Die heiligen Narren: Punk 1976-1986 [Reprint 2011 ed.]
 9783110870404, 9783110133776

Table of contents :
Einleitung
Literatur
Daten
1 Etymologie
2 Punk in Zahlen
3 Geographie
4 Geschichte
5 Das Umfeld
5.1 Skinhead
5.2 Mod und Teds
5.3 Rocker
5.4 Rasta
5.5 Hippies
5.6 New Wave
5.7 Popper
5.8 Hardcore
6 Sex Pistols
7 Anarchy in the UK
8 Musik
8.1 Texte
8.2 Bandnamen
8.3 Schallplatten
8.4 Kassetten
8.5 Compact Discs
8.6 Video
8.7 Film
8.8 Konzerte
9 Ausstattung
9.1 Haare
9.2 Make-Up
9.3 Jacke
9.4 Hemd / T-Shirt / Pullover
9.5 Hosen / Röcke
9.6 Schuhe
9.7 Accessoires
10 Punk
10.1 Namen
10.2 Fanzines
10.3 Flyer
10.4 Graffiti
10.5 Reisen und Wandern
10.6 Aufenthaltsorte
10.7 Alkohol und Drogen
10.8 Schnorren
11 Punk in der Werbung
12 Punk auf Postkarten
13 Punk überall
14 Punk – Strukturmerkmale
15 Vorläufer
15.1 Skinhead
15.2 Dada
15.3 Narren
15.4 Franziskaner
16 Die heiligen Narren
17 Punk – 1987
Literatur
Allgemeine Literatur
Franziskaner / Mönchtum
Narren
Punk
Glossar
Bildteil

Citation preview

Materiale Soziologie TB 1 Die heiligen Narren

Materiale Soziologie TB 1

Materiale Soziologie stellt Arbeiten vor, in denen konkrete kulturelle Lebensformen dokumentiert und analysiert werden. Soziologie ist hier Wirklichkeitswissenschaft: der untersuchte Einzelfall kommt selbst zur Sprache. Beschreibung, Deutung und Theorie müssen sich am Material bewähren, an der soziologischen Rekonstruktion von Milieus, Stilen, kommunikativen Mustern, Handlungsfiguren und Sinnkonstruktionen des gesellschaftlichen Lebens. Materiale Soziologie vereinigt Perspektiven von Wissens-, Kultur- und Sprachsoziologie einerseits, Kulturanthropologie und Ethnologie andererseits. Die Autoren stützen sich auf Verfahren der Ethnographie, der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik und der Gattungsanalyse: kontrollierte Rekonstruktion tritt an die Stelle sonst üblicher Konstruktion und Spekulation.

Thomas Lau Die heiligen Narren Punk 1976-1986

W DE

G Walter de Gruyter · Berlin · New York

1992

Thomas Lau ist wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl Soziologie II: Kommunikation — Wissen — Kultur im Fachbereich Erziehungs-, Sozialund Geisteswissenschaften der FernUniversität Hagen

Das Buch enthält 34 Abbildungen

© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die U S - A N S I - N o r m über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek



CIP-Einheitsaufnahme

Lau, Thomas: Die heiligen Narren : Punk 1976—1986 / T h o m a s Lau. — Berlin; New York : de Gruyter, 1992 (Materiale Soziologie ; TB 1) Zugl.: Hagen, Fernuniv., Diss. ISBN 3-11-013377-6 NE: GT

© Copyright 1992 by Walter de Gruyter & Co., D-1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Z u s t i m m u n g des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Druck: Offsetdrukkerij Kanters, Ablasserdam. — Buchbinderische Verarbeitung: Dieter Mikolai, Berlin. — Einbandentwurf: Johannes Rother, Berlin.

Vorwort "Viva Punk, 10 Jahre lang, schönen Dank, und wir hängen noch 100 Jahre dran," singen die Toten Hosen,1 und bevor die hundert Jahre angehängt werden, hängen wir uns an die Spuren, die die ersten zehn Jahre hinterlassen haben. Enttäuschungen wird diese Spurensuche denjenigen bereiten, die "Punk" schon immer oder immer noch als "Punk-Rock" verstehen. Auch wenn die Musik eine meist laute und nicht zu vernachlässigende Rolle im Alltag des Punks von Nebenan spielt, so wird sie zwar in angemessenem Umfang berücksichtigt, aber weder in Form einer bespielten Kassette beigelegt, noch durch die ultimative Craw-Discographie oder seltene Photos der Destructors und weitaus skurrilerer Bands gewürdigt. Enttäuscht sind vielleicht auch all diejenigen Personen, die von den unvermeidlichen Danksagungen nicht verschont bleiben, haben sie doch tapfer während der letzten sieben Jahre mit zum Teil bewunderswerten Langmut meine Nachforschungen unterstützt und müssen nun mitansehen, wie sie mit der Auflistung ihres Namens ein in keinem Verhältnis zu ihrer Unterstützung stehenden Dank erfahren. Besonderer Dank geht an Andreas Voß, der auf die Anmerkung besteht, daß er mehr als nur den Hinweis auf die Nietenarmbänder in den Sex-Shops lieferte, sowie an Christoph Jess, der vom Interviewee zum Freund wurde. Gleichfalls besonderer Dank geht an Prof. Dr. Hans-Georg Soeffner, bemitleidenswerter Doktorvater, der geduldig seltsame Musik und seltsame Deutungen ertrug. Lotsa thanx to Prof. Dr. Anselm Strauss for his warm-hearted support, even if he does not like Henri Matisse. Die Franziskanermönche in Münster stellten ihre umfangreiche Bibliothek zur Verfügung und sich einer lebhaft geführten Diskussion. Herzlichen Dank besonders an Pater Titus! Ebenfalls ein Freiexemplar erhält Michael Arndt. Er weiß schon, warum. Danken möchte ich auch Anton von den Upright Citizens, Bad Religion, Harald Baerenreiter, Brian Benjamin, Dougie Cameron, Mike Charlesworth, Andy Clare, Crop, Prof. Dr. Werner Fuchs, Rainer Funk, Ar/Gee Gleim, Holger Gluth, Burkhard Järisch, Hannes von K.G.B., Hass, Alan Mead, Bob McKenzie, Uwe Mindrup, Karl Nagel, Anne Ullrich, Karsten Schwerdfeger, den Toten Hosen, Willi Wucher und Mike Yearsley. Stellvertretend für meine kickenden und deutenden Kollegen an der Fernuniversität Hagen danke ich Jo Reichertz. Trotz Verwunderung ob dieses Themas halfen Tante Wilma, Tante Rosa und Tante Lisbeth, einige finanzielle Dürreperioden zu überstehen und ermöglichten den Kauf mehrerer zur Datenerhebung unerlässlicher Tankfüllungen. Auch an sie geht mein Dank. Ebenfalls finanzielle und andere Unterstützung gewährten mir meine Eltern: ohne sie hätte ich mir einige Fußnoten nicht leisten können! Danke! Dauerhaft den zum Teil lauten Daten ausgesetzt ist Birgit, meine Ehefrau, sowie seit zwei Jahren unsere Tochter Nina Simone. Ihrer Geduld gilt meine Bewunderung.

VI

Vorwort

Vom Danke befreit sind Stromer und Säcke, die in mir einen datenerhebenden Goldesel sahen.

Anmerkungen 1

Einer von mehreren, von verschiedenen Personen vorgetragenen Beiträgen zum Song Für immer Punk der Goldenen Zitronen, erschienen auf der LP Porsche, Genscher, Hallo HSV! (D 87).

Inhalt

1 2 3 4 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8 6 7 8 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5 8.6 8.7 8.8 8.8.1 8.8.2 8.8.3 8.8.4 8.8.5 9 9.1 9.2 9.3 9.4 9.5 9.6 9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3

Einleitung Literatur Daten Etymologie Punk in Zahlen Geographie Geschichte Das Umfeld Skinhead Mod und Teds Rocker . .· Rasta Hippies New Wave Popper Hardcore Sex Pistols Anarchy in the UK Musik Texte Bandnamen Schallplatten Kassetten Compact Discs Video Film Konzerte Pogo Gobbing Stagediving Slammen Moshen Ausstattung Haare Make-Up Jacke Hemd / T-Shirt / Pullover Hosen/Röcke Schuhe Accessoires Kopfbedeckungen . . Badges Patches

1 5 7 9 13 19 25 31 31 32 33 34 34 35 36 36 41 51 59 62 64 65 66 67 68 69 69 70 72 72 74 75 83 84 86 87 88 89 92 93 93 94 95

VIII

9.7.4 9.7.5 9.7.6 10 10.1 10.2 10.3 10.4 10.5 10.6 10.7 10.8 11 12 13 14 15 15.1 15.2 15.3 15.4 16 17

Inhalt

Beschriftungen Tätowierungen Hosenträger / Gürtel Punk Namen Fanzines Flyer Graffiti Reisen und Wandern Aufenthaltsorte Alkohol und Drogen Schnorren Punk in der Werbung Punk auf Postkarten Punk überall Punk - Strukturmerkmale Vorläufer Skinhead Dada Narren Franziskaner Die heiligen Narren Punk - 1987 Literatur Allgemeine Literatur Franziskaner / Mönchtum Narren Punk Glossar Bildteil

95 96 96 101 101 101 103 104 104 105 106 107 111 113 117 119 123 124 125 126 127 133 141 143 143 150 153 154 159 161

Einleitung "Ein Jahrzehnt vor Challenger: Punk explodiert.";1 "Punk rock is 10 years old. If it was a kid it would be in the fourth grade.";2 "Where is the spirit of '76 in '86?";3 "10 Jahre Punk. Das kaputte Jubiläum.";4 "Punk: It made our day..."5 Das sind nur einige der Fragen und Feststellungen, die 1986 in der sich dafür zuständig haltenden Presse zu finden sind. In den derart übertitelten Artikeln wird der zehnte Jahrestag eines Phänomens behandelt, das allgemein als "Punk" bekannt ist.6 Auch wenn "Punk" aus dem Gleisbild der Städte mittlerweile verschwunden zu sein scheint, wird - verglichen mit "Punk" - keinem anderen Jugendphänomen seit den späten siebziger Jahren auch nur vergleichsweise annähernd kontinuierliche Beachtung geschenkt. Die zu Beginn der 70er Jahre ihren Zenit überschreitenden Hippies pflegen ihr Flower-Power-Mauerblümchendasein, außerdem wird ihnen zunehmend ihre einstige Drogenhoheit genommen; die Popper halten sich nur kurze Zeit - der Begriff verschwindet bald wieder aus dem Sprachgebrauch - und nur vereinzelte Merkmale lassen sich bei den Yuppies wiederfinden, einer Spezies, die nicht mehr zur Jugend gehört und außerdem mühsam auszumachen ist;7 Rocker, Halbstarke, Psychos, Grufties, Teds, Rastafaris, Mods, Skinheads oder auch Pfadfinder nimmt man ab und zu bei der Ausübung ihrer schlechten oder guten Taten zur Kenntnis,8 zu einer so gut wie stetig die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehenden Gruppierung reicht es nicht. Bei der langanhaltenden Dauer, mit der "Punk" unter anderem durch Produktion und Konsum einer auffälligen Musik, durch Fuß- und Auftritte im städtischen Szenario mit den unterschiedlichsten Folgen und durch Benutzung eigenwilliger Kleidung nebst dazugehöriger Accessoires von sich Sehen macht, ist es verwunderlich, daß bei den bisher vorliegenden Deutungsversuchen fast ausschließlich nur einzelne Elemente des Phänomens herangezogen werden. Gängige Ergebnisse, bereits bekannt aus der Analyse bisheriger jugendlicher Erscheinungsformen, sind die Folge 9 und stellen sich bei genauerer Betrachtung als völlig unzureichende, da zu kurz greifende, dar. 10 Unterzieht man sich der Mühe, nur einige unterschiedliche Daten über "Punk" zusammenzufassen, erhält man schnell ein Bild, das sich standhaft gegen alle oberflächlichen Verweise auf ähnlich schon einmal Dagewesenes wehrt. Dieser genannten Mühe werden wir uns unterziehen müssen, nicht nur um die Frage beantworten zu können, was "Punk" ist, sondern zunächst einmal in Erfahrung zu bringen, wie "Punk" eigentlich ist.11 Mit diesem Wissen werden wir nach Vorläufern der Bewegung Ausschau halten 12 und dabei erfahren, daß wir wohlmöglich weiter als bis zu den jugendlichen Unge(s)tümen dieses Jahrhunderts zurückzugehen haben. Und erst wenn diese beiden Ergebnisse vorliegen, kehren wir wieder ins Heute zurück, um zu sehen, ob "Punk" zufällig entstanden oder nur eine ver-

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Einleitung

nachlässigenswerte Laune westlicher Nachkriegskultur ist. Aber selbst diese leichten Fälle lassen weitere Fragen unbeantwortet. D e n n wenn nach Abschluß der Deskription und historischen Einbettung 13 des Phänomens "Punk" dieses sich als eine klar abgrenzbare kulturelle Einheit 14 herauskristallisiert, dann erhalten wir nicht nur ein Beispiel jugendlicher Kultur, sondern auch in deren Abgrenzungsbemühungen von anderer Kultur ein Bild eben dieser anderen - ohne dabei gezwungen zu sein, mit verschleiernden und frontenziehenden Begriffen wie Hoch- und Subkultur umgehen zu müssen. 15 D i e daraus resultierenden Fragen ergeben sich automatisch: Worauf reagiert "Punk"? Wie ist eine Gesellschaft beschaffen, die derartige Reaktionen ermöglicht? Ist "Punk" wirklich neu, oder besetzt "Punk" nur eine freigewordene Nische? D a ß sich nach der Beantwortung dieses Fragenkataloges ein weiterer zusammenstellen läßt, bleibt unbestritten, aber dessen Bearbeitung Anderen vorbehalten. Unser Thema ist das Punktum. Punktum.

Anmerkungen 1 2 3 4 5 6

Tempo (3/1986:3) Legs McNeil in: Spin (1/1986: 50) The Face (2/1986: 53) Tempo (3/1986) NME (1/2/86: 24) zu Beginn einer vierteiligen Serie "Punk. Ten years on." "Punk" selbst hält keinerlei Jubiläumsfeierlichkeiten, weder in diesem, noch in einem der beiden folgenden Jahre, ab. 7 Kellner/Heuberger (1988:325) mögen Auffälliges "an dem allgemeinen Erscheinungsbild der Yuppie-Gruppierungen" (1988:328) finden, vermeiden aber die Preisgabe eines empirischen Äquivalents, so daß "der Yuppie, der sich mit kostspieligem Aufwand sein Existenz-Dekor ausstaffiert," (1988: 330) wohl eher weiterhin im Halbschatten gesellschaftlicher Aufmerksamkeit kümmert. 8 Den hier genannten Gruppierungen wird im weiteren Verlauf die ihnen für diesen Rahmen gebührende Beachtung geschenkt. 9 vgl. z.B.: "Der Punk nimmt für sich in Anspruch, den Rebellengeist des Rock'n'Roll wieder zum Leben zu erwecken, (...)" Faulstich (1986: 158); "Folglich revoltierte Punk gegen die organisierte Langeweile, indem alles Herkömmliche und Überkommene destruiert wurde." Skai (1981: 23); "Die Kleidung sollte als sexueller Fetisch wirken." Brake (1981: 94). 10 Eine Diskussion der bisher von und an anderer Stelle gewonnenen Ergebnisse zu Punk bleibt dem Leser erspart. Ein im weiteren Verlauf ausführlicher gewürdigtes Beispiel soll aber schon jetzt zeigen, daß ein sorgfältigeres Beobachten der Szenerie einige Unzulänglichkeiten bisheriger Annahmen sehr schnell aufdeckt: "Punk" wird nur allzu häufig unter der Kategorie "Jugend" geführt, was sicherlich bei Berücksichtigung der Altersstruktur eines Gros der Punks seine Berechtigung hat. Aber sowohl das sehr frühe Einstiegsalter wie auch das teilweise zu beobachtende, das Jugendalter überschreitende hohe Alter einiger Punks entlarven die genannte Kategorie als Resultat ungenauer Beobachtung! Schon 1980 stellt Seessien (1980: 268) fest: "Wenn jemand mal eine Doktorarbeit schreiben will über den Zusammenhang von Verfälschung/böswilliger Fehldeutung in den Medien und politischer Ökonomie/persönlicher Lebenssituation der Macher, dann soll er durchforsten, was im Jahr 1980 über die Punks und andere 'Jugendphänomene' geschrieben wurde."

Anmerkungen

3

11 Vgl. dazu Weber (1980: 1-11), sowie Soeffner (1985:118) zur "Rekonstruktion eines objektiven Typus gesellschaftlichen Handelns". 12 vgl. Weber a.a.O., Mauss (1978: llff), Soeffner (1985: 119) 13 Ganz im Sinne des lapidaren "Unsere Methode ist die des präzisen Vergleichs." bei Mauss (1978: 14). 14 vgl. dazu Soeffner (1988: 5) 15 Das erspart uns dann auch so Sätze wie: "Jugendliche Subkulturen werden als generationsspezifische Subsysteme klassenspezifischer Stammkulturen (...) verstanden." oder Kraftakte, wie die "Einbettung dieser jugendlichen Subkulturen in das gesamtgesellschaftliche Beziehungsgeflecht hierarchischer 'Klassenkulturen'", [beide von Rolf Lindner im Vorwort zu Clarke et al (1979: 10), Hervorhebungen vom Verfasser]

Literatur Zum Themenbereich "Punk" scheint es auf den ersten Blick genügend Literatur zu geben, die ein weiteres Werk wie dieses hier zwar in ihren Reihen aufzunehmen bereit zu sein, aber mühelos ohne es auszukommen scheint. Doch wie bei den meisten ersten Blicken ist es auch bei dem oben unterstellten so, daß er trügt. Verglichen mit anderen Erscheinungsformen jugendlicher Phänomene gibt es über "Punk" kaum ein Werk, das mit dem Qualitätssiegel "Standard" versehen werden kann.1 Die sich ausschließlich mit Teilaspekten des Phänomens "Punk" beschäftigende Literatur läßt sich in fünf Gruppen aufteilen: a) Punk-Rock Literatur, in der entweder die Punkmusik oder einzelne (Punk-) Musiker thematisiert werden2; b) Detailszenen-Literatur, die sich einigen speziellen Bereichen, meist unter geographischen Gesichtspunkten, widmet3; c) Lexikalische Literatur, die "Punk" als ein Phänomen neben anderen behandelt und schon aus dieser Einschränkung und Perspektive heraus das gesamte Phänomen nicht in den Blick bekommt - unbedeutend, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt4; d) Punk-Literatur, die sich sowohl gestalterisch, wie auch inhaltlich dem "Punk" entlehnter Stilmittel bedient, und alleine durch ihren dokumentarischen Gehalt zwar unterhaltend, aber bezüglich empirisch gewonnener Erkenntnisse meist unbrauchbar ist5; e) sonstige Literatur, zu der Zeitungs- und Zeitschriftenartikel gehören, sowie Beiträge aus Wissenschaft und Alltag, die "Punk" entweder als (vernachlässigenswerte) Exoten oder sozialpädagogisch zu Betreuende behandeln,6 und all die, die aus hier nicht näher erwähnenswerten Gründen mit dem Begriff "Punk" im weitesten Sinne umgehen7. Zu den Beiträgen, die sich unter einer der fünf gerade genannten Rubriken einordnen lassen, aber dennoch über "Punk" wertvolle Aussagen machen, gehören die folgenden, die auch dadurch vom Gros der anderen herausgehoben werden, daß sie wenigstens an dieser Stelle nicht in einer Fußnote verschwinden, im weiteren Verlauf sich aber mit diesem undankbaren Ort anfreunden müssen: Anscombe/Blair (1978), Vermorel (1978), Hebdige (1979) und Brake (1981), und sei es nur ganz einfach deshalb, weil sie am schnellsten reagiert haben8; Soeffner (1988), weil dieser Beitrag wegweisend für einige argumentative Schritte sein wird, zudem auf einige Daten, die im Rahmen dieser Arbeit erhoben wurden, zurückgreift und schließlich Burchill/Parsons (1978/1982), weil sie in ihrem "Nachruf auf den Rock and Roll" als erste und bis heute auch einzige den Tonfall der Bewegung literarisch angemessen umsetzen, sieht man einmal von Sams (1977) ab, der bisher einzigen "punk novel", die diesen Titel verdient, ein "Romeo and Juliet with safety pins".9

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Literatur

Anmerkungen 1

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Alleine die Skinheads kennen mit Knight (1982) und Mead (1988) zwei Standardwerke, die einen breiten Datenbestand vorlegen und sich an eine angemessene historische Darstellung des Phänomens heranwagen. Knight beschränkt sich dabei hauptsächlich auf die britische Szene, Mead - wie der Titel Skinhead Girl verrät - auf die weiblichen Skinheads, berücksichtigt aber auch europäische und amerikanische Strömungen. Vermorel (1978; 1987), Beverly (1980), Stevenson (1984), Morris (1985), Thomas (1988), Wood (1988), Gruen (1990), Matlock (1990), Monk/Guterman (1990) - alles Werke, die sich ausschließlich den Sex Pistols widmen, man beachte die Erscheinungsdaten! Es gibt keine andere Punkband mit einer auch nur annähernd vergleichbaren Menge an Literatur! Dazu gehören auch die einige Fotos von Nicht-Musikern enthaltenden, sich aber hauptsächlich an der Musik orientierenden Werke wie z.B. Davis (1977), Anscombe/Blair (1978), Coon (1982). Vgl. den 3-D Bildband (mit beiliegender Brille!) von Robert/Kulakofsky/Arredondo (1984) oder auch Belsito/Davis (1983) und Connolly/Clague/Cheslow (o.J.), die sich alle auf die amerikanische Szene konzentrieren. Einen Überblick über die australische Variante liefert Walker (1982). So ζ. B. Sommer/Wind (1986), mit einem Überblick über Jugendstile; Faulstich (1986), mit der Analyse von Texten und Songs aus der Rockmusik; Frith (1981) mit einigen Seiten über Punk in seinen Betrachtungen über "Jugendkultur und Rockmusik", Wroblewski/GommezVaez (1983), mit einem Fotoband; Chambers (1985); Farren (1987), mit dem Hauptaugenmerk auf den "Kult der schwarzen Lederjacke"; Heubner (1988), mit seinem westwärts über die Mauer gerichteten Blick auf "Modewellen und Protest in der westlichen Welt". Nicht dazu gehört Hoffmann (1981), der zwar im Untertitel "Drei Jahrzehnte Rock & Pop Music von Presley bis Punk" ankündigen läßt, sich aber ζ. B. im Kapitel zu den siebziger Jahren lieber Themen wie "Emanzipationsversuche mit Jazz- und Klassik-Rock" widmet, als auch nur einmal auf 283 Seiten "Punk" zu erwähnen! Unter diese Rubrik fallen Dempsey (1978), das aus der Wiedergabe einiger Seiten des legendären Sniffin' Glue Fanzines besteht, Anscombe/Blair (1978), Hahn/Schindler (1983), Ott/Skai (1983), aber auch Magisterarbeiten wie Skai (1981). Dazu gehört Gloss (1986), ein reiner Fotoband eines deutschen Fotografen, aber auch May (1986), eine "Untersuchung über den Lebenszusammenhang einer Punk-Clique" mit dem Abschluß, den "eine auf dem Hintergrund der konkreten Projekterfahrung geführte Erörterung von Selbstverständnis und Perspektive von Jugendforschung als praktisch-einhakender Sozialforschung" bildet. Dazu zählen Kinder- und Jugendbücher wie Chidolve (1985), ausgezeichnet mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 1986, die Hauptperson "Terry ist fünfzehn und sieht aus wie siebzehndreiviertel. Sie ist ein Biest und ganz schön verrückt, crazy. Lady Punk." (Klappentext), oder Schroeder (1983), dort geht es um "die fünfzehnjährige Brigitte, die sich 'Conny X' nennen läßt". Besagte Brigitte "weiß nicht, wo sie hingehört: Bin ich nun ein Punk oder mehr ein Ted?" (Klappentext). Jo Reichertz verdanke ich den Hinweis auf einen Kriminalroman, Estleman (1986). "Der Oklahoma Punk" spielt im Amerika der dreissiger Jahre und wird uns noch einmal begegnen. Weitere Qualitäten der angegebenen Werke neben dieser - zugegeben etwas schwachen werden später genannt. Mit diesen Worten ist der Titel The Punk und der Name des vierzehnjährigen Autors, Gideon Sams, auf der Vorderseite dieses schmalen Bändchens versehen. Abgebildet ist nur eine männliche Person, die in Hals und Nase je eine Sicherheitsnadel trägt.

Daten Bei einem Untersuchungsfeld wie "Punk", das weder überschwengliche Begeisterung - wie das Gros der versozialwissenschaftlichten, medienerprobten Bevölkerung - bei der Leutseligkeit vermeidenden, sozialwissenschaftlichen Annäherung zeigt, noch bereitwillig Einblick in das Feld gewährt, sind die ersten Schritte, die dazu dienen, sich in das von fast allen gängigen Verteilersystemen unabhängige System einzuschleusen, nicht nur zeitraubend, sondern auch kostenintensiv. Am 25. August 1988 versteigert das Auktionshaus Christie's in London Rock und Pop Memorabilien. Neben größeren Mengen Materials der Beatles, Rolling Stones und anderer renommierter Pop-Künstler kommen auch einige Objekte, die Sex Pistols betreffend, unter den Hammer. Dabei erzielt eine Lederjacke Sid Vicious', des Bassisten der Gruppe, den höchsten Preis, nämlich £2.400, aber auch die Filmscripts für The Great Rock'n'Roll Swindle und Who killed Bambi? finden für zusammen £280 einen Käufer.1 Am Tag zuvor erzielen bei einer Auktion von Phillips in New York verschiedene Memorabilien der Sex Pistols, darunter Sticker und Bücher, £180.2 Nun sind die gerade genannten und die in den Auktionslisten besagter Häuser auftauchenden Objekte nicht unbedingt zwingend notwendig bei der Analyse eines Phänomens, das "Punk" und nicht Sex Pistols heißt, heranzuziehen. Dennoch verweisen die Auktionsergebnisse auf einen bislang sozialwissenschaftlich ziemlich unbeachteten Umstand bei der Datenerhebung, nämlich den der Kosten. Hat der interviewende und transkribierende Forscher schon vor dem Einstieg in das gewählte Feld eine - bisweilen sogar forschungsantragsreife - ungefähre kostengünstige Ahnung über Art und Umfang des von ihm zu erhebenden Datenmaterials, so unterscheidet er sich in nicht zu vernachlässigender Weise von demjenigen, der sich zunächst interviewend in ein Feld begibt, dann aber bei den Interviews auf einen reichen Datenbestand stößt, der durch Befragung alleine nicht zu erheben ist. Neben einigen ab 1982 durchgeführten Videointerviews mit Punks aus dem Großraum Ruhrgebiet, dem ständigen Besuch von Auftritten diverser Punkbands 3 und ähnlicher szenetypischer Veranstaltungen während des gesamten Untersuchungszeitraumes (1982-1988), den postalischen Kontakten mit Punks in (fast) aller Welt und dem Beobachten der Reaktionen auf "Punk" im nahen und weiteren Umfeld,4 besteht der größte Teil der zugrundegelegten Daten aus Produkten, die "Punk" ohne jedwede sozialwissenschaftliche Animationstätigkeit produziert(e), z.B. Schallplatten, Kassetten, Fanzines, private Tagebücher, Videos, Bücher oder Photographien. Berücksichtigt werden bis 1986 einschließlich betreffende Daten. Die Daten aus den Folgejahren dienen dazu, die forschungspraktische Zäsur auch als eine solche zu kennzeichnen, und um dem weiterhin existierenden Phänomen gerecht werden zu können. Immer noch trifft Material ein - zuletzt z.B. einige Fanzines aus der Anfangszeit und das aktuelle Video der Punkband Griff in's Klo aus Lippstadt. Einige Daten bleiben in den sie umgebenden Nebeln verborgen.5 Und auch wenn die Erkenntnis, daß "das Dokumentieren (...) jedoch prinzipiell ebenso hinter der Vielzahl der Erscheinungen zurück(bleibt) wie das Interpretieren hinter der Vielzahl der Dokumente und der möglichen Interpretationsgegenstände"6 fast

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Daten

triumphierend auf den Datenbergen thront, k o m m e n wir nicht umhin, uns d e m vorliegenden Material zuzuwenden. D o c h bevor wir uns an d e n A b e n d des 28. Januars 1976 in eine Kleinstadt nördlich von London zurückversetzen, ist kurz auf die Begriffsgeschichte dessen einzugehen, was schon lange davor existiert: "Punk"!

Anmerkungen 1 2 3

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5 6

Die komplette Auktionsliste ist abgedruckt im Record Collector (No.110, 10/1988: 47). Wiedergabe der Auktionsergebnisse gleichfalls im Record Collector (No.110, 10/1988: 50ff). Für die Aufrechterhaltung der Kontakte zu den Punks ist ein Besuch der Konzerte von Punkbands unerläßlich, lautet doch bei fast allen Gesprächen mit Punks nach der Bekanntgabe des 'wissenschaftlichen Interesses' die Frage: "Haste denn schon mal 'ne Band live gesehen?" All denjenigen, die diese Frage aus beliebigen Gründen noch einmal stellen wollen, sei "Ja!" gesagt. Ein besonderer Dank geht an dieser Stelle an die Uprigfit Citizens, die u. a. eine teilnehmende Beobachtung der kanadischen Band D.OA. backstage vor deren Auftritt in Übach-Palenberg ermöglichten. Mit "nahem Umfeld" sind all diejenigen Situationen gemeint, in denen auf einen oder mehrere anwesende Punks oder deren hinterlassenen Handlungsergebnissen, wie ζ. B. Graffitis, leeren Bierflaschen oder Kothaufen, reagiert wird. Zum "weiten Umfeld" gehören diejenigen, die in irgendeiner Form auf "Punk" zurückführbare Elemente verwenden, ζ. B. in Form von Ver- und Bekleidung. Die aktuelle Suchliste umfaßt alleine über 100 Positionen Tonträger! Soeffner (1985: 117)

1 Etymologie1 Der Ursprung des Begriffes "punk" ist unbekannt, darin sind sich auch die Wörterbücher einig, die vor den Jahren 1976/77 das Wort "punk" aufführen.2 "Punk" kommt aus dem Amerikanischen, "appears ca 1600"3 und bedeutet zunächst, ohne Begriffe wie "Punk-Rock" und die Bezeichnungen für Anhänger dieser Musikrichtung schon zu berücksichtigen,4 "1. 2a. 2b. 3a. 3b. 3c. 3d. 3e. 4.

prostitute, strumpet something or someone worthless or inferior (devoid of worth or sense; poor in quality; disappointing; nonsensical; 'rotten')5 nonsense a youth used as a homosexual partner (a passive homosexual) a young and inexperienced person6 a young gangster7 a young tramp a stupid, naive, or foolish person a young untrained circus elephant8 adjektivisch: very poor in quality or condition".9

In den Englisch-Deutschen Wörterbüchern findet sich ein Großteil der Entsprechungen wieder, in einigen ausgepart wird nur die "Prostituierte"10, kompletten Verzicht erfahren der "passiv Homosexuelle" und der "Zirkuselephant". Die in den genannten Wörterbüchern fast ausnahmslos an erster Stelle stehende Übersetzung "faules Holz, der Zunder"11, "Zunderholz"12 entspricht "1. any prepared substance, usually in stick form, that will smolder and can be used to light fireworks, fuses, etc. 2. dry, decayed wood that can be used as tinder (...)".13 Hier besteht eine gewisse Einigung darüber, daß diese Variante dem Delaware entlehnt ist.14 Werden die ersten Begriffe zusammengezogen, so fällt auf, daß "Punk" eine einzelne, am Rande einer wie auch immer gearteten Normalität piazierte Person bezeichnet. Verstärkt wird dieses Außenseitertum15 durch die wenigen auf Gegenstände anzuwendenden Varianten. Selbst der kleine Zirkuselephant hat noch den Status des "untrained" zu verlassen, um in den Kreis der Etablierten aufgenommen werden zu können. Sieht man einmal von der Prostituierten ab, so wird der unter "Punk" zusammengefassten randständigen Person deren Außenseiterrolle zugewiesen aufgrund a) des jugendlichen Alters, b) krimineller Tätigkeiten und Vagabundierens, c) unüblicher sexueller Praktiken und d) einer aus fehlender Erfahrung resultierenden Naivität. Der einzige Nutzen des gänzlich Wert- und Nutzlosen besteht darin, daß mit ihm ein Feuer(werk) entfacht werden kann.16 "Punk" und seine Begriffsgeschichte findet nach 197617 durch die Hinzunahme einer Musikrichtung die Differenzierung der im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch schon lange vorher gängigen Vokabel,18 denn Collier's Year Book19 stellt für 1977 fest, daß "this year some quintessential rock and roll emanated from

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Etymologie

Great Britain. Called punk rock by some and new wave rock by others, (...)" und der Begriff "Punk" wird in den Wörterbüchern ergänzt. "Punk-Rock" bedeutet: "(late 1970s) loud, fast, violent style of rock music",20 "a form of hard-driving rock music characterized by an extremely bitter treatment of alienation and social unrest",21 "a type of pop music involving outrage and shock effects in music, behavior, and dress",22 "a loud, fast-moving style of rock music characterized by aggressive and deliberately outrageous lyrics and performance"23 Der Duden faßt in seiner 19. Auflage (1986) diese Beschreibungen des "PunkRocks" unter "Punk" zusammen und erklärt es als "bewußt primitiv-exaltierte Rockmusik".24 "Punker" ist dann ein "Jugendlicher, der durch exaltiertes, oft rüdes Verhalten und auffallende Aufmachung (ζ. B. grell gefärbte Haare) seine antibürgerliche Einstellung ausdrückt". Die Veränderungen sind fast unmerklich, aber interessant, denn in der 1980 erschienenen Ausgabe des Duden ("Das große Wörterbuch der deutschen Sprache", Band 5) ist "Punk" eine "Protestbewegung von Jugendlichen, die mit bewußt rüdem, exaltiertem Auftreten und lauter Musik25 provozieren will", sowie ein "Anhänger des Punk". "Punker" ist 1980 laut Duden ein "Musiker des Punkrock", im Brockhaus26 nur ein Synonym für "Punk", "eine von England ausgegangene Form der subkulturellen Jugend- und Protestbewegung mit scharf ausgeprägter Ablehnung der Gesellschaft, ihrer Erscheinungsformen und Vertreter" und "Anhänger des Punk, der durch grelle, oft provozierende Erscheinung auffallen will, oft Anhänger des Punkrock". Aus dem einstigen Ziel, zu provozieren, wird eine in Verhalten und Kleidung erkennbare Einstellung.27 Mit "Punk" wird sowohl nicht mehr nur eine einzelne Person, sondern jetzt auch eine Gesamtheit von Personen bezeichnet. Aus dem anfänglich sich nur zufällig in Gemeinschaft mit ähnlichen Personen befindlichen Außenseiter ist eine Gruppe von Personen mit gleicher Einstellung geworden, für deren Zusammengehörigkeit eine bestimmte Musik wichtig zu sein scheint. Und das alles ist Grund genug, die Anführungszeichen fallen zu lassen und sich Punk zuzuwenden!

Anmerkungen 1

Um die "semantische Palette des englischen Ausdrucks 'punk'" (Soeffner 1986: 336) kümmern sich nur wenige; neben dem genannten finden sich Hinweise bei Voß (1987), im Rahmen einer Hausarbeit zur Zweiten Staatsprüfung; eine knapp vierzeilige Begriffserklärung bei Kloke (1986: 43), einer germanistischen "sprachwissenschaftlichen Untersuchung des Deutungssystems einer Subkultur"; einen unkommentierten Auszug aus dem Shorter Oxford English Dictionary gibt Vermorel (1987: 1 % ) wieder.

Anmerkungen

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"Origin unknown" wird in folgenden Werken angeführt: 1961 im Oxford English Dictionary; 1971 in: Webster's Third New International Dictionary of the English Language und 1982 in: The American Heritage Dictionary, Second College Edition. mit Beispielen in: The Oxford English Dictionary Die nun kurz hintereinander folgenden Begriffserklärungen sind aus mehreren unterschiedlichen Wörterbüchern zusammengezogen. Die gewählte Reihenfolge bezieht sich hauptsächlich auf Webster's Third New International Dictionary of the English Language (Chicago 1971), läßt sich aber auch - nur unwesentlich verändert - in den anderen Werken wiederfinden. in: Α Supplement to the Oxford English Dictionary Margaret Mead ist bereits 1902 ein "Punk". In ihrer Autobiographie ist ein Kinderphoto und das entsprechende Kapitel über ihre ersten Lebensjahre mit "The original punk" betitelt (Mead 1972: 19ff). Das wird besonders dann deutlich, wenn in der deutsch synchronisierten Fassung einiger amerikanischer Filme plötzlich jemand als Punk bezeichnet wird, der ganz und gar nicht den (westeuropäischen) Vorstellungen von Punk entspricht. Meist sind es nicht besonders auffällig gekleidete Mitglieder (amerikanischer) Jugendbanden, ausschließlich männlichen Geschlechts und bisweilen auch schon im bundesrepublikanischen TV-Vorabendprogramm zu finden. Ein aktuelles (1989) Beispiel für die amerikanische Sichtweise ist das Attribut "Punk", welches dem amerikanischen Tennisprofi Andrew Agassi verliehen wird, dessen jugendliches Alter und das bisweilige Tragen einer abgeschnittenen Jeanshose schon das gesamte Repertoire an Aufsässigkeit ist. Vgl. auch: Estleman (1986), ein 1976 erschienener Kriminalroman mit dem Titel "Der Oklahoma Punk", Bezeichnung für einen in den zwanziger und dreissiger Jahren gefürchteten US-Bankräuber namens Virgil Ballard. Der "young untrained circus elephant" ist nur bei Webster's (1971) zu finden! Α Supplement to the Oxford English Dictionary (1982) erwähnt "a young circus animal" als Spezifikation zu "in show business: a youth or novice". Berücksichtigt bei dieser Zusammenstellung wurden neben obig zitiertem Werk die folgenden: The American Heritage Dictionary, Second College Edition (1982) und The Random House Dictionary of the Englisch Language (1967). Im Langenscheidt findet sie eine Aufnahme als "Dirne, Hure". Cassell's, a. a. O. Wildhagen/Heraucourt (1973) in: The Random House Dictionary of the English Language, New York 1967 Ein Hinweis darauf findet sich bei Webster's und u. a. schon 1792 bei Belknap und 1866 bei Lindley & Moore, beide zitiert in: Α Supplement to the Oxford English Dictionary (1982). Mit dem Begriff 'Außenseiter' ist an dieser Stelle weder eine Heroisierung oder Überzeichnung in anderer Form beabsichtigt, sondern soll nur auf die "Art Mensch" verweisen, "die keine Gewähr dafür bietet, daß sie nach den Regeln lebt, auf die sich die Gruppe geeinigt hat." (Becker 1973: 1) In einem amerikanischen Fanzineartikel (Jones/LaBruce: Don't be gay. Or, how I learned to stop worrying and fuck punk up the ass. in: MRR 71, 4/89) wird das benannte Personal und das Feuerholz in einem kurzen etymologischen Abschnitt zusammengezogen: "(...)punk is also an archaic word for dried wood used as tinder, the original meaning of the word 'faggot' as well. Homosexuals, witches, criminals, all denounced as enemies of the state, were once burned at the stake. The word for material used to set them on fire became another name of the victims themselves." vgl. auch:" 'Punk' acquired another sense about 1976, in connection with a new style of pop music - 'punk rock' - and the bizarre dress and hairstyles which went with it." (Hudson 1983a: 149).

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Etymologie

18 Zum Begriff "Punk-Rock" vor 1976 siehe ζ. B.: "How to bluff your way through punk rock" im NME (8/5/76: 27), oder das Kapitel "Punks" bei Shaw (1982: 47ff). 19 Gemeint ist die Ausgabe London 1978, die sich dem Jahr 1977 widmet. 20 in: Oxford Advanced Learner's Dictionary of Current English. Berlin/Oxford 1981. 21 in: The American Heritage Dictionary. Second College Edition. Boston 1982. 22 in: Oxford American Dictionary. New York 1980. 23 in: A Supplement to the Oxford English Dictionary. Oxford 1982. 24 Das ist eine Verkürzung der im Duden 1980 angegebenen Definition des Begriffes Punkrock, der eine "von den Punks ausgehende, schockierend dargebotene Art einer primitiven Rockmusik mit wenigen harten Akkorden" ist. 25 "Lauter Musik" meint sicherlich eine mit großer Lautstärke vorgetragene und nicht eine ganze Menge Musik, obwohl die sich ergebende Konnotation mit dem Verweis auf eine breitgefächerte Musikliebhaberschaft weitaus reizvollere Anmerkungen zuläßt als gerade diese hier! 26 Brockhaus Wahrig: Deutsches Wörterbuch in sechs Bänden. Stuttgart, 1983. 27 vgl. auch: " 'Punk' ist the attitude of mind, the style, the activity, and a 'punk' is also a person involved in it all." (Hudson 1983a: 149)

2 Punk in Zahlen Nichts ist leichter, als die Feststellung zu treffen, daß sinnvolle, verläßliche Zahlen über Punk schwer - im Sinne von: gar nicht - vorzulegen sind. Die Gründe dafür sind offensichtlich: Erstens steht der gewillte Punkvolkszähler vor der Schwierigkeit - sofern er nicht die hier vorliegende Arbeit verwendet erkennen und erklären zu müssen, wer sich als zählbarer Punk erweist und wer nicht. Ist derjenige schon ein Punk, der sich als solcher bezeichnet? Kann man Punk sein, ohne Crass zu kennen? Ist man Punk, auch ohne in der Lage zu sein, an einem Hauptbahnhof einer beliebigen deutschen Stadt mit über 100000 Einwohnern innerhalb einer halben Stunde 20 DM zusammenschnorren zu können? Zweitens existieren nicht immer eindeutig von Punk zu trennende Gruppierungen, die bei der Frage nach der Zugehörigkeit zu einer Gruppe die andere automatisch ausschließen.1 Drittens ist Punk eine reichlich durchlässige Gruppierung 2 mit einem harten Personalkern und - was die zahlenmäßige Stärke betrifft - ständig rotierenden Rändern. Viertens ist Punk - wie wir noch sehen werden - ein selten lokal gebundenes Phänomen. Bei Stichproben an beliebigen Orten besteht dann die Unmöglichkeit, Gastpunks auszusondern.3 Dennoch seien einige der erhobenen Zahlen zu Punk genannt, einerseits, um die genannten Schwierigkeiten zu verdeutlichen, andererseits, um vielleicht schon weitere Hinweise auf Charakteristika des Phänomens vorzufinden. "Dieses Ergebnis der Shell-Studie (1981) wird von unseren Daten (Sinus 1983), die eineinhalb Jahre später erhoben wurden, nicht bestätigt: Bei uns fanden nur noch 7% den Punk-Stil 'gut' (...). Diese Differenz läßt sich nicht ohne weiteres erklären. Es liegt nahe, einen Attraktivitätsverlust des Punk-Stils zu vermuten, andererseits können auch die unterschiedlichen Stichprobenverfahren (Quotenstichprobe bei Shell/Zufallsstichprobe bei Sinus) die Ergebnisse beeinflußt haben."4 Verschämt verschwindet ein scheinbar unerklärliches Phänomen von der Bildfläche und beim Sinus-Institut in einer Fußnote. Doch im gleichen Jahr taucht es an anderer Stelle wieder auf. Die sich mit Sätzen wie "Aus den Medien 'kennen' wir Jugendliche, die sich durch Aussehen, Lebensstil oder Aktivitäten hervortun"5 als Soziologen disqualifizierenden Stubenhocker Klaus Allerbeck und Wendy Hoag finden 44% unter 1983 "mehr als 2000 Befragten",6 die von der Gruppe der Punker sagen: "kenne jemanden davon", "selbst dazugehören" 0,3% der befragten Personen. Das Erstaunliche an diesen Zahlen ist weniger die geringe Menge Punks als die Tatsache, daß 880 Jugendliche das Erscheinen von nur 6 aufrechten Punks wahrnehmen. Bezüglich der Aufmerksamkeitssättigung einer möglichst hohen Anzahl von Menschen in Relation zu der Zahl der diese Aufmerksamkeit hervorrufenden Personen, ist gerade das eine Leistung, die keine andere der sechs weiteren genannten Gruppen dieser Untersuchung auch nur annähernd erreicht!7 Von den 1984, also ein Jahr nach der obigen Untersuchung, in der ShellStudie8 befragten 1472 Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren rechnen sich 17 zu den Punks, einer von 24 Fragebogenalternativen.9 Berücksichtigt man die

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möglichen Mehrfachnennungen, so fällt auf, daß die meisten - nämlich 6 der 17 Punks sich auch noch zur "FKK-Bewegung" zurechnen. 10 Nicht nur, daß sich Punk und FKK, letzteres von allem Outfit befreit, ausschließen, sondern auch die Parallelen beider Formen mit ihrem gesellschaftlich tolerierten Exhibitionismus sind beachtlich. Die meisten Punks werden aber nicht von den Wissenschaftlern, sondern von der Polizei erwischt. 1981 veröffentlicht eine Politologin Daten aus Hannoveraner Kriminalakten des Jahres 1980.11 119 Punks kommen zusammen und man stellt fest, daß es sich bei Punk "um ein abgrenzbares Jugend-Problem handelt: Fast alle untersuchten Punks waren zwischen 15 und 19 Jahre alt, keiner war jünger als 14 und nur sechs waren älter als 21 Jahre." Es bedarf schon einer gehörigen Portion Naivität, wenn sich dabei nicht die Frage stellt, woher die über 21 Jahre alten Mitglieder eines derart jungen, gerade erst auf die kontinentale Jugend zukommenden Phänomens kommen sollen.12 Weitaus interessanter ist die sich nach einem Blick in die Akten als haltlos erweisende "Behauptung, die Punks entstammten den ärmsten sozialen Schichten. (...) Zwar machten 77 Punks keine Angaben zum Beruf des Vaters," aber "von den 'geständigen' Punks waren 18 Kinder von Angestellten, zwölf Kinder von Facharbeitern, sieben Kinder von Hilfsarbeitern, drei Kinder von Beamten und zwei von Selbständigen." In einer ähnlichen Untersuchung der Berliner Polizei 1981 werden 114 straffällig gewordene Punks erfaßt. "Von den untersuchten Punkern waren 51 Schüler, 31 Lehrlinge, 13 Arbeiter, 18 Beruf und einer Student."13 "79 Punker (...) stammen aus gutbürgerlichen Elternhäusern." 14 "Bei Straftätern dominieren die 15jährigen mit 27 Tätern." 15 Die sich hier für die Bundesrepublik abzeichnenden Konturen der Punk-Szene entsprechen ganz und gar nicht den britischen Vorläufern, deren - eher durch flüchtigen Ohren- und Augenschein als durch Zahlenmaterial erhobenes - Personal sich fast ausschließlich aus der Arbeiterklasse rekrutieren soll,16 eine Einschätzung, die sich lange durch die deutsche Jugendforschung zieht.17 Eine andere Einschätzung pflegen die bundesrepublikanische Gesetzeshüter. Die schon oben erwähnte Polizei der niedersächsischen Landeshauptstadt beauftragt ihre Beamten, "alle Erkenntnisse über sog. Punker unverzüglich der zentralen Nachrichten- und Auswertungsstelle der KFI 7 formlos schriftlich mitzuteilen".18 Die Aufregung um die berühmt gewordene Punker-Kartei gründet sich hauptsächlich in dem eigenartigen Umgang mit dem Datenschutz. Für nicht diskussionswürdig wird die Tatsache gehalten, daß Punk - und das nicht nur in Hannover - in den Akten der Polizei gemeinsam mit politisch motivierten Tätern geführt wird.19 Die sich eigentlich um den Staatsschutz zu kümmernde Abteilungen - wie ζ. B. die genannte KFI 7 in Hannover - erweitern ihren Kundenstamm um ein Personal, dessen schwerste Vergehen in Raub, Ruhestörung, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Ladendiebstahl und Widerstand gegen die Staatsgewalt bestehen.

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Sucht man dann nach punkspezifischen Anteilen an den Straftatbeständen, erfährt man, daß ζ. B. die Düsseldorfer Polizei von 2550 Einsätzen in der ersten Jahreshälfte 1981 im Gesamtbereich Altstadt - die längste Theke der Welt - ganze 33 Vorfälle den Punkern in der Ratinger Straße zuschreibt. 20 Wiederum ist die Aufregung bei den stadtbekannten Alkoholikern und Düsseldorfer Mitbürgern groß und zieht eine lange und heftige Diskussion in der Lokalpresse nach sich. Dabei stehen die 2517 nicht auf Punks zurückführbaren Einsätze nicht zur Debatte. Über die Altersstruktur des Phänomens Punk geben alle Erhebungen nur dunkel Auskunft. Einige haben die unterste Altersgrenze der Befragten schon bei 15 Jahren angesetzt, die Polizei in Hannover konstatiert für 1980, "keiner war jünger als 14 Jahre und nur sechs waren älter als 21 Jahre." 21 Ziemlich unbeachtet bleibt die schon 1981 getroffene Feststellung des Jugendamtes Hagen, "sie sind oft erst 13 Jahre alt."22 In Birmingham trifft in den Jahren 80/81 Harald Fette während eines Forschungsaufenthaltes fünf vierzehnjährige Jugendliche. "Diese bezeichneten sich ebenso als 'echte' Punks."23 Die von Harald Fette interviewten 11 Punks sind zwischen 14 und 23 Jahre alt.24 Für Punk stellt sich die Frage nach dem Alter nicht. Nur Außenstehende nehmen verwundert ζ. B. das jugendliche Alter einiger Punk-Rock Musiker zur Kenntnis. Die sich durch das einheitlich variantenreiche Outfit einer schnellen altersmäßigen Zuschreibung entziehenden Jugendlichen sind - wie oben ansatzweise schon zu erkennen - in etwa der zweiten Hälfte des Teenagerdaseins zuzuordnen. Aber auch ein nicht unbeträchtlicher Teil weitaus jüngerer Punks der Altersgruppe zwischen 11 und 15 Jahren bevölkert zumindest in den Blütezeiten um 1978 und zwischen 1980 und 1984 die Szenerie. Diejenigen, die sich nicht nur kurzzeitig Punk zuwenden, bleiben etwa bis Mitte 20 zugehörig und legen spätestens zu diesem Zeitpunkt einen Großteil der gattungstypischen Insignien ab, lösen sich aber damit nicht unbedingt vollständig von den anderen Punks und bleiben der Szene in anderer Weise, ζ. B. als Veranstalter, Zinemacher oder Vertriebsorganisator erhalten. Wichtig dabei ist aber, zumindest für einige Zeiten die vollständige Teilnahme an Punk gepflegt zu haben. Erst dann ist das Ablegen der Lederjacke bei gleichzeitig bestehender Akzeptanz durch die anderen Punks gesichert. Über das Zahlenverhältnis Mädchen-Jungen bei den Punks gibt es überhaupt keine brauchbaren Angaben. 25 In den Photobänden und auf Postkarten ζ. B . ist das Verhältnis ungefähr ausgeglichen. Weibliche Punks - auch Punkettes genannt sind nicht so häufig anzutreffen wie männliche,26 vermutlich bedingt durch das immer noch allen Emanzipationsbemühungen zum Trotz bestehende Rollenverständnis, das es weiblichen Punks schwer macht, sich mit dem Stigma zu beladen, für einen längeren Zeitraum einer angeblich aggressiv strukturierten Gruppe anzugehören. 27 Ist das junge Mädchen doch Punk, so gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie sich weder von irgendwelchen Aktivitäten der Gruppe ausschließt, noch, daß sie ausgeschlossen wird. Punkettes stehen auch bei Prügeleien ihre Frau.

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Berücksichtigt man die hier genannten Zahlen, sowie den Umstand, daß es in Deutschland bisher keinem Fanzine gelungen ist, eine Auflage von über 2000 Exemplaren jeweils in mehreren aufeinanderfolgenden Ausgaben zu erreichen, kann man den Personalbestand der Punks in der Bundesrepublik vorsichtig schätzen. Zwichen den ausgehenden siebziger Jahren und dem Ende des Untersuchungszeitraumes dürfte die Zahl bundesdeutscher Punks bei etwa 2000 liegen. Dabei ist die Personalstärke ziemlich konstant, auch wenn die öffentlichen Auftritte Mitte der achtziger Jahre abnehmen. Weltweit sollte man von 10000 bis 20000 Punks sprechen können, dabei aber einige zahlenmäßig starke Schwankungen - bedingt ζ. B. durch den britischen Boom zwischen 1977 und 1982 und dem folgenden Abflauen - berücksichtigen.

Anmerkungen 1

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Die bemühten Allerbeck/Hoag (1985: 45) zum Beispiel bieten den Befragten gleichzeitig Zuordnungsmöglichkeiten zu "Punker" und "Hausbesetzer", was zumindest einigen Punks erlaubt, zahlenmäßig unerkannt ins andere Lager zu verschwinden. "Sehr undurchsichtig" lautet das Ergebnis polizeilicher Erkenntnisse, zumindest 1981 in Düsseldorf (.Rheinische Post, 30. 5. 1981). Auch heute noch auffällig ist die Reisefreudigkeit gerade bei Konzerten. Bei dem gemeinsamen Gig der reformierten Hass mit den Upright Citizens am 22.12.1988 in einer abgelegenen Gaststätte in Marl, am Nordrand des Ruhrgebiets, dessen Innenstädte mittlerweile punkfrei zu sein scheinen, tragen etwa ein Viertel der geparkten Autos Kennzeichen von mehr als 80 Kilometer und ein weiteres Viertel die von zwischen 40 und 80 Kilometer entfernt liegenden Orten. Nur etwa 50% der angereisten Punks erhalten Einlaß, dann wird das Lokal wegen Überfüllung geschlossen. Die Westfalenpost stellt für die Stadt Hagen in ihrer Ausgabe vom 7.12. 81 fest, "daß die Punkerszene am sogenannten 'Anarcho-Rost* in der Fußgänger-Passage zwischen Rathaus und dem Kaufhaus Horten einen Saug-Effekt für auswärtige Punker und Gleichgesinnte ausgelöst hat." Sinus-Institut (1984: 101) Allerbeck/Hoag (1985: 44) ebenda 20 Alternative werden ζ. B. von nur 948 Jugendlichen wahrgenommen und die Kernkraftgegner benötigen für die Aufmerksamkeit von 990 Jugendlichen stolze 64 Streiter. An dieser Stelle geht besonderer Dank an Harald Baerenreiter, der einen gesonderten Computerausdruck mit allen von Punks beantworteten Fragen im Rahmen der Shell-Studie zur Verfügung stellt. Die meisten der befragten Jugendlichen, nämlich 25% (Mehrfachnennungen möglich), wählen die Nr. 18 unter den vorgegebenen 24 Zuordnungsmöglichkeiten: Jogging (Shell 1985, 5: 192), eine anscheinend innerhalb eines Jahres (vgl. Allerbeck/Hoag 1985) locker aus dem Nichts der Stadtparks in die Arme überraschter Interviewer laufende Gruppe. laut Computerauszug Mahrad (1981) findet Erwähnung u. a. in: Badische Neueste Nachrichten (am 27. 11. 81), Pariser Kurier (am 15. 12. 81), Rhein-Neckar-Zeitung Heidelberg (am 21. 12. 81).

Anmerkungen

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12 Erstaunlicherweise finden sich aber auch Punks, die bezüglich ihres Alters den gesteckten Rahmen übertreffen. Ältester Punk scheint der im britischen Fanzine Voodoo Music Magazine (etwa gegen Ende 1988) interviewte Johnno aus Leicester zu sein. Laut eigener Aussage seit 1976 Punk und mittlerweile - zum Zeitpunkt des Interviews - 44 Jahre alt. 13 laut Welt am Sonntag, Ausgabe Berlin West, vom 2. 8. 1981 14 Bild, Berlin West, 3. 8. 1981. Der Düsseldorfer Schupochef Otto Gbureck teilt in der Rheinischen Post vom 5.6.1981 mit,: "Bei den wegen ihres ungewöhnlichen Äußeren auffallenden jungen Leuten handelt es sich (...) überwiegend um Söhne und Töchter aus dem Großbürgertum, (...)." 15 Berliner Morgenpost, 2. 8. 1981 16 ζ. B. bei Spengler (1985: 56) 17 In Anlehnung an Brake (1981) heißt es beim leicht verwirrten - s. o. - Sinus-Institut (1984: 92): "Delinquente Subkulturen. Dies ist eine Form der Subkultur, die sich insbesondere unter Arbeiterjugendlichen als Reaktion auf kollektiv erfahrene Schwierigkeiten herausbildet. (...) Beispiele hierfür wären in angelsächsischen Ländern die subkulturellen Gruppen der Teddy Boys, Mods, Rocker, Skinheads und Punks." 18 Der Spiegel (50/1982: 51) zitiert den Auszug aus einer der taz zugespielten Dienstanweisung. 19 So werden dann auch die aus Protest gegen die Kartei als Punk verkleideten Ratsmitglieder der GABL-Fraktion (siehe Spiegel 50/1982: 51) zur unbeabsichtigten Karikatur. 20 laut Rheinische Post, 18. 7. 1981 21 Mahrad (1981) 22 Westfalenpost, 7. 12. 1981 23 Fette (1981: 13) 24 Fette (1981: 24) 25 Über die unterrepräsentierten weiblichen Punks innerhalb der Birminghamer Punkszene um 1980 berichtet Fette (1981: 61ff). 26 Trifft man auf eine größere Anzahl Punks, ist es auch schwer, auf den ersten Blick männliche und weibliche Punks - bedingt durch die Unisex-Kleidung - voneinander - natürlich nur gedanklich - trennen zu können. 27 Umso höher schlägt dann das datenerhebende Herz, wenn man heute noch eine Punkette in voller Montur und sogar mit einer Sicherheitsnadel in der Wange zu Gesicht bekommt, so geschehen am 29. 8. 89 gegen 21. 30 Uhr beim 7. Scumfuck Festival in der Duisburger Diskothek Old Daddy.

3 Geographie Bedingt sowohl durch die Entstehungsgeschichte, als auch durch den Standort des Verfassers, bleibt es unumgänglich, sich bei den Betrachtungen zum Thema hauptsächlich mit den deutschen und britischen Punks zu begnügen. Doch da beide genannten Häuser nicht die einzigen in unserem globalen Dorf sind, soll an dieser Stelle ein knapper Überblick über Punk in anderen Häusern, sprich: Ländern, eingeschoben werden. Die USA haben sich mit einer unglücklichen Rolle abzufinden: einerseits sind sie bezüglich des Punk-Rocks verzweifelt auf der Suche nach einem in ihrem Land beginnenden roten Faden,1 andererseits aber auf Grund ihrer geographischen Lage sowohl von allen anderen Punks so gut wie abgeschnitten, wie auch nicht in der Lage, trotz eventuell großer Anzahl, den Status einer die gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf breiter Ebene erlangende Gruppierung zu erreichen. Da hilft es auch nicht, daß die beiden weltweit größten, wichtigsten und kontinuierlichsten Fanzines, Maximum Rock'n'Roll und Flipside, aus den Staaten kommen und die amerikanischen Bands immer noch einen unüberhörbaren Einfluß auf die gesamte Szene ausüben, eine Tournee in den USA immer noch einen Höhepunkt in der Karriere jeder nicht-amerikanischen Band darstellt.2 Punk in den USA trifft auf eine Gesellschaft, die - wie aus der Begriffsgeschichte ersichtlich - den Umgang mit Punk gewohnt ist und alleine schon dadurch Mohawk und andere punkspezifische Accessoires und Attitüden ziemlich mühelos verkraftet. 3 Hinzu kommt, daß sich natürlich der amerikanische Punk in seiner dem Konsens verpflichteten und von kollektiv verbindlichen Sozialutopien befreiten Gesellschaft bei der Suche nach brauchbaren Feinden oder deren Vertretern schwer tut. Gerade der Cop ist eine fast unantastbare Autorität und der amerikanische Punk ist ζ. B. bei seinen Besuchen in Deutschland erstaunt, daß man vor der Polizei erfolgreich davonlaufen kann. Weitere Probleme für den US-Punk bestehen beispielsweise in der von weitestgehend szenefremden Personen kontrollierten Clubszene, in denen fast ausschließlich Punk gespielt werden kann,4 der bisweilen altersmäßigen Beschränkungen bei Konzerten,5 den Schwierigkeiten des öffentlichen Alkoholkonsums und der streckenweise ganz fehlenden Anbindung an eine naheliegende Gruppierung, wie ζ. B. Hausbesetzer oder Fußballfans. Kanada weist außer einigen wichtigen Bands wie ζ. B. D.O.A. oder S.N.F.U. keine bedeutende eigenständige Szene auf und orientiert sich hauptsächlich an den US-Amerikanern.6 Einziges Land in Mittelamerika mit nennenswerten Punkaktivitäten ist für kurze Zeit (etwa um 1984) Mexiko, deren musikalischen Aushängeschilder aber nicht mit dem langen Atem versehen, wie es vergleichsweise ihre südamerikanischen Kollegen sind. Punk in Südamerika hat es ungleich schwerer als die Nordamerikaner, die vorliegenden Beispiele aus Peru, Brasilien und Argentinien sind die einzigen des Kontinents.7 Die ersten brasilianischen Bands, die auch hier bekannt werden, wie ζ. B. Olho Seco oder Colera,8 haben sich fast sofort mit dem Vorwurf auseinanderzusetzen, daß sie nur die Spielerei der Kinder begüterter Eltern sind, da ζ. B. die Preise für Instrumente und Studiokosten im Vergleich zu einem Durchschnitts-

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Geographie

einkommen ungleich höher als in anderen Ländern sind. Dennoch tauchen immer wieder einige Bands auf ζ. B. amerikanischen oder deutschen Tapesamplern auf. Musikalisch orientieren sich die Südamerikaner hauptsächlich an die britische, amerikanische und erstaunlicherweise die finnische Variante des Punk-Rocks.9 Eine eigenständige südamerikanische Outfit-Version des Punks läßt sich nicht feststellen. Kopiert wird größtenteils das Punkbild amerikanischer Prägung der späten siebziger Jahre mit den dürftigen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten. Aus Brasilien kommt beispielsweise die flehentliche Bitte nach einem Patronengürtel. Australien und Neuseeland liegen nicht nur geographisch weit ab von den beiden Punk-Zentren Europa und USA, sondern beherbergen auch nur eine schwer Punk zuzuordnende Szene. Im reich bebilderten Band "Inner City Sounds" (Walker 1982), der laut Klappentext "describes the years 1976-1981 of punk/postpunk music in Australia", lassen sich gerade einmal die Leftovers mit viel Wohlwollen Punk zuordnen. Über das anscheinend amerikanisch gefärbte Verständnis von Punk zeugt die Abbildung eines langhaarigen, mittelgescheitelten, sonnenbebrillten, männlichen Wesens mit einem Stachelhalsband.10 Der afrikanische Raum stellt den größten weißen Fleck auf der Punk-Landkarte dar. Neben einigen kurzzeitig existierenden Punk-Rockbands in nordafrikanischen Ländern ist zumindest für Südafrika verbürgt, daß dort an einigen Orten Punk-Rock gehört und gespielt wird. Über eine zahlenmäßig größere Gruppierung in einem überschaubaren Raum ist auch hier nichts bekannt. Asiatische Punks sind fast ausschließlich in Japan und angeblich vereinzelt auf den Philippinen zu finden. Der japanische Punk macht hauptsächlich Punk-Rock, das reichlich schlecht und nur von eingefleischten Punk-Rock Enthusiasten bemerkt. Die im Straßenbild der japanischen Städte erscheinenden Punks würden hier unter der Kategorie "Modepunk" geführt und sind ein Beispiel der für die Japaner charakteristische Adaption westlicher Kulturphänomene. Der skandinavische Punk hat - zumindest was den in Schweden betrifft -, als einer der wenigen nicht-englischen, das Glück, schon einmal die Sex Pistols auf seinen Konzertböden begrüßt zu haben. Die schwedische Punkszene ist keine kontinuierlich dichte, erlebt ihren Höhepunkt mit den Ausläufern der zweiten Generation zwischen 1982 und 1984. In Finnland scheint Punk die skandinavische Hochburg zu haben. Finnische Bands gibt es etwa seit 1977 mit einem Stil, den der geübte Hörer schnell als die finnische Variante entziffert. Auffällig bei den finnischen Punk-Rock Gruppen ist die häufige Verwendung der Landessprache. Zu den ersten Bands gehört Eppu Normaali, die von ihrer ersten LP alleine in Finnland 30000 Exemplare verkaufen können, die auch in anderen Ländern bekannten Bands sind ζ. B. Riistetyt,Kaaos und Terveet Kädet, wobei letztgenannte auch bisweilen auf den Rückseiten bundesrepublikanischer Lederjacken auftauchen.11 Punks sind auch in Dänemark und Norwegen anzutreffen, meist stark orientiert an den dort aktiven Hausbesetzerszenen. In beiden Ländern orientiert man sich daher eher an den anarchistischen Strömungen, ζ. B. den englischen Crass.

Geographie

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Die Niederlande beheimaten eine fast kontinuierliche Punk-Szene, bedingt durch die starke kulturelle Sättigung des Landes mit britischen Strömungen. Auch hier treten die Sex Pistols auf. Belgien und Luxemburg stehen - was die Punks betrifft - etwas abseits. Aber auch hier existieren einige Punk-Bands und Tapevertriebe. Frankreich nimmt - wie in der gesamten Popkultur - eine Sonderstellung ein. Das erste bedeutende Punkfestival findet in Paris statt, während sich beim französischen Punk zwei Varianten treffen: die an den romanischen Ländern orientierte leicht theatralisch angehauchte mit Outfit-Anleihen beim Straßentheater, sowie die halbherzig adaptierte britische. Mit der selbstsicheren Genügsamkeit ihrer Landsleute ausgestattet, bleibt der französische Punk ziemlich isoliert, Bands touren nur selten außerhalb des Landes und werden nur sporadisch wahrgenommen. In Spanien findet Punk mit starker zeitlicher Verzögerung statt. Einige Bands und Label entstehen, die deutschen K.G.B, touren dort. Aus Portugal ist nichts erwähnenswertes zum Thema Punk bekannt. Die Schweiz darf sich rühmen, das erste bedeutende kontinentale Fanzine, No Fun, hervorzubringen. Zürich ist die Schweizer Punk-Metropole, auch die kontinental bekannteste Hardcore-Radioshow (Speed Air-Play) wird dort ausgestrahlt und Kassettenmitschnitte von ihr weltweit vertrieben. Das Land wird auch von Nicht-Schweizer Bands betourt. Selbst heute - 1989 - noch treffen Tapes beim Verfasser ein, wie ζ. B. das der Band Profax (Straight Edge Hardcore), deren Mitglieder zwischen 16 und 17 Jahre alt sind. Es läßt sich vermuten, daß Punk in der Schweiz auch durch die dortige Hausbesetzerszene stabilisiert wird. Osterreich kann - was Punk betrifft - nur neidisch auf die alpenländischen Nachbarn im Norden und Westen blicken. In Italien fällt Punk auf fruchtbaren Boden. Italienische Punk-Rock Gruppen sind weltweit bekannt, während der nicht-musizierende Italo-Punk derart besonders das theatralische Element hervorhebt, daß man fast von einem gelebten Ideal typus sprechen könnte. Das Outfit ist ein beinahe reinliches, von fast jeder ästhetisch überformten Häßlichkeit befreites. Die beiden Ostblockländer mit den aktivsten Punk-Szenen sind Polen und Jugoslawien: regelmäßig stattfindende Festivals und Konzerte, häufige Szeneberichte im MRR, eigene Bands und auch schon frühe Gastauftritte ausländischer Bands prägen ein fast westliches Bild. Aus der UdSSR läßt sich für den Untersuchungszeitraum nichts über Einflüsse buntfrisierter imperialistischer Jugendlicher berichten. Erst weit nach 1986 wird der eiserne Vorhang ein wenig zur Seite geschoben: einige Bands spielen westliche Popmusik vergangener Tage nach. Fanzines müssen mühevoll vervielfältigt werden, da der Zugang zu Kopiermaschinen Zivilisten nicht gestattet ist. Punk in der ehemaligen DDR findet erst sehr spät statt und hat mit den bundesrepublikanischen Vertretern die staatsgefährdende Einschätzung durch die Obrigkeit gemeinsam, wird aber - bedingt durch die politische Situation im Land mit weitaus heftigeren Nachstellungen behelligt. Die Auftritte eigener oder

Geographie

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landesfremder Bands gleichen konspirativen Treffen, das Mutterband zur ersten LP einer Punkrockgruppe aus der D D R - L'Attentat - muß außer Landes geschmuggelt werden. Kontakte mit Punks in anderen Ländern werden mühsam aufrecht erhalten: Neuigkeiten - auch akustische - der dortigen Szene gelangen über das Land bereisende ausländische Punks in den punkgesättigten Westen. Vereinzelt lassen sich Punkaktivitäten in der CSSR nachweisen, aus Rumänien und Bulgarien liegen keine Hinweise vor. Ungarn hingegen öffnet sich auch bezüglich Punk, kennt eigene Bands und wird - wenn auch seltener - regelmäßig von ausländischen Bands betourt. Das Straßenbild der ungarischen Großstädte ist fast punkfrei, was darauf schließen läßt, daß Punk in Ungarn eher einen Bereich popmusikalischer Unterhaltungsmöglichkeit darstellt. Griechenland kennt zwar einige Punkbands, erlaubt diesen aber äußerst selten - bedingt durch die geographische Situation -, Tourneen außerhalb des Heimatlandes antreten zu können. Für ausländische Bands sind Auftritte in Griechenland nicht attraktiv und finden nur äußerst selten statt. Über Punks in der Türkei, in Israel, sowie aus dem gesamten arabischen Raum liegen keine Angaben vor.

Anmerkungen 1

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So ζ. B. Selzer (1979), der sich dadurch rettet, daß er englische und amerikanische Punks ziemlich gleichrangig behandelt, auch wenn seine amerikanische Perspektive bisweilen amüsiert. Im wahrsten Sinne des Wortes trifft dies auf die Sex Pistols zu, die als Band zum letzten Mal in den USA auftreten. Bei den Amerikanern Kotarba/Wells (1987: 407) heißt es: "American punkers are very different from the original British punks, most norably in terms of social class affiliation. (...) They are not losers on the Marxian battlefield of class warfare." In der Bundesrepublik tourende amerikanische Bands zeigen sich immer wieder erstaunt über die Existenz und Dichte selbstverwalteter Jugendzentren und besetzter Häuser, in denen auch Konzerte stattfinden. Vergleiche dazu einige Statements in dem Video Always keep the faith (USA 1982), in dem im Rahmen der ersten Tournee von Bands der Better Youth Organisation einige Punks und Veranstalter befragt werden. Auf den Leserbriefseiten der amerikanischen Zines wird das Problem der altersbeschränkten Shows immer noch thematisiert. Beispiele für diese Diskussion finden sich schon in den Interviewbeiträgen des Videos Decline of the Western Civilization (USA 1980). Das gilt, auch wenn ein Tim F. aus Kanada im MRR (No. 60, 5/88) auf den Leserbriefseiten behauptet, "Punk is clearly a Canadian phenomenon." Begründet wird diese Ansicht mit "anyone who is familiar with the radical West Coast movement of the late 60s (...) can confirm this fact." Drei Jahre nach dem Untersuchungszeitraum trifft aus Kolumbien ein Bericht über die Existenz einer Punkband in Medellin ein: Sociedad Violenta "spielen OI-beeinflußten Hardcore". {ZAP Nr. 17, 10/89: 41)

Anmerkungen

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Colera sind nicht nur die ersten Punks, sondern die erste brasilianische Rockgruppe überhaupt, die das Land zu einer ausgedehnten Europatournee im Jahre 1987 (mit 57 Auftritten in 10 Ländern!) verläßt! 9 Ein Umstand, der besonders die Finnen überrascht. Im MRR (No. 60, 5/88) berichtet man vom erstaunten Timo Eno, Bassist der finnischen Band Lama, der bei einem Urlaub in Brasilien gleich ein Radio- und vier Zeitungsinterviews geben muß. 10 Walker (1982: 14) 11 Die Popularität der Terveet Kädet hierzulande läßt sich auf die bei dem Kölner Label RockO-Rama erscheinenden Lizenzpressungen der Schallplatten zurückführen. Das genannte Label erfreut sich eines konstanten Hasses, der durch die breite Palette seines SkinheadProgramms bedingt ist. Es ist bisher noch niemandem gelungen, ein Interview mit dem Labelinhaber durchzuführen.

4 Geschichte Auch wenn es die Sex Pistols in ihrem Song Holidays in the sun vermutlich etwas anders meinen, sei die Feststellung erlaubt, daß ihr Wunsch, "I wanna see some history", unerfüllt bleibt. Eine Geschichte des Punk, die einen derartigen Titel auch verdient, ist bisher noch nicht verfasst worden. Wenn nun folgend einige Daten, Anekdoten und Histörchen aneinander gereiht werden, so geschieht dies nicht, um endlich genannte Lücke aktueller Geschichtsschreibung mehr oder minder notdürftig stopfen zu können, sondern nur, um eine historisch strukturierte Rahmung der im bisherigen und weiteren Verlauf angeführten Phänomene zu liefern. Aus genannten Gründen findet sich hier ζ. B. weder eine Chronologie bundesrepublikanischer Chaostage, noch eine Auflistung der musikalischen Aktivitäten finnischer Punkbands. 1976 Mit "Don't look over your shoulder, but the Sex Pistols are coming" ist einer der ersten Konzert-Reviews übertitelt.1 Knapp zwei Monate später heißt es schon "Punks' Progress report"2 Im Gegensatz zu den Reviews der im gleichen Zeitraum stattfindenden Konzerte anderer Rockgruppen wird auch das Publikum erwähnt.3 Die Aufmerksamkeit der Musikpresse konzentriert sich ausschließlich auf die Gigs der Punk-Rock Gruppen, wie ζ. B. die der Buzzcocks, Clash, Damned, Eater, Slaughter and the Dogs und Vibrators. In dieser begriffsdiffusen Zeit werden später als eindeutig nicht dem Punk zuzuordnende Bands noch als Punk-Rocker bezeichnet.4 Dennoch gilt dieses Jahr als das erste Punkjahr, selbst die Fachpresse der um die Ursprungskrone kämpfenden Amerikaner reiht sich 1986 in die journalistischen Feiern des 10-jährigen Jubiläums mit ein.5 "It was during this strange apokalyptic summer that punk made its sensational debut in the music press."6 "Als 'Anarchy' am 26. November 1976 auf die verdutzte Welt britischer Kunstverständiger losgelassen wird, zählt das Punk Kontingent der Sex PistolsFans gerade ein paar Dutzend Pogo-Beine".7 Die sich schon bei der Betrachtung des Zahlenmaterials als auffällig erweisende Tatsache der durch einige wenige Personen erzielte große Aufmerksamkeit läßt sich schon hier belegen. Die zunächst nur in der englischen Presse stattfindende - zwar umfangarme, aber dennoch konstante - Berichterstattung über die Szene wird bald auch außerhalb Englands wahrgenommen. Im Dezember öffnet das Roxy in London seine Pforten "as a temple to punk"8. 1977 Die bundesdeutsche monatlich erscheinende Musikzeitschrift Sounds beschäftigt sich in ihrer Januarausgabe zum ersten Male etwas ausführlicher mit "Punk-Rock. Die Rückkehr der Rotznase". In der Juliausgabe schaffen es die Ereignisse in

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Geschichte

England zur Titelstory "London brennt". Ausgangspunkt der Berichterstattung bleiben die Auftritte der Punkrock-Bands mit den dazugehörigen Begleiterscheinungen. Bei der Eröffnung des Londoner Lokals Vortex tritt auf dem Dach des Lokals die Band Sham 69 auf. Der Sänger Jimmy Pursey wird nach dem Abbruch des Konzertes durch die Polizei von dieser verhaftet, später am Nachmittag freigelassen und Sham 69 spielen ihr Konzert im Keller zu Ende. Im Oktober erscheint die erste Ausgabe des Schweizer Fanzines No Fun, 1978 Mit dem Split der Sex Pistols zu Beginn des Jahres häuft sich die Zahl derjenigen, die Punk als Vergangenes behandeln. Der Musik Express blickt in seiner AugustAusgabe auf "Die wilden Punk-Jahre" zurück. "Allen Jones, englischer Journalist und Mitarbeiter des 'Melody Maker'" zieht "sein Fazit: Punk war die Revolution, aber sie wurde verraten."9 New Wave wird der neue Favorit der Musikpresse, Punk-Rocker wie Clash oder Damned beginnen, in diesem Dunstkreis einige der Punk-Attitüden zu verlieren und erleiden - was die Credibility betrifft10 - hier die ersten Anzeichen eines Kollapses. Die beharrlich den einmal eingeschlagenen Weg weiter beschreitenden Bands und Fans rutschen wieder an den Rand des Wohlwollens und nisten sich dort ein. Im Gegensatz zum Spiegel ist Punk dem Stern in den zehn Jahren weder eine Titelgeschichte noch ein umfangreicherer Artikel wert gewesen.11 In einem Beitrag über Iggy Pop,n in dem dieser sowohl als "Ur-Vater des Punk Rock", wie auch als "das Idol, der Pate und Vater der Punk-Rock-Bewegung" bezeichnet wird, erscheint ein nur schwerlich mit dem Text in Verbindung zu bringendes Photo eines sicherheitsnadelbewehrten Punks mit der Unterschrift "Zur PunkRock-Mode gehören Ketten, Buttons und alte Fetzen." 1979 Die von den nicht nur im Gesicht getragenen Sicherheitsnadeln zurückgebliebenen Narben scheinen verheilt, erste europäische und amerikanische Schritte werden eher achselzuckend zur Kenntnis genommen. Einige Nachzügler feiern jetzt erst den Einstieg in die Revolution und holen das Überraschtsein nach. Sowohl musikalisch, als auch auf den Straßen beginnt hier - nach etwa 3 Jahren - die zweite Generation, die sich langsam daran begibt, international zu operieren. Erste Anzeichen für das Verlassen lokaler Szenerien in Form ausgedehnter Reiseaktivitäten finden sich hier. 1980 "Punk zerstört sich seiner inneren Logik folgend A. D. 1978 selbst. Anfang der 80er jedoch feiert er eine grandiose Auferstehung."13 Zahlenmäßig wächst das

Geschichte

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Heer der Totgesagten und bevölkert immer häufiger und vehementer die Innenstädte. Die amerikanische Band Dead Kennedys tritt am 15. Oktober zum ersten Mal in Deutschland auf. "Erstaunlich auch, wie begeistert das Publikum, soviele Punks auf einem Haufen habe ich selbst 1977 in London nicht gesehen, mitging, man darf doch wieder hoffen."14 Dennoch heißt es für Einige immer noch: "Wir leben bereits in der Zeit von Post-Punk."15 1981 "Punk's dead", so lautete schon in den Jahren vorher die lapidare Bemerkung journalistischer Totenscheinaussteller. Spätestens in diesem Jahr erweist sie sich als falsch. In den britischen Indie-Charts ist die Antwort der Exploited in Form ihrer Debüt-LP Punk's not dead die meistverkaufte LP des Jahres. Von ihrer Single Dead Cities werden alleine in Großbritannien 67000 Exemplare verkauft. 16 1982 "1982 - die Zeit des Punk ist längst vorbei",17 konstatiert die angebliche Fachwelt, während eine deutsche Illustrierte mahnt: "Wer hoffte, der Punker-Spuk sei schnell vorbei, hat sich geirrt,"18 und das englische Musikweekly Sounds auf dem Titelblatt seiner Weihnachtsausgabe nicht nur eine große, sondern "The Punk Debate" ankündigt. Mit dem Thema "Dead or alive?" beschäftigen sich u. a. Beki Bondage, Jello Biafra, Vi Subversa, Gary Bushell, Mensi und Attila the Stockbroker,19 Im Juli erscheint in Berkeley, Kalifornien, die Nullnummer des Maximum Rock'n'Roll, das in den Folgejahren weltweit wichtigste Punk-Fanzine.20 1983 Die Punkszene scheint sich stabilisiert zu haben. Mit dem wachsenden Einfluß der sich später als Hardcore entpuppenden Bands, wie ζ. B. die in diesem Jahr in Deutschland tourenden D.O.A. und M.D.C., sowie der steigenden Zahl der sich aus den Metropolen zurückziehenden Fanzines - zumindest in Deutschland -, entsteht ungefähr hier die dritte Generation.21 1984 Im Februar gibt Willi Wucher bereits die dreiundzwanzigste Ausgabe des unregelmäßig erscheinenden U.N.Gewollt, dem Fanzine der Duisburger Punk-Szene, heraus. Die APPD ("Anarchistische Pogo Partei Deutschlands") ruft zum dritten Chaos Tag am 1. August nach Hannover. "Es wird nur zu deutlich, daß der APPD die Entwicklung aus der Hand geglitten ist, (...). In Form eines völlig entgleisten

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Geschichte

Mobs, der das Jugendzentrum Glocksee zertrümmert und auch den letzten halbwegs normalen Menschen der bis dahin an Punk 'geglaubt' hat von dieser Bewegung abstößt. Hannover bringt jedoch auch eine 'Neuigkeit'. Zwischen den zugesoffenen Nietenpunks bewegt sich eine kleine Gruppe Italiener, die völlig aus der Reihe fallen. Das beginnt bei ihrem Äußeren: Sie tragen keine Lederjacken und Spikes, sondern geschorene Schädel und bunte Stirntücher (...), Armeejacken, Turnschuhe und normale Jeans."22 In England stellen mit No Future und Riot City die beiden letzten Label, die ausschließlich Punk-Rock Schallplatten produzierten, ihre Tätigkeit ein. Dieser Umstand und das fast gleichzeitig einsetzende Erscheinen von Hardcore erlauben, die jetzt noch dem Phänomen Punk zugehörigen Personen als die der dritten Generation zu bezeichnen. 23 1985 Die Bottroper Upright Citizens gehen als erste deutsche Punkband auf eine ausgedehnte USA-Tournee. Deutschlands Hardcore bekommen mit den Spermbirds ihre erste eigene Band und beginnen, wenn auch mit Schwierigkeiten,24 sich von Punk abzunabeln. Die Diskussionen innerhalb der Punk-Szene behandeln zunehmend politische Themen. Das aus dem Fanzine Der letzte Wille im November letzten Jahres entstehende Wuppertaler A + P erscheint mit seiner Nummer 5 im Dezember zum letzten Mal, setzt aber mit Auflagenhöhe (angeblich knapp über 1000 Exemplare) und Qualität neue Zeichen. 25 1986 Ein Ende scheint nicht in Sicht, auch wenn der Rückzug aus dem Straßenbild beginnt, Distanzierungen innerhalb der Szene (Polit-Punks, Syphpunks, Kampftrinker etc.) zunehmen, der Druck nahestehender Genres und Phänomene weiterbesteht und in einigen Be-reichen sogar zunimmt. Im Sommer treffen sich wieder einmal 150 Punx anläßlich eines großen Stadtfestes in Wuppertal. Schlägereien - wie üblich - mit "Nazi Skins, Fascho Teds und Disco Kids" (Helge Schreiber im ΜRR No. 57, 1/88). Im Juli erscheint die Nummer 1 des Augsburger Fanzines Trust, bis heute zweimonatlich erscheinendes "Hardcore Magazin".

Anmerkungen 1 2

Neil Spencer im NME (21/2/76: 31) Überschrift eines Konzertreviews von Geoff Hunt im NME (17/4/76: 43) über einen Gig der 101'ers mit den Sex Pistols im Nashville, Kensington.

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Beispiele: "All kinds of folks in Bizarre Costumes", Charles Shaar Murray im NME (11/9/76: 41) zu einem Sex Pistols Gig im Screen on the Green; "The usual kind of audience for these affairs - bizarros, curios and curious ones, plus the odd interested party. Totalling about a hundred." Paul Morley im NME (2/10/76: 49) zu einem Konzert von Eater und Buzzcocks·, "The usual kids you see hanging out at these sort of gigs are all there at Manor Hill Upper School with their short/spiky dyed hair, skinny leg strides, torn tee-shirts, narrow lapels, stockings/suspender belts and white powder nose kits." Tony Parsons im NME (27/11/76: 50) zu einem Auftritt von Slaughter and The Dogs und Eater in Finchley. Shaw (1980: 23) beginnt seine Chronologie des Jahres 1976 mit der Gruppe Eddie & The Hot Rods und erwähnt im weiteren Verlauf die australische Rockgruppe AC/DC (1980: 24). Ζ. B. die schon in der Einleitung erwähnte Spin kündigt auf dem Titelblatt der Januarausgabe u. a. "The 10th Anniversary of Punk" an. Hebdige (1979: 25) Doebeling (1980: 260) Salewicz (1983: 2061) Musik Express (8/78: 56). Als optischer Aufhänger wird ein angekokeltes Cover der Never mind the Bollocks - LP der Sex Pistols gewählt. "Es ist ein langer, stürmischer Weg zur Glaubwürdigkeit, aber das ist Credibility, das Presseinfo der Seele - 'gullible's travails'" - so beschreibt Burchili (1987: 45) den Begriff der Credibility in einem Beitrag zu diesem Thema ("Better Cred than Dead", dt. Übersetzung: "Lieber glaubwürdig als tot"). Charakteristika der Credibility sind laut der Verfasserin u. a.: "Wie Jungfräulichkeit oder eine Kontaktlinse kriegt man sie nicht wieder, ist sie einmal weg (zumindest nicht in diesem Leben)," (1987: 38) und "Man weiß nicht immer, wann man sie hat." (1987: 42). Punk ist die Titelstory im Spiegel vom 23. 1. 78. Stern (19/1/78: 128) Sommer/Wind (1986: 64) Im Fanzine Same Old Song, Nr. 32, Dezember 1980 - der Angabe, daß vorher schon 31 Mal das Same Old Song erschienen sein soll, ist kaum Glauben zu schenken. Seessien (1980: 290) vgl. Bushell (1982) Klaus Maeck in Ott/Skai (1983: 191) Die Bunte vom 7.4.1982 in der Einleitung eines Artikel mit dem Titel "Punker - die jungen Wilden von heute. Auch den Müttern stehen die Haare zu Berge." Sounds (25/12/82: 16-18) Im September 1991 erreicht das Maximum Rock'n'Roll als erstes Fanzine auf der Welt die Nummer 100. Beträgt zu Beginn der Umfang 48 Seiten, so ist man mittlerweile bei monatlich 128 Seiten angelangt. Der von Punk selbst nicht benutzte Begriff der Generation dient hier dazu, den sich doch als für mit einem Blick nicht erfassbar erweisenden Zehnjahreszeitraum schlüssig zu unterteilen. Michael Arndt in einem undatierten und unveröffentlichten Manuskript zur Hardcoregeschichte. Mit der Unterteilung des historischen Verlaufes in 'Generationen' soll auch berücksichtigt werden, daß sich Punk - wie wir später noch sehen werden - zumindest zwei Mal größeren Veränderungen - nicht nur was die Personalstruktur betrifft - ausgesetzt sieht. vgl. "Als Negazione beispielsweise am 20. 5. 85 in Frankfurt im Juz Bockenheim spielen, weiß dort keine Sau was mit den Typen mit diesen komischen Stirnbändern anzufangen." (Michael Arndt im bereits an anderer Stelle erwähnten Manuskript zur Hardcore-Geschichte) Im Dezember 1986 erscheint noch eine Nummer 5+1. Das A + P Team läßt nach einem Treffen, an dem auch der Verfasser dieser Zeilen teilnimmt, Pläne zu einem "deutschen MRR" wieder fallen.

5 Das Umfeld Nun kann bei einem flüchtigen Lesen bis hierher der Eindruck entstehen, daß Punk die einzige Möglichkeit jugendlichen Daseins in diesem Jahrzehnt ist. In dem nun folgenden Abschnitt soll aber gezeigt werden, daß dem nicht so ist. Dabei ist weniger beabsichtigt, eine detaillierte Darstellung des jeweiligen Phänomens vorzubringen, als vielmehr Punk in dem Kosmos jugendlicher Stilvielfalt zu verorten. Daß dabei einige Schmalztollen, Benetton Pullover und Hakenkreuze unter den bekannten Tisch fallen, bleibt unumgänglich, ist aber unvermeidlich. Die gewählte Reihenfolge mag auf den ersten Blick seltsam anmuten, ist sie doch eine chronologische und nicht eine Nähe oder Ferne zu Punk suggerierende. First come, first served.

5.1 Skinhead Skins sind die einzige Gruppierung, die neben Hippies und Rockern noch einmal bei der Suche nach den Vorläufern erscheinen werden. Genau wie Punk ist Skinhead ein originär englisches Phänomen, läßt sich aber bis in die fünfziger Jahre zurückverfolgen. 1 Zu Beginn der achtziger Jahre existiert eine kurz andauernde Allianz zwischen Punks und Skins, hauptsächlich über die Musikrichtung Oi hergestellt, 2 deren Musiker zeitweise Anhänger aus beiden Lagern rekrutieren. Hört der Skinhead eher Bluebeat, Ska, Reggae oder Soulmusik, ist die "komische 'Punk' Musik" eine, "die einem echten Skin eigentlich vollkommen am Arsch vorbei geht."3 In Oi finden aber beide Gruppierungen eine akustische Schnittstelle.4 Zu den bekanntesten Bands dieser Ära gehören Blitz, Sham 69 und die Cockney Rejects. Doch das Nebeneinander ist von kurzer Dauer und eine bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen führende Feindschaft beginnt. Punk begründet die Feindschaft hauptsächlich mit der nationalistischen Attitüde der Skins, die ihre Nähe zur britischen National Front oder der deutschen FAP nicht verleugnen können. 5 1983 versucht man noch - getreu der Aufforderung "If the kids are united, they will never be divided."6 - auf den Chaos-Tagen in Hannover die auch hier in Deutschland sich bekämpfenden Lager zu einen, scheitert aber. 7 Punk teilt mit Skinhead - siehe Oi - die Vorliebe für eine aggressive, schnelle, laute Musik, Fußball, Alkohol, Doc Martens Schuhe, 8 kurze Haare und Tätowierungen, wenn auch die drei letztgenannten Elemente nicht derart radikal wie die Skins. Punk unterscheidet sich von Skin in seiner eher Links zu verortenden politischen Ausrichtung und der - zumindest propagierten und ständig eingeklagten - Toleranz gegenüber Anderen. Skinheads stehen so weit "Außen", daß fast alle anderen Gruppierungen feindliche sind. "Zum beliebten Freizeitsport" 9 bei den englischen Skins wird - neben "Schwule ticken"10 - beispielsweise das "PakiBashing", kollektiv gepflegtes Zusammendreschen dunkelhäutiger Mitbürger. 11 "Anyone who came from the Indian sub-continent was called a Paki (just as for today), whether they were born in Pakistan, India or Ceylon and whatever religion they followed, they were all classed the same. (...) Paki bashing went on in all the cities where there were Asian communities, not as widespread as the media

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Das Umfeld

portrayed, often it was just a case of breaking a shop window or yelling abuse at them, sometimes though, giving a Paki a good kicking was tolerated and thought of as acceptable."12 Mit etwas Verspätung haben auch die amerikanischen Punks ihre Skinheads als Gegner. Die späten Ami-Skins fügen aber der oben beschriebenen Variante eine weitere hinzu, deren Anhänger Punk sehr nahe zu stehen scheinen und fast ständig mit einigen Vertretern auf den Leserbriefseiten des MRR ihre Friedfertigkeit beteuern.

5.2 Mods und Teds Bedingt durch die im Grunde genommen nur dem Jugendlichen im britischen Raum zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeit, sind die Mods und Teds eigentlich eine zu vernachlässigende Größe. Die in anderen Ländern sich an die britischen Mods oder Teds orientierenden Jugendlichen beziehen auf den dortigen Szenen eine eher randständige Position und setzen sich nicht als ernstzunehmende Variante jugendlicher Lebensstile durch. Die bundesrepublikanische Fassung der Teds oder Teddy Boys sind die zu Beginn der 50er Jahre auf- und bald wieder abtauchenden Kino- und Müßiggänger, die Halbstarken, "die in größeren oder kleineren Gruppen an Straßenecken, auf Spielplätzen oder in Lokalen müßig und laut albernd herumstehen und dabei auch einen Vorübergehenden, insbesondere junge Mädchen, mit Worten oder auch tätlich belästigen."13 Teds und der frühe Rock'n'Roll sind untrennbar miteinander verbunden. "Sie tragen (...) dreiviertellange Jacketts mit Samt- oder Maulwurfskragen, dazu Röhrenhosen. Hemd und feine Weste ziert die Schnürsenkelkrawatte. Die Schmalzlocke ist mit Bryl-Creme gefettet, die Koteletten sind buschig gebürstet und der 'Entenschwanz' lugt über den Hemdkragen."14 In einem von allen aktuellen Einflüssen isolierten Kulturdiarama bemüht sich der Ted mit seinem TeddyGirl und den ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, das Leben des amerikanischen Vorbildes zwischen Musikbox und Drive-In-Restaurant nachzustellen.15 Mods hingegen fahren Motorroller, führen damit als erste "britische JugendSubkultur" ein "innovatives Transportmittel"16 ein, und tragen "gepflegte bis elegante Kleidung, die jedoch mit winzigen Signalen der Ubertreibung und Abweichung versehen ist."17 Mit ihrer halblangen, in die Stirn gekämmten, mittelgescheitelten Frisur und dem "demonstrative[n] Konsum von Markenwaren"18 geben die Mods schon in den 60er Jahren Elemente vor, die gut 20 Jahre später bei den Poppern leicht verändert wieder auftauchen.19 Zur Bewältigung der action-aufwendigen Freizeit nach dem Feierabend im Büro oder im Verkauf benötigt der Mod allerdings Aufputschmittel, Speed, "um Körper und Geist perfekt zu synchronisieren."20 Gegen Ende der 70er Jahre feiern die Mods eine triumphale Rückkehr auf die britische Jugendszene, maßgeblich unterstützt durch die Musikgruppe Jam, die auch dem Punk-Rock entlehnte Elemente aufgreift. Mit ihrem Frontmann Paul

Rocker

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Weller beherrschen Jam über einen langen Zeitraum die Polls der britischen Musikpresse, bezeichnenderweise wird aber ein auch nur annähernd vergleichsweiser großer Publikumserfolg außerhalb Englands nicht erreicht. Mods bleiben Englisch und werden, ähnlich wie die Teds, im Ursprungsland des Punk nur durch die gleichzeitige Existenz und gelegentliche Zusammenstöße mit Punk für den hier gezogenen Rahmen bedeutsam. Die derzeit letzte modorientierte Variante - mit dem Roller im Mittelpunkt, ansonsten aber stilistische Beigaben unterschiedlicher Phänomene benutzend -, stellen die Scooter-Boys dar.21

5.3 Rocker Woher der Rocker kommt, ist nicht genau bekannt, wohin er aber fährt, ist sicher: auf seinem Motorrad immer geradeaus, häufig dem Sonnenuntergang am Ende des Highways entgegen. Seine unterschiedlichen Spielarten - vom Hell's Angel über den Easy Rider bis hin zum Greaser, der eher Outfit als Motorrad übernimmt22 - verbreiten Angst und Schrecken, was es dem einfachen, lederbekleideten Motorradfahrer schwer macht, seine Harmlosigkeit zu belegen. Der bandenähnlich organisierte Rocker trägt Leder, eine Jeansjacke, deren Ärmel mehr oder eher weniger sorgfältig entfernt sind, versehen mit den unterschiedlichsten Abzeichen und dem Emblem der Gang auf dem Rücken, das er sich durch zum Teil sehr obskure Aufnahmerituale verdienen muß.23 Auch wenn Rocker ihre Sauf- und Prügelexzesse meistens unter Gleichgesinnten austragen, die Rocker erwähnende Literatur Außenkontakten keine Zeile widmet und sie zwischen dem heroischen Lonesome Rider und Hardrock- und Rock'n'Roll-Fan verortet, nur in Schlußsätzen knapp auf den Sozia(l)status der auf dem Rücksitz hockenden weiblichen Applikation verweist,24 so sind die Zusammentreffen zwischen Punk und Rocker und deren weiterer Verlauf unberechenbar, bedingt durch die bei Rockern fast ständig bestehende Beweispflicht ihrer Männlichkeit. In geschlossenen Räumen, wie ζ. B. Diskotheken, auftauchende Rocker in beliebiger Anzahl lähmen den normalen Ablauf der dort ansonsten üblichen Zurschaustellungen von Personen. Da Punk eine andere Variante der Präsentation wählt, auch nicht durch das Tragen großflächiger Ganginsignien in einer solchen Bande verschwindet, läßt sich die durch mehrfache teilnehmende Beobachtung gewonnene Faustregel gewinnen, daß ungefähr drei Rocker eines gleichen Clubs erheblich mehr Unruhe verbreiten als ζ. B. zehn Punks.25 Über Personalwechsel zwischen Punk und Rocker - oder umgekehrt - ist nichts bekannt, auch wenn dies die gar nicht so weit auseinanderliegenden musikalischen Vorlieben und einige ähnliche Ausstattungselemente vermuten lassen.26 Beide gehen sich aus dem Weg, Auseinandersetzungen sind selten, vermutlich auch deshalb, weil der Rocker mit seinem Waffenarsenal in einer anderen Gewichtsklasse als Punk - was die Ausrüstung betrifft - "kämpft".

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Das Umfeld

5.4 Rasta Dreadlocks, Reggae, Ganja und der jene Aspekte favorisierende Dunkelhäutige werden hier nur erwähnt, weil in der Anfangsphase des britischen Punkphänomens eine - zwar nicht sonderlich dichte und folgenschwere, aber dennoch rekonstruierbare - Akzeptanz zwischen beiden Lagern - Punk und Rasta - besteht. Reggae ist - in dieser Zeit - eine der wenigen Musikformen, die Punk neben der eigenen (er)duldet. Punkrock-Gruppen wie Clash greifen in ihren Songs auf Elemente des Reggaes zurück, und mit den Bad Brains - amerikanischer Hardcore - entsteht sogar eine nur aus dunkelhäutigen Mitgliedern bestehende Gruppe, die alle drei Elemente - Punk, HC und Reggae - nebeneinander verwendet. Gemeinsam ist Punk und Rasta die fast gleichstark erfahrene Ablehnung, insbesondere durch die Skins, was wohl mit einer der Hauptursachen für die kurzzeitige Allianz der Außenseiter ist. Da aber die Bewohner der westindischen Inseln mit ihrem britischen Pass eine eigenartige Rolle im Zentralland des Commonwealth spielen, bleibt die kulturelle Interaktion zwischen Punk und Reggae eine britische.27 Mit der wachsenden Adaption einiger Stilelemente des Reggae in der populären Musik, dem Einzug von Bob Marley und anderen Vorzeigerastafaris in die Plattenschränke der sich tolerant gebärdenden Intelligentia, der für Punk nur lokal begrenzten Auseinandersetzungspflicht mit den Rastafaris, sowie der hautfarbenbedingten Unmöglichkeit der gegenseitigen Personalrekrutierung,28 setzt sich die krawallerprobte Freundschaft zwischen Punk und Rastafaris nicht fort.

5.5 Hippies Bob Dylan broke his neck close, but no cigar. Julie Burchill/Tony Parsons29

In der Skala der von Punk verachteten Personen nimmt der Hippie in fast all seinen ihm zur Verfügung stehenden Varianten eine der Spitzenpositionen ein. Obwohl Punk in seiner politischen Ausrichtung eher Parallelen zum Hippietum aufweist, sind die Langhaarigen ihm ein Greuel. Sie hören wunderliche Musik, hocken sich auf Open-Air-Festivals in den Schlamm und haben bei ihrem Marsch durch die Institutionen einige ihrer drogenumnebelten Köpfe an wichtigen Schaltstellen (Musikbusiness, Journalismus, Schule, Universität, Sozialarbeit) zurückgelassen. Der Vision einer von Liebe und Frieden überschwemmten Welt setzt Punk seine Bestandsaufnahme gegenwärtiger Zustände entgegen, in denen Liebe und Frieden seiner Meinung nach no future hat. Ob der Vehemenz des Hasses überrascht - oder, den entsprechenden Jargon benutzend, betroffen -, reagiert der Hippie mit seiner ihm eigenen sonderlichen Mischung aus Verletzlichkeit, Verblüffung, Dummheit und Wut.30 Der Hippie mit all seinen Stil- und Spielarten feiert den kollektiven Rückzug in die Innerlichkeit, zieht asiatische Religionen zu Rate, sich selbst auf Flokati-

New Wave

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Teppiche und Matratzenlager zurück und Gleichgesinnte und Andere mit langen Diskussionen in seinen Bann. Bevor sie die Blumen bei ihren Sit-ins oder OpenAir Festivals zertreten, stecken sie diese sich ins Haar und nennen sich auch Blumenkinder. Naturverbundenheit, Politisierung im Zuge der Studentenbewegung, sowie das kontinuierliche Lob der Individualität lassen den Geist des Hippietums auch bei denjenigen weiterleben, die nicht mehr unbedingt über "lange wallende Haare, (...) ausgebleichte, vielfach liebevoll geflickte Latzhose aus Denim" oder "ständig mildes Lächeln auf den Lippen"31 den Hippies zuzuordnen sind.

5.6. New Wave Mit dem unglücklichen Begriff "New Wave" sollen all diejenigen Phänomene zusammengefaßt werden, die seit Ende der 70er Jahre ihre Auftritte haben. Dazu gehören sämtliche Kostümierungseskapaden, wie ζ. B. die New Romantics oder Gothics, die schwarz gekleideten und kurzbehaarten Existentialisten, oder die großen Geschwister der Popper. Man trifft sich entweder in speziellen Diskotheken oder den aufkommenden Neonkneipen, in denen man der Musik lauscht, die - im Fahrwasser von Punk emporgespült - den kultivierten Musikgeschmack trifft. Die Anleihen bei Punk bleiben nicht nur auf die Musik beschränkt. Im Outfit werden ungefähr die bei den ersten Punk-Gigs auftauchenden Elemente - ζ. B. Frisur, Accessoires übernommen, zwar nur partiell und auch dann noch, als Punk schon längst wieder andere Ausstaffierungen zelebriert. Fanzines und Zeitschriften greifen stilistische Elemente der Punkzines auf. Da alle hier versammelten Gruppierungen ahnen, was sie Punk zu verdanken haben, in den sie betreffenden Bereichen (Musik, Tanz, Outfit) auch immer wieder auf der Suche nach Innovationsschüben sind, findet Punk in New Wave immer Leute und Nischen, die ihn aufzunehmen bereit sind, sollte er das Punksein satt haben. Die stillschweigende Akzeptanz ist eine beidseitige und der personale Wildwechsel zwischen beiden ist ein breit ausgetretener, im Vergleich zu denen zwischen Punk und anderen Phänomenen. Rastloser Wanderer auf genanntem Wildwechsel ist der Modepunk, dem ein Punksein rund um die Uhr aus den unterschiedlichsten Gründen nicht gelingt. Er setzt seinen "Iro" nur dem Saturday Night Fever aus, hört auch andere Musik und nicht auf zu beteuern, daß er weiß, was das im Kreis dargestellte "A" bedeutet. In dem verwirrenden Begriffsfeld zu Beginn werden Punk und New Wave noch nebeneinander, Bands wie Devo, Talking Heads und D.A.F. in einem Atemzug mit den "Drei-Akkorde-Helden" genannt. Ursache für diesen sich erst später abzeichnenden Irrtum ist vermutlich die Präsenz von Punks bei Konzerten obiger Bands, sowie das Behandeln derartiger Gruppen auch in den zunächst nur von Punk geführten Fanzines. Erst in der Folgezeit, als es genügend Punkbands gibt, um ein Fanzine damit alleine zu füllen, gleichzeitig auch New Wave eigene Fanzines produziert, werden die Unterschiede sichtbar.

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Das Umfeld

5.7 Popper Die jungen, wohlfrisierten Menschen zu Beginn der 80er Jahre gehören zu denjenigen, die auch handgreifliche Ablehnungsbekundungen von Seiten der Punks erdulden müssen. Ganz im Gegensatz zu Punk legt der Popper Wert auf modeund markengerechte Kleidung und Frisur, bekundet seinen Ekel gegenüber den schmuddeligen Punks und Hippies, und macht sich bei seinen Eltern nur unbeliebt durch immer häufiger geäußerte Wünsche nach den neuesten, zum Trend erkorenen Kleidungsstücken. Das kostenintensive Popperleben findet in Diskotheken und den einschlägig unterkühlt eingerichteten Lokalen statt, in dem man Haarschnitt und Bekleidung vergleichen und dazu bunte Cocktails oder Sekt trinken kann.32 Auffällig beim letztendlich doch nur kurzlebigen Poppertum - von seinen verwässerten, modernen Varianten einmal abgesehen - ist das frühe Rekrutieren des Nachwuchses. Vermutlich über die gymnasiale Peer-group fällt die Markenfreundlichkeit auch schon bei den kurz vor der magischen Grenze zum Teenagertum stehenden 10- bis 12-jährigen Jugendlichen auf furchtbar fruchtbaren Boden. Nicht unbedingt auf die Popper zurückführbar, aber genau wie diese dem Guten, Schönen, Baren aufgeschlossen, ist der Yuppie. Als "young urban professional" setzt er den durch die Popper initiierten konsumfreudigen Lifestyle fort, mit dem einzigen Unterschied, daß er seine Eltern nicht mehr zur Aufrechterhaltung des Lebensstiles benötigt und schwungvoll seine eigene Kreditkarte zieht, wenn er das passende Kraftfahrzeug betanken läßt.33 Die über die jeweiligen neuesten Trends informierenden Magazine sprießen weltweit gegen Mitte der 80er Jahre aus den redaktionellen Böden, in denen sich auch noch Mitarbeiter und Spuren des (Polit-)Hippietums finden lassen. 5.8 Hardcore 34 HC - so die Kurzform für Hardcore - ist die bislang letzte Entwicklung, die - allen eventuell gegenteiligen Beteuerungsbemühungen zum Trotz - ihre Ursprünge in Punk hat. Begriffsgeschichtlich taucht Hardcore zum ersten Mal zu Beginn der 80er Jahre bei den Beschreibungsversuchen zu den musikalischen Aktivitäten der zweiten Generation Punk auf, man spricht von Hard-core-Punk.35 Neben dem Bindestrich fällt alsbald auch das Anhängsel Punk und somit auch die für Punk bestehende implizite Kleiderordnung. Hardcore trägt Baseballmützen, Kapuzenpullis, Kopftücher, Turnschuhe und orientiert sich auch hier - neben der Musik an den amerikanischen Vorbildern. "In Heidenheim, Nagold, Wörth, Heußweiler, München entstehen die Keimzellen dessen was später von Nietenpunks verächtlich Slammer genannt wird. Hardcore wächst kontrolliert in dem Sinne, daß sich die meisten Leute von Punk her kennen und somit ein enger persönlicher Kontakt besteht. Eine Bewegung von vielleicht 100. Leuten, die aus dem Frust des Jahres 84 entsteht."36

Anmerkungen

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Trotz musikalischer und ausstattungspraktischer Differenzen gibt es keine körperlichen Auseinandersetzungen zwischen Punks und Hardcore, sieht man einmal von den aus leicht divergierenden Tanzauffassungen resultierenden Zusammenstößen ab. Die in das andere Lager zielenden Seitenhiebe sind ausschließlich verbale. Hardcore rekrutiert seine Anhänger hauptsächlich aus dem Freundeskreis amerikanischer, punkähnlicher Musik von Bands wie ζ. B. Minor Threat und Youth Brigade. Das Wechseln der Zugehörigkeit - von Punk zu Hardcore, und umgekehrt - findet sehr selten statt, vielleicht auch deshalb, weil Hardcore etwas anders tanzt. "Kein Pogo, ab jetzt wird geslammt, Stagediving und Circle Dance sind angesagt, jeder hat seinen Spaß, fantastisch."37 Im Straßenbild nicht - wie ζ. B. Punk - klar erkennbar, beherbergt Hardcore heute, und sei es nur an den Rändern, sowohl einige Sonderformen - wie ζ. B. die Drogen- und Fleischverweigerer Straight Edge -, wie auch Schnittstellen zu naheliegenden Genres - Metal, Skateboarding deren gegenseitigen Beeinflussungen besonders in Musik und Outfit kaum noch eindeutige Zuordnungen zulassen. Die sich aus dem Nebeneinander von lang- und kurzbehaarten Hardcorern, starken Trinkern und Anti-Alkoholikern ergebenden Schwierigkeiten kann sich jeder selbst ausmalen.

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Vgl. Knight (1982: 8) und Mead (1988: 1). Brake (1981: 90) sieht nicht ganz so weit zurück. Mit der Bemerkung, "Ende der 60er Jahre entwickelte sich im Dustkreis der hartgesottenen Mods ein neues Image", leitet er seine dreiseitige Abhandlung über die Skinheads ein. Einen ausgezeichneten akustischen Einblick bieten die Oi-Compilation LP's. Bei der Auswahl ist zu beachten, daß die Qualität mit zunehmender Jahreszahl abnimmt. Dem interessierten Leser seien folgende Alben empfohlen: Oi! The Album (GB 1980), Strength thru Oi! (GB 1981), Carry on Oi! (GB 1981), Oi! Oi! That's yer lot! (GB 1982), Son of Oi! (GB 1983), This is Oi! (GB 1986). Hermann von der deutschen Ska-Band Busters (in: ZAP 13, 6/89: 15) siehe dazu besonders Johnson (o.J.) Der Titel der oben erwähnten, zweiten Oi-Compilation ζ. B. nimmt Bezug auf die englische Übersetzung des "Kraft durch Freude": Strength through Joy! Refrain eines Songs der Sham 69 (GB 1978) Vergleiche dazu das heute noch erhältliche und auch immer noch angeforderte (!!!) Fanzine, das in einem Rückblick ausschließlich jene Chaostage behandelt. Ute Wiemers und Karl Nagel, auch Initiatoren der Festlichkeiten, geben das Zine "Chaos-Tage. Punk- und Skintreffen in Hannover am 1. - 2. Juli '83" heraus (60 Seiten DIN A-4 für 3,50 DM). Das sind laut Brake (1981: 90) die "Arbeitsstiefel der Werftarbeiter". Die Doctor Martens sind lederne, durch eine Stahlkappe verstärkte Schnürstiefel, die über die Anzahl der für die Senkel vorgesehenen Löcher unterschieden und klassifiziert werden, "the 8-, 10- and 12eyelet boots are probably the most popular today, although the 14-eyelet were very common among girls a few years ago (...)." (Mead 1988: 48) Wer vor einem Skinhead nicht gleich die Flucht ergreift und ohne zu fragen erfahren will, welche Gesinnung er mit seinem kahlrasierten Schädel herumträgt, der schaue auf die Farben(!) der Schnürsenkel: neben den unterschiedlichen geographisch bedingten Besetzun-

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gen der Farben gilt in England allgemein, daß ζ. B. rote Schnürsenkel zu einem Mitglied der National Front und weiße zu einem Mitglied der Anti-Paki League gehören (vgl. Mead 1988: 50). Bei Brake (1981: 91) ohne Anführungszeichen. Bei den deutschen Sommer/Wind (1986:33) wird "Lieblingssport" in Anführungszeichen gesetzt. Clarke (1979: 174). Er versucht, auch eine Deutung zu liefern: "Schwule ticken kann als Reaktion gegen die Auflösung traditionell verfügbarer Stereotypen von Männlichkeit, vor allem durch die Hippies, interpretiert werden." (1979: 175). Photos dazu Finden sich in Knight (1982). Man möge den Begriff "Zusammendreschen" verzeihen, versucht er doch nur, die onomatopoetische Wucht des "Paki-Bashing" angemessen ins Deutsche zu übertragen. Mead (1988: 9) Bondy et al (1957: 24), ein das Halbstarkenphänomen ausgezeichnet beschreibender Band. Sommer/Wind (1986: 22) Brake (1981: 83ff) bezeichnet den "Teddyboy" als "ersten wirklichen Dandy der Nachkriegszeit", hat es aber schwer, die Gelassenheit und Stilsicherheit des Dandys mit den Tatsachen, daß "die Teds gern den starken Mann spielten, wenn man sich über ihr Äußeres lustig machte", und daß "ihre Lebensaussichten nicht gerade rosig [sind] und mehr oder weniger auf eine Lumpenproletarier-Existenz hinauslaufen]", in Einklang zu bringen. Hebdige (1979: 170) Sommer/Wind (1986: 28) ebd. Die hier zusammengezogenen Beschreibungen werden bei Brake (1981: 86ff) noch auseinandergehalten, um den Modtypus als variantenreichen darzustellen. Hebdige (1979: 160) Der darüber mit ausgezeichneten Photos berichtende Artikel in The Face (No.2,11/88:14ff) wird mit folgenden Worten eingeleitet: "Scooter chic defies all flip categories in Glasgow, where Sean Connery, sci-fi and schlock horror films mix with every youth cult ever chronicled in a head-on culture collision that's more Mad Max than Quadrophenia. Only one style question bothers these mutant magpies - Was Freddy Kreuger a ModV Als Erklärung sei angefügt, daß Mad Max die Titelfigur einer post-apokalyptischen Filmtrilogie ist, Quadrophenia der Titel der verfilmten Mod-Oper - geschrieben von der in Mod verwurzelten Rockgruppe The Who -, und Freddy Krueger (der obige Druckfehler hat seine Ursache im andauernden Kampf des Briten mit den Umlauten) der Filmheld einiger bei den Jugendlichen beliebten bluttriefender Filme, vgl. dazu Brake (1981: 89) Wroblewski/Gommez-Vaez (1983) zeigen Photos, auf denen eine auf dem Boden liegende männliche Person sich mit Öl überschütten läßt, gleichzeitig auch noch einen auf seinen Kopf zielenden Urinstrahl erträgt, um in den Kreis der Sons of Hell, Manchester aufgenommen zu werden. Vgl. ζ. B. Sinus-Institut (1984: 100): 15 Zeilen über Rocker, davon die letzten drei den Mädchen gewidmet. Bei einer mehrmonatigen Beschäftigung als Discjockey in einer Diskothek des Ruhrgebiets gegen Ende der 70er Jahre ließ sich sehr schön die langsame Übernahme des Lokals durch Rocker beobachten. Anfänglichen Kurzauftritten in kleiner Zahl folgte das Hinausbefördern einiger Stammkunden und es endete schließlich mit der freiwilligen Übernahme des Türsteherdienstes. Kurze Zeit später gab es die Diskothek nicht mehr. Selbst der im englischen Fanzine Voodoo Music Magazine (o. Nr., o. J.) etwa 1988 interviewte Johnno aus Leicester, der angibt, einst ein Hell's Angel gewesen zu sein, hat aber vor seinem Punkwerden noch andere Stationen dazwischen durchlaufen. Anscheinend folgerichtig gibt der Subkulturpapst Rolf Lindner die deutsche Ausgabe von Brake (1980) mit der Ankündigung heraus: "Der Originaltext ist um einige, nur für die englischen Verhältnisse relevante Passagen sowie um ein Kapitel (im Original: 4. Dread in

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Babylon. Black and brown youth) gekürzt worden." (Brake 1981: 4) So verfährt jemand, der 182 Seiten später - noch immer im gleichen Buch - im Nachwort fordert, "daß die Subkulturforschung in eine Gesellschaftsanalyse eingebettet wird, die das Kulturelle als das gelebte Soziale begreift." Diederichsen/Hebdige/Marx (1983) dagegen kürzen die den Rastafarianismus betreffenden Abschnitt bei der Übernahme von Hebdige (1979) nicht! Punk bleibt im Grunde ein weißes Phänomen, trotz Bad Brains und Pure Hell - der ersten nur aus dunkelhäutigen Mitgliedern bestehenden Punkband. Unsere dunkelen Mitbewohner scheinen mit ihrer Hauptfarbe und den sich daraus für sie ergebenden Problemen, sowie deren Bewältigung genug beschäftigt zu sein, als daß sie sich als Punk auch noch aus der Gemeinschaft der gleichfalls Dunkelhäutigen hinausbefördern müssen. Einige dunkelhäutige Punks erscheinen in den Bildbänden der Amerikaner und Engländer. In Deutschland ist mir in den letzten 6 Jahren kein dunkelhäutiger Punk zu Gesicht gekommen. Der erste Satz bei Burchill/Parsons (1978: 17) lautet in der deutschen Fassung (Burchill/ Parsons 1982: ll):"Bob Dylan brach sich den Hals. Zu schön, um wahr zu sein." Als die Sex Pistols bei Α & Μ unterzeichnen, beschweren sich andere Künstler des Labels über deren Aufnahme. "Ehrenmänner wie Rick Wakeman, Peter Frampton und die Carpenters (...) rannten weinend zu Big Daddy Α & Μ, auf daß er die bösen, bösen Buben fortschicke." (Burchill/ Parsons 1982: 48) Sommer/Wind (1986: 39) Anspielung auf eine Textzeile eines Songs der DA.F. (Deutsch Amerikanische Freundschaft), Verehrt Euren Haarschnitt (von der LP Für immer, D 1982), die sich mit der Aufforderung "Tanz den Mussolini. Tanz den Adolf Hitler" (aus Der Mussolini, D 1981) in die Herzen einer drohenden Gefahr von Rechts diagnostizierenden Rezensenten und in die Tanzbeine der Jugendlichen - auch die der Punks - spielen. Für den amerikanischen Yuppie gilt 1987: "driving dad's BMW (...) rather than mom's Toyota" (Kotarba/Wells 1987: 409). Bei den autofahrenden (britischen) Yuppies soll zumindest 1988 - der VW Jetta den BMW der 7er Reihe auf dem ersten Rang in der Beliebtheitsskala abgelöst haben. Wertvolle Hinweise zu diesem Abschnitt gab Michael Arndt - Herausgeber des monatlich erscheinenden Fanzines ZAP der freundlicherweise ein unveröffentlichtes, unbetiteltes und undatiertes Manuskript zur Verfügung stellte. Charlie Harper, heute noch aktiver Sänger der U.K. Subs, bezeichnet sich in einem Interview (Amok 7/90) als Schöpfer des Begriffes: "Hardcore Punk ist eine Sache, die von uns eingeführt wurde. Das erstemal als Amerikaner überhaupt von Hardcore Punk gehört haben, war, als die UK Subs zusammen mit Anti-Nowhere League in den USA auf Tour waren unter dem Motto UK Hardcore Around The States." Michael Arndt (s. o.), Hervorhebungen dort Michael Arndt (s. o.). Zu den begrifflichen Trennungen bei den tänzerischen Aktivitäten geben die jeweiligen Kapitel Auskunft.

6 Sex Pistols I think the Sex Pistols are bloody revolting. Bernard Brook-Partridge1

Allen gegenteiligen Behauptungsbemühungen zum Trotz hat zwar nicht alles, aber zumindest Punk 1976 in Großbritannien begonnen.2 "Although groups like London SS had prepared the way for punk throughout 1975, it wasn't until the appearance of the Sex Pistols that punk began to emerge as a recognizable style".3 Die angeführten Beispiele für schon vorher angeblich tätige Punks beziehen sich fast ausschließlich auf einzelne Musiker und deren Aufführungsgebaren, entsprechen also eher den oben gewonnenen Erkenntnissen bezüglich des ursprünglichen Begriffes Punk und berücksichtigen nicht die nicht-musizierende Fangemeinde. Bezeichnenderweise heißt einer der musikalischen Gattungsvorläufer Garage(n) Punk, eine amerikanische, damals unpopuläre Musikrichtung der sechziger Jahre, die außerhalb der Garagen, in denen die Musik produziert wurde, weitgehend unbeachtet blieb.4 "Keiner dieser Punk-Vorläufer jedoch erreichte auch annähernd die Massenwirkung, die letzthin besonders von den britischen Sex Pistols ausging. (...) Und wieder einmal, wie seinerzeit die Beatles den durch starke Geburtsjahrgänge und starke Kaufkraft bestimmten Jugend-Markt aufschlossen, war es eine Popgruppe, die den Tendenzwandel zur neuen Häßlichkeit signalisierte."5 Bevor wir uns mit etwas mehr als nur mit der "Massenwirkung" und dem "Tendenzwandel" beschäftigen, schenken wir unsere Aufmerksamkeit denjenigen, die für die "neue Häßlichkeit" verantwortlich scheinen, den Sex Pistols, "die, um auf den anfang dieser sozialgeschichte der punk-musik zurückzukommen, bringend ja nun wirklich."6 Nach einigen kurzen Collegeauftritten in den letzten beiden Monaten des Jahres 19757 treten die Sex Pistols [Paul Cook, geb. am 20. 7. 1956, Schlagzeug; Steve Jones, geb. am 3. 5. 1955, Gitarre; Glen Matlock, geb. am 27. 8. 1956, Bass; Johnny Rotten8 (John Joseph Lydon), geb. am 31. 1.1956, Gesang] am 28. Januar 1976 im St. Albans Bash auf.9 Es folgen mehrere Auftritte in diesem Jahr10, von denen bis auf einen11 alle in Großbritannien stattfinden. Zu diesen Konzerten werden die Sex Pistols vom Bromley Contingent, einer nicht näher genannten Zahl von Freunden, begleitet.12 16 geplante Konzerte in Großbritannien im Dezember 197613 finden nicht statt.14 Manager der Gruppe ist Malcolm McLaren (Malcolm Edwards), dessen Boutique SEX,15 430 King's Road, London - gemeinsam mit Vivienne Westwood geführt - als Entstehungsort der Sex Pistols gilt.16 Die Sex Pistols unterzeichnen am 8. Oktober einen Vertrag bei der Schallplattenfirma EMI. Die erste Schallplattenveröffentlichung erscheint am Freitag, den 26. November,17 eine Single mit dem Titel Anarchy in the UK.X& In der Weihnachtsausgabe (25.12.) des NME taucht Anarchy in the UK in den Charts zum ersten Mal auf Platz 2719 auf und verschwindet sofort wieder.20 Thames TV sendet am Mittwoch, den 1. Dezember, ein Interview mit den Sex Pistols und Teilen des Bromley Contingents im Hintergrund.21 Nach einem 44

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Sekunden langen Filmclip eines Bühnenauftritts der Sex Pistols folgt das eigentliche Interview, 1 Minute und 40 Sekunden dauernd. Am Ende wird der Interviewer Bill Grundy, nachdem er dazu auffordert ("Say something outragious."), von seinen Studiogästen als "dirty bastard", "dirty fucker" und "fucking rotter" bezeichnet.22 Bill Grundy wird nach dieser Sendung für zwei Wochen suspendiert.23 Im Januar 1977 treten die Sex Pistols in den Niederlanden auf. EMI löst offiziell am 22. 1. 1977 den Vertrag mit den Sex Pistols auf.24 Glen Matlock verläßt am 24. Februar die Gruppe. Seinen Platz nimmt Sid Vicious (John Simon Ritchie oder auch John Beverley, geb. am 10. 5. 1957) ein.25 Vor dem Buckingham Palast unterzeichnen die Sex Pistols am 10. März 197726 einen neuen Schallplattenvertrag bei Α & Μ, der eine Woche später ebenfalls aufgelöst wird. God save the Queen, die zweite Single der Gruppe,27 erscheint zunächst bei Α & Μ. Die meisten der 5000 Exemplare werden bei Auflösung des Vertrages vernichtet.28 Bei Virgin erhalten die Sex Pistols am 21. Mai einen neuen Vertrag. God save the Queen wird am 27. Mai wiederveröffentlicht und gelangt an die Spitze der Hitparaden,29 obwohl der Song von BBC Radio One, Radio Luxemburg und allen lokalen britischen Radiosendern auf den Index gesetzt wird und kein Airplay erhält,30 Musikboxen - auf Wunsch der Brauereien - nicht damit bestückt werden und einige Ladenketten sich weigern, die Schallplatte in ihren Bestand aufzunehmen.31 Parallel zu den Feierlichkeiten zum 25-jährigen Thronjubiläum der englischen Königin32 wird am 7. Juni 197733 eine Bootsfahrt auf der Themse - Abfahrt 18. 15 Uhr, geplante Rückkehr zum Charing Cross Pier 23. 45 Uhr, das Boot heißt "Queen Elizabeth" - mit den Sex Pistols veranstaltet.34 Diese Veranstaltung wird gegen 22. 30 Uhr von der Polizei vorzeitig beendet.35 In den kommenden Wochen werden unabhängig voneinander Jamie Reid, der u. a. für das Cover von God save the Queen36 verantwortliche Art Director, Paul Cook und Johnny Rotten tätlich angegriffen und verletzt.37 Am 2. Juli 1977 erscheint Pretty Vacant, die dritte Single der Band, bei Virgin. Es folgt eine Tournee durch Skandinavien.38 Die nächsten Auftritte in Großbritannien erfolgen geheim, d. h., die "Sex Pistols begin their "undercover" UK tour when they play a "Secret gig" at Wolverhampton, Lafayette Club under the Name of the Spots which stands for Sex Pistols On Tow Secretly"39 Holidays in the Sun, die nächste Single, erscheint bei Virgin am 15. Oktober 1977. Für das am 28. Oktober 1977 herausgegebene Album40 Never mind the Bollocks - Here is the Sex Pistols41 liegen 125.000 Vorbestellungen vor. Im Dezember dieses Jahres treten die Sex Pistols in den Niederlanden und in England auf.42 Der Auftritt am 25. Dezember in Huddersfield sollte der letzte in England sein. Am 3. Januar 1978 fliegt die Band in die USA. Das erste Konzert findet in Atlanta, Georgia am 5. 1. statt. Es folgen weitere fünf Auftritte,43 bevor am 14. 1. 78 der letzte Gig der Sex Pistols in San Francisco stattfindet. Johnny Rotten beschließt das Konzert mit den Worten: "Ah-ha-ha! Ever get the feeling you've been

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cheated? Good night.".44 Am 17. 1. wird die Auflösung der Sex Pistols bekanntgegeben. Das, was die Sex Pistols während ihres zweijährigen Bestehens dem hauptsächlich britischen Publikum bieten, beeinhaltet einige der wichtigsten Elemente des Punk. Auch wenn sich zu dieser Zeit zum Beispiel die bundesrepublikanische Szene oder die des romanischen Sprachraumes kaum um die Vorgänge in England zu kümmern scheint4S und den Punk-Rock als randständige Spielart der Rockmusik mit exotischen Randerscheinungen bei den Konzerten verbucht, wirken die von den Sex Pistols initiierten Kapriolen nachhaltig, sowohl auf die Rockmusik, als auch auf das Phänomen Punk. Schon der allererste auf Tonträger festgehaltene Auftritt der Sex Pistols im Entstehungsjahr des Punk findet an einem historisch bedeutsamen Ort, St. Albans,46 statt. Mit der Treffsicherheit, die uns bei den Punks noch häufig begegnen wird, spielt die Band dort, wo "from a military point of view, St Albans from prehistoric times down at least to the Wars of the Roses, seems always to have been considered a place of supreme importance."47 Albanus ist der "Protomartyr von England; er war Römer von Geburt und wurde durch Amphibalus, den er beherbergte, bekehrt und verkündete dann in Wales das Evangelium; er erlitt den Martertod durch Enthauptung unter Diokletian."48 Schon hier kündigt sich, allen schein- und denkbaren Zufälligkeiten zum Trotz, eine Stilsicherheit bei den von Punk gewählten Orten an. Neben der strategischen Bedeutsamkeit des Ortes, der - rockmusikhistorisch gesehen ansonsten belanglos ist, kommt das erste Anzeichen für die Benutzung einer religiös strukturierten Emblematik hinzu, die - gleichfalls bezeichnend - nicht verbal artikuliert wird, sondern in der Wahl des Auftrittsortes besteht, dabei sich aber nicht das Etikett eines beliebigen Schutzpatrons anheftet, sondern das des ersten britischen Märtyrers. Es bleibt aber nicht bei der reinen Durchführung der Konzerte im klassischen Rocksinne. "When it's time to play the band just step onstage out of the audience."49 bemerkt verblüfft die Fachpresse. Mit einer solchen unaufwendigen Geste50 findet eine der vielen Verklammerungen von Publikum und Bühnenakteuren statt.51 Der körperliche Kontakt mit dem Publikum während des Auftritts wird auch von Rockmusikern anderer Genres rituell gepflegt,52 die Sex Pistols erweitern das Repertoire der dabei zur Verfügung stehenden Möglichkeiten um die Teilnahme an Prügeleien in den ersten Reihen vor der Bühne. In der Folgezeit beschränken sich die Aktivitäten nicht nur auf die Überschaubarkeit kleiner Bühnen und Konzertsäle, sondern finden auch dort statt, wo man sie zunächst nicht vermutet: draußen! Hat der etablierte Rockmusiker, sofern männlichen Geschlechts, nach dem Konzert die Qual der Wahl zwischen Unmengen von Groupies oder dem stilgerechten Verwüsten seines Hotelzimmers, so übergeben sich die Sex Pistols in Flughafengebäuden, sitzen grinsend gemeinsam mit Fans in Pariser Straßencafes,

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beschimpfen einen Talkmaster im TV, werden von Polizisten zum Vorzeigen der Ausweispapiere angehalten und schließlich von königstreuen Nicht-Fans verprügelt. To make the news lautet die Verpflichtung, der im doppelten Sinne des Begriffes nachgekommen wird. Die Neuigkeiten werden nicht nur selbst gemacht, sondern man schafft es auch auf die Titelseiten der Tagespresse und in die abendlichen TV-Nachrichten. Die gängigen Mechanismen des Musikgeschäftes werden nicht ausgehebelt, sondern übersteigert nachvollzogen. Zur Unterzeichnung eines Schallplattenvertrages lädt man die neugierige Presse vor den Buckingham Palast, läßt sich in einer britischen Nobelkarosse vorfahren, stolpert ohne jedes, die normalen Halter dieses Fahrzeugtyps auszeichnende, Understatement aus dem Wagen, um dann auf einem klapperigen Tapeziertisch die hochdotierte Unterschrift zu leisten. Das Photo, das am häufigsten zur Dokumentation genannter Veranstaltung verwandt wird, zeigt u.a. - neben einigen der Sex Pistols, dem Tisch und dem Palast - photographierende Pressevertreter und einen Bobby. In dieser inszenierten Anordnung sind die wichtigsten Aspekte ursprünglichen Punktums britischer Prägung versammelt: das Verlassen geschlossener Räume, die Öffentlichkeit, die öffentliche Ordnung und das commonwealthstiftende Königshaus. Das alles scheint bedeutsamer als das Geld zu sein, um das es eigentlich gehen sollte: der Vertrag wird auf einem Tisch unterzeichnet, mit dem man - sofern man gerade nicht Tapeten einkleistert - ansonsten auf dem Flohmarkt steht und dubiose Gegenstände zu dubiosen Preisen feilbietet. Parallel zur quasi gelebten Programmatik mit ungewohnter Rangfolge in der Werteskala gewinnt der erste in Vinyl gepresste Song der Sex Pistols durch eine gleichfalls programmatische Aussage an Gewicht und Bedeutung für Punk.

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50-jähriger Deputy Chairman des Recreation And Community Services Policy Commitee im Greater London Council, das u.a. "every band loosely defined by the GLC as a pop group" die Auftrittserlaubnis erteilt, "even if they play in a venue which already has an anuual pop concert licence." (NME 9/7/77: 11) Das Zitat stammt aus einem längeren TV-Statement zu den Sex Pistols, vermutlich kurz vor dem NM£-Artikel gesendet und auch in den TV-Rückblicken auszugsweise eingeblendet. Knapp die Aufnahme in die einleitenden Motti verpasste der zu gleichem Anlaß gesprochene Satz des Bernard Brook-Partridge: "I felt unclean for 48 hours after I saw them." Vgl. Hahn/Schindler (1983:17): "Um punk zu verstehen, müssen wir uns die Ursprünge 1976 in london genauer ansehen.", 184 Seiten später heißt es: "Als der Punk zum erstenmal 1977 in Erscheinung trat, (...)". Dabei scheinen sie auf Frith (1981: 69) zurückzugreifen, der in einem ansonsten sauber recherchierten Band schreibt: "Als der Punk-Rock 1977 zum erstenmal öffentlich in Erscheinung trat, (...)." Hebdige (1979: 142)

Anmerkungen

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"Unfortunate because punk-rock is a second hand name first used to describe American garage bands (...)", Tony Parsons im NME (2/10/76: 29). Siehe auch Shaw (1982: 47ff), der in typisch amerikanischer Manier noch 1982 den bereits umfangreich ergänzten Punkbegriff völlig unbeachtet läßt. Frith (1981: 70) sieht die amerikanischen "Garagen-Bands" als Vorläufer, "auch wenn ihnen im Zusammenhang mit der englischen Rock-Ideologie eine andere kulturelle Bedeutung zukam." 5 Das weiß Der Spiegel (4/1978: 142) in seiner Titelgeschichte "Punk. Kultur aus den Slums: brutal und häßlich" zu berichten. Die Überschrift des Artikels lautet "Punk: Nadel im Ohr, Klinge am Hals". 6 Mall/van Daale/Gormsen (1982: 7) 7 Von den vier Auftritten im St. Martins College of Art, 107 Charing Cross Road, London (6. 11. 75), der Central School of Art & Design, Holborn London (7. 11. 75), der Chelsea School of Art, Manresa Road, London (5. 12. 75) und dem Ravensbourne College of Art, London (9. 12. 75) sind die Titel der gespielten Songs unbekannt. Die ersten beiden Auftritte wurden nach 10 bzw. 30 Minuten vom Veranstalter abgebrochen; vgl. dazu auch Hahn/Schindler (1983: 36). Wood (1988) führt noch zwei Auftritte im November an, macht aber dazu keine detaillierteren Angaben wie zu den oben genannten Konzerten. Im Januar 1976 soll noch ein Konzert in der Hendon Polytechnic, London stattgefunden haben. Für letztgenanntes Datum liegt außer der schriftlichen Mitteilung von Dougie Cameron, dem ich auch die akribische Auflistung aller Sex Pisto/s-Auftritte verdanke, keine weitere Bestätigung vor. In der unter Mitarbeit von Dougie Cameron und Robert McKenzie, der mir seine handschriftlichen mehrseitigen Unterlagen zur Verfügung stellte, in der englischen Zeitschrift Sounds (Juni 1985) aufgeführten Konzertdaten fehlen Ravensbourne und Hendon. Dave Goodman erwähnt "a big fight at Hendon Poly which involved Paul and some Teds" ohne Datumsangabe (Vermorel 1987:17). Ein Vermerk McKenzie's enthält den Hinweis auf eine Andrew Logan's Party im Januar 1976 noch vor St. Albans Bash. Auch bei Wood (1988) ist diese Phase in seinem Tagebuch gespickt mit vermuteten Auftritten, meistens mit Fragezeichen oder lapidaren Kommentaren wie "details unknown" versehen. Cameron und McKenzie lernten sich erst während der Nachforschungen durch meinen Hinweis auf die Existenz des jeweilig anderen Sex Pistols-Fans kennen. 8 Angeblich "a name coined by Paul Cook's mum when she saw the state of Lydon's teeth". Burchill/Parsons (1978: 33) 9 Ein Bootleg dieses Auftritts mit der Nummer SEX 3523 enthält auf der Α-Seite "the earliest recorded performance. The quality is very poor." (Vermorel 1987: 233). Die Veranstaltung soll laut Wood (1988) erst am 19. Februar stattgefunden haben, was McKenzie und Cameron nicht bestätigen können. 10 Die Angaben schwanken zwischen 46 (Cameron) und 47 (McKenzie). Cameron erwähnt den bei McKenzie als Andrew Logan's Party ausgewiesenen Auftritt (s. o.) als Andrew Logan's Valentine Dance am 14. 2. 1976 im Butler's Wharf, London. Mark Paytress piaziert besagte Party zwei Monate nach dem November 75 (Paytress 1986: 30). Eine komplette Liste der Sex Pisto/i-Konzerte ist in der Sounds zu Finden (s. o.). Bootlegs der Konzerte werden in Vermorel (1987: 232ff) angeführt. Audio Tapes, von denen einige vollständige Konzerte - die Bootlegs liefern zum Teil nur Auszüge - wiedergeben, sind vorhanden, aber nicht offiziell erhältlich. Einzelne Konzerte, die dazugehörige Berichterstattung, Bootlegs, Audio Tapes und Video Tapes werden später berücksichtigt. 11 Dieser Auftritt ist im Club de Chalet du Lar, Paris am 4. 9. 76 (McKenzie, sowie Wood 1988). Für die bei Greg Shaw angeführte "kurze Tour durch Europa" im Oktober 1976 (Shaw 1980: 24) läßt sich keine Bestätigung finden.

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12 "They made the trip to Paris, in a ropey old car, to see their heroe's first overseas performance, and Suzi, shocking in her semi-nudity, got punched on the nose." [aus: Siouxsie speaks, in: Davis (1977)]. Ein gleichlautendes Zitat - ohne grammatikalische Fehler und der korrekten Bezeichnung von 'Siouxsie' - findet sich bei Coon (1982: 38), wobei die erste Auflage 1977 vermutlich als Vorlage für Davis (1977) diente. Die Sex Pistols fliegen nach Frankreich. Fotos zur Paris-Fahrt u. a. bei Coon (1982: 52ff) und Stevenson (1984) zeigen Mitglieder der Band und des Bromley Contingents z.B. gemeinsam in einem Straßencafe sitzend. Zur Entstehung des Namens Bromley Contingent liegen keine Angaben vor. Johnny Rotten antwortet John Tobler auf eine diesbezügliche Frage in einem Radio BBC Interview am 12.11.1977 (unveröffentlichte Transkription von Cameron): "...the Bromley Contingent were the press giving the audience a name. I mean half of them were just from Hartlepool." Wood (1988) führt die Namen einiger Mitglieder des Contingents an. Vgl. auch Hahn/ Schindler (1983: 37), die nicht den Begriff Bromley Contingent benutzen, sondern von einer "kleinen Clique" sprechen, "die für den Punk aber große Bedeutung hatte, denn aus diesem Kreis bildeten sich später selbst neue Punkbands". 13 Die Tournee soll von Norwich University (3. 12.) bis Roxy Theatre, London (26. 12.) gehen. 14 Anscombe/Blair (1978: 24) und Burchill/Parsons (1978: 38) sprechen von 15 ausgefallenen Veranstaltungen, bei dem in Stevenson (1984) reproduzierten Tourplakat sind 16 Auftrittsorte durchgestrichen, diese Anzahl nennen auch Wood (1988) und Hahn/Schindler (1983: 42). Cameron nennt in einer privaten Mitteilung 18 nicht stattfindende Konzerte. Die als Anarchy in the UK-Tour angekündigte Konzertreihe findet im Anschluß an das noch zu erwähnende "Bill Grundy Interview" nicht überall bereitwillige Behörden oder andere Veranstalter, die ihre jeweiligen Stadthallen oder Diskotheken zur Verfügung zu stellen bereit sind. 15 Als "Sex-Boutique" werden bei Marsh (in Lindner 1977: 26) das Geschäft und dessen Bezeichnung zu einem verfälschenden Begriff zusammengezogen. "Sex-Shop" heißt es im Stem (26/10/78: 36). Ab 1978 wird die Boutique "Seditionaires" genannt. 16 Vgl. dazu Vermorel (1978 und 1987), besonders "The (early) life and crimes of Malcolm McLaren" in: Vermorel (1987: 214ff); siehe auch Burchill/Parsons (1978: 31ff), Coon (1982: 49-51), Hahn/Schindler (1983: 32 u. 45). Andere Darstellungen bezeichnen McLaren als Initiator und fast alleinigen Ideenproduzenten, ζ. Β. Shaw (1980: 23) mit der nicht falsifizierbaren Feststellung: "Im Oktober sammelte Malcolm McLaren in seinem Klamottenladen die Sex Pistols zusammen, und sie begannen heimlich zu proben, während McLaren dabei half, sich für die Band und ihre kleine Zahl von Anhängern einheitliche Kleidung und ein unverwechselbares Äußeres auszudenken." und Lindner (1985: 206): "... McLaren (hatte) in der Gruppe Sex Pistols, unter Rückgriff auf einschlägige, auch wissenschaftliche Literatur, das Imago des Ur-Punk inszeniert." Bei Wood (1988) findet das denkwürdige Ereignis "sometime in August (possibly 23rd)" statt. 17 Und nicht am 19. 11., laut Shaw (1980: 25); vgl. ζ. B. Burchill/Parsons (1978: 36); Chambers (1985: 176). 18 Rezensionen finden sich u.a. im Melody Maker νom 27. 11. 76 [Wiedergabe dieses Reviews von Caroline Coon in Stevenson (1984)]. Cliff White bespricht im NME vom 4. 12. 76 Anarchy in the UK. Die Besprechungen der neuerschienenen Singles nehmen im NME mindestens eine Seite ein, beginnend jeweils mit der vom Rezensenten favorisierten Single, zumeist "Single of the week" genannt. Bisweilen werden auch mehrere Neuerscheinungen derart ausgezeichnet. Bei dieser Rezensionsseite nun entfällt die Bezeichnung "Single of the week" und die fast einspaltig besprochene Anarchy in the UK wird mit "Conversation piece of the week" übertitelt. Nach dieser Plattenbesprechung folgen noch 29 weitere, die alle weitaus kürzer sind. Anarchy in the UK wird im Anschluß in einem gesonderten Abschnitt berücksichtigt.

Anmerkungen

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19 Die unterschiedlichen Darstellungen zu den Chartplazierungen sind in den zu dieser Zeit parallel existierenden Hitparaden der Fachzeitschriften zu suchen. Shaw findet gar eine Top 20 Plazierung (1980: 26), Doebeling (1980: 260) Platz 28, Paytress nur Platz 38 (1986: 35), ebenso wie der Rolling Stone (534/1988: 104). Burchill/Parsons (1978: 38) sprechen von "Anarchy reaching the Top Thirty". 20 Von dieser Schallplatte existieren zwei Pressungen, die erste weist Chris Thomas als Produzent aus, die zweite Dave Goodman, der darauf laut Wood (1988) vehement besteht, als Produzent der B-Seite. "Almost immediately after release the record was deleted and there were no more pressings." (Vermorel 1987: 230). Vgl. dazu: "We were mucking about because we got fed up with going over anarchy again and again. (...) But, because Anarchy still didn't work, we got Chris Thomas in and recorded it again at Wessex; and that's the one which finally came out as a single." [Glenn Matlock in einem Interview; Paytress (1988: 299)]. 21 Bei diesem Interview wird auch eine weibliche Person aus dem Bromley Contingent befragt, die später als Siouxsie Sue mit ihrer Gruppe Siouxsie & The Banshees bekannt wird und noch heute Schallplatten veröffentlicht. Noch populärer ist Billy Idol, erst Sänger bei Generation X, heute als Solist erfolgreich. Auch er ist in Paris, nicht aber beim Grundy-Interview, dabei. Foto in: Coon (1982: 56). 22 Transkriptionen des Interviews u. a. in NME (11. 12. 76: 5), Vermorel (1978: 29), Stevenson (1984), Vermorel (1987: 30ff), akustische Wiedergabe auf der LP Some Product (GB 1979). Die Übersetzungsversuche ins Deutsche sind nicht zu empfehlen! Bei Marsh (in: Lindner 1977: 27), Stark/Kurzawa (1981: 28) und auch Hahn/Schindler (1983: 41) ζ. B. wird aus "fucking rotter" ein "kaputter Ficker". Christian Brandl übersetzt Burchill/Parsons (1978), die auch genannte Zitate erwähnen, und schreibt ζ. B. "Du beschissener Ficker!" (Burchill/Parsons 1982:44). 23 Weitere Reaktionen auf dieses Interview, ausgestrahlt im Familienprogramm Today at Six zur Teezeit im Raum London, sind u. a. Titelstorys in den Tageszeitungen und mindestens ein eingetretener Fernseher [Daily Mirror, 2. 12. 76, zitiert nach Stevenson (1984)]. Die Band Television Personalities (sie!) widmet sich den Folgen des Vorfalls in einem Song, betitelt Where's Bill Grundy now?. 24 "EMI feels it is unable to promote this group's records internationally in view of the adverse publicity which has been generated over the last two months, although recent press reports of the behaviour of the Sex Pistols appear to have been exaggerated." Auszug aus einer Pressemitteilung der EMI, reproduziert in Vermorel (1987: 49). 25 Die Gründe für diesen Wechsel werden unterschiedlich dargestellt und spielen an dieser Stelle keine weitere Rolle. Vgl. dazu das Interview mit Glen Matlock in Paytress (1988: 26ff), sowie Vermorel (1987: 58ff) und Burchill/Parsons (1978: 38). Nach Hahn/Schindler (1983: 42) liegt der Trennungsgrund darin zu suchen, daß "das ganze Chaos (...) Glen nun zuviel geworden" war. Laut Record Mirror (31/12/77: 4) und Hibbert/Dawson (1983: 2065) findet der Wechsel erst am 5. März statt, Wood (1988) nennt aber schon gemeinsame Proben der Band mit Sid Vicious am 1. und 2. März. Daß Sid Vicious von Anfang an bei den Sex Pistols mitspielt, wie Frank Heigl und Fatima Igraham im Stern (26. 10. 78: 36) behaupten, ist falsch. Sid Vicious trat schon beim Punk Festival im 100 Club Ende September 1976 musikalisch in Erscheinung, und zwar als Schlagzeuger beim Debüt der Gruppe Siouxsie & The Banshees. 26 Shaw (1980: 27), Hibbert/Dawson (1983: 2064), Paytress (1986: 31) und Wood (1988) nennen dieses Datum. Burchill/Parsons (1978: 38), Doebeling (1980: 261) und Vermorel (1987: 66) nennen den Tag davor und meinen die offizielle Vertragsunterzeichnung, die aus PR-Gründen am folgenden Tag wiederholt wird. 27 Für Stark/Kurzawa (1981: 31) ist dies "die Debüt-Single der Pistols".

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28 Für eines der wenigen übrig gebliebenen Α & Μ Exemplare zahlen Sammler mittlerweile etwa 800 DM (Paytress 1986: 31). 29 In der Ausgabe des NME vom 18. Juni 1977 steht die Single in der einzigen Woche auf Platz 1 und fällt in der folgenden auf Platz 3 zurück, vgl. auch Palmer (1981: 41). "The single is number 2. Good news but it should've been 1. Rod Stewart did for us there." Vermorel (1987: 80); ebenfalls Platz 2 bei Salewicz (1983: 2063) und Paytress (1986: 35); alle drei beziehen sich anscheinend auf die W. H. Smith Top 20. Diese Ladenkette hängt in ihren Geschäften die jeweiligen bestplazierten Singles aus. Virgin wirbt (z.B. ganzseitig auf der Rückseite des NME vom 25. Juni 1977) mit einer dieser Top 20, die den Platz 2 auf ihrem Steckbord offen läßt. Unter einem Photo dieser Hitparadentafel sind in dieser Anzeige alle anderen aufgeführt, die God save the Queen ebenfalls aus ihrem Programm strichen. Der Platz 2 hat laut Wood (1988) aber auch taktische Gründe: "It almost certainly was No 1 but the people who compile the charts (British Market Research Bureau) probably find some legal way to announce it as only reaching No 2. CBS who manufacture both the Sex Pistols and Rod Stewart who is said to be No. 1 confirm that God save the Queen has sold more!" Salewicz (1983: 2063) wird etwas deutlicher, er meint, "Virgin Records maintained that it had outsold the Number 1 song, Rod Stewart's I Don't Want to Talk About It, and had been kept from the top slot to prevent embarrassment to Her Majesty." Platz 27 aus unerklärlichen Gründen bei Shaw (1980: 28), der vielleicht die Anarchy in the ί/ΑΓ-Plazierung meint. 30 vgl. Palmer (1981: 41) 31 Laut Wood (1988) gehören Woolworths und W. H. Smith dazu. 32 Ein Badge zu diesem Jubiläum zeigt Lorbeerkranz, die Krone, die Jahreszahl 1977 und die Aufschrift "The Queen's Silver Jubilee" in schwarz auf weißem Grund mit der darunter befindlichen, in rot gedruckten Aufschrift "Stuff the Jubilee". 33 Die Sounds (22/7/85: 38) datiert dieses Ereignis auf den 16. Juni, Hibbert/Dawson (1983: 2064) auf den 15. Juni und Stark/Kurzawa (1981: 44) gar auf den "Juli '77". 34 Über den geplanten Ablauf und die Logistik gibt der Abdruck eines internen Papieres der Plattenfirma Virgin in Stevenson (1984) Auskunft. 35 Über Tätlichkeiten und Verhaftungen liegen unterschiedliche Aussagen vor, die hier nicht gegeneinander abgewogen werden können. Tony Parsons war als Gast dabei und berichtet darüber im NME (18/6/77: lOff) und in Burchill/Parsons (1978: 40), ebenso wie Jon Savage [in Sounds (18/6/77), zitiert bei Stevenson (1984)]. Eine Liste der verhafteten Personen findet sich bei Wood (1988). 36 Von Jamie Reid signierte Vorlagen für dieses berühmte Cover mit der sicherheitsnadeltragenden Queen kosten £300. Vgl. dazu die Auktion bei Christie's vom 25. August 1988, Ergebnisse in: Record Collector (110/88: 49). 37 13. Juni: "Jamie Reid (art designer) is attacked by a gang of 4 youths and receives a broken nose and a cracked bone in his leg." Wood (1988); 18. Juni: "Slashed! Razor attack on Rotten, the Punk Rocker" Titelseite des Daily Mirror vom 21. 6. 1977; 19. Juni: "Paul Cook is attached by five men yielding knives and an iron bar outside Shepherds Bush tube station. He is taken to Hospital and receives 15 stitches on the back of the head." Wood (1988); 23. Juni: "A second attack on Johnny Rotten takes place. This time at Dingwalls Dance Hall in Camden." Wood (1988). 38 Die Auftritte in Kopenhagen (13. + 14. 7.), Halmstad (15. 7.), Heisingborg (16. 7.), Jonköping (17. 7.), Kristinehamn (19. 7.), Oslo (20. 7.), Trondheim (21. 7.), Vaxjö (23. + 24. 7.), Stockholm (27. + 28. 7.), Linköping (29. 7.) finden ausschließlich in kleineren Klubs zum Teil unter Altersbeschränkung der Zuhörer statt [alle Angaben nach Woods (1988)]. Cameron und McKenzie führen unabhängig voneinander nicht die Auftritte in Jonköping,

Anmerkungen

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Kristinehamn und Linköping auf! Alleine von dieser Skandinavien Tournee existieren mindestens acht unterschiedliche Audio-Tapes! Wood (1988); am 24. 8. 77 spielen sie in Doncaster als The Tax Exiles, am 25. 8. 77 in Scarborough als "Special Guest", am 26. 7. 77 in Middlesborough als Acne Rabble, am 31. 7. 77 in Plymouth als The Hampsters und am 1. 8. 77 in Penzance werden sie als "A mystery band of international repute" angekündigt - und spielen auch dort, im Vergleich zu einigen anderen Orten, an denen in diesen Tagen seltsam klingende Gruppen angekündigt werden, aber nicht erscheinen. Cameron ζ. Β. verzeichnet den nicht stattfindenden Auftritt in Bury St.Edmunds, McKenzie ergänzt dieses Datum mit dem Hinweis auf die Tax Exiles, die nach Wood (1988) in Doncaster ihren Auftritt haben. Der Auftritt in Wolverhampton wird vom Melody Maker (31/12/77: 3) als eines der zehn besten Konzerte des Jah-res bezeichnet. Diese Auszeichnung erhält u. a. auch Keith Jarrett. Es gibt also vier Singles vor dem Erscheinen der LP und nicht drei, wie Der Spiegel (4/1978: 142) behauptet. Wood (1988): "All over the country the Sex Pistols album title is causing uproar as the Police respond to complaints about shop window displays and posters. Many shops are warned that they could be prosecuted under a 1899 law regarding obscene advertising!" "Zum Teufel mit den abgewichsten Typen, hier kommen die Sex Pistols" lautet die Übersetzung des Albumtitels im Spiegel (4/1978: 142), wahrlich kein Grund für die große Empörung in England ob dieses Titels. Am 24.11.1977 kommt es zu einem Prozeß, in dem u. a. entschieden werden soll, ob das Wort "Bollocks" obszön sei und deshalb die LP nicht in den Geschäften ausgelegt werden darf. Als Gutachter wird Reverend James Kingsley herangezogen, Professor of English Studies an der Universität Nottingham. Die Entscheidung schließt mit folgenden Worten: "Much as my colleagues and I wholeheartedly deplore the vulgar exploitation of the worst instincts of human nature for the purchases of commercial profits by both you and your company, we must reluctantly find you not guilty on each of the four charges." [zitiert nach Vermorel (1987: 113)] 5. 12. Rotterdam, 6. 12. Maastricht, 7. 12. Tilburg, 8. 12. Arnheim, 9. 12. Eindhoven, 10. 12. Groningen, 11. 12. Maasbree, 13. 12. Wimschoten, 14. 12. Rotterdam; 16. 12. Uxbridge [Review in Sounds (31. 12. 77: 10/11)], 17. 12. Coventry, 19. 12. Keighley, 21. 12. Wolverhampton, 23. 12. Newport, 24. 12. Cromer, 25. 12. Huddersfield - Angaben nach Wood (1988). Cameron erwähnt den Auftritt am 21. 12. nicht! Das Tourneeplakat trägt den Titel

Never mind the bans. 43

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6. 1. Memphis, 8. 1. San Antonio, 9. 1. Baton Rouge, 10. 1. Dallas, 12. 1. Tulsa - Angaben nach Wood (1988). Hahn/Schindler (1983: 44) sprechen von 20 Konzerten, zählen aber vermutlich die vorangegangene Auftritte in Europa mit. zitiert nach Wood (1988) vgl. Seessien (1980: 268) St. Albans liegt einige Meilen nördlich von London, etwa auf halber Strecke zwischen London und Luton. Einleitung zu dem 1946 erschienenen "The Alban Guide to the Cathedral and Abbey Church and its Sorroundings". Doye (1929a: 34). Die Abteikirche soll auf dem Hügel stehen, auf dem Albanus enthauptet worden ist. in: Sounds (9/10/76: 24) Der Aufwand ist deshalb vergleichsweise gering, weil alle Beispiele - auch gerade aus dem Theaterbereich - des ungewöhnlichen Bühnenbetretens und des Ausweitens der Vorführung auf die die Bühne umgebenden Räume umfangreiche Rahmungen und Regieanweisungen erfordern. Vgl. dazu besonders Goffman (1980: 143ff).

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Da die Verklammerungen nicht alleine auf Konzerte der Sex Pistols beschränkt bleiben, werden sie in einem gesonderten Kapitel behandelt. Die hier aufgeführten Phänomene berücksichtigen nur die, die von den Sex Pistols (mit-)initiiert werden. Zu den bekannteren Beispielen gehören der Ritt des Gitarristen Angus Young der Hardrock-Band AC/DC auf den Schultern eines Roadies durch die vordere Hallenhälfte, dabei weiterhin die mitgeführte Gitarre traktierend, sowie das Hinunterspringen des Sängers Bono Vox der Rockgruppe U2, der seinen Ausflug u. a. dazu benutzt, mit einem Mädchen aus der ersten Reihe zu tanzen, vorgeführt ζ. B. bei dem Live Aid Konzert im Londoner Wembleystadion.

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7 Anarchy in the UK That song could only have been written in 1976. Tony Parsons1 When I first heard it, I didn't understand it. In my whole live I've only heard two rock records I didn't understand straight away. Myles Palmer2

Anarchy in the UK, "die Nordseeküste der Punks",3 ist unter den 100 besten Singles der letzten 25 Jahre auf Platz 32 zu finden,4 weil "it was a good old-fashioned rock & roll record. It has the subversive quality that you're always looking for.".5 Dieses Lied ist das, neben dem God save the Queen der gleichen Band, in der Literatur am häufigsten zitierte aus der Punk-Ära. Verbunden mit seiner Entstehungsgeschichte und den Folgen ist es der Klassiker schlechthin, auch wenn einige gerne das New Rose der Damned als ersten Punksong bezeichnen möchten.6 Da sich die erste Single der Sex Pistols trotz ihrer von fast allen Rezensenten eingestandenen Bedeutung7 unter anderem dadurch auszeichnet, daß ihr Text sehr variierend wiedergegeben wird, soll er noch einmal der Deutung vorangestellt werden. Der Transkription liegt die Fassung der französischen Single, die den Versionen auf den Langspielplatten Never mind the Bollocks und Flogging a Dead Horse entspricht, zugrunde. Anarchy in the UK (Autoren: Jones, Cook, Rotten, Matlock)8 Right Now9 Hahahahahaha 10 I am an antichrist I am an anarchist11 Don't know what I want but I know how12 to get it I wanna destroy passers-by13 cos 14 1 wanna be anarchy15 no dog's body16 Anarchy for the U.K. it's coming some time, maybe17 I give a wrong time,18 stop a traffic line your future dream is a shopping scheme cos I I wanna be anarchy19 in the city20 How21 many ways to get what you want I use the best. I use the rest22 I use the enemy23 I use anarchy24

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cos i wanna be anarchy It's the only way to be Is this25 the M.P.L.A.26 or is this the U.D.A.27 or is this the I.R.A.28 I thought it was the U.K. or just another country another council29 tenancy I wanna be anarchy and I wanna be anarchy30 you know what I mean and I wanna be a31 anarchist Get pissed. Destroy.32 Ahhh Der revolutionäre Gehalt von Texten in der Rockmusik und ihre "weltverändernde Wirkung" ist als Thema so alt wie diese Musikrichtung selbst.33 Sieht man einmal von den primären Veränderungen ab, nämlich denen der Änderung des Kontostandes des oder der Vortragenden, so ist es bis heute nicht gelungen, schlüssige Kausalitäten zwischen rotierenden Plattentellern und gesellschaftlichen Wandlungsprozessen auf unserem rotierenden Planeten zu ziehen. Um dieser Tatsache gerecht zu werden, soll der obige Songtext auch nur als das gewürdigt werden, was er ist: als erster, in objektivierter Form vorliegender Beitrag des Phänomens Punk. Mit "Right! Now!" wird zu Beginn auf die der Aufnahme vorangegangene Zeit Bezug genommen, in der das Lied zum Repertoire der Live-Auftritte gehört, aber dem Publikum der Gigs unwiederholbar verloren bleibt. Im Sinne eines "Na gut, Ihr habt es so gewollt, nun bekommt Ihr es!" gelingt es, einerseits eine Brücke vom Vorher über das Jetzt der Aufnahme bis hin zum Später beim Hörer der Schallplatte zu schlagen, sowie auch andererseits die wenigen Personen, die Zeugen der Live-Auftritte sind, mit den potentiellen Käufern des in Vinyl gepressten Songs, allen anderen Personen, zusammenzuführen. Später dann, als die zeitlich allumspannende Klammer Anarchy in the UK als Schallplatte vorliegt, ist es nur natürlich, daß bei dem Livevortrag genannten Songs beide Worte entfallen. An dem nun herausgebrüllten Bekenntnis "I am an Anti-Christ" ist weniger interessant, daß der Anti-Christ "das im christlichen Abendland personifizierte Böse"34 sein könnte, sondern vielmehr die Verwendung des unbestimmten Artikels. Entweder reiht sich der so Bezeichnende in die lange Reihe aller bis zum heutigen Tage heraufbeschworenen oder als solche titulierten Antichristen ein, oder aber er ist nur einer von mehreren gleichzeitig existierenden Antichristen. In beiden Fällen ist der Antichrist nicht mehr die klassische Figur des Einzelwesens, sondern eine sich in Gesellschaft von Gleichen befindliche. Berücksichtigt man weiterhin, daß sich die Tradition des Antichristen von der Apokalypse des Johannes über die mittelalterliche Kirche, Luther, der "die letzte Epoche der Kirchengeschichte, in der er selbst .zu leben meinte, als die der Antichristiani bezeich-

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net"35 und "im Papsttum dem Antichrist schlechthin gegenüberzustehen"36 glaubt, bis hin zu Literatur (ζ. B. Selma Lagerlöf, Joseph Roth) und Philosophie (ζ. B. Francis Bacon, Immanuel Kant, Friedrich Nietzsche) ziehen läßt, ist weniger die gewählte Figur als vielmehr die Selbstzuweisung dieses Etikettes neu.37 Den Antichristen als das personifizierte Böse zu bezeichnen genügt nicht, denn zum Beispiel die neutestamentarischen Aussagen über den Antichristen orientieren sich alle an der Christusfigur, die so in der Gegenüberstellung mit dem Antichristen zusätzlich Kontur erhält. Der Antichrist ist folglich eine stark religiös strukturierte Figur, die "nicht aggressiv, sondern mit frommer erhabener Rettergebärde, im Glänze der Toleranz und Humanität, vorgeblich Fürsorge und Liebe hegend,"38 auftritt. Ähnlich verhält es sich mit dem Bekenntnis "I am an anarchist", da die Anarchie - zumindest laut ihrer beiden wichtigsten Protagonisten Stirner und Proudhon39 - nur eine andere Ordnung ist, die die bestehende ablöst. Wieder ist weniger das provokant erscheinende Etikett interessant als einfach die Tatsache, daß sich jemand zu einer neuen Ordnung zugehörig rechnet, von der wir bis jetzt nicht wissen, wie sie aussehen soll. Dieses Dilemma scheint auch dem Verfasser klar zu sein - "Don't know what I want" -, der aber umgehend ankündigt, über den Weg dorthin - zur neuen (anarchistischen) Ordnung in einem Kollektiv, bestehend aus lauter Einzelwesen (Antichrist) - Kenntnisse zu besitzen: "but I know how to get it". "I wanna destroy passers-by" ist demnach weniger "die grundsätzliche Zerstörungswut gegenüber dem Passanten auf der Straße, der zufällig vorübergeht, die Bedrohung des Normalbürgers, der nichts mehr fürchtet, als Opfer dieser sinnlosen Gewalt zu werden",40 als einfach nur die Zerstörung des Passantenstatus der Vorbeigehenden. Bemerkenswert, daß schon hier die Notwendigkeit der Existenz Anderer festgehalten wird, weil "I wanna be anarchy" ohne Publikum nur ein Wunsch bliebe, ein Wunsch freilich, der - ähnlich wie man es bei der Begriffsgeschichte "Punk" sieht - einer einzelnen Person ermöglicht, die gesamte Bewegung in seiner Person zu repräsentieren, ganz im Sinne des Stirner'schen "Ich bin meine Gattung."41 Für den genauen Zeitpunkt des Eintretens dieses Zustandes liegen dem Vortragenden, der "no dog's body" sein möchte, keine Angaben vor - "it's coming some time, maybe". Sicher ist nur zunächst das mit genannter Gesellschaftsordnung zu versehene Territorium und Staatengebilde - "Anarchy for the U.K.". Beglückt werden all diejenigen, deren "future dream is a schopping scheme" und sie müssen sich zumindest auf falsche Zeitangaben und Unterbrechungen des (Straßen)verkehrs gefaßt machen. Wo genau das alles stattfinden soll, erfährt man umgehend - "In the city". "Anarchie steht" - nach Meinung des Zitierten - "für Freiheit und Selbstverwirklichung"42 und der Anarchist in der Großstadt, derjenigen Organisationsform menschlichen Wohnens, die die familiar strukturierte Kleingemeinde nicht nur ab-, sondern auch aufgelöst hat. Auf der anderen Seite sichert aber gerade die City den höchstmöglichen Grad garantierter Aufmerksamkeit: Publikum ist in wahren Unmengen vorhanden!

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Die Metropole stellt also nicht nur durch ihre Konzentration von Banken, Kirchen und Geschäften eine Vielzahl dessen zur Verfügung, was man gemeinhin zum Kreis der erstrebenswerten Güter zählt, sondern auch Öffentlichkeit.43 Und um dort Aufmerksamkeit zu erlangen und aufrecht zu erhalten, ist nicht jedes der umfangreich zur Verfügung stehenden Mittel recht - wie man es bei Anarchisten vermuten könnte -, sondern gerade nur das beste. Alle anderen Personen oder Institutionen sind nur noch dazu da, dem Kollektiv der Einzelpersonen Aufmerksamkeit zu schenken. Nicht nur der Feind, sei er ζ. B. der N.M.E., selbst auch die Zugehörigkeit zu dem eingangs erwähnten Wunschzustand "anarchy" ist dem erstrebten Ziel unterzuordnen - "I use anarchy". Der mögliche Einwand, Verrat an der Sache zu verüben, wird lapidar entkräftet - "It's the only way to be". Das United Kingdom scheint so united nicht zu sein, "britische Söldner bekämpfen die marxistische MPLA in Angola; die paramilitärische Ulster Defense Association, eine rechte protestantische Vereinigung, will ganz Irland unter die britische Krone zwingen; die katholische Irisch-Republikanische Armee will die britischen Truppen aus Nordirland hinausbomben."44 Ob diese kriegsähnlichen und somit straff geregelten Auseinandersetzungen mit "der realen Anarchie in der britischen Gesellschaft von heute"45 richtig gekennzeichnet sind, ist zu bezweifeln. Eher ist der wiederholt vorgetragene Wunsch "I wanna be anarchy" eine Ablehnung streng organisierter, kollektiver Auseinandersetzungen. Auseinandersetzungen finden nur noch um die Gunst des großstädtischen Publikums statt. Das gleichgesinnte Personal rekrutiert sich aus den Personen, die ihr Einzelwesendasein gleichfalls im Kollektiv ausleben. Man erkennt das Kollektiv nicht an seiner Trunkenheit, sondern an seinem Weg dorthin - "Get pissed". Zerstört werden so sämtliche hehren Ziele konkurrierender Weltveränderer, die leitende Idee der "Anarchy in the U.K." ist die, daß keine existiert, sieht man vom einzigen Programm ab, im Nachrichtenprogramm zu erscheinen. Und dazu braucht man sich keiner - wie auch immer gesinnungsstrukturierten, kämpfenden Einheit anzuschließen. Es reicht die Gemeinschaft der Saufenden in der Stadt.

Anmerkungen 1 2 3 4

im NME (2/10/76: 29) in: Palmer (1981: 116). Trevor Wilson in: Ein Leben für die Musik, in: Ich und mein Staubsauger (22/1988: 10) Diese Meinung vertritt jedenfalls der Rolling Stone (534/1988: 104). Sieht man sich die Top 10 dieser in den U S A von einer traditionsreichen Musikzeitschrift präsentierten Charts an, dann ist der den Sex Pistols zugewiesene Platz 32 umso höher zu bewerten: 1. Satisfaction (Rolling Stones), 2. Like a rolling stone (Bob Dylan), 3.1 want to hold your hand (Beatles), 4. I heard it through the grapevine (Marvin Gaye), 5. I want you back (Jackson Five), 6. Respect (Aretha Franklin), 7. Dock of the bay (Otis Redding), 8. Fortunate son (Creedence Clearwater Revival), 9. Born to run (Bruce Springsteen), 10. Stop! In the name of love (Supremes). Ein weiterer Punksong - neben Anarchy in the UK - läßt sich in diesen TOP 100 des Rolling Stone nicht finden!

Anmerkungen

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Ein interessanter Beitrag über den Rolling Stone und dessen Bedeutung findet sich bei Chapple/Garofalo (1980: 185ff). 5 Malcolm McLaren, zitiert im Rolling Stone, a. a. Ο. 6 Schon Shaw (1980: 25) tut sich schwer, in seiner "Chronologie der englischen Punkszene" die Damned als Punks zu bezeichnen. Für ihn ist "New Rose, das am 23. Oktober erscheint, die erste New Wave Band auf Vinyl". Etwas strenger verfahren Burchill/Parsons (1978: 50): "The Damned were established as the punk band that would do everything first and worst; first punk single New Rose failing to make the Top Twenty in November 1976, (...)." 7 " (...) it was the greatest youth frustration anthem ever released", laut Burchill/Parsons (1978: 36). 8 Wie Schaffner (1983: 261), zitiert bei Faulstich (1986: 142), darauf kommt, daß Jamie Reid den Song geschrieben haben sollte, bleibt ein Rätsel. Mir ist keine dieses Datum produzierende Quelle bekannt. Und daß man den Covergestalter mit dem Songschreiber verwechselt, ist auch nur schwer vorstellbar. 9 Bei Faulstich (1986: 42) heißt es "(Right now!)", vernachlässigt die Pause zwischen den Worten und setzt beide aus unerklärlichen Gründen in Klammern. Coon (1982: 14) verzichtet auf die Klammern ("Right now!"), Fette (1981: 139) hat keine Ausrufezeichen im gesamten Songtext und verbindet "Right now" und die folgenden Worte durch ein Komma. Sowohl bei Stark/Kurzawa (1981: 29), wie auch bei Lindner (1977: 61) fehlen die beiden Worte, obwohl Letztgenannter nur drei Seiten später einen beide Worte enthaltenden Auszug aus einem Songbook mit der ersten Seite (Text nebst Noten) des Anarchy in the UK abdruckt! Cameron teilt brieflich mit, daß ihm nur ein einziges Konzert der Sex Pistols bekannt ist, bei dem sie den Song mit "Right! Now!" beginnen, und zwar das am 5. 1. 1977 im Paradiso Club in Amsterdam. Laut Cameron stammt die auf der Bootleg-LP Sex Pistols Live Worldwide ebenfalls mit "Right! Now!" begonnene Fassung von einem P.I.L. Auftritt (Johnny Rotten's Band im Anschluß an die Sex Pistols) am 28. 10. 83 in der TV-Show The Tube. 10 Das Gelächter zwischen "Right! Now!" und dem weiteren Text läßt sich beim Abspielen des Songs hören. Zu lesen ist es nur hier! Erst in seiner Interpretation des Songs spricht Faulstich (1986: 143) "vom diabolischen Gelächter vor dem ersten Vers". 11 Auf der Novelty-Record Living in NW3 4JR von Jonny Rubbish (GB 1978) lautet die Einleitung des musikalisch und textstrukturell stark am Original orientierten Songs "I am a capitalist. I am a profiteer." Eine den Text aus unbekannten Gründen entstellende Coverversion des Songs existiert von der Speedmetal-Band Megadeth (GB 1988). 12 Fette (1981: 139) hat in der mir vorliegenden Fassung das "where" mit einer handschriftlichen Ergänzung "how" versehen. Coon (1982: 14) favorisiert das "where", ist aber nicht korrekt! 13 Faulstich (1986: 142) benutzt die singuläre Version "the passer by", die auch in Smash Hits (28/1979: 12) zu finden ist. Bei einer nicht im Partykeller stattfindenden, sorgfältigen Transkription läßt sich der Plural eindeutig feststellen! "Passers-by" wird bei Lindner (1977: 61) und Stark/Kurzawa (1981: 29) aus unerfindlichen Gründen zu "boxer boy". Schelly (1983) läßt noch ein in Klammern gesetztes "motherfuckers" folgen, eine derartige Variante läßt sich höchstens über einen live eingespielten Titel rechtfertigen, die vorliegenden Fassungen liefern keinen Hinweis! 14 Einige schreiben "coz", andere "cause", ζ. B. Lindner (1977: 61) und Stark/Kurzawa (1981: 29), Coon (1982: 14) sogar "because"! 15 "I wanna be an anarchist" meinen Stark/Kurzawa (1981: 29) und Schelly (1983), aber auch zum Beispiel das Bremer Fanzine Schunt (No. 1, 8/78: 12), vermutlich durch die etwas eigenwillige Intonation inspiriert. Johnny Rotten scheint unmittelbar an das "be" den unbestimmten Artikel "a" anzuhängen, so daß man den Anarchisten schon hört, bevor deutlich "anarchy" gesungen wird. Es müßte eigentlich heißen: Ί wanna be-a anarchy'.

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Anarchy in the UK

Hat man sich einmal an die Betonung einzelner Worte durch Johnny Rotten gewöhnt, hört man plötzlich "hystery", wo es "history" heißen müßte (im Lied Holidays in the Sun) und auf den Namen der zweitgrößten englischen Stadt reimt sich der Begriff für "Abtreibung": "She was a girl from Birmingham, she just had an abortion." (Beginn des Songs Bodies). Stark/Kurzawa (1981: 29) lassen diese Zeile weg! Faulstich (1986: 143) ersetzt das Komma vor "maybe" durch "and", was aber nur das schon oben erwähnte "a" ist. Bei Lindner (1977: 61) und den von ihm vermutlich abschreibenden Gesinnungsgenossen Stark/Kurzawa (1981: 29) läuft der Text jetzt völlig aus dem Ruder: "theres goning to be some time and maybe / and whenever our types stop traffic line / and a future dream is a speakers lie. / 1 wanna be an anarchist." "I give a wrong time" - korrekt bei Faulstich (1986:143). Alle anderen unterschlagen das "I"! Das "I" wird "Ah" ausgesprochen und unterscheidet sich deutlich von dem bisher zwei Mal erschienenen, genuschelten "a", auszusprechen wie der englische unbestimmte Artikel, also eher "ä". Das doppelte "I" wird von keinem der hier bisher genannten, den Text wiedergebenden Autoren für erwähnenswert gehalten! Bei Schelly (1983) wird "in the city" in Klammern gesetzt, Lindner (1977: 61) verzichtet ganz darauf; beides unverständlich, ist doch "in the city" deutlich zu hören und durch eine kurze Pause von "anarchy" getrennt. Für das bei Fette (1981:139) und Schelly (1983) angeführte "a" spricht einiges aus den schon oben erwähnten Gründen, und auch mehrmaliges Hören verschafft keine genaue Klarheit. Warum es aber "not" heißen soll, das weiß nur Coon (1982: 14). Lindner (1977: 61) und Stark/Kurzawa (1981: 29) hören wieder etwas ganz anderes, nämlich: "A man in white should get what he wants / It is the best. It is the rest". "Enemy" kann auch mit dem Wissen um anglo-amerikanische Wortspielereien als "N.M.E." verstanden werden, Kürzel für den New Musical Expressl Bekannte Rockgruppen, ähnliche Wortspiele benutzend, sind U2 und XTC, Punk kennt eine Band namens Xpozez\ Der schon als schlechter Hörer entlarvte Lindner (1977: 61) versieht "anarchy" noch mit dem Artikel "the". Fast überflüssig zu erwähnen, daß Stark/Kurzawa (1981: 29) ebenso verfahren! Einige Quellen, ζ. B. Fette (1981:139), Stark/Kurzawa (1981: 29) und Schelly (1983) geben das "is this" mit "resist" oder sogar "we resist" wieder. Interessant, aber falsch! Movimento Popular de Liberacao de Angola Ulster Defense Association Irisch Republikanische Armee "'Case of' heißt es bei Fette (1981: 139) und Stark/Kurzawa (1981: 29). Durch das "be a" wird hier bei Faulstich (1986: 143) schon aus "anarchy" ein "anarchist", der zum zweiten Mal - nach der Nennung in der ersten Zeile - aber erst am Ende auftaucht! Trotz allen grammatikalischen Begradungsbmühungen bei Faulstich (1986:143) zum Trotz: es heißt "a" und nicht "an"! Nachdem Schelly (1983) ihren Schülern die letzten vier Zeilen vorenthalten hat, heißt es bei ihr jetzt, bestärkt durch Fette (1981:139) und Stark/Kurzawa (1981: 29): "I'm getting pissed. I just want to destroy." vgl. dazu Frith (1981) Faulstich (1986: 143) Gottfried Seebass in: Theologische Realenzyklopädie (1978/III: 29) ebenda Allen aus der Geschichte bekannten Antichrist-Figuren ist gemeinsam, daß sie von anderen Personen mit diesem Etikett versehen worden sind. Vgl. auch Löwith [(7)1979]. Mit diesen Worten endet der von Lothar Coenen verfasste Beitrag zum Stichwort "Antichrist" im Theologischen Begriffslexikon zum Neuen Testament [Wuppertal (3)1972: 29ff)].

Anmerkungen

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Bakunin lehnt sich stark an Proudhon an und fügt dem Anarchismusgedanken nichts Wesentliches hinzu. Faulstich (1986: 143), Hervorhebung dort zitiert nach Carl Grünberg, Verfasser des Stichwortes "Anarchismus", S. 89ff in: Wörterbuch der Volkswirtschaft in zwei Bänden, herausgegeben von Ludwig Elster, Erster Band, Jena 1906; vgl. auch: "In dem Lied Anarchy in the UK beschwört er nicht den Anarchismus. Er ist Anarchie." Hahn/ Schindler (1983: 38). Faulstich (1986: 143) siehe - zum Begriff der Öffentlichkeit - ζ. B. Goffman (1982) und Sennett (1986) Faulstich (1986: 144) ebenda

8 Musik Most important of all, punk rock is a threat to the music establishment. And if that doesn't deserve to be threatened I don't know what does. Barry Cain1 I hate punk-rock, but I love it. Myles Palmer2 Punk Rock und kein Ende! Willi Wucher3

Schon in der Begriffsgeschichte wird deutlich erkennbar, daß der Punk-Rock das wichtigste Element des gesamten Phänomens Punk ist.4 Jedem Außenstehenden wird der Zugang zu Punk enorm erleichtert, sofern er auch nur halbwegs korrekt zwei, drei Bandnamen beiläufig erwähnen kann.s Alles das, was hauptsächlich über die Sex Pistols den Weg in die Straßen und auf die Plätze der Städte findet, hat seinen Ursprung in den Konzerten der PunkBands mit ihrem zahlenmäßig kleinen Publikum. Ist es zunächst nur ein kurzfristiges akustisches Vergnügen Weniger, wird es alsbald gruppenkonstituierendes Element eines weltweit verbreiteten Phänomens.6 Viele der zu Punk wechselnden Jugendlichen benennen gerade die Musik als Auslöser für ihren Schritt.7 Mit dem mittlerweile geflügelten Wort "Hier sind drei Akkorde. Nun gründe eine Band."8 aus dem Beginn der Punk-Ära und den im Anschluß explosionsartig entstehenden unabhängigen Labein und Vertrieben "stellt die Punk-Musik eine Entmystifizierung des Produktionsprozesses dar".9 Nicht nur die sagenumwobene Welt der Rockgiganten wird entzaubert,10 sondern auch das größtenteils mühselige Produzieren und Verteilen der Tonträger übernommen. Die (musikalische) Unterhaltung bleibt nicht mehr einigen wenigen vorbehalten: Jede(r) kann ein(e) Entertainer(in) sein! Schon hier, in der tendenziellen Ausstattung jedes einzelnen Punk, für kurze Zeit Bühnenbretter erklimmen zu können, oder ein Stück Vinyl mit eigener Musik in den Fingern zu halten, erfährt Punk die ersten Ansätze einer uns noch häufig begegnenden Struktur: während im bisherigen Rockgeschäft eine eindeutige Arbeits- und Vergötterungsteilung vorherrscht,11 trägt jeder Punk nicht unbedingt gerade den Marschallstab im Tornister, aber zumindest die generelle Möglichkeit, gleichzeitig Entertainer, Publikum und Mittler zwischen beiden zu sein!12 Der anfänglich propagierte und vollzogene Dilettantismus13 mit den sich daraus ergebenden reduzierten technischen Unzulänglichkeiten - oder eben umgekehrt - erlaubt ebensowenig Instrumentalsoli14 wie die Einbindung jedes einzelnen Mitglieds in eine Gruppe15 eine derartige Herausstellung weder verlangt noch duldet. Punk kennt keinen Instrumentalisten oder Vocalisten, dem über einen längeren Zeitraum eine außerordentlich virtuose Beherrschung seines Instruments bescheinigt wird. Unterstützt wird genannte Virtuositätsvermeidung auch dadurch, daß eine Punk-Band fast ausschließlich mit Bass, Gitarre und Schlagzeug instrumentiert ist. Die klassischen Instrumente, an denen handwerkliche Geschicklichkeit oder Meisterschaft unterschiedlicher Grade vorgeführt werden können, bleiben verpönt. Es gibt keine nennenswerte Punkband, die Keyboards regelmäßig benutzt, sieht

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man einmal von dem gerne herangezogenen Beispiel der Stranglers ab, die aber eindeutig allen anderen hier genannten Kriterien ebenfalls nicht gerecht werden: die Stranglers sind keine Punk-Rock Gruppe, außer einigen gemeinsamen Konzerten mit Punk-Bands weisen sie nichts auf, was sie auch nur annähernd Punk sein läßt. Als Ausnahmen der Bass-Gitarre-Schlagzeug-Regel sollen hier die um ein Saxophon ergänzten englischen X-Ray-Spex aus der Frühzeit auf der einen Seite und die bisweilen eine Trompete benutzenden deutschen Walter Elf aus der Jetztzeit auf der anderen Seite erwähnt werden. Musikalisch richten sich die Attacken der Punks gegen den Bombast-Rock der siebziger Jahre und die Virtuosität, mit der die Rockstars ihre Instrumente spielen und ihre Songs arrangieren. Den kostspieligen und zeitlich aufwendigen Konzerten der Instrumentalvirtuosen stehen auf einmal die one chord wonder Bands gegenüber, deren ersten Auftritte nicht zu Ende geführt werden können.16 Wenn dies dann doch einmal geschieht, ist die Veranstaltung nach etwa 40 bis 60 Minuten beendet, denn "Tempo, Bewegungsmotorik und Musik-Arbeit [sind] kaum länger als eine Stunde durchzustehen."17 Der Hieb gegen die etablierten Rockvirtuosen sitzt! Plötzlich müssen jene Stars - abgesehen von den großen Bühnen - ihre angestammten aufmerksamkeitssichernden Plätze (Presse, TV, Schallplatte) mit einem Personal teilen, daß sie nicht nur verbal angreift, sondern auch eine musikalische Alternative zu ihrem Bombast-Rock anbietet.18 Die sich in den Single-Charts befindenden Künstler sehen sich - in der Anfangszeit nur in England - neben lautstarken selbsternannten Dilettanten im Fernsehen auftreten. Top of the Pops, wöchentlich zur Teezeit ausgestrahlte Hitparade im britischen TV, liefert den vor den Fernsehern versammelten Familien die Punks, eingerahmt von den Popgrößen, vor einem Studiopublikum, das, stellvertretend für die Zuschauer daheim, die Begrenztheit seines Reaktionsrepertoires vorführt.19 Während sich die Pop- und Rock-Idole der Jugendlichen die Fans gewissermaßen untereinander aufteilen und zum Teil überraschend langfristig an sich binden können - wie ζ. B. 3eth.ro Tull, Tangerine Dream oder Udo Lindenberg, verweigert Punk die Zurechnung als Fan zu einer einzigen Band, sieht man vielleicht einmal von dem noch zu behandelnden Phänomen Crass ab. Es gibt bei Punk keine Musikgruppe mit eigenen Fanclubs oder unorganisierten nibelungentreuen Fans, so daß auch zu erklären ist, daß die zu Beginn der achtziger Jahre in ihrer auflagenmäßigen Blüte stehenden Postermagazine fast ohne riesengroße Poster von Punkbands für den Platz über dem Jugendbett auskommen.20 Schon hier deutet sich eine interessante Rangfolge in der Werteskala der Punks an: ohne Musik kommen sie als Gruppe nicht aus, aber die diese Musik-Produzierenden nehmen nicht den sich eigentlich daraus ergebenden hohen Status ein: wichtiger als mögliche Idole ist die Großgruppe ohne Idole! Das Kollektiv - als solches idolisiert erlaubt keine anderen Idole neben sich!

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Die großflächige Popularität des Punk-Rocks in England hält etwa bis 1982/83 an. Verkaufszahlen der Tonträger aus der ersten und zweiten Generation Punk erreichen nicht wiederzuerlangende Höhen,21 ein Umstand, der es den entstehenden unabhängigen Plattenproduzenten und -vertrieben leicht macht, sich mit der Aura aufopferungsvoller, idealistischer Szeneunterstützung zu umgeben. Heute gibt es kein Indie-Label mehr, daß das Wagnis einer Erstauflage von 10000 Exemplaren der Single einer völlig unbekannten Band eingehen kann und wird, wie es zum Beispiel das britische Label No Future in den Jahren 1981/82 mit den ersten Künstlern seines Singleprogramms tut.22 England nimmt nicht nur mit den Sex Pistols, sondern auch mit den beschriebenen Folgeerscheinungen eine Ausnahmeposition in der Punkgeschichte ein. In keinem anderen Land wird Punk über Punk-Rock derart flächen- und familiendeckend zu einer unter mehreren Unterhaltungsvarianten.23 Darunter leiden besonders die Amerikaner, die die Ursprünge des Punk-Rocks weit vor 1976 datieren24 und ihre Vorzeigepunks Ramones ins Feld führen, wenn es gilt, die mit ständiger Regelmäßigkeit aufflackernden Debatten um die ersten Punks für sich zu entscheiden. Für Punk-Rock - um den es hier nicht primär geht - mag das gelten, für Punk aber nicht: die Ramones entern weder durch spektakuläre nichtmusikalische Beiträge die Schlagzeilen der Tagespresse, noch lassen sie sich über das Outfit dem neuen Phänomen zuordnen.25 Ihre Haare bleiben - bis heute lang, zerrissene Jeans, Turnschuhe und schwarze Lederjacke - kaum mit Accessoires versehen - verweisen eher auf die amerikanische Tradition des jugendlichen Herumtreibers, dem man auf Grund seiner Jugendlichkeit einiges nachsieht, hier zum Beispiel seine Art, Rockmusik zu machen.26 Der Versuch, Punk-Rock zu beschreiben, gelingt genauso gut oder schlecht wie alle anderen Versuche, für Musik eine angemessene Deskription zu finden:27 "Ähnlich wie beim Reggae ist auch beim Punkrock ein harter Beatrhythmus das tragende Element. Das Melodiöse tritt in den Hintergrund, (,..)."28 "Eine Rückbesinnung auf alte Rock'n'Roll-Traditionen wie zu Zeiten des 'Schwarzen Beat', hart, ehrlich, rauh und provozierend."29 "Sie (die Musik - Anm. T. L.) schlägt sich im rasenden Rhythmus nieder und in der körperlich wahrnehmbaren Lautstärke (Bass und Schlagzeug wirken wie dumpfe Schläge in den Bauch, Gesang und die oberen Töne wie eine Kreissäge an der Schädeldecke)."30 "Intensität und Ausdruck statt kalter Virtuosität und steriler Technik."31 "Sie (die Punk-Musiker - Anm. T. L.) spielten einfache, kurze Rock-Stücke, mit wenigen Griffen, rasend schnell, aggressiv und sehr laut. Sie dauerten jeweils nur 2/3 Minuten, enthielten keine Soli, sondern hatten eher einen Liedcharakter, der zum Mitsingen bzw. Nachsingen einlud."32 Schon die wenigen Beispiele sollten annähernd verdeutlichen, wie der musikalische Teil des Punk-Rocksongs strukturiert ist. Knapp, schnell, ungeschliffen, und nur in größerer Lautstärke seine volle Wirkung beim - zeitweise in doppeltem Sinne breiten - Publikum entfaltend. "Die filigranen Elemente ihrer Musik erschließen sich erst, wenn man bereit ist, die erste Vorurteilsschwelle gegen alles, was aus dieser Ecke kommt, abzubauen. Dann entdeckt man plötzlich, daß die

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jungen Musiker, meist gerügt wegen der 3-Akkorde-Durchsichtigkeit ihrer Musik, in Wirklichkeit sehr genau, sehr originell, sehr phantasievoll und sehr geschickt ein paar Grundelemente variieren, sarkastisch zerdehnen oder verknappen und zu einem atemberaubenden peitschenden und kreisenden Drive-Sound ausbauen."33 Das musikalische Element des prägnant gesetzten Akzentes34 bleibt nicht auf den akustischen Teil des Phänomens beschränkt, sondern findet sich - wie wir noch sehen werden - in fast allen anderen Bestandteilen wieder.

8.1 Texte Schon die Texte der Songs sind entsprechend der aggressiv klingenden Musik von beeindruckender Schärfe und Treffsicherheit. Das oben schon ausführlicher besprochene Anarchy in the UK ist das erste Beispiel, dem eine vielfältige Menge gleichsam prägnanter Texte folgt. Bekanntestes Bruchstück aus einem Song ist das anschließend einer ganzen Generation angeheftete Etikett No future und stammt aus dem ebenfalls von den Sex Pistols verfassten God save the Queen. Wie aber bei allen kontextbefreiten Zitaten ist es auch hier so, daß der eigentliche Hieb gar nicht als solcher empfunden wird. Im genannten Song taucht das No future gleich häufiger auf und hat sich durch seine fußballstadiengleich gegröhlte mehrmalige Wiederholung schnell eingeprägt. Doch "No future" erscheint auch in dem Satz "There is no future in England's dreamin'".35 Nimmt man noch den korrekten Hinweis auf die historisch rückwärts gerichtete Struktur der Träume zur Kenntnis, so verblüfft der Hinweis darauf, daß der von den Menschen eines ganzen Landes kollektiv geteilte Traum keine Zukunft hat. Egal, wie der gemeinsame Traum der Mitmenschen aussieht, er wird von Punk nicht geteilt und daraus folgt für die Sex Pistols "There's no future (...) for you." Dem etablierten, gemeinsam träumenden Kollektiv mit einer den Zusammenhalt sichernden Königin an der Spitze tritt eine sich neu formierende Gemeinschaft selbstbewußt gegenüber: "We're the future, your future." Zur Stabilisierung und Aufrechterhaltung dieser Gemeinschaft ist aber ein ständig präsenter Gegenüber - auch als erklärter Gegner - notwendig, an dem sich die Gruppe als solche identifizieren kann. Das erkennt auch Punk - hier vertreten durch die Sex Pistols und beteuert gleich zweimal "God save the Queen. We mean it man. We love our Queen."36 Die Diagnose der Sex Pistols ist einfach: wenn die geträumten handlungsfreien Zukunftsentwürfe keine Zukunft haben, dann besteht die einzige Möglichkeit für Punk innerhalb einer zukunftslos träumenden Volksgemeinschaft im Handeln selbst. So nimmt in den Texten die Ablehnung kollektiv verpflichtender und sinnstiftender Gebilde, wie ζ. B. das der Religion, einen breiten Raum ein. Beispiele dafür findet man bei einem nicht unbeträchtlichen Teil des gesamten CrassProgramms, bei den Partizans37 in ihrem gleichnamigen Song38 (mit den Zeilen

Texte

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"You follow religion. It is your nature. Never question whether it makes sense."), bei Riot Squad und dem Song Religion doesn't mean a thing,39 bei den Subhumans (Religious Wars),40 Destructors (Religion! There is no religion/),41 und Compilation-Titeln wie ζ. Β. Bollocks to Christmas42. Bekannteste deutsche Vertreter sind Slime mit ihrem Song Religion43 Punk verweigert nicht die Zukunft, sondern fordert eine ihm genehme, da die präsenten Modelle - sofern überhaupt existent - anscheinend fehlerhafte sind. "So what the fuck are we living for. Give us a future don't you let us down." fordern One Way System,44 Weitere thematische Schwerpunkte in den Texten sind eher kritische Bewertungen des Hier und Jetzt. Ungeglättet, unter ζ. T. Ausnutzung des rüdesten zur Verfügung stehenden Vokabulars wird ζ. B. gegen Politiker, Krieg und Militarismus ins Feld gezogen. Dabei entwickelt Punk eine stilsichere Treffsicherheit, zumindest zutreffend für die englischen und deutschen Songtexte. "Grotesker Wahnwitz, Ekstatik, provozierende Formspielereien und anarchistische Unbekümmertheit verbinden sich zu einem neuartigen Elaborat."45 Wellen der Empörung bis hin zur Zensur durch staatliche Stellen prasseln auf die unverblümt Singenden nieder. So geschieht es schnell, daß subtile Doppeldeutigkeiten wie ζ. B. bei der Zeile "Belsen was a gas" aus dem Song Holidays in the Sun der Sex Pistols gar nicht als solche erkannt werden, besonders nicht von denen, die noch die Hymne der Alt-Rabauken Rolling Stones mitgröhlen können: "I am a Jumpin' Jack Flash, it's a gas, gas, tf

gas. Mit dem appellativen Charakter der meisten Songtexte findet die in der Punk umgebenden Welt plakativ eingesetzte Sprache ihre Entsprechung - die "Schlagzeilen-Lyrik"46 der Punks greift den Schwung und die Aggressivität der Texte aus Werbung und Journalismus auf, um diese aber weder für die Darstellung von Sensationen und Liebeserklärungen oder Hymnen an die Schönheit der Welt zu verwenden, sondern um über das angemessen singen zu können, was bisher in dieser Vehemenz und Dichte in der populären Musik unthematisiert blieb. Zu lustvoll gestöhnten Statements wie "I feel love",47 Tänzen im Mondlicht48 und anderen die Popwelt bewegenden Ereignissen gesellt sich Punk. "Fuck this and fuck that!"49 Die Auswirkungen lassen nicht lange auf sich warten, und Unter dem Etikett der Neuen Deutschen Welle, NDW, erhalten Berichte über einen "Skandal im Sperrbezirk"50 oder Freudensprünge, weil "Hurra, die Schule brennt!",51 Airplay und marschieren auf die Spitzenplätze bundesrepublikanischer Charts. Während jene bei Punk entlehnte Aufmüpfigkeit aber - mit Goldenen Schallplatten, TVAuftritten und anderen Ehrerbietungen überhäuft - die Grenzen gesellschaftlicher Duldung nicht zu überschreiten droht, antwortet Punk, singt über "Polizei SA/ SS"52, um unverzüglich über eine Zensur zu erfahren, daß es ihnen vorbehalten bleibt, Duldungsgrenzen durch Übertreten aufzuzeigen.

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8.2 Bandnamen Mit der Art und Weise, in der Punk die Punk-Rock Gruppen kennzeichnet, wird die Bandbreite des zur Benennung musizierender Kollektive zur Verfügung stehenden Vokabulars um einige interessante Varianten bereichert. Drei Trends sind dabei seit Beginn der Punkära auffällig: 1. das Verschwinden individueller Herausstellungen, 2. die Anleihen an militaristisches Vokabular, und 3. die Verwendung von bisher für eine derartige Kennzeichnung tabuisierten Begriffen. Mit Punk verschwinden auch - bis auf eine noch zu nennende Ausnahme - die häufig vorangestellte gesonderte Benennung eines einzelnen Individuums, der mit einer nur als Gruppe gekennzeichneten Ansammlung von Personen gemeinsam musiziert. Besonders die Pop- und Rock-Bands der sechziger und siebziger Jahre kennen Namen, die den einer einzelnen Person mit dem einer Gruppe verknüpfen - wie ζ. B. Junior Walker & The All Stars, Spanky and our Gang, Gary Puckett & Union Gap, Gerry & The Pacemakers, Mitch Ryder & The Detroit Wheels, Jimi Hendrix Experience, Steve Miller Band, Paul Revere & The Raiders, Freddie and The Dreamers, Edgar Broughton Band, Spencer Davis Group, Paul McCartney & Wings, Martha & The Vandellas, Manfred Mann's Earth Band, Dave Clark Five -, die sogar alle beteiligten Individuen einzeln nennen - wie ζ. B. Peter, Paul & Mary ·, Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Tich·, Crosby, Stills, Nash & Young; oder Emerson, Lake & Palmer -, oder aber die ihren Bandnamen aus den Anfangsbuchstaben der Vornamen der einzelnen Mitglieder gewinnen, wie ζ. B. mit ihren bekanntesten Vertretern Abba.53 Außer Peter & The Test Tube Babies kennt Punk kein Beispiel,54 in dem es einer einzelnen Person erlaubt ist, sich in einem Kreis Gleichgesinnter exponiert darzustellen, selbst das sich dazu eventuell anbietende Duo heißt Abstürzende Brieftauben55 und der - wie das Duo - selten vorkommende Einzelinterpret heißt Attila The Stockbroker. Es gibt bei Punk keine Person, die es herauszustellen bedarf, oder die eine Herausstellung erzwingt.56 "Heroes? They are all useless!"57 Hinzu kommen des weiteren Bandnamen, die ihre Aggressivität aus dem Griff in ein militaristisches Vokabular gewinnen,58 wie ζ. B. Attak, Blitz, Blitzkrieg, Conflict, Partisans, SS Hitler, Crude SS und Wehrkraftzersetzer,59 In eine Zeit unbändigen Auf- und Abrüstens treten die Punk-Bands mit einer passenden Selbstetikettierung, die von den Fans aufgegriffen wird. Gruppierungen, die sich als Barmy Army60 oder Sham Army61 kennzeichnen oder so bezeichnet werden, sind keine Seltenheit. Doch auch vor Verbreche(r)n, Krankheiten und anderen Kategorien wird nicht Halt gemacht, wenn es darum geht, einen Namen für die Band zu finden: Punk kennt Bands, die sich Honkas, Disease, G.B.H.,62 Epileptics, Idiots,63 Insane, Kidnap, L'Attentat, Neurotic Arseholes, Newtown Neurotics, Ultra Violent oder Violators nennen. Alle denkbar ekligen, Abscheu provozierenden Begriffe finden sich mehr oder weniger deutlich auf Schallplatten oder Konzertplakaten piaziert wieder: Brechreiz, Sperma, Slits, Rotzkotz, Cotzbrocken, Bastards Harhaa, Bullshit Detector.

Schallplatten

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Diese Anti-Haltung, die sich nicht nur gegen die konventionelle Namensgebung der Rockgruppen richtet, wird auch bei denen deutlich, die als AntiEstablishment, Anti-Heroes, Anti Nowhere League oder Anti Social den Weg auf die Plattenspieler finden, karikiert sogar von einer der hörenswerten Gruppen, die sich Anti-Pasti nennt. Punk schafft sich mit einer derartigen Handhabung der Namenswahl gleichzeitig Distanz und Nähe: Distanz zu der sie umgebenden Normalität des Musikgeschäftes, aber auch Nähe zu der diese Musik goutierenden Gemeinschaft; Distanz zu den größtenteils gesamtgesellschaftlich negativ besetzten Begriffen bei gleichzeitig angewendeten Wissen um eben jene Distanz, dadurch schon wieder Nähe zu dem Provozierten produzierend, ähnlich wie bei der im Gesicht getragenen Sicherheitsnadel. Die Aufmerksamkeit wird über die gleichzeitig stattfindende Distanzierung (Schmerz, Ekel u. ä.) vom Betrachter gewonnen. Dabei ist wiederum der einzelne Punk der Gesamtheit der Gleichgesinnten untergeordnet und fügt sich in ein straff reguliertes Sozialgefüge ein, mit dem Unterschied zu den real existierenden Armeen oder Squads (ζ. Β. Riot Squad, Vice Squad), daß keine Hierarchien oder vergleichbare Strukturierungen nach außen erkennbar sind.

8.3 Schallplatten Wichtigstes Medium zur Sicherung und Verteilung der gruppenstabilisierenden Musik sind die Schallplatten. Die mit großindustrieller Unterstützung Produzierten der ersten Welle, sowie die in noch zum Teil hohen Auflagen Angefertigten der zweiten Generation zu Beginn der 80er Jahre sind selbst heute verhältnismäßig leicht zu erhalten.64 Mit der anschließenden Zersplitterung der Szene, der unüberschaubar werdenden Menge plattenproduzierender Bands und dem akustischen Liebäugeln mit nahen Genres bleibt das Erreichen der Umsatzzahlen aus den ersten Stunden nur noch einigen wenigen Flaggschiffen vorbehalten, ζ. B. den Dead Kennedys und den Toten Hosen. Neben den bei den großen Plattenfirmen untergekommenen Bands existiert eine in jeder Phase der Punk-Ära ungleich höhere Anzahl an Bands, die zur Verteilung des Vinyls nicht den direkten Weg über die Großvertriebe einschlagen, sondern ihre Produkte entweder in Eigenregie oder mit Unterstützung der entstehenden Independent-Firmen herstellen und vertreiben (lassen). Diejenigen, die den Wechsel von Indie zur Industrie vollziehen, sehen sich großen Schwierigkeiten gegenüber. Der Verlust der Authentizität, Verrat und Verkauf werden ihnen aus Szenekreisen vorgeworfen und nur einige wenige überstehen einen solchen Wechsel unbeschadet, sofern man den Makel, "unaufrichtige Punks" zu sein, als solchen empfindet. Die Diskussionen um Bands, die zu einer großen Firma wechseln, ziehen sich durch die gesamte Punk-Geschichte und nur selten wird dabei der Zwiespalt, in dem man steckt, auch als solcher artikuliert. Auf der einen Seite steht die Ver-

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pflichtung, to make the news, auf der anderen die Segregationsbemühung, die sich hier in dem Wunsch nach Unabhängigkeit von den üblichen Marktmechanismen äußert. Punkplatten mit der aus den obig genannten Bedingungen resultierenden ganzen Bandbreite technischer Möglichkeiten präsentieren eine Vielfalt akustischer und - bei der Covern - gestalterischer Varianten, die im Vergleich dazu kaum ein anderes pop- und rockmusikalisches Genre bietet. Den in mühsam liebevoller Heim- und Handarbeit gestalteten Cover, die in ihrer Dürftigkeit schon Rückschlüsse auf die Tonqualität der Aufnahme erlauben, stehen die von professionellen Gestaltern geschaffenen Hüllen gegenüber, bei denen dann auch häufig schon eine bessere Tonqualität der darin eingepackten Schallplatten mit einhergeht. Dazwischen tummeln sich alle denkbaren Herstellungs- und Qualitätsvarianten, die jeweils unterschiedlich weit von den dargestellten Polen zu verorten sind.65 Neben den Fanzines üben die Schallplatten, besonders durch die Gestaltung der Cover, einen großen Einfluß auf ähnliche Produkte aus. Ähnliches gilt für

8.4 Kassetten Tapes spielen bei Punk eine eigenartige Rolle. Neben den Kassetten, die großindustriell produziert das Programm gleichzeitig erscheinender Langspielplatten beherbergen, entsteht ungefähr zu Beginn der achtziger Jahre eine weit unter sub anzusiedelnde Kultur,66 die Tonträger bespielt und verteilt. Die im Vergleich zur Schallplatte weitaus geringeren Kosten des Tonträgers, des Bespielens, des Transportes - sowohl des individuellen,67 als auch des postalischen - und des Vervielfältigens werden - nicht nur - von Punk ausgenutzt. Die einzigen Nachteile der Tapes bestehen in ihrer verhältnismäßig schnellen Abnutzung und darin, daß man - wie ich zum Beispiel - bei einem verpaßten Einstieg in die Vertriebssysteme so gut wie gar nicht älterer Exemplare habhaft wird.68 Auf Tapes findet sich aber die größte Menge derjenigen Bands, die nie aus dem Schlagschatten ihrer Übungskeller oder regionalen Bedeutsamkeit an das Licht größerer Szeneaufmerksamkeit heraustreten oder getreten werden. Derartige Bands versammeln sich dann meist auf sogenannten Compilation-Tapes, die oft nur von einer einzelnen Person zusammengestellt und vertrieben werden. Auf Anzeigen in den einschlägigen Fanzines melden sich betreffende Bands, schicken ein Tape mit der gewünschten Anzahl Songs und Begleitinformationen ein, der sie Einsammelnde stellt das Tape zusammen und versieht es häufig mit umfangreichen Begleitinformationen, wie Photos der Bands, deren Anschriften, Songtexte und ähnlichem. Die Compilation-Tapes mit ihren zum Teil skurrilen Verpackungen sind nur selten in Schallplattengeschäften zu finden, und wenn, dann auch nur in denen der Spezialisten, die einzig die Szene und ihr Umfeld versorgen. Auf den Tapes findet man Bands aus aller Welt, und wenn es ansonsten häufig Resultat gehöriger Fehleinschätzung ist, dann trifft hier die Zuschreibung "aus aller Welt" wahrlich

Compact Discs

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die Bandbreite der Punks auf ihren Compilation-Tapes. Auf dem belgischen Tape Around the World in 90 Minutes zum Beispiel finden sich Bands von Island bis Südafrika, aus der DDR, Jugoslawien und Neuseeland.69 Die sich aus dem Tapebusiness resultierenden (postalischen) Kontakte unterstützen ein weitverzweigtes und dichtes Netzwerk. Tapes aus Peru landen in Osnabrück und die dort zusammengestellten werden in südafrikanischen Diskotheken abgespielt.70 Die Produktion und der Vertrieb von Tapes mit den abgedruckten Anschriften der Bands schafft - neben den Fanzines - eine Grundlage für das Entstehen persönlicher Kontakte zwischen Punks, die räumlich weit voneinander entfernt Punk sind. Diejenigen befragten Vertriebe, die auch Tapes in ihrem Programm anbieten, versichern, daß Tapes zu den Produkten gehören, die fast noch mehr als Fanzines von den Käufern geordert werden, ohne daß dabei eine besondere Rücksicht auf die zum Teil sehr schlechte Tonqualität der Tapes genommen wird. Wichtige Tapes sind auch die Demo-Tapes mit wenigen Songs meist einer einzigen Band. Erstens läßt sich mit ihnen der Kontakt zu potentiellen Schallplattenproduzenten herstellen, eindrucksvollstes Beispiel für einen zustandegekommenen und erfolgreich abgeschlossenen Kontakt sind die beiden Compilation LP's A Country fit for Heroes, Vol. 1 + 271 des britischen Labels No Future, die beide nur die Musik von eingeschickten Demo-Tapes wiedergeben. Außerdem sind Demo-Tapes eine der wichtigsten Möglichkeit für eine unbekannte Band, einen Veranstalter für eine Auftrittsmöglichkeit eben jener Band zu gewinnen. Neben den genannten Compilation- und Demo-Tapes gibt es noch thematisch zusammengestellte, entweder unter geographischen Gesichtspunkten, wie ζ. B. die Kassetten Schleswig Holstein über alles und Suomi Punk Rock 77-81, oder anderen. Zur letztgenannten Kategorie gehören ζ. B. Tapes, die nur Coverversionen bekannter Songs anderer Genres beinhalten, oder nur Bands berücksichtigen, die mindestens ein weibliches Mitglied in ihren Reihen haben. Tapes bieten einen preiswerten und vielfältigen Überblick über die PunkAktivitäten, der sich erst dann entfaltet, wenn der Zutritt zu dem Verteilersystem gelingt. Dann aber entdeckt man schnell ein erstes Anzeichen für die Internationalität des Phänomens, eine Internationalität, die - bei Produzenten und Konsumenten - weder vor großen Gewässern, noch vor stacheldrahtbewehrten Grenzen Halt macht.72

8.5 Compact Discs CD's, eigentlich Garant für qualitativ hochstehenden Hörgenuß, und Punk-Rock scheinen sich nicht zu vertragen. Erst im Zuge des weltweiten Erfolges der CD werden zunächst einige Schallplatten in Form einer CD wieder aufgelegt, später dann auch LP's und CD's gleichzeitig auf den Markt gebracht.

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Die erste Punk-CD erscheint 1985 und ist die Nevermind the Bollocks der Sex Pistols. Bis 1986 folgen sehr langsam weitere Exponate, entweder die Klassiker wie ζ. B. Clash, oder aber hauptsächlich die amerikanischen Hardcore-Bands der zweiten und dritten Generation. CD's haben sich bis heute - 1989 - bei den Punks nicht durchgesetzt. Auch wenn beabsichtigt ist, Schallplatten obskurer Bands, wie z. B. Flux of Pink Indians, auf CD wiederzuveröffentlichen, läßt sich beim derzeitigen Stand davon ausgehen, daß ein Gros der Punkbands nur auf Tapes oder Schallplatten der Nachwelt erhalten bleiben. Daß die Industrie auf eine großangelegte Übernahme des PunkProgramms nicht sonderlich vorbereitet scheint, belegt die Tatsache, daß zur Covergestaltung der Crash Course CD der britischen U.K. Subs keine geeignete Plattencovervorlage zur Verfügung stand.73

8.6 Video Von dem zu Beginn der achtziger Jahre explodierenden Geschäft mit Musikvideos bleibt Punk so gut wie ausgeschlossen. Offiziell erhältliche Musikvideos der Punkbands sind ungleich teurer als die anderen, zu begründen über die geringe Auflage und den offensichtlich schleppenden Absatz.74 Während mittlerweile die Popvideos langsam aber sicher immer preiswerter werden, bewegt sich der Preis für ein etwa 40-minütiges Punkvideo immer noch zwischen 40 DM und 70 DM. Von den mehreren zur Verfügung stehenden Videos seien einige genannt, ohne dabei auch nur annähernd den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen: Decline of the Western Civilization (US 1980?) präsentiert einige Bands aus den amerikanischen Anfangstagen, wie ζ. B. Fear, Circle Jerks und Gang Green, aufgelockert mit Interviews im Konzertumfeld; Always keep the faith (US 1982) berichtet über die erste große Tournee der Bands, die beim Label Better Youth Organisation versammelt sind, mit vielen Interviews und Aufnahmen der Bands in bühnenfremden Settings; The Great Rock'n'Roll Swindle (GB 1982) ist der auch auf Video erhältliche Kinofilm der Sex Pistols, "suitable only for persons of 18 years and over";75 UK/DK. A Film about Punk und Skinheads (GB o. J.) ist der vermutlich um 1982 entstandene Film mit ausführlichen Interviews und durch Playback aufgefrischte Live-Songs diverser britischer Bands der zweiten Generation. Wichtige Compilation Videos sind alle die vom amerikanischen Fanzine Flipside produzierten, der auch im deutschen Fernsehen gesendete Film Punk in London (GB o. J.), sowie Punk on the road (GB ο. J.), ein frühes Dokument britischer Punkbands der ersten Generation. Die qualitativ herausragenden Compilation-Videos werden mittlerweile - außerhalb des Untersuchungszeitraumes - für die Hardcore-Szene unter dem Namen Tribal Area produziert. Der Erfolg der Essener Tribal Area Videos gründet sich auch darin, daß es ihnen gelingt, ein etwa 90 Minuten langes Video für 30 DM anbieten zu können.

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8.7 Film Der bereits auch auf Video erscheinende Great Rock'n'Roll Swindle ist einer der wenigen Beispiele für filmische Auftritte von Punks, die sich in vier Gruppen grob unterteilen lassen: 1. Reine Punk-Filme, die entweder als solche bezeichnet werden oder ausschließlich um Punk gedreht werden und sich um Punk drehen. Dazu gehört Jubilee, der bis auf die Mitwirkung einiger Punks (z. B. Adam Ant, Jordan, Gene October) nicht viel mit Punk gemein hat und eine düstere No Future Sicht farbenfroh präsentiert; Rock and Roll Highschool mit dem Ramones, in dem eine amerikanische Highschool auf Grund eines bevorstehenden Konzertes der Ramones auf den arg strapazierten Kopf gestellt wird; Bored Teenagers wird unter dem Titel Brennende Langeweile Anfang 79 im ZDF gesendet; die englische Punkband Adverts tritt in Deutschland auf, Peter und Karin besuchen das Konzert, alle sechs Personen treffen sich danach, Karin bandelt mit einem Bandmitglied an und Peter geht es einige Filmminuten lang wirklich schlecht. 2. Diejenigen Filme um eine oder mehrere Bands, die nicht zwingend auf lange Cineastenschlangen vor den Kinos zielen, wie ζ. B. der 19-minütige Kurzfilm Punk can take it der U.K. Subs. 3. Dokumentarfilme, meist der TV-Anstalten, in denen Punks interviewt werden und die Präsentation der Musik eine eher unbedeutende (Film-)Rolle spielt. Neben den an anderer Stelle erwähnten britischen Dokumentarsendungen ist für Deutschland das bekannteste Beispiel der im Mai 1981 erstmals gesendete Film No Future- Kein Bock auf Illusionen, "der erste authentische Film über die Punk-Szene im Ruhrgebiet."76 4. Filme, die bei der Ausstattung des Personals tief in die von Punk zur Verfügung gestellte Insignien-Kiste greifen. Offensichtlich schönstes Beispiel ist immer noch der zweite Teil aus der Mad Max - Trilogie, Mad Max - Der Vollstrecker.

8.8 Konzerte Die Auftritte der Punk-Rockgruppen sind zunächst nur die einzigen Orte, an denen Punk Punk sein kann. Hier stylt er oder sie - genau wie der Besucher aller anderen Konzerttypen77 - sein Äußeres für einen Abend. Das Aufsehenerregende sind zunächst nur einige Konzertabläufe und die akustischen Darbietungen der Bands. Später dann, mit dem unmerklichen Wandel des one-night-outfits in ein alltime-outfit und dem optischen Hinüberschwappen der Punks in die Strassen, werden auch das Vor- und Nachher der Konzerte ereignisreicher. Die gemeinsame An- und Abreise, das Herum- und Abhängen in der näheren Umgebung des Veranstaltungsortes gewinnt derart an Bedeutung, daß bisweilen die Konzerte gar nicht besucht werden und Punk sich nur vor den Hallen oder Clubs aufhält. Eine lange Anreise wird nicht mehr nur ausschließlich in Kauf genommen, um die

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Gruppe hören und sehen zu können, mindestens genauso wichtig ist das kurzfristige Zusammensein mit Gleichgesinnten.78 Das bedeutet, daß - wenigstens bei den Konzerten - Punk nicht nur pünktlich kurz vorher am Ort erscheint, sondern mit seiner zum Teil sehr langen Anwesenheit vorher eine eigenartige Form der Überpünktlichkeit dokumentiert. Den in den letzten Minuten hineinhastenden Konzertbesucher kennt Punk ebensowenig wie den in Schlafsäcken vor dem Eingang campierenden: entweder er ist schon lange vorher da, nicht um zu Warten, sondern um andere Punks zu treffen, oder aber - s. o. - der Gig hat nicht die Bedeutung der Einzigartigkeit, die Konzerte nun einmal haben.79 Sollte Punk sich dennoch einmal verspäten, so schlendert er eher gleichgültig in den Konzertsaal. Selbst die Vorführungen des wichtigsten gruppenstiftenden Elementes, der Musik, sind nicht so wichtig wie die Aufrechterhaltung der nach außen sichtbar zu dokumentierenden Gelassenheit. Gesehenwerden - gemeinsam mit anderen - hat noch Vorrang vor dem Betrachten derer, die gerade dafür gegen Entrichtung eines gewissen Betrages antreten und die Betrachtungsmöglichkeit akustisch untermalen. Bedingt entweder durch den beschränkten Umfang des Repertoires oder durch Abbruch von Seiten der Veranstalter oder durch die Bands selbst, zeichnet sich das Gros der Gigs durch ihre Kürze aus. Kaum eine Band spielt viel länger als eine Stunde. Ist man von den amtierenden Rockgrößen gewohnt, im Schnitt mindestens eindreiviertel Stunden lang in den Genuß ausgedehnter Instrumentalsoli und kunstvoll arrangierter Songs zu kommen, so reichen etwa zwanzig Songs, die nicht länger als je drei Minuten sind, einfach nicht aus, um die klassische Konzertdauer auch nur annähernd zu erreichen. Sollte eine Band dennoch einmal ein für ihre Verhältnisse lang andauerndes Konzert geben und nach zwei Zugabeblöcken und anderthalb Stunden erschöpft von der Bühne wanken und auf die erneuten Rufe nach weiteren Zugaben nicht reagieren, kann es schon einmal sein, daß einige Punks aus dem Publikum sich in den Backstage-Bereich begeben und die Band wieder auf die Bühne holen. So zum Beispiel geschehen mit den U.K. Subs in Bochum.80 Die Zeit vor Konzertbeginn nutzt Punk mit den üblichen kollektiven Trinkgelagen, Prügeleien mit unterschiedlichen Gegnern, Schnorren und den anderen punküblichen Tätigkeiten, die im weiteren Verlauf gesondert behandelt werden, ganz einfach, weil diese Handlungsabläufe nicht nur im Setting der Konzerte stattfinden. Als Ausnahme von genannten Tätigkeiten wird der für Punk typische Tanz, Pogo, vorangestellt. Es folgen konzertspezifische Handlungen wie das Gobbing, das Stagediving, Moshen und Slammen. 8.8.1 Pogo Pogo heißt die Tanzform der Punks und läßt sich wie folgt beschreiben: "1. On first beat, simultaneously remove right and left foot from floor. 2. On second beat, return to start position".81 Für Bewegungsabläufe des Oberkörpers gibt es keine zwingenden Regeln, denn "this basic step permits considerable freedom of interpretation in the upper part of the body. Arms may, for instance, be fully extended

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or bent at the elbow, and manual contact maybe made with other dancers for light headed aggression, as a means of leverage, or for other purposes which the rhythm and ambiance suggest."82 Mit diesem Bewegungsablauf greift Pogo den des gleichnamigen Springspieles auf, bei dem das Kind auf einem "pogo-stick" stehend umherhüpft. 83 "Die 'Tänzer' federn und hüpfen mit geschlossenen Beinen auf und ab wie ein Jojo."84 Pogo ist nicht unbedingt nur auf den Platz vor Konzertbühnen beschränkt, sondern auch an anderen Orten tanzbar: in der Diskothek,85 zu der in der Fußgängerzone aufspielenden Feuerwehrkapelle, oder auf Demos zu den flotten Songs der Gesinnungsbarden. Man kann Pogo alleine tanzen, finden sich aber mehrere Mittänzer, so verändert sich unweigerlich die Struktur des Ablaufes. Denn jetzt hat man das dem Pogo zur Verfügung stehende Terrain mit einem Personal zu teilen, das nicht unbedingt gewillt ist, Rücksichten auf den benötigten und beanspruchten Tanzraum zu nehmen. Zu dieser nicht vorhersagbaren Konstellation der Pogo-Tanzenden kommt noch hinzu, daß nach möglichen Kollisionen eventuell stürzende Tänzer die Tanzfläche mit ihrem Körper - wenn auch meist nur kurzfristig - belegen. Der oder die Gestürzte ist bemüht, sich so schnell wie möglich wieder zu erheben, entweder, um weiter zu tanzen, oder aber um das Getümmel zu verlassen. Da die anderen weder wissen, welche der beiden genannten Möglichkeiten der gestürzte Tänzer wählt, noch jener sicher sein kann, daß die um ihn herum Tanzenden Rücksicht üben werden, ist zwar der Bewegungsablauf des Pogo für den einzelnen Tänzer ziemlich einfach zu bewältigen, nicht aber das Miteinander mit anderen Tänzern. Für den Ablauf des Miteinanders gibt es keine festen Regeln, diese müssen - ganz genau genommen laufend neu ausgehandelt werden. Jeder neu hinzukommende oder die Gruppe verlassende Tänzer, jeder Tempowechsel in der Musik, jeder - wie auch immer geartete - Gesinnungswandel eines Tanzenden - all das sind Möglichkeiten, aus einem blessurenfreien Pogo eine Massenschlägerei - oder umgekehrt - entstehen zu lassen. Pogo läßt sich demnach weder mit Krampftänzen,86 noch mit dem Rauschtanz87 vergleichen, da bei den genannten und allen ähnlichen Tänzen Eskalation und/oder Ekstase88 das Ziel ist. Der tanzende Punk hat es nicht selbst in der Hand - besser: in den Beinen -, welchen Verlauf der Pogo nimmt, sondern ist ständig zur Orientierung an den Mittänzern und zu einem Aushandeln des Ablaufes gezwungen. Einige Tanz-Ethnologen gehen davon aus, daß Tanz "das am besten zu wiederholende, üppigste und formal organisierte System der Körperkommunikation ist, das in den Kulturen präsent ist."89 Daraus folgt: "Erstens getanzte Bewegungen sind Verstärkungen der gewöhnlichen Bewegungsmuster jeder Kultur oder 'Kultur-Area' (...). Zweitens - der Tanzstil korreliert mit dem Grad der Komplexität und den Wirtschaftsformen einer Kultur."90 Für Punk bedeutet das, daß innerhalb der selten länger als drei Minuten dauernden Tänze die Beteiligten nicht nur bewegungsmäßig aktiv sind, sondern

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auch gleichzeitig ablaufstrukturierende Einigungen zu erzielen haben. Im Pogo spiegelt sich also der gesamte Aktivismus des Punk: nicht nur in der Vitalität der Bewegungen, sondern auch in der ständig zu vollziehenden Formierung der Gemeinschaft - sei es jetzt als tanzende oder sich prügelnde. 8.8.2 Gobbing Bei den Rückblicken im britischen Fernsehen anläßlich des zehnjährigen PunkJubiläums wird leicht amüsiert auf ein eigentlich nur kurze Zeit bei Punk-Konzerten stattfindendes Ritual aufmerksam gemacht: Gobbing.91 Bekommen die Teenie-Stars von ihren Fans Teddybären, die richtigen Rockgruppen schon einmal Damenslips und die etwas reiferen Künstler Blumen auf die Bühne geworfen, so werden die Punkbands der ersten Stunden angespuckt, oder - um dem englischen Begriff gerecht zu werden - anders ausgedrückt: angerotzt. Captain Sensible, Gitarrist der Damned, bezeichnet sich als Erfinder des Gobbings, da er bei einem Konzert der Sex Pistols eben jene angespuckt haben soll. Er berichtet gelassen über das Gobbing und findet es nur ärgerlich, wenn ausgespuckter Speichel in seine Augen oder auf dem Hals seiner Gitarren landet.92 Gilt das Spucken als deutliches Zeichen der Verachtung oder Geringschätzung,93 so wird es von Punk - zumindest im Kontext der Konzerte - in sein Gegenteil gewendet. So empfindet nicht nur Charlie Harper, Sängerfossil der immer noch existierenden Band U.K. Subs, es als Auszeichnung, angespuckt zu werden.94 Nimmt man eine weitere Bedeutung des Spuckens hinzu und versteht es "als roher spass eines höhern gegen einen niedern",95 so gewinnt das Gobbing an Kontur: nicht nur, daß das Publikum aus den Niederungen seiner ihm eigentlich angestammten Passivität munter spuckend den Platz des Höheren einnimmt und dadurch die klassischen Rollenverteilungen zwischen Konzertierenden und Konzertbesuchern scheitern läßt, sondern auch der Umstand, daß dies - das Spucken nicht einer einzelnen Person vorbehalten ist, verweist auf ein punkübliches Strukturelement. Die in den ersten Reihen vor der Bühne stehende Gemeinschaft der Spuckenden ergänzt ihre bekleidungsmäßig zur Schau getragene Häßlichkeit um eine stilsichere Geste: die eigentliche Abscheu dokumentiert Wohlwollen. Die gleichzeitig mit einhergehende Selbsterhöhung ist keine individuelle, sondern eine kollektiv geteilte. Zumindest gleichrangig mit der Gruppe der Punk-Rock Musiker sind die Konsumenten: hier das Kollektiv der Rotzenden. 8.8.3 Stagediving Besucht man zum ersten Mal ein Punk-Konzert, so sind die akrobatischen Vorführungen der Stagediver eine der größten Überraschungen.96 Fast ausschließlich männliche Teilnehmer97 aus dem Publikum erklimmen die Bühne und "hurling one's self off the stage, in hopes someone will catch you. A great way to test the unity of your scene."98

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Der Einzug des Stagedivings in das Repertoire des Konzertverhaltens der Punks läßt sich nicht genau datieren, erste Dokumente sind fast ausschließlich amerikanische aus den Jahren 1980-83." Stagediving ist mittlerweile nicht nur bei den Punks zu finden, auch die Musikfans angrenzender Genres100 betreiben ein derartiges Verhalten. Die kühnsten Stagediver erklettern sogar Lautsprecherboxen oder -türme, um von dem Drei-Meter-Brett Ersatz in das mit Menschen gefüllte Becken zu springen. Für die Art und Weise des Besteigens und des Verlassens der Bühne gibt es keine einheitliche Regel. Man klettert oder springt auf die Bühne unter Berücksichtigung architektonischer und ordnungsdienstlicher Vorgaben, wird dort entweder in Ruhe gelassen oder vom Ordnungspersonal - nie von der Band! - zum Verlassen der Bühne aufgefordert oder handgreiflich wieder hinunterbefördert. Gehört man nicht zu denen, die sich - wie zum Beispiel bei den U.K. Subs in der Bochumer Zeche am 8. 11. 1983 gesehen - genüßlich hinunterschubsen lassen, so wählt man die auszuführende Figur selbst: mit oder ohne Anlauf; mit nach vorne, seitlich gestreckten oder an den Körper gelegten Armen; vorwärts, rückwärts oder seitlich; ausgestreckt oder gekrümmt; mit oder ohne angezogenen Knien. Drehungen im Fluge sind selten und kommen - sofern überhaupt vollzogen - höchstens als halbe vor.101 Die Arten und Weisen der Landung lassen sich grob in zwei Gruppen unterteilen: gelungene und nicht-gelungene Landungen. Jede der beiden genannten Unterscheidungen läßt sich wiederum unter Berücksichtigung zweier Aspekte aufteilen: individuell- oder gruppenbedingte. Bei dem individuell geglückten Sprung landet der gesprungene Punk ohne Hilfe und ohne nennenswerte Verletzungen entweder auf den Beinen oder, sich mit den Händen abstützend, auf den Knien. Gelingt ihm das nicht, und er landet mit dem Kopf oder Kopf und Schultern zuerst direkt auf den Hallenboden, so zählt er beim Gig zu den Unglücklicheren und hier zu der Gruppe der individuell bedingt, nicht gelungen Landenden. Doch beide Fälle sind selten, macht Stagediving doch für den Punk erst dann Sinn, wenn die ersten Besucherreihen dichtgedrängt stehen.102 Dann thront er bei einem gelungenen Sprung für kurze Zeit entweder liegend oder manchmal sogar hockend auf den Köpfen und Schultern der Zuschauer, um danach ins Getümmel abzutauchen und erneut den Weg auf die Bühne zu suchen. Bei einigen Punk-Rock Musikern gehört der Sprung von der Bühne zum Repertoire, 103 mehrfach erprobt,104 aber nicht nur für den unbeteiligten Betrachter immer wieder beeindruckend.105 Die Musiker haben den Punks nur eines voraus: ihre Sprünge werden fast ausschließlich mit einer erfolgreichen Landung abgeschlossen. Hat Punk Pech, so tritt auf einmal das zum Landeplatz auserkorene Publikum zur Seite und er findet sich, vom Resultat her, bei den oben erwähnten, nicht-gelungen Landenden und auf dem Hallenboden wieder. Oder aber, das Publikum bleibt stehen und man streckt dem Springer nur die nietenbewehrten Schultern oder mit einem Grinsen begleitete Fausthiebe entgegen. Da letztgenannte Variante aber vom Stagediver meist einkalkuliert ist, ergeben sich aus ihr nicht zwingend notwendig sofort

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anschließende körperliche Auseinandersetzungen. Dieser Umstand, die meist gleichzeitig pogende, slammende und moshende Zuschauerschaft machen es unmöglich, auf den ersten ungeübten Blick zwischen Tätlichkeiten und Tanz- oder anderen Unterhaltungselementen zu unterscheiden. Und das natürlich auch nur dann, wenn man bereit ist, die Tätlichkeiten nicht als Unterhaltungselement zu deuten. Aber die Fälle, in denen springende und landende Stagediver Anlaß für Auseinandersetzungen liefern, sind selten. Zu beobachten sind sehr oft die dem gelandeten Punk unter die Arme greifenden Mitpunks, die ihm so wieder auf die Beine helfen. Das sind dann die Vorgänge, die mit dem scheinbaren akustischen und optischen Chaos nicht vereinbar scheinen. Doch sie verweisen nur auf die Struktur der Aggressivität: nach Außen wirken die vehementen, schweißtreibenden Aktivitäten ungeheuer brutal. In dem Nebeneinander genannter Handlungstypen, sowie mit der neben der geregelten Zügellosigkeit einhergehenden Rücksichtnahme, wird aber die Aggressivität eine quasi vor dem Zenit gebremste.106 Die Wirkung ist verblüffend. Einer mich bei der teilnehmenden Beobachtung eines Konzertes begleitenden punkfremden und verbeamteten Person entfährt es bei dem Anblick der durcheinanderpurzelnden Menge: "Da möchte ich jetzt gerne dabei sein!" 8.8.4 Slammen Da Hardcore vehement diesen Begriff für die Bezeichnung einer seiner Tanzstile beansprucht und mit ihm auch seine angebliche Überwindung von Punk formuliert - "Yeah, the pogo was too soft, jumping around, too soft. Jumping around like idiots."107 -, kein Punk von Slammen spricht, sei hier nur kurz auf Slammen eingegangen. Häufig mit Pogo, der individuellen Tanzform, verwechselt, ist Slammen, Slam oder Slamdance eine raumgreifendere Variante des Pogo, wird Hardcore zugeschrieben und von den Anhängern dieser Einstellung bei Konzerten getanzt. "When I'm slamming around I try to miss people and stuff, I try not to hit them. But on the other side, I just go crazy."108 Die Ursprünge des Slammen sind beim Pogo zu finden, schon bei den ersten Konzerten wird im Grunde genommen gepogt und geslammt, begrifflich beide Formen aber noch zu Pogo zusammengezogen. Den Amerikanern ist vermutlich im Zuge ihrer ersten Punkwelle bis 1980 die begriffliche Differenzierung zu verdanken.109 Ein genaues Datum läßt sich nicht finden.110 Da für Slammen ein ungleich größerer Bewegungsraum als beim Pogo benötigt wird, ist das Slammen fast ausschließlich bei Konzerten verbreitet. In einer Diskothek oder ähnlich abgegrenzten Vergnügungsstätte würde Slammen wegen der auch für den tanzenden Menschen gültigen Fliehkraftgesetze nicht nur zur sofortigen Leerung der Tanzfläche führen, sondern auch die Tanzfläche umgebendes Personal und Mobiliar in Mitleidenschaft ziehen. Ähnliches gilt auch für

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8.8.5 Moshen Moshen, oder auch einfach Mosh, ist der "counterclockwise circle dance, done when the band slows down"111 mit einer kreisförmig angeordneten Gruppe von Punks, die - sofern überhaupt - über die auf den Schultern der Nachbarn ruhenden Arme miteinanander verbunden sind. Ähnlich wie Slammen wird auch Moshen von Hardcore beansprucht, die Nennung in diesem Rahmen sicherlich mehr als nur ein Hardcorer-Kopfschütteln hervorrufen. Dennoch soll Mosh auch hier erwähnt werden, weil Hardcore auch mit seinen Tanzformen stark im Punk verwurzelt ist. Im Vergleich zum Pogo gibt kein Fachbuch auch nur die Spur einer Deskription zu Slammen und Moshen. Auffällig bei den Recherchen in diesem Bereich ist die Uneinigkeit in der Deskription, selbst anerkannte Hardcorer widersprechen sich in ihren Darstellungen. Aus den Rahmen übertanzenden Gründen kann hier nicht weiter auf diesen eigenartigen Umstand eingegangen werden.

Anmerkungen 1 im Record Mirror (11/12/76: 6) 2 Palmer (1981: 29) 3 Motto der von ihm 1989(!) initiierten Scumfuck Tradition Festivals in der Duisburger Diskothek Old Daddy. Etwa einmal im Monat treten drei Bands auf. Der Eintritt beträgt 6 DM. Interessierte Sozialwissenschaftler erscheinen auf der Gästeliste und erhalten unentgeltlich Einlaß. 4 Ein kleines Anekdotendatum mag das verdeutlichen: Als ich mir ein gerade frisch aus den USA erhaltenes Compilation-Video während der Erhebungsphase aus rein wissenschaftlichem Interesse gemeinsam mit zwei hier nicht genannten Punks anschaue, landen beide bei dem "Erraten" der musizierenden Bands eine fast hundertprozentige Trefferquote. Ein Großteil der auf diesem Video vertretenen Bands wird schon vor den ersten Takten erkannt, obwohl sie zum Teil nur schemenhaft auf den schlecht ausgeleuchteten Bühnen zu erkennen sind. Auf meinen Vorschlag, sich mit einem derart sicheren Blick bei' Wetten, daß? zu bewerben, ernte ich nur ein vernichtendes Kopfschütteln. 5 Bevor ich im Februar 1989 einen Interviewtermin mit der bundesdeutschen FunpunkLegende Die Toten Hosen erhalte, ist telefonisch eine Art Aufnahmeprüfung beim Manager Trini Trimpop zu bewältigen, was u. a. durch das Aufzählen einiger "richtiger" Gruppennamen auch gelingt. In diesem Fall gehören Vibrators, Boys, Chelsea, 999 und die Lurkers dazu. Ein Großteil des Interviews besteht aus dem raschen, gegenseitig wechselnden Aufzählen angesagter Bands, sowie der damit verbundenen Erlebnisse, wie ζ. B. Konzerte (in: ZAP Nr.ll, April 1989). 6 vgl. dazu Spengler (1985) 7 Mit "Aber dann habe ich die Musik gehört. Habe gehört, was die in ihren Liedern sagten. Was die Pistols sagten und was die Clash sagten. Plötzlich war einfach klar, worum es ging." erklärt der Brite Dave in Fette (1981: 25) sein Punkwerden. 1982 antwortet mir der damals fünfundzwanzigjährige Adrian auf die Frage "Wie ging dat

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so los?" mit"(...) Karneval und da kam 'n Typ zu mir. Haben wir hier beim Karnevalszug getroffen und Fete gemacht bei mir. Dann hat so e'n paar Punkscheiben mitgebracht und so nä? Jo und dann gefielen mir die Scheiben unheimlich gut hab' ich mir immer mehr von den Scheiben geholt (...). Ja und dann hab' ich gesagt ehj Punk dat sieht gut aus ehj. Lederjacke gekauft jo und dann ging et gleich auch los (...)." Unter den Zeichnungen der entsprechenden Gitarrengriffe steht in der No.7 des Fanzines Sniffin' Glue (2/77): "This is a chord. This is another. This is a third. Now form a band." Die Aussage "Rotten rief zum Selbermachen auf: Lernt zwei Akkorde und gründet eure Band!" bei Sommer/Wind (1986: 73) benennt sowohl einen falschen Urheber, wie auch die falsche Anzahl Akkorde. Frith (1981: 70) vgl. auch Seessien (1980: 270). An den entsprechenden Stellen wird noch einmal darauf verwiesen, daß natürlich auch der Rockstar bisweilen die Distanz zu seinen Fans überbrückt, dies aber fast ausschließlich streng ritualisiert und dabei auf bewährte Muster zurückgreifend. Auf die "Schnittstellen der Distanzgitter" (Gespräch mit Hans-Georg Soeffner) im Rockbusiness kann hier nicht ausführlich eingegangen werden. "For the first time in a long time, the groups belonged to the audience again." Palmer (1981:39) Das wird für alle sichtbar, wenn - wie es häufig geschieht - die auftretende Band im Publikum steht und von dort aus auf die Bühne zu ihrem Auftritt klettert. Keine andere populäre Musik kennt einen derartig laxen Umgang mit dem ansonsten hermetisch abgeriegelten Backstage-Bereich. Selbst die Szenegrößen erwischt man als einfacher Fan ziemlich leicht vor oder nach einem Gig. vgl. Seessien (1980: 291) vgl. Seessien (1980: 290) ebenda Selbst das Zerstören der Musikinstrumente gehört bei einigen der Rockstars zum Repertoire ihrer Live-Auftritte, ist aber dramaturgisch sicher in das Vortragsprogramm eingebunden. Die Virtuosen (ζ. B. Pete Townshend, Jimi Hendrix, Keith Emerson) dürfen erst nach Präsentation ihrer Virtuosität zur Beschädigung oder Zerstörung ihrer Instrumente übergehen. Bei Punk kann es dagegen geschehen, daß gleich zu Beginn ein Instrument zerlegt wird und der Auftritt damit meist sofort beendet ist. Schmidt (1982: 264) siehe auch Schütz (1981: 294) Das im Durchschnitt jugendliche Studiopublikum verhält sich gegenüber den auftretenden Punk-Bands genau wie gegenüber den anderen im Programm erscheinenden Künstlern. Es wird geklatscht, teilweise tanzähnliche Bewegungen - kein Pogo! - vollführt und am Ende brav applaudiert. Mißfallensäußerungen - in Anlehnung an die zu gleicher Zeit von Politikern, Tageszeitungen o. ä. kundgegebenen - gibt es nicht! Vergleiche zur Rolle des Studiozuschauers im Fernsehen: Oevermann (1979) und Soeffner (1989). Ausnahmen gibt es auch hier: das brasilianische Punk. Rock de Combate (o. J.) mit einem Poster (110 cm χ 80 cm), das ebenfalls brasilianische Dicionario do Rock (o. J.) mit einem Poster (auch 110 cm χ 80 cm), die britischen Poster Magazine. Punk (o. J.), (36" χ 24") und das Star Monthly No. 9 (ο. J.) mit zwei Postern (36" χ 24" und 18" χ 12"). Auf allen Postern ist jeweils die Band Sex Pistols abgebildet. Alleine für den britischen Markt soll 1981 die Anzahl potentieller Käufer 30000 sein! Vgl. dazu die mehrteilige No Future Labelstory von Emil Elektrohler im deutschen Hardcore-Fanzine ZAP (Nr. 12 bis Nr. 15, 1989). Bei dem Aufenthalt in einer Autobahnraststätte an der M6 in England drückte ich 1979 den Song If the kids are united der Sham 69 in der Musikbox, die mit einer für deutsche Verhältnisse überdurchschnittlichen Lautstärke das gesamte gut gefüllte Restaurant beschallte. Die

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anwesenden Mitrastenden nahmen davon genauso viel Notiz, wie von den anderen Songs aus der Musikbox: nämlich keine! Zum besonderen Umgang der Briten mit populärer Musik sei noch das Datum angefügt, daß die zum Beispiel in englischen Boutiquen gespielte Musik die mit Abstand lauteste ist, die ich bisher in europäischen Boutiquen hören konnte. Von Hintergrundmusik kann man dort nicht mehr sprechen. Vgl. dazu ζ. B. Sommer/Wind (1986: 76), oder auch Hardy/Laing (1976a: 276): "Punk Rock was a style that flourished during the years 1964-7, reflecting America's grassroots response to the British Invasion, (...)." vgl. auch Sommer/Wind (1986: 71) "The Ramones must deal with themselves as rock & roll jokers inside their fans' adoration." stellt Schruers (1978: 30) fest. Vgl. dazu Schütz (1972: 129ff), insbesondere die einleitenden Bemerkungen. Brake (1981: 95) Spengler (1985: 55) Hahn/Schindler (1983: 23) Sommer/Wind (1986: 71) Hahn/Schindler (1983: 24) So äußert sich der offenbar beeindruckte Schmidt (1982: 264). Für den mit der entsprechenden Gesinnung ausgestatteten Bildungsbürger scheint die "Pwnfc-Musik (...) ein Konstrukt proletarischer Verhaltensmuster zu sein." Kloke (1986: 42) vgl. Faulstich (1986: 145) Die Bedeutung der Queen erkennt - wenn auch anders deutend - gleichfalls Faulstich (1986: 146). Bitte nicht zu verwechseln mit den Partisans! GB 1980 Song der britischen Band, deren EP in Frankreich 1982 erscheint. GB 1982 EP (GB 1982) EP mit Beiträgen von Max Splodge, The Business, The Gonads und The 4 Skins (GB 1981). Bei den amerikanischen Fear heißt es zu Beginn der 80er Jahre "Fuck Christmas!". Auf ihrer LP Alle gegen Alle (D 1983) heißt es in dem Lied u. a. "Erzählt mir nichts von euren Göttern, denn die haben niemals existiert. (...) Behauptet nicht, daß ihr die Antwort habt, weil ihr die Frage nicht wißt." in ihrem Song Give us a future (GB 1982) Schmidt (1982: 265) Diesen gleichfalls schönen wie treffenden Begriff findet man bei Schmidt (1982: 265). Donna Summer (1977) "Dancing in the moonlight", Thin Lizzy (1977) die Sex Pistols in "Bodies" (1977) die Münchener Spider Murphy Gang (1981) die Hagener Extrabreit, etwa zur gleichen Zeit Zu dem Song der Slime auf der Compilation LP Soundtracks zum Untergang gesellt sich noch das ebenfalls auf dem Sampler vertretene Helden der Middle Class Fantasies, über dessen Zeilen wie "Das Volk verlangt nach Härte. Ihre kleinen Hirne voller Kacke sagen nur was man ihnen sagt" oder "Sie wollen dich ficken, wart' nur ab" gleichfalls keine amtsrichterliche Freude aufkommt, weil, "Punk sei zwar Kunst, aber auch Kunst habe ihre Grenzen, wenn 'durch Rohheit des Ausdrucks' und 'schimpfliche Vorwürfe' Polizisten, die Bundesrepublik und der 'unbefangene Hörer' als Teil eines Volkes beleidigt würden." (zitiert nach einem Artikel von Vera Gaserow in: die Tageszeitung, 3. 8. 1983) Daraus folgt, daß "die zur Herstellung und Vervielfältigung gebrauchten Vorrichtungen der Stücke Middle Class Fantasies 'Helden' und Slime 'Polizei...' unbrauchbar zu machen [sind]." Beschluß vom 12. 7. 83, Amtsgericht Tiergarten, Aufdruck auf der die zensierten

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Fassungen enthaltenden LP. Wer noch eine der unzensierten Versionen besitzt, darf sich glücklich schätzen. Dem, der sie schon wieder erfolgreich aus Gedächtnis und Plattenschrank verdrängt hat, seien noch einmal Agneta Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Annafrid Lyngstad genannt. Bevor sich jemand auf die Suche nach weiteren Beispielen macht, sei noch der finnische Pelle Miljoona (etwa 1977-80) erwähnt, der - ähnlich der britischen Sptzz-Bands - ständig den Bandnamen wechselt, wie ζ. B. Pelle Miljoona & N.U.S., Pelle Miljoona & Problems oder Pelle Miljoona & 1980. Für diese Information danke ich dem unbekannten Hamburger Finnland-Kenner, der auch das ausgezeichnete Tape Suomi Punk-Rock 77-81 zusammenstellte. Ein weiteres Beispiel sind Gabi Delgado-Lopez und Robert Görl, nur anfänglich bedingt Punk zuzuordnen, die sich Deutsch Amerikanische Freundschaft nennen. Selbst die emsige Gallionsfigur der Duisburger Panx, Willi Wucher, vermeidet tunlichst eine besondere Nennung seines Namens auf Veranstaltungsplakaten oder Fanzines. Johnny Rotten in einem frühen TV-Interview, dessen Datum nicht mehr zu rekonstruieren ist. Gesendet wurde der Ausschnitt mit genanntem Zitat u. a. in Α Short Sharp Shock am 28. 11. 1987 im Rahmen einer britischen ITV-Dokumentationssendung. Alleine die Betrachtung des militaristischen Vokabulars im Pop- und Rockgeschäft wäre eine eigene Abhandlung wert. Neben den betriebswirtschaftlich bekannten Begriffen wie z. B. "Strategie" ist hier besonders die Verwendung des Begriffes "Invasion" interessant, mit dem zum Beispiel die Amerikaner die zeitweise übermäßige Präsenz britischer Künstler in ihren Hitparaden bezeichnen - "British Invasion". Vgl. ζ. B. Hardy/Laing (1976a: 276). Auch die deutschen Skinheads kennen Bands wie Die Alliierten oder Oberste Heeresleitung. Fans der Band Exploited Fans der Sham 69 auch im normalen Sprachgebruch verwendete Abkürzung für "grievous bodily harm" (schwere Körperverletzung) In Bucher/Pohl (1986: 122) wird ein Photo der Band aus dem Jahre 1982 abgebildet, die Band als "The Ichots" bezeichnet. Die Dortmunder Idioten um Alt-Punk Hannes sind heute noch aktiv und luden mich im Mai 1989 zur Präsentation ihrer neuen LP in eine Dortmunder Diskothek ein. Mit "verhältnismäßig leicht" ist nicht "mühelos" gemeint, da bezeichnenderweise einige klassische Quellen für den Erwerb älterer Schallplatten ausscheiden: auf den (Kinder-) Flohmärkten zum Beispiel lassen sich, ungefähr zwischen fünf und zehn Jahren nach dem Höhepunkt einer popmusikalischen Ära, die Vinylprodukte jener Zeit bei den jüngeren Geschwistern der Besitzer oder den erwachsen gewordenen Besitzern selbst erwerben. Bei Punk läßt sich ein derartiger Vorgang nicht beobachten! Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren - weshalb diese Anmerkung auch nur als Fußnote erscheint. Erstens nimmt Punk vielleicht nicht an, die Schallplatten auf Flohmärkten in Geld umsetzen zu können, zweitens besteht die Möglichkeit, daß Punk zu der eigenen Musik eine längere Treue als andere Fans hat und drittens sorgt Punk dafür - das läßt sich durch Recherchen halbwegs belegen -, daß die Platten in den eigenen Kreisen bleiben. Zur erstgenannten Gruppe gehören die Singles mit kopierfreundlichen schwarz-weiß gehaltenen Covern, auf denen Photos - sofern überhaupt Photos Gestaltungselemente sind häufig nur undeutlich zu erkennen sind, die Gestaltung von der Band selbst oder nahestehenden Personen, wie ζ. B. Familienmitgliedern, ausgeführt wird. Beispiele: Dead Mans Shadow und ihre Neighbours EP (GB 1981), nur eine gefaltete, ungeklebte Hülle, schwarz-weiße Zeichnung auf der Coverfront, Paßphotos der fünf Bandmitglieder undeutlich auf der Rückseite, sämtliche Schrift handschriftlich ohne Benutzung anderer Schriftelemente; die britischen Disrupters und die Young Offender EP (F 1981), ähnlich wie die Neighbours, bis auf die schreibmaschinenverfassten Songtexte, mit ver-

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blassenden Buchstaben; Epileptics - Last Bus to Debden EP (GB 1981?); die erste EP der Rudimentary Peni (GB 1981), ihre zweite EP mit dem Titel Farce (GB 1982) ist schon in das Crais-Programm (s. u.) eingebunden; die Deutsche Tnnke^ugend und ihre Scheissegal EP (D 1984). Daß sich diese Haltung gegenüber der Gestaltung von Covern durchgängig hält, belegt die 1986 (?) erscheinende EP der schottischen Toxik Ephex mit dem Titel Punk as Fuck, auf der Vorderseite ist das Logo der Band in stempelähnlicher Weise aufgedruckt, weitere Informationen werden mit krakeliger Handschrift auf kleinen Zetteln beigelegt. Etwas professioneller sind diejenigen Cover, die gedruckte Schriftelemente und deutlichere Photos haben. Informationen - besonders die Texte der Songs - befinden sich auf beigelegten und - je nach Größe - gefalteten Blättern. Beispiele: Die Destructors mit ihrer Senseless Violence EP (GB 1982), mit ζ. T. deutlichen Photos und auf einer Reiseschreibmaschine getippten Texten auf Beiblatt, alles in schwarz-weiß gehalten, keine handschriftlichen Elemente; The Epileptics - 1970's EP (GB 1981); First Offence - Night the Punks turned ugly EP (GB 1982?). Nicht zu diesen (un)gewollten Dilettantengruppen zählen die Schallplattengestaltungen der anarchistisch angehauchten Label wie Crass und Mortarhate, die zwar deutlich Spuren des do-it-yourself Verfahrens zeigen, dies aber fast im Sinne einer Corporate Identity mit hohem Wiedererkennungswert konsequent bei allen ihren Schallplatten auf fast gleiche Weise anwenden. "Weit unter sub" deshalb, weil bei allen Arbeiten, die sich in irgendeiner Weise mit Punk oder Subkulturen beschäftigen, Tapes sträflich vernachlässigt werden und fast ausschließlich überhaupt nicht erwähnt werden. Dazu gehört die Tatsache, daß in jeder Lederjacke mühelos zwei, drei Tapes zu verstauen sind, wie auch die schmuggelpraktische Größe, die es zum Beispiel der DDR-Band L'Attentat erlaubt, ohne staatliche Genehmigung eine Schallplatte im Westen einzuspielen. Das Tape mit der in Vinyl zu pressenden Musik wird über die Grenze geschmuggelt. Daß die Tapeszene immer noch aktiv ist, belegt der Umstand, daß bei dem Rezensenten eines aktuellen bundesdeutschen Punk-Fanzines wöchentlich bis zu fünf Tapes eintreffen. Die vorliegenden ältesten Tapes, die dritten und vierten Compilations der britischen Xcentric Noise Tapes beherbergen Bands aus ζ. B. Norwegen und Brasilien (No. 3) oder Finnland und Italien (No. 4). Die frühen Tapes enthalten kaum Entstehungsdaten, so daß diese hier auch nicht genannt werden können. Ein Grund dafür mag in der "Zeitlosigkeit" der Mutterbänder liegen, die beliebig oft reproduziert werden können. Uwe Mindrup verdanke ich den Hinweis auf dieses Beispiel, das er initiierte. Mit seiner Hilfe erfuhr ich zum ersten Mal von Punks in Peru. beide erscheinen etwa 1982 in England Die ansonsten auch gerade Punk befallende Südafrikaphobie trifft nicht diejenigen Südafrikaner, die auch die entsprechende Musik machen. Erst die leihweise Übergabe des unbeschädigten Crash Course LP-Covers aus meinem sozialwissenschaftlichen Datenbestand ermöglichte das Abphotographieren und somit das Erscheinen der CD. Zu der eigenartigen Marktsituation für Musikvideos kommt noch hinzu, daß sie zwar eigene Vorführkanäle (ζ. B. Diskotheken, Schallplattengeschäfte u. ä.) benutzen, aber in den Angeboten der Videoverleihs nur in äußerst begrenzter Stückzahl - wenn überhaupt - auftauchen. Klappentext WAZ, 1. 6. 1981 Die bekannten Beispiele reichen von den Besuchern klassischer Konzerte in Abendgarderobe oder den entsprechenden tolerierten Verweigerungsattributen (ζ. B. Jeans) bis hin zu denen der legendären Open-Air-Festivals in den ausgehenden 60er Jahren, bei denen die

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lässig-schlampige Kleidung und ihr Träger weder vor Regen noch vor Schlamm extra geschützt werden. In den Fanzines finden sich viele Beispiele von Konzertbesprechungen, in denen die Fahrt dorthin, die Erlebnisse dabei und das Treffen mit anderen Punks einen ungleich höheren Raum einnehmen als das Konzert selbst. Im Dinslakener Fanzine DIN A 2 (die Zahl ist gleichzeitig die Nummer des Heftes; 1981) wird auf zwei Seiten DIN A 5 über ein Konzert der Dead Kennedys in Deutschland berichtet. Anfahrt und Vorgruppe erhalten eine Seite, die berühmten Amerikaner müssen sich mit einer halben Seite Text und dazugehörigen Photos begnügen. "Draußen hockte eine Schar Punker ohne Eintrittskarten und zelebrierte mit gefärbten Haaren und abenteuerlicher Kostümierung den permanenten Karneval." berichtet Rüdiger Falksohn vom C/asft-Konzert in Hamburg (in: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 24. Mai 1981). In der Zeche am 8. September 1983, etwa gegen 23. 30 Uhr. Willi Wucher, Initiator und Anführer dieser Aktion, beteuert, keinerlei körperliche Gewalt angewendet zu haben. Anscombe/Blair (1978) ebenda Bezüge zu der 1948 erstmals veröffentlichten Comic-Serie "Pogo" von Walt Kelly lassen sich nicht herstellen. Das Dictionary of the Teenage Revolution and its Aftermath, (Hudson 1984) wechselt von "Plastic" (1984: 144) - ohne "Pogo" aufzuführen - zu "Pomp" (1984: 145). Sommer/Wind (1986: 76) Das gilt natürlich nur dann, wenn vom Discjockey Punk gespielt wird und die sich daraus resultierenden Bewegungsabläufe der Punks von den anderen anwesenden Gästen oder dem Tanzbodenbesitzer nicht als sonderlich störend empfunden werden. Die Möglichkeiten, für Punk in derartigen Lokalen regelmäßig Pogo tanzen zu können, bleiben beschränkt: sei es jetzt aus einer ablehnenden Haltung den nicht verzehrfreudigen Irokesenträgern gegenüber heraus, oder mit dem Unmut der punkfremden Kundschaft über die raumgreifenden und rücksichtslosen Tänze der Punks begründet, siehe Sachs (1933: 13) siehe Sachs (1933: 37) vgl. Gladigow (1978: 27) Weidig (1984: 52) zitiert das sogenannte "Choreometrics Project", eine von mehreren Interpretationsvarianten innerhalb der Tanz-Ethnologie. ebenda Hierbei werden die beiden folgenden Sendungen berücksichtigt: Α Short Sharp Shock (ITV Documentary, gesendet am 28. 11. 87) und Punk Anniversary (gesendet in der "6 o'clock show" der LWT, Datum leider unbekannt). Auswurf, der in seinen Mund gelangt, wird nicht als tragisch empfunden, sondern umgehend zurückgespuckt! Davon ausgenommen ist natürlich der Aberglaube, gerade der, der auch die - wie in unserem Beispiel - sich nicht auf Objekte sondern Personen beziehende Tätigkeit des Spuckens kennt. Vgl. dazu ζ. B.: "einen Gelbsüchtigen heilt man, wenn man ihm ins Gesicht spuckt" (Wuttke 1900: 184). Anders scheint es in dem Video Decline of the Western Civilization (US 1980?) bei den amerikanischen Fear zu sein, die das Publikum bei einem Auftritt beschimpfen, angespuckt werden, zurückspucken und sich danach im Mittelpunkt einer wüsten Keilerei sehen. Schnelle Schnittfolge und wechselnde Kameraeinstellungen lassen keine endgültigen Schlüsse zu: es wird zum Beispiel mehrfach ein mit strahlendem Gesicht spuckendes Mädchen gezeigt, ohne daß man die Reaktionen der Angespuckten sieht. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Band 17, Seite 209

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96 Vgl. Kotarba/Wells (1987: 412): "Stage diving is a ritualistic activity in which patrons jump up on the stage and then leap into the audience in a way that would appear to the casual (adult) observer to be irresponsible if not self-destructive." 97 Mindestens ein weiblicher Stagediver ist auf dem unten genannten, frühen Minor Threat Video zu sehen. Leibhaftige Stagediverinnen bekam ich nur bei den Toten Hosen am 6. 3. 1989 in der Bonner Biskuithalle zu Gesicht. 98 So wird "Stage Dive" von der amerikanischen Straight Edge Band Crucial Youth in dem Beiheft zu ihrer Langspielplatte The Power of Positive Thinking (GB 1989) definiert. 99 Allererste auf Film gebannte Stagediver sind vermutlich in dem amerikanische Video The Decline of the Western Civilization (US 1980?) zu sehen. Erste Photos in Connolly/Clague/Cheslow (1988: 61) zeigen "Bühnenspringer" bei einem Bad Brains Konzert in Washington am 29. 4. 1982. Ebenfalls früh wird von den Bühnen gesprungen im Videos/ways keep the faith (US 1982) und im Videomitschnitt eines Konzertes der Minor Threat im Juni 1983 in New York. Ursache für das möglicherweise in Amerika zuerst zu beobachtende Stagediving mag sein, daß eine Vielzahl der ersten Konzerte auf britischem Boden ebenerdig stattfinden, die Bands also häufig durch gar keine, oder gerade einmal kniehohe Bühne vom Publikum getrennt sind. 100 Die meisten Stagediver findet man daneben noch bei Hardcore- und Crossover-Bands, etwas weniger bei einigen Thrash- oder Speedmetalbands. Von Punk weit entfernt und aktuellstes Beispiel mit praktizierenden Stagedivern ist der 1989 erschienene Video zum Song Under the God von David Bowie, dessen Publikum sich ansonsten durch gesetzte Gelassenheit auszeichnet. 101 Kotarba/Wells (1987: 412) beobachten in einem amerikanischen Club, daß dort die Stagediver "understand that you leap into the audience at center stage." 102 Vgl. Kotarba/Wells (ebenda), die ihre oben genannten Beobachtungen mit dem Hinweis ergänzen, daß "styles of stage diving differ from metal heads to punkers, however. Punkers, for example, tend to be a bit more calculated. When punkers start running across the stage before leaping, they are likely to chart a path that will lead them to certain audience members who will catch them." 103 Zu den bekanntesten Vertretern gehören Campino, Sänger der Toten Hosen, sowie Jello Biafra, Sänger der Dead Kennedys. 104 Ob ein solcher Sprung beabsichtigt ist oder nicht, läßt sich daran ermessen, wie die Roadcrew darauf reagiert. Ist sie ziemlich schnell unten, um den Betreffenden von den Liebkosungen der Fans zu befreien und auf die Bühne zurückzuholen, kann man von einem inszenierten Sprung sprechen. Dauert es verhältnismäßig lange, bis sich ein Bühnenhelfer hinunter begibt, oder wird der Gesprungene sogar ganz alleine gelassen - wie bei dem Beispiel unten -, so handelt es sich vermutlich um einen spontanen Sprung. Mit den genannten Liebkosungen soll die Frage nach der Behandlung des im Publikum gelandeten Musikers beantwortet werden. Er wird oft fast zärtlich - meist über den Kopf gestreichelt! 105 Das gilt besonders dann, wenn der Sprung ziemlich unvermittelt kommt, wie zum Beispiel bei dem des Gitarristen der U.K. Subs im schon erwähnten Konzert, als er mitten in einem Song seine Gitarre zur Seite und sich mit einem Aufschrei und Anlauf in das Bochumer Publikum wirft. Im weiteren Verlauf des Konzertes gibt er ein weiteres Beispiel seiner artistischen Fähigkeiten und spielt das letzte Lied mit umgehängter Gitarre, die Unterschenkel in den Verstrebungen der Lichtanlage eingehakt, mit dem Kopf nach unten unter der Hallendecke baumelnd. 106 Fette (1981: 58) nennt es in Anlehnung an den von den befragten Punks verwendeten Begriffes "zurückgehaltene Gewalt". 107 Interviewee in Ammann (1987: 227) 108 Interviewee in Ammann (1987: 226)

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109 Obwohl es für einen außenstehenden Betrachter bisweilen schwer ist, zwischen Pogo und Slammen zu unterscheiden, fällt auf, daß bei Tanzbeschreibungen der Punks, die sich dem englischen 77er Punk verpflichtet fühlen, ausschließlich von Pogo gesprochen wird, die amerikanischen Punks und die sich an ihnen orientierenden aber beide Begriffe benutzen. 110 Auf die Frage "Where did it come from? Who invented slamming" antworten die Interviewees in Ammann (1987: 227) mit "My mother invented it - it's really wild. She started slamming on me, so I slammed on her and I just closed the door. Nah...well..." und "It just happened." 111 Die Amerikaner Crucial Youth in dem Beiheft zu ihrer LP The Power of Positive Thinking (GB 1989)

9 Ausstattung Das Outfit des Punk kennt keine nennenswerten geschlechtsspezifischen, nationalen oder auf ähnliche Weise unterscheidbare Varianten.1 Zeitlich oder a n d e r weitig bedingte vorzufindende Variationen werden im folgenden - soweit möglich genannt, sind aber nicht immer eindeutig - wie ζ. B. in anderen Modebereichen nur einem bestimmten Zeitraum zuzuordnen. Anders ausgedrückt: selbst nach Studium der nun folgenden Abschnitte lassen Abbildungen von Punks nur äußerst selten Rückschlüsse auf die Nationalität2 des oder der Abgebildeten zu und auch eine sichere Zuordnung zu einer Jahreszahl zwischen 1976 und 1986 wird schwerfallen. Ursachen für eventuelle Abweichungen von den zu nennenden Ausstattungselementen sind: a) vollständig fehlende oder nur zeitweise vorhandene gleichsam ausgestatte Personen, 3 b) vollständig fehlende oder nur teilweise vorhandene Kontakte zur Szene und deren Vertriebs- und Verteilsystemen,4 und c) die Zugehörigkeit zu einer im Umfeld von Punk anzusiedelnden Gruppierung. Finanziert wird die Anschaffung der teureren Ausstattungselemente, sofern keine natürliche Einnahmequelle (Taschengeld, Arbeitslohn, Arbeitslosenunterstützung etc.) vorhanden ist, auf unterschiedliche Weise: dabei geht es von der Bezahlung durch die Eltern über den Verkauf eigener oder gestohlener Schallplatten ζ. B. auf Flohmärkten bis hin zum Blutspenden.5 Gestohlen werden - wenn überhaupt - fast ausschließlich die kleineren Accessoires. Eine der Drogenszene auch nur annähernd ähnliche Beschaffungskriminalität gibt es nicht. Die Art und Weise der Beschaffung ist selten bis gar kein Thema der Gespräche, in einigen Fanzines findet man Berichte von Diebstählen. Die nun folgende Unterteilung der Ausstattungselemente suggeriert in ihrer Abfolge eine Wahrnehmungsabfolge, die es in dieser Form nicht gibt. Der Gleichzeitigkeit mehrerer verschiedener Partien bei der (visuellen) Wahrnehmung eines Gegenübers kann eine Beschreibung nicht gerecht werden. Der Punk mag zuerst eine Sicherheitsnadel in seine Wange und die Nadel dann ins Auge des Betrachters stechen, in dem folgenden Kapitel wird sie aber an einer Stelle auftauchen, die die Nadel zur sieht- aber scheinbaren Nebensächlichkeit zu degradieren scheint. Die Reihenfolge - analog des Musterns von Kopf bis Fuß - wird einfach deshalb gewählt, weil es vom "Oben" eines Menschen mehr Abbildungen gibt als vom "Unten", das Gesicht und der Oberkörper in fast allen Kulturen zur Unterscheidung der Individuen herangezogen wird.6 Eingeschoben wird jeweils an den entsprechenden Stellen der Wechsel von "Außen" nach "Innen", an denen ein gerade besprochenes Ausstattungselement ein darunterliegendes verdecken kann. T-Shirts folgen also nach der Jacke und nicht erst am Ende des Kapitels. Accessoires bilden die Ausnahme von dieser Regel und den Abschluß, da sie alle unabhängig von einem entsprechenden Kleidungsstück wahlweise an unterschiedlichen Trägern appliziert werden können.

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9.1 Haare I hate hippies and what they stand for. I hate long hair. Johnny Rotten 7

Frisuren sind mit der auffälligste und variantenreichste Bestandteil der dem Punk zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Körperschmucks.8 Auch wenn sich bei der Haarmode der Punks bestimmte Trends, bis auf die konsequente und konstante Bartlosigkeit, zu keiner Zeit ganzszenig durchsetzen, lassen sich doch gewisse Präferenzen - wenn auch auf den ersten Blick etwas grob - in der zehnjährigen Geschichte ausmachen. In den ersten drei, vier Jahren - etwa bis 1980 einschließlich - werden die Haare hauptsächlich kurz getragen, teilweise ungekämmt, mit einigen wirr abstehenden Büscheln oder Strähnen (spikey), vereinzelt gebleicht und - wenn überhaupt - verhalten gefärbt. Mit der Anfang der 80er Jahre - zumindest in England - kurzzeitigen Sympatisantenschaft zwischen Oi und Punk wird auch die Palette der Frisuren reichhaltiger. Ohne wie die sich dann später doch als Gegner entpuppenden Skinheads den Kopf vollständig kahl zu rasieren, wird begonnen, an einigen Teilen des Kopfes eine Rasur vorzunehmen, hauptsächlich im Schläfenbereich, über den Ohren und am Hinterkopf. Die Haare des nun übrig gebliebenen Mittelstreifens werden entweder hochgezwirbelt, mit Zuckerwasser oder einer Seifenlösung gestärkt und nach oben gerichtet gehalten oder bürstenähnlich kurz geschnitten. Der Iro (Kurzform für: Irokesenschnitt), amerikanisch: Mohawk, ist geboren.9 Daneben existiert weiterhin die eingangs erwähnte Kurzhaarfrisur. Beim Irokesenschnitt gilt es, zwei Hauptvarianten auseinanderzuhalten, auf der einen Seite diejenige, die im Mittelteil genügend langes Haupthaar enthält, welches auch über die ausrasierten Schläfen heruntergekämmt werden kann, um bei Bedarf der zumindest zu Beginn des Jahrzehnts haarmodengerechten Normalität annähernd entsprechen zu können, andererseits denjenigen Irokesenschnitt, der - durch die Kürze des Haarstreifens bedingt - keine kurzfristige Rückkehr zur Normalität ermöglicht. Punk entlehnt zwar seinen Irokesenschnitt einem Naturvolk, zitiert aber "lediglich den Mythos von der 'ursprünglichen, natürlichen Ordnung', um darauf hinzuweisen, daß diese unwiederbringlich zerstört ist."10 Gleichzeitig ist aber die Wahl gerade jenes Frisurentypes wieder eine für Punk kennzeichnende, da (stil)sichere. Von den in der Frisurengeschichte umfangreich vorliegenden Varianten wird diejenige adaptiert, die charakteristisch für ein Volk ist, dem ζ. B. eine für die Zeit unübliche Toleranz gegenüber anderen Menschen, Besitzverweigerung, sowie die Gleichstellung der Frau zugeschrieben wird.11 Etwa zeitgleich mit dem Auftreten der New Romantics gegen 1981, einer Spielart im großen Sammelbecken New Wave, die neben phantasievoller Bekleidung auch durch extravagantes Haarstyling von sich Sehen macht,12 setzt sich das anfangs nur spärlich zu beobachtende Färben der Haare durch. Bis auf das auch bei den New Romantics verwandte Silber oder Gold halten fast alle denkbaren

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Farben Einzug auf die behaarten Schädeln der Jugendlichen. Ausgenommen von dieser Welle ist ein Großteil des musizierenden Personals, ein Phänomen, das ähnlich beim Tragen der Badges zu entdecken ist. Der nun den Punks zur Verfügung stehenden Variationsmöglichkeiten der Frisuren - vom einfachen Kurzhaar über verschiedene Anwendungsmöglichkeiten der Rasur13 bis hin zum erwähnten Irokesenschnitt - steht im westeuropäischen Raum eine Vielzahl von jugendlichen Erscheinungsformen gegenüber, die beispielsweise vom Spiegel als "Die neue Boheme. Jugend-Stil '82"14 bezeichnet wird. Einige der gleichfalls um Aufmerksamkeit buhlenden Gruppierungen benutzt Frisurelemente der Punks, besonders was die Länge, besser: Kürze, und Färbung betrifft. Nach einem kurzzeitigen Nebeneinander des Haarstylings erweisen sich die Punks als die mit einem längeren Atem versehene Gruppierung. Die schrillen Haarfarben verschwinden bei ihnen für einige Zeit und weichen dem ungefärbten Haar, die unnatürlichen Haarfarben wandern auf die Normalköpfe der Damenund - mit Einschränkung - der Herrenwelt, zumindest für die nicht ganz so Mutigen in Gestalt kolorierter Strähnchen.15 Zur Unterstützung wird Wet Gel 1982 und Haarlack 1983 eingeführt, industriell erzeugte Hilfsmittel - im Vergleich zu den selbstgemachten, punkspezifischen Mitteln wie Seifenlösung, Bier oder Zuckerwasser - zur Erstellung und Aufrechterhaltung der mutigen Normalfrisur.16 Rasurelemente tauchen etwas später bei den Grufties, den durchgängig in schwarz gekleideten, leicht okkultistisch angehauchten Jugendlichen und den Psychos, entfernteren Verwandten der nicht klein zu kriegenden Rockabillies, wieder auf. In den letzten Jahren der untersuchten Dekade lassen sich sämtliche hier genannten Frisurvarianten bei den Punks weiter vorfinden. Mit der musikalischen Annäherung einiger Punks, sei es praktizierend oder nur konsumierend, an die aus einem Dornröschenschlaf erwachende Heavy-Metal Szene werden auch wieder einige Haare länger. Der Einfluß der Punks auf die Haarmoden der späten achtziger Jahre ist unverkennbar, auch wenn die Radikalität einiger Rasurelemente und Farbvariationen nicht in dem Maße übernommen wird, wie es bei Punk üblich ist. Nach den frisurengeschichtlich eher unbedeutenden 70er Jahren der mittelgescheitelten Damen und den halblang hauptbehaarten und kotelettentragenden Männern, werden die Frisurenvorschläge, zumindest einige Elemente, sehr schnell aufgegriffen und halten Einzug auf die Köpfe der Nicht-Punks. Einer variantenarmen Zeit auf den Köpfen der ausgehenden siebziger Jahre folgt eine breite Palette chicer Damenfrisuren, die nur eines gemeinsam haben, daß sie alle nebeinander, zur gleichen Zeit als modisch gelten: von der Kurzhaarfrisur über sämtliche Spielarten der Dauerwelle bis hin zur aufgepeppten Langhaarfrisur.17 Für die Männer gilt ähnliches, wenn auch nicht derart offensichtlich, da ihnen eine fast ständige Neuorientierung in diesem Bereich nicht abverlangt wird oder sie sich nicht abverlangen lassen. Mit der sorgfältig ungepflegten Kurzhaarfrisur zu Beginn trennt Punk sich auf markante Weise von dem langhaarig ausgestatteten Typus des Sich-Auflehnenden

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oder Extravaganten der siebziger Jahre. 18 Einerseits wird wieder einmal die Frisur als bereits erfolgreich erprobtes Muster einer wie auch immer gearteten jugendlichen Auflehnung angewandt, andererseits trifft der bartlose Punk - und das ist neu - gleichzeitig zwei Gruppen von Personen, sowohl die biologische, als auch die subkulturelle Elterngeneration: die Eltern zu Hause und die "Eltern" auf der Szene, letztere bis 1976 zum Beispiel beherrscht von fast ausschließlich langhaarigem Personal. Die Hippies - generell von Punk zu den Gegnern erklärt - bekommen quasi das Fett weg, das sie bisher nur aus ihren Haaren kannten. Der Irokesenschnitt ist zunächst - bezeichnenderweise einhergehend mit dem Slogan "Punk's not dead" - die Fortführung der begonnenen Ausgrenzung zu einer Zeit, in der die kurzhaarigen Varianten auch bei den Nicht-Punks naheliegender Umfelder - grob als New Wave zu bezeichnen - Beachtung finden. Es verwundert nicht, daß sich die Zahl derer verringert, die noch die Anfänge ζ. B. auf dem musikjournalistischen Sektor mit beträchtlichem Wohlwollen begleiten und unterstützen. Gerade dieser Schritt (Schnitt) wird nicht mehr mitvollzogen, aber hauptsächlich über die angebliche musikalische Minderqualität der Bands der zweiten Generation begründet. Auffällig an der Frisurengeschichte der Punks ist einerseits, daß man sich mit der Frisur als Kennzeichnungselement eines wohlbekannten Musters bedient, dies aber dahingehend wendet, daß ein Zurück zur Normalität erheblich schwerer als bei einem Langhaarigen ist. Letztgenannter kann die ihm zur Verfügung stehende Menge Haupthaars jederzeit auf die gewünschte Länge herunterschneiden. Punk dagegen muß - je nach Radikalität der Frisur - auf das Nachwachsen der zur Normalfrisur benötigten Haare warten. Auf die genannte Akzeptanz seiner Frisur durch die Umgebung reagiert Punk ziemlich prompt. Auf die Anerkennung des spikey hair folgt der Iro, auf das Aufgreifen der Rasurelemente die bunte Färbung, auf die Übernahme der unnatürlichen Haarfarben die Rückkehr zur naturbelassenen Farbe.

9.2 Make-Up Mit Make-Up sollen alle diejenigen Varianten des Gesichtsschmucks bezeichnet werden, die weder ständig - wie ζ. B. Tätowierungen -, noch applikativ in Form angehefteter Gegenstände getragen werden. Augenfällig ist die hauptsächlich zu Beginn der Punk-Ära vorzufindende Betonung der Augenpartie ausschließlich durch dunkle Farben, meist schwarz. Punk beschränkt sich nicht auf die gängige Färbung der Augenlider, sondern rahmt meist das gesamte Auge, um den Rahmen dann seitlich nach hinten oder nach oben geschwungen in den Schläfenbereich zu ziehen.19 Doch das mit nicht-körperlichen Stoffen hergestellte Make-Up in der gerade beschriebenen Form hält sich nur kurz in der Anfangszeit und in den Gesichtern. Spätestens mit dem detaillierten und kollektiv geteilten Ausstattungsrepertoire der Folgezeit und den sich stark schminkenden jugendlichen New Romantics und anderen Phänomenen entfällt das Schminken vollständig und taucht nicht mehr

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wieder auf. Vereinzelt lassen sich genannte Schminkpraktiken höchstens noch bei einigen weiblichen Punks finden. Demgegenüber - wenn auch keineswegs den klassischen Schminkformen zuzuordnen - fällt bisweilen der ungehinderte Fluß eines körpereigenen Stoffes, nämlich dem des Blutes, auf. Erlittene Wunden beim Pogo oder anderen punküblichen, verletzungsanfälligen Tätigkeiten werden - wenn überhaupt - nur notdürftig gestillt. Analog zu dem mit einem blutdurchtränkten Kopfverband versehenen Fußballspieler, der die Verletzung nicht zum Anlaß nimmt, aus dem Spiel zu scheiden, trägt der angeschlagene Punk seine Wunden als sichtbares Dokument unerschrockenen Punk-Seins.20

9.3 Jacke Wichtiges Bestandteil der impliziten, für beide Geschlechter gültigen21 Kleiderordnung ist die schwarze, bis zur Taille reichende und mit meist mehreren Reißverschlüssen versehene Lederjacke in sämtlichen Stadien des Verfalls, (erkennbar) neu sollte sie nicht sein; eindeutig als Motorradjacken zu identifizierende, ζ. B. durch einen integrierten Nierenschutz oder gesteppte Schulterpolster, sind verpönt und weisen den Besitzer, selbst bei Verzierung der Jacke mit den gängigen Insignien, als einen halbherzigen Punk aus. Ähnliches gilt für all diejenigen Lederjacken, die in Farbe (ζ. B. braun oder dunkelblau) oder Form (ζ. B. länger, oder mit Strickbündchen versehen) von dem genannten Typ abweichen. Der geübte Beobachter erkennt in jenen Jahren schon an der Beschaffenheit der Jacke die (sowohl räumliche wie auch innerliche) Entfernung des Besitzers von der Szene und ihren Metropolen, wobei die Cordjacke, mag sie noch so kurz und badgebeladen sein, einer der größten Entfernungen entspricht. Der Punk - männlich und weiblich - trägt seine Lederjacke bei jeder Gelegenheit und jeder Witterung, beim Pogo in schlecht klimatisierten Konzerthallen im Sommer, wie auch beim Herumhängen auf den Plätzen der Innenstädte im Winter. Ein demonstratives Ablegen der Jacke vor Prügeleien, wie man es bei den ritualisierten Auseinandersetzungen anderer Gruppierungen gewohnt ist,22 kennt Punk nicht. Beschädigungen der durch den Dauereinsatz schnell in Mitleidenschaft gezogenen Jacken werden - wenn überhaupt - nur notdürftig repariert, wie zum Beispiel ein halb abgerissener Ärmel mit Sicherheitsnadeln an einer endgültigen Trennung gehindert wird. Die Lederjacken werden zu Beginn der 80er Jahre bisweilen als Motorradjacken angeboten, dies aber ausschließlich in Geschäften und Anzeigen der subkulturellen Damen- und Herrenausstatter für umgerechnet etwa 160 DM bis 180 DM in einem ansonsten von Zweiradzubehör freien Angebot. 23 Der kontinentale Punk pflegt in dieser Zeit, bevor er der Punkbekleidung in den einschlägigen Boutiquen seines jeweiligen Heimatlandes leichter habhaft werden kann, Kontakte zu der Szene auf der Insel und läßt sich ζ. B. eine Jacke mitbringen, sofern er sie nicht selbst in London kauft.

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Eigentlich ist der verhältnismäßig hohe Preis für ein Kleidungsstück mit einer konsumablehnenden Szene unvereinbar, wird aber verständlich, wenn man sieht, wie schnell eine derartige Jacke durch die Befestigung von Nieten, Badges und anderen Applikationen, sowie durch eigenhändige Beschriftungen an Wert (für Außenstehende) verliert und im Prinzip nur noch für den sie Tragenden wertvoll ist. Hinzu kommt der selten künstlich herbeigeführte oder durch das ständige Tragen - selbst beim Pogo und bei Schlägereien - beschleunigte Zerfall der Jacke, gleichzeitig Zeichen für länger andauernde Zugehörigkeit zur Gruppierung mit den damit verbundenen, meist nur für Eingeweihte entzifferbaren ordensähnlichen Insignien24 und der damit einhergehenden Ablehnung des Wertekodex der konsumtreuen Umgebung: es gibt keine jährlich zu erneuernde Jacke, sondern eine, die - ganz im Gegensatz dazu - ständig getragen mit ihrem Zustand darauf verweist, daß häßlich anmutender Verfall modesaisonal bedingte Neuheiten überdauert. An die Stelle derer, die mit dem Aufgreifen jedes neuen Trends eine zweifelhafte Aktualität (ver)äußern, tritt eine Gruppierung, die ihre Geschichtlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes weiterträgt.25 So gesehen kann "die Lederjacke als Symbol von Härte, Aggressivität"26 verstanden werden, wobei aber die Härte in der beharrlichen Treue des Trägers zu ihr und die Aggressivität in der konsequenten Nicht-Sicherung der Unversehrtheit eben jener Jacke besteht. Neben der Lederjacke sind auch andere Jacken erlaubt, die aber keine auch nur annähernd szenedeckende Verbreitung wie die schwarze Lederjacke finden, seien es jetzt zum Beispiel Jeans- oder Armeejacken. Die zunächst den Skinheads vorbehaltene Bomberjacke taucht äußerst selten an einem Punk auf, signalisiert dessen wie auch immer geartete Nähe zu den Skins und läßt sich quantitativ am häufigsten auf dem Höhepunkt der Oi-Phase bei den auch von Punks geschätzten Musizierenden des Genres finden, später auch - teilweise leicht abgewandelt - im Oberbekleidungsangebot der marktbeherrschenden Versandhäuser.

9.4 Hemd / T-Shirt / Pullover Die ersten T-Shirts sind entweder zerrissene oder mit anderen Applikationen als Löchern versehene. Doch bald erscheint eine dritte Variante: das bedruckte TShirt. Schon in der NME-Ausgabe des 27.11. 76 offeriert Screen Genie ein T-Shirt mit dem großen Aufdruck "Punk". Als Abbildung wählt man die gezeichnete, obere Körperhälfte eines kahlen, dunkelbebrillten und mit der rechten Hand eine Klebstofftube in die Nase führenden Vertreter männlichen Geschlechts. Einer der genannten drei Varianten lassen sich die meisten der von Punks getragenen T-Shirts zuordnen, wobei die erstgenannte - die zerrisssene - mit etwas Verzögerung in die Boutiquen und deren Regale "Poor Look", bei Punk folgerichtig in die Rubrik "Out!" wandert. Bedruckte T-Shirts sind im gesamten popmusikalischen Bereich im Zuge des Merchandising bekannt. Die Anstößigkeit mancher Aufdrucke ist keine shirtspezifische, sondern gründet sich oft nur in der Provokationsgeschichte des Dargestellten.27 Aufgedruckt sind fast ausschließlich Bandnamen oder -logos,

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Plattencover oder ähnliches. Der Boom der Mitte der 80er Jahre aufkommenden Slogan-Shirts geht an Punk folgenlos vorbei. Heutzutage sind die bedruckten Shirts ein fast unverzichtbares Bestandteil zur genauen Zuordnung des Trägers zu einer im nahen und weiteren Punkumfeld anzusiedelnden Gruppierung, was aber erst nach genauer Kenntnis der jeweiligen Protagonisten und ihrer Kürzel möglich ist. Dann aber gelingt es, die betreffende Person entweder als Vegetarier, als Skateboard-Fahrer, als eine lange Haare nicht ablehnende, oder sogar als eine der vielen Mischformen genannter Spezies nahestehende Person auszumachen. Die von Punks getragenen T-Shirts sind - bis auf die bedruckten - einfarbig, häufig weiß, was bezüglich des Kontrastes zur Farbigkeit der Jacke, sowie zu den anderen Ausstattungselementen, sinnvoll ist. Je nach Witterung und Zerschlissenheit der Shirts werden bisweilen auch mehrere Hemden übereinander getragen, ohne Rücksicht dabei auf plausible Farbzusammenstellungen oder ähnliche Kriterien des Zueinanderpassens zu nehmen. Das klassisch weiße Hemd mit Kragen läßt sich bei Punk weder kontinuierlich, noch als spezielles Kleidungsstück eines Subgenres finden. Vermutlich hat Punk Manschetten vor den Manschetten und vor der diesen Hemden unsichtbar eingewebten Normalität. Erst über die amerikanische Variante und die Hardcore-Ausläufer wird das karierte Holzfällerhemd populär, kennzeichnet den Träger aber als nicht mehr (oder noch nicht) ganzherzigen Punk. Pullover oder ärmellose Westover trägt Punk selten, und wenn, dann lassen sich keine Präferenzen ausmachen. Als punkspezifische kann man die bunten, äußerst großmaschigen Pullover bezeichnen. Jene ähneln eher einem Kettenhemd, ihre Maschen sind so groß, daß ein Kälteschutz überhaupt nicht gewährt werden kann. Der derart entblößte Punk verweist damit entweder auf seine Schutzlosigkeit oder aber auf einen fehlenden Schutzbedarf. Dabei sind beide Verweise wieder in der punküblichen Doppelstruktur angelegt, die gleichzeitig Unterstützung (Aufmerksamkeit) und Eigenständigkeit (Abweisen) signalisiert.

9.5 Hosen / Röcke Jeans, Bondage und Tartans führen unangefochten die nicht existierende Beinkleidercharts der Punks an. Weit abgeschlagen ist das Leder, als Hosenmaterial verpönt und nur bei den Miniröcken der Punkettes zu finden. Alle anderen Hosen sind tote. Die Jeansvarianten reichen von der einfachen Jeans, blau oder schwarz, selten andersfarbig oder aus Cord, über die verschlissene und löcherübersäte Jeans, bis hin zur künstlich durch die Bearbeitung mit ätzenden Reinigungsmitteln (partiell) aufgehellte Jeans. Während des Untersuchungszeitraumes kurzzeitig erscheinende Jeansvarianten, wie ζ. B. die popperspezifischen Karottenjeans, bleiben von Punk unberücksichtigt.28 Ähnlich wie bei der Lederjacke läßt sich für die von Punk getragenen Jeans eine allen Modewellen trotzende Treue ihres Trägers feststellen, dabei wiederum

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längere Zugehörigkeit entweder künstlich, unter Zuhilfenahme von Abflußreinigern (sie!), oder natürlich dokumentierend. Anders als bei Gammlern und Hippies, den Gegnern und revoltierenden Hosenvorfahren, werden bei Punkjeans entstehende Beschädigungen nicht gleich mit Flicken oder anderweitig gestopft, sondern verhältnismäßig lange als solche belassen.29 Löchrige oder aufgehellte Jeans sind nicht unbedingt alleine zu Punk gehörend, sondern lassen sich sowohl bei nahestehenden Gruppierungen, etablierten Rock- und Popstars und selbst in einigen Boutiquen und Versandhäuser für den letztgenannten Personenkreis goutierenden Teenager finden.30 Beide Varianten halten sich durchgängig, wobei erstgenannte den schon erwähnten Umgang der Hippies mit ihrer Beinbekleidung fortsetzt und zweitgenannte ebenfalls einen Trend aus der Woodstock-Ära - Aufhellen der Jeans mit Wasser, Seife und Wurzelbürste - aufgreift, diesen aber, mit der Verwendung von ätzenden Reinigungsmitteln, um eine nicht mehr steigerungsfähige Version erweitert und das mühevolle Baden und Bleichen der Jeans seiner Vorgänger somit ad absurdum führt. 31 Bevorzugt wird der klassisch einfache Schnitt der Jeans, dabei diese so gut wie gar nicht änderungstechnisch bearbeitend. Während der Schwermetaller bemüht ist, seine Jeans so hauteng wie möglich zu halten, sie dazu unterhalb des Knies enger näht, läßt sich bei Punk zwar eine Bevorzugung des engeren Schnittes ausmachen, aber auch den Beinen mehr Luft verschaffende Jeans, wie ζ. B. die klassische 501, werden getragen. Applikationen und Beschriftungen sind selten, manchmal finden sich Exemplare, bei denen der Reißverschluß oder die Knöpfe des Hosenlatzes durch ein schuhähnliches Schnürsystem ersetzt werden.32 Nur Punk bleiben die Bondage-Hosen vorbehalten, die somit auch häufig bei stilisierten Darstellungen von Punks verwendet werden. Weder Hardcore, noch eine Gruppierung aus dem Reich der New Wave trägt die Hosen, deren Beine mit einigen schmalen, meist ledernen Bändern verbunden sind. Populär sind die Bondage-Hosen in den Jahren um die Jahrzehntewende, mittlerweile aber so gut wie gan2 aus dem Kleiderschrank des Punk verschwunden. Die mit den Bondage-Hosen symbolisierte Fesselung beherbergt erneut die uns häufig begegnende Doppelstruktur bei Punk. Hier verweist die Einengung der Bewegungsmöglichkeiten, je nach Länge der Bänder, auf einen sowohl eingeschränkten, als auch schwer zu bewältigenden Aktionsradius, gleichzeitig aber auch - durch die jederzeit vollziehbare Entfernung eben jener Bänder - auf die Überwindung der Einschränkungen, seien es jetzt gesellschaftliche oder lederne. O h , Bondage! Up yours!"33 Ganz anders scheint es bei den Tartans zu sein. Gegen Ende der 70er Jahre trägt Punk nämlich auch bisweilen karierte Hosen in den Mustern schottischer Clans. Und selbst wenn sich dieser Trend sehr häufig in Großbritannien beobachten läßt, etwas seltener in Deutschland oder ζ. B. dem skandinavischen Raum, so ist es doch zunächst verwunderlich, ein Stück Folklore bei Punk vorzufinden. Blickt man aber in die Geschichte der Tartans, so erfährt man, daß "over the years tartan has been carried many thousands of miles from its homeland,

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principally by the groups of emigrants who left Scotland after the '45 and during the Clearances. They took tartan with them to the new colonies with the result that it grew in popularity and outlived the attempt to stamp it out at home."34 Tartan ist zwar eine originär lokal begrenzte Ausstattungspraktik, wird aber erst nach erlittener Schmach im Zuge der Clearances und der später daraus resultierenden Nachfrage amerikanischer Stammbaumschnitzer zu einem länderübergreifenden Erfolg.35 "Today, the keenest interest in the subject comes from Canada and the United States of America."36 Zu dem weltweiten Interesse an Tartan kommt noch dessen Loslösung von eigentlich den jeweiligen Familien vorbehaltenen Farben hinzu. "The right to wear any tartan belongs to the bearers of the name or names that go with it, (...)."37 Aber das ist mit Rücksicht auf die Tartan kaufenden Touristen, die Künstlichkeit mancher Farben - den "trade fancies"38 - und die verschwundene Unterscheidungspflicht der jeweiligen Clans nur noch für den traditionsbewußten Highlander von Bedeutung. Der Tartan tragende Punk ist also weder ein schottischer Highlander, den es auf die Kings Road nach London oder vor den Duisburger Hauptbahnhof verschlagen hat, sondern jemand, der das international bedeutsame Zeichen eines sich an die strenge Familienbindung anlehnenden, dies gleichzeitig aber überwindenden Phänomens trägt. Punk wählt auch hier stilsicher die Zuordnung zu einer nur für den Eingeweihten entzifferbaren, traditionsreichen Gruppierung, die aber gleichfalls Traditionen aushöhlt und sie größtenteils aus den Augen verloren hat.39 Doch Punk wäre nicht Punk, wenn es nicht noch übersteigerte Varianten gäbe. Häufig sind die von Punk getragenen Tartans noch mit blinden Reißverschlüssen auf den Beinen versehen, die bei Öffnung nicht den Blick auf das Bein, sondern auf den Tartan freigeben. Weiterhin trägt Punk auch Tartans in der Bondage-Version, in der sich dann alle bereits genannten Aspekte vereinen! Die Punkette steigt entweder auch in eine der gerade beschriebenen Hosen oder trägt einen Rock, diesen häufig aus Leder und seltener aus Jeansstoff oder Tartans gefertigt. Bevorzugte Kürze ist der Mini, je tiefer der Saum rutscht, desto seltener wird der Rock von weiblichen Punks getragen. Anders ausgedrückt: wird der Punkrock der Punkette länger, so werden es auch die Gesichter der anderen Punks. Der (aufreizende Charakter des (ledernen) Minirocks erfährt aber im Zusammenhang mit den dazu getragenen Kleidungsstücken eine nur bei Punk auffindbaren Wendung. Während das modebewußte, miniberockte, weibliche Gesamtkunstwerk seinen freien Beinen eine optische Unterstützung durch entsprechende Zutaten - wie ζ. B. passende Strümpfe oder Stilettos - gewährt, zieht der weibliche Punk die Modebremse und zum Rock ζ. B. zerrissene Netzstrümpfe, durchlöcherte Strumpfhosen oder klobige Stiefel an. Sollten dennoch einmal die weiblichen Beine im Minirock, unbeschädigten Netzstrümpfen und Stiefeletten stecken, so lassen sich mit Sicherheit an anderer Stelle distanzierende Elemente finden, entweder der noch zu behandelnde nietenbewehrte Gürtel, das Stachelarmband oder die martialische Lederjacke.

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Auch hier fällt es wiederum auf, daß Punk - hier vertreten durch die Punkette - in einer eigenartigen Figur zu verorten ist: gleichzeitig sowohl die Aufmerksamkeit nicht nur "männlicher chauvinistischer Schweine" auf sich ziehend, sondern auch konsequent Distanz errichtend, was nur mit dem Wissen um aufmerksamkeitsunterstützende und distanzsichernde Accessoires möglich ist. Alle anderen Hosentypen spielen nur eine zu vernachlässigende Rolle: gestreifte, leopardengemusterte, knallbunte oder paisleygemusterte Hosen werden zwar vereinzelt getragen, hauptsächlich aber entweder deren sonstigen Träger karikierend40 oder dem unbescholtenen Besitzer dessen höchstmögliches Gefühl an Aufsässigkeit vermittelnd.

9.6 Schuhe Punk bevorzugt hauptsächlich den für seine Aktivitäten praktischen Schuh: strapazierfähige Springerstiefel, trittsichere Doc Martens, lauf- und tanzfreundliche Turnschuhe, aber auch Militärstiefel (Knobelbecher) oder dickbesohlte Creepers.41 Auch bei den Schuhen wird auf die längstmögliche Sicherung des Originalzustandes verzichtet.42 Beschädigungen, Beschriftungen, sowie selten durchgeführte Pflegemaßnahmen führen zu einer Ergänzung des sich schon bei Jacke und Hose abzeichnenden Bildes. Kombinationsverpflichtungen wie in sonstigen Modebereichen gibt es nicht. Anything goes und gerade jeder Schuh paßt bei Punk zu jeder Hose, ohne Rücksicht auf deren Länge oder Weite. Auswirkungen des derart laxen Umganges mit dem Schuhwerk und des bis dahin unüblichen Bearbeitens der Schuhe durch den Besitzer lassen sich an verschiedenen Stellen ausmachen: der britische Popmusiker King (mittlerweile Video-Jockey bei MTV) besprüht seine teuren Doc Martens mit farbigen Autolacken, dem begeisterten Popfan werden zum einfarbigen Turnschuh spezielle Farbstifte zur Bemalung mitgegeben und die derzeit den Teenagermarkt abschöpfenden Bros überraschen ihre Fans mit Applikationen wie ζ. B. Metallplatten oder Uhren (!?) auf ihren Schuhen, welche sofort in Massen produziert und in die Schuhregale der Fachgeschäfte gefrachtet werden, um dort der kaufstarken Kundschaft zu harren. Den Punkettes bleibt es vorbehalten, die spitz zulaufende Stiefelette, höhere Absätze oder sogar die bis über die Knie reichenden Stiefel aus der heißen Zeit der Hot Pants zu tragen. Bezüglich der Stimmigkeit zu den sonstigen Kleidungsstücken ist der Anblick einer derart beschuhten Trägerin nicht ganz so gewöhnungsbedürftig, da sie nicht ganz so konsequent wie die Träger des weiter oben genannten Schuhwerks die Normalität gängiger Kombinationsmöglichkeiten bricht. Aber auch hier heißt es - zumindest in einer Anzeige des Fachhandels43 - ^'These patent leather stiletto boots with the cult ankle chains and safety pin buckle are made especially for anti-establishment heroines!"44

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9.7 Accessoires Accessoire - laut Duden "modisches Zubehör, ζ. B. Gürtel, Schmuck" - ist noch der am ehesten zutreffende Begriff, mit dem hier all diejenigen Gegenstände zusammengefasst werden sollen, die Punk zusätzlich zur Kleidung trägt. In der Anfangszeit - ohne das Vorhandensein von Spezialgeschäften für den applikativen Ersatzteilhandel - ist nicht alles nur Sicherheitsnadel, was glänzt. Punk behängt sich mit fast allen denk- und anhängbaren, oder auf andere Weise zu applizierenden Gegenständen. Ketten unterschiedlicher Herkunft, Länge und Anzahl, Vorhängeschlösser, Verschlüsse oder Böden von Getränkedosen, Angelhaken, Hundehalsbänder, Gürtelschnallen, Spielzeugartikel, Plastiklöffel, Pappteller, Zeitungsausschnitte, Handschellen, Reißverschlüsse, Kronkorken, Kunststoffschläuche, militärische und andere Abzeichen, Verbandsstoffe, Nietenarmbänder das sind nur einige der von Punk gewählten Accessoires, die ihren Weg aus Haushalt, Zoogeschäft, Sexshop, Kaugummiautomat, Spielzeugladen und anderen erdenklichen Quellen direkt auf die Haut oder Bekleidung finden. Gültige Regeln für Plazierung, Quantitäten, Kombinationen und Applikationsverfahren existieren nicht. Ganz entgegen dem Diktat des modischen Common Sense findet sich an der Bekleidung des Punks in der Frühphase all das, was eigentlich nicht zur individuellen Schmückung gedacht ist. Hinzu kommt, daß zur Applikation der Gegenstände Körperstellen gewählt werden, die bis dahin und bis heute nicht dafür vorgesehen sind: bekanntestes Beispiel ist die in Wange oder im Mundwinkel piazierte - oft eingestochene - Sicherheitsnadel. Doch damit nicht genug, wird diese Sicherheitsnadel bisweilen auch noch mit Kettchen oder anderen die Tragfähigkeit nicht sonderlich belastenden Gegenständen behangen. Auch hier gelten weder genaue Plazierungs-, noch Kombinationsregeln. Das im Mundwinkel mit einer Sicherheitsnadel verankerte Kettchen schwingt sich über die Wange und findet Halt in der modisch akzeptierten künstlichen Körperöffnung im Ohrläppchen. Die Einführung der Sicherheitsnadel in das Ausstattungsrepertoire der Punks wird Johnny Rotten, dem Sänger der Sex Pistols zugeschrieben. Von ihm liegen auch die ersten Photos mit an der Oberbekleidung applizierten Sicherheitsnadeln vor. Aber auch hier gilt - wie in anderen Bereichen -, daß die konsequente Fortführung dieser Praxis den einfachen Punks vorbehalten bleibt. Keiner der auf den ersten Rängen der Beliebtheitsskala musizierenden Punks trägt eine Sicherheitsnadel im Gesicht oder an anderen Stellen des Körpers. 9.7.1 Kopfbedeckungen Mit Kopfbedeckungen hat Punk im Grunde genommen nichts am Hut. Auch wenn einige der musizierenden Protagonisten Barret, Baskenmütze, an den Enden geknotete Taschentücher oder Bowler tragen, Hardcore zu Stirnband oder Baseballmütze greift, bleibt der Blick auf den meist skurril behaarten Schädel des

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Punks frei. In den kälteren Jahreszeiten ist ihm aber das Tragen einer Pudelmütze nicht verboten, dennoch nur selten vorzufinden. 9.7.2 Badges45 Die Anstecknadeln sind - wie viele andere Accessoires auch - kein eigenständiges Produkt der Szene und werden auch von anderen Gruppierungen als Punk getragen, nicht aber in den bei Punk üblichen, manchmal grotesk anmutenden Quantitäten. Schon der Hippie kennt den Button mit dem Friedenszeichen oder der Aufschrift "Make Love not War". Um die auch in anderen Bereichen von Punk angestrebten Abgrenzungsbemühungen zu den Hippies fortzusetzen, spricht Punk hauptsächlich von Badges und verhilft den Ansteckern zu einer ungeahnten Blüte, die erst kurz nach Einsetzen des New Wave zu Beginn der 80er Jahre zu verwelken scheint. Die meisten Badges sind rund, einige quadratisch und verschwindend wenige rechteckig oder oval. Runde Badges kennen zwei Durchmessergrößen, die bevorzugt benutzt werden, nämlich einmal 25 mm und des weiteren etwa 53 mm, alle anderen Maße sind Sondergrößen. Auf eine meist aus Kunststoff oder Metall bestehende und auf der Rückseite mit einer Sicherheitsnadel oder ihr ähnlichen Klammer versehene Unterlage wird das Papier mit dem entsprechenden Aufdruck gelegt und mit einer durchsichtigen Kunststoffschicht auf den Träger meist maschinell aufgedrückt. Emaillierte oder blechbedruckte Badges benötigen einen derartigen Wetterschutz natürlich nicht. Ältere oder schlecht beschichtete Badges erkennt man daran, daß sich am Rand, bedingt durch das rostende Trägermaterial, das bedruckte Papier verfärbt. Erhältlich sind die Badges bei Straßenhändlern, in den einschlägigen Boutiquen, anfänglich auch in Kaufhausketten und - im Rahmen des Merchandising bei Konzerten oder sind postalisch direkt zu beziehen von den jeweiligen Bands oder Plattenfirmen.46 Die Badges werden auf der Vorderseite der Kleidung derart piaziert,47 daß der gegenüberstehende Betrachter die Aufdrucke entziffern kann.48 Bevorzugt wird dabei die Bekleidung des Oberkörpers benutzt, auf Hosen, Socken oder Schuhen sind Badges selten, auf der Haut - auch wenn das zeitweise Tragen von Sicherheitsnadeln es vermuten läßt - gar nicht anzutreffen. Badgebeladene Jacken finden wir vornehmlich zu Beginn der 80er Jahre, parallel zu der erwähnten Blütezeit der Badgeproduktion. Mit der eigenhändigen Beschriftung und der nietenübersäten Jacke wird auch die Anzahl der getragenen Badges geringer. Wer etwa nach 1986 - wenn überhaupt noch - mehr als 5 Badges auf einmal trägt, gehört zu den Auffälligsten. Bei den Aufdrucken der Badges handelt es sich hauptsächlich um Musiker des Punk-Rock und deren Produkte. Parolen, Statements oder ähnliche Verlautbarungen werden vergleichsweise seltener angeboten. Es ist von keiner zumindest zu Beginn der 80er Jahre existierenden Punk-Band bekannt, daß es von ihr keine Badges gibt. Ebensowenig lassen sich Unmengen oder auch nur vereinzelte Badges bei denjenigen finden,.die auf Badges selbst abgebildet werden. Die

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Quantitäten der getragenen Badges nehmen mit geringerem Bekanntheitsgrad zu. Johnny Rotten trägt so gut wie keine Badges, Wattie - Sänger der Exploited - einige und der nicht-musizierende Punk die meisten. 9.7.3 Patches Industriell angefertigte Aufnäher, etwa 10 cm χ 7 cm groß, sind nicht so häufig anzutreffen und hauptsächlich den Fans der Rock- und besonders Heavy MetalGruppen vorbehalten.49 Einerseits ist das Angebot bei weitem nicht so umfangreich wie zum Beispiel das der Badges,50 andererseits bereitet die Applikation eines Aufnähers oder aufzubügelnden Stoffzeichens auf eine Lederjacke erhebliche Schwierigkeiten, wenn man nicht gerade bereit ist, die textilen Applikationen mit Klebstoff dauerhaft zu befestigen. Nicht nur, daß dadurch bei einem Entfernen der Patches die Oberfläche der Lederjacke derart in Mitleidenschaft gezogen wird, daß entweder benachbarte Beschriftungen oder Applikationen vernichtet werden oder weitere Bemalungen erschwert werden, sondern auch die Dauerhaftigkeit, mit der man sich zu der jeweiligen Band oder dem Slogan bekennen muß, sind zwei weitere triftige Gründe - neben dem eingangs erwähnten - dafür, daß die Patches ein eher randständiges Accessoire des ansonsten reichhaltigen Repertoires sind. 9.7.4 Beschriftungen In der zweiten Generation Punk (1979/80-84) findet man kaum einen Punk ohne eigenhändig beschriftete Lederjacke. Bevorzugt wird dabei die gesamte Rückenfläche der Jacke, aber auch auf der einen geringeren Platz zur Verfügung stellenden Vorderseite finden sich Slogans und Bandnamen, verschwindend gering tauchen Eigennamen auf.51 Auffällig bei einigen Beschriftungen ist gerade die Akkuratesse, mit der das jeweilige Signet oder der typische Schriftzug einer Band auf die Kleidung übertragen wird, ohne daß eine Schablone zur Benutzung vorliegt. Dem gegenüber steht der spontan hingeworfene Schriftzug, der aufgrund fehlender Berücksichtigung der Flächenvorgabe gegen Ende ζ. B. immer kleiner oder auf der Vorderseite fortgesetzt wird. Bei der Gestaltung der lebenden Litfaßsäule lassen sich also ähnliche Vorgehensweisen wie ζ. B. bei der Gestaltung der Fanzines oder Plattencover finden. Sämtliche Kombinationsmöglichkeiten sind bei der Beschriftung erlaubt, sieht man einmal davon ab, daß die Crass-Fans sich meist dadurch auszeichnen, daß neben dem Logo der Band oder dem Schriftzug Crass selten andere Bandnamen auftauchen. Ursache dafür ist vermutlich die anarchistische Ausrichtung der Band, sowie die von ihr gespielte - auch für punkerprobte Ohren - sehr gewöhnungsbedürftige Variante des Punk-Rocks. Die Beschriftungen spielen innerhalb des Phänomens Punk keine Rolle. Mit der Mitteilung über die jeweiligen musikalischen Favoriten findet kein Ausschluß von Seiten der eine andere Band favorisierenden Punks statt. Der Träger signali-

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siert - sowohl nach Innen, als auch nach Außen - mit der beschrifteten Jacke einzig seine Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Punks. Zu den nach Außen gerichteten Beschriftungen und Bemalungen gehören ζ. B. die aufgemalte Zielscheibe mit dem dazugehörigen Satz "Schieß doch, Bulle!" oder Slogans wie "Deutschland verrecke!" Beschriftete Oberbekleidung wird bezeichnenderweise - wenn auch nur für einen Sommer - gegen Ende der zweiten Generation Punk mit den Slogan-TShirts zu einer Modewelle, einhergehend mit dem Verschwinden der schriftbeladenen Jacke bei Punk. 9.7.5 Tätowierungen52 Für Punk typische Tätowierungen lassen sich während des gesamten Untersuchungszeitraumes nicht feststellen. Auch wenn der im Video UK/DK5i vorgestellte tätowierte Punk eine interessante Körperbemalung aufweist, gehört er doch eher zu den Ausnahmen. Analog zu den oben erwähnten Patches läßt sich vermuten, daß Punk nicht sonderlich bereit scheint, langfristig ein Dokument erlittener Qualen und ein nur mit großem Aufwand zu entfernendes Signal zu tragen. Ein Signal, das zudem nur dann sichtbar wird, wenn die entsprechende Körperstelle offenliegt. Umso erfreuter ist man dann, wenn man auf dem Oberarm einer Toten Hose einen mehrfarbigen, Laute spielenden Narren(!) und auf dem Oberarm des Bassisten der Upright Citizens den Bandnamen eintätowiert findet. Ein weiterer möglicher Grund für die fehlende Durchsetzung der Tätowierung bei Punk mag darin liegen, daß Skinhead bereits die Tätowierung bis hin zu sehr extremen Formen - auf der Schädeldecke oder auf der Innenseite der Lippen54 übernommen hat. 9.7.6 Hosenträger / Gürtel Hosenträger findet man bei Punk selten. In den Jahren 1969/70 schon bei Skinhead populär,55 lösen die Hosenträger - nach knapp zehnjähriger Modepause in Form der "1/2- or 3/4-inch braces"56 die schmaleren 1/4-Inch breiten Hosenträger ab und gelten eindeutig als den Skins vorbehaltenes Accessoire. Bei den Gürteln, die Punk trägt, sind zwei Varianten besonders zu beachten. Einmal gibt es das Unikat des Kordelgürtels, bei dem eine Wäscheleine oder ein vergleichbares Band einfach durch die Gürtelschlaufen oder daran vorbei gezogen und irgendwo verknotet wird. Auf der anderen Seite existieren die ein- bis mehrreihig mit Nieten, Stacheln oder Ösen besetzten Ledergürtel, die - zumindest um 1982 herum - meist nur in einer Schlaufe auf der Hüfte eingehängt werden. Der andere Teil wird diagonal über den Genitalbereich, auch bei den Mädchen, gezogen. Seine ursprüngliche Funktion erfüllt ein derart getragener Gürtel nicht mehr. Bezeichnend hier wieder die für Punk mittlerweile charakteristische Doppelstruktur: einerseits wird auf den Genitalbereich aufmerksam gemacht, andererseits aber - unter Benutzung der Nieten oder Stachel - Abwehr signalisiert. Mit der Übernahme der Nietengürtel und der Tragevariante durch nahelie-

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gende Umfelder (ζ. B. bei New Wave und Heavy Metal) verschwinden diese beiden Varianten fast vollständig aus dem Repertoire und sind nur noch sehr selten zu finden. Außergewöhnliche Gürtelvarianten lassen sich bei Punk nach etwa 1984/85 nicht mehr finden.

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Sommer/Wind (1986:67) trennen fälschlicherweise die Merkmale weiblicher und männlicher Punks, ordnen ζ. B. die "Bierdose in der Hand" und "schweres Schuhwerk" den männlichen, dagegen das "Hundehalsband mit massivem Beschlag", sowie das Accessoire "martialischer Gürtel mit Haken, Stacheln und Ösen" den weiblichen Vertretern zu. Bei j e d e m Konzert oder an jedem anderen Versammlungsort einer größeren Anzahl Punks kann man - h e u t e noch - auch Springerstiefel tragende Mädchen mit einer Bierdose in der Hand und Jungen mit Hundehalsband und stachelbewehrten Gürteln sehen. Eine Ausnahme bildet eventuell der italienische Punk (siehe Kapitel 3: Geographie). Damit sind diejenigen gemeint, die in ihrer näheren Umgebung (Stadtteil, Schule u. ä.) die einzigen eventuell als Punk zu kennzeichnenden Personen sind und zu Treffen mit Gleichgesinnten zum Teil größere Entfernungen zurücklegen müssen - falls derartige T r e f f e n überhaupt stattfinden. Als Ergänzung zu den unter a) genannten und mit ihnen oft identischen Personen sind hiermit diejenigen gemeint, die auf Grund ihres fehlenden Anschlusses nur selten die speziellen Ausstatter - meist in den Bereichen "Bekleidung" und "Musik" - behelligen und häufig auf Handgefertigtes zurückgreifen oder auf neue Trends offensichtlich verspätet reagieren. Nicht zu verwechseln sind die unter a) und b) genannten Punks mit denjenigen, die ζ. B. heute noch mit längst nicht mehr aktuellen G r u p p e n n a m e n die Rückseiten ihrer Jacken beschriften, wie etwa derjenige Punk, gesehen am 25. 10. 1988 beim Scumfuck-Festival in Duisburg, der auf seiner Lederjacke Namen wie Anti-Pasti oder X-Ray-Spex trägt. Das Schnorren, die Bettelform der Punks, wird gesondert behandelt und dient meist dazu, laufende Unkosten (Speisen, Getränke, Fahrkarten, Eintrittsgelder zu Konzerten) zu decken. Die Abbildungen in den Ausweisen der zivilisierten Völker stellen nur das den Blickkontakt sichernde Gesicht dar. Weiter unten liegende Körperteile werden nicht als unterscheidungswürdig erachtet, ausgenommen die als "besonders" gezeichneten und kennzeichenswerten. zitiert in Sounds (24/4/76: 11) Am 18. 6. 1989 veranstaltet die regionale Vorabendsendung des W D R - "Aktuelle Stunde" die letzte Folge ihrer mehrteiligen, sonntäglich ausgetrahlten Shows, die - unter Berücksichtigung des Serienmottos "40 Jahre Bundesrepublik" - jeweils ein Nachkriegsjahrzehnt zur Strukturierung der Sendung erhält. Besagte Folge steht ganz im Zeichen der 80er J a h r e und die Zuschauer werden in der Woche vorher aufgefordert, zu dieser Sendung mit einer auffallenden Frisur - anscheinend Charakteristikum der 80er Jahre - zu erscheinen. Dieser Aufforderung kommen neben einigen Gothics zwei Punks - ein männlicher und ein weiblicher - nach und sie dürfen mit sich und ihren Frisuren die Sendung eröffnen. Connolly/Clague/Cheslow (1986: 35) datieren in ihrer umfangreichen Fotosammlung das Foto des in ihrem Band erstmalig auftauchenden Irokesenschnittes auf den 26. 9. 1981. Bernie Blitz berichtet im DIN A 1 Fanzine (1980: 14) über die "Abschlußfahrt von der Penne", die nach London ging: "Auf der Kingsroad hängen viele Punx in d e n neuesten Klamotten (Tartan) und mit den neuesten Haarschnitten (Irokese) rum." Den allerersten photographisch festgehaltenen, nachindianischen "Mohawk" findet Jones

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(1990: 79) bei einer amerikanischen Fallschirmspringereinheit am 23. März 1945 in Arras, Frankreich. Soeffner (1986: 325) Vgl. dazu Schumacher (1972) und Lutz (1985: 38ff), wobei letztgenannter noch hinzufügt, daß "die Irokesen (...) heute in der Native American-Bewegung eine führende Kraft darstellen (Akwesasne Notes, die größte panindianische Zeitung, wird von traditionalistischen Mohawks im Staat New York hergestellt und in alle Welt versandt)." (1985: 42) vgl. ζ. B. Palmer (1981: 89ff) Es gibt - wenn auch selten - dem Iro quasi entgegengesetzte Rasuren, wie ζ. B. einen ausrasierten Mittelstreifen oder - wie im Video Decline of the Western Civilization (US 1980?) zu sehen - ein diagonal über den Schädel rasierter kreuzförmiger Streifen. Nicht unbedingt Punk zuzuordnen ist der hunnenähnliche, bis auf einen kleinen Zopf am Hinterkopf kahlrasierte Kopf. Titelstory in: Der Spiegel (17/1982) Im Zeit-Magazin vom 22. 10. 1982 berichten Kathrin-Susann Wege und Jo Röttger unter dem Titel "Bunte Schur wird Frisur" von einer Hamburger Friseurshow, in der englische Stylisten "neueste Schnitt- und Färbetechniken, die unverkennbar aus dem Repertoire der Punks stammen" an 50 Freiwilligen demonstrieren. Das gilt zumindest für die Bundesrepublik. Angaben von der Wella AG, Darmstadt, einem der größten europäischen Hersteller derartiger Produkte, in einem Schreiben vom 21. 2. 1986. Auch auf eine folgende Anfrage bezüglich der "Ursachen" wird bereitwillig am 18. 3. 1986 geantwortet. Dort heißt es u. a., "modische Trends bei Jugendlichen müssen schon von den ersten Anfängen her erkannt werden." Das bundesdeutsche Blättchen Clivia, monatlich herausgegeben von der Wella AG, Darmstadt und kostenlos bei jedem Produkte genannten Hauses anwendenden Coiffeur erhältlich, bietet zum Beispiel in seinem Jahrgang 1985 allmonatlich eine "Top Ten Frisuren-Hitparade" ausschließlich weiblicher Frisurvorschläge, von der die Leserinnen ihre Favoritin zu wählen haben. Die Palette der 120 Frisuren genannten Jahrgangs belegt überzeugend jenen Variantenreichtum, ein Blick in jede aktuelle Frauenzeitschrift ebenfalls! Vgl.: "In the Ladies toilet, for instance, three immaculate Pistols fans of three weeks standing are applying makeup and grooming their newly short hair. Leaning against the wall in brogues and a Dannimac, is long haired, 18 year old Mary from Plumstead. She has been trying to make a gig for ages and she is watching the other three girls with open admiration. When Mary goes to her next Sex Pistols gig, you know exactly how she will look." John Ingham in: Sounds (9/10/76: 22) Beispiele in: Davis (1977), Anscombe/Blair (1978), Hennessy (1978). Im NME (9/7/77: 5) findet sich die Abbildung des verletzten Sängers der Boomtown Rats, "Bob Geldoff bloody...and bloody disgusted". Sowohl Hahn/Schindler (1983: 29), als auch Sommer/Wind (1986: 60) irren, wenn sie wie letztgenannte vermuten, nur "die männliche Punk-Ausgabe trägt rund um die Uhr die schwarz-lederne Motorradjacke." Für diese Annahme gibt es in der gesamten 10-jährigen Punkgeschichte keinen Anhaltspunkt. Andreas Voß ergänzt an dieser Stelle das ihm vorliegende Korrekturmanuskript mit dem handschriftlichen Vermerk: "Kann ich mich bestens d'ran erinnern, damals mit der Zündapp-Superkombinette im Kaiserhof, ja so war's wirklich." Printout Promotions (Northampton, GB) preist eine "Top Quality black leather bikers jacket" an, D + G Leatherwear (Barnsley, GB) "Real Leather Bike Jackets in black leather, with zip cuffs, five zip pockets, wrapover front and quilt lined for extra warmth" [beide jeweils mit Abbildungen in: Sounds (7/3/81: 62)]. Aber schon im NME (16/7/77: 50) findet sich die Anzeige für "punk leathers", in der für £39.95 folgender Artikel angeboten wird: "Slim fit jacket with planted zip front, panelled back and leather waistband-rings on chest seam for pins, chains etc".

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Die Entzifferbarkeit der Orden - militärische, karnevalistische o. a. - ist wiederum in eine eigentümliche Doppelstruktur eingebunden: einerseits klar erkennbar auf etwas Besonderes verweisend, gleichzeitig aber in den Bedeutungen nur den Insidern vorbehalten, sieht man einmal davon ab, daß große Quantitäten (von Orden) schon eine Qualität an sich präsentieren. Gruppierungen, die in ständigem Austausch mit anderen stehen, benötigen je mehr ordensähnliche Insignien, je größer die Zahl angrenzenden Gruppierungen ist. Eine Gesellschaft wie die derzeitig bundesrepublikanische hat augenblicklich - so ist zu vermuten in seinem Minderheitenkonglomerat die größte Menge Orden, ordensähnlicher Gebilde und geordenter Menschen in ihrer bisherigen Geschichte zu verzeichnen. Bei dem - sicher nicht mehr zu findenden - von allen Außenkontakten abgeschotteten Eingeborenenstamm werden schwerlich auch nur annähernde Quantitäten zu finden sein. Nicht zu verwechseln mit den Geschichtlichkeit vorgaukelnden Antik-Lederjacken, die Mitte der 80er Jahre von den Bügeln der Boutiquen auf die Schultern der Kunden wandern. Genannte Jacken sind durch hier nicht näher zu erwähnende Techniken "auf alt" getrimmt. Schütz (1981: 294) Noch heute kann es geschehen, daß einem Träger des Never mind the bollocks T-Shirts der Sex Pistols der Zutritt zu einem britischen Pub mehr oder weniger handgreiflich verwehrt wird. Die Ruhrgebietsband Artless distanziert sich ausdrücklich in ihrem Song Mein Bruder is'en Popper von den Karottenjeans. Auf die möglicherweise durch die Vielzahl der Löcher hereinbrechenden Winde und der damit verbundenen Kälte reagiert man mit einer darunter getragenen weiteren Hose. Ein Kunstgriff, der nicht sicher Punk zuzuschreiben ist und häufig erst bei Hardcore gegen Ende der untersuchten Dekade auftaucht. Im Gegensatz zur korrekt gelöcherten Jeans, d. h., zur Jeans mit natürlich entstandenen Löchern, sind bei den modischen, lochbestückten Designeijeans deren Löcher oftmals eingesäumt. Der Verfall von der Stange ist nicht nur ein künstlicher, sondern auch ein quasi eingefrorener. Der Punk, noch die Geschichte vom Baden mit Jeans in den Ohren, der bei der Aufhellungsarbeit mit Reinigungsmitteln an seiner Jeans diese anbehält, erlebt die sonst nur in Abflüssen wirkende Kraft hautnah und derart intensiv, daß er von Wiederholungen absieht und seinen Freunden von einem Anbehalten der Hose bei ähnlicher Bearbeitung abrät. Auf den - im Vergleich zu Knopf oder Reißverschluß - zeitlich sehr aufwendig zu bewältigenden Mechanismus wird bei den Accessoires (Gürtel, Hosenträger etc.) eingegangen. Titel eines Songs der X-Ray-Spex Scarlett (1978: 2) Forbes (1977) beschreibt in seinem ausgezeichneten Band die Clearances in Sutherland. Dem an diesem dunklen Kapitel britischer Geschichte interessierten Leser sei die knappe, aber aufschlußreiche Bibliographie am Ende empfohlen. Scarlett, a. a. O. Scarlett (1978: 6) Scarlett (1978: 2) Daß dabei Punk fast ausschließlich rot unterlegten Tartan bevorzugt, über grüne oder blaue Tartans bei Punk keine Beispiele vorliegen, läßt sich nicht eindeutig erklären, da die roten Tartans weder regional, noch auf eine andere Weise unterscheidbar verbreitet sind. Stilsicherstes Beispiel sind die Düsseldorfer Toten Hosen, die ihrem Namen vollauf gerecht werden und Hosen tragen, an die man nicht in seinen kühnsten Altkleiderträumen denkt. Creepers gehören eigentlich in den Schuhschrank des Teds. Bei einem unverzeihlichen Eingriff in das untersuchte Feld gab ich einer Punkette auf deren Frage, wie sie ihre neuerworbenen, schwarzen Springerstiefel möglichst schnell auf "alt" trimmen könnte, den Ratschlag, die Oberfläche mit feinkörnigem Schleifpapier aufzurauhen und eine Nachbehandlung mit grauer Schuhcreme durchzuführen. Die von dem weiblichen

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Punk in Form eines spendierten Bieres geäußerte freudige Dankbarkeit ob des gewährten Einblickes in den Fundus kultursoziologischer Erkenntnisse hätte das Herz jedes Aktionsforschers springen lassen. Unter der Überschrift "Punks put the Boot in at Bloggs" werden im NME (3/9/77: 44) mit Kettchen behangene Stilettos angeboten. Ebenda; £19.99 kostet das anscheinend für den Kampf gegen das Establishment notwendige Utensil. Badge (englisch) bedeutet "Abzeichen, Dienstgrad), Merkzeichen, Marke" und wird - als Emaille-, Metall- und Button-Badges zusammenfassender Oberbegriff - dem "Button" vorgezogen. Ein spezieller Markt, auf dem Badges gehandelt oder getauscht werden, existiert nicht. Nur durch einen Zufall habe ich 1987 einen größeren Posten älterer, auch handgemachter Badges aus England erstehen können. Für das Tragen der Badges auf der Bekleidungsrückseite liegen keine Beispiele vor. Nur bei Matt Black, einem Engländer, der 1980 erfolglos versuchte, mir das SkateboardFahren beizubringen, waren die Badges auf seiner Jackenvorderseite halbkreisförmig derart angeordnet, daß er die Aufschriften lesen konnte, sie für den Betrachter also auf dem Kopf standen. Von den Hardrock- oder Heavymetal-Gruppen gibt es dann auch gleich - neben den oben erwähnten Größen - riesige Aufnäher, die eine ganze Jackenrückseite einnehmen können. Die Sammlung vorliegender Exemplare besteht aus gerade einmal elf Patches ausschließlich der Bands der ersten und zweiten Generation (zwei verschiedene der Sex Pistols, 1 χ U.K. Subs, 1 xAnti Pasti und gleich vier unterschiedliche der Exploited) und drei Themenpatches (Aufschrift "Punk Rock" und eine geöffnete Sicherheitsnadel; "Punk Holocaust"; ein mit 10 Bandnamen versehener Patch). Im Gegensatz dazu sind beim als normal geltenden Beschriften von Gipsarmen und -beinen auf diesen fast ausschließlich Unterschriften der Freunde oder Bettnachbarn im Krankenhaus zu finden. vgl. dazu Oettermann (1985) (GB o. J.), siehe Kapitel 8. 6: Video vgl. Knight (1982) vgl. Knight (1982: 40) Mead (1988: 51)

10 Punk 10.1 Namen Sid Vicious, Johnny Rotten,1 Beki Bondage,2 Poly Styrene3 und Captain Sensible4 gehören zu den bekanntesten Vertreter der Punks, die mit einem anderen als den Geburtsnamen in Erscheinung treten.5 Dazu zählen auch: Phil Free, Steve Ignorant, N. A. Palmer,6 Hiro Shima,7 Rat.8 Aber auch die, die sich nicht durch das Ein- und Abspielen von Punksongs bemerkbar machen, benutzen Namen, die in den eingeweihten Kreisen ausschließlich angewendet werden: Willi Wucher, Bemie Blitz, Klotz, Säge, Pony, Johnny Anarcho,9 Alec Terror, Iggie Wiederkehr, Urs Stooge.10 Beide Listen geben nur einen verschwindend geringen Teil des nur bei Punk vorfindbaren Variantenreichtums bezüglich der Namensgebung oder -wähl wieder. Besteht für den Briten generell die Möglichkeit, mit einem Namen seiner Wahl den eigenen Ausweis aufzufrischen, behält der nicht-britische Punk den einmal gewählten Name während seiner ganzen Punkexistenz, dabei größtenteils derart konsequent, daß bei Postanschriften auf den richtigen Namen verzichtet wird - auf die Findigkeit des Briefträgers hoffend -, und daß selbst die sich im nächsten Umfeld befindlichen Punks selten Kenntnisse über den ursprünglichen Namen besitzen. Als Außenstehender ist es bei solchen Verhältnissen schwer, Kontakte nach längerer Abwesenheit wieder aufzunehmen.11 Neben der so vollzogenen Abschottung nach Außen findet gleichzeitig sowohl eine Zuordnung zu der Gruppe statt,12 als auch in der sonderbar anmutenden Wahl ein Aufmerksamkeitssignal gesetzt wird: sei es jetzt als Provokation oder Ablehnung der elterlichen Namensgebung. Beides zielt aber darauf, da es halt keine Spitznamen im herkömmlichen Sinne sind, daß die gängigen, in der Familie verankerten Formen der Namensgebung zugunsten einer kollektiv geteilten Praxis geopfert werden. Wieder erweist sich die Einbindung in die Gemeinschaft - hier: über die Namensgebung - als eine die Primärgruppe überwindende. Da selbst bei denjenigen, die keinen punkgerechten Namen wählen, nur der Vorname in Erscheinung tritt, verschwindet auch hier der Verweis auf die Zugehörigkeit zur Familie. 10.2 Fanzines13 Mark Perry's Sniflw' Glue gilt als "das erste und meistzitierte"14 echte Punk-Fanzine.15 Die erste Ausgabe erscheint im Juli 1976 in England. Mehrere kopierte DIN A 4 Seiten werden links oben mit einer Klammer geheftet. Einige Blätter sind nur einseitig mit Schreibmaschine und Filzstift beschrieben. Die Photos, sowie alle anderen Beiträge, sind in schwarz-weiß, nur für das Titelblatt der ersten Nummer wird kein Photo benutzt. Über die Auflagenzahl liegen keine verläßlichen Angaben vor.16 Sniffin' Glue ist der Anfang einer bis heute nicht enden wollenden Flut von Punk-Fanzines;17 von Eintagsfliegen, die über die erste Nummer nicht hinauskommen, bis hin zu Dauerbrennern wie die amerikanischen Flipside (Ende 1988 bei

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No. 57) und Maximum Rock'n'Roll (Dezember 1988 bei No. 67); über Klassiker wie eben das Snifftn' Glue oder das Züricher No Fun (18 Ausgaben zwischen Oktober 1977 und 1980)18 bis zu den weithin unbeachtet gebliebenen wie dem schon im November 1976 erschienene schottische Ripped & Torn,19 spannt sich ein bunter, meist schwarz-weiß gehaltener Bogen von Publikationen, nirgendwo in akzeptabler Form archiviert, weder in Bibliotheken einsehbar, noch im Zeitschriftenhandel erhältlich. "Die Fanzines waren eine Heimalternativpresse, die in der Generation genügsamer Cannabiskonsumenten undenkbar gewesen wäre: gestaptelte Seiten voll fotokopierter Rezensionen, Gerüchte, Konzertführer und endloser Kriecherei vor jedem Punkfuß, der je eine Bühne betreten hat, feilgeboten von den Autoren persönlich, oben an der Treppe des Roxy."20 Die Beiträge in den Fanzines werden teilweise handschriftlich, meist aber auf einer Schreibmaschine verfaßt.21 Die Schriftzüge der nicht mit Maschinenunterstützung hergestellten Elemente lassen sich in drei Gruppen unterteilen: a) die mit einem dicken Filzstift (Edding) gezeichneten, an die Ungleichmäßigkeit der Toilettengraffitis erinnernd, b) die eine gesprayte Schrift nachvollziehenden, versehen ζ. B. mit Unregelmäßigkeiten besonders an den Rändern, und c) die - wie bei einem Drohbrief - aus vorgefundenen Buchstaben zusammengesetzten und -geklebten. Alle drei genannten Gestaltungselemente findet man auf Schallplattenhüllen, bei Bandlogos, auf Kassettenhüllen und - leicht abgewandelt - bei der Jackenbeschriftung wieder. Diesen größtenteils zeitraubenden Herstellungsprozessen steht die scheinbare Schludrigkeit der Artikel selbst gegenüber: da verrutschen Zeilen, orthographische Ungenauigkeiten werden - sofern überhaupt erkannt - entweder gar nicht korrigiert oder einfach durchgestrichen, Worte häufig nur dann getrennt, wenn die Zeile zu Ende ist. Das Layout scheint keines zu sein, oft muß man sich auf der Seite den Fortgang des Textes suchen, da die Textblöcke ohne erkennbare Regel auf den Seiten verteilt, die Photos, andere Beiträge oder (kopierte) Zeitungsausschnitte an den Stellen piaziert werden, an denen noch Platz ist. Ganze Seiten oder nur einige Elemente sind quer angelegt oder stehen ganz auf dem Kopf. Bei Mischformen genannter Layout-Beispiele fängt ein Text normal an und findet ohne jeglichen Hinweis irgendwo auf der Seite in einem umgedrehten Block seine Fortsetzung. Sollte der Platz einmal nicht reichen, dann werden schon einmal zwei Elemente übereinandergelegt. Doch selbst das chaotische Layout wird nicht konsequent durchgehalten, plötzlich erscheinen Seiten, auf denen der Text ohne weitere Schwierigkeiten zu erfassen und zu lesen ist.22 Der zur Herstellung eines derartigen Fanzines benötigte Zeit- und Arbeitsaufwand - Tippen, Zeichnen, Schneiden, Kleben, Kopieren, Verkleinern und Vergrößern, Vervielfältigung, Falten, Heften - steht in krassem Widerspruch zu dem, was das Endprodukt suggeriert, "urgency and immediacy, of a paper produced in indecent haste, of memos from the front line."23 Spontaneität und Willkür sind hierbei - wie wir es auch bei anderen punküblichen Aspekten wiederfinden -

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Resultat am Ende eines zeitlich verhältnismäßig aufwendigen Produktionsprozesses. Bei all den genannten Beispielen hängt das Layout nie von den gestalterischen Vorkenntnissen des Machers ab. Das Zine des Maschinenschlossers ζ. B. ist um ein gewisses Maß an müheloser Lesbarkeit bemüht, das des Oberschülers scheint Resultat vieler ausgefallener Deutschstunden zu sein. Inhaltlich ist Punk-Rock die große Klammer, die in den Fanzines alles zusammenhält: Interviews mit den Stars und Nobodies der Szene, Konzertberichte häufig kleine Reiseberichte, in denen An- und Abfahrt mit den dazugehörigen Erlebnissen einen größeren Raum als die Konzerte selbst einnehmen - , Schallplatten- und Kassettenkritiken. Hinzu kommen lokale Szeneberichte der Herausgeber oder der rund um den Globus verteilten Korrespondenten, 24 politische Statements, Erlebnisberichte, bisweilen auch Gedichte und Zeichnungen, etwas Sport, Fernsehen und andere Medien. Was in ähnlichen Publikationen undenkbar ist, findet in den Fanzines fast regelmäßig statt: andere Fanzines - quasi die um potentielle Käufer buhlenden Konkurrenten - werden besprochen. Sprachlich wird der Weg konsequent fortgesetzt, der sich beim Blick auf das Layout ankündigt. Geschrieben wird so, wie man spricht, eine Zensur findet nicht statt. 25 Verkauft werden die Fanzines bei Konzerten der Punk-Rock Gruppen und für den interessierten Leser reicht meistens schon der Kauf eines einzigen Zines, um sich in das Verteilsystem einzuschleusen, da fast (s. o.) in jedem Fanzine andere Zines besprochen werden, meist akkurat mit Hinweisen auf Preis und Umfang, nebst der Angabe der Bezugsquelle. Berücksichtigt man die geringe Auflagenhöhe, unregelmäßige Erscheinungsweise, die Schwierigkeiten, als Außenstehender an die Fanzines zu gelangen, sowie die Themenschwerpunkte der häufig sehr persönlich gefärbten Artikel, gewinnt man den Eindruck, Einsicht in Tagebuchauszüge oder einen größeren Briefwechsel zu erhalten. So läßt sich hier bei den Fanzines genau das wiederfinden, was Punk auch in anderen Bereichen demonstriert: das Private wird zugunsten der Anbindung an eine Gemeinschaft geopfert. Der Preis scheint hoch, doch der Lohn entschädigt: man wird - als Punk - wahrgenommen!

10.3 Flyer Flyer sind ein amerikanisches Produkt. Auf ihnen wird - meist im copyfreundlichen A4-Format - hauptsächlich das Konzert einer oder mehrerer Bands angekündigt. Die Gestaltung orientiert sich an den Fanzines und mittlerweile existiert sogar ein schwunghaft handelnder Markt für alte Flyer, die aber fast ausschließlich ihre Sammler in den Staaten finden. Flyerähnliche Flugblätter werden in Deutschland selten zur Ankündigung von Konzerten genutzt, sondern nur dann eingesetzt, um auf bevorstehende Chaostage oder ähnliche Treffen aufmerksam zu machen. Doch im Vergleich zu dem Flyerziel, möglichst viele Besucher in die jeweilige Veranstaltung zu locken, kursiert letztgenannter Typ nur in den Kreisen potentieller Teilnehmer der Großtreffen.

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10.4 Graffiti Eine speziell nur Punk vorbehaltene Art und Weise der Wandbemalung existiert nicht.26 Kontakte zur illegal operierenden Sprayerszene bestehen nur dahingehend, daß wenige aktive Sprüher ehemalige Punks sind. Die gleichzeitige Zugehörigkeit zu beiden Lagern ist nicht möglich, weil der Sprüher kein sonderliches Interesse an der Zurschaustellung seiner Person hat, der Punk mit einem sich nur über gestalterische Endprodukte äußernden Leben mehr als nur Lederjacke und Iro aufgeben kann. Zu Beginn der 80er Jahre befindet sich aber in fast jeder bundesrepublikanischen Punkerjacke ein Edding, der dicke wisch- und wasserfest schreibende, in mehreren Farben zur Verfügung stehende Filzstift, mit dem man und Punk allerlei Wände, Straßenbahnsitze u. ä. beschriften kann. Auch hiermit hinterläßt Punk bleibende, meist schwarze Spuren.

10.5 Reisen und Wandern Für Punk gibt es drei Gründe, sich als Punk von seinem Wohnort fortzubewegen: 1. das Treffen Gleichgesinnter, 2. der Besuch punkspezifischer und anderer Veranstaltungen und 3. urlaubsähnlich strukturierte, individuell begründete Besuche anderer Städte. Um die Zielorte zu erreichen, benutzt Punk - sofern die Strecke nicht mit einem angemessenen Fußmarsch zu bewältigen ist - alle gängigen zur Verfügung stehenden Mittel. Punk fährt Auto, benutzt Eisenbahn, Bus oder Flugzeug, nimmt Mitfahrzentralen in Anspruch oder trampt. Die Wahl des Fortbewegungsmittels wird solange nicht - weder in Fanzines, noch in Interviews und Gesprächen thematisiert, wie das gewählte Mittel zu den geographischen Vorgaben in einem angemessenen Verhältnis steht. Der Ruhrgebietspunk ζ. B. bekommt nur dann "Ärger", wenn er nach Berlin oder London fliegt. Der Besitz eines eigenen Pkw's gilt gleichfalls als nicht verwerflich, es sei denn, er wird vom Besitzer nicht als Mitfahrgelegenheit zur Verfügung gestellt. Zu den auffälligsten Reisezielen gehören zu Beginn der 80er Jahre die Treffen an neuralgischen Plätzen der Großstädte, 27 meist an verkaufsoffenen Samstagen oder zu ähnlichen Festivitäten, bei denen sich eine größere Anzahl Normalbürger zusammenfindet, sowie die Chaostage, Demonstrationen, Hausbesetzungen und natürlich ständig die Konzerte der Punk-Bands. Die Punk-Bands selbst zeichnen sich von Beginn an durch eine große Tourfreudigkeit aus. Kein anderes pop- und rockmusikalisches Genre beherbergt eine derartige Vielzahl von Reisenden in Sachen Musik. Gehört es bei vielen der im Untergrund musizierenden Gruppen schon zur lautstark gefeierten Ausnahme, die eigenen Landesgrenzen zu Auftritten im Ausland zu verlassen, verbuchen die Punk-Bands ihre Tourneen und die damit verbundenen Strapazen reichlich unspektakulär ab: für Punk scheint es normal zu sein, daß vier Bottroper in

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Schweden und Texas, vier Tübinger in Spanien und New York, Brasilianer in Belgien, Amerikaner in Jugoslawien, Kanadier in Übach-Palenberg, Franzosen in Osnabrück oder Engländer in Polen auftauchen und zum Pogo bitten. Auch wenn den Bands selten Zuschüsse der Plattenfirmen oder anderer Sponsoren zuteil werden, an Hotelaufenthalte nur selten gedacht werden kann und nur bei wenigen unter dem Strich ein gewinnähnlicher Ertrag erscheint, so ist all das für die Bands kein Grund, derartig aufwendige Tourneen nicht in Erwägung zu ziehen. Die Frage nach den Übernachtungsmöglichkeiten erübrigt sich: entweder ist man mit einer langen Anschriftenliste von durch Briefkontakte gewonnenen Freundschaften mit Gleichgesinnten unterwegs oder man findet spätestens nach dem Konzert jemanden, der bereitwillig eine Schlafmöglichkeit zur Verfügung stellt: Ähnliches gilt auch für den einfachen Punktouristen, bei dem meist die sichtbare Zuordnung zu Punk ausreicht, um - zumindest während der Hochzeit der Individuaireisen zu Beginn der 80er Jahre - ohne langwierige Erklärungen eine kostenfreie Unterkunft zu finden, was zum Beispiel Auswirkungen auf die Anbindung von Punk an die Hausbesetzerszene hat. Die besetzte Häuser aufweisenden Metropolen nehmen den Außenseitergenossen gerne auf, bieten häufig ein dem Punktouristen gefälliges Programm mit Demonstrationen, Prügeleien, Saufgelagen und Polizeikontakten. Der darob erfreute Punk findet sich somit häufiger im Umfeld der Hausbesetzer, wenn nicht sogar als aktiver Teilnehmer und selbst jene Wohnform Wählender. Jene Mobilität, die Punk durchgängig praktiziert, wird gesellschaftlich nicht honoriert, obwohl gerade hierzulande die Appelle zur Behebung der Arbeitsmarktsituation dies suggerieren. Analog zu den frühen Kulturen, die zur Stabilisierung ihrer Stärke notwendig den Austausch mit anderen Kulturen pflegen und deshalb ständig reisen mußten, läßt sich die beharrliche Präsenz und Stärke des Phänomens Punk zu Teilen durch seine Mobilität begründen. Bezeichnenderweise ist das tragende Presonal der für unsere Republik derzeit anerkannt bedrohlichsten Phänomene - Drogen, Terrorismus, Chaoten, Republikaner - äußerst reisefreudig, was ζ. B. der Begriff "Krawalltourismus" belegt.28 So ist zu vermuten, daß in dem diffusen Umgang mit dem propagierten, aber nicht gewürdigten Wert der Mobilität mit eine der Hauptursachen für die mangelhafte Bewältigung der zum Problem erkorenen Phänomene liegt.

10.6 Aufenthaltsorte Punk trifft man zunächst bei den von ihm besuchten Konzerten, kurz danach treibt es ihn auf die publikumsträchtigen Straßen und Plätze der Großstädte: Fußgängerzonen, Rathäuser, Einkaufszentren, Marktplätze und Bahnhofsvorplätze. Dort findet er das für seine rituellen Provokationen notwendige Publikum, taucht stilsicher und uneingeladen bei U-Bahn Eröffnungen, Straßenfesten, verkaufsoffenen Samstagen und ähnlichen öffentlichen Festivitäten auf. Hier sonnt

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er sich zu jeder Jahreszeit im gleißenden Licht der Öffentlichkeit. Doch der mittlerweile mit dem Provokationsrepertoire der Punks vertraute Normalbürger kann sich vor vehementen Übergriffen sicher sein, denn Punks "treten lediglich auf die Spitzendeckchen der Nation."29 Die nicht mehr unbedingt erschrocken reagierende Bevölkerung treibt Punk gegen Ende seiner ersten durchlebten Dekade aus den Städten. "Keine 'ChaosTage': 250 Punker von der Insel Sylt gewiesen" vermeldet die dpa am Montag, den 4. August 1986. Bei konfrontationsgarantierenden Aktionen wie ζ. B. Demonstrationen oder Hausbesetzungen gehört Punk zum erweiterten Teilnehmerfeld. Eine größere Anzahl Punks trifft man regelmäßig nur noch bei Konzerten. Ob damit Punk zu den Wurzeln - siehe Kapitel 8.8 Konzerte - zurückgekehrt ist, um neue Kräfte oder etwas Vergleichbares zu sammeln, kann nicht beantwortet werden.

10.7 Alkohol und Drogen Alkoholgenuß scheint so bedeutend nicht zu sein, schenkt man dem Fragebogen des Sinus-Instituts Glauben, 30 in dem den Befragten unter der Rubrik "Freizeitbeschäftigungen" 30 Möglichkeiten, ihre Zeit sinnvoll zu verschwenden, angeboten werden. Die Liste reicht von "Künstlerische Hobbies"31 bis hin zu "Etwas Verrücktes machen".32 Für Punk dagegen ist das gemeinsame Konsumieren von Alkohol sehr bedeutend. Dabei auffällig sind zwei Verhaltensvarianten: während der öffentlich inszenierten Saufgelage vor den konkurrierenden Alkoholikern geschieht es äußerst selten, daß ein Punk volltrunken auf der Bühne städtischer Plätze agiert. "Punks verlassen nach ihrer 'Darbietung' in aller Regel aufrecht und unauffällig die Bühne."33 In den von Außenkontakten fast völlig abgeschirmten Settings der Konzerte oder Parties geschieht es häufig, daß sich eine Mehrzahl von Punks kämpf- und pogounfähig trinken. Schnüffeln - das Inhalieren von Klebstoffdämpfen - ist nur kurze Zeit bei einer geringen Zahl von Punks bis etwa 1983/84 populär. Die sich derart Berauschenden genießen aber beim Gros der anderen Punks ein nicht gerade hohes Ansehen. Eher beiläufig wird Haschisch genossen und bleibt eine vollkommen randständige Droge. Sie wird weder in Fanzines noch in Songs oder an einer anderen Stelle thematisiert. Härtere Drogen sind völlig verpönt, deren mehr oder wenig regelmäßige Benutzung würde es auch dem Punk nicht mehr ermöglichen, seinen Aktivismusverpflichtungen nachzukommen. Punk beschränkt sich in der Benutzung von Drogen so gut wie ausschließlich auf die beiden sanktionsfreien Tabak und Alkohol, und ist damit seinen Mitbürgern näher als diesen lieb ist.34

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10.8 Schnorren "Have you got 10p?" singen The Ejected35 und karikieren damit die schreckenverbreitende Frage des bettelnden Punk - "Hasse ma' 'ne Mark?" Die Bettelform der Punks läßt sich unterscheiden in das zielsichere und das agggressive Ansprechen des Gegenübers. Beim zielsicheren Ansprechen wird vorher der Gegenüber taxiert und der erbetene Betrag - je nach Einschätzung variiiert. Für denjenigen Punk, dem das Taxieren des Gegenübers mit einem zu großen Aufwand verbunden ist, gilt es, verschiedengradig vehement, möglichst schnell und möglichst viele Leute um die Herausgabe eines bestimmten Betrages zu bitten. Über die Erfolgsaussichten beider Bettelformen liegen einander widersprechende Angaben vor. Nach eigenen Beobachtungen ist aber zu vermuten, daß die erstgenannte Variante - am richtigen Ort vollzogen - die größeren Erfolge verspricht. Mit der zweiten Variante macht man sich besonders dann unbeliebt, wenn zu der eigenen Szene gehörige Personen angebettelt werden. Geschieht dies ζ. B. vor einem Konzert, ist der bettelnde Punk längst schon wieder "draußen", bevor er "drinnen" ist.

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beide Mitglieder der Sex Pistols Sängerin bei Vice Squad Sängerin bei X-Ray-Spex Zuerst bei den Damned, später solo unter gleichem Namen die Hitparaden u. a. mit Novelty-Songs erstürmend. Es gibt auch ein Beispiel, in dem der Punkname selbst bei Übergang in einen Beruf übernommen wird und dabei der bisher nur auf der Punkszene gültige Name - und sei es auch nur als Zusatz - neben dem "richtigen" auf den Visitenkarten erscheint. Es handelt sich dabei um den Bassisten Crocker der heute noch tätigen Ruhrgebiets-Band Upright Citizens, mittlerweile Exportmanager eines Schallplattenvertriebes, dessen Visitenkarte ihn als Christoph "Crocker" Jess ausweist. alle drei bei Crass Schlagzeuger bei Spizz Energi, einer Band, die jedes Jahr einen anderen Gruppennamen benutzte und nur den Stamm Spizz (Name des Sängers) behielt (Spizz Oil, Atletico Spizz, Spizzles). von den Varukers Alles Punks aus Duisburg mit ihrer TV-erprobten Gallionsfigur Willi Wucher. Johnny Anarcho nennt sich nach letzten Meldungen Shithead und ist Lokführer bei der Ruhrkohle AG. 1977 Macher des Züricher Fanzines No Fun Trotz des ausgesetzten Kopfgeldes in Höhe eines Kasten Bieres verschwindet dann ein Interviewee im Dickicht des Ballungsraumes Ruhrgebiet, was in der Folgezeit dazu führt, daß der teilnahmslose Beobachter seine Teilnahmslosigkeit fallen und sich beim ersten Kontakt gleich eine Telefonnummer geben läßt.

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12 Nach Beendigung seines Daseins als Sex Pistol benutzt Johnny Rotten wieder seinen urprünglichen Namen John Lydon. 13 Über die Fanzines ist fast genauso schwer etwas in Erfahrung, wie eben frühe Zines heute in die Hände zu bekommen. Schon Anscombe/Blair (1978) prophezeien richtig, daß "early issues of punk fanzines will become collectors items". Für die noch wenigen erhältlichen Originale - selbst der unbekannteren Zines - aus der Zeit vor 1980 werden mittlerweile über 10 DM pro Exemplar verlangt und auch gezahlt. 1985 erscheint in mehreren Ausgaben des MRR eine Anzeige, in der ein kompletter Satz der ersten elf Ausgaben des zwischen 1977 und 78 erschienenen Zines Search & Destroy für $100 angeboten wird. (Besagter Satz Fanzines wird mittlerweile für $33 angeboten.) Ott/Skai (1983: 239ff) geben einen Überblick über die deutschsprachigen Fanzines der Jahre 1977-1981, Dempsey (1978) beinhaltet einige Beiträge aus dem Sniffin' Glue. Fanzines - im weitesten Sinne - als Bestandteil einer alternativen Presse werden regelmäßig in größerer Anzahl im amerikanischen Factsheet Five (erhältlich bei: Mike Gunderloy, 6 Arizona Avenue, Rensselaer, New York, 12144-4502, USA) besprochen. Factsheet Five erscheint sechsmal im Jahr und reviewt pro Ausgabe alleine etwa 1000(!) Fanzines - von Musikzines über anarchistische oder religiöse Zines bis hin zu denjenigen, die sich FinnlandFreunde als Zielgruppe auserkoren haben. 14 Sommer/Wind (1986: 75) 15 Nicht nur laut Paul Ott (in: Punk Rules 1/1977, zitiert in Ott/Skai (1983: 14); vgl. auch: Burchill/Parsons (1978: 47) und Palmer (1981:19). Einen Überblick über dieses Fanzine liefert Dempsey (1978), betitelt diese Zusammenfassung mit The Bible und bezeichnet auf dem Titel Sniffin'Glue als "1977's answer to the Bible...honest". Mit einigen Mühen und 20 DM gelangen zwei Originalexemplare (No. 9, April/May 1977 und No. 12, Aug/Sept '77) in meinen Besitz. 16 Die erste Ausgabe des Sniffin'Glue soll laut Sommer/Wind (1986: 75) eine Auflage von 60 Exemplaren gehabt haben. 17 Fette (1981: 73) irrt mit seiner früh getroffenen Einschätzung, "mittlerweile ist aber das Anfertigen von Fanzines kein wichtiger Ausdruck der Punk-Subkultur mehr." 18 An dieser Stelle bedanke ich mich bei Ar/Gee Gleim aus Düsseldorf, der mir fast einen kompletten Satz des No Fun zur Verfügung stellte! 19 Von diesem Zine ist die Existenz mindestens bis zur Nummer 15 (November 78) bekannt. Nummer 2 erscheint im Januar 1977. Für die 22-seitige Nummer 10 des Ripped & Torn werden 1985 15 DM verlangt, was eine Aufnahme in den Datenbestand nicht Zustandekommen läßt. 20 Burchill/Parsons (1982: 60). Druckfehler dort. 21 Dies gilt natürlich nicht für die mit Computerunterstützung hergestellten Zines der zweiten und dritten Generation, wie ζ. B. Flipside und MRR. Bedingt durch die technische Unterstützung entfallen für derartige Zines auch ein Großteil der klassischen Gestaltungselemente. 22 Auswirkungen derartiger Praktiken lassen sich bis heute feststellen. Der gefeierte britische Graphik-Designer Neville Brody ζ. B. zieht bei der Überschrift eines Zeitschriftenartikels die Titelzeile über drei Seiten. Ein Großteil der von ihm verwendeten Schriften sind selbst entworfene. Siehe dazu den ausgezeichneten Band Brody (1988). 23 Hebdige (1979: 111). 24 "Scene News" ist eine ständige Rubrik im amerikanischen MRR, in der die Autoren aus ihren Heimatorten und der jeweiligen Umgebung berichten. Die von den kalifornischen Redaktionsstuben weit entfernt hergestellten Artikel werden (inhaltlich) unkorrigiert übernommen. 25 Beispiele: "Y'know them records that kill a dance floor stone dead?" Sniffin' Glue (No. 9, 4/1977: 13); "Nua laider hatt Jürgen Krause, dea P%%%% Pop Clupp veranstalte Välust gemackt, weil ssu wä nich da waan, scheische, jezz willa keine Kruppen ausm ausschlantt mer holln." in: Schmier (No. 9, 1981); "Nicht so gut finde ich die Kacke, die Disorder dau-

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ernt produziert, weil es mit Musik echt nix mehr zu tun hat." Karl Knecht in: U.N.G.-Wollt (No. 15, 4/1982). Vgl. dazu Kreuzer (1986), der in seinem ausgezeichneten Lexikon zu "Punks" nur feststellen kann, daß sie "ziemlich häufig Themen von Bilder- und verbalen Graffiti" sind" (1986: 285). In einer nie erscheinenden Charts der für Punk bedeutendsten und wichtigsten Plätze wird die Kings Road, London, unangefochten Platz 1 belegen. Dieses schöne Bild läßt sich auch für Aids und dessen Verbindung zum Sextourismus, sowie das ganze im sexuellen Untergrund praktizierende Personal weitermalen. Es wäre interessant, einmal nachzuforschen, welche Wege und Strecken der am Rande der Legalität oder Normalität sexuell Aktive zurückzulegen bereit ist, um seinen Neigungen frönen zu können. Soeffner (1986: 335) Sinus-Institut (1985: 120/121) Sinus-Institut (1985: 120) Sinus-Institut (1985: 121). Ob in diese Rubrik auch das Beantworten von Fragen gehört, ist nicht zu erfahren. Soeffner (1986: 333) vgl. Soeffner (1986: 335) GB 1982

11 Punk in der Werbung Das mit der Zeit in das Allgemeingut übergegangene Wissen um die Existenz der Punks und deren Ausstattungspraktiken ist mit einer der Gründe für das Auftreten von Punks, punkähnlicher oder mit bei den Punks entlehnten Ausstattungsmerkmalen versehenen Personen in der Werbung. Bereits 1982 schaltet die "Leistungsgemeinschaft Deutscher Augenoptiker" im Stern eine Farbanzeige "Jugend-Stil '82", bei der sieben Jugendliche unterschiedlicher Gruppierungen jeweils als Brillenträger abgebildet werden, darunter auch ein kurz- und buntfrisierter Punk mit nietenbesetzter Lederjacke. Obwohl im dazugehörigen Text explizit angesprochen, fehlen in der Anzeige zum Beispiel Vertreter der Rastas oder Skinheads. In einem 1985 in England erstmals gesendeten dreißig-sekündigen TV-Werbeclip für John Smith 's Yorkshire Bitter beschwert sich ein Punkmädchen bei ihrer Freundin über die schlechte Gesellschaft, in die ihr Freund geraten sei. Nach einem Schnitt sehen wir ihren Freund in einem Pub mit zwei normalen Männern stehen und Bier trinken, dazu meint das Mädchen aus dem Off "Was sind das eigentlich für Leute?". Ein kurzer Schnitt zeigt einen kleinen Hund mit einer Irokesenfrisur neben einem kleinen, normalen Hund, bevor wieder zu den drei Personen an der Theke geschnitten wird. Es erscheint das Firmenlogo mit den gesprochenen und gezeigten Worten "John Smith's Yorkshire Bitter. Enough to lead anyone astray.", was ungefähr mit "Gut genug, um jeden aus der Bahn zu werfen" zu übersetzen ist. Im Spiegel (6/86) erscheint die doppelseitige Anzeige eines Anzeigenblattes für den Südwesten der Bundesrepublik, Sonntag Aktuell. An einem mit einem lesenden Westoverträger besetzten Kassenhäuschen eines nicht näher zu identifizierenden Opernhauses oder Theater (man erkennt undeutlich die Preistafel mit dem Preis für einen Platz im Parkett: 40 DM, sowie angeschnittene Veranstaltungsplakate klassischer Konzerte) stemmt sich ein nietenbewehrter Iroträger an einem Stabhochspringerstab scheinbar auf das Kassenhäuschen. Die Aufnahme zeigt ihn kurz vor Erreichen der Dachkante des eingeschossigen Häuschens, waagerecht in der Luft liegend, unter ihm die Worte "Auuufffff...Schwunggg...!" Im Oktober 1986 wirbt die "Westdeutsche Lotterie GmbH & Co." auf einem farbigen Faltblatt für ihre Systemtips. Zwischen einer älteren Dame und einem Arzt verkündet freudig ein Punk "Echt ätzend 008 bringt Knete. Echt!". Die weiteren fünf abgebildeten Personen stellen unter anderem einen Ölscheich, eine Joggerin und einen Fußballer dar. Alle die hier genannten, reichlich wahllos aus einer Vielzahl vorliegender, herausgegriffenen Beispiele werden gerne herangezogen, um die "Vermarktung" der Punks belegen zu können, was im Zuge des Salzstangenmarxismus' und seines Gesinnungsjargons eines der denkbar größten Übel ist. Leider übersehen jene Deutungen, daß eben durch das Nebeneinander der Punks und der typisierten Normalbürger in der Werbung, Punk die letzte Aufnahmeprüfung zur gesellschaftlichen Akzeptanz bestanden hat: eine Akzeptanz, die zwar jeglichen revolu-

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Punk in der Werbung

tionären Gehalt - sofern überhaupt einer existiert - dem Phänomen entzieht, ihm gleichzeitig aber eine Nische freihält, in der man Alkohol trinken, eine schnodderige Sprache pflegen und sich unentgeltlich Einlaß dorthinein verschaffen kann, wofür andere Personen tief in die Tasche greifen müssen.

12 Punk auf Postkarten London ist lange Zeit das Mekka der abbildbaren Punks und gegen Entrichtung eines Obulus hält der aufwendig gestylte Punk seinen Iro dem photographierenden Touristen entgegen.1 Für all diejenigen, die ihre Grüße an die Lieben daheim mit einem bildlichen Dokument von ihren Exkursionen in subkulturelle Wildbahnen versehen wollen, stehen Postkarten mit Abbildungen von Punks zur Verfügung - und das nicht nur in London. Beispiele von Punks auf Postkarten liegen aus fast allen bedeutenden westlichen Industrienationen vor, der Ostblock, weite Teile Asiens und das gesamte Afrika scheinen ohne Punkpostkarten leben zu können. Und obwohl die hier aufgeführten Postkarten nicht von Punk hergestellt werden, Punk auch als konsumierende Zielgruppe nicht wahrscheinlich ist, so bilden die Karten das Punkbild aus einer gesellschaftlichen Zuschreibungsperspektive ab, in der es nicht der Frage nach "richtig" oder "falsch" nachzugehen gilt.2 Vielmehr bildet die - kommerziell erfolgreiche - Postkarte das ab, was möglichst alle Postkartenkäufer schon immer mochten und wußten, so daß der bildliche Ausschnitt aus dem Common Sense nur noch mit einer Marke, Gruß und Anschrift versehen werden muß.3 Ganz dem schon im programmatischen Song Anarchy in the UK angedeuteten wichtigsten Ort für Punk entsprechend, der Großstadt, sind Punks auf Postkarten ausschließlich in den Metropolen zu finden: die derzeit vorliegenden 82 unterschiedlichen Beispiele4 kommen u. a. aus Amsterdam, Barcelona, Düsseldorf, Frankfurt, Göteborg, Hamburg, London, Paris und San Francisco.5 Punk sieht also nicht nur die City als angemessenen Rahmen für seine Auftritte, sondern wird auch gleichzeitig als typisches Phänomen der jeweiligen City typisiert dargestellt. Abgebildet wird Punk entweder alleine, zu zweit oder in Gruppen, 6 es gibt sogar das Beispiel einer Punkfamilie.7 Neben den Punks zählen im weiteren Sinne auch noch die Konterfeis der Szenegrössen, Schallplattenhüllen oder Konzertplakate dazu. Den geringsten Anteil nehmen diejenigen Postkarten ein, die eindeutig nicht als Punk zu entziffernde Personen oder Tiere - Politiker, Kinder, Affen - mit Ausstattungselementen der Punks versehen abbilden.8 Die Ästhetik des Häßlichen wird bei den Postkarten, ähnlich den Bildbänden, um eine groteske Variante ergänzt. Die qualitativ zum Teil ausgezeichneten Photos bilden mühevoll zerlumpte Gestalten ab, deren zerrissenen Hosen ζ. B. keine Dreckspuren aufweisen und deren martialisches Schuhwerk frisch geputzt ist. Gerade hier bei den typisiert dargestellten Punks wird die Gleichzeitigkeit von provozierter Ablehnung und bewunderungswürdig sauberer Schlampigkeit deutlich. Gemeinsam mit den Punks sind folgende Orte, Personen und Gegenstände eindeutig erkennbar: Trümmer eines abgerissenen Hauses, mit Graffiti besprühte Wände, Mülltonnen, Telephonzellen, ein Polizist9 und das Schaufenster eines Fachgeschäftes für Hochzeitsbekleidungen.10 In diesen hochgradig arrangierten Settings spiegelt sich fast das gesamte Spektrum punk'scher Verortung im gesellschaftlichen Kontext. Einerseits findet man den stilisierten Schmutz und Dreck der Trümmer und Mülltonnen, der auf

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Punk auf Postkarten

Hochglanz keiner mehr ist, andererseits den potentiellen Gegner, vertreten durch einen Polizisten, der aber freundlich lächelnd Akzeptanz signalisiert. Kontakt wird gesucht (Telephonzelle), aber nicht gefunden (die Punks stehen draußen, die Zelle ist mit einem Normalbürger besetzt). Punk befindet sich immer im Kreis Gleichgesinnter und ist dort Punk: bekleidet mit sämtlichen Punk zuzuordnenden Ausstattungselementen, auf unterschiedliche punkspezifische Art frisiert, man streckt die Zunge oder den Mittelfinger heraus, verzieht angewidert sein Gesicht, trägt eine Ratte auf der Schulter, piaziert sich neben den auf eine Wand gesprühten Spruch "Hands up who voted Tory" und trägt lässig eine Zigarette oder Sicherheitsnadel im Mundwinkel. Beide Geschlechter sind in etwa gleichstark vertreten. Der potentielle Kartenkäufer ist der durch den Photographen vertretende Passant, der sich angesichts dieses Sammelsuriums seiner eigenen Normalität erfreut. Zu dieser Normalität hat Punk eine seltsame Affinität und stellt sich paarweise vor Schaufensterpuppen in Hochzeitskleidung. Beide Male geschieht dies in Haltungen, die kein flüchtiges Vorbeigehen signalisieren: auf der deutschen Karte lehnt sich der männliche Punk mit der linken Schulter an die Hauswand, auf der englischen ruhen beide Beine des männlichen Punks etwas weiter auseinanderstehend auf dem Boden, stabil und leicht nach vorne geöffnet, beide Mädchen lehnen jeweils mit ihrem linken Ellbogen auf der rechten Schulter des männlichen Punks. Beide Karten sind die einzigen, auf denen die abgebildeten Punks nur von hinten, bzw. von schräg hinten zu sehen sind. Profil und Gesicht sind den Brautkleidern zugewandt und für den Betrachter unsichtbar. Alle genannten Umstände verweisen darauf, daß Punk ablehnend der feierlich besiegelten Zweierbeziehung gegenübersteht: nicht, weil für Punk die Ehe als Inbegriff des Spießertums gilt, sondern weil sie eine konkurrierende Solidargemeinschaft zu der der eigenen Gruppe ist. Den dem Betrachter zugewandten Modellvertretern einer ehelichen Beziehung steht die gesichtslose Gruppierung derer gegenüber, die sich hier über ihr Outfit solidarisch mit ihrer Gemeinschaft zeigt. Bezeichnenderweise trägt jeder der beiden Punks auf der englischen Postkarte den Schriftzug "Soldiers of Destruction" auf der dem Betrachter zugewandten Jackenrückseite. Die Armee der Punksoldaten zerstört alle anderen Solidargemeinschaften. Wohin und gegen wen die genannte Armee marschiert, wird aus den Postkarten nicht ersichtlich, wohl aber die Orte, an denen sie stationiert scheint: überall! Das bis auf die letzte Niete identische männliche Punkduo grüßt (ohne Aufdruck) generell und (mit Aufdruck) ganz besonders aus Frankfurt und Hamburg. 11 Der gleiche grinsende Iro-Träger grüßt mit "Hi Mom!" aus San Francisco 12 und mit "Hallo Mutti" in Deutschland, 13 das gleiche Punkerpärchen sendet "Greetings from London"14 und taucht grußlos in Deutschland auf, ls wobei eines der Pärchen seitenverkehrt abgebildet wird.16 Das Trümmergrundstück dient Heather Stewart aus Toronto als Hintergrund für ein Szenario, das entweder "Scenic Sights of San Francisco"17 oder auch "Grüße aus Düsseldorf' 18 vermittelt. Mit diesen Beispielen gleichzeitig an verschiedenen Orten auftauchender Punks wird - unbedeutend, ob beabsichtigt oder unbeabsichtigt - ein weiteres Charakteristikum des Phänomens Punk deutlich gemacht: die Internationalität, die

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sich sowohl bei den Postkarten wie auch bei den anderen Beispielen erst dann dem Betrachter enthüllt, wenn dieser mehrere Elemente des Phänomens an unterschiedlichen Orten auffindet. Daß mit der Postkartenfülle auch eine ähnlich wie die bei "Punk in der Werbung" festgestellte gesellschaftliche Akzeptanz erfolgt, ist nicht von der Hand zu weisen. Eine schwedische Postkarte im DIN A-5 Format (!) der Firma Upside, Stockholm geht noch einen Schritt weiter und bildet eine Punkette auf einem Stuhl sitzend, umgeben von einigen Haustieren,19 mit den aufgedruckten Worten "We miss you" ab. Vermisst wird die über das schrille Aussehen des weiblichen Punks und das friedfertige Nebeneinander sich eigentlich jagender und fliehender Tiere dargestellte Gemütlichkeit des Chaos. Die es Vermissenden sind - als potentielle Postkartenkäufer - We alle! Eventuelle Zweifler an der liebenswerten Häßlichkeit oder hassenswerten Lieblichkeit der Punks mögen ihre Zweifel für einen Augenblick zurückstellen und kurz die Orte und Personen betrachten, an denen "Punk überall" auftaucht.

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Mekka deshalb, weil das damit verglichene London die einzige Metropole ist, in der immer noch eine große Anzahl Punks über das Photographiertwerden an Pfunden zunimmt. Keine andere Stadt als London beheimatet Punks als touristische Attraktion derartigen Ausmaßes. Vergleiche zur Entstehungsgeschichte der "City" als eine um ein religiöses Zentrum entstehende Siedlungsform: Dickinson (1966: 21) und Hartshorn (1980: 15ff). Das liegt daran, daß die gesellschaftliche Perspektive nie eine falsche sein kann, sondern höchstens eine für den Betreffenden nicht angenehme. Vgl. dazu Berger/Luckmann (1980), oder James (1909). Das gilt natürlich auch für Städte, Landschaften, Tiere, Filmstars und Feste, wobei die letztgenannten mit ihren auf den Postkarten dargestellten Szenarios dies am deutlichsten unterstreichen. Die Gegenprobe, bei der man ζ. B. die Abbildung einer gänzlich unbekleideten Dame an einen männlichen, in einer Institution tätigen Adressaten schickt und die Reaktionen auf die durch mehrere Instanzen wandernde Karte sammelt, unterstreicht den genannten Aspekt. Alle Postkarten sind von mir käuflich in den jeweiligen Orten erworben worden, sowie von um den Forschungsgegenstand wissenden Personen zugeschickt worden. Punks schicken keine derartige Karten! Auf höfliche Anfragen bei den Herstellerfirmen mit der Bitte um Übersendung des jeweils gesamten Punkprogramms gegen Bezahlung trafen mit die seltsamsten Antworten während des ganzen Untersuchungszeitraums ein - nämlich keine! Den treuen S(p)endern sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Bitte schickt in Zukunft keine Karten mehr aus den angegebenen Städten, gesucht werden weiterhin Beispiele von Moskau bis St. Moritz, am besten mit Aufdrucken der entsprechenden Orte versehen. Die zahlenmäßig größte Gruppe grüßt aus Hamburg und besteht aus vier männlichen und vier weiblichen Punks. Punkpärchen mit Kleinkind auf einer Postkarte der Pianographic Ltd., London Unterscheiden kann man hierbei noch zwischen denen, die per Collage zu Punks werden, und denjenigen, die bei der Ausstaffierung zum Punk stillgehalten zu haben scheinen. Welche der drei genannten Gruppierungen den jeweiligen Unterscheidungsmerkmalen zuzuord-

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nen ist, sollte der geneigte Leser selbst entscheiden können. Verraten sei nur, daß der Schimpanse (Scandecor, Schweden), Ronald Reagan (American Cheese Inc., Richmond, U S A ) und die beiden Kinder (Scandecor, Schweden) alle einen Irokesenschnitt tragen! Der Bobby auf einer Karte der Whiteway Publications Ltd., London, ist die einzige punkfremde Person auf allen vorliegenden Karten! Es gibt mindestens zwei unterschiedliche Exemplare, eines von Real London, England, und eines von der Fotothek GmbH, Wiesbaden. Eine aus Bonn zugesandte Karte dieses Typs ist durch den Absender um die handschriftliche Ergänzung mit dem Wort "Bonn" über dem Wort "Frankfurt" bereichert. Druck der Karte durch City Sights, Toronto, Kanada Postkarte der Fotothek GmbH, Wiesbaden Postkarte der Whiteway Publications Ltd., London bei Michel & Co, Frankfurt Leider sind keine Indizien für den schweren Patzer auf den Karten zu finden, da keine Schrift oder ähnlich helfende Details erlauben, entweder das eine oder das andere Photo als das seitenverkehrte zu identifizieren. City Sights, Bond Head, Ontario, Kanada Fotothek GmbH, Wiesbaden Bezeichnenderweise ist die Konstellation der abgebildeten Tiere (Hund, Katze, Ratte, Wellensittich, Fisch, Papagei) wiederum eine, die als solche "theoretisch" nicht auf Dauer friedlich nebeneinander existieren kann.

13 Punk überall Die Überschrift mag auf den ersten Blick irritieren, gibt aber nur die Aufschrift eines stetig an Umfang gewinnenden Ordners wieder, in dem sich Beispiele von auf Punk zurückführbare Attribute in punk-unspezifischen Kontexten befinden. 1 An die Vertreter saisonal bedingter, streng ritualisierter und geregelter Ausgelassenheit der karnevalistischen Drei-Tage-Punks ergeht im Rahmen der Eurovisions-Sendung Wetten, daß? am Abend des 21. September 1985 in Basel die Saalwette, daß 10 Bankdirektoren als Punk verkleidet am Ende der Sendung auf der Bühne zu erscheinen haben. 59% der über TED befragten TV-Zuschauer glauben, daß dies nicht gelingt, und 49% der bundesrepublikanischen TV-Geräte sind eingeschaltet, als sich dann tatsächlich zehn männliche, leitende Angestellte bei Schweizer Banken mit viel Leder, Jeans, angeklebten Sicherheitsnadeln und Ketten dem Publikum in der St.Jakobs-Halle und draußen an den Empfängern präsentieren. Einige Stilbrüche, wie ζ. B. das "Whitesnake" T-Shirt,2 werden stillschweigend in Kauf genommen. Der Moderator, Frank Elstner, erntet einen orkanartigen Lacher mit der Bemerkung: "Jetzt kann man einmal sehen, wie seriös die Schweizer Banken sind!" Die Punkdirektoren kontern mit der Zusicherung, daß sie gemeinsam den Betrag aus einer der abgelehnten Saalwetten für die Erdbebenopfer in Mexiko, 30000 SFr, aufbringen werden. Günter Strack, der derzeit als Serienpfarrer die Bildschirme unsicher macht, verkleidet sich für seine TV-Serie "Hessische Geschichten" mit "Büroklammerkette am Ohr, grün-rot-weiß geschminkte Backen, das Haar in schillernden Regenbogenfarben".3 "Ein Punker im Himmel - das ist ein Hingucker! Ob auf eine Jeansjacke gemalt und üppig beglittert oder auf einem weißen Kissen - dieser Engel fällt auf!" Mit diesen Worten wird den Leserinnen der Freundin (6/11/85:146) eine Pausvorlage angekündigt, mit der ein auf einer Wolke sich aufstützendes Engelchen auf einen Stoffträger appliziert werden kann. Das grinsende Engelchen trägt einen dicken Ohrring und einen Irokesenschnitt, im Photobeispiel blau-rot gefärbt. Das sind nur einige Bereiche, in denen Punk oder punkspezifische Ausdrucksformen auftauchen. Es gibt Punky-Gum; Didi Hallervorden singt schon 1980 von der "Punker Maria";4 Comics, Filme, Penthouse-Cartoons5 und Kinderbücher mit Punks; Punker als Spielzeugpuppen; Snoopy als Punker;6 auf einem Krippenbild des Bottroper Kunstmalers Heinz Voss sind Punks zu finden:7 Wie lassen sich aber die oben dargestellten Resultate der hochgradigen gesellschaftlichen Akzeptanz eines Phänomens erklären, das Punk heißt und laufend beteuert, mit eben jener ihm - teilweise - wohlwollend gegenüber stehenden Gesellschaft auf "Kriegsfuß" zu stehen? Um diese und die anderen angestauten Fragen beantworten zu können, wollen wir in der Geschichte noch Vorläufern des Phänomens suchen, die vielleicht vor ähnlichen Problemen stehen oder gestanden haben.

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Punk überall

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Zu danken ist wiederum den aufmerksamen Spendern, die weder vor Kaugummiautomaten, noch vor Sex-Shops halt machen und sämtliche Bedenken zugunsten der Unterstützung sozialwissenschaftlicher Datenerhebung beiseite schieben! Whitesnake ist eine an Normalität kaum zu überbietende Rockgruppe. Bild am Sonntag (22/6/86: 86); nebst farbiger Abbildung des Verkleideten in der ansonsten nur zu besonderen Anlässen farbige Bilder abdruckenden Zeitung. Novelty Song auf der Grundlage des Schlagers Santa Maria Penthouse (1/84: 37) Veröffentlicht ζ. B. am 1. 11. 1985 in der WAZ, das Copyright-Datum weist den Strip als im gleichen Jahr entstandenen aus. Das ist dann auch gleich der WAZ (7/12/85) die Überschrift "Punker im Stall zu Bethlehem" wert.

14 Punk - Strukturmerkmale Bevor der Gang durch die Geschichte angetreten werden kann, ist es notwendig, die Reiseausrüstung zu verpacken und mitzunehmen, um unterwegs nicht den bei einer solchen Reise drohenden Unwägbarkeiten schutzlos ausgesetzt zu sein. Wichtiges Untensil sind die Strukturmerkmale, die uns vor dem schmeichelnden Sirenengesang lockender Kulturphänomene und dem damit verbundenen Zerschellen an den Klippen der Sicherheit vorgaukelnden Küste der Fehldeutungen bewahren. 1 Anders ausgedrückt: Fassen wir zusammen! Die Punk kennzeichnenden Strukturmerkmale sind: Gemeinschaft (Punk ist eine Form gemeinsamen Lebens im allgemeinsten Sinne, "von verkehr und umgang aller art".2 Der gemeinsame "besitz und genusz eines gutes"3 besteht in der geteilten Lebenshaltung, sowie in den von allen Teilnehmern zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft ausgeübten Handlungen.), Selbstorganisation (Punk kennt keine Person oder keinen Personenkreis, der innerhalb der Gemeinschaft eine exponierte Stellung innehat oder diese einzunehmen bereit ist. Alle auf einen Einzelnen oder einen überschaubaren Personenkreis zurückführbaren Aktivitäten geschehen im Dienste der Gemeinschaft.), Handarbeit (Eine Vielzahl der von Punk ausgeführten Tätigkeiten finden im Rahmen der Überschaubarkeit oder gar in Eigenregie statt. Darunter fällt sowohl die handbemalte Lederjacke, als auch die selbstproduzierte Schallplatte.), Intemationalität (Punk ist fast weltweit verbreitet und verbunden, keine lokale Punkszene existiert isoliert von anderen.), Reisefreudigkeit (Zur Aufrechterhaltung der genannten Intemationalität ist für Punk das Reisen zwingend notwendig.), Regionalität (Nach den Reisen kehrt Punk fast immer an den Ausgangspunkt zurück. Der Hauptteil der Aktivitäten findet in einem lokal über- und anschaubaren Rahmen statt. Es existieren selbstgewählte und auf Wände gesprühte Kennzeichnungen wie ζ. B. "HH-Punx".4), Unisex (Hiermit soll die Gleichstellung der Geschlechter bei Punk gekennzeichnet werden. Punk kennt bei seinen Aktionen keine nennenswerten Ausschlüsse eines Geschlechtes), Alter (Punk entzieht sich mit der Altersstruktur seiner Teilnehmer den bei bisherigen Beschreibungen vergleichbarer Phänomene herangezogenen Kriterien. Es gibt - genau wie bei den Geschlechtern - keine altersbedingten Ausschlüsse von irgendwelchen punkspezifischen Aktivitäten oder bei der Benutzung von punküblichen Attributen.), Schichtendurchlässigkeit (Punk rekrutiert sein Personal aus allen Bevölkerungsschichten. Es gibt keine bekannte Szene, die nur aus den einer gesellschaftlichen Schicht angehörigen Personen besteht.), Namensgebung (Der einzelne Punk kennzeichnet häufig seine Zugehörigkeit durch die - häufig selbst gewählte - Annahme eines dem Jargon der Szene entsprechenden Namens.), Toleranz (Mit diesem etwas pathetisch klingenden Begriff soll der Bereitschaft der Punks Rechnung getragen werden, daß weder Hautfarbe, noch Nationalität, Beruf, Alter, Geschlecht, Herkunft, Behinderungen o. ä. Kriterien zum Ausschluß aus der Gruppe oder generellen Ablehnung sind. Punk verkraftet die Zugehörig-

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Punk - Strukturmerkmale

keit des Polizisten genauso unproblematisch, wie den aus dem Lager der Skins herüberkommenden Neuling, den Dunkelhäutigen, wie den im Rollstuhl Sitzenden.), fehlende Aufnahmebedingungen (Punk kennt keine Initiationsriten oder vergleichbare Übergänge von einem Anderssein zu Punk. Eine Bewährung findet höchstens über die zeitliche Konstanz in der Zugehörigkeit statt.), Alkoholkonsum (Notwendiges Utensil zur Aufrechterhaltung der Gemeinschaft ist der gemeinsame Genuß von Alkohol. Ort, Zeit, Qualität und Menge spielen dabei keine Rolle.), Armut (Punk verweigert konsequent die Teilnahme an einer konsumorientierten Gesellschaft, unbedeutend dabei, ob diesem Faktum ζ. B. mit Autobesitz angemessen Rechnung getragen wird.), Betteln (Zur Sicherung und Durchführung einiger gemeinschaftsstabilisierender Aktivitäten wird ein nicht unbeträchtlicher Teil des dazu notwendigen Geldes durch Schnorren erworben.), Schmerz (Sämtliche Ausdrucksformen des Schmerzes sind bei Punk kollektiv geteilte. Das reicht von der Sicherheitsnadel bis zu der durch die Polizei bezogene Prügel), Musik (Punk-Rock ist eine eigenständige Musikgattung), Tanz (Pogo ist die nur von Punks praktizierte Form des Tanzes und im Angebot der Tanzschulen nicht vertreten.), Gesellschaftliche Akzeptanz (Punk ist insoweit akzeptiert, daß das Allgemeinwissen des unbekannten Normalbürgers über das Phänomen sehr hoch ist, und die Übernahme einiger spezifischer Elemente in andere Bereiche sehr häufig stattfindet. Noch nie hat eine umfangreichere Anzahl von Punks eine kontinuierlich vehemente Ausschlußpraxis in irgendeiner Form erfahren.), Wissen (Hiermit soll die Stil- und Treffsicherheit bei der Folgenabschätzung, Wahl, Planung, Aus- und Durchführung unterschiedlicher punküblicher Tätigkeiten, genauso wie das dazu notwendige Wissen um sämtliche Funktionsmechanismen innerhalb der Gemeinschaft der Punks und der sie umgebenden Gesellschaft zusammengefaßt werden.), und Reinheit (Punk steckt mit den hier vorgestellten Strukturmerkmalen ein klar abgrenzbares Terrain ab, was einerseits im inneren Bereich ohne großen Aufwand von außen herangetragene Infiltrationsversuche abwehrt,5 wie auch dem Außenstehenden problemlos ermöglicht, das Innen - ζ. B. die Zugehörigkeit zu Punk - als solches zu kennzeichnen.).

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Anmerkungen 1

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Auch wenn das Bild etwas zu wackeln scheint, sei nur kurz darauf hingewiesen, daß über die Zahl der Sirenen unterschiedliche Angaben vorliegen, über Herkunft und Ende - trotz Orpheus' und Odysseus' erfolgreicher Passage - gleichfalls keine Einigung besteht. Mit Kulturphänomenen dürfte es ähnlich sein.... Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, S. 3267 ebenda vgl. dazu auch Songtitel wie z. B. "Hersham Boys" (Sham 69 - GB 1979) vgl. dazu auch Soeffner (1986: 330)

15 Vorläufer Bei der Suche nach Vorläufern geht es nicht darum, den ersten nicht-indianischen Iroträger oder die erste, sich mit dem Etikett der gegen eine Obrigkeit kämpfenden behaftenden Gruppe zu finden. Vielmehr gilt es, die aus dem Streifzug zwischen Liedgut und Lidschatten gewonnenen Strukturmerkmale des Phänomens Punk mit denen anderer Gruppierungen zu vergleichen. Dasjenige Phänomen, das bezüglich der Strukturmerkmale eine möglichst große Deckungsdichte mit Punk aufweist, soll als kulturelle Matrix zur Deutung des Phänomens Punk herangezogen werden. Neben den in den folgenden Abschnitten etwas ausführlicher gewürdigten Phänomene gibt es natürlich auch weitere, die bei der Suche nach möglichen Vorläufern zu beachten sind. Wenn jene Phänomene nun etwas knapp Punk gegenüber gestellt werden, so geschieht dies nicht, um ihre wie auch immer geartete Bedeutung schmälern zu wollen, sondern dient ausschließlich dazu, die Kontrastierung der gewonnenen Strukturmerkmale zügig vornehmen zu können. International verbreitet, beide Geschlechter berücksichtigend, eine ungewöhnliche Altersstruktur des Personals, eigenständige Vergnügungsformen bei Zusammenkünften und Festen praktizierend: all das findet man beim Pfadfindertum. Auf der anderen Seite sind es aber straffe Organisation, expliziert ausformulierte Bekleidungsvorschriften, Aufnahmebedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten und zeitlich begrenzter Aktivismus,1 die in einem starken Gegensatz zu Punk stehen. Punk organisiert ζ. B. sich und die notwendigen Aktivitäten im Vergleich dazu selbst. Einen innerhalb des Phänomens separat als reine Organisationseinheit operierenden Personenkreis kennt Punk nicht. Über die gerade genannte separate Organisationsform lassen sich bei der Suche nach möglichen Vorläufern des Phänomens Punk sämtliche jugendliches Personal aufweisenden Ableger der Kirchen, Parteien und Verbände ausklammern. Ähnlich könnte man mit dem Phänomen Wandervogel verfahren. Doch der in den ersten zwanzig Jahren dieses Jahrhunderts wirkende Wandervogel weist eine Vielzahl parallel existierender Gruppierungen und somit auch Organisationsformen auf, die trotz vielseitiger Bemühungen nicht zusammengeführt werden können. 2 Eigene Druckerzeugnisse, gleichzeitige Präsenz von männlichen und weiblichen Teilnehmern - und sei es nur beim Nacktbaden -, gemeinsames Wandern (häufig auch nach Geschlechtern getrennt!), gemeinsame Feste mit Tanz und Musik, (versuchte) Distanzierung von der Elterngeneration, szenespezifische Ausstattungspraktiken, künstlerische Aktivitäten (hauptsächlich im graphischen, weniger im literarischen Bereich), 3 verhältnismäßig geringe Personalstärke: 4 die Parallelen zu Punk sind groß. Wandervogel zieht sich aber - im Gegensatz zu Punk - vor einer Konfrontation mit den gewählten Gegnern zurück und wählt die Isolation: als Gruppe flüchtet man hinaus in die Natur, 5 als Einzelner in sich selbst.6 Bei diesen sonntäglich stattfindenden Unternehmungen wird der Wandervogel von einem "selbstgewählten und selbstgewordenen charismatischen Führer" 7 geleitet, eine Figur, die Punk nicht kennt: den zeitlich (und letztendlich auch räumlich) begrenzten Aktivismus unter Anleitung.

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Vorläufer

Zeitlich und räumlich begrenzt vorzufindende Phänomene sind demnach gleichfalls auszugrenzen: das reicht von einigen religiösen Splittergruppen8, über politisch oppositionelle Gruppierungen, wie ζ. B. die Edelweißpiraten,9 bis hin zu den schon oben erwähnten Mods und Teds. Gleichfalls auszuklammern sind diejenigen Phänomene, bei denen ein Geschlecht - meistens das männliche - die phänomenstrukturierende Position alleine einnimmt, so ζ. B. bei den Rockern, bei fast allen militärischen Organisationseinheiten, oder aber auch beim Piratentum.10 Untauglich für eine detaillierte Kontrastierung sind ebenso diejenigen Kulturen und Sozialformen, die ein Territorium alleine einnehmen, und sei es auch nur für einen beschränkten Zeitraum. Damit sind diejenigen Phänomene gemeint, die ihren Mitgliedern ein komplettes Leben bieten, versehen ζ. B. mit sämtlichen Versorgungsinstanzen, auch denen der personellen Selbstversorgung bei der Rekrutierung des Nachwuchses aus den eigenen Reihen. Als Vertreter der hierzu gehörigen Stämme und Völker sei der Indianer genannt. So ist trotz stilsicherer Zitierung einiger indianischer Ausstattungselemente durch Punk und den in seinem näheren Umfeld agierenden "Stadtindianer" ein Vergleich der Strukturmerkmale von Punk und Indianern nicht möglich. Hippies entfallen als mögliche Vorläufer ebenfalls: zwar - genau wie Punk kosmopolitische Züge aufweisend, dabei aber eine Vielzahl unterschiedlicher Gesinnungsvarianten beherbergend, von denen sich einige - ähnlich wie beim Wandervogel11 - in starker Naturverbundenheit stadtflüchtend betätigen. Weiterhin besteht sowohl bei Punk, als auch beim Hippie, eine starke gesellschaftliche Akzeptanz. Während aber ζ. B. Bekleidung, Frisur, Literatur und Musik beider Phänomene spürbare Nachwirkungen in szenefremden Bereichen zeigen, bleibt es Punk vorbehalten, seine Ablehnung gegegenüber das Karriere- und Konsumdenken in seiner in umgebenden Gesellschaft aufrecht zu erhalten. Der Hippie hingegen löst bei seinem zielbewußten "Marsch durch die Institutionen" nur die dort vor ihm auf den Plätzen sitzenden Personen ab. Wenden wir uns nun einigen möglichen Vorläufern etwas ausführlicher zu. Skinhead gilt es gesondert zu behandeln, weil bei diesem traditionsreichen Phänomen einige Anknüpfungspunkte zu Punk offensichtlich zu sein scheinen. Dada erscheint alleine deshalb, weil es gerne als Vorläufer bezeichnet wird. Narren und Bettelmönche werden ausführlich gewürdigt, weil sie in ihren Ursprüngen weiter als fast alle anderen der oben abgehandelten Phänomene zurückliegen und es daher notwendig erscheint, auf einige ihrer Strukturmerkmale noch einmal besonders hinzuweisen.

15.1 Skinhead Lange Zeit liegt die Vermutung nahe, daß das Phänomen Skinhead einen Vergleich mit Punk auf Grund des hauptsächlich männlichen Personals nicht standhält, bis Mead (1988) erscheint, der mit seinem Standardwerk Skinhead Girl eines Besseren belehrt. Betrachtet man sich den Band aber genauer und zieht außer-

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dem Knight (1982) zu Rate, so fällt auf, daß es zwar weibliche Skinheads gibt, diese aber weder durch musikalische Aktivitäten besonders in Erscheinung treten, noch - bedingt durch eine ihnen eigenen Ausstattung - bezüglich des Outfits aus einem gleich strukturierten Repertoire wie ihre männlichen Kollegen schöpfen können. Der Unisex Kleidung und Haarmode bei den Punks steht zumindest die klar von den männlichen Skins unterscheidbare Frisur der Skinhead Girls mit ihrem Fransenpony und dem lang getragenen Haar des hinteren Kopfbereiches gegenüber. Auch die kurzzeitige Allianz zwischen Skins und Punks in England um 1982 täuscht nicht darüber hinweg, daß Skinhead zu diesem Zeitpunkt schon längst auf eine variantenreiche Geschichte bis zurück zu den 60er Jahren zurückblickt, verbunden mit der Vorliebe für Musikstile wie Northern Soul, Tamla Motown oder Trojan Reggae, die von Punk entweder gänzlich unbeachtet oder nur in äußerßt kleinen Portionen genossen wird. Hinzu kommt die - trotz zeitweise flammender Appelle12 - fast ständige Gegnerschaft beider Lager bis hin zu körperlichen Auseinandersetzungen. Punk begründet die Gegnerschaft über die bereits genannte politische Orientierung der Skins. Der größte Unterschied zwischen Punk und Skin besteht aber in der Qualität der gesellschaftlichen Reaktionen. Während Punk - trotz, oder gerade wegen seiner Aufsässigkeit - sich einer gewissen Zuneigung erfreuen darf, ist keiner bereit, Sympathien für Skinhead in irgendeiner Form zu bekunden. Punk erscheint auf Postkarten, TV-Entertainer verkleiden sich als Punk, es gibt Punk-Kaugummi - und so läßt sich die Liste der objektivierten Akzeptanz fortsetzen. Einen derart flächendeckenden Einzug in die alltägliche Kultur hat Skinhead nicht aufzuweisen und wird ihn aufgrund seiner Struktur auch nie vollziehen können.

15.2 Dada Ein gern gesuchter und gefundener Vorläufer des Punk "sind die Dadaisten und Futuristen (...) mit ihrer Demontage und zynischen Leichenfledderei des herkömmlichen Kunstbegriffs, mit ihrem bürgerschreckenden Angriff auf den künstlerischen Akt als solchen, mit ihrer Raserei gegen Konventionen und Normen, wie mit ihrer unzugänglichen und hintersinnigen Metaphorik."13 So sehr man auch den Beginn der Entstehungsgeschichte des Dada in den Metropolen Zürich (1916), New York, Paris, Berlin, Hannover und Köln (1918) verortet, das Versehen einer Mona-Lisa-Kopie mit Schnurr- und Ziegenbart (Marcel Duchamp) als "sehr charakteristisches Beispiel für die unkonventionelle und respektlose Haltung der Dadaisten gegenüber dem Bildungsbürger und seinen Wertvorstellungen"14 bezeichnet, die Aktivitäten der Dadisten in Kunst, Literatur und Musik goutiert und auch die von Raoul Hausmann initiierte Technik der Fotocollage mit dem Verweis auf die Fanzines als Beleg heranzieht, so sehr überschätzt man aber auch die Mechanismen, denen die bildende Kunst - Schaffende, Produkte und Rezipienten - unterworfen ist. Denn die dort praktizierte

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Provokation ist fast ausschließlich eine im Separee stattfindende, wobei nicht nur die Rezipienten mit ihrer eventuellen Abneigung und Schockiertheit kulturell längst eingeschliffene Verhaltensmuster abrufen,15 sondern auch der Produzent im genauen Wissen um die Tradition künstlerischer Provokationsverpflichtung eben dieser umgehend nachkommt. Ein weiteres Indiz für die Unzulänglichkeit des Vergleiches zwischen Punk und Dada liegt in der Personalausstattung beider Phänomene begründet. Abgesehen davon, daß die vergleichsweise geringe Zahl der Protagonisten des Dada, die "durch ihr radikales Wirken und Werken sowie ihr antimilitaristisches Engagement die Gesellschaft zu neuen Ufern führen zu können"16 glaubt, erst mit der Beherrschung gestalterischer Grundkenntnisse versehen zur Provokation antreten kann, bleiben die Rezipienten von dieser "Lebens- und Geisteshaltung"17 so gut wie ausgeschlossen.18 Ohne die kunsthistorische Bedeutung des Dada schmälern zu wollen, ist festzuhalten, daß Punk einige Stilelemente des Dada aufgreifen mag, sein Dilettantismus und seine Provokation aber nicht nur in dafür eigens eingerichteten kulturellen Nischen, wie ζ. B. die bildende Kunst nun einmal eine ist, stattfindet.19

15.3 Narren Bei der Suche nach Vorläufern des Phänomens Punk wird man, was die Strukturmerkmale betrifft, beim Narren erstmals zufriedenstellend fündig. Dem Narren stehen zur Kennzeichnung seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Narren einige Ausstattungspraktiken zur Verfügung. Auffällig, und vielfach unbeachtet, ist die Kahlheit der Narren.20 "Vielleicht hat man diese Mode aus dem Alterthum beibehalten und sie nach und nach bis in neuere Zeiten verpflanzt; denn der Lustigmacher (...) bei den Griechen war auch beschoren; und so auch die Mimen; Und die Moriones der Römer durften auch nicht mit behaartem, sondern mußten mit abgeschornem kahlen Schädel vor ihren Gebietern erscheinen."21 Werden aber an den Kopf des Narren die unterschiedlichsten Objekten appliziert - wie ζ. B. Hahnenkamm oder Eselsohren - so ist jenen und dem Irokesenschnitt der Punks gemeinsam, daß sie vom Schädel weisend verlaufen. Der eindeutige Signalcharakter eines derartigen Kopfputzes steht im Gegensatz zu den üblichen Gesichtsrahmungen durch Kronen, Hüte, Perücken oder Frisuren.22 Auch bei der Bekleidung wählen beide Phänomene modischen Trends und anderen Vorschriften entgegengesetzte Varianten. Während Punk dies hauptsächlich mit der Art und Weise des Zustandes seiner Kleidung bewältigt, besteht die "Hofnarrenkleidung (...) aus einem eng anliegenden, kontrastreich bunten Gewand, in dem die damals als wenig ehrenvollen Farben Rot und Gelb vorherrschen."23 Aufmerksamkeit und gleichzeitig Distanz hervorrufende Applikationen sind die Schellen des Narren und die Nieten bei Punk: ein akustisches Signal beim sehr häufig auch verbal tätigen Phänomen, ein optisches bei denjenigen Personen, die

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den inneren Zusammenhalt der Gruppe und die Außenkontakte auch schweigend sichern können. Das Tragen der Narrenorden, die "die traditionsreichen Schmuckund Ordensketten der Herrscher"24 parodieren, findet bei Punk in gewisser Weise seine Entsprechung in der Applikation von Objekten, die einer anderen Verwendung als der des Schmucks zugedacht sind. Beide hier verglichenen Phänomene sind weit verbreitete.25 Dabei finden aber die hauptsächlichen Aktivitäten in einem überschaubaren, regional gebundenen Terrain statt: Wandern,26 Feste feiern,27 Musiziern,28 Tanzen. Der einzige strukturelle Unterschied zu Punk besteht darin, daß ein nicht unbeträchtlicher Teil genannter Aktivitäten des Narren nach Aufforderung geschieht. Punk vollzieht seine Vor- und Aufführungen selbst, ist - wie wir bereits gesehen haben - Auftraggeber und -erfüller in Personalunion. Weitere Parallelen zwischen den Strukturmerkmalen von Narr und Punk finden wir in der gesellschaftlichen Reaktion auf das Phänomen: dem eindeutigen Außenseiterstatus steht eine gleichzeitig starke gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber. Narren und Punk werden fortgejagt und gesucht, erstere zur Unterhaltung aller Schichten,29 letztere werden zumindest dann herangezogen, wenn es gilt, unkonventionelle Verhaltensformen in ein entsprechend gewandetes Outfit zu kleiden. Beide können Einflüsse ihres Wirkens in unterschiedlichen Bereichen wiederfinden: ζ. B. in der Literatur, bei der Bekleidung, in Aufführungspraktiken beim Theater oder im alltäglichen Leben. Sie scheinen auf den ersten Blick beide ihr - auch junges - Personal aus den unteren Gesellschaftsschichten zu rekrutieren.30 Bei genauerem Hinsehen finden wir bei Punk sämtliche Schichten vertreten, in das Narrengewand sollen sogar weltliche Herrscher geschlüpft sein.31 Weibliche Narren scheinen den männlichen an Zahl unterlegen zu sein, derart, daß auf die Frage, was ein Narr sei, wie folgt geantwortet wird: "He is a man who falls below the average human standard, but whose defects have been transformed into a source of delight."32 Das Narrentum kennt aber auf der anderen Seite zumindest die nicht unbedeutende Figur der Narrenmutter. 33 Verläßliche Angaben über die Zahlenstärke der Narren ließen sich nicht finden,34 wohl aber der ständig wiederkehrende Hinweis darauf, daß die Narren nicht nur den Herrschern und Adeligen vorbehalten bleiben, sondern auch dem gemeinen Volk bei den unterschiedlichsten Gelegenheiten zur Verfügung stehen: genau wie Punk.

15.4 Franziskaner Bei den Franziskanern, besonders "vor deren kirchlicher Legalisierung und damit vor der Unterstellung unter die Grundregeln und das allgemeinverbindliche Symbolsystem klösterlicher Ordnungen,"35 findet man ebenfalls Strukturmerkmale, die denen bei Punk gleichen. Noch stärker als beim Narren - der selten seine Position selbst wählt - findet sich bei den Franziskanern eine Gemeinschaft, deren Mitglieder ihr freiwillig

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beitreten. I lier macht sich der Vorteil obiger Einschränkung bemerkbar, denn erst nach der Stabilisierung des Ordens durch ein klösterliches Leben nimmt die Zahl der dorthin von ihren Eltern gesandten Kindern zu.36 Punk und Franziskaner teilen die nach außen klar erkennbare Verweigerung von jeglichem Luxus,37 eine Verpflichtung zur Armut,38 die betont einfache Kleidung,39 das Betteln, die Handarbeit,40 die Internationalität bei gleichzeitig regionaler Orientierung,41 das gemeinsame Wandern,42 die Altersstruktur,43 die Schichtendurchlässigkeit, die tolerierte Existenz nicht ganztägig der Gemeinschaft angehörender Personen,44 die Notwendigkeit der Aufmerksamkeit Außenstehender bei gleichzeitiger Abschottung eines Teiles der inneren Organisation, die Rekrutierung des Nachwuchses durch das Vorführen einer gelebten Haltung,45 das Nachwuchsproblem46, den Aktivismus.47 Nicht ganz so eindeutig sind die Parallelen zwischen Punk und Franziskanern bezüglich der Geschlechterrollen. Nur kurze Zeit existieren Klöster, die männliche und weibliche Ordensmitglieder unter einem Dach beherbergen, doch schon "im Jahre 1212 schloß sich dieser Lebensweise des heiligen Franziskus die junge Klara von Assisi an, die der adeligen Familie der Favorane angehörte. Es entstand die Schwesterngemeinschaft der Armen Frauen."48 Die Reaktionen auf die Bettelorden sind denen auf Punk oder Narren ähnlich. Die Bettelmönche werden einerseits wegen ihrer Haartracht mit den Narren verglichen,49 suchen und finden aber auch gleichzeitig eine gewisse Anerkennung in vielen Bereichen,50 die sich zumindest darin äußert, daß das gesellschaftliche Wissen um und über das Mönchtum dem um die Narren in nichts nachsteht. Beide Phänomene sind heute noch - genau wie Punk - mit typisierten Vertretern ihrer Gattung ein nicht selten auftauchendes Element in ζ. B. Literatur, Kunst und Film. Spannt man den Bogen von den Franziskanern zu Punk etwas weiter und fügt das Mönchtum allgemein hinzu, entdeckt man auch eigene Formen der Geselligkeit mit Tanz und eigener Musik. Hinzu kommt der nicht zu vernachlässigende Alkohol, wobei sich die in den südlichen Ländern entstandenen Orden in einer Gesamtgesellschaft befinden, in der es üblich ist, bei den Mahlzeiten Wein zu trinken. Nördlich der Alpen betreiben einige Orden Klosterbrauereien. Nun mag bei der Vielzahl der hier umrissenen strukturellen Parallelen zwischen Punk und Franziskanern der Eindruck entstehen, daß die frühen Bettelmönche mehr als nur Vorläufer von Punk, sondern vielleicht gar Vorbild oder Modell seien. Doch im Gegensatz zu den Franziskanern taucht bei den Punks eine Figur nicht auf: Gott.51 Während sich das Mönchtum explizit um eine Gottesvorstellung formiert, wendet sich Punk vehement von einer kollektiv verpflichtenden Idee in dieser Form ab. "God and Christ are Cunts. Religion is total nonsense that has been used over the years to put the fear of God (pun intended) in people. It's the worst form of oppression. On top of all that, all this shit about God, etc., is fucking nonsense. I mean for Christ's sake this is 1986, not the middle ages."52 Um nicht nur die Frage nach dem Verbleib Gottes, sondern auch generell die Eingangsfragen53 beantworten zu können, ziehen wir nun die Ausführungen zum

Anmerkungen

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Phänomen Punk zusammen, vergleichen sie mit den beiden Phänomenen, Narren und Franziskaner, die sich in der Kontrastierung der Strukturmerkmale als Vorläufer erwiesen haben und kehren wieder zum Ende der untersuchten Dekade, in das Jahr 1986, zurück.

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Letztgenanntes Merkmal des Pfadfindertums, der zeitlich begrenzte Aktivismus, bezieht sich auf zwei Aspekte: Der Befolgung des ehrenwerten Leitsatzes, jeden Tag eine gute Tat zu vollbringen, bedeutet natürlich auch, daß nach Vollendung dieser Tat das Plansoll - oder zumindest ein wichtiger Teil dessen - erfüllt ist. Daß es möglich ist, diese gute Tat auch im von der Uniform befreiten Alltag des Pfadfinders auszuführen, verweist auf den zweiten Aspekt. Gerade das - ζ. B. ausstattungspraktische - zweite Leben des Pfadfinders kennt Punk nicht. Punk findet - in allen Bereichen ganztägig statt. vgl. Linse (1986: 406) vgl. Mogge (1986: 420ff) vgl. Linse (1986: 401) Vgl. Feuchter (1986: 427): "Die Idee, sich auf dem Lande ein eigenes Refugium in Form eines Hauses zu schaffen, ergab sich aus dem Bedürfnis, sich in der erwanderten Natur = Heimat seßhaft zu machen, um an Wochenenden und zur Ferienzeit dem 'Volk' näher zu sein." Die Figur des Einzelnen trifft beim Phänomen Wandervogel sowohl das Individuum, das mit seinen künstlerischen Aktivitäten eher Gesinnungssignale setzt, als gruppenunterstützend tätig zu werden, sowie auch die Splittergruppen, die - lokal oder/und über die jeweilige Ausrichtung gebunden - von den anderen getrennt bleiben. Linse (1986: 402) vgl. dazu den ausgezeichneten Hutten (1982) vgl. Klönne (1986: 308ff) Daß zu der genannten Kategorie auch ζ. B. Skinhead, Narren oder Mönche gehören könnten, scheint auf den ersten Blick offensichtlich, wird aber in den nachfolgenden Kapiteln zu den jeweiligen Phänomenen gesondert berücksichtigt. Die Parallelen zwischen Wandervogel und Hippietum sind größer a|s man denkt. Vgl. dazu Grob (1985), die am Beispiel des Wandervogels und der Studentenbewegung das Kleidungsverhalten jugendlicher Protestbewegungen in Deutschland untersucht. Zu den bekanntesten zählt der Song "If the kids are united" der Sham 69, einer Band, die bei ihren Konzerten fast ständig Vertreter beider Lager mit den dazugehörigen Auseinandersetzungen vorfindet, sich müht, die Streitigkeiten zu schlichten, aber schließlich doch mit dem Vorwurf, Skinheads anzulocken, nicht mehr musikalisch weiterleben kann. Am 16. März 1987 spielen Jimmy Pursey und einige Musiker als Sham 69 in der Bochumer Zeche, Skinheads haben dort Lokalverbot und Jimmy Pursey führt draußen vor der Tür eine halbstündige lebhafte Diskussion mit den etwa 20 abgewiesenen Personen. Naumann/Penth (1986: 120); vgl. auch den Beitrag über Dada im MRR (No.39, 8/86), Fette (1981: 106), Schmidt (1982: 260), Sommer/Wind (1986: 79ff), die Anmerkungen zu diesem Thema bei Chambers (1985: 181), sowie Hahn/Schindler (1983: 190): "Allen Punk-artProduktionen liegt dabei die Erkenntnis zugrunde, daß lediglich skandalöse Vorfälle Aufsehen erregen und Kunst, will sie erfolgreich sein, auf die Bedürfnisse potentieller Kon-

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sumenten ausgerichtet sein muß. Punk-Art steht damit in der Tradition des Dadaismus.". Wie sehr dieser Vergleich "Punk - Dada" mittlerweile eingeschliffen ist, zeigt das von mir im August 1989 in Essen durchgeführte Interview mit der amerikanischen Band Bad Religion, in dem Brett Gurewitz sich als "Dada-Gitarrist" bezeichnet (in: ZAP Nr.16, 9/89: 5). Marcus (1989) findet über die Sex Pistols zu einer großen Dada-Exkursion im Rahmen seiner Secret History of the Twentieth Century. Murken-Altrogge/Murken (1985: 100) Die als Untergrund für Graffitis herhaltende und als Pissoir zweckentfremdete Serra-Plastik "Terminal" (1977) in der Nähe des Bochumer Hauptbahnhofs gehört dazu! Murken-Altrogge/Murken, a.a.O. Murken-Altrogge/Murken (1985: 99) vgl. auch Bergius (1986: 373) Hahn/Schindler (1983: 199) beenden ihren etwas wirren Exkurs zum Thema "Dada + Punk. Wunder der Wunder" mit der Schlußbemerkung "Dada war eine Revolution innerhalb der Kunst. Punk ist Kunst und Jugendbewegung." Bei Nick (1861a: 65) ist der kahlgeschorene Kopf "das Hauptkennzeichen eines Narren". Flögel (1789: 52) "Dem wallenden Haar und der gepflegten Barttracht gekrönter Häupter stand die Kahlheit der Narren gegenüber." Mezger (1981: 19) Mezger (1981: 19) zu dem Tor gegen Ende des 15.Jahrhunderts in Frankreich. Im Gegensatz dazu verweisen Nixdorff/Müller (1983: 111) darauf, daß die in der "Narrenkleidung als Bildmotiv (...) verwendete Farbigkeit in der Realität keine Nachahmung fand. Die in höfischen oder städtischen Diensten stehenden Narren des Spätmittelalters und der Renaissance trugen zwar auch farbig geteilte Kleider, in ihren Farben richteten sich diese, wie die Kleider der übrigen Bediensteten, nach den Wappen des Adels." Mezger (1981: 19) Beim Narren gilt die weite Verbreitung sowohl zeitlich, als auch räumlich. Da Punk ein verhältnismäßig junges Phänomen ist, kann noch nicht von einer Bedeutung gesprochen werden, die einen nennenswerten zeitlichen Rahmen umspannt. siehe ζ. B.: "Der Anführer der Sorgenlosen Kinder (Enfans fans fouci) in Frankreich wurde der Narrenkönig genannt, und trug statt des Diadems eine Kappe mit zwei Eselsohren, und alle Jahre hielt er mit allen seinen Unterthanen einen feierlichen Einzug in Paris." in: Flögel (1789: 57) vgl. Flögel (1789: 76ff), Nick (1861: 78ff), Burke (1985: 206), Heers (1986: 123ff) vgl. ζ. B. Mezger (1981: 12) vgl. Mezger (1981) Mezger (1981: 58) verweist darauf, daß "die meisten Hoffnarren - übrigens häufig schon im jugendlichen Alter - von ihren späteren Herren (...) engagiert worden sein." Mezger (1981: 17) versteckt seinen Hinweis auf den Sultan Mahomet II. weitab von den Ausführungen zum Außenseitertum der Narren (1981: 53ff). Im weiteren Verlauf trennt er die "natürlichen Narren (...), deren Nicht-Normalsein ein allgemeiner Dauerzustand war," von den "künstlichen Narren (...), die in Wirklichkeit ganz normale und intelligente Menschen waren, die sich aber mit schauspielerischem Talent schlau verstellen konnten und die Narrenrolle glaubhaft spielten." (1981: 60) Welsford (1935: XI) ausführlich dargestellt bei Hanckel (1952: 21 ff) Mezger (1981: 58) vermutet, "es dürften sehr viele gewesen sein". Die beiden Standardwerke Flögel (1789) und Nick (1861a+b) bieten auf zusammen knapp 2000 Seiten (!) einen äußerst detaillierten Einblick in sämtliche Varianten des personalstarken Narrentums. Zu berücksichtigen hat der interessierte Leser nur, daß Nick einen Teil der von Flögel zusammengetragenen Daten unwesentlich verändert wiedergibt. Soeffner (1986: 328)

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Zimmermann (1971: 159) verweist auf die Klöster im Mittelalter, die man "gern als Versorgungsanstalten für schwächere Kinder ansah." vgl. Soeffner (1986: 328) Die erste Regel aus den früheren Regeln ist mit "Die Brüder sollen in Gehorsam, ohne Eigentum und in Keuschheit leben" [von Assisi (1979: 14)] übertitelt. Eine derart strenge Armutsverpflichtung läßt sich in der von Papst Honorius III. am 29. Novermber 1223 bestätigten endgültigen Regel nicht wiederfinden [vgl. von Assisi (1979: 37ff) und Iriarte (1984: 45ff)]. Im Artikel 24 der Lebensregel der Franziskanerinnen von der Heiligen Familie läßt sich 1978 finden: "Unsere Einstellung zu den Gütern dieser Welt soll uns befreien von aller selbstsüchtigen Anhänglichkeit (...). Praktisch bedeutet dies, daß wir wirklich arm vor Gott, losgelöst und einfach leben wollen und an das Leben keine unnötigen Forderungen stellen." Siehe dazu auch Balthasar (1911), Bastianini (1947), Esser (1975), Mitterrutzner (1961), Pierron (1912). Im Testament des Franz von Assisi (1979: 46) aus dem Jahre 1226 heißt es, daß sie "zufrieden [waren] mit einem Rock, innen und außen geflickt, samt Gürtel und Hosen; und mehr wollten wir nicht haben." vgl. die fünfte Regel bei von Assisi (1979: 40) Gemeint ist hiermit bei den Franziskanern die Missionstätigkeit [Groeteken (1911), Iriarte (1984: 11 Iff u. 222ff)], ζ. B. in Brasilien [Klein (1919)], China [Maas (1926)], Bolivien [Nothegger (1955)] oder Japan [Uyttenbroeck (1959)]. vgl. ζ. B. Iriarte (1984: 34) siehe dazu Zimmermann (1973: 159ff) vgl. Iriarte (1984: 35) "Ein gemeinsames Ordenskleid, einfach und arm, machte diese innere Einheit nach außen sichtbar." Iriarte (1984: 38) vgl. Iriarte (1984: 283ff) vgl. ζ. B. Iriarte (1984: 34) Iriarte (1984: 35) vgl. Flögel (1789: 51) vgl. Iriarte (1984: 36) vgl. Soeffner (1986: 331) Rhys Mwyn, Bassist der Waliser Band YrAnhrejh, in: MRR (No.38, 7/86) "Worauf reagiert Punk? Wie ist eine Gesellschaft beschaffen, die derartige Reaktionen ermöglicht? Ist Punk wirklich neu oder besetzt Punk nur eine freigewordene Nische?"

16 Die heiligen Narren Wer alles zu thun begehrt, was ihm gelüstet, muß entweder als ein König oder als ein Narr geboren seyn. Römisches Sprichwort1

1986 ist Punk zehn Jahre alt und stünde als Kind in den meisten der großen Weltreligionen kurz vor oder nach der mit einem entsprechenden Ritus zu bewältigenden Aufnahme in die Gemeinschaft der (erwachsenen) Gläubigen. Doch eine dieser Metaphorik entsprechende Aufnahme findet nicht statt. Warum nicht? Punk ist eine Gemeinschaft, die weder die gleichzeitige Zugehörigkeit einzelner Mitglieder zu einer anderen erlaubt, noch der Nähe zu einer ähnlich strukturierten Sozialformation bedarf. Bezeichnenderweise bleiben die Bande zu Skin, Rastafaris oder beliebigen Spielarten der New Wave nur kurzzeitig existierende. Mit dieser inneren Abschottung, bei interessanterweise gleichzeitig vorzufindender Notwendigkeit gesamtgesellschaftlicher Akzeptanz und ständigem Schwimmen im Gesellschaftsbecken, kleidet sich Punk mit den auch für Narren und Bettelmönche kennzeichnenden Merkmalen. Erst der ständige Kontakt mit dem sie umgebenden Personenkreis stabilisiert sowohl das Selbstbild, wie auch die es tragende Gemeinschaft. Der Klient bleibt allen drei genannten Phänomenen gleich: der um seine Normalität und ihre Bestätigung bemühte und bangende Mitmensch. Auch der Austausch zwischen den drei Phänomenen und der jeweiligen Restgesellschaft findet unter gleichen Vorraussetzungen, gleichstrukturiert und mit den gleichen Folgen ab. In der Rekurrierung auf ihr Wissen über die im näheren und weiteren Umfeld stattfindenden gesellschaftlichen Vorgänge können alle drei erst tätig werden: dies meist ungefragt, aus eigener Initiative, dabei immer eindeutig als Nicht-Dazugehörige ausstaffiert2 und danach den Lohn einstreichend. Bei den Vorläufern geschieht letztgenanntes oft in der Bereitstellung lebenssichernder Mittel, bei Punk - sieht man einmal vom erfolgreich Schnorrenden ab in der Gewährung von Aufmerksamkeit.3 Mit dem gewährten Lohn findet nicht nur eine Bestätigung durch die Außenstehenden statt, sondern auch eine des bereits genannten Wissens um die gesellschaftlichen Zustände und die dort wirkenden Mechanismen.4 Die erfolgreich gesetzte Pointe - ob beklatschter Schabernack beim Narren, die gelungene Predigt des Wandermönchs oder das mit Entrüstung wahrgenommene, zur besten Arbeitszeit stattfindende Saufgelage der Punks in der Fußgängerzone - bewahrt den Pointengeber vor Selbstzweifeln und läßt ihn erkennen, daß er die anderen erkannt hat.5 Aber hier - in der Aufnahme der Belohnung - wird scheinbar ein erster Bruch zwischen Punk und seinen Vorläufern - "ich betone 'Vorläufer', nicht 'Modelle'"6 bemerkbar. Während Narr und Mönch einen Großteil ihrer Außenkontakte als Einzelperson bewältigen, geht Punk im Kollektiv auf die Straße und zur Sache. Der für das jeweilige Phänomen zuständige Korrektor und Klient in Personalunion ist beim Narr der ihn beschäftigende Herrscher, beim Mönch ist es ebenso dort heißt er Gott7 - und Punk nimmt beide Instanzen in sich auf. Die Provokation oder eine ähnliche (Un-)Tat hat die möglichst bei der Ausführung anwesende Gruppe zu honorieren. Einzeln durchgeführte Handlungen erweisen sich bei der fehlenden Anwesenheit von Mit-Punks erst in nachträglichen Be-

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richten - mündlich oder schriftlich (ζ. B. in Fanzines) - als punkspezifische, sonst blieben sie für (den) Punk ohne Belang. Eine derart weltliche und himmlische Herrscherpersonen hinausbefördernde Gemeinschaft ist eigentlich zum Scheitern verurteilt, sofern nicht ein Etwas auf dem verlassenen Thronsessel Platz nimmt. In unserem Fall reicht der Platz in dem gewählten Bild nicht aus, denn auf dem Thron setzt sich die Gemeinschaft selbst und das zu ihren Füßen hockende Volk harrt der Willkür, die da kommen mag. Nun wissen wir aber auch, daß für das Besteigen des hier vorgestellten Thrones keine sonderlichen Qualifikationen - wie ansonsten üblich - notwendig sind.8 Was ist geschehen? Punk gerät ausgangs der 70er Jahre in eine Welt, in der die Hippies nicht gerade regieren, aber zumindest die Schlüsselpositionen an den Schaltstellen zur Verteilung ihres Gedankengutes besetzen. Von dort preisen sie mit vielen Worten das aus der Aufklärung gerettete Lob der Individualität.9 Selbstverwirklichung, Kreativität und Autonomie sind die Begriffe, mit denen sie eine Welt für lauter Götter bewohnbar machen wollen, denn die genannten Attribute sind "diejenigen Eigenschaften, die im Mittelalter nur einem zukamen, dem einzigen, der der Qualität nach 'Subjekt' war: Gott."10 Doch das derart verbreitete Weltbild stimmt - aus der Sicht des Punks - nicht ganz mit dem sich präsentierenden Zustand der Welt überein. Punk zieht die präapokalyptische Bremse und malt eine düstere Bestandsaufnahme des Jetzt, ohne jegliche Perspektive, denn da ist no future. In einem derartigen Szenario gibt es keinen Platz für Liebeslieder und Punk singt auch keines. In der konsequenten Loslösung sowohl von der biologischen, als auch von der subkulturellen Elterngeneration - beide noch die Früchte diverser Wirtschaftswunder genießend -, stabilisiert sich die Gemeinschaft Punk und setzt sich mit dieser Emanzipation auf den eigentlich für das emanzipierte, autonome Subjekt vorbehaltenen Thron.11 Von dort aus beobachtet sie mit einem ironischen Lächeln das weiterhin emsig an seinem eigenen Göttersitz arbeitende Subjekt. Hat die Individualisierung für den Verlust kollektiv geteilter Jenseitsvorstellungen gesorgt und durch einen Zukunftsgedanken ersetzt, der mit Fortschreiten der modernen Gesellschaft immer näher an die Gegenwart tritt,12 so holt Punk die jenseitige Hölle ins Diesseits. Die daraus resultierenden Auseinandersetzungen mit der jetzt schon stattfindenden Apokalypse erklärt auch den unbändigen Aktivismus der Punks. Im Vergleich zu dem mit einer etwas freundlicher gestalteten Perspektive ausgestatten "68er", der auch schon einmal den lässigen Schneideroder Lotussitz einnimmt, beim Tanzen häufig nur gedankenverloren den Oberkörper kreisen läßt, ist Punk fast nur noch in Bewegung, kann nur für kurze Zeit stillsitzen und durchkreuzt mit den ihm zur Verfügung stehenden Tanzformen den Raum. Doch kehren wir in den Thronsaal zurück und lauschen der Botschaft, die uns Punk verkündet. Dort ist aber festzustellen, daß der an die Aufnahme unterschiedlich umfangreicher, verbal vermittelter Botschaften Gewohnte, weder mit einem Wortschwall,13 noch mit der Präsentation opulenter Schriftwerke beglückt wird. Vielmehr bekommt er eine Botschaft präsentiert, die ausschließlich

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über Stil und Haltung vermittelt wird.14 Da dies aber mit dem Fehlen eben jener genannten allgemeinverpflichtenden Lektüre verbunden ist,15 hat Punk ständig siehe Aktivismus - für die Präsentation bereit und somit Punk zu sein. Kein Wunder, daß er bei der Bewältigung dieses Problemes u. a. auf eine religiöse Emblematik zurückgreift, wohl wissend, daß er sich damit der Elemente eines Repertoires bedient, daß sich bei der Stabilisierung kollektiv verpflichtenden Gedankengutes und den sich darunter zusammenfindenden Gemeinschaften bewährt hat. Bei dieser permanenten und aufwendigen Arbeit an der angemessenen Präsentation der Lebenshaltung erfährt Punk zwar laufend - s. o. - eine Honorierung seines Tuns, dies aber meist - gemäß der von ihm selbst präsentierten antithetischen Figur - in Form von Sanktionen. Aber nicht nur darauf hat er wiederum angemessen und punkgerecht zu reagieren, sondern muß gleichzeitig darauf achten, daß die ihm erteilte Sanktion keine positive ist.16 Den meisten bisherigen positiven Sanktionen - Einnahmeversuche - ist er erfolgreich ausgewichen. Erfolgreiches Ausweichen in diesem Fall besteht entweder in einem Zurückweisen des Angebotes - sofern dies möglich ist -,17 oder in einer Überarbeitung des von Außen vereinnahmten Bereiches.18 Zur Grundausstattung des in einer Zeit der Selbstrepräsentation tätigen Punks gehört die Ästhetisierung der Häßlichkeit und sichert ziemlich konstant vor gerade genannten Übergriffen. Ähnlich wie bei seinen Vorläufern wählt Punk u. a. die Bekleidung als identifikationsstiftendes Element, dabei die Vorläufer aber einerseits durch die individuelle Modifizierung, wie auch andererseits durch eben jene ästhetisierte Häßlichkeit zu überwinden. Dem zwar meist einzeln agierenden, aber doch auf gewisser Weise seiner Profession zumindest ausstattungspraktisch verpflichteten Narr und dem sich auch in der uniformierten Bekleidung stark der Gemeinschaft unterwerfenden Bettelmönch, steht der Punk (nahe und) gegenüber. Dessen Bekleidung trifft genau beide Vorläufer: die Farbigkeit des Narrenkleides und das zerschlissene, einfarbige und einfach geschnittene Gewand der zur Armut verpflichteten Bettelmönche. Das Häßliche besteht nicht nur in der scheinbar klar ersichtlichen Ungepflegtheit - aufmerksamkeitssichernd und provokationsstabilisierend - des punk'schen Äußeren, sondern gleichfalls auch in der sich einer eindeutigen Zuordnung entziehenden Adaption zweier (historisch) geläufiger Vorläufer. Ist nämlich die eindeutige Zuordnung eines Phänomens zu einem historischen Vorläufer möglich - zumindest was die Ausstattungspraktiken betrifft -, so reduziert sich das Maß der gesellschaftlichen Sanktionsbereitschaft proportional zu der steigenden Menge des angeblichen Wissens um die zitierten Vorläufer. Dabei spielt es keine Rolle, ob der zitierte Vorläufer selbst dauernden Sanktionen ausgesetzt, oder mit einem ähnlichen Außenseiterstatus versehen war/ist.19 Die sich derart beharrlich der Gesellschaft mit einem aufwendig gestalteten und daher schwer aufrecht zu haltenden Gemeinschaftsgedanken gegenüber stellende Gruppierung hat - wie seine beiden Vorläufer, selbst wenn der Narr nicht einer Gemeinschaft verpflichtet scheint - für die Sicherung der Stabilität noch zwei - eigentlich drei - weitere Probleme zu bewältigen. Erstens ist die Personalstärke zu sichern, d. h., die Frage nach der Rekrutierung des Nachwuchses zu beantworten. Zweitens ist der einmal gewählte Gegner

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nicht aus den Augen zu verlieren oder für zumindest gleichwertigen Ersatz zu sorgen. Hinzu kommt, daß beide Aspekte - das wäre das dritte Problem - fortwährend zu beachten sind. Die anscheinende Lösung oder das Außerachtlassen eines Aspektes würde unweigerlich - um im oben gewählten Bild zu bleiben - den Thron wanken und einstürzen lassen. Eine Gemeinschaft, die sich wie Punk mit ihrer gruppenkonstituierenden Solidarität aller anderen solidargemeinschaftlichen Konkurrenz - bis hin zur Familie - überlegen zeigt, muß einen Weg finden, um die Nachwuchsfrage anders als auf biologische Weise zu lösen.20 Dies gelingt ihr - jedenfalls bis heute dadurch, daß sie über ihre Altersstruktur, ähnlich wie bei den Bettelmönchen, die üblichen vorfindbaren Wahlmöglichkeiten der jeweiligen Lebensphasen aushebelt. Für den 11-, 12-jährigen jungen Menschen häufen sich in unserer Zeit zwar die Angebote für den Zutritt zu Phänomenen, es gibt aber keines, was ihm in dieser Lebensphase mit Punk vergleichbare Aufstiegschancen bietet. 21 Das Angebot lautet nämlich, daß er über seine Schulzeit und den daran anschließend über ihn hereinbrechenden anderen Verpflichtungen hinaus Punk sein kann.22 Da Punk weder von modesaisonalen Wetterumschwüngen, noch von dem Auf- und Abstieg eines einzelnen Stars oder einzelnen Gruppe abhängig ist, wird Punk dahingehend attraktiv, daß die Gemeinschaft als solche den Trend angibt, die Starrolle einnimmt. Eine Entscheidung zugunsten von Punk wäre für den vor der Wahl stehenden Jugendlichen sicher leichter zu treffen, wenn nicht, neben den bereits ausführlich beschriebenen Arbeiten an der Haltung, noch die Auseinandersetzung mit einer sanktionsfreudigen Gegnerschaft hinzukommen würde. Von den sich als Gegnern ausgesuchten oder den sich als Gegner anbietenden Gruppierungen sind - im Sinne eines die Gemeinschaft konstant sichernden Gegenübers - nur diejenigen von Belang, die möglichst fortlaufend präsent sind. Für Punk sind das - wie wir bereits gesehen haben - nicht konkurrierende Phänomene wie ζ. B. Skins, sondern beide Elterngenerationen: die biologischen Eltern daheim und die subkulturellen Eltern unterwegs, zwei Gruppierungen, die noch zusätzliche Kraft daraus schöpfen, daß sie in einigen Teilen personalidentisch sind. Das von dem kollektiv auftretenden, aufgeklärten elterlichen Subjekt produzierte Klima ist ein schwüles. Der durch den zweiten Weltkrieg in Trümmer gelegte gesellschaftliche Wertekanon wird zwar wieder aufgebaut, besteht aber fast ausschließlich nur aus der Beseitigung der faktischen Trümmer, der Errichtung von etwas Neuem und letztendlich der Bewahrung und Sicherung des Geschaffenen. Der zügig vollzogene Wiederaufbau verdammt den an ihm Beteiligten nach der Vollendung zur Passivität. Es gibt nichts mehr zu tun.23 Selbst die sich zu dieser Zeit auflehnenden Generation des Hippies greift bei ihrem Protest zu - mit Verlaub - eher passivischen Formen. 24 Die propagierte Bewahrung der geschaffenen Werte stößt auf taube, sicherheitsnadelbewehrte Ohren. Ohne existierende Trümmer, aus denen sich die Teilnahme am Wiederaufbau als eine für den Nachwachsenden nutz- und sinn-

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volle mitteilen ließe, ist die Bewahrung der Wohlstandsattribute bedeutungslos. Punk lehnt die Teilnahme am konsumausgerichteten Leben ab und wählt, da sich beide Sozialisationsinstanzen als entweder schweigend oder schwatzend erweisen, die Polizei als Gegner, die einmal mehr als formale Ordnungsmacht mit der stellvertretenden Überwachung und Bewahrung des sich als brüchig erweisenden Wertekanons der Gesamtgesellschaft überfordert wird. So läßt sich dann auch ziemlich einfach erklären, warum die Auseinandersetzungen zwischen Punks und Polizei fast ausschließlich glimpflich verlaufen.25 In der Übernahme einer eigentlich Eltern oder ähnlich nah zu verortenden Sozialisationsinstanzen vorbehaltenen Rolle wird auch auf deren Sanktionsrepertoire zurückgegriffen. Gelinde körperliche Züchtigungen und Stubenarrest erscheinen in leicht abgewandelter Form wieder. Punk erfährt trotz des eingeschlagenen Kollisionskurses eine beachtliche Akzeptanz bei den Punk gegenüber stehenden Personen. Nicht nur der moderne Narr - vertreten durch die Gattung des Showmasters26 - oder der heute tätige Mönch27 können sich einer Aufgeschlossenheit gegenüber Punk nicht erwehren, sondern auch die Vielzahl der von Punk eingeführten und in anderen Gesellschaftsbereichen wieder auftauchenden Elemente verweisen auf die Anerkennung der von Punk eigenmächtig besetzten Rolle innerhalb der Gesellschaft.28 Die heiligen Narren halten der modernen Gesellschaft, in der sie wirken, einen facettenreichen Spiegel vor. Darin kann sie erkennen, daß die von ihr mit Beschlag belegten Facetten - der Wertekanon und dessen Tradierung - beschlagen, wenn nicht sogar blind sind. Solange man den Narrenspiegel aber nur dazu benutzt, um sich und die eigene Normalität wiedergespiegelt zu bekommen, fällt der Blick auch nicht auf die Stellen im Spiegel, die nicht durch das eigene Bild aufgefüllt werden. Und selbst wenn man versucht, sich von der selbstgefälligen Betrachtung im genannten Spiegel zu lösen, um an den Kartentisch des alltäglichen Gesellschaftslebens zurückzukehren, an dem Kurzweil und (Ent-)Spannung garantiert zu sein scheinen, dann trifft man auch dort den allgegenwärtigen Punk. Die Zahl der im Talon verschwindenden Karten mit den Abbildungen von lautespielenden Gauklern und Narren scheint gering. Alle anderen Farben sind zahlenmäßig überlegen. Erst im Verlauf des Spieles entwickeln genannte Karten ihre Macht. Der die Herrscher- oder Gottesfigur durch die mit einer religiös gefärbten Emblematik ausgestattete Gemeinschaft ersetzende und sich dadurch selbstheiligende Punk nimmt die Position des Jokers im gesellschaftlichen Kartenspiel ein: keiner anderen Farbe zugehörig und über alle anderen Werte triumphierend.

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zitiert nach Flögel (1789: 14) Hiermit sind sowohl alle gruppenintern vollzogenen, als auch die auf die Gruppe von Außen herangetragenen Praktiken zur Kennzeichnung des Außenseitertunis gemeint. Dabei ist natürlich weder das eine, noch das andere Verfahren genuin der es jeweils durchzuführenden Gruppierung zuzuschreiben, sondern immer Resultat der Interaktion zwischen beiden [vgl. dazu ζ. B. Goffman (1975)]. Der Hinweis gilt hauptsächlich denjenigen, die ζ. B. bei der Empörung oder Bewunderung über einige Provokationsrituale der Punks die Tatsache aus den Augen verlieren, daß eine Provokation nicht nur des sie Ausführenden, sondern auch sowohl des Provozierten, wie auch des gemeinsam geteilten Fundus der Provozierbarbarkeit bedarf [vgl. dazu Soeffner (1986: 335)]. Das von Punk ζ. B. auf einer Armbinde getragene Hakenkreuz - bezeichnenderweise nur in der Anfangsphase aufzufinden und später durch eindeutige Distanzierung von der Gesinnung der es ansonsten goutierenden Gruppe abgelöst - wird somit gerade nicht Hinweis auf einen herannahenden Rechtsrutsch Jugendlicher, sondern belegt zunächst einmal nur das beiden Gruppen zur Verfügung stehende Wissen um ein von beiden Seiten geteiltes Repertoire. Gewährte Aufmerksamkeit wird so - um in dem durch die Entlohnung der Narren und Bettelmönche vorgegebenen Bild zu bleiben - quasi zum Brot der Moderne. Nimmt man dann aber den notorisch in jedes kameraähnliche Objekt Winkenden oder den anderweitig obskur Tätigen - der zum Beispiel mit einem Sportflugzug Eiserne Vorhänge überfliegt, um auf roten Plätzen zu landen - hinzu, sollte man wohl doch eher vom Kaviar der Moderne sprechen. vgl. Anmerkung 2 Im Umkehrschluß dieses Argumentes ist diejenige Gruppierung zum Scheitern - als Gruppierung - verurteilt, die sich mit der Qualität ihres Wissensbestandes über sie angrenzende oder sie umgebende Gesellschaften und dort stattfindende Vorgänge bedrohlich der Dummheitsmarke nähert. Soeffner (1986: 328). Auch mit "Vorbildern" ist die Figur des "Vorläufers" nicht zu verwechseln. Als Vorbild wählt man sich ja meist diejenigen Personen aus, die man sowieso nicht erreicht: die eigenen Eltern oder Mutter Theresa. Wir kommen noch einmal auf ihn zurück! Eine leicht abgeänderte Kinderweise lautet demnach "Punk zu sein bedarf es wenig, und wer Punk ist, ist ein König!" vgl. dazu ganz besonders Soeffner (1988a) Soeffner (1986: 337), siehe auch Soeffner (1988a: 135) vgl. ζ. B. Soeffner (1988a: 141) vgl. dazu Soeffner (1974) Gemeint ist damit das angewendete Wissen der Hipppies und seinen Variationen um den "Mythos von der Macht des Wortes" Soeffner (1988c). Bei den hier verwendeten Begriffen "Stil" und "Handlung" handelt es sich um die von Soeffner (1986: 332) verwendeten. Punk ist nicht nur gott-, sondern auch bibellos. Das sich als "The Bible" ausgebende Werk von Dempsey (1978) besteht aus kommentarlos aneinandergereihten Kopien von Seiten aus dem Fanzine Sniffin' Glue. Mit der hier angedeuteten Verpflichtung zu einer derartigen Handlungsweise ist nicht ein aktionsforschungsgerechter Appell gemeint, sondern soll nur auf einige der Bedingungen zum Gelingen des interaktiven Austausches zwischen den genannten Gruppen verweisen. Gemeint ist hiermit ζ. B. folgender Vorgang: Auf die Bitte eines im öffentlich-rechtlichen Fernsehens tätigen Showmasters, dessen

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Namensnennung für den Fall nicht notwendig ist, ihm für die erste einer heute noch zelebrierten Abendshow einen Punk, "der richtig hart aussieht, aber nicht blöd ist", (sinngemäßes Zitat) zu besorgen, bekam ich - und somit auch der Showmaster - von allen angesprochenen und diesen Kriterien m. E. entsprechenden Punks eine Absage. Die Show fand ohne einen Punk statt. Darunter fallen ζ. B. alle Reaktionen auf von anderen Bereichen aufgegriffene Stilmittel vgl. ζ. B. das Kapitel über die Haare. Die mit der New Wave aufgeschwemmten New Romantics werden mit der Übernahme eindeutig theatralisch ausgerichteter Kostüme vielleicht belächelt, aber nicht einer zu sanktionierenden Gruppe zugeordnet. Im Piratenkostüm des Adam Ant mögen Pistolen oder an-dere Waffen stecken, das ist aber anscheinend kein Grund zur Beunruhigung, ähnlich wie das Tragen militärischer Kleidungsstücke oder anderer militärischer Ausstattungselemente (Rucksack, Feldflasche etc.) auch in Zeiten von Feldzügen gegen Kriegsspielzeug nicht thematisiert wird. Die in Knight (1982) und Mead (1988) ausgezeichnet dargestellten Entwicklungen in der Bekleidung der Skinheads dokumentieren eindrucksvoll, warum Skins in England auf vergleichsweise fruchtbaren Boden fallen. Sie übernehmen leicht variierend in Teilen die dort übliche Ausstattung der Arbeiterschaft. In anderen Ländern tätige Skins übernehmen das englische Vorbild, ohne auf eine Ausstattungswurzel in der eigenen Gesellschaft zurückzugreifen, geschweige denn auf eine ihnen eigene Ausstattungsgeschichte greifen zu können - und sind (auch) dadurch automatisch "draußen". Tritt an die Stelle des Alttestamentarischen Individuums als Urheber dessen, was wir als Welt bezeichnen, die Neutestamentarische Familie mit dem Prototyp Maria, Joseph und Jesus, so fällt schon das Mönchtum wieder mit gemeinschaftsstiftenden Ordensgründern als Einzelwesen vor die Familie zurück. Aus den entsprechenden vorangegangenen Kapiteln wird deutlich, daß bei Punk schon der Urheber eine Gemeinschaft ist, nennen wir sie Sex Pistols, der in seiner gesamten Geschichte - wie seine oben genannten Vorläufer - die Struktur des Phänomens vorgibt. Die Stil-Kollision zwischen den ausufernden Varianten jugendlicher Erscheinungsformen wird erst nach Punk und durch dessen schonungslose Adaption passender Fragmente ermöglicht. Der schäm- und hemmungslose Raubzug der Stildiebe durch die habituellen Kleiderschränke von Jahrhunderten kleidet das Individuum neu. Wurde bislang das Beharren auf die Einzigartigkeit sowohl kollektiv, als auch mit einem begleitenden Wortschwall formuliert, hat es der Jugendliche der ausgehenden 80er Jahre im Vergleich zu seinen aknegeplagten Vorläufern noch nie so leicht gehabt, zwischen den Welten zu wandern und dabei ziemlich folgenlos ihm passende Elemente in die neue Stil-Peer-Group hinüberzuretten. Mit der nach oben - im Vergleich zu konkurrierenden Jugendphänomenen - offenen Altersstruktur (ähnlich wie bei den Mönchen, über die Narren liegen keine verläßlichen Angaben vor) entsteht natürlich ein weiteres Problem, nämlich das der Altersversorgung. Neben der Klage über fehlenden Nachwuchs ist bei einigen der heutigen Orden ein nur in vertrauten Gesprächen mitgeteiltes Beklagen über den unangemessen hohen Zeitaufwand zu vernehmen, der für die Betreuung und Verpflegung der älteren Ordensmitglieder aufgewendet werden muß. Da Punk mit einer gerade einmal 10-jährigen Geschichte noch nicht vor einem derartigen Problem steht, läßt sich darüber nicht viel sagen. Vermuten kann man, daß - neben der Nachwuchsfrage - das Problem der Altersversorgung das Phänomen Punk stärker belasten wird, als ζ. B. die bisher oftmals heraufbeschwöre Ausbeutung und Aneignung der Szene durch szenefremdes Personal. Warum? Weil Punk auf kein erprobtes und bewährtes Rezept bei der Bewältigung des Problemes der Altersversorgung zurückgreifen kann. Soeffner (1988a: 143) entwickelt eine ähnlich strukturierte Figur für die Beschreibung jener Generation, dabei - argumentativ - scheinbar aus einer anderen Richtung kommend: "Da jedoch für den hier beschriebenen Individualitätstypus die Bedeutsamkeit nicht auf dem

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'äußeren* Handeln, sondern auf der Gesinnung als 'innerem Handeln' liegt, wird die 'äußere* Handlung verzichtbar." Das Sit-In ist diejenige Protestform, die der genannten Figur am ehesten entspricht. Aber auch alle anderen mit dem Anhängsel "In" versehenen Aktionsformen sind eher nach innen gerichtete. Selbst der bekannte, die Demonstrationen begleitende Steinehagel trifft zwar den Gegner, benutzt aber - ob stilsicher oder nicht - dabei ausgerechnet das Material, aus dem sowohl die Trümmer, wie auch die zum Wiederaufbau verwendeten Utensilien sind. vgl. Soeffner (1986: 335) Vgl. Soeffner (1989) zum Umgang des modernen Narren mit der Prominenz und den daraus resultierenden Folgen. Bei der Vorstellung einiger der hier versammelten Thesen in einem Kreis von Franziskanerund Kapuzinermönchen entwikkelte sich im Anschluß an den Vortrag eine an die Stelle der nachmittäglichen Betstunde tretende Diskussion. Mit der eigenmächtigen Besetzung eines Platzes überwindet Punk seine Vorläufer, die beide - s. o. - einen "Platzanweiser" benötigen. Ermöglicht wird die Verurteilung der jeweiligen Herrscher zur Untätigkeit durch die Übernahme der von den oben beschriebenen Höherstehenden eingenommenen Position.

17 Punk - 1987 "It's 1987, and the punk movement is in serious danger."1 "Punk-Rocker wird Pfarrer"2 "Am 10. März steigt die erste Hälfte des K.G.B., nämlich Drummer Ralf und Gitarrist Uli in die Maschine Richtung Amiland."3 "Stadt erstattete Strafanzeige gegen 20 Hausbesetzer. Polizei hält sich noch zurück - Krisensitzung der Stadtspitze - Heute Gespräch mit den Punkern."4 "Die Chaos-Tag Termine für 1987: 21. - 30. 6. in Kiel (vor "Kaisers") 3. - 5. 7. in Celle (Treffpunkt: Schloß/Innenstadt) 15. / 16. 8. in Lübbecke (Ostwestfalen); Freibier So. 11 Uhr!"5 In der April Ausgabe 1987 der Apotheken Umschau muß das Photo eines eigentümlich frisierten weißhäutigen, jungen Mannes neben den einleitenden Sätzen des Beitrages "Die richtige Pflege für Problemhaar" Platz nehmen. 6 Zu sehen ist ein oberhalb der Nasenwurzel beginnender und in den Nacken verlaufender nach oben ge-kämmter Haarstreifen, etwa 10 cm hoch (Hinterkopf und Nacken et-was kürzer),7 im Wurzelbereich etwa 1 cm lang dunkel (gefärbt), der Rest rotorange mit blonden Spitzen. Vorne wird der Haarstreifen durch ein auf die Nase fallenden, etwa 2 cm breiten und 7 cm langen zopfähnlichen, weißblonden Pony abgeschlossen. Auf der dem Fotografen zugewandten kahlrasierten Schläfenseite befinden sich drei Reihen mit insgesamt zehn etwa 3 cm langen nach oben gedrehten Haarpyramiden. Deren Wurzelbereich ist wieder dunkel, die Spitzen sind blond. Oberhalb des Ohres beginnt - ungefähr am auslaufenden Wangenknochen - ein schmaler, dunkler, nach hinten parallel zum Mittelhaarstreifen verlaufender Haarstreifen. "Ruth Meierlein (28), Bühnenbildnerin findet Punker Tom (24), 'obergut'. 'Ich muß Leben in der Bude haben. Das muß richtig abgehen, ich kann nichts mit Schickimicki-Typen anfangen, die immer nur cool rumhängen. Ich steh' nun mal auf Punk'."8 "Die Prinzessin und der Punker. 'Bleib' ruhig sitzen!' Prinzessin Di (26) gab sich ganz locker, als sie Punker Pete in einem Heim für schwererziehbare Jugendliche in Wales besuchte. Pete, mit Irokesen-Schnitt und Nietenjacke, war ganz beeindruckt: 'Sie ist hinreißend.'"9

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aus einem Leserbrief an das MRR (No. 46, 3/87) WA Ζ, 7. Januar 1987; Photo und Text, dort heißt es u. a.: "Brian Ralch (20), früherer PunkRocker (...) ist jetzt zur Priesterausbildung in der anglikanischen Kirche von England zugelassen worden." Mit diesen Worten beginnt das private, neunseitige Tourtagebuch der Tübinger Punkrockband K.G.B. (Kein Grund zur Beruhigung). Überschrift in der Stadtzeitung Recklinghausen, dem Lokalteil der WAZ vom 5. Mai 1987. Kabeljau Nr. 8

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Punk - 1987

Brigitte Esser in: Apotheken Umschau (April 1987: 26). Das farbige Foto ist 106 mm χ 130 mm groß. Zu sehen ist die linke Gesichtshälfte, Schmuck und Anwendung auffälliger Kosmetika fehlen. Die am Hals beginnende Oberbekleidung ist unscharf dargestellt, Details sind nicht erkennbar. Der Artikel nimmt - wie in derartigen Publikationen üblich - an keiner Stelle Bezug auf die Abbildung. Über die Breite des Haarstreifens sind keine präzisen Angaben möglich, da die andere Hälfte des abgebildeten Kopfes nicht zu sehen ist. Auf der Titelseite der Bild-Zeitung vom 18. September 1987 (Schlagzeile: "Frau Barschel weinte: Furchtbar") liefern Miriam Frenzel und Mathias Muhlke unter dem Titel "Welche Frau fliegt auf welchen Mann?" eine quer über die ganze Seite verlaufende Spalte mit sieben abgebildeten Pärchen nebst dazugehörigem Text. "Trendy mag den Verrückten", "Sexy-Hexy und der Macho" - so und ähnlich lauten die Zuweisungen. Das Zitat ist mit "Flippie fliegt auf Punkie" übertitelt. Kommentar zu einem Photo in der Bild-Zeitung vom 17. November 1987.

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Literatur

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Punk

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Glossar 7": Seven inch; kleine Schallplatte, auch Single genannt. Sondergrößen werden in Anlehnung an diesen Begriff ebenfalls mit dem entsprechenden Durchmesser bezeichnet, ζ. B. 5" oder 10". 12": Twelve Inch; zunächst Bezeichnung für die sogenannten Maxi-Singles, dem im deutschsprachigen Raum üblichen Begriff für die meist wenige Songs enthaltenden Schallplatten in der Größe einer Langspielplatte. Airplay: Das Abspielen von Songs im Radio. Bisweilen Kriterium zur Erstellung von Hitparaden. Audio Tape: Im Publikum stehend aufgenommenes Konzert - meist ohne Genehmigung. Qualität schwankend, abhängig von Aufnahmegerät, Akustik, Soundqualität des Konzertes und Standort des Aufnehmenden. Die qualitativ besten Tapes erhält man, wenn man direkt vom Mischpult des Tontechnikers aufnehmen kann, diese Tapes bezeichnet man dann aber eher als Mixer-Tapes. Backstage: Hinter der Bühne; bezeichnet sowohl den gesamten, dem Publikum eines Konzertes nicht zugänglichen Bereich, als auch den Aufenthaltsraum für die Musiker vor und nach einem Auftritt. Badge: meist runde Anstecknadel, auch Button genannt, mit Photo, Logo, Namen oder Slogan. Bootleg: Ohne Genehmigung aufgenommenes und vorwiegend auf Schallplatte gepreßtes Konzert. Die Produktion wird strafrechtlich verfolgt, der Handel mit B. bewegt sich in der BRD in juristischen Grauzonen. Charts: Hitparade, (Pluraliatantum) Compilation: Tonträger mit Aufnahmen verschiedener Interpreten, z. B. C. - LP, C. - Video oder C. - Tape. C.s erhalten meist bei der Nennung in Discographien die Bezeichnung "various Artists" anstelle des ansonsten genannten Interpreten. Cover: a) Hülle, Umschlag; hier besonders: Schallplattenhülle; b) jede neue Version eines bereits von einem anderen Künstler eingespielten Songs. Beispiel: die Toten Hosen covern auf ihrer LP Never mind the Hosen neben mehreren anderen Schlagern den Song "Zwei Mädchen aus Germany" von Paul Anka. Discographie: Auflistung von Schallplatten, einige D.n führen auch Tapes auf. EP: Extended Play; 7" oder 12" mit mehr als zwei Songs. Fanzine: Von und für Fans hergestelltes Magazine einer Musikrichtung (ζ. B. Mod, Punk, Hardcore, Skin) oder Sportart (ζ. B. Fußball, Skateboard). Meist geringe Auflagen (mit 2000 Exemplaren gehört man schon zu den Szeneriesen); größtenteils unregelmäßige Erscheinungsweise; Format, Druckqualität, Umfang und inhaltliche Schwerpunkte uneinheitlich; nicht über normale Zeitschriftenverteiler erhältlich; frühe Ausgaben einiger Zines (Kurzform für F.s) entweder unauffindbar oder unerschwinglich. Flyer: Flugblatt, meist zur Ankündigung eines Konzertes verwendet. Gig: Einzelner Auftritt eines Künstlers oder einer Band.

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Glossar

Independent: Kurzform: Indie; ursprünglich Bezeichnung für von marktbeherrschenden Produzenten und Vertrieben unabhängige Schallplattenfirmen. Die Produkte dieser Labels erscheinen in den I. - Charts. Zunächst nur die Punk und angrenzende Musikformen produzierende Label betreffend, wird mit I. heute auch eine breite Palette musikalischer Ausdrucksformen bezeichnet (z. B. Indie-Pop), die sich nicht mehr unbedingt auf die Größe der die jeweiligen Künstler beherbergende Firma bezieht. Label: a) Schallplattenfirma; b) das auf den Schallplatten im Zentrum befindliche, meist bedruckte Papier. Merchandising: Herstellung, Vertrieb und Verkauf diverser, meistens einen bestimmten Künstler oder eine Band betreffende Artikel wie ζ. B. T-Shirts, Schals, Badges, Poster und Bildbände. Mit lizensiertem M. erzielen die "großen" Stars bei ihren Tourneen zum Teil größere Gewinne als alleine durch die Gagen für die Auftritte. MRR: Maximum Rock'n'Roll. Weltweit vertriebenes US-Fanzine, erscheint seit 1982 (seit 1984 monatlich), vermutlich das auflagenstärkste Fanzine. NME: New Musical Express. Wöchentlich erscheinende englische Musikzeitschrift in DIN-A3 Format, - bis auf vereinzelte Ausnahmen - durchgängig schwarzweiß. Das weltweit auflagenstärkste Wochenblatt. Novelty-Record: Schallplatte, meist (ver)albern(d), keiner gängigen Musikrichtung zuzuordnen. Für die Briten ist Benny Hill mit seinem Ernie ein Klassiker unter den N.R.s, im deutschen Musikgeschäft sind N.R.s nicht häufig anzutreffen, Beispiele lassen sich bei Bruce Low ("Kartenspiel"), Frank Zander und Didi Hallervorden finden. Promo: Wird meist in Verbindung mit anderen Begriffen angewendet und bezeichnet häufig ein speziell zu Werbezwecken (Promotion) eingesetztes Produkt. Beispiel: Promo-LP. Sampler: anderer Begriff für Compilation; siehe dort.

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