen Rechtsordnung, Teilband I, S. 250. 203  Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 36. 204  Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 49; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 45 u. 49; siehe auch Gröhn, NuR 2019, 225 (231 f.). 205  Dazu oben C. II. 206  Statt aller Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 13a. Zur recht­ lichen und praktischen Bedeutung der von anerkannten Umweltverbänden in Zulas­



C. Die anerkannten Umweltverbände299

neben verwaltungsexternen sachverständigen Stellen207 und vorbehaltlich des § 20 Abs. 2 VwVfG etwa auch ehrenamtlich tätige Personen ein.208 Gleich­ wohl können die §§ 20, 21 VwVfG zur Bestimmung der Unabhängigkeit von Umweltverbänden weder prognostisch auf der Ebene des vorgeschalteten Anerkennungsverfahrens noch auf der Ebene des konkreten Zulassungsver­ fahrens angewendet werden. Ein Tätigwerden für eine Behörde i. S. d. §§ 20, 21 VwVfG kommt nur bei solchen Personen in Betracht, bei denen im kon­ kreten Einzelfall der „böse Schein“ besteht, diese könnten auf die von der zuständigen Behörde zu treffende Entscheidung bzw. die Durchführung des Verwaltungsverfahrens sachwidrig Einfluss nehmen.209 Ein solcher „böser Schein“ liegt bei der Mitwirkung von Umweltverbänden bei der Anlagenund Vorhabenzulassung jedoch von vornherein nicht vor, da die Verbände nach Erteilung ihrer Anerkennung gegenüber der im Zulassungsverfahren zuständigen Behörde lediglich über ein Beteiligungsrecht verfügen, kraft dessen sie ihren Umwelt- und Naturschutzsachverstand freiwillig und aus eigenem Antrieb heraus in die behördliche Entscheidungsfindung einbringen. Des Weiteren muss die Wertung, nach der die §§ 20, 21 VwVfG keine An­ wendung auf die Tätigkeit von kraft gesetzlicher Anordnung zwingend im Verwaltungsverfahren mitwirkenden Personen bzw. Stellen finden,210 auch für den Fall gelten, dass eine von der zuständigen Behörde obligatorisch im Zulassungsverfahren zu beteiligende Person bzw. Stelle über ihre tatsächli­ che Mitwirkung im Verfahren disponieren darf.211 Denn auch in diesem Fall nimmt der diese Verfahrenseinbindung regelnde Gesetzgeber in Kauf, dass die zu beteiligende Person bzw. Stelle nicht unabhängig im Sinne einer aus­ schließlichen Sachorientierung und Handlungsrationalität agiert, sondern im Verwaltungsverfahren eigene bzw. Partikularinteressen verfolgt.212 Eben dies sungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen und Einwendungen siehe näher unten C. IV. 2. 207  Siehe dazu am Beispiel des Sachverständigen i.  S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. III. 2. 208  Ritgen, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 29; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 36. 209  Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 39 f.; ähnlich Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 20 Rn. 20; wohl auch Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 14. 210  Dazu BVerwG, NVwZ-RR 2014, 465 (468  f.); VGH Kassel, Urteil vom 30.11.2011 – 6 A 2903/09 –, juris, Rn. 101; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 7a; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 25. Zum Anwendungsfall der DFS siehe oben § 3 D. III. 2. 211  Zum diesbezüglichen Einbindungsmodus anerkannter Umweltverbände siehe insoweit oben C. II. 212  Dazu allgemein VGH Kassel, Urteil vom 30.11.2011 – 6 A 2903/09 –, juris, Rn. 101; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 25.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

ist auch bei Umweltverbänden der Fall, die sich im Rahmen ihrer satzungs­ mäßigen – privaten – Zwecke (vgl. §§ 21, 25 BGB) im Zulassungsverfahren einer öffentlichen Aufgabe widmen.213 Aus diesen Gründen kann die Unab­ hängigkeit von Umweltverbänden weder auf Ebene des Anerkennungsverfah­ rens noch im Zulassungsverfahren nach Maßgabe der Befangenheitsregelun­ gen der §§ 20, 21 VwVfG bestimmt werden. Da es nachgerade im kodifizierten Recht an ausdrücklichen Vorgaben zur positiven Bestimmung der Umweltverbänden abzuverlangenden Unabhän­ gigkeit fehlt,214 kann in negativer Hinsicht danach gefragt werden, unter welchen Voraussetzungen bzw. bei welchen Tätigkeiten ihre Unabhängigkeit zweifelhaft sein könnte. Zunächst ist ein besonders intensives Engagement von Umweltverbänden für die von ihnen satzungsmäßig verfolgten Ziele des Umweltschutzes (vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG) im Sinne einer kritischablehnenden Grundhaltung gegenüber (bestimmten)215 zur Zulassung gestell­ ten Anlagen und Vorhaben unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Unabhän­ gigkeit kein Umstand, der die Annahme einer fehlenden Gewähr für eine sachgerechte Beteiligung im behördlichen Entscheidungsverfahren i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG inhaltlich tragen könnte. Abgesehen vom „Ob“ hat der Gesetzgeber auch beim „Wie“ der Verfahrensbeteiligung auf die Im­ plementierung einer aktiv-konstruktiven Mitwirkungspflicht der Umweltver­ bände verzichtet. Dies wird sowohl an der Ausgestaltung ihres Beteiligungsund Äußerungsrechts im Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen (vgl. § 17a FStrG i. V. m. § 74 Abs. 4 S. 5 VwVfG: „können“, nicht: „müs­ sen“) als auch an der Konzeption vergleichbarer Vorschriften in anderen Bereichen des Umweltrechts deutlich.216 Eine andere Sichtweise drängt sich auch nicht vor dem Hintergrund der bereits erwähnten Kompensations- bzw. Sekundärfunktion der Umweltverbände bei der Durchsetzung des Umwelt­ schutzes als verfassungsrechtlich verankertes Allgemeinwohlziel (vgl. Art. 20a GG) auf. Denn die Implementierung der umweltrechtlichen Ver­ bandsbeteiligung und -klage beruht gerade auf einem erheblichen Misstrauen in die zur Verwirklichung des Allgemeinwohls primär berufenen staat­lichen 213  Vgl.

den).

auch BVerwGE 104, 367 (370 f.) (zu anerkannten Naturschutzverbän­

214  Zur auf der Ebene des Zulassungsverfahrens zu verortenden Bestimmung des § 5 UmwRG siehe unten C. IV. 1. 215  In der umweltrechtlichen Zulassungspraxis werden im Bereich der Fachpla­ nung insbesondere Planfeststellungsbeschlüsse für Straßenbauvorhaben häufig durch Umweltverbände beklagt, vgl. dazu die Angaben bei Schmidt/Zschiesche, Die Klage­ tätigkeit der Umweltschutzverbände im Zeitraum von 2013 bis 2016, S. 20. 216  Siehe etwa § 18 Abs. 1 S. 3 UVPG und § 10 Abs. 3a BImSchG, nach denen anerkannte Umweltverbände die im Zulassungsverfahren zuständige Behörde in einer dem Umweltschutz dienenden Weise unterstützen „sollen“.



C. Die anerkannten Umweltverbände301

Verwaltungsbehörden.217 Daher vermag auch eine besonders intensive Wahr­ nehmung der von den Umweltverbänden satzungsmäßig verfolgten Ziele in Gestalt einer „strukturellen Vorhabengegnerschaft“ für sich genommen weder abstrakt noch im Einzelfall Bedenken im Hinblick auf die von ihnen gefor­ derte Unabhängigkeit zu begründen. Weniger eindeutig und im Detail nicht geklärt ist hingegen, ob und in welchem Umfang sich anerkannte Umweltverbände bei der Inanspruch­ nahme der ihnen eingeräumten Beteiligungs- und Klagerechte wirtschaft­ lichen Eigeninteressen bzw. in Abhängigkeiten zu Dritten begeben dürfen. Nach einhelliger Auffassung schließen jedenfalls untergeordnete wirtschaft­ liche Betätigungen der Verbände den gesetzlich geforderten ideellen Cha­ rakter ihres Tätigwerdens nicht aus.218 Umgekehrt sind die Umweltver­ bände gerade in ihrer Stellung als Sachwalter der im Allgemeininteresse liegenden Belange des Umwelt- und Naturschutzes privilegiert, nicht hin­ gegen als „Natur­ schutzunternehmer“.219 Unter welchen Voraussetzungen eine untergeordnete wirtschaftliche Betätigung jedoch die Grenze zum ge­ werblichen bzw. kommerziellen und damit unzulässigen Tätigwerden über­ schreitet, lässt sich kaum exakt bestimmen. Dies gilt auch deshalb, weil die häufig als nicht wirtschaftliche Vereine i. S. d. § 21 BGB organisierten Um­ weltverbände ihren altruistischen Einsatz für den Umweltschutz einschließ­ lich ihrer Tätigkeit in Zulassungsverfahren für komplexe Anlagen und In­ frastrukturvorhaben größtenteils durch Zuwendungen Dritter finanzieren. Neben den ihnen zufließenden Mitgliedsbeiträgen stammt ein nicht uner­ heblicher Teil der Umweltverbänden zur Verfügung stehenden Gelder häu­ fig aus nur befristet gewährten öffentlichen Haushaltsmitteln, bei denen sich im Einzelfall die Frage der Unabhängigkeit der Verbände gegenüber dem Staat bzw. den Verwaltungsbehörden stellen kann,220 ohne dass zu ih­ rer Beantwortung eindeutige Beurteilungsmaßstäbe zur Verfügung stünden. Darüber hinaus wird zunehmend eine etwaige Beeinträchtigung der Unab­ hängigkeit anerkannter Umweltverbände durch die Annahme von Spenden seitens Unternehmen, Vereinen, sonstiger Institutionen bzw. Privatpersonen 217  Zu

diesem Gedanken Gärditz, NVwZ 2014, 1 (8). normativer Anknüpfung an § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG etwa Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 9; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 27; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 17; a. A. Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 41, der auch untergeordnete Betätigungen als Anerkennungshindernis ansieht. 219  Unter dem Gesichtspunkt des „Verkaufs“ von Klagerechten durch Umweltver­ bände pointiert Rehbinder, FS Dolde, S. 591 (602). 220  Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 49; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 49; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengeset­ zen, § 3 UmwRG Rn. 27. 218  Unter

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

diskutiert.221 Entsprechende Zuwendungen sind zwar grundsätzlich zuläs­ sig222 und dürften die Unabhängigkeit der Umweltverbände gegenüber dem Staat erhöhen, können aber unter Legitimitätsgesichtspunkten der Ausfül­ lung der ihnen zugedachten Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“ und unab­ hängige Sachwalter von Allgemeininteressen abträglich sein. Insoweit ha­ ben außerhalb des vorliegenden Untersuchungsgegenstands etwa Spenden des Autoherstellers Toyota an die Deutsche Umwelthilfe e. V., die in zahl­ reichen deutschen Großstädten auf dem Rechtsweg Durchfahrtsbeschrän­ kungen bzw. -verbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge gerichtlich durchge­ setzt hat, die allgemeine Frage nach der wirtschaftlichen Unabhängigkeit von Umweltverbänden gegenüber Dritten aufgeworfen.223 Fraglich erscheint die Wahrung der Unabhängigkeit anerkannter Umweltverbände im Hinblick auf die ihnen beigemessene Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“ auch dann, wenn sie – was in der Praxis offenbar häufiger vorkommt – im Zulassungs­ verfahren und in einem darauffolgenden Verwaltungsprozess von einem „eigentlich Interessierten vorgeschickt und bezahlt“ werden.224

221  Siehe Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 49; Gröhn, NuR 2019, 225 (231 f.); Pagenkopf, NVwZ 2019, 185 (192); Sprißler, DVBl 2019, 873 (875 ff.). Etwaige abgaben-, ver­ eins- oder steuerrechtliche Aspekte bleiben vorliegend außer Betracht. 222  Vgl. Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 49; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/ Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 44. Für die Gemeinnützigkeit der Tätigkeit von Umweltverbänden i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 UmwRG soll es allein auf die Verwen­ dung, nicht hingegen auf die Herkunft der Mittel ankommen, siehe dazu etwa Gröhn, NuR 2019, 225 (232). 223  Zur politischen Diskussion am Beispiel der Deutschen Umwelthilfe e. V. siehe BT-Drs. 19/5237, S. 27 (Antwort der Bundesregierung vom 23.10.2018 auf eine An­ frage der FDP-Bundestagsfraktion). Aus dem Schrifttum siehe einerseits etwa die Kritik bei Pagenkopf, NVwZ 2019, 185 (192); Sprißler, DVBl 2019, 873 (875 ff.); andererseits Gröhn, NuR 2019, 225 (231 f.), die Zweifel an der Unabhängigkeit von Umweltverbänden, die sich ausschließlich durch Spenden finanzieren, für „spekula­ tiv“ hält und diese als Ausdruck einer „Gesinnungsüberprüfung“ ansieht. 224  So – freilich ohne Beleg – Klinger, NuR 2015, 811 (814), der jedoch – inso­ weit bemerkenswert – ab dem Jahr 2016 als Prozessbevollmächtigter der Deutschen Umwelthilfe e. V. in zahlreichen deutschen Großstädten (partielle) Durchfahrtsbe­ schränkungen und -verbote für (bestimmte) Dieselfahrzeuge erstritten hat. Wie oben erwähnt, findet die Frage nach der Unabhängigkeit anerkannter Umweltverbände zu­ nehmende Aufmerksamkeit im juristischen Schrifttum, wobei sich die Diskussion bislang (noch) eher selten um naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungs­ verfahren dreht. Kritisch zu den auf die Verhängung von (partiellen) Fahrverboten für Dieselfahrzeuge gerichteten Klagen der Deutschen Umwelthilfe e. V. etwa Sprißler, DVBl 2019, 873 (877): „Im Ergebnis klagt hier nicht stellvertretend eine vereinsmä­ ßig organisierte Gruppe solidarisch ein ideelles Ziel vertretender Bürger, sondern ein wirtschaftliches Unternehmen, finanziert von Nichtmitgliedern, von nicht natürlichen Personen, von staatlichen Behörden und Geldgebern aus der in- und ausländischen Wirtschaft.“ In eine ähnliche Richtung gehen die Ausführungen bei Pagenkopf,



C. Die anerkannten Umweltverbände303

Insgesamt zeigt sich, dass die Unabhängigkeit von Umweltverbänden trotz ihrer grundsätzlichen Prüfung im Anerkennungsverfahren des § 3 UmwRG in organisationsrechtlicher Hinsicht225 weder näher gesetzlich ausgestaltet noch effektiv gesichert ist. Insoweit bestätigen sich die Befunde aus den zuvor be­ trachteten Referenzgebieten. Gleichzeitig dürfte sich mit Blick auf die stetig wachsende226 Bedeutung anerkannter Umweltverbände bei der Zulassung um­ weltrelevanter Anlagen und Vorhaben ein grundsätzliches Bedürfnis, etwaige ihre Unabhängigkeit gefährdende Interessenkonflikte (z. B. beim Umgang mit Zuwendungen) regulatorisch adäquat einzuhegen, kaum abstreiten lassen.227

IV. Tätigkeit der anerkannten Umweltverbände im Planfeststellungsverfahren Auch für die belangwahrende Tätigkeit anerkannter Umweltverbände ist auf der Ebene des konkreten Zulassungsverfahrens zwischen den Modali­ täten der Erstellung ihres Entscheidungsbeitrags sowie dessen Behandlung durch die außenwirksam handelnde Zulassungsbehörde zu differenzieren. Als insoweit exemplarisches Beispiel wird auf die Rolle anerkannter Umweltver­ bände im Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen i. S. d. §§ 17 ff. FStrG eingegangen. 1. Prüfung des Plans und Erstellung einer Stellungnahme Die Beteiligung anerkannter Umweltverbände im Planfeststellungsverfah­ ren für Bundesfernstraßen erfolgt auf der Ebene des Anhörungsverfahrens, dessen in § 17a FStrG228 i. V. m. § 73 VwVfG geregelte Grundstruktur dem Beteiligungsverfahren bei der Planfeststellung von NABEG-Vorhaben ent­ spricht.229 Obschon Umweltverbände im Zulassungsverfahren funktional NVwZ 2019, 185 (192). Keine Bedenken bezüglich der Unabhängigkeit der Deut­ schen Umwelthilfe e. V. sieht hingegen Gröhn, NuR 2019, 225 (231 f.). 225  Zur auf der Verfahrensebene anzusiedelnden Bestimmung des § 5 UmwRG siehe sogleich. 226  Dazu etwa Spieth/Hellermann, NVwZ 2019, 745  ff. Siehe im Übrigen die Nachweise in den vorhergehenden Fußnoten. 227  Ähnlich Klinger, NuR 2015, 811 (814). 228  Auf die Zitierung der – insoweit typischen (vgl. § 18a AEG, § 38 Abs. 1 S. 1 KrWG; § 14a WaStrG) – Verweisvorschrift des § 17a FStrG wird nachfolgend ver­ zichtet. Ganz ähnliche Regeln für die Verfahrensbeteiligung anerkannter Umweltver­ bände gelten beispielsweise im BImSchG-Genehmigungsverfahren, vgl. § 10 Abs. 3, 3a BImSchG. 229  Zur Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren für ­NABEG-Vorhaben siehe oben § 4 B. IV. 1.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

ähnlich230 wie Fachbehörden im Allgemeininteresse liegende Umwelt- und Naturschutzbelange wahrnehmen, gelten für ihre Einbeziehung in das Ver­ waltungsverfahren die für die Beteiligung der „sonstigen“ Öffentlichkeit geltenden Vorschriften (§ 73 Abs. 3, Abs. 4 S. 5, Abs. 6 S. 1 VwVfG). Nach der Einreichung des Plans durch den Vorhabenträger veranlasst die Anhö­ rungsbehörde zur Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung nach dessen vorheriger ortsüblicher Bekanntmachung (§ 73 Abs. 5 VwVfG) die Ausle­ gung des Plans in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussicht­ lich auswirken wird (§ 73 Abs. 2 VwVfG). Während der einmonatigen Aus­ legung des Plans und bis zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist können die Umweltverbände nach § 73 Abs. 4 S. 1 u. S. 5 VwVfG zu dem vom Vorhabenträger vorgelegten Plan Stellung nehmen bzw. Einwendungen erheben, ohne hierzu rechtlich verpflichtet zu sein.231 Gleiches gilt, wenn ein bereits ausgelegter Plan vom Vorhabenträger geändert wird und diese Änderung den Aufgabenbereich des Umweltverbands erstmals oder stärker als bisher berührt. In diesem Fall hat der betroffene Umweltverband ein Recht auf Mitteilung dieser Änderung. Ihm ist zudem erneut die Möglichkeit zu gewähren, innerhalb von zwei Wochen weitere Stellungnahmen und Ein­ wendungen zur Planänderung abzugeben (§ 73 Abs. 8 S. 1 VwVfG).232 Hat ein Umweltverband im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung eine Stellung­ nahme bzw. Einwendung erhoben, ist diese Gegenstand des von der zustän­ digen Behörde durchzuführenden Erörterungstermins (§  73 Abs.  6 S.  1 VwVfG). Dass die Umweltverbände bei der Wahrnehmung dieser Beteiligungsrechte nicht nur äußerungs- und einwendungsberechtigte, mit originären Klagebe­ fugnissen ausgestattete „Kontrolleure“233 der Verwaltungsbehörden sind, sondern letztere durch Einbringung ihres spezifischen Umwelt- und Natur­ schutzsachverstands im Zulassungsverfahren grundsätzlich unterstützen sollen,234 wird anhand der Vorschrift des § 5 UmwRG deutlich. Nach dieser Bestimmung bleiben Einwendungen eines Umweltverbands, die dieser erst­ 230  Es sei nochmals betont, dass mit der Verfahrenseinbindung anerkannter Um­ weltverbände keine Delegation von staatlichen Aufgaben bzw. Entscheidungsbefug­ nissen einhergeht. 231  Zur fehlenden Mitwirkungspflicht der Umweltverbände siehe oben C. II. Aus dem Schrifttum siehe statt aller Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 101. 232  Siehe auch § 22 Abs. 2 UVPG. Dieses Recht zur erneuten Beteiligung gilt indes nicht unbegrenzt. Die Verbände sind „keine allgemeinen ‚Begleiter‘ des Plan­ feststellungsverfahrens“, die zu jeder ihren satzungsmäßigen Aufgabenbereich berüh­ renden Fragestellung von der Planfeststellungsbehörde erneut beteiligt werden müss­ ten, siehe für die anerkannten Naturschutzverbände etwa BVerwGE 102, 358 (362). 233  Im untechnischen Sinne. 234  Siehe BT-Drs. 18/9526, S. 47; kritisch Franzius, in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 5 Rn. 6.



C. Die anerkannten Umweltverbände305

mals in einem gegen eine behördliche Entscheidung angestrengten Rechts­ behelfsverfahren erhebt, unberücksichtigt, wenn die erstmalige Geltendma­ chung im Rechtsbehelfsverfahren missbräuchlich oder unredlich ist. Diese Bestimmung tritt bei planfeststellungsbedürftigen Vorhaben, deren Zulassung die Durchführung einer vorherigen Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) erfordert, an die Stelle der allgemeinen Regelung des § 73 Abs. 4 S. 3 VwVfG, die eine mit höherrangigen Vorgaben des Unionsrechts unverein­ bare235 materielle Präklusionsregelung beinhaltet und daher in fachpla­ nungsrechtlichen Zulassungsverfahren regelmäßig nicht anzuwenden ist.236 Trotz ihrer Interpretationsbedürftigkeit verleiht die Vorschrift des § 5 Um­ wRG der gemeinhin geforderten237 Unabhängigkeit anerkannter Umweltver­ bände auf der Verfahrensebene ein Stück weit inhaltliche Konturen, indem sie ein etwaiges prozesstaktisches Zurückhalten von Einwendungen auf der Ebene des Zulassungsverfahrens im späteren Klageverfahren mit einem Aus­ schluss von Prozessvortrag sanktioniert. Die weiteren Modalitäten der Beteiligung anerkannter Umweltverbände sind gesetzlich nur rudimentär geregelt. Grundsätzlich können und sollen238 die Umweltverbände sich dazu äußern, ob das zur Zulassung gestellte Vorha­ ben mit sämtlichen Rechtsvorschriften vereinbar ist, die für die Zulassungs­ entscheidung der Behörde von Bedeutung sein können (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UmwRG) und den satzungsgemäßen Aufgabenbereich des jeweiligen Umweltverbands betreffen (§ 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwRG). Die Stellungnah­ men können sich sowohl auf tatsächliche als auch auf rechtliche Fragen be­ ziehen und etwa die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials oder die (Un-)Vollständigkeit bzw. (Un-)Richtigkeit durchgeführter Ermittlungen be­ treffen.239 Inhaltlich hängt der Umfang der den Umweltverbänden bei der Abgabe ihrer Stellungnahmen obliegenden Darlegungslast vom Detaillie­ rungsgrad der vom Vorhabenträger im Einzelfall vorgelegten Planunterlagen ab.240 Diesbezüglich äußert sich die den anerkannten Umweltverbänden von der Rechtsprechung beigemessene Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“ zum einen darin, dass sie kraft ihres Beteiligungs- und Stellungnahmerechts der zuständigen Behörde Informationen zu den durch das Vorhaben berührten 235  Siehe EuGH, Urteil vom 15.10.2015, Rs. C-137/14 (Europäische Kommis­ sion/Bundesrepublik Deutschland), ECLI:EU:C:2015:683, Rn. 75 ff. 236  Für Vorhaben, deren Zulassung die vorherige Durchführung einer Umweltver­ träglichkeitsprüfung (UVP) erfordert, beinhaltet § 21 Abs. 4 S. 1 UVPG jedoch eine formelle Präklusionsregelung. 237  Hierzu oben C. III. 2. 238  Siehe für UVP-pflichtige Vorhaben die ausdrückliche Regelung in § 18 Abs. 1 S. 3 UVPG. 239  Wysk, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 73 Rn. 101. 240  BVerwGE 140, 149 (152 f.) (zu Naturschutzverbänden).

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Umwelt- bzw. Naturschutzbelangen übermitteln können.241 Zum anderen sind sie befugt, auf Defizite in bereits durchgeführten Untersuchungen und Ermittlungen hinzuweisen und – gegebenenfalls unter Anbietung eigener Unterstützungsleistung – die Durchführung zusätzlicher Ermittlungen anzu­ regen.242 Sie können ferner Planungsalternativen vortragen und deren nähere Prüfung gegenüber der zuständigen Behörde inhaltlich anstoßen.243 Insgesamt wird am Beispiel des Planfeststellungsverfahrens für Bundes­ fernstraßen deutlich, dass anerkannte Umweltverbände zur effektiven Wahr­ nehmung und Geltendmachung der von ihnen satzungsmäßig wahrgenomme­ nen Umweltschutzinteressen über umfassende Beteiligungs- und Äußerungs­ rechte verfügen. Ob die Umweltverbände dabei die ihnen beigemessene Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“ auch in der Verwaltungspraxis als solche interpretieren oder den Fokus nicht doch eher auf die repressiv-kritische Kontrolle der Verwaltung richten, soll an dieser Stelle nicht vertieft wer­ den.244 Offenbar führen jedoch die den Umweltverbänden eingeräumten Be­ teiligungsmöglichkeiten und Klagerechte dazu, dass die Vorhabenträger und Behörden im Zulassungsverfahren ihrerseits auch unter Gesichtspunkten des Umweltschutzes qualitativ hochwertige Planungen vorlegen.245 Im Schrift­ tum erkennen selbst diejenigen Vertreter, die der Tätigkeit der Umweltver­ bände nicht nur positiv gegenüberstehen, deren Bedeutung für die Durchset­ zung des Umweltrechts und die Beseitigung etwaiger Vollzugsdefizite an.246 2. Behandlung der Stellungnahme durch die Planfeststellungsbehörde Hinsichtlich der Behandlung der von anerkannten Umweltverbänden im Planfeststellungsverfahren für Bundesfernstraßen abgegebenen Stellungnah­ 241  Für die im Hinblick auf die Funktion ihrer Mitwirkungsrechte mit den aner­ kannten Umweltverbänden vergleichbaren Naturschutzverbände vgl. BVerwG, NVwZ 1997, 491 (492); ferner Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 105a. 242  BVerwG, NVwZ 1997, 491 (492); Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 105a. 243  Ebda. 244  Kritisch etwa Hien, DVBl 2018, 1029 (1030), demzufolge sich Umweltver­ bände gerade bei Großprojekten regelmäßig in der „Fundamentalopposition“ befän­ den, weshalb ihre terminologische Umschreibung als „Quasi-Verwaltungshelfer“ im Ergebnis „zu euphemistisch“ sei. 245  Zu diesem Befund der „dialektischen Professionalisierung“ siehe Führ/Schenten/Schreiber/Schulze/Schütte, Evaluation von Gebrauch und Wirkung der Verbands­ klagemöglichkeiten nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), S. 3 f. Siehe ferner näher unten C. IV. 2. b). 246  Siehe etwa Gärditz, NVwZ 2014, 1 (2); Spieth/Hellermann, NVwZ 2019, 745 (751).



C. Die anerkannten Umweltverbände307

men und Einwendungen durch die zuständige Planfeststellungsbehörde ist wiederum zwischen der rechtlichen und der praktischen Bedeutung der Ent­ scheidungsbeiträge zu differenzieren. a) Rechtliche Bedeutung Nach Abschluss des Anhörungsverfahrens trifft die zuständige Planfest­ stellungsbehörde nach Maßgabe von § 17b Abs. 1 FStrG i. V. m. § 74 Abs. 1 VwVfG eine Entscheidung über den Antrag des Vorhabenträgers auf ­Planfeststellung seines fernstraßenrechtlichen Vorhabens. Zur Entscheidungs­ grundlage der Planfeststellungsbehörde gehören dabei neben der Planung des Vorhabenträgers und den sonstigen Einwendungen aus der Öffentlichkeitsbe­ teiligung auch die im Anhörungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen und Einwendungen der Umweltverbände zu den abwägungsrelevanten öf­ fentlichen Belangen, die die Planfeststellungsbehörde gemäß § 17 Abs. 1 S. 3 FStrG im Rahmen ihrer planerischen Abwägungsentscheidung zu berück­ sichtigen hat.247 Insoweit muss sich die Planfeststellungsbehörde mit den von den Umweltverbänden abgegebenen Stellungnahmen bei ihrer Entschei­ dung über den Planfeststellungsantrag inhaltlich auseinandersetzen248 und die Verbände nach Maßgabe von § 74 Abs. 2 S. 1 VwVfG in der Sache be­ scheiden. In ihrer schriftlichen Begründung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 17b FStrG i. V. m. §§ 74 Abs. 1 S. 2, 69 Abs. 2 VwVfG) muss die Planfest­ stellungsbehörde u. a. darlegen, warum sie etwaige von einem Umweltver­ band aufgezeigte Planungsvarianten sowie sonstige erhobene Einwendungen zurückgewiesen hat.249 Ähnlich wie die Voten verwaltungsberatender sach­ verständiger Stellen250 sind auch die Stellungnahmen und Einwendungen anerkannter Umweltverbände für die Planfeststellungsbehörde nicht rechtlich bindend. Vielmehr sind die den Verbänden gesetzlich eingeräumten Beteili­ gungs- und Äußerungsrechte verfahrensrechtlicher Natur und dienen ledig­ lich der Vorbereitung der von der zuständigen Behörde zu treffenden Ent­ scheidung über den Erlass des Planfeststellungsbeschlusses.251

247  Zur Berücksichtigung der durch das Vorhaben berührten Umwelt- und Natur­ schutzbelange in der Abwägung siehe Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 118 ff. Zu weiteren Modalitäten der Abwägungsentscheidung von Planfeststellungsbehörden siehe ferner oben § 4 B. IV. 2. 248  Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 74 Rn. 106. 249  Vgl. BVerwGE 75, 214 (239); Kämper, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar VwVfG, § 74 Rn. 10. 250  Siehe dazu oben § 3 B. IV. 2. a); § 3 C. IV. 2. a) u. § 3 D. IV. 2. a). 251  BVerwGE 105, 348 (350).

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

b) Praktische Bedeutung Unbestrittenermaßen hat die obligatorische Beteiligung anerkannter Um­ weltverbände in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren für Anlagen und Infrastrukturvorhaben den von ihnen satzungsmäßig wahrgenommenen Belangen des Umwelt- und Naturschutzes zu einer erheb­ lichen praktischen Bedeutung verholfen.252 Dies äußert sich vor allem darin, dass die Zulassungsbehörden sich mit den Stellungnahmen der Verbände zu umwelt- und naturschutzfachlichen Fragestellungen überhaupt inhaltlich aus­ einandersetzen und das Vorbringen in ihren Entscheidungen über den jewei­ ligen Zulassungsantrag berücksichtigen müssen. Indes lassen sich qualitativ bzw. quantitativ belastbare Aussagen zum praktischen Einfluss der Stellung­ nahmen anerkannter Umweltverbände auf behördliche Planfeststellungs- bzw. sonstige Zulassungsentscheidungen kaum treffen. Entsprechende empirische Erhebungen liegen, soweit ersichtlich, bezogen auf die Verfahrensebene nicht vor. Indes haben beispielsweise Schmidt/Zschiesche die Inanspruchnahme der den anerkannten Umweltverbänden eingeräumten Rechtsbehelfsmöglich­ keiten in tatsächlicher Hinsicht näher untersucht.253 Dabei spricht die von den Autoren durchgeführte Erhebung zu den Klageverfahren, die anerkannte Umweltverbände zwischen 2013 und 2016 gegen Planfeststellungsentschei­ dungen für Infrastrukturvorhaben im Allgemeinen bzw. für Bundesfernstra­ ßen im Besonderen angestrengt haben, indiziell254 gegen eine umfassende Berücksichtigung ihrer Stellungnahmen in den behördlichen Zulassungsent­ scheidungen.255 Insofern lässt sich die vorliegend für verschiedene Refe­ renzgebiete herausgearbeitete „faktische“ Bindungswirkung der Voten ver­ waltungsberatender sachverständiger Stellen256 im Hinblick auf die Stellung­ nahmen anerkannter Umweltverbände nicht bejahen. 252  Hien, DVBl 2018, 1029 (1030); siehe auch Spieth/Hellermann, NVwZ 2019, 745 (751). 253  Siehe insgesamt Schmidt/Zschiesche, Die Klagetätigkeit der Umweltschutz­ verbände im Zeitraum von 2013 bis 2016. 254  Ein empirischer Nachweis der fehlenden praktischen Bindungswirkung der Einschätzungen der Verbände müsste für einen definierten Zeitraum sämtliche auf Grundlage des § 17 FStrG (bzw. für andere Infrastrukturvorhaben) ergangenen Plan­ feststellungsentscheidungen erfassen, bei denen die Planfeststellungsbehörden mit Stellungnahmen und Einwendungen der Umweltverbände befasst waren. Im zweiten Schritt müssten die behördlichen Entscheidungen darauf hin überprüft werden, inwie­ weit Forderungen der Umweltverbände umgesetzt bzw. nicht umgesetzt wurden. Die Anzahl der eingereichten Verbandsklagen wäre erst im dritten Schritt von Bedeutung. 255  Siehe insoweit die Auswertung bei Schmidt/Zschiesche, Die Klagetätigkeit der Umweltschutzverbände im Zeitraum von 2013 bis 2016, S. 20. 256  Zur praktischen Bedeutung der Gutachten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. IV. 2. b); zu den Voten der ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 2. b);



C. Die anerkannten Umweltverbände309

Die gleichwohl nicht zu verkennende rechtstatsächliche Bedeutung der von Umweltverbänden in Zulassungsverfahren abgegebenen Stellungnahmen wird jedoch vor dem Hintergrund der statistisch kaum greifbaren, lediglich als Phänomen beschreibbaren „Vorwirkung“ der im Umweltrecht in den ver­ gangenen Jahren sukzessive erweiterten Umweltverbandsklage plastisch. Der Sinn und Zweck der Verbandsklage besteht darin, durch die Möglichkeit zur Initiierung eines auf die Einhaltung objektiver Rechtsvorschriften gerichteten Klageverfahrens eine effektive Rechtsdurchsetzung zu gewährleisten und so dem vielfach monierten Defizit beim Vollzug des Umweltrechts entgegenzu­ wirken.257 Ungeachtet ihrer tatsächlichen Inanspruchnahme dürfte bereits die bloße Existenz der Umweltverbandsklage als verwaltungsprozessuales Instrument eine „disziplinierende Vorwirkung“ für das Verwaltungsverfahren entfalten.258 Das potenzielle Risiko seitens anerkannter Umweltverbände initiierter Rechtsbehelfsverfahren ist für Vorhabenträger und Zulassungsbe­ hörden ein Anreiz, bei der planerischen Konzeption von Vorhaben, der Erar­ beitung von Antragsunterlagen und der Durchführung des Verwaltungsver­ fahrens besonders sorgfältig zu agieren.259 Eine zweite Vorwirkungsdimen­ sion der Umweltverbandsklage zeigt sich in zwischen den Verfahrensbetei­ ligten erzielten Kompromissen, die in die behördliche Entscheidung einfließen.260 Welche praktische Relevanz derartige Kompromisse zwischen Behörden, Vorhabenträgern und Verbänden in der Planungs- und Zulassungs­ praxis einnehmen, lässt sich empirisch kaum nachvollziehen oder gar bele­ gen.261 Nicht fraglich ist jedoch, dass solche Vergleiche in der Praxis durch­ aus geschlossen werden.262 Zweifel können derartige einvernehmliche Lö­ zu den gutachtlichen Stellungnahmen der DFS i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG siehe oben § 3 D. IV. 2. b). 257  Statt vieler Rehbinder, NuR 2015, 733 (739). 258  So etwa Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, UmwRG, Vorb. Rn. 11. 259  Für die Praxis siehe insbesondere Führ/Schenten/Schreiber/Schulze/Schütte, Evaluation von Gebrauch und Wirkung der Verbandsklagemöglichkeiten nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG), S. 93; ferner Fellenberg/Schiller, in: Land­ mann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, UmwRG, Vorb. Rn. 11; zur disziplinierenden Vorwirkung einer funktionsfähigen Verwaltungsgerichtsbarkeit siehe auch Ramsauer, NordÖR 2019, 157 (166). 260  Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, UmwRG, Vorb. Rn. 11. 261  Insoweit kritisch Hien, DVBl 2018, 1029 (1030), der Umweltverbänden attes­ tiert, aus ihrer Sicht sei jede Form von „Verwaltungshilfe“ bzw. Zusammenarbeit letztlich „Verrat an der Sache“. 262  Siehe etwa https://www.welt.de/print/die_welt/wirtschaft/article12872113/ Harter-Vorwurf-gegen-Umweltverbaende.html oder http://nabu-nw.de/naturschutzver baende-wehren-sich-gegen-vorwurf-der-kaeuflichkeit-in-ard-sendung-panorama/ (je­ weils zuletzt abgerufen am 07.08.2019).

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sungen im Hinblick auf das Unabhängigkeitspostulat erwecken, sofern die Umweltverbände im Gegenzug für den Vergleichsabschluss ein (hohes) Ent­ gelt erhalten.263 Denn in derartigen Fällen erscheint es nicht ausgeschlossen, dass die Aussicht auf eine die Finanzierung anderer Projekte absichernde Zuwendung Umweltverbände in Einzelfällen dazu veranlassen könnte, auf eine aus fachlicher Sicht gebotene Weiterverfolgung von Stellungnahmen und Einwendungen zu verzichten.264 Freilich entziehen sich die Motive eines Verbands für einen von vornherein beabsichtigten Klageverzicht ebenso wie für einen nach Klageerhebung geschlossenen, auf die Beilegung eines bereits anhängigen Rechtsstreits gerichteten Vergleich regelmäßig einer exakten und objektiven Nachprüfung.

V. Gerichtliche Überprüfung Auf der Ebene der gerichtlichen Überprüfung liegt der forensische wie rechtswissenschaftliche Fokus bezüglich der Arbeit anerkannter Umweltver­ bände gemeinhin auf von den Verbänden initiierten Klageverfahren, die die Kontrolle der von den Behörden getroffenen (Zulassungs-)Entscheidungen zum Gegenstand haben. Mit Blick auf die anerkannten Umweltverbänden ebenfalls beigemessene Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“ soll vorliegend darauf eingegangen werden, inwieweit die Umweltverbände bei ihrer Tätig­ keit in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nach Maßgabe des Prinzips der „Kontrolle der Kontrolleure“ ihrerseits einer ge­ richtlichen Überprüfung unterliegen. Als Anknüpfungspunkt für eine etwaige gerichtliche Überprüfung der Tä­ tigkeit anerkannter Umweltverbände kommt zunächst ihre staatliche Aner­ kennung i. S. d. § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG in Betracht, welche die erste Stufe ihres zweiaktigen Einbindungsmodus in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren bildet.265 Zwar können Umweltverbände nach ihrer Anerkennung Rechtsbehelfe gegen behördliche Zulassungsent­ scheidungen für Anlagen und Vorhaben einlegen, wodurch insbesondere den jeweiligen Antragstellern und Vorhabenträgern Nachteile drohen (z. B. Auf­ hebung der Zulassungsentscheidungen, zeitliche Verzögerungen bei der Vor­ habenrealisierung). Diese Erweiterung der gesetzlichen Klagemöglichkeiten von Umweltverbänden ist für sich genommenen jedoch kein rechtlich rele­ vanter Nachteil, der Antragstellern bzw. Vorhabenträgern ein klagefähiges 263  Zur auch praktisch gelegentlich auftauchenden Problematik des „Verkaufs von Klagerechten“ durch Umweltverbände siehe Klinger, NuR 2015, 811 ff.; Rehbinder, FS Dolde, S. 591 (596 ff.); ders., NuR 2015, 733 ff. 264  Ähnlich Rehbinder, NuR 2015, 733 (739). 265  Zum zweiaktigen Einbindungsmodus siehe oben C. II.



C. Die anerkannten Umweltverbände311

subjektives Recht i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO verleihen könnte. Insbesondere ergibt sich für letztgenannte Personen unter dem Gesichtspunkt einer prozes­ sualen „Waffengleichheit“ kein klagefähiges, durch die Anerkennung eines Umweltverbands möglicherweise verletztes Recht. Hierfür spricht insbeson­ dere, dass neben Umweltverbänden auch in subjektiven Rechten betroffene Individualbürger gegen die Antragstellern bzw. Vorhabenträgern erteilten Zulassungsentscheidungen den Verwaltungsrechtsweg bestreiten können.266 Vor diesem Hintergrund sind etwaige Drittanfechtungsklagen gegen die ei­ nem Umweltverband staatlich erteilte Anerkennung regelmäßig unzuläs­ sig.267 Im Hinblick auf ein etwaiges Bedürfnis, Umweltverbände nach ihrer Anerkennung zu kontrollieren,268 ist die fortlaufende Überprüfung des Vor­ liegens der Anerkennungsvoraussetzungen den zuständigen Behörden vorbe­ halten. Diese können erteilte Anerkennungen nach Maßgabe der allgemeinen Vorschriften der §§ 48, 49 VwVfG aufheben. Ob diese behördliche Kontroll­ möglichkeit dem erheblichen Bedeutungszuwachs der Verbandsbeteiligung und -klage im Umweltrecht (noch) hinreichend Rechnung trägt, wird im Schrifttum teilweise bezweifelt.269 Losgelöst von Rechtsschutzfragen hinsichtlich ihrer Anerkennung unterlie­ gen die im konkreten Zulassungsverfahren erstellten Entscheidungsbeiträge anerkannter Umweltverbände lediglich dann einer inzidenten (vgl. § 44a S. 1 VwGO) gerichtlichen Kontrolle, sofern sie in der behördlichen Zulassungs­ entscheidung umgesetzt werden bzw. inhaltlich Berücksichtigung finden. In diesem Fall können Dritte nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO die von anerkannten Umweltverbänden inhaltlich vor- bzw. mitgeprägte Zulassungs­ entscheidung der außenverantwortlich handelnden Behörde gerichtlich über­ prüfen lassen. Dabei sind Individualkläger grundsätzlich auf die Geltendma­ chung der Verletzung von eigenen subjektiven Rechten beschränkt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht allein Enteig­ nungsbetroffenen aus Art. 14 Abs. 1 GG das Recht zu, Planfeststellungsbe­ schlüsse auch auf deren objektive Rechtmäßigkeit gerichtlich kontrollieren zu lassen (sog. Vollüberprüfungsanspruch). Dies setzt allerdings voraus, dass der konkret geltend gemachte Fehler für die Inanspruchnahme des Grund­ 266  Bunge, UmwRG, §  3 Rn. 32; Schieferdecker, in: Hoppe/Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 84. 267  Bunge, UmwRG, § 3 Rn. 32; Ewer, NVwZ 2007, 267 (271); Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Band I, UmwRG, § 3 Rn. 64; Franzius; in: Schink/Reidt/Mitschang (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 15; Schieferdecker, in: Hoppe/ Beckmann/Kment (Hrsg.), UmwRG, § 3 Rn. 84; Schlacke, in: Gärditz (Hrsg.), VwGO mit Nebengesetzen, § 3 UmwRG Rn. 43. 268  Dies könnte etwa im Hinblick auf die Wahrung des Unabhängigkeitspostulats geboten sein, siehe oben C. III. 2. 269  Etwa von Spieth/Hellermann, NVwZ 2019, 745 (747).

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

stücks des Betroffenen kausal ist.270 Ist letzteres nicht der Fall, kann es gege­ benenfalls an einem Kläger fehlen, der eine von den beteiligten Umweltver­ bänden inhaltlich mitgeprägte (z. B. durch Abgabe von Stellungnahmen, er­ zielte Kompromisse bzw. Vergleiche)271 Zulassungsentscheidung auch hin­ sichtlich der von den Verbänden satzungsmäßig wahrgenommenen Belange gerichtlich kontrollieren lassen kann. Insoweit ist allgemein festzustellen, dass die Befugnis, Verletzungen des objektiven Umweltrechts einer umfas­ senden gerichtlichen Kontrolle zuzuführen, weitgehend bei den anerkannten Umweltverbänden monopolisiert ist.272 Diesen Befund gilt es zu betonen, da die weitgehend auf ehrenamtlicher Basis agierenden Umweltverbände auf­ grund ihrer häufig knappen Personal- und Ressourcenausstattung in Planfest­ stellungsverfahren häufig untereinander kooperieren und Absprachen tref­ fen.273 Darüber hinaus klagen Umweltverbände in nachgelagerten Verwal­ tungsstreitverfahren nicht selten gemeinsam gegen behördliche Zulassungs­ entscheidungen.274 Dementsprechend ist auf der Ebene der gerichtlichen Rechtsschutzebene nicht gesichert, dass von anerkannten Umweltverbänden mitgeprägte Zulassungsentscheidungen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Um­ welt- und Naturschutzrecht gerichtlich überprüft werden können. Infolge­ dessen kann es in Fällen, in denen die Umweltverbände die behördliche Zu­ lassung einer Anlage bzw. eines Vorhabens inhaltlich mittragen, bei der Durchsetzung des objektiven Umwelt- und Naturschutzrechts potenziell zu Kontrolllücken kommen, die in der rechtswissenschaftlichen275 wie gesell­ schaftspolitischen276 Debatte zwar mitunter als solche erkannt, im gegenwär­ 270  BVerwGE 134, 308 (310 f.); BVerwG, DVBl 2018, 1418 (1426); Beschluss vom 27.11.2018 – 9 A 10.17–, juris, Rn. 11. 271  Siehe dazu oben C. IV. 2. b). 272  Dazu kritisch Ipsen, NdsVBl. 1999, 225 (228), der hierin eine „Privatisierung des Gemeinwohls“ sieht, durch die der „rechtsstaatliche Rubikon“ überschritten werde; hierauf umfassend erwidernd Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz, S. 491 ff. 273  Zschiesche, Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrelevanten Zulassungsverfah­ ren, S. 228. 274  Beispiele für Klageverfahren, die von zwei bzw. mehreren Umweltverbänden (bzw. Naturschutzverbänden) gegen behördliche Planfeststellungsentscheidungen für Fernstraßenvorhaben geführt wurden, finden sich in der Rechtsprechung des Bundes­ verwaltungsgerichts durchaus häufig, siehe etwa BVerwG, NVwZ 2002, 1103; ­BVerwGE 148, 373 (374); 149, 289 (290); BVerwG, Urteil vom 28.04.2016 – 9 A 10.15 –, juris, Rn. 1; Urteil vom 27.11.2018 – 9 A 8.17, juris, Rn. 1 (zur Veröffent­ lichung in BVerwGE vorgesehen); für andere Infrastrukturvorhaben siehe beispiels­ weise BVerwGE 158, 1 (3). 275  Zur Debatte um den „Verkauf von Klagerechten“ durch Umweltverbände siehe wiederum Klinger, NuR 2015, 811 ff.; Rehbinder, FS Dolde, S. 591 (596 ff.); ders., NuR 2015, 733 ff. 276  Der Spiegel, Nr. 13/2013, S. 44  f.: „Lobby: Geld oder Klage“; FAZ online vom 28.04.2016: „Die Umwelthilfe bekommt Geld von Toyota“, https://www.faz.net/



C. Die anerkannten Umweltverbände313

tigen Verwaltungsrechtsschutzsystem jedoch nicht geschlossen werden. Ob diesbezüglich ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, lässt sich ohne eine vorhergehende Evaluation des praktischen Verwaltungsvollzugs abstrakt kaum beantworten. Hinsichtlich der gerichtlichen Kontrolldichte der von anerkannten Um­ weltverbänden inhaltlich mitgeprägten Planfeststellungsentscheidungen für Bundesfernstraßen bestehen keine Besonderheiten. Insoweit kann im Wesent­ lichen auf die obigen Ausführungen zur Überprüfbarkeit von Planfeststel­ lungsbeschlüssen der Bundesnetzagentur verwiesen werden.277 Aus dem Spektrum der von anerkannten Umweltverbänden satzungsmäßig wahrge­ nommenen Umwelt- und Naturschutzbelange geht die Rechtsprechung ins­ besondere für die praxisrelevanten Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG von einer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative der Behörden bei der Bestandserfassung und der Bewertung der vorhabenbeding­ ten Verwirklichung der Verbotstatbestände aus.278 Könnten sich die Umwelt­ verbände mit ihren diesbezüglichen Vorschlägen und Konzepten zum fach­ lichen Vorgehen bei den Zulassungsbehörden vollständig durchsetzen, übten sie bis zur Herausbildung anerkannter Standards279 de facto Beurteilungs­ spielräume aus. Letzteres ist in der Praxis freilich nur selten der Fall. Häufig liegen die fachlichen Einschätzungen der Umweltverbände und der Behörden inhaltlich weit auseinander.280

VI. Ergebnisse Die Tätigkeit von anerkannten Umweltverbänden im Planfeststellungsver­ fahren für Bundesfernstraßen ist ein weiteres Beispiel für die regulatorische Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Ausgestaltung der Fachkompetenz und Unabhängigkeit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zur unter­ stützenden Vorbereitung der behördlichen Entscheidungsfindung hoheitlich eingebunden werden. Wie das Referenzgebiet zeigt, können nicht nur die hohe Wissensdynamik naturwissenschaftlich-technisch komplexer Sachver­ aktuell/wirtschaft/auto-verkehr/deutsche-umwelthilfe-bekommt-geld-von-toyota-1425 6098.html (zuletzt abgerufen am 07.08.2019); Panorama Nr. 751 vom 15.03.2012: „Geld statt Widerstand: Wie sich Umweltverbände kaufen lassen“, https://daserste. ndr.de/panorama/archiv/2012/panorama3989.pdf (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 277  Siehe insoweit oben § 4 B. V. 278  Siehe hier nur BVerwGE 147, 118 (125 f.) m. w. N. 279  Dazu BVerfG, NVwZ 2019, 52 (53 ff.). 280  Was nicht zuletzt in der praktischen Relevanz des Umweltverbandsklagerechts zum Ausdruck kommt.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

halte und die hieran anknüpfende Unbestimmtheit des materiellen (Fach-) Rechts, sondern auch in der Verfahrenstätigkeit sachverständiger Stellen be­ gründete Handlungsmotive (z. B. Altruismus) dem Normgeber bei der Kon­ kretisierung des Merkmals der Fachkompetenz regulatorische Grenzen set­ zen. Zugleich wird anhand des betrachteten Referenzgebiets deutlich, dass auch die Unabhängigkeit von privaten sachverständigen Stellen, die keine Gewinnerzielungsabsichten verfolgen, zweifelhaft sein kann, wenn diese ihre Aktivitäten maßgeblich durch Zuwendungen Dritter finanzieren müssen. Auf der Verfahrensebene stehen anerkannten Umweltverbänden durchaus weitreichende Einsichtnahme- und Äußerungsrechte zur Verfügung, die aus­ weislich von Erfahrungen aus der Praxis einen spürbaren Beitrag zur Behe­ bung des jahrzehntelang monierten Vollzugsdefizits im Umweltrecht leisten. Ambivalent erscheint die den Umweltverbänden beigemessene Rolle als „Quasi-Verwaltungshelfer“, durch die sie einerseits zur Unterstützung der Zulassungsbehörden aufgerufen sind, ohne dass sie jedoch andererseits ihre Sachwalterfunktion hinsichtlich der von ihnen satzungsmäßig als private Zwecke verfolgten Allgemeinwohlbelange preisgeben sollen. In diesem Spannungsfeld können im subjektiven Verwaltungsrechtsschutzsystem des nationalen Rechts potenziell Kontrolllücken auftreten, die die Rechtsordnung im Vertrauen auf die Sachorientierung und Handlungsrationalität der aner­ kannten Umweltverbände (bislang) hinnimmt. Inwieweit das am Beispiel des Planfeststellungsverfahrens für Bundesfernstraßen illustrierte Modell der Verbandsbeteiligung auch für andere naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexe Zulassungsverfahren (z. B. im Produkt- und Stoffrecht) in Betracht kommt, wird an späterer Stelle unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung noch einmal aufgegriffen.281

D. Die Ethik-Kommissionenbei der Genehmigung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln Während in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren für Anlagen und Infrastrukturvorhaben häufig in ihrem Aufgabenbereich betroffene Fachbehörden sowie Verbände als belangwahrende sachverstän­ dige Stellen hoheitlich eingebunden werden, setzt der Staat in Zulassungs­ verfahren für komplexe medizinische Forschungs- und Eingriffsvorhaben maßgeblich auf Ethik-Kommissionen,282 die als „Patientenschutzinstitution[en] 281  Siehe

dazu in rechtlicher Hinsicht unten § 6 D. I. 2. a) cc) (1). an die Terminologie der §§ 41 ff. AMG ist im Folgenden grund­ sätzlich von „Ethik-Kommissionen“ (nicht: Ethikkommissionen) die Rede. Werden im Folgenden Nachweise aus dem Schrifttum oder aus sonstigen Quellen mit Titel zitiert, wird auf die jeweils dort gewählte Schreibweise abgestellt. 282  Anknüpfend



D. Die Ethik-Kommissionen315

mit Behördencharakter“283 neben ethischen vor allem auch medizinfachliche und rechtliche Fragestellungen zu beantworten haben.284 Am Beispiel des Genehmigungsverfahrens für die klinische Prüfung von Arzneimitteln sollen im Folgenden anhand des Prüfrasters aus den vorhergehenden Referenzge­ bieten typische organisations- und verfahrensrechtliche Strukturen der ho­ heitlichen Einbindung administrativer Ethik-Kommissionen in Zulassungs­ verfahren des Pharma- und Medizinrechts herausgearbeitet werden.

I. Rechtlicher Rahmen Für die Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Men­ schen gilt im nationalen Recht285 ein duales Genehmigungsregime, das im Einzelnen in den Bestimmungen der §§ 40 ff. AMG näher ausgestaltet ist. Gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 AMG darf vom Sponsor – dies sind natürliche oder juristische Personen, die die Verantwortung für die Veranlassung, Organisa­ tion und Finanzierung einer klinischen Prüfung bei Menschen überneh­ men286 – mit der klinischen Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen nur begonnen werden, wenn die für den Sponsor zuständige Ethik-Kommission diese nach Maßgabe des § 42 Abs. 1 AMG zustimmend bewertet und die zuständige Bundesoberbehörde diese nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 AMG genehmigt hat.287 Auf das letztgenannte Genehmigungsverfahren vor der zuständigen Bundesoberbehörde nach § 42 Abs. 2 AMG wird vorliegend le­ diglich hingewiesen. Es bleibt für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung im Folgenden weitgehend außer Betracht. Wie bereits aus dem Wortlaut des § 40 Abs. 1 S. 2 AMG folgt, ist die zu­ stimmende Bewertung einer Ethik-Kommission nach gegenwärtiger Rechts­ lage288 eine zwingende Voraussetzung für den zulässigen Beginn der klini­ 283  So die Formulierung in der Gesetzesbegründung zum Arzneimittelrecht, siehe BT-Drs. 15/2109, S. 32. 284  Vor dem Hintergrund dieser Aufgabenstellung wird die Angemessenheit der Bezeichnung als „Ethik-Kommission“ teilweise bezweifelt, siehe etwa die Kritik bei Sobota, AöR 121 (1996), 229 (253, 259). 285  Der rechtliche Rahmen des Genehmigungsverfahrens für die klinische Prü­ fung von Arzneimitteln wird durch eine Vielzahl unterschiedlicher Regelwerke und Rechtsquellen des Völker- und Unionsrechts vorgeprägt. Zur allgemeinen Überfor­ mungen der Tätigkeit von Ethik-Kommissionen durch die (bislang) maßgeblichen Anforderungen des Völker- und Unionsrechts siehe etwa Keilpflug, Demokratieprin­ zip und Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 40 ff.; Tulun, Ethik­ kommissionen als Instrument der Forschungskontrolle vor dem Hintergrund der grundrechtlich verbürgten Forschungsfreiheit, S. 76 ff. 286  Siehe die Legaldefinition in § 4 Abs. 24 AMG. 287  Siehe auch Art. 9 Abs. 1 UA 2 S. 1 Richtlinie 2001/20/EG. 288  Zur zukünftigen Rechtslage siehe sogleich.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

schen Prüfung eines Arzneimittels beim Menschen. Die Genehmigungsertei­ lung durch die zuständige Bundesoberbehörde i. S. d. § 42 Abs. 2 AMG ist für die zulässige Aufnahme eines Forschungsvorhabens i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG insoweit nicht ausreichend. Nach einhelliger289 Auffassung sind die nach Landesrecht zu bildenden290 Ethik-Kommissionen daher als Behör­ den i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG zu qualifizieren.291 Ihre Zustimmungen bzw. deren Versagung zur Durchführung einer klinischen Prüfung stellen nach gegenwärtig noch geltender Rechtslage292 Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG dar,293 über deren Erlass die Ethik-Kommissionen im als Verwal­ tungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipierten294 Verfahren des § 42 Abs. 1 AMG eigenverantwortlich entscheiden. Nach zukünftiger Rechtslage richtet sich der Ablauf des Genehmigungs­ verfahrens nach den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 536/2014.295 Unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 536/2014, die im Zeitpunkt des Ab­ schlusses der vorliegenden Abhandlung noch nicht verbindlich anzuwenden 289  Eine Aufwertung der rechtlichen Bedeutung der Voten der Ethik-Kommissio­ nen erfolgte durch das „Zwölfte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ vom 30.07.2004 (BGBl. I 2004, S. 2031). Zur – hier nicht näher zu vertiefenden – vorhe­ rigen Rechtslage siehe etwa Ammann, Medizinethik und medizinethische Experten­ gremien im Lichte des öffentlichen Rechts, S. 444 ff. 290  § 42 Abs. 1 S. 3 AMG. Zum Einbindungsmodus der Ethik-Kommissionen siehe unten D. II. 291  Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengremien im Lichte des öffentlichen Rechts, S. 454; Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S. 272; Listl, Die zivilrechtliche Haftung für Fehler von Ethikkommissionen, S. 87; Listl-Nörr, in: Spickhoff (Hrsg.), Medizinrecht, AMG, § 42 Rn. 3 f; Sobota, AöR 121 (1996), 229 (239); von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen For­ schung, S. 186. 292  Vgl. zum Inkrafttreten der zukünftig maßgeblichen Verordnung (EU) Nr. 536/ 2014 die Bestimmungen in Art. 99 S. 2 i. V. m. Art. 82 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 536/2014. 293  Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengremien im Lichte des öffentlichen Rechts, S.  464; Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S.  271  f. (m. w. N. (dort Fn. 981) zur Gegenauffassung nach alter Rechtslage); Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1432; Paus, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer (Hrsg.), Gesam­ tes Medizinrecht, AMG, § 42 Rn. 2; von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 190; Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 4. 294  Dazu ausführlich Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengre­ mien im Lichte des öffentlichen Rechts, S. 461 ff. 295  Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln und zur Aufhe­ bung der Richtlinie 2001/20/EG. Dieser Rechtsakt findet aufgrund der ausstehenden Mitteilung der EU-Kommission nach Art. 99 S. 2 i. V. m. Art. 82 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bislang noch keine Anwendung.



D. Die Ethik-Kommissionen317

war,296 wird die zustimmende Bewertung einer Ethik-Kommission zukünftig keine zwingende Voraussetzung mehr für den zulässigen Beginn mit einer klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen sein.297 Auf diese neue Rechtslage wird vorliegend vereinzelt einzugehen sein, wenn und soweit sie in einem Zusammenhang mit dem Erkenntnisinteresse der vorliegenden Un­ tersuchung steht. Den Schwerpunkt der nachfolgenden Betrachtung bildet jedoch die gegenwärtige Rechtslage, die sich vornehmlich nach den bundes­ rechtlichen Regelungen der §§ 40 ff. AMG sowie den auf ihrer Grundlage erlassenden Vorschriften aus dem jeweiligen Landesrecht bestimmt.

II. Einbindungsmodus Nach gegenwärtiger Rechtslage können für die Einbindung von EthikKommissionen in das Verfahren zur Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen grundsätzlich298 vier Stufen unterschieden werden. Im abstrakt-generellen Teil des Einbindungsmodus sind die Stufen der gesetzlichen Aufgabenzuweisung im Bundesrecht (Stufe 1), der Errich­ tung und Organisation auf Landesebene (Stufe 2) sowie die Registrierung auf Bundesebene (Stufe 3) zu unterscheiden. Die Prüftätigkeit und konkrete Verfahrenseinbindung der Ethik-Kommissionen erfolgt sodann im einzelfall­ bezogenen, auf Bundesebene durchzuführenden Bewertungs- bzw. Zustim­ mungsverfahren (Stufe 4). 296  Vgl. zum Inkrafttreten die Bestimmungen in Art. 99 S. 2 i. V. m. Art. 82 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 536/2014. 297  Nach Art. 8 Abs. 4 S. 1 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 versagt ein betroffener Mitgliedstaat die Genehmigung einer klinischen Prüfung, wenn er aus einem der in Art. 8 Abs. 2 UA 2 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genannten Gründe die Schlussfol­ gerung des berichterstattenden Mitgliedstaats in Bezug auf Teil I des Bewertungsbe­ richts ablehnt, oder wenn er in hinreichend begründeten Fällen zu dem Schluss ge­ langt, dass die in Teil II des Bewertungsberichts behandelten Aspekte nicht eingehal­ ten werden, oder wenn eine Ethik-Kommission eine ablehnende Stellungnahme abgegeben hat, die gemäß dem Recht des betroffenen Mitgliedstaats für diesen ge­ samten Mitgliedstaat gültig ist. 298  Es ist vorab darauf hinzuweisen, dass die in § 41a AMG statuierte Registrie­ rungspflicht von Ethik-Kommissionen (Stufe 3) an das zukünftig auf Unionsebene durchzuführende Genehmigungsverfahren für die klinische Prüfung von Arzneimit­ teln bei Menschen (Verordnung (EU) Nr. 536/2014) anknüpft und formal nicht für das gegenwärtig noch auf nationaler Ebene durchzuführende Genehmigungsverfahren gilt. Allerdings ist die Registrierungspflicht des § 41 AMG im Vorgriff auf das zu­ künftig auf Unionsebene durchzuführende Genehmigungsverfahren bereits Ende des Jahres 2016 in Kraft getreten und stellt seitdem formell gültiges Recht dar, welches bereits vollzogen wird. Aus diesem Grund wird das Registrierungsverfahren des § 41a AMG in die vorliegende Betrachtung einbezogen, auch wenn seine rechtliche Bedeu­ tung erst nach zukünftiger Rechtslage vollständig zur Geltung gelangen wird.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Die erste Stufe des Einbindungsmodus bildet die bundesrechtlich ange­ ordnete Einbeziehung der Ethik-Kommissionen in das Verfahren zur Zulas­ sung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen sowie ihre abstrakt-generelle Aufgabenzuweisung. Nach § 40 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 AMG darf der Sponsor die klinische Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen nur beginnen, wenn die zuständige Ethik-Kommission diese zustimmend bewertet hat. Welche organisationsrechtlichen Anforderungen die mit dieser Aufgabe betrauten Ethik-Kommissionen erfüllen müssen, ergibt sich aus der auf Grundlage der Ermächtigung des § 42 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AMG vom Ver­ ordnungsgeber erlassenen Vorschrift des § 3 Abs. 2c der „Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von kli­ nischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen“299 (GCP-Verordnung). § 3 Abs. 2c GCP-Verordnung definiert den Terminus der Ethik-Kommission als „ein unabhängiges Gremium aus im Gesundheits­ wesen und in nichtmedizinischen Bereichen tätigen Personen, dessen Auf­ gabe es ist, den Schutz der Rechte, die Sicherheit und das Wohlergehen von betroffenen Personen im Sinne des § 3 Abs. 2a GCP-Verordnung zu sichern und diesbezüglich Vertrauen der Öffentlichkeit zu schaffen, indem es unter anderem zu dem Prüfplan, der Eignung der Prüfer und der Angemessenheit der Einrichtungen sowie zu den Methoden, die zur Unterrichtung der be­ troffenen Personen und zur Erlangung ihrer Einwilligung nach Aufklärung benutzt werden und zu dem dabei verwendeten Informationsmaterial Stel­ lung nimmt.“ Aus dieser Begriffsdefinition des § 3 Abs. 2c GCP-Verordnung folgt eine bundesrechtliche Rahmenvorgabe300 für die zweite Stufe des Einbindungs­ modus, auf der nach § 42 Abs. 1 S. 3 AMG das Nähere zur Bildung, Zusam­ mensetzung und Finanzierung der Ethik-Kommissionen durch Landesrecht bestimmt wird. „Durch Landesrecht“ werden nach wohl einhelliger Auffas­ sung nur öffentlich-rechtliche, nicht aber privatrechtliche Ethik-Kommissio­ nen gebildet. Aus diesem Grund dürfen lediglich öffentlich-rechtliche EthikKommissionen nach Maßgabe von § 40 Abs. 1 S. 2 AMG i. V. m. § 42 Abs. 1 AMG auf die Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln gerich­ tete Anträge bewerten, während privatrechtliche Ethik-Kommissionen von der Mitwirkung bei der Zulassung von klinischen Prüfungen im Verfahren der §§ 40 ff. AMG ausgeschlossen sind.301 Auf der Grundlage des § 42 Abs. 1 299  „Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durch­ führung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen“ (GCP-Verordnung) vom 09.08.2004 (BGBl. I 2004, S. 2081), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048). 300  So Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 13. 301  Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengremien im Lichte des öffentlichen Rechts, S. 440 f.; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1741; Keilpflug,



D. Die Ethik-Kommissionen319

S. 3 AMG wurde in allen Bundesländern die Bildung von im Arzneimittel­ bereich tätigen Ethik-Kommissionen durch formell-gesetzliches Landesrecht vollzogen.302 Zum überwiegenden Teil haben die Länder Ethik-Kommissio­ nen bei den Landesärztekammern303 und/oder den medizinischen Fakultä­ ten304 angesiedelt, während sich manche Bundesländer für die Errichtung von Ethik-Kommissionen in der Landesverwaltung entschieden haben.305 Indes haben die Länder die weiteren Einzelheiten der Tätigkeit der EthikKommissionen nicht selbst im Detail (vgl. § 42 Abs. 1 S. 3 AMG: „das Nä­ here“) geregelt, sondern diese Aufgabe namentlich für die bei den Landes­ Demokratieprinzip und Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 35 f.; Paus, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer (Hrsg.), Gesamtes Medizinrecht, AMG, § 42 Rn. 2; von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen For­ schung, S.  122 f.; Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 11; wohl auch Rehmann, AMG, § 42 Rn. 3. 302  In Deutschland existieren gegenwärtig über 50 nach Landesrecht gebildete Ethik-Kommissionen, siehe die Angaben des Arbeitskreises Medizinischer EthikKommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. unter www.ak-med-ethikkomm.de (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 303  Baden-Württemberg: § 5 Abs. 1 des Heilberufe-Kammergesetzes Baden-Würt­ temberg (HBKG-BW); Bayern: Art. 29a S. 1 des Gesundheitsdienst- und Verbrau­ cherschutzgesetzes Bayern (GDVG-BAY); Brandenburg: § 7 Abs. 1 des Heilberufsge­ setzes Brandenburg (HeilBerG-BRA); Hamburg: § 9 Abs. 1 des Hamburgischen Kammergesetzes für die Heilberufe (HmbKGH); Hessen: § 6a Abs. 2 des Heilberufs­ gesetzes Hessen (HeilBerG-HES); Niedersachsen: § 10 Abs. 1 des Kammergesetzes für die Heilberufe Niedersachsen (HKG-NDS); Nordrhein-Westfalen: § 7 Abs. 1 des Heilberufsgesetzes (HeilBerG-NRW); Rheinland-Pfalz: § 6 Abs. 1 des Heilberufsge­ setzes Rheinland-Pfalz (HeilBG-RP); Saarland: § 5 Abs. 1 des Saarländischen Heilbe­ rufekammergesetzes (SHKG); Sachsen: § 5a Abs. 1 des Sächsischen Heilberufekam­ mergesetzes (SächsHKaG); Schleswig-Holstein: § 6 Abs. 1 des Gesetzes über die Kammern und die Berufsgerichtsbarkeit für die Heilberufe Schleswig-Holstein (HBKG-SH); Thüringen: § 17a Abs. 1 des Thüringer Heilberufegesetzes (Thür­ HeilBG). 304  Baden-Württemberg: § 5 Abs. 5 HBKG-BW; Bayern: Art. 29a S. 1 GDVGBAY; Hessen: § 53 Abs. 1 u. 2 des Hessischen Hochschulgesetzes (HessHG); Meck­ lenburg-Vorpommern: § 16a Abs. 1 des Gesetzes über den Öffentlichen Gesundheits­ dienst im Land Mecklenburg-Vorpommern (ÖGDG-MV); Niedersachsen: § 10 Abs. 3 HKG-NDS; Nordrhein-Westfalen: § 7 Abs. 7 HeilBerG-NRW; Sachsen: § 5 Abs. 3 SächsHKaG; Sachsen-Anhalt: § 25a des Hochschulmedizingesetzes des Landes Sach­ sen-Anhalt (HMG LSA); Schleswig-Holstein: § 6 Abs. 6 HBKG-SH; Thüringen: § 17g Abs. 1 ThürHeilBG. 305  Berlin: § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Errichtung einer Ethik-Kommission des Landes Berlin (EKG-BER); Bremen: § 30 des Gesetzes über den Öffentlichen Ge­ sundheitsdienst im Lande Bremen (ÖGDG-BRE); Sachsen-Anhalt: § 27c des Geset­ zes über den Öffentlichen Gesundheitsdienst und die Berufsausübung im Gesund­ heitswesen im Land Sachsen-Anhalt (GDG LSA) i. V. m. der Verordnung über EthikKommissionen des Landes Sachsen-Anhalt zur Bewertung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln (Ethik-Kom-VO-LSA).

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

ärztekammern306 und Universitäten bzw. medizinischen Fakultäten angesie­ delten Ethik-Kommissionen307 überwiegend308 auf die jeweiligen Selbstver­ waltungskörperschaften delegiert. Dementsprechend haben weitgehend nicht die Landesgesetz- bzw. Landesverordnungsgeber selbst, sondern vielmehr die Landesärztekammern und die Universitäten das personelle Besetzungs­ konzept der bei ihnen angesiedelten Ethik-Kommissionen und das Verfahren zur Berufung deren Mitglieder einschließlich der den Mitgliedern konkret abzuverlangenden Tätigkeitsanforderungen (insbesondere Fachkompetenz und Unabhängigkeit)309 ausgestaltet. Teile des Schrifttums sehen in der lan­ desrechtlichen Übertragung der organisatorischen Ausgestaltung der EthikKom­missionen auf die Landesärztekammern und Universitäten als Selbstver­ waltungskörperschaften nicht nur einen Verstoß gegen den bundesrechtlichen Regelungsauftrag des § 42 Abs. 1 S. 3 AMG, sondern äußern auch unter verschiedenen verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten Bedenken: Die dem Satzungsrecht der genannten Selbstverwaltungskörperschaften vorbehaltene Regelung der Zusammensetzung der hinsichtlich des von ihnen wahrgenom­ menen Belangs des Patientenschutzes mit originären Entscheidungskompe­ tenzen ausgestatteten,310 als funktionale Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG einzuordnenden Ethik-Kommissionen sei bereits mit den Vorgaben des insti­ tutionellen Gesetzesvorbehalts unvereinbar.311 Soweit ihre Einrichtung ein­ schließlich der Berufung ihrer Mitglieder ausschließlich durch die jeweilige Selbstverwaltungskörperschaft und ohne Beteiligung der Ministerialverwal­ tung vorgenommen werde, fehle es den Ethik-Kommissionen für ihre Tätig­ keit überdies an der vom Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) gefor­ derten personell-organisatorischen Legitimation.312 Da die Ethik-Kommissio­ 306  Baden-Württemberg: § 5 Abs. 2 HBKG-BW; Brandenburg: § 7 Abs. 4 Heil­ BerG-BRA; Hamburg: § 9 Abs. 7 HmbKGH; Hessen: § 6a Abs. 3 S. 5 HeilBerGHES; Niedersachsen: § 10 Abs. 2 HKG-NDS; Nordrhein-Westfalen: § 7 Abs. 4 Heil­ BerG-NRW; Rheinland-Pfalz: § 6 Abs. 4 HeilBG-RP; Saarland: § 5 Abs. 2 SHKG; Sachsen: § 5a Abs. 2 SächsHKaG; Schleswig-Holstein: § 6 Abs. 4 HBKG-SH. 307  Baden-Württemberg: § 5 Abs. 5 HBKG-BW; Hessen: § 53 Abs. 2 HessHG; Mecklenburg-Vorpommern: § 16a Abs. 5 ÖGDG-MV; Niedersachsen: § 10 Abs. 3 HKG-NDS; Nordrhein-Westfalen: § 7 Abs. 7 S. 2 HeilBerG-NRW; Sachsen: § 5 Abs. 3 SächsHKaG; Sachsen-Anhalt: § 25a S. 2 HMG LSA; Schleswig-Holstein: § 6 Abs. 6 HBKG-SH. 308  Siehe aber beispielsweise die nähere formell-gesetzliche Ausgestaltung in Bayern (Art. 29a ff. GDVG-BAY) und Thüringen (§§ 17a ff. ThürHeilBG). 309  Dazu noch näher unten D. III. 310  Siehe unten D. IV. 2. 311  Siehe zu dieser Kritik etwa Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S. 332 ff. 312  So insbesondere Keilpflug, Demokratieprinzip und Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 193 ff., der betont, dass es sich aufgrund der Vielzahl der insoweit verfassungswidrig tätigen Ethik-Kommissionen „nicht um ein Inselpro­ blem“ handele (S. 237). Keine verfassungsrechtlichen Bedenken sieht etwa Wenner,



D. Die Ethik-Kommissionen321

nen darüber hinaus mit ihren zustimmenden bzw. versagenden Voten intensiv in die Grundrechte der Sponsoren ebenso wie der Probanden eingriffen, ohne dass die organisationsrechtlichen Modalitäten ihrer Tätigkeit durch den Bun­ des- bzw. Landesgesetzgeber näher ausgestaltet worden seien, liege ferner ein Verstoß gegen die Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts vor.313 Schließlich sei fraglich, ob die Einrichtung und Ausgestaltung der Tätigkeit von Ethik-Kommissionen eine „eigene Angelegenheit“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts314 sei, die die Landesärz­ tekammern selbst regeln dürften.315 Diesen vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken hat der Bundesge­ setzgeber im Jahr 2016 unausgesprochen316 durch Implementierung eines neuen, auf Bundesebene durchzuführenden Registrierungsverfahrens zumin­ dest teilweise Rechnung getragen. Als dritte Stufe des Einbindungsmodus der im Arzneimittelrecht tätigen Ethik-Kommissionen sieht das Bundesrecht seit dem Jahr 2016 im Vorgriff auf die zukünftig geltenden Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 in § 41a AMG nunmehr eine Registrierungs­ pflicht für Ethik-Kommissionen vor, die bei der Zulassung von klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen mitwirken sollen. Zwar ist, wie oben bereits erwähnt, die das Genehmigungsverfahren für die klinische Prü­ fung von Arzneimitteln regelnde Verordnung (EU) Nr. 536/2014 noch nicht anzuwenden.317 Dies gilt jedoch nicht für das im nationalen Recht in § 41a AMG statuierte Registrierungsverfahren, welches Ende 2016 in Kraft getre­ ten ist318 und das als gültiges Recht in der Verwaltungspraxis bereits ange­ wendet und vollzogen wird.319 Gemäß § 41a Abs. 1 AMG dürfen an dem zukünftig auf Unionsebene geregelten Verfahren zur Bewertung eines An­ in: Fachbereich Rechtswissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt am Main (Hrsg.), 100 Jahre Rechtswissenschaft in Frankfurt, S. 245 (265). 313  Sander, Arzneimittelrecht, § 42 AMG Rn. 8. 314  Grundlegend ist insoweit die Facharzt-Entscheidung des Bundesverfassungs­ gerichts aus dem Jahr 1972, siehe BVerfGE 33, 125 (160). 315  Sander, Arzneimittelrecht, § 42 AMG Rn. 8. 316  Vgl. BT-Drs. 18/8034, S. 33 u. 37 (Gesetzesbegründung zur neuen Registrie­ rungspflicht der Ethik-Kommissionen). 317  Die hierzu erforderliche Mitteilung nach Art. 99 S. 2 i.  V. m. Art. 82 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 steht bislang aus. Laut Auskunft des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. vom 15.06.2019 per E-Mail an den Verfasser habe die Europäische Kommission Anfang Juni 2019 verlautbart, die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 sei definitiv nicht vor Ende 2020 anzuwenden. 318  Siehe Art. 13 Abs. 1 des „Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048). 319  Eine Liste der bereits registrierten Ethik-Kommissionen ist im Internet unter https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/klin-pr/

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

trags auf Genehmigung einer klinischen Prüfung nur öffentlich-rechtliche Ethik-Kommissionen der Länder teilnehmen, die nach Landesrecht für die Prüfung und Bewertung klinischer Prüfungen bei Menschen zuständig sind und die nach Maßgabe von § 41a Abs. 2 bis Abs. 5 AMG registriert sind. Der Antrag auf Registrierung ist gemäß § 41a Abs. 2 AMG vom jeweiligen Trä­ ger der öffentlich-rechtlichen Ethik-Kommissionen der Länder beim Bundes­ institut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu stellen, das den Registrierungsantrag auf Vorliegen der in § 41a Abs. 3 AMG im Einzelnen statuierten materiellen Registrierungsvoraussetzungen320 prüft und sodann im Einvernehmen mit dem Paul-Ehrlich-Institut genehmigt bzw. ablehnt. Die Publizität der registrierten Ethik-Kommissionen wird gemäß § 41a Abs. 6 S. 1 AMG durch eine vom BfArM im Bundesanzeiger zu veröffentlichende Liste hergestellt, die regelmäßig zu aktualisieren ist (§ 41a Abs. 6 S. 3 AMG).321 Auf vierter und letzter Stufe erfolgt sodann die Einbindung der im Einzel­ fall zuständigen Ethik-Kommission auf der konkreten Verfahrensebene durch Einreichung des Antrags des Sponsors. Anders als etwa im Konformitätsbe­ wertungsfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte322 verfügt der Sponsor über kein Auswahlrecht, bei welcher Ethik-Kommission er den Antrag auf Bewer­ tung der klinischen Prüfung einreicht. Vielmehr ist der Antrag nach § 42 Abs. 1 S. 1 AMG zwingend bei der nach Landesrecht für den sogenannten Prüfer – dies ist nach § 4 Abs. 25 S. 1 Alt. 1 AMG in der Regel ein für die Durchführung der klinischen Prüfung bei Menschen in einer Prüfstelle verantwort­licher Arzt323 – zuständigen Ethik-Kommission einzureichen.

III. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Im Zuge der Anpassung der §§ 40 ff. AMG an die zukünftig geltenden Vor­ gaben der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 hat der Bundesgesetzgeber ver­ schiedene abstrakt-organisatorische Anforderungen an Ethik-Kommissionen ethikKomm/Liste %20der %20registrierten %20Ethik-Kommissionen.pdf?__blob=pub licationFile&v=2 abrufbar (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 320  Zu den Merkmalen der Fachkompetenz und Unabhängigkeit siehe sogleich unten D. III. 321  Nach § 41a Abs. 6 S. 2 AMG dürfen personenbezogene Daten nur mit Einwil­ ligung der jeweiligen Person veröffentlicht werden. 322  Zum dortigen Einbindungsmodus der Benannten Stellen siehe oben § 4 D. II. 323  In begründeten Ausnahmefällen ist der Prüfer § 4 Abs. 25 S. 1 Alt. 2 AMG eine andere Person, deren Beruf auf Grund seiner wissenschaftlichen Anforderungen und der seine Ausübung voraussetzenden Erfahrungen in der Patientenbetreuung für die Durchführung von Forschungen am Menschen qualifiziert. Hinsichtlich der wei­ teren Konkretisierung des Begriffs des Prüfers siehe § 4 Abs. 25 S. 2 u. 3 AMG.



D. Die Ethik-Kommissionen323

kodifiziert, die in die Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen hoheitlich eingebunden werden. Insoweit ist nachfolgend auf die Vorgaben zur Fachkompetenz und Unabhängigkeit einzugehen.324 1. Fachkompetenz Ähnlich wie bei der ZKBS im Gentechnikrecht325 bestimmt sich auch die Fachkompetenz der im Arzneimittelbereich tätigen, ebenfalls pluralistisch besetzten Ethik-Kommissionen vornehmlich durch die Fachkompetenz ihrer Mitglieder. Diesbezüglich statuieren das Gesetz- und Verordnungsrecht von Bund und Ländern sowohl institutionelle, an die Ethik-Kommissionen selbst adressierte als auch individuelle, an ihre Mitglieder gerichtete Tätigkeitsan­ forderungen. In institutioneller Hinsicht normieren § 42 Abs. 1 S. 1 AMG und § 3 Abs. 2c GCP-Verordnung aufgrund entsprechender Vorgaben des Unions­ rechts326 das Erfordernis einer interdisziplinären Besetzung der Ethik-Kom­ missionen mit im Gesundheitswesen und in nichtmedizinischen Bereichen tätigen Personen. Für die konkrete Umsetzung dieser Rahmenvorgabe in Gestalt eines personellen Besetzungskonzepts verweist das Bundesrecht in § 42 Abs. 1 S. 3 AMG („Zusammensetzung“) gegenwärtig (noch) auf das Landesrecht.327 Dort haben manche Länder die Zusammensetzung der von ihnen eingesetzten Ethik-Kommissionen selbst auf Gesetzes-328 bzw. Verord­ 324  Neben den hier näher zu betrachtenden Aspekten müssen Ethik-Kommissio­ nen aufgrund des am 24.12.2016 in Kraft getretenen § 41a Abs. 3 AMG in institutio­ neller Hinsicht paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein (Nr. 3) und in ihrer Geschäftsordnung im Einzelnen näher vorgegebene Regelungen zur Arbeitsweise treffen (Nr. 4). 325  Zur Fachkompetenz der ZKBS siehe oben § 3 C. III. 1. 326  Art. 2 lit. k) Richtlinie 2001/20/EG. An dieses Begriffsverständnis knüpft auch der zukünftig geltende Art. 2 Abs. 2 Nr. 11 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 an, der als konstitutives Merkmal für Ethik-Kommissionen unter anderem voraussetzt, dass diese unter Berücksichtigung der Standpunkte von Laien, insbesondere Patienten oder Pa­ tientenorganisationen, Stellungnahmen abgeben. 327  Die derzeitige Fassung des § 42 Abs. 1 S. 3 AMG wird nach Inkrafttreten des Art. 2 i. V. m. Art. 13 Abs. 2 des „Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrecht­ licher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048) ersatzlos gestrichen. Diese Neuregelung tritt sechs Monate nach der Veröffentlichung der Mit­ teilung der EU-Kommission über die Funktionsfähigkeit des EU-Portals und der Da­ tenbank nach Art. 99 S. 2 i. V. m. Art. 82 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 in Kraft. Auf Ebene des Bundesrechts sind dann für die Fachkompetenz der EthikKommissionen und deren Mitglieder allein die Vorgaben des § 41a Abs. 3 AMG maßgeblich, siehe dazu sogleich. 328  Für die Länder mit in Landesministerialverwaltung angesiedelten Ethik-Kom­ missionen siehe Berlin (§ 2 Abs. 2a EKG-BER) und Bremen (§ 30a ÖGDG-BRE).

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

nungsebene329 geregelt, während anderenorts die Entscheidung über das personelle Besetzungskonzept den Landesärztekammern330 und Universitä­ ten/medizinischen Fakultäten331 als Trägern der jeweiligen Ethik-Kommis­ sionen überantwortet wird. In der Sache haben die meisten Länder bzw. die von ihnen entsprechend ermächtigten Selbstverwaltungskörperschaften auf Grundlage der bundesrechtlichen Regelungsbefugnis des § 42 Abs. 1 S. 3 AMG relativ ähnliche Besetzungskonzepte ausgearbeitet, die sich im Detail jedoch durchaus unterscheiden.332 Im Zuge der Implementierung des Regis­ trierungsverfahrens im Jahr 2016333 hat nunmehr der Bund selbst in § 41a AMG Mindestanforderungen an die unionsrechtlich geforderte interdiszipli­ näre Besetzung der Ethik-Kommissionen getroffen, die zukünftig bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen einge­ bunden werden sollen. Gemäß § 41a Abs. 3 Nr. 2 AMG müssen Ethik-Kom­ missionen mindestens mit einem Juristen, einer Person mit wissenschaftlicher oder beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik in der Medizin, einer Person mit Erfahrung auf dem Gebiet der Versuchsplanung und Statistik, drei Ärzten, die über Erfahrungen in der klinischen Medizin verfügen, davon ein Facharzt für klinische Pharmakologie oder für Pharmakologie und Toxikolo­ gie, sowie einem Laien besetzt sein. Als weitere Anforderungen an die institutionelle Fachkompetenz zu regis­ trierender Ethik-Kommissionen statuiert § 41a Abs. 3 AMG neben dem Vor­ handensein einer Geschäftsstelle mit dem für die Organisation der Aufgaben der Ethik-Kommission erforderlichen qualifizierten Personal (Nr. 5) das Er­ fordernis einer sachlichen Ausstattung, die es ermöglicht, kurzfristig Abstim­ mungsverfahren durchzuführen und fristgerecht Stellungnahmen und Bewer­ tungsberichte zu erstellen (Nr. 6). Wodurch sich insbesondere eine „sachliche Ausstattung“ i. S. d. § 41a Abs. 3 Nr. 6 AMG im Detail auszeichnet, lässt der Für eine gesetzliche Ausgestaltung der Zusammensetzung von Ethik-Kommissionen, die bei Selbstverwaltungskörperschaften angesiedelt sind, siehe etwa Bayern (Art. 29c Abs. 1 GDVG-BAY) und Thüringen (§ 17c und § 17g ThürHeilBG). 329  Für Sachsen-Anhalt siehe § 2 Abs. 1 Ethik-Kom-VO-LSA. 330  So z. B. in Baden-Württemberg (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 HBKG-BW), Hessen (§ 6a Abs. 3 S. 5 Nr. 2 HeilBerG-HES), Nordrhein-Westfalen (§ 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Heil­ BerG-NRW) oder Schleswig-Holstein (§ 6 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 Nr. 3 HBKG-SH). 331  Siehe die Verweise auf die für die Landesärztekammern geltenden Vorschrif­ ten in Baden-Württemberg (§ 5 Abs. 5 S. 4 HBKG-BW), Nordrhein-Westfalen (§ 7 Abs. 7 S. 2 HeilBerG-NRW) und Schleswig-Holstein (§ 6 Abs. 6 S. 2 HBKG-SH); vgl. ferner die Delegationsregelung in Hessen (§ 53 Abs. 2 HessHG). 332  Da die Unterschiede der im Landesrecht jeweils vorgesehenen Besetzungs­ konzepte für das vorliegend verfolgte Erkenntnisinteresse im Detail nicht relevant sind, wird auf eine nähere Darstellung hier verzichtet. 333  „Viertes Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschrif­ ten“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048).



D. Die Ethik-Kommissionen325

Gesetzeswortlaut offen. Nach der Gesetzesbegründung ist insbesondere die Ausstattung der Ethik-Kommissionen mit Informationstechnik und Telekom­ munikation gemeint, mithilfe derer die zukünftig im Unionsrecht geregelten Bearbeitungsfristen im Genehmigungsverfahren für klinische Prüfung von Arzneimitteln eingehalten werden sollen.334 Mangels näherer Anforderun­ gen im kodifizierten Recht bleibt die Prüfung und Konkretisierung dieser Rahmenvorgabe dem Verwaltungsvollzug des im Registrierungsverfahren federführenden BfArM vorbehalten. Ebenso wie bei der institutionellen Fachkompetenz der Ethik-Kommissio­ nen ist nach Maßgabe von § 42 Abs. 1 S. 3 AMG („Bildung und Zusammen­ setzung“) auch die normative Konkretisierung der individuellen Fachkompe­ tenz der jeweiligen Gremienmitglieder dem Landesrecht überantwortet. So­ weit die Landesgesetz- bzw. Landesverordnungsgeber das personelle Beset­ zungskonzept für die von ihnen einzurichtenden Ethik-Kommissionen selbst geregelt haben, ergeben sich aus den in den jeweiligen Rechtsakten benannten Fachdisziplinen zugleich auch die abstrakten Qualifikationsanforderungen an die in die Gremien zu berufenden Mitglieder,335 die mitunter zeitlich336 oder fachlich337 unterschiedlich stark ausdifferenziert werden. Dagegen hat der überwiegende Teil der Länder nicht nur die Regelung der Zusammenset­ zung der Ethik-Kommissionen, sondern auch die Ausgestaltung der fachli­ chen Auswahlanforderungen an die einzelnen Gremienmitglieder auf die Landesärztekammern und Universitäten bzw. medizinischen Fakultäten dele­ giert.338 Das insoweit auf Grundlage der landesrechtlichen Ermächtigungs­ 334  BT-Drs.

18/8034, S. 37. etwa Bayern (Art. 29c Abs. 1 GDVG-BAY), Berlin (§ 2 Abs. 2a EKGBER), Bremen (§ 30a ÖGDG-BRE), Sachsen-Anhalt (§ 27c GDG LSA i. V. m. § 2 Abs. 1 Ethik-Kom-VO-LSA) oder Thüringen (§ 17c und § 17g ThürHeilBG). 336  Gefordert wird beispielsweise eine „mehrjährige Berufserfahrung als Fach­ ärzte“ (vgl. § 2 Abs. 2a Nr. 1 EKG-BER oder § 30a Abs. 1 Nr. 2 ÖGDG-BRE) oder die Berufung von „in der klinischen Medizin erfahrenen“ Ärzten (Art. 29c Abs. 1 S. 5 GDVG-BAY). 337  Siehe etwa das Erfordernis einer „ausreichenden Erfahrung auf dem Gebiet der Versuchsplanung und Statistik sowie der theoretischen Medizin“ (Art. 29c Abs. 1 S. 5 GDVG-BAY) oder die Berufung eines „auf dem Gebiet der Arzneimittelwirkun­ gen sachkundigen Arztes“( § 2 Abs. 2a Nr. 2 EKG-BER, § 30a Abs. 1 Nr. 3 ÖGDGBRE). Die in den Ethik-Kommissionen üblicherweise vertretenen Juristen müssen mitunter über die Befähigung zum Richteramt verfügen (z. B. Art. 29c Abs. 1 S. 2 GDVG-BAY). Teilweise genügt aber auch ein Abschluss als Diplom-Jurist (z. B. § 17c Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ThürHeilBG). 338  Baden-Württemberg: § 5 Abs. 2 Nr. 4 HBKG-BW; Brandenburg: § 7 Abs. 4 Nr. 4 HeilBerG-BRA; Hamburg: § 9 Abs. 7 Nr. 1 HmbKGH; Hessen: § 6a Abs. 3 S. 5 Nr. 4 HeilBerG-HES; Mecklenburg-Vorpommern: § 16a Abs. 5 S. 3 Nr. 3 ÖGDGMV; Niedersachsen: § 10 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 HKG-NDS; Nordrhein-Westfalen: § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 HeilBerG-NRW; Rheinland-Pfalz: § 6 Abs. 4 Hs. 2 Nr. 3 HeilBG335  Siehe

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

grundlagen ergangene Satzungsrecht entspricht hinsichtlich seiner Rege­ lungsdichte weitgehend den einschlägigen Vorschriften der Länder, die die individuelle Fachkompetenz der Mitglieder der Ethik-Kommissionen im formellen Gesetzesrecht bzw. auf Verordnungsebene selbst geregelt haben.339 Seit der im Jahr 2016 implementierten Registrierungspflicht für im Arznei­ mittelbereich tätige Ethik-Kommissionen enthält nunmehr auch das Bundes­ recht Vorschriften über die individuelle Fachkompetenz der Gremienmit­ glieder. Nach § 41a Abs. 3 Nr. 1 AMG muss der Träger der jeweiligen öffent­ lich-rechtlichen Ethik-Kommission durch Vorlage geeigneter Unterlagen die „erforderliche aktuelle wissenschaftliche Expertise“ der Mitglieder sowie der externen Sachverständigen340 nachweisen. Die nähere Konkretisierung dieser inhaltlichen Tätigkeitsanforderung überlässt der Gesetzgeber – einmal mehr341 – dem Verwaltungsvollzug durch das BfArM. Laut Gesetzesbegrün­ dung ist jedoch sicherzustellen, dass die in § 41a Abs. 3 Nr. 1 AMG genann­ ten Per­sonen „zusammen über die erforderliche Qualifikation und Erfahrung verfügen“.342 Die geforderte „Aktualität“ der wissenschaftlichen Expertise ist im Sinne einer Fortbildungspflicht der Mitglieder und externen Sachverstän­ digen zu verstehen, für deren Wahrnehmung die jeweilige Ethik-Kommission Sorge zu tragen hat.343 Hinsichtlich der zum Nachweis der individuellen Fachkompetenz der Gremienmitglieder von den Trägern vorzulegenden Un­ terlagen zählt die Gesetzesbegründung beispielhaft „landesrechtliche Rege­ lungen oder eine Geschäftsordnung“ auf,344 die in fachlicher Hinsicht jedoch häufig selbst keine exakten, nach Sachgebieten differenzierenden Tätigkeits­ anforderungen definieren.345 RP; Saarland: § 5 Abs. 2 Nr. 4 SHKG; Sachsen: § 5a Abs. 2 S. 1 N. 4 SächsHKaG; Schleswig-Holstein: § 6 Abs. 4 S. 1 Hs. 2 Nr. 4 HBKG-SH.  339  Siehe z. B. § 2 Abs. 2 des Statuts der Ethikkommission der Landesärztekam­ mer Baden-Württemberg (ein Jurist mit der Befähigung zum Richteramt; eine Person mit wissenschaftlicher oder beruflicher Erfahrung auf dem Gebiet der Ethik in der Medizin; eine Person mit Erfahrung auf dem Gebiet der Versuchsplanung und Statis­ tik; Ärzte, die über Erfahrungen in der klinischen Medizin verfügen, davon eine Fachärztin oder ein Facharzt für klinische Pharmakologie oder für Pharmakologie und Toxikologie; eine Person, die über keine juristische, pharmazeutische, medizini­ sche und ethische Ausbildung verfügt (Laie)); ganz ähnlich § 3 Abs. 2a der Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Nordrhein. 340  Gemeint sind externe Sachverständige, die im konkreten Einzelfall in die Ent­ scheidungsfindung der Ethik-Kommissionen hinzugezogen werden können. Zur Tä­ tigkeit der Ethik-Kommissionen auf der Verfahrensebene siehe unten D. IV. 1. 341  Siehe die entsprechenden Befunde aus den vorangegangenen Referenzgebie­ ten. 342  BT-Drs. 18/8034, S. 37. 343  Ebda. 344  Ebda.



D. Die Ethik-Kommissionen327

Ähnlich wie bei der ZKBS im Gentechnikrecht wird somit auch die Fach­ kompetenz der bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimit­ teln bei Menschen zum Schutz der Probanden mitwirkenden Ethik-Kommis­ sionen regulatorisch vor allem durch die personellen Besetzungskonzepte aus dem Bundes- und Landesrecht bestimmt. Zusätzliche, über das Regelungs­ niveau der formal lediglich verwaltungsberatend tätigen ZKBS hinausge­ hende Anforderungen statuiert das kodifizierte Recht an die Fachkompetenz der hinsichtlich des von ihnen wahrgenommenen Belangs des Patienten­ schutzes mit originären Entscheidungskompetenzen346 ausgestatteten EthikKommissionen hingegen nicht. Dies gilt sowohl in institutioneller Hinsicht wie auch bezüglich der individuellen Fachkompetenz der Mitglieder der Ethik-Kommissionen. 2. Unabhängigkeit Neben dem Erfordernis einer interdisziplinären Besetzung regelt das Bun­ desrecht in Anlehnung an entsprechende Anforderungen aus dem Unions­ recht347 in § 42 Abs. 1 S. 1 AMG und § 3 Abs. 2c GCP-Verordnung als weitere Rahmenvorgabe die Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen. Ähn­ lich wie beim Merkmal der Fachkompetenz ist auch für die Bestimmung des konkreten Gehalts der Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen zum einen zwischen der Bundes- und Landesebene und zum anderen zwischen der Un­ abhängigkeit der Gremien als solchen und der individuellen Unabhängigkeit ihrer Mitglieder zu differenzieren. In institutioneller Hinsicht ist zunächst die Frage nach der Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen gegenüber ihren jeweiligen Rechtsträgern auf Lan­ desebene (Ministerialverwaltung, Landesärztekammern, Universitäten bzw. medizinische Fakultäten) aufgeworfen. Ungeachtet ihrer konkreten organisa­ torischen Ansiedlung unterliegen die Ethik-Kommissionen einer Rechtsauf­ sicht durch ihren jeweiligen Träger. Dies ist in manchen landesrechtlichen Errichtungsakten mitunter ausdrücklich angeordnet348 und ergibt sich im Übrigen aus allgemeinen Grundsätzen.349 Indes ist die Ansiedlung der Ethik345  Siehe etwa die mit § 41a Abs. 3 Nr. 1 AMG inhaltlich nahezu identische Be­ stimmung des § 5 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Nordrhein. 346  Dazu noch näher unten D. IV. 2. 347  Siehe für das Unionsrecht Art. 2 lit. k) Richtlinie 2001/20/EG; Art. 2 Abs. 2 Nr. 11 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014. 348  Vgl. für Bayern etwa Art. 29f GDVG-BAY. 349  Siehe nur Laufs/Reiling, Ethik-Kommissionen – Vorrecht der Ärztekammern?, S. 27; Lippert, GesR 2009, 355 (356); von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissio­ nen in der medizinischen Forschung, S. 139.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Kommissionen bei den genannten Körperschaften rein administrativer Natur und soll nicht dazu dienen, letzteren Einflussmöglichen auf die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen bei der Bewertung von Anträgen auf klinische Prüfung eines Arzneimittels zu gewähren.350 Die Ausübung der Rechtsaufsicht der Körperschaften ist mithin darauf beschränkt, rechtswidrig gefasste Beschlüsse der Ethik-Kommissionen aufzuheben bzw. im Fall deren rechtswidriger Un­ tätigkeit die Beschlussfassung über einen Antrag anzuweisen.351 Demgegen­ über können die Körperschaften bzw. zuständigen Aufsichtsbehörden im Rahmen der Rechtsaufsicht nicht das Verwaltungsverfahren an sich ziehen und anstelle der Ethik-Kommissionen Entscheidungen treffen bzw. letzteren Weisungen erteilen.352 Ob die so beschriebene institutionelle Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen auch in tatsächlicher Hinsicht gewährleistet wird, erscheint indes nicht gesichert bzw. ist zweifelhaft. Insbesondere die bei den Universitäten bzw. medizinischen Fakultäten angesiedelten Ethik-Kommissi­ onen haben im Rahmen ihres Aufgabenbereichs häufig aufgrund entspre­ chender Regelungen im Landesrecht über die Zulassungsfähigkeit von klini­ schen Prüfungen zu befinden, bei denen der für die Durchführung zuständige Prüfer353 Mitglied der jeweiligen Universität bzw. der medizinischen Fakultät ist.354 Wie bereits anhand anderer Referenzgebiete dargelegt,355 wird diese Konstellation der „institutionellen Befangenheit“ jedoch durch die Bestim­ mungen der §§ 20, 21 VwVfG nicht erfasst und führt zu keinem Ausschluss der Ethik-Kommissionen vom Verwaltungsverfahren.356 In einem Teil der Literatur wird durchaus die Gefahr gesehen, dass sich abstrakte Eigeninteres­ sen der Ethik-Kommissionen (bzw. ihrer Mitglieder) an der Aufrechthaltung des Wissenschaftsstandortes ihrer jeweiligen Universität sowie am Erhalt von Drittmittelzuflüssen in einer Herabsetzung der Anforderungen an klinische 350  Siehe aus dem Schrifttum etwa Lippert, GesR 2009, 355 (356); von Dewitz/ Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 139. Im Üb­ rigen ergibt sich diese Vorgabe aus den Anforderungen, die das kodifizierte Recht an die individuelle Unabhängigkeit der Mitglieder der Ethik-Kommissionen formuliert, siehe dazu sogleich. 351  von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen For­ schung, S. 140. 352  von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen For­ schung, S. 140. Zur individuellen Weisungsfreiheit der einzelnen Gremienmitglieder sogleich. 353  Vgl. die bereits erwähnte Legaldefinition des § 4 Abs. 25 S. 1 AMG. 354  Siehe beispielsweise Bayern (Art. 29b Abs. 1 S. 1 GDVG-BAY) und Thürin­ gen (§ 17g Abs. 1 ThürHeilBG). 355  Für die DFS siehe oben § 3 D. III. 2; für die Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 2.; für das BAF siehe oben B. III. 2. 356  Siehe aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts etwa BVerwGE 153, 367 (372); BVerwG, NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71); NVwZ-RR 2018, 928 (929).



D. Die Ethik-Kommissionen329

Forschungsvorhaben und der Schutzstandards für Forschungsteilnehmer äu­ ßern könnten.357 Vorschläge aus dem Schrifttum, zwecks abstrakter Vermei­ dung bzw. Minderung solcher Interessenkonflikte die jeweiligen EthikKommissionen in organisatorischer Hinsicht nicht den Fakultäten, sondern zumindest der Universitätsleitung zuzuordnen,358 haben im gegenwärtigen Landesrecht häufig keine Entsprechung gefunden.359 Darüber hinaus ist vor dem Hintergrund der im Jahr 2016 in der Bestim­ mung des § 41a AMG implementierten Registrierungspflicht nach dem Be­ stehen und dem Gehalt der institutionellen Unabhängigkeit der Ethik-Kom­ missionen gegenüber dem BfArM zu fragen.360 Als Konsequenz dieses im nationalen Recht der Ethik-Kommissionen bereits zuvor nicht unbekannten Registrierungsverfahrens361 obliegt die Entscheidung über die Mitwirkung einer Ethik-Kommission bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen zukünftig nicht mehr letztverantwortlich den Ländern, sondern dem BfArM, das nach § 41a Abs. 3 AMG im Einverneh­ men mit dem Paul-Ehrlich-Institut über eingereichte Anträge auf Registrie­ rung zu befinden hat. Teile des Schrifttums sehen in der Registrierungspflicht eine deutliche Einschränkung der institutionellen Unabhängigkeit der weiter­ hin durch die Länder (vgl. § 41a Abs. 1 AMG) zu errichtenden Ethik-Kom­ missionen.362 Durch das neu etablierte Registrierungsverfahren begegnet der Gesetzgeber zwar zumindest ein Stück weit der in Teilen des Schrifttums an der gegenwärtigen Rechtslage unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geäußerten Kritik, die etwa im Hinblick auf die personell-organisatorische demokratische Legitimation der Ethik-Kommissionen vorgetragen wurde.363 357  So vor allem von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizini­ schen Forschung, S. 142 f., die zum Beleg ihrer These zwei Praxisbeispiele anführen; siehe ferner Lippert, GesR 2009, 355 (356 f.). 358  Lippert, GesR 2009, 355 (357). 359  Siehe insoweit exemplarisch die Rechtslagen in Bayern (Art. 29b Abs. 1 S. 1 GDVG-BAY) und Thüringen (§ 17g Abs. 1 ThürHeilBG). 360  Siehe zu dieser dritten Stufe des Einbindungsmodus oben D. II. 361  Eine Registrierungspflicht für Ethik-Kommissionen war bis zum Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 17 lit. c) des „Gesetzes zur Änderung medizinprodukterechtlicher Vor­ schriften“ vom 29.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2326, 2329) auch in § 20 Abs. 7 S. 1 MPG a. F. vorgesehen. 362  Beyerbach, GesR 2016, 346 (348  f.); Paus, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer (Hrsg.), Gesamtes Medizinrecht, AMG, § 41a Rn. 2; siehe auch Bundesärztekammer, Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung eines Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 09.03.2016, S. 6 (im In­ ternet abrufbar unter https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/down loads/pdf-Ordner/Stellungnahmen/RegE_4.AMG.pdf, zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 363  Dazu oben D. II. Für Reformansätze im Landesrecht im Hinblick auf die von ihm attestierten Legitimationsprobleme der Ethik-Kommissionen siehe etwa Keilpflug, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 313.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Durch die Zuständigkeit des BfArM für die Entscheidung über Registrie­ rungsanträge ist jedoch diejenige Behörde für die Registrierung der EthikKommissionen zuständig, die nach zukünftiger, hier nicht näher zu vertiefen­ der Rechtslage auch alleinverantwortlich über die Anträge auf Durchführung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln zu entscheiden und sich hierbei der Unterstützung der – dann nur noch beratend tätigen364 – Ethik-Kommissionen zu bedienen hat. Dass sich das BfArM infolge der ihm obliegenden Regist­ rierungspflicht in einem vorgeschalteten Verfahren gewissermaßen „aussu­ chen“ kann, welche Gremien auf seine Genehmigungsentscheidung unter ethischen Gesichtspunkten Einfluss nehmen dürfen,365 wird teilweise mit dem Postulat der Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen für kaum verein­ bar erachtet.366 Als „disziplinierendes Damoklesschwert“ zur Einhegung der Tätigkeit der „renitenten, unabhängigen“367 Ethik-Kommissionen enthält § 41c S. 1 AMG weitergehend eine Ermächtigung, nach der das zuständige Bundesministerium durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, eine Bundes-Ethik-Kommission beim BfArM und dem Paul-Ehrlich-Institut einrichten kann, wenn dies erforderlich ist, um die Be­ arbeitung der in der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 geregelten Verfahren si­ cherzustellen. Für die dann zu gründende Bundes-Ethik-Kommission gelten die an die nach Landesrecht gebildeten Ethik-Kommissionen gestellten An­ forderungen mit der Maßgabe, dass die Bundes-Ethik-Kommission als regis­ triert gilt (§ 41c S. 2 AMG). Ob und unter welchen Voraussetzungen der Bund zum „Damoklesschwert“ des § 41c AMG greifen wird, bedarf hier keiner näheren Betrachtung.368 Wie das Referenzgebiet jedoch exemplarisch 364  § 40 Abs. 1 AMG n.  F. (Art. 2 Nr. 10 des „Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048)) lautet: „Mit der klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen darf nur begonnen werden, wenn die zuständige Bundesoberbehörde die klinische Prüfung nach Art. 8 der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 genehmigt hat.“ Nach Maßgabe von § 41 Abs. 3 S. 2 AMG n. F. (Art. 2 Nr. 12 des „Vierten Gesetzes zur Änderung arznei­ mittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048)) geben die Ethik-Kommissionen zu bestimmten Teilfragen nur noch Stellungnahmen ab, von denen das BfArM unter Begründung abweichen kann. 365  Auf die Zuständigkeit einer Ethik-Kommission im konkreten Einzelfall kann das BfArM keinen Einfluss nehmen, da sich diese gemäß § 41b Abs. 2 AMG nach einem gemeinsamen Geschäftsverteilungsplan für alle registrierten Ethik-Kommissio­ nen bestimmt. 366  Siehe die Kritik bei Beyerbach, GesR 2016, 346 (348 f.). 367  Vgl. Beyerbach, GesR 2016, 346 (348). Zur Prüf- und Beurteilungspraxis der Ethik-Kommissionen siehe noch näher unten D. IV. 368  Laut Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/8034, S. 39) soll eine „Erforderlich­ keit“ zur Errichtung einer Bundes-Ethik-Kommission anzunehmen sein, wenn nicht ausreichend nach Landesrecht gebildete Ethik-Kommissionen nach § 41a AMG regis­ triert sind, um die Bearbeitung der eingeleiteten Genehmigungsverfahren nach der



D. Die Ethik-Kommissionen331

zeigt, ist die Zuweisung originärer Entscheidungskompetenzen auf verwal­ tungsexterne, gegebenenfalls pluralistisch besetzte sachverständige Stellen stets eine regulatorische Gratwanderung zwischen der Gewährleistung einer hinreichenden demokratischen Legitimation sowie von institutioneller Fach­ kompetenz und Unabhängigkeit, für deren Bewerkstelligung insbesondere das Verfassungsrecht kaum exakte Vorgaben bereithält. Nähere Beachtung verdient schließlich die individuelle Unabhängigkeit der jeweiligen Mitglieder der Ethik-Kommissionen, die ausgehend vom Ein­ bindungsmodus369 nach Maßgabe von § 42 Abs. 1 S. 3 AMG zunächst durch die Vorschriften im Landesrecht bestimmt wird. Dort bestimmen die ein­ schlägigen Regelungen sowohl im Gesetzes- und Verordnungsrecht als auch im Satzungsrecht der Landesärztekammern und Universitäten bzw. medizini­ schen Fakultäten unisono, dass die Mitglieder der Ethik-Kommissionen bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unabhängig und an Weisungen nicht gebunden sind.370 Häufig ist geregelt, dass sich die Mitglieder der Ethik-Kommissio­ nen zur Absicherung der von ihnen geforderten Unabhängigkeit zum Beste­ hen etwaiger Interessenkonflikte zu erklären haben.371 Wodurch sich die den Mitgliedern abzuverlangende Unabhängigkeit im Einzelnen konkret aus­ zeichnet, lassen die einschlägigen Vorschriften im Detail jedoch häufig offen. Verordnung (EU) Nr. 536/2014 sicherzustellen. Bemerkenswerterweise ließ die Bun­ desregierung in der Begründung ihres Gesetzesentwurfs die Erwartung anklingen, dass infolge der neuen Registrierungspflicht zwar einige, wohl aber nicht alle der bislang eingebundenen Ethik-Kommissionen auch unter Geltung der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 im Genehmigungsverfahren für klinische Prüfung von Arzneimit­ teln mitwirken werden (vgl. BT-Drs. 18/8034, S. 33: „Die durch § 41a vorgegebenen Anforderungen an eine Registrierung dürften im Wesentlichen von einigen der bis­ lang tätigen Ethik-Kommissionen erfüllt werden.“). Dabei hatte der Deutsche Bun­ destag noch zu Beginn des Rechtssetzungsverfahrens für die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 im Jahr 2013 in einem fraktionsübergreifend verabschiedeten Entschlie­ ßungsantrag auf „die in Deutschland gut etablierten Verfahren bei den zuständigen Bundesoberbehörden und den Ethikkommissionen“ hingewiesen (BT-Drs. 17/12183, S. 2). 369  Siehe dazu oben D. II. 370  Siehe beispielsweise die entsprechenden Regelungen im Landesrecht von Bayern (Art. 29d Abs. 2 S. 1 GDVG-BAY); Berlin (§ 2 Abs. 5 S. 1 EKG-BER), Bre­ men (§ 30b Abs. 1 S. 1 ÖGDG-BRE) oder Thüringen (§ 17d Abs. 1 S. 1 ThürHeilBG). Beispiele auf der Ebene des Satzungsrechts sind etwa § 3 S. 1 des Statuts der Ethik­ kommission der Landesärztekammer Baden-Württemberg, § 4 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen, § 5 Abs. 1 S. 1 Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Nordrhein, § 3 Abs. 1 S. 1 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein, § 4 Abs. 1 S. 1 des Sta­ tuts der Ethikkommission der Universität Mannheim oder § 3 Abs. 1 S. 2 der Satzung der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. 371  So z. B. § 17d Abs. 2 ThürHeilBG; § 3 Abs. 5 der Satzung der Ethik-Kommis­ sion an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig.

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§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Mitunter wird explizit auf die Geltung der Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG verwiesen,372 was allerdings bereits unmittelbar aus der rechtlichen Einordnung des Bewertungsverfahrens des § 42 Abs. 1 AMG als Verwal­ tungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG folgt.373 Aufgrund der Geltung der §§ 20, 21 VwVfG dürfen die Mitglieder der Ethik-Kommissionen insbesondere nicht in Verwaltungsverfahren mitwirken, in denen sie selbst in persona An­ tragsteller des zur Prüfung gestellten Forschungsvorhabens sind. Mitunter werden den Mitgliedern der Ethik-Kommissionen im Hinblick auf ihre Tätig­ keit zudem ausdrücklich vertragliche oder sonstige Verpflichtungen gegen­ über den Antragstellern sowie sonstige dahingehende Abhängigkeiten unter­ sagt, wobei in den einschlägigen Regelungen nicht exakt geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall eine nachgerade unzulässige Bezie­ hung zwischen Gremienmitglied und Antragsteller anzunehmen ist.374 Ins­ gesamt ergeben sich ähnlich wie bei der institutionellen Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen auch bei der individuellen Unabhängigkeit ihrer Mit­ glieder rechtlich kaum erfassbare Grauzonen. Dies betrifft etwa Fälle, in de­ nen die universitären Mitglieder der bei den medizinischen Fakultäten ange­ siedelten Ethik-Kommissionen über Zulassungsanträge aus „dem Kollegen­ kreis“ zu befinden haben und dadurch in Loyalitäts- und Interessenkonflikte geraten können.375 Im Zuge der im Jahr 2016 erfolgten Novelle des Rechts der klinischen Prüfung hat nunmehr auch der Bundesgesetzgeber in § 41a Abs. 3 Nr. 7 AMG geregelt, dass die Träger zu registrierender Ethik-Kommissionen an­ hand geeigneter Unterlagen nachweisen müssen, dass zu jedem Antrag Un­ abhängigkeitserklärungen der beteiligten Mitglieder und externen Sachver­ ständigen eingeholt werden, die beinhalten, dass letztere keine finanziellen oder persönlichen Interessen haben, die Auswirkungen auf ihre Unparteilich­ keit haben könnten.376 Ausweislich der Gesetzesbegründung gehören zu solchen Eigeninteressen im vorstehenden Sinne beispielsweise das Interesse 372  Beziehungsweise auf die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften. Siehe beispielsweise § 30b Abs. 1 S. 2 ÖGDG-BRE; ohne Normbezug, aber auf die Befan­ genheit abstellend auch § 17d Abs. 2 ThürHeilBG oder § 6 der Satzung der EthikKommission der Ärztekammer Nordrhein. 373  Zu dieser Klassifizierung des Verfahrens des § 42 Abs. 1 AMG siehe oben D. I. 374  Siehe etwa § 17d Abs. 1 S. 2 ThürHeilBG. Die Vorschrift gilt auch für Mit­ glieder der Ethik-Kommission der Friedrich-Schiller-Universität Jena (vgl. § 17g Abs. 2 ThürHeilBG) und damit in der oben beschriebenen Konstellation der „institu­ tionellen Befangenheit“ (vgl. § 17g Abs. 1 ThürHeilBG). 375  von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen For­ schung, S. 142. 376  Der Nachweis der Unabhängigkeit kann gegenüber der Bundesoberbehörde mittels einer Verpflichtungserklärung erbracht werden, BT-Drs. 18/8034, S. 38.



D. Die Ethik-Kommissionen333

an der Genehmigung einer klinischen Prüfung, an deren Durchführung ein Mitglied oder externer Sachverständiger beteiligt ist bzw. hinsichtlich derer eine Beteiligung geplant ist.377 Ferner kann eine Tätigkeit in der Einrich­ tung, in der im Einzelfall eine klinische Prüfung durchgeführt werden soll, der Unabhängigkeit eines Mitglieds oder externen Sachverständigen entge­ genstehen.378 Ob diese materielle Registrierungsvoraussetzung zu einem qualitativen „Mehr“ an Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen führt, er­ scheint in Anbetracht der ohnehin bereits geltenden Bestimmungen der §§ 20, 21 VwVfG durchaus fraglich und bleibt letztlich einmal mehr dem Verwal­ tungsvollzug überlassen. Insgesamt zeigt sich, dass das kodifizierte Recht für die in die Zulassung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen eingebundenen EthikKommissionen quantitativ einen relativ379 hohen Normbestand aufweist, der qualitativ jedoch weder in institutioneller noch in personeller Hinsicht eine lückenlose Unabhängigkeit der Ethik-Kommissionen bzw. ihrer Mitglieder zu gewährleisten vermag.

IV. Tätigkeit der Ethik-Kommissionen im Bewertungsverfahren Wie bereits dargelegt, erfolgt die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen nach Maßgabe des in § 42 Abs. 1 AMG geregelten Bewertungsverfahrens, welches sie eigenverantwortlich und weitgehend380 unabhängig vom separa­ ten Genehmigungsverfahren des § 42 Abs. 2 AMG durchführen. Insoweit kann auch für die Ethik-Kommissionen zwischen den verfahrensrechtlichen Modalitäten der Erstellung ihrer Voten und letzteren selbst unterschieden werden. 1. Prüfung des Antrags und Erstellung einer Stellungnahme Die Prüfung eines von einem Sponsor eingereichten Antrags auf Bewer­ tung der von ihm beabsichtigten klinischen Prüfung eines Arzneimittels bei Menschen erfolgt durch die zuständige Ethik-Kommission nach Maßgabe des in § 42 Abs. 1, Abs. 3 S. 2 Nr. 2 AMG i. V. m. den Vorgaben der GCPVerordnung geregelten Verfahrens. 377  BT-Drs.

18/8034, S. 38. 18/8034, S. 38. 379  Dies gilt im Hinblick auf die zuvor betrachteten Referenzgebiete. 380  Zur partiellen Verknüpfung beider Verfahren siehe etwa die sogleich näher zu betrachtende Vorschrift des § 42 Abs. 2a AMG. 378  BT-Drs.

334

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Das Verfahren vor der zuständigen Ethik-Kommission beginnt durch Ein­ reichung des Antrags des Sponsors (§ 42 Abs. 1 S. 1 AMG i. V. m. § 7 Abs. 1 S. 1 GCP-Verordnung). Der Sponsor kann nicht frei entscheiden, bei welcher Ethik-Kommission er seinen Antrag auf zustimmende Bewertung der klini­ schen Prüfung stellt, sondern muss diesen bei der nach Landesrecht für den Prüfer381 zuständigen Ethik-Kommission einreichen. Dabei hat er der jewei­ ligen Ethik-Kommission alle Angaben und Unterlagen vorzulegen, die diese zur Bewertung benötigt (§ 42 Abs. 1 S. 4 AMG) und die im Einzelnen in § 7 Abs. 2 u. 3 GCP-Verordnung aufgeführt sind. Innerhalb von zehn Tagen be­ stätigt die zuständige Ethik-Kommission dem Sponsor den Eingang des ord­ nungsgemäßen Antrags unter Angabe des Eingangsdatums oder fordert ihn auf, etwaige von ihr zu benennenden Formmängel innerhalb einer Frist von 14 Tagen zu beheben, sofern ohne Begründung Unterlagen zum Antrag feh­ len oder der Antrag aus sonstigen Gründen nicht ordnungsgemäß ist (siehe § 8 Abs. 1 GCP-Verordnung). Inhaltlich hat die zuständige Ethik-Kommission den Antrag des Sponsors nach Maßgabe des in § 42 Abs. 1 S. 7 AMG geregelten Prüfprogramms zu bewerten. Wie sich insbesondere aus den in § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 AMG in Bezug genommenen Prüfungspunkten ergibt, hat die Ethik-Kommission das zur Zulassung gestellte Vorhaben nicht allein unter ethischen Aspekten zu bewerten. Vielmehr umfasst das von ihr zu absolvierende Prüfprogramm inzident auch naturwissenschaftlich-technisch komplexe Fragestellungen, ­ die im rechtlichen Prüfkatalog durch unbestimmte und dynamische Rechts­ begriffe wie „Stand der Wissenschaft“,382 „Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse“383 oder den „Erkenntnissen der medizinischen Wissen­ schaft“384 umschrieben werden. Zur Bewertung der vom Sponsor eingereich­ ten Unterlagen kann die Ethik-Kommission gemäß § 42 Abs. 1 S. 5 AMG eigene wissenschaftliche Erkenntnisse verwerten, Sachverständige beiziehen oder Gutachten anfordern. Handelt es sich um eine klinische Prüfung bei Minderjährigen, ist die Ethik-Kommission nach Maßgabe des § 42 Abs. 1 S. 6 AMG zur Beiziehung von Sachverständigen oder Anforderung von Gut­ achten explizit verpflichtet. Vom Sponsor selbst kann die zuständige EthikKommission während der Prüfung des Antrags auf zustimmende Bewertung gemäß § 8 Abs. 2 S. 2 GCP-Verordnung nur ein einziges Mal zusätzliche Informationen anfordern. Allerdings hat nach § 42 Abs. 2a S. 1 Hs. 1 AMG das BfArM als die für die Genehmigung der klinischen Prüfung zuständige 381  Zur

Legaldefinition des Prüfers siehe § 4 Abs. 25 S. 1 AMG. Abs. 1 S. 7 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 2 a) AMG. 383  § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 1 S. 3 Nr. 6 AMG. 384  § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 i. V. m. § 40 Abs. 4 Nr. 2 AMG; § 42 Abs. 1 S. 7 Nr. 3 i. V. m. § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 S. 1 AMG. 382  § 42



D. Die Ethik-Kommissionen335

Bundesoberbehörde die im Einzelfall zuständige Ethik-Kommission zu un­ terrichten, wenn ihr Informationen zu anderen klinischen Prüfungen vorlie­ gen, die für die Bewertung der von der Ethik-Kommission begutachteten Prüfung von Bedeutung sind. Dies gilt insbesondere für Informationen über abgebrochene oder sonst vorzeitig beendete Prüfungen (§ 42 Abs. 2a S. 1 Hs. 2 AMG).385 Durch die Implementierung dieser Vorschrift sollte aus Gründen des Probandenschutzes dem Umstand Rechnung getragen werden, dass allein das BfArM, nicht aber die Ethik-Kommissionen auf die europäi­ sche Datenbank für klinische Studien zugreifen kann.386 Darüber hinaus ver­ fügt das BfArM nicht zuletzt aufgrund seiner bundesweiten Zuständigkeit für die Genehmigung von klinischen Prüfungen (vgl. § 42 Abs. 2 AMG) über einen größeren Wissensfundus hinsichtlich vorheriger Bewertungsver­ fahren, der für die Tätigkeit der auf Landesebene agierenden Ethik-Kommis­ sionen zur effektiven Aufgabenerfüllung im Einzelfall fruchtbar gemacht werden soll.387 Näher ausgestaltet sind auch die zeitlichen Abläufe des Prüfund Bewertungsverfahrens der Ethik-Kommissionen. Gemäß § 42 Abs. 1 S. 9 AMG hat die zuständige Ethik-Kommission dem Sponsor ihre Entschei­ dung über den Antrag innerhalb einer Frist von höchstens 60 Tagen nach Eingang der erforderlichen Unterlagen zu übermitteln. Hat die Ethik-Kom­ mission beim Sponsor zusätzliche Informationen angefordert, wird die 60-Tage-Frist bis zum Eingang der zusätzlichen Informationen gehemmt (§ 8 Abs. 2 S. 4 GCP-Verordnung). In bestimmten, im Einzelnen näher gere­ gelten Fällen können diese Fristen verkürzt (§ 8 Abs. 3 GCP-Verordnung) bzw. verlängert (§ 8 Abs. 4 GCP-Verordnung) werden. Bei größeren For­ schungsvorhaben hat die zuständige Ethik-Kommission nach Maßgabe von § 8 Abs. 5 GCP-Verordnung zudem weitere Ethik-Kommissionen im Verfah­ ren zu beteiligen. Neben diesen besonderen Vorgaben des Fachrechts gelten für die Tätigkeit der Ethik-Kommissionen die allgemeinen Vorschriften der §§ 9 ff. VwVfG bzw. die entsprechenden Vorschriften des Landesrechts. Dies ist mitunter ausdrücklich gesetzlich geregelt,388 ergibt sich aber im Übrigen aus der Klas­ sifizierung des Verfahrens des § 42 Abs. 1 AMG als Verwaltungsverfahren

385  Dabei unterbleibt die Übermittlung personenbezogener Daten. Ferner sind Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren (§ 42 Abs. 2a S. 2 AMG). 386  Zum Regelungszweck dieser erst im laufenden Gesetzgebungsverfahrens zur 12. Novelle des AMG eingeführten Vorschrift siehe BT-Drs. 15/2849, S. 61 (Be­ schlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Siche­ rung vom 31.03.2004). 387  Sander, Arzneimittelrecht, § 42 AMG Rn. 23. 388  Siehe beispielsweise § 2 Abs. 7 S. 1 EKG-BER; § 21 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen.

336

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

i. S. d. §  9 VwVfG.389 Soweit das Fachrecht keine besonderen Vorgaben ent­ hält, haben die Ethik-Kommissionen bei der Durchführung der von ihnen federführend zu leitenden und durch Entscheidung abzuschließenden Verwal­ tungsverfahren die allgemeinen Vorgaben der §§ 20 ff. (Landes-)VwVfG zu beachten. Zu den Modalitäten des Beurteilungs- und Bewertungsverfahrens inner­ halb der Ethik-Kommissionen verhält sich das Bundesrecht nicht. Entspre­ chende Regelungen ergeben sich jedoch aus dem Landesrecht. Diejenigen Länder, die ihre Ethik-Kommissionen in der Ministerialverwaltung angesie­ delt haben, haben das gremieninterne Verfahren auf der Verordnungsebene näher ausgestaltet390 oder verweisen auf ihr allgemeines, im formellen Ge­ setzesrecht geregeltes Verwaltungsverfahrensrecht.391 Demgegenüber bestim­ men sich die internen Abläufe bei der überwiegenden Anzahl der EthikKommissionen nach den Vorgaben, die die Landesärztekammern und Uni­ versitäten bzw. medizinischen Fakultäten durch originäres Satzungsrecht ­getroffen haben. Ungeachtet aller Detailregelungen weisen die für die EthikKommissionen einschlägigen Vorschriften starke Parallelen zum auf Bundes­ ebene geregelten Prüf- und Bewertungsverfahren der in den gentechnikrecht­ lichen Genehmigungsverfahren mitwirkenden ZKBS auf.392 Die Sitzungen der Ethik-Kommissionen sind nicht öffentlich.393 Der Antragsteller kann seine Anhörung durch die im Einzelfall zuständige Ethik-Kommission ver­ langen394 bzw. diese kann ihn bei Bedarf anhören.395 Es finden sich ferner konkrete Regelungen zur Anberaumung von Sitzungen, Beschussfähigkeit und zur Beschlussfassung (insbesondere Stimmenquorum und Umgang mit 389  Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengremien im Lichte des öffentlichen Rechts, S. 465; Deutsch, in: Deutsch/Lippert (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 15; von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 190. 390  Berlin: § 3 Nr. 7 EKG-BER i. V. m. § 6 der Verordnung über die Ethik-Kom­ mission des Landes Berlin (EKV-BER) ; Bremen: § 30c S. 2 Nr. 3 ÖGDG-BRE i. V. m. §§ 6 ff. Verordnung über die Ethikkommission des Landes Bremen (EthKVOBRE). 391  So in Sachsen-Anhalt, siehe § 27c GDG LSA i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 3 EthikKom-VO-LSA. 392  Zur Verfahrenstätigkeit der ZKBS siehe insoweit oben § 3 C. IV. 1. 393  Beispiele: § 3 Abs. 2 S. 2 Ethik-Kom-VO-LSA, § 8 Abs. 1 S. 1 Satzung der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig; § 7 Abs. 2 S. 1 des Statuts der Ethikkommission der Universität Mannheim. 394  § 6 Abs. 2 S. 1 EthKVO-BRE; § 8 Abs. 7 S. 1 Hs. 1 Satzung der Ethik-Kom­ mission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Dies ist mitunter auch vor Erlass einer ablehnenden Entscheidung vorgesehen, siehe etwa § 7 Abs. 5 S. 1 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein. 395  § 6 Abs. 2 S. 2 EthKVO-BRE; § 11 Abs. 5 der Satzung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Nordrhein.



D. Die Ethik-Kommissionen337

Minderheitenvoten).396 Zur Einhegung etwaiger „institutioneller“ Eigeninte­ ressen der in den Ethik-Kommissionen mitwirkenden Mediziner und Forscher finden sich, insoweit ähnlich wie bei der ZKBS,397 interne Diskurs- und Er­ örterungsvorschriften.398 Damit werden die in die Zulassung von klinischen Prüfungen von Arznei­ mitteln bei Menschen eingebundenen Ethik-Kommissionen hinsichtlich des von ihnen wahrgenommenen Belangs des Probandenschutzes in einem auf unterschiedlicher Regelungsebene (Gesetzes-, Verordnungs- bzw. Satzungs­ recht) im Detail ausgestalteten Verwaltungsverfahren tätig. Anders als beim oben betrachteten BAF im BImSchG-Genehmigungsver­ fahren399 oder den anerkannten Umweltverbänden im Planfeststellungsver­ fahren für Bundesfernstraßen400 wird der von den Ethik-Kommissionen wahrgenommene Belang der Patientensicherheit somit nach (noch) gegen­ wärtiger Rechtslage in einem separaten Verwaltungsverfahren geprüft. Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, weichen die Anforderungen an die belangwahrende Tätigkeit der Ethik-Kommissionen von den verfahrensrecht­ lichen Modalitäten der beiden zuvor betrachteten Referenzgebiete deutlich ab. Indes werden die Ethik-Kommissionen ihre Aufgabe des Patienten- und Probandenschutzes unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bezüglich bestimmter Teilaspekte zukünftig nur noch mit verwaltungsinter­ ner Wirkung im Rahmen eines allein vom BfArM außenwirksam durchzu­ führenden Genehmigungsverfahrens wahrnehmen.401 Insoweit erfolgt eine partielle Angleichung der Verfahrenstätigkeit der Ethik-Kommissionen an die Arbeit des BAF bzw. der anerkannten Umweltverbände. Im Übrigen heben die hier nicht im Einzelnen zu behandelnden Neuregelungen noch stärker als bislang die strukturellen Parallelen zwischen der Tätigkeit der Ethik-Kom­ 396  Beispiele für die in der Ministerialverwaltung angesiedelten Ethik-Kommis­ sionen sind insoweit die Regelungen in Berlin (§ 6 EKV-BER) und Bremen (§ 6 Abs. 3 EthKVO-BRE). Für die von den Selbstverwaltungskörperschaften erlassenen Regelungen siehe beispielsweise die Vorschriften der §§ 6–10 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Niedersachsen; §§ 5–8 der Satzung für die Ethikkommission bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein; § 8 f. Satzung der EthikKommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. 397  Siehe oben § 3 C. IV. 1. 398  So beispielsweise in § 6 Abs. 1 S. 1 EthKVO-BRE; § 12 Abs. 2 S. 1 der Sat­ zung der Ethik-Kommission der Ärztekammer Nordrhein; § 8 Abs. 1 S. 3 Satzung der Ethik-Kommission an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. 399  Dazu oben B. IV. 1. 400  Dazu oben C. IV. 1. 401  Vgl. § 40 Abs. 4 S. 2 AMG (Art. 2 Nr. 10 des „Vierten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048)).

338

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

missionen im Arzneimittelrecht und der Rolle der ZKBS in den gentechnik­ rechtlichen Genehmigungsverfahren hervor.402 2. Entscheidung Hat die zuständige Ethik-Kommission den Antrag des Sponsors umfassend und abschließend geprüft, muss sie nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG über die Er­ teilung ihrer zustimmenden Bewertung zur Aufnahme der zur Zulassung ge­ stellten klinischen Prüfung entscheiden. Liegen diesbezüglich die in § 42 Abs. 1 S. 7 AMG statuierten Versagungsgründe nicht vor, hat der Sponsor einen Anspruch auf zustimmende Bewertung durch die jeweilige EthikKommission.403 Aufgrund des unionsrechtlich gebotenen effektiven Schut­ zes der Prüfungsteilnehmer ist die Ethik-Kommission umgekehrt zur Versa­ gung ihrer Zustimmung verpflichtet, sofern die maßgeblichen Voraussetzun­ gen im Einzelfall nicht vorliegen.404 Sowohl zustimmende als auch ableh­ nende Bewertungen der Ethik-Kommissionen sind dabei als Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG zu qualifizieren,405 für deren Erteilung neben der Begründungspflicht aus § 8 Abs. 2 S. 1 GCP-Verordnung auch die allgemei­ nen Bestimmtheits- und Begründungsanforderungen der §§ 37, 39 VwVfG gelten. Die im Einzelfall mit der Prüfung befasste Ethik-Kommission hat ihre Entscheidung an den Sponsor und die zuständige Bundesoberbehörde zu übermitteln (§ 8 Abs. 2 S. 1 GCP-Verordnung). Da der Sponsor neben der zustimmenden Bewertung der für ihn zuständigen Ethik-Kommissionen für den zulässigen Beginn einer klinischen Prüfung nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eine separate Genehmigung durch das BfArM einholen muss, entscheiden nach (noch) gegenwärtiger Rechtslage die im Einzelfall zuständige EthikKommission und das BfArM im Außenverhältnis in geteilter Verantwortung 402  Dies betrifft vor allem die Behandlung der Voten der Ethik-Kommissionen, siehe § 41 Abs. 3 AMG n. F. (Art. 2 Nr. 12 des „Vierten Gesetzes zur Änderung arz­ neimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048)). 403  Paus, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer (Hrsg.), Gesamtes Medizinrecht, AMG, § 42 Rn. 4; von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 230; Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 25. 404  So von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen For­ schung, S. 230. 405  Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengremien im Lichte des öffentlichen Rechts, S.  464; Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S.  271; Deutsch/Spickhoff, Medizinrecht, Rn. 1432; Paus, in: Bergmann/Pauge/Steinmeyer (Hrsg.), Gesamtes Medizinrecht, AMG, § 42 Rn. 2; von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 190; Wachenhausen, in: Kü­ gel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 4.



D. Die Ethik-Kommissionen339

über die Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG.406 In der vorliegend nicht im Detail darstellbaren Verwaltungspraxis gelten die im Arzneimittelbereich mitwirkenden Ethik-Kommissionen als „reni­ tent“,407 was sich offenbar insbesondere darin zeigt, dass sie die meisten Zulassungsanträge von Sponsoren überwiegend nur unter Änderungen akzep­ tieren.408 Dieser Befund wird durch Erhebungen des Arbeitskreises Medizini­ scher Ethik-Kommissionen in der Bundesrepublik Deutschland e. V. (AMEK) bestätigt, denen zufolge im Zeitraum zwischen den Jahren 2004 bis 2016 etwa 95 % aller eingereichten Anträge nur mit – zum Teil erheblichen – Mo­ difikationen genehmigt worden seien.409 Bei 3 % aller Anträge seien die Ge­ nehmigungen ohne Modifikation der Anträge erteilt worden, während für die verbliebenen 2 % der Zulassungsanträge endgültige Ablehnungsentscheidun­ gen ergangen seien. Insoweit kommt die nach gegenwärtiger Rechtslage (noch) starke Stellung der Ethik-Kommissionen auch in deren Verwaltungs­ praxis zum Ausdruck, die rechtspolitisch sehr unterschiedlich bewertet wird.410 Außer Frage dürfte jedoch stehen, dass die Ethik-Kommissionen den von ihnen wahrgenommenen Belang der Patientensicherheit und des Proban­ denschutzes intensiv wahrnehmen. Insgesamt sind die in der Eröffnungskontrolle für die klinische Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen mitwirkenden Ethik-Kommissionen ein Beispiel für sachverständige Stellen, denen in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren die eigenverantwortliche und abschließende Prüfung der Zulassungsfähigkeit des Vorhabens hinsichtlich eines spezifischen Teil­ aspekts obliegt. Konzeptionell ähnliche, rechtlich jedoch anders ausgestaltete Regelungsmodelle werden bzw. wurden vom Gesetzgeber auch für die Zulas­ sung anderer naturwissenschaftlich-technisch komplexer Vorhaben erwogen. Ein Beispiel ist die vor allem im Jahr 2015 geführte Diskussion um den Ein­ satz einer Expertenkommission im wasserrechtlichen Erlaubnisverfahren zur Gewinnung von Erdgas mittels Einsatz der sogenannten Fracking-Methode. 406  Siehe insoweit unter besonderer Betonung des Aspekts der Risikoverantwor­ tung Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S. 271. 407  So Beyerbach, GesR 2016, 346 (348). 408  Dazu kritisch Lippert, MedR 2016, 773 (776). 409  Die statistischen Angaben beruhen auf den Angaben des in der Sitzung des Ausschusses für Gesundheit vom 09.05.2016 angehörten Sachverständigen Prof. Dr. Joerg Hasford als Vertreter des AMEK, siehe dazu Deutscher Bundestag – Ausschuss für Gesundheit, Öffentliche Anhörung zum „Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Än­ derung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (BT-Drs. 18/8034)“, Protokoll 18/74 vom 09.05.2016, S. 11. 410  Wohl eher positiv Beyerbach, GesR 2016, 346 (348 f.); eher kritisch hingegen Lippert, MedR 2016, 773 (776).

340

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Auf die insoweit geführte Debatte um das „innovative[...] Verfahrensdesign“411 der Zulassung von Fracking-Vorhaben unter Einbindung einer Expertenkom­ mission wird in Kapitel § 6 noch einmal kurz einzugehen sein.412

V. Gerichtliche Überprüfung Abschließend stellt sich auch für die zustimmenden bzw. ablehnenden Bewertungen der Ethik-Kommissionen i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG die Frage nach deren gerichtlichen Überprüfbarkeit. Beim gerichtlichen Kontrollzugang bestehen keine Besonderheiten. Der antragstellende Sponsor, dessen Antrag auf zustimmende Bewertung durch die für ihn zuständige Ethik-Kommission abgelehnt wurde, kann vorbehalt­ lich eines nach Landesrecht zuvor durchzuführenden Widerspruchsverfahrens gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO im Wege der Verpflichtungsklage sein Be­ gehren vor dem zuständigen Verwaltungsgericht weiterverfolgen.413 Als weitere nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugte Kläger kommen lediglich die Probanden in Betracht, deren Klagebefugnis im Einzelfall zu bestimmen ist.414 Weithin ungeklärt ist hingegen, mit welcher Kontrolldichte die Verwal­ tungsgerichte die Entscheidungen der Ethik-Kommissionen i. S. d. §  40 Abs.  1 S. 2 AMG zu überprüfen haben und inwieweit die Ethik-Kommissionen bei ihren Voten über Beurteilungsspielräume verfügen, deren Ausübung gericht­ lich nur eingeschränkt nachprüfbar sind. Diese im Schrifttum abstrakt disku­ tierte Problematik415 hat in der forensischen Praxis bislang keine (größere) Bedeutung erlangt.416 Aus der veröffentlichten Rechtsprechung gehen für die NVwZ 2015, 1249 (1250). unten § 6 A. II. 3. 413  Wie hier von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizini­ schen Forschung, S. 228. Nach anderer Auffassung soll bei der Ablehnung des An­ trags des Sponsors die Anfechtungsklage i. S. d. § 42 Abs. 2 VwGO statthaft sein, siehe etwa Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 37; vgl. ferner Sander, Arzneimittelrecht, § 42 AMG Rn. 10. Richtigerweise entspricht die Anfechtungsklage bei vollständiger Ablehnung des Antrags jedoch nicht dem Rechtsschutzziel des Sponsors. Eine Erhebung der Anfechtungsklage kann allerdings in Betracht kommen, wenn der Sponsor gegen belastende Nebenbestimmungen ge­ richtlich vorgehen möchte, siehe dazu Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 38. 414  Dazu von Dewitz/Luft/Pestalozza, Ethikkommissionen in der medizinischen Forschung, S. 228. 415  Siehe insbesondere Ammann, Medizinethik und medizinethische Expertengre­ mien im Lichte des öffentlichen Rechts, S. 467 ff., 475 ff. 416  Ebenso der Befund bei Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 40. 411  Boehme-Neßler, 412  Siehe



D. Die Ethik-Kommissionen341

klinische Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen keine Rechtsstreitigkeiten hervor, in denen Sponsoren ablehnende Entscheidungen von Ethik-Kommis­ sionen einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen hätten.417 Dieser Befund dürfte zum einen auf den im niedrigen einstelligen Prozentbereich liegenden Anteil endgültig abgelehnter Anträge zurückzuführen sein.418 Zum anderen dürfte es für die Sponsoren auch bei Teilversagungen ihres Antrags (z. B. durch Erlass zusätzlicher Nebenbestimmungen i. S. d. § 36 Abs. 1 VwVfG) in Anbetracht der nach § 40 Abs. 1 S. 2 AMG i. V. m. § 42 Abs. 2 AMG des Weiteren benötigten Genehmigung des BfArM regelmäßig kaum sinnvoll sein, ein isoliert auf die Erteilung eines zustimmenden Votums der zuständi­ gen Ethik-Kommission gerichtetes Klageverfahren zu initiieren.419 Offenbar befürchten die Sponsoren zudem für den Fall, dass sie die ihnen eingeräum­ ten gerichtlichen Klagemöglichkeiten gegen ablehnende Voten der EthikKommissionen in Anspruch nehmen, Nachteile für zukünftige Verfahren.420 Ungeachtet dessen wird man die bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen mitwirkenden Ethik-Kommissionen als ein Beispiel des auch in anderen Bereichen421 zu beobachtenden Phänomens der „Renaissance der Administrativjustiz“ ansehen müssen, das durch den Ein­ satz besonderer sachverständiger Stellen auf Ebene des Verwaltungsverfah­ rens gekennzeichnet ist und mangels Reproduzierbarkeit der Entscheidungs­ findung im Verwaltungsprozess zu einer Vorverlagerung von Rechtsschutz­ möglichkeiten auf die Ebene des Zulassungs- bzw. Verwaltungsverfahrens führt.422 Insofern spricht ebenso wie in den zuvor betrachteten Referenzge­ bieten vieles dafür, etwaige Probleme bei der regulatorischen Einhegung des 417  Eine gewisse Rolle haben demgegenüber wohl Klagen von Sponsoren gegen Gebührenbescheide erlangt, vgl. BT-Drs. 16/7703, S. 14. In anderen Sachgebieten, die eine Mitwirkung administrativer Ethik-Kommissionen in Verwaltungsverfahren vorsehen, liegen hingegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zur Überprüfbar­ keit der Voten von Ethik-Kommissionen vor. Gegen die Zuerkennung eines Beurtei­ lungsspielraums im Bereich der Präimplantationsdiagnostik und damit für die volle gerichtliche Überprüfungen der Entscheidungen der „Bayerischen Ethik-Kommission für Präimplantationsdiagnostik“ siehe etwa die Entscheidung des VGH München Ur­ teil vom 14.03.2019 – 20 BV 17.1507 –, juris, Rn. 59 ff. 418  Siehe oben D. IV. 2. 419  Wachenhausen, in: Kügel/Müller/Hofmann (Hrsg.), AMG, § 42 Rn. 40. 420  Siehe unter Verweis auf entsprechende Aussagen einiger Industrieverbände den Bericht der Bundesregierung zu Erfahrungen mit dem Verfahren der Beteiligung von Ethik-Kommissionen bei klinischen Prüfungen vom 20.12.2017, abgedruckt in BT-Drs. 16/7703, S. 14. Gleichzeitig verweist die Bundesregierung (a. a. O.) darauf, dass Sponsoren „häufig“ Widersprüche gegen Bewertungen der Ethik-Kommissionen einlegten, die betreffenden Fälle jedoch regelmäßig ohne Befassung der Verwaltungs­ gerichte gelöst würden. 421  Zur ZKBS im Gentechnikrecht siehe insgesamt oben § 3 C. 422  In diesem Sinne etwa Sommermann, DÖV 2019, 293 (300 f.).

342

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

Einflusses der bei der Zulassung von Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG mitwirkenden Ethik-Kommissionen nicht auf der verwaltungsge­ richtlichen Rechtsschutzebene, sondern bereits bei der organisations- und verfahrensrechtlichen Ausgestaltung ihrer Tätigkeit zu lösen.

VI. Ergebnisse Die Mitwirkung der Ethik-Kommissionen bei der Zulassung von klini­ schen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen ist ein Beispiel für den Einsatz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen, die einen vom Gesetz­ geber spezifisch zugewiesenen Belang durch Ausübung originärer Entschei­ dungskompetenzen wahren bzw. wahrnehmen sollen. In organisationsrecht­ licher Hinsicht verdeutlicht das Referenzgebiet, dass die Erfordernisse der verfassungsmäßigen Aufgabenzuweisung und demokratischen Legitimation externer sachverständiger Stellen mit Außenentscheidungskompetenzen so­ wie die Gewährleistung ihrer Fachkompetenz und Sicherstellung ihrer Unab­ hängigkeit in einer komplexen Wechselbeziehung zueinander stehen, bei der etwa ein „Mehr“ an Legitimation zu einem Verlust an Unabhängigkeit führen kann. Exakte rechtliche Anforderungen für die Auflösung dieses Balancepro­ blems lassen sich jedenfalls aus dem höherrangigen Recht kaum ableiten. Auf der Verfahrensebene sieht das Gesetz – anders als etwa beim oben be­ trachteten BAF423 oder den anerkannten Umweltverbänden424 – für die Klä­ rung der Vereinbarkeit von zur Zulassung gestellten arzneimittelrecht­lichen Forschungsvorhaben mit dem Belang der Patienten- und Probandensicherheit gegenwärtig (noch)425 den Durchlauf eines eigenständigen, von der im Ein­ zelfall zuständigen Ethik-Kommission federführend geleiteten Verwaltungs­ verfahrens vor. Insoweit erfolgt die verfahrensrechtliche Absicherung der ausschließlichen Sachorientierung und Handlungsrationalität der EthikKommissionen ähnlich wie bei der ZKBS im Gentechnikrecht426 nicht durch Transparenzregelungen und Beteiligungsmöglichkeiten Dritter, sondern durch gremieninterne Kontrollstrukturen. Für die gerichtliche Rechtsschutzebene hat die Betrachtung des Referenzgebiets hingegen keine besonderen Erkennt­ nisse geliefert.

423  Siehe

oben B. IV. 1. oben C. IV. 1. 425  Auf die neue Rechtslage unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 wurde, soweit für den Kontext der vorliegenden Untersuchung relevant, hingewiesen. 426  Zur Verfahrenstätigkeit der ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 1. 424  Dazu



E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 5343

E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 5 Die anhand der Referenzgebiete erfolgte Untersuchung der Gruppe der belangwahrenden sachverständigen Stellen hat eine große Bandbreite unter­ schiedlicher Regelungsstrukturen aufgezeigt. Auf der Ebene des Einbindungsmodus wurde am Beispiel des BAF der für die Mitwirkung von Fachbehörden in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren typische Modus der abstrakt-generellen Behör­ deneinrichtung und Aufgabenzuweisung und der konkreten Verfahrensbeteili­ gung im Einzelfall dargelegt. Bezüglich der Aktivierung von in der Zivilge­ sellschaft vorhandener Expertise wurden anhand der Referenzgebiete der anerkannten Umweltverbände und der Ethik-Kommissionen verschiedene Regelungsoptionen aus staatlicher Anerkennung, organisatorischer Ansied­ lung in der Ministerialverwaltung bzw. in Selbstverwaltungskörperschaften, Registrierungspflicht und konkreter Einbindung im einzelfallbezogenen Zu­ lassungsverfahren erörtert. Ungeachtet dieser divergierenden Einbindungsmodi hat die Untersuchung der Referenzgebiete hinsichtlich der abstrakt-generellen Tätigkeitsanforde­ rung der Fachkompetenz vergleichbare Regelungsstrukturen und Probleme verdeutlicht. Die Fachkompetenz von Behörden (einschließlich ihrer Amts­ walter)427 wird grundsätzlich nicht durch Vorgaben im kodifizierten Recht abgesichert, da sie vom Staat durch „schlichte“ Einrichtung der Behörden, deren technische Ausstattung sowie durch Personalbeschaffung gewährleistet werden kann. Soweit es um konkretes Methodenwissen oder die Beherr­ schung von bestimmten Beurteilungstechniken geht (z. B. Prüfung einer Störung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG), können überdies fehlende fachwis­ senschaftliche Erkenntnisse und die hieraus resultierende Unbestimmtheit materieller Prüfprogramme die regulatorische Sicherstellung der Fachkompe­ tenz belangwahrender Behörden erschweren. Wie darüber hinaus das Beispiel der anerkannten Umweltverbände zeigt, können die diesbezüglichen Hand­ lungsmöglichkeiten des Gesetz- bzw. Normgebers auch durch Umstände be­ grenzt werden, die nicht in der naturwissenschaftlich-technischen Komplexi­ tät einer Sachmaterie begründet sind, sondern deren Ursachen in den Hand­ lungsmotiven der jeweiligen sachverständigen Stelle liegen. So könnte etwa eine Überregulierung der Fachkompetenz von Verbänden diese veranlassen,

427  Auf etwaige Vorschriften des Beamtenrechts, des Rechts des öffentlichen Dienstes sowie des Hochschul- bzw. Ausbildungsrechts wurde vorliegend nicht einge­ gangen, siehe hierzu oben B. III. 1. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die ein­ schlägigen Rechtsakte im Kontext des Untersuchungsgegenstands relevante Bestim­ mungen enthalten würden.

344

§ 5 Belangwahrende sachverständige Stellen

von ihrer freiwilligen, altruistischen Einbringung ihres Sachverstands in Zu­ lassungsverfahren abzusehen. Auch die Unabhängigkeit der in den Referenzgebieten betrachteten sach­ verständigen Stellen wird aus unterschiedlichen Gründen nicht bzw. nur eingeschränkt gewährleistet. Das BAF darf nach gegenwärtiger Rechtslage die Expertise der formal lediglich beratend tätigen, faktisch jedoch entschei­ denden DFS in Anspruch nehmen, die neben ihrer Rolle als Verwaltungsgut­ achterin zugleich „in eigener Sache betroffene“ Eigentümerin und Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen ist. Regulatorisch (bislang) kaum einge­ hegte Probleme bei der Absicherung der Unabhängigkeit der anerkannten Umweltverbände können sich ergeben, wenn diese in größerem Umfang Zuwendungen des Staates bzw. von sonstigen Dritten erhalten. Am Beispiel der bei der Zulassung von arzneimittelrechtlichen Forschungsvorhaben mit­ wirkenden Ethik-Kommissionen ist einmal mehr das Problem der „institutio­ nellen Befangenheit“ deutlich geworden, das nicht nur bei Zuständigkeitsre­ gelungen im Bundes-, sondern auch im Landesrecht auftreten kann. Größere Unterschiede hat die Untersuchung der verschiedenen Referenz­ gebiete für die Ebene des konkreten Zulassungsverfahrens aufgezeigt. Wäh­ rend das BAF und die anerkannten Umweltverbände die von ihnen wahr­ genommenen Belange bei Berührung in ihrem Aufgabenbereich bzw. Betrof­ fenheit ihrer Interessen in ein von einer (anderen) Behörde federführend ­geleitetes Zulassungsverfahren einbringen müssen, nehmen die Ethik-Kom­ missionen die gleiche Aufgabe gegenwärtig noch in einem von ihnen originär durchzuführenden Verwaltungsverfahren wahr. Dabei ist der Einfluss der anerkannten Umweltverbände auf die verfahrensabschließende Zulassungs­ entscheidung lediglich faktisch-disziplinierender Natur, während die Ent­ scheidungsbeiträge des BAF binnenrechtliche Verbindlichkeit aufweisen und die Ethik-Kommissionen über die Zulassungsfähigkeit der von ihnen geprüf­ ten Teilaspekte des Vorhabens des antragstellenden Sponsors gar außenwirk­ sam durch Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG entscheiden. Obschon sowohl das BAF als auch die Ethik-Kommissionen mit ihren auf ihren jewei­ ligen Aufgabenbereich bezogenen Voten jeweils die Zulassung des Gesamt­ vorhabens rechtsverbindlich verhindern können, statuiert das Recht allein an die außenwirksamen Entscheidungen der Ethik-Kommissionen eigenständige Verfahrens- und Formvorschriften. Diese Fixierung des allgemeinen Verwal­ tungsrechts auf außenwirksames Verwaltungshandeln erscheint rechtspoli­ tisch überdenkenswert, worauf noch näher einzugehen sein wird. Auf der Ebene des Verwaltungsprozesses wurde anhand aller Referenzge­ biete die grundsätzliche (ggf. inzidente) Überprüfbarkeit der Entscheidungs­ beiträge der belangwahrenden sachverständigen Stellen aufgezeigt, soweit diese selbst ein Verwaltungsverfahren abschließen (so bei den Ethik-Kom­



E. Zusammenfassung der Ergebnisse zum Kapitel § 5345

missionen) bzw. in die außenwirksame Zulassungsentscheidung einfließen (so beim BAF und den anerkannten Umweltverbänden). Dabei ist deutlich geworden, dass etwaige Unabhängigkeitsdefizite der sachverständigen Stel­ len und sonstige ihrer ausschließlichen Sachorientierung und Handlungsrati­ onalität entgegenstehenden Aspekte im Verwaltungsprozess häufig nicht sachgerecht aufgefangen bzw. kompensiert werden können. Ähnlich wie bei den zuvor betrachteten Untersuchungsgruppen erscheint daher die Suche nach Lösungsansätzen im vorgelagerten Organisations- und Verfahrensrecht vorzugswürdig.

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen Im Anschluss an die Betrachtung der Referenzgebiete sollen nunmehr die Erkenntnisse aus den verschiedenen Untersuchungsgruppen zusammenge­ führt und in einen übergeordneten Gesamtkontext gestellt werden. Hierzu wird anhand der bereits den einzelnen Referenzgebieten jeweils zugrunde gelegten Prüfstruktur in einem ersten Schritt ein Überblick zum Normbestand und zu den vorhandenen Regelungsstrukturen gewährt, bevor sodann in ei­ nem zweiten Schritt deren Analyse erfolgt.

A. Rechtlicher Rahmen Wie zu Beginn der Untersuchung dargelegt, diente die überblicksartige Darstellung des rechtlichen Rahmens jeweils dazu, die Tätigkeit der ver­ schiedenen sachverständigen Stellen in den betrachteten naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu kontextualisieren. Die in­ haltlichen Schwerpunkte der Betrachtung der verschiedenen Referenzgebiete lagen jedoch auf den nachfolgenden Prüfungspunkten des Einbindungsmo­ dus, der abstrakt-organisatorischen Gewährleistung der Fachkompetenz und Unabhängigkeit der sachverständigen Stellen, den für ihre Tätigkeit auf der Ebene des Zulassungsverfahrens geltenden Bestimmungen sowie den für ihre gerichtliche Überprüfung maßgeblichen Grundsätzen. Nichtsdestotrotz sollen auch die rechtlichen Rahmenbedingungen der untersuchten Zulassungsver­ fahren im Hinblick auf ihren Normbestand und ihre Regelungsstrukturen überblicksartig dargestellt und analysiert werden. Dabei wird auf solche ­Aspekte eingegangen, die in einem Zusammenhang mit der vorliegend inter­ essierenden Tätigkeit von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen ste­ hen.1

1  Zu allgemeinen verfassungs- und unionsrechtlichen Rahmenbedingungen von Genehmigungsverfahren (i. w. S.) siehe insbesondere Schröder, Genehmigungsverwal­ tungsrecht, S.  426 ff., 499 ff.



A. Rechtlicher Rahmen347

I. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Ziel der Untersuchung war es, durch die Auswahl geeigneter Referenz­ gebiete eine möglichst große Bandbreite unterschiedlicher präventiver Eröff­ nungskontrollen abzubilden, in denen der Staat verwaltungsseitig bzw. ver­ waltungssubstituierend sachverständige Stellen zur Aufgabenerledigung ein­ bindet. Dabei wurden zwecks Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands und Sicherstellung der Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Sachgebiete nur solche Präventivkontrollverfahren betrachtet, bei denen die legale Auf­ nahme einer Betätigung (z. B. die Errichtung und Inbetriebnahme einer An­ lage oder von Infrastruktur, das Inverkehrbringen von Produkten oder die Aufnahme eines Forschungsvorhabens) an die Erteilung einer vorherigen Zulassung geknüpft wird.2 Das Spektrum der hiernach zu untersuchenden Zulassungsverfahren wurde eingangs in Anlagenzulassungs-, Risiko- und Qualitätssicherungsverfahren unterteilt.3 Mit dieser Differenzierung sollten keine qualitativen oder quantitativen Aussagen zum Vorkommen der genann­ ten Verfahrenstypen in den verschiedenen Bereichen des Umwelt-, Technikund Pharmarechts verbunden sein. Sie diente vielmehr dazu, die Weite des Untersuchungsfeldes zu veranschaulichen und die Auswahl der Referenzge­ biete vorzustrukturieren. Vor diesem Hintergrund weisen die betrachteten naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren im Hinblick auf ihre jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen einen entsprechend heterogenen Normbe­ stand und ausdifferenzierte Regelungsstrukturen auf. Dies betrifft zunächst die rechtliche Klassifizierung der unterschiedlichen Zulassungsverfahren, die insbesondere für die Untersuchungsgruppe der entscheidungsbefugten sach­ verständigen Stellen relevant ist.4 Während sowohl Anlagenzulassungsver­ fahren (z. B. Planfeststellungsverfahren oder das BImSchG-Genehmigungs­ verfahren) als auch Risikoverfahren (z. B. im Gentechnik- und Arzneimittel­ recht) als Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipiert sind, ist das Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte trotz sei­ ner partiellen öffentlich-rechtlichen Überformung aufgrund entsprechender Vorgaben des Unionsrechts in seinem Kern privatrechtlicher Natur. Dabei betrifft der Unterschied zwischen öffentlich-rechtlich und privatrechtlich ausgestalteten Eröffnungskontrollverfahren vor allem das den Herstellern in 2  Ausgehend von dieser Prämisse blieben Betätigungen mit geringem Risikound Gefahrenpotenzial für Mensch und Umwelt, deren zulässige Ausübung lediglich von einem vorherigen Durchlauf eines Anzeige- und Anmeldeverfahrens abhängt bzw. die „verfahrensfrei“ möglich ist, vorliegend außer Betracht. 3  § 2 A. II. 4  Zur Untersuchungsgruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen siehe oben Kapitel § 4.

348

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Konformitätsbewertungsverfahren eingeräumte Recht, aus dem Kreis der vom Staat zur Durchführung der Präventivkontrolle zugelassenen Benannten Stellen nach ihrer Wahl eine Stelle mit der für den Marktzugang des jeweili­ gen Produkts obligatorisch durchzuführenden Konformitätsprüfung zu beauf­ tragen.5 Ein derartiges Wahlrecht ist Antragstellern in als Verwaltungsver­ fahren i.  S.  d. § 9 VwVfG konzipierten naturwissenschaftlich-technischen Zulassungsverfahren nicht eingeräumt. Vielmehr muss der jeweilige Antrag­ steller in diesen Verfahren seinen Zulassungsantrag bei der vom Gesetz- bzw. Normgeber abstrakt für zuständig bestimmten Verwaltungsbehörde einrei­ chen. Als Referenzgebiet wurde insoweit die Tätigkeit der Bundesnetzagen­ tur als Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde im Planfeststellungsverfah­ ren für NABEG-Vorhaben (§§ 18 ff. NABEG) untersucht.6 Ein Wahlrecht des Antragstellers besteht ferner nicht, wenn die im Verwaltungsverfahren außenwirksam handelnde Zulassungsbehörde die Sachentscheidung verwal­ tungsintern auf eine andere sachverständige Stelle verlagert. Auf diese Kon­ stellation wurde vorliegend anhand des Beispiels des im nationalen Arznei­ mittelzulassungsverfahren tätigen Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG eingegangen.7 Darüber hinaus weisen die betrachteten naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auch bezüglich der obligatorischen bzw. fa­ kultativen Einbindung sachverständiger Stellen größere Unterschiede auf. Hierauf wird unten noch näher einzugehen sein.8

II. Analyseraster Auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen der betrachteten natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht den Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung bilden, sollen die in ihren Grundzügen skizzierten Normbestände und Regelungsstrukturen im Kontext des Untersuchungsgegenstands anhand von ausgewählten rechtlichen Aspek­ ten (1.) sowie im Hinblick auf ihre Kohärenz (2.) analysiert werden. Darüber hinaus soll ein kurzer rechtspolitischer Ausblick genommen werden (3.).

5  Für das betrachtete Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medi­ zinprodukte siehe insoweit oben § 4 D. I. 6  Siehe zum rechtlichen Rahmen des Planfeststellungsverfahrens für NABEGVorhaben oben § 4 B. I. 7  Zur Einreichung des Zulassungsantrags beim BfArM siehe insoweit oben § 4 C. I. 8  Zum diesbezüglichen Normbestand und den Regelungsstrukturen der ver­ schiedenen Einbindungsmodi siehe unten B. I.



A. Rechtlicher Rahmen349

1. Rechtliche Betrachtung Ausgehend von den Erkenntnissen aus den Untersuchungsgruppen ist ­ ezüglich der jeweiligen rechtlichen Rahmenbedingungen der hoheitlichen b Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren auf zwei grundsätzliche Aspekte näher einzuge­ hen. Dies betrifft zunächst die Reichweite und Grenzen der sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand zulässig übertragbaren Prüf- und Entscheidungskompetenzen. Insoweit muss der Gesetzgeber für die Zulas­ sung von (Risiko-)Technologien den in den Zulassungsverfahren hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen das jeweils zu beachtende Verfah­ rensrecht sowie das zu absolvierende Prüfprogramm zumindest abstrakt vor­ geben (dazu a)). Hinsichtlich der weitergehenden Frage nach der öffentlichrechtlichen oder (weitgehend) zivilrechtlichen Ausgestaltung von naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren enthält das Grund­ gesetz keine abschließenden Vorgaben (dazu b)). a) Reichweite und Grenzen der Prüf- und Entscheidungskompetenzen sachverständiger Stellen Der Staat ist aufgrund der ihm obliegenden Schutzpflichten gehalten, die Grundrechte der Bürger nicht nur durch entsprechende Vorgaben im ma­te­ riellen Recht, sondern auch in organisations- bzw. verfahrensrechtlicher Hinsicht zu gewährleisten.9 Diese verfassungsrechtliche Vorgabe richtet sich in erster Linie an den Gesetzgeber, dem die Rechtsprechung bei der Erfül­ lung seiner Schutzpflichten grundsätzlich einen weiten Einschätzungs-, Wer­ tungs- und Gestaltungsspielraum zugesteht.10 Derartige Gestaltungsspiel­ räume sind dem Gesetzgeber grundsätzlich auch bei der regulatorischen Einhegung der von neuartigen, risikobehafteten Anlagen, Produkten oder Forschungsvorhaben ausgehenden Gefahren eröffnet. Die Schutzpflichten11 des Staates fordern nicht schlechterdings einen legislativen Totalvorbehalt für innovative, naturwissenschaftlich-technisch komplexe Technologien mit abstrakt hohem Risikopotenzial.12 Nur wenn die durch ihre Ausübung oder Anwendung hervorgerufenen Risiken qualitativ oder quantitativ nicht hinrei­ 9  BVerfGE

53, 30 (59). 88, 203 (262); 96, 56 (64); 121, 317 (356). 11  Zu den Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie siehe sogleich. 12  Am Beispiel des Gentechnikrechts Kloepfer, Umweltrecht, § 20 Rn. 31; Sendler, NVwZ 1990, 231 (233 f.); zum Atomrecht vgl. etwa BVerfGE 49, 89 (127 f.); a. A. (für das Gentechnikrecht) VGH Kassel, ESVGH 40, 119 (126 f.). 10  BVerfGE

350

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

chend beherrschbar sind, darf der Staat Risikotechnologien zum Schutz der Grundrechte der Bürger generell verbieten. Sind die im Raum stehenden Ri­ siken und Gefahren hingegen mithilfe geeigneter Maßnahmen und Sicher­ heitsvorkehrungen grundsätzlich kontrollierbar, darf der Staat die Errichtung und Inbetriebnahme der entsprechenden Anlagen, das Inverkehrbringen ge­ fährlicher Produkte oder die Aufnahme risikobehafteter Forschungsvorhaben nicht per se ausschließen.13 Allerdings kann er aufgrund der ihm obliegenden Schutzpflichten zur Implementierung von Präventivkontrollen verpflichtet sein, wenn und soweit die Wahrung von Rechtsgütern Dritter in Anbetracht der drohenden Risiken durch repressive Mittel nicht mehr garantiert werden kann.14 Welche Risiken von Anlagen, Produkten und Forschungsvorhaben potenziell ausgehen können, kann als naturwissenschaftlich-­technische Frage generell nur mithilfe der Unterstützung von Experten und Sachverständigen beantwortet werden. Die hieran anknüpfende Frage, ob derart sachverständig ermittelte Risiken, die allenfalls mithilfe von präventiven Eröffnungskontrol­ len beherrschbar sind, letztlich tatsächlich eingegangen werden sollen, ist genuin politischer Natur und bedarf aufgrund ihrer Grundrechtsrelevanz nach Maßgabe der Wesentlichkeitstheorie einer Entscheidung durch den Gesetzge­ ber.15 Im Übrigen ist eine „normative Grundsatzentscheidung“ des Gesetzge­ bers für oder gegen die zulässige Nutzung gefährlicher Technologien oder Ausübung risikobehafteter Betätigungen auch dann erforderlich, wenn die von letzteren ausgehenden Auswirkungen generell grundlegend und wesent­ lich für die Verwirklichung der Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bürger sowie die allgemeinen Lebensverhältnisse im Bundesgebiet sind.16 Diese allgemeinen verfassungsrechtlichen Anforderungen an den Umgang mit Risikotechnologien und -anwendungen sind auch für die regulatorische Ausgestaltung der hoheitlichen Einbindung sachverständiger Stellen in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren von Bedeutung. Der Vorbehalt des Gesetzgebers bei der Regulierung von Risikotechnologien und -anwendungen erstreckt sich lediglich auf die Klärung ihrer „grundsätz­ lichen Zulassungsfähigkeit“.17 Die Prüfung und Feststellung der Zulassungs­ 13  In diesem Sinne auch Sendler, NVwZ 1990, 231 (236): „Erst wo im Einzelfall die Risiken nicht hinreichend beherrschbar sind, darf der Staat eine neue Technik nicht zulassen; sind sie hingegen beherrschbar, darf er die Zulassung nicht verweigern.“ 14  Pünder, ZHR 170 (2006), 567 (595); Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (196). 15  Ähnlich, im Ergebnis aber noch weitergehender Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1252 f.), der etwa die Zulassung konkreter Fracking-Vorhaben stets als wesent­ liche, dem Gesetzgeber vorbehaltene Entscheidungen ansieht. 16  BVerfGE 49, 89 (127) (zum Atomrecht). 17  Nochmal: Die Schutzpflichten des Staates verlangen die Etablierung von Prä­ ventivkontrollverfahren nur dann, wenn sie das einzige in Betracht kommende Mittel



A. Rechtlicher Rahmen351

fähigkeit eines Vorhabens im Einzelfall obliegt jedoch den im Zulassungs­ verfahren zuständigen sachverständigen Stellen (Behörden, entscheidungsbe­ fugte Private), die hierbei die vom Gesetzgeber definierten verfahrensrecht­ lichen und materiell-rechtlichen Voraussetzungen beachten und anwenden müssen.18 Nach herrschender Meinung lässt der Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3  GG Einzelentscheidungen19 des Gesetzgebers über die Zulassung von Anlagen, Produkten und Forschungsvorhaben nicht zu.20 Diese Entscheidungen obliegen vielmehr den insoweit vom Staat eingesetz­ ten Behörden einschließlich der diese verwaltungsseitig unterstützenden bzw. ihre Tätigkeit gegebenenfalls substituierenden externen sachverständigen Stellen. In den vorliegend betrachteten Referenzgebieten sind Gesetz- und Ver­ ordnungsgeber diesen Rahmenvorgaben insbesondere durch die im jewei­ ligen Fachrecht statuierten verfahrensrechtlichen Anforderungen und mate­ riell-rechtlichen Prüfprogramme gerecht geworden. Die für die Zulassung einer Anlage, eines Produkts oder Forschungsvorhabens wesentlichen Ent­ scheidungsparameter sind in den einschlägigen Vorgaben des betreffenden Fachrechts kodifiziert. Auf der Vollzugsebene haben die im einzelfallbezo­ genen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stel­ len (Fachbehörden, Sachverständigengremien, Verwaltungshelfer, Beliehene, Benannte Stellen, Verbände) die abstrakt-rechtlich definierten Anforderungen zu beachten bzw. anzuwenden. Zwar ist insbesondere im Zusammenhang mit der Untersuchung der sachverständigen Stellen im positiven Recht abver­ langten Fachkompetenz die häufig weitgehende Unbestimmtheit der in den Zulassungsverfahren zu absolvierenden materiell-rechtlichen Prüfprogramme aufgezeigt geworden.21 Insoweit hat das Bundesverfassungsgericht jedoch bereits im Kalkar-Beschluss klargestellt, dass eine normative Unbestimmtheit zur Einhegung der Gefahren darstellen. Bei raumbedeutsamen Vorhaben des Fachpla­ nungsrechts wird die „grundsätzliche Zulassungsfähigkeit“ eines Vorhabens im Hin­ blick auf seine Erforderlichkeit bereits auf der dem letztverbindlichen Zulassungsver­ fahren vorgelagerten Ebene der Bedarfsplanung geklärt. Auf die hiermit verbundenen Rechtsfragen kann vorliegend nicht eingegangen werden. 18  Siehe insoweit BVerfGE 53, 30 (59). 19  Dies schließt nach hiesigem Verständnis auch Formen von Typen-, Muster- oder Bauartzulassungen ein. 20  Siehe zur atomrechtlichen Genehmigung i.  S.  d. § 7 AtG BVerfGE 49, 89 (125) („kein Entscheidungsmonopol des Parlaments“); unter Herausarbeitung der Un­ terschiede zur Rechtslage in der Schweiz ferner Waechter, VVDStRL 72 (2013), 499 (526 ff.). 21  Aus dem Spektrum der erörterten Referenzgebiete siehe nur § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG („nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge“); § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG („ob durch die Errichtung der Bauwerke Flugsicherungseinrich­ tungen gestört werden können“).

352

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

des materiellen Rechts in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Sach­ gebieten mit hoher Wissensdynamik erforderlich und geboten sein kann, um dem Grundsatz der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge im Einzelfall genügen zu können.22 Insgesamt hat die Untersuchung der verschiedenen Referenzgebiete bezüg­ lich der Reichweite und Grenzen der sachverständigen Stellen in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand zulässig übertragbaren Prüf- und Entscheidungskom­ petenzen keine Probleme aufgezeigt, ohne dass dieser Aspekt freilich den Schwerpunkt der vorliegenden Betrachtungen gebildet hätte. b) Öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich konzipierte Zulassungsverfahren Keine (exakten) verfassungsrechtlichen Anforderungen lassen sich hin­ sichtlich der weiteren Frage ausmachen, ob naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren für gefährliche Anlagen, Produkte oder For­ schungsvorhaben, in denen sachverständige Stellen hoheitlich eingebunden werden, öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich konzipiert werden müssen bzw. sein dürfen.23 Soweit das Recht die Zulassung einer gefahrgeneigten Betätigung an einen „echten“ Kontrollvorbehalt knüpft,24 stellen öffentlichrechtlich konzipierte Zulassungsverfahren nach wie vor das geläufigste In­ strument der präventiven Eröffnungskontrolle dar.25 Dies gilt insbesondere für das Umweltrecht,26 aber auch für Zulassungsverfahren im Pharma- bzw. Gesundheitsrecht.27 Demgegenüber sehen die unionsrechtlich geprägten Be­ reiche des Produktsicherheitsrechts vornehmlich privatrechtlich ausgestaltete Präventivkontrollverfahren vor, wie im Kontext des vorliegenden Erkenntnis­

22  BVerfGE

49, 89 (134 ff., 139) (zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG). Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (196). 24  Ausgenommen sind insoweit die in zahlreichen naturwissenschaftlich-tech­ nisch geprägten Sachgebieten durchaus vorgesehenen Anzeige- und Anmeldevorbe­ halte. 25  Siehe insoweit zu weiteren, vom vorliegenden Untersuchungsgegenstand grundsätzlich ebenfalls erfassten Referenzgebieten etwa Schröder, Genehmigungsver­ waltungsrecht, S.  93 ff., 158 ff., 254 ff., 268 ff., 312 ff. 26  Kloepfer, Umweltrecht, §  5 Rn. 187. Zu verschiedenen Typen öffentlichrechtlicher Risikosteuerung, die mitunter zivilrechtlich überformt werden, siehe Di Fabio, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privat­ recht als wechselseitige Auffangordnungen, S. 143 (146). 27  Siehe außerhalb der hier angesprochenen Referenzgebiete etwa § 3a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 ESchG; § 16 Abs. 2 GenDG; §§ 19 ff. MPG. 23  Vgl.



A. Rechtlicher Rahmen353

interesses28 am Beispiel der Rolle Benannter Stellen als verwaltungssubsti­ tuierende sachverständige Stellen bei der Marktzugangskontrolle für Hoch­ risiko-Medizinprodukte illustriert wurde.29 Generell betrifft die öffentlich-rechtliche bzw. privatrechtliche Ausgestal­ tung von Eröffnungskontrollen die den vorliegenden Untersuchungsgegen­ stand bei weitem übersteigende Problematik der verfassungsrechtlichen Zu­ lässigkeit von Aufgabenprivatisierungen. Diesbezüglich besteht im Schrift­ tum inzwischen weitgehende Einigkeit, dass das Grundgesetz dem Staat einen breiten Raum für Privatisierungsentscheidungen belässt.30 Abgesehen von einem „privatisierungsfesten Kernbestand“31 werden Umfang und Inhalt staatlicher Aufgaben grundsätzlich nicht durch das Grundgesetz vorgegeben, sondern sind hinsichtlich Gegenstand und Ergebnis weitgehend dem politi­ schen Willensbildungsprozess überantwortet.32 In der jüngeren Gesetzgebung des Bundes lässt sich selbst für Planfeststellungsverfahren, die als „Prototyp“ des Fachplanungsrechts und für die „öffentlich-rechtliche Zulassung komple­ xer Vorhaben“ gelten,33 eine Tendenz zur Verfahrensprivatisierung ausma­ chen.34 Im Detail sind die Übergänge von rein öffentlich-rechtlich bzw. pri­ vatrechtlich konzipierten Zulassungsverfahren fließend. 2. Kohärenz Teile des Schrifttums leiten aus dem Rechtsstaats-, Demokratie- und Bun­ desstaatsprinzip sowie den Grundrechten das Gebot ab, die Tätigkeit der staatlichen Verwaltung und der ihr zuarbeitenden Organisationseinheiten als „kohärente Entscheidungs- und Wirkungseinheit“ auszugestalten.35 Hinter diesem Kohärenzgebot, das vor allem im Unionsrecht normativ verankert ist,36 zunehmend jedoch auch für den innerstaatlichen Bereich diskutiert

28  Hinzuweisen ist insoweit auf die hier nicht zu vertiefende Problematik der Eigenüberwachung. 29  Zum rechtlichen Rahmen siehe insoweit oben § 4 D. I. 30  Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (266); Burgi, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR IV, § 75 Rn. 17; Peine, DÖV 1997, 353 (355). 31  Vgl. Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 (255). 32  Osterloh, VVDStRL 54 (1995), 204 (208). 33  Vgl. Kühling/Herrmann, Fachplanungsrecht, Rn. 477 m. w. N. 34  Dies betrifft die behördliche Einschaltung von privaten Projektmanagern, siehe § 17a AEG, § 17h FStrG, § 29 NABEG, § 14f WaStrG. 35  Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 14 Rn. 54. 36  Vgl. Art. 13 Abs. 1 EUV u. Art. 7 AEUV.

354

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

wird, verbirgt sich im Kern die Forderung, die staatliche Aufgabenordnung rational37 sowie systemgerecht und widerspruchsfrei38 auszugestalten. Die vorliegend lediglich unter dem Gesichtspunkt der hoheitlichen Einbin­ dung sachverständiger Stellen betrachteten Zulassungsverfahren enthalten allesamt detaillierte materiell-rechtliche Prüfprogramme, anhand derer die Zulassungsfähigkeit von Anlagen, Produkten oder Forschungsvorhaben beur­ teilt werden kann. Für die Durchführung der verschiedenen Zulassungsver­ fahren bindet der Staat mit jeweils unterschiedlichen Aufgabenstellungen und unter Implementierung ausdifferenzierter Einbindungsmodi neben Behörden (im organisatorischen Sinne)39 auch Einzelsachverständige,40 Sachverständig enorganisationen,41 (staatseigene) Unternehmen,42 pluralistisch besetzte Sach­ verständigen- bzw. Kollegialgremien43 und altruistisch handelnde Verbände44 ein. Dabei hängt die rechtliche Grundkonzeption der sachbereichsspezi­ fischen Einbindung sachverständiger Stellen im jeweiligen Zulassungs­ver­ fahren ganz wesentlich vom Verfahrensgegenstand (Anlage, Produkt, (For­ schungs-)Vorhaben), dessen Komplexität und Risikopotenzial sowie gegebe­ nenfalls von Anforderungen des Unionsrechts45 ab. Insoweit hat die Unter­ suchung der für die verschiedenen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren geltenden Rechtsrahmen keine systematischen Wider­ sprüche aufgezeigt. In seinen rechtlichen Grundstrukturen erweist sich die regulatorische Aus­ gestaltung der betrachteten naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren im Kontext des Untersuchungsgegenstands somit als kohä­ rent. Inwieweit dieser allgemeine Befund auch hinsichtlich der vorliegend im Detail untersuchten Einbindungsmodi, Regelungen zur Fachkompetenz und Die Ordnung der Aufgaben im Staat, S. 99. im Zusammenhang mit Genehmigungs- bzw. Zulassungsverfahren für die nationale und europäische Ebene Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 475 u. 505. 39  Etwa die Bundesnetzagentur und das BAF. 40  So z. B. den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG. 41  Etwa die TÜV als Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG. 42  Siehe etwa die vom Bund beherrschte DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG sowie die „rein privaten“ Benannten Stellen im Konfor­ mitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte. 43  Vorliegend wurden die ZKBS im Gentechnikrecht und die Ethik-Kommissio­ nen im Arzneimittelrecht betrachtet. 44  Als Beispiel sind die nach Maßgabe von § 3 UmwRG anzuerkennenden Um­ weltverbände zu nennen. 45  So bei den Benannten Stellen, die aufgrund europarechtlicher Vorgaben in verschiedenen Bereichen des Produktsicherheitsrechts anstelle der staatlichen Behör­ den präventive Kontrollaufgaben wahrnehmen. 37  Berger, 38  Siehe



A. Rechtlicher Rahmen355

Unabhängigkeit, Tätigkeiten auf der Verfahrensebene und Grundsätze der gerichtlichen Überprüfung zutrifft, wird im Einzelnen noch zu analysieren sein. 3. Rechtspolitischer Ausblick In rechtspolitischer Hinsicht geben die vorstehenden Ausführungen Anlass, zwei in der Untersuchung bereits angeklungene Diskussionskreise kurz auf­ zugreifen. Zum einen wurde im Zuge der Betrachtung der in die Zulassung arznei­ mittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG einge­ bundenen Ethik-Kommissionen kurz auf den vor allem im Jahr 2015 disku­ tierten Einsatz einer Expertenkommission im wasserrechtlichen Erlaubnis­ verfahren für Fracking-Vorhaben hingewiesen.46 Nach § 13a Abs. 7 Nr. 1 WHG des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23.04.201547 sollte die Erteilung der für Fracking-Vorhaben benötigten wasserrechtlichen Er­ laubnis durch die zuständige Wasserbehörde unter anderem davon abhängen, dass eine zu diesem Zweck eingesetzte, unabhängige Expertenkommission auf der Grundlage eines gemeinsamen Berichtes den beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen im Bericht näher bezeichneten geo­ logischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstuft. Nach im Schrifttum vertretener Auffassung wäre auf Grundlage dieser schlussendlich nicht gesetzgewordenen Bestimmung des § 13a Abs. 7 Nr. 1 WHG des Regierungsentwurfs die zuständige Wasserbehörde an das Votum der Expertenkommission zur geologischen (Un-)Bedenklichkeit des Vorha­ bens gebunden gewesen, wogegen erhebliche verfassungsrechtliche Kritik geäußert wurde.48 Die insoweit geführte Diskussion könnte in Kürze wieder rechtspolitisch Fahrt aufnehmen. Nach § 13a Abs. 7 WHG überprüft der Deutsche Bundestag im Jahr 2021 auf der Grundlage des bis dahin vorlie­ genden Standes von Wissenschaft und Technik die Angemessenheit des in § 13a Abs. 7 S. 1 Nr. 1 WHG statuierten Fracking-Verbots. Dieser Debatte kann und soll hier nicht vorgegriffen werden. Mit Blick auf diese sich ankün­ digende Neuausrichtung des rechtlichen Rahmens für das wasserrechtliche Erlaubnisverfahren muss nach dem oben Gesagten der Gesetzgeber selbst die grundsätzliche Zulassungsfähigkeit der Fracking-Technologie klären und den für den Verwaltungsvollzug zuständigen Behörden bzw. sachverständigen Stellen ein vollzugsfähiges materiell-rechtliches Prüfprogramm an die Hand 46  Dazu

oben § 5 D. IV. 2. 18/4713. 48  Siehe etwa Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1250 ff.); Frenz, NVwZ 2016, 1042 (1046 ff.). 47  BT-Drs.

356

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

geben. Die seinerzeit in § 13a Abs. 7 Nr. 1 WHG des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 23.04.201549 statuierte Zulassungsvoraussetzung, nach der eine Expertenkommission auf der Grundlage eines gemeinsamen Berich­ tes den vom Antragsteller beantragten Einsatz der Fracking-Technologie in der jeweiligen im Bericht näher bezeichneten geologischen Formation mehr­ heitlich als „grundsätzlich unbedenklich“ einstuft, dürfte selbst den – im Kontext der Untersuchung freilich nur skizzierten – großzügigen Bestimmt­ heitsanforderungen an materiell-rechtliche Prüfprogramme aus der Recht­ sprechung des Bundesverfassungsgerichts50 kaum genügen. Zum anderen wurde im Rahmen der Untersuchung der Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinpro­ dukte kurz auf die im Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Arbeit (gesellschafts-)politisch geführte Diskussion51 um die Ersetzung des gegen­ wärtig privatrechtlich ausgestalteten Eröffnungskontrollsystems durch ein staatliches Zulassungssystem hingewiesen.52 Die Kritiker des Konformi­ tätsbewertungsverfahrens halten eine Reform des gegenwärtigen Eröffnungs­ kontrollverfahrens nicht zuletzt aufgrund der als unzureichend empfundenen Unabhängigkeit der Benannten Stellen für geboten.53 Ungeachtet der hier in der Sache nicht zu beurteilenden Kritik kann und muss sich jede rechts­ politische Debatte um die öffentlich-rechtliche bzw. privatrechtliche Ausrich­ tung von Zulassungsverfahren nur innerhalb der durch Unionsrecht und Grundgesetz eröffneten Ausgestaltungsspielräume bewegen. Dies gilt auch für das Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte, welches maßgeblich durch Vorgaben des Unionsrechts determiniert wird und nicht durch eine systematische Vormarktkontrolle durch die Mitgliedstaaten

49  BT-Drs.

18/4713. zum verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen genügenden Prüfungsmaßstab des „Stands von Wissenschaft und Technik“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG ausführlich BVerfGE 49, 89 (134 ff.). 51  Siehe BT-Drs. 19/6511, S.  134 (Schriftliche Antwort der Bundesregierung vom 11.12.2018); Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2018, S. 4. 52  Siehe oben § 4 D. VI. 53  Zugespitzt vor allem Süddeutsche Zeitung vom 26.11.2018, S. 4: „Wenn von vornherein falsch konstruierte künstliche Gelenke, Spiralen, Gefäßstützen oder Schrittmacher auf den Markt kommen, hat die Zulassung versagt. Nicht etwa staat­ liche, sondern private Benannte Stellen konkurrieren darum, dem Murks zuerst ein Siegel zu verpassen. Dafür gibt es EU-weit etwa 50 Prüfstellen, darunter die Dekra, den TÜV und manch schäbige Hinterhofklitsche. Diese Prüfstellen brüsten sich auf Kundenfang schon mal damit, die schnellsten oder billigsten zu sein oder garantiert eine Zertifizierung hinzubekommen. […] Dabei hat sich für Arzneimittel bewährt, die Markteinführung staatlich und nicht privatwirtschaftlich zu regeln und feste Kontrol­ len einzuführen.“ 50  Siehe



B. Einbindungsmodus357

ersetzt werden darf.54 Eine Änderung des für Konformitätsbewertungsverfah­ ren für Hochrisiko-Medizinprodukte geltenden Rechtsrahmens bedürfte also entsprechenden Anpassungen im Unionsrecht, für die sich im Zeitpunkt der Fertigstellung der vorliegenden Untersuchung keine politischen Mehrheiten abzeichneten. Nichtsdestotrotz verdeutlicht die hinsichtlich ihrer Details hier nicht zu vertiefende Diskussion um die öffentlich-rechtliche oder privatrecht­ liche Konzeption des Marktzugangsregimes für Hochrisiko-Medizinprodukte die Notwendigkeit, die hoheitliche Einbindung speziell von verwaltungssub­ stituierenden sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auch aus Sicht der (breiten) Öffentlichkeit vertrauenswürdig und akzeptabel auszugestalten.55

B. Einbindungsmodus Im Anschluss an die rechtlichen Rahmenbedingungen wurde in den be­ trachteten Referenzgebieten jeweils auf den für die sachverständigen Stelle vorgesehenen Einbindungsmodus eingegangen. Im Folgenden wird zunächst ein Überblick über die verschiedenen Einbindungsmodi gewährt, bevor in einem zweiten Schritt der vorhandene Normbestand und die implementierten Regelungsstrukturen näher analysiert werden.

I. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Die Untersuchung hat eine große Bandbreite unterschiedlicher Modi auf­ gezeigt, derer sich der Staat bei der Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren bedient. Im Wesentlichen lassen sich obligatorische und fakultative Einbindungsmodi unterscheiden, anhand derer weitere Binnendifferenzierungen getroffen wer­ den können. In der überwiegenden Anzahl der vorliegend betrachteten Referenzgebiete erfolgt die hoheitlich veranlasste Tätigkeit sachverständiger Stellen auf Grundlage von obligatorischen Einbindungsmodi.56 Insoweit beruhen für die Untersuchungsgruppe der Verwaltungsberatung namentlich die Mitwir­ 54  Dazu

oben § 4 D. IV. 1. eine Aufwertung des Steuerungsziels der Akzeptanz der Öffentlichkeit als in Verwaltungsverfahren zu prüfende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung plädiert Zeccola, DÖV 2019, 100 ff. 56  Dieser Befund lässt für andere, hier nicht explizit betrachtete Zulassungsver­ fahren keine (zwingenden) quantitativen Rückschlüsse bezüglich des Verhältnisses bzw. der Verbreitung von obligatorischen und fakultativen Einbindungsmodi zu. Die getroffene Auswahl der Referenzgebiete erfolgte vorliegend ausschließlich zum 55  Für

358

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

kung der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren57 so­ wie die Tätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben im BImSchG-Ge­ nehmigungsverfahren58 jeweils auf obligatorischen Einbindungsmodi. Dabei gilt für die Beteiligung der pluralistisch mit Sachverständigen und sachkun­ digen Personen besetzten ZKBS (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 GenTG) ein mehrakti­ ger Einbindungsmodus aus abstrakt-gesetzlicher Institutionalisierung und Aufgabenzuweisung,59 Berufung ihrer Mitglieder60 sowie ihre obligatori­ sche61 Einbindung im einzelfallbezogenen Genehmigungsverfahren durch die jeweils zuständigen Behörden.62 Letztere verfügen hinsichtlich der Einbin­ dung der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren über keinerlei Hinzuziehungsermessen und wirken auch nicht am Verfahren zur Berufung der Mitglieder der ZKBS mit. Einen anderen obligatorischen Ein­ bindungsmodus sieht das luftfahrtinterne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG vor, welches im Zusammenhang mit der Zulassung von Windener­ gievorhaben in das außenwirksame BImSchG-Genehmigungsverfahren als Trägerverfahren eingebettet wird. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gibt lediglich die Erstellung und Einholung der gutachtlichen63 Stellungnahme „der“ Flug­ sicherungsorganisation verbindlich vor, ohne letztere jedoch konkret zu be­ nennen.64 Nach dem Verständnis und der Verwaltungspraxis des BAF ist die Abgabe der nach § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG obligatorisch einzuholenden Stellungnahme stets bei der Flugsicherungsorganisation zu erfragen, die Ei­ gentümerin bzw. Betreiberin der durch ein geplantes Bauvorhaben mög­ licherweise gestörten Flugsicherungseinrichtung ist und letztere gegenüber dem BAF gemeldet hat.65 Dies ist, wie bei der Behandlung des Referenzge­ biets dargelegt, regelmäßig66 die DFS.

Zweck der Darlegung von Organisations- und Verfahrensstrukturen, nicht unter reprä­ sentativen Gesichtspunkten. 57  Siehe zum rechtlichen Rahmen der gentechnikrechtlichen Genehmigungsver­ fahren oben § 3 C. I. 58  Zum diesbezüglichen rechtlichen Rahmen der Tätigkeit der DFS siehe oben § 3 D. I. 59  § 4 Abs. 1 S. 1 GenTG i. V. m. § 31 S. 2 GenTG. 60  § 4 Abs. 2 GenTG i. V. m. § 2 Abs. 2 ZKBS-Verordnung. 61  § 10 Abs. 7 S. 1 GenTG u. § 16 Abs. 5 S. 1 GenTG. 62  Zum Einbindungsmodus der ZKBS siehe insgesamt oben § 3 C. II. 63  Amtlicher Gesetzeswortlaut. 64  § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG: „der Flugsicherungsorganisation“. 65  Zum Einbindungsmodus der DFS siehe oben § 3 D. II. 66  Zu den statistischen Angaben der vorliegend durchgeführten Erhebung siehe oben § 3 D. IV. 2. b).



B. Einbindungsmodus359

Auch für die Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen hat die Untersuchung der Referenzgebiete verschiedene obligatorische Ein­ bindungsmodi aufgezeigt. Im „verwaltungsrechtlichen Normalfall“, in wel­ chem Behörden im organisationsrechtlichen Sinne in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren Außenentscheidungskompetenzen eingeräumt sind, erfolgt die Verfahrenseinbindung einer Behörde durch ihre Errichtung bzw. Einrichtung, ihre abstrakt-generelle Aufgabenzuweisung im kodifizierten Fachrecht sowie schließlich im Einzelfall durch die Antragsein­ reichung des Antragstellers des jeweiligen Zulassungsverfahrens (vgl. § 22 S. 2 Nr. 2 VwVfG). Exemplarisch aufgezeigt wurde dieser Einbindungsmo­ dus am Beispiel der Bundesnetzagentur, der im Zuge der ab dem Jahr 2011 politisch vorangetriebenen Energiewende neben ihren eigentlichen Kernauf­ gaben im Regulierungsrecht zusätzliche Aufgaben im Bereich der Fachpla­ nung übertragen wurden.67 Ein gänzlich anderer, auch für andere Bereiche des Produktsicherheitsrechts typischer Einbindungsmodus gilt hingegen für die Tätigkeit der ebenfalls mit Entscheidungskompetenzen ausgestatteten Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Me­ dizinprodukte.68 Zunächst müssen Benannte Stellen auf einer ersten Stufe vom Staat die abstrakt-generelle Befugnis zur Durchführung von Konformi­ tätsprüfungen für Hochrisiko-Medizinprodukte erlangen. Hierzu gibt das Gesetz den Durchlauf des in § 15 Abs. 1 MPG statuierten Benennungsver­ fahrens verbindlich vor, dessen Modalitäten sich im Detail aus dem Unions­ recht ergeben (vgl. § 15 Abs. 1 S. 2 MPG). Nach Abschluss des Benennungs­ verfahrens obliegt es auf der zweiten Stufe des Einbindungsmodus dem Hersteller, aus dem Kreis der staatlich zugelassenen Benannten Stellen eine Stelle auszuwählen und diese mit der Durchführung der Konformitätsprüfung und -bewertung zu beauftragen (§ 37 Abs. 1 MPG i. V. m. § 3 Abs. 2 S. 1 MPV).69 Schließlich wurden auch für die Untersuchungsgruppe der belangwahren­ den sachverständigen Stellen unterschiedliche obligatorische Einbindungs­ modi näher beleuchtet. Als „behördliches“ Referenzgebiet wurde in Anknüp­ fung an die oben erwähnte Tätigkeit der DFS auf die Beteiligung des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren bei der Zulassung von Windenergie­ anlagen an Land eingegangen. Ebenso wie bei den Behörden mit Entschei­ dungskompetenzen im Außenverhältnis bilden auch bei den lediglich verwal­ tungsintern zu beteiligenden Fachbehörden die Errichtung sowie die Aufga­ 67  Siehe

zum Einbindungsmodus der Bundesnetzagentur oben § 4 B. II. sei hier noch einmal betont, dass Hersteller Produkte mit geringem Risikopo­ tenzial ganz überwiegend selbst auf die Einhaltung der definierten Sicherheitsanforde­ rungen prüfen und die Pflicht zur Durchführung eines privaten Fremdkontrollverfah­ rens lediglich für bestimme Produkte mit hohem Gefährdungspotenzial vorgesehen ist. 69  Zum Einbindungsmodus der Benannten Stellen siehe oben § 4 D. II. 68  Es

360

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

benzuweisung im Fachrecht die ersten beiden Stufen des Einbindungsmodus. Auf der hieran anknüpfenden Folgestufe des konkreten Zulassungsverfahrens hängt die Pflicht der federführenden Behörde zur Beteiligung einer Fachbe­ hörde sodann von deren vorhabenbedingter Berührung im jeweils eigenen Aufgabenbereich ab.70 Für die des Weiteren am Beispiel ihrer Rolle im Plan­ feststellungsverfahren für Bundesfernstraßen betrachteten Umweltverbände gilt ein zweiaktiger Einbindungsmodus, der auf der ersten Stufe zur Erlan­ gung von Beteiligungs- und Klagerechten das Erfordernis einer staatlichen Anerkennung statuiert und auf zweiter Stufe die obligatorische Beteiligung der Verbände durch die verfahrensfederführende Behörde vorsieht. Hervorzu­ heben ist insoweit, dass anerkannte Umweltverbände in Zulassungsverfahren, in denen obligatorisch eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchzuführen ist, zwar zur Mitwirkung berechtigt, jedoch nicht verpflichtet sind.71 Als weite­ res Referenzgebiet für die Untersuchungsgruppe der belangwahrenden sach­ verständigen Stellen wurde auf die Mitwirkung der Ethik-Kommissionen bei der Genehmigung von klinischen Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingegangen. Für die Verfahrenseinbindung der Ethik-Kommissionen gilt ebenfalls ein mehraktiger Modus aus gesetzlicher Aufgabenzuweisung im Bundesrecht, Errichtung und Organisation auf Lan­ desebene, Pflicht zur Registrierung auf Bundesebene72 sowie ihrer konkreten Einbindung im einzelfallbezogenen Zulassungsverfahren durch Antrag des Sponsors.73 Anhand von zwei Referenzgebieten wurden in der vorliegenden Unter­ suchung auch fakultative Einbindungsmodi betrachtet, in denen das Gesetz die Entscheidung über das „Ob“ und das „Wen“ der Einbindung einer sach­ verständigen Stelle in das pflichtgemäße Ermessen der im Zulassungsverfah­ ren federführenden, außenwirksam handelnden Behörde stellt.74 70  Zum Einbindungsmodus für die Beteiligung des BAF im BImSchG-Genehmi­ gungsverfahren bei der Zulassung von Windenergievorhaben siehe oben § 5 B. II. 71  Zum Einbindungsmodus anerkannter Umweltverbände im Planfeststellungs­ verfahren für Bundesfernstraßen i. S. d. §§ 17 ff. FStrG siehe oben § 5 C. II. 72  Die in § 41a Abs. 1 AMG implementierte Registrierungspflicht entfaltet ihre volle Relevanz erst dann, sobald die Verordnung (EU) Nr. 536/2014 anzuwenden ist. Dies war im Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Untersuchung noch nicht der Fall, da die Mitteilung der EU-Kommission nach Art. 99 S. 2 i. V. m. Art. 82 Abs. 3 Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ausstand. Da die Registrierungspflicht bereits gegenwärtig formell gültiges Recht darstellt und eine Relevanz für das Erkenntnis­ interesse der vorliegenden Untersuchung aufweist, wurde sie in die vorliegende Be­ trachtung gleichwohl einbezogen. 73  Zum Einbindungsmodus der Ethik-Kommissionen siehe oben § 5 D. II. 74  Es sei nochmals betont, dass die im Vergleich zu obligatorischen Einbin­ dungsmodi geringere Anzahl fakultativer Einbindungsmodi keine repräsentativen Rückschlüsse auf ihr praktisches Vorkommen zulässt.



B. Einbindungsmodus361

Für die Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen bildet im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht grundsätzlich die Vorschrift des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG die Grundnorm für fakul­ tative Einbindungsmodi. Ihrem normativen Regelungsgehalt nach findet sich die Bestimmung des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG mitunter auch im Fachrecht wieder. Ein Beispiel stellt insoweit die vorliegend näher betrach­ tete Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG in das atomrecht­ liche Genehmigungsverfahren dar. Ebenso wie § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG regelt auch § 20 S. 1 AtG nicht ausdrücklich, unter welchen Voraus­ setzungen die zuständige Behörde einen Sachverständigen in das atomrecht­ liche Genehmigungsverfahren im Einzelfall einbinden darf bzw. soll. Viel­ mehr steht die Beauftragung eines Sachverständigen im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wen“ grundsätzlich im Hinzuziehungs- bzw. Auswahlermessen der zuständigen Genehmigungsbehörde.75 Einen mit der Regelungsstruktur des § 20 S. 1 AtG weitgehend vergleich­ baren fakultativen Einbindungsmodus statuiert § 25 Abs. 5 S. 5 AMG für die Hinzuziehung von mit originären Sachentscheidungskompetenzen ausgestat­ teten Gegensachverständigen in das nationale Arzneimittelzulassungsverfah­ ren. Auch nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG steht die Entscheidung über die Ein­ bindung eines Gegensachverständigen und die hiermit einhergehende Ver­ lagerung der Sachentscheidung über den Zulassungsantrag auf eine verwal­ tungsexterne sachverständige Stelle im Ermessen des BfArM,76 ohne dass die Modalitäten des „Ob“ einer Hinzuziehung in verfahrensrechtlicher oder materiell-rechtlicher Hinsicht gesetzlich im Einzelnen geregelt sind. Hin­ sichtlich des „Wen“ statuiert § 25 Abs. 5 S. 5 u. 6 AMG weitgehend unbe­ stimmt lediglich die Vorgabe zur Einbindung solcher Gegensachverständiger, die „unabhängig“ sind und über die „erforderliche Sachkenntnis“77 verfü­ gen.78

75  Zum Einbindungsmodus des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atom­ rechtlichen Genehmigungsverfahren siehe oben § 3 B. II. Als weiteres Beispiel ist etwa die fakultative Einbindung von Sachverständigen in das BImSchG-Genehmi­ gungsverfahren nach § 13 Abs. 1 S. 1 der 9. BImSchV zu nennen. 76  Zu dessen Zuständigkeit siehe § 77 Abs. 1 AMG. 77  Auf die weitere an den Gegensachverständige gestellte Anforderung der „er­ forderlichen Zuverlässigkeit“ (§ 25 Abs. 5 S. 6 AMG) war vorliegend nicht einzuge­ hen. 78  Zum Einbindungsmodus des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. II.

362

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

II. Analyseraster Anhand des aufgezeigten Normbestands und der dargelegten Regelungs­ strukturen sind nunmehr die durch die betrachteten Referenzgebieten abge­ bildeten Einbindungsmodi in rechtlicher Hinsicht und auf ihre Kohärenz zu analysieren. Anschließend soll wiederum ein kurzer rechtspolitischer Aus­ blick genommen werden. 1. Rechtliche Betrachtung In rechtlicher Hinsicht soll ausgehend von den betrachteten Ernennungs­ modi zunächst allgemein geklärt werden, inwieweit die Einbindung sachver­ ständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren verfassungsrechtlich geboten sein kann (dazu a)). Hieran anknüp­ fend ist der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem Rückgriff auf verwal­ tungsinterne und verwaltungsexterne sachverständige Stellen nachzugehen (dazu b)). Im Anschluss hieran soll näher beleuchtet werden, inwieweit die Tätigkeit von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG einer demokratischen Legitimation bedarf. In­ soweit soll auch der jeweilige Legitimationsbeitrag der für die verschiedenen Referenzgebieten betrachteten Einbindungsmodi bewertet werden (siehe hierzu insgesamt c)). Abschließend ist auf die im Zusammenhang mit der staatlichen Inanspruchnahme von verwaltungsexternen Sachverständigen allgemein diskutierte Problematik der Einbindungspublizität einzugehen ­ (dazu d)). a) Einbindung sachverständiger Stellen als Verfassungsgebot Das Grundgesetz gibt weder die Rechtsform (hoheitlich bzw. öffentlichrechtlich, privatrechtlich) noch die weitere Organisation (juristische oder natürliche Person, Gremium) der vom Staat in naturwissenschaftlich-tech­ nisch komplexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stel­ len detailliert vor.79 Im Schrifttum besteht gleichwohl Einigkeit dahinge­ hend, dass die Verfassung gerade für naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexe Zulassungsverfahren eine funktionsgerechte Organisation der Verwal­ tung durch Einbindung von spezialisiertem Sachverstand fordert.80 Das Bestehen eines derartigen Verfassungsgebots wird vor allem im Zusammen­ 79  Allgemein

Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (288). wurde bereits im Rahmen der Einleitung der Untersuchung eingegan­ gen, siehe oben § 1 A. 80  Hierauf



B. Einbindungsmodus363

hang mit dem hoheitlichen Rückgriff auf verwaltungsexterne sachverständige Stellen betont. Insoweit leiten Teile des Schrifttums die staatliche Pflicht zur Einbindung von verwaltungsexternem Sachverstand aus einem im Rechts­ staatsprinzip verankerten Sachgerechtigkeits- und Effektivitätsgebot ab,81 während andere Stimmen die Grundrechte82 als Anknüpfungspunkt für eine diesbezügliche Hinzuziehungspflicht des Staates bemühen.83 Indes sind diese verfassungsrechtlichen Ableitungen nicht auf die Einbindung externer sachverständiger Stellen beschränkt.84 Aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG veran­ kerten Rechtsstaatsprinzip folgt vielmehr das bei der Organisation der staat­ lichen Verwaltung zu beachtende Gebot, die Anwendung und Durchsetzung des Rechts sowohl institutionell als auch personell zu ermöglichen.85 Auf­ grund dieser Vorgabe muss der Staat die von ihm eingesetzten Behörden personell und sachlich adäquat ausstatten, um eine ordnungsgemäße Auf­ gabenerfüllung zu gewährleisten. Als konkretes Anwendungsbeispiel für die Umsetzung dieses Gebots ist im Kontext der Untersuchung die Bundesnetz­ agentur zu nennen, für die aufgrund der ihr im Jahr 201186 bzw. 201387 81  Siehe vor allem Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210  ff.); zustimmend Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht und Risikodogmatik, S. 224; wohl auch Reiling, Der Hybride, S. 46; vgl. ferner Hegele, Die Bedeutung von Sachverständigengutachten für die richterliche Rechtskonkretisierung im Umweltschutz, S. 105, die mit etwas unkla­ rer Anknüpfung an das Rechtsstaatsprinzip (siehe dort S. 104) „[a]us der verfassungs­ rechtlich begründeten Schutzpflicht“ eine Verpflichtung des Richters annimmt, „im Zusammenwirken mit Sachverständigen Methoden zur umfassende[n] Abschätzung aller Folgen zu entwickeln, mit deren Hilfe die technische Entwicklung so begrenzt werden kann, da[ss] sie in gemeinverträglichen Bahnen verläuft.“ 82  Zu diesem Ansatz Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (288 ff.); ebenso Jaeckel, Gefahrenabwehrrecht und Risikodogmatik, S. 224. 83  Generell kritisch gegenüber einer aus dem Grundgesetz abgeleiteten Pflicht zur Einbindung spezifischen Sachverstands in staatliche Entscheidungsverfahren Je­staedt, Demokratieprinzip und Kondominialverwaltung, S. 590 ff. Auf die von Jestaedt ange­ sprochenen Kritikpunkte braucht hier nicht im Einzelnen eingegangen werden, siehe dazu sogleich unten. 84  Dies ebenfalls betonend Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (210) („organi­ satorische Pflicht zum Einsatz adäquater unabhängiger Fachkompetenz – wobei es sich um internen oder externen Sachverstand handeln kann“). 85  Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 15 Rn. 55. 86  Durch die Verabschiedung des „Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertra­ gungsnetz“ (NABEG) als Art. 1 des „Gesetzes über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze“ vom 28.07.2011 (BGBl. I 2011, S. 1690), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.05.2019 (BGBl. I 2019, S. 706). 87  Durch die „Verordnung über die Zuweisung der Planfeststellung für länder­ übergreifende und grenzüberschreitende Höchstspannungsleitungen auf die Bundes­ netzagentur (Planfeststellungszuweisungverordnung – PlfZV)“ vom 23.07.2013 (BGBl. I 2013, S. 2582), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13.05.2019 (BGBl. I 2019, S. 706).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

im Bereich des Stromnetzausbaus neu übertragenen Aufgabe der Anhörungsund Entscheidungsbehörde im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG eine neue Fachabteilung aufzubauen und zusätzliches Personal ein­ zustellen war.88 Freilich ist die aus dem Grundgesetz abgeleitete Pflicht des Staates, in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren überhaupt verwaltungsinterne bzw. verwaltungsexterne sachverständige Stellen einzu­ binden, als verfassungsrechtliche Kategorie als solche weitgehend konturen­ los und infolgedessen kaum sanktionsbewehrt. Letzteres zeigt sich beispiels­ weise in verschiedenen Bereichen des Umweltrechts, in denen mitunter festzustellende Vollzugsdefizite auf eine personell und finanziell nur unzurei­ chend ausgestattete Verwaltung zurückgeführt werden,89 ohne dass mit ei­ ner solchen Behördenausstattung zwingend das Verdikt der Verfassungswid­ rigkeit verbunden sein muss.90 Welche konkreten Ableitungen aus dem Gebot des Rückgriffs auf internen bzw. externen Sachverstand in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren folgen bzw. folgen können, ist nachfolgend näher zu untersuchen. b) Primat des Rückgriffs auf verwaltungsinterne sachverständige Stellen Obschon die hoheitliche Einbindung gerade auch von verwaltungsexternen sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren verfassungsrechtlich geboten sein kann, gilt nach verbrei­ teter Auffassung für die staatliche Entscheidungsfindung ein allgemeines Primat des Rückgriffs auf verwaltungsinternen Sachverstand bzw. spiegel­ bildlich hierzu die grundsätzliche Subsidiarität der staatlichen Unterstützung durch verwaltungsexterne sachverständige Stellen. Danach stehe die Einbe­ ziehung privater sachverständiger Stellen unter dem Vorbehalt, dass die Ver­ waltungsbehörden selbst nicht über den zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Sachverstand verfügen.91 Diese Forderung wird zum einen mit der unmit­ 88  Dazu unter dem Gesichtspunkt der Fachkompetenz der Bundesnetzagentur oben § 4 B. III. 1. 89  Eine personelle und sachliche Aufstockung der Umweltverwaltung fordert etwa Hahn, Umwelt- und zukunftsverträgliche Entscheidungsfindung des Staates, S.  124 f. 90  Die hiermit einhergehenden Fragen der allgemeinen Staats- und Verwaltungs­ organisation sind vorliegend nicht näher zu behandeln. 91  So insbesondere Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 67; ebenso Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (369); im Zusammenhang mit der Vor­ bereitung von Gesetzesentwürfen durch Rechtsanwaltskanzleien ferner Meßerschmidt, Der Staat 51 (2012), 387 (407).



B. Einbindungsmodus365

telbaren Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und ihrer größeren Neutralität und Unabhängigkeit gegenüber sachwidrigen und irrationalen (Dritt-)Einflüssen begründet.92 Zum anderen wird die Sub­ sidiarität der Einbindung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen aus den Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der Haushaltsfüh­ rung abgeleitet.93 Diesem Primat des Rückgriffs auf verwaltungsinternen Sachverstand trägt der Gesetzgeber namentlich bei den betrachteten Anlagen- bzw. Vorhaben­ zulassungsverfahren sowie den Risikoverfahren grundsätzlich Rechnung. In Anlehnung an die allgemeine Bestimmung des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG ist etwa die Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren rechtlich subsidiär und steht unter der Prämisse, dass die zuständige Genehmigungsbehörde im Einzelfall den für ihre Entscheidung erforderlichen Sachverstand nicht behördenintern abrufen kann.94 Auch die Einbindung der ZKBS und der DFS erfolgt ledig­ lich im Rahmen von bloßen Verwaltungsberatungsverhältnissen, in denen die formelle (Außen-)Entscheidungskompetenz bei den staatlichen Verwaltungs­ behörden verbleibt.95 Die Beauftragung von Gegensachverständigen nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, durch die das BfArM die im nationalen Arzneimittel­ zulassungsverfahren zu treffende Zulassungsentscheidung in der Sache auf eine externe sachverständige Stelle verlagert, ist im systematischen Zusam­ menhang mit den Bestimmungen aus § 25 Abs. 5 S. 1–4 AMG letztlich nur eines von mehreren Beweismitteln, die dem BfArM im Zulassungsverfahren zur Verfügung stehen.96 Auch die Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte anerkannter Umweltverbände sowie die originären Entscheidungskompeten­ zen von Ethik-Kommissionen bei der Zulassung arzneimittelrechtlicher For­ schungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG wahren das Subsidiaritäts­ gebot. Denn beide Typen sachverständiger Stellen nehmen jeweils spezifische Allgemeinwohlbelange wahr, ohne dass ihre Tätigkeit den Einsatz von Be­ hörden im organisationsrechtlichen Sinne insgesamt ersetzt. Letzteres gilt es 92  In

diese Richtung etwa Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (369). abstellend Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 67; vgl. auch Meßerschmidt, Der Staat 51 (2012), 387 (407). 94  Dazu oben § 3 B. II; zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe auch OVG Schleswig, Urteil vom 03.08.1992 – 4 K 3/91, S. 22 a. U. (unveröffentlicht); Büdenbender/Heintschel von Heinegg/Rosin, Energierecht I, Rn. 846. 95  Siehe für ZKBS oben § 3 C. II. u. C. IV. 2. a). Für die DFS siehe oben § 3 D. II. u. D. IV. 2. a). Über das Vorliegen einer Störung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG entscheidet bei der Zulassung von Windenergievorhaben verwaltungsintern das BAF letztverantwortlich. Im Außenverhältnis zum Antragsteller handelt hingegen die nach Landesrecht zuständige BImSchG-Genehmigungsbehörde. 96  Vgl. dazu auch oben § 4 C. IV. 1. 93  Hierauf

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

insbesondere mit Blick auf die Ethik-Kommissionen zu betonen, deren Be­ wertungen sich lediglich auf einen Teilaspekt des für die Zulassung des Forschungsvorhabens insgesamt zu absolvierenden Prüfprogramms beziehen, wenngleich sie für den von ihnen zu prüfenden Belang der Patientensicher­ heit eine grundsätzlich abschließende Entscheidung treffen.97 Freilich zeigt bereits diese Bindungswirkung der Voten der im Arznei­ mittelrecht tätigen Ethik-Kommissionen, dass das Subsidiaritätsgebot keine umfassende Geltung beanspruchen kann. Hierauf wird auf der Verfahren­ sebene unter dem Gesichtspunkt der Letztverantwortung noch zurückzukom­ men sein.98 Im Übrigen kann das Primat des Rückgriffs auf verwaltungs­ internen Sachverstand nur dann gelten, wenn und soweit insbesondere das Unionsrecht keine vorrangigen Anforderungen statuiert. Angesprochen sind damit die maßgeblich durch Vorgaben des Unionsrechts überformten Konfor­ mitätsbewertungsverfahren des Produktsicherheitsrechts (z. B. im Medizin­ produktebereich), in denen privatrechtlich organisierte Benannte Stellen mit der im Kern zivilrechtlich ausgestalteten Aufgabe der präventiven Marktzu­ gangskontrolle betraut sind. Wie mehrfach betont, dürfen die staatlichen Verwaltungsbehörden die ordnungsgemäße Ausübung dieser privaten Präven­ tivkontrollaufgabe lediglich stichprobenartig überwachen, nicht jedoch recht­ lich oder faktisch durch eine staatliche Vormarktkontrolle ersetzen. Generell soll die Subsidiarität des staatlichen Rückgriffs auf die Unterstüt­ zung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen durch eine Pflicht der Verwaltung, die Einbindung eines Privaten näher zu begründen, abgesichert werden.99 Daneben wird für auf Dauer angelegte Beratungsverhältnisse zwischen dem Staat und privaten sachverständigen Stellen eine regelmäßige Evaluation gefordert, um dem Grundsatz des wirtschaftlichen und sparsamen Einsatzes öffentlicher Haushaltsmittel zu genügen.100 Ob diese Vorgaben im Kontext von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren tatsächlich das Primat des verwaltungsinternen Sachverstands gewähr­ leisten, darf vor dem Hintergrund des oben erwähnten Personalabbaus in der Umweltverwaltung durchaus bezweifelt werden.101 Einer näheren Betrach­ tung bedarf dieser Aspekt mangels eines Erkenntnisinteresses für die Unter­ suchung vorliegend jedoch nicht.

97  Siehe

oben § 5 D. II. u. D. IV. 2. dazu insgesamt unten D. II. 2. a) aa). 99  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 67. 100  Ebda. 101  Siehe B. II. 1. a). 98  Siehe



B. Einbindungsmodus367

c) Demokratische Legitimation Im Folgenden ist der Frage nachzugehen, ob und inwieweit sachverstän­ dige Stellen, die hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zu­ lassungsverfahren eingebunden werden, nach Maßgabe von Art. 20 Abs. 2 GG einer demokratischen Legitimation bedürfen. Dahinter verbirgt sich die allgemeine, den Kontext des hiesigen Untersuchungsgegenstands bei weitem übersteigende Problematik, ob und welche exakten Tätigkeiten in Koopera­ tionsverhältnissen zwischen staatlichen Stellen und Privaten einer demokrati­ schen Legitimation bedürfen und durch welche Modi letztere hergestellt werden kann. Der Umfang der diesbezüglich ergangenen Diskussionsbeiträge und in der Literatur vertretenen Auffassungen sind kaum mehr zu überbli­ cken und können vorliegend nicht erschöpfend betrachtet werden. Indes wurde zu Beginn der Untersuchung die leitende Arbeitsthese aufgestellt, dass die Einbindung sowohl von hoheitlich bzw. öffentlich-rechtlich als auch ­privatrechtlich organisierten sachverständigen Stellen in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren grundsätzlich vergleichbare Frage- und Problemstellungen aufwirft, die nicht immer konsistent beantwor­ tet bzw. gelöst werden.102 Anknüpfend an diese These soll im Folgenden anhand der Bestandsaufnahme zu den betrachteten Referenzgebieten näher beleuchtet werden, welchen Beitrag die aufgezeigten Einbindungsmodi für eine demokratischen Legitimation der Tätigkeit unterschiedlicher sachver­ ständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren leisten können. Insoweit ist einem ersten Schritt kurz darzulegen, was herkömmlich unter dem Begriff der legitimationsbedürftigen Staatsge­ walt i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG zu verstehen ist und welche Art von de­ mokratischer Legitimation das Grundgesetz fordert (dazu aa)). Sodann ist auf die im Grundsatz zunehmend bejahte, dogmatisch jedoch unterschiedlich verortete und begründete Legitimationsbedürftigkeit von privaten Entschei­ dungsbeiträgen einzugehen, die in staatlich veranlassten Verfahren erbracht werden (dazu bb)). Im Anschluss hieran ist zu fragen, welchen konkreten Legitimationsbeitrag (zur Entwicklung dieses Ansatzes siehe cc)) die Einbin­ dungsmodi aus den vorliegend betrachteten Referenzgebieten leisten können (dazu dd)). aa) Herkömmliches Legitimationsverständnis Nach Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG geht alle Staatsgewalt vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausge­ 102  Siehe

oben § 1 A. (dort vor I.).

368

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

übt (Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG). Aus dem weiten Spektrum der durch diesen knappen Normtext aufgeworfenen Fragestellungen ist auf den Begriff der „Staatsgewalt“ als Objekt des Erfordernisses demokratischer Legitimation sowie auf die verschiedenen Modi zur Herstellung demokratischer Legitima­ tion einzugehen. (1) Ausübung von Staatsgewalt als Legitimationsobjekt Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist als legi­ timationsbedürftige Ausübung von Staatsgewalt i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG „jedes amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“ anzusehen.103 Dabei hat das Gericht die begrifflichen und inhaltlichen Konturen des „amt­ lichen Handelns mit Entscheidungscharakter“ nicht immer konsequent ange­ wendet bzw. fortentwickelt, was sich insbesondere im Hinblick auf die in manchen Judikaten104 angeklungene Beschränkung des Gebots demokrati­ scher Legitimation auf außenwirksame Behördenentscheidungen zeigt.105 Inzwischen gilt jedoch als gesichert, dass sowohl Entscheidungen, die unmit­ telbar nach außen wirken, als auch solche, die lediglich behördenintern die Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben schaffen, ebenso wie die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen einschließlich der Ausübung von Vorschlagsrechten zur legitimationsbedürftigen Staatsgewalt i. S. d. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG gehören.106 (2) Legitimationsmodi und Legitimationsniveau Als klassische Legitimationsmodi sind die funktionelle und institutionelle, organisatorisch-personelle sowie die sachlich-inhaltliche Legitimation zu nennen. Vornehmlich in Entscheidungen älteren Datums hat das Bundesverfas­ sungsgericht den Organen der gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollzie­ henden Gewalt unmittelbar aus Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG eine auf den Verfas­ sungsgeber zurückgehende funktionelle und institutionelle demokratische 103  BVerfGE 83, 60 (73); 93, 37 (68); 107, 59 (87); zuvor vgl. bereits BVerfGE 47, 253 (272 f.); 77, 1 (40). 104  Etwa BVerfGE 83, 60 (74): „Aus dem Bereich des demokratisch zu legitimie­ renden Handelns scheiden bloß vorbereitende und rein konsultative Tätigkeiten grundsätzlich aus.“ In diese Richtung auch BVerfGE 47, 253 (273). 105  Siehe auch den Befund bei Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokra­ tieprinzip, S.  173 f. 106  BVerfGE 107, 59 (87) m. w. N.



B. Einbindungsmodus369

Legitimation zuerkannt.107 Als eine konkrete Ableitung schließt es dieser Legitimationsmodus etwa aus, das Handeln der originär demokratisch legiti­ mierten Exekutive einem umfassenden Parlaments- oder Gesetzesvorbehalt zu unterwerfen.108 Vielmehr ist ein solches Entscheidungsmonopol des Par­ laments dem grundgesetzlichen Demokratieprinzip fremd.109 Ungeachtet der Anerkennung und Wirkungskraft des Modus der funktionellen und institutio­ nellen Legitimation steht außer Zweifel, dass jedenfalls die Tätigkeit des in­ dividuellen Amtswalters nur unter Rückgriff auf weitere Legitimationsmodi begründet werden kann.110 Damit ist zunächst der organisatorisch-personelle Legitimationsmodus an­ gesprochen. Nach dem in Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG verankerten und durch Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ausgestalteten Grundsatz der Volkssouveränität übt das Volk als Träger der Staatsgewalt letztere in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung aus. Aufgrund der durch Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG ausdrücklich für mit dem Grundsatz der Volkssouveränität vereinbar erklär­ ten Formen der mittelbaren und repräsentativen Demokratie111 bedürfen die von der Exekutive eingesetzten Amtswalter und Organe keiner unmittelbar durch Volkswahl begründeten demokratischen Legitimation. Das Bundesver­ fassungsgericht lässt vielmehr einen mittelbaren Legitimationszusammen­ hang genügen und erachtet hoheitliche Entscheidungen in organisatorischpersoneller Hinsicht für demokratisch legitimiert, wenn sich die Bestellung des jeweils handelnden Amtswalters bzw. Organs im Wege einer ununter­ brochenen Legitimationskette auf das Staatsvolk als das durch Art. 20 Abs. 2 GG in Bezug genommene Legitimationssubjekt zurückführen lässt.112 Hierzu bedarf es einer individuellen Bestellung des jeweiligen Amtswalters für ein konkretes Amt, die sowohl durch Wahl als auch durch Ernennung erfolgen kann.113 Des Weiteren stellt die sachlich-inhaltliche Legitimation einen vom Bun­ desverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung anerkannten Legitima­ tionsmodus dar, über den der nach Art. 20 Abs. 2 GG geforderte Zurech­ 107  BVerfGE

49, 89 (125); 68, 1 (88 f.). in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, § 24 Rn. 15. 109  BVerfGE 49, 89 (125). 110  Böckenförde, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, §  24 Rn. 15; Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 180. 111  Dazu statt aller Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Art. 20 II. Rn.  63 ff. 112  Ständige Rechtsprechung, siehe etwa BVerfGE 83, 60 (72 f.); 93, 37 (67 f.); 107, 59 (87 f.); 130, 76 (124); 137, 185 (232); 139, 194 (225); 146, 1 (40), 147, 50 (128). 113  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Art. 20 II. Rn. 121. 108  Böckenförde,

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

nungszusammenhang zwischen dem Willen des Volkes und der organschaft­ lichen Ausübung von Staatsgewalt hergestellt werden kann. Die sachlich-­ inhaltliche Legitimation erfolgt über die Bindung der jeweiligen Amtsträger und Organe an Recht und Gesetz sowie deren Handlung im Auftrag und nach Weisung der Regierung, die ihrerseits gegenüber dem vom Volk unmittelbar gewählten Parlament verantwortlich ist.114 Im Schrifttum wird seit längerem die Ergänzung des herkömmlichen Legi­ timationskanons um weitere Modi diskutiert. Diese Debatte bedarf an dieser Stelle keiner näheren Betrachtung.115 Für die Zwecke der vorliegenden Un­ tersuchung soll insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit verwaltungsinter­ ner sachverständiger Stellen allein auf die vom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung herangezogen Legitimationsmodi abgestellt wer­ den. Zur demokratischen Legitimierung von staatlicher Herrschaft kommt den genannten Modi nicht jeweils für sich, sondern in ihrem effektiven Zusam­ menwirken Bedeutung zu. Der in Art. 20 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich statuierte Grundsatz der Volkssouveränität verlangt keine bestimmte Form demokratischer Legitimation, sondern vielmehr ein „bestimmtes Legitima­ tionsniveau“, zu dessen Erreichung die verschiedenen Modi einen unter­ schiedlichen Beitrag leisten können.116 bb) Übertragbarkeit auf Private Nach wie vor nicht im Detail geklärt, aber nicht mehr per se fraglich ist, dass für das Handeln Privater nach Maßgabe des grundgesetzlichen Demo­ kratieprinzips ein grundsätzliches Bedürfnis nach demokratischer Legitima­ tion bestehen kann. (1) Legitimationsbedürftigkeit privater Entscheidungsbeiträge Nach tradierter Auffassung bedürfen lediglich eigene bzw. ihm als solche zurechenbare Entscheidungen des Staates einer demokratischen Legitimation, während staatlich-private Kooperationsbereiche bzw. Entscheidungsbeiträge 114  BVerfGE 93, 37 (67); 107, 59 (87 f.); 130, 76 (124); 137, 185 (232 f.); 139, 194 (225); 146, 1 (40), 147, 50 (128). 115  Zur an dieser Stelle nicht im Einzelnen nachzuzeichnenden Diskussion um die Wirkungskraft anderer Legitimationsmodi siehe etwa Kirste, VVDStRL 77 (2018), 161 (197 f.) m. w. N. 116  BVerfGE 83, 60 (73); 93, 37 (67); 119, 331 (366); 130, 76 (124); 147, 50 (127 f.).



B. Einbindungsmodus371

Privater für sich genommen nicht legitimationsbedürftig sein sollen.117 In­ des hat das Bundesverfassungsgericht in jüngeren Entscheidungen jedenfalls die Übertragung staatlicher Aufgaben auf Private im Wege der Beleihung am Erfordernis des „bestimmten“ Legitimationsniveaus unter Rückgriff der zu seiner Erreichung anerkannten Legitimationsmodi gemessen.118 Darüber hi­ naus wird im jüngeren Schrifttum auch für den staatlichen Rückgriff auf die vorbereitende Unterstützungstätigkeit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen zunehmend angenommen, dass auch rechtlich unverbindliche Ent­ scheidungsbeiträge Privater über eine „Legitimationsrelevanz“ verfügen,119 wenngleich hinsichtlich der Anknüpfung des Legitimationserfordernisses so­ wie bezüglich der Modi zur Herstellung bzw. Beurteilung der demokratischen Legitimation der Entscheidungen bzw. Entscheidungsbeiträge Privater unter­ schiedliche Ansätze vertreten werden.120 Wie die vorliegende Untersuchung verschiedener Referenzgebiete gezeigt hat, kommt auch der formal lediglich entscheidungsvorbereitenden Tätigkeit verwaltungsseitig agierender sachverständiger Stellen, die privatrechtlich or­ ganisiert sind, in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren eine hohe praktische Bedeutung zu und kann mittelbar mit hoher In­ tensität auf die Grundrechte von Antragstellern und drittbetroffenen Bürgern einwirken. Anschauliche Beispiele hat die Untersuchung insbesondere für die Gruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen geliefert. Den rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen des Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG, der ZKBS sowie der DFS im luftfahrtinternen Prüfver­ fahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Zusammenhang mit der Zulassung von Windenergievorhaben kommt – statistisch mitunter belegbar – eine prak­ tische bzw. faktische Bindungswirkung für die Entscheidungen der jeweils nach außen handelnden Behörden zu.121 Auch den Stellungnahmen und Ein­ 117  Aus

dem Schrifttum etwa Schmidt-Aßmann, AöR 116 (1991), 329 (342). 130, 76 (123 ff.); BVerfG, NVwZ 2016, 1313 (1316). 119  Mit ausführlicher Herleitung siehe für den Verwaltungshelfer insbesondere von Münch, Das Spannungsverhältnis zwischen funktionaler Privatisierung und de­ mokratischer Legitimation, S. 119 ff., 123 ff.; vgl. auch Ackermann, Verwaltungshilfe zwischen Werkzeugtheorie und funktionaler Privatisierung, S. 186 ff. Im Kontext der Einbindung externer sachverständiger Stellen i. S. d. vorliegenden Untersuchung siehe ferner Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (387 f.); Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (303); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61. Zurückhal­ tend bis ablehnend hingegen Augsberg, Die Verwaltung 51 (2018), 351 (357): „Ande­ rerseits dürfen sie [Anm. d. Verf.: gemeint sind private Sachverständige] dabei nicht selbst – da ihnen die hierfür erforderliche Legitimation fehlt – die Entscheidung als solche treffen oder in einer entscheidenden Hinsicht inhaltlich gezielt beeinflussen.“ 120  Dazu noch näher unten B. II. 1. c) bb) (2). 121  Siehe für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. IV. 2. b). Für die ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 2. b). Für die DFS siehe „luftfahrtintern“ im Verhält­ 118  BVerfGE

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

wendungen von Umweltverbänden, die zum Zwecke der Wahrung der Be­ lange von Umwelt und Natur mit Beteiligungs- und Äußerungsrechten aus­ gestattet sind, wird eine „disziplinierende Vorwirkung“ beigemessen.122 Alle genannten sachverständigen Stellen nehmen durch ihre Tätigkeit im jeweili­ gen Zulassungsverfahren einen erheblichen, in seiner gesamten Bandbreite hier nur angedeuteten Einfluss auf die Zulassung von Risikotechnologien (Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG, ZKBS), den Zubau von Windenergie­ anlagen als wichtigen Bestandteil der Energiewende (DFS) bzw. den Ausbau der nationalen Verkehrsinfrastruktur (Umweltverbände im Planfeststellungs­ verfahren für Bundesfernstraßen). Schon unter diesen Gesichtspunkten lässt sich eine „demokratische Legitimationsrelevanz“ der genannten sachverstän­ digen Stellen kaum verneinen. Für andere, vorliegend nicht explizit betrach­ tete Konstellationen der hoheitlichen Einbindung externer sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren kann nichts anderes gelten. (2) D  ogmatischer Anknüpfungspunkt und Umsetzung des Legitimationserfordernisses Hält man nachgerade die Tätigkeit privater sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nach Maß­ gabe des Demokratieprinzips für grundsätzlich legitimationsbedürftig, klärt dies noch nicht, ob und inwieweit das herkömmliche, für amtliches Handeln mit Entscheidungscharakter entwickelte Legitimationsverständnis auf Ent­ scheidungen bzw. Entscheidungsbeiträge Privater übertragen werden kann. Einigkeit herrscht wohl dahingehend, dass das tradierte Legitimationskonzept auf das Handeln von in die staatliche Aufgabenerfüllung eingebundenen Pri­ vaten nicht unmittelbar übertragen werden kann. In organisatorisch-personel­ ler Hinsicht werden entscheidungsvorbereitend tätige Private typischerweise weder gewählt noch im beamtenrechtlichen Sinne123 ernannt.124 Auch der sachlich-inhaltliche Legitimationsmodus kann bei (formell)125 weisungsfreien

nis zum BAF oben § 3 D. IV. 2. b) sowie im Außenverhältnis für die BImSchG-Ge­ nehmigungsbehörde oben § 5 B. IV. 2. b). 122  Siehe hierzu oben § 5 C. IV. 2. b). 123  Vgl. insoweit § 10 BBG bzw. § 8 BeamtStG. 124  Für den Verwaltungshelfer siehe von Münch, Das Spannungsverhältnis zwi­ schen funktionaler Privatisierung und demokratischer Legitimation, S. 150. 125  Dass rechtlich weisungsfreie sachverständige Stellen ihre Tätigkeit realisti­ scherweise wohl eher im Sinne eines „vorauseilenden Gehorsams“ im Sinne der Er­ wartungen und Wünsche ihres Auftraggebers erbringen, wurde anhand verschiedener Referenzgebiete dargelegt.



B. Einbindungsmodus373

sachverständigen Stellen wie etwa dem Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG126 oder der ZKBS127 nicht unmittelbar herangezogen werden. Vor diesem Hintergrund wird insbesondere für entscheidungsvorbereitend tätige Private generell diskutiert, ob deren Handlungen für sich genommen an den Legitimationsmaßstäben zu messen sind, die die Rechtsprechung ge­ meinhin für die Beurteilung von amtlichem Handeln mit Entscheidungs­ charakter anlegt.128 Teile der Literatur halten eine solche Übertragung des „klassischen Legitimationsmodells“ auf entscheidungsvorbereitende Tätig­ keiten Privater unter Modifikationen für grundsätzlich möglich und prüfen die Beiträge letzterer auf ihre organisatorisch-personelle bzw. sachlich-inhalt­ liche Legitimation.129 Andere Stimmen befürworten hingegen das Modell einer „staatlichen Strukturschaffungspflicht“. Nach diesem Ansatz bildet formal zwar allein das staatliche Handeln den Anknüpfungspunkt demokrati­ scher Legitimation. Jedoch soll sich die Erreichung des durch Art. 20 Abs. 2 GG geforderten Legitimationsniveaus des Verwaltungshandelns auch im Hinblick darauf bestimmen, ob und welche besonderen Anforderungen an die Person, die Tätigkeit und die Kontrolle des entscheidungsvorbereitend tätig werdenden Privaten gestellt werden.130 Vorliegend bedarf diese Diskussion keine weitere Vertiefung. Ungeachtet ihrer unterschiedlichen rechtsdogmatischen Verortung des Legitimationser­ fordernisses erfordern nämlich beide Ansätze jenseits der abstrakt-konzeptio­ nellen Modellbildung eine nähere Befassung mit der jeweiligen organisa­ tions- und verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Tätigkeit des Privaten im betreffenden Sachgebiet. Allein anhand des einschlägigen Normbestands bzw. der im Fachrecht implementierten Regelungsstrukturen kann nämlich beurteilt werden, ob Entscheidungsbeiträge Privater als solche bzw. die von ihnen geprägten Verwaltungsentscheidungen hinreichend demokratisch legiti­ 126  Siehe

dazu oben § 3 B. III. 2. oben § 3 C. III. 2. Im kodifizierten Recht siehe § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG. 128  Einen Überblick über die den vorliegenden Untersuchungsgegenstand bei wei­ tem übersteigende Diskussion gibt Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61. 129  Dazu anhand des Verwaltungshelfers ausführlich von Münch, Das Spannungs­ verhältnis zwischen funktionaler Privatisierung und demokratischer Legitimation, S. 149 ff., 177 ff., 226 ff.; siehe auch Brohm, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, § 36 Rn. 38 (Anm. d. Verf.: Der Beitrag wird hier nach der 2. Auflage des von Isensee und Kirchhof herausgegebenen Handbuchs zitiert. In der aktuellen Bearbeitung des Kapitels der „Sachverständigen Beratung des Staates“ vertritt Voßkuhle (s. u.) eine andere Auffassung); Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (302 ff.). 130  Grundlegend Burgi, Funktionale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff.; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 (200 ff.); zustimmend Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (369); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61. 127  Siehe

374

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

miert sind oder nicht. Insofern braucht der „richtige“ Anknüpfungspunkt des Gebots demokratischer Legitimation im Hinblick auf das vorliegend verfolgte Erkenntnisinteresse nicht abschließend geklärt werden. cc) Legitimation sachverständiger Stellen – Ansatz des „Legitimationsbeitrags“ Um trotz der vorstehend dargelegten Unterschiede der für staatliches und privates Handeln vertretenen Legitimationskonzepte die Einbindung verwal­ tungsinterner und verwaltungsexterner sachverständiger Stellen in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren im Hinblick auf das Postulat demokratischer Legitimation in einem Gesamtkontext betrachten und analysieren zu können, bedarf es für beide „Typen“ sachverständiger Stellen sowohl in terminologischer als auch in inhaltlicher Hinsicht eines gemeinsamen Grundgerüsts. Als Anknüpfungspunkt kann insoweit die stän­ dige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dienen, nach der der durch das grundgesetzliche Demokratieprinzip geforderte Zurechnungszu­ sammenhang zwischen Volk und staatlicher Herrschaft unter anderem durch die von der Legislative beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt hergestellt werden kann.131 Eine hiernach bestehende Rückbindung exekutiven Handelns an die vom Parlament verabschiedeten Gesetze kann neben weiteren132 Möglichkeiten der Herstellung des erforderlichen Zurech­ nungszusammenhangs zur Erreichung des verfassungsrechtlich gebotenen Legitimationsniveaus beitragen.133 Dieser Ansatz der „Legitimation durch Rückbindung an das Gesetz“ kann für die Zwecke der vorliegenden Unter­ suchung verallgemeinert und neben den von ihm ohnehin134 erfassten ver­ waltungsinternen sachverständigen Stellen speziell auf die Tätigkeit externer sachverständiger Stellen übertragen werden. Gibt danach der Gesetzgeber selbst die Modalitäten des Einbindungsmodus, die Inhalte der abstrakt-orga­ nisatorischen Tätigkeitsanforderungen oder die Einzelheiten der Verfahren­ stätigkeit privater sachverständiger Stellen durch Vorgaben im kodifizierten Recht im Einzelnen vor, können nach dem gerade Gesagten die entsprechen­ den Normen und Regelungsstrukturen des Fachrechts losgelöst von der rechtsdogmatischen Verortung135 einen „Legitimationsbeitrag“ für die Ent­ scheidungen bzw. vorbereitenden Beiträge Privater leisten. In Anwendung dieses Maßstabs leistet etwa ein gesetzlich im Detail ausgestalteter Einbin­ 131  BVerfGE

83, 60 (72); 93, 37 (66); 130 (76) (123); 146, 1 (39); 147, 50 (127). Wahlen sowie Weisungsstrukturen. 133  BVerfGE 147, 50 (127 f.) m. w. N. 134  Siehe insoweit oben B. II. 1. c) aa). 135  B. II. 1. c) bb) (2). 132  Konkret:



B. Einbindungsmodus375

dungsmodus einen stärkeren Legitimationsbeitrag für die Tätigkeit externer sachverständiger Stellen als Einbindungsmodi, die das „Ob“ und „Wen“ der Hinzuziehung lediglich dem Ermessen der außenverantwortlich handelnden Behörden überlassen.136 Entsprechendes gilt grundsätzlich für die weiteren Prüfungspunkte, die vorliegend für die Untersuchung der Tätigkeit verschie­ dener sachverständiger Stellen in jedem Referenzgebiet angesprochen wur­ den. Inwieweit der Ansatz des Legitimationsbeitrags tatsächlich für jeden der vorliegend behandelten Prüfungspunkte angewendet werden kann, wird im Einzelnen zu untersuchen sein. Generell dient das hiesige Konzept des „Legitimationsbeitrags“ dazu, so­ wohl für verwaltungsinterne als auch für verwaltungsexterne sachverständige Stellen die organisations- und verfahrensrechtliche Rückkoppelung ihrer Tä­ tigkeit in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren an die vom Parlament geschaffenen Gesetze sowie subsidiär an das vom Verord­ nungsgeber erlassene untergesetzliche Regelwerk im Hinblick auf die Vor­ gaben des Demokratieprinzips beurteilen zu können. Diesbezüglich kann für die Bewertung der demokratischen Legitimation der Tätigkeit speziell von verwaltungsinternen sachverständigen Stellen weiterhin auf die gemeinhin anerkannten Legitimationsmodi (personell-organisatorisch, sachlich-inhalt­ lich) zurückgegriffen werden. Der vorliegend bemühte Ansatz des Legitima­ tionsbeitrags will nicht die herkömmlichen Legitimationsmodi verdrängen, sondern strebt im Hinblick auf das Postulat der demokratischen Legitimation die Herstellung der Vergleichbarkeit zwischen verwaltungsinternen und ver­ waltungsexternen sachverständigen Stellen an. In Anlehnung an das tradierte, vom Bundesverfassungsgericht vertretene Legitimationsverständnis ist auch nach dem hier entwickelten Ansatz grund­ sätzlich ein „bestimmtes Legitimationsniveau“137 maßgeblich, zu dessen Erreichung gesetzliche Regelungen zum Einbindungsmodus, zur Fachkom­ petenz oder Unabhängigkeit sachverständiger Stellen je nach Detaillierungs­ grad einen stärkeren oder geringeren Legitimationsbeitrag leisten können. Gleichwohl beschränkt sich die vorliegende Abhandlung darauf, die Legiti­ mationsbeiträge der Regelungen und Strukturen für die Einbindungsmodi, Fachkompetenz und Unabhängigkeit, Verfahrenstätigkeit und Grundsätze der gerichtlichen Überprüfung jeweils isoliert und nicht in ihrem Zusammenwir­ ken zu würdigen. Es wird nachfolgend also beispielsweise nicht geprüft, ob die Tätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG insge­ samt hinreichend demokratisch legitimiert ist, sondern lediglich, inwieweit die gesetzlich implementierten Normen und Strukturen für seine Verfahrens­ 136  Zum jeweiligen Legitimationsbeitrag der vorliegend betrachteten Einbin­ dungsmodi siehe sogleich unten B. II. 1. c) dd). 137  Hierzu oben B. II. 1. c) aa) (2).

376

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

einbindung, Fachkompetenz oder Unabhängigkeit jeweils für sich genommen einen Legitimationsbeitrag leisten. Diese Vorgehensweise trägt dem Umstand Rechnung, dass die Untersuchung der Referenzgebiete lediglich der Heraus­ arbeitung allgemeiner Strukturen und Probleme dient. Dagegen ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung grundsätzlich unerheblich, ob die gesetzliche Ausgestaltung im Fachrecht die Tätigkeit des insoweit als Bei­ spiel angeführten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ins­ gesamt hinreichend demokratisch legitimiert. Dementsprechend werden die für jeden Prüfungspunkt im Einzelnen zu beurteilenden Legitimationsbeiträge am Ende der Untersuchung nicht für jede sachverständige Stellen in ihrem jeweiligen Zusammenwirken bewertet. dd) Legitimationsbeitrag der untersuchten Einbindungsmodi Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen sollen nunmehr die in der Untersuchung betrachteten Referenzgebiete darauf hin überprüft werden, welchen Legitimationsbeitrag die jeweils aufgezeigten Modi der Einbindung sachverständiger Stellen leisten und welche Probleme sich stellen können. Hierbei ist zwischen verwaltungsinternen und verwaltungsexternen sachver­ ständigen Stellen zu differenzieren. (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen Als verwaltungsinterne sachverständige Stellen wurden vorliegend die mit formellen Außenentscheidungskompetenz ausgestattete Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren der §§ 18 ff. NABEG sowie das BAF betrach­ tet, das hinsichtlich des von ihm wahrgenommenen Belangs des Schutzes ziviler Flugsicherungseinrichtungen (§ 18a Abs. 1 S. 1 u. 2 LuftVG) über originäre, verwaltungsbinnenrechtliche Sachentscheidungskompetenzen ver­ fügt. Die Untersuchung beider Referenzgebiete hat vorliegend im Hinblick auf die personelle Legitimation der von beiden Behörden jeweils eingesetz­ ten Amtswalter keine besonderen, nicht schon an anderer Stelle näher be­ schriebenen138 Probleme aufgezeigt und ist dementsprechend hier nicht zu vertiefen. Unter dem Gesichtspunkt ihres Legitimationsbeitrags werden daher die Einbindungsmodi für beide Behörden lediglich in institutioneller Hinsicht in den Blick genommen.

138  Zur Kritik am Modus der personellen Legitimation von Amtswaltern siehe Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 503 ff., der insoweit von einer „Fiktion“ spricht.



B. Einbindungsmodus377

(a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Die Einbindung der Bundesnetzagentur in das Planfeststellungsverfahren der §§ 18 ff. NABEG erfolgt in abstrakt-organisatorischer Hinsicht durch ihre Errichtung bzw. die Erweiterung ihres Aufgabenbereichs um die Kompetenz zur Durchführung von Planfeststellungsverfahren und deren Abschluss durch Entscheidung über die Planfeststellung (§ 31 Abs. 1 u. 2 NABEG i. V. m. § 2 Abs. 2 NABEG i. V. m. § 1 PlfZV) und auf der Ebene des konkreten Planfest­ stellungsverfahrens durch den bei ihr vom jeweiligen Vorhabenträger ein­ zureichenden Antrag auf Planfeststellung (§ 18 Abs. 1 i.  V.  m. § 19 S. 1 NABEG).139 Durch die vom Gesetzgeber in § 31 Abs. 1 u. 2 NABEG bzw. § 2 Abs. 2 NABEG vorstrukturierte und vom Verordnungsgeber durch § 1 PlfZV voll­ zogene Aufgabenzuweisung leistet der Einbindungsmodus der Bundesnetz­ agentur einen Beitrag für die demokratische Legitimation ihrer Tätigkeit im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG. Zu einem erhöhten Legitimationsbeitrag hätte die noch im Gesetzgebungsverfahren140 disku­ tierte Aufgabenzuweisung an die Bundesnetzagentur durch Gesetz geführt,141 die seinerzeit jedoch politisch nicht durchsetzbar war. Dies bedarf hier indes keiner vertieften Betrachtung. Auch eine durch den Gesetzgeber getroffene Aufgabenzuweisung an die Bundesnetzagentur hätte sich am Maßstab des Demokratieprinzips messen lassen142 und im Übrigen die durch Art. 83 ff. GG grundsätzlich erschöpfend und abschließend143 getroffene Verwaltungs­ kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern beachten müssen. Insofern steht der Legitimationsbeitrag der auf dem Verordnungsweg erfolgten, kom­ petenzmäßig auf Art. 86 und Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG gestützten144 Aufgaben­ zuweisung an die Bundesnetzagentur so oder so unter dem Vorbehalt ihrer Verfassungsmäßigkeit.145 Kann sich eine Aufgabenzuweisung nämlich nicht auf eine der in den Art. 83 ff. GG normierten Verwaltungskompetenzen stüt­ zen, kann die Tätigkeit einer in einem naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren mit der Verfahrensdurchführung und Außenent­ 139  Zum

Einbindungsmodus der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. II. die Entwurfsfassung des § 31 NABEG, abgedruckt in BT-Drs. 17/6073,

140  Siehe

S. 13.

141  Zur durch Organisationsentscheidung des Gesetzgebers vermittelten demokra­ tischen Legitimation von Verwaltungstätigkeit siehe Bryde, FS Thieme, S. 9 (20); Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 570. 142  Vgl. dazu allgemein Bryde, FS Thieme, S. 9 (20). 143  Ständige Rechtsprechung, siehe BVerfGE 119, 331 (364); 139, 194 (226) m. w. N. 144  BT-Drs. 17/6073, S. 32. 145  Letztere Frage wird schlussendlich wohl gerichtlich geklärt werden müssen.

378

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

scheidungskompetenz betrauten Behörde letztlich auch nicht demokratisch legitimiert sein. Denn im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik Deutschland stehen die Vorschriften des Grundgesetzes über die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 30 ff., 70 ff., 83 ff. GG) konzeptionell in einem untrennbaren Zusammenhang mit den Anforderungen des Demokra­ tieprinzip aus Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG.146 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für die vorliegend als exemplarisches Beispiel der Verfahrensbeteiligung von Fachbehörden betrachtete Mitwirkung des BAF im BImSchG-Genehmi­ gungsverfahren bei der Zulassung von Windenergievorhaben gilt ein – je nach Zählweise – zwei- bzw. dreiaktiger Einbindungsmodus aus abstrakt-­ organisatorischer Einrichtung und Aufgabenzuweisung sowie konkreter Ver­ fahrensbeteiligung im Zulassungsverfahren. Dabei knüpft die Pflicht der zu­ ständigen Behörde zur Beteiligung des BAF im Einzelfall an dessen Berüh­ rung im eigenen Aufgabenbereich an, siehe § 10 Abs. 5 S. 1 BImSchG i. V. m. § 11 der 9. BImSchV i. V. m. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG.147 Ebenso wie bei der Bundesnetzagentur leisten bereits die vom Gesetzgeber vorgenommene Aufgabenzuweisung und Ausgestaltung der obligatorisch durchzuführenden Behördenbeteiligung einen Legitimationsbeitrag für die verwaltungsinterne Mitwirkung des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren für Windener­ gievorhaben. Diese vom Gesetzgeber vorstrukturierte Verfahrenseinbindung des BAF wird durch die BImSchG-Genehmigungsbehörde auf der Ebene des Zulassungsverfahrens lediglich vollzogen, weshalb der von letzterer im Ein­ zelfall zu veranlassenden Verfahrensbeteiligung keine zusätzliche legitimie­ rende Wirkung beizumessen ist. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Nicht anhand eines konkreten Referenzgebiets wurde vorliegend die Kon­ stellation betrachtet, in der eine in ihrem Aufgabenbereich berührte Behörde im organisationsrechtlichen Sinne in einem naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu beteiligen ist und gegenüber der im ­Außenverhältnis handelnden Zulassungsbehörde einen rechtlich unverbind­ lichen, letztere allenfalls faktisch bindenden Mitwirkungsbeitrag abgibt. Ein praxisrelevantes Anwendungsbeispiel stellt insoweit die Beteiligung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) im BImSchG-Genehmigungsverfahren bei der Zulassung von Windenergieanlagen dar, die im Kontext der Untersu­ 146  Siehe 147  Zum

(in anderem Zusammenhang) Kingreen/Schönberger, NVwZ 2018, 1825. Einbindungsmodus des BAF siehe oben § 5 B. II.



B. Einbindungsmodus379

chung indes keine weitergehenden Fragen aufwirft.148 Hinsichtlich des Le­ gitimationsbeitrags des für den DWD geltenden Einbindungsmodus kann auf die obigen Ausführungen zur Verfahrensbeteiligung des BAF verwiesen werden. (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen Auch für die betrachteten verwaltungsexternen sachverständigen Stellen ist nach dem Legitimationsbeitrag des ihrer Mitwirkung in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren jeweils zugrunde lie­ genden Einbindungsmodus zu fragen. Den Ausgangspunkt für die nachfol­ genden Ausführungen bildet in Weiterentwicklung des Ansatzes des Legiti­ mationsbeitrags149 die im Schrifttum zunehmend vertretene, oben150 bereits erwähnte „Je desto-Formel“, nach der die im Rechtsstaats- (Art. 20 Abs. 3 GG) und Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) wurzelnde Rationalitäts­ pflicht des Staates bei steigendem rechtlichen Einfluss einer verwaltungs­ externen sachverständigen Stelle umso höhere Anforderungen an die regula­ torische Einhegung ihrer Tätigkeit verlangt.151 Hieran anknüpfend sind die Einbindungsmodi der untersuchten externen sachverständigen Stellen in Ab­ hängigkeit von der rechtlichen Qualität ihrer jeweiligen Entscheidungsbei­ träge im Außenverhältnis in den Blick zu nehmen. (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Mit den im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinpro­ dukte obligatorisch von den Herstellern einzubindenden Benannten Stellen sowie den bei der Zulassung von arzneimittelrechtlichen Forschungsvorha­ ben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG mitwirkenden Ethik-Kommissionen wurden vorliegend zwei unterschiedliche sachverständige Stellen betrachtet, deren Entscheidungsbeiträgen unmittelbare Außenrechtsrelevanz zukommt.152 148  Zur rechtlichen Unverbindlichkeit der Voten des DWD für die BImSchG-Ge­ nehmigungsbehörden vgl. BVerwGE 156, 136 (140 ff.); 156, 148 (154 ff., 157 ff.). 149  Siehe oben B. II. 1. c) cc). 150  § 4 C. II. 151  Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); vgl. zuvor bereits Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66. Die hohe Bedeutung der Auswahl von externen sachverständigen Stellen in Sachgebieten, die in materiellrechtlicher Hinsicht nicht im Einzelnen durchprogrammiert werden können, betont auch Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 462. 152  Während die Benannten Stellen den vom Hersteller eingereichten Antrag auf Konformitätsbewertung umfassend auf ihre Vereinbarkeit mit den sog. Grundlegen­ den Anforderungen aus § 7 MPG zu überprüfen und zu bewerten haben, treffen die

380

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Die vorliegend exemplarisch auch für andere Bereiche des Produktsicher­ heitsrechts betrachtete Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewer­ tungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte erfolgt auf Grundlage eines zweiaktigen Einbindungsmodus aus einem staatlichen Benennungsverfahren, das die ZLG als zuständige Behörde153 federführend leitet, sowie ihrer kon­ kreten Einbindung in die jeweilige Konformitätsprüfung durch den Herstel­ ler.154 Der Legitimationsbeitrag dieses Einbindungsmodus Benannter Stellen kann vorbehaltlich ihrer rechtlich möglichen, indes nicht zwingenden155 Akkreditierung156 nur in dem von der ZLG durchzuführenden Benennungs­ verfahren gesehen werden. Die ZLG ist eine gemeinsame Behörde aller 16 Bundesländer. Über einen durch Staatsvertrag eingerichteten Beirat kön­ nen sich die Länder über die Tätigkeit der ZLG informieren, Richtlinien für ihre Arbeit erstellen und so auf sie einwirken.157 Aufgrund dieser Einbindung in Aufsicht- und Kontrollstrukturen ist die ZLG im Benennungsverfahren demokratisch legitimiert. Ihre Benennungsentscheidungen können somit ei­ nen Legitimationsbeitrag für die Tätigkeit der Benannten Stellen leisten. Da das auf Unionsebene geregelte, bundesrechtlich jedoch in § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommene Benennungsverfahren sehr detailliert ausgestaltet ist,158 kann der Legitimationsbeitrag des für die Benannten Stellen vorgese­ henen Einbindungsmodus im Sinne der „Je desto-Formel“ aus dem Schrift­ tum grundsätzlich als hoch angesehen werden. Als zweites Beispiel für verwaltungsexterne159 sachverständige Stellen mit formeller Außenentscheidungskompetenz wurde die Tätigkeit von EthikEthik-Kommissionen lediglich hinsichtlich eines Teilausschnitts des für die Zulassung des Forschungsvorhabens insgesamt zu absolvierenden Prüfprogramms eine originäre Entscheidung. Daher wurden beide sachverständige Stellen vorliegend unterschiedli­ chen Untersuchungsgruppen zugeordnet. 153  Die Zuständigkeit der ZLG folgt aus dem bereits oben bei der Untersuchung des Referenzgebiets erwähnten „Abkommen über die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten“ vom 30.06.1994 (GVBl. NRW 1994, S. 972), das zuletzt durch Abkommen vom 15.12.2011 (GVBl. NRW 2012, S. 278) geändert worden ist. 154  Zum Einbindungsmodus der Benannten Stellen siehe oben § 4 D. II. 155  Siehe insoweit oben § 4 D. II. 156  Zur Legitimationswirkung der Akkreditierung siehe Freiin von Richthofen, Privater Vollzug des Unionsrechts, S. 106 ff. 157  Art. 3 Abs. 3 u. 4 des „Abkommens über die Zentralstelle der Länder für Ge­ sundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten“. 158  Dazu oben § 4 D. II. 159  Die hiesige Klassifizierung der Ethik-Kommissionen als verwaltungsexterne sachverständige Stellen trägt ihrer überwiegenden Ansiedlung bei den Landesärzte­ kammern bzw. Universitäten und medizinischen Fakultäten als Selbstverwaltungskör­ perschaften Rechnung. In Berlin, Bremen und Sachsen-Anhalt, wo die Ethik-Kom­



B. Einbindungsmodus381

Kommissionen im Rahmen der Eröffnungskontrolle für arzneimittelrecht­ liche Forschungsvorhaben untersucht. Nach gegenwärtiger160 Rechtslage er­ folgt die Einbindung der Ethik-Kommissionen in das Verfahren zur Zulassung klinischer Prüfungen von Arzneimitteln bei Menschen im Rahmen eines mehraktigen Einbindungsmodus aus gesetzlicher Aufgabenzuweisung im Bundesrecht (§ 40 Abs. 1 S. 2 AMG), der Errichtung und Ausgestaltung der Organisation der Gremien im Landesrecht (§ 42 Abs. 1 S. 3 AMG), ihrer hieran anschließenden Registrierungspflicht vor dem BfArM (§ 41a AMG)161 und ihrer konkreten Einbindung auf der Ebene der einzelfallbezogenen Zu­ lassung des zur Genehmigung gestellten Forschungsvorhabens (§ 42 Abs. 1 S. 1 AMG).162 Bis zur Implementierung der in § 41a AMG normierten Re­ gistrierungspflicht im Jahr 2016 erschien insbesondere die demokratische Legitimation der häufig bei den Landesärztekammern und Universitäten an­ gesiedelten Ethik-Kommissionen zweifelhaft, da die genannten Selbstverwal­ tungskörperschaften weitgehend selbst über die Einrichtung, Organisation und personelle Zusammensetzung „ihrer“ Ethik-Kommissionen entscheiden konnten.163 Im Anschluss an die Etablierung des nach § 41a AMG vor dem BfArM durchzuführenden Registrierungsverfahrens, das im Vorgriff auf die zukünftig geltenden unionsrechtlichen Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 bereits gültiges Recht darstellt164 und als solches bereits vollzo­ gen wird,165 leistet der für die Ethik-Kommissionen vorgesehene Einbin­ dungsmodus einen Legitimationsbeitrag.

missionen Teil der unmittelbaren Staatsverwaltung sind, sind sie als verwaltungsin­ terne sachverständige Stellen zu qualifizieren. 160  Zum Einbindungsmodus der Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen und den Änderungen, die sich aufgrund der alsbald in Kraft tretenden Verordnung (EU) Nr. 536/2014 ergeben, siehe oben § 5 D. II. 161  Die in § 41a AMG statuierte Registrierungspflicht wird als solche erst unter dem Regime der Verordnung (EU) Nr. 536/2014 Bedeutung erlangen, stellt aber be­ reits geltendes Recht dar und wird daher vorliegend in die Untersuchung einbezogen. 162  Zum Einbindungsmodus der Ethik-Kommissionen bei der klinischen Prüfung von Arzneimitteln bei Menschen siehe oben § 5 D. II. 163  Ebda. 164  Art. 13 Abs. 1 des „Vierten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“ vom 20.12.2016 (BGBl. I 2016, S. 3048). 165  Die bereits erwähnte Liste der registrierten Ethik-Kommissionen ist im Internet unter https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/klinpr/ethikKomm/Liste%20der%20registrierten%20Ethik-Kommissionen.pdf?__blob =publicationFile&v=2 abrufbar (zuletzt abgerufen am 07.08.2019).

382

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Während der Staat beim Inverkehrbringen von Hochrisiko-Medizinpro­ dukten aus unionsrechtlichen Gründen ganz (bei den Benannten Stellen) und bei der Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben bezüglich ei­ nes Teilaspekts des insgesamt zu absolvierenden Prüfprogramms (Patienten­ schutz durch Ethik-Kommissionen) auf die Durchführung von Eröffnungs­ kontrollen durch eigene Behörden verzichtet, wird in anderen Bereichen le­ diglich die materielle Sachentscheidung, nicht aber die formelle Handlungsund Entscheidungskompetenz im Außenverhältnis auf verwaltungsexterne sachverständige Stellen verlagert. Als Beispiel für diese Konstellation wurde vorliegend auf die Tätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG eingegangen, dessen Hinzuziehung im nationalen Arzneimittel­ zulassungsverfahren der §§ 21 ff. AMG im Rahmen eines einaktigen, fakulta­ tiven Einbindungsmodus durch das BfArM als zuständige Bundesober­ behörde (§ 77 Abs. 1 AMG) erfolgt.166 Wie dargelegt, stellt es das Gesetz weithin in das Hinzuziehungsermessen des BfArM, in welchen Fällen dieses eine ­Hinzuziehung von Gegensachverständigen für notwendig bzw. erforder­ lich erachtet. Eine verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Auswahlprozesses ist nicht vorgesehen. Ebenso wenig hat das BfArM Bekanntmachungs- oder Offenlegungspflichten bezüglich des „Ob“ und „Wen“ der Einbindung von Gegensachverständigen zu beachten.167 Aufgrund dieser nur knappen ge­ setzlichen Vorstrukturierung leistet der Einbindungsmodus für den Gegen­ sachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG nach Maßgabe der „Je destoFormel“ nur einen geringen Legitimationsbeitrag. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen In der Untersuchung wurden verschiedene externe sachverständige Stellen betrachtet, die verwaltungsberatend oder mit dem spezifischen Auftrag der Belangwahrung hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zu­ lassungsverfahren eingebunden werden und dort gegenüber der jeweils au­ ßenentscheidungsbefugten Zulassungsbehörde rechtlich unverbindliche Ent­ scheidungsbeiträge abgeben.

166  Zum

diesbezüglichen Einbindungsmodus siehe oben § 4 C. II. das vorliegend nicht betrachtete Nachmarktzulassungsverfahren i.  S.  d. § 105 AMG führt das BfArM eine Liste über die bestellten unabhängigen Gegensach­ verständigen i. S. d. § 105 Abs. 5a S. 5 AMG, vgl. https://www.bfarm.de/DE/Arznei mittel/Arzneimittelzulassung/Zulassungsverfahren/National/zul-best-unabh-gegens_ neu.html (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 167  Für



B. Einbindungsmodus383

Der im allgemeinen Verwaltungsrecht in § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG statuierte Grundfall der einaktigen, fakultativen Einbindung externer sachverständiger Stellen wurde vorliegend anhand der in § 20 S. 1 AtG kodi­ fizierten Hinzuziehung von Sachverständigen in das atomrechtliche Geneh­ migungsverfahren betrachtet.168 Weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungs­ ebene regelt das Atomrecht besondere Verfahrensanforderungen an die Ein­ bindung von Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG durch die zuständige Genehmigungsbehörde. Insoweit entspricht der Legitimationsbeitrag des Einbindungsmodus für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG in etwa dem Legitimationsniveau des für den Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs. 5 S. 5 AMG geltenden Einbindungsmodus, der indes nicht verwaltungs­ beratend tätig wird, sondern über originäre Sachentscheidungskompetenzen verfügt.169 Am Beispiel der in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren obligatorisch mitwirkenden ZKBS wurde vorliegend die Tätigkeit von sol­ chen pluralistisch besetzten Kollegialgremien untersucht, die in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren rechtlich unverbind­ liche Stellungnahmen abgeben. Für die Verfahrensbeteiligung der ZKBS gilt ein mehraktiger, je nach Zählweise zwei- bis dreiaktiger Einbindungsmodus aus formell-gesetzlicher Institutionalisierung beim BVL (§ 4 Abs. 1 S. 1 GenTG i. V. m. § 31 S. 2 GenTG), Berufung ihrer Mitglieder durch die zu­ ständigen Bundesministerien (§ 4 Abs. 2 GenTG i.  V.  m. § 2 ZKBS-Ver­ ordnung) sowie Einbindung im konkreten Zulassungsverfahren durch die je­ weils zuständige Behörde (§ 10 Abs. 7 S. 1 GenTG bzw. § 16 Abs. 5 S. 1 GenTG).170 In organisatorischer bzw. institutioneller Hinsicht leistet der für die ZKBS vorgesehene Einbindungsmodus insbesondere durch die Organisa­ tionsentscheidung des Gesetzgebers bezüglich der Einrichtung der ZKBS sowie durch das gesetzlich implementierte Besetzungskonzept einen hohen Legitimationsbeitrag.171 In personeller Hinsicht wirft das in § 4 Abs. 2 GenTG und § 2 ZKBS-Verordnung eher knapp geregelte Berufungsverfahren insbesondere Fragen im Hinblick auf den Umgang mit den dem Wissen­ schaftsrat sowie den gesellschaftlichen Gruppen eingeräumten Vorschlags­ rechten legitimatorische Fragen auf. Zwar ist die Ministerialverwaltung an die von den genannten Stellen nach § 2 Abs. 1 S. 2 ZKBS-Verordnung unter­ breiteten Berufungsvorschläge nicht positiv gebunden. Allerdings müssen zu 168  Zum Einbindungsmodus des Sachverständigen i.  S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. II. 169  Dazu oben B. II. 1. c) dd) (2) (b). 170  Zum Einbindungsmodus der ZKBS siehe oben § 3 C. II. 171  Vgl. allgemein Bryde, FS Thieme, S. 9 (20); Mehde, Neues Steuerungsmodell und Demokratieprinzip, S. 570.

384

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

berufende Mitglieder vom Wissenschaftsrat und den gesellschaftlichen Grup­ pen vorgeschlagen worden sein, damit ihre Berufung rechtlich zulässig bzw. möglich ist.172 Folgt man dem,173 ergibt sich jedenfalls in negativer Hinsicht eine Bindung der Ministerialverwaltung an die ihr unterbreiteten Berufungs­ vorschläge. Gleichzeitig hat jedoch der Wissenschaftsrat selbst keinen Über­ blick darüber, welche Personen in fachlicher Hinsicht für eine Berufung in die ZKBS als Sachverständige i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG in Betracht kommen174 und bedient sich daher in einem informellen Vorabstimmungsver­ fahren der Unterstützung anderer Wissenschaftsorganisationen.175 Insoweit könnte es zwar nicht formell, aber „materiell“ bei der Ausübung des seiner­ seits legitimationsbedürftigen Vorschlagsrechts176 des Wissenschaftsrats zu einer Durchbrechung der Legitimationskette kommen. Die des Weiteren untersuchte Einbeziehung der DFS in das luftfahrtinterne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG, auf das hier für den Fall seiner Einbettung in das außenwirksame BImSchG-Genehmigungsverfahren bei der Zulassung von Windenergievorhaben eingegangen wurde, sieht konzeptionell einen gemischt obligatorisch-fakultativen Einbindungsmodus vor.177 Bezüg­ lich des „Ob“ gibt § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG die Beauftragung einer be­ stimmten („der“) Flugsicherungsorganisation verbindlich vor, ohne diese aber personell konkret zu bezeichnen. Infolgedessen ergeben sich bei der Bestimmung des „Wen“ der Flugsicherungsorganisation aus § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG grundsätzlich Interpretationsspielräume. Nicht zuletzt die um­ fassende Beauftragung der privatrechtlich organisierten, jedoch zu 100 % vom Staat beherrschten178 DFS mit der Erbringung von Flugsicherungs­ diensten (einschließlich Flugverkehrsdienste)179 spricht dafür, dass der Ge­ setzgeber diese im Zuge des von ihm konzipierten Prüfverfahrens des § 18a 172  So

jedenfalls Tünnesen-Harmes, Risikobewertung im Gentechnikrecht, S. 268. solches Regelungskonzept für grundsätzlich möglich erachtend SchmidtAßmann, AöR 116 (1991), 329 (361); ferner Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 172 f. m. w. N. 174  So Röhl, Der Wissenschaftsrat, S. 32. 175  Wissenschaftsrat, Arbeitsprogramm Juli 2019–Januar 2020, S. 36 (im Internet abrufbar unter https://www.wissenschaftsrat.de/download/2019/Arbeitsprogramm.pdf, zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 176  BVerfGE 83, 60 (73). 177  Zum Einbindungsmodus der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben im BImSchG-Ge­ nehmigungsverfahren siehe oben § 3 D. II. 178  DFS, Geschäftsbericht 2018, S. 10, im Internet abrufbar unter https://www.dfs. de/dfs_homepage/de/Unternehmen/Zahlen%20und%20Daten/Finanzen/DFS-Gesch %C3%A4ftsbericht%202018_DE.pdf (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 179  § 31b Abs. 1 LuftVG i. V. m. § 27c Abs. 2 S. 1 Nr. 1 LuftVG i. V. m. § 1 FSAuftragsV. 173  Ein



B. Einbindungsmodus385

Abs. 1 S. 2 LuftVG als gutachtlich180 tätige Flugsicherungsorganisation be­ rücksichtigt wissen wollte.181 Unter dieser Prämisse wird man dem Einbin­ dungsmodus des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einen gewichtigen Legitimations­ beitrag beimessen müssen.182 Endlich ist die Mitwirkung von Verbänden in Anlagen- und Vorhabenzu­ lassungsverfahren des Umweltrechts zu erwähnen, die vorliegend am kon­ kreten Beispiel der Beteiligung anerkannter Umweltverbände im Planfeststel­ lungsverfahren für Bundesfernstraßen betrachtet wurde. Die dortige Verfah­ rensbeteiligung der Umweltverbände erfolgt auf Grundlage eines zweiaktigen Einbindungsmodus, der auf erster Stufe ihre staatliche Anerkennung nach § 3 UmwRG und auf zweiter Stufe ihre obligatorische Beteiligung im Anhö­ rungsverfahren des Planfeststellungsverfahrens vorsieht.183 Das Anerken­ nungsverfahren ist jedenfalls in seinen Grundzügen gesetzlich geregelt, wie etwa die in § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG statuierten Anerkennungsvorausset­ zungen,184 die formellen Anforderungen an die Anerkennung (3 Abs. 1 S. 3 UmwRG) und deren Veröffentlichung im Internet (§ 3 Abs. 1 S. 5 UmwRG) zeigen. Insofern leistet das Anerkennungsverfahren für die Umweltverbände einen Legitimationsbeitrag. Ob die Umweltverbände auf der Ebene des kon­ kreten Zulassungsverfahrens die an sie gerichtete Erwartung der aktiv-gestal­ tenden Mitwirkung als „Quasi-Verwaltungshelfer“185 im Einzelfall erfüllen bzw. erfüllen wollen, ist ihnen weitgehend186 anheimgestellt.187 Daher ver­ mag ihre Einbindung im konkreten Zulassungsverfahren im Ergebnis keinen (gesonderten) Legitimationsbeitrag zu leisten. d) Einbindungspublizität Neben dem Erfordernis der demokratischen Legitimation lässt sich die Frage aufwerfen, inwieweit die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stel­ len in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren einem 180  Amtlicher

Gesetzeswortlaut. oben § 3 D. II. 182  Auf die Problematik der Unabhängigkeit der DFS wird noch zurückzukom­ men sein. 183  Zum Einbindungsmodus anerkannter Umweltverbände im Planfeststellungs­ verfahren für Bundesfernstraßen siehe oben § 5 C. II. 184  Zur Fachkompetenz und Unabhängigkeit anerkannter Umweltverbände siehe oben § 5 C. III. 185  Siehe BT-Drs. 18/9526, S. 47. 186  Beachte aber die Einschränkung in § 5 UmwRG. 187  Zum Äußerungs- und Einwendungsrecht (nicht: Pflicht) der Umweltverbände siehe die allgemeine Regelung des § 73 Abs. 4 S. 5 VwVfG und die Ausführungen oben unter § 5 C. IV. 1. 181  Dazu

386

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Publizitätsgebot unterliegt. Die diesbezüglich angeführten, über den vorlie­ genden Untersuchungsgegenstand hinausreichenden Überlegungen drehen sich insbesondere um die staatliche Inanspruchnahme der Unterstützung von privaten Sachverständigen, denen zwar rechtlich keine Entscheidungskompe­ tenzen übertragen sind, die aber in der Sache („faktisch“) staatliche Entschei­ dungen maßgeblich vorprägen, ohne dass ihre Mitwirkung etwaigen Verfah­ rensbeteiligten, der (sonstigen) Öffentlichkeit oder nachgelagert den Gerich­ ten notwendig bekannt ist.188 Indes sind Publizität und Transparenz eines Entscheidungsvorgangs notwendige Voraussetzungen für dessen Kontrollier­ barkeit. Vor diesem Hintergrund soll nachfolgend die Publizität der hoheit­ lichen Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren insgesamt näher untersucht werden. Dabei ist im Sinne des vorliegend verfolgten übergreifenden Untersuchungsansatzes nicht zwischen der hoheitlichen, öffentlich-rechtlichen bzw. privatrechtlichen Organisation sachverständiger Stellen, sondern vielmehr nach ihrer obligatori­ schen bzw. fakultativen Verfahrenseinbindung zu unterscheiden. aa) Verwirklichung bei obligatorischen Einbindungsmodi Innerhalb der im Rahmen der Bestandsaufnahme aufgezeigten obligatori­ schen Einbindungsmodi189 ist die Publizität der Mitwirkung sachverständi­ ger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren ungeachtet ihrer jeweiligen Rechtsform typischerweise kein Problem. Für verwaltungsinterne sachverständige Stellen, also Behörden im organisations­ rechtlichen Sinne, wird die Publizität ihrer Einbindung im jeweiligen Zulas­ sungsverfahren abstrakt bereits durch die Bekanntmachung ihres Errich­ tungsakts und der konkreten Aufgabenzuweisung im Bundesgesetzblatt bzw. dem einschlägigen Verkündungsblatt auf Landesebene hergestellt. Auch auf der konkreten Verfahrensebene ist die Einbindung der federführenden und außenwirksam handelnden Zulassungsbehörden sowohl für die Antragsteller als auch für Dritte regelmäßig offenkundig. Entsprechendes dürfte für in ih­ rem Aufgabenbereich betroffene Fachbehörden gelten, die in einem von einer anderen Behörde geleiteten Zulassungsverfahren lediglich verwaltungsintern zu beteiligen sind. Diesbezüglich sieht das Fachrecht mitunter sogar eine Pflicht der Zulassungsbehörde vor, den Antragsteller zu einem relativ frühen Verfahrenszeitpunkt über die voraussichtlich zu beteiligenden Behörden zu unterrichten (vgl. etwa § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV).190 188  Zur Problematik der Publizität der sachverständigen Beratung des Staates durch Private auch außerhalb des vorliegenden Untersuchungsgegenstands siehe all­ gemein Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 73 ff. 189  Dazu oben B. I. 190  Siehe dazu am Beispiel des BAF auch oben § 5 B. II.



B. Einbindungsmodus387

Auch die Publizität von obligatorisch in Zulassungsverfahren eingebunde­ nen externen sachverständigen Stellen ist regelmäßig unproblematisch, wie die Erkenntnisse aus den vorliegend untersuchten Referenzgebieten zeigen. Die Namen der Mitglieder und stellvertretenden Mitglieder der ZKBS sind nach § 2 Abs. 2 ZKBS-Verordnung im Bundesanzeiger bekannt zu machen. Im Medizinprodukterecht hat die ZLG als zuständige Behörde gemäß § 15 Abs. 4 MPG die Benannten Stellen mit ihren jeweiligen Aufgaben und ihrer Kennnummer auf ihrer Internetseite bekannt zu machen. Die Anerkennung von Umweltverbänden ist nach § 3 Abs. 1 S. 5 UmwRG ebenfalls im Inter­ net zu veröffentlichen. Im Arzneimittelrecht veröffentlicht das BfArM nach § 41a Abs. 6 S. 1 AMG eine Liste der registrierten Ethik-Kommissionen im Bundesanzeiger, die die Behörde regelmäßig zu aktualisieren hat (§ 41a Abs. 6 S. 3 AMG). Auch beim gemischt obligatorisch-fakultativen Einbin­ dungsmodus der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG191 wird jedenfalls gegenüber dem bauwilligen Antragsteller des BImSchG-Genehmigungsverfahrens eine Einbindungspublizität mittelbar hergestellt, da letzterer durch die zuständige Behörde nach Maßgabe von § 7 Abs. 2 der 9. BImSchV über die voraussichtliche Verfahrensbeteiligung des BAF zu unterrichten ist. Dadurch wird zugleich die im internen Prüfverfah­ ren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG vom BAF zu initiierende Einbindung der DFS zumindest mittelbar auch gegenüber dem Antragsteller publik.192 bb) Offenlegungspflicht bei fakultativen Einbindungsmodi? Deutlich problematischer ist die Publizität hingegen in der Konstellation der fakultativen Einbindung externer sachverständiger Stellen, die vorlie­ gend anhand der Beispiele des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG sowie des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG betrachtet wur­ de.193 Die Reichweite des Problems fehlender Einbindungspublizität wird anhand der für die Einbeziehung verwaltungsberatender sachverständiger Stellen vorbehaltlich etwaiger Spezialvorschriften grundsätzlich maßgebli­ chen Bestimmung des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG deutlich, die we­ der hinsichtlich des „Ob“ noch des „Wen“ die zuständige Behörde zur Of­ fenlegung der Einbindung speziell von externen sachverständigen Stellen verpflichtet.194 Dabei gilt es zu differenzieren: In Anlagenzulassungsverfah­ 191  Das „Ob“ der Einbindung „der“ Flugsicherungsorganisation ist gemäß § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG obligatorisch, das „Wen“ interpretationsbedürftig, siehe oben § 3 D. II. 192  Dazu bereits oben § 3 D. II. 193  Zur Bestandsaufnahme siehe oben B. I. 194  Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen, die ebenfalls auf Grund­ lage von § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG im Verwaltungsverfahren hinzugezogen

388

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

ren des Umweltrechts sind vorbereitende Entscheidungsbeiträge der hoheit­ lich eingebundenen sachverständigen Stellen häufig Gegenstand einer durch­ zuführenden Öffentlichkeitsbeteiligung.195 In diesem Fall kann die Publizität der Einbindung einer externen sachverständigen Stelle auf der Verfahren­ sebene die organisationsrechtlich nicht gewährleistete Offenlegung der Ver­ fahrenstätigkeit des Privaten kompensieren. Wie indes das Beispiel des – im­ merhin mit originären Sachentscheidungskompetenzen ausgestatteten – Ge­ gensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG zeigt, ist in nationalen Stoff- und Produktzulassungsverfahren regelmäßig weder eine partizipatori­ sche noch informatorische Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen.196 Darüber hinaus ist auch in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren des Fachplanungs- und Umweltrechts die Einbindung sachverstän­ diger Stellen nicht zwangsläufig publik. Ein Beispiel aus der jüngeren Bun­ desgesetzgebung ist etwa der in vielen Bereichen nunmehr ausdrücklich ge­ setzlich implementierte Projektmanager (z. B. § 29 NABEG),197 der als Pri­ vater mit der Vorbereitung und Durchführung einzelner Verfahrensschritte beauftragt werden kann. Zum Spektrum der auf Projektmanager zulässig übertragbaren Aufgaben gehört, ohne dass die einschlägigen Vorschriften dies ausdrücklich regeln,198 grundsätzlich auch die Erstellung von Entschei­ dungsentwürfen.199 In der Verwaltungspraxis werden behördliche Entschei­ dungsentwürfe für Anlagen- bzw. Vorhabenzulassungen ohnehin nicht selten ganz oder teilweise von externen sachverständigen Stellen verfasst.200 Zwar muss auch bei der Einbindung von Projektmanagern die abschließende Zu­ lassungsentscheidung stets der im Außenverhältnis verantwortlichen Behörde vorbehalten bleiben (siehe z. B. § 29 S. 2 NABEG).201 Ob diese Vorgabe je­ doch nicht nur formell, sondern auch materiell gewahrt wird und die Be­ hörde die ihr übermittelten Entscheidungsentwürfe umfassend prüft,202 ist werden können, könnten sich jedenfalls mit Blick auf die Kontrolle ihrer Tätigkeit ähnliche Probleme ergeben. 195  Siehe für das Atomrecht oben § 3 B. IV. 1. 196  Hierzu oben § 4 C. IV. 1. 197  Parallele bzw. ähnliche Vorschriften enthalten §  2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV, § 17a AEG, § 17h FStrG, § 14f WaStrG. 198  Die Aufgabenkataloge sind nicht abschließend, siehe neben § 29 S. 1 NABEG („insbesondere“) auch § 17a S. 1 AEG, § 17h S. 1 FStrG, § 14f S. 1 WaStrG. 199  Scheuten, in: de Witt/Scheuten, NABEG, § 29 Rn. 13. 200  Naturwissenschaftlich-technisch komplexe Aspekte werden häufig von ent­ sprechenden Gutachterbüros bearbeitet, rechtliche Aspekte hingegen von Kanzleien. 201  Siehe auch § 17a S. 3 AEG, § 17h S. 3 FStrG, § 14f S. 2 WaStrG. 202  Kritisch zum Instrument des Projektmanagers Antweiler, NVwZ 2019, 29 (31), der darauf hinweist, die Verlagerung der Fertigung des Entscheidungsentwurfs dürfe die Rolle der zuständigen Behörde nicht darauf reduzieren, „den vom Projekt­ manager vorbereiteten Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses zu unterschreiben“,



B. Einbindungsmodus389

von außen schon deshalb kaum kontrollierbar, weil jedenfalls das einfache Recht keine Offenlegung der Einbindung von Projektmanagern fordert.203 Vor dem Hintergrund dieser Beispiele aus dem Fachrecht ist fraglich, ob in Konstellationen der fakultativen Einbindung sachverständiger Stellen die je­ weils zuständige Behörde aufgrund von Vorgaben des höherrangigen Rechts das Beauftragungs- bzw. Hinzuziehungsverhältnis offenlegen muss. (1) Aussagen im Schrifttum Teile des Schrifttums leiten aus dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Gewaltenteilung sowie dem Demokratieprinzip eine grund­ sätzliche Pflicht des Staates ab, die Inanspruchnahme der Unterstützung von insbesondere privaten Sachverständigen offenzulegen und zu dokumentie­ ren.204 Diese Forderung wird zum einen mit der unmittelbar aus dem Grundgesetz folgenden Gemeinwohlverantwortung des Staates begründet, die ohne die Herstellung einer Publizität des hoheitlichen Rückgriffs auf private Sachverständige zu verflüchtigen drohe. Zum anderen könne der Ein­ fluss privater sachverständiger Stellen auf den politischen Prozess und admi­ nistrative Entscheidungsverfahren durch den Bürger sowie das vom Volk gewählte Parlament nur bei Offenlegung der Zusammenarbeit nachvollzogen und effektiv kontrolliert werden.205 Im Übrigen wirke die Publizität der Sachverständigeneinbindung qualitätssichernd, da sie einen öffentlichen

was jedoch de facto der Fall sei, wenn letzterer alle wesentlichen Verfahrensschritte vorbereite bzw. durchführe. 203  Nach einer jüngeren Entscheidung des OVG Lüneburg (Beschluss vom 11.02.2019 – 12 ME 219/18 –, juris, Rn. 55) zur Einbindung von Verwaltungshelfern in die Umweltverträglichkeitsprüfung sind die im Zulassungsverfahren zuständigen Behörden nicht nur zur eingehenden inhaltlichen Überprüfung der von einer verwal­ tungsexternen sachverständigen Stelle ausgearbeiteten Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens verpflichtet. Vielmehr müssten sie vor Erlass ihrer außenwirksamen Zulassungsverfahren das Ausmaß, den wesentlichen In­ halt sowie das Ergebnis ihrer Überprüfung des privaten Entscheidungsbeitrags in den Verwaltungsvorgängen schriftlich dokumentieren. Denn ohne eine entsprechende Dokumentationspflicht könnten der Behörde weder die von ihr übernommenen Aus­ arbeitungen externer sachverständiger Stellen formal im Außenverhältnis zugerechnet noch als „Element eigener willkürfreier behördlicher Willensbildung“ betrachtet wer­ den (a. a. O.). 204  Insbesondere Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 73; zustimmend Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (390); für Gremien siehe Brohm, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR II, § 36 Rn. 38 (Anm. d. Verf.: hier wiederum zi­ tiert nach der der Bearbeitung von Voßkuhle (s. o) vorausgehenden 2. Auflage). 205  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 73.

390

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Druck erzeuge, nur Sachverständige mit einem hohen fachlichen Renommee zu beauftragen.206 (2) Stellungnahme Die grundsätzliche Berechtigung des Ansinnens, durch die zwingende Of­ fenlegung von hoheitlich veranlassten Einbindungen verwaltungsexterner sachverständiger Stellen deren Tätigkeit für die Öffentlichkeit bereits auf organisatorischer Ebene transparent und damit kontrollierbar auszugestalten, kann aus der Perspektive von Rechtsstaats- und Demokratieprinzip nicht zweifelhaft sein. Dies gilt schon deshalb, da weder das allgemeine Verwal­ tungsrecht noch das einschlägige Fachrecht dem Publizitäts- und Kontroll­ bedürfnis in fakultativen Einbindungskonstellationen hinreichend Rechnung tragen.207 Besonders plastisch ist insoweit das Beispiel des Gegensachver­ ständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 AMG, dessen Einbindung im Einzelfall trotz der ihm eingeräumten Sachentscheidungskompetenzen seitens der Zulassungsbe­ hörde nicht einmal dem Antragsteller zwingend mitgeteilt werden muss.208 Problematisch erscheint jedoch, ob die Publizität der hoheitlichen Einbin­ dung externer sachverständiger Stellen über eine rechtspolitische Forderung hinaus auch als verfassungsrechtliche Pflicht interpretiert werden kann. Für letzteres lassen sich weder aus dem Normtext des Grundgesetzes noch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greifbare Anhaltspunkte entnehmen. Die argumentativen Schwierigkeiten, aus den normativen Vorga­ ben des Gewaltenteilungsgrundsatzes und Demokratieprinzips eine Pflicht der staatlichen Verwaltung zur Offenlegung der von ihr in Anspruch genom­ menen Unterstützung privater sachverständiger Stellen abzuleiten, bleibt

206  So für die Sachverständigenbeauftragung durch Private allgemein Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 454 f., der die Transparenzpflicht jedoch eher unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten diskutiert. 207  Für verwaltungsberatende sachverständige Stellen sieht insbesondere §  26 VwVfG keine Pflicht zur Offenlegung der Einbindung von (verwaltungsexternen) sachverständigen Stellen vor. Für den insoweit vergleichbaren Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG siehe § 3 B. II. Siehe ergänzend die einleitende Darstellung oben unter B. II. 1. d. ) bb). 208  Zum Einbindungsmodus des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. II. Zu seiner für den Antragsteller nicht offenkundigen Tätig­ keit auf der Verfahrensebene siehe oben § 4 C. IV. 1. Für das vorliegend nicht be­ trachtete Nachmarktzulassungsverfahren i. S. d. § 105 AMG führt das BfArM immer­ hin eine Liste über die Liste von bestellten unabhängigen Gegensachverständigen i. S. d. § 105 Abs. 5a S. 5 AMG, vgl. https://www.bfarm.de/DE/Arzneimittel/Arznei mittelzulassung/Zulassungsverfahren/National/zul-best-unabh-gegens_neu.html (zu­ letzt abgerufen am 07.08.2019).



B. Einbindungsmodus391

auch den Befürwortern dieses Ansatzes nicht verborgen.209 Indes begegnet die verfassungsrechtliche Herleitung von rechtspolitisch für sinnvoll oder gar wünschenswert erachteten Publizitätspflichten nicht nur allgemeinen, rechts­ methodischen Bedenken. Vielmehr lassen ihre Befürworter auch offen, wel­ che Verfahrens- und Formanforderungen an den Publizitätsakt zu stellen sind und welche Rechtsfolgen eine fehlerhafte bzw. vollständig unterbliebene Offenlegung im Einzelfall hätte. Diese Problematik mag durch einen Rück­ griff auf die Fehlerheilungsvorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts grundsätzlich zu lösen sein. Dass aber eine zunächst aus dem Rechtsstaatsund Demokratieprinzip abgeleitete Offenlegungspflicht im Fall ihrer Verlet­ zung dann doch nach Maßgabe des einfachen Rechts durch schlichte Nach­ holung entweder heilbar (vgl. § 45 VwVfG) oder gegebenenfalls gar unbe­ achtlich (§ 46 VwVfG) sein soll,210 drängt sich systematisch nicht notwen­ digerweise auf. Im Übrigen wird man auch unter Berücksichtigung des Normbestands, den der Gesetzgeber durch die Implementierung von all­ gemeinen Verfahrensgrundsätzen in den §§ 9 ff. VwVfG geschaffen hat, bei der Kreierung neuer, ungeschriebener Verfahrenspflichten aus Gründen der Rechtsklarheit Zurückhaltung üben müssen. Insgesamt erscheint es daher vorzugswürdig, die im Schrifttum diskutierte Einbindungspublizität eher als eine rechtspolitische Handlungsaufforderung an den Gesetzgeber denn als sanktionsbewerte Rechtspflicht der Verwaltungsbehörden zu interpretie­ ren.211 2. Kohärenz Unter Kohärenzgesichtspunkten sind die betrachteten Einbindungsmodi im Hinblick auf drei Aspekte zu untersuchen. Erstens ist in den Blick zu neh­ men, inwieweit sich die Ausgestaltung von obligatorischen und fakultativen Einbindungsmodi als kohärent erweist. Zweitens ist nach der Kohärenz der für verwaltungsinterne und für verwaltungsexterne sachverständige Stellen geltenden Einbindungsmodi zu fragen. Drittens ist zu prüfen, ob sich die Ausgestaltung der verschiedenen Einbindungsmodi im Hinblick auf die Rechtsqualität der Entscheidungsbeiträge der jeweiligen sachverständigen Stellen als systemgerecht und widerspruchsfrei darstellt.

209  Siehe nur Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 73 („dürfte […] grundsätzlich zwingend geboten sein“). 210  Nach Maßgabe der in § 44 Abs. 3 VwVfG zum Ausdruck kommenden Wer­ tungen dürfte es abwegig sein, dass eine unterbliebene Offenlegung der Einbindung einer sachverständigen Stelle im Einzelfall zur Nichtigkeit eines Verwaltungsakts führen kann. 211  Siehe insoweit näher unten B. II. 3. b).

392

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

a) Obligatorische und fakultative Einbindungsmodi Wie dargelegt, verläuft die Trennlinie zwischen den erörterten Einbin­ dungsmodi nicht notwendigerweise entlang der Rechtsform, des Rechtsstatus oder der originären Entscheidungsgewalt sachverständiger Stellen, sondern bestimmt sich eher danach, ob letztere obligatorisch oder fakultativ in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren eingebunden wer­ den.212 In den vorliegend betrachteten Referenzgebieten finden sich obligatorische Einbindungsmodi sowohl bei verwaltungsinternen wie auch bei verwaltungs­ externen sachverständigen Stellen, die mit Aufgaben der Verwaltungsbera­ tung, Entscheidung oder spezifischen Belangwahrung betraut sein können.213 Während im Fall der Betrauung sachverständiger Stellen mit der Verfahrens­ durchführung und außenwirksamen Entscheidung über den Zulassungsantrag ihre obligatorische Einbindung im Zulassungsverfahren regelungsimmanent ist,214 hängt ihre verpflichtende Einbeziehung zwecks Beratung oder Belang­ wahrung stark von den Sachgegebenheiten des jeweiligen Zulassungsverfah­ rens ab. So hat der Gesetzgeber etwa die Bündelung von spezifischer Exper­ tise in der ZKBS und der obligatorischen Beteiligung des Gremiums im einzelfallbezogenen Zulassungsverfahren für unerlässlich erachtet, um die Risiken und Gefahren der Gentechnik im administrativen Entscheidungspro­ zess adäquat beurteilen zu können.215 Auch die obligatorische Einbindung belangwahrender sachverständiger Stellen, deren Tätigkeit der Wahrnehmung und Wahrung von Allgemeininteressen zu dienen bestimmt ist, drängt sich aus Sach- bzw. Zweckmäßigkeitsgründen auf,216 mag die obligatorische Ver­ fahrenseinbindung einer sachverständigen Stelle auch nicht notwendiger­ weise mit einer ihr auferlegten Mitwirkungs- bzw. Beteiligungspflicht korre­ spondieren.217 Insoweit führt es auf keinen systematischen Widerspruch, wenn der Ge­ setzgeber in anderen Bereichen lediglich fakultative Einbindungsmodi imple­ mentiert und es dem Verfahrensermessen der außenverantwortlich handeln­ den Zulassungsbehörde überlässt, inwieweit diese die beratende Unterstüt­ zung einer sachverständigen Stelle in Anspruch nimmt (z. B. beim Sachver­

212  Zur

diesbezüglichen Bestandsaufnahme siehe zusammenfassend oben B. I. dazu die Einbindungsmodi oben in § 3 C. II.; § 3 D. II.; § 4 B. II.; § 4 D. II.; § 5 B. II.; § 5 C. II; § 5 D. II. 214  Siehe hierzu die Betrachtungen oben § 4 B. II; § 4 D. II. 215  Zum Einbindungsmodus der ZKBS siehe § 3 C. II. 216  Zu den entsprechenden Einbindungsmodi siehe § 5 B. II.; § 5 C. II; § 5 D. II. 217  Siehe insoweit für die anerkannten Umweltverbände oben § 5 C. II. u. C. IV. 1. 213  Siehe



B. Einbindungsmodus393

ständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG)218 oder ihre im Außenverhältnis zu erlassende Zulassungsentscheidung in der Sache auf eine andere sachverständige Stelle verlagert (z.  B. beim Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG).219 Im Kern ist die Ausgestaltung von obligatorischen, fakultativen oder auch „gemischten“220 Einbindungsmodi eine in den Spezifika des be­ treffenden Sachgebiets wurzelnde, zuvörderst politisch zu beantwortende Frage. Daher begegnen die variierenden Modelle in den vorliegend betrach­ teten Referenzgebieten keinen Bedenken hinsichtlich ihrer Kohärenz. b) Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sachverständige Stellen Des Weiteren lässt sich die Frage nach der Kohärenz der betrachteten Ein­ bindungsmodi grundsätzlich auch für die Vergleichsgruppe der verwaltungs­ internen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen aufwerfen. Indes ist bereits die regulatorische Ausgangslage für die Einbindung ver­ waltungsinterner und verwaltungsexterner sachverständiger Stellen nicht identisch. Während der Staat bei verwaltungsinternen sachverständigen Stel­ len, mithin Behörden im organisationsrechtlichen Sinne, selbst über deren Einrichtung und Aufgabenzuweisung bestimmen kann, stehen ihm verwal­ tungsexterne sachverständige Stellen für eine verwaltungsseitige bzw. ver­ waltungssubstituierende Tätigkeit in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren nicht unmittelbar zur Verfügung, sondern müssen staatlicherseits erst aktiviert bzw. mobilisiert werden. Dabei hat die Untersu­ chung der verschiedenen Referenzgebiete eine große Akteursvielfalt inner­ halb der Gruppe der verwaltungsexternen sachverständigen Stellen aufge­ zeigt, für die entsprechend unterschiedlich konzipierte Einbindungsmodi vorgesehen sind.221 Von diesem Befund ausgehend sind die für verwaltungsinterne sachver­ ständige Stellen zu implementierenden Einbindungsmodi grundsätzlich „einfacher“222 auszugestalten. Abstrakt-organisatorisch sind sämtliche Be­ hörden ungeachtet der von ihnen im Zulassungsverfahren wahrzunehmenden Aufgabe zunächst zu errichten, zu organisieren, personell und sachlich aus­ zustatten sowie mit Aufgaben zu betrauen. Erst auf der Ebene des einzelfall­ 218  Zum

Einbindungsmodus siehe oben § 3 B. II. Einbindungsmodus des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. II. 220  So bei der DFS, siehe oben § 3 D. II. 221  Zur Zusammenfassung der Normbestände und Regelungsstrukturen siehe oben B. I. 222  Diese Aussage ist lediglich konzeptionell gemeint und bezieht sich nicht auf die inhaltlich selbstredend überaus komplexen Organisationsfragen. 219  Zum

394

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

bezogenen Zulassungsverfahrens variiert die Einbindung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen danach, ob diese aufgrund der ihnen obliegenden Verfahrensfederführung und Entscheidungskompetenz im Außenverhältnis selbst Adressaten des Zulassungsantrags des Antragstellers sind223 oder sie von der jeweils federführenden Behörde im Zulassungsverfahren verwal­ tungsintern beteiligt werden.224 Deutlich heterogener ist die Bandbreite der für die Einbeziehung verwal­ tungsexterner sachverständiger Stellen vorgesehenen Einbindungsmodi. Beim Einsatz von pluralistisch besetzten – d. h. personell mit Vertretern aus unter­ schiedlichen Disziplinen zusammengesetzten – Kollegialgremien wie der ZKBS im Gentechnikrecht oder den Ethik-Kommissionen im Arzneimittel­ recht kann und muss der Gesetzgeber in organisationsrechtlicher Hinsicht insbesondere die Größe der Gremien sowie deren Besetzungskonzept vorge­ ben.225 Dabei ist die organisatorische Einrichtung, Besetzung und Aufgaben­ zuweisung von Kollegialgremien im Hinblick auf ihren Einbindungsmodus auch dann „behördenähnlich“, wenn sie – wie im Fall der ZKBS – nicht als funktionale Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG anzusehen sind.226 Auch bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen wie der DFS, die hoheitlich beherrscht werden, kann der Staat über die Einrichtung und Organisation grundsätzlich selbst entscheiden bzw. Einfluss nehmen.227 Bei den „übrigen“ 223  Dazu am Beispiel der Bundesnetzagentur oben § 4 B. II. u. B. IV. 1. Als wei­ tere Einbindungskonstellation, auf die vorliegend nicht anhand eines spezifischen Referenzgebiets gesondert, der Sache nach aber im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren i. S. d. §§ 18 ff. NABEG einge­ gangen wurde, ist auf die im Fachplanungsrecht mitunter vorgesehene Trennung zwischen Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde hinzuweisen. Gemäß § 73 Abs. 9 VwVfG gibt die Anhörungsbehörde zum Ergebnis des Anhörungsverfahrens eine Stellungnahme ab und leitet diese der Planfeststellungsbehörde innerhalb eines Mo­ nats nach Abschluss der Erörterung gemeinsam mit dem Plan, den Stellungnahmen der Behörden und der Vereinigungen sowie den nicht erledigten Einwendungen zu. Hier erfolgt die Einbindung der Planfeststellungsbehörde also im Wege einer Verfah­ rensübergabe. 224  Für das BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren siehe oben § 5 B. II. u. B. IV. 1. 225  Zur Verwirklichung bei der ZKBS siehe oben § 3 C. II. u. C. III. 1. Für die Ethik-Kommissionen siehe oben § 5 D. II. u. D. III. 1. Siehe aus dem Schrifttum zu den rechtlichen Anforderungen an die Kollegialorganisationen am Beispiel von EthikKommissionen etwa Delhey, Staatliche Risikoentscheidungen, S. 86 ff., 327 ff. 226  Zur rechtlichen Stellung der ZKBS siehe oben § 3 C. II. Demgegenüber sind Ethik-Kommissionen, die bei der Zulassung von klinischen Prüfungen von Arzneimit­ teln bei Menschen i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG mitwirken, als Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG zu qualifizieren, siehe dazu oben § 5 D. I. u. D. II. 227  Da mit der Einrichtung hoheitlich beherrschter Unternehmen keine im Kon­ text des Untersuchungsgegenstands spezifisch zu klärenden Fragen verbunden sind,



B. Einbindungsmodus395

verwaltungsexternen sachverständigen Stellen kann ihre Einbindung in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hingegen von einem vorgelagerten Eignungsfeststellungsverfahren abhängen (Benennungs­ verfahren für Benannte Stellen,228 Anerkennungsverfahren für Umwelt­ verbände229) oder lediglich in das Hinzuziehungsermessen (Sachverständige i. S. d. §  20 S.  1 AtG,230 Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG)231 der federführenden Behörde gestellt sein. Im Übrigen werden auch bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen die weiteren verfahrens­ rechtlichen Modalitäten ihrer Einbindung durch ihre Stellung und ihren Auf­ gabenbereich im jeweiligen Zulassungsverfahren bestimmt: Sind ihnen Handlungs- und Entscheidungskompetenzen im Außenverhältnis eingeräumt, erfolgt ihre Verfahrenseinbindung durch die Antragseinreichung seitens des Antragstellers.232 Bei rein interner Wirkung ihrer Tätigkeit werden verwal­ tungsexterne sachverständige Stellen ungeachtet einer etwaigen Binnen­ rechtsverbindlichkeit ihres Entscheidungsbeitrags im Zulassungsverfahren über die jeweils federführende Behörde eingebunden.233 Insgesamt lassen sich Systemwidrigkeiten oder Widersprüche bezüglich der unterschiedlichen Einbindungsmodi für verwaltungsinterne und verwal­ tungsexterne sachverständige Stellen nicht feststellen. In der Gesamtschau ergeben die ausdifferenzierten Einbindungsmodi vielmehr ein kohärentes Regelungskonzept, das den unterschiedlichen Rechtsformen der jeweiligen sachverständigen Stellen Rechnung trägt. c) Entscheidungsbefugte und entscheidungsvorbereitende sachverständige Stellen Fraglich erscheint jedoch, ob sich die Ausgestaltung der vorliegend be­ trachteten Einbindungsmodi auch unter dem Gesichtspunkt der unterschied­ lichen Rechtsqualität der Entscheidungsbeiträge der jeweiligen sachverstän­ digen Stellen als kohärent darstellt. Diese Problematik betrifft insbesondere die Gruppe der verwaltungsexternen Stellen, die sich insoweit aus Stellen mit formellen Außenentscheidungskompetenzen, binnenrechtlich verbind­ wurde auf diesbezügliche Problemfelder im Rahmen der Betrachtung des Einbin­ dungsmodus der DFS nicht näher eingegangen, siehe oben § 3 D. II. 228  § 4 D. II. 229  § 5 C. II. 230  § 3 B. II. 231  § 4 C. II. 232  So bei den Benannten Stellen im Medizinprodukterecht (§ 4 D. II) und den Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht (§ 5 D. II.). 233  Siehe insoweit § 3 B. II.; § 3 C. II.; § 3 D. II; § 4 C. II.; § 5 C. II.

396

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

lichen Sachentscheidungsbefugnissen und reinen Beratungsaufgaben zusam­ mensetzt.234 Anknüpfungspunkt der diesbezüglichen Kohärenzbetrachtung ist die oben bereits angeführte „Je desto-Formel“, die bei steigendem rechtlichen Einfluss einer verwaltungsexternen sachverständigen Stelle die Statuierung besonderer, die entsprechende Tätigkeit regulatorisch angemessen einhegen­ der Anforderungen verlangt. Dabei bedürfen die wesentlichen Grundzüge der Art und Weise der Mitwirkung der externen sachverständigen Stellen einer Regelung durch den Gesetzgeber.235 Diesen Kohärenzanforderungen genügen die vorliegend als Teilausschnitt der Rechtsordnung betrachteten Referenzge­ biete nicht. Eine Korrelation zwischen dem Detaillierungsgrad der regulato­ rischen Ausgestaltung von Einbindungsmodi und der Rechtsqualität von Entscheidungsbeiträgen externer sachverständiger Stellen ist nicht festzustel­ len. Plastisch ist insoweit vor allem der Vergleich zwischen dem mit originä­ ren Sachentscheidungskompetenzen ausgestatteten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG und dem Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, dem lediglich die Abgabe rechtlich unverbindlicher Gutachten obliegt. Nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ müssten für den Gegensachverständi­ gen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG besondere Verfahrensanforderungen (z. B. Durchlauf eines besonderen Eignungsverfahrens, besondere Verpflichtung des Gegensachverständigen auf das Gemeinwohl, Aufrufe zur Bewerbung als Gegensachverständiger,236 Mitteilung der Einbindung eines Gegensachver­ ständigen gegenüber dem Antragsteller bzw. Offenlegung des Beauftragungs­ verhältnisses gegenüber Dritten) zu finden sein, wohingegen die Regelungs­ dichte des für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG geltenden Einbin­ dungsmodus grundsätzlich geringer ausfallen dürfte. Dies ist ausweislich der durchgeführten Bestandsaufnahme jedoch nicht der Fall. In welchen Fällen die Hinzuziehung eines Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG notwendig bzw. erforderlich ist, überlässt das Gesetz ausschließlich dem Hinzuziehungsermessen der zuständigen Bundesoberbehörde, ohne dass die Modalitäten der Einbindung im kodifizierten Recht näher geregelt würden.237 Lediglich die materiell-rechtlichen Auswahlanforderungen an den Gegen­ sachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG werden auf der Vollzugsebene näher konkretisiert.238 Für die Einbindung des lediglich beratend tätigen 234  Siehe

insoweit auch oben B. II. 1. c) dd) (2). Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); ähnlich zuvor ­Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66; siehe ferner Di Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 462. 236  Siehe auf der Ebene des Unionsrechts etwa die Bestimmung des Art. 28 Abs. 5 Hs. 1 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, die die Besetzung des „Wissenschaftlichen Ausschusses“ und der „Wissenschaftlichen Gremien“ der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit regelt. 237  Siehe hierzu insgesamt oben § 4 C. II. 235  Prägnant



B. Einbindungsmodus397

Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG finden sich auf der Gesetzes­ebene qualitativ weitgehend vergleichbare Regelungsstrukturen.239 In den betrach­ teten Einbindungsmodi kommt die unterschiedliche Rechtsqualität der Ent­ scheidungsbeiträge des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG und des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG nicht zum Ausdruck. Insoweit erweist sich die Ausgestaltung der Einbindungsmodi in den genannten Refe­ renzgebieten nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ nicht als kohärent. 3. Rechtspolitischer Ausblick In rechtspolitischer Hinsicht ist bezüglich der betrachteten Einbindungs­ modi zunächst auf aktuelle, vornehmlich das Fachplanungsrecht betreffende Entwicklungen einzugehen (dazu a)), die einen Querbezug zur oben bereits diskutierten Problematik um die Einbindungspublizität bei der fakultativen Hinzuziehung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen aufweisen. Hie­ ran anknüpfend ist die Frage der Herstellung von Publizität in fakultativen Einbindungsmodi noch einmal in rechtspolitischer Hinsicht zu behandeln (dazu b)). Daneben ist die im Rahmen der Untersuchung der ZKBS ange­ sprochene Thematik der regulatorischen Vorstrukturierung von Besetzungs­ verfahren bei sachverständigen Kollegialgremien, die grundsätzlich auch für andere in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren mitwirkende Gremien von Bedeutung ist, erneut aufzugreifen (dazu c)). a) Aktuelle Entwicklungen Wie bereits oben angedeutet,240 setzt der Bundesgesetzgeber in jüngeren Novellierungen fachplanungsrechtlicher Zulassungsverfahren verstärkt auf den Einsatz von Projektmanagern, die von der zuständigen Behörde mit der Vorbereitung und Durchführung einzelner Verfahrensschritte beauftragt wer­ den können. Für das vorliegend näher betrachtete Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben (§§ 18 ff. NABEG) enthält § 29 NABEG eine inso­ weit typische Regelung für den behördlichen Einsatz von Projektmana­ gern.241 Nach Maßgabe von § 29 S. 1 NABEG kann die Bundesnetzagentur als zuständige Planfeststellungsbehörde auf Vorschlag oder mit Zustimmung des Vorhabenträgers und auf dessen Kosten einen Projektmanager mit der Durchführung verschiedener, gesetzlicher nicht abschließend („insbeson­ 238  § 4 C. III. 239  Siehe

oben § 3 B. II. u. B.III. oben B. II. 1. d) bb). 241  Parallele bzw. ähnliche Vorschriften enthalten §  2 Abs. 2 S. 3 Nr. 5 der 9. BImSchV, § 17a AEG, § 17h FStrG, § 14f WaStrG. 240  Dazu

398

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

dere“) aufgeführter Verfahrensschritte beauftragen. Dies schließt auch die Beauftragung mit der Abfassung von Entscheidungsentwürfen ein.242 Inso­ weit regelt § 29 S. 2 NABEG zwar, dass die Entscheidung über den Plan­ feststellungsantrag allein der Bundesnetzagentur vorbehalten bleibt. Durch diese Bestimmung soll klargestellt werden, dass Projektmanager lediglich den behördlichen Entscheidungsprozess unterstützen sollen, nicht aber selbst die Entscheidung über die Vorhabenzulassung und die hiermit einhergehen­ den Eingriffe in Rechte Dritter (Stichwort: enteignungsrechtliche Vorwir­ kung des Planfeststellungsbeschlusses) treffen dürfen.243 Im Schrifttum wird jedoch bereits kritisch angemerkt, die Einsetzung von Projektmanagern dürfe nicht dazu führen, dass die im Einzelfall zuständige Planfeststellungs­ behörde nur noch „den vom Projektmanager vorbereiteten Entwurf des Planfeststellungsbeschlusses zu unterschreiben“ habe.244 Eben dies ist nach gegenwärtiger Rechtslage jedoch gerade nicht effektiv abgesichert, wenn­ gleich in jüngerer Zeit das OVG Lüneburg in einer in anderem Zusammen­ hang ergangenen Entscheidung eine Pflicht der Zulassungsbehörde ange­ nommen hat, einen vorbereitenden Entscheidungsbeitrag einer externen sachverständigen Stelle umfassend zu überprüfen und das Ergebnis dieser Prüfung in den Verwaltungsvorgängen schriftlich zu dokumentieren.245 Dies sei erforderlich, um die inhaltliche Übernahme des Entscheidungsbeitrags der externen sachverständigen Stelle als ein „Element eigener willkürfreier behörd­licher Willensbildung“ ansehen zu können.246 Bejaht man mit dem OVG Lüneburg ein dahingehendes Kontrollbedürfnis, erscheint es rechts­ politisch sinnvoll bzw. sogar erforderlich, Zulassungsbehörden auf der Or­ ganisations- bzw. Verfahrensebene durch entsprechende Vorgaben im kodifi­ zierten Recht zu verpflichten, die Einbindung verwaltungsexterner sachver­ ständiger Stellen sowohl gegenüber dem Antragsteller als auch gegenüber Dritten offenzulegen.247 De lege lata ist eine derartige Offenlegungspflicht in den praktisch relevanten248 Konstellationen der fakultativen Einbindung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen nicht vorgesehen.249 Diesbe­ züglich führt die jüngste Ausweitung des Instruments des Projektmanagers in verschiedenen Bereichen des Fachplanungsrechts die bereits gegenwärtig in: de Witt/Scheuten, NABEG, § 29 Rn. 13. Gesetzesbegründung siehe BT-Drs. 17/6073, S. 31. 244  So Antweiler, NVwZ 2019, 29 (31). 245  Siehe OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.02.2019 – 12 ME 219/18 –, juris, Rn. 55. 246  Ebda. 247  Siehe dazu sogleich unten B. II. 3. b). 248  Die praktische Relevanz fakultativer Einbindungsmodi verdeutlicht bereits die allgemeine Vorschrift des § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG. 249  Dazu oben B. II. 1. d) bb). 242  Scheuten, 243  Zur



B. Einbindungsmodus399

für die fakultative Einbindung des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG und des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG geltende Rechts­ lage fort.250 b) Nochmals: Publizität der fakultativen Einbindung externer sachverständiger Stellen Vor dem Hintergrund der rechtspolitisch nicht ganz befriedigend erschei­ nenden Rechtslage bezüglich der Herstellung von Einbindungspublizität und den dargelegten Bedenken gegenüber einer verfassungsrechtlichen Herleitung von ungeschriebenen Verfahrens- und Formvorschriften251 wird vorgeschla­ gen, Zulassungsbehörden auf der Ebene des einfachen Gesetzesrechts zur Offenlegung der von ihnen fakultativ in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren eingebundenen verwaltungsexternen sach­ verständigen Stellen zu verpflichten. Dieser Vorschlag dient zum einen der Egalisierung der bislang unterschiedlich gewährleisteten Publizität von obli­ gatorischen und fakultativen Einbindungsmodi,252 für die es rechtspolitisch keinen einleuchtenden Grund gibt.253 Zum anderen kann Einbindungspublizi­ tät die Handlungsrationalität und Sachorientierung der Behörden sowie der von ihnen beigezogenen sachverständigen Stellen absichern.254 Um eine „Überfrachtung“ des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts mit spezifi­ schen Problemstellungen des besonderen Verwaltungsrechts zu vermeiden, dürfte das jeweils einschlägige Fachrecht als geeigneter Regelungsstandort anzusehen sein. Praktische Umsetzungsfragen können und sollen hier nicht näher behandelt werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob und inwieweit die Realisierung des vorliegenden Vorschlags einen Anpas­ sungsbedarf im sonstigen Fachrecht auslöst (z. B. im „Standesrecht“). In rechtstechnischer Hinsicht gibt bezüglich des „Wie“ der Schaffung von Ein­ bindungspublizität bereits das geltende Recht einen Fingerzeig. Neben einer Bekanntmachung im Bundesanzeiger255 bietet sich allen voran das Internet

250  Zu

beiden Einbindungsmodi siehe wiederum oben § 3 B. II. und § 4 C. II. oben B. II. 1. d) bb). 252  Siehe insoweit insgesamt oben B. II. 1. d). 253  Insbesondere dann nicht, wenn die fakultative Einbindung einer sachverstän­ digen Stelle praktisch ein auf Dauer angelegtes Verwaltungsberatungsverhältnis dar­ stellt. Siehe in diesem Zusammenhang zu unterschiedlichen Phasen der Sachverstän­ digenbeteiligung im Atomrecht oben § 3 B. IV. 2. b). 254  In einem anderen Kontext, der Sache nach aber ähnlich Scholl, Der private Sachverständige im Verwaltungsrecht, S. 454 f. 255  § 2 Abs. 2 ZKBS-Verordnung. 251  Siehe

400

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

als Publizitätsmedium an.256 Um den organisatorischen Aufwand bei der Offenlegung der Verfahrenseinbindung möglichst gering zu halten, bietet sich überdies – soweit vorhanden – der Rückgriff auf sachbereichsspezifisch bereits etablierte Datenbank- bzw. Portalstrukturen an.257 c) Vorstrukturierung des Besetzungsverfahrens von Kollegialgremien Wie im Zuge der Untersuchung des Referenzgebiets dargelegt, begegnet das informelle Abstimmungsverfahren, welches der Wissenschaftsrat bei der Erstellung seiner Vorschlagsliste für die Gruppe der in die ZKBS zu beru­ fenden Sachverständigen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG mit anderen Wissenschaftsorganisationen durchführt, legitimatorischen Bedenken.258 Ver­ gleichbare Probleme wirft nach hiesiger Auffassung das in § 25 Abs. 6 S. 4 AMG geregelte Verfahren zur Berufung der Mitglieder der Zulassungskom­ mission im Arzneimittelrecht auf. Zwar erscheint die Einbeziehung der in den einschlägigen Rechtsvorschriften genannten Interessengruppen generell unverzichtbar, um geeignete Mitglieder für die vom Staat zur Aufgaben­ erfüllung eingesetzten Sachverständigengremien zu finden. Dass die Interes­ sengruppen die ihnen eingeräumten Vorschlagsrechte gemeinwohldienlich ausüben und keine Partikularinteressen verfolgen, wird jedoch rechtlich nicht gewährleistet, sondern stillschweigend vorausgesetzt. Die formellen Letztentscheidungskompetenzen der Ministerialverwaltung (vgl. § 2 Abs. 1 S. 1 ZKBS-Verordnung und § 25 Abs. 6 S. 4 AMG) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Staat regelmäßig keine substanziellen Informa­ tionen darüber vorliegen, welche Personen für eine Berufung in ein Gre­ mium besonders geeignet sein könnten. Eben dieses Erkenntnisdefizit ist gerade der Grund für die Implementierung von Beteiligungs- und Vor­ schlagsrechten zu Gunsten zivilgesellschaftlicher Gruppen. Zwecks Einhe­ gung dieser Problematik ist daher zu erwägen, das Berufungsverfahren für die Gremienmitglieder hinsichtlich der Beteiligung von mit Vorschlagsrech­ ten ausgestatteten Interessengruppen der Zivilgesellschaft regulatorisch stär­ ker vorzustrukturieren. Insoweit könnte es unter Legitimationsgesichtspunk­ ten bereits genügen, das bislang informelle Abstimmungsverfahren im Wis­ senschaftsbereich auf eine gesetzliche bzw. untergesetzliche Rechtsgrund­ lage zu stellen. Im Übrigen dürften die Möglichkeiten für eine inhaltliche Ausgestaltung der Mitwirkung zivilgesellschaftlicher Gruppen jedoch be­ 256  Für die Anerkennung von Umweltverbänden siehe insoweit § 3 Abs. 1 S. 5 UmwRG. 257  Aus dem Fachrecht siehe § 20 UVPG; Art. 57 Verordnung (EU) Nr. 2017/745. 258  Dazu oben B. II. 1. c) dd) (2) (c). Zum Einbindungsmodus der ZKBS siehe oben § 3 C. II.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen401

grenzt sein. Nicht zuletzt aufgrund des Informationsdeltas zwischen Staat und Wissenschaftsbereich hinsichtlich der für eine Berufung in Betracht kommenden Personen ist realistischerweise anzunehmen, dass sich die Mo­ dalitäten des Besetzungsverfahrens für Gremien im Detail erst auf der Ebene des Verwaltungsvollzugs herausbilden. Hieran würde auch der hie­ sige Vorschlag nichts ändern.

C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen Für die verschiedenen Referenzgebiete wurde des Weiteren jeweils unter­ sucht, welche Anforderungen an die Fachkompetenz und Unabhängigkeit von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren eingebundenen sachverständigen Stellen gestellt werden. Im Folgen­ den werden die für die Untersuchungsgruppen der verwaltungsberatenden, entscheidungsbefugten und belangwahrenden sachverständigen Stellen er­ zielten Erkenntnisse zusammengeführt und analysiert.

I. Fachkompetenz Zunächst sind für die Anforderung der Fachkompetenz der anhand der Referenzgebiete ermittelte Normbestand sowie die herausgearbeiteten Rege­ lungsstrukturen überblicksartig darzustellen. Anschließend werden die Be­ funde aus den Referenzgebieten in einem übergeordneten Kontext analysiert. 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Die Bestandsaufnahme für alle untersuchten Referenzgebiete hat gezeigt, dass sachverständige Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebunden werden, unabhängig von ihrer Rechtsform und konkreten Aufgabenstellung hinreichend fachkompe­ tent sein müssen. Wodurch sich diese Fachkompetenz der jeweiligen sach­ verständigen Stellen im Detail auszeichnet (abstrakte Qualifikationsanforde­ rungen, Fortbildungspflichten, personelle und technische Ausstattung, Me­ thodenwissen und Beherrschung von Prüftechniken) ist auf Gesetzes- oder Verordnungsebene typischerweise nicht näher geregelt. Für die Gruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen ergibt sich der vorstehende Befund insbesondere aus der Untersuchung des im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren fakultativ einzubeziehenden Sach­ verständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG. Zur Konkretisierung der vom Sachver­ ständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG geforderten Fachkompetenz enthält § 12 S. 1

402

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Nr. 9 AtG259 zwar bereits seit dem Jahr 1976260 eine Ermächtigungsgrund­ lage, die den Verordnungsgeber unter verschiedenen Gesichtspunkten berech­ tigt, fachliche Anforderungen an Einzelsachverständige wie auch an Sachver­ ständigenorganisationen zu formulieren. Von dieser Ermächtigungsgrundlage hat der Verordnungsgeber aus vorliegend nicht aufklärbaren Gründen jedoch bis heute keinen Gebrauch gemacht. Da sich auch im Übrigen aus dem ein­ schlägigen untergesetzlichen Regelwerk keine konkreten, über die enumera­ tive Aufzählung der Kriterien aus § 12 S. 1 Nr. 9 AtG nennenswert hinausge­ henden Anforderungen an Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG entnehmen lassen, bleibt die Konkretisierung deren Fachkompetenz weitgehend dem Verwaltungsvollzug vorbehalten.261 Für die ebenfalls verwaltungsberatend tätige ZKBS, deren institutionelle Fachkompetenz sich vornehmlich aus der individuellen Fachkompetenz ihrer Mitglieder ergibt, hat der Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 S. 2 GenTG ein personelles Besetzungskonzept formuliert, durch das deutlich wird, dass namentlich die in der ZKBS tätigen Sachverständigen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG Personen aus dem Wissenschaftsbereich sein müssen. Wodurch sich die in § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG vorausgesetz­ ten „besonderen und möglichst auch internationalen Erfahrungen“ der Sach­ verständigen konkret auszeichnen und über welche fachlichen Kenntnisse diese im Übrigen verfügen müssen (z. B. Fortbildung, Prüf- und Beurtei­ lungsmethodik), lassen das Gesetz sowie das untergesetzliche Regelwerk weitgehend offen.262 Ebenso wenig werden die der DFS bei der Erfüllung ihrer Rolle als Verwaltungsgutachterin im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG abzuverlangenden fachlichen Anforderungen im kodifizierten Recht definiert. Insbesondere ist nicht geregelt, mit welcher Prüf- bzw. Beurteilungsmethode die DFS das Vorliegen einer Störung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu ermitteln und festzustellen hat.263 259  Wie oben dargelegt, wurde die Vorschrift sowohl hinsichtlich ihres Rege­ lungsstandortes als auch inhaltlich mehrfach geändert, zuletzt durch Art. 3 Nr. 8 des „Gesetzes zur Neuordnung des Rechts zum Schutz vor der schädlichen Wirkung ioni­ sierender Strahlung“ vom 27.06.2017 (BGBl. I 2017, S. 1966). Durch die letztge­ nannte Änderung ist der vormalige Abs. 2 der Vorschrift entfallen. Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung wurde und wird auf die gegenwärtig gültige Fassung der Vorschrift abgestellt. 260  Siehe § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 8a) AtG i. d. F. des „Vierten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes“ vom 30.08.1976 (BGBl. I 1976, S. 2573). 261  Zur Fachkompetenz des Sachverständigen i.  S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. III. 1. 262  Zur Fachkompetenz der ZKBS siehe oben § 3 C. III. 1. Soweit sich aus inter­ nen Verwaltungsvorschriften ein anderer Befund ergeben sollte, konnten diese man­ gels Zugänglichkeit vorliegend nicht berücksichtigt werden. 263  Zur Fachkompetenz der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG siehe oben § 3 D. III. 1.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen403

Ein ganz ähnliches Bild hat die durchgeführte Bestandsaufnahme für die Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen ergeben. Für die als „behördliches“ Referenzgebiet behandelte Tätigkeit der Bundesnetzagen­ tur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG hat die Unter­ suchung exemplarisch gezeigt, dass die institutionelle Fachkompetenz von Behörden nicht durch Vorgaben im kodifizierten Recht, sondern durch „schlichte“ Einrichtung und Organisation regulatorisch gewährleistet wird. Auch für die einzelnen Amtswalter, die vorliegend mangels Erkenntnisinte­ resse nicht näher betrachtet wurden, finden sich jedenfalls im hier zu unter­ suchenden Fachrecht264 keine näher kodifizierten Anforderungen an ihre ab­ strakt-fachliche Qualifikation oder Methodenkompetenz.265 Für den beliehe­ nen, mit originären Sachentscheidungskompetenzen ausgestatteten Gegen­ sachverständigen i.  S.  d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG normiert das Gesetz in fachlicher Hinsicht die Vorgabe der „erforderlichen Sachkenntnis“ (§ 25 Abs. 5 S. 6 AMG), ohne dieser allgemeinen Anforderung jedoch inhaltliche Konturen zu verleihen. Dementsprechend ist die Konkretisierung der dem Gegensachverständigen abzuverlangenden Fachkompetenz dem Verwaltungs­ vollzug des BfArM überlassen, das diesbezüglich auf die Inhalte der zur Vorgängervorschrift des § 25 Abs. 5 S. 5 u. 6 AMG entwickelten Vorgaben zurückgreift.266 Hinsichtlich der im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte mit Außenentscheidungskompetenzen einge­ bundenen Benannten Stellen ergibt sich aus den durch § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommenen Rechtsakten des Unionsrechts ein quantitativ hoher Normbestand, der aufgrund einer Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe (z. B. „erforderliche Ausrüstung und Einrichtungen“, „ausreichend wissenschaft­ liches Personal“, „erforderliche Finanzressourcen“, „höchste berufliche Zu­ verlässigkeit und größte erforderliche Sachkenntnis“ „gute berufliche Ausbil­ dung“) in qualitativer Hinsicht kaum über die Regelungsdichte der im Übri­ gen betrachteten Referenzgebiete hinausgeht. Detailliertere Anforderungen an die Fachkompetenz Benannter Stellen statuiert jedoch die zukünftig das Konformitätsbewertungsverfahren regelnde Verordnung (EU) Nr. 2017/745, die zumindest in Teilen nicht weiter konkretisierungsbedürftige, „vollzugs­ taugliche“ fachliche Anforderungen enthält.267 264  Auf etwaige Vorschriften des Beamtenrechts, des Rechts des öffentlichen Dienstes sowie des Hochschul- bzw. Ausbildungsrechts konnte vorliegend nicht näher eingegangen werden. Es ist allerdings nicht ersichtlich, dass die jeweiligen Rechts­ akte im Hinblick auf den vorliegenden Untersuchungsgegenstand einschlägige Vorga­ ben enthalten. 265  Zur Fachkompetenz der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 1. 266  Zur Fachkompetenz des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. III. 1. 267  Zur Fachkompetenz Benannter Stellen näher oben § 4 D. III. 1.

404

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Schließlich bestätigt auch die Untersuchung der belangwahrenden sachver­ ständigen Stellen die allgemeine regulatorische Zurückhaltung des Gesetzund Verordnungsgebers bei der Ausgestaltung fachlicher Kompetenzanforde­ rungen im geschriebenen Recht. Für die an § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG an­ knüpfende Beteiligung des BAF bei der Zulassung von Windenergieanlagen im BImSchG-Genehmigungsverfahren kann hinsichtlich Normbestand und Regelungsstrukturen des Fachrechts auf die obigen Feststellungen zur Bun­ desnetzagentur sowie zur DFS verwiesen werden.268 Die Fachkompetenz anerkannter Umweltverbände als „Quasi-Verwaltungshelfer“ wird normativ am weitgehend unbestimmten Tatbestandsmerkmal der „Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung“ des § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 UmwRG festge­ macht, dessen Regelungsgehalt im vorliegend untersuchten Teilausschnitt auch auf der Ebene des Verwaltungsvollzugs noch einer greifbaren Konkreti­ sierung harrt.269 Für die Fachkompetenz der in die Zulassung arzneimittel­ rechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingebundenen Ethik-Kommissionen gelten die obigen Aussagen zur ZKBS entsprechend.270 2. Analyseraster Auch für das Merkmal der Fachkompetenz sind im Folgenden Normbe­ stand und Regelungsstrukturen in rechtlicher Hinsicht sowie unter Kohären­ zgesichtspunkten zu analysieren. Hieran schließt sich ein rechtspolitischer Ausblick an. a) Rechtliche Betrachtung Die Fachkompetenz von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen stellt ein aus verschiedenen Vorgaben des Grundgesetzes ableitbares recht­ liches Gebot dar, das für verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sach­ verständige Stellen auf der Ebene des einfachen Rechts sehr unterschiedlich umgesetzt wird. aa) Fachkompetenz sachverständiger Stellen als rechtliches Gebot Wie die Untersuchung der verschiedenen Referenzgebiete gezeigt hat, ist die Fachkompetenz von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch kom­ 268  Siehe zur Fachkompetenz des BAF zudem die ausführlichere Betrachtung oben § 5 B. III. 1. 269  Zur Fachkompetenz anerkannter Umweltverbände siehe oben § 5 C. III. 1. 270  Siehe zur Fachkompetenz von Ethik-Kommissionen ferner oben § 5 D. III. 1.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen405

plexen Zulassungsbehörden eingebundenen sachverständigen Stellen nicht lediglich unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten geboten, sondern stellt eine fachrechtlich teils kodifizierte, teils ungeschriebene rechtliche Tätigkeits­ voraussetzung dar. Dieser zunächst lediglich einfach-rechtliche Befund lässt sich sowohl für verwaltungsinterne (1) als auch für verwaltungsexterne sach­ verständige Stellen (2) an Vorgaben des Grundgesetzes festmachen. (1) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen Für verwaltungsinterne sachverständige Stellen, mithin Behörden im orga­ nisationsrechtlichen Sinne, lässt sich das Gebot der Gewährleistung ihrer Fachkompetenz zunächst aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Vorrang des Gesetzes ableiten. Aus dem rechtsstaatlichen Vorrang des Gesetzes folgt für die Exekutive das zwingende Gebot, die vom Parlament erlassenen Gesetze zu beachten und anzuwenden. Der Vollzug des Gesetzes steht insofern nicht zur Disposition der Verwaltung, sondern ist ihr als Ausführungspflicht auferlegt.271 Dementsprechend muss die Verwaltung alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel ergreifen, um den im kodifizierten Gesetzesrecht zum Ausdruck kommenden Willen des Parlaments in die Tat umzusetzen.272 In verwaltungsorganisationsrechtlicher Hinsicht folgt hieraus eine Pflicht des Staates, die Fachkompetenz der von ihm zur Aufgabenerfül­ lung eingesetzten Behörden zu gewährleisten. Die Anwendung der Gesetze durch die staatlichen Verwaltungsbehörden muss ihnen sowohl in institutio­ neller als auch in personeller Hinsicht ermöglicht werden.273 Darüber hinaus folgt auch aus den Schutzpflichten des Staates für die Grundrechte der Bürger eine Gewährleistungsverantwortung für die Fach­ kompetenz der von ihm in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren mit unterschiedlichen Aufgaben betrauten Behörden.274 Wie schon im Problemaufriss zu Beginn der Untersuchung dargelegt, sind An­ tragsteller von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren häufig ihrerseits sachverständig beraten, wodurch sich bei steigender Komplexität einer Sachmaterie Wissensasymmetrien zum Nachteil der staat­ lichen Verwaltung ergeben können.275 Eine Aufhebung bzw. Kompensation dieses Wissensgefälles erscheint kaum möglich und wird im Fachrecht häufig 271  Ossenbühl, 272  Ebda.

in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR V, § 101 Rn. 5.

273  Wißmann, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundla­ gen des Verwaltungsrechts, Band I, § 15 Rn. 55. 274  Zum Grundrechtsschutz durch Organisation und Verfahren siehe BVerfGE 53, 30 (65 ff.). 275  Siehe oben § 1 A. I. (dort m. w. N.).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

gar nicht erst angestrebt. Deutlich wird dieser Befund insbesondere dann, wenn das Gesetz Antragstellern ausdrücklich die Pflicht auferlegt, ihren Zu­ lassungsanträgen auf eigene Kosten eingeholte Sachverständigengutachten beizufügen. Im vorliegend als Referenzgebiet betrachteten nationalen Arznei­ mittelzulassungsverfahren bilden von den Antragstellern vorgelegte Unter­ lagen und Sachverständigengutachten sogar die behördliche Entscheidungs­ grundlage (§§ 22, 24, 25 Abs. 5 S. 1 AMG).276 Dass derartige von Antragstel­ lern beigebrachte Gutachten von gleichermaßen fachlich qualifizierten wie unabhängigen277 Sachverständigen erstellt wurden, ist selbst bei Erfüllung der an letztere gesetzlich gestellten Anforderungen278 nicht notwendigerweise gesichert.279 Vor diesem Hintergrund fordern die staatlichen Schutzpflichten in den Fällen, in denen von privatnützig agierenden Antragstellern beige­ brachte Sachverständigengutachten ganz oder teilweise die behördliche Re­ gelentscheidungsgrundlage bilden, eine ausreichend personelle Besetzung der Behörden mit verwaltungsinternem Sachverstand, der ihnen in fachlicher Hinsicht zumindest eine Plausibilitätskontrolle ermöglicht.280 (2) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen Auch beim Rückgriff auf die Unterstützung von Privaten trifft den Staat eine fortwährende Gewährleistungsverantwortung für die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung.281 Insoweit können die vorstehenden Ausführungen zur staatlichen Gewährleistungspflicht für die Fachkompetenz verwaltungsinter­ ner sachverständiger Stellen auf verwaltungsexterne sachverständige Stellen grundsätzlich übertragen werden. Die hoheitliche Inanspruchnahme der Ex­ pertise privater sachverständiger Stellen muss sich zwar nicht nur, aber ge­ rade auch im Hinblick auf deren spezifische Fachkompetenz verfassungs­ rechtlich rechtfertigen lassen.282 Als normative Anknüpfungspunkte für die vom Staat sicherzustellende Fachkompetenz verwaltungsexterner sachver­ ständiger Stellen sind zum einen die grundrechtlichen Schutzpflichten und 276  Dazu

näher oben § 4 C. IV. 1. diesem Merkmal siehe ausführlich unten C. II. 278  Siehe insoweit nur die einigermaßen vagen Anforderungen aus § 24 Abs. 3 AMG. 279  Für das Arzneimittelrecht Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (224). 280  Di Fabio, VerwArch 81 (1990), 193 (224 f.); Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (386); für das Umweltrecht siehe etwa Fellenberg, AnwBl 2016, 648 (651), der den Erhalt und Aufbau eigenen behördlichen Sachverstandes fordert. 281  Für den Beliehenen siehe nur BVerfGE 130, 76 (123). 282  Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (384); für eine Pflicht zur Gewährleis­ tung einer fachlichen Mindestqualifikation privater sachverständiger Stellen plädiert auch Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 69. 277  Zu



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen407

zum anderen die in Art. 20a GG statuierte Staatszielbestimmung des Schutzes der natürlichen Lebensgrundlagen zu nennen.283 bb) Mechanismen zur Gewährleistung von Fachkompetenz Wie die Ergebnisse aus den vorliegend betrachteten Referenzgebieten zei­ gen, hängt die Fachkompetenz sachverständiger Stellen zum einen von den naturwissenschaftlich-technischen Modalitäten der jeweiligen Sachmaterie und zum anderen von den rechtlichen Strukturen des betreffenden Rechtsge­ biets ab. Bezüglich der regulatorischen Gewährleistung der Fachkompetenz von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren eingebundenen sachverständigen Stellen kann verallgemeinernd zwi­ schen Regelungsmechanismen für verwaltungsinterne (1) und verwaltungs­ externe sachverständige Stellen (2) differenziert werden. (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen In abstrakt-genereller Hinsicht wird die Fachkompetenz verwaltungsinter­ ner sachverständiger Stellen grundsätzlich durch deren Einrichtung und Or­ ganisation gewährleistet (a). Im Hinblick auf die Anwendung und Beherr­ schung bestimmter Prüf- und Beurteilungsmethoden kann jedoch aufgrund der Vorgaben der in den Grundrechten sowie im Demokratie- und Rechts­ staatsprinzip verankerten Wesentlichkeitstheorie der Gesetzgeber verpflichtet sein, auf gesetzlicher bzw. untergesetzlicher Ebene für eine Maßstabsbildung zu sorgen (b). (a) Durch Einrichtung und Organisation Wie anhand der Einbindung der Bundesnetzagentur im Planfeststellungs­ verfahren nach den §§ 18 ff. NABEG und der Mitwirkung des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren bei der Zulassung von Windenergievor­ haben dargelegt, regelt der Staat die institutionelle Fachkompetenz verwal­ tungsinterner sachverständiger Stellen typischerweise nicht durch Vorgaben im kodifizierten Recht, sondern durch deren „schlichte“ Einrichtung und ihre personelle bzw. technische Ausstattung. Bei der Einrichtung ihrer Behörden müssen Bund und Länder die im Grundgesetz durch die Bestimmungen der Art. 83 ff. GG abschließend geregelten Verwaltungszuständigkeiten beach­ 283  Siehe insoweit für den Bereich der Überwachung Seidel, Privater Sachver­ stand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, S. 87 f.

408

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

ten.284 Die weitergehende Frage, welche inhaltlichen Ausgestaltungsvorgaben für die Einrichtung und Organisation von Behörden im Hinblick auf ihre ­institutionelle Fachkompetenz zu beachten sind, übersteigt den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung und kann hier nicht im Detail vertieft wer­ den.285 Generell muss der Staat jedoch bei der Errichtung einer Behörde und ihrer Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln die Rahmenbedingungen für eine ordnungsgemäße und funktionsgerechte Aufgabenerfüllung schaffen. Diesbezüglich kann die Übertragung von Aufgaben der Fachplanung auf die Bundesnetzagentur als Referenz dienen.286 Anders als bei den von ihr her­ kömmlich wahrgenommenen Regulierungsaufgaben verfügte die Bundes­ netzagentur im Bereich der Fachplanung bis zur Zuweisung ihrer Aufgaben im Hinblick auf die Planung und Zulassung von NABEG-Vorhaben über keine besonderen Kompetenzen oder Erfahrungen, was die Bundesnetzagen­ tur seinerzeit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Verabschiedung des NABEG selbst einräumte.287 Um die ihr im Bereich der Fachplanung neu zugewiesenen Aufgaben ordnungsgemäß erledigen zu können, wurde inner­ halb der Bundesnetzagentur die neue Abteilung „Netzausbau“ geschaffen und zusätzliches, entsprechend qualifiziertes Personal rekrutiert.288 In recht­ licher Hinsicht führt diese Aufgabenübertragung im Zusammenhang mit der institutionellen Fachkompetenz der Bundesnetzagentur auf die Frage, inwie­ weit die Planfeststellung von NABEG-Vorhaben nach Maßgabe der Recht­ sprechung des Bundesverfassungsgerichts289 zu Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG eine „zur zentralen Erledigung“ geeignete Aufgabe darstellt. Diese Frage werden voraussichtlich das Bundesverwaltungsgericht als für die Überprüfung von Planfeststellungsentscheidungen der Bundesnetzagentur erst- und letztins­ tanzlich zuständiges Gericht bzw. das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG) klären..290 Exakte rechtliche Maßstäbe für die institutionelle Fachkompetenz von Behörden im organisationsrechtlichen Sinne, etwa im Hinblick auf ihre Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln oder den orga­ nisatorischen Zuschnitt ihrer Abteilungen und Dezernate, lassen sich kaum ausmachen. 284  BVerfGE

119, 331 (364); 139, 194 (226). Ausführungen mit Bezügen zum vorliegenden Untersuchungs­ gegenstand finden sich etwa bei Braun, Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikoverfahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 33 ff. 286  Zur Fachkompetenz der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 1. 287  Vgl. BT-Drs. 17/6366, S. 13. 288  Zum seinerzeit ermittelten Personal- und Sachmittelbedarf der Bundesbundes­ netzagentur bezüglich ihrer Aufgaben im Bereich der Fachplanung siehe BTDrs. 17/6073, S. 3. 289  Siehe BVerfGE 14, 197 (211); 110, 33 (49). 290  Zur gerichtlichen Überprüfung der Entscheidungen der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. V. 285  Entsprechende



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen409

Auch die fachlichen Anforderungen an die von verwaltungsinternen sach­ verständigen Stellen konkret eingesetzten Amtswalter werden typischerweise nicht im einschlägigen Fachrecht geregelt, sondern ergeben sich allenfalls aus allgemeinen, hier nicht zu vertiefenden beamten- bzw. dienstrechtlichen Vorschriften. Grundsätzlich hängt die dem jeweiligen Amtswalter abzuver­ langende Fachkompetenz nicht zuletzt von der rechtlichen Ausgestaltung des jeweiligen Zulassungsverfahrens ab. So müssen beispielsweise behördliche Sachbearbeiter in Risikoverfahren wie dem nationalen Arzneimittelzulas­ sungsverfahren, in denen der Antragsteller mittels der von ihm beizubringen­ den Unterlagen und Sachverständigengutachten die behördliche Beurtei­ lungs- und Entscheidungsgrundlage schafft, lediglich insoweit über hinrei­ chende fachliche Kenntnisse verfügen, als dass sie die eingereichten Unterla­ gen auf deren Plausibilität prüfen und nachvollziehen können.291 (b) Durch gesetzliche bzw. untergesetzliche Vorgaben Eine andere Frage ist, wie die Fachkompetenz verwaltungsinterner sach­ verständiger Stellen losgelöst von ihrer abstrakt-organisationsrechtlichen Er­ richtung, Organisation und Ausstattung im Hinblick auf die Beherrschung und Anwendung von bestimmten Prüf- und Beurteilungsmethoden gewähr­ leistet wird bzw. werden kann. Diesbezüglich kann es etwa um Fragen nach der fachwissenschaftlich „richtigen“ Methode zur Durchführung von Erhe­ bungen zum Vorkommen von Tier- und Pflanzenarten im räumlichen Um­ kreis eines umweltrelevanten Vorhabens gehen, die – wie dargelegt292 – etwa beim in den Zuständigkeitsbereich der Bundesnetzagentur fallenden Strom­ netzausbau Probleme bereiten.293 Ein weiteres Beispiel stellt die Tätigkeit des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Zusammenhang mit der Zulassung von Windenergievorhaben im BImSchGGenehmigungsverfahren dar, wo es um die Frage geht, unter welchen techni­ schen Voraussetzungen geplante Windenergieanlagen prognostisch zu einer „Störung“ von Flugsicherungseinrichtungen führen.294 Wie bei der Betrach­ tung des Referenzgebiets herausgearbeitet wurde, hat sich in naturwissen­ schaftlich-technischer Hinsicht bislang keine als gesichert geltende Methode herausgebildet, die für die Prüfung und Beurteilung der von Windkraftan­ lagen auf Flugsicherungseinrichtungen ausgehenden Störwirkungen verbind­ 291  Braun, Bundesbehörden und europäische Agenturen als Akteure in Risikover­ fahren des Umwelt- und Gesundheitsschutzrechts, S. 36 f. 292  § 4 B. III. 1. 293  Dazu in umweltfachlicher Hinsicht etwa Knauff, EnWZ 2019, 51 (57 ff.). 294  Siehe hierzu im Zusammenhang mit der Fachkompetenz des BAF oben § 5 B. III. 1.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

lich anzuwenden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge­ richts ist das BAF zwar verpflichtet, den Fortentwicklungen im wissenschaft­ lichen Erkenntnisstand und den aus ihnen abgeleiteten Standards bei seinen Entscheidungen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG Rechnung zu tragen. Im Hinblick auf die gegenwärtig295 noch unklare Methoden- und Standardaus­ wahl vertraut das Bundesverwaltungsgericht jedoch auf die Fachkompetenz des BAF und misst dessen Entscheidungen, die durch Stellungnahmen der DFS vorbereitet werden, vor dem Hintergrund der gesetzlichen Aufgabenzu­ weisung in § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG einen „hervorgehobenen Stellenwert“ bei.296 Von diesem Standpunkt ausgehend hält das Bundesverwaltungsge­ richt bis zur Herausbildung eines fachwissenschaftlich gesicherten Erkennt­ nisstands bezüglich der von Windenergieanlagen hervorgerufenen Störwir­ kungen auf Flugsicherungseinrichtungen eine gerichtliche Überprüfung der vom BAF getroffenen Annahmen und Entscheidungen auf deren bloße Ver­ tretbarkeit für gerechtfertigt.297 Entsprechende „Kompetenzvermutungen“ finden sich auch in anderen Bereichen wie dem Naturschutzrecht, wo das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Bestandserfassung geschützter Tierarten und der Bewertung der für diese Tiere bei Vorhabenzu­ lassungen zu erwartenden Tötungs- und Störungsrisiken i. S. d. § 44 Abs. 1 BNatSchG in ständiger Rechtsprechung unter Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte mit der „naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative“ der Fachbehörden argumentiert.298 Die vorstehenden Beispiele zeigen, dass die Rechtsprechung im materiel­ len Recht angelegte Steuerungsprobleme durch Statuierung eines besonderen Vertrauens in die Fachkompetenz der staatlichen Verwaltungsbehörden über­ brückt und hieran sachgebietsspezifisch eine Zurücknahme des durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG grundsätzlich vorgegebenen Vollüberprüfungsanspruchs an­ knüpft.299 Echte Alternativen zum Mechanismus der Gewährleistung be­ hördlicher Fachkompetenz durch Vertrauen sind jedenfalls in den Bereichen, in denen eine naturwissenschaftlich-technische Methoden- und Standardbil­ dung ausstehen, kaum ersichtlich. In verfassungsrechtlicher Hinsicht lässt sich dieser Gewährleistungsmechanismus aufgrund der unmittelbaren Bin­ dung der Verwaltung an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) sowie an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) jedenfalls temporär rechtfertigen. Allerdings 295  Siehe

etwa VGH Kassel, Urteil vom 11.10.2018 – 9 A 867/15 –, juris, Rn. 53. 154, 377 (384). 297  BVerwGE 154, 377 (383). 298  BVerwGE 131, 274 (296 f.); 145, 40 (66); BVerwG, NVwZ 2014, 524 (525). Die Inanspruchnahme dieser behördlichen Einschätzungsprärogative gilt solange als zulässig, wie die Naturwissenschaft trotz fortschreitender Wissensbestände keine öko­ logisch eindeutigen Erkenntnisse liefert, siehe BVerwG, NVwZ 2014, 524 (525). 299  Zur Kontrolldichte siehe noch näher unten E. II. 296  BVerwGE



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen411

hat das Bundesverfassungsgericht in einer jüngeren Entscheidung unter argu­ mentativem Rückgriff auf die Wesentlichkeitstheorie klargestellt, dass der Gesetzgeber in grundrechtsrelevanten Bereichen der Rechtsanwendung „nicht ohne weitere Maßgaben auf Dauer Entscheidungen in einem fachwissen­ schaftlichen ‚Erkenntnisvakuum‘ übertragen [darf], das weder Verwaltung noch Gerichte selbst auszufüllen vermögen […].“300 Lediglich kurzfristig sei ein Vertrauen in die Schließung fachlicher Wissenslücken durch Erkennt­ nisfortschritte in Fachkreisen und Wissenschaft verfassungsrechtlich zulässig. Auf längere Sicht müsse der Gesetzgeber unter Umständen jedoch „für eine zumindest untergesetzliche Maßstabsbildung beispielsweise durch Einset­ zung fachkundiger Gremien zur Festlegung einheitlicher Maßstäbe und Me­ thoden sorgen oder wenigstens genauere Regeln für die behördliche Entschei­ dung zwischen mehreren vertretbaren Auffassungen vorgeben.“301 Diese im materiellen Recht wurzelnde Pflicht zur Maßstabsbildung erfasst in organisa­ tionsrechtlicher Hinsicht auch die Fachkompetenz von Behörden. Letztere müssen die Maßstäbe und Methoden, die der Gesetzgeber bzw. die von letzterem eingesetzten Gremien entwickeln und vorgeben, anwenden und beherrschen können. (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen Anders als bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen kann der Staat die Fachkompetenz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen nicht bzw. nicht unmittelbar durch Einrichtung und Organisation gewährleisten, sondern muss auf anderweitige Steuerungsinstrumente zurückgreifen. Auch verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die aufgrund ihrer Beleihung (z. B. beim Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG)302 oder als Konsequenz von Organisationsentscheidungen des Gesetzgebers (z. B. bei den Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht als funktionale Behörden i. S. d. §  1 Abs.  4 VwVfG)303 zur mittelbaren Staatsverwaltung zu zählen sind, müssen aus dem zivilgesellschaftlichen Bereich für eine verwaltungs­ seitige bzw. verwaltungssubstituierende Tätigkeit in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren rekrutiert werden.

300  BVerfG, 301  Ebda. 302  Zum 303  Zum

NVwZ 2019, 52 (54).

Einbindungsmodus siehe oben § 4 C. II. Einbindungsmodus oben § 5 D. II.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(a) Durch gesetzliche bzw. untergesetzliche Vorgaben Im Schrifttum wird vertreten, die Art und Weise der hoheitlichen Einbin­ dung externer sachverständiger Stellen müsse in ihren „wesentlichen Grund­ zügen“ gesetzlich geregelt werden.304 Dieser Gesetzesvorbehalt beziehe sich nicht nur auf Konstellationen der Übertragung originärer Entscheidungskom­ petenzen auf externe sachverständige Stellen, sondern greife auch „bei nicht ganz unerheblichen und auf Dauer angelegten Beratungstätigkeit[en],“ die staatliche Entscheidungen faktisch vorprägten.305 Dabei bleibt jedoch offen, auf welche „wesentlichen Grundzüge“ sich die Regelungsverantwortung des Gesetzgebers gegenständlich konkret bezieht und mit welcher Regelungs­ dichte sie normativ umzusetzen ist. Fraglos wird man jedoch die Fachkom­ petenz als eine, wenn nicht gar als die Eigenschaft externer sachverständiger Stellen ansehen müssen, die im vorstehenden Sinne zu den „wesentlichen Grundzügen“ ihrer Tätigkeit zu zählen ist. Denn gerade die bei privaten sachverständigen Stellen vorhandene Fachexpertise ist Anlass und Motiv für ihre hoheitliche Einbindung in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren.306 Ungeachtet des Bestehens einer etwaigen Regelungspflicht ist der Gesetz­ geber jedenfalls berechtigt, auf gesetzlicher Ebene konkrete und detaillierte Mindestanforderungen an die Fachkompetenz verwaltungsexterner sachver­ ständiger Stellen zu formulieren.307 Diese Ausgestaltungsmöglichkeit hat der Gesetzgeber im Kontext der vorliegend betrachteten naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nur mit relativer Zurückhal­ tung in Anspruch genommen. Wie die Bestandsaufnahme der verschiedenen Referenzgebiete gezeigt hat,308 beschränken sich die einschlägigen gesetz­ lichen Regelungen, sofern sie denn überhaupt inhaltliche Tätigkeitsanforde­ rungen formulieren,309 häufig auf die Verwendung unbestimmter Rechts­ begriffe wie „erforderliche Sachkenntnis“,310 „besondere und möglichst auch 304  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66; ebenso Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (388). 305  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61. 306  Siehe allgemein Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 8. 307  Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungs­ recht, S. 85. 308  Zum Überblick siehe oben C. I. 1. 309  Für Sachverständige im Atomrecht i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe die vom Verord­ nungsgeber bislang noch nicht in Anspruch genommene Ermächtigung des § 12 S. 1 Nr. 9 AtG sowie die Ausführungen oben § 3 B. III. 1. Für die DFS statuieren weder § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG noch sonstige luftverkehrsrechtliche Bestimmungen fach­ liche Anforderungen im Hinblick auf ihre Rolle als Verwaltungsgutachterin, siehe oben § 3 D. III. 1.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen413

internationale Erfahrungen“,311 „erforderliche aktuelle wissenschaftliche Ex­ pertise“312 oder „Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung“313. Die inhaltlichen Konturen dieser Vorgaben bleiben auf Gesetzes- und Verord­ nungsebene im Detail offen und werden daher regelmäßig erst auf Ebene des Verwaltungsvollzugs konkretisiert. Auch die Fachkompetenz der im Medi­ zinproduktebereich tätigen Benannten Stellen erschöpft sich im Hinblick auf die von § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommenen Vorschriften des Uni­ onsrechts vor allem in einem quantitativ hohen Normbestand, dessen qualita­ tiv-inhaltliche Regelungsdichte jedenfalls nach gegenwärtiger Rechtslage ­einigermaßen vage bleibt.314 Lediglich bei pluralistisch besetzten Kollegial­ gremien wie der in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren mit­ wirkenden ZKBS315 oder den in die klinische Prüfung von Arzneimitteln eingebundenen Ethik-Kommissionen316 ergeben sich aus den vom Gesetz­ geber vorgegebenen Besetzungskonzepten zumindest abstrakt-fachliche Min­ destqualifikationen für die zu berufenden Mitglieder, die in bestimmten Sachgebieten tätig sein und hierzu regelmäßig über einen Hochschulabschluss verfügen müssen. Ausgehend von diesem Normbestand und diesen Regelungsstrukturen ist nicht so sehr problematisch, ob der Gesetzgeber zur Gewährleistung der Fachkompetenz externer sachverständiger Stellen überhaupt gesetzliche Re­ gelungen erlassen muss. Es ist vielmehr die Frage aufgeworfen, ob aus der staatlichen Gewährleistungsverantwortung ein bestimmtes Regelungsniveau bzw. eine normative Regelungsdichte folgt, die der Gesetzgeber bei der Ko­ difizierung fachlicher Qualifikationsanforderungen an externe sachverstän­ dige Stellen zu beachten hat und nicht unterschreiten darf. Bejahte man dies,317 dürfte die Statuierung unbestimmter Anforderungen wie der „erfor­ 310  Für Gegensachverständige i.  S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe die entspre­ chende Vorgabe in § 25 Abs. 5 S. 6 AMG und die diesbezüglichen Darlegungen oben § 4 C. III. 1. 311  Für die Sachverständigen der ZKBS siehe § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG; ferner oben § 3 C. III. 1. 312  Für die Mitglieder der Ethik-Kommissionen siehe § 41a Abs. 3 Nr. 1 AMG und die Ausführungen oben § 5 D. III. 1. 313  Für die anerkannten Umweltverbände siehe § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 1 Um­ wRG und die Darlegungen oben § 5 C. III. 1. 314  Siehe hierzu und zur künftig partiell detaillierter ausgestalteten Fachkompe­ tenz Benannter Stellen durch die Verordnung (EU) Nr. 2017/745 die Ausführungen oben § 4 D. III. 1. 315  § 4 Abs. 1 S. 2 GenTG und oben § 3 C. III. 1. 316  § 41a Abs. 3 Nr. 2 AMG und oben § 5 D. III. 1. 317  Andeutungsweise Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufga­ ben, S. 298 (307): „Regelmäßig zu beobachten ist eine fehlende bzw. unzureichende inhaltliche Ausgestaltung und Präzisierung der Sachverständigenanforderungen.“

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

derlichen Sachkennt­nis“318 des beliehenen Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG kaum der Erfüllung eines dahingehenden Regelungs­ auftrags des Gesetzgebers genügen. Dass eine in die staatliche Entschei­ dungsfindung eingebundene externe sachverständige Stelle in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hinreichend fachkom­ petent sein muss, lässt sich nämlich bereits an dem für verwaltungsberatend tätige sachverständige Stellen in § 26 Abs. 1 S. 1, S. 2 Nr. 2 VwVfG ange­ ordneten Vorbehalt der Erforderlichkeit ihrer Einbeziehung in das Verwal­ tungsverfahren normativ festmachen. In diesem Zusammenhang greift einmal mehr die im Schrifttum vertretene „Je desto-Formel“: Bei steigendem Risiko der Beeinträchtigung von verfassungsrechtlichen Schutzgütern (Grundrechte, Art. 20a GG) und bei zunehmender Verlagerung von Entscheidungskompe­ tenzen auf eine private sachverständige Stelle fordert die staatliche Gewähr­ leistungsverantwortung kompensatorisch umso eher den Erlass von Bestim­ mungen durch den Gesetzgeber, mithilfe derer die Qualifikation der jeweili­ gen externen sachverständigen Stelle gewährleistet werden kann.319 Indes leiten gerade auch diejenigen Vertreter im Schrifttum, die die Ausge­ staltung der „wesentlichen Grundzüge“ der Tätigkeit privater sachverständi­ ger Stellen durch den Gesetzgeber fordern,320 weder aus den grundrechtlichen Schutzpflichten des Staates noch aus sonstigen verfassungsrechtlichen Be­ stimmungen das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes ab, durch das das Merkmal der Fachkompetenz im Detail rechtlich ausgeformt und „vollzugs­ fähig“ geregelt wird. Es sei in das Ermessen des Gesetzgebers gestellt, ob er seine Regelungsverantwortung für die hoheitliche Einbindung externer sach­ verständiger Stellen durch deren originäre Auswahl, die Formulierung detail­ lierter gesetzlicher Anforderungen an ihre Betätigung oder mittels Implemen­ tierung sonstiger Gewährleistungsmechanismen (z. B. Überwachung) erfül­ le.321 Dieser Regelungsspielraum bestehe gerade auch im Hinblick auf die fachliche Mindestqualifikation externer sachverständiger Stellen, für deren Gewährleistung das Recht unterschiedliche Mechanismen bereithalte.322 Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Generell sind die aus den Grundrech­ ten und dem Staatsschutzziel des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen 318  § 25

Abs. 5 S. 6 AMG. diese Richtung unter gleichzeitiger Erwähnung der Möglichkeit zur Imple­ mentierung von Aufsichtsrechten etwa Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, S. 87 f.; ähnlich zuvor schon Gusy, DÖV 1996, 573 (583); unter Anknüpfung an das Demokratieprinzip etwa Hong, Die Ver­ waltung 51 (2018), 367 (388) („organisatorische Gewährleistungspflicht“). 320  Ausdrücklich etwa Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66; ferner Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (388). 321  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 62. 322  Vgl. Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 62 u. 69. 319  In



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen415

(Art. 20a GG) resultierenden Schutzpflichten des Staates bei der organisa­ tions- und verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der Tätigkeit privater sach­ verständiger Stellen lediglich von begrenzter inhaltlicher Aussagekraft und lösen nur ausnahmsweise exakt vorgegebene Handlungspflichten des Gesetz­ gebers aus.323 Im Hinblick auf die Fachkompetenz verwaltungsexterner sach­ verständiger Stellen sprechen im Kontext der hier untersuchten naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auch funktionale Erwä­ gungen gegen die Annahme einer detaillierten Kodifikationspflicht des Ge­ setzgebers. Wie insbesondere die Betrachtungen zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Atomrecht, zur ZKBS im Gentechnikrecht und zur DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gezeigt haben, begrenzen die aus der naturwissenschaftlich-technischen Komplexität einer Sachmaterie herrührenden Steuerungsprobleme im materiellen Recht auch die regulatorischen Möglichkeiten bei der Statuierung konkreter fach­licher Auswahlanforderungen an externe sachverständige Stellen.324 Können Ge­ setz- bzw. Normgeber indes naturwissenschaftlich-technisch komplexe Sach­ verhalte im materiellen Recht nur in weitgehend unbestimmte Rechts­begriffe und Prüfprogramme übersetzen, was im Hinblick auf den Grundsatz einer bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge grundsätzlich zulässig ist und aus Gründen des dynamischen Grundrechtsschutzes gegebenen­falls sogar zweckmäßig und geboten sein kann,325 wird sich spiegelbildlich hierzu auch die normative Regelungsdichte bezüglich der Fachkompetenz externer sachverständiger Stellen regelmäßig in abstrakten Mindestqualifikationsan­ forderungen erschöpfen. Detailregelungen mag man aus Klarstellungsgrün­ den für sinnvoll oder wünschenswert erachten; (verfassungs-)rechtlich gefor­ dert sind sie nicht. Wie im Zusammenhang mit der Untersuchung der ZKBS dargelegt, hat das Bundesverfassungsgericht in der zur damaligen Bundes­ prüfstelle für jugendgefährdende Schriften ergangenen „Mutzenbacher-Ent­ scheidung“ klargestellt, dass der Gesetzgeber für die in das Gremium zu be­ rufenden Gruppenbeisitzer auf gesetzlicher Ebene keine Qualifikationsnach­ weise zu implementieren braucht.326 Diese Aussage lässt sich auf den hiesi­ gen Untersuchungskontext übertragen. Verallgemeinernd ist festzuhalten, dass den Gesetzgeber für die Fachkom­ petenz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen nach dem oben Gesag­ ten327 zwar eine Gewährleistungsverantwortung bzw. Ergebnisverpflichtung 323  Hierzu etwa Seidel, Privater Sachverstand und staatliche Garantenstellung im Verwaltungsrecht, S.  83 ff. 324  Siehe hierzu oben § 3 B. III. 1; § 3 C. III. 1. u. § 3 D. III. 1. 325  In diese Richtung BVerfGE 49, 89 (139 f.). 326  BVerfGE 83, 130 (152). 327  C. I. 2. a) aa) (2).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

trifft. Zur Erfüllung dieser Pflicht ist er aber nicht notwendigerweise gehal­ ten, selbst detaillierte Vorgaben an die Fachkompetenz externer sachverstän­ diger Stellen im Fachrecht zu regeln. Vielmehr verfügt er über einen Hand­ lungs- und Gestaltungsspielraum bei der Wahl des zur Gewährleistung der Fachkompetenz sachgebietsspezifisch jeweils einzusetzenden Mittels. Letzte­ res gilt konsequenterweise auch für beliehene Private (z. B. den Gegensach­ verständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulas­ sungsverfahren), hinsichtlich derer das Bundesverwaltungsgericht eine Aus­ gestaltung der „wesentlichen Modalitäten“ ihrer Tätigkeit durch formelles Gesetz verlangt.328 Unter Zugrundelegung der vorstehend herausgearbeiteten Maßstäbe genügt der Gesetzgeber bei Beliehenen seiner Regelungsverant­ wortung, wenn er den Mechanismus zur Gewährleistung deren Fachkompe­ tenz im kodifizierten Recht mit hinreichender Deutlichkeit vorgibt. Unter Steuerungsgesichtspunkten ergibt sich kein anderes Ergebnis. Die Überlegung, durch Normierung fachlicher Anforderungen auf gesetzlicher Ebene oder im untergesetzlichen Regelwerk könnte insbesondere in fakulta­ tiven Einbindungskonstellationen die Auswahlentscheidung der zuständigen Behörde stärker vorstrukturiert werden,329 dürfte sich jedenfalls in Bereichen wie den vorliegend untersuchten Referenzgebieten als Überschätzung der Steuerungswirkung des kodifizierten Rechts darstellen. Wie anhand der Bei­ spiele des Sachverständigen i. S. d. 20 S. 1 AtG und des Gegensachverständi­ gen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, aber auch für die ZKBS im Gentechnik­ recht ausgeführt, ist der vom Staat in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren benötigte Sachverstand privater sachverständiger Stellen bei zunehmender Komplexität der Materie regelmäßig auf wenige Fachleute konzentriert. Für andere, hier nicht explizit betrachtete naturwis­ senschaftlich-technisch komplexe Sachbereiche wird üblicherweise nichts anderes gelten. Dementsprechend dürften sich im kodifizierten Recht regel­ mäßig keine substanziell anderen oder gar weitergehenden fachlichen Anfor­ derungen normieren lassen, über die die für eine hoheitliche Einbindung be­ reichsspezifisch in Betracht kommenden sachverständigen Stellen nicht schon o ­ hnehin verfügen. Ungeachtet dessen würden sich auch im Fall der auf gesetzlicher Ebene realistischerweise allein denkbaren Etablierung von abstrakten Mindestqualifikationsanforderungen nach wie vor weitreichende inhaltliche Steuerungsmöglichkeiten bei der Beauftragung verwaltungsexter­

328  BVerwGE

137, 377 (383). etwa Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staatsaufgaben, S. 298 (305), die moniert, infolge der normativen Zurückhaltung von Gesetz- und Verordnungsgeber bliebe den Behörden regelmäßig nur die Möglichkeit zur Orientie­ rung am „Wesen des Sachverständigen“. 329  Vgl.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen417

ner sachverständiger Stellen ergeben,330 weshalb ihre Kodifizierung nennens­ werte Steuerungs- und Lenkungswirkungen auf die behördliche Auswahlent­ scheidung kaum erwarten lässt. In Einzelfällen können engmaschige Kodifi­ zierungen der hoheitlichen Aktivierung des privaten Sachverstands gar aus sich heraus abträglich sein. Als Beispiel kann insoweit die Tätigkeit von Umweltverbänden gelten, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren als „Quasi-Verwaltungshelfer“ ihren Sachverstand in die behördliche Entscheidungsfindung einbringen sollen. Auf die Wahrneh­ mung dieser Unterstützungsfunktion könnten sich übermäßig strenge Anfor­ derungen an die Ausstattung der altruistisch handelnden Verbände ebenso nachteilig auswirken wie die Statuierung von Qualifikationsnachweisen an ihre Mitglieder.331 Lediglich soweit sich die Fachkompetenz verwaltungsexterner sachver­ ständiger Stellen nicht ausschließlich in abstrakten Qualifikationsanforderun­ gen äußert, sondern konkret anzuwendende bzw. zu beherrschende Prüfungs­ methoden und Beurteilungstechniken betrifft, kann nach den obigen Aus­ führungen zu den verwaltungsinternen sachverständigen Stellen auch bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen der Gesetzgeber zu einem ­Tätigwerden explizit verpflichtet sein.332 Das Bundesverfassungsgericht hat die von ihm angenommene Verpflichtung des Gesetzgebers, auf gesetzlicher bzw. jedenfalls untergesetzlicher Ebene sachgebietsspezifisch für eine He­ rausbildung anerkannter Maßstäbe, Methoden und Standards zu sorgen, nicht zuletzt mit dem weitreichenden, mitunter ungesteuerten Einfluss privaten Fachwissens auf staatliche Entscheidungen begründet.333 Soweit danach der Gesetzgeber bzw. die von ihm eingesetzten Gremien den Einsatz von Metho­ den oder Techniken verbindlich vorgeben, gehört deren Beherrschung auch zur Fachkompetenz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen. Insgesamt zeigt sich, dass dem Mechanismus der Gewährleistung der Fachkompetenz privater sachverständiger Stellen durch gesetzliche bzw. un­ tergesetzliche Vorgaben für naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulas­ sungsverfahren nur eine beschränkte Bedeutung zukommt. Dementsprechend sind anderweitige Regelungsstrategien in den Blick zu nehmen.

330  Siehe insoweit auch Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 70. 331  Ob die fachrechtliche Etablierung entsprechender Qualifikationsnachweise im Hinblick auf die vorliegend allein interessierende Funktion der Umweltverbände als „Quasi-Verwaltungshelfer“ zulässig wäre, soll hier dahinstehen. 332  Hierzu C. I. 2. a) bb) (1) (b). 333  BVerfG, NVwZ 2019, 52 (54).

418

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(b) D  urch Anerkennungs-, Benennungs-, Berufungsund Registrierungsverfahren Der Befund, wonach die schwindende Programmierbarkeit des materiellen Rechts in von naturwissenschaftlich-technisch komplexen, außerrechtlichen Fragestellungen dominierten Rechtsgebieten zu einer „Ausweichbewegung hin zum Verfahren“ führe,334 betrifft auch die regulatorische Gewährleistung der Fachkompetenz externer sachverständiger Stellen. Letztere wird ebenfalls nicht durch im Detail ausgestaltete, fachlich-inhaltliche Anforderungen im kodifizierten Recht, sondern bereichsspezifisch durch mehr oder weniger formalisierte Auswahlverfahren gewährleistet. Als Beispiele im Kontext der Untersuchung sind vor allem335 die Berufung der Mitglieder der ZKBS im Gentechnikrecht,336 das Benennungsverfahren für die (dann) Benannten Stellen im Medizinprodukterecht,337 die Registrierungspflicht für die EthikKommissionen im Arzneimittelrecht338 sowie die Anerkennung von Um­ weltverbänden339 zu nennen. Auf die entsprechenden Einbindungsmodi wurde bereits oben ausführlich eingegangen, sodass auf die dortigen Ausfüh­ rungen weitgehend verwiesen werden kann.340 Sinn und Zweck dieser vorge­ schalteten Verfahren ist es, losgelöst von den Frage- und Problemstellungen des Einzelfalls eine abstrakte Mindestfachqualifikation der jeweiligen exter­ nen sachverständigen Stelle in äußerlich erkennbarer Weise hoheitlich zu gewährleisten.341 Ganz ähnliche Mechanismen finden sich auch in von natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Fragestellungen dominierten Berei­ chen der repressiven Überwachung, auf die im vorliegenden Untersuchungs­ kontext indes nicht näher einzugehen ist.342 Fabio, Risikoentscheidungen im Rechtsstaat, S. 461 f. oben bei der Untersuchung der Tätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Fußnotenapparat angemerkt (§ 3 D. III. 1), müssen sich Flugsicherungsorganisationen durch das BAF zertifizieren lassen, um Flugsicherungsdienste i. S. d. § 27c Abs. 2 S. 1 LuftVG erbringen zu dür­ fen. Insoweit ist auch dieses flugsicherungstechnische Zertifizierungsverfahren ein Beispiel für den vorliegend beschriebenen Mechanismus. Auf die Modalitäten des flugsicherungstechnischen Zertifizierungsverfahrens war hier nicht einzugehen, da es keinerlei Bezug zu den fachlichen Problemstellungen aufweist, die sich bei Nutzungs­ konflikten zwischen Flugsicherungseinrichtungen und Windenergieanlagen stellen. 336  § 4 Abs. 2, Abs. 5 GenTG i. V. m. § 2 ZKBS-Verordnung. 337  § 15 Abs. 1 MPG. 338  § 41a AMG. Für die individuellen Mitglieder der Ethik-Kommission gilt im Übrigen wiederum ein Berufungsverfahren. Zum Einbindungsmodus der Ethik-Kom­ missionen siehe insgesamt oben § 5 D. II. 339  § 3 UmwRG. 340  Siehe hierzu insgesamt die Ausführungen oben unter B. 341  Für den technischen Bereich siehe Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 69. 334  Di

335  Wie



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen419

Grundsätzlich lässt der Mechanismus der Sicherstellung von „Fachkompe­ tenz durch Verfahren“ die Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Expertise der von ihm in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren eingebundenen verwaltungsexternen sachverständigen Stellen unberührt. Er führt aber zu einer Verantwortungsverlagerung von der Legis­ lative hin zur Exekutive, der im Hinblick auf die Gewährleistung von metho­ dischem Fachwissen externer sachverständiger Stellen durch die aus den Grundrechten, dem Demokratie- und dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtliche Vorgaben gesetzt sind. Diesbezüglich kann auf die vorstehenden Ausführun­ gen verwiesen werden.343 (c) Durch Einzelfallprüfung Insbesondere in fakultativen Einbindungskonstellationen obliegt es infolge der häufig festzustellenden regulatorischen Zurückhaltung des Gesetz- bzw. Normgebers bei der Statuierung fachlicher Auswahlauswahlanforderungen den jeweiligen Zulassungsbehörden, die Fachkompetenz der von ihnen im Einzelfall zur Aufgabenerfüllung eingebundenen externen sachverständigen Stellen zu prüfen und festzustellen.344 Auf die entsprechenden Einbindungs­ modi wurde am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG345 sowie des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG346 eingegangen. Hinsichtlich der hiermit einhergehenden Verantwortungsverlagerung auf die Exekutive bezüglich der Gewährleistung der methodischen Fachkompetenz fakultativ eingebundener verwaltungsexterner sachverständiger Stellen kann wiederum auf die obigen Ausführungen verwiesen werden.347

342  Zu nennen sind etwa die amtliche Anerkennung (z. B. § 1 KfSachVG), die öf­ fentliche Bestellung und Vereidigung (z. B. § 36 GewO) sowie die Akkreditierung (z. B. § 29b Abs. 3 S. 1 BImSchG i. V. m. §§ 13, 14 der 41. BImSchV). 343  Siehe oben C. I. 2. a) bb) (2) (a). 344  Konzeptionell gilt dies auch dann, wenn eine private sachverständige Stelle dauerhaft bzw. mehrfach durch die zuständige Behörde beauftragt wird. Im Verwal­ tungsvollzug dürfte sich die einmalige behördliche Feststellung der Fachkompetenz einer sachverständigen Stelle auch auf Folgebeauftragen erstrecken, was rechtlich regelmäßig nicht zu beanstanden sein dürfte. 345  Siehe oben § 3 B. II. 346  Siehe oben § 4 C. II. 347  C. I. 2. a) bb) (2) (a).

420

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

cc) Legitimationsbeitrag der untersuchten Mechanismen zur Gewährleistung von Fachkompetenz Im parlamentarisch-demokratischen System des Grundgesetzes ist auch die besondere Fachkompetenz einer sachverständigen Stelle für sich genom­ men noch nicht geeignet, um ihre Tätigkeit bzw. die von ihr inhaltlich mitge­ prägten Entscheidungen demokratisch zu legitimieren.348 Allerdings kann Fachkompetenz einen Legitimationsbeitrag leisten, wenn und soweit sie sich auf das vom unmittelbar demokratisch legitimierten Gesetzgeber gesetzte Recht zurückführen lässt.349 Unter diesem Gesichtspunkt werden im Folgen­ den die oben dargelegten Gewährleistungsmechanismen für verwaltungs­ interne und verwaltungsexterne sachverständige Stellen untersucht. Dabei ist systematisch wiederum nach der rechtlichen Qualität der jeweiligen Ent­ scheidungsbeiträge sachverständiger Stellen zu differenzieren. (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen Ausgehend vom herkömmlichen Legitimationsverständnis des Bundesver­ fassungsgerichts350 sind die Legitimationsbeiträge der aufgezeigten Mecha­ nismen zur Gewährleistung der Fachkompetenz verwaltungsinterner sachver­ ständiger Stellen nach Maßgabe des sachlich-inhaltlichen Legitimationsmo­ dus zu beurteilen. (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Die abstrakt-generelle Gewähr der Fachkompetenz von Behörden, die wie die Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NA­ BEG mit Außenentscheidungskompetenzen betraut sind, erfolgt durch Ein­ richtungs- und Organisationsentscheidungen des Gesetzgebers bzw. der die­ sem unmittelbar verantwortlichen Ministerialverwaltung.351 Dabei gehört zum sachlich-inhaltlichen Legitimationsmodus die Handlung von Amtsträ­ gern und Organen der Exekutive im Auftrag und nach Weisung der Regie­ rung, die dem vom Volk gewählten Parlament verantwortlich ist.352 Über diese Legitimationskette leistet der Mechanismus der „Gewähr von Fach­ kompetenz durch Einrichtung und Organisation“ einen Legitimationsbeitrag. 348  Dazu im Hinblick auf die Beratung des Staates durch externe Sachverständige Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (37 ff.). 349  Zur Herleitung dieses Ansatzes siehe oben B. II. 1. c) cc). 350  Dazu oben B. II. 1. c) aa). 351  Siehe oben C. I. 2. a) bb) (1) (a). 352  BVerfGE 93, 37 (67); 107, 59 (87 f.); 130, 76 (124); 137, 185 (232 f.); 139, 194 (225); 146, 1 (40), 147, 50 (128).



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen421

Das zweite Element des sachlich-inhaltlichen Legitimationsmodus stellt die Bindung von Amtsträgern und Organen der Exekutive an Recht und ­Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) dar.353 Soweit es um die Beantwortung außer­ rechtlicher, naturwissenschaftlich-technisch komplexer Fragestellungen geht, müs­sen das von den Behörden und Amtswaltern zu verlangende Methoden­ wissen und die Beherrschung von Beurteilungstechniken für die Annahme eines Legitimationsbeitrags an Vorgaben des materiellen Rechts anknüp­ fen.354 Nicht selten ist das materielle Recht jedoch hinsichtlich der von den Behörden anzuwendenden bzw. zu beachtenden Prüf- und Beurteilungsme­ thoden unbestimmt und konkretisierungsbedürftig. Die dadurch eröffneten Auslegungsspielräume im materiellen Recht wirken sich auch auf die regula­ torische Gewährleistung der methodischen Fachkompetenz von außenverant­ wortlich handelnden Behörden aus.355 Mit abnehmender Detaildichte des materiellen Rechts und sich hieraus ergebenden Konkretisierungs- und Aus­ legungsspielräumen der Verwaltung sinkt auch der Legitimationsbeitrag des Mechanismus der „Gewähr von Fachkompetenz durch gesetzliche bzw. un­ tergesetzliche Vorgaben“. Dies gilt insbesondere dann, wenn die außenwirk­ same Entscheidung einer Behörde nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegt. Wie oben dargelegt, sieht jedoch das Bundesverfas­ sungsgericht den Gesetzgeber nach Maßgabe des Wesentlichkeitsgrundsatzes in der Pflicht, bei naturwissenschaftlich-technisch ungeklärten Fragestellun­ gen auf gesetzlicher bzw. untergesetzlicher Ebene für eine Maßstabs- und Methodenbildung zu sorgen, die „fachwissenschaftlichen Erkenntnisvakua“ entgegenwirkt.356 Setzt der Gesetzgeber diese Vorgabe sachgebietsspezifisch um und gibt er Maßstäbe, Methoden, Standards oder Regeln für den Umgang mit wissenschaftlichen Streitfragen vor, steigt zugleich der Legitimationsbei­ trag des Mechanismus der „Gewähr von Fachkompetenz durch gesetzliche bzw. untergesetzliche Vorgaben“. (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für Behörden, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren lediglich binnenrechtlich verbindliche Entscheidungsbeiträge abgeben, gelten zunächst die vorstehenden Ausführungen zum Mechanismus der „Gewähr von Fachkompetenz durch Einrichtung und Organisation“ ent­ 353  Ebda. 354  Zur

diesbezüglichen Verknüpfung siehe oben C. I. 2. a) bb) (1) (b). Fachkompetenz der Bundesnetzagentur unter dem Gesichtspunkt metho­ discher Spielräume bei Bestandserhebungen für Tier- und Pflanzenarten, die sich in räumlicher Nähe zu Stromleitungsvorhaben befinden, siehe oben § 4 B. III. 1. 356  BVerfG, NVwZ 2019, 52 (54). 355  Zur

422

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

sprechend. Wie am Beispiel des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben dar­ gelegt, leitet das Bundesverwaltungsgericht die besondere Fachkompetenz von in Zulassungsverfahren zu beteiligenden Fachbehörden mitunter aus de­ ren gesetzlichen Aufgabenzuweisung ab, hält diese jedoch gleichzeitig für verpflichtet, bei ihren Beurteilungen stets den jeweils maßgeblichen und stetig fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beachten.357 Insoweit gelten die obigen Ausführungen zur Pflicht des Gesetzgebers, auf die Behebung sachgebietsspezifischer Erkenntnisvakua bei der naturwissen­ schaftlich-technischen Maßnahmen- und Methodenwahl hinzuwirken, auch für das luftfahrtinterne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergieanlagen im außenwirksamen BImSchG-Geneh­ migungsverfahren. Gibt demnach der Gesetzgeber bzw. ein von letzterem zu diesem Zweck eingesetztes Gremium normativ vor, wie von Windenergie­ anlagen ausgehende Störwirkungen auf Flugsicherungseinrichtungen nach Maßgabe von § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu beurteilen sind, leistet der Me­ chanismus der „Gewähr von Fachkompetenz durch gesetzliche bzw. unterge­ setzliche Vorgaben“ im Hinblick auf das BAF als verwaltungsintern letztver­ bindlich entscheidende Behörde im Vergleich zum Status quo einen erhöhten Legitimationsbeitrag. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für die vorliegend mangels besonderen Erkenntnisinteresses nicht explizit anhand eines Referenzgebiets betrachtete Konstellation der Beteiligung von Fachbehörden, die außen- wie binnenrechtlich unverbindliche Entscheidungs­ beiträge abgeben, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen Ausgangspunkt des Legitimationsbeitrags der betrachteten Mechanismen zur Gewährleistung der Fachkompetenz verwaltungsexterner sachverständi­ ger Stellen ist wiederum die „Je desto-Formel“: Je stärker die rechtlichen Einflussmöglichkeiten externer sachverständiger Stellen sind, desto eher muss dieser Einfluss durch inhaltliche, organisatorische oder verfahrens­ rechtliche Anforderungen regulatorisch eingehegt werden.358

357  BVerwGE 154, 377 (385  f.). Zur Fachkompetenz des BAF siehe oben § 5 B. III. 1. 358  Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); vgl. auch Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen423

(a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Referenzgebiete für verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren über um­ fassende oder partielle Außenentscheidungskompetenzen verfügen, sind die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Me­ dizinprodukte359 sowie die Ethik-Kommissionen bei der Zulassung von arz­ neimittelrechtlichen Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG.360 Die durch § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommenen Anforderungen des Unionsrechts, die die Benannten Stellen für ihre Benennung in fachlicher Hinsicht erfüllen müssen, sind jedenfalls nach gegenwärtiger Rechtslage trotz des quantitativ üppigen Normbestands in qualitativer Hinsicht eher vage und leisten daher aus sich heraus einen nur geringen Legitimationsbeitrag. Wie oben dargelegt, leistet jedoch der Einbindungsmodus des unter Feder­ führung der ZLG zu durchlaufenden Benennungsverfahrens einen Legitima­ tionsbeitrag.361 Innerhalb dieses Benennungsverfahrens obliegt es der demo­ kratisch verantwortlichen ZLG, die Fachkompetenz der (dann) Benannten Stellen zu prüfen und festzustellen. Damit leistet das kodifizierte Recht be­ züglich der Fachkompetenz der ZLG vor allem in verfahrensrechtlicher Hinsicht einen Legitimationsbeitrag. Bei den hinsichtlich des von ihnen wahrgenommenen Belangs der Patien­ tensicherheit mit Außenentscheidungskompetenzen ausgestatteten EthikKommissionen bestimmt sich deren institutionelle Fachkompetenz vor allem durch den individuellen Sachverstand ihrer Mitglieder. Insoweit hat der Bundesgesetzgeber den Ethik-Kommissionen für ihre Registrierung in § 41a Abs. 3 Nr. 2 AMG ein personelles Besetzungskonzept vorgegeben, aus dem sich die für die Gremientätigkeit maßgeblichen Fachdisziplinen der zu beru­ fenden Mitglieder ergeben. Dadurch leistet bereits das materielle Recht für die Fachkompetenz von Ethik-Kommissionen einen Legitimationsbeitrag, auch wenn sowohl die individuellen Anforderungen an die Mitglieder (vgl. § 41a Abs. 3 Nr. 1 AMG: „aktuelle wissenschaftliche Expertise“) als auch das – unter dem Aspekt des Methodenwissens – von den Gremien nach Maß­ gabe von § 42 Abs. 1 S. 7 AMG zu absolvierende Prüfprogramm inhaltlich auslegungs- und konkretisierungsbedürftig sind. In verfahrensrechtlicher Hinsicht leistet zudem auch das in § 41a Abs. 3 AMG statuierte Registrie­ rungsverfahren, in dessen Rahmen die fachliche Zusammensetzung der

359  Zur

Fachkompetenz der Benannten Stellen siehe oben § 4 D. III. 1. Fachkompetenz der Ethik-Kommissionen siehe oben § 5 D. III. 1. 361  Dazu oben B. II. 1. c) dd) (2) (a). 360  Zur

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Ethik-Kommissionen und die Kompetenz ihrer Mitglieder anhand von Unter­ lagen seitens des BfArM geprüft wird, einen Legitimationsbeitrag.362 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Als Referenzgebiet für verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren binnenrecht­ lich verbindliche Entscheidungsbeiträge abgeben und insoweit über originäre Sachentscheidungskompetenzen verfügen, wurde der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG untersucht.363 Da die dem Gegensachverständi­ gen nach § 25 Abs. 5 S. 6 AMG abzuverlangende „erforderliche Sachkennt­ nis“ inhaltlich weder auf Gesetzes- noch auf Verordnungsrechts­ebene präzi­ siert wird und daher im Verwaltungsvollzug durch das BfArM zu konkreti­ sieren ist, ist der Legitimationsbeitrag des kodifizierten Rechts als marginal anzusehen. Denn dass der mit originären Sachentscheidungskompetenzen ausgestattete, beliehene Gegensachverständige zur Erfüllung der ihm übertra­ genen Aufgaben hinreichend fachkompetent sein muss, erscheint auch ohne die unbestimmte Vorgabe des § 25 Abs. 5 S. 6 AMG bereits vor dem Hinter­ grund der für behördliche Amtswalter geltenden Anforderungen (vgl. Art. 33 Abs. 2 u. 4 GG), deren Aufgaben der Gegensachverständige funktional aus­ übt, selbsterklärend. Auch der Mechanismus der „Gewähr von Fachkompe­ tenz durch Einzelfallprüfung“, der dem einaktigen Einbindungsmodus des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG zugrunde liegt, leistet in Ermangelung einer näheren Ausgestaltung im kodifizierten Recht im Hinblick auf die Fachkompetenz des Gegensachverständigen keinen bzw. einen allenfalls geringen Legitima­ tionsbeitrag.364 (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die rechtlich unverbind­ liche Entscheidungsbeiträge abgeben, gelten nach Maßgabe der „Je destoFormel“ grundsätzlich reduzierte regulatorische Anforderungen im Hinblick auf die Gewährleistung ihrer Fachkompetenz. In den hier untersuchten Refe­ renzgebieten schlägt sich dieser Ansatz nicht notwendigerweise nieder. Ähnlich wie beim verfahrensrechtlichen Einbindungsmodus entspricht auch die Regelungsdichte der Fachkompetenz des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG in etwa dem für den Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 362  Siehe

insoweit wiederum oben B. II. 1. c) dd) (2) (a). dessen Fachkompetenz siehe oben § 4 C. III. 1. 364  B. II. 1. c) dd) (2) (b). 363  Zu



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen425

S. 5 AMG geltenden Regelungsniveau.365 Dementsprechend wird die Fach­ kompetenz des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG aufgrund der vom Ver­ordnungsgeber bislang nicht in Anspruch genommenen Verordnungser­ mächtigung des § 12 S. 1 Nr. 9 AtG analog zum Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG durch Einzelfallprüfung der zuständigen Ge­ nehmigungsbehörde gewährleistet.366 Nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ wird man die Wahl des Mechanismus der „Gewähr von Fachkompetenz durch Einzelfallprüfung“ für den lediglich beratend tätigen Sachverständigen i. S. d. §  20 S.  1 AtG als angemessen erachten und einen Legitimationsbeitrag bejahen können. Die institutionelle Fachkompetenz der ZKBS ergibt sich ähnlich wie bei den Ethik-Kommissionen aus der Expertise ihrer Mitglieder.367 Insoweit leis­ ten insbesondere das vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 S. 2 GenTG geregelte Besetzungskonzept und subsidiär das im Detail auf Verordnungsebene ausge­ staltete Verfahren zur Berufung der Mitglieder einen Legitimationsbeitrag, der unter Berücksichtigung der rechtlichen Unverbindlichkeit der Voten der ZKBS nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ als durchaus gewichtig angese­ hen werden kann. Für die DFS, der im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG keine exakten methodischen Vorgaben für die Beurteilung von windenergievorhabenbedingten Störungen auf Flugsicherungseinrichtungen ­ vorgegeben werden,368 folgt jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundes­ verwaltungsgerichts bereits aus der gesetzlichen Aufgabenzuweisung ein „her­vorgehobene[r] Stellenwert“ ihrer Gutachten,369 was sich als eine Art „Kompetenzvermutung“ interpretieren lässt. Unter dieser Prämisse leistet der Einbindungsmodus des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG im Hinblick auf die DFS auch in fachlicher Hinsicht einen Legitimationsbeitrag. Für die anerkannten Umweltverbände370 leistet wiederum nicht das in § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 1 UmwRG weitgehend unbestimmte materielle Recht 365  Zur Fachkompetenz des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. III. 1. 366  Siehe oben C. I. 2. a) bb) (2) (c). 367  Zur Fachkompetenz der ZKBS siehe oben § 3 C. III. 1. 368  Siehe hierzu oben § 3 D. III. 1. Es wurde bereits dargelegt, dass sich Flug­ sicherungsorganisationen für die Erbringung von Flugsicherungsdiensten i. S. d. § 27c Abs. 2 S. 1 LuftVG nach Maßgabe von unionsrechtlichen Vorschriften durch das BAF zertifizieren lassen müssen. Dieses flugsicherungstechnische Zertifizierungsver­ fahren ist im Hinblick auf das Erkenntnisinteresse, das mit der Einbeziehung der DFS in die vorliegende Untersuchung verfolgt wird, nicht relevant und wird hier nicht behandelt. 369  BVerwGE 154, 377 (384). 370  Zur Fachkompetenz anerkannter Umweltverbände siehe oben § 5 C. III. 1.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(„Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung“), sondern vielmehr der dem Anerkennungsverfahren des § 3 UmwRG zugrunde liegende Mechanis­ mus der „Gewähr von Fachkompetenz durch Verfahren“ unter fachlichen Gesichtspunkten einen Legitimationsbeitrag. b) Kohärenz Die vorstehenden Erkenntnisse aus der rechtlichen Betrachtung sind im Folgenden auch unter dem Aspekt der Kohärenz der aufgezeigten Normbe­ stände und Regelungsstrukturen zu analysieren. Zunächst werden die ver­ schiedenen Mechanismen zur Gewährleistung der Fachkompetenz von ver­ waltungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen auf ihre Kohärenz geprüft (dazu aa)). Anschließend ist auf die Kohärenz der unter­ schiedlichen Gewährleistungsmechanismen für entscheidungsbefugte und le­ diglich vorbereitend tätige sachverständige Stellen einzugehen (dazu bb)). Schließlich ist kurz darauf einzugehen, ob sich die hier betrachteten Mecha­ nismen auch außerhalb von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren in einem kohärenten Regelungssystem bewegen (dazu cc)). aa) Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sachverständige Stellen Unter Kohärenzgesichtspunkten begegnen die unterschiedlichen Mecha­ nismen zur Gewähr der Fachkompetenz von verwaltungsinternen sachver­ ständigen Stellen auf der einen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen auf der anderen Seite keinen Bedenken. Während der Staat die für ihn handelnden Behörden selbst einrichten und personell wie technisch aus­ statten kann, stehen ihm für private sachverständige Stellen keine entspre­ chenden Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Letzteres gilt auch für ­gesetzlich implementierte und mit einem Besetzungskonzept versehene Kol­ legialgremien (ZKBS, Ethik-Kommissionen), hinsichtlich derer die zu beru­ fenden Mitglieder hoheitlich aktiviert bzw. rekrutiert werden müssen. Vor diesem Hintergrund liegt auf der Hand, dass die Fachkompetenz verwal­ tungsexterner sachverständiger Stellen nicht durch Einrichtung und Organi­ sation, sondern nur mittels Vorgaben im kodifizierten Recht, Etablierung be­ sonderer Verfahren oder durch Einzelfallprüfung gewährleistet werden kann. Bezüglich der Anwendung und Beherrschung bestimmter fachlicher Me­ thoden oder Beurteilungstechniken, die an weitgehend unbestimmte Prüfpro­ gramme des materiellen Rechts anknüpfen, führt die Untersuchung ebenfalls auf keine Inkohärenzen im Regelungssystem. Sowohl bei verwaltungsinter­ nen als auch bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen wirkt eine



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen427

etwaige Unbestimmtheit ebenso wie ein hoher Detaillierungsgrad des zu ab­ solvierenden Prüfprogramms auf die Fachkompetenz der betreffenden sach­ verständigen Stelle zurück. Exemplarisch kann insoweit auf die Ausführun­ gen zum Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG,371 zur Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren i. S. d. §§  18 ff. NABEG372 oder zur Tätigkeit von DFS373 und BAF374 im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben verwiesen werden. bb) Entscheidungsbefugte und entscheidungsvorbereitende sachverständige Stellen Ausgehend von den oben herausgearbeiteten Ergebnissen stellt sich die Kohärenz der etablierten Mechanismen zur Gewährleistung der Fachkompe­ tenz von entscheidungsbefugten und vorbereitend tätigen sachverständigen Stellen allein für die Vergleichsgruppe der externen sachverständigen Stellen als Problem dar.375 Nach Maßgabe und in Konkretisierung der im Schrift­ tum entwickelten „Je desto-Formel“376 muss die Fachkompetenz einer ver­ waltungsexternen sachverständigen Stelle mit steigender Rechtsqualität ihres Entscheidungsbeitrags umso eher regulatorisch gewährleistet werden und darf umso weniger allein dem Verwaltungsvollzug im Einzelfall überlassen bleiben. Ausgehend von dieser Prämisse liegt ein inkohärentes Regelungs­ system insbesondere dann vor, wenn die Fachkompetenz einer externen sachverständigen Stelle mit bloßen Beratungsaufgaben stärker regulatorisch abgesichert wird als die Fachkompetenz einer externen sachverständigen Stelle mit originären (Sach-)Entscheidungskompetenzen. Entsprechendes gilt, wenn die Fachkompetenz von beratenden und entscheidungsbefugten sach­ verständigen Stellen jeweils nicht regulatorisch, sondern gleichermaßen auf der Ebene des einzelfallbezogenen Verwaltungsvollzugs sichergestellt wird. Wie dargelegt, liegt letztere Konstellation im Verhältnis zwischen dem Sach­ verständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, dessen Gutachten für die atomrechtliche Genehmigungsbehörde rechtlich unverbindlich sind,377 und dem Gegensach­ verständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, dessen Beurteilungen das BfArM 371  § 3 B. III. 1. 372  § 4 B. III. 1.

373  § 3 D. III. 1. 374  § 5 B. III. 1.

375  Zur Homogenität der Mechanismen für die verwaltungsinternen sachverstän­ digen Stellen siehe oben C. I. 2. a) bb) (1). 376  Siehe wiederum Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66. 377  § 3 B. IV. 2. a).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

im Außenverhältnis rechtlich binden,378 vor.379 Darüber hinaus sind auch zur Gewährleistung der Fachkompetenz der ZKBS sowie der anerkannten Um­ weltverbände, deren Entscheidungsbeiträge jeweils rechtlich unverbindlich sind,380 auf gesetzlicher Ebene Vorgaben getroffen bzw. Verfahren zur Prü­ fung und Gewährleistung ihrer Fachkompetenz etabliert,381 was beim Gegen­ sachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gerade nicht der Fall ist. Vergleicht man die genannten externen sachverständigen Stellen losgelöst von den Modalitäten des jeweiligen Rechtsgebiets allein im Hinblick auf die Rechtsqualität ihrer Entscheidungsbeiträge, erweist sich die gesetzliche Re­ gelungssystematik innerhalb der betrachteten Referenzgebiete nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ als inkohärent. cc) Vergleich mit anderen naturwissenschaftlich-technisch geprägten Rechtsgebieten Nicht unerwähnt bleiben soll der Vergleich zwischen den vorliegend be­ trachteten naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren und Rechtsgebieten, in denen sachverständige Stellen mit Aufgaben der  re­ pressiven Wirtschaftsüberwachung betraut sind. Unter Kohärenzgesichts­ punkten ist insoweit darauf hinzuweisen, dass die Fachkompetenz von ver­ waltungsexternen sachverständigen Stellen382 mit Überwachungsaufgaben anders als in den vorliegend betrachteten Referenzgebieten mitunter durchaus detailliert gesetzlich geregelt wird.383 Indes lässt dieser Befund keine Rück­ schlüsse auf eine Inkohärenz des gesetzlichen Regelungssystems zu. Dass der Gesetzgeber bereichsspezifisch die Fachkompetenz externer sachverstän­ diger Stellen durch Statuierung von exakten Anforderungen im positiven Recht gewährleistet, wird man in aller Regel auf die jeweiligen Gegebenhei­ ten und Spezifika des betreffenden Sachgebiets zurückführen können. Trägt der Gesetzgeber derartigen Umständen bereichsspezifisch mit einer höheren 378  § 4 C. IV. 2.

379  Siehe zur Geltung des Mechanismus der „Einzelfallprüfung“ für beide sach­ verständige Stellen oben C. I. 2. a) bb) (2) (c). 380  Siehe für die ZKBS oben § 3 C. IV. 2. a); für die anerkannten Umweltver­ bände siehe oben § 5 C. IV. 2. a). 381  Zum Besetzungskonzept der ZKBS siehe § 4 Abs. 1 S. 2 GenTG. Zum Aner­ kennungsverfahren für Umweltverbände siehe § 3 UmwRG. 382  Für verwaltungsinterne sachverständige Stellen, mithin Behörden im organisa­ tionsrechtlichen Sinne, gelten die obigen Darlegungen auch, soweit sie mit Überwa­ chungsaufgaben betraut sind. 383  Siehe z. B. §§ 2, 4 u. 11 KfSachVG; § 9a Abs. 1 SchfHwG i. V. m. § 45 Abs. 1, 2 HWO i. V. m. der Verordnung über die Meisterprüfung in den Teilen I und II im Schornsteinfeger-Handwerk (Schornsteinfegermeisterverordnung – SchoMstrV) vom 11.11.2015 (BGBl. I 2015, S. 1987).



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen429

bzw. geringen Regelungsdichte des kodifizierten Gesetzesrechts inhaltlich Rechnung, begründet dies gerade ein kohärentes Regelungssystem. c) Rechtspolitischer Ausblick Ausgehend von den vorstehenden Ergebnissen gibt in rechtspolitischer Hinsicht zunächst der für den vorliegend betrachteten Teilausschnitt der Rechtsordnung erzielte Befund der Inkohärenz des gesetzlichen Regelungs­ systems bezüglich der regulatorischen Gewährleistung der Fachkompetenz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen mit Entscheidungskompetenzen und Beratungsaufgaben Anlass zu einer kurzen Stellungnahme. Ungeachtet des von Teilen des Schrifttums gar aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Auftrags an den Gesetzgeber, Verwaltungstätigkeit als „eine kohärente Ent­ scheidungs- und Wirkungseinheit“ auszugestalten,384 könnte der vorliegende Befund der inkohärenten Gewährleistung der Fachkompetenz externer sach­ verständiger Stellen im Fachrecht namentlich für den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG nur dann einen gesetzgeberischen Handlungs­ bedarf auslösen, wenn und soweit dessen Fachkompetenz nicht auf der Voll­ zugsebene des Einzelfalls gelöst werden könnte. Eben dies wurde vorliegend nicht untersucht und wird auch nicht behauptet. Nichtsdestotrotz wirft das Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG die rechts­ politische Frage auf, warum der Gesetzgeber die in der Vorgängerregelung des § 25 Abs. 5 S. 6 AMG durchaus detailliert kodifizierten Qualifikationsan­ forderungen an den Gegensachverständigen nicht in die gegenwärtige Geset­ zesfassung übernommen hat, zumal sich das BfArM im Verwaltungsvollzug nach wie vor an eben diesen vormals gesetzlich geregelten Vorgaben orien­ tiert.385 Gerade im Hinblick auf Risikopotenzial und Breitenwirkung von Zulassungsentscheidungen, wie sie im Arzneimittelbereich getroffen werden, erscheint es rechtspolitisch allgemein wünschenswert, wenn sich der Gesetz­ geber selbst der Gewährleistung der Fachkompetenz von mit originären Entscheidungskompetenzen ausgestatteten externen sachverständigen Stellen annähme. Als entsprechende Handlungsmöglichkeiten kommen die Statuie­ rung detaillierter Anforderungen im Fachrecht sowie die Implementierung besonderer Verfahren zur Gewährleistung der Fachkompetenz sachverständi­ ger Stellen in Betracht. Welchen regulatorischen Weg der Gesetzgeber inso­ weit zukünftig für die Sicherstellung der Expertise externer sachverständiger Stellen mit Entscheidungskompetenzen beschreiten wird, bleibt abzuwarten.

384  Siehe etwa Jestaedt, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band I, § 14 Rn. 54. 385  Siehe hierzu insgesamt § 4 C. III. 1.

430

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

II. Unabhängigkeit Neben der Fachkompetenz wurde als zweite abstrakt-organisatorische An­ forderung die Unabhängigkeit von sachverständigen Stellen untersucht, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren verwal­ tungsseitig bzw. verwaltungssubstituierend tätig werden. Auch für die Unab­ hängigkeit sind Normbestand und Regelungsstrukturen aus den betrachteten Referenzgebieten zunächst überblicksartig zusammenzufassen und anschlie­ ßend zu analysieren. 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Die Untersuchung des vorliegend als ausschließliche Sachorientierung und Handlungsrationalität interpretierten Postulats der Unabhängigkeit386 sach­ verständiger Stellen hat teils ähnliche, teils sehr unterschiedliche Normbe­ stände und Regelungsstrukturen aufgezeigt. Dieser Befund betrifft zunächst die innerhalb der Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen betrachteten Referenz­ gebiete. Für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG wird das Postulat der Unabhängigkeit zwar in der Verordnungsermächtigung des § 12 S. 1 Nr. 9 AtG angesprochen, allerdings weder auf gesetzlicher Ebene noch im Verord­ nungsrecht näher ausgestaltet. Im Kern erschöpft sich die Unabhängigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im normativen Regelungsgehalt der §§ 20, 21 VwVfG, deren Anwendungsbereich im Zusammenhang mit naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren indes be­ grenzt ist. Darüber hinaus unterliegt der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG formell keinerlei Weisungsbefugnissen der ihn beauftragenden Geneh­ migungsbehörde.387 Ganz ähnliche Vorgaben gelten für die Mitglieder der ZKBS, für die § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG ausdrücklich deren Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit statuiert. Wodurch sich die Unabhängigkeit der Mit­ glieder der ZKBS konkret auszeichnet, lässt das kodifizierte Recht indes of­ fen. Auch insoweit hat die Untersuchung gezeigt, dass allein die Ausschluss­ gründe der §§ 20, 21 VwVfG dem Postulat der Unabhängigkeit der Mitglie­ der der ZKBS inhaltliche Konturen verleihen.388 Für die Tätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zu­ lassung von Windenergieanlagen im BImSchG-Genehmigungsverfahren ver­ hält sich das kodifizierte Recht zu einer etwaigen der DFS abzuverlangenden 386  Siehe

zur Begriffsbildung oben § 2 D. III. 2. Unabhängigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. III. 2. 388  Zur Unabhängigkeit der ZKBS siehe oben § 3 C. III. 2. 387  Zur



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen431

Unabhängigkeit nicht. Aufgrund ihrer rechtlichen Stellung als Verwaltungs­ helferin ist die grundsätzliche Anwendbarkeit des Gebots der Unabhängigkeit auf die DFS nicht zweifelhaft, kann jedoch im Einzelfall nicht nach Maßgabe der Mitwirkungsverbote der §§ 20, 21 VwVfG beurteilt werden. Beide Aus­ schlussgründe finden keine Anwendung, wenn eine sachverständige Stelle kraft gesetzlicher Anordnung in einem Verwaltungsverfahren beteiligt ist bzw. beteiligt sein muss. Eben dies ist, wie bei der Betrachtung des Refe­ renzgebiets im Einzelnen dargelegt wurde, bei der DFS jedoch der Fall. Mangels Anwendbarkeit der §§ 20, 21 VwVfG fehlt es für die Bestimmung des konkreten Regelungsgehalts der Unabhängigkeit der DFS an exakten rechtlichen Maßstäben und ist einer Klärung im Einzelfall vorbehalten.389 Im Ergebnis soll nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts je­ denfalls die verfahrensrechtliche Doppelstellung der DFS als Verwaltungs­ gutachterin i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG und „betroffene“ Eigentümerin bzw. Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen der ihr abzuverlangenden Unabhängigkeit nicht entgegenstehen.390 Für die Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen wurde am Beispiel der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfah­ ren der §§ 18 ff. NABEG auf die ständige Rechtsprechung des Bundesver­ waltungsgerichts eingegangen, nach der die nationale Rechtsordnung keine „institutionelle Befangenheit“ von Behörden kennt, weshalb die Ausschluss­ gründe der §§ 20, 21 VwVfG auf ihre Tätigkeit in Verwaltungsverfahren keine Anwendung finden.391 Indes ergibt sich aus der zum Fachplanungs­ recht ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein im rechtsstaatlichen Gebot der fairen Verfahrensgestaltung gründendes, an Plan­ feststellungsbehörden adressiertes Abstands- und Distanzgebot im Verhältnis zur Ministerialverwaltung und zum jeweiligen Vorhabenträger, dessen inhalt­ liche Klärung im Detail freilich aussteht und das folglich reichlich Raum für Interpretationsmöglichkeiten im Einzelfall bietet.392 Für den als weiteres Referenzgebiet für sachverständige Stellen mit originären Entscheidungs­ kompetenzen betrachteten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG reicht nach herrschender Meinung die in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gefor­ derte, indes nicht näher ausgeformte Unabhängigkeit über den Regelungs­ gehalt der §§ 20, 21 VwVfG hinaus und schließt die Anstellung von Gegen­ sachverständigen in (irgend-)einem pharmazeutischen Unternehmen aus. 389  Vgl.

insoweit auch BVerwGE 154, 377 (385). Unabhängigkeit der DFS siehe oben § 3 D. III. 2. 391  Zur diesbezüglichen Rechtsprechung siehe etwa BVerwGE 153, 367 (372); BVerwG, NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71); NVwZ-RR 2018, 928 (929). 392  Zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 2. 390  Zur

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Demgegenüber fehlt es für die Beurteilung anderer Tätigkeiten, die die Un­ abhängigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG mög­ licherweise zweifelhaft erscheinen lassen könnten (z. B. Beratungsverhält­ nisse zu Unternehmen in der Arzneimittelindustrie), an allgemeinen Maßstä­ ben und ist der Konkretisierung im Verwaltungsvollzug des BfArM überlas­ sen.393 Im Unterschied hierzu formulieren die durch § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genommenen Rechtsakte des Unionsrechts für die Unabhängigkeit der im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte tätigen Benannten Stellen konkrete Ge- bzw. Verbote, die sich sowohl auf die Benannten Stellen als juristische Personen als auch auf ihre Leitung und ihr sonstiges Personal beziehen.394 Aus dem Spektrum der Untersuchungsgruppe der belangwahrenden sach­ verständigen Stellen setzt insbesondere das Bundesverwaltungsgericht ein hohes Vertrauen in die ausschließliche Sachorientierung und Handlungsratio­ nalität von in ihrem Aufgabenbereich betroffenen und daher im Zulassungs­ verfahren zu beteiligenden Fachbehörden. Insoweit leitet das Bundesverwal­ tungsgericht das besondere Vertrauen in die Unabhängigkeit395 des BAF, die gerade mit Blick auf dessen Unterstützung durch die eigenwirtschaftlichen Interessen unterliegende DFS nicht unproblematisch erscheint, aus dessen Organisation als Behörde sowie seiner „übergeordnete[n] Entscheidungs­ kompetenz“ im Verhältnis zur DFS ab.396 Für die in Anlagen- und Vorha­ benzulassungsverfahren als „Quasi-Verwaltungshelfer“ mitwirkenden Um­ weltverbände wird das Postulat der Unabhängigkeit allein an der unbestimmt formulierten Anerkennungsvoraussetzung der „Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung“ (§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 1 UmwRG) festgemacht. Folg­ lich ist anhand des kodifizierten Rechts kaum zu beurteilen, unter welchen Voraussetzungen anerkannte Umweltverbände (nicht mehr) unabhängig sind.397 Hinsichtlich der in die Zulassung von arzneimittelrechtlichen For­ schungsvorhaben eingebundenen Ethik-Kommissionen ist das Unabhängig­ keitspostulat zwar kodifiziert, aber nicht im Einzelnen ausgestaltet und infol­ gedessen etwa mit Blick auf ihre in § 41a AMG vorgesehene Registrierungs­ pflicht im Verhältnis zum BfArM fraglich. Die Unabhängigkeit der Mitglieder von Ethik-Kommissionen wird wiederum vor allem durch die Ausschluss­ gründe der §§ 20, 21 VwVfG bestimmt.398 393  Zur

Unabhängigkeit des Gegensachverständigen siehe oben § 4 C. III. 2. näher oben § 4 D. III. 2. 395  Zur Vermeidung von Missverständnissen sei hier noch einmal auf die obige Begriffsbildung zum Unabhängigkeitspostulat (§ 2 D. III. 2.) hingewiesen. 396  BVerwGE 154, 377 (285). Zur Unabhängigkeit des BAF siehe oben § 5 B. III. 2. 397  Zur Unabhängigkeit von Umweltverbänden siehe oben § 5 C. III. 2. 398  Zur Unabhängigkeit von Ethik-Kommissionen siehe oben § 5 D. III. 2. 394  Dazu



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen433

2. Analyseraster Im Folgenden werden der für das Postulat der Unabhängigkeit aufgezeigte Normbestand sowie die Regelungsstrukturen zunächst in rechtlicher Hinsicht und anschließend im Hinblick auf ihre Kohärenz analysiert. Auf dieser Grundlage sollen sodann einige rechtspolitische Aspekte aufgegriffen wer­ den. a) Rechtliche Betrachtung Ähnlich wie die Fachkompetenz stellt auch die Unabhängigkeit sachver­ ständiger Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren hoheitlich eingebunden werden, ein rechtliches Gebot dar (dazu aa)), zu dessen Erfüllung bzw. Gewährleistung das Recht unterschied­ liche Mechanismen kennt (hierzu bb)). aa) Unabhängigkeit sachverständiger Stellen als rechtliches Gebot Anhand der betrachteten Referenzgebiete wurde jeweils die Unabhängig­ keit sachverständiger Stellen als rechtliches Gebot herausgearbeitet, das so­ wohl für verwaltungsinterne als auch für verwaltungsexterne sachverständige Stellen Geltung beansprucht. (1) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen Wie am Beispiel der Bundesnetzagentur dargelegt,399 folgt aus den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Prinzipien der Verfah­ rensgerechtigkeit und des fairen Verfahrens sowie den Grundrechten ein verfassungsrechtliches Gebot, Verwaltungsverfahren objektiv und unpartei­ isch durchzuführen. Hieraus ergibt sich für Behörden, denen in Verwaltungs­ verfahren i. S. d. § 9 VwVfG die Verfahrensfederführung und Entscheidung im Außenverhältnis obliegt, die Pflicht zur ausschließlichen Ausrichtung ­ihrer Handlungen und Entscheidungen an sachlichen und rationalen Maßstä­ ben.400 Entsprechendes gilt für Behörden, die bei Berührung in ihrem Aufga­ benbereich durch die jeweils federführende Behörde im Zulassungsverfahren lediglich verwaltungsintern zu beteiligen sind.401 399  Siehe

oben § 4 B. III. 2. anderer Terminologie, in der Sache aber wie hier Ramsauer, in: Kopp/ Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 6; Steinkühler, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 2 f. 401  Siehe insoweit für das BAF oben § 5 B. III. 2. 400  Mit

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(2) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen Die Untersuchung verschiedener Referenzgebiete hat gezeigt, dass Un­ abhängigkeit ungeachtet ihrer bereichsspezifischen Interpretation und etwai­ ger Auslegungsschwierigkeiten auch für verwaltungsexterne sachverständige Stel­ len grundsätzlich eine rechtliche Voraussetzung für ihre verwaltungs­ seitige bzw. verwaltungssubstituierende Tätigkeit in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren darstellt. Häufig gibt das Fach­ recht die Unabhängigkeit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen aus­ drücklich vor, ohne dass die gesetzliche Terminologie insoweit einheitlich wäre.402 Für andere externe sachverständige Stellen wird das Unabhängig­ keitspostulat in fachrechtlich lediglich unbestimmt formulierte Tätigkeits­ voraussetzungen hineingelesen.403 Im Übrigen stellt das Unabhängigkeits­ postulat namentlich bei als Beliehenen oder Verwaltungshelfern zu qualifi­ zierenden sachverständigen Stellen jedenfalls einen ungeschriebenen Rechts­ grundsatz dar, der auch ohne entsprechende Kodifizierung im positiven Recht Geltung beansprucht.404 Vereinzelt wird im Schrifttum die Anerkennung von Unabhängigkeit als allgemeines Charakteristikum der Tätigkeit externer sachverständiger Stel­ len kritisch gesehen. Da spezifische Expertise häufig in zivilgesellschaft­ lichen Kreisen konzentriert sei, die über ein bestimmtes fachwissenschaft­ liches Vorverständnis bzw. eine Grundhaltung zu einer Technologie oder einem Forschungsvorhaben verfügten, sei die Vorstellung, Sachkunde oder Sachverstand als Erscheinungsformen von Fachkompetenz405 würden der Verwaltung von „außen“ und damit auch „von unabhängiger Seite“ zur Ver­ fügung gestellt, eine Illusion.406 Diese These wird durch die Erkenntnisse aus den vorliegend untersuchten Referenzgebieten zunächst bestätigt. In der aktiven Phase der atomrechtlichen Genehmigungspraxis für Kernenergie­ kraftwerke setzte sich das Spektrum der von Behörden nach § 20 S. 1 AtG beauftragten Sachverständigen aus „kernenergiefreundlich“ und „kernener­ giekritisch“ eingestellten sachverständigen Stellen zusammen.407 Im Gen­ technikrecht speist sich die innerhalb der ZKBS in der numerischen Über­ zahl befindliche Gruppe der Sachverständigen i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG aus Personen, die selbst Forscher, Anwender oder Entwickler von 402  Zu Beispielen aus den behandelten Referenzgebieten siehe oben § 3 B. III. 2; § 3 C. III. 2; § 4 C. III. 2; § 4 D. III. 2; § 5 D. III. 2. 403  So bei anerkannten Umweltverbänden, siehe § 5 C. III. 2. 404  Siehe für die DFS oben § 3 D. III. 2. 405  Zum hiesigen Begriffsverständnis von Fachkompetenz siehe oben § 2 D. III. 1. 406  So Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (293 f.). 407  Dazu oben § 3 B. III. 2. u. B. IV. 2. b).



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen435

Gentechnik sind.408 Die Experten, die als „unabhängige“ Gegensachverstän­ dige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG in das nationale Arzneimittelzulassungs­ verfahren eingebunden werden, verfügen regelmäßig über Kontakte und Beziehungen in die pharmazeutische Industrie.409 Benannte Stellen bieten ­ ihre auf vertraglicher Grundlage mit den Herstellern beruhende Tätigkeit im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte als markt­wirtschaftliche Dienstleistung an.410 Anerkannte Umweltverbände sol­ len durch ihre Mitwirkung in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren Belange wahrnehmen, die sie satzungsmäßig gerade als „eigenen“ Zweck verfolgen.411 Indes können diese Befunde nicht zu dem Schluss führen, Unabhängigkeit sei keine rechtliche Anforderung an verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die verwaltungsseitig bzw. verwaltungssubstituierend in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebunden werden. Gerade wenn und weil das Fachrecht den Antragstellern mitunter die Pflicht zur Beibringung von eigens eingeholten Sachverständigengutachten auferlegt, verlangt die im Rechtsstaats- und Demokratieprinzip sowie den Grundrechten abzuleitende Rationalitätspflicht412 vom Staat, für ein Min­ destmaß an Unabhängigkeit der von ihm zwecks Kompensation von Wissen­ sasymmetrien413 eingebundenen externen sachverständigen Stellen zu sor­ gen. Die Pflicht der staatlichen Verwaltungsbehörden, ihr Handeln und ihre Entscheidungen ausschließlich an sachlichen und rationalen Maßstäben aus­ zurichten, gilt grundsätzlich auch für externe sachverständige Stellen. Für verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die wie die Benannten Stellen im Medizinprodukterecht oder die Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht über Entscheidungskompetenzen im Außenverhältnis verfügen, ist dies los­ gelöst von den entsprechenden Bestimmungen im kodifizierten Recht offen­ kundig. Insbesondere die Ethik-Kommissionen unterliegen als funktionale Behörden i. S. d. §  1 Abs.  4 VwVfG414 bei ihrer außenwirksamen Tätigkeit den gleichen rechtlichen Bindungen wie Behörden im organisationsrecht­ lichen Sinne. Doch auch für verwaltungsexterne sachverständige Stellen, deren Entscheidungsbeiträge die Zulassungsbehörden im Außenverhältnis zum Antragsteller binnenrechtlich oder zumindest faktisch binden, ist das Unabhängigkeitspostulat ein rechtliches Gebot, das der Staat im Wege seiner 408  Siehe

oben § 3 C. III. 2.

409  § 4 C. III. 2. 410  Hierzu

oben § 4 D. II. u. D. III. 2.

411  § 5 C. III. 2. 412  Siehe

nur Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 m. w. N. oben § 1 A. I. 414  Zur entsprechenden Klassifizierung siehe oben § 5 D. I. 413  Dazu

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Gewährleistungs- bzw. Strukturschaffungspflicht415 umsetzen bzw. beachten muss. Wollte man für sie im Fall ihrer hoheitlichen Einbindung in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auf die Vorgabe ei­ nes ausschließlich an sachlichen und rationalen Maßstäben ausgerichteten Handelns verzichten, wäre es dem Staat gestattet, sich der Expertise von privaten Dritten zu bedienen, die geringeren Rechtsbindungen als die von ihm zur Aufgabenerfüllung herkömmlich eingesetzten Verwaltungsbehörden unterlägen. Dies liefe – untechnisch gesprochen – auf eine Art von „Flucht ins Privatrecht“ hinaus, die dem Staat aufgrund der regelmäßigen Grund­ rechtsrelevanz von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren verwehrt sein muss. Insofern mag Unabhängigkeit kein „Charakte­ ristikum“ der Tätigkeit externer sachverständiger Stellen darstellen; rechtlich gefordert bleibt sie gleichwohl. Dementsprechend kann nicht das generelle „Ob“, sondern lediglich das Maß sowie der rechtliche Mechanismus zur Ge­ währleistung der Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen fraglich sein. In letzter Konsequenz fordern auch die diejenigen Stimmen im Schrift­ tum, die Unabhängigkeit nicht als Charakteristikum externer Sachverständi­ gentätigkeit ansehen, die Etablierung von „Ausgleichsmechanismen“, „um eine […] über dem Sonderinteresse stehende ‚Entscheidungsqualität‘ sicherzustel­len.“416 Welche regulatorischen Handlungsmöglichkeiten dem Staat insoweit zur Verfügung stehen, ist im Folgenden näher zu betrachten. bb) Mechanismen zur Gewährleistung von Unabhängigkeit Die effektive Absicherung der Unabhängigkeit verwaltungsseitig tätiger bzw. verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen erweist sich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren als organi­ sations- und verfahrensrechtliche Herausforderung. Zum einen kann die Unabhängigkeit sachverständiger Stellen durch etwaige rechtliche, wirt­ ­ schaftliche oder sonstige (Eigen-)Interessen gefährdet sein, die in Person der jeweiligen sachverständigen Stellen selbst begründet sind. Zum anderen kann die Unabhängigkeit letzterer aber auch aufgrund von entsprechenden Interessen und Einflussnahmemöglichkeiten Dritter, etwa seitens der Mi­ nisterialverwaltung,417 des Antragstellers oder von anderen „Interessier­ 415  Zu dieser staatlichen Strukturschaffungspflicht siehe vor allem Burgi, Funktio­ nale Privatisierung und Verwaltungshilfe, S. 378 ff.; ders., Die Verwaltung 33 (2000), 183 ff. Siehe zudem die Ausführungen oben unter B. II. 1. c) bb) (2). 416  Siehe Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (294), die insoweit argumentativ auf von Schmidt-Aßmann zur demokratischen Legitimation von kommunaler Selbstver­ waltung entwickelte Überlegungen zurückgreift (dort Fn. 52). 417  Dies namentlich bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen. Siehe in­ soweit am Beispiel des BAF oben § 4 B. III. 2.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen437

ten“418, beeinträchtigt sein. Derartige die Unabhängigkeit – also ausschließ­ liche Sachorientierung und Handlungsrationalität – sachverständiger Stellen potenziell beeinflussende Umstände können und müssen regulatorisch ad­ äquat eingehegt werden. Insoweit kann ebenso wie bei der Anforderung der Fachkompetenz auch für die Gewährleistung der Unabhängigkeit zwischen Mechanismen differenziert werden, die für verwaltungsinterne sachverstän­ dige Stellen auf der einen und verwaltungsexterne sachverständige Stellen auf der anderen Seite implementiert sind. (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen Innerhalb der Gruppe verwaltungsinterner sachverständiger Stellen lassen sich mit der Rechts- und Gesetzesbindung (dazu (a)) sowie der Vermeidung des „bösen Scheins“ (dazu (b)) im Wesentlichen zwei Regulierungsstränge identifizieren, mittels derer die Unabhängigkeit der staatlichen Verwaltungs­ behörden gewährleistet werden soll. (a) Durch (Grund-)Rechts- und Gesetzesbindung Der potenziell stärkste und wichtigste Mechanismus zur Gewährleistung der vorliegend als ausschließliche Sachorientierung und Handlungsrationali­ tät interpretierten Unabhängigkeit der staatlichen Verwaltungsbehörden ist ihre Rechts- und Gesetzesbindung. Das Grundgesetz bringt diese Vorgabe an prominenter Stelle zum Ausdruck. Nach Maßgabe von Art. 1 Abs. 3 GG stellen die Grundrechte für die Tätigkeit der Exekutive unmittelbar geltendes Recht dar. Diese Grundrechtsbindung gilt für alle Formen unmittelbarer Staatsverwaltung.419 Darüber hinaus ist nach Art. 20 Abs. 3 GG die „vollzie­ hende Gewalt“ – gemeint ist jedes staatliche Verhalten, das nicht als Gesetz­ gebung oder Rechtsprechung zu qualifizieren ist420 – bei ihren Handlungen und Entscheidungen an Recht und Gesetz gebunden. Im Kontext der vorlie­ genden Untersuchung gelten diese allgemeinen, auf Ebene des einfachen 418  Zu denken ist beispielsweise an Unternehmen oder Einrichtungen, die etwa in forschungsrelevanten Bereichen wie der Gentechnik oder im Arzneimittelsektor (mit­ telbare) wirtschaftliche Eigeninteressen an (bestimmten) Zulassungsentscheidungen haben und die auf unterschiedliche Art und Weise (z. B. Vertragsbeziehungen, Koope­ rationen, Zuwendungsverhältnissen) mit sachverständigen Stellen in Kontakt stehen bzw. auf diese einwirken können. 419  Zur Reichweite von Art. 1 Abs. 3 GG siehe statt vieler Herdegen, in: Maunz/ Dürig, Grundgesetz, Band I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 94 ff. Auf die unmittelbare Grund­ rechtsbindung externer sachverständiger Stellen, die zur mittelbaren Staatsverwaltung zu zählen sind, wird noch eingegangen. 420  Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Art. 20 VI. Rn. 71.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Rechts näher auszugestaltenden Vorgaben sowohl für Behörden mit Außen­ entscheidungskompetenzen als auch für Behörden, die aufgrund ihrer Be­ rührung im eigenen Aufgabenbereich lediglich verwaltungsintern von einer anderen Behörde in einem naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren zu beteiligen sind. Abgesichert wird die exekutive Be­ achtung der (Grund-)Rechts- und Gesetzesbindung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen vor allem über Aufsichts- und Weisungsrechte der Ministerialverwaltung421 sowie durch die – nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG grundsätzlich vollständige422 – gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Tätigkeit. Weder Art. 1 Abs. 3 GG noch Art. 20 Abs. 3 GG sprechen die Unabhän­ gigkeit bzw. Sachorientierung und Handlungsrationalität von staatlichen Verwaltungsbehörden ausdrücklich an. Gleichwohl wird sich exekutives Handeln, das in Einklang mit den im einfachen Recht näher ausgestalteten Grundrechten und der übrigen Rechtsordnung steht, häufig als sachlich und rational klassifizieren lassen. Rechtlich gesichert ist dies freilich nicht. Hierzu bedarf es vielmehr flankierender Mechanismen, die nachfolgend zu behan­ deln sind. (b) Durch Vermeidung des „bösen Scheins“ Anhand der Tätigkeiten der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfah­ ren nach den §§ 18 ff. NABEG und des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfah­ ren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorha­ ben wurde herausgearbeitet, dass die Unabhängigkeit staatlicher Verwal­ tungsbehörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren insbesondere aus der Perspektive von Bürgern, auf deren Rechts- und Interessenssphäre sich die Tätigkeit der Behörden negativ auswirkt, zweifel­ haft sein kann. Im für das Gelingen der Energiewende als unabdingbar er­ scheinenden (vgl. § 1 S. 3 NABEG), lokal- wie bundespolitisch jedoch um­ strittenen Ausbau des Stromübertragungsnetzes,423 der zu Grundstücksbe­ troffenheiten und (möglicherweise) zu weiteren Beeinträchtigungen vorha­ 421  Siehe hierzu unter dem Gesichtspunkt des Unabhängigkeitspostulats staat­licher Verwaltungsbehörden wiederum oben § 2 D. III. 2. 422  Zur Kontrolldichte der Überprüfung der Tätigkeit von hoheitlich in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverstän­ digen Stellen siehe insgesamt näher unten E. II. 423  Zu politisch motivierten Verschleppungen beim (lokalen) Stromnetzausbau, die als eine von mehreren Ursachen für die Betrauung der Bundesnetzagentur mit Fachplanungsaufgaben im Bereich des bundesweiten Ausbaus des Übertragungsnet­ zes angesehen werden, siehe anhand von konkreten Beispielen Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S.  293 ff.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen439

benbetroffener Bürger führen wird,424 wähnt sich die Bundesnetzagentur im „Maschinenraum der Energiewende“ in der Funktion als „Motor“.425 Im Nutzungskonflikt zwischen geplanten Windenergieanlagen und zivilen Flug­ sicherungseinrichtungen greift das BAF hinsichtlich des von ihm wahrge­ nommenen Belangs der zivilen Flugsicherung in ständiger Verwaltungspraxis auf die DFS als Verwaltungsgutachterin zurück, die jedoch zugleich Eigen­ tümerin und Betreiberin von durch Bauvorhaben „betroffenen“ Flugsiche­ rungseinrichtungen ist. Solchen Konstellationen des „bösen Scheins“ fehlen­ der Unabhängigkeit verwaltungsinterner sachverständiger Stellen kann regu­ latorisch mit Betätigungsverboten (aa) und Abstands- und Distanzgeboten (bb) begegnet werden. Inneradministrative Trennungsgebote fordert die Rechtsordnung hingegen nicht (cc). (aa) Betätigungsverbote Der Mechanismus der „Gewährleistung von Unabhängigkeit durch Betäti­ gungsverbote“ liegt den Bestimmungen der §§ 20, 21 VwVfG zugrunde. Während das Vorliegen einer der Tatbestände des § 20 VwVfG zwingend zu einem Ausschluss eines Amtswalters vom Verwaltungsverfahren wegen Be­ fangenheit führt, lässt das Mitwirkungsverbot des § 21 VwVfG Spielraum für eine Würdigung im Einzelfall.426 Indes ist der Anwendungsbereich der §§ 20, 21 VwVfG jedenfalls bei ver­ waltungsinternen sachverständigen Stellen auf individuelle Amtswalter be­ grenzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts füh­ ren tatsächlich bestehende oder vermutete Sonderinteressen einer Behörde nicht zu einer institutionellen Befangenheit und damit auch nicht zu ihrem Ausschluss vom Verwaltungsverfahren.427 Dementsprechend ist die bei ihrer Tätigkeit im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG nach ei­ genem Befinden im „Maschinenraum der Energiewende“ als deren „Motor“ fungierende Bundesnetzagentur nicht nach Maßgabe von §§ 20, 21 VwVfG als institutionell befangen anzusehen, sondern verfolgt das überragende öf­ fentliche Interesse der zügigen Realisierung von NABEG-Vorhaben (§ 1 S. 3 424  Siehe nur https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/energiepolitik/bund-laesstmoegliche-gesundheitsrisiken-von-stromleitungen-erforschen-15101143.html (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 425  Siehe Homann, in: Mohr (Hrsg.), Energierecht im Wandel, S. 36 (38), seines Zeichens gegenwärtiger Präsident der Bundesnetzagentur. Zur Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. III. 2. 426  Siehe nur Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 21 Rn. 1. 427  BVerwGE 153, 367 (372); BVerwG, NVwZ 2016, 1641 (1644); LKV 2018, 69 (71); NVwZ-RR 2018, 928 (929). Siehe zur Problematik insgesamt Barbirz, Insti­ tutionelle Befangenheit.

440

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

NABEG). Ebenso wenig ist das BAF nach §§ 20, 21 VwVfG von der Behör­ denbeteiligung im BImSchG-Genehmigungsverfahren auszuschließen, wenn es im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG die gefor­ derte gutachtliche Stellungnahme regelmäßig gerade bei der DFS als der „in eigener Sache betroffenen“ Flugsicherungsorganisation einholt. Letzteres würde selbst dann gelten, wenn die Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG auf die Tätigkeit der DFS Anwendung fänden.428 Die rechtswidrige Einbin­ dung einer externen sachverständigen Stelle, die in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren verwaltungsberatend tätig wird, ist als Verfahrensfehler zu qualifizieren, dessen Behandlung nach Maßgabe des Fehlerfolgenregimes der §§ 44 ff. VwVfG erfolgt. Nach dem oben Ge­ sagten führt ein derartiger Verfahrensfehler jedoch nicht zu einer institutio­ nellen Befangenheit der beauftragenden Verwaltungsbehörde. Diese Rechtslage kann dem Vertrauen des Bürgers in die Sachlichkeit und Rationalität von Verwaltungshandeln, die durch die §§ 20, 21 VwVfG gerade gewährleisten werden soll,429 abträglich sein. Die verfassungsrechtliche Grundannahme, dass Behörden alleine das öffentlich-rechtliche Interesse der optimalen Aufgabenerledigung und keine spezifischen Eigeninteressen ver­ folgen,430 ist für Dritte, die durch die im Außenverhältnis ergehende Zulas­ sungsentscheidung in ihren Rechten bzw. Interessen beeinträchtigt werden, nicht zwangsläufig erkennbar oder als gewahrt anzusehen. Es bedarf daher weiterer Mechanismen, die die Unabhängigkeit von Verwaltungsbehörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren sichtbar machen bzw. absichern. (bb) Abstands- und Distanzgebote Ein Instrument zur äußerlich erkennbaren Gewährleistung der ausschließ­ lichen Sachorientierung und Handlungsrationalität von Behörden, welches die Rechtsprechung im Kontext des vorliegenden Untersuchungsgegenstands insbesondere zum Fachplanungsrecht entwickelt hat, sind Abstands- und ­Distanzgebote.431 Als Ableitung aus dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Grundsatz fairer Verfahrensgestaltung verlangt das Bundesverwaltungsgericht von Planfeststellungsbehörden, in jeder Phase des Planfeststellungsverfahrens „gegenüber jedermann“ ein hinreichendes Maß 428  Dies

ist nicht der Fall, siehe dazu oben § 3 D. III. 2. in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 6; Steinkühler, in: Mann/ Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 20 Rn. 2. 430  Siehe Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 20 Rn. 10. 431  Siehe dazu oben § 4 B. III. 2. 429  Ramsauer,



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen441

an innerer Distanz und Neutralität zu bewahren.432 Dieses Abstands- und Distanzgebot gilt zunächst gegenüber dem jeweiligen Vorhabenträger, mit welchem die zuständige Planfeststellungsbehörde zwar kooperativ und bis­ weilen auch informell zusammenarbeiten darf. Die hieraus nahezu unweiger­ lich resultierende Nähe darf dem Vorhabenträger aber keinen Platz „am Ent­ scheidungstisch“ der Planfeststellungsbehörde verschaffen.433 Für das Ver­ hältnis zwischen Planfeststellungsbehörde und Ministerialverwaltung erachtet das Bundesverwaltungsgericht informelle Besprechungen und Beratungen ebenfalls für grundsätzlich zulässig. In den Worten des Bundesverwaltungs­ gerichts ist die Grenze der zulässigen Einflussnahme der Politik auf die Verfahrenstätigkeit von Planfeststellungsbehörden jedoch dort erreicht, wo „verfahrensrechtlich gebotene Entscheidungsebenen nicht mehr getrennt, einseitig Absprachen über die weitere Verfahrensgestaltung getroffen und der Gestaltungsspielraum der Planfeststellungsbehörde von vornherein […] sach­ widrig eingeengt wird.“434 Freilich belässt dieses vom Bundesverwaltungsge­ richt inhaltlich lediglich umrissene Abstands- und Distanzgebot, das grund­ sätzlich auch für naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsver­ fahren außerhalb des Fachplanungsrechts Geltung beanspruchen dürfte, allen Beteiligten im Einzelfall erhebliche Handlungsspielräume, deren ordnungs­ gemäße Wahrnehmung bzw. Ausübung rechtlich kaum abgesichert wird. In letzter Konsequenz beruht die Einhaltung behördlicher Abstands- und Dis­ tanzgebote auf Vertrauen. Ändern ließe sich dies wohl nur, wenn alle bi- bzw. tripolaren Abstimmungs- und Beratungsgespräche zwischen Behörden, An­ tragstellern und Politik offengelegt werden müssten und dadurch kontrollier­ bar würden. Dies kann indes nicht im Sinne einer funktions- und handlungs­ fähigen Verwaltung sein und wird, wie bereits der Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG zeigt, auch vom Grundgesetz nicht verlangt. Insbeson­ dere die Grenzen der engen Zusammenarbeit zwischen Planfeststellungsbe­ hörde und Vorhabenträger bzw. Zulassungsbehörde und Antragsteller lassen sich im Detail regulatorisch weder sachgerecht erfassen noch einhegen, ohne gleichzeitig die Effektivität des Verwaltungshandelns erheblich zu beein­ trächtigen. Ob dies für das Verhältnis zwischen Ministe­rialverwaltung und Behörden ebenso gilt, darf hingegen bezweifelt werden. Wie bei der Unter­ suchung des Referenzgebiets erwähnt, statuiert das Fachrecht für ministeri­ elle Weisungen an die Bundesnetzagentur im Bereich des Regulierungsrechts mitunter Veröffentlichungspflichten.435 Sinn und Zweck der Pflicht zur Ver­ öffentlichung von Einzelweisungen und allgemeinen Weisungen ist zum ei­ 432  BVerwGE

75, 214 (230); 133, 239 (245); 139, 150 (154); 141, 171 (177). 75, 214 (231). 434  BVerwGE 75, 214 (231). 435  § 4 Abs. 3 S. 2 BEVVG, § 61 EnWG, § 117 S. 1 TKG. 433  BVerwGE

442

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

nen, eine etwaige ministerielle Einflussnahme auf die Tätigkeit der Bundes­ netzagentur offenzulegen und damit einer öffentlichen Kontrolle zu unter­ werfen. Zum anderen soll die Ministerialverwaltung durch die obligatorische Publizität von Weisungen zu einer disziplinierten und zurückhaltenden Aus­ übung ihres Weisungsrechtes angehalten werden.436 Soweit ersichtlich, sieht das Fachrecht vergleichbare Regelungen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht vor.437 Dies ist (verfassungs-)rechtlich nicht zu beanstanden, erscheint aber rechtspolitisch je nach Gegenstand des jeweiligen Zulassungsverfahrens nicht ohne weiteres einleuchtend. Auf die­ sen Aspekt wird noch zurückzukommen sein. Behördliche Abstands- und Distanzgebote sind aber nicht nur im Verhält­ nis zur Ministerialverwaltung und zu Antragstellern von naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren relevant, sondern können auch gegenüber anderen an der jeweiligen Zulassungsentscheidung mitwir­ kenden sachverständigen Stellen Bedeutung erlangen. Als diesbezügliches Beispiel kann im Kontext der Untersuchung auf das luftfahrtinterne Prüfver­ fahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG hingewiesen werden. In seiner bereits erwähnten Grundsatzentscheidung zum Nutzungskonflikt zwischen Wind­ energieanlagen und zivilen Flugsicherungseinrichtungen hat das Bundesver­ waltungsgericht zur Begründung der aus seiner nicht zu beanstandenden Doppelstellung der DFS als Verwaltungsgutachterin und wirtschaftlich be­ troffene Eigentümerin bzw. Betreiberin von Flugsicherungseinrichtungen ar­ gumentativ nicht zuletzt auf die „übergeordnete Entscheidungskompetenz des als Behörde öffentlich-rechtlich organisierten BAF“ abgestellt.438 Mit dieser Wendung deutet das Bundesverwaltungsgericht die Geltung des Ab­ stands- und Distanzgebots zur Einhegung von (etwaigen) privatwirtschaft­ lichen Eigeninteressen der vom Bund beherrschten DFS an, wenngleich die Konturen dieses Abstands- und Distanzgebots einmal mehr unscharf bleiben. In einer in anderem Zusammenhang ergangenen, oben bereits angeführten439 Entscheidung hat zudem jüngst das OVG Lüneburg gefordert, die im Außen­ verhältnis handelnde Zulassungsbehörde müsse die von ihr eingeholten Aus­ arbeitungen externer Sachverständiger nicht nur in der Sache umfassend 436  Zu diesen beiden Zwecken der Publizität von Einzelweisungen und allgemei­ nen Weisungen im Telekommunikationsrecht siehe Attendorn/Geppert, in: Geppert/ Schütz (Hrsg.), Beck’scher TKG-Kommentar, § 117 Rn. 1 f. 437  Dieser Befund gilt sowohl für Anlagenzulassungs- als auch für Risikoverfah­ ren. Bei den privatrechtlich konzipierten Qualitätssicherungsverfahren könnte sich die Problematik allenfalls hinsichtlich der – hier nicht zu behandelten – repressiven Tä­ tigkeit der zuständigen Behörden stellen. 438  BVerwGE 154, 377 (385). 439  Im Zusammenhang mit dem verstärkten Rückgriff auf das Instrument des Pro­ jektmanagers, siehe oben B. II. 3. a).



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen443

prüfen, sondern eben diese Prüfung auch in den Verwaltungsvorgängen schriftlich dokumentieren, damit die inhaltliche Übernahme des Entschei­ dungsvorschlags der externen sachverständigen Stelle „materiell als Element eigener willkürfreier behördlicher Willensbildung“ angesehen werden kön­ ne.440 In dieser Rechtsprechung klingt ebenfalls die Anerkennung eines Abstands- und Distanzgebots an. Im kodifizierten Recht findet sich eine derartige Dokumentationspflicht der Zulassungsbehörden, wie sie in ihrer Prägnanz bislang wohl lediglich vom OVG Lüneburg verlangt wird, im Zeit­ punkt des Abschlusses der vorliegenden Arbeit nicht.441 Dies gibt Anlass, diesen Gesichtspunkt an späterer Stelle noch einmal aus rechtspolitischer Sicht aufzugreifen. (cc) Trennungsgebote? Zur Einhegung innerbehördlicher Interessenkonflikte und Wahrung der behördlichen Unabhängigkeit wird wiederum für das Fachplanungsrecht ein Gebot der Trennung der Aufgaben von Anhörungs- und Planfeststellungsbe­ hörde diskutiert. In der allgemeinen Bestimmung des § 73 VwVfG ist die Trennung beider Aufgabenbereiche funktional angelegt. In den besonderen Vorschriften der jeweiligen Fachplanungsgesetze findet sich eine derartige Funktionentrennung hingegen nicht immer, wie etwa für den Bereich des Stromnetzausbaus die Regelungen der §§ 22, 24 NABEG zeigen.442 Auch in anderen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren außerhalb des Fachplanungsrechts gibt jedenfalls das Bundesrecht regelmä­ ßig keine Trennung der Aufgaben von Verfahrensdurchführung und Entschei­ dung verbindlich vor. Wie im Rahmen der Untersuchung der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG dargelegt, hält die überwiegende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur eine inneradministrative Funktionentrennung der Aufgaben von Anhörungsund Planfeststellungsbehörde zumindest nach Maßgabe des Grundsatzes der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 u. 3 GG) für verfassungsrechtlich nicht ge­ boten.443 Des Weiteren fehlt es auch für die Annahme, bei der Bündelung der 440  OVG

Lüneburg, Beschluss vom 11.02.2019 – 12 ME 219/18 –, juris, Rn. 55. ist darauf hinzuweisen, dass den Behörden eine Dokumentation des Umgangs mit den Voten externer sachverständiger Stellen sachbereichsspezifisch auch ohne ausdrückliche Regelung im kodifizierten Recht durchaus abverlangt wird. Siehe zum Atomrecht etwa oben § 3 B. IV. 2. a). 442  Dazu oben am Beispiel der Bundesnetzagentur § 4 B. IV. 1. 443  BVerwGE 58, 344 (350); 141, 171 (177); BVerwG, NVwZ 2002, 1103 (1104); OVG Bautzen, NVwZ-RR 2006, 767; VGH Mannheim, NVwZ 1988, 842; Lieber, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 73 Rn. 34; Neumann/Külpmann, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 73 Rn. 6; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 441  Insoweit

444

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Aufgaben von Anhörungs- und Planfeststellungsbehörde müsste jedenfalls behördenintern für eine organisatorische und personelle Trennung beider Bereiche zwingend gesorgt sein, an normativ greifbaren verfassungsrecht­ lichen Anforderungen. Ist eine derartige Trennung im Fachrecht vorgesehen, wird nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts rechtsstaat­ lichen Anforderungen „jedenfalls“ genügt.444 In rechtspolitischer Hinsicht mag die Implementierung entsprechender Trennungsgebote sachbereichsspe­ zifisch und je nach Standpunkt des Betrachters wünschenswert bzw. sinnvoll sein. In rechtlicher Hinsicht wird man eine behördeninterne Funktionentren­ nung von Verfahrensdurchführung und Entscheidung jedoch weder aus dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip noch aus dem Postulat der Unabhängigkeit verbindlich ableiten können. Letztlich muss es vielmehr der Regelungskom­ petenz von Bundes- bzw. Landesgesetzgeber vorbehalten bleiben, eine sach­ bereichsspezifisch für erforderlich erachtete Trennung beider Aufgabenberei­ che organisationsrechtlich umzusetzen. Letzteres gilt in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren sowohl für außenwirksam handelnde Zulassungsbehörden wie der Bundesnetzagentur als auch für Be­ hörden wie dem BAF, die aufgrund ihrer vorhabenbedingten Berührung im eigenen Aufgabenbereich im Zulassungsverfahren verwaltungsintern zu be­ teiligen sind. Insgesamt sind inneradministrative Trennungsgebote nicht als allgemein anerkannter Mechanismus zur Gewährleistung der Unabhängigkeit verwal­ tungsinterner sachverständiger Stellen anzusehen. (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen Die Unabhängigkeit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen kann im Kern wiederum durch gesetzliche bzw. untergesetzliche Vorgaben (a), durch Verfahren (b) sowie durch Einzelfallprüfung (c) gewährleistet werden. (a) Durch gesetzliche bzw. untergesetzliche Vorgaben Die Statuierung gesetzlicher bzw. untergesetzlicher Vorgaben stellt poten­ ziell den effektivsten Mechanismus zur Gewährleistung der Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen dar. Insoweit ist zunächst auch für externe (214); Ziekow, Gutachten D zum 69. Deutschen Juristentag, D 41; a. A. wohl Hufen/ Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 619; siehe auch Waechter; VVDStRL 72 (2013), 499 (512 f.). 444  BVerwGE 141, 171 (177). Im vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall nahmen drei unterschiedliche Referate einer Behörde die Aufgaben der Anhö­ rungs- und Planfeststellungsbehörde sowie des Vorhabenträgers wahr.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen445

sachverständige Stellen auf die Frage ihrer Bindung an die Grundrechte so­ wie an Recht und Gesetz einzugehen (aa). Anschließend sind die Regelungs­ optionen der Statuierung detaillierter Ge- und Verbote im Fachrecht (bb) sowie des Rückgriffs auf die Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG zu betrachten (cc). Sodann ist als besonderer Gewährleistungsmechanismus die Möglichkeit der pluralen Besetzung von Kollegialgremien zu behandeln (dd). (aa) (Grund-)Rechts- und Gesetzesbindung Ebenso wie verwaltungsinterne sachverständige Stellen sind auch manche externe sachverständige Stellen an die Grundrechte sowie an Recht und Ge­ setz gebunden, soweit sie zur vollziehenden Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG bzw. Art. 20 Abs. 3 GG gehören.445 Zur vollziehenden Gewalt im Sinne bei­ der Vorschriften zählt neben der Regierung und Verwaltung unabhängig von ihrer Handlungsform, ihren Mitteln und ihrer Rechtsform grundsätzlich auch die Tätigkeit der „sonstigen“ öffentlichen Gewalt, die der Erfüllung öffent­ licher Aufgaben dient.446 Danach sind namentlich Stellen der mittel­ baren Staatsverwaltung von Bund und Ländern als Adressaten der (Grund-)Rechtsund Gesetzesbindung anzusehen.447 Im Kontext der Untersuchung zählen somit der beliehene Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG448 sowie die in die Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG als funktionale Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG449 eingebundenen Ethik-Kommissionen zu den Adressaten der Bindungen aus Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG. Gleiches gilt für die Tätigkeit pri­ vater sachverständiger Stellen, die öffentliche Aufgaben der Verwaltung wahrnehmen und dabei im Alleineigentum des Staates stehen bzw. durch letzteren vollständig kontrolliert werden.450 Dementsprechend ist auch die als GmbH organisierte, vom Bund vollständig beherrschte DFS im Rahmen ihrer gutachtlichen Tätigkeit im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 445  Nach dem Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers ist die Interpreta­ tion des Begriffs der „vollziehenden Gewalt“ in Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG identisch, siehe BT-Drs. II/2150, S. 2. 446  Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, Art. 1 Rn. 227. 447  Siehe allgemein Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band I, Art. 1 Abs. 3 Rn. 94. 448  Dazu oben § 4 C. II. Zur Einordnung von Beliehenen als „vollziehende Ge­ walt“ siehe Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, Art. 1 Rn. 232. 449  Siehe hierzu oben § 5 D. II u. D. IV. 2. 450  Zur Grundrechtsrechtsbindung juristischer Personen des Privatrechts, die staat­ lich beherrscht werden, siehe Herdegen, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band I, Art. 1 Abs.  3 Rn.  96 m. w. N.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

S. 2 LuftVG an die Grundrechte sowie an Recht und Gesetz gebunden. Die Tätigkeit externer sachverständiger Stellen, die als Verwaltungshelfer ohne eigene hoheitliche Befugnisse im Auftrag der sie beauftragenden Verwal­ tungsbehörden agieren (z. B. der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG), wird den Behörden zugerechnet und ist selbst nicht unmittelbar (grund-)rechtsge­ bunden. Ebenso wenig wie bei den verwaltungsinternen sachverständigen Stellen lässt bereits eine etwaige Bindung externer sachverständiger Stellen an die Grundrechte bzw. an Recht und Gesetz ihre Tätigkeit in naturwissenschaft­ lich-technisch komplexen Zulassungsverfahren per se als unabhängig, mithin als ausschließlich sachorientiert und rational, erscheinen. Hierzu bedarf es vielmehr der Implementierung zusätzlicher Gewährleistungsmechanismen auf Ebene des einfachen Rechts, auf die im Folgenden einzugehen ist. (bb) Statuierung konkreter Ge- und Verbote im Fachrecht Im Vergleich zur Fachkompetenz, die in einem unmittelbaren Zusammen­ hang mit den dynamischen Fortentwicklungen des Wissens und der Metho­ den in den einschlägigen Naturwissenschaften und Technikbereichen steht, ist die Unabhängigkeit eine vergleichsweise statische Tätigkeitsanforderung an externe sachverständige Stellen, die im kodifizierten Recht grundsätzlich recht präzise formuliert und im Einzelnen ausgestaltet werden könnte. Dies betrifft etwa das eigenwirtschaftliche oder sonstige Interesse einer sachver­ ständigen Stelle am Gegenstand des jeweiligen Zulassungsverfahrens oder die Art und den Umfang ihrer generellen, losgelöst vom einzelfallbezogenen Zulassungsverfahren gepflegten Geschäftsbeziehungen zum Antragsteller. Die insoweit denkbaren Konstellationen lassen sich zwar möglicherweise nicht vollständig, wohl aber für besonders typische Situationen antizipieren und könnten regulatorisch mit einem hohem Detaillierungsgrad geregelt ­werden, indem etwa bestimmte Verhaltensweisen, Tätigkeiten und Kontakte externer sachverständiger Stellen im kodifizierten Recht ausdrücklich für ­ „zulässig“ bzw. „unzulässig“ erklärt werden. Tatsächlich schlägt sich diese grundsätzliche „Kodifikationsfähigkeit“ der Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen im einschlägigen Fachrecht des nationalen451 Umwelt- und Technikrechts nur selten nieder.452 In den vorliegend betrachteten Referenzgebieten, durch die ein möglichst breiter Teilausschnitt aus der „Rechtswirklichkeit“ naturwissenschaftlich-technisch 451  Etwaige rechtsvergleichende Betrachtungen hätten vorliegend den Rahmen der Untersuchung gesprengt und müssen anderen Abhandlungen vorbehalten bleiben. 452  Ebenso der Befund von Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staats­ aufgaben, S. 298 (307).



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen447

komplexer Zulassungsverfahren abgebildet werden soll, wird die Unabhän­ gigkeit externer sachverständiger Stellen im positiven Recht ganz überwie­ gend nur vage geregelt. Detailregelungen finden sich lediglich für die Tätig­ keit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für HochrisikoMedizinprodukte. Insoweit verweist § 15 Abs. 1 S. 2 MPG auf die einschlä­ gigen Rechtsakte des Unionsrechts, die in organisationsrechtlicher Hinsicht konkrete Ge- und Verbote an die Adresse der Benannten Stellen formulieren und dadurch die diesen abzuverlangende Unabhängigkeit im Detail ausge­ stalten.453 In den übrigen vorliegend untersuchten Referenzgebieten wird das Unabhängigkeitspostulat im einschlägigen Fachrecht zwar als geschriebene bzw. ungeschriebene Tätigkeitsanforderung an verwaltungsexterne sachver­ ständige Stellen angesehen, jedoch nicht näher regulatorisch ausgeformt. Dieser Befund betrifft gleichermaßen verwaltungsberatende,454 entschei­ dungsbefugte455 und belangwahrende456 sachverständige Stellen. Die Gründe für diese regulatorische Zurückhaltung des Gesetz- und Ver­ ordnungsgebers können zunächst in der naturwissenschaftlich-technischen Komplexität der entsprechenden Sachmaterien begründet sein. Wie insbeson­ dere anhand der Beispiele des Atom-, Gentechnik- und Arzneimittelrechts deutlich geworden ist, kommt in Sachgebieten mit ausdifferenzierten und dynamischen Wissensbeständen unter fachlichen Gesichtspunkten häufig nur eine geringe Anzahl externer sachverständiger Stellen für eine hoheitliche Einbindung in das betreffende naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren in Betracht. Nicht selten stehen diese Fachleute in ei­ nem mehr oder weniger engen Verhältnis zum Antragsgegenstand bzw. zu den Antragstellern der Zulassungsverfahren.457 Zwar wird man die innere Einstellung bzw. Motivation einer hoheitlich in ein naturwissenschaftlichtechnisch komplexes Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stelle im Einzelfall nicht immer zweifelsfrei ermitteln bzw. beurteilen kön­ nen. Diesem Problem ließe sich jedoch grundsätzlich durch Statuierung de­ taillierter, über den Regelungsgehalt der §§ 20, 21 VwVfG458 hinausgehender 453  Zur

Unabhängigkeit Benannter Stellen siehe oben § 4 D. III. 2. den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. III. 2; für die ZKBS siehe oben § 3 C. III. 2; für die DFS siehe oben § 3 D. III. 2. 455  Für den Gegensachverständigen i.  S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. III. 2. 456  Für anerkannte Umweltverbände siehe oben § 5 C. III. 2; für Ethik-Kommis­ sionen siehe oben § 5 D. III. 2. 457  Siehe insoweit für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. III. 2; für die ZKBS siehe oben § 3 C. III. 2; für den Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. III. 2. 458  Zu den Ausschlussgründen der §§ 20, 21 VwVfG siehe unten C. II. 2. a) bb) (2) (cc). 454  Für

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Ge- oder Verbote begegnen, die tatbestandlich bereits den äußeren Anschein des Vorliegens eines bestimmten Lebenssachverhalts als Interessenkonflikt definieren und auf Rechtsfolgenseite pauschal einen Ausschluss der externen sachverständigen Stelle vom Zulassungsverfahren anordnen.459 Fraglos setzt die Implementierung eines solchen Mechanismus zur Gewährleitung der Unabhängigkeit jedoch einen rechtspolitischen Willen voraus, sachgebiets­ spezifisch bestimmte externe sachverständige Stellen von einer verwaltungs­ seitigen460 Tätigkeit in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren auszuschließen. Die Erkenntnisse aus den vorliegend be­ trachteten Referenzgebieten deuten darauf hin, dass dies häufig gerade nicht der Fall ist. Wie insbesondere am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, der ZKBS sowie des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG dargelegt, wird in der jeweils einschlägigen Literatur und mitunter auch in der Rechtsprechung betont, übermäßig strenge Anforderungen an die Unabhängigkeit könnten das behördliche Auswahlspektrum an fachlich ge­ eigneten sachverständigen Stellen zu stark einschränken.461 Selbst wenn das Fachrecht in Vorschriften wie § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG oder § 25 Abs. 5 S. 5 AMG das Unabhängigkeitspostulat ausdrücklich als Tätigkeitsvoraussetzung kodifiziert, wird dessen normativer Gehalt sachgebietsspezifisch in Abhän­ gigkeit von dem rechtspolitischen Ziel ermittelt, überhaupt externe sachver­ ständige Stellen für eine verwaltungsseitige Mitwirkung in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren gewinnen zu können.462 Dadurch wird die inhaltlich dynamische Tätigkeitsanforderung der Fachkom­ petenz auch463 in rechtlicher Hinsicht zum limitierenden Faktor für die Aus­ legung des statischen Unabhängigkeitspostulats. Eine weitere Ursache für die regulatorische Zurückhaltung von Gesetzbzw. Normgeber bei der Statuierung detaillierter Ge- oder Verbote im Fach­ recht kann sachgebietsspezifisch in einem abstrakten Vertrauen in die Un­ abhängigkeit einer externen sachverständigen Stelle begründet sein. Als ­Referenz kann insoweit die Rolle der DFS als Verwaltungsgutachterin im 459  In diese Richtung auch Steenken, in: Gusy (Hrsg.), Privatisierung von Staats­ aufgaben, S. 298 (307). 460  Für die verwaltungssubstituierende Tätigkeit Benannter Stellen ist dieses Kon­ zept der Sache nach bereits verwirklicht, siehe oben § 4 D. III. 2. 461  Dazu für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. III. 2.; für die ZKBS siehe oben § 3 C. III. 2.; für den Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. III. 2. 462  Dazu oben § 3 C. III. 2. u. § 4 C. III. 2. 463  Daneben begrenzt die strukturelle Knappheit spezifischen Sachverstands in tatsächlicher Hinsicht die Anforderungen, die sinnvollerweise (noch) an die für gebo­ ten erachtete Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen gestellt werden kön­ nen. Siehe dazu die Ausführungen im obigen Text.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen449

luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulas­ sung von Windenergievorhaben dienen. Weder in § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG noch in sonstigen Vorschriften des Luftverkehrsrechts wird das Unabhängig­ keitspostulat ausdrücklich als Tätigkeitsvoraussetzung an die gutachtlich464 tätige Flugsicherungsorganisation – in der Regel ist dies die DFS465 – statu­ iert.466 Für die DFS leitet das Bundesverwaltungsgericht trotz deren eigen­ wirtschaftlicher Interessen bei der Erfüllung ihres Prüfauftrags bereits aus ihrer hoheitlichen Beherrschung durch den Bund ein hohes Maß an Integrität ab, die im Zusammenwirken mit der „übergeordnete[n] Entscheidungskom­ petenz des als Behörde öffentlich-rechtlich organisierten BAF“ keine „rechts­ staatlichen Bedenken“ hinsichtlich der Konzeption des Prüfverfahrens des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG aufwerfe.467 Unausgesprochen dürfte dieses Ver­ trauen der Rechtsprechung in die ausschließliche Sachorientierung und Handlungsrationalität der DFS auch den Gesetzgeber davon abhalten, den spätestens im Zusammenhang mit dem Zubau neuer Windenergieanlagen offenbar gewordenen Interessenkonflikten der DFS bei der Erfüllung ihrer in § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG definierten Aufgabe durch eine andere Zuständig­ keitsregelung (z. B. Einbindung einer im Einzelfall nicht betroffenen Flug­ sicherungsorganisation468) regulatorisch Einhalt zu gebieten.469 Da die DFS selbst einräumt, dass ihre gutachtlichen Stellungnahmen nicht frei von eigen­ wirtschaftlichen Erwägungen sind,470 erscheint die Rechtfertigung des vom 464  Amtlicher

Wortlaut des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG. diesbezüglich durchgeführten Erhebung siehe oben § 3 D. IV. 2. b). 466  Etwas anderes mag für das Zertifizierungsverfahren für Flugsicherungsorga­ nisationen nach Maßgabe der Vorschriften der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1035/2011 der Kommission vom 17.10.2011 (ABl. Nr. L 271/23) folgen, dem je­ doch im Hinblick auf die spezifische Tätigkeit von Flugsicherungsorganisationen im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG keine Bedeutung zukommt. 467  BVerwGE 154, 377 (385). Zur Unabhängigkeit der DFS siehe oben § 3 D. III. 2. 468  Siehe zu dieser Überlegung etwa Sittig-Behm, ER 2016, 202 (206). Ob dieser Vorschlag tatsächlich zu einem „Mehr“ an Sachlichkeit und Handlungsrationalität im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG führt, könnte jedenfalls im konkreten Referenzgebiet zweifelhaft sein. Die Beauftragung einer im Einzelfall nicht betroffenen Flugsicherungsorganisation würde wohl dazu führen, dass etwaige Konkurrenzunternehmen bauvorhabenbedingte Störwirkungen auf die im Eigentum der DFS stehenden bzw. von dieser betriebenen Flugsicherungseinrichtungen begut­ achten müssten. Dies erscheint wenig sachgerecht. Generell ist der Ansatz, Unabhän­ gigkeitsdefiziten externer sachverständiger Stellen durch eine entsprechende Ausge­ staltung der Kompetenz- und Zuständigkeitsordnung vorzubeugen, jedoch begrüßens­ wert. Siehe hierzu noch näher unten C. II. 2. c) bb) (1). 469  Über andere denkbare Gründe, etwa politische Vorbehalte gegen den Ausbau der Windenergie, soll hier nicht spekuliert werden. 470  Zum diesbezüglichen Vorbringen der DFS in Verwaltungsprozessen siehe die bereits erwähnten Entscheidungen des OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG 465  Zur

450

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Bundesverwaltungsgericht bemühten Gutachtervertrauens mehr als frag­ lich.471 Insofern werden losgelöst von den spezifischen Modalitäten des be­ trachteten Referenzgebiets in rechtspolitischer Hinsicht alternative Hand­ lungsmöglichkeiten zu erörtern sein.472 Schließlich kann die Zurückhaltung von Gesetz- und Normgeber bei der regulatorischen Ausgestaltung des Unabhängigkeitspostulats durch detail­ lierte Ge- und Verbote im Fachrecht auch aus einer besonderen Motivations­ lage bzw. spezifischen Beweggründen einer sachverständigen Stelle herrüh­ ren, ihre Expertise verwaltungsseitig in ein behördliches Zulassungsverfahren einzubringen. Als diesbezügliches Beispiel wurde vorliegend auf die Tätig­ keit anerkannter Umweltverbände im Planfeststellungsverfahren für Bundes­ fernstraßen nach den §§ 17 ff. FStrG eingegangen. Die verfahrensbezogene Mitwirkung anerkannter Umweltverbände in ihrer Funktion als „Quasi-Ver­ waltungshelfer“ geht letztlich auf ihren Altruismus sowie ihr freiwilliges Engagement für Belange des Umwelt- und Naturschutzes zurück. Wollte man vor dem Hintergrund ihrer umfassenden Beteiligungs- und Klagerechte strengere Anforderungen an ihre institutionelle Unabhängigkeit (z. B. im Hinblick auf Spenden und Zuwendungen Dritter) stellen, könnte dies nega­ tive Folgen für ihre Bereitschaft haben, ihren Umwelt- und Naturschutzsach­ verstand in Zulassungsverfahren einzubringen.473 Eine verfassungsrechtliche Pflicht des Gesetzgebers, die Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen durch Statuierung detaillierter Ge- oder Verbote im Fachrecht zu gewährleisten, lässt sich aus den bereits zum Merk­ mal der Fachkompetenz dargelegten Gründen nicht begründen.474 Dies gilt auch für die Unabhängigkeit von Beliehenen wie dem Gegensachverständi­ gen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG, dessen Unabhängigkeit grundsätzlich als „wesentliche Modalität“ i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsge­ richts475 anzusehen sein dürfte.476 Auf welche Weise und in welchem Um­ fang die Unabhängigkeit beliehener sachverständiger Stellen zu gewährleis­ Halle (Saale), Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 68; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11 –, juris, Rn. 22; VG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 8. 471  Hier ergeben sich starke Parallelen zu behördlichen Entscheidungen „in eige­ ner Sache“ in Wettbewerbskonstellationen, dazu etwa Korte, Die Verwaltung 51 (2018), 187 ff. 472  Siehe dazu insgesamt unten C. II. 2. c). 473  Dazu oben § 5 C. III. 2. Ob eine Verschärfung der Anerkennungsvorausset­ zungen für Umweltverbände unionsrechtlich zulässig wäre, bedarf vorliegend keiner näheren Betrachtung. 474  Dazu oben C. I. 2. a) bb) (2) (a). 475  BVerwGE 137, 377 (383). 476  Siehe hierzu oben § 4 C. III. 2.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen451

ten ist, lässt sich dem Grundgesetz nicht exakt entnehmen. Vielmehr ist ihre normative Ausgestaltung bzw. Absicherung bis zur Grenze des Untermaßver­ bots grundsätzlich dem Handlungs- und Gestaltungsspielraum des Gesetzge­ bers überlassen.477 Insgesamt kommt dem Mechanismus der Gewährleistung von Unabhän­ gigkeit durch Statuierung konkreter Ge- oder Verbote im Fachrecht in natur­ wissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nur eine geringe Bedeutung zu. Die Parallelität dieses Befundes für das statische Unabhängig­ keitspostulat und für die wissensdynamische Anforderung der Fachkompe­ tenz478 ist unverkennbar. (cc) V  ermeidung des „bösen Scheins“ durch Rückgriff auf die §§ 20, 21 VwVfG Da das Fachrecht typischerweise keine detaillierten Ge- und Verbote zur Gewährleistung der Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen vor­ sieht, erschöpft sich das Maß der ausschließlichen Sachorientierung und Handlungsrationalität sachverständiger Stellen regelmäßig im Nichtvorliegen der Ausschlusstatbestände der §§ 20, 21 VwVfG. Insoweit wurde anhand verschiedener Referenzgebiete aufgezeigt, dass beide der Vermeidung des „bösen Scheins“ fehlender Unabhängigkeit dienenden Vorschriften auf ex­ terne sachverständige Stellen grundsätzlich anwendbar sind bzw. sein kön­ nen, sofern ihre Tätigkeit „für“ bzw. „auf Seiten“ einer Verwaltungsbehörde erfolgt. Letzteres ist etwa bei den anerkannten Umweltverbänden trotz der ihnen beigemessenen Funktion als „Quasi-Verwaltungshelfer“ nicht der Fall.479 Durch die Mitwirkungsverbote des allgemeinen Verwaltungsverfahrens­ rechts kann die Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen grundsätz­ lich durch die unwiderlegbare Vermutung des Vorliegens eines „bösen Scheins“ (§ 20 VwVfG) bzw. durch dessen Prüfung und Würdigung im Ein­ zelfall (§ 21 VwVfG) äußerlich sichtbar gewahrt werden. Eine „absolute“ oder umfassende Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen, die in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren verwal­ tungsseitig mitwirken, gewährleisten beide Vorschriften jedoch nicht. Dies gilt etwa für die erörterten Konstellationen der Mehrfachbeauftragung,480 der bekennend befürwortenden oder kritischen Grundhaltung zum Gegen­ 477  Allgemein

Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 62. insoweit wiederum oben C. I. 2. a) bb) (2) (a). 479  Dazu bereits oben § 5 C. III. 2. 480  Am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, siehe § 3 B. III. 2. 478  Siehe

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

stand des betreffenden Zulassungsverfahrens,481 ihre ungeklärte Anwendbar­ keit auf Sachverständigenorganisationen,482 die in § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG geregelte Beschränkung auf die Erlangung „unmittelbarer“ Vor- bzw. Nach­ teile,483 ihre überwiegend verneinte Anwendbarkeit auf die Tätigkeit kraft gesetzlicher Anordnung obligatorisch in Zulassungsverfahren eingebundener sachverständiger Stellen484 sowie die von ihnen nicht erfassten Konstellatio­ nen der „institutionellen Befangenheit“ von Mitgliedern pluralistisch besetz­ ter Kollegialgremien.485 Ob man den Umfang der durch die §§ 20, 21 VwVfG gewährleisteten Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen für ausreichend hält, ist mangels exakter Vorgaben des höherrangigen Rechts in erster Linie eine rechtspolitisch zu beantwortende Frage. Nach hiesiger Auffassung besteht insoweit kein allgemeiner rechtspolitischer Handlungsbedarf. Allein das ex­ emplarische Beispiel der DFS wirft die Frage auf, ob nicht auch bei der Im­ plementierung obligatorischer Einbindungsmodi verfahrensrechtliche Dop­ pelstellungen externer sachverständiger Stellen vermieden werden sollten, auch wenn sie hoheitlich beherrscht werden.486 Hierauf wird zurückzukom­ men sein. (dd) Plurale Besetzung von Kollegialgremien Neben der Anwendbarkeit der §§ 20, 21 VwVfG kann bei verwaltungsex­ ternen sachverständigen Stellen, die als Kollegialgremien verfasst sind, eine plurale Besetzung mit Vertretern aus unterschiedlichen Fachdisziplinen ein geeigneter Mechanismus zur Gewährleistung von institutioneller Unabhän­ gigkeit sein. Entsprechende Anwendungsbeispiele im Kontext der vorliegen­ den Untersuchung sind die ZKBS im Gentechnikrecht sowie die EthikKommissionen im Arzneimittelrecht. Die Effektivität dieses Gewährleis­ tungsmechanismus hängt indes weniger von seiner organisationsrechtlichen Grundkonzeption als vielmehr von seiner konkreten Ausgestaltung auf der Verfahrensebene ab. Auch hierauf wird noch einzugehen sein. 481  Ebda.

482  Ebda; ferner OVG Lüneburg, Urteil vom 08.03.2006 – 7 KS 145/02 –, juris, Rn. 36. 483  Dazu am Beispiel der ZKBS oben § 3 C. III. 2. 484  So im Fall der DFS, siehe oben § 3 D. III. 2. 485  Dies wurde am Beispiel der Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht darge­ legt, siehe oben § 5 D. III. 2. 486  Ob in der vorliegend betrachteten Konstellation der gutachtlichen Prüftätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG andere Flugsicherungsorganisationen für eine Beauftragung in Betracht kommen, wurde vor­ liegend nicht im Einzelnen geprüft und soll daher dahinstehen.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen453

(b) D  urch Anerkennungs-, Benennungs-, Berufungs- und Registrierungsverfahren Als Konsequenz der regulatorischen Zurückhaltung des Gesetz- bzw. Normgebers, die Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen durch mehr oder weniger präzise Bestimmungen im kodifizierten Fachrecht zu ge­ währleisten, verlagert sich die diesbezügliche Prüfung und Feststellung auf die Ebene des Verwaltungsvollzugs. Ähnlich wie beim Merkmal der Fach­ kompetenz487 kann auch die Unabhängigkeit externer sachverständiger Stel­ len Gegenstand eines durchzuführenden Eignungsverfahrens sein. Entspre­ chendes Anschauungsmaterial hat die Untersuchung der vorliegend betrach­ teten Referenzgebiete ergeben: Bei der Berufung von neuen Mitgliedern in die ZKBS oder der Registrierung von Ethik-Kommissionen im Arzneimittel­ recht ist die Interpretation des in § 4 Abs. 3 S. 1 GenTG bzw. § 41a Abs. 3 Nr. 7 AMG kodifizierten Unabhängigkeitspostulats Gegenstand des Beru­ fungs- bzw. Registrierungsverfahrens. Ähnliches gilt für die Anerkennung von Umweltverbänden, für die die Geltung des Unabhängigkeitspostulats aus § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 1 UmwRG folgt. Schließlich ist auch die in den einschlägigen Rechtsakten des Unionsrechts detailliert vorprogrammierte Unabhängigkeit Benannter Stellen im nach § 15 Abs. 1 MPG durchzuführen­ den Benennungsverfahren von der ZLG zu prüfen und festzustellen. (c) Durch Einzelfallprüfung Soweit die §§ 20, 21 VwVfG auf die Tätigkeit einer externen sachverstän­ digen Stelle Anwendung finden, bedarf die Feststellung eines Ausschluss­ grunds stets einer konkreten Prüfung im Einzelfall. Dies gilt zunächst für fakultative Einbindungskonstellationen, die vorliegend am Beispiel des Sach­ verständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG sowie des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG betrachtet wurden. Aber auch für die obligatorische Einbeziehung sachverständiger Stellen in einem mehraktigen Einbindungs­ modus sind die Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG stets auf der Ebene des einzelfallbezogenen Zulassungsverfahrens zu prüfen. Anwendungsbei­ spiele sind insoweit die ZKBS im Gentechnikrecht488 oder die Ethik-Kom­ missionen im Arzneimittelrecht.489 487  C. I. 2. a) bb) (2) (b). 488  Siehe

insoweit § 4 ZKBS-GO. die Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht enthalten regelmäßig die jeweiligen Satzungen entsprechende Verpflichtungen zur Prüfung der Befangenheits­ gründe. Im Übrigen folgt diese einzelfallbezogene Prüfpflicht aus § 41a Abs. 3 Nr. 7 AMG. 489  Für

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

cc) Legitimationsbeitrag der untersuchten Mechanismen zur Gewährleistung von Unabhängigkeit Im Rahmen der Grundlegung wurde das Postulat der Unabhängigkeit sachverständiger Stellen für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung als ausschließliche Sachorientierung und Handlungsrationalität definiert.490 Nach Maßgabe dieses Begriffsverständnisses491 können die die Unabhängig­ keit sachverständiger Stellen gewährleistenden Vorschriften und Regelungs­ strukturen einen Legitimationsbeitrag leisten, wenn und soweit sie auf Vor­ schriften und Vorgaben zurückgehen, die vom unmittelbar demokratisch legi­ timierten Gesetzgeber erlassen wurden.492 Anhand dieses Maßstabs sind nachfolgend die oben betrachteten Mechanismen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit sachverständiger Stellen zu beurteilen. Dabei ist wiederum zwischen verwaltungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen sowie nach der rechtlichen Qualität ihrer jeweiligen Entscheidungs­ beiträge zu differenzieren. (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen Für die Prüfung der Legitimationsbeiträge der Mechanismen, die die Un­ abhängigkeit verwaltungsinterner sachverständiger Stellen gewährleisten sol­ len, ist an den sachlich-inhaltlichen Legitimationsmodus anzuknüpfen. (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Die originäre Bindung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen mit Außenentscheidungskompetenzen (z. B. die Bundesnetzagentur bei der Plan­ feststellung von NABEG-Vorhaben) an die Grundrechte sowie an Recht und Gesetz sowie ihre Einbindung in staatliche Weisungs- und Aufsichtsstruktu­ ren leisten jeweils einen Legitimationsbeitrag. Gleiches gilt für die behandel­ ten Mechanismen der individuellen Betätigungsverbote aus den §§ 20, 21 VwVfG sowie – unter Abstrichen – der Abstands- und Distanzgebote, durch die jeweils etwaige Gefährdungen der ausschließlichen Sachorientierung und Handlungsrationalität von Verwaltungsbehörden bereits ihrem äußeren Schein nach ausgeschlossen werden sollen. Über die §§ 20, 21 VwVfG werden 490  § 2 D. III. 2.

491  Der Klarstellung halber ist noch einmal darauf hinzuweisen, dass der unter dem Topos der „Unabhängigkeit von Behörden“ (u. a.) diskutierte Problemkreis der „ministerialfreien Räume“ nicht Gegenstand der hiesigen Untersuchung ist und dem­ entsprechend auch in den nachfolgenden Betrachtungen keine Rolle spielt. 492  Zur Herleitung dieses Ansatzes siehe oben B. II. 1. c) cc).



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen455

i­ndes nur in der Person des jeweiligen Amtsträgers liegende Unabhängig­ keitsdefizite erfasst. Der auch in institutioneller Hinsicht anwendbare Mecha­ nismus des Abstands- und Distanzgebots wurde lediglich493 durch die Recht­ sprechung des Bundesverwaltungsgerichts geprägt und ist in seinen recht­ lichen Konturen (bislang) weitgehend vage geblieben,494 wodurch er im Einzelfall beispielsweise sachwidrige Einflussnahmen durch die Ministerial­ verwaltung495 oder ein kollusives Zusammenwirken496 zwischen Behörden und Antragstellern bzw. Vorhabenträgern nicht umfassend auszuschließen vermag. Um in diesen Fällen die Geltung des Unabhängigkeitspostulats und damit letztlich auch die demokratische Legitimation der außenwirksamen Zulassungsentscheidungen der Behörden effektiv abzusichern, kann in rechtspolitischer Hinsicht die Ergreifung flankierender Instrumente erwogen werden.497 (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für Behörden, die wie das BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren bei der Zulassung von Windenergieanlagen aufgrund ihrer Betroffenheit im eige­ nen Aufgabenbereich in einem von einer anderen Behörde federführend ge­ leiteten Zulassungsverfahren zu beteiligen sind und die verwaltungsbinnen­ rechtlich bindende Entscheidungsbeiträge abgeben, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Die Geltung des Unabhängigkeitspostulats für Behörden ist nicht an die Außenrechtswirksamkeit ihrer Mitwirkungshand­ lungen geknüpft, was dementsprechend auch für die demokratische Legiti­ mation ihrer Tätigkeit in Zulassungsverfahren gilt. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für die vorliegend nicht anhand eines konkreten Referenzgebiets explizit betrachtete Konstellation der Verfahrensbeteiligung einer in ihrem eigenen Aufgabenbereich berührten Behörde, die verwaltungsintern lediglich einen unverbindlichen Mitwirkungsbeitrag abgibt, gelten die obigen Darlegungen gleichermaßen. 493  Aufgrund seiner Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip wird man ihm gleich­ wohl einen Legitimationswert beimessen können. 494  Siehe oben C. II. 2. a) bb) (1) (b) (bb). 495  Vgl. für den Stromnetzausbau Steinbach, Rationale Gesetzgebung, S. 293 f. 496  Ein solches läge in den Worten des Bundesverwaltungsgerichts etwa vor, wenn der Antragsteller „mit am Entscheidungstisch“ der Behörde säße (vgl. B ­ VerwGE 75, 214 (231)) und dort einen für ihn günstigen Einfluss auf die Zulassungsentscheidung nähme. 497  Dazu unten C. II. 2. c) aa).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen Für die Beurteilung der Legitimationsbeiträge der untersuchten Mechanis­ men zur Gewährleistung der Unabhängigkeit verwaltungsexterner sachver­ ständiger Stellen kann abermals die „Je desto-Formel“ bemüht werden: Je stärker die rechtliche Qualität des Entscheidungsbeitrags einer externen sachverständigen Stelle ist, desto eher muss ihre ausschließliche Sachorien­ tierung und Handlungsrationalität durch inhaltliche, organisatorische oder verfahrensrechtliche Vorgaben regulatorisch gewährleistet werden.498 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Für die mit originären Außenentscheidungskompetenzen ausgestatteten Benannten Stellen leisten die durch § 15 Abs. 1 S. 2 MPG in Bezug genom­ menen Bestimmungen des Unionsrechts aufgrund ihres hohen Detaillierungs­ grades im Hinblick auf das Unabhängigkeitspostulat grundsätzlich einen ge­ wichtigen Legitimationsbeitrag. Als legitimationseinschränkend wird man jedoch die vertragliche, nach marktwirtschaftlichen Prinzipien erfolgende Einbeziehung Benannter Stellen in das konkrete Konformitätsbewertungsver­ fahren durch den jeweiligen Hersteller ansehen müssen.499 Die Beauftragung Benannter Stellen durch den Hersteller ist zwar im positiven Recht ausdrück­ lich kodifiziert. Allerdings ist dieser Einbindungsmodus gerade der Grund für die im Detail ausgestalteten Anforderungen an die Unabhängigkeit Be­ nannter Stellen auf der Ebene des Unionsrechts. Für die in die Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG als funktionale Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG eingebundenen, mit eigenen Außenentscheidungskompetenzen ausgestatteten Ethik-Kommissionen gelten zunächst die obigen Ausführungen zu den ver­ waltungsinternen sachverständigen Stellen entsprechend. Im Übrigen schlie­ ßen insbesondere die im Bundes- und Landesrecht vorgesehenen Unabhän­ gigkeitsanforderungen etwaige Eigeninteressen der Mitglieder nicht umfas­ send aus, was sich konkret etwa in Zuständigkeiten universitärer EthikKommissionen für die Bewertung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben ihrer jeweiligen Träger äußert.500 Soweit die Träger derart eröffnete Lücken bei der Wahrung des Unabhängigkeitspostulats in einer sachwidrigen und nicht mehr auf das vom Bundes- bzw. Landesgesetzgeber geschaffene Geset­ zesrecht rückführbaren Art und Weise ausnutzen, kann sich dies unter dem 498  In Anlehnung an Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66. 499  Siehe auch dazu oben § 4 D. II. 500  Siehe dazu oben § 5 D. III. 2.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen457

Gesichtspunkt der Bindung an Recht und Gesetz auf die Tätigkeit der EthikKommissionen legitimationseinschränkend auswirken. (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für den beliehenen, mit binnenrechtlich bindenden Sachentscheidungs­ kompetenzen ausgestatteten Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG leistet das in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG statuierte, jedoch normativ nicht näher ausgeformte Unabhängigkeitspostulat nach Maßgabe der „Je destoFormel“ zunächst nur einen geringfügigen Legitimationsbeitrag. Denn die im Gesetzesrecht lediglich formelhafte Regelung der Unabhängigkeit einer ex­ ternen sachverständigen Stelle als Tätigkeitsvoraussetzung verlagert deren Auslegung und Konkretisierung auf die Vollzugsebene und beruht grundsätz­ lich nicht mehr unmittelbar auf der Willensbildung des vom Volk direkt ge­ wählten Parlaments. Einen Legitimationsbeitrag leistet die Vorschrift des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG jedoch durch die in der Vollzugspraxis des BfArM entwickelte, seitens der Rechtsprechung bestätigte und vom Gesetzgeber nicht korrigierte Interpretation des Unabhängigkeitsgebots, wonach der Ge­ gensachverständige für die Ausübung seiner Tätigkeit nicht bei einem Unter­ nehmen aus der pharmazeutischen Industrie beschäftigt sein darf.501 Durch diese Vorgabe reicht der normative Regelungsgehalt des § 25 Abs. 5 S. 5 AMG inhaltlich über den Anwendungsbereich der allgemeinen Bestimmun­ gen der §§ 20, 21 VwVfG und damit zugleich über das externen sachverstän­ digen Stellen mit bloßer Beratungsfunktion abverlangte Maß an Unabhängig­ keit hinaus. Nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ leistet die in § 25 Abs. 5 S. 5 AMG normierte Unabhängigkeit des Gegensachverständigen somit einen Legitimationsbeitrag. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für externe sachverständige Stellen, die rechtlich unverbindliche Entschei­ dungsbeiträge abgeben, können die regulatorischen Anforderungen an ihre Unabhängigkeit nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ geringer ausfallen, um einen Legitimationsbeitrag zu leisten. Die Unabhängigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG502 und der Mitglieder der ZKBS503 manifestiert sich im normativen Regelungsgehalt der §§ 20, 21 VwVfG. Obschon beide Vorschriften keine absolute bzw. um­ 501  Hierzu

oben § 4 C. III. 2. oben § 3 B. III. 2. 503  § 3 C. III. 2. 502  Dazu

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

fassende Unabhängigkeit externer sachverständiger Stellen sicherstellen, leisten sie aufgrund der rechtlichen Unverbindlichkeit der Stellungnahmen beider sachverständiger Stellen einen Legitimationsbeitrag. Komplexer ist die Beurteilung des Legitimationsbeitrags der Unabhängig­ keit der DFS, die nach der vom Bundesverwaltungsgericht nicht beanstande­ ten Beauftragungspraxis des BAF bei Betroffenheit ihrer Flugsicherungs­ einrichtungen obligatorisch im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG mitwirkt.504 Trotz der Doppelstellung der DFS als Verwaltungsgutachterin und wirtschaftlich betroffene Eigentümerin bzw. Betreiberin von Flugsiche­ rungseinrichtungen505 hat insbesondere das Bundesverwaltungsgericht keine Zweifel an der Objektivität ihrer gutachtlichen Stellungnahmen und verweist insofern auf die gesetzliche Aufgabenzuweisung sowie ihre öffentlich-recht­ liche Trägerschaft.506 Insoweit geht das Gericht offenbar von einem hohen Legitimationsbeitrag der Unabhängigkeit der DFS aus. Dies überzeugt nicht. Dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Zulassung von Windener­ gieanlagen den – offenbar nicht nur potenziellen507 – Einfluss etwaiger ei­ genwirtschaftlicher Interessen der DFS auf ihre Begutachtungspraxis als solchen erkannt und bewusst in Kauf genommen habe, wird vom Bundesver­ waltungsgericht zwar behauptet,508 lässt sich aber aus der vom Gericht als Beleg angeführten Gesetzesbegründung in dieser Form nicht ableiten.509 Ein Anknüpfungspunkt für die Annahme eines Legitimationsbeitrags könnte in­ soweit allenfalls in der vom Gesetzgeber seit Jahren unbeanstandeten Dop­ pelstellung der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG gesehen werden. Auch unter diesem Gesichtspunkt könnte jedoch allein die gesetzliche Aufgabenzuweisung an die DFS, nicht aber ihre vom Bundesverwaltungsgericht schlichtweg behauptete bzw. unterstellte Unab­ hängigkeit einen Legitimationsbeitrag leisten. Die eigenwirtschaftlichen Inte­ ressen der DFS sind nämlich gerade der Grund für die Zweifel an ihrer aus­ schließlichen Sachorientierung und Handlungsrationalität. Für die anerkannten Umweltverbände ist der konkrete Gehalt des in der Anerkennungsvoraussetzung der „Gewähr für eine sachgerechte Aufgaben­ erfüllung“ (§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Hs. 1 UmwRG) verorteten Unabhängigkeits­ 504  § 3 D. II. 505  Dazu

näher oben § 3 D. III. 2. 154, 377 (385). 507  Siehe zum regelmäßigen Vorbringen der DFS in Verwaltungsprozessen etwa OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG Halle (Saale), Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 68; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11 –, juris, Rn. 22; VG Düsseldorf, Urteil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 8. 508  Siehe insoweit BVerwGE 154, 377 (385). 509  Siehe BT-Drs. 16/11608, S. 15. 506  BVerwGE



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen459

postulats weitgehend unbestimmt und bedarf einer Konkretisierung im Ver­ waltungsvollzug, die im Detail weitgehend aussteht. Darüber hinaus sind auch die §§ 20, 21 VwVfG auf die anerkannten Umweltverbände nicht an­ wendbar, da diese nicht „für“ eine Behörde tätig werden.510 Insofern ist der Legitimationsbeitrag der Umweltverbänden für eine Anerkennung abzuver­ langenden Unabhängigkeit trotz ihrer altruistischen Tätigkeit nicht als beson­ ders hoch anzusehen, was aufgrund der Unverbindlichkeit ihrer Stellungnah­ men nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ jedoch unschädlich ist. b) Kohärenz Unter Kohärenzgesichtspunkten ist bezüglich des Unabhängigkeitspostu­ lats zum einen kurz auf die Vergleichsgruppe der verwaltungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen und zum anderen auf die Ver­ gleichsgruppe der entscheidungsbefugten und entscheidungsvorbereitenden sachverständigen Stellen einzugehen. aa) Verwaltungsinterne und verwaltungsexterne sachverständige Stelle Ebenso wie für die Anforderung der Fachkompetenz511 lassen sich auch hinsichtlich der betrachteten Mechanismen zur Gewährleistung der Unabhän­ gigkeit von verwaltungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen keine Inkohärenzen ausmachen. Dass für beide Typen sachverständi­ ger Stellen das Unabhängigkeitspostulat zwar nicht ausschließlich, jedoch ganz maßgeblich durch die Bestimmungen der §§ 20, 21 VwVfG gewährleis­ tet wird, kann gerade als Ausdruck eines in sich widerspruchsfreien Rege­ lungssystems angesehen werden. Die Unterschiede zwischen den übrigen Gewährleistungsmechanismen ergeben sich wiederum daraus, dass der Staat die für ihn handelnden Behörden selbst einrichten und organisieren kann, externe sachverständige Stellen hingegen erst für eine Tätigkeit in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren aktivieren muss. bb) Entscheidungsbefugte und entscheidungsvorbereitende sachverständige Stellen Anders als beim Merkmal der Fachkompetenz512 erweisen sich die Me­ chanismen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit innerhalb der Vergleichs­ 510  Dazu

insgesamt oben § 5 C. III. 2. oben C. I. 2. b) aa). 512  Dazu oben C. I. 2. b) bb). 511  Siehe

460

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

gruppe der entscheidungsbefugten und entscheidungsvorbereitenden sachver­ ständigen Stellen als kohärent. Dies gilt insbesondere für die betrachteten externen sachverständigen Stellen. Da der Gegensachverständige i. S. d. §  25 Abs. 5 S. 5 AMG über originäre Sachentscheidungskompetenzen verfügt, muss seine Unabhängigkeit nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ regulato­ risch strenger abgesichert werden als die Unabhängigkeit sachverständiger Stellen, die lediglich vorbereitende, (binnen-)rechtlich unverbindliche Ent­ scheidungsbeiträge abgeben. Dies ist in den vorliegend betrachteten Refe­ renzgebieten der Fall, da sich die Unabhängigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gerade nicht im Regelungsgehalt der §§ 20, 21 VwVfG erschöpft.513 c) Rechtspolitischer Ausblick Die rechtliche Analyse der für die Referenzgebiete aufgezeigten Normbe­ stände und Regelungsstrukturen zum Unabhängigkeitspostulat hat verschie­ dene Aspekte aufgeworfen, die in rechtspolitischer Hinsicht einen Anpas­ sungs- bzw. Klärungsbedarf im kodifizierten Recht auslösen. Insoweit ist zwischen verwaltungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen zu differenzieren. aa) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen Bei den verwaltungsinternen sachverständigen Stellen ist in rechtspoliti­ scher Hinsicht zu erwägen, die Beachtung von Abstands- und Distanzgeboten rechtlich stärker abzusichern.514 Dieses Ziel kann zum einen durch die be­ reichsspezifisch obligatorische Veröffentlichung ministerieller Weisungen (1) und zum anderen durch die Etablierung behördlicher Dokumentationspflich­ ten beim Umgang mit eingeholten Voten externer sachverständiger Stellen erreicht werden (2). (1) Veröffentlichung ministerieller Weisungen Wie am Beispiel der Bundesnetzagentur dargelegt,515 müssen ministe­rielle Weisungen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren anders als in verschiedenen Bereichen des Regulierungsrechts516 grund­ 513  Ausführlich 514  Zur

(bb).

oben § 4 C. III. 2. diesbezüglichen rechtlichen Analyse siehe oben C. II. 2. a) bb) (1) (b)

515  Dazu 516  § 4

oben § 4 B. III. 2. Abs. 3 S. 2 BEVVG, § 61 EnWG, § 117 S. 1 TKG.



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen461

sätzlich nicht veröffentlicht werden. Diese Pauschalität vermag in rechtspoli­ tischer Hinsicht nicht zu überzeugen. Insbesondere bei naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Infrastrukturvorhaben wie länderübergreifenden bzw. grenzüberschreitenden Stromleitungstrassen i. S. d. § 2 Abs. 2 NABEG, deren Zulassung (lokal-)politisch aus unterschiedlichen Gründen über eine beson­ dere Brisanz verfügen kann,517 besteht abstrakt eine erhöhte Gefahr einer Einflussnahme der Ministerialverwaltung auf die Arbeit der zuständigen Planfeststellungsbehörden, die sich nicht mehr innerhalb der Grenzen des vom Bundesverwaltungsgericht entwickelten Abstands- und Distanzgebots bewegt. Für derartige Fallkonstellationen lässt sich daher grundsätzlich ein rechtspolitisches Bedürfnis bejahen, eine etwaige ministerielle Einflussnahme auf die Tätigkeit der Planfeststellungsbehörden offenzulegen und einer Kon­ trolle durch die Öffentlichkeit zu unterwerfen. Zur Erreichung dieses Ziels ist zu erwägen, sachbereichsspezifisch eine Pflicht zur Veröffentlichung mi­ nisterieller Weisungen im Fachrecht zu implementieren. Zweifelsohne kann die Ministerialverwaltung auch auf anderem Wege als durch die Erteilung formeller Weisungen auf die Tätigkeit der ihr jeweils nachgeordneten Behör­ den einen potenziell sachwidrigen Einfluss nehmen. Um die Erfassung sol­ cher Konstellationen kann es jedoch nicht gehen, da informale Einfluss­ nahmen typischerweise ohnehin außerhalb von rechtlich vorstrukturierten Entscheidungsprozessen erfolgen und daher nicht effektiv ausgeschlossen werden können. Der Sinn und Zweck des hiesigen Vorschlags der bereichs­ spezifischen Offenlegung von Weisungen liegt vielmehr in der Rationalisie­ rung der Kommunikationskanäle innerhalb des staatlichen Weisungs- und Verantwortungsapparats. Eine Pflicht zur Veröffentlichung von ministeriellen Weisungen könnte die Bereitschaft von Behörden erhöhen, als solche er­ kannte Versuche der sachwidrigen Einflussnahme auf ihre Verfahrenstätigkeit mit der Ministerialverwaltung intensiver zu diskutieren und würde im besten Fall dazu führen, dass letztere von entsprechenden Einwirkungen absieht. Erwägt die Ministerialverwaltung im Einzelfall gleichwohl einen sachwidri­ gen Einfluss auf die behördliche Verfahrensführung oder Entscheidung zu nehmen, ist ein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse bezüglich einer etwaigen Weisung nicht ersichtlich. Im umgekehrten Fall der sachlich gebo­ tenen und rationalen Einwirkung könnte hingegen die Behörde von sich aus den Forderungen der Ministerialverwaltung Folge leisten, ohne dass eine formelle Weisung ergehen müsste. Freilich dürften sich innerhalb des hier skizzierten Gedankenspiels verschiedene Grauzonen ergeben, die einer hier nicht zu leistenden Detailklärung bedürfen. Zudem wird die fachrechtliche Implementierung von Offenlegungspflichten für Weisungen nicht für sämt­ 517  Siehe zu entsprechenden Internetauftritten von Bürgerinitiativen etwa http:// bundesverband-gegen-suedlink.de/ oder https://www.garbsen-gegen-suedlink.de/ (je­ weils zuletzt abgerufen am 07.08.2019).

462

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

liche, sondern nur für bestimmte, regelmäßig politisch umstrittene naturwis­ senschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren geboten sein. (2) D  okumentation der Überprüfung von Voten externer sachverständiger Stellen Ein zweiter Vorschlag knüpft an eine oben bereits angeführte Entscheidung des OVG Lüneburg an, in welcher das Gericht gefordert hat, Zulassungsbe­ hörden müssten die Überprüfung der von ihnen eingeholten Ausarbeitungen externer sachverständiger Stellen in den Verwaltungsvorgängen schriftlich dokumentieren.518 Wie die Untersuchung verschiedener Referenzgebiete vor­ liegend gezeigt hat, ist eine derartige Prüf- und Dokumentationspflicht im positiven Recht häufig nicht ausdrücklich vorgesehen.519 In rechtspolitischer Hinsicht erscheint die ausdrückliche Kodifizierung einer solchen Pflicht je­ doch sinnvoll, um den Anschein eines fehlenden Abstands einer Behörde zu einer externen sachverständigen Stelle zu vermeiden. Dies betrifft beispiels­ weise Fallkonstellationen wie der Zusammenarbeit von BAF und DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulas­ sung von Windenergievorhaben, wo sich das BAF statistisch belegbar inhalt­ lich nahezu immer den Voten der sich in einer verfahrensmäßigen Doppel­ stellung befindlichen DFS anschließt.520 In der Verwaltungspraxis mögen entsprechende Dokumentationen in den behördlichen Arbeitsabläufen bereits fest etabliert sein. Gleichwohl erscheint es sinnvoll, ihre Einhaltung auch im kodifizierten Recht abzusichern. Da sich vergleichbare Problemstellungen auch außerhalb von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren auftreten können, könnte sich das allgemeine Verwaltungsverfah­ rensrecht als Regelungsstandort anbieten. bb) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen Auch für die Gruppe der verwaltungsexternen sachverständigen Stellen ergibt sich aus der rechtlichen Analyse unter zwei Gesichtspunkten ein rechtspolitischer Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Zum einen sind, so­ weit möglich, aus verfahrensrechtlichen Doppelstellungen herrührende Kon­ stellationen der „institutionellen Befangenheit“ externer sachverständiger Stellen (z. B. Begutachtungen in „eigener Sache“) durch entsprechende Vor­ 518  OVG

Lüneburg, Beschluss vom 11.02.2019 – 12 ME 219/18 –, juris, Rn. 55. bedeutet freilich nicht, dass eine solche Prüfung rechtlich nicht gefordert wäre. Siehe etwa für den behördlichen Umgang mit den Stellungnahmen des Sach­ verständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG oben § 3 B. IV. 2. a). 520  Hierzu oben § 3 D. IV. 2. b). 519  Das



C. Abstrakt-organisatorische Anforderungen463

kehrungen im kodifizierten Recht zu vermeiden (dazu (1)). Zum anderen sollte die Eröffnung des personellen Anwendungsbereichs der §§ 20, 21 VwVfG im Hinblick auf private Sachverständigenorganisationen durch den Gesetzgeber geklärt werden (dazu (2)). (1) Vermeidung „institutioneller Befangenheitskonstellationen“ Anhand der Tätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben wurde auf­ gezeigt, dass das nationale Recht „institutionelle Befangenheitskonstellatio­ nen“ von verwaltungsexternen sachverständigen Stellen grundsätzlich zulässt, wenn letztere aufgrund einer entsprechenden gesetzgeberischen Vorgabe ob­ ligatorisch in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren mitwirken. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts soll die Doppelstellung der immerhin hoheitlich beherrschten DFS als Verwaltungs­ gutachterin und betroffene Eigentümerin bzw. Betreiberin von Flugsiche­ rungseinrichtungen zwar keinen rechtsstaatlichen Bedenken begegnen.521 Nichtsdestotrotz erscheint es nicht nur aus der Perspektive von bauwilligen Trägern von Windenergieprojekten wenig befriedigend, wenn eine hoheitlich in ein Zulassungsverfahren eingebundene, nach privatwirtschaftlichen Maxi­ men arbeitende sachverständige Stelle offenkundig522 nicht frei von wirt­ schaftlichen Eigeninteressen mit der Vornahme fachwissenschaftlicher Be­ gutachtungen beauftragt wird. Aus rechtspolitischer Sicht sollten derartige Fallkonstellationen durch entsprechende Zuständigkeitsregelungen im Fach­ recht tunlichst vermieden werden. Im Umweltrecht trägt der Gesetzgeber dieser Überlegung im Hinblick auf die Wahrung der Unabhängigkeit von Behördenhandeln mitunter bereits Rechnung.523 Insoweit mag es freilich Sachgebiete geben, in denen sich Konstellationen des „bösen Scheins“ feh­ lender Unabhängigkeit sachverständiger Stellen nicht durch regulatorische Maßnahmen sachgerecht ausschließen lassen. Ob dies im betrachteten Refe­ renzgebiet der Tätigkeit der DFS bei der Zulassung von Windenergievor­ haben der Fall ist, kann für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung im Ergebnis dahinstehen.524 521  BVerwGE

154, 377 (385). diesbezüglicher Beleg wird vorliegend das regelmäßige Vorbringen der DFS in Verwaltungsprozessen angesehen, siehe OVG Lüneburg, NuR 2015, 268 (271); VG Halle (Saale), Urteil vom 14.04.2015 – 2 A 11/15 –, juris, Rn. 68; VG Schleswig, Urteil vom 16.02.2012 – 6 A 107/11 –, juris, Rn. 22; VG Düsseldorf, Ur­ teil vom 22.02.2018 – 28 K 8724/14 –, juris, Rn. 8. 523  Siehe § 72 UVPG. 524  Wenig sachgerecht dürfte es sein, wenn anstelle der „betroffenen“ DFS aus­ gerechnet ein Konkurrenzunternehmen etwaige bauvorhabenbedingte Störwirkungen 522  Als

464

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(2) Klärung des personellen Anwendungsbereichs der §§ 20, 21 VwVfG Wie am Beispiel des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG dargelegt, hat die Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt, ob die Bestimmun­ gen der §§ 20, 21 VwVfG auch für private Sachverständigenorganisationen gelten.525 In Anbetracht der praktischen Bedeutung der Tätigkeit von Sach­ verständigenorganisationen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren, die für das vorliegend betrachtete Referenzgebiet des Atomrechts nur angedeutet wurde, sollte der Gesetzgeber den Anwendungs­ bereich beider Mitwirkungsverbote klären. In welche Richtung diese Klar­ stellung inhaltlich gehen sollte (Bejahung oder Verneinung der Eröffnung des Anwendungsbereichs der §§ 20, 21 VwVfG), lässt sich abstrakt und rechts­ gebietsübergreifend kaum beantworten. Eine seriöse Klärung dieser Frage setzt nach hiesiger Auffassung in einem ersten Schritt eine umfassende Eva­ luation der praktischen Tätigkeit von Sachverständigenorganisationen in den verschiedenen Bereichen des Umwelt- und Technikrechts voraus, die dann als Abwägungs- und Entscheidungsgrundlage in einem eventuellen Gesetzge­ bungsverfahren dienen könnte. Je nach Ergebnis der Evaluation könnte es geboten sein, für die Eröffnung des Anwendungsbereichs beider Mitwir­ kungsverbote bereichsspezifisch zu differenzieren.

D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren Als weiterer Prüfungspunkt wurde in den betrachteten Referenzgebieten jeweils die Tätigkeit der hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen auf der Verfahrensebene untersucht. Dabei wurde im Kern zwischen der verfahrens­ mäßigen Erstellung des Entscheidungsbeitrags sowie seiner rechtlichen und praktischen Bedeutung differenziert. Beide Prüfungspunkte lassen sich im Detail zwar nicht immer trennscharf auseinanderhalten. Gleichwohl soll im Folgenden zwecks Systematisierung des Vergleichs und der Analyse zwi­ schen beiden Aspekten differenziert werden.

I. Erstellen des Entscheidungsbeitrags Zunächst wird auch für die verfahrensmäßige Erstellung des Entschei­ dungsbeitrags ein kurzer Überblick zum Normbestand und zu den Regelungs­ der im Eigentum der DFS befindlichen bzw. von ihr betriebenen Flugsicherungsein­ richtungen zu ermitteln und beurteilen hätte. Zu diesem Vorschlag siehe aber SittigBehm, ER 2016, 202 (206). 525  Siehe insoweit OVG Lüneburg, Urteil vom 08.03.2006 – 7 KS 145/02 –, juris, Rn. 36.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren465

strukturen aus den betrachteten Referenzgebieten gewährt. Anschließend wer­ den die Ergebnisse in rechtlicher Hinsicht, unter Kohärenzgesichtspunkten sowie rechtspolitisch analysiert. Aufgrund der großen verfahrensrechtlichen Unterschiede zwischen Anlagenzulassungs-, Risiko- und Qualitätssicherungs­ verfahren, die in der vorliegenden Untersuchung der Referenzgebiete nur an­ gedeutet werden konnten, muss der Fokus der nachfolgenden Ausführungen auf übergeordneten Aspekten liegen, die grundsätzlich für alle in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebunde­ nen sachverständigen Stellen von Bedeutung sind bzw. sein können. Dies be­ trifft zum einen die Frage nach dem Bestehen etwaiger Verfahrensrechte und Verfahrenspflichten sachverständiger Stellen. Zum anderen ist die Implemen­ tierung und Ausgestaltung unterschiedlicher Kontrollstrukturen zu untersu­ chen. 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Ebenso wie bei den zuvor betrachteten Prüfungspunkten hat die Untersu­ chung der vorliegend ausgewählten Referenzgebiete auch für die verfahrens­ mäßige Erstellung der Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen teils sehr unterschiedliche Regelungskonzepte aufgezeigt. Innerhalb der Untersuchungsgruppe der beratenden sachverständigen Stel­ len stehen zunächst dem Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG zur Erfüllung seines Prüfauftrags die Befugnisse aus § 20 S. 2 AtG i. V. m. § 36 ProdSG zur Verfügung. Bei der Abfassung seines entscheidungsvorbereitenden Votums muss der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG die Vorgaben der „Rahmen­ richtlinie über die Gestaltung von Sachverständigengutachten in atomrecht­ lichen Verwaltungsverfahren“526 (Rahmenrichtlinie) beachten. Nach nunmeh­ riger Rechtslage gehören die Gutachten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG zu den „entscheidungserheblichen Berichten und Empfehlungen“, welche die Genehmigungsbehörde nach § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung grundsätzlich auslegen muss.527 Dadurch un­ terliegt die Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG einem Kon­ trolldruck der Öffentlichkeit. Für die ebenfalls mit Beratungsaufgaben be­ traute ZKBS im Gentechnikrecht enthält die ZKBS-Verordnung Bestimmun­ gen über die fakultative Anhörung des Antragstellers,528 zur Beschlussfassung 526  „Rahmenrichtlinie über die Gestaltung von Sachverständigengutachten in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren“ in der Bek. d. BMI v. 15.12.1983, – RS I 6 – 513 820/4 –, GMBl. 1984, Nr. 2, S. 21. 527  Zur Verfahrenstätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. IV. 1. 528  § 4 Abs. 2 ZKBS-Verordnung.

466

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

und Willensbildung innerhalb des Gremiums529 sowie originäre Befugnisse zur Anhörung von Sachverständigen, Beiziehung von Gutachten oder zur Veranlassung der Durchführung von Untersuchungen durch Dritte.530 Die Arbeit der ZKBS findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Selbst wenn im gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren eine Öffentlich­ keitsbeteiligung stattfindet, sind die Stellungnahmen und Empfehlungen der ZKBS nicht Gegenstand der Offenlegung. Die Kontrolle der Tätigkeit der ZKBS erfolgt auf der Verfahrensebene vor allem durch den gremieninternen Diskus ihrer Mitglieder.531 Für die DFS enthält das kodifizierte Recht hinge­ gen keinerlei Vorgaben für die verfahrensmäßige Erstellung ihrer Entschei­ dungsbeiträge.532 Unterschiedliche Verfahrensgestaltungen sind auch für die vorliegend be­ trachtete Gruppe der entscheidungsbefugten sachverständigen Stellen festzu­ stellen. In den vorliegend am Beispiel der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren i. S. d. §§ 18 ff. NAEBG betrachteten Anlagen­ zulassungsverfahren533 wird den federführenden Behörde typischerweise das Recht eingeräumt, bei Bedarf vom Vorhabenträger bzw. Antragsteller Unter­ lagen nachzufordern.534 Zudem haben die auf der Verfahrensebene zuständi­ gen Behörden im Verhältnis zum Antragsteller bzw. Vorhabenträger regelmä­ ßig Anhörungs- und Unterrichtungspflichten zu beachten.535 Eine Kontrolle ihrer Tätigkeit erfolgt zum einen über die Weisungs- und Aufsichtsrechte der Ministerialverwaltung, zum anderen über die regelmäßig obligatorisch durch­ zuführende Öffentlichkeitsbeteiligung.536 In produktbezogenen Risikover­ fahren537 wie dem nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren finden sich typischerweise ebenfalls ausführliche Vorschriften, die das Verhältnis zwi­ schen außenwirksam handelnder Zulassungsbehörde und Antragsteller re­ geln.538 Spezifische Vorgaben für die Tätigkeit des vorliegend betrachteten 529  §§ 6, 9 ff.

ZKBS-Verordnung. im Einzelnen die Befugnisse der § 7 ZKBS-Verordnung. 531  Vgl. § 11 Abs. 3 ZKBS-Verordnung. Zur Verfahrenstätigkeit der ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 1. 532  Zur Tätigkeit der DFS siehe oben § 3 D. IV. 1. Etwaige interne Verfahrensre­ gelungen der DFS oder interne Verwaltungsvorschriften des BAF konnten, sofern sie existieren sollten, für die vorliegende Untersuchung nicht ausfindig gemacht werden. 533  Zum Verfahrenstyp siehe oben § 2 A. II. 1. 534  Siehe etwa § 21 Abs. 3 S. 1 NABEG. 535  Für das betrachtete Referenzgebiet siehe insgesamt die Bestimmungen der §§ 20, 21 NABEG. 536  Siehe insoweit § 22 Abs. 3–8 NABEG. Zur Tätigkeit der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. IV. 1. 537  Zum Verfahrenstyp siehe oben § 2 A. II. 2. 538  Siehe insbesondere §§ 22, 24 AMG sowie § 25 Abs. 5 S. 1–4 AMG. 530  Siehe



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren467

Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG finden sich hingegen nicht. Der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG ist trotz seiner originären Sachentscheidungskompetenzen nach der gesetzlichen Systematik selbst nur eines von mehreren Beweismitteln des BfArM und verfügt in der Konsequenz weder über eigene Verfahrensrechte noch ist er selbst Adressat etwaiger Verfahrenspflichten. Da das nationale Arzneimittelzulassungsver­ fahren, insoweit typisch für das Stoff- und Produktzulassungsrecht, weder eine partizipatorische noch informatorische Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteili­ gung vorsieht, erfolgt eine Kontrolle der Tätigkeit des Gegensachverständi­ gen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG regelmäßig allein seitens der ihn beauftra­ genden Zulassungsbehörde sowie gegebenenfalls durch den Antragsteller (vgl. § 25 Abs. 5 S. 7 AMG).539 In Qualitätssicherungsverfahren540 stehen Benannten Stellen im bipolaren Vertragsverhältnis zum Hersteller originäre Prüfungsrechte und Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung zu.541 Gleichzei­ tig sind sie nach Maßgabe der im Detail vertraglich geregelten Abläufe des Konformitätsbewertungsverfahrens auch zu einer Anhörung des Herstellers verpflichtet, bevor sie dessen Antrag auf Erteilung einer positiven Prüfbe­ scheinigung zurückweisen. Die Kontrolle der Tätigkeit Benannter Stellen erfolgt im Wege der Aufsicht durch die ZLG (§ 15 Abs. 2 MPG). Eine parti­ zipatorische oder informatorische Beteiligung Dritter bzw. der Öffentlichkeit, durch die die Verfahrenstätigkeit Benannter Stellen ergänzend kontrolliert werden könnte, ist im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-­ Medizinprodukte nicht vorgesehen.542 Schließlich hat auch die Untersuchung der Gruppe der belangwahrenden sachverständigen Stellen unterschiedliche Regelungsstrukturen aufgezeigt. Für die vorliegend am Beispiel der Mitwirkung des BAF im BImSchG-­ Genehmigungsverfahren betrachtete Verfahrensbeteiligung von in ihrem Auf­ gabenbereich berührten Fachbehörden sind lediglich die Vorschriften über die sogenannten internen Verfahrenspflichten der §§ 20, 21, 24 VwVfG, nicht aber etwaige Verfahrensrechte des Antragstellers (z. B. im Hinblick auf eine Anhörung) maßgeblich. Originäre Befugnisse zur Sachverhaltsermitt­ lung stehen verwaltungsintern zu beteiligenden Fachbehörden regelmäßig nicht zu.543 Da – soweit bereichsspezifisch vorgesehen – Behörden- und Öf­ fentlichkeitsbeteiligung in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren typischerweise parallel durchgeführt werden, unterliegen die 539  Zur Verfahrenstätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. IV. 1. 540  Zum Verfahrenstyp siehe oben § 2 A. II. 3. 541  Siehe z. B. Anhang III Nr. 4.2 u. 4. 3 der Richtlinie 93/42/EG. 542  Zur Verfahrenstätigkeit der Benannten Stellen siehe oben § 4 D. IV. 1. 543  Zur Verfahrenstätigkeit des BAF siehe insgesamt oben § 5 B. IV. 1.

468

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Mitwirkungsbeiträge beteiligter Behörden lediglich den Rechtsbehelfsmög­ lichkeiten der Antragsteller, nicht hingegen einer Kontrolle durch Dritte bzw. seitens der Öffentlichkeit. Anerkannte Umweltverbände, die in Zulassungs­ verfahren für Anlagen und Infrastruktur als „Quasi-Verwaltungshelfer“ zu beteiligen sind, haben das Recht zur Einsichtnahme in die Planung bzw. Antragsunterlagen sowie zur Abgabe von Stellungnahmen, sind aber nicht selbst Adressaten etwaiger Verfahrenspflichten. Eine besondere Kontrolle ihrer Tätigkeit ist im Zulassungsverfahren nicht vorgesehen.544 In die Zu­ lassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingebundene Ethik-Kommissionen sind als funktionale Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG selbst Adressaten der Verfahrensrechte des Antrag­ stellers und müssen die internen Verfahrenspflichten der §§ 20, 21, 24 VwVfG beachten. Ihnen sind nach Maßgabe von § 42 Abs. 1 S. 5 AMG ori­ ginäre Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung eingeräumt. Im Übrigen kann für ihre Verfahrenstätigkeit und die gremieninterne Kontrolle ihrer Arbeit auf die obigen Ausführungen zur ZKBS verwiesen werden.545 2. Analyseraster Im Folgenden sind der vorstehend herausgearbeitete Normbestand sowie die aufgezeigten Regelungsstrukturen zu analysieren. a) Rechtliche Betrachtung In rechtlicher Hinsicht ist zunächst zu untersuchen, ob die Einräumung von Befugnissen zur Sachverhaltsermittlung nach Maßgabe eines allgemei­ nen Grundschemas erfolgt oder sich allein nach Zweckmäßigkeitserwägun­ gen bzw. den Besonderheiten des jeweiligen Sachgebiets richtet (dazu aa)). Anschließend wird darauf einzugehen sein, welche Pflichten sachverständige Stellen auf der Verfahrensebene beachten müssen. Dabei liegt der Fokus der Untersuchung auf der sowohl rechtlich als auch praktisch besonders bedeut­ samen Anhörung (dazu bb)). Im Anschluss hieran werden verschiedene Me­ chanismen aufgezeigt und systematisiert, die der Kontrolle sachverständiger Stellen auf der Verfahrensebene zu dienen bestimmt sind (dazu cc)). Für die verschiedenen Kontrollmechanismen ist schließlich unter dem Blickwinkel des grundgesetzlichen Demokratieprinzips nach deren Legitimationsbeitrag zu fragen (dazu dd)).

544  Zur 545  Zur

Verfahrenstätigkeit anerkannter Umweltverbände siehe oben § 5 C. IV. 1. Verfahrenstätigkeit von Ethik-Kommissionen siehe oben § 5 D. IV. 1.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren469

aa) Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung Beratende, entscheidende und belangwahrende sachverständige Stellen müssen zur Erfüllung der ihnen in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren hoheitlich zugewiesenen Aufgaben über eine hin­ reichende Informationsgrundlage verfügen. Dies gilt unabhängig davon, ob sie hoheitlich, öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich bzw. verwaltungsseitig oder verwaltungssubstituierend tätig werden. Um die diesbezüglichen Er­ kenntnisse aus der Untersuchung zu systematisieren, kann auf die rechtliche Qualität der von sachverständigen Stellen gelieferten Entscheidungsbeiträge abgestellt werden. (1) Außenentscheidungsbefugte sachverständige Stellen In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren, die als Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipiert sind, stehen den au­ ßenwirksam handelnden Behörden nach Maßgabe von § 26 Abs. 1 VwVfG verschiedene Beweismittel zur Verfügung, derer sie sich nach pflichtgemä­ ßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts bedienen können. Diese all­ gemeine Regelung wird im Fachrecht häufig der Sache nach aufgegriffen und konkretisiert, wie die vorliegend als Referenzgebiete für außenwirksam handelnde und entscheidende Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG betrachtete Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§  18 ff. NABEG546 sowie der Ethik-Kommissionen bei der Zulassung arz­ neimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG547 zeigen. Sowohl die Bundesnetzagentur als auch die Ethik-Kommissionen können von den Antragstellern des jeweiligen Zulassungsverfahrens die Bei­ bringung ergänzender Unterlagen und Gutachten verlangen.548 Sie können darüber hinaus aber auch eigene Gutachten einholen bzw. auf sonstige Be­ weismittel zurückgreifen, um den Antrag sowie die vom Antragsteller einge­ reichten Unterlagen prüfen und bewerten zu können.549 Auch Benannten Stellen, die im privatrechtlich konzipierten, öffentlichrechtlich überformten Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Me­ dizinprodukte mit Außenentscheidungskompetenzen ausgestattet sind, sind in Abhängigkeit vom konkret durchzuführenden Konformitätsbewertungsver­ 546  Dazu

oben § 4 B. IV. 1.

547  § 5 D. IV. 1.

548  § 21 Abs. 3 S. 1 NABEG; § 42 Abs. 1 S. 4 AMG i. V. m. § 8 Abs. 1 GCPVerordnung. 549  § 21 Abs. 3 S. 1 NABEG; § 42 Abs. 1 S. 5 AMG.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

fahren550 unterschiedliche Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung einge­ räumt.551 Nach den einschlägigen Bestimmungen des Unionsrechts können sie zum Beispiel Betriebsstätten des Herstellers besichtigen552 oder von diesem die Durchführung weiterer Tests und Prüfungen verlangen.553 Im Übrigen bestimmt im nationalen Recht die Vorschrift des § 3 Abs. 3 MPV, dass Benannte Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren vom Hersteller alle Informationen und Angaben fordern können, die zur Durchführung der jeweiligen Überprüfungen und Bewertungen und zur Erteilung von Beschei­ nigungen erforderlich sind. (2) Binnenrechtlich sachentscheidungsbefugte sachverständige Stellen Unterscheidet man sachverständige Stellen nicht nach ihrer Rechtsform, sondern nach der rechtlichen Qualität ihrer jeweiligen Entscheidungsbeiträge, folgt auf die Gruppe der außenentscheidungsbefugten sachverständigen ­Stellen die Gruppe solcher sachverständiger Stellen, die zwar nicht im Au­ ßenverhältnis zum Antragsteller bzw. Dritten handeln, jedoch verwaltungs­ binnenrechtlich über originäre Sachentscheidungskompetenzen verfügen. Als einschlägige Referenzgebiete sind im Kontext der Untersuchung der Gegen­ sachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittel­ zulassungsverfahren554 sowie das BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben im BImSchG-Genehmigungsverfahren555 zu nennen. Das jeweils einschlägige Fachrecht räumt keiner der beiden sachverständigen Stellen eigene Befug­ nisse zur Sachverhaltsermittlung ein, obschon ihre Entscheidungsbeiträge die im Außenverhältnis agierende Zulassungsbehörde verwaltungsintern binden. Zur Erledigung ihres Prüfauftrags müssen sich beide sachverständige Stellen jeweils formal556 an die zuständige Behörde wenden, die etwa den Antrag­ steller zur Beibringung ergänzender Unterlagen aufzufordern hat oder erfor­ 550  Auf die einzelnen Module für die Konformitätsbewertung von Produkten war vorliegend nicht näher einzugehen. Siehe hierzu etwa Tacke, Die Benannte Stelle im Medizinprodukterecht, S.  41 ff.; Wiesendahl, Technische Normung in der Europäi­ schen Union, S. 79 ff. 551  Zur Verfahrenstätigkeit Benannter Stellen siehe oben § 4 D. IV. 1. 552  Anhang II Nr. 3.3 Abs. 2 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.3 Abs. 2 der Richtlinie 93/42/EWG. 553  Anhang II Nr. 4.3 Abs. 1 S. 2 Richtlinie 93/42/EWG. 554  Dazu oben § 4 C. IV. 1. 555  Siehe dazu oben § 5 B. IV. 1. 556  Inwieweit die Kommunikationswege in der Praxis „abgekürzt“ werden und die jeweiligen sachverständigen Stellen direkt mit dem Antragsteller in Kontakt tre­ ten, bedarf vorliegend keiner Klärung.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren471

derliche Sachverständigengutachten einholen muss. Wie beide Referenzge­ biete zeigen, sind originäre Sachentscheidungskompetenzen sachverständiger Stellen im nationalen Recht nicht notwendigerweise an das Bestehen verfah­ rensrechtlicher Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung gekoppelt. (3) Entscheidungsvorbereitend tätige sachverständige Stellen Der vorstehende Befund darf nicht zu der Annahme verleiten, dass Gesetzund Verordnungsgeber allein sachverständigen Stellen mit Außenhandlungsbzw. Außenentscheidungskompetenzen eigenständige Befugnisse zur Sach­ verhaltsermittlung einräumen würden. Aus der Untersuchungsgruppe der verwaltungsberatenden sachverständigen Stellen stehen etwa dem Sachver­ ständigen i. S. d § 20 S. 1 AtG nach Maßgabe von § 20 S. 2 AtG i. V. m. § 36 ProdSG verschiedene Betretungs-, Prüf- und Einsichtsrechte zur Verfügung, wenngleich er zu deren zwangsweisen Durchsetzung nicht selbst berechtigt ist, sondern sich insoweit an die ihn beauftragende Behörde halten muss.557 Noch stärker ausgestaltet sind die der ZKBS in § 7 ZKBS-Verordnung einge­ räumten Befugnisse zur Anhörung von Sachverständigen, Beiziehung von Gutachten oder Durchführung von Untersuchungen durch Dritte.558 Auch den als „Quasi-Verwaltungshelfern“ in Anlagen- und Vorhabenzulassungs­ verfahren freiwillig mitwirkenden Umweltverbänden sind hinsichtlich der Antrags- bzw. Planungsunterlagen des Antragstellers bzw. Vorhabenträgers umfassende Einsichts- und Äußerungsrechte zugestanden,559 deren Verlet­ zung durch die zuständige Behörde sie im Zweifel gerichtlich geltend ma­ chen können.560 Als Gegenbeispiel ist die im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben gutachtlich tätige DFS zu nennen, der keine eigenen Befugnisse zur Sachver­ haltsermittlung eingeräumt sind.561 Insgesamt wird deutlich, dass die Einräumung von Befugnissen zur Sach­ verhaltsermittlung zu Gunsten von in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen keinen schematischen Regeln folgt, sondern von den sachbereichs­ spezifischen Modalitäten des jeweiligen Zulassungsverfahrens abhängt. Ob unter Kohärenzgesichtspunkten ein rechtspolitischer Handlungsbedarf be­ steht, wird noch zu erörtern sein.

557  Dazu

oben § 3 B. IV. 1. zur Verfahrenstätigkeit der ZKBS oben § 3 C. IV. 1. 559  Dazu oben § 5 C. IV. 1. 560  Siehe etwa § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UmwRG. 561  Zur Verfahrenstätigkeit der DFS siehe oben § 3 D. IV. 1. 558  Siehe

472

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

bb) Pflichten – insbesondere: Anhörung des Antragstellers Neben den ihnen eingeräumten Befugnissen stellt sich weitergehend die Frage, welche Pflichten das Fachrecht sachverständigen Stellen in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auferlegt und wie diese mit etwaigen Rechten des Antragstellers korrespondieren. Herkömm­ lich stellt in Verwaltungsverfahren das Recht auf Anhörung das sowohl prak­ tisch als auch rechtlich wohl bedeutsamste Verfahrensrecht von Beteiligten i. S. d. §  13 VwVfG dar.562 Neben ihrer objektiv-rechtlichen Bedeutung als Mittel zur Sachverhaltsaufklärung563 stellt die Anhörung in subjektiver Hin­ sicht eine unverzichtbare Verfahrensgarantie dar, aufgrund derer Betroffene rechtzeitig über den Stand des Verwaltungsverfahrens unterrichtet werden müssen und die Berücksichtigung ihres Vorbringens bei der Entscheidung verlangen können.564 Vor diesem Hintergrund ist im Folgenden näher zu untersuchen, inwieweit verwaltungsseitige bzw. verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren zu einer eigenständigen Anhörung des jeweiligen Antrag­ stellers verpflichtet sind bzw. sein können. (1) Außenentscheidungsbefugte sachverständige Stellen Über den vorliegenden Untersuchungsgegenstand hinaus ist umstritten, ob die Ablehnung eines auf die Erteilung eines begünstigen Verwaltungsakts gerichteten Antrags als belastender Verwaltungsakt qualifiziert werden kann, der die im Außenverhältnis handelnde Behörde vor seinem Erlass nach Maß­ gabe von § 28 Abs. 1 VwVfG zu einer Anhörung des Antragstellers ver­ pflichtet. Nach ständiger Rechtsprechung und Auffassung eines Teils in der Literatur besteht in dieser Konstellation grundsätzlich keine Anhörungspflicht der außenverantwortlich handelnden Behörde, da die bloße Versagung einer Vergünstigung keinen Eingriff in die Rechtsstellung des Antragstellers be­ deute.565 Die Gegenauffassung leitet hingegen unter anderem aus der Vor­ schrift des § 28 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG eine Anhörungspflicht der außenwirk­ sam handelnden Behörde ab.566 In der Verwaltungspraxis kommt es auf die Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 283. in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28 Rn. 2. 564  BVerfGE 84, 34 (46 f.). 565  BVerwGE 66, 184 (186); VGH Mannheim, NVwZ 1994, 919; OVG Greifs­ wald, Urteil vom 23.06.2014 – 3 M 58/14 –, juris, Rn. 6; Engel/Pfau, in: Mann/Sen­ nekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 28 Rn. 32. 566  Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 32; Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28 Rn. 27; Schneider, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 28 Rn. 44; 562  Hufen/Siegel, 563  Ramsauer,



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren473

Lösung dieser Streitfrage zumeist nicht an, da die im Außenverhältnis han­ delnden Behörden die Antragsteller vor der Zurückweisung deren Anträge typischerweise anhören.567 In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren stellt sich die Problematik um die analoge Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG regelmäßig schon deshalb nicht, weil das Fachrecht häufig besondere Hinweis- und Unterrichtungspflichten der außenverant­ wortlich handelnden Behörde im Verhältnis zum Antragsteller statuiert. Ein Beispiel ist etwa das Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG, wo die Bundesnetzagentur nach § 21 Abs. 5 NABEG zur Prüfung der Voll­ ständigkeit und Plausibilität der vom Vorhabenträger eingereichten Unter­ lagen verpflichtet ist und letzteren auf etwaige Mängel hinzuweisen hat, be­ vor sie eine Entscheidung über dessen Antrag auf Planfeststellung trifft.568 Ähnliche Vorgaben regelt § 8 Abs. 1 GCP-Verordnung für Ethik-Kommissio­ nen, die die Zulassungsfähigkeit arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG im Hinblick auf den von ihnen wahrgenomme­ nen Belang der Patientensicherheit in einem eigenständigen Verwaltungsver­ fahren zu prüfen haben.569 Diese Regelungen tragen dem Sinn und Zweck der allgemeinen Anhörungspflicht aus § 28 Abs. 1 VwVfG inhaltlich Rech­ nung. Ähnliche Grundsätze gelten auch dann, wenn verwaltungssubstituierende sachverständige Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren über Außenentscheidungskompetenzen verfügen. Dies gilt etwa für die Benannten Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte, die in der Regel auf Grundlage einer entspre­ chenden vertraglichen Vereinbarung mit dem jeweiligen Hersteller zu dessen Anhörung verpflichtet sind, bevor sie dessen auf Ausstellung einer positiven Prüfbescheinigung gerichteten Antrag zurückweisen.570 (2) Binnenrechtlich sachentscheidungsbefugte sachverständige Stellen Bezüglich der Frage, inwieweit sachverständige Stellen mit originären, lediglich verwaltungsintern verbindlichen Sachentscheidungskompetenzen zu siehe auch Schröder, Genehmigungsverwaltungsrecht, S. 45, der die Anhörungspflicht aus den Vorschriften über die Antragsberatung (§ 25 Abs. 1 u. 2 VwVfG) ableitet. 567  Siehe insoweit etwa Engel/Pfau, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 28 Rn. 33; zum Baurecht Herrmann, in: Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.), Beck’scher Onlinekommentar VwVfG, § 28 Rn. 13. 568  Zur Verfahrenstätigkeit der Bundesnetzagentur siehe oben § 4 B. IV. 1. Als weiteres Beispiel ist das BImSchG-Genehmigungsverfahren zu nennen, siehe § 10 Abs. 1 BImSchG i. V. m. §§ 7, 20 Abs. 2 S. 2 der 9. BImSchV. 569  Zur Verfahrenstätigkeit der Ethik-Kommissionen siehe oben § 5 D. IV. 1. 570  Siehe dazu auch oben § 4 D. IV. 1.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

einer Anhörung des Antragstellers verpflichtet sind, ist zwischen verwal­ tungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen zu differen­ zieren. (a) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen Wie am Beispiel der Rolle des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben im außenwirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahren dargelegt,571 knüpfen die allgemeinen Verfahrenspflichten und -rechte der §§ 20, 21, 24, 28 und 29 VwVfG allesamt an das Vorliegen eines Verwaltungsakts i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG an. Aus diesem Grund können die genannten Vorschriften für Mit­ wirkungsakte von Verwaltungsbehörden, die die im Außenverhältnis zum Antragsteller handelnde Behörde lediglich verwaltungsintern binden, allen­ falls analog zur Anwendung kommen. Nach herrschender Meinung gelten für nicht als Verwaltungsakte zu qualifizierende Mitwirkungsbeiträge zu beteili­ gender Behörden lediglich die sogenannten internen Verfahrenspflichten der Unparteilichkeit (§§ 20, 21 VwVfG), der Amtsermittlung (§ 24 VwVfG) so­ wie der hier nicht näher zu behandelnden Geheimhaltung (§ 30 VwVfG). Demgegenüber sollen die Verfahrensrechte des Antragstellers bzw. Beteilig­ ten (vgl. § 13 VwVfG) auf Anhörung (§ 28 VwVfG) und Akteneinsicht (§ 29 VwVfG) auf die Tätigkeit von lediglich verwaltungsintern mitwirkenden Behörden nicht anzuwenden sein, was nicht zuletzt mit verfahrensökonomi­ schen Gründen begründet wird.572 Demzufolge sind vorbehaltlich anderwei­ tiger Regelungen im Fachrecht nicht schon die lediglich verwaltungsintern mitwirkenden Fachbehörden zu einer Anhörung des Betroffenen verpflichtet, sondern erst die den Verwaltungsakt im Außenverhältnis erlassende Behör­ de.573

571  Dazu

oben § 5 B. IV. 1. bereits oben (§ 5 B. IV. 1) angeführten Auffassung der h. M. siehe Ritgen, in: Knack/Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 9 Rn. 17; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 9 Rn. 128; Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 28 Rn. 91; Sennekamp, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), § 9 Rn. 27; Ule/Laubinger, Verwaltungsver­ fahrensrecht, § 19 Rn. 10. Zur Gegenauffassung siehe etwa Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn.  788 f.; Lange, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/ Schup­pert (Hrsg.), Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 307 (314); Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 9 Rn. 11b. 573  Siehe die Nachweise oben sowie OVG Koblenz, NuR 1998, 209 (210); Kallerhoff/Mayen, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 28 Rn. 24; Ritgen, in: Knack/ Henneke (Hrsg.), VwVfG, § 28 Rn. 33; vgl. auch BVerwG, NJW 1990, 2637 (2638). 572  Zur



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren475

Während die Frage der Anwendbarkeit des § 28 Abs. 1 VwVfG auf die Ablehnung von Anträgen, die auf den Erlass eines begünstigenden Verwal­ tungsakts gerichtet sind, für die im Außenverhältnis handelnden Behörden in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren regelmäßig dahinstehen kann,574 wird die Problematik der Reichweite des Anwendungs­ bereichs des § 28 Abs. 1 VwVfG bei lediglich verwaltungsintern wirkenden Beiträgen beteiligter Fachbehörden auch im hiesigen Untersuchungskontext bedeutsam. Zwar ist es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungs­ gerichts etwaigen im Verwaltungsverfahren intern mitwirkenden Behörden trotz der alleinigen Verantwortlichkeit der im Außenverhältnis handelnden Behörde für die Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG nicht schlechterdings verwehrt, zum Adressaten der Verwaltungsentscheidung Kontakt aufzuneh­ men.575 Dies setzt in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren freilich eine entsprechende Bereitschaft der zu beteiligenden Fachbehörde voraus. Im vorliegend als Referenzgebiet dienenden Beispiel der Verfahrensbeteiligung des BAF bei der Zulassung von Windenergieanla­ gen soll es nach – vom Verfasser nicht selbst geprüften, sondern hier nur wiedergegebenen – Praxisberichten aus der Windenergiebranche häufig an einer Bereitschaft des BAF zu einer Anhörung negativ beschiedener Antrag­ steller fehlen.576 Träfen diese Aussagen zu, erscheint die fachrechtliche577 Verortung der Anhörungspflicht bei der außenwirksam handelnden BImSchGGenehmigungsbehörde anstatt beim mit materiellen Sachentscheidungskom­ petenzen ausgestatteten, lediglich verwaltungsintern handelnden BAF un­ befriedigend. Denn die binnenrechtlich an die Voten des BAF gebundene BImSchG-Genehmigungsbehörde kann den Antragsteller weder zu den na­ turwissenschaftlich-technischen Fragestellungen der windenergievorhaben­ bedingten Störung einer Flugsicherungseinrichtung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG substanziell anhören noch darf sie den Mitwirkungsbeitrag des BAF durch eine eigene Entscheidung ersetzen.578 Insoweit läuft das Anhörungs­ recht leer, wenn lediglich die BImSchG-Genehmigungsbehörde und nicht die die eigentliche Sachentscheidung treffende Beteiligungsbehörde im Fall einer in Aussicht genommenen Ablehnung des Zulassungsantrags zu einer Anhö­ rung des Antragstellers verpflichtet ist. Entsprechende Konstellationen kön­ nen theoretisch auch in anderen naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren auftreten. Die geltende Rechtslage löst das Auseinan­ 574  D. I. 2. a) bb) (1). 575  Vgl.

für eine Aufsichtskonstellation BVerwG, DVBl 2014, 303 (304). Einschätzungen von Personen aus der Windenergiebranche, mit denen der Verfasser in seiner anwaltlichen Beratungspraxis in Kontakt stand. 577  Siehe insoweit die Pflichten der BImSchG-Genehmigungsbehörde aus § 10 Abs. 1 BImSchG u. §§ 7, 20 Abs. 2 S. 2 der 9. BImSchV. 578  Zur Bedeutung der Voten des BAF siehe oben § 5 B. IV. 2. 576  (Vereinzelte)

476

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

derfallen zwischen formeller Außenentscheidungskompetenz der Zulassungs­ behörde und materieller Sachentscheidungskompetenz einer verwaltungs­ intern mitwirkenden Fachbehörde im Hinblick auf die Verortung des Anhö­ rungsrechts des Antragstellers nicht sachgerecht auf. Vor dem Hintergrund der nicht nur potenziellen579 Grundrechtsrelevanz von verwaltungsintern verbindlichen Mitwirkungsbeiträgen von Fachbehörden sowie der Bedeutung des Anhörungsrechts für das Vertrauensverhältnis zwischen Bürgern und Behörden im demokratischen Rechtsstaat580 und des auf Verwaltungsakte beschränkten Wortlauts der allgemeinen Bestimmung des § 28 VwVfG soll­ ten in rechtspolitischer Hinsicht etwaige Reformmöglichkeiten eruiert wer­ den. Auf diesen Aspekt wird später noch einmal zurückzukommen sein. (b) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen Als Beispiel für eine verwaltungsexterne sachverständige Stelle mit origi­ nären Sachentscheidungskompetenzen wurde auf den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren eingegangen.581 Da das Fachrecht keine originäre Anhörungspflicht des Ge­ gensachverständigen bei Ablehnung des Zulassungsantrags des Antragstellers statuiert582 und der Gegensachverständige keinen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG erlässt,583 könnte er allenfalls in analoger Anwendung des § 28 Abs. 1 VwVfG zu einer Anhörung des Antragstellers verpflichtet sein. Soweit ersichtlich, wird das Bestehen einer solchen Anhörungspflicht nicht diskutiert. Grundsätzlich erscheint die Verortung der Anhörungspflicht bei der im Außenverhältnis handelnden Zulassungsbehörde nicht nur dann un­ sachgemäß, wenn diese an den Mitwirkungsbeitrag einer anderen Behörde gebunden ist,584 sondern erst recht, wenn sie sich über die Beurteilung einer externen und daher „staatsfernen“ sachverständigen Stelle nicht hinwegset­ zen darf. Im Übrigen kann auch in dieser Konstellation das Anhörungsrecht des Antragstellers der Sache nach leerlaufen. Insofern ist de lege ferenda 579  Im hiesigen Untersuchungskontext ist bei versagten Zulassungsentscheidun­ gen für Bauvorhaben etwa an Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und gegebenenfalls an Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG zu denken. 580  Zu diesen Zwecken der Anhörungspflicht des § 28 Abs. 1 VwVfG siehe nur Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 28 Rn. 1. 581  Zur Verfahrenstätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. IV. 1. 582  Siehe insoweit § 25 Abs. 4 AMG, der allein die Kommunikation zwischen BfArM und Antragsteller regelt. 583  Siehe zur binnenrechtlichen Wirkung der Beurteilungen des Gegensachver­ ständigen oben § 4 C. IV. 2. 584  Siehe oben D. I. 2. a) bb) (2) (a).



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren477

auch für verwaltungsexterne sachverständige Stellen, die intern verbindliche Entscheidungsbeiträge erstellen, die Implementierung einer Pflicht zur Anhö­ rung von Antragstellern zu erwägen. (3) Entscheidungsvorbereitend tätige sachverständige Stellen Für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG,585 die ZKBS,586 die DFS587 sowie die anerkannten Umweltverbände,588 deren vorbereitende Ent­ scheidungsbeiträge formal jeweils rechtlich unverbindlich sind, statuiert das Fachrecht keine originären Anhörungspflichten. Ein Rückgriff auf die all­ gemeine Bestimmung des § 28 Abs. 1 VwVfG scheidet ungeachtet der oben aufgeworfenen Streitfrage um den Anwendungsbereich der Vorschrift jeden­ falls in unmittelbarer Anwendung aus, da die Mitwirkungsbeiträge der ge­ nannten sachverständigen Stellen jeweils keine Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG darstellen.589 Vor dem Hintergrund der häufig zu beobachtenden „faktischen Bindungs­ wirkung“ rechtlich unverbindlicher Stellungnahmen externer sachverständi­ ger Stellen590 lässt sich die Frage aufwerfen, ob nicht auch verwaltungsbera­ tenden sachverständigen Stellen sachgebietsspezifisch eine originäre Pflicht zur Anhörung des Antragstellers auferlegt werden sollte. Mangels entspre­ chender Vorgaben aus dem höherrangigen Recht wäre eine entsprechende Überlegung indes allein rechtspolitischer Natur. In rechtlicher Hinsicht be­ steht zwischen formal bindenden und lediglich faktisch bindenden Entschei­ dungsbeiträgen sachverständiger Stellen ein qualitativer Unterschied, da die Zulassungsbehörde im zweitgenannten Fall vom rechtlich unverbindlichen Votum der beratend tätigen sachverständigen Stelle theoretisch abweichen könnte und dürfte. Insofern scheint es sachgerecht, in Fällen der lediglich „faktischen“ Bindungswirkung der Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen die Anhörungspflicht weiterhin bei den im Außenverhältnis agieren­ den Zulassungsbehörden zu verorten.

585  Zu

dessen Verfahrenstätigkeit siehe oben § 3 B. IV. 1. Verfahrenstätigkeit der ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 1. 587  Zu deren Verfahrenstätigkeit siehe oben § 3 D. IV. 1. 588  Zu deren Verfahrenstätigkeit siehe oben § 5 C. IV. 1. 589  Indes kann jedenfalls die ZKBS nach § 4 Abs. 2 ZKBS-Verordnung den An­ tragsteller sowie von diesem beauftragte Sachverständige zum mündlichen Vortrag zulassen. 590  Für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. IV. 2. b); für die ZKBS siehe oben § 3 C. IV. 2. b); für die DFS siehe oben § 3 D. IV. 2. b). 586  Zur

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

cc) Mechanismen zur Kontrolle der Tätigkeit sachverständiger Stellen Die Bestandsaufnahme hat verschiedene Mechanismen aufgezeigt, durch die die Tätigkeit sowohl von verwaltungsinternen als auch von verwaltungs­ externen sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren einer Kontrolle unterworfen werden kann. Im Folgenden sollen diese Kontrollmechanismen strukturiert und systematisiert werden. (1) Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung In Anlagen- und Vorhabenzulassungsverfahren des Umweltrechts ist viel­ fach eine Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen. Wie bei der Untersuchung des insoweit einschlägigen Referenzgebiets der Rolle der Bun­ desnetzagentur im Planfeststellungsverfahren für NABEG-Vorhaben darge­ legt, dient die Öffentlichkeitsbeteiligung in umweltrechtlichen Zulassungs­ verfahren der behördlichen Informationsgewinnung, der Schaffung von Transparenz und breitenwirksamer Akzeptanz in das zur Zulassung gestellte Vorhaben und der Gewährung von verwaltungsverfahrensinternen Rechts­ schutzmöglichkeiten.591 Durch die Unterrichtung der Öffentlichkeit über das den Gegenstand des jeweiligen Zulassungsverfahrens bildende Vorhaben, die öffentliche Auslegung der vom Antragsteller bzw. Vorhabenträger erarbeite­ ten Antrags- und Planunterlagen zur Einsichtnahme, die diesbezügliche Ein­ räumung von Einwendungs- und Äußerungsmöglichkeiten, die Durchführung eines Erörterungstermins592 und die Berücksichtigung der nicht zuvor erle­ digten Einwendungen in der behördlichen Zulassungsentscheidung593 erzeugt die Beteiligung der Öffentlichkeit zudem einen Kontrolldruck auf die verfah­ rensfederführende und außenentscheidungsbefugte Behörde, das Zulassungs­ verfahren sorgfältig durchzuführen und eine rechtmäßige sowie auch im Übrigen „richtige“ Entscheidung zu treffen. Auch auf die Tätigkeit sachver­ ständiger Stellen, die lediglich entscheidungsvorbereitend in Anlagenzulas­ sungsverfahren hoheitlich eingebunden werden und deren Gutachten bzw. Voten offengelegt werden müssen,594 kann von einer durchzuführenden Öf­ fentlichkeitsbeteiligung ein Kontrollausdruck ausgehen. Hierauf wurde am Beispiel der Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im atom­ rechtlichen Genehmigungsverfahren eingegangen.595 591  Dazu

oben § 4 B. IV. 1. zu den genannten Verfahrensschritten für das betrachtete Referenzgebiet die einschlägigen Bestimmungen in § 22 Abs. 3–7 NABEG. 593  Vgl. § 24 Abs. 2 S. 1 NABEG. 594  Siehe insoweit § 6 Abs. 2 S. 1 AtVfV; § 10 Abs. 1 S. 2 der 9. BImSchV („ent­ scheidungserhebliche Berichte“ bzw. „Unterlagen“). 592  Siehe



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren479

Demgegenüber ist in nationalen Stoff- und Produktzulassungsverfahren der Kontrollmechanismus der Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung für die Tätigkeit sachverständiger Stellen typischerweise nicht vorgesehen, wie ­exemplarisch die ZKBS im Gentechnikrecht,596 der Gegensachverständige i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im Arzneimittelrecht597 oder die Benannten Stellen im Medizinprodukterecht598 zeigen. In verfassungsrechtlicher Hin­ sicht ist die Beteiligung von Dritten bzw. der Öffentlichkeit in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren nicht zwingend, um die Tätigkeit hoheitlich eingebundener sachverständiger Stellen regulatorisch einzuhegen und zu kontrollieren. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bun­ desverfassungsgerichts Grundrechtsschutz bereits durch die Gestaltung von Verfahren zu bewirken.599 Insoweit kann zur Gewährleistung eines effek­tiven Grundrechtsschutzes auch die Etablierung von Partizipations- und Beteili­ gungsmöglichkeiten von Betroffenen bzw. der Öffentlichkeit geboten sein.600 Bezüglich der vorliegend interessierenden Kontrollfunktion ist die sachbe­ reichsspezifische Implementierung von Formen der Öffentlichkeitsbeteili­ gung jedoch Sache des Gesetzgebers, der insoweit auch unter Berücksichti­ gung der staatlichen Schutzpflichten regulatorisch regelmäßig nicht auf ein bestimmtes Tätigwerden festgelegt werden kann.601 (2) Staatliche Aufsichts- und Weisungsstrukturen Ein weiterer Kontrollmechanismus kann in der Implementierung von Auf­ sichts- und Weisungsstrukturen liegen, die je nach Sachgebiet und Rechts­ form der betreffenden sachverständigen Stelle im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltet sein können. Im Konformitätsbewertungsverfahren für Hoch­ risiko-Medizinprodukte werden Benannte Stellen nach Maßgabe von § 15 Abs. 2 MPG von der ZLG beaufsichtigt, der insoweit unterschiedliche Über­ wachungsbefugnisse zur Verfügung stehen. Wie oben dargelegt, darf die Ausübung der Aufsicht aus unionsrechtlichen Gründen nicht zu einer syste­ matischen Vormarktkontrolle durch den Staat führen, sondern muss sich 595  Auf die Rechtslage in anderen Ländern kann vorliegend aus Raumgründen nicht eingegangen werden. 596  § 3 C. IV. 1. 597  § 4 C. IV. 1. 598  § 4 D. IV. 1. 599  BVerfGE 53, 30 (65). 600  Vgl. BVerfGE 53, 30 (65 f.). 601  Siehe hierzu für die im Text im Zusammenhang mit Stoff- und Produktzulas­ sungen angesprochenen verwaltungsexternen sachverständigen Stellen unter dem Gesichtspunkt von Fachkompetenz und Unabhängigkeit oben C. I. 2. a) bb) (2) (a) u.  C. II. 2. a) bb) (2) (a) (bb).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

grundsätzlich auf die Erhebung von Stichproben beschränken.602 Der insbe­ sondere bei Behörden im organisationsrechtlichen Sinne bedeutsame Mecha­ nismus der Kontrolle durch Weisung kommt etwa bei der Bundesnetzagentur zum Tragen, die nach hiesiger Auffassung im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG in die Weisungs- und Verantwortungshierarchie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie603 eingebunden ist.604 Entsprechendes gilt für das im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur angesiedelte BAF605 bei dessen Tätigkeit im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zu­ lassung von Windenergievorhaben. Hinsichtlich der mit dem ministeriellen Weisungsrecht potenziell einhergehenden Probleme bei der Wahrung der ausschließlichen Sachorientierung und Handlungsrationalität von Behörden ist auf die obigen Ausführungen zu verweisen.606 Im Verhältnis zum belie­ henen Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG statuiert das Fachrecht zu Gunsten des BfArM keine spezifischen Aufsichtsmittel. Indes lässt sich das BfArM in den von ihm zur Beauftragung von Gegensach­ verständigen verwendeten Musterverträgen die Möglichkeit einräumen, sich ­jederzeit über den aktuellen Bearbeitungsstand unterrichten zu dürfen und die ­Abnahme der angeforderten Beurteilungen von der Erfüllung qualitativinhaltlicher Vorgaben abhängig zu machen.607 (3) Behördliche Prüfung und Rezeption von Entscheidungsbeiträgen Ein weiterer Kontrollmechanismus kann in der behördlichen Prüfung und Rezeption von Entscheidungsbeiträgen sachverständiger Stellen liegen. Die­ ser Mechanismus ist insbesondere für die regulatorische Einhegung der Tä­ tigkeit von verwaltungsexternen sachverständigen Stellen typisch. Die Gut­ achten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, der ZKBS sowie der DFS wie auch die Äußerungen anerkannter Umweltverbände sind allesamt recht­ lich unverbindlich und müssen von der zuständigen Behörde inhaltlich ge­ prüft werden. Auch die bindenden Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG werden durch das BfArM rezipiert und erst in dessen außenwirksamer Zulassungsentscheidung inhaltlich umgesetzt.608 602  Siehe

oben § 4 D. IV. 1. S. 2 BNAG. 604  Zur Eingliederung der Bundesnetzagentur in ministeriale Weisungsstrukturen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben im Fachplanungsrecht siehe oben § 4 B. III. 2. 605  § 1 Abs. 2 S. 1 BAFG. 606  C. II. 2. a) bb) (1) (b) (bb). 607  Dies ergibt aus einem dem Verfasser durch Auskunft des BfArM vom 24.05.2019 per E-Mail übersandten Mustervertrag. 603  § 1



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren481

(4) Binnenrationalität bei pluralistisch besetzten Kollegialgremien Bei pluralistisch besetzten Kollegialgremien wie der ZKBS im Gentech­ nikrecht609 oder den Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht610, die ihre Tätigkeit unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausüben, erfolgt die Kontrolle ihrer Arbeit gremienintern durch ihre Besetzung mit Experten aus unter­ schiedlichen Fach- und Interessenrichtungen sowie durch hieran anknüpfende Diskurs- und Abstimmungspflichten. Insbesondere am Beispiel der ZKBS wurde dargelegt, dass die Gruppe der sachkundigen Personen (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GenTG) rationalisierend auf die Tätigkeit der Gruppe der Sachver­ ständigen (§ 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GenTG) einwirken soll. Die Effektivität dieses Kontrollmechanismus dürfte stark von den in den jeweiligen Gremien vertretenen Persönlichkeiten abhängen. Im Übrigen lässt die Nichtöffentlich­ keit deren Tätigkeit kaum belastbare Aussagen über den Verwirklichungsgrad kollegialer Binnenrationalität zu. dd) Legitimationsbeitrag der untersuchten Kontrollmechanismen Während die sachverständigen Stellen eingeräumten Befugnisse und ihnen auferlegten Pflichten funktionaler Natur sind und der ordnungsgemäßen Auf­ gabenerfüllung dienen, können Kontrollmechanismen unter Demokratie­ gesichtspunkten einen Legitimationsbeitrag leisten. Insoweit kann wiederum zwischen verwaltungsinternen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen sowie der Rechtsqualität ihrer jeweiligen Entscheidungsbeiträge un­ terschieden werden. (1) Bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen Der Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Legitimationsbeiträge der für verwaltungsinterne sachverständige Stellen implementierten Kontrollme­ chanismen ist der sachlich-inhaltliche Legitimationsmodus. (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Nach herkömmlichem Legitimationsverständnis wird die sachlich-inhalt­ liche Legitimation von Amtsträgern und Organen der Exekutive zum einen 608  Auf Fragen des arzneimittelrechtlichen Pharmakovigilanz-Systems (§§ 62  ff. AMG), das der repressiven Nachmarktkontrolle dient, ist vorliegend nicht einzuge­ hen. 609  Siehe insoweit oben § 3 C. IV. 1. 610  Zu deren Verfahrenstätigkeit siehe oben § 5 D. IV. 1.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

durch ihre Bindung an Recht und Gesetz und zum anderen durch ihre Hand­ lung im Auftrag und nach Weisung der dem Parlament verantwortlichen Re­ gierung hergestellt.611 Insoweit leistet die Eingliederung der mit Planfest­ stellungskompetenzen ausgestatteten Bundesnetzagentur in die Weisungshie­ rarchie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie bei ihrer Tätigkeit im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG einen Legitima­ tionsbeitrag. Entsprechendes gilt für das in § 22 NABEG vorgesehene Anhö­ rungsverfahren, das u. a. der Kontrolle der Tätigkeit der Bundesnetzagentur dient und diese insoweit zur Beachtung von Recht und Gesetz anhält. (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für Behörden, die wie das im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur angesiedelte, vorliegend im Hinblick auf ihre Tätigkeit bei der Zulassung von Windenergievorhaben betrachtete BAF in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren verwaltungsintern zu beteiligen sind und die binnenrechtlich bindende Ent­ scheidungsbeiträge abgeben, leistet ebenfalls der Kontrollmechanismus der Eingliederung in die ministerielle Weisungs- und Verantwortungshierarchie einen Legitimationsbeitrag. Soweit in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren eine etwaig vorgesehene Behörden- und Öffent­ lichkeitsbeteiligung parallel erfolgt,612 leistet der Kontrollmechanismus der Öffentlichkeitsbeteiligung für die Mitwirkung von Behörden keinen Legiti­ mationsbeitrag. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Für die Einbindung von Behörden, die verwaltungsintern lediglich einen unverbindlichen Mitwirkungsbeitrag abgeben, gelten die vorstehenden Aus­ führungen gleichermaßen. (2) Bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen Maßstab für die Beurteilung der Legitimationsbeiträge der aufgezeigten Kontrollmechanismen ist bei verwaltungsexternen sachverständigen Stellen wiederum die „Je desto-Formel“: Je stärker die rechtliche Qualität des Ent­ scheidungsbeitrags einer externen sachverständigen Stelle ist, desto eher 611  BVerfGE 93, 37 (67); 107, 59 (87 f.); 130, 76 (124); 137, 185 (232 f.); 139, 194 (225); 146, 1 (40), 147, 50 (128). 612  Siehe etwa § 10 Abs. 3 u. 5 BImSchG i. V. m. § 11 S. 1 der 9. BImSchV; § 73 Abs. 2 VwVfG; § 22 Abs. 1 u. 3 NABEG.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren483

muss der von ihr ausgeübte Einfluss inhaltlich, organisatorisch oder verfah­ rensrechtlich eingehegt werden.613 (a) Mit Außenentscheidungskompetenzen Für die in die Zulassung von arzneimittelrechtlichen Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingebundenen, mit belangspezifischen Außen­ entscheidungskompetenzen ausgestatteten Ethik-Kommissionen leisten die von ihrem jeweiligen Träger ausgeübte Rechtsaufsicht614 sowie die auf Binnenrationalität abzielenden Kontrollstrukturen innerhalb des Kollegial­ gremiums615 einen Legitimationsbeitrag. Bei den im Konformitätsbewer­ tungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte außen- und eigenverantwort­ lich über die Ausstellung von Prüfbescheinigungen entscheidenden Benann­ ten Stellen leistet die von der ZLG gemäß § 15 Abs. 2 MPG auszuübende Aufsicht einen Legitimationsbeitrag. Nach Maßgabe der „Je desto-Formel“ sind diese Kontrollstrukturen unter dem Gesichtspunkt des Postulats demo­ kratischer Legitimation grundsätzlich616 angemessen, um die Tätigkeit bei­ der außenwirksam entscheidenden sachverständigen Stellen an das vom Par­ lament geschaffene Gesetzesrecht rückzukoppeln. (b) Mit binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungsbeiträgen Beim beliehenen Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG leisten dessen Eingliederung in hoheitliche Aufsichts- und Weisungsstruktu­ ren sowie die Rezeption seiner intern verbindlichen Beurteilungen durch das im Außenverhältnis handelnde und formell entscheidende BfArM einen Le­ gitimationsbeitrag, der im Hinblick auf die originären Sachentscheidungs­ kompetenzen des Gegensachverständigen angemessen erscheint. (c) Mit rechtlich unverbindlichen Entscheidungsbeiträgen Der Sachverständige i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Atomrecht, die ZKBS im Gentechnikrecht, die DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben sowie die aner­ kannten Umweltverbände bei der Planfeststellung von Bundesfernstraßen 613  Siehe insoweit wiederum Hong, Die Verwaltung 51 (2018), 367 (373, 388); Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 61 u. 66. 614  Hierzu oben § 5 D. III. 2. 615  Dazu oben § 5 D. IV. 1. 616  Dieser abstrakte Befund lässt freilich keine Rückschlüsse zur Effektivität des Mechanismus im Vollzug zu.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

geben jeweils rechtlich unverbindliche Entscheidungsbeiträge ab, die von der zuständigen Behörde inhaltlich geprüft werden müssen. Diese behördliche Prüfung und Rezeption der von den sachverständigen Stellen erstellten Ent­ scheidungsbeiträge leistet bereichsspezifisch einen unter Zugrundelegung der „Je desto-Formel“ angemessenen Legitimationsbeitrag. b) Kohärenz Hinsichtlich der Kohärenz des für die Erstellung der Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen aufgezeigten Normbestands und der dargelegten Re­ gelungsstrukturen ist auf die oben behandelten Aspekte der Einräumung von Befugnissen zur Sachverhaltsermittlung, der Implementierung von Anhö­ rungspflichten sowie der Etablierung von Kontrollmechanismen einzugehen. aa) Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung Wie oben ausgeführt,617 hängt die Implementierung von originären Befug­ nissen zur Sachverhaltsermittlung weder von der Handlungsform sachver­ ständiger Stellen (hoheitlich, öffentlich-rechtlich oder privat) noch von der rechtlichen Qualität ihrer Entscheidungsbeiträge ab. Dies betrifft insbeson­ dere das Verhältnis zwischen binnenrechtlich sachentscheidungsbefugten und lediglich entscheidungsvorbereitend tätigen sachverständigen Stellen. Einen Rückschluss auf systematische Widersprüche im vorliegend betrachteten Teilausschnitt der Rechtsordnung lässt dieser Befund jedoch nicht zwingend zu. Dass dem als Referenzgebiet für die Behördenbeteiligung in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren betrachteten BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren keine eigenständigen Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung eingeräumt werden, lässt sich bereits mit der potenzi­ ell großen Anzahl der weiteren im Verfahren zu beteiligenden Fachbehörden erklären. Stünden allen zu beteiligenden Behörden originäre Kompetenzen zur Sachverhaltsermittlung zu, wäre eine Koordination der vom Antragsteller gegebenenfalls nachzufordernden Unterlagen und Prüfungen kaum effektiv durchführbar. Insofern erscheint es sinnvoll, wenn lediglich die im Außen­ verhältnis federführende Behörde über entsprechende Befugnisse verfügt. Im Übrigen erscheint ein Vergleich zwischen dem Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG und dem mit eigenen Befugnissen ausgestatteten Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG unstatthaft. Das nationale Arzneimittel­ zulassungsverfahren ist als Unterlagenprüfverfahren konzipiert, in welchem die Schaffung der behördlichen Informations- und Entscheidungsgrundlage weitgehend dem Antragsteller obliegt (vgl. §§ 22, 24 AMG). Dies gilt auch, 617  D. I. 2. a)

aa).



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren485

wenn das BfArM die Zulassungsentscheidung in der Sache nach Maßgabe von § 25 Abs. 5 S. 5 AMG auf den Gegensachverständigen verlagert. Dem­ gegenüber gilt im atomrechtlichen Genehmigungsverfahren der behördliche Amtsermittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG) ohne Einschränkungen. Diesen unterschiedlichen Verfahrenskonzeptionen tragen die vom Gesetzund Verordnungsgeber getroffenen Regelungen über die Einräumung von Befugnissen zu Gunsten der jeweiligen sachverständigen Stelle inhaltlich Rechnung. Inkohärenzen sind nicht ersichtlich. bb) Anhörungspflichten Wie oben dargelegt, ist das Bestehen etwaiger Anhörungspflichten sach­ verständiger Stellen an die Außenwirksamkeit ihrer Entscheidungsbeiträge geknüpft.618 Insoweit erweisen sich Normbestand und Regelungsstrukturen der betrachteten Referenzgebiete als in sich konsequent und widerspruchs­ frei. Der hiesige Vorschlag, Anhörungspflichten an die rechtliche Qualität von Entscheidungsbeiträgen und nicht an die Außenwirksamkeit von Verwal­ tungshandeln anzuknüpfen, ändert nichts an der Kohärenz des gegenwärtigen Regelungssystems. cc) Kontrollmechanismen Auch die unterschiedlichen Mechanismen zur Gewährleistung einer Ver­ fahrenskontrolle der Tätigkeit sachverständiger Stellen sind unter Kohärenz­ gesichtspunkten nicht zu beanstanden. Die aufgezeigten Kontrollstrukturen divergieren nach der Art des Zulassungsverfahrens (Anlagenzulassungs-, Ri­ siko- und Qualitätssicherungsverfahren) sowie der Rechtsform (hoheitlich, öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich) und Entscheidungsgewalt (außen­ rechtswirksame Entscheidungen, binnenrechtlich bindende Sachentschei­ dung, bloße Entscheidungsvorbereitung) der sachverständigen Stellen. Syste­ matische Brüche oder Widersprüchlichkeiten hat die Untersuchung insoweit nicht ergeben. Dies gilt auch im Hinblick auf den in der Sache kaum abzu­ streitenden Befund, dass in Anlagenzulassungsverfahren mit vergleichsweise wenig619 potenziell betroffenen Personen vielfach Verfahren zur Dritt- und Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen sind, wohingegen in Stoff- und Pro­ duktzulassungsverfahren mit einem potenziell uferlosen620 Betroffenenkreis 618  Dazu

oben D. I. 2. a) bb). ist darauf zurückzuführen, dass (Umwelt-)Auswirkungen von Anlagen und Vorhaben in aller Regel lokal begrenzt sind. 620  Siehe etwa zum räumlichen Geltungsbereich von Arzneimittelzulassungen § 21 Abs. 1 AMG. 619  Dies

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

entsprechende Beteiligungsstrukturen gerade nicht etabliert sind.621 Die Be­ handlung des Kontrollmechanismus durch die gegenwärtige Rechtsordnung ist in sich stimmig, lässt sich aber möglicherweise rechtspolitisch anders beantworten. Hierauf wird nachfolgend eingegangen. c) Rechtspolitischer Ausblick Unter rechtspolitischen Gesichtspunkten ist ausgehend von den obigen Erkenntnissen zunächst auf die Problematik der Anhörungspflicht sachver­ ständiger Stellen einzugehen, die verwaltungsbinnenrechtlich über originäre Sachentscheidungskompetenzen verfügen (dazu aa)). Im Anschluss hieran ist kurz die Frage der Ausweitung des Kontrollmechanismus der Dritt- und Öf­ fentlichkeitsbeteiligung zu diskutieren, die vorliegend auf der Verfahrens­ ebene bei der Betrachtung der Referenzgebiete des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG sowie der Benannten Stellen im Medizinpro­ dukterecht als denkbare Handlungsoption aufgeworfen wurde (dazu bb)).622 Abschließend soll der bereits in der rechtspolitischen Diskussion zum Um­ weltrecht befindliche Vorschlag der Errichtung einer staatlichen Gutachten­ stelle kurz vorgestellt und gewürdigt werden (dazu cc)). aa) Anhörungspflichten für sachverständige Stellen mit intern bindenden Entscheidungsbeiträgen Die Untersuchung hat gezeigt, dass bei entscheidungsvorbereitenden Bei­ trägen sachverständiger Stellen, die die im Außenverhältnis handelnde Be­ hörde bei ihrer Zulassungsentscheidung binnenrechtlich binden, das jeden­ falls aus dem Fachrecht folgende Recht des Antragstellers auf eine effektive Anhörung inhaltlich leerlaufen kann. Ein entsprechendes Anwendungsbei­ spiel ist die Tätigkeit des BAF im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben.623 Das dortige Auseinanderfallen von formeller Entscheidungskompetenz der ­BImSchG-Genehmigungsbehörde im Außenverhältnis und materieller Sach­ entscheidungskompetenz des BAF im Verwaltungsbinnenverhältnis erscheint aus den bei der Behandlung des Referenzgebiets dargelegten Gründen im Hinblick auf das Anhörungsrecht des Antragstellers allgemein misslich. Dies gilt insbesondere dann, wenn und soweit die lediglich verwaltungsintern mitwirkende Fachbehörde ihre bindende Sachentscheidung auf eine unvoll­ 621  Kritisch aber der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutach­ ten 2002, S. 111(abgedruckt in BT-Drs. 14/8792). 622  Dazu oben § 4 C. IV. 1. sowie § 4 D. IV. 1. 623  Zur Verfahrenstätigkeit des BAF siehe oben § 5 B. IV. 1.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren487

ständige bzw. unrichtige Informationsbasis stützt.624 Vor diesem Hintergrund fordern Teile des Schrifttums im Zusammenhang mit der Beteiligung von Behörden in Verwaltungsverfahren einen flexibleren Umgang mit behördli­ chen Anhörungspflichten bzw. hiermit korrespondierenden Anhörungsrechten von Antragstellern.625 Dieser Überlegung ist zuzustimmen. In das Verfah­ rensrecht des jeweiligen Fachrechts626 sollten Vorschriften aufgenommen werden, durch die Fachbehörden, die in Zulassungsverfahren verwaltungs­ intern bindende Mitwirkungsbeiträge abgeben, verpflichtet werden, im Fall einer beabsichtigten Ablehnung des Zulassungsantrags Antragsteller selbst­ ständig anzuhören. Etwaige Verfahrensverzögerungen sind bei Realisierung dieses Vorschlags nicht zu erwarten, da bislang die Zulassungsbehörden als „Poststelle“ zwischen den zu beteiligenden Behörden und den Antragstellern fungieren, was ebenfalls einen entsprechenden Zeit- und Verfahrensaufwand mit sich bringt. Insofern könnte der hiesige Reformvorschlag sogar zu einer Beschleunigung von Zulassungsverfahren führen. Freilich müsste die verfah­ rensfederführende Behörde durch die Beteiligungsbehörde über den Inhalt der Anhörung stets nachrichtlich in Kenntnis gesetzt werden. Ganz ähnliche Überlegungen lassen sich anstellen, wenn die außenwirk­ sam handelnde Zulassungsbehörde intern an den Entscheidungsbeitrag einer externen sachverständigen Stelle gebunden ist. Auch für diese Konstellation kann grundsätzlich eine Neuverortung des Anhörungsrechts von Antragstel­ lern erwogen werden. Ob diesbezüglich ein konkreter Handlungsbedarf im betrachteten Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren besteht, ist hier nicht zu beurteilen, da die Betrachtung des Referenzgebiets ausschließlich der ­Illustration eines allgemeinen Rechtsproblems diente. bb) Sachgebietsspezifische Ausweitung von Dritt- und Öffentlichkeitsbeteiligungen Wie bei der Untersuchung der Tätigkeit des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren sowie 624  Diesen Punkt sieht allgemein auch Schneider, in: Hoffmann-Riem/SchmidtAßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 28 Rn. 91. 625  Siehe etwa Schneider, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, § 28 Rn. 91. 626  Nach hiesiger Auffassung sollten Anpassungen im allgemeinen Verwaltungs­ verfahrensrecht nur dann vorgenommen werden, wenn sie der Lösung allgemeiner verwaltungsrechtlicher Probleme dienen und nicht lediglich spezifische Konstellatio­ nen aus dem Fachrecht aufgreifen. Inwieweit sich die hier diskutierte Problematik auch in anderen verwaltungsrechtlichen Sachgebieten stellt, muss der Behandlung in anderen Untersuchungen vorbehalten bleiben.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

der Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte exemplarisch aufgezeigt, ist in Stoff- und Pro­ duktzulassungsverfahren häufig keine Beteiligung von Dritten bzw. der Öf­ fentlichkeit vorgesehen.627 Dem nationalen Stoff- und Produktzulassungs­ recht628 wird mitunter gar eine „Geringschätzung der Öffentlichkeit“ sowie eine hieraus erwachsende „Rückständigkeit des Wissensgenerierungsmodells“ attestiert.629 Ob man die insoweit divergierende Rechtslage zwischen Anla­ genzulassungsverfahren und Stoff- bzw. Produktzulassungsverfahren630 ein­ ebnet, ist vornehmlich anhand von Zweckmäßigkeitserwägungen sowie im Hinblick auf die Leistungsfähigkeit anderweitiger Kontrollmechanismen zu beurteilen.631 Aktuell angesprochen ist damit die Überwachung Benannter Stellen durch die ZLG (§ 15 Abs. 2 MPG). Wie bei der Betrachtung des ­Referenzgebiets dargelegt, sah sich die Medizinproduktebranche im Hinblick auf die präventive Marktzugangskontrolle durch Benannte Stellen im Zuge des PIP-Skandals um mangelhafte Brustimplantate selbst in einem Vollzugs­ defizit,632 dessen zwischenzeitliche Behebung in Anbetracht der Veröffent­ lichungen der Implant Files im November 2018 durchaus zweifelhaft er­ scheint.633 Soweit sich im Stoff- oder Produktzulassungsrecht derartige Vollzugsdefizite zeigen, könnte im Sinne eines breitenwirksamen, präventi­ ven Rechtsgüterschutzes eine Ergänzung bestehender Kontrollmechanismen um Formen der Dritt- bzw. Öffentlichkeitsbeteiligung zu erwägen sein (z. B. durch Beteiligung von Krankenkassen oder Verbraucherschutzverbänden). Hierbei müsste freilich der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der jeweiligen Antragsteller bedacht werden. Im Detail bedürfte ein entspre­ chender Handlungsansatz einer umfassenden Evaluation des betreffenden Sachgebiets, die hier nicht geleistet werden kann.

627  Siehe

hierzu oben § 4 C. IV. 1. sowie § 4 D. IV. 1. schließt das zwar weitgehend unionsrechtlich vorgeformte, im nationalen Recht jedoch durch die Vorgaben aus § 37 MPG i. V. m. §§ 4 ff. MPV in verfahrens­ rechtlicher Hinsicht ausgestaltete Konformitätsbewertungsverfahren für HochrisikoMedizinprodukte ein. 629  So die Kritik bei Gurlit, VVDStRL 70 (2011), 227 (251 f.). 630  Dazu unter Kohärenzgesichtspunkten oben D. I. 2. b) cc). 631  Strenger der Rat von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, S. 111 (abgedruckt in BT-Drs. 14/8792), der die diesbezügliche Differenzierung für „unlogisch“ erachtet. 632  https://www.bvmed.de/de/bvmed/presse/pressemeldungen/bvmed-konferenzzum-medizinprodukterecht-kein-regelungs-sondern-ein-vollzugsdefizit-zulassungsstel len-sollen-besser-ueberwacht-werden (zuletzt abgerufen am 07.08.2019). 633  Dazu oben § 4 D. IV. 1. 628  Dies



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren489

cc) Errichtung einer staatlichen Gutachtenstelle Im Jahr 2016 hat die Abteilung Öffentliches Recht des 71. Deutschen Ju­ ristentages den Gesetzgeber aufgefordert, durch Bundesgesetz eine staatliche Gutachtenstellenstelle für Umweltschutz auf Bundesebene zu errichten.634 Hinter diesem inhaltlich auf Rennert zurückgehenden Vorschlag635 steht das Ziel, die Legitimität von sich auf Expertengutachten stützenden behördlichen Zulassungsentscheidungen und verwaltungsgerichtlichen Urteilen zu erhö­ hen. Zu diesem Zweck solle eine institutionell unabhängige Gutachtenstelle errichtet werden, deren Mitglieder sachlich unabhängig sowie auf die Wah­ rung des Gemeinwohls besonders verpflichtet seien. Die Aufgabe der Gut­ achtenstelle solle darin bestehen, entweder sachverständige Gutachten mit gesetzlich erhöhter Validität selbst zu erstatten, in Auftrag zu geben oder aber die methodische Validität etwaiger ihr vorgelegter Sachverständigengutach­ ten zu attestieren.636 Im Umfang dieses Aufgabenspektrums könnten gege­ benenfalls auch Vorhabenträger zu einer Zusammenarbeit mit der staatlichen Gutachtenstelle verpflichtet werden.637 Dabei sollen die Gutachten und ­Atteste der staatlichen Gutachtenstelle weder die Zulassungsbehörden noch die Verwaltungsgerichte rechtlich binden, aufgrund der „gesetzliche[n] und institutionelle[n] Fundierung“ der Gutachtenstelle jedoch mit einer erhöhten Legitimität und Beweiskraft versehen sein.638 In der Politik ist diese Reformüberlegung, soweit ersichtlich, bislang (noch) nicht in ein Gesetzgebungsvorhaben oder gar in einen konkreten Ge­ setzesentwurf gemündet. Auf den ersten Blick erscheint die mit der Errich­ tung einer staatlichen Gutachtenstelle bezweckte Entlastung der Zulassungs­ behörden und Verwaltungsgerichte durchaus begrüßens- und erwägenswert, wenngleich der unterbreitete Vorschlag allenfalls sachbereichsspezifisch rea­ listisch erscheint und bei weitem nicht alle Bereiche des Umwelt-, Technik634  Beschluss Nr. 21 der Abteilung Öffentliches Recht des 71. Deutschen Juristen­ tages, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Ver­ handlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, N 163. 635  Siehe insoweit Rennert, DVBl 2017, 69 (78 f.), dem konzeptionell eine Ein­ richtung wie das „Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NordrheinWestfalen“ (LANUV) vorschwebt. 636  Beschluss Nr. 21 a) der Abteilung Öffentliches Recht des 71. Deutschen Juris­ tentages, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, N 163. 637  Beschluss Nr. 21 b) der Abteilung Öffentliches Recht des 71. Deutschen Juris­ tentages, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, N 163. 638  Beschluss Nr. 21 c) der Abteilung Öffentliches Recht des 71. Deutschen Juris­ tentages, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, N 163.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

und Pharmarechts einbeziehen könnte.639 Dieser Umstand kann hier jedoch dahinstehen. Der eigentlich problematische Kern des Reformansatzes zeigt sich bereits in der vom Deutschen Juristentag terminologisch lediglich abs­ trakt umschriebenen, inhaltlich jedoch nicht näher ausgefüllten Forderung nach einer „institutionellen Unabhängigkeit“ der Gutachtenstelle und einer „sachlichen Unabhängigkeit“ ihrer Mitglieder.640 Die Erreichung des Ziels, durch die Errichtung einer staatlichen Gutachtenstelle die Legitimität der von dieser erteilten bzw. validierten Sachverständigengutachten zu erhöhen, hängt maßgeblich davon ab, gegenüber wem und in welchem Umfang die Gutach­ tenstelle unabhängig sein muss. Diese Frage lässt der Reformvorschlag des Deutschen Juristentages gerade offen. Rechtlich wäre etwa zu klären, welche konkreten Abstands- und Distanzgebote für die staatliche Gutachtenstelle gelten sollen und ob sich die individuelle Unabhängigkeit ihrer Mitglieder lediglich im Regelungsgehalt der §§ 20, 21 VwVfG erschöpfen oder ein da­ rüber hinausgehendes Maß erreichen soll. Übermäßig strenge Anforderungen an die Unabhängigkeit könnten jedoch den Kreis potenzieller Mitglieder und Mitarbeiter, die unter fachlichen Gesichtspunkten für eine Tätigkeit in der staatlichen Gutachtenstelle in Betracht kommen, von vornherein erheblich reduzieren. Insgesamt sprechen die Erkenntnisse der vorliegenden Untersu­ chung dafür, dass die Unabhängigkeit einer derartigen Gutachtenstelle nicht derart umfassend sein könnte, wie es dem Deutschen Juristentag inhaltlich offenbar vorschwebt. Unter dieser Prämisse darf auch das zusätzliche Maß an Legitimität der von der Gutachtenstelle gefertigten, eingeholten bzw. ge­ prüften Gutachten nicht überschätzt werden.

II. Der Entscheidungsbeitrag Im Anschluss an die Untersuchung der Verfahrenstätigkeit sind nunmehr der Normbestand und die Regelungsstrukturen aus den verschiedenen Refe­ renzgebieten im Hinblick auf die Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen vertieft zu betrachten. Diesbezüglich wird zunächst wiederum eine kurze Bestandsaufnahme durchgeführt, an die im Anschluss eine Analyse der Erkenntnisse aus der Untersuchung der Referenzgebiete folgt.

639  Dies würde die Gründung einer Einrichtung erfordern, die etwa arzneimittel­ fachliche, gentechnische, kernenergetische und umweltfachliche Fragestellungen glei­ chermaßen bearbeiten könnte. 640  Siehe Beschluss Nr. 21 a) der Abteilung Öffentliches Recht des 71. Deutschen Juristentages, abgedruckt in: Ständige Deputation des Deutschen Juristentages (Hrsg.), Verhandlungen des 71. Deutschen Juristentages, Band II/1, N 163.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren491

1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Ähnlich wie bei den zuvor erörterten Prüfungspunkten sind auch die Rege­ lungen zu den Entscheidungsbeiträgen sachverständiger Stellen unterschied­ lich ausdifferenziert. Innerhalb der Untersuchungsgruppe der beratenden sachverständigen Stel­ len gibt für den Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG auf Ebene des unter­ gesetzlichen Regelwerks die Rahmenrichtlinie641 die bei der Gutachtener­ stellung zu beachtenden Anforderungen im Detail vor.642 Für die Voten der ZKBS regelt insbesondere § 11 ZKBS-Verordnung die Modalitäten der Be­ schlussfassung, insbesondere den Umgang mit etwaigen Minderheiten­ voten.643 Für die Tätigkeit der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben ent­ hält das kodifizierte Recht auf Gesetzes- oder Verordnungsebene keine be­ sonderen Formvorgaben.644 In allen drei Referenzgebieten ergibt sich aus dem jeweiligen Fachrecht die rechtliche Unverbindlichkeit der Entschei­ dungsbeiträge der betrachteten sachverständigen Stellen.645 Größere Unterschiede ergeben sich für die Gruppe der entscheidungs­ befugten sachverständigen Stellen. Für die Entscheidungen der Bundesnetz­ agentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG sind die in § 24 NABEG und § 74 VwVfG statuierten Vorgaben zu beachten. Dies schließt insbesondere die Pflicht der Bundesnetzagentur ein, die von ihr ge­ troffenen Planfeststellungsentscheidungen zu begründen.646 Demgegenüber sieht das Fachrecht für die Beurteilungen des mit originären Sachentschei­ dungsbefugnissen ausgestatteten Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG keine besonderen Anforderungen vor.647 Aufgrund ihrer lediglich verwaltungsinternen Wirkung unterliegen die Beurteilungen des Gegensach­ verständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG auch nicht den Vorgaben, die das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht gemeinhin an Verwaltungsakte stellt. Insbesondere kann die Begründungspflicht aus § 39 VwVfG auf die Ein­ schätzungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG nicht 641  „Rahmenrichtlinie über die Gestaltung von Sachverständigengutachten in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren“ (Bek. d. BMI v. 15.12.1983, – RS I 6 – 513 820/4 –, GMBl. 1984, Nr. 2, S. 21). 642  Siehe dazu oben § 3 B. IV. 1. 643  Siehe hierzu oben § 3 C. IV. 1. 644  Dazu oben § 3 D. IV. 1. Etwaiges Binnenrecht der DFS bzw. des BAF war vorliegend nicht zu ermitteln und bleibt daher, soweit vorhanden, unberücksichtigt. 645  Siehe hierzu oben § 3 B. IV. 2. a); § 3 C. IV. 2. a); § 3 D. IV. 2. a). 646  Siehe hierzu oben § 4 B. IV. 2. 647  Dazu oben § 4 C. IV. 2.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

bzw. jedenfalls nicht unmittelbar angewendet werden. Welche formellen und inhaltlichen Vorgaben die Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG erfüllen müssen, bleibt demnach dem Verwaltungs­ vollzug des BfArM überlassen.648 Für die Benannten Stellen im Konformi­ tätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte statuiert hingegen das Unionsrecht verschiedene Formanforderungen. Insbesondere sind die Benannten Stellen verpflichtet, ihre Entscheidungen über die (Nicht-)Aus­ stellung von Prüfbescheinigungen zu begründen.649 Innerhalb der Untersuchungsgruppe der belangwahrenden sachverständi­ gen Stellen ergeben sich für die hier behandelten Referenzgebiete ebenfalls größere Unterschiede. Für das im Fall seiner Berührung im eigenen Aufga­ benbereich im BImSchG-Genehmigungsverfahren mitwirkende BAF hat die Rechtsprechung bislang nicht abschließend geklärt, ob dieses seine verwal­ tungsintern bindenden Entscheidungen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG in analoger Anwendung des § 39 VwVfG begründen muss.650 Für die Tätigkeit anerkannter Umweltverbände im Planfeststellungsverfahren für Bundesfern­ straßen ist eine Pflicht zur Begründung ihrer Äußerungen und Einwendungen zwar nicht ausdrücklich kodifiziert, wird aber im Allgemeinen als unge­ schriebene Anforderung angesehen.651 Die zustimmenden bzw. ablehnenden Bewertungen der in die Zulassung von arzneimittelrechtlichen Forschungs­ vorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingebundenen Ethik-Kommissionen unterliegen als Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG allgemeinen Formund Begründungsanforderungen.652 2. Analyseraster Der vorstehend für die Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen herausgearbeitete Normbestand sowie die aufgezeigten Regelungsstrukturen werden im Folgenden in rechtlicher Hinsicht sowie unter Kohärenzgesichts­ punkten analysiert. Anschließend wird zu ausgewählten Fragestellungen ein rechtspolitischer Ausblick gewährt.

648  Insoweit enthält der Musterwerkvertrag, den das BfArM dem Verfasser per E-Mail vom 24.05.2019 übersandt hat, allgemeine Vorgaben (Maschinenschrift, Les­ barkeit, Anzahl der Ausfertigungen). 649  Siehe insoweit oben § 4 D. IV. 2. 650  Siehe dazu OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268) und oben § 5 B. IV. 1. 651  Dazu oben § 5 C. IV. 1. 652  Dazu oben § 5 D. IV. 2.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren493

a) Rechtliche Betrachtung Im Rahmen der rechtlichen Untersuchung der Entscheidungsbeiträge der verschiedenen sachverständigen Stellen ist zum einen auf die Problematik der Letztverantwortung bzw. Letztentscheidungskompetenz auf der Ebene des Zulassungsverfahrens einzugehen (dazu aa)). Zum anderen ist zu syste­ matisieren, welche Begründungspflichten an die Entscheidungsbeiträge sach­ verständiger Stellen in Abhängigkeit von ihrer Rechtsqualität gestellt werden bzw. zu stellen sind (dazu bb)). Im Hinblick auf das Demokratieprinzip leisten die an die jeweiligen Entscheidungsbeiträge gestellten formellen und inhaltlichen Anforderungen keine eigenständigen Legitimationsbeiträge (dazu cc)) aa) Letztentscheidungskompetenzen auf der Ebene des Zulassungsverfahrens Grundsätzlich ist in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren verwaltungsinternen sachverständigen Stellen auf der Verfah­ rensebene die formelle Letztverantwortung für die Entscheidung über den Zulassungsantrag zugewiesen (1). Indes hat die Untersuchung zahlreiche Einschränkungen und Durchbrechungen dieses Postulats aufgezeigt (2). (1) G  rundsatz: Formelle Letztverantwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen Wie dargelegt, fordern insbesondere die staatlichen Schutzpflichten die Etablierung von präventiven Eröffnungskontrollen für die Zulassung von gefährlichen Anlagen, Produkten oder Forschungsvorhaben nur dann, wenn die von der konkreten Technologie ausgehenden Risiken und Gefahren ohne eine Präventivkontrolle nicht mehr beherrschbar sind und der Staat durch die bloße Ergreifung von lediglich repressiven Mitteln den Schutz der Grund­ rechte der Bürger nicht mehr garantieren kann.653 Statuiert das Fachrecht einen solchen Zulassungsvorbehalt, obliegt dessen einzelfallbezogene Aus­ übung herkömmlich verwaltungsinternen sachverständigen Stellen, die in der Regel an die Entscheidungsbeiträge verwaltungsexterner sachverständiger Stellen rechtlich nicht gebunden sind.654 Dieser Befund wurde anhand der Beispiele des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG sowie der ZKBS vor allem auf die Anforderungen des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 u.  2 GG) zurückgeführt, dem nach tradiertem Verständnis bereits dann genügt 653  Dazu

654  Siehe

oben A. II. 1 a). aus dem Schrifttum allgemein Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1250).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

wird, wenn die staatlichen Verwaltungsbehörden auf der Ebene des behörd­ lichen Zulassungsverfahrens über formelle Letztentscheidungskompetenzen verfügen.655 (2) Einschränkungen und Durchbrechungen Die stetig steigende Komplexität naturwissenschaftlich-technischer Sach­ verhalte wirkt sich auf die gesetzliche Konzeption von Zulassungsverfahren aus.656 Anhand der vorliegend betrachteten Referenzgebiete lassen sich verschiedene Einschränkungen und Durchbrechungen des Postulats der for­ mellen Letztverantwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren ausmachen. Dieser Befund betrifft sowohl die Beziehung verwaltungsinterner sachver­ ständiger Stellen zu privaten Antragstellern (a) als auch ihr Verhältnis zu verwaltungsexternen sachverständigen Stellen (b). (a) Verhältnis zu privaten Antragstellern Im Verhältnis zu privaten Antragstellern treten Einschränkungen des Grundsatzes der formellen Letztverantwortung verwaltungsinterner sachver­ ständiger Stellen in zwei Konstellationen auf. Mitunter obliegt die Ermittlung des für die behördliche Zulassungsent­ scheidung entscheidungsrelevanten Sachverhalts abweichend vom Amtser­ mittlungsgrundsatz (§ 24 Abs. 1 S. 1 VwVfG) nicht mehr den vom Staat eingesetzten Behörden, sondern den privaten Antragstellern. Ein Anwen­ dungsbeispiel stellt insoweit das vorliegend anhand der spezifischen Rolle des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG betrachtete natio­ nale Arzneimittelzulassungsverfahren dar.657 Im Arzneimittelrecht sind die Antragsteller nach Maßgabe der §§ 22, 24 AMG zur Beibringung umfang­ reicher Antragsunterlagen nebst Sachverständigengutachten verpflichtet. Nach § 25 Abs. 5 S. 1 AMG bilden die vom Antragsteller vorgelegten Unter­ lagen und die Sachverständigengutachten die Grundlage für die Entscheidung des BfArM über die Erteilung der begehrten Arzneimittelzulassung. Stellt das BfArM Mängel in den eingereichten Unterlagen und Gutachten fest, hat es den Antragsteller zu deren Beseitigung anzuhalten (§ 25 Abs. 4 AMG). 655  Dazu oben § 3 B. IV. 2. a) u. § 3 C. IV. 2. a). Zur diesbezüglichen Kritik an diesem Legitimationskonzept siehe etwa Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (39). 656  Zu verfassungsrechtlichen Fragen des „Designs“ des wasserrechtlichen Er­ laubnisverfahrens für Fracking-Vorhaben siehe Boehme-Neßler, NVwZ 2015, 1249 (1250 ff.). 657  Zu dessen Tätigkeit siehe insgesamt oben § 4 C.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren495

Aufbauend auf der vom Antragsteller geschaffenen Informationsbasis kann das BfArM zur Prüfung und Beurteilung der Unterlagen zwar verschiedene, ihm in § 25 Abs. 5 S. 2–5 AMG im Einzelnen eingeräumte Befugnisse in Anspruch nehmen. Indes bleibt es dabei, dass eine umfassende behördliche Sachverhaltsermittlung im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren kon­ zeptionell nicht (mehr) vorgesehen ist.658 Durchaus vergleichbare Rege­ lungsstrukturen weist das im Zusammenhang mit der Untersuchung der Tä­ tigkeit der DFS und des BAF angesprochene BImSchG-Genehmigungsver­ fahren auf, wo nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 S. 2 der 9. BImSchV die vom Antragsteller eingeholten Sachverständigengutachten den von der BImSchGGenehmigungsbehörde eingeholten Sachverständigengutachten gleichgestellt werden. Sowohl im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren als auch im BImSchG-Genehmigungsverfahren sind zwar formal die jeweils zuständigen Behörden zur Entscheidung über den Zulassungsantrag berufen. Die Schaf­ fung der ihren Entscheidungen zugrunde liegenden Tatsachengrundlagen ob­ liegt jedoch maßgeblich den Antragstellern der Zulassungsverfahren.659 Die zweite Konstellation der Einschränkung des Grundsatzes der formel­ len Letztverantwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen wurde vorliegend am Beispiel der Tätigkeit der Bundesnetzagentur im Planfeststel­ lungsverfahren für NABEG-Vorhaben behandelt.660 Grundsätzlich werden die zuständigen Behörden bei der Planfeststellung von Anlagen und Infra­ struktur nicht selbst planend tätig, sondern haben die vom Vorhabenträger zur Entscheidung vorgelegte Planung „abwägend nachzuvollziehen“. Diese Prüfung schließt zwar eine vollständige Rechtmäßigkeitsprüfung ein. Die Planfeststellungsbehörde darf jedoch die Planung des Vorhabenträgers nicht durch eigene abweichende Überlegungen ersetzen, wenngleich sie nach ­außen die rechtliche Verantwortung für die Planung übernimmt. Ob diese Maßstäbe auch für die Planfeststellung von NABEG-Vorhaben gelten, deren Träger Private sind,661 ist umstritten662 und wird schlussendlich wohl vom 658  Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn das BfArM nach § 25 Abs. 5 S. 5 AMG die materielle Zulassungsentscheidung auf einen Gegensachverständigen verla­ gert. 659  Im Arzneimittelrecht ist die Beibringung eigener Sachverständigengutachten des Antragstellers obligatorisch, im Immissionsschutzrecht fakultativ. 660  Siehe oben § 4 B. IV. 2. 661  Vgl. insoweit § 3 Nr. 9 NABEG i. V. m. § 12c Abs. 4 S. 1 EnWG bzw. § 12c Abs. 8 EnWG. 662  Dafür Posser/Schulze, in: Posser/Faßbender (Hrsg.), Praxishandbuch Netzpla­ nung und Netzausbau, Kap. 11 Rn. 3; Sangenstedt/Karrenstein, in: Steinbach/Franke (Hrsg.), Kommentar zum Netzausbau, NABEG, § 20 Rn. 14; vgl. auch Leidinger, DVBl 2014, 683 (691); dagegen Durner, in: Schlacke/Schubert (Hrsg.), Energie-­ Infrastrukturrecht, S. 87 (105); Grigoleit/Weisensee, UPR 2011, 401 (405); Riemer, Investitionspflichten der Betreiber von Elektrizitätsübertragungsnetzen, S. 132.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Bundesverwaltungsgericht beantwortet werden müssen. Im Kontext der Un­ tersuchung wird anhand dieses Meinungsstreits deutlich, dass die formelle Letztverantwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen im Außen­ verhältnis nicht zwingend bedeutet, diese dürften den Antrag bzw. die Pla­ nung privater Antragsteller stets umfassend und unter jedem Gesichtspunkt prüfen bzw. bescheiden. (b) Verhältnis zu externen sachverständigen Stellen Neben dem Verhältnis zum Antragsteller hat die Untersuchung auch im Hinblick auf die Einbindung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen verschiedene Einschränkungen bzw. Durchbrechungen des Postulats der ­formellen Letztverantwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen aufgezeigt. Der prägnanteste Anwendungsfall ist insoweit der Verzicht auf eine staatliche Aufgabenwahrnehmung (dazu aa)). Als Abstufungen hierzu sind die Entscheidungsverlagerung (dazu bb)), die Entscheidungspräforma­ tion (dazu cc)) sowie das Phänomen der „faktischen Bindungswirkung“ rechtlich unverbindlicher Voten (dazu dd)) zu nennen.663 (aa) Verzicht auf staatliche Aufgabenwahrnehmung Eine weitgehende Durchbrechung des Grundsatzes der formellen Letztver­ antwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen ist anzunehmen, wenn der Staat präventive Kontrollaufgaben vollständig auf externe sachver­ ständige Stellen überträgt. Auf diese Konstellation wurde anhand des Kon­ formitätsbewertungsverfahrens für Hochrisiko-Medizinprodukte eingegan­ gen, wo die Aufgabe der präventiven Marktzugangskontrolle nicht mehr vom Staat selbst, sondern durch die von ihm hierzu eingesetzten Benannten Stel­ len wahrgenommen wird.664 Die Rolle der zuständigen Behörden ist auf die repressive Marktüberwachung (§§ 25 ff. MPG) sowie auf die Beaufsichtigung und Überwachung der Benannten Stellen beschränkt (§ 15 Abs. 2 MPG). Die Implementierung solcher repressiven Zugriffsoptionen ist in Konstellationen der regulierten Selbst- bzw. Fremdregulierung verfassungsrechtlich geboten, um den staatlichen Schutzpflichten bzw. der aus ihnen erwachsenden Ge­ 663  Im Hinblick auf den hiesigen Systematisierungsansatz ähnliche, im Detail je­ doch andere Kategorisierungen finden sich bei Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (294 f.) (freie Beweiswürdigung, Bindungswirkung mit substanzieller Begründungs­ pflicht im Abweichungsfall, Bindungswirkung ohne Abweichungsmöglichkeit, Aus­ lagerung von Entscheidungen) und Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 45 ff. (entscheidungsunabhängige, entscheidungspräformierende, entschei­ dungsersetzende und sonstige entscheidungsmitwirkende Beratung). 664  Zur Entscheidungskompetenz Benannter Stellen siehe oben § 4 D. IV. 2.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren497

währleistungsverantwortung zu genügen.665 Im Hinblick auf die präventive Eröffnungskontrolle ist das Inverkehrbringen von Hochrisiko-Medizinpro­ dukten ein Bespiel für einen unionsrechtlich begründeten Verzicht auf eine staatliche Aufgabenwahrnehmung. (bb) Entscheidungsverlagerungen Eine weitere Einschränkung des Grundsatzes der formellen Letztverant­ wortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen liegt vor, wenn externe sachverständige Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren über originäre (Sach-)Entscheidungskompetenzen verfügen, die präventive Kontrolltätigkeit jedoch weiterhin als öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird. Durch die Beauftragung eines Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG verlagert das BfArM die Prüfung und Entscheidung über den Zu­ lassungsantrag in der Sache auf einen Privaten und begibt sich aufgrund der Bindungswirkung dessen Beurteilungen eines Teils seiner Entscheidungs­ kompetenzen. Da die Befugnis zum Handeln im Außenverhältnis zum An­ tragsteller unverändert dem BfArM zusteht, kommt es im Fall der behörd­ lichen Hinzuziehung eines Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG zu einer materiellen Entscheidungsverlagerung.666 In ähnlicher Weise treffen die in die Zulassung arzneimittelrechtlicher Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingebundenen EthikKommissionen im Hinblick auf den von ihnen wahrgenommenen Belang der Patientensicherheit als funktionale Behörden i. S. d. § 1 Abs. 4 VwVfG eine eigen- und letztverantwortliche Entscheidung, über die sich das BfArM als Genehmigungsbehörde i. S. d. §§ 40 Abs. 1 S. 2, 42 Abs. 2 AMG nicht hin­ wegsetzen kann.667 Da die Bewertungen der Ethik-Kommissionen anders als die Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im Außenverhältnis keiner Umsetzung durch das BfArM mehr bedürfen, stellt ihre Einbindung in die Zulassung von klinischen Prüfungen von Arz­ neimitteln eine formelle Entscheidungsverlagerung dar.668

665  Dazu

allgemein Schmidt-Preuß, VVDStRL 56 (1997), 160 (197 f.). rechtlichen Qualität der Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. IV. 2. 667  Siehe insoweit oben § 5 D. IV. 2. 668  Zur Systematisierung siehe auch Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (296 f.), die beide hier aufgezeigten Konstellationen getrennten Fallgruppen zuordnet. 666  Zur

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(cc) Entscheidungspräformation Eine weitere Abstufung ergibt sich, wenn vorbereitende Beiträge externer sachverständiger Stellen für die im Außenverhältnis ergehende Zulassungs­ entscheidung nicht (binnen-)rechtsverbindlich sind, sondern diese lediglich präformieren. Diese Konstellation liegt vor, wenn die für die Zulassungsent­ scheidung verantwortliche Behörde näher begründen muss, aus welchem Grund sie im Einzelfall vom Votum einer externen sachverständigen Stelle mit überlegenem Fachwissen abweichen möchte.669 Durch die Statuierung einer Begründungspflicht für den Abweichungsfall wird der Zulassungs­ behörde vor Augen geführt, dass sie in rechtlicher Hinsicht zwar vom Votum einer externen sachverständigen Stelle grundsätzlich abweichen darf, ohne einen vernünftigen Grund jedoch nicht abweichen soll. Als Anwendungsbei­ spiel für eine derartige Entscheidungspräformation ist die Behandlung der Voten der ZKBS in den gentechnikrechtlichen Genehmigungsverfahren zu nennen.670 Durch das Modell der Entscheidungspräformation wird im Au­ ßenverhältnis zwar die formelle Letztverantwortung der zuständigen Behörde gewahrt. In materieller Hinsicht „lenkt“ die gesetzliche Begründungspflicht im Abweichungsfall die zuständige Behörde jedoch in Richtung einer Ent­ scheidung, die sich inhaltlich mit dem Votum der externen sachverständigen Stelle deckt. Dieser konzeptionelle Ansatz schlägt sich für das hier als Refe­ renzgebiet behandelte Gentechnikrecht in einer faktischen Bindungswirkung der Voten der ZKBS nieder.671 (dd) „Faktische Bindungswirkung“ Die formelle Letztverantwortung verwaltungsinterner sachverständiger Stellen kann nicht nur durch die gesetzliche Aufgabenzuweisung oder die Ausgestaltung der Entscheidungsverantwortlichkeiten, sondern auch durch rein tatsächliche Begebenheiten eingeschränkt bzw. durchbrochen werden. Dies ist etwa anzunehmen, wenn die staatlichen Zulassungsbehörden auf­ grund des Wissensvorsprungs externer sachverständiger Stellen von deren Einschätzungen aus rein fachlichen Gründen nicht abweichen können, weil es ihnen für eine „bessere“ Entscheidung an der erforderlichen Expertise fehlt. Dieses Phänomen der „faktischen Bindungswirkung“ der Voten exter­ ner sachverständiger Stellen wurde vorliegend am Beispiel des Sachverstän­ 669  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 47, sieht hierin eine „Art Beweislastumkehr“. 670  Dazu oben § 3 C. IV. 2. a). Ganz ähnliche Regelungsstrukturen finden sich darüber hinaus im nationalen Arzneimittelzulassungsverfahren, siehe § 25 Abs. 6 S. 3, Abs. 7 S. 5 u. Abs. 7a S. 6 AMG. 671  Dazu oben § 3 C. IV. 2. b).



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren499

digen i. S. d. § 20 S. 1 AtG abstrakt skizziert672 und konnte für die Stellung­ nahmen der ZKBS im Gentechnikrecht673 sowie für die Voten der DFS674 im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben empirisch nachgewiesen werden. In ­ Rechtsgebieten, in denen die Voten externer sachverständiger Stellen eine „faktische Bindungswirkung“ für die im Außenverhältnis ergehende Zulas­ sungsentscheidung erzeugen, kann eine Nivellierung der Grenze zwischen rechtlicher und faktischer Bindungswirkung drohen, die im Hinblick auf das grundgesetzliche Demokratieprinzip nicht irrelevant erscheint.675 Indes lässt sich der Eintritt dieses Phänomens realistischerweise kaum unterbinden. Zur Einhegung der Problematik kann die bereits erwähnte „Je desto-Formel“ he­ rangezogen werden, die es ermöglicht, die an externe sachverständige Stellen gestellten organisatorischen, inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Anforde­ rungen auf deren demokratischen Legitimationsbeitrag zu überprüfen. Auf die obigen Ausführungen zum Einbindungsmodus,676 zur Fachkompetenz677 und Unabhängigkeit678 sowie zur Verfahrenstätigkeit679 wird hingewiesen. bb) Begründungspflichten Als zweiter Aspekt der rechtlichen Analyse ist zu untersuchen, inwieweit Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen Begründungspflichten unter­ liegen. Insoweit ist nach der rechtlichen Qualität der jeweiligen Entschei­ dungsbeiträge zu differenzieren. (1) Außenwirksame Entscheidungen Aus dem Rechtsstaats- (Art. 20 Abs. 3 GG) und Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) sowie den Grundrechten folgt ein Gebot, an den Bürger adressierte Verwaltungsentscheidungen zu begründen.680 Die Umsetzung dieses Verfassungsgebots bereitet in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren im Hinblick auf außenwirksame Zulassungsent­ 672  Siehe

oben § 3 B. IV. 2. b).

673  § 3 C. IV. 2. b). 674  Siehe

oben § 3 D. IV. 2. b). diese Richtung für den Bereich der Normsetzung auch Vierhaus, NVwZ 1993, 36 (39). 676  B. II. 1. c) dd) (2) (c). 677  C. I. 2. a) cc) (2) (c). 678  C. II. 2. a) cc) (2) (c). 679  D. I. 2. a) dd) (2) (c). 680  Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, VwVfG, § 39 Rn. 5a m. w. N. 675  In

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

scheidungen typischerweise keine größeren Probleme. Mitunter statuiert be­ reits das einschlägige Fachrecht ein Begründungserfordernis, welches die außenverantwortlich handelnde sachverständige Stelle bei ihrer Zulassungs­ entscheidung zu beachten und umzusetzen hat.681 Im vorliegend als Refe­ renzgebiet betrachteten Beispiel der Bundesnetzagentur folgt die Pflicht zur Begründung ihrer Planfeststellungsbeschlüsse i. S. d. § 24 NABEG aus den Vorgaben, die das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht gemeinhin an Planfeststellungsentscheidungen stellt, siehe §§ 74 Abs. 1 S. 2, 69 Abs. 2 S. 1, 39 VwVfG.682 Auch die für den von ihnen wahrgenommenen Belang des Patientenschutzes mit Außenentscheidungskompetenzen ausgestatteten Ethik-Kommissionen im Arzneimittelrecht müssen gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 GCP-Verordnung ihre Bewertung des Vorhabens zur Durchführung einer klinischen Prüfung begründen.683 Ergeben sich aus dem Fachrecht keine vorrangigen Anforderungen, folgt die Begründungspflicht außenentschei­ dungsbefugter sachverständiger Stellen in verwaltungsrechtlichen Zulas­ sungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG zudem regelmäßig aus der allgemeinen Regelung des § 39 VwVfG. Einer Begründungspflicht unterliegen weitergehend auch die Entscheidun­ gen verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen, denen in privat­ rechtlich konzipierten Präventivkontrollverfahren originäre Außenentschei­ dungskompetenzen übertragen sind. So müssen Benannte Stellen im Kon­ formitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte nach Maß­ gabe684 des Unionsrechts ihre Entscheidungen über die (Nicht-)Ausstellung von Prüfbescheinigungen gegenüber den Herstellern begründen.685 (2) Binnenrechtlich verbindliche Entscheidungsbeiträge Ähnlich wie bei der oben bereits erörterten Anhörungspflicht686 stellt sich bei sachverständigen Stellen, deren Mitwirkungsakte verwaltungsbinnen­ rechtlich bindend sind, auch die Frage nach dem Bestehen einer Pflicht zur Begründung ihrer Entscheidungsbeiträge.

681  Siehe

z. B. § 10 Abs. 7 S. 1 BImSchG. dazu auch oben § 4 B. IV. 2. 683  Siehe oben § 5 D. IV. 2. 684  Dies lässt sich normativ an dem in § 7 Abs. 1 MPV geregelten Verweis fest­ machen. 685  Anhang II Nr. 3.3 Abs. 3, Nr. 4.3 Abs. 1 S. 3 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang III Nr. 5 Abs. 1 S. 2 Richtlinie 93/42/EWG; Anhang V Nr. 3.3 Abs. 3 Richtlinie 93/42/ EWG. Siehe dazu auch oben § 4 D. IV. 2. 686  Dazu insgesamt oben D. I. 2. a) bb) (2). 682  Siehe



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren501

(a) Verwaltungsinterne sachverständige Stellen Nach dem Gesetzeswortlaut gilt die Begründungspflicht des § 39 VwVfG unmittelbar nur für Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen, die als Verwaltungsakte i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG zu qualifizieren sind. Fehlt es im Fachrecht an speziellen Vorgaben, könnten behördliche Mitwirkungsakte mit bloßer Innenrechtswirkung allenfalls analog § 39 VwVfG einer Begründungs­ pflicht unterliegen. Im Allgemeinen verneint die obergerichtliche Rechtspre­ chung jedoch eine Anwendbarkeit des § 39 VwVfG auf verwaltungsinterne Mitwirkungsakte von Behörden bzw. Stellen, die nicht auf Außenwirkung ge­ richtet, sondern lediglich an die verfahrensfederführende Behörde adressiert sind.687 Ob diese Rechtsprechung auch für Stellungnahmen von in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu beteiligenden Fachbehörden gilt, ist bislang nicht geklärt. Für die insoweit als Referenzge­ biet betrachteten Voten des BAF im luftfahrinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben im außen­ wirksamen BImSchG-Genehmigungsverfahren hat die Rechtsprechung die analoge Anwendung des § 39 VwVfG explizit offen gelassen.688 Für die eine Begründungspflicht im Allgemeinen verneinende Auffassung der Rechtsprechung streiten der auf das Vorliegen eines Verwaltungsakts ab­ stellende Wortlaut des § 39 VwVfG sowie der systematische Standort der Vorschrift in den Regelungen über das Zustandekommen des Verwaltungs­ akts. Der Sinn und Zweck der Begründungspflicht des § 39 Abs. 1 VwVfG besteht darin, den Inhalt von Verwaltungsentscheidungen zu erläutern und klarzustellen. Dadurch soll Akzeptanz für die getroffene Verwaltungsent­ scheidung geschaffen werden. Zudem eröffnet die Begründungspflicht dem Betroffenen verwaltungsverfahrensinterne sowie verwaltungsprozessuale Rechtsschutzmöglichkeiten. Zugleich soll das Begründungsgebot die Be­ hörde zu einer Selbstkontrolle anhalten und die Legitimität ihrer Entschei­ dung sicherstellen.689 Aus welchem Grund diese Funktionen der Begrün­ 687  Gegen eine Begründungspflicht für Entscheidungen von Berufungs- bzw. Wahlausschüssen für Staatsanwälte und Richter siehe BVerfGE 24, 268 (276 f.); BVerwGE 70, 270 (275); 102, 174 (177); 105, 89 (91 f.); vgl. ferner BVerwGE 99, 371 (376). Gegen eine Begründungpflicht bei der Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens nach § 36 BauGB etwa BVerwGE 137, 74 (79); OVG Münster, DVBl 2015, 309 (310). 688  Der Annahme einer Begründungspflicht des BAF aus „rechtsstaatlichen Grün­ den“ indes zuneigend OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268); OVG Lüneburg, DVBl 2015, 381 (382). Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Frage bislang nicht ent­ schieden, vgl. insoweit BVerwGE 154, 377 ff. Siehe ergänzend die Ausführungen oben § 5 B. IV. 1. 689  Zu den genannten Zielsetzungen siehe Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 39 Rn. 1.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

dungspflicht nur bei Verwaltungsakten, nicht aber bei verwaltungsinternen Mitwirkungsakten mit Bindungswirkung zum Tragen kommen sollen, ist nicht ersichtlich. Generell dürfte der eine Begründungspflicht lediglich für Verwaltungsakte fordernden Rechtsprechung wohl die Annahme zugrunde liegen, dass die außenverantwortlich handelnde Behörde erforderlichenfalls auf die ausreichende Begründung der in ihrem Namen ergehenden Verwal­ tungsentscheidung hinwirken kann. Diese Überlegung greift in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren, in denen zu beteili­ gende Fachbehörden zu überaus schwierigen fachwissenschaftlichen Frage­ stellungen Stellung nehmen und gegebenenfalls verwaltungsintern bindende Mitwirkungsbeiträge abgeben, regelmäßig nicht. Ein illustratives Beispiel ist insoweit die Mitwirkung des BAF im BImSchG-Genehmigungsverfahren, das im Einzelfall die technisch bislang nicht eindeutig zu beantwortende Frage klären muss, ob und unter welchen genauen Voraussetzungen ein ge­ plantes Windenergievorhaben eine zivile Flugsicherungseinrichtung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG stört. Gibt das BAF diesbezüglich ein Votum ab, ohne dieses substanziell oder überhaupt zu begründen, kann auch die BIm­ SchG-Genehmigungsbehörde das Prüfergebnis des BAF realistischerweise nicht selbst untermauern. In diesem Fall können die dargelegten Funktionen der Begründungspflicht des § 39 Abs. 1 VwVfG leerlaufen, da die außen­ wirksam handelnde Zulassungsbehörde die Gründe für den Inhalt des Mit­ wirkungsakts des BAF nicht kennt und diese auch nicht nachrichtlich in die Begründung ihrer im Außenverhältnis ergehenden Zulassungsentscheidung übernehmen kann.690 Da die auf landesrechtlicher bzw. kommunaler Ebene agierenden BImSchG-Genehmigungsbehörden sowie das im Geschäftsbe­ reich des Bundesverkehrsministeriums angesiedelte BAF über keine gemein­ same Verwaltungsspitze verfügen, haben die außenverantwortlich handelnden BImSchG-Genehmigungsbehörden auch im Übrigen keine rechtliche Hand­ habe, um das ihnen fachlich überlegene und sie mit seinen Voten binnen­ rechtlich bindende BAF zu einer hinreichenden Begründung seiner Entschei­ dung i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG zu bewegen.691 Zwar mögen die Voten des BAF in der Genehmigungspraxis im Allgemeinen begründet sein. Recht­ lich abgesichert ist dies jedoch nicht. In der Vergangenheit hat das BAF seine 690  Dazu allgemein Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, §  39 Rn. 22; Weiß, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz (Hrsg.), VwVfG, § 39 Rn. 76. 691  Gerade bei der Zulassung von Windenergievorhaben tritt diese Konstellation häufiger auf, ohne dass die Mitwirkungsbeiträge der Fachbehörden des Bundes stets binnenrechtliche Bindungswirkung entfalten. Beispiele für entsprechende Beteili­ gungskonstellationen sind etwa die Mitwirkung des Bundesamts für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr (BAIUDBw), des Deutschen Wetterdienstes (DWD) oder der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR).



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren503

Entscheidungen jedenfalls nicht immer (substanziell) begründet.692 Eine ent­ sprechende Fallkonstellation lag auch der bislang einzigen Grundsatzent­ scheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nutzungskonflikt zwischen Windenergie und zivilen Flugsicherungseinrichtungen zugrunde, ohne dass es auf die Klärung des Bestehens einer Begründungspflicht des BAF im Re­ visionsverfahren seinerzeit ankam.693 Nimmt man die rechtsstaatlichen Funk­ tionen der Begründungspflicht des § 39 Abs. 1 VwVfG ernst, muss sie in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren konsequen­ terweise auch für verwaltungsinterne Mitwirkungshandlungen von Behörden gelten, durch die die außenverantwortlich handelnden Behörden gebunden werden. De lege lata steht dieser Sichtweise freilich der auf das Vorliegen eines Verwaltungsakts rekurrierende Wortlaut des § 39 Abs. 1 VwVfG entge­ gen. Diesen Befund gilt es im Rahmen der rechtspolitischen Betrachtung noch einmal aufzugreifen.694 (b) Verwaltungsexterne sachverständige Stellen Die vorstehenden Überlegungen lassen sich auch auf Verfahrenskonstella­ tionen übertragen, in denen die außenwirksam handelnde Zulassungsbehörde binnenrechtlich an ein Votum einer verwaltungsexternen sachverständigen Stelle gebunden ist. Für die insoweit als Referenzgebiet betrachteten Beurtei­ lungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationa­ len Arzneimittelzulassungsverfahren folgt weder aus dem Fachrecht noch aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht eine ausdrücklich kodifizierte Begrün­ dungspflicht.695 Folglich hat das den Gegensachverständigen im Einzelfall beauftragende BfArM diesen zu einer hinreichenden Begründung seiner Be­ urteilung des Zulassungsantrags zu bewegen. Dies dürfte im konkreten Refe­ renzgebiet aufgrund des vertraglichen Beauftragungsverhältnisses zwischen BfArM und Gegensachverständigen grundsätzlich ausreichend sein. Verfügt die außenwirksam handelnde Zulassungsbehörde in anderen Bereichen ge­ genüber einer externen sachverständigen Stelle, die verwaltungsintern bin­ dende Entscheidungsbeiträge abgibt, hingegen über kein derartiges Druck­ mittel, müssen gegebenenfalls der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber auf die effektive Einhaltung des Begründungsgebots durch eine entsprechende An­ passung des einschlägigen Fachrechts hinwirken.

692  Siehe

dazu oben § 5 B. IV. 1. dieser Entscheidung siehe BVerwGE 154, 377 ff. 694  Zum rechtspolitischen Ausblick siehe allgemein unten D. II. 2. c). 695  Dazu oben § 4 C. IV. 2. 693  Zu

504

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

(3) Unverbindliche Entscheidungsbeiträge Hinsichtlich außen- wie binnenrechtlich unverbindlicher Entscheidungs­ beiträge sachverständiger Stellen hat die Bestandsaufnahme ein uneinheit­ liches Bild ergeben.696 Zum Teil statuiert das untergesetzliche Regelwerk detaillierte Form- und Begründungsvorgaben an die vorbereitenden Beiträge sachverständiger Stellen,697 während andere Stellen anerkanntermaßen je­ denfalls ungeschriebene Begründungserfordernisse zu beachten haben.698 Demgegenüber sind in anderen Bereichen etwaige Begründungspflichten weder (fach-)rechtlich kodifiziert noch als ungeschriebener Grundsatz eta­ bliert.699 Anders als für verwaltungsintern bindende Entscheidungsbeiträge sachver­ ständiger Stellen wird in der Rechtsprechung und Literatur, soweit ersicht­ lich, das Bestehen einer allgemeinen Begründungspflicht für rechtlich unver­ bindliche Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen in analoger An­ wendung des § 39 Abs. 1 VwVfG nicht streitig diskutiert.700 Außerhalb des hiesigen Untersuchungsgegenstands wird jedoch vereinzelt gefordert, interne Maßnahmen mit erkennbar nachteiliger Wirkung im Außenverhältnis allge­ mein in analoger Anwendung des § 39 VwVfG einer Begründungspflicht zu unterwerfen.701 Gegen diesen Vorschlag bestehen in der Sache keine grund­ sätzlichen Einwendungen. Die obigen Erwägungen zur Wahrung der Funk­ tionen der Begründungspflicht des § 39 VwVfG greifen generell auch dann, wenn sich die nach außen handelnde Behörde im Regelfall an die Einschät­ zungen einer externen sachverständigen Stelle halten soll (Entscheidungs­ präformation)702 oder sie aus fachlichen Gründen keine andere als die ihr vorgeschlagene Entscheidung treffen kann („faktische Bindungswirkung“)703. 696  Für

eine Zusammenfassung siehe oben D. II. 1. beim Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG, siehe dazu oben § 3 B. IV. 1; siehe ferner zur Beschlussfassung und den Umgang mit Minderheitenvoten innerhalb der ZKBS oben § 3 C. IV. 1. 698  Siehe insoweit für die anerkannten Umweltverbände oben § 5 C. IV. 1. 699  So bei der DFS im luftfahrtinternen Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben, dazu oben § 3 D. IV. 1. Etwai­ ges Binnenrecht der DFS bzw. des BAF war nicht zu ermitteln und bleibt infolgedes­ sen außer Betracht. 700  Bemerkenswerterweise war in der oben erwähnten Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Nutzungskonflikt zwischen Windenergie und ziviler Flugsicherung (BVerwGE 154, 377 ff.) zunächst nicht nur die Entscheidung des BAF, sondern auch die gutachtliche Stellungnahme der DFS nicht begründet, vgl. OVG Lüneburg, NuR 2015, 265 (268); Kindler, NVwZ 2016, 1459 (1461). 701  Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 789. 702  Siehe oben D. II. 2. a) aa) (2) (b) (cc). 703  Dazu oben D. II. 2. a) aa) (2) (b) (dd). 697  So



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren505

Freilich werden diese Überlegungen durch den allein auf Verwaltungsakte abstellenden Wortlaut des § 39 Abs. 1 VwVfG de lege lata nicht erfasst. Dementsprechend kann die Forderung nach einer Erstreckung des Begrün­ dungsgebots auf vollständig unverbindliche Entscheidungsbeiträge sachver­ ständiger Stellen im Ergebnis nur rechtspolitischer Natur sein. Dies wird sogleich noch einmal aufzugreifen sein. cc) Legitimationsbeitrag der untersuchten Vorgaben an die Entscheidungsbeiträge Unter dem Gesichtspunkt ihres Beitrags zur demokratischen Legitima­ tion704 ergeben sich aus den untersuchten Anforderungen an die Entschei­ dungsbeiträge der jeweiligen sachverständigen Stellen keine neuen Gesichts­ punkte, die nicht bereits im Rahmen der vorhergehenden Prüfungspunkte angesprochen worden wären. Hinsichtlich Aufgabenzuweisung und -zuschnitt der hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren eingebundenen sachverständigen Stellen kann auf die obigen Ausfüh­ rungen zum Einbindungsmodus verwiesen werden.705 Im Übrigen wurde die Frage nach dem Legitimationsbeitrag von Begründungsanforderungen der Sache nach bereits im Rahmen der entsprechenden Ausführungen zu den verschiedenen Kontrollmechanismen auf der Verfahrensebene behandelt.706 Verallgemeinernd gilt: Statuiert das vom Gesetzgeber geschaffene Fachrecht an die Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen Begründungsanforde­ rungen, leistet es in Abhängigkeit seines Detaillierungsgrades einen Legiti­ mationsbeitrag, anderenfalls nicht. b) Kohärenz Unter Kohärenzgesichtspunkten ist allein auf die unterschiedliche Statuie­ rung von Begründungspflichten für binnenrechtlich bindende auf der einen und rechtlich unverbindliche Entscheidungsbeiträge auf der anderen Seite einzugehen. Insbesondere die Tätigkeit des BAF im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben sowie die des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG im nationalen Arz­ neimittelzulassungsverfahren zeigen, dass sich die binnenrechtliche Verbind­ lichkeit von Entscheidungsbeiträgen sachverständiger Stellen nicht immer im kodifizierten Recht niederschlägt. Umgekehrt gibt etwa das untergesetzliche Regelwerk für die Abfassung der rechtlich unverbindlichen Gutachten des 704  Zur

Erläuterung des vorliegend entwickelten Ansatzes siehe oben B. II. 1. c) cc).

705  B. II. 1. c) dd). 706  D. I. 2. a)

dd).

506

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG exakte Begründungs- und Formanfor­ derungen vor. Werden an rechtlich unverbindliche Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen strengere Begründungsanforderungen als an binnen­ rechtlich verbindliche Entscheidungsbeiträge statuiert, liegt trotz der nicht zu verkennenden Unterschiede zwischen den jeweiligen Rechtsgebieten kein kohärentes Regelungssystem vor. Ein entsprechender Befund ist für den vor­ liegend anhand von Referenzgebieten betrachteten Teilausschnitt der Rechts­ ordnung anzunehmen. c) Rechtspolitischer Ausblick In rechtspolitischer Hinsicht sind im Hinblick auf die Entscheidungsbei­ träge sachverständiger Stellen drei Aspekte aufzugreifen. Zum einen ist auf die oben erörterte Problematik des Bestehens bzw. der Implementierung von Begründungspflichten für lediglich verwaltungsintern wirkende Entschei­ dungsbeiträge einzugehen (dazu aa)). Zum anderen ist die im Zuge der Untersuchung verschiedener Referenzgebiete angedeutete Problematik des ­ Verhältnisses zwischen gesetzlichen Aufgabenzuweisungen an sachverstän­ dige Stellen und der Zuerkennung von subjektiven Rechtspositionen zu be­ handeln (dazu bb)). Abschließend ist der im Schrifttum erhobenen Forderung nach einer generellen Offenlegung von Entscheidungsbeiträgen privater Sachverständiger im hiesigen Untersuchungskontext nachzugehen (dazu cc)). aa) Begründungspflichten für binnenrechtlich wirkende Entscheidungsbeiträge Bezüglich der Frage nach der Statuierung von Begründungspflichten ist zwischen binnenrechtlich verbindlichen und unverbindlichen Entscheidungs­ beiträgen zu differenzieren. (1) Verbindliche Entscheidungsbeiträge Wie oben dargelegt, gilt für binnenrechtlich verbindliche Entscheidungs­ beiträge sachverständiger Stellen keine allgemeine Begründungspflicht.707 Dies erscheint in Fällen, in denen der Entscheidungsbeitrag einer sachver­ ständigen Stelle nicht bzw. nicht substanziell begründet ist, rechtspolitisch unbefriedigend, wenn und soweit die außenwirksam handelnde Zulassungs­ behörde aus fachlichen Gründen keine eigene Begründung liefern kann und auch nicht über ihre jeweilige Verwaltungsspitze auf die Nachholung einer 707  D. II. 2. a) bb) (2).



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren507

hinreichenden Begründung hinwirken kann. Vor diesem Hintergrund wird hier vorgeschlagen, binnenrechtlich verbindliche Entscheidungsbeiträge sach­ verständiger Stellen einer allgemeinen Begründungspflicht zu unterwerfen. Dies kann im Fachrecht etwa durch einen Verweis auf die allgemeine Be­ stimmung des § 39 VwVfG erfolgen. (2) Unverbindliche Entscheidungsbeiträge Auch die mitunter vorgetragene Forderung, unverbindliche Entscheidungs­ beiträge externer sachverständiger Stellen mit nachteiligen Auswirkungen im Außenverhältnis analog § 39 VwVfG einer Begründungspflicht zu unterwer­ fen,708 erscheint in rechtspolitischer Hinsicht zumindest erwägenswert. Im Unterschied zur Situation bei binnenrechtlich verbindlichen Entscheidungs­ beiträgen dürften die außenverantwortlich handelnden Zulassungsbehörden bei rein faktisch wirkenden Entscheidungsbeiträgen jedenfalls in fakultativen Einbindungskonstellationen (z. B. § 26 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 2 Nr. 2 VwVfG, § 20 S. 1 AtG, § 25 Abs. 5 S. 5 AMG) jedoch regelmäßig über hinreichende Möglichkeiten verfügen, um auf die Nachbesserung eines aus ihrer Sicht unzureichend begründeten Entscheidungsbeitrags einer sachverständigen Stelle hinzuwirken. Insofern besteht nach hiesiger Auffassung jedenfalls in Konstellationen der fakultativen Einbindung sachverständiger Stellen kein gesteigerter rechtspolitischer Handlungsbedarf. Etwas anderes dürfte jedoch für rechtlich unverbindliche Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen gelten, die auf Grundlage obligatorischer Einbindungsmodi in einem Zulas­ sungsverfahren erbracht werden (z. B. Behördenbeteiligungen in Anlagenzu­ lassungsverfahren). In derartigen Konstellationen kann die Implementierung von Begründungspflichten geboten sein, wenn und soweit die Zulassungsbe­ hörde die hinreichende Begründung der Entscheidungsbeiträge der mitwir­ kenden sachverständigen Stellen nicht gewährleisten kann. Letzteres kann vor allem in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren mit Behördenbeteiligung der Fall sein. bb) Aufgabenzuweisung und Zuerkennung subjektiver Rechtspositionen Eine nicht unmittelbar anhand von rechtlichen Maßstäben zu klärende und infolgedessen rechtspolitisch zu lösende Problematik betrifft das Verhältnis von gesetzlichen Aufgabenzuweisungen zu Gunsten sachverständiger Stellen und der Zuerkennung subjektiver Rechtspositionen. Im Kern geht es um die Frage, inwieweit sachverständigen Stellen mit rein entscheidungsvorbereiten­ 708  Zu dieser Forderung allgemein Hufen/Siegel, Fehler im Verwaltungsverfahren, Rn. 789.

508

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

den Aufgaben kraft ihrer verfahrensrechtlichen Position eine subjektive Rechtsposition zustehen soll, die sie gegebenenfalls gerichtlich geltend ma­ chen können. Diesbezüglich wird etwa im Gentechnikrecht diskutiert, ob der ZKBS aufgrund der entscheidungspräformierenden Wirkung ihrer Stellung­ nahmen eine klagefähige Rechtsposition einzuräumen ist.709 Insoweit lehnen Teile des Schrifttums eine Klagebefugnis der ZKBS unter Verweis auf ihre verwaltungsinterne Beratungsfunktion ab,710 während die Gegenauffassung zum Erhalt der Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Gremiums für die Zu­ erkennung einer klagefähigen subjektiven Rechtsposition plädiert.711 Plas­ tisch wird diese ihren Ursprung in der gesetzlich unklar geregelten organisa­ tionsrechtlichen Stellung der ZKBS712 nehmende Diskussion in Konstellatio­ nen, in denen die zuständige Behörde entgegen dem Votum der ZKBS dem Antragsteller die begehrte Zulassung für dessen gentechnisches Vorhaben (Durchführung von Arbeiten, Anlagenerrichtung, Freisetzung oder Inverkehr­ bringen von GVO) erteilt. Da im Gentechnikrecht nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO regelmäßig allein der jeweilige Antragsteller die behördlichen Zulassungsentscheidungen gerichtlich überprüfen lassen kann,713 kann es in der hier skizzierten Konstellation an einem klagebefugten Dritten fehlen, der die Rechtmäßigkeit der vom Votum der ZKBS abweichenden Entscheidung der Behörde einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen könnte. Vor diesem Hintergrund könnte die Zuerkennung einer subjektiven Rechtsposition zu Gunsten der ZKBS rechtspolitisch sinnvoll sein, um Kontrolllücken bei der Zulassung gentechnischer Vorhaben zu vermeiden und dadurch behördliche Zulassungsentscheidungen für eine Risikotechnologie zu rationalisieren. Da­ bei erscheint es sachgerecht, ein derartiges subjektives Recht nicht auf die inhaltliche Durchsetzung, sondern auf die hinreichende Beachtung der Stel­ lungnahmen und Voten der ZKBS zu richten. Ein ähnliches Regelungsbe­ dürfnis könnte bei der Mitwirkung von Zulassungskommissionen im nationa­ len Arzneimittelzulassungsverfahren bestehen.714 Für andere sachverständige Stellen hat die Rechtsprechung bereits aus gesetzlichen Aufgabenzuweisungen klagefähige Rechtspositionen abgeleitet. 709  § 3 C. IV. 2. a).

710  I. Appel, in: Ehlers/Fehling/Pünder (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, Band 2, § 51 Rn. 72; Karthaus, ZUR 2001, 61 (63). 711  Di Fabio, in: Eberbach/Lange/Ronellenfitsch (Hrsg.), GenTR/BioMedR, § 4 Rn.  16 f.; Vomhof, Rechtsprobleme der Einbindung von sachverständigen Gremien in das Umwelt- und Technikrecht, S. 129 f. 712  Die ZKBS teilt insoweit das Schicksal anderer im Umwelt- und Technikrecht tätiger Sachverständigengremien, vgl. Mesenburg, Erosion staatlicher Vollzugsbefug­ nisse im Gentechnikrecht, S. 17. 713  Siehe oben § 3 C. V. 714  Siehe insoweit § 25 Abs. 6 S. 3, Abs. 7 S. 5, Abs. 7a S. 6 AMG.



D. Tätigkeit im Zulassungsverfahren509

Entsprechendes Anschauungsmaterial bietet insoweit das luftfahrtinterne Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Wind­ energievorhaben. Dort hat das Bundesverwaltungsgericht der DFS im Hin­ blick auf deren Stellung als Eigentümerin und Betreiberin von Flugsiche­ rungseinrichtungen eine rechtsbehelfs- bzw. rechtsmittelfähige subjektive Rechtsposition zuerkannt, die sich im Wege eines Rechtsreflexes auch auf ihre Stellung als Verwaltungsgutachterin i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG auswirkt.715 Praktisch ist die DFS somit in der Lage, die Inhalte ihrer recht­ lich unverbindlichen Stellungnahmen gerichtlich geltend zu machen.716 Im Hinblick auf das BAF, welches im Prüfverfahren des § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG bei der Zulassung von Windenergievorhaben über originäre Sachent­ scheidungskompetenzen verfügt, hat das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls aus der gesetzlichen Aufgabenzuweisung des BAF und seiner materiellen Entscheidungsverantwortung zu Gunsten des Bundes als Rechtsträger eine rechtsbehelfs- und rechtsmittelfähige Rechtsposition hergeleitet.717 Wie die vorstehenden Beispiele zeigen, führen gesetzliche Aufgabenzu­ weisungen an sachverständige Stellen und etwaige ihnen in ihrer jeweiligen verfahrensrechtlichen Stellung zugestandenen Rechtspositionen stets auf die allgemeine Problematik der Zuordnung von formellen Entscheidungskom­ petenzen und Übertragung von materieller Entscheidungsverantwortung.718 Derartige Fragen sollten vom Gesetzgeber und nicht durch den Verwaltungs­ vollzug bzw. die Rechtsprechung geklärt werden. Insoweit wird vorliegend dafür plädiert, das (Nicht-)Bestehen subjektiver Rechte aus Aufgabenzuwei­ sungen im einschlägigen Fachrecht ausdrücklich gesetzlich zu regeln. cc) Publizität der Entscheidungsbeiträge externer sachverständiger Stellen Ein Teil des Schrifttums fordert, an die staatlichen Verwaltungsbehörden gerichtete bzw. von diesen zur Entscheidung herangezogene Gutachten spe­ ziell von externen sachverständigen Stellen generell der Öffentlichkeit zu­ gänglich zu machen, um Akzeptanz und Vertrauen in das Verwaltungshandeln zu gewährleisten.719 Entsprechende Forderungen werden im Kontext des hiesigen Untersuchungsgegenstands auch für umweltrechtliche Anlagenzu­ lassungs- und Vorhabenzulassungsverfahren erhoben,720 die zwar typischer­ weise vergleichsweise weitgehende Offenlegungspflichten für Gutachten 715  Dazu

oben § 3 D. IV. 2. a). oben § 3 D. IV. 2. b). 717  Dazu oben § 5 B. IV. 2. a). 718  Siehe insoweit oben D. II. 2. a) aa). 719  Voßkuhle, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HStR III, § 43 Rn. 78. 720  Siehe etwa Waechter; VVDStRL 72 (2013), 499 (503) (dort Fn. 8). 716  Siehe

510

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

vorsehen, ohne dass jedoch jedes der Zulassungsbehörde vorliegende Fach­ gutachten zwingend Gegenstand einer durchzuführenden Öffentlichkeitsbe­ teiligung sein müsste.721 Freilich ist die Problematik nicht auf Anlagen- bzw. Vorhabenzulassungen beschränkt. In Stoff- und Produktzulassungsverfahren wie dem Gentechnik- oder Arzneimittelrecht ist eine Offenlegung von Exper­ tisen externer sachverständiger Stellen generell nicht vorgesehen, wie die vorliegende Untersuchung der Stellungnahmen und Voten der ZKBS oder der Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG gezeigt hat.722 Generell wird man in Anlehnung an die obigen Ausführungen zur Einbindungspublizität723 unter Kontrollgesichtspunkten konsequenter­ weise auch auf der Verfahrensebene ein grundsätzliches Publizitätsbedürfnis bezüglich der von externen sachverständigen Stellen gelieferten Entschei­ dungsbeiträge bejahen können. Bestätigt wird diese Überlegung durch die Rechtslage in manchen europäischen Produktzulassungsverfahren, die mitun­ ter eine Offenlegung entscheidungsvorbereitender Gutachten von Unions­ agenturen vorsehen.724 Im Detail müssten Art und Umfang solcher Offenle­ gungspflichten jedoch sachgebietsspezifisch durch den Gesetzgeber geprüft und festgelegt werden. Dies betrifft etwa den Schutz etwaiger Geheimhal­ tungsinteressen von Antragstellern bzw. Vorhabenträgern (z. B. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse), die etwa bei der Zulassung von Arzneimitteln deut­ lich stärker ausgeprägt sein dürften als bei der Planfeststellung eines Straßen­ bauvorhabens.

E. Gerichtliche Überprüfung Auf der Ebene der gerichtlichen Überprüfung wurden jeweils die gegen die verschiedenen Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen eröffneten Kontrollzugangsmöglichkeiten sowie Aspekte der Kontrolldichte behandelt. Die Erkenntnisse zu beiden Prüfungspunkten sollen im Folgenden noch ein­ mal herausgearbeitet und systematisiert werden. In Anbetracht der Vielzahl der sich beim Kontrollzugang und der Kontrolldichte stellenden Fragen muss sich die nachfolgende Darstellung und Analyse auf diejenigen Aspekte be­ 721  Aus

der Rechtsprechung siehe etwa BVerwGE 139, 150 (152 f.). oben § 3 C. IV. 1. (für die ZKBS) u. § 4 C. IV. 1. (für den Gegensach­ verständigen). 723  Zur Offenlegung der Einbindung externer sachverständiger Stellen siehe oben B. II. 3. b). 724  Siehe z.  B. Art. 6 Abs. 7 Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.09.2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel für die Stellungnahmen der Europäischen Behörde für Lebensmittel­ sicherheit im Zulassungsverfahren für das Inverkehrbringen genetisch veränderter Lebensmittel. 722  Siehe



E. Gerichtliche Überprüfung511

schränken, die bei der Betrachtung der verschiedenen Referenzgebiete inhalt­ lich zur Sprache gekommen sind.

I. Kontrollzugang Auch für den auf der Ebene der gerichtlichen Überprüfung jeweils ange­ sprochenen Aspekt des Kontrollzugangs wird zunächst ein Überblick über den Normbestand und die Regelungsstrukturen aus den betrachteten Refe­ renzgebieten gewährt. Anschließend werden die erzielten Erkenntnisse analy­ siert. 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Für die Bestandsaufnahme zum gerichtlichen Kontrollzugang ist sachge­ rechterweise nicht vornehmlich zwischen den vorliegend gebildeten Untersu­ chungsgruppen der Verwaltungsberatung, Entscheidung und Belangwahrung, sondern danach zu unterscheiden, ob für etwaige Klagen gegen eine ergan­ gene Zulassungsentscheidung der Verwaltungsrechts- oder der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Aus dem Spektrum der betrachteten Referenzgebiete fällt die Überprüfung der Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen weit über­ wiegend in den Zuständigkeitsbereich der Verwaltungsgerichte. Lediglich die Überprüfung der Entscheidungen Benannter Stellen über die (Nicht-)Ausstel­ lung von Prüfbescheinigungen obliegt den Zivilgerichten. Im Fall der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs gelten für den gericht­ lichen Kontrollzugang die allgemeinen Regelungen. Nach § 42 Abs. 2 VwGO sind Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur zulässig, wenn der jeweilige Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dieser Maßstab gilt in na­ turwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zunächst für den Antragsteller, der Adressat der an ihn gerichteten behördlichen Zulas­ sungsentscheidung ist. Ebenso müssen auch Dritte, die eine behördliche Zu­ lassungsentscheidung gerichtlich angreifen wollen, eine mögliche Verletzung von solchen Vorschriften darlegen können, die nicht ausschließlich dem ­Interesse der Allgemeinheit, sondern auch dem Schutz ihrer subjektiv-öffent­ lichen Rechte zu dienen bestimmt sind. Innerhalb dieses skizzierten Rechts­ schutzrahmens ist zwischen außenwirksamen und lediglich verwaltungsintern wirkenden Entscheidungsbeiträgen sachverständiger Stellen zu unterschei­ den. Außenwirksame Entscheidungen wie die Planfeststellungsentscheidun­ gen der Bundesnetzagentur i. S. d. § 24 NABEG725 oder die Verwaltungsakte 725  Siehe

oben § 4 B. V.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

der Ethik-Kommissionen i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG726 sind selbst unmit­ telbarer Gegenstand der von Antragstellern oder Dritten erhobenen Anfech­ tungs- und Verpflichtungsklagen. Demgegenüber können lediglich verwal­ tungsintern wirkende Voten und Stellungnahmen wie die des Sachverständi­ gen i. S. d. § 20 S. 1 AtG,727 der ZKBS,728 der DFS i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG,729 des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG,730 des BAF i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG731 sowie der anerkannten Um­ weltverbände732 nur gemeinsam mit der im Außenverhältnis ergehenden Zulassungsentscheidung angefochten werden (§ 44a S. 1 VwGO). Vorausset­ zung hierfür ist stets, dass die jeweiligen Entscheidungsbeiträge in die außen­ wirksame Zulassungsentscheidung inhaltlich eingeflossen sind. Ungeachtet dieser verwaltungsprozessual sehr ähnlichen Regelungsstrukturen führt die an spezifische Betroffenheiten anknüpfende Bestimmung des § 42 Abs. 2 VwGO in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren namentlich bei Dritten als Nichtadressaten der behördlichen Zulassungsent­ scheidung zu einer sehr unterschiedlichen Eröffnung von gerichtlichen Kon­ trollzugangsmöglichkeiten. Gegen Zulassungsentscheidungen für Anlagen und Infrastrukturvorhaben, auf die vorliegend am Beispiel der Bundes­ netzagentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG einge­ gangen wurde,733 stehen insbesondere den durch das Vorhaben lokal betrof­ fenen Personen sowie anerkannten Umweltverbänden (siehe insoweit §§ 1, 2 ­UmwRG) gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten zu. Anders stellt sich die Situation in Stoff- und Produktzulassungsverfahren (z. B. im Gentechnik-734 oder Arzneimittelrecht735) dar. Diesbezügliche Zulassungsentscheidungen können sich – wenn auch nur mittelbar – nicht nur lokal, sondern potenziell auf sämtliche Bürger auswirken, die sich im räumlichen Geltungsbereich der jeweiligen Zulassung befinden und den zugelassenen Stoff verwenden bzw. mit einem zugelassenen Produkt in Berührung kommen. Gleichwohl können Stoff- und Produktzulassungsentscheidungen nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO regelmäßig allein vom Antragsteller angefochten werden, wohinge­ gen Dritte mangels hinreichender individueller Betroffenheit regelmäßig nicht befugt sind, Entscheidungen für Stoff- und Produktzulassungen einer 726  Siehe

oben § 5 D. V. oben § 3 B. V. 728  Siehe oben § 3 C. V. 729  Siehe oben § 3 D. V. 730  Siehe oben § 4 C. V. 731  Siehe oben § 5 B. V. 732  Siehe oben § 5 C. V. 733  Siehe insoweit wieder oben § 4 B. V. 734  Zum Kontrollzugang im Gentechnikrecht siehe oben § 3 C. V. 735  Zum Kontrollzugang im Arzneimittelrecht siehe oben § 4 C. V. 727  Siehe



E. Gerichtliche Überprüfung513

gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Ebenso wenig sieht das Gesetz bezüglich Stoff- und Produktzulassungsentscheidungen Verbandsklagemög­ lichkeiten vor. Welche Grundsätze für den gerichtlichen Kontrollzugang gegen Entschei­ dungen Benannter Stellen im Produktsicherheitsrecht (z. B. im Konformitäts­ bewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte) gelten, ist abgesehen von der nach herrschender Meinung angenommenen Zuständigkeit der Zivil­ gerichte weithin ungeklärt. Ohne dass entsprechende Klageverfahren in der forensischen Praxis eine Rolle spielen, können nach insoweit wohl einhel­ liger Auffassung jedenfalls die Hersteller als Antragsteller des jeweiligen Konformitätsbewertungsverfahrens die von Benannten Stellen versagten Aus­ stellungen von Prüfbescheinigungen gerichtlich überprüfen lassen. Rechts­ schutzmöglichkeiten Dritter (einschließlich von Verbänden) gegenüber Ent­ scheidungen Benannter Stellen sind im kodifizierten Recht gegenwärtig nicht vorgesehen und spielen auch – soweit ersichtlich – in der juristischen Dis­ kussion keine Rolle. Da regelmäßig nicht schon die Ausstellung einer Prüf­ bescheinigung oder deren Versagung durch eine Benannte Stelle, sondern erst das (Nicht-)Inverkehrbringen des betreffenden Produkts nachteilige Auswirkungen auf Rechtsgüter Dritter (Leben, Gesundheit) haben dürfte, verfügen letztere gegenüber Entscheidungen Benannter Stellen im Konformi­ tätsbewertungsverfahren wohl über keine originären Klagemöglichkeiten.736 2. Analyseraster Auch Normbestand und Regelungsstrukturen zum gerichtlichen Kontroll­ zugang sind in rechtlicher Hinsicht, unter Kohärenzgesichtspunkten sowie unter rechtspolitischen Aspekten zu analysieren. a) Rechtliche Betrachtung Ausgehend von den Befunden der vorliegend betrachteten Referenzgebiete ist für die Ebene des gerichtlichen Kontrollzugangs zunächst auf das allge­ meine Verhältnis zwischen dem Schutz von subjektiven Rechten (dazu aa)) und der Durchsetzung des objektiven Rechts (dazu bb)) einzugehen. An­ schließend soll die in verschiedenen Referenzgebieten angedeutete Proble­ matik des von den potenziell klageberechtigten Personen ausgehenden Kon­ trolldrucks auf hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren eingebundene sachverständige Stellen näher vertieft wer­ den (dazu cc)). Schließlich ist im Hinblick auf das Postulat demokratischer 736  Dazu

oben § 4 D. V.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Legitimation nach einem etwaigen Legitimationsbeitrag von gerichtlichen Kontrollzugangsstrukturen zu fragen (dazu dd)). aa) Grundsätzlicher Vorrang subjektiven Rechtsschutzes Die gerichtliche Überprüfung von naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsentscheidungen, die von hoheitlich eingebundenen sach­ verständigen Stellen getroffen, vorbereitet bzw. inhaltlich mitgeprägt werden, knüpft auf Ebene des Kontrollzugangs sowohl im Verwaltungsprozess als auch im Zivilprozess vorrangig an eine mögliche Verletzung von subjektiven Rechten an. (1) Im Verwaltungsprozess Ungeachtet der gerade im Umweltrecht festzustellenden Überformung des Verwaltungsrechtsschutzes durch Vorgaben des Völker- und Unionrechts folgt die zentrale Funktionsbestimmung der nationalen Verwaltungsgerichts­ barkeit nach wie vor durch das Grundgesetz.737 Dort statuiert Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG eine verfassungsrechtliche Struktur- und Systementscheidung für den Individualrechtsschutz,738 ohne dass hierdurch die Implementierung objektiver Rechtsschutzstrukturen ausgeschlossen wäre.739 In der Ausgestal­ tung der subjektiven Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als ­eigenständiges Grundrecht kommt der primär auf dem einzelnen Menschen und nicht auf institutionellen bzw. funktionellen Weiterungen liegende Fokus des Grundgesetzes zum Ausdruck.740 Diese Systementscheidung gebietet es unter anderem, die knappen Ressourcen der Verwaltungsgerichtsbarkeit zeit­ nah und effektiv zu Gunsten des Individualrechtsschutzes und erst nachran­ gig zur Durchsetzung des objektiven Rechts einzusetzen.741 Auf der Ebene des einfachen Rechts wird die Systementscheidung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zu Gunsten des Individualrechtsschutzes für den Ver­ waltungsprozess in der Bestimmung des § 42 Abs. 2 VwGO umgesetzt, der die Klagebefugnis von Betroffenen an die Möglichkeit deren Verletzung in

Überindividueller Rechtsschutz, S. 55. in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Band III, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8; Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, § 50 Rn. 5; Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band I, Art. 19 Abs. 4 Rn. 8. 739  Dazu unten E. I. 2. a) aa) (bb) (1). 740  Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, Art. 19 Rn. 342. 741  Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 48. 737  Schlacke,

738  Schmidt-Aßmann,



E. Gerichtliche Überprüfung515

subjektiven Rechten knüpft.742 Auch für die vorliegend betrachteten natur­ wissenschaftlich-technisch-komplexen Zulassungsentscheidungen, die von ho­heitlich eingebundenen sachverständigen Stellen getroffen bzw. vorbereitet werden und deren Überprüfung den Verwaltungsgerichten obliegt, wird der Kreis potenzieller Kläger zuvörderst743 nach Maßgabe von § 42 Abs. 2 VwGO bestimmt. (2) Im Zivilprozess Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG garantiert Rechtsschutz gegenüber Akten der „öf­ fentlichen Gewalt“. Zur öffentlichen Gewalt i. S. d. Vorschrift zählen aus dem Bereich der Exekutive alle Stellen der Regierung, der unmittelbaren sowie mittelbaren Staatsverwaltung ungeachtet ihrer Rechtsform.744 Nach diesem Maßstab sind Benannte Stellen, die in Konformitätsbewertungsverfahren für z. B. Hochrisiko-Medizinprodukte präventive Kontrollaufgaben wahrnehmen, nicht Teil der öffentlichen Gewalt, auf deren Maßnahmen sich die Rechts­ schutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG erstreckt. Insbesondere sind Be­ nannte Stellen keine Beliehenen,745 sondern lediglich vom Staat mit der Durchführung präventiver Marktzugangskontrollen betraute Private, die ihre Tätigkeit auf Grundlage eines zivilrechtlichen Schuldverhältnisses mit dem Hersteller des zur Prüfung gestellten Produkts erbringen.746 Dies bedeutet indes nicht, dass es im Verhältnis zwischen Benannten Stellen und Herstel­ lern keine Garantie subjektiven Rechtsschutzes gäbe. Für bürgerlich-recht­ liche Streitigkeiten leitet das Bundesverfassungsgericht den Anspruch des Bürgers auf effektiven Rechtsschutz nicht aus Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG, son­ dern aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip ab. Diese zivilprozessuale Rechtsschutzgarantie umfasst dabei nicht nur das Be­ stehen eines Rechtswegs zu den Zivilgerichten, sondern weitergehend auch die Effektivität des Rechtsschutzes, wobei die Modalitäten der Rechtsschutz­ gewährung im Zivilprozess einer normativen Ausgestaltung durch den Ge­ setzgeber bedürfen.747 Konzeptionell gilt der Vorrang subjektiven Rechts­ schutzes mithin auch im Zivilprozess.

742  Schoch, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, § 50 Rn. 5. 743  Siehe aber unten E. I. 2. a) aa) (bb) (1). 744  Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, Art. 19 Rn. 421 u. 429. 745  Zur Erfassung Beliehener durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG siehe etwa Huber, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Band 1, Art. 19 Rn. 429. 746  Zum Rechtsstatus Benannter Stellen siehe oben § 4 D. II. 747  BVerfGE 88, 118 (123); 91, 176 (180 f.); 93, 99 (107); BVerfG, NJW 2007, 3118 (3119).

516

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

bb) Implementierung objektiver Rechtsschutzstrukturen Ungeachtet des prinzipiellen Vorrangs des Schutzes subjektiver Rechte kennen sowohl der Verwaltungs- als auch der Zivilprozess Rechtsbehelfs­ möglichkeiten, die auf die Durchsetzung des objektiven Rechts gerichtet sind. (1) Im Verwaltungsprozess Das Konzept der Verwaltungskontrolle durch Individualrechtsschutz ist von der Existenz subjektiver Rechte abhängig, die dem Einzelnen einen Zugang zu den Verwaltungsgerichten ermöglichen.748 Ohne die Verleihung subjektivier­ ter Rechtspositionen fehlt es an individuellen Klageberechtigungen, die in ­einem subjektiven Rechtsschutzsystem die notwendige Voraussetzung für die Überprüfung von Verwaltungsentscheidungen bilden.749 Dadurch kann es sachbereichsspezifisch zu Kontroll- und Rechtsdurchsetzungsdefiziten kom­ men, die sich typischerweise beim Schutz von Allgemeinrechtsgütern (z. B. Umwelt und Natur) sowie bei Verwaltungsentscheidungen manifestieren, die potenziell jeden Bürger betreffen können und die keine spezifischen Betrof­ fenheiten auslösen (z. B. Stoff- und Produktzulassungen). Indes schließt die Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG getroffene Grundsatzentscheidung des Verfassungsge­ bers für den Individualrechtsschutz nicht per se aus, der Verwaltungsgerichts­ barkeit auch andere Funktionen zuzuweisen.750 Dementsprechend sieht die nationale Rechtsordnung diverse Klageverfahren vor, die auf eine Überprü­ fung der objektiven Rechtmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen abzie­ len. Im Kontext der vorliegenden Untersuchung wurde insoweit auf das Um­ weltverbandsklagerecht eingegangen, das für viele Zulassungsentscheidungen für Anlagen und Infrastruktur gesetzlich vorgesehen ist.751 (2) Im Zivilprozess Auch das Zivilrecht kennt verschiedene Rechtsbehelfsmöglichkeiten, die auf die Durchsetzung des objektiven Rechts abzielen. Das größte Feld dürf­ ten insoweit das Verbraucherschutzrecht darstellen.752 In jüngerer Zeit wird Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 214. in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle (Hrsg.), Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band III, § 50 Rn. 6. 750  Ganz h. M., siehe statt vieler Krebs, FS Menger, S. 191 (197); J.  Nolte, Die Eigenart des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, S. 50. 751  Zum Anwendungsbereich der Umweltverbandsklage siehe § 1 UmwRG. 752  Siehe etwa § 2 UKlaG. 748  Schmidt-Aßmann, 749  Schoch,



E. Gerichtliche Überprüfung517

auf europäischer Ebene die Etablierung von Verbandsklagemöglichkeiten zum Schutz der Kollektivinteressen von Verbrauchern diskutiert. Das ent­ sprechende Rechtssetzungsverfahren war im Zeitpunkt des Abschlusses der vorliegenden Untersuchung noch nicht abgeschlossen. In den Richtlinienent­ würfen und Regelungsvorschlägen, die in der vorliegenden Abhandlung noch berücksichtigt werden konnten, spielte das hier als Referenzgebiet für die präventive Kontrolltätigkeit Benannter Stellen betrachtete Konformitätsbe­ wertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte keine Rolle.753 cc) Kontrolldruck und Präventionsfunktion des Zugangs zu Gericht Im Zuge der Untersuchung der Grundsätze, die für die gerichtliche Über­ prüfung der Beurteilungen des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG754 und der Entscheidungen Benannter Stellen über die (Nicht-) Ausstellung von Prüfbescheinigungen755 gelten, wurde bereits kurz auf die Präventionsfunktion von Gerichten eingegangen. Danach veranlasst bereits die bloße Existenz einer funktionierenden und unabhängigen Gerichtsbarkeit den Normadressaten zu einem an Recht und Gesetz orientierten Verhalten, ohne dass es tatsächlich zu einer Befassung der Gerichte mit einer Streit­ sache kommt. Im Schrifttum wird diese disziplinierende Wirkung insbeson­ dere für die Verwaltungsgerichtsbarkeit betont.756 Sie lässt sich jedoch verall­ gemeinern und ist im Kontext der vorliegenden Untersuchung prinzipiell auch für die Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfah­ ren für Hochrisiko-Medizinprodukte anzuerkennen, gegen deren Entschei­ dungen der Rechtsweg zu den Zivilgerichten eröffnet ist. Damit Verwaltungs- und Zivilgerichtsbarkeit ihre Präventionsfunktion ent­ falten können, muss der jeweilige Normadressat auf der Ebene des Zugangs zu den Gerichten einem hinreichenden Kontrolldruck unterliegen. Dies erfor­ dert in einem primär auf den Schutz von Individualrechten ausgelegten Rechtsschutzsystem das kumulative Vorliegen von zwei Voraussetzungen: 753  Vorschlag der EU-Kommission vom 11.04.2018 für eine Richtlinie des Europä­ ischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektiv­ interessen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (COM(2018) 184 final); Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26.03.2019 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG (COM(2018)0184 – C8-0149/2018 – 2018/ 0089(COD)). 754  Siehe oben § 4 C. V. 755  Siehe oben § 4 D. V. Zur „Vorwirkung“ der Stellungnahmen anerkannter Um­ weltverbände siehe ferner oben § 5 C. IV. 2. b). 756  Siehe etwa Ramsauer, NordÖR 2019, 157 (166).

518

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Erstens muss eine hinreichende Anzahl an Personen existieren, denen subjek­ tive Rechte zugewiesen sind. Zweitens müssen diese abstrakt klagebefugten Personen über eine ausreichende Informations- und Tatsachengrundlage ver­ fügen, kraft welcher sie in die Lage versetzt werden, ihre subjektiven Rechte in einem Verwaltungs- bzw. Zivilprozess auch effektiv wahrnehmen und verteidigen zu können. Wie die Bestandsaufnahme gezeigt hat, liegen diese beiden Voraussetzungen für das Bestehen bzw. den Aufbau eines gericht­ lichen Kontrolldrucks in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren ungeachtet der Eröffnung des Verwaltungs- oder Zivilrechts­ wegs vor allem in Person der jeweiligen Antragsteller vor.757 Letztere sind je nach Gegenstand des betreffenden Zulassungsverfahrens aufgrund ihrer Berufs- (Art. 12 GG),758 Eigentums- (Art. 14 GG)759 oder Wissenschafts­ freiheit (Art. 5 Abs. 3 GG)760 befugt, die vollständige oder teilweise Versa­ gung von ihnen begehrter Zulassungen vor den Verwaltungs- bzw. Zivilge­ richten anzugreifen. Da die Antragsteller die von ihnen zur Zulassung ge­ stellten Anlagen, Produkte oder Forschungsvorhaben eigens761 konzipiert und im Zulassungsverfahren gegebenenfalls fortentwickelt haben, können sie ihr Klageinitiativrecht kraft ihrer Informations- und Wissensgrundlage auch effektiv wahrnehmen. Regelmäßig kennt niemand die naturwissenschaft­ lichen, technischen oder medizinischen Modalitäten des Gegenstands des ­jeweiligen Zulassungsverfahrens so gut wie der Antragsteller. Folglich üben im primär auf den Schutz von Individualrechtsgütern ausgelegten Rechts­ schutzsystem des nationalen Rechts die Antragsteller den größtmöglichen Kontrolldruck auf die Tätigkeit von hoheitlich in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren eingebundenen sachverständigen Stellen aus. Einen zwar nicht identischen, jedoch vergleichbaren Kontrolldruck üben Dritte in Anlagen- und Vorhabenzulassungsverfahren des Umweltrechts aus.762 Wie das insoweit exemplarische Beispiel des Planfeststellungsver­ fahrens nach den §§ 18 ff. NABEG zeigt, hat die verfahrensfederführende Bundesnetzagentur im nach § 22 NABEG obligatorisch durchzuführenden Anhörungsverfahren neben den Fachbehörden und Trägern öffentlicher Be­ 757  Dazu

oben E. I. 1. das Grundrecht der Berufsfreiheit können sich vorliegend sämtliche An­ tragsteller der betrachteten naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren berufen. 759  Die Eigentumsfreiheit kann je nach Sachlage des Einzelfalls vor allem bei der Errichtung und Inbetriebnahme von Anlagen und Infrastruktur einschlägig sein. 760  Bei Forschungsvorhaben. 761  Dies schließt die Inanspruchnahme der Unterstützung privater Sachverständi­ ger selbstredend ein. 762  Siehe oben E. I. 1. 758  Auf



E. Gerichtliche Überprüfung519

lange auch die anerkannten Umwelt- und Naturschutzverbände sowie die Öffentlichkeit über das zur Planfeststellung gestellte NABEG-Vorhaben zu unterrichten und allen genannten Stellen Gelegenheit zur Abgabe von Äuße­ rungen bzw. Einwendungen zu gewähren.763 Auf der sich anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzebene stehen Behörden, Gemeinden, Bürgern und Verbänden sodann jeweils Klagemöglichkeiten gegen die Planfeststellungs­ entscheidungen der Bundesnetzagentur zu.764 In umweltrechtlichen Anla­ gen- und Vorhabenzulassungsverfahren unterliegen außenentscheidungsbe­ fugte sachverständige Stellen wie die Bundesnetzagentur im Planfeststel­ lungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG somit auch einem gerichtlichen Kontrolldruck durch Dritte. Entsprechendes gilt für sachverständige Stellen, deren lediglich verwaltungsintern wirkenden Entscheidungsbeiträge in die außenwirksame Zulassungsentscheidung einfließen. Als diesbezügliches Bei­ spiel sind etwa die Gutachten des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG im Atomrecht zu nennen.765 Demgegenüber üben Dritte auf die Tätigkeit von sachverständigen Stellen, die hoheitlich in Zulassungsverfahren des Stoff- und Produktrechts eingebun­ den werden, (nahezu) keinerlei gerichtlichen Kontrolldruck aus. Wie anhand der Beispiele der ZKBS im Gentechnikrecht766, des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG bei der Zulassung von Arzneimitteln767 oder der Benannten Stellen beim Inverkehrbringen von Hochrisiko-Medizinpro­ dukten768 exemplarisch dargelegt, werden Dritte in nationalen769 Stoff- und Produktzulassungsverfahren auf der Verfahrensebene weder partizipatorisch noch informatisch beteiligt.770 Ebenso wenig werden Dritten in den genann­ ten Rechtsgebieten subjektive Rechte zugestanden, kraft derer sie im Außen­ verhältnis ergehende Zulassungsentscheidungen gerichtlich angreifen könn­ ten.771 Beide Befunde gelten gleichermaßen für (Umwelt-)Verbände, deren Beteiligungs- und Klagerechte im Kontext des vorliegenden Untersuchungs­ 763  Dazu § 4 B. IV. 1. Zur Berücksichtigung bzw. Verarbeitung der Äußerungen und Einwendungen siehe oben § 4 B. IV. 2. 764  § 4 B. V. 765  Zum gerichtlichen Kontrollzugang im Atomrecht siehe oben § 3 B. V. 766  § 3 C. IV. 1. 767  § 4 C. IV. 1. 768  § 4 D. IV. 1. 769  Dies schließt vorliegend die Benannten Stellen im unionsrechtlich überform­ ten Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte ein. 770  Zum Befund auf der Verfahrensebene siehe zusammenfassend oben D. I. 2. a) cc) (1). 771  Für die ZKBS (bei Freisetzungen und Inverkehrbringen von GVO) siehe oben § 3 C. V. Für den Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG siehe oben § 4 C. V. Für die Benannten Stellen siehe oben § 4 D. V.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

gegenstands nach gegenwärtiger Rechtslage auf Anlagen- und Vorhaben­ zulassungen begrenzt sind.772 Dementsprechend unterliegt die Tätigkeit der ZKBS773, des Gegensachverständigen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG sowie der Benannten Stellen potenziell ausschließlich einem gerichtlichen Kontroll­ druck der jeweiligen Antragsteller, wobei entsprechende Klageverfahren in der forensischen Praxis lediglich eine geringe774 bis keine775 Rolle spielen. Ohne dass die Gründe hierfür vorliegend näher vertieft werden können, üben Antragsteller in Stoff- und Produktzulassungsverfahren kraft der ihnen einge­ räumten Klageinitiativrechte einen einseitigen Kontrolldruck auf die hoheit­ lich eingebundenen sachverständigen Stellen aus, der sich abstrakt auch auf die Anwendung, Konkretisierung und Fortentwicklung des materiellen Rechts auswirken kann.776 Dass die Konzentration von gerichtlichen Klagemöglich­ keiten bei den Antragstellern infolge von strukturell einseitigen Verrecht­ lichungs- und Interpretationsbedingungen auf die Ebene des Zulassungsver­ fahrens zurückwirkt und dort zu einer Absenkung materieller Schutzstandards führt, ohne dass etwa die Gerichte dieser Entwicklung entgegentreten könn­ ten, soll hier nicht behauptet werden.777 Insbesondere das Arzneimittelrecht sieht ein ausgefeiltes System der Nachmarktkontrolle vor, das hier nur er­ wähnt und nicht näher behandelt werden soll.778 Von vornherein abwegig erscheint die Möglichkeit der Absenkung von materiellen Schutzstandards, die im kodifizierten Recht häufig nicht exakt vorprogrammiert sind, jedoch nicht. Ihre Eintrittswahrscheinlichkeit dürfte vor allem vom Ausmaß der rechtlich noch als zulässig erachteten Beziehungen zwischen Antragstellern und sachverständigen Stellen779 sowie von den letzteren eingeräumten Ein­ flussmöglichkeiten780 auf die im Außenverhältnis ergehenden Zulassungsent­ scheidungen abhängen.

772  Siehe aus der Rechtsprechung etwa VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 – 6 K 12341/17–, juris, Rn. 80 ff. 773  Bei gentechnischen Anlagengenehmigungen, an deren Zulassung die ZKBS mitwirkt, gelten hingegen wiederum die obigen Ausführungen zum Anlagen- und Vorhabenzulassungsverfahren. 774  Siehe für die ZKBS oben § 3 C. V. Für den Gegensachverständigen siehe oben § 4 C. V. 775  Für die Benannten Stellen siehe oben § 4 D. V. 776  Für das Arzneimittelrecht siehe Hart/Hilken/Merkel/Woggan, Das Recht des Arzneimittelmarktes, S. 41. 777  Diese Möglichkeit sieht Hart, KJ 1989, 231 (238) für das nationale Arznei­ mittelzulassungsverfahren. 778  Siehe insoweit die §§ 62 ff. AMG. 779  Zur Unabhängigkeit sachverständiger Stellen siehe insgesamt die Ausführun­ gen oben C. II. 780  Dazu insgesamt oben D. II. 2. a) aa).



E. Gerichtliche Überprüfung521

In verfassungsrechtlicher Hinsicht bestehen für die Eröffnung von gericht­ lichen Kontrollzugangsmöglichkeiten und die Entscheidung darüber, welcher Personenkreis in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren kraft eingeräumter subjektiver Rechte und Informationsmöglichkeiten auf sachverständige Stellen einen Kontrollausdruck ausüben können soll, abseits der in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG getroffenen Systementscheidung für den Individualrechtsschutz keine exakten Anforderungen. Insbesondere for­ dern weder die Schutzpflichten des Staates für die Grundrechte noch sonstige Verfassungsgüter (z. B. Art. 20a GG) zwingend die Implementierung über­ individueller Klagerechte von Individualpersonen bzw. die Ausweitung von Verbandsklagen.781 Objektive Schutzaufträge der Verfassung verlangen vom Gesetzgeber vorbehaltlich anderweitiger Vorgaben des Völker- oder Unions­ rechts nicht zwingend eine Klagbarmachung des Rechts.782 dd) Legitimationsbeitrag des Kontrollzugangs in den betrachteten Referenzgebieten Die Eröffnung gerichtlicher Kontrollzugangsmöglichkeiten zu Gunsten von Bürgern oder Verbänden vermag für sich genommen keinen Beitrag zur demokratischen Legitimation der von sachverständigen Stellen in naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren getroffenen bzw. von ihnen mitgeprägten Entscheidungen zu leisten. Sowohl individuelle als auch überindividuelle Klagerechte können zwar dem Gemeinwohl dienen und lassen sich als solche auf das vom unmittelbar demokratisch legitimier­ ten Gesetzgeber geschaffene Recht rückführen. Im Fall der Geltendmachung von subjektiven Rechten auf dem Rechtsweg sind ihre Träger jedoch nicht dem Gemeinwohl verpflichtet. Bis zur auf Ebene des einfachen Rechts zu definierenden Grenze der Rechtsmissbräuchlichkeit783 ist es Klägern unbe­ nommen, von der Rechtsordnung erteilte Klagerechte in Anspruch zu neh­ men oder hierauf willkürlich zu verzichten. Das gilt selbst dann, wenn aner­ kannte Umweltverbände Allgemeinwohlziele satzungsmäßig als eigene Ziele verfolgen.784 Dementsprechend ist eine Rückkoppelung tatsächlich in An­ spruch genommener Klageinitiativrechte, durch die Entscheidungen bzw. Entscheidungsbeiträge von sachverständigen Stellen gerichtlich überprüft werden, an den Willen des Staatsvolks (Art. 20 Abs. 2 GG) nicht möglich. 781  Umgekehrt ist ihre Implementierung grundsätzlich zulässig, siehe oben E. I. 2. a) bb). 782  Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 42. 783  Siehe für anerkannte Umweltverbände § 5 UmwRG. 784  In diesem Sinne VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 – 6 K 12341/17 –, juris, Rn.  247 f.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

b) Kohärenz Unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz könnte zunächst die Ausgestaltung der Kontrollzugangsmöglichkeiten in den betrachteten Referenzgebieten im Hinblick auf die durch § 42 Abs. 2 VwGO angeordnete Beschränkung von Klagemöglichkeiten auf den Schutz subjektiver Rechte Fragen aufwerfen. Als Anknüpfungspunkte dienen insoweit die Vergleichsgruppen der Anlagen­ zulassungen auf der einen und der Stoff- bzw. Produktzulassungen auf der anderen Seite. Bei der Zulassung von ortsfesten Anlagen, die sich auf ver­ gleichsweise wenige Personen unmittelbar oder mittelbar auswirken, gewährt das nationale Recht den Betroffenen neben Beteiligungsrechten785 auch ori­ ginäre Klagerechte. Demgegenüber sieht die Rechtsordnung eine vergleich­ bare Zuordnung von Beteiligungs- und Klagerechten bei der Zulassung von Stoffen oder Produkten, deren Auswirkungen prinzipiell jedermann treffen können, nicht vor. Dies wird mitunter als „unlogisch“ angesehen.786 Tatsäch­ lich sind die aufgezeigten Unterschiede beim gerichtlichen Kontrollzugang bezüglich Anlagenzulassungsentscheidungen und Stoff-/Produktzulassungs­ entscheidungen lediglich eine Konsequenz der in Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG ge­ troffenen und in § 42 Abs. 2 VwGO nachvollzogenen, freilich nicht abschlie­ ßenden Systementscheidung für den Individualrechtsschutz. Innerhalb dieses Rechtsschutzgefüges spielt die Breitenwirkung einer (Zulassungs-)Entschei­ dung787 keine Rolle. Unter dem Aspekt der Systemgerechtigkeit und Wider­ spruchsfreiheit der Rechtsordnung ist gegen die dargelegten praktischen Auswirkungen des subjektiven Rechtsschutzkonzepts nichts zu erinnern. Weitergehend lässt sich auch im Hinblick auf die allein für Anlagen- bzw. Vorhabenzulassungen, nicht aber für Entscheidungen im Stoff- und Pro­ duktrecht implementierte Verbandsklage nicht der Vorwurf eines inkohären­ ten Regelungssystems erheben. Die Umweltverbandsklage gilt nicht für sämtliche, sondern lediglich für die in § 1 UmwRG gesetzlich im Einzelnen aufgeführten Anlagen- und Zulassungsentscheidungen. Ihr sachlicher An­ wendungsbereich wird zudem in wesentlichen Teilen durch zwingende Vorgaben des Unionsrechts vorprogrammiert,788 die sich weitgehend auf ­ An­ ­ lagen- und Vorhabenzulassungen beschränken und für das Stoff- und 785  Dazu

bereits oben D. I. 2. b) cc). von Sachverständigen für Umweltfragen, Umweltgutachten 2002, S. 111 (abgedruckt in BT-Drs. 14/8792). 787  Dieser Aspekt lässt sich auf andere Bereiche verallgemeinern. 788  Etwa durch die „Verordnung (EG) Nr. 1367/2006 des Europäischen Parla­ ments und des Rates vom 06.09.2006 über die Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens von Århus über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeits­ beteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltange­ legenheiten auf Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft“. 786  Rat



E. Gerichtliche Überprüfung523

­ roduktrecht keine Geltung beanspruchen.789 Insofern erweisen sich die im P nationalen Recht in unterschiedlichem Umfang implementierten Verbands­ klagemöglichkeiten nicht als inkohärent. c) Rechtspolitischer Ausblick In der gegenwärtigen rechtspolitischen Diskussion findet die allgemeine Problematik des gerichtlichen Kontrollzugangs im Zusammenhang mit den vorliegend interessierenden naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren vor allem im Umweltrecht Beachtung.790 Die hiermit ver­ bundenen Fragestellungen reichen weit über den vorliegenden Untersu­ chungsgegenstand hinaus und sollen daher hinsichtlich ihrer Beantwortung anderen Abhandlungen vorbehalten bleiben. Demgegenüber kommt der vor­ liegend näher erörterten Präventionsfunktion des gerichtlichen Kontrollzu­ gangs im rechtspolitischen Diskurs bislang eine allenfalls untergeordnete Bedeutung zu.791 Insoweit ist im Rahmen der obigen Ausführungen deutlich geworden, dass die Eröffnung gerichtlicher Zugangsmöglichkeiten grund­ sätzlich ein zusätzliches Instrument sein kann, um sachverständige Stellen bei ihrer hoheitlich veranlassten Tätigkeit in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren zu disziplinieren. Ob derartige Ausweitun­ gen des gerichtlichen Kontrollzugangs sinnvoll sind, kann nur sachgebiets­ spezifisch beantwortet werden. In rechtspolitischer Hinsicht könnte die Im­ plementierung zusätzlicher Klagerechte von Bürgern oder Verbänden vor al­ lem in Stoff- oder Produktzulassungsverfahren in Betracht kommen, in denen Vollzugsdefizite bei der Umsetzung des kodifizierten Rechts festzustellen sind. Ein Anwendungsbeispiel aus dem Kontext der vorliegenden Untersu­ chung könnte insoweit die Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbe­ wertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte darstellen,792 für die zu­ künftig allerdings die neuen, im Detail strengeren Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 2017/745 gelten. Generell setzt jede auf die Aktivierung der Prä­ ventionsfunktion von Gerichtsbarkeiten zielende Ausweitung von Klagemög­ lichkeiten in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren eine hinreichende Informations- und Tatsachengrundlage der (potenziel­ len) Kläger voraus. Dementsprechend muss jede erwogene Erweiterung des gerichtlichen Kontrollzugangs stets auch die Implementierung neuer Mög­ 789  Dazu ausführlich und unter Berücksichtigung weiterer Vorgaben des Völker­ rechts VG Düsseldorf, Urteil vom 24.01.2018 – 6 K 12341/17 –, juris, Rn. 153 ff. 790  Siehe aus dem Schrifttum etwa Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Ju­ ristentag, D 41 ff. 791  Zum diesbezüglichen Befund für die Verwaltungsgerichtsbarkeit siehe Ramsauer, NordÖR 2019, 157 (166). 792  Dazu insgesamt oben § 4 D.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

lichkeiten von Dritt- und Öffentlichkeitsbeteiligung auf der Ebene des Zulas­ sungsverfahrens in den Blick nehmen.793

II. Kontrolldichte Als weiterer Gesichtspunkt wurde auf der Ebene der gerichtlichen Über­ prüfung in den jeweiligen Referenzgebieten auf Fragen der Kontrolldichte eingegangen. Im Folgenden werden Normbestand und Regelungsstrukturen aus den drei betrachteten Untersuchungsgruppen zunächst überblicksartig dargestellt und im Anschluss hieran analysiert. 1. Überblick: Normbestand und Regelungsstrukturen Ähnlich wie schon bei der Bestandsaufnahme für den Kontrollzugang ist auch für die Kontrolldichte nicht zwischen den jeweiligen Untersuchungs­ gruppen, sondern vielmehr danach zu differenzieren, inwieweit sich in be­ stimmten Referenzgebieten bereits gefestigte bzw. anerkannte Grundsätze für die gerichtliche Überprüfung herausgebildet haben. Eine (partielle)794 Reduzierung der gerichtlichen Kontrolldichte hat die Untersuchung insbesondere für die vom Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG,795 der ZKBS,796 der Bundesnetzagentur,797 sowie der DFS798 und des BAF799 inhaltlich vor- und mitgeprägten Zulassungsentscheidungen erge­ ben.800 Insoweit sind die einschlägigen Prüfprogramme des jeweiligen mate­ riellen Rechts regelmäßig von unbestimmten Rechtsbegriffen geprägt, die 793  Siehe

insoweit oben D. I. 2. c) bb). der Zuschnitt der Untersuchung zeigt, wurden vorliegend stets nur ein­ zelne Aspekte aus den im jeweiligen Zulassungsverfahren zu absolvierenden und von den Gerichten auf ihre Einhaltung zu kontrollierenden Prüfprogrammen betrachtet. 795  § 3 B. V. 796  § 3 C. V. 797  § 4 B. V. Für die Tätigkeit der Bundesnetzagentur ist noch einmal darauf hin­ zuweisen, dass bislang noch kein Planfeststellungsverfahren i. S. d. §§  18 ff. NABEG durch Planfeststellungsbeschluss abgeschlossen wurde und die obigen Ausführungen allgemeine Grundsätze zur gerichtlichen Überprüfung von Planfeststellungsentschei­ dungen wiedergeben. 798  § 3 D. V. 799  § 5 B. V. 800  Konzeptionell ähnliche, sich in der Rechtspraxis indes nicht widerspiegelnde Grundsätze gelten für die Mitwirkung anerkannter Umweltverbände, die vorliegend am Beispiel von Planfeststellungsentscheidungen für Bundesfernstraßen betrachtet wurden. Siehe insoweit oben § 5 C. V. 794  Wie



E. Gerichtliche Überprüfung525

von den genannten sachverständigen Stellen in naturwissenschaftlich-techni­ scher Hinsicht inhaltlich ausgefüllt werden müssen.801 Im vorliegend am Beispiel des Gegensachverständigen i. S. d. §  25 Abs.  5 S. 5 AMG behandelten Arzneimittelrecht spielen verwaltungsgerichtliche Klageverfahren gegen Zulassungsentscheidungen eine eher untergeordnete Rolle. Jedenfalls für den unbestimmten Rechtsbegriff des „jeweils gesicher­ ten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse“ (§ 25 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 u. 4, S. 3 AMG) lehnt die Rechtsprechung die Zuerkennung eines behörd­ lichen Beurteilungsspielraums ab und geht von einer vollständigen Über­ prüfung seiner Auslegung und Interpretation im Einzelfall aus. Dieser Maß­ stab gilt auch für die die außenwirksamen Zulassungsentscheidungen des BfArM verwaltungsintern bindenden Beurteilungen des Gegensachverständi­ gen i. S. d. § 25 Abs. 5 S. 5 AMG.802 Aufgrund ihrer (bislang) fehlenden praktischen Relevanz ist weitgehend ungeklärt, welche Grundsätze für die gerichtliche Kontrollintensität der von Benannten Stellen ausgestellten bzw. versagten Prüfbescheinigungen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medizinprodukte gelten. Gleiches gilt für die Bewertungen der in die Zulassung von arzneimittel­ rechtlichen Forschungsvorhaben i. S. d. § 40 Abs. 1 S. 2 AMG eingebundenen Ethik-Kommissionen. Fragen der Kontrolldichte konnten daher für beide Referenzgebiete vorliegend nicht vertieft werden. Eine rechtsdogmatisch ebenfalls bei der gerichtlichen Kontrolldichte zu verortende Problematik, auf die vorliegend im Rahmen der Untersuchung der Tätigkeit des Sachverständigen i. S. d. § 20 S. 1 AtG803 und der Bundesnetz­ agentur im Planfeststellungsverfahren nach den §§ 18 ff. NABEG804 einge­ gangen wurde, betrifft die durchaus verbreitete Praxis der Verwaltungs­ gerichte, bereits auf der Ebene des Zulassungsverfahrens vor allem verwal­ tungsseitig mitwirkende sachverständige Stellen auch im nachgelagerten Verwaltungsprozess zu konsultieren, ohne für ihre Überzeugungsbildung auf die Einschätzungen „eigener“, von den im Verwaltungsverfahren bereits tätig gewordenen sachverständigen Stellen personenverschiedene Gerichtsgutach­ ter zurückzugreifen. Auf diese Thematik soll im Folgenden noch einmal im Gesamtkontext der Untersuchung näher eingegangen werden.

801  Beispiele sind der „Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vor­ sorge“ i. S. d. § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG oder die „Störung“ von Flugsicherungseinrichtun­ gen i. S. d. § 18a Abs. 1 S. 2 LuftVG. 802  Dazu oben § 4 C. V. 803  § 3 B. V. 804  § 4 B. V.

526

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

2. Analyseraster Ebenso wie die Befunde zum Kontrollzugang sind auch die Ergebnisse der Untersuchung zur Kontrolldichte rechtlich, auf ihre Kohärenz sowie in rechtspolitischer Hinsicht zu analysieren. a) Rechtliche Betrachtung Im nationalen Recht unterliegen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren ergehende Entscheidungen grundsätzlich einer vollständigen gerichtlichen Überprüfung (dazu aa)). Dieses Postulat wird in der Regel durch Sachverständigenbeweis eingelöst (dazu bb)). Im Kontext der Untersuchung ist zudem auf den im Schrifttum mitunter vertretenen An­ satz der gerichtlichen Kompensation fehlender bzw. nur eingeschränkt ge­ währleisteter Unabhängigkeit sachverständiger Stellen einzugehen (dazu cc)). Schließlich ist wiederum nach dem Legitimationsbeitrag gerichtlicher Kontrolldichte zu fragen (dazu dd)). aa) Grundsatz der vollständigen gerichtlichen Überprüfung Der Grundsatz der vollständigen gerichtlichen Überprüfung von naturwis­ senschaftlich-technisch komplexen Zulassungsentscheidungen gilt sowohl im Verwaltungs- (1) wie auch im Zivilprozess (2). (1) Im Verwaltungsprozess Neben der Garantie des Zugangs zu den Gerichten vermittelt Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG dem Einzelnen einen Anspruch auf einen wirksamen Rechtsschutz. Dieser Anspruch beinhaltet die grundsätzliche Pflicht der Gerichte, Verwal­ tungsakte in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen. Dies schließt wiederum eine Bindung der Rechtsprechung an die von Ver­ waltungsbehörden in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht getroffenen ­Feststellungen und Wertungen im Grundsatz aus.805 Diese verfassungsrechtliche Garantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gilt auch für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung naturwissenschaftlich-technisch komplexer Zulassungsentscheidungen. Nach der Rechtsprechung des Bun­ desverfassungsgerichts sind die Verwaltungsgerichte grundsätzlich auch dann zu einer vollständigen Überprüfung der Rechtmäßigkeit angefochtener Ver­ waltungsentscheidungen verpflichtet, wenn die der Entscheidung zugrunde 805  BVerfGE

15, 275 (282); 61, 82 (110 f.); 84, 34 (49); 129, 1 (20).



E. Gerichtliche Überprüfung527

liegende gesetzliche Regelung außerrechtliche fachliche Beurteilungen erfor­ dert. Fehlt es im Fachrecht bzw. im untergesetzlichen Regelwerk an norma­ tiven Konkretisierungen für die fachliche Ausfüllung von Tatbestandsmerk­ malen, die an außerrechtliche Kategorien anknüpfen, sind sowohl die Ver­ waltungsbehörden als auch nachgelagert die Verwaltungsgerichte dazu ange­ halten, unmittelbar auf die jeweiligen Erkenntnisse aus der einschlägigen Fachwissenschaft bzw. -praxis zurückzugreifen.806 Indes erkennt das Bundes­ verfassungsgericht grundsätzlich an, dass die Kontrolle des behördlichen Entscheidungsergebnisses mangels besserer Erkenntnismöglichkeiten der Gerichte an objektive Grenzen stoßen kann, wenn und soweit es in den ein­ schlägigen Fachkreisen bzw. -wissenschaften an allgemein anerkannten Maß­ stäben und Methoden für eine fachliche Beurteilung fehlt und sich behörd­ liche Antworten auf außerrechtliche Fragestellungen mangels objektiver Kriterien infolgedessen nicht als richtig bzw. falsch aufklären lassen.807 Eine gerichtliche Aufklärung fachwissenschaftlicher Erkenntnislücken, etwa durch Beweiserhebung oder gar Erteilung von Forschungsaufträgen, werde durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG nicht gefordert. Ebenso wenig verlange die verfas­ sungsrechtliche Rechtsschutzgarantie von den Verwaltungsgerichten, eine über die im Rahmen bestehender Erkenntnismöglichkeiten allein denkbare Vertretbarkeitsüberprüfung der behördlichen Annahmen hinausgehende, von der behördlichen Entscheidung unabhängige, eigenständige Einschätzung vorzunehmen. Es sei vielmehr statthaft, wenn das im Einzelfall zuständige Gericht die Einschätzung der Behörde auf Plausibilität prüfe und die inso­ weit auch aus seiner Sicht vertretbaren behördlichen Annahmen seiner eige­ nen Entscheidung zugrunde lege.808 Insoweit gebiete auch der Schutz der (Grund-)Rechte der durch die behördliche Entscheidung negativ betroffenen Personen keine vollständige gerichtliche Überprüfung. Denn in Fallkonstella­ tionen, in denen es objektiv an gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnis­ maßstäben fehle, spreche nichts dafür, dass die Gerichte eine „richtigere“ Entscheidung als die Behörden treffen könnten. Bevor die Verwaltungsge­ richte jedoch wegen der objektiven Grenzen des wissenschaftlichen Erkennt­ nisstandes von weiterer Aufklärung und Überzeugungsbildung Abstand neh­ men und sich auf eine bloße Plausibilitätskontrolle der Verwaltungsentschei­ dung stützen dürften, seien sie zur weitestmöglichen Überprüfung der an­ gefochtenen Entscheidung verpflichtet. Soweit das Gesetz eine Klärung außerrechtlicher Fragestellungen vorsehe, seien die Grenzen gerichtlicher Kontrolle erst dann erreicht, wenn das objektiv bestehende fachliche Er­

806  BVerfG, 807  BVerfG, 808  Ebda.

NVwZ 2019, 52 (53). NVwZ 2019, 52 (54).

528

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

kenntnisdefizit die gesetzlich verlangte fachliche Beurteilung tatsächlich be­ treffe.809 (2) Im Zivilprozess Weitgehend ungeklärt ist, welche Maßstäbe für die gerichtliche Überprü­ fung von in privatrechtlich konzipierten Präventivkontrollverfahren ergehen­ den Zulassungsentscheidungen verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen gelten. Hierauf wurde im Rahmen der Untersuchung der Tätigkeit Benannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Me­ dizinprodukte eingegangen.810 Einen Anhaltspunkt zur Klärung dieser Frage bieten die im Allgemeinen für den Rechtsschutz im Zivilprozess anerkannten Grundsätze. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts be­ inhaltet das aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Recht der Parteien auf einen wirkungsvollen Rechtsschutz auch die Pflicht der ­Zivilgerichte, die Richtigkeit von einer Partei bestrittener Tatsachen nicht ohne eine hinreichende Prüfung zu bejahen.811 Dies gilt auch für sogenannte Befundtatsachen, die ein gerichtlich bestellter Sachverständiger aufgrund seiner besonderen Sachkunde ermittelt und dem von ihm erstellten Gutachten zugrunde gelegt hat.812 Diese vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kontrollmaßstäbe lassen sich auf die gerichtliche Überprüfung der Tätigkeit verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen in privatrechtlich aus­ gestalteten Präventivkontrollen übertragen und fortentwickeln. Demnach ist auch für die gerichtliche Kontrolle der Entscheidungen Benannter Stellen über die (Nicht-)Ausstellung von Prüfbescheinigungen in produktsicherheits­ rechtlichen Konformitätsbewertungsverfahren von einem grundsätzlichen Vollüberprüfungsanspruch auszugehen, der nur ausnahmsweise eine Reduzie­ rung der gerichtlichen Kontrolldichte zulässt. bb) Einlösung des verfassungsrechtlichen Vollüberprüfungsanspruchs durch Sachverständigenbeweis Ungeachtet der regelmäßig hohen Komplexität naturwissenschaftlichtechnischer Sachmaterien ist die Frage nach der Existenz fachwissenschaft­ lich anerkannter Beurteilungsmaßstäbe und -methoden eine sachbereichsspe­ zifisch beantwortbare Tatsachenfrage, die erforderlichenfalls im Wege des 809  Ebda.

810  § 4 D. V. 811  BVerfGE 812  Ebda.

91, 176 (181).



E. Gerichtliche Überprüfung529

Sachverständigenbeweis aufgeklärt werden kann.813 Die Gerichte sind zu­ nehmend mit naturwissenschaftlich-technisch komplexen Fragen befasst, de­ ren Beantwortung hochspezifisches Fachwissen erfordert, über das häufig nur entsprechend qualifizierte Fachgutachter verfügen.814 Dies gilt nicht zuletzt für die Überprüfung von in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren ergangenen Entscheidungen, die durch hoheitlich eingebundene sachverständige Stellen getroffen bzw. inhaltlich mitgestaltet werden. Im Folgenden ist ausgehend von den einschlägigen Vorgaben des Zivil- bzw. Verwaltungsprozessrechts (dazu (1)) danach zu fragen, ob und inwieweit die Gerichte im Einzelfall zu einer Bestellung von „Obergutach­ tern“ verpflichtet sind (dazu (2)). (1) Rechtliche Ausgangslage Auf der Ebene des einfachen Rechts ergeben sich die für den gerichtlichen Sachverständigenbeweis im Zivil- und Verwaltungsprozess maßgeblichen Bestimmungen aus den §§ 402 ff. ZPO (i. V. m. § 173 S. 1 VwGO). Unter welchen Voraussetzungen das im Einzelfall mit einer Streitsache befasste Gericht zu einer Bestellung eines gerichtlichen Sachverständigen verpflichtet ist, geben die genannten Vorschriften nicht im Detail vor. Generell ist die Erhebung eines Sachverständigenbeweises dann entbehrlich, wenn und so­ weit das erkennende Gericht im konkreten Fall über hinreichend eigenes Fachwissen verfügt, kraft dessen es die aufgeworfenen Fragestellungen selbst beantworten kann.815 In diesem Zusammenhang betont das Bundesverfas­ sungsgericht den engen Zusammenhang zwischen der durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG im Grundsatz gewährten Garantie des Vollüberprüfungsanspruchs und der Pflicht der Gerichte zur Bestellung von Sachverständigen: Beruhen behördliche Entscheidungen auf wissenschaftlich-fachlichen Bewertungen, die ohne spezialisierten Sachverstand nicht nachvollzogen werden können, dürfen die Verwaltungsgerichte die gerichtliche Kontrolldichte nicht schon mit der Begründung reduzieren, eine umfassende Überprüfung der Verwal­ tungsentscheidung könne ohne sachverständige Unterstützung nicht effektiv und wirkungsvoll durchgeführt werden.816 Vielmehr müssen die Gerichte er­ forderlichenfalls unter Inanspruchnahme der Hilfe von Sachverständigen im Einzelfall die Unrichtigkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung aus­ 813  BVerfG, NVwZ 2019, 52 (53). Dieser Befund ist nicht auf naturwissenschaft­ lich-technisch komplexe Sachbereiche beschränkt, sondern trifft auch auf andere Sachbereiche zu, vgl. BVerfGE 88, 40 (58 f.). 814  Boehme-Neßler, RW 2014, 189 (191 f.). 815  Dies ist unstreitig, siehe nur BGH, NJW-RR 2008, 1380 (1381). 816  BVerfGE 84, 34 (49 ff., 53, 55); BVerfG, WM 2009, 423 (426).

530

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

schließen können, wenn und soweit sie die zu klärende Fachfrage aus eigener Anschauung nicht selbst beantworten können.817 Dabei setzt die Beauftra­ gung eines gerichtlichen Sachverständigen nicht notwendig voraus, dass dieser das Gericht in die Lage versetzt, eine „richtigere“ Entscheidung als diejenige der Fachbehörde zu treffen. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ verfassungsgerichts kann ein gerichtlicher Sachverständigenbeweis je nach Lage der Umstände des Einzelfalls bereits dann geboten sein, wenn er dem Gericht lediglich eine bessere Beurteilung der fachlich voneinander abwei­ chenden Standpunkte von Behörde und Bürger ermöglicht.818 Bei fachwis­ senschaftlich umstrittenen und ungeklärten Fragestellungen beschränkt sich die Aufgabe beigezogener Sachverständiger darauf, dem Gericht einen aktu­ ellen Überblick über den wissenschaftlichen Streitstand zu vermitteln.819 In­ soweit bestimmt sich der Umfang der richterlichen Aufklärungspflicht im Einzelfall danach, mit welchem Substantiierungsgrad der Kläger die behörd­ lichen Annahmen und Festlegungen angreift.820 Indes verlangt, wie schon dargelegt,821 auch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG von den Gerichten nicht die selbst­ ständige Schließung fachwissenschaftlicher Erkenntnislücken durch Erteilung von Forschungsaufträgen.822 (2) Pflicht zur Bestellung von gerichtlichen „Obergutachtern“ Wie vorliegend am Beispiel des atomrechtlichen Genehmigungsverfahrens für Kernenergiekraftwerke exemplarisch erläutert, erfolgt die gerichtliche Überprüfung behördlicher Zulassungsentscheidungen bisweilen dergestalt, dass die Verwaltungsgerichte die bereits im Zulassungsverfahren verwal­ tungsseitig eingebundenen sachverständigen Stellen auch in einem nachfol­ genden Gerichtsverfahren als gerichtliche Sachverständige anhören bzw. sich von letzteren die von ihnen im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten mündlich erläutern lassen. Dabei verzichten die Gerichte auf die Bestellung von „eigenen“, nicht bereits im Zulassungsverfahren auf Behörden- oder auch auf Klägerseite beteiligten Sachverständigen.823 Diese verwaltungsge­ richtliche Überprüfungspraxis ist unverändert aktuell. Im Zusammenhang mit der Planfeststellung von naturwissenschaftlich-technisch komplexen Infra­ 817  BVerfGE

88, 40 (59 f.); BVerfG, WM 2009, 423 (426). 88, 40 (59). 819  BVerfGE 88, 40 (59). 820  BVerfG, WM 2009, 423 (426); NVwZ 2019, 52 (55). 821  Siehe oben E. II. 2. a) aa) (1). 822  BVerfG, NVwZ 2019, 52 (53). Aus der Rechtsprechung des Bundesverwal­ tungsgerichts siehe BVerwGE 154, 377 (384); 156, 136 (143). 823  Dazu oben § 3 B. V. 818  BVerfGE



E. Gerichtliche Überprüfung531

strukturvorhaben argumentiert das Bundesverwaltungsgericht mit der „sach­ verständig beratenen Planfeststellungsbehörde“824 und verzichtet nicht selten auf die Einholung von Gerichtsgutachten, was im Schrifttum kontrovers diskutiert wird. Mitunter wird der Verzicht der Gerichte auf eine eigenstän­ dige Beweiserhebung als Ausdruck einer „Beweiserhebungsphobie“825 bzw. „Überzeugungsbildung aus zweiter Hand“826 kritisiert. Gerade für die hier anhand des Atomrechts aufgezeigten Fallkonstellationen, in denen die Un­ abhängigkeit einer verwaltungsseitig tätigen externen sachverständigen Stelle zweifelhaft sein kann,827 wird die Einholung gerichtlicher Obergutachten bzw. zumindest die Anhörung von Sachverständigen mit unterschiedlichem fachlichen Vorverständnis gefordert, um der Pluralität fachwissenschaftlicher Ansichten Rechnung zu tragen.828 Der Anlass dieser Kritik und Forderungen ist ohne weiteres einsichtig. Fehlt es an exakten Beurteilungsmaßstäben und stehen zur Klärung naturwis­ senschaftlich-technisch komplexer Fragestellungen nur wenig hinreichend qualifizierte Experten zur Verfügung, kann der Ausgang eines Verwaltungs­ rechtsstreits bereits mit der Auswahl des gerichtlichen Sachverständigen ab­ sehbar sein.829 Nichtsdestotrotz gehen die im Schrifttum erhobene Kritik und vorgebrachten Forderungen nach der Bestellung von „Obergutachtern“ so­ wohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht ins Leere. Im nationalen Prozessrecht gilt das Postulat der richterlichen Überzeugungsbildung im Einzelfall.830 Eine Pflicht der Gerichte, bei bereits auf Ebene des Verwal­ tungsverfahrens eingeholten Fachgutachten stets ein gerichtliches Sachver­ ständigengutachten anzufordern, kennt das kodifizierte (Prozess-)Recht nicht.831 Auch das Bundesverfassungsgericht verlangt von den Gerichten eine von Amts wegen oder auf Antrag erfolgende Beiziehung weiterer Sach­ verständiger nur dann, wenn die im Einzelfall aufgeworfene Beweisfrage durch die bereits durchgeführte Beweiserhebung als offen bzw. als unzuläng­ lich beantwortet anzusehen ist und die Befragung eines anderen Sachverstän­

824  BVerwG,

(279).

NVwZ 2009, 302 (308); NVwZ 2009, 1296 (1304); NuR 2010, 276

NVwZ-Beilage 2018, 3 (9). Brandt, ZNER 2019, 92 (93). 827  Zur Unabhängigkeit des Sachverständigen i.  S. d. § 20 S. 1 AtG siehe oben § 3 B. III. 2. 828  Vgl. die Forderung bei Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 497; ähnlich wohl Fest/Fechler, NVwZ 2016, 1050 (1053). 829  Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 66; siehe auch Seibert, NWVBl. 2015, 372 (374) („Teilbereiche des Umweltrechts“). 830  § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO; § 286 ZPO; § 261 StPO. 831  Siehe insoweit auch oben E. II. 2. bb) (1). 825  Breuer,

826  Allgemein

532

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

digen insoweit eine Klärung erwarten lässt.832 Eine Bestellung weiterer Sachverständiger ist regelmäßig dann erforderlich, wenn das erstattete Gut­ achten erkennbare Mängel aufweist und der bisherige Sachverständige ent­ weder nicht in der Lage oder nicht willens ist, diese trotz Nachfrage des Gerichts von sich aus zu beheben.833 Ferner können etwaige Zweifel an der Fachkompetenz oder Unparteilichkeit eines Sachverständigen Anlass für die Einholung weiterer Gutachten oder gutachterlicher Stellungnahmen sein.834 Diese Maßstäbe müssen die Gerichte auch bei der Überprüfung naturwissen­ schaftlich-technisch komplexer Zulassungsentscheidungen beachten. Abseits dieser prozessualen Erwägungen können Forderungen nach der Einholung gerichtlicher Obergutachten und Schaffung von Meinungsplurali­ tät nicht darüber hinwegtäuschen, dass gerade in von naturwissenschaftlichtechnischen komplexen Fragestellungen geprägten Disziplinen weitere Fach­ leute, die die gleiche Fachkompetenz wie die im Zulassungsverfahren ver­ waltungsseitig eingebundenen sachverständigen Stellen aufweisen, jedoch über eine höhere Unabhängigkeit verfügen, regelmäßig nicht vorhanden sind.835 Hierfür ist das Atomrecht, wo der zur Lösung kerntechnischer Fra­ gestellungen erforderliche Sachverstand gerade bei den TÜV konzentriert ist, ein exemplarisches Beispiel.836 Im Allgemeinen ist festzustellen, dass gerade im Zusammenhang mit naturwissenschaftlich-technisch komplexen Anlagenund Vorhabenzulassungen die fachlich geeignetsten Fachleute sowohl behör­ den- als auch klägerseitig üblicherweise nicht nur im Zulassungsverfahren, sondern auch im nachgelagerten Verwaltungsprozess tätig sind.837 Der Be­ fund, dass die „ersten Fachleute der Republik“ antragsteller- und verwal­ tungsseitig das zur Zulassung gestellte Vorhaben bereits auf der Ebene des Zulassungsverfahrens maßgeblich begleitet haben838 und auf der Ebene des Gerichtsverfahrens nicht mehr als „unabhängig“ angesehen werden können, mag unbefriedigend erscheinen.839 Er ändert aber nichts daran, dass im ­Anschluss an die Durchführung naturwissenschaftlich-technisch komplexer Zulassungsverfahren „[ü]berlegene Obergutachter […] regelmäßig schlicht 832  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.08.2017 – 2 BvR 1496/15 –, juris, Rn. 21 (zum Strafprozess). 833  BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 16.08.2017 – 2 BvR 1496/15 –, juris, Rn. 21. Aus dem Schrifttum siehe etwa Guckelberger, VerwArch 108 (2017), 143 (148 f.). 834  BVerwG, NVwZ-RR 2013, 620 (621); NVwZ 2016, 308 (312 f.). 835  Rennert, DVBl 2019, 133 (136). 836  § 3 B. V. 837  Rennert, DVBl 2019, 133 (136). 838  Rennert, DVBl 2017, 69 (78). 839  So Breuer, NVwZ-Beilage 2018, 3 (9); Fellenberg, AnwBl 2016, 648 (651); Vierhaus, Beweisrecht im Verwaltungsprozess, Rn. 206 ff.



E. Gerichtliche Überprüfung533

nicht vorhanden“ sind und die gerichtliche Anhörung der bereits im Verwal­ tungsverfahren aktiv eingebundenen Experten im Ergebnis „schierer Not­ wendigkeit [folgt]“.840 Gibt die „Rechtswirklichkeit“ keine anderen – insbe­ sondere keine fachlich besser qualifizierten – als die auf Ebene des Zulas­ sungsverfahrens hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen als Be­ weismittel her, erschöpfen sich pauschale Forderungen nach der Einholung von gerichtlichen Obergutachten in der Schaffung von Meinungspluralismus. Verwaltungsprozesse sind jedoch weder der Ort zur Austragung wissen­ schaftlicher Streitfragen841 noch sollen sie als zweites Verwaltungsverfahren die zu­vörderst den Behörden obliegende Sachverhaltsaufklärung vollständig wiederholen.842 Im Übrigen wären unweigerlich neue (verfassungs-)rechtli­ che Probleme vorprogrammiert, wenn die Verwaltungsgerichte Sachverstän­ dige vorrangig unter dem Gesichtspunkt der Unabhängigkeit und nicht im Hinblick auf ihre Fachkompetenz auswählen würden. Im Ergebnis können die Gerichte bei der Überprüfung der von hoheitlich in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren einge­ bundenen sachverständigen Stellen getroffenen bzw. von letzteren mitgepräg­ ten Zulassungsentscheidungen richtigerweise nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall zur Einholung von Gerichtsgutachten verpflichtet sein. Die Gegen­ auffassung misst den Verwaltungsgerichten eine Funktion bei, die sie realis­ tischerweise nicht zu erfüllen vermögen. cc) „Kompensation“ fehlender Unabhängigkeit sachverständiger Stellen durch Ausweitung der gerichtlichen Kontrolldichte? Anhand der vorstehenden Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Kritik an der gerichtlichen Anhörung von sachverständigen Stellen, die be­ reits im Zulassungsverfahren verwaltungsseitig eingebunden wurden, regel­ mäßig nicht in fachlichen Aspekten begründet ist, sondern vor allem aus Zweifeln an deren Unabhängigkeit herrührt. Für derartige Konstellationen hat allen voran Fehling ein allgemeines Modell entwickelt, durch das feh­ lende bzw. defizitäre Unabhängigkeit von Behörden bzw. verwaltungsseitig agierenden Stellen auf Ebene des Gerichtsverfahrens kompensiert werden soll. Nach diesem Kompensationsmodell sollen bei der gerichtlichen Über­ prüfung von Verwaltungsentscheidungen, für die eine umfassende bzw. voll­ ständige Inhaltskontrolle gewährleistet werden kann, im Hinblick auf die 840  Zutreffend

Rennert, DVBl 2019, 133 (136). 154, 377 (384). 842  Vgl. Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee, S. 216; im Zusammenhang mit Präklusionsregelungen ferner Franzius, GewArch 2012, 225 (233). 841  BVerwGE

534

§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Einhaltung des Unabhängigkeitspostulats geringere Anforderungen an die Verfahrenskontrolle gestellt werden.843 Umgekehrt soll bei Verwaltungsent­ scheidungen, die aus tatsächlichen Gründen nur mit reduzierter inhaltlicher Kontrolldichte überprüft werden können, kompensierend die der Wahrung des Unabhängigkeitspostulats dienende Verfahrenskontrolle ausgeweitet wer­ den. Als konkreten Lösungsansatz erwägt Fehling etwa eine restriktivere Auslegung des § 46 VwVfG.844 Um eine fehlende oder defizitäre Unabhängigkeit der Verwaltung, einzel­ ner Amtswalter bzw. verwaltungsseitig agierender Privater durch eine restrik­ tive Auslegung des § 46 VwVfG Rechnung tragen zu können, muss über­ haupt erst ein von der Vorschrift erfasster, beachtlicher Verfahrensfehler vorliegen. Insoweit hat die vorliegende Untersuchung sowohl für verwal­ tungsinterne als auch für verwaltungsexterne sachverständige Stellen eine starke Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Kodifizierung von Vorschrif­ ten gezeigt, die auf eine effektive Absicherung des Unabhängigkeitspostulats abzielen.845 Im kodifizierten Recht wird die Unabhängigkeit sachverstän­diger Stellen von wenigen Ausnahmen abgesehen in der Regel nur nach Maßgabe der in ihrem personellen846 wie sachlichen847 Anwendungsbereich begrenzten Ausschlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG gewährleistet.848 Demgegenüber bleibt die im Fachrecht mitunter ausdrücklich statuierte Anforderung der Unabhängigkeit verwaltungsexterner sachverständiger Stellen849 ebenso wie das in der Rechtsprechung entwickelte, an verwaltungsinterne sachverstän­ dige Stellen adressierte Abstands- und Distanzgebot850 zumeist vage. Dieser Befund ist in rechtspolitischer Hinsicht nicht in jeder Hinsicht befriedi­ gend.851 Die Lösung der Problematik kann jedoch nicht in dem von Fehling zur Gegensteuerung vorgeschlagenen Modell liegen, fehlende oder als defizi­ 843  Im Einzelnen Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestal­ tungsaufgabe, S.  471 ff., 498 f. 844  Hierzu Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsauf­ gabe, S.  474 ff. 845  Dazu insgesamt oben C. II. 2. a) bb). 846  Keine Eröffnung des Anwendungsbereichs bei obligatorischer Mitwirkung im Verwaltungsverfahren (§ 3 D. III. 2.); keine institutionelle Befangenheit (§ 4 B. III. 2.; § 5 B. III. 2.; § 5 D. III. 2.). 847  Etwa im Hinblick auf etwaige Vortätigkeiten für den Antragsteller (§ 3 B. III. 2.) oder der Erlangung unmittelbarer Vor- und Nachteile i. S. d. § 20 Abs. 1 S. 2 VwVfG (§ 3 C. III. 2.). 848  Siehe auch den Befund bei Fehling, Verwaltung zwischen Unparteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 492 ff. 849  C. II. 2. a) bb) (2) (a) (bb). 850  C. II. 2. a) bb) (1) (b) (aa). 851  Zum rechtspolitischen Ausblick im Hinblick auf das Unabhängigkeitspostulat siehe oben C. II. 2. c).



E. Gerichtliche Überprüfung535

tär empfundene Unabhängigkeit sachverständiger Stellen durch eine im De­ tail wie auch immer geartete Ausweitung der gerichtlichen Verfahrens- oder Inhaltskontrolle zu kompensieren.852 Schon nach Maßgabe von Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sind die Verwaltungsgerichte grundsätzlich zu einer vollständigen Überprüfung angefochtener Verwaltungsentscheidungen verpflichtet.853 Dies schließt eine Kontrolle der Einhaltung von ausdrücklich kodifizierten wie auch ungeschriebenen Unabhängigkeitsgeboten ein, ohne dass es hierzu des theoretischen Konstrukts eines gerichtlichen Kompensationsmodells bedarf. Insoweit trägt der „Kompensationsgedanke“ bereits nicht. Dementsprechend kann es bei dem von Fehling entwickelten Modell nicht darum gehen, ein bereits durch das geltende Recht gewährleistetes Maß an Unabhängigkeit sachverständiger Stellen abzusichern bzw. sein Fehlen zu „kompensieren“. Vielmehr läuft der Ansatz im Endeffekt darauf hinaus, durch eine Statuierung neuer oder Fortentwicklung bestehender Ge- und Verbote (z. B. durch eine besonders strenge Interpretation der §§ 20, 21 VwVfG) ein bestimmtes Maß an Unabhängigkeit der Verwaltung, eines Amtswalters oder eines verwal­ tungsseitig tätigen Privaten dort herzustellen, wo der Gesetzgeber von der Gewährleistung eines „Mehr“ an Unabhängigkeit bewusst abgesehen hat. Ein solches Kompensationsmodell muss in letzter Konsequenz zu Konflikten mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz führen. Es ist dem Gesetzgeber nämlich un­ benommen, die Unabhängigkeit sachverständiger Stellen durch eine entspre­ chende Ausgestaltung des Organisations- und Fachrechts auf ein über den Status quo hinausgehendes Maß anzupassen. Macht er von dieser Möglich­ keit in Ausübung des ihm durch die Verfassung gesetzten Gestaltungsspiel­ raums keinen bzw. nicht substanziell Gebrauch, wofür es sachliche Gründe geben mag,854 steht es dem Rechtsanwender außerhalb der Grenzen der zu­ lässigen Auslegung und Fortentwicklung des Rechts nicht an, eine sachge­ bietsspezifisch nur eingeschränkt gewährleistete Unabhängigkeit sachver­ ständiger Stellen durch Kreierung neuer Ge- und Verbote auf ein höheres Level zu hieven. Der hierin anklingende „Ruf nach dem Gesetzgeber“ mag mut- und hilflos erscheinen. Er ist aber durch den Gewaltenteilungsgrundsatz des Grundgesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG) vorgegeben. Im Übrigen kann die Implementierung neuer bzw. zusätzlicher Anforderungen an die Unabhängig­ keit sachverständiger Stellen grundrechtsrelevant und daher auch unter die­ sem Gesichtspunkt in erster Linie dem regulatorischen Zugriff des Gesetzge­ bers vorbehalten sein (vgl. Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG). Welche rechtspolitischen Handlungsansätze zur Gewährleistung der Unabhängigkeit von hoheitlich in 852  Siehe zum nicht nur, aber auch auf sachverständige Stellen i. S. d. vorliegen­ den Untersuchung abzielenden Ansatz insgesamt Fehling, Verwaltung zwischen Un­ parteilichkeit und Gestaltungsaufgabe, S. 474 ff., 492 ff. 853  Siehe oben E. II. 2. a) aa). 854  C. II. 2. a) bb) (2) (a) (bb).

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren eingebun­ denen sachverständigen Stellen in Betracht kommen könnten, wurde oben dargelegt.855 dd) Legitimationsbeitrag der Kontrolldichte in den betrachteten Referenzgebieten Eine vergleichende Betrachtung des Legitimationsbeitrags, die die gericht­ liche Kontrollintensität bezüglich der Entscheidungsbeiträge der betrachteten sachverständigen Stellen jeweils leistet, muss vorliegend dahinstehen, da die insoweit maßgeblichen Überprüfungsmaßstäbe nicht für alle Referenzgebiete gleichermaßen geklärt sind.856 Generell gilt, dass eine hohe gerichtliche Kon­ trolldichte die Tätigkeit sachverständiger Stellen eng an das vom Gesetzgeber geschaffene Recht bindet und insoweit einen großen Legitimations­ beitrag leisten kann.857 Der konkrete Legitimationsbeitrag hängt dabei nicht zuletzt davon ab, in welchem Umfang das von den Gerichten auf seine Einhaltung zu überprüfende Fachrecht der jeweiligen sachverständigen Stelle Konkreti­ sierungs- und Entscheidungsspielräume eröffnet.858 b) Kohärenz Da nicht für alle der vorliegend betrachteten Referenzgebiete gesicherte Aussagen zur gerichtlichen Kontrollintensität existieren, lassen sich substan­ zielle Aussagen zur Kohärenz der Aufrechterhaltung bzw. Reduzierung der Kontrolldichte in den verschiedenen Sachgebieten kaum treffen. Ungeachtet dessen ist jede Verschiebung der inhaltlichen Kontrollmaßstäbe der Gerichte an tatsächliche bzw. rechtliche Implikationen der jeweiligen Sachmaterie geknüpft. Insofern werden unterschiedliche Kontrollintensitäten in dem ein oder anderen Rechtsgebiet nur ausnahmsweise den Vorwurf fehlender Kohä­ renz tragen können. c) Rechtspolitischer Ausblick Nicht nur, aber gerade auch im Umweltrecht sind Fragen der gerichtlichen Kontrolldichte ein rechtspolitisches Dauerthema, das insbesondere im Zu­ sammenhang mit der Diskussion um den vielfach erörterten „Funktionswan­ 855  Siehe

insoweit oben C. II. 2. c). oben E. II. 1. 857  Zum Ansatz siehe oben B. II. 1. c) cc). 858  In diesem Sinne auch für externe sachverständige Stellen Nußberger, AöR 129 (2004), 282 (304). 856  Siehe



E. Gerichtliche Überprüfung537

del der Verwaltungsgerichtsbarkeit“ breiten Raum einnimmt. Ohne dass auf die insoweit aufgeworfenen Problemstellungen vorliegend im Einzelnen eingegangen werden kann,859 verdeutlicht nicht zuletzt die Diskussion um die Gebotenheit der Bestellung gerichtlicher Obergutachter860 die Abhängig­ keit der Verwaltungsgerichte von extrajuridischem Wissen, die im Umweltund Technikrecht als Phänomen seit langem bekannt ist,861 als „Achillesferse gerichtlicher Kontrolle“862 rechtspolitisch jedoch bislang nicht nennenswert angegangen wird.863 Soll die nach wie vor hohe verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte als solche aufrechthalten werden,864 wird über kurz oder lang eine institutionelle Anpassung der Wissensabrufs- bzw. Wissenserzeugungs­ kapazitäten der Verwaltungsgerichte unumgänglich sein.865 Gleichwohl dür­ fen etwaige Reformüberlegungen zu keiner übertriebenen Erwartungshaltung führen. Weder eine Besetzung der Verwaltungsgerichte mit naturwissen­ schaftlich-technisch ausgebildeten Richtern bzw. die Bildung von Spezial­ kammern866 noch die Implementierung eigenständiger Fachgerichtsbarkei­ ten867 werden realistischerweise etwas daran ändern, dass in Sachgebieten mit hoher Wissensdynamik und konzentriertem Sachverstand die kompeten­ testen Fachleute bereits auf der Ebene des Zulassungsverfahrens auf Seiten des Antragstellers oder der Verwaltung an der Konzeption von Anlagen, Produkten oder Forschungsvorhaben mitwirken. Vor diesem Hintergrund sollte das Hauptaugenmerk etwaiger rechtspolitischer Überlegungen darauf liegen, bereits die administrativen Wissensgenerierungs- und Entscheidungs­ prozesse organisations- und verfahrensrechtlich adäquat auszugestalten. Zu möglichen Handlungsansätzen, die zu mehr Legitimität und Legitimation der 859  Zu den verschiedenen Facetten der Kontrolldichte aus dem jüngeren Schrift­ tum etwa Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 54 ff. 860  E. II. 2. a) bb) (2). 861  Zugespitzt Sendler, NJW 1986, 2907 (2909): „Wohl nicht zufällig sagt man dem Richter nach, er müsse sich nicht selten zum Vollzugsgehilfen des Sachverstän­ digen erniedrigen lassen.“ 862  Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 66. 863  Immerhin wird für den Bereich der Fachplanung gegenwärtig eine Anpassung der Verwaltungsgerichtsordnung erwogen, die die Bildung spezialisierter Planungs­ kammern bzw. Planungssenate ermöglichen soll. Siehe insoweit den Vorschlag eines neuen § 188b VwGO aus dem Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen vom 07.03.2019 (BR-Drs. 113/19, S. 4 u. 26). 864  Dafür Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag, D 103; kritisch hingegen Fellenberg, AnwBl 2016, 648 (652). 865  So auch Guckelberger, DVBl 2017, 222 (228); dies., VerwArch 108 (2017), 143 (163). 866  Zu beiden Ansätzen siehe Guckelberger, DVBl 2017, 222 (228 f.). 867  Für den Umweltbereich siehe aus rechtsvergleichender Perspektive etwa Bechtel, Umweltgerichte und -tribunale, S. 5 ff.

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§ 6 Vergleich und Analyse der Untersuchungsgruppen

Tätigkeit sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren beitragen können, wird auf die obigen Anregun­ gen und Vorschläge verwiesen.868 Freilich lassen auch sie keine erschöpfende und umfassende Problemlösung erwarten.

868  Zum Einbindungsmodus siehe oben B. II. 3.; zur Fachkompetenz siehe oben C. I. 2. c); zur Unabhängigkeit siehe oben C. II. 2. c); zur Verfahrenstätigkeit siehe oben D. I. 2. c); zum Entscheidungsbeitrag siehe oben D. II. 2. c).

§ 7 Ergebnisse und Fazit Die Untersuchung hat Folgendes gezeigt: 1. Allgemeines: In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren für Anlagen, Infrastruktur, Produkte oder Forschungsvorhaben findet sich eine große Bandbreite von unterschiedlichen Konstellationen, in denen der Staat auf sachverständige Stellen zurückgreift. Es kann zwischen verwaltungsinter­ nen und verwaltungsexternen sachverständigen Stellen differenziert werden, die entweder obligatorisch oder fakultativ eingebunden werden. Ihre Aufga­ ben können in der Verwaltungsberatung, Entscheidung oder Belangwahrung liegen. 2. Rechtlicher Rahmen: Für die Zulassung von Anlagen, Infrastruktur, Produkten und Forschungs­ vorhaben muss der Gesetzgeber einen adäquaten Rechtsrahmen schaffen. a) Die Entscheidung über die „grundsätzliche“ Zulassungsfähigkeit von Anlagen, Infrastruktureinrichtungen, Produkten und Forschungsvorhaben ist dem Gesetzgeber vorbehalten, der das jeweilige Zulassungsverfahren sowohl in verfahrensrechtlicher als auch in materieller Hinsicht in seinen wesent­ lichen Grundzügen vorstrukturieren muss. Dabei ist die Verwendung unbe­ stimmter Rechtsbegriffe im zu absolvierenden Prüfprogramm grundsätzlich zulässig. Nicht zulässig ist es dagegen, die Frage über die „grundsätzliche“ Zulassungsfähigkeit einer Hochrisiko-Technologie in die Entscheidungsver­ antwortung der auf der Ebene des konkreten Zulassungsverfahrens hoheitlich eingebundenen sachverständigen Stellen zu verlagern. b) Das Grundgesetz gibt nicht abschließend vor, ob die hoheitliche Ein­ bindung sachverständiger Stellen in öffentlich-rechtlich oder (weitgehend) zivilrechtlich konzipierten naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulas­ sungsverfahren zu erfolgen hat. Abgesehen von einem „privatisierungsfesten Kernbestand“, dessen Ermittlung oder Konkretisierung nicht das Ziel der vorliegenden Untersuchung war, können staatliche Aufgaben grundsätzlich auch in privaten Rechtsformen und Strukturen erbracht werden. Diese Prä­ misse gilt auch für naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsver­ fahren.

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§ 7 Ergebnisse und Fazit

3. Einbindungsmodus: a) Die hoheitliche Einbindung sachverständiger Stellen in naturwissen­ schaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren ist verfassungsrechtlich geboten. Insoweit gilt bei verwaltungsinternen sachverständigen Stellen das im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Gebot, die Anwendung und Durchsetzung des Rechts durch eine adäquate und effektive Organisation der staatlichen Verwaltung sowohl institutionell als auch personell zu ermöglichen. Die Pflicht des Staates, bei fehlendem verwaltungsinternen Sachverstand in na­ turwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren die Unterstüt­ zung verwaltungsexterner sachverständiger Stellen in Anspruch zu nehmen, wird teilweise aus einem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Sachgerechtig­ keits- und Effektivitätsgebot, teilweise aus den Grundrechten abgeleitet. b) Aufgrund der verfassungsunmittelbaren Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG), ihrer größeren Neutralität und Unab­ hängigkeit gegenüber sachwidrigen und irrationalen (Dritt-)Einflüssen und nicht zuletzt aus haushaltsrechtlichen Gründen betonen Teile des Schrifttums ein Primat des Rückgriffs auf verwaltungsinterne sachverständige Stellen. Danach steht die hoheitliche Einbindung verwaltungsexterner sachverständi­ ger Stellen unter dem Vorbehalt ihrer Erforderlichkeit. Dieses Postulat kann indes nur gelten, wenn und soweit insbesondere das Unionsrecht keine an­ derweitigen Anforderungen statuiert. Letzteres ist etwa bei der Tätigkeit Be­ nannter Stellen im Konformitätsbewertungsverfahren für Hochrisiko-Medi­ zinprodukte der Fall. c)  Nach zunehmend verbreiteter Auffassung ist nicht nur „amtliches Han­ deln mit Entscheidungscharakter“, sondern auch das Handeln Privater unter dem Gesichtspunkt des grundgesetzlichen Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 u. 2 GG) legitimationsbedürftig. Dies überzeugt auch im Hinblick auf die lediglich entscheidungsvorbereitende Tätigkeit verwaltungsexterner sachver­ ständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungs­ verfahren, die in tatsächlicher Hinsicht häufig eine – mitunter statistisch be­ legbare – praktische bzw. „faktische“ Bindungswirkung für behördliche Zu­ lassungsentscheidungen entfaltet. Dieser hohe praktische Einfluss privater sachverständiger Stellen auf die Zulassung von gefährlichen und komplexen (Infrastruktur-)Anlagen, Produkten oder Forschungsvorhaben ist sowohl für die Grundrechte von Antragstellern als auch von Drittbetroffenen unmittelbar relevant und betrifft zentrale Fragen des Gemeinwesens (Stromerzeugung, (Verkehrs-)Infrastruktur, Versorgung mit Medikamenten und Medizinproduk­ ten). Daher können selbst formal-rechtlich unverbindliche Entscheidungsbei­ träge externer sachverständiger Stellen von „demokratischer Relevanz“ sein. d)  Ob die Tätigkeit externer sachverständiger Stellen einer eigenständigen demokratischen Legitimation bedarf oder lediglich das Legitimationsniveau



§ 7 Ergebnisse und Fazit541

staatlichen Handelns bestimmt, ist bislang nicht abschließend geklärt. Ent­ scheidend ist jedoch stets, dass das Fachrecht zur Einhegung der Tätigkeit privater sachverständiger Stellen in organisatorischer, inhaltlicher und ver­ fahrensrechtlicher Hinsicht hinreichende Vorkehrungen enthält. Ist dies der Fall, leisten die entsprechenden Vorschriften und Regelungsstrukturen des Fachrechts ungeachtet der rechtsdogmatischen Anknüpfung des Legitimati­ onserfordernisses der Tätigkeit externer sachverständiger Stellen einen Legi­ timationsbeitrag. e) Damit die Tätigkeit sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren von außen (Verfahrensbeteiligte, Öffentlichkeit, Gerichte) kontrolliert werden kann, muss sie publik bzw. transparent sein. Die Publizität der Mitwirkung sachverständiger Stellen ist bei obligatorischen Einbindungsmodi regelmäßig unproblematisch. Demge­ genüber ist für die fakultative Einbindung sachverständiger Stellen häufig weder im Fachrecht noch im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht eine Pflicht der zuständigen Behörde statuiert, speziell die Einbindung einer pri­ vaten sachverständigen Stelle offenzulegen. Der von Teilen des Schrifttums vertretene Ansatz, eine diesbezügliche Publizitätspflicht verfassungsrechtlich herzuleiten, ist abzulehnen, da sich hierfür weder aus dem Normtext des Grundgesetzes noch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts greifbare Anhaltspunkte entnehmen lassen. Die Überlegung ist aber rechtspo­ litisch erwägenswert und lässt sich als Handlungsauftrag an den Gesetzgeber interpretieren. f) Um etwaigen Konflikten mit dem Demokratieprinzip vorzubeugen, sollten Besetzungsverfahren für sachverständige Kollegialgremien im Hin­ blick auf Vorschlagsrechte zivilgesellschaftlicher Gruppen in ihren Grund­ zügen regulatorisch vorstrukturiert werden. 4. Abstrakt-organisatorische Anforderungen: Ungeachtet ihrer Rechtsform und ihrer konkreten Aufgabenstellung bilden die Fachkompetenz und die Unabhängigkeit die wichtigsten abstrakt-organi­ satorischen Anforderungen, die sachverständige Stellen für ihre hoheitliche Einbindung in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfah­ ren erfüllen müssen. a) Fachkompetenz: aa) Die Gewährleistung der Fachkompetenz sachverständiger Stellen ist ein rechtliches Gebot. Die Pflicht des Staates zur Sicherstellung der Fach­ kompetenz verwaltungsinterner sachverständiger Stellen folgt zum einen aus dem Vorrang des Gesetzes, der verlangt, dass die Verwaltungsorganisation den staatlichen Verwaltungsbehörden sowohl in institutioneller als auch in

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§ 7 Ergebnisse und Fazit

personeller Hinsicht eine Anwendung und Durchsetzung des Rechts ermög­ lichen muss. Im Übrigen folgt die Gewährleistungsverantwortung des Staates für die Fachkompetenz der Verwaltungsbehörden aus den Schutzpflichten für die Grundrechte der Bürger sowie aus sonstigen Verfassungsaufträgen (z. B. Art. 20a GG). Letztere Verfassungsvorgaben bilden auch den normativen Anknüpfungspunkt für die vom Staat sicherzustellende Fachkompetenz ver­ waltungsexterner sachverständiger Stellen. bb) Die Fachkompetenz verwaltungsinterner sachverständiger Stellen, mithin von Behörden im organisationsrechtlichen Sinne, wird typischerweise nicht durch kodifiziertes Recht, sondern deren „schlichte“ Errichtung, Orga­ nisation und Ausstattung mit Personal- und Sachmitteln gewährleistet. Exakte rechtliche Anforderungen für das „Maß“ der vom Staat sicherzustellenden Fachkompetenz der zur Aufgabenerfüllung eingesetzten Behörden lassen sich kaum treffen. cc)  Soweit das Fachrecht unbestimmte materiell-rechtliche Prüfprogramme statuiert, die weder im untergesetzlichen Regelwerk noch durch fachwissen­ schaftliche Vorgaben (z. B. Leitfäden) inhaltlich konkretisiert werden („Stand von Wissenschaft und Technik“, „Störung“), kann die partielle Steuerungs­ schwäche des materiellen Rechts auf die Fachkompetenz verwaltungsinterner sachverständiger Stellen zurückwirken. Ist dem Gesetzgeber im materiellen Recht die Regelung eines Lebenssachverhalts aufgrund der Komplexität der jeweiligen Sachmaterie nur in Form einer vagen und inhaltlich unbestimmten Regelung möglich (z. B. „Störung“ einer Flugsicherungseinrichtung), ist häu­ fig zugleich fraglich, über welche Fachkompetenz die staatlichen Behörden im Hinblick auf die Beherrschung und Anwendung bestimmter Methoden und Beurteilungstechniken verfügen müssen. Herkömmlich überbrückt die Rechtsprechung im materiellen Recht angelegte Steuerungsprobleme durch Statuierung eines besonderen Vertrauens in die Fachkompetenz der staat­ lichen Verwaltungsbehörden und verbindet hiermit sachgebietsspezifisch eine Zurücknahme des durch Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG grundsätzlich vorgegebenen Vollüberprüfungsanspruchs. Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfas­ sungsgerichts setzt insoweit strengere Maßstäbe und verpflichtet den Ge­ setzgeber, der Entstehung etwaiger fachwissenschaftlicher Erkenntnisvakua durch eine Herausbildung von anerkannten Methoden und Standards entge­ genzuwirken. Diese Vorgabe betrifft nicht nur die inhaltliche Ausfüllung materieller Prüfprogramme, sondern erstreckt sich auch auf die Gewährleis­ tung der Fachkompetenz verwaltungsinterner sachverständiger Stellen. dd) Die Fachkompetenz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen kann nicht schon durch Einrichtung, Organisation und Ausstattung gewähr­ leistet werden, sondern erfordert die Ergreifung anderweiter Regulierungs­ strategien. In Betracht kommen insoweit die Formulierung präziser Anforde­



§ 7 Ergebnisse und Fazit543

rungen im kodifizierten Recht, die Etablierung besonderer Verfahren (z. B. Anerkennung, Benennung, Berufung und Registrierung) oder die Prüfung der Fachkompetenz im Einzelfall. Weder die Grundrechte noch sonstige Ver­ fassungsbestimmungen (z. B. Art. 20a GG) geben insoweit die Wahl eines bestimmten Mechanismus zur Gewährleistung der Fachkompetenz verwal­ tungsexterner sachverständiger Stellen im Detail vor. ee) Die aus der naturwissenschaftlich-technischen Komplexität einer Sachmaterie herrührenden Steuerungsprobleme im materiellen Recht begren­ zen auch die regulatorischen Möglichkeiten des Gesetz- und Normgebers, die Fachkompetenz externer sachverständiger Stellen exakt vorzugeben. Eine detaillierte Kodifikationspflicht lässt sich dem Grundgesetz jedoch nicht ent­ nehmen. Dass sich die normative Regelungsdichte der Fachkompetenz exter­ ner sachverständiger Stellen im Fachrecht regelmäßig in der Statuierung ab­ strakter Mindestqualifikationsanforderungen erschöpft, ist verfassungsrecht­ lich nicht zu beanstanden. Lediglich soweit sich die Fachkompetenz verwal­ tungsexterner sachverständiger Stellen nicht ausschließlich in abstrakten Qualifikationsanforderungen äußert, sondern anzuwendende bzw. zu beherr­ schende Prüfungsmethoden und Beurteilungstechniken betrifft, kann in An­ lehnung an die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Methoden- und Standardbildung auch bei verwaltungsexternen sachverstän­ digen Stellen der Gesetzgeber zum Tätigwerden verpflichtet sein (siehe oben 4. a) cc)). Geben der Gesetzgeber bzw. die von ihm eingesetzten Gremien den Einsatz von Methoden oder Techniken im Fachrecht oder in sonstiger Weise verbindlich vor, gehört deren Beherrschung auch zur Fachkompetenz verwaltungsexterner sachverständiger Stellen. b) Unabhängigkeit: aa) Unabhängigkeit meint im vorliegenden Untersuchungskontext ein aus­ schließlich an sachlichen und rationalen Maßstäben orientiertes Handeln und Entscheiden. bb) Im Vergleich zur Fachkompetenz ist Unabhängigkeit eine statische Anforderung, die nicht an der hohen Wissensdynamik naturwissenschaftlichtechnisch komplexer Sachverhalte teilnimmt und daher grundsätzlich detail­ liert im kodifizierten Recht geregelt werden könnte. Für verwaltungsinterne sachverständige Stellen lässt sich das Unabhängigkeitspostulat unmittelbar an den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten Prinzipien der Verfahrensgerechtigkeit und des fairen Verfahrens sowie den Grundrech­ ten festmachen. Für verwaltungsexterne sachverständige Stellen bildet die Unabhängigkeit eine mitunter ausdrücklich kodifizierte, teilweise aus unge­ schriebenen Rechtsgrundsätzen abgeleitete Tätigkeitsvorgabe. Wollte man für externe sachverständige Stellen, was im Schrifttum bisweilen anklingt, auf

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§ 7 Ergebnisse und Fazit

die Geltung des Unabhängigkeitspostulats verzichten, wäre es dem Staat ge­ stattet, sich der Expertise Privater zu bedienen, die geringeren Rechtsbindun­ gen als die von ihm zur Aufgabenerfüllung herkömmlich eingesetzten Ver­ waltungsbehörden unterlägen. Eine derartige „Flucht ins Privatrecht“ (im untechnischen Sinne) lassen die Rationalitäts-, Schutz- und Gewährleistungs­ pflichten des Staates nicht zu. cc)  Der potenziell stärkste und wichtigste Mechanismus zur Gewährleis­ tung der vorliegend als ausschließliche Sachorientierung und Handlungsra­ tionalität interpretierten Unabhängigkeit verwaltungsinterner sachverständi­ ger Stellen ist deren Bindung an die Grundrechte sowie an Recht und Gesetz. Exekutives Handeln, das mit den im einfachen Recht näher ausgestalteten Grundrechten und auch mit der übrigen Rechtsordnung in Einklang steht, wird sich oft, aber nicht immer als sachlich und rational darstellen. Hierzu bedarf es vielmehr flankierender Mechanismen, die der Entstehung eines „bösen Scheins“ fehlender behördlicher Unabhängigkeit entgegenwirken. Zu nennen sind insoweit die an die individuellen Amtswalter adressierten Aus­ schlussgründe der §§ 20, 21 VwVfG sowie institutionelle Abstands- und ­Distanzgebote. Inneradministrative Trennungsgebote können ebenfalls den äußeren Schein der Unabhängigkeit bestärken, werden aber von der Rechts­ ordnung nicht zwingend gefordert. In letzter Konsequenz beruht die Einhal­ tung behördlicher Abstands- und Distanzgebote auf Vertrauen, was vor dem Hintergrund des Gewaltenteilungsgrundsatzes aus Art. 20 Abs. 3 GG und im Interesse einer funktions- und handlungsfähigen Verwaltung verfassungs­ rechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden ist. Eine zusätzliche Absiche­ rung im einfachen Recht könnte de lege ferenda zum einen durch die Im­ plementierung einer Pflicht zur Veröffentlichung ministerieller Weisungen erreicht werden. Zum anderen ist auf gesetzlicher Ebene eine Neuregelung zu erwägen, durch die Zulassungsbehörden verpflichtet werden, die Überprü­ fung von eingeholten Stellungnahmen externer sachverständiger Stellen schriftlich in den Verwaltungsvorgängen zu dokumentieren. dd) Die generelle „Kodifikationsfähigkeit“ des Merkmals der Unabhän­ gigkeit schlägt sich für externe sachverständige Stellen typischerweise nicht in konkreten Ge- oder Verboten im Fachrecht nieder. Das Fachrecht bleibt insoweit vielmehr vage. Die Ursache hierfür ist darin zu sehen, dass in Sach­ gebieten mit ausdifferenzierten und dynamischen Wissensbeständen unter fachlichen Gesichtspunkten häufig nur eine geringe Anzahl externer sach­ verständiger Stellen für eine hoheitliche Einbindung in das betreffende naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulassungsverfahren in Betracht ­ kommt, die gleichzeitig in einem mehr oder weniger engen „Näheverhältnis“ zum Verfahrensgegenstand oder Antragsteller stehen. Übermäßig strenge Abstands- und Distanzgebote würden insoweit den potenziellen Kreis sach­ verständiger Stellen, die auf Seiten der Verwaltung in naturwissenschaftlich-



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technisch komplexen Zulassungsverfahren mitwirken könnten, zusätzlich verengen. Rechtsprechung und Literatur tragen diesem Umstand bereichsspe­ zifisch durch eine großzügige Interpretation des Unabhängigkeitspostulats Rechnung. Dadurch wird die Fachkompetenz zum limitierenden Faktor für die Auslegung des Unabhängigkeitspostulats. 5. Tätigkeit im Zulassungsverfahren: a) Erstellen von Entscheidungsbeiträgen: aa) In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren, die als Verwaltungsverfahren i. S. d. § 9 VwVfG konzipiert sind, stehen den außenwirksam handelnden Behörden nach Maßgabe von § 26 Abs. 1 VwVfG verschiedene Beweismittel zur Verfügung, derer sie sich nach pflichtgemä­ ßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts bedienen können. Diese all­ gemeine Regelung wird im Fachrecht der Sache nach häufig aufgegriffen und konkretisiert. Auch in privatrechtlich ausgestalteten Zulassungsverfahren wie den Konformitätsbewertungsverfahren im Produktsicherheitsrecht sind den mit originären Entscheidungskompetenzen ausgestatteten Benannten Stellen verschiedene Befugnisse zur Sachverhalts- und Tatsachenermittlung eingeräumt. bb) Im nationalen Recht sind originäre Sachentscheidungskompetenzen sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zu­ lassungsverfahren nicht notwendigerweise an das Bestehen verfahrensrecht­ licher Befugnisse zur Sachverhaltsermittlung gekoppelt. Insoweit folgt die Einräumung von Befugnissen zur Sachverhaltsermittlung zu Gunsten sach­ verständiger Stellen keinen schematischen Regeln, sondern hängt von den sachbereichsspezifischen Modalitäten des jeweiligen Zulassungsverfahrens ab. cc)  Die Frage, ob die Ablehnung eines auf die Erteilung eines begünstigen Verwaltungsakts gerichteten Antrags als belastender Verwaltungsakt qualifi­ ziert werden kann, der die im Außenverhältnis handelnde Behörde vor sei­ nem Erlass nach Maßgabe von § 28 Abs. 1 VwVfG zu einer Anhörung des Antragstellers verpflichtet, kann in naturwissenschaftlich-technisch komple­ xen Zulassungsverfahren typischerweise dahinstehen. Häufig statuiert das Fachrecht besondere Hinweis- und Unterrichtungspflichten der außenverant­ wortlich handelnden Behörde im Verhältnis zum Antragsteller, die dem An­ sinnen der Anhörungspflicht aus § 28 Abs. 1 VwVfG in der Sache Rechnung tragen. In privatrechtlich konzipierten Zulassungsverfahren werden Anhö­ rungspflichten verwaltungssubstituierender sachverständiger Stellen in der Regel vertraglich geregelt.

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§ 7 Ergebnisse und Fazit

dd)  Die Verknüpfung der Verfahrensrechte von Antragstellern mit der au­ ßenwirksamen Verwaltungsentscheidung kann in naturwissenschaftlich-tech­ nisch komplexen Zulassungsverfahren, in denen die außenverantwortlich handelnde Behörde an interne Entscheidungsbeiträge von anderen sachver­ ständigen Stellen gebunden ist, insbesondere das Anhörungsrecht leerlaufen lassen. De lege ferenda ist daher für sachverständige Stellen, die verwal­ tungsintern bindende Entscheidungsbeiträge abgeben, die Implementierung einer eigenständigen Pflicht zur Anhörung von Antragstellern zu erwägen. ee)  Der vom Deutschen Juristentag im Jahr 2016 unterbreitete Vorschlag der Errichtung einer staatlichen Gutachtenstelle für Umweltschutz, die „ins­ titutionell unabhängig“ ist und mit „sachlich unabhängigen“ Mitgliedern be­ setzt ist, lässt die Konturen des Unabhängigkeitspostulats offen und kann das Ziel der Erhöhung der Legitimität von Sachverständigengutachten realisti­ scherweise nicht erreichen. b) Der Entscheidungsbeitrag: aa) In naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren gilt im Allgemeinen der Grundsatz formeller Letztverantwortung bzw. -ent­ scheidungskompetenz verwaltungsinterner sachverständiger Stellen. Im Fach­ recht wird dieses Postulat vielfach eingeschränkt und durchbrochen. bb) Nach geltender Rechtslage unterliegen ausschließlich im Außenver­ hältnis ergehende Zulassungsentscheidungen sachverständiger Stellen einer Begründungspflicht. Nimmt man die rechtsstaatlichen Funktionen der Be­ gründungspflicht ernst, muss sie in naturwissenschaftlich-technisch kom­ plexen Zulassungsverfahren konsequenterweise auch für verwaltungsintern wirkende Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen gelten, die die ­federführende Behörde im Außenverhältnis binden. Eine dahingehende Be­ gründungspflicht sollte im Fachrecht ausdrücklich kodifiziert werden. 6. Gerichtliche Überprüfung: a) Kontrollzugang: aa) Ungeachtet des jeweils eröffneten Rechtswegs gilt für den gerichtli­ chen Kontrollzugang gegen naturwissenschaftlich-technisch komplexe Zulas­ sungsentscheidungen der Grundsatz des Vorrangs des subjektiven Rechts­ schutzsystems. Objektive Rechtsschutzkontrollen nehmen nur eine flankie­ rende Funktion ein. bb)  Das bloße Vorhandensein einer funktionierenden Gerichtsbarkeit kann aufgrund des hiermit einhergehenden Klagerisikos die Tätigkeit sachverstän­ diger Stellen in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsver­ fahren disziplinieren und rationalisieren. Voraussetzung hierfür ist das Beste­



§ 7 Ergebnisse und Fazit547

hen eines gerichtlichen Kontrolldrucks, der seinerseits neben einer hinrei­ chenden Anzahl klagebefugter Personen auch deren hinreichenden Informa­ tions- und Kenntnisstand erfordert. b) Kontrolldichte: aa)  Das Postulat des gerichtlichen Vollüberprüfungsanspruchs des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gilt auch für die Überprüfung naturwissenschaftlich-technisch komplexer Zulassungsentscheidungen, wird sachgebietsspezifisch aber zu­ rückgenommen. bb)  Die Gerichte sind bei der Überprüfung der von sachverständigen Stel­ len in naturwissenschaftlich-technisch komplexen Zulassungsverfahren ge­ troffenen bzw. von ihnen mitgeprägten Zulassungsentscheidungen richtiger­ weise nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall verpflichtet, gerichtliche Obergutachten einzuholen. cc) Die Überlegung, fehlende Unabhängigkeit sachverständiger Stellen durch eine Modifikation der gerichtlichen Verfahrens- und Inhaltskontrolle zu modifizieren, kann nicht überzeugen, da sie in letzter Konsequenz eine Interpretation des Unabhängigkeitspostulats fordert, die vom Willen des Ge­ setzgebers nicht mehr gedeckt ist. dd) Ungeachtet der im Zuge des „Funktionswandels der Verwaltungs­ gerichtsbarkeit“ diskutierten Reformansätze sind die Gerichte institutionell nur bedingt in der Lage, die Sachorientierung und Rationalität der Tätigkeit und Entscheidungsbeiträge sachverständiger Stellen in naturwissenschaftlichtechnisch komplexen Zulassungsverfahren zu überprüfen und zu gewährleis­ ten. Diesbezügliche Problemlösungen sind daher vorrangig auf der vorgela­ gerten Ebene des Organisations- und Verfahrensrechts zu suchen.

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Auskunftsverzeichnis Auskunft des Arbeitskreises Medizinischer Ethik-Kommissionen in der Bundesrepu­ blik Deutschland e. V. vom 15.06.2019 per E-Mail. Auskunft des BAF vom 24.01.2017 per E-Mail. Auskunft des BAF vom 24.04.2017 per E-Mail. Auskunft des BAF vom 08.10.2018 per E-Mail. Auskunft des BfArM vom 24.05.2019 per E-Mail. Auskunft des BMEL vom 29.03.2019 per E-Mail. Auskunft des BMU vom 11.04.2019 per E-Mail. Auskunft der Bundesnetzagentur vom 14.06.2019 per E-Mail. Auskunft des BVL – Abteilung Gentechnik, Stabsstelle Juristische Angelegenheiten der Gentechnik – vom 16.11.2018 per E-Mail. Auskunft des BVL – Abteilung Gentechnik, Stabsstelle Juristische Angelegenheiten der Gentechnik – vom 19.03.2019. Auskunft der ZKBS vom 20.03.2018 per E-Mail. Auskunft der ZLG vom 11.06.2019 per E-Mail.

Sachregister Abstands- und Distanzgebot  200, 257, 431, 440–442, 454, 490, 534, 544 Anhörung  65, 109, 153, 154, 189, 200, 217, 245, 258, 278, 280, 281, 336, 339, 465, 467, 468, 471–477, 486, 531, 533, 545, 546 Anlagenzulassungsverfahren  42, 66, 93, 170, 258, 347, 388, 466, 478, 485, 488, 507 Aufsichts- und Weisungsstrukturen  223, 479, 483 Befugnisse –– sachverständiger Stellen  36, 46, 63, 64, 92, 121, 153, 167, 202, 217, 218, 244–446, 465–471, 481, 484, 495, 545 Begründungspflichten  67, 279, 493, 499, 504–507 Behördenbeteiligung  91, 136, 152, 179, 261, 276, 282, 291, 292, 378, 440, 484, 507 Benannte Stellen  172, 228–234, 236, 237, 239–248, 250, 251, 253–255, 257, 351, 356, 359, 366, 395, 435, 470, 479, 488, 500, 513, 515 Bindungswirkung –– faktische bzw. praktische  156, 161, 371, 499, 504 –– faktische bzw. praktische  98, 129, 131, 224, 477, 496, 498 Binnenrationalität –– bei pluralistisch besetzten Kollegial­ gremien  125, 135, 167, 481, 483 böser Schein –– fehlender Unabhängigkeit  87, 151, 212, 437, 438, 439, 448, 451, 462, 463, 544 Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF)  74, 75, 137–141, 143, 145,

146, 148–165, 167, 261, 264–278, 280–288, 328, 337, 342–345, 354, 358–360, 365, 372, 376, 378, 379, 386, 387, 394, 404, 407, 409, 410, 418, 422, 425, 427, 432, 433, 436, 438–440, 442, 444, 449, 455, 458, 462, 466, 467, 470, 474, 475, 480, 482, 484, 486, 491, 492, 495, 501– 505, 509, 512, 524 Bundesnetzagentur  61, 170, 173–178, 180–199, 216, 238, 242, 256, 258, 269, 271, 273, 275, 303, 313, 328, 348, 354, 359, 363, 364, 376–378, 394, 397, 403, 404, 407–409, 420, 421, 427, 431, 433, 438, 439, 441, 443, 454, 460, 466, 469, 473, 478, 480, 482, 491, 495, 500, 511, 518, 524, 525 Demokratieprinzip  27, 33, 62, 96, 111, 126, 135, 180, 185, 206, 211, 223, 224, 248, 315, 319, 320, 363, 368–370, 372, 374–379, 383, 389–391, 414, 435, 468, 493, 499, 540, 541 Deutsche Flugsicherung GmbH (DFS)  74, 75, 98, 136, 138–167, 175, 188, 190, 196, 213, 228, 261, 264, 265, 267, 270, 271, 274, 275, 277, 278, 281, 285–287, 299, 309, 328, 344, 354, 358, 359, 365, 371, 372, 384, 385, 387, 393–395, 402, 404, 410, 412, 415, 418, 425, 427, 430–432, 434, 439, 440, 442, 445, 447–449, 452, 458, 462–464, 466, 471, 477, 480, 483, 491, 495, 499, 504, 509, 512, 524 Entscheidungspräformation  496, 498, 504

Sachregister573 Ethik-Kommissionen –– im Arzneimittelrecht  27, 32, 61, 263, 264, 314–333, 335–345, 354, 355, 360, 365, 366, 379–382, 387, 394, 395, 404, 411, 413, 418, 423–426, 432, 435, 445, 447, 452, 453, 456, 457, 468, 469, 473, 481, 483, 492, 497, 500, 512, 525 Fachkompetenz  29, 36, 45, 57–60, 62, 72, 77–82, 84, 87, 91, 100, 101, 103, 111, 113, 114, 124, 128, 134, 141–143, 146, 149, 162, 165–167, 170, 172, 180–182, 199, 200, 203, 205, 207, 209–211, 215, 236–240, 255, 256, 268–270, 287, 291, 294–298, 313, 320, 322–325, 327, 331, 342, 343, 346, 351, 354, 363, 364, 375, 385, 401–415, 417–430, 433, 434, 437, 446, 448, 450, 451, 453, 459, 479, 499, 532, 538, 541, 542, 543, 545 Gegensachverständiger  61, 123, 171, 172, 200–228, 238, 239, 242, 248, 254, 256–258, 285, 348, 354, 361, 365, 375, 376, 382, 383, 387, 388, 390, 393, 395–397, 399, 403, 411, 413, 414, 416, 419, 424, 425, 427–429, 431, 432, 435, 445, 447, 448, 450, 453, 457, 460, 467, 470, 476, 479, 480, 483–487, 491, 492, 494, 495, 497, 503, 505, 510, 512, 517, 519, 520, 525 Hochrisiko-Medizinprodukte  173, 228–232, 235, 236, 243–245, 248–252, 254–256, 258, 322, 347, 348, 353, 354, 356, 359, 379, 380, 382, 403, 423, 432, 435, 447, 467, 469, 473, 479, 483, 488, 492, 497, 500, 513, 515, 517, 519, 523, 525, 528, 540 klinische Prüfung –– von Arzneimitteln  27, 32, 263, 264, 314, 315, 317, 318, 321, 323–325, 327–331, 333–335, 337, 339, 341, 342, 360, 394, 413, 497

Kohärenz  38, 207, 348, 353, 362, 391, 393, 426, 427, 433, 459, 484, 485, 505, 522, 526, 536 Kompetenzvermutung  271, 410, 425 Kontrolldichte  37, 67, 69, 70, 101, 102, 131–133, 162, 197, 225, 258, 287, 313, 340, 410, 438, 510, 524–526, 528, 529, 533, 534, 536, 537, 547 Kontrolldruck –– präventiver  94, 134, 135, 220, 227, 248, 254, 255, 258, 465, 478, 517–519, 520 Kontrollzugang –– gerichtlicher  37, 68, 69, 162, 226, 253, 254, 340, 510–513, 519, 522, 524, 526, 546 Legitimation –– demokratische  29, 33, 36, 56, 57, 96, 110, 147, 171, 210, 211, 223, 224, 293, 320, 329, 331, 342, 362, 367–377, 381, 385, 436, 455, 481, 483, 505, 514, 521, 537, 540 Legitimationsbeitrag  362, 367, 374–383, 385, 420–426, 454, 456–459, 468, 481–484, 499, 505, 514, 521, 526, 536, 541 Letztverantwortung –– staatlicher Verwaltungsbehörden  67, 96, 224, 366, 493–498, 546 NABEG-Vorhaben  174–176, 178–182, 184, 186–190, 192, 193, 195–197, 199, 258, 269, 303, 348, 397, 408, 439, 454, 478, 495, 519 Öffentlichkeitsbeteiligung  42, 66, 93–95, 122, 124, 125, 137, 154, 167, 174, 200, 258, 276, 278, 290, 304, 307, 312, 314, 360, 388, 465–467, 478, 479, 482, 485, 486, 488, 510, 522, 524 Planfeststellungsverfahren  27, 42, 61, 63, 93, 170, 173–177, 179, 181, 183–185, 187, 188, 190, 193, 196, 198, 199, 216, 257, 262, 269, 271,

574 Sachregister 290, 291, 300, 303, 306, 312, 313, 337, 347, 353, 360, 364, 372, 376, 377, 385, 394, 397, 403, 407, 420, 427, 431, 438, 439, 443, 450, 466, 469, 473, 478, 480, 482, 491, 492, 495, 512, 519, 524, 525 Präventionsfunktion –– des gerichtlichen Kontrollzugangs  227, 259, 517, 523 Qualitätssicherungsverfahren  42, 44, 45, 49, 63, 66, 173, 347, 442, 465, 467, 485 Rechtsstaatsprinzip  28, 96, 181, 183, 185, 192, 218, 269, 272, 363, 389, 405, 407, 419, 433, 440, 444, 455, 515, 540, 543 Rezeption –– von Entscheidungsbeiträgen  219, 227, 480, 483, 484 Risikoentscheidung  32, 43 Risikoverfahren  26, 28, 31, 32, 34, 43, 44, 46, 48–50, 171, 227, 347, 365, 408, 409, 442, 466 Sachverhaltsermittlung  64, 121, 153, 202, 216–218, 467–471, 484, 495, 545 Sachverständiger im Atomrecht  72, 75, 78–81, 83–87, 89–91, 93–96, 98–104, 106, 113, 115, 116, 118, 120, 125, 138, 141, 146, 148, 149, 152, 153, 157, 161, 164, 167, 175, 188, 190, 196, 208, 213, 221, 223, 225, 228, 299, 308, 354, 361, 365, 371–373, 383, 387, 390, 393, 395–397, 399, 401, 402, 415, 419, 424, 425, 427, 430, 446–448, 451, 453, 457, 462, 464, 465, 477, 478, 480, 483, 484, 491, 493, 499, 504, 506, 512, 519, 524, 525, 531 Schutzpflichten –– staatliche  206, 209, 220, 349, 350, 405, 406, 414, 415, 479, 493, 496, 521, 542 Strukturschaffungspflicht  373, 436

Trennungsgebot –– innerbehördliches  257, 439, 443, 444, 544 Umweltverbände –– anerkannte  268, 288, 290–292, 295, 303, 304, 307, 311, 314, 337, 343, 344, 392, 413, 425, 428, 458, 459, 477, 483, 504, 512 Unabhängigkeit  34, 36, 57, 58, 60–62, 67, 72, 75, 78, 80, 84, 85, 87, 90, 100, 103, 108, 111, 115–117, 119, 124, 126, 135, 141, 146, 148, 151, 152, 165–167, 170, 171, 180, 183–187, 190–193, 195, 200, 203, 205–207, 210, 211, 213–215, 218, 220, 223, 227, 236, 240–242, 244, 249, 250, 255, 257, 261, 268, 271, 272, 275, 287, 291, 294, 298, 300–303, 305, 313, 320, 322, 323, 327–329, 331–333, 342, 344, 346, 355, 356, 365, 375, 385, 401, 430–440, 443, 444, 446–454, 456–459, 463, 479, 490, 499, 520, 526, 531–534, 538, 540, 541, 543, 544, 547 Verwaltungsbinnenrecht  273, 280, 285, 288, 378, 382, 395, 421, 422, 424, 435, 455, 457, 475, 482–486, 502–507 Vollüberprüfungsanspruch –– gerichtlicher  96, 199, 311, 410, 528, 529, 542, 547 Wissensasymmetrie  27 Zentrale Kommission für die Biologi­ sche Sicherheit (ZKBS)  61, 73, 74, 98, 104–135, 138, 142, 146, 148, 152, 157, 158, 161, 167, 175, 188, 190, 196, 212, 213, 219, 221, 223, 228, 308, 323, 327, 336–338, 341, 342, 354, 358, 365, 371–373, 383, 384, 387, 392, 394, 397, 399, 400, 402, 404, 413, 415, 416, 418, 425, 426, 428, 430, 434, 447, 448, 452, 453, 457, 465, 466, 468, 471, 477, 479, 480, 481, 483, 491, 493, 498, 499, 504, 508, 510, 512, 519, 520, 524