Die Gesellschafterbürgschaft in der Insolvenz der Personenhandelsgesellschaft: Eine Untersuchung zur Reichweite des § 93 InsO [1 ed.] 9783428521371, 9783428121373

Die Regelung des § 93 InsO soll verhindern, dass sich ein Gläubiger der dort genannten Gesellschaften in deren Insolvenz

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Die Gesellschafterbürgschaft in der Insolvenz der Personenhandelsgesellschaft: Eine Untersuchung zur Reichweite des § 93 InsO [1 ed.]
 9783428521371, 9783428121373

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 200

Die Gesellschafterbürgschaft in der Insolvenz der Personenhandelsgesellschaft Eine Untersuchung zur Reichweite des § 93 InsO

Von Jens Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JENS SCHMIDT

Die Gesellschafterbürgschaft in der Insolvenz der Personenhandelsgesellschaft

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 200

Die Gesellschafterbürgschaft in der Insolvenz der Personenhandelsgesellschaft Eine Untersuchung zur Reichweite des § 93 InsO

Von Jens Schmidt

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Wintersemester 2005 / 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D5 Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-12137-6 978-3-428-12137-3 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2005/2006 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Für die Drucklegung konnten Änderungen bis Mai 2006 berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Eberhard Schilken, bin ich zu großem Dank verpflichtet für die Betreuung der Arbeit, die während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an seinem Lehrstuhl für Zivilprozessrecht entstand. Er stand mir jederzeit mit Rat und Tat zur Seite und ermöglichte mit seiner zügigen Durchsicht und Bewertung meiner Arbeit ein Promotionsverfahren, wie man es sich nur wünschen kann. Herrn Prof. Dr. Walter Gerhardt möchte ich herzlich danken für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Ebenso gilt mein Dank Herrn Rechtsanwalt Hans P. Runkel. Er hat mich bei Auswahl und Bearbeitung meines Themas durch zahlreiche Gespräche und fruchtbare Ratschläge unterstützt und mir durch eine Mitarbeit in seiner Sozietät einen Einblick in die praktischen Fragen des Insolvenzrechts ermöglicht. Herrn Matthias Krüger danke ich von Herzen für die Anregungen und kritischen Hinweise, die sich aus der intensiven und sorgfältigen Durchsicht des Manuskripts ergaben. Diese Arbeit widme ich meiner Familie, denn die liebevolle Unterstützung durch meine Eltern, Sabine und Gunter Schmidt, meinen Bruder Peter und meine Freundin, Kerstin Emmert, war unverzichtbar. Ihnen danke ich von Herzen. Wuppertal, im September 2006

Jens Schmidt

Inhaltsverzeichnis Einleitung 15 A. Einführung in die Problematik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

15

B. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

Erstes Kapitel Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

21

A. Regelungssituation des § 93 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

B. Regelungssituation unter der Konkursordnung (KO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

C. Regelungsmechanismus des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine materielle Rechtsänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. These von den integrierten gemeinschaftlichen Inkassoverfahren . . . . . . . III. Eingeschränkte entsprechende Anwendung des § 80 Abs. 1 InsO . . . . . . IV. Ergebnis – Verlust und Erwerb der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Treuhändischer Erwerb des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 27 27 28 29 31

D. Regelungszweck des § 93 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 I. Gleichmäßige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 32 1. Bedenken Brinkmanns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 2. Regelungszweck nach der Ansicht von Brinkmann . . . . . . . . . . . . . . . . 34 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Sicherungsfunktion des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Bedenken am Schutz der Sanierungsmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Überwindung der Massearmut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 1. Feststellung der Verfahrenskostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Bedeutung des § 93 InsO bei der Feststellung der Verfahrenskostendeckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 a) Keine verbesserten Eröffnungschancen durch § 93 InsO . . . . . . . . 43 b) Materiellrechtliche Haftungserweiterung durch § 93 InsO . . . . . . . 45 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

10

Inhaltsverzeichnis aa) Keine materielle Haftungserweiterung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Keine haftungsrechtliche Zuordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48

E. Gesellschaftsformen im Sinne des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KG aA). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entsprechende Anwendung des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

48 49 50 51 53

Zweites Kapitel Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

54

A. Stand der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. LG Bayreuth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. OLG Schleswig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Bundesfinanzhof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.07.2002. . . . . . . .

54 54 56 57 59

B. Streitstand im Schrifttum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Keine Anwendung des § 93 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wortlaut und Gesetzessystematik des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unmittelbare Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft . . 2. Analoge Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft . . . . . . a) Bork . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Oepen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Brinkmann – Eingeschränkte analoge Anwendung des § 93 InsO. . . .

61 61 62 63 64 66 66 69 70 72 73

Drittes Kapitel Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

75

A. Ziel der Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 B. Bedeutung der Wortlautauslegung des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 C. Untersuchung der sprachlichen Fassung – Die Begriffe im Einzelnen. . . . . . . I. „Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Persönliche Verbindlichkeit und nicht Haftung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Anwendung auf die Parallelbürgschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78 78 79 79 79

Inhaltsverzeichnis

11

c) Bewertung der geführten Kontroverse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wortlautargument? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verwendung des Plurals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Persönlich“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Haftung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Haftung“ als eine auf eine Schadensersatzpflicht zielende Einstandspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenüberstellung von Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bedeutung dieser Begriffsbildung für die Haftung im Sinne von § 93 InsO. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

80 80 81 82 83 85

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen – „Die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. . . . . . I. Innerer Kontext der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Bedeutungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auswirkung auf den Auslegungsgegenstand. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterstützung durch den Sprachgebrauch des Gesetzgebers der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Traditioneller Sprachgebrauch des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorrang eines besonderen juristischen Sprachgebrauchs . . . . . . . . . . . . 2. Unmissverständliche Einschränkung des Wortlauts. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterschiede im Wortlaut des § 93 InsO zu handelsrechtlichen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 85 86 87 87 87 88 88 89 90 91 92 93 94 95

Viertes Kapitel Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

97

A. Wesen einer systematischen Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

97

B. Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98

C. Systematisches Verhältnis zu § 171 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 I. Kritik an der systematischen Einordnung des § 93 InsO. . . . . . . . . . . . . . . 98 II. Bedeutung der Kritik für die Auslegung des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . 99 III. Untersuchung des äußeren Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 1. Sachlicher Grund für Einordnung in der Insolvenzordnung . . . . . . . . . 100 2. Unterstützung durch die Technik des Gesetzgebers der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

12

Inhaltsverzeichnis 3. Die Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB selbst als Gegenstand systematischer Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

D. Gesetzliche Systematik innerhalb der Insolvenzordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begründungsansatz des BGH. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zulässigkeit der Heranziehung insolvenzplanrechtlicher Bestimmungen . IV. Vergleich von Regelinsolvenz- und Insolvenzplanverfahren . . . . . . . . . . . . 1. Gegenüberstellung von § 227 Abs. 2 InsO und § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vergleich mit der bisher geltenden Rechtslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

102 102 103 104 106 106 107 109

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 Fünftes Kapitel Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

110

A. Bedeutung der Gesetzeshistorie für die Auslegung des § 93 InsO . . . . . . . . . . 110 B. Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt. . . . . . . . . . . . I. Historische Relevanz des § 171 Abs. 2 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . 1. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht von 1985 . . . . . . . . a) Insolvenzrechtsreform und Reorganisation – Gutachten von K. Schmidt zum 54. Deutschen Juristentag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ablehnung dieses Vorschlags durch den Kommissionsbericht . . . . c) Kritik an diesem Verständnis des Kommissionsberichts. . . . . . . . . . d) Stellungnahme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Allgemeingültigkeit der Begründung des Leitsatzes 6.2 . . . . . bb) Haftungsabwicklung nach den Vorstellungen der Insolvenzrechtskommission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Weitere Entwicklung der Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs. . . . . . . . . . . . . . . b) Begründung des Diskussions- und Regierungsentwurfs zu § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ausschließliche Erwähnung des § 128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beispielhafte Erwähnung des § 128 HGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) § 128 HGB – Paradigma der gesetzlichen Gesellschafterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

111 112 114 114 115 116 117 118 119 122 123 124 126 126 127 127

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Inhaltsverzeichnis

13

Sechstes Kapitel Normzweck des § 93 InsO – Sicherungszweck paralleler Sicherheiten versus Gesetzesumgehung

129

A. Wesen der teleologischen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 B. Bestimmung des Normzwecks des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 C. Meinungsstand – Bedeutung des Normzwecks für die Parallelbürgschaft . . . 130 I. Begrenzung des Normzwecks – Gesamtberechtigung der Gläubigergesamtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 II. Ausweitung des Normzwecks – Wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 D. Untersuchungsbedarf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Berücksichtigung des Vorwurfs der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzesumgehung als Problem der Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . 2. Begründetheit des Vorwurfs der Gesetzesumgehung . . . . . . . . . . . . . . . a) Darstellung des Begründungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tragfähigkeit des Begründungsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung – Unzulässige Sachverhaltsbeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Besondere wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten (1) Keine Schaffung zusätzlicher Haftungsmasse . . . . . . . . . . (2) Keine Anspruchskumulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Keine bloße Umgehungsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Rechtliche Selbständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sicherungszweck der Parallelbürgschaft. . . . . . . . . . . . (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellung als Privatgläubiger des Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Berücksichtigung des Ausnahmecharakters des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . 1. Ausnahmecharakter des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Berücksichtigung bei der Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Funktionsuntauglichkeit der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO? . . . . . 1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausfallhaftungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vollanmeldungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung für die teleologische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 135 136 138 138 140 140 143 143 143 144 144 147 152 152 156 156 156 157 158 158 159 161 162

14

Inhaltsverzeichnis Siebtes Kapitel Bewertung der Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

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A. Bewertung der Gesetzesauslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der Abgrenzung von restriktiver Auslegung und teleologischer Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Notwendigkeit der Abgrenzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Meinungsstand – Restriktive Auslegung oder teleologische Reduktion des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme – Auslegung oder teleologische Reduktion des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundvoraussetzung für methodisch geleitete Rechtfertigung. . . . . . . . 2. Überbewertung der Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unzureichende Berücksichtigung der ratio legis des § 93 InsO . . . . . . 4. Unzureichende Berücksichtigung des möglichen Wortsinns des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zutreffende methodische Begründung der Einschränkung des § 93 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsfortbildung des § 93 InsO in Form einer teleologischen Reduktion . . . I. Ausgangspunkt einer Rechtsfortbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen der teleologischen Reduktion des § 93 InsO . . . . . . . . . . 1. Regelungszweck des § 93 InsO selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sinnzusammenhang des Gesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 Achtes Kapitel Zusammenfassung der Ergebnisse

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Einleitung A. Einführung in die Problematik „Das Insolvenzverfahren dient dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen.“ Dies ist nach § 1 Satz 1 InsO Ziel eines jeden Insolvenzverfahrens. Die gemeinschaftliche Befriedigung sämtlicher Gläubiger ist Ausdruck des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung. Dieser Grundsatz der „par condicio creditorum“ beherrscht die gesamte Insolvenzordnung. Seine Geltung und Verwirklichung steht auf dem Prüfstand, wenn es um die Bedeutung der Bürgschaft eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters bei der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO geht: „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.“

Diese Vorschrift versucht zu verhindern, dass sich Gläubiger einer Gesellschaft in der Gesellschaftsinsolvenz durch einen schnelleren Zugriff auf das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafter Sondervorteile verschaffen.1 Zur Vermeidung eines solchen Wettlaufs der Gläubiger um das zusätzlich haftende Gesellschaftervermögen ist nach § 93 InsO allein der Insolvenzverwalter der Gesellschaft berechtigt, die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft geltend zu machen. Der Gläubiger selbst ist hingegen gehindert, aus einer solchen Haftung gegen den persönlichen haftenden Gesellschafter vorzugehen. Dies bewirkt eine Ausweitung des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes zu Lasten des Prioritätsprinzips. Denn grundsätzlich beschränkt sich das Gebot gemeinschaftlicher Gläubigerbefriedigung auf das Vermögen des Insolvenzschuldners. In der Insolvenz einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) erfolgt eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung nur aus dem Gesellschaftsvermögen, nicht hingegen aus dem schuldnerfremden und somit insolvenzfreien Vermögen der unbeschränkt haftenden Gesellschafter. Durch § 93 InsO aber erfolgt künftig auch aus diesem zusätzlich haftenden Vermögen 1

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140.

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Einleitung

eine gemeinschaftliche Befriedigung, soweit es um die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft geht. Die Verwirklichung dieser Ausweitung hängt entscheidend davon ab, was § 93 InsO mit „persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ meint. Gemeint sein kann entweder nur die gesetzliche Haftung als Gesellschafter oder aber auch die Haftung eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters aufgrund einer zusätzlichen persönlichen Schuldverpflichtung. Als zusätzliche Gesellschafterpersonalsicherheit kommt neben einer selbständigen Garantieerklärung, einem Schuldbeitritt, einer Patronatserklärung oder einem abstrakten Schuldanerkenntnis des persönlich haftenden Gesellschafters insbesondere eine Gesellschafterbürgschaft in Betracht. Auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung ist § 93 InsO zweifelsohne anwendbar. Paradigma einer solchen Haftung ist § 128 Satz 1 HGB.2 Fällt allein diese Haftung in den Anwendungsbereich des § 93 InsO, so ist die beabsichtigte Ausweitung einer gleichmäßigen Befriedigung dem Risiko eines unmittelbaren Zugriffs zusätzlich gesicherter Gläubiger ausgesetzt. Insbesondere Großgläubiger der Gesellschaft werden sich um eine parallele Sicherheiten durch den bereits unbeschränkt haftenden Gesellschafter bemühen. Die Gefahr eines unmittelbaren Zugriffs auf das Privatvermögen des Gesellschafters durch einzelne Gläubiger besteht hingegen nicht, wenn auch die Haftung aus solchen parallelen Gesellschaftersicherheiten von § 93 InsO erfasst ist. Dann nämlich sind die Gläubiger der Gesellschaft sowohl von der Geltendmachung des gesetzlichen als auch des parallelen Haftungsanspruchs zugunsten einer Zuständigkeit des Insolvenzverwalters der Gesellschaft ausgeschlossen. Zu untersuchen sein wird damit die Anwendbarkeit des § 93 InsO auf konkurrierende Parallelsicherheiten. Erfolgen soll diese Untersuchung am Beispiel der Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters. Die Bürgschaft ist der praktische Regelfall einer zusätzlichen Gesellschafterpersonalsicherheit. Auch Literatur und Rechtsprechung diskutieren eine über die gesetzliche Gesellschafterhaftung hinausgehende Anwendung des § 93 InsO auf Personalsicherheiten ausschließlich am Beispiel der Bürgschaft. Gleichwohl sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Frage der Anwendbar2 Dass im Laufe der Untersuchung daher stets von der Haftung nach § 128 Satz 1 HGB die Rede sein wird, ändert nichts daran, dass sich mit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), der Partnerschaftsgesellschaft (PartG), der Partenreederei, einer Kommanditgesellschaft (KG), der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) und auch der Kommanditgesellschaft auf Aktien (KG aA) auch andere Gesellschaften (zumindest teilweise) aus Gesellschaftern zusammensetzen, die von Gesetzes wegen persönlich haften. Vgl. hierzu 1. Kapitel, E.

B. Gang der Darstellung

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keit des § 93 InsO Garantie, Schuldbeitritt und abstraktes Schuldanerkenntnis gleichermaßen betrifft. Während sich das Schrifttum mit einer darüber hinausgehenden Anwendung des § 93 InsO auf die Bürgschaft seit Einführung dieser durch die Insolvenzordnung neu geschaffenen Vorschrift auseinandersetzt,3 sah sich die Rechtsprechung erst in jüngerer Zeit veranlasst, zur Reichweite der von § 93 InsO gemeinten persönlichen Haftung eines Gesellschafters Stellung zu nehmen. Neben ein frühes erstes Urteil des LG Bayreuth4 traten zuletzt eine Entscheidung des BFH5 und eine zu einem Urteil des OLG Schleswig6 ergangene Revisionsentscheidung des BGH7. Anlass und Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist damit in erster Linie der Umgang der Gerichte mit dem seit der Einführung der Insolvenzordnung diskutierten und durch die auftretende Rechtsprechung an Bedeutung gewonnenen Problem der Parallelbürgschaft.8 Im Vordergrund steht hierbei die Untersuchung der Begründungsansätze des BGH.9

B. Gang der Darstellung Nach einer einleitenden Darstellung der Grundlagen einer Haftungsabwicklung nach § 93 InsO (Erstes Kapitel) sowie einem Überblick über den Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung zur Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft (Zweites Kapitel) folgt die Auslegung des § 93 InsO nach dem Wortlaut (Drittes Kapitel), der gesetzlichen Systematik (Viertes Kapitel), der Historie (Fünftes Kapitel) sowie der ratio legis 3 Oepen, Rz. 269 ff.; Pelz, S. 85 f.; Bork, ZIP 1999, 1988 (1991); Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1092); Gerhardt, ZIP 2000, 2181 (2188); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082); K. Schmidt, in: Die neue Insolvenzordnung (Bankrechtstag 1999), S. 20 f.; ders., ZGR 1996, 209 (218 f.); Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626). 4 LG Bayreuth v. 30.05.2000 – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782. 5 BFH v. 02.11.2001 – VII B 155/01 (FG Kiel, EFG 2001, 1177), BFHE 197, 1 = BFH ZIP 2002, 179. 6 OLG Schleswig v. 21.09.2001 – 1 U 207/00, ZIP 2001, 1968. 7 BGH v. 04.07.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245 = BGH ZIP 2002, 1492. 8 Vgl. hierzu die unter Berücksichtigung der Rechtsprechung erschienenen Beiträge: Bitter, ZInsO 2002, 557; ders., WuB VI C § 93 InsO 1.02; Bork, NZI 2002, 362; ders., in: RWS-Forum 2003, 97; Brinkmann, ZGR 2003, 264; Bunke, NZI 2002, 591; ders., KTS 2002, 471; Fuchs, EWiR 2002, 163; Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25; Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189; dies., DStR 2002, 1095; Haas/Müller, NZI 2002, 366; Huber, LMK 2003, 119; Kesseler, ZInsO 2002, 549; ders., ZIP 2002, 1974; ders., DZWIR 2003, 488; Kling, ZIP 2002, 881; Oepen, ZInsO 2002, 162; Welzel, EWiR 2003, 335; Wessel, EWiR 2002, 217; ders., DZWIR 2002, 53. 9 BGHZ 151, 245 = ZIP 2002, 1492.

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Einleitung

(Sechstes Kapitel). Die dann anschließende Bewertung der Auslegungsergebnisse befasst sich mit der Grenze zulässiger Gesetzesauslegung und der Notwendigkeit, den befürworteten Anwendungsbereich durch eine Rechtsfortbildung rechtfertigen zu müssen (Siebtes Kapitel). Damit bestimmt die Auslegung des § 93 InsO Gegenstand und Gang der Darstellung. Mit Hilfe der anerkannten Auslegungskriterien soll Klarheit darüber geschaffen werden, ob „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ nur die gesetzliche Gesellschafterhaftung oder auch die Parallelbürgschaft meint. Jede Auslegung eines Texts beginnt mit dem Wortsinn. Dieser ist für die Gesetzesauslegung von zentraler Bedeutung. Er fungiert als Kriterium und Grenze der Auslegung zugleich. Eine nicht vom möglichen Wortsinn gedeckte Lesart wird sich an den zusätzlichen Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung messen lassen müssen. Das zutreffende sprachliche Verständnis der „persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ verlangt in einem ersten Schritt die isolierte Betrachtung der einzelnen Worte und Wortverbindungen. In Augenschein zu nehmen sind daher die Begriffe „Haftung“ und „persönlich“ sowie der Ausdruck „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Im Anschluss hieran wird zu untersuchen sein, ob „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ als Gesamtheit einem feststehenden besonderen juristischen Sprachgebrauch entspricht. So könnte ein Blick in andere Gesetze belegen, dass dieser Begriff stets nur die Haftung aufgrund der Gesellschafterstellung meint. Bemüht man die Gesetzessystematik, so interessiert die Gegenüberstellung von § 93 InsO und dem für die unmittelbare Außenhaftung eines Kommanditisten geschaffenen Einzugsvorbehalt des § 171 Abs. 2 HGB. Von Belang sein wird ferner das Verhältnis zwischen § 93 InsO und den aus dem Konkurs- und Vergleichsrecht übernommenen Bestimmungen über die insolvenzrechtliche Behandlung einer Parallelbürgschaft im Regelinsolvenzverfahren einerseits (§ 68 KO und § 43 InsO) und im Insolvenzplanverfahren andererseits (§§ 193 Satz 2, 211 Abs. 2 KO, §§ 82 Abs. 2, 109 Nr. 3 VerglO und §§ 227 Abs. 2, 254 Abs. 2 Satz 1, 301 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Untersuchung dieser gesetzlichen Systematik steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einem Begründungsansatz des BGH.10 Das Gericht erachtet allein eine ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung als systemgerecht. Nur auf diese Weise könne dem regelmäßig erst in der Insolvenz des Hauptschuldners liegenden Wert einer Bürgschaft Rechnung getragen werden. Dies untermauert der BGH durch Bezugnahme auf die §§ 254 Abs. 2 Satz 1, 301 Abs. 2 Satz 1 InsO, die 10

BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494).

B. Gang der Darstellung

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gerade die Verwirklichung des Sicherungszwecks der Bürgschaft in der Insolvenz verkörpern. Zu untersuchen sein wird daher zum einen die Bedeutung dieser Bestimmungen für den Regelungsinhalt des § 93 InsO und zum anderen der Wert einer Parallelbürgschaft im Vergleich zur Bürgschaft eines beliebigen Dritten. Letzteres betrifft ganz wesentlich die Teleologie des Gesetzes und wird daher umfassend erst in der teleologischen Auslegung des § 93 InsO erörtert. Im Anschluss an die Gesetzessystematik wird die Bedeutung der Historie untersucht. Das Augenmerk gilt hierbei zum einen dem vom Gesetzgeber der Insolvenzordnung vorgefundenen Rechtszustand (§ 171 Abs. 2 HGB, §§ 193 Satz 2, 211 Abs. 2, 212 KO, §§ 82 Abs. 2, 109 Nr. 3 VerglO) und zum anderen der Entstehungsgeschichte des § 93 InsO (§ 105 RegE) selbst. Letztere erschließt sich aus der Zusammenschau eines für den Deutschen Juristentag im Jahre 1984 gefertigten Gutachtens,11 dem Ersten Bericht der Kommission für Insolvenzrecht12 sowie den Begründungen des Regierungs-13 und auch des Diskussionsentwurfs14 zur Schaffung der Insolvenzordnung. Die herrschende Meinung schließt aus der Historie, dass dem Gesetzgeber die rechtliche Problematik der Parallelsicherheiten bekannt war und er bewusst die vorgeschlagene weite Fassung des § 93 InsO abgelehnt hat.15 Zu überprüfen sein wird in besonderer Weise diese im Kommissionsbericht erkannte Ablehnung. Schließen wird die Auslegung des § 93 InsO mit einer Untersuchung der ratio legis. Ausweislich der Gesetzesmaterialien will § 93 InsO den Wettlauf der Gläubiger um das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafter verhindern. Zu erörtern sein wird die Zulässigkeit und Reichweite dieses Regelungszwecks. Ob § 93 InsO in zulässiger Weise eine gleichbehandlungssichernde Funktion hat, betrifft das Verhältnis zu § 1 Satz 1 InsO. Anders als es diese Zielbestimmung der Insolvenzordnung vorsieht, macht § 93 InsO mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung aus dem Vermögen des Gesellschafters von einem anderen Ereignis als der Insolvenz des Vermögensträgers abhängig. Die durch diesen Ausnahmecharakter erforderliche Rechtfertigung betrifft dann die Reichweite des Normzwecks. Diese Rechtfertigung wird bestimmt durch die Gesamtberechtigung der Gläubiger der Gesellschaft hinsichtlich des Gesellschaftervermögens. Bei 11 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (47 f.). 12 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Leitsätze 2.4.9.7. und 6 ff. 13 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 139 f. 14 Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. 877. 15 Statt vieler: BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494).

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Einleitung

diesem Kriterium der Gesamtberechtigung wird es auf den Begriff und die Rechtsposition eines Privatgläubigers des Gesellschafters, die methodische Einordnung und Berechtigung des Vorwurfs einer Umgehung des § 93 InsO, dem Wesen einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und den Wert persönlicher Schuldverpflichtungen von persönlich haftenden Gesellschaftern ankommen. Der teleologischen Auslegung folgen eine Bewertung der Auslegungsergebnisse und eine Auseinandersetzung mit dem möglichen Wortsinn der Vorschrift als Grenze zulässiger Auslegung. Von dieser Grenze hängt ab, ob ein nach seinem Wortsinn zu weit geratener Anwendungsbereich nach Sinn und Zweck der Vorschrift reduziert oder umgekehrt ein zu eng formulierter Tatbestand durch entsprechende Anwendung ausgeweitet werden muss. In diesem Punkt beschränken sich Literatur und Rechtsprechung auf die Erörterung einer Analogie zu § 93 InsO. Dies wird vor dem Hintergrund einer unzureichenden Auseinandersetzung mit dem Gesetzeswortlaut kritisch zu überprüfen sein. Besondere Berücksichtigung wird damit die nicht diskutierte Notwendigkeit finden, die von der herrschenden Meinung für zutreffend erachtete Einschränkung des § 93 InsO auf die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht an den Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion messen zu müssen.

Erstes Kapitel

Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO A. Regelungssituation des § 93 InsO Einfacher Grundfall des § 93 InsO ist die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer OHG.1 Für die Verbindlichkeiten dieser Gesellschaft haften die Gesellschafter kraft ihrer Gesellschafterstellung unbeschränkt persönlich (§§ 105 Abs. 1, 128 Satz 1 HGB). Im Insolvenzverfahren der Gesellschaft kann ein ungesicherter Gläubiger seine Forderung gegen die Gesellschaft nur als einfacher Insolvenzgläubiger geltend machen (§§ 38, 87, 174 ff. InsO). Wegen der nur quotenmäßig zu erwartenden Erfüllung werden die meisten Gläubiger bemüht sein, sich zur Befriedigung ihrer Forderung an die unbeschränkt haftenden Gesellschafter zu halten.2 Gerechtfertigt ist diese allen Gläubigern der Gesellschaft als zusätzlicher Haftungsfonds dienende Gesellschafterhaftung durch die bei der Personengesellschaft fehlende Kapitalsicherung. Da also der Kredit einer solchen Gesellschaft nicht auf einem gesetzlichen System der Kapitalsicherung, sondern auf der Person der Gesellschafter beruht, müssen diese als Preis für die Wahl einer Gesellschaft ohne gläubigersichernde Maßnahmen zwingend unbeschränkt gesetzlich haften.3 Dieser Möglichkeit, in der Gesellschaftsinsolvenz im zusätzlich haftenden Gesellschaftervermögen ohne die Beschränkungen eines Insolvenzverfahrens Befriedigung zu suchen, steht seit Einführung der Insolvenzordnung die Regelung des § 93 InsO entgegen.4 Als persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann der gesetzliche Haftungsanspruch (§ 128 HGB) allein vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden.5 Dieser wird die beim Gesellschafter eingezogenen Beträge über die Quote an die am Insolvenzverfahren der Gesell1

Zu den anderen Gesellschaftsformen siehe unten E. Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 1. 3 BGHZ 73, 217 (221); BGHZ 23, 302 (305); Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rz. 1; Ebenroth/Boujong/Joost/Hillmann, HGB, § 128 Rz. 1; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 I 1. 4 Mohrbutter/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, S. 567. 5 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 7. 2

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

schaft beteiligten Gläubiger ausschütten. Geraten die in Anspruch genommenen Gesellschafter gleichsam in die Insolvenz, so nimmt der Insolvenzverwalter der Gesellschaft zur Durchsetzung der Haftungsansprüche an dem über das Privatvermögen der Gesellschafter eröffneten Insolvenzverfahren teil.6

B. Regelungssituation unter der Konkursordnung (KO) Beschäftigt man sich mit einer insolvenzrechtlichen Fragestellung, so gehört neben der Insolvenzordnung auch stets die durch die Insolvenzordnung abgelöste Konkursordnung zu den relevanten Rechtsquellen. Paradigma einer unbeschränkten Gesellschafterhaftung ist auch für das bislang geltende Konkursrecht die Haftung eines OHG-Gesellschafters. Für das Vermögen einer solchen Gesellschaft sah die Konkursordnung in § 209 Abs. 1 KO ausdrücklich die Durchführung eines selbständigen Konkursverfahrens vor.7 Befand sich allein die Gesellschaft in Konkurs, nicht aber der unbeschränkt haftende Gesellschafter, so konnte der Gläubiger seine Ansprüche im Konkursverfahren anmelden und war im Übrigen nicht daran gehindert, diese gegen die vollhaftenden Gesellschafter mit allen Mitteln weiterzuverfolgen.8 Umfang und ursprüngliche Gestalt der Gesellschafterhaftung blieben damit von der Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Gesellschaftsvermögen unberührt.9 Unberührt blieb auch die Legitimationsbefugnis.10 Geltend gemacht werden konnte die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB allein von den materiell berechtigten Haftungsgläubigern.11 Der Konkursverwalter hingegen konnte unbeschränkt haftende Gesellschafter nicht zur 6 So bereits entschieden durch BGH KTS 2002, 310 (311). Zustimmend Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (101). Zu der Beteiligung des Insolvenzverwalters der Gesellschaft an einem möglichen (Verbraucher-)Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters vgl. insbesondere Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1090 ff.). 7 Müller, NJW 1968, 225. 8 Wissmann, S, 106 ff.; BGH ZIP 1986, 1240 (1241); BGHZ 121, 179 (189); BGHZ 82, 209 (214); Jaeger-Weber, KO, § 212 Rz. 1; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 212 Rz. 1. Anderer Ansicht war soweit ersichtlich allein Wochner, BB 1983, 517 (521 f.). Wochner wertet die Eröffnung eines Konkursverfahrens über das Gesellschaftsvermögen als Einwendung im Sinne des § 129 Abs. 1 HGB. 9 Ausführlich zur Einwirkung des Konkurses der OHG auf die unbeschränkte Gesellschafterhaftung und den in diesem Zusammenhang bestehenden rechtlichen Schwierigkeiten vgl. Blomeyer, BB 1968, 1461; Mohrbutter, NJW 1968, 1125; Müller, NJW 1968, 225; ders., NJW 1968, 2230. 10 BGHZ 121, 179 (189); BGHZ 82, 209 (214); Mohrbutter/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, S 565; Müller, NJW 1968, 225. 11 BGH WM 1957, 1537; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 212 KO Anm. 2; Armbruster, S. 217 ff.; Jawansky, DB 2003, 2757 (2759); Kesseler, DZWIR 2003, 488; K. Schmidt, Einhundert Jahre Konkursordnung, 247 (267).

B. Regelungssituation unter der Konkursordnung (KO)

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Haftung heranziehen.12 Anders verhielt es sich bei der beschränkten Kommanditistenhaftung.13 Diese konnte bereits unter bislang geltendem Konkursrecht allein vom Konkursverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden.14 Eine Übertragung dieser noch heute geltenden Regelung des § 171 Abs. 2 HGB auf die Haftung nach § 128 Satz 1 BGB kam nicht in Betracht. Denn die Befugnis des Verwalters ergibt sich schon dann nicht mehr aus § 171 Abs. 2 HGB, wenn der Kommanditist nach § 176 Abs. 1 HGB ausnahmsweise einmal unbeschränkt haftet. Daher konnte die Vorschrift erst Recht nicht auf die Inanspruchnahme des persönlich haftenden Gesellschafters übertragen werden.15 Damit fehlte unter bislang geltendem Konkursrecht eine § 93 InsO vergleichbare Regelungssituation. Eine gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger der Gesellschaft aus dem Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafter war damit der Eröffnung des Gesellschafterkonkurses vorbehalten.16 Konsequenz dessen war ein durch den Konkurs der Gesellschaft ausgelöster Wettlauf der Gläubiger um das Gesellschaftervermögen.17 Dieser Rechtszustand wurde als unbefriedigend kritisiert.18 Der Blick auf das bisher geltende Konkursrecht offenbart einen weiteren Regelungsunterschied. Befanden sich sowohl Gesellschaft als auch Gesellschafter in Konkurs, konnte der Gesellschaftsgläubiger im Vermögen des Gesellschafters nur in Höhe des im Konkurs der Gesellschaft erlittenen Ausfalls Befriedigung suchen (§ 212 Abs. 1 KO).19 Zum Schutz der Privatgläubiger des Gesellschafters galt das Ausfallprinzip. Ohne dieses Prinzip hätten die Gesellschaftsgläubiger doppelte Befriedigung suchen können; zum einen aus dem Gesellschaftsvermögen und zum anderen aus dem zusätzlich haftenden Privatvermögen des Gesellschafters.20 Die Insolvenzordnung hat diese Regelung des § 212 Abs. 1 KO nicht übernommen. Ob das Ausfallprinzip durch die Insolvenzordnung damit nur rechtstechnisch oder auch inhaltlich beseitigt wurde, soll im Zusammenhang mit den notwendigen teleologischen Überlegungen erörtert werden.21 12

Mohrbutter/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, S. 565. Kesseler, DZWIR 2003, 488 (489). 14 K. Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, S. 126 f. Zur möglichen Vorbildfunktion des § 171 Abs. 2 HGB für die Schaffung des § 93 InsO siehe unten 5. Kapitel, C. I. 15 BGHZ 121, 179 (191). 16 BGHZ 121, 179 (189) m. w. N. 17 Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626); K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 VI 3 a. 18 BGHZ 121, 179 (190) m. w. N. 19 Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 212 KO Anm. 2; MünchKomm-Brandes, InsO, § 93 Rz. 24; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 2. 20 K. Schmidt, Einhundert Jahre Konkursordnung, 247 (267 f.). 13

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

Damit bestand unter Geltung der Konkursordnung bei gleichzeitigem Konkurs von Gesellschaft und Gesellschafter ein Bedürfnis für die Übernahme einer Parallelbürgschaft. Denn anders als bei einer Inanspruchnahme aus der Gesellschafterhaftung unterlag der Bürgschaftsanspruch dem Prinzip der Doppelberücksichtigung (§ 68 KO).22 Befand sich hingegen allein die Gesellschaft in Konkurs, bestand ein solches Bedürfnis nicht. Dann nämlich galt sowohl für die Bürgschaft23 als auch für die Gesellschafterhaftung24 das Doppelberücksichtigungsprinzip des § 68 KO. Der Gläubiger konnte damit im Gesellschaftskonkurs mit seiner vollen Forderung auch dann teilnehmen, wenn er während des Verfahrens Befriedigung von einem Gesellschafter erlangt hatte. Die eigentliche Bedeutung paralleler Sicherheiten war aber eine andere. Die zusätzliche Übernahme einer Bürgschaft sollte eine Inanspruchnahme des Gesellschafters nach Abschluss eines (Zwangs-)Vergleichsverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ermöglichen. Anders als die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB war der Bürgschaftsanspruch nicht von den Wirkungen eines (Zwangs-)Vergleichs erfasst. Die § 193 Satz 2 KO, § 82 Abs. 2 VerglO sahen vielmehr vor, dass die Rechte der Gläubiger gegen Bürgen durch den Abschluss des (Zwangs-)Vergleichs nicht berührt werden.25 Nach den § 211 Abs. 2 KO, § 109 Nr. 3 VerglO hingegen begrenzte ein (Zwangs-)Vergleich über das Gesellschaftsvermögen zugleich den Umfang der Haftung nach § 128 Satz 1 HGB.26 Diesen Bestimmungen des Konkurs- und Vergleichsrechts entsprechen ausweislich der Gesetzesmaterialien nach Einführung der Insolvenzordnung die Planbestimmungen der §§ 227 Abs. 2, 254 Abs. 2 Satz 1 InsO.27 Anders als im Konkurs- und Vergleichsrecht wird aber nunmehr die Einordnung der Bürgschaft des persön21 Soweit auf diese höchst aktuelle Streitfrage, in welchem Umfang der Insolvenzverwalter nach § 93 InsO die gesellschaftsrechtliche Haftung realisieren kann, einzugehen sein wird, vgl. Kapitel 6 IV. Im Schrifttum vgl. hierzu: MünchKomm/ K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 86 ff.; Bitter, ZInsO 2002, 557 (559); Bork, in: RWSForum 2003, 97 (102 f.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077; Kesseler, DZWIR 2003, 488 (492); v. Olshausen, ZIP 2003, 1321. 22 Brinkmann, S. 161. Zum Doppelberücksichtigungsprinzip vgl. Bitter, ZInsO 2003, 490 (492). 23 Zur Anwendbarkeit des § 68 KO auf die Bürgschaft vgl. BGH NJW 1969, 796 und Kuhn, KTS 1957, 68. 24 Vgl hierzu die ausführliche Auseinandersetzung bei Wissmann, S. 105 ff. 25 Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 193 KO Anm. 4 a, § 82 VerglO Anm. 5; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 193 Rz. 9 a. 26 Bley/Mohrbutter, VerglO, § 109 Anm. 21; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 211 KO Anm. 3, § 109 VerglO Anm. 5 a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 211 Rz. 4 c; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 211 KO Anm. 3, § 109 VerglO Anm. 5 a. 27 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 202 und 213.

C. Regelungsmechanismus des § 93 InsO

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lich haftenden Gesellschafters kontrovers diskutiert. Bestanden bislang keine Zweifel an einer Anwendung der § 193 Satz 2 KO, § 82 Abs. 2 VerglO, wird jetzt von Teilen der insolvenzrechtlichen Literatur die Ausweitung der Haftungsbegrenzung des § 227 Abs. 2 InsO (§ 211 Abs. 2 KO, § 109 Nr. 3 VerglO) auf die Parallelbürgschaft vertreten.28 Begründet wird diese Anwendung des § 227 Abs. 2 InsO mit Hinweis auf den Umgehungscharakter einer solchen Bürgschaft. Dieser Vorwurf der Gesetzesumgehung betrifft gleichsam § 93 InsO. Seiner Berechtigung wird daher zu einem späteren Zeitpunkt nachzugehen sein.29 Für den Blick auf die Regelungssituation unter der Konkursordnung soll die Feststellung genügen, dass mit der Anwendung der § 193 Satz 2 KO, § 82 Abs. 2 VerglO und der dadurch gewährleisteten Inanspruchnahme des unbeschränkt haftenden Gesellschafters nach Abschluss eines (Zwangs-)Vergleichsverfahrens ein großes praktisches Bedürfnis an der zusätzlichen Bürgschaftsübernahme bestand. Bei ausschließlicher Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung könnte dieses Bedürfnis unter Geltung der Insolvenzordnung eine beträchtliche Ausweitung erfahren haben.

C. Regelungsmechanismus des § 93 InsO Zum besseren Verständnis des § 93 InsO soll ein Blick auf den Regelungsmechanismus der Vorschrift geworfen werden. Die nach § 1 Satz 1 InsO gebotene gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger erfasst das gesamte Vermögen, das einem Schuldner zur Zeit der Verfahrenseröffnung gehört und das er während des Verfahrens erlangt (§ 35 InsO). Zu dieser Insolvenzmasse gehören Forderungen des Insolvenzschuldners gegen seine Schuldner (Drittschuldner). Die Einziehung dieser Forderungen versteht sich als Verwertung der Insolvenzmasse und ist nach § 80 Abs. 1 Satz 1 InsO Aufgabe des Insolvenzverwalters.30 Mit Einführung der Insolvenzordnung obliegt diesem gemäß § 93 InsO darüber hinaus die Geltendmachung der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Grundlage dieser einheitlichen Einziehung der Haftungsforderungen ist die Sperr- und Ermächtigungswirkung des § 93 InsO.31 28 Oepen, Rz. 304 ff.; ders., ZInsO 2002, 162 (167 ff.); Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1976 f.); ders., ZInsO 2002, 549 (554 ff.); ders., DZWIR 2003, 488 (491 f.). 29 Vgl. hierzu 6. Kapitel, E. I. 2. 30 Pape/Uhlenbruck, Insolvenzrecht, Rz. 552 ff. 31 Die im Zusammenhang mit § 171 Abs. 2 HGB erfolgte Einführung dieser Terminologie geht zurück auf K. Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, S. 125 ff. Zu dieser Grundstruktur vgl. auch Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (98) und MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 85.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

Durch die Sperrwirkung sind die einzelnen Gläubiger von der Geltendmachung der Ansprüche ausgeschlossen. Die Ermächtigungswirkung der Vorschrift berechtigt den Insolvenzverwalter, die persönliche Haftung eines Gesellschafters geltend zu machen. Umstritten ist die rechtliche Konstruktion dieser Sperr- und Ermächtigungswirkung. Von Bedeutung ist diese Konstruktion für die Handlungsmöglichkeiten der Beteiligten. So hängen etwa die Aufrechnungsbefugnis des in Anspruch genommenen Gesellschafters, die Freigabeberechtigung des Insolvenzverwalters oder dessen Vergleichs- und Erlassbefugnis davon ab, ob durch § 93 InsO ein Forderungsübergang kraft Gesetzes stattfindet oder etwa nur die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis übergeht.32 Auch wenn diese Handlungsmöglichkeiten nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, kann die rechtliche Konstruktion nicht unberücksichtigt bleiben. Denn sie bestimmt gleichsam den Umgang mit dem Regelungszweck des § 93 InsO.33 Werden die von dieser Vorschrift erfassten Haftungsansprüche etwa als Bestandteil der Insolvenzmasse der Gesellschaft behandelt, bereiten die Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf das Gesellschaftervermögen und der beabsichtigte Beitrag zur Masseanreicherung in der Gesellschaftsinsolvenz geringere Schwierigkeiten als bei fehlender Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche. Zur rechtlichen Konstruktion der Sperr- und Ermächtigungswirkung des § 93 InsO sind drei verschiedene Ansätze denkbar:34 Zum einen kann in der dem Insolvenzverwalter zugewiesenen Befugnis zur Geltendmachung ein gesetzlicher Übergang des Haftungsanspruchs erkannt werden. Zum anderen kann die Sperr- und Ermächtigungswirkung auch nur auf dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis beruhen. Zuletzt ließe sich die Sperr- und Ermächtigungswirkung als Übergang der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis deuten.

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Vgl. hierzu ausführlich Brinkmann, S. 108 ff.; Oepen, Rz. 62 ff; Pelz, S. 82 ff. Hierzu sogleich S. 17 ff. 34 Brinkmann, S. 109. Nicht zu verwechseln mit diesen Ansätzen zur Begründung der Sperr- und Ermächtigungswirkung ist die in der Doppelinsolvenz um die Anwendung des Doppelberücksichtigungs- oder Ausfallprinzips geführte Diskussion. Vgl. hierzu MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 86 ff.; Kesseler, DZWIR 2003, 488 (492 ff.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077; v. Olshausen, ZIP 2003, 1321. Denn obwohl die Befürworter des Ausfallprinzips durch § 93 InsO eine Verlagerung der Haftungsabwicklung in das Innenverhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter vertreten, erkennen sie an, dass der Insolvenzverwalter nach § 93 InsO „nicht Ansprüche der Gesellschaft, sondern Ansprüche der Gesellschaftsgläubiger“ geltend macht, K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084). 33

C. Regelungsmechanismus des § 93 InsO

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I. Keine materielle Rechtsänderung Auch wenn der Wortlaut der Vorschrift für die Begründung der rechtlichen Konstruktion der Sperr- und Ermächtigungswirkung als juristisch unpräzise und damit als wenig hilfreich angesehen wird,35 so schließt er doch zumindest eine materielle Rechtsänderung aus. Denn bestimmt das Gesetz, dass eine Haftung von einer anderen Person „geltend gemacht werden“ kann, so beinhaltet dies kaum eine cessio legis. Für eine cessio legis bestimmt das Gesetz an anderen Stellen (z. B. §§ 774 Abs. 1 Satz 1, 426 Abs. 2 Satz 1 BGB) ausdrücklich, dass die Forderung des Gläubigers auf eine andere Person übergeht. Ein Übergang der Rechtsinhaberschaft kollidiert zudem mit weiteren Normvorstellungen des Gesetzgebers. Denn durch § 93 InsO sollen die persönlich haftenden Gesellschafter nicht schlechter gestellt werden, als sie nach geltendem Recht stehen.36 Dem gleichen Vorwurf ist der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter ausgesetzt.37 Denn auch bei dieser Konstruktion droht eine sehr weitgehende Beeinträchtigung der Rechte der Haftungsgläubiger zugunsten einer zu umfangreichen Rechtsmacht des Verwalters.38 Der Vorschrift liegt damit weder eine cessio legis noch der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zugrunde.39 Das dogmatische Fundament des § 93 InsO muss vielmehr ein anderes sein.

II. These von den integrierten gemeinschaftlichen Inkassoverfahren Zum Schutz der Rechtsposition der Haftungsgläubiger bringt Oepen die Einzugsvorbehalte nicht mit den Regeln für massezugehörige Forderungen des Insolvenzschuldners (§ 80 Abs. 1 InsO) in Verbindung, sondern mit den für die Insolvenzforderungen geltenden Bestimmungen der §§ 87, 89 Abs. 1, 187 InsO.40 Diese verweisen die Insolvenzgläubiger für die Verfolgung 35

Brinkmann, S. 108 f.; Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1092). Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140. 37 So aber Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 16 und wohl auch Hasselbach, DB 1996, 2213 (2214, 2217). 38 Brinkmann, S. 110; Hess/Weis/Wienberg/Weis, InsO, § 93 Rz. 15; Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1093). 39 Dies entspricht allgemeiner Ansicht: Oepen, Rz. 75; Breutigam/Blersch/ Goetsch/Blersch, InsO, § 93 Rz. 4; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 3; Bork, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1333 (1343); Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1092); Oepen, ZInsO 2002, 162 (164); Prütting, ZIP 1997, 1725 (1732) und wohl auch Armbruster, S. 148. Anderer Ansicht ist, soweit ersichtlich, allein Heitsch, ZInsO 2003, 692 (693). Dieser erkennt in § 93 InsO eine cessio legis. Zu den jeweils vertretenen Konstruktionen siehe ausführlich bei Oepen, Rz. 65 ff. 36

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

ihrer Insolvenzforderungen auf die Inanspruchnahme des Insolvenzverwalters.41 Diesen Gedanken wendet Oepen auf die persönliche Haftung eines Gesellschafters an und erkennt in § 93 InsO die Eröffnung eines Inkassoverfahrens zur Befriedigung der Haftungsforderungen. Hierdurch rechtfertige sich einerseits der Ausschluss der Gläubiger von der selbständigen Geltendmachung ihrer Forderungen durch Klageerhebung oder Zwangsvollstreckung und andererseits die Berechtigung des Verwalters. Denn diese gemeinschaftlichen Inkassoverfahren seien in das Insolvenzverfahren über das Gesellschaftsvermögen integriert, so dass der Insolvenzverwalter zugleich die Ämter des Verwalters in den gemeinschaftlichen Inkassoverfahren zur Befriedigung der Haftungsforderungen innehabe. Durch diese gemeinschaftlichen Inkassoverfahren verändere sich die Stellung der Haftungsgläubiger in der Weise, wie es bei regulärer Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Vermögen der Haftungsschuldner der Fall wäre (Regime des Insolvenzrechts). Die Stellung der Haftungsschuldner und ihrer Privatgläubiger bleibe hingegen durch solche in das Insolvenzverfahren integrierte Inkassoverfahren unberührt (Regime des Einzelzwangsvollstreckungsrechts).42 Nach diesem Konzept liegt der Sperr- und Ermächtigungswirkung des § 93 InsO eine gesetzliche Einzugs- oder auch Inkassoermächtigung des Insolvenzverwalters zugrunde.43

III. Eingeschränkte entsprechende Anwendung des § 80 Abs. 1 InsO Zu dem gleichen Ergebnis gelangt die herrschende Meinung. Auch sie erkennt die Gefahr einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Haftungsgläubiger bei zu weitgehender Rechtsmacht des Insolvenzverwalters.44 40 Anders als Kohler, AcP 95 (1904), 339 (342) wendet Oepen diese Vorschriften nicht unmittelbar, sondern lediglich entsprechend an. Hierzu Oepen, Rz. 87 ff. 41 Oepen, Rz. 87 ff. 42 Oepen, Rz. 90. 43 Oepen, Rz. 170. Zu den mit dieser Einzugsberechtigung einhergehenden Befugnissen vgl. Oepen, Rz. 172 ff. 44 Diese erkennt Oepen, Rz. 85 in der Berechtigung des Verwalters an Haftungsforderungen von nicht am Insolvenzverfahren der Gesellschaft teilnehmenden Haftungsgläubigern. Ist die Befriedigung der Haftungsforderungen einem in dieses Insolvenzverfahren integrierten Inkassoverfahren vorbehalten, stellt sich dieses Problem nicht. Dem gleichen Vorwurf ist Pelz, S. 82 ff. ausgesetzt. Nach dessen Ansicht fingiert § 93 InsO die Massezugehörigkeit der Haftungsforderungen und ermöglicht damit die gebündelte Geltendmachung durch den Verwalter, ohne dass eine materielle Rechtsänderung eintritt.

C. Regelungsmechanismus des § 93 InsO

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Gleichwohl sucht sie den Ausgangspunkt der rechtlichen Konstruktion in § 80 Abs. 1 InsO. Sie beschränkt die Rechtswirkungen dieser Vorschrift jedoch auf den Übergang der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis. Das dogmatische Fundament liegt hierbei in einer eingeschränkten entsprechenden Anwendung des § 80 Abs. 1 InsO. Auf diese Weise verbleibe den Haftungsgläubigern wie auch schon bei § 171 Abs. 2 HGB45 die Verwaltungsund Verfügungsbefugnis. Die Haftungsgläubiger verlieren an den Insolvenzverwalter mit der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis allein einen Ausschnitt der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis.46

IV. Ergebnis – Verlust und Erwerb der Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis Mit unterschiedlicher Begründung kommen Oepen und die herrschende Meinung folglich darin überein, dass sich die Sperr- und Ermächtigungswirkung auf Verlust und Erwerb der Einziehungsbefugnis beschränkt. Eine solche verschafft dem Berechtigten materiellrechtlich die Befugnis, die Erfüllung der Forderung im eigenen Namen an sich zu verlangen, ohne dass er im Wege einer Abtretung Gläubiger des Anspruchs geworden wäre.47 Prozessual wird diese Einziehungsermächtigung durch eine Prozessstandschaft48, eine Rechtsmittelbefugnis49 sowie eine Vollstreckungsermächtigung50 ergänzt.51 Ist der Gesellschafter seinerseits insolvent, kann allein der 45 BGHZ 42, 192 (193 f.); BGHZ 27, 51 (55). Ausführlich zur Dogmatik des § 171 Abs. 2 HGB vgl. Pelz, S. 82 ff. 46 Brinkmann, S. 110; Breutigam/Blersch/Goetsch/Blersch, InsO, § 93 Rz. 7; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 85; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 14; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 3; Gottwald/Haas, Insolvenzrechtshandbuch, § 94 Rz. 61 f.; Bork, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1333 (1338, 1343); Bunke, KTS 2002, 471 (472, 488); Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1092). Zur Darstellung sämtlicher Begründungsansätze siehe Oepen, Rz. 65 ff., 76 ff. 47 Larenz, Schuldrecht I, § 34 V c. 48 Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (98). Zur Prozessstandschaft vgl. Schilken, Zivilprozessrecht, Rz. 274. Zu den Schwierigkeiten einer klageweisen Geltendmachung vgl. OLG Bremen ZIP 2002, 679 m. krit. Anm. v. Lüke, EWiR 2002, 389 (390) und Zustimmung durch Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (103). Prozesskostenhilfe ist dem Insolvenzverwalter, der für die Geltendmachung der Haftungsansprüche nach § 93 InsO eine Klage anstrengt nur zu gewähren, wenn die Erfolgsaussichten einer solchen Klage als überwiegend wahrscheinlich vorgetragen werden, vgl. OLG Bremen ZIP 2002, 679. 49 Vgl. OLG Frankfurt ZInsO 2005, 150 (151). 50 Vgl. hierzu OLG Dresden DZWIR 2002, 126, wonach vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlangte Titel von Gesellschaftsgläubigern gegen persönlich haftende Gesellschafter in entsprechender Anwendung des § 727 ZPO in Verbindung mit § 93 InsO auf den Insolvenzverwalter umzuschreiben sind. Zu § 727 ZPO vgl.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

Insolvenzverwalter die Gläubigeransprüche im Verfahren über das Gesellschaftervermögen zur Tabelle anmelden.52 Denn auch die Anmeldung der Haftungsforderung zum Insolvenzverfahren ist eine Form der Einziehung.53 All dies ergibt sich aus der durch den Übergang der Einziehungsbefugnis erklärten Ermächtigungswirkung. Die Kehrseite dieser Ermächtigungswirkung ist der Verlust der materiellrechtlichen Einziehungsbefugnis seitens der Gläubiger.54 Damit einhergehend kann der Haftungsanspruch mangels Prozessführungsbefugnis nicht durch Klage55 durchgesetzt werden.56 Ebensowenig darf ein Haftungsgläubiger aus einem bereits erstrittenen Titel im Wege der Einzelzwangsvollstreckung Befriedigung suchen.57 Auch wenn Oepen und die herrschende Ansicht damit in gleicher Weise die Sperr- und Ermächtigungswirkung erklären, verdient die von der herrschenden Ansicht vertretene eingeschränkte Schilken, Zivilprozessrecht, Rz. 249. Zum Übergang der Vollstreckungsbefugnis nach § 93 InsO vgl. jüngst LG Kreuznach Rpfleger 2004, 517 f. 51 Auf weitere Handlungsmöglichkeiten soll nicht eingegangen werden. Unberücksichtigt bleiben damit beispielsweise Fragen der Aufrechnungs- und Vergleichsbefugnis oder auch der Freigabeberechtigung. Zur Vergleichsbefugnis des Insolvenzverwalters vgl. Krüger, NZI 2002, 367. 52 BGH KTS 2002, 310 (311). Zustimmend Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (101). 53 BGH KTS 2002, 310 (311). 54 Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (98). 55 Bork, ZInsO 2001, 835 ff. differenziert zwischen Erkenntnis- und Arrestverfahren. In dem auf Sicherung angelegten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes folge aus § 93 InsO keine prozessuale Sperrwirkung. Dies führe angesichts der hingegen bestehenden Ermächtigungswirkung zu einer Parallelbefugnis im Arrestverfahren. 56 Zu den Auswirkungen der auf den Verwalter nach § 93 InsO übergegangenen Prozessführungsbefugnis vgl. jüngst BGH ZIP 2003, 39 m. krit. Anm. v. Kesseler, ZInsO 2003, 67 und Pape, WuB VI C. § 93 InsO 1.03. Gemeinsam mit OLG Stuttgart NZI 2002, 495 (496 f.); Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 520; Oepen, Rz. 112 f. vertritt der BGH, dass ein Rechtsstreit gegen einen BGB-Gesellschafter über die von § 93 InsO erfasste persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, nach entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 AnfG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft unterbrochen ist. Der BGH spricht sich damit sowohl gegen eine u. a. von HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, § 93 Rz. 7 a vertretene unmittelbare als auch gegen eine u. a. von Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 36 vertretene analoge Anwendung des § 240 ZPO aus. Ebenso – im Anschluss an den BGH – OLG Schleswig ZInsO 2004, 1086 und LAG Frankfurt ZInsO 2003, 1060. 57 OLG Jena InVo 2002, 148 (149) (Bestätigung von LG Gera ZVI 2002, 24 (25)); MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 13; App, DGVZ 2003, 83 (84); Bork, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1333 (1345); ders., in: RWS-Forum, 97 (100); Kesseler, DZWIR 2003, 488. Für Oepen, Rz. 103 ergibt sich dies aus einer sinngemäßen Anwendung des § 89 Abs. 1 InsO.

C. Regelungsmechanismus des § 93 InsO

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entsprechende Anwendung des § 80 Abs. 1 InsO den Vorzug. Bei dieser besteht anders als bei der Durchführung integrierter Inkassoverfahren nicht die Gefahr einer zu weitgehenden Gleichstellung von Haftungsforderungen einerseits und Insolvenzforderungen andererseits. Denn über das Vermögen des Haftungsschuldners ist ja gerade noch kein Insolvenzverfahren eröffnet.58 Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass die Haftungsforderungen so behandelt werden „als würde ein reguläres Insolvenzverfahren über das Vermögen des Insolvenzschuldners eröffnet“ gibt es bei entsprechender eingeschränkter Anwendung des § 80 Abs. 1 InsO nicht. Die von Oepen in dieser Konstruktion erkannte Gefahr einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung der Haftungsgläubiger bei zu weitgehender Rechtsmacht des Insolvenzverwalters besteht dann nicht, wenn man mit der ausschließlichen Einziehungsbefugnis nur einen Ausschnitt der Verfügungsmacht auf den Verwalter übergehen lässt.59

V. Treuhändischer Erwerb des Insolvenzverwalters Zahlen die Gesellschafter auf Verlangen des Insolvenzverwalters, so ist die Rechtszuständigkeit hinsichtlich dieser erbrachten Leistungen zu klären.60 In Betracht kommt ein Erwerb für die Masse61 oder ein treuhändischer Erwerb des Insolvenzverwalters. Hiervon hängt auch ab, ob der Insolvenzverwalter bei der Einziehung der Haftungsforderungen Leistung an sich selbst oder an die Masse zu verlangen hat.62 Will man zum einen die grundlose Bereicherung des Insolvenzschuldners vermeiden und zum anderen dafür Sorge tragen, dass die eingezogenen Beträge nicht auch an solche Insolvenzgläubiger verteilt werden, die gar keine Haftungsforderungen besitzen, so kommt nur ein treuhänderischer Erwerb für die Insolvenzmasse in Betracht. Aus diesem Grund kann der Insolvenzverwalter nach überwiegender Ansicht Zahlung an sich – als eine Art Treuhänder der aus den Haftungsforderungen berechtigten Gläubiger der insolventen Gesellschaft – beanspruchen.63 Konsequenz dessen ist die Bildung von Sondermassen durch den Insolvenzverwalter.64 Nur eine solche Sonderung von Insolvenzmasse 58

Zu diesen Bedenken Bunke, KTS 2002, 471 (488). Anders selbstverständlich Oepen, Rz. 85, 116 ff. 60 Brinkmann, S. 111 f. 61 So Pelz, S. 107 f., der analog § 1978 Abs. 2 BGB die Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche fingiert. 62 Oepen, Rz. 171. 63 Brinkmann, S. 111 f.; Oepen, Rz. 171; Hess/Weis/Wienberg/Hess, InsO, § 93 Rz. 16; HK-Eickmann, InsO, § 93 Rz. 1; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 497; Kübler/Prütting/Prütting, InsO, § 11 Rz. 24; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 85; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 3; Bork, in: Kölner Schrift 59

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

einerseits und Leistungen auf die Haftungsforderungen andererseits beugt einer falschen Verteilung der eingezogenen Leistungen vor.65

D. Regelungszweck des § 93 InsO Ausweislich der Gesetzesmaterialien ist Sinn und Zweck des § 93 InsO die Erstreckung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die persönliche Haftung eines Gesellschafters und die Verbesserung der Eröffnungschancen im Insolvenzverfahren der Gesellschaft. So heißt es in der Regierungsbegründung zum heutigen § 93 InsO mit Blick auf das in dieser Hinsicht für unbefriedigend erachtete Konkursrecht: „Im Interesse der gleichmäßigen Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger wirkt die Vorschrift darauf hin, dass sich keiner dieser Gläubiger in der Insolvenz der Gesellschaft durch einen schnelleren Zugriff auf persönlich haftende Gesellschafter Sondervorteile verschafft. Zugleich wird durch die neue Regelung ein Beitrag zur Überwindung der Massearmut der Insolvenzen geleistet: Es wird verhindert, dass der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft einer Gesellschaft mangels Masse abgewiesen werden muss, obwohl ein persönlich haftender Gesellschafter über ausreichendes Vermögen verfügt.“66

Während die überwiegende Rechtsansicht diese Zweckbestimmung teilt, hält Brinkmann sowohl die gleichbehandlungssichernde Funktion der Vorschrift als auch einen Beitrag zur Überwindung der Massearmut für unzulässig.

I. Gleichmäßige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger Die einheitliche Einziehung der persönlichen Haftung eines Gesellschafters soll bewirken, dass auch die Befriedigung aus dem Privatvermögen der unbeschränkt haftenden Gesellschafter dem Grundsatz der par condicio creditorum unterliegt.67 Diese Gesetzesbegründung bewertet Brinkmann als formelhafte Beschwörung des Gleichbehandlungsgrundsatzes68 und unreflektierte Übernahme der für § 171 Abs. 2 HGB anerkannten Grundsätze.69 zur Insolvenzordnung, 1333 (1339); Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1092); Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626). 64 MünchKomm-K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 88. 65 Oepen, Rz. 171. 66 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140. 67 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140.

D. Regelungszweck des § 93 InsO

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1. Bedenken Brinkmanns Für eine solche Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes besteht nach Brinkmann weder ein Bedürfnis noch eine Rechtfertigung. Das Bedürfnis verneint er wegen der Möglichkeit, mit der Eröffnung eines selbständigen Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftervermögen die Gleichbehandlung herstellen zu können. Die fehlende Rechtfertigung schließt er aus der strikten Beschränkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Insolvenzmasse und fehlender Gründe, hiervon eine Ausnahme machen zu können.70 Die Ablösung des Prioritätsprinzips beschränke sich auf die Fälle der Gesamtvollstreckung. Eine Ausnahme hiervon bestehe nur für Vermögensmassen, die nicht Gegenstand eines selbständigen Insolvenzverfahrens sein könnten. Dies treffe etwa auf die vom Kommanditisten geschuldete Haftsumme zu.71 Über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters sei ein selbständiges Insolvenzverfahren hingegen möglich.72 Daher lasse sich der für § 171 Abs. 2 HGB in zulässiger Weise bemühte Zweck der Gläubigergleichbehandlung nicht auf § 93 InsO übertragen.73 Auch eine haftungsrechtliche Zuordnung der persönlichen Gesellschafterhaftung zur Insolvenzmasse der Gesellschaft könne die vom Gesetzgeber beabsichtigte Gleichbehandlung nicht rechtfertigen. Die gegen den Gesellschafter gerichteten Haftungsansprüche verstünden sich funktional als Drittsicherheiten und bedürften für eine haftungsrechtliche Zuordnung einer besonderen Rechtfertigung. Diese könne nicht in der gegenüber den Gesellschaftern bestehenden Gesamtberechtigung der Gesellschaftsgläubiger gesehen werden. Auch sonst bestehe kein Grund, die Haftungsansprüche als 68

Zu den rechtlichen und dogmatischen Grundlagen des Gleichbehandlungsgrundsatzes vgl. Berges, KTS 1957, 49; Häsemeyer, KTS 1982, 507; Windel, Jura 2002, 230. 69 Brinkmann, S. 96 ff. und S. 101; ders., ZGR 2003, 264. Auseinandergesetzt mit Brinkmann haben sich bislang allein Berger, ZZP 2003, 241; Bunke, KTS 2002, 471 (Fn. 31) und Roth, ZInsO 2002, 1177). 70 Brinkmann, S. 96 ff.; ders., ZGR 2003, 264. 71 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.15; ders., in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 645 (664); Brinkmann, ZGR 2003, 264 (270 f.). Anders jüngst das LG Dresden ZInso 2005, 384, nach dem über das Vermögen eines Kommanditisten ein Partikularinsolvenzverfahren statthaft ist. Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber durch die Regelung des Verfahrens in §§ 354 ff. InsO – das er als einziges Partikularinsolvenzverfahren bezeichnet – ein Insolvenzverfahren über Sondervermögen abschließend regeln wollte. 72 Statt vieler Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 212 KO Anm. 1. 73 Brinkmann, S. 96. So auch Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.15, der aus diesem Grund die Annahme einer systematischen Verwandtschaft von § 93 InsO mit § 171 Abs. 2 HGB für verfehlt hält.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

massezugehörig zu behandeln.74 Diese fehlende haftungsrechtliche Zuordnung zur Insolvenzmasse auf der einen und die Möglichkeit eines selbständigen Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftervermögen auf der anderen Seite verböten es, die Funktion des § 93 InsO in der Verwirklichung der Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger zu sehen. Werde dies nicht berücksichtigt, so bewirke dies eine Rückwendung zum Prinzip der zwangsläufigen Doppelinsolvenz. Die zwangsläufige Eröffnung eines Simultaninsolvenzverfahrens sei aber aus guten Gründen nicht in die Konkursordnung übernommen worden.75 2. Regelungszweck nach der Ansicht von Brinkmann Regelungszweck des § 93 InsO sei vielmehr der Schutz der Sanierungsmasse.76 Die Vorschrift schütze das für eine Sanierung der schuldnerischen Gesellschaft zur Verfügung stehende Gesellschaftervermögen vor Vollstreckungen der Insolvenzgläubiger. Die Sperrwirkung verhindere, dass die Insolvenzgläubiger durch Einzelvollstreckungen in das Gesellschaftervermögen zum einen der Sanierungsmasse Werte entziehen und dadurch zum anderen die Bereitschaft des Gesellschafters vermindern, überobligationsmäßig beim Neuaufbau mitzuwirken. Die Ermächtigungswirkung mache ihrerseits die vom Gesellschafter einzuziehenden Beträge für eine Regelung im Insolvenzplan überhaupt erst verfügbar. Dies könne eine unkoordinierte Inanspruchnahme durch die einzelnen Gläubiger in keiner Weise leisten. Die Funktion des § 93 InsO liege damit in erster Linie darin, den für die Gesellschafter durch die Haftungsbefreiung des § 227 Abs. 2 InsO im Planverfahren geschaffenen Anreiz, sich bei der Sanierung zu engagieren, zu bewahren.77 Damit werde die unbefriedigende alte Rechtslage geändert, nach der sich ein Insolvenzgläubiger den Wirkungen eines (Zwangs-)Vergleichs durch Geltendmachung der Gesellschafterhaftung vor Vertragsabschluss entziehen konnte.78 § 93 InsO gewährleiste damit nunmehr, dass die Chancen auf Vergrößerung der Sanierungsmasse nicht schon vor Aufstellung eines entsprechenden Insolvenzplans durch Einzelvollstreckungen der Gesellschaftsgläubiger vernichtet werden.

74 75 76 77 78

Brinkmann, S. 99 ff. Brinkmann, S. 98 m. w. N. Brinkmann, ZGR 2003, 264 (272 ff.). Brinkmann, S. 96 f.; ders., ZGR 2003, 264 (272 ff.). Oepen, Rz. 251; Wissmann, S. 156; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 211 Rz. 4.

D. Regelungszweck des § 93 InsO

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3. Bewertung Die Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes als Zweck des § 93 InsO in Abrede zu stellen, hätte weitreichende Konsequenzen für die vorbezeichnete Auslegung der Vorschrift. Denn gerade die Ausweitung und Verwirklichung der par condicio creditorum wird für eine Einbeziehung der Bürgschaft und gegen einen unmittelbaren Zugriff zusätzlich gesicherter Gläubiger angeführt.79 Eine funktionale Interpretation in dem von Brinkmann angestellten Sinne würde einer solchen Argumentation die Grundlage entziehen oder diese jedenfalls wesentlich verändern. Die nachstehenden Überlegungen werden jedoch zeigen, dass es weder zutreffend noch erforderlich ist, den Regelungszweck des § 93 InsO auf den Schutz der Sanierungsmasse zu beschränken. Gleichwohl offenbart die Untersuchung Brinkmanns eine bislang unzureichend geführte Auseinandersetzung mit Sinn und Zweck des § 93 InsO. a) Sicherungsfunktion des § 93 InsO Literatur und Rechtsprechung beschränken sich tatsächlich in aller Regel auf die unreflektierte Übernahme der Gesetzesbegründung zum heutigen § 93 InsO. Dabei sind die Ablösung des Prioritätsprinzips außerhalb eines Insolvenzverfahrens und die Berücksichtigung massefremder Ansprüche bei der Verfahrenskostendeckung wahrlich nicht selbstverständlich. Anders wäre es, wenn man in der Vorschrift § 93 InsO eine cessio legis80 oder die Fiktion der Massezugehörigkeit81 erkennt. Ein solches dogmatisches Fundament der Sperr- und Ermächtigungswirkung wird aber nahezu einhellig völlig zutreffend abgelehnt. Um ausnahmsweise auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens eine gleichmäßige Befriedigung aus dem Vermögen des Gesellschafters herzustellen, bedarf es einer Rechtfertigung. Diese Erkenntnis und das Wissen um den Ausnahmecharakter des § 93 InsO ist zweifelsohne das Verdienst Brinkmanns. Seine Funktionsanalyse hingegen kann nicht überzeugen. Brinkmann überschätzt die vom Gesetzgeber beabsichtigte Funktion des § 93 InsO. Diese besteht nicht etwa darin, dem Insolvenzverfahren der Gesellschaft die Aufgabe zuzuweisen, sondern darin die Gläubiger des Gesell79 Für diese Argumentation der Befürworter einer Anwendung des § 93 InsO vgl. statt vieler: Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554 ff.). Auch von der Gegenseite wird erkannt, dass eine solche Anwendung aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung wünschenswert ist. Siehe hierzu BGHZ 151, 245 (251) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494) und K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). 80 Heitsch, ZInsO 2003, 692 (693). 81 Pelz, S. 81 ff.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

schafters gleichmäßig zu befriedigen. Zwar geht es der Regelung um eine Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes über das insolvente Gesellschaftsvermögen hinaus. Gleichwohl versteht sich § 93 InsO nicht als unzulässige Vorwegnahme der dem Insolvenzverfahren über das Gesellschaftervermögen zugewiesenen Aufgabe, die Gläubiger des Gesellschafters gleichmäßig zu befriedigen. Diese Aufgabe bleibt unverändert einem eigenständigen Insolvenzverfahren der Gesellschafter vorbehalten. Denn erst mit dessen Eröffnung erfolgt die Befriedigung sämtlicher Gläubiger des Gesellschafters gemeinschaftlich. Zuvor sind nur die aus der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft berechtigten Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen. Die privaten Gläubiger des Gesellschafters können weiterhin gesondert auf das Vermögen des Gesellschafters zugreifen. Die Herstellung der nach § 1 Satz 1 InsO gebotenen gemeinschaftlichen Befriedigung aller Gläubiger bleibt weiter allein Aufgabe der Gesellschafterinsolvenz und wird nicht etwa zur Aufgabe des § 93 InsO. An dieser Aufgabe dürfen Bedürfnis und Rechtfertigung der Regelung folglich auch nicht gemessen werden.82 Berücksichtigt man dies, kollidiert § 93 InsO weder mit dem insolvenzrechtlichen Antragsprinzip83 noch bewirkt die Vorschrift eine Rückwendung zum Prinzip der zwangsläufigen Doppelinsolvenz von Gesellschaft und unbeschränkt haftendem Gesellschafter.84 Wird die Befriedigung der Privatgläubiger durch das Vorgehen des Insolvenzverwalters gefährdet, so kann jederzeit ein Antrag auf Eröffnung eines gesonderten Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftervermögen gestellt werden.85 Die Begründetheit dieses Antrags richtet sich nach den allgemeinen Voraussetzungen zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und hat nichts mit einer amtswegigen Verfahrenseröffnung gemein. Vielmehr wird gerade die Inanspruchnahme aus der persönlichen Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft das Vorliegen eines Insolvenzgrundes rechtfertigen.86 Entscheidend ist die Begrenzung der von § 93 InsO beabsichtigten Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf einen Teil der Gläubiger des Gesellschafters. Durch diese Begrenzung unterscheidet sich die Aufgabe des § 93 InsO ganz wesentlich von der Eröffnung eines eigenständi82

So aber Brinkmann ZGR 2003, 264 (267 ff.). Zum Antragsprinzip vgl. Delhaes, S. 35 ff. m. w. N. 84 So aber Brinkmann, S. 97; ders., ZGR 2003, 264 (267 ff.). Zu der aus § 287 Abs. 2 PreußKO 1855 bekannten amtswegigen Verfahrenseröffnung: Jaeger, S. 172; K. Schmidt, Einhundert Jahre Konkursordnung, 247 (266 f.). Zu den Gründen, diese nicht in die Konkursordnung zu übernehmen, siehe Begründung des Entwurfs, in: Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S. 396 ff. 85 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140. 86 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 4. 83

D. Regelungszweck des § 93 InsO

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gen Insolvenzverfahrens. Die Vorschrift hat anders als die Verfahrenseröffnung nur eine Sicherungsfunktion zugunsten eines noch nicht eröffneten, aber drohenden Insolvenzverfahrens des Gesellschafters. Sie will nicht alle Gläubiger des Gesellschafters gleichmäßig zu befriedigen. Sie zielt vielmehr darauf, diese Aufgabe vorgreiflich sicherzustellen, indem sie schon im Vorfeld einer möglichen Privatinsolvenz den Kreis der Gesellschaftsund Privatgläubiger des Gesellschafters koordiniert.87 Gerechtfertigt ist diese Koordination, weil für einen Teil der Gläubiger des Gesellschafters (Gesellschaftsgläubiger) die Wahrnehmung dieser Aufgabe ausnahmsweise bereits vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das schuldnerische Vermögen geboten ist. Die vorzeitige gleichmäßige Befriedigung dieser Gläubiger des Gesellschafters stellt letztlich sicher, dass in dessen Insolvenz nicht schon dann Masseunzulänglichkeit droht, wenn die Gesellschaft insolvent wird und sich der Gläubigerwettlauf auf das zusätzlich haftende Vermögen der Gesellschafter zu verschieben droht.88 Dass eine solche Sicherungsfunktion im Vorfeld einer Insolvenz nicht systemwidrig ist, belegt der Vergleich mit der Rückschlagsperre des § 88 InsO. Gemeinsam mit der insolvenzrechtlichen Anfechtung gehört die Rückschlagsperre zu den in der Insolvenzordnung vorgesehenen Möglichkeiten, einen gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßenden Erwerb in der Krise des Schuldners – und damit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens – rückgängig zu machen.89 Durch § 88 InsO wird das in § 89 InsO vorgesehene Vollstreckungsverbot auf die Krise des Schuldners ausgeweitet.90 Denn „hat ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der Eröffnung des Verfahrens unwirksam“. Vor dem Hintergrund dieser Sicherungsfunktion muss die gleichbehandlungssichernde Funktion des § 93 InsO verstanden werden. Damit soll das Einziehungsrecht wie auch die Rückschlagsperre den Gleichbehandlungsgrundsatz auf die Krise des Schuldners ausweiten. Gerechtfertigt ist eine solche Sicherungsfunktion des § 93 InsO aber nur soweit, wie für einen Teil der Gläubiger des Gesellschafters schon vor Verfahrenseröffnung tatsächlich ein Wettlauf besteht. Für die von § 93 InsO erfassten Gläubiger 87

Kesseler, DZWIR 2003, 488 (489). MünchKomm/Brandes, InsO; § 93 Rz. 1; Bunke, KTS 2002, 471 (487). 89 Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 88 Rz. 1; Pape/Uhlenbruck, Rz. 111; Gerhardt, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 193 (217). 90 Gerhardt, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 193 (217); Neuner, AcP 203 (2003), 46 (62). 88

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

des Gesellschafters begründet sich diese Konkurrenzsituation durch ihre Eigenschaft als Gläubiger der bereits insolventen Gesellschaft. Denn soweit die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen berechtigt, verlagert sich der Wettlauf um die Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen auf das Vermögen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters. Hierdurch wird die durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen unterbundene Gefahr, dass Einzelne durch raschere Vollstreckung Befriedigung ihres Interesses zu Lasten der Gläubigergesamtheit erlangen, zu einer Gefahr für das Vermögen des Gesellschafters. Dies zu verhindern, ist Aufgabe der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO. Dieser Sicherungsfunktion fehlt auch nicht deshalb die Rechtfertigung, weil hierdurch das Insolvenzverfahren der Gesellschaft für verfahrensfremde Zwecke instrumentalisiert wird.91 Sicher bezweckt die Insolvenz der Gesellschaft nicht in erster Linie die Sicherung der Gleichbehandlung in einer Teilmenge der Gläubiger des Gesellschafters. Da diese Sicherungsfunktion auch der Gleichbehandlung zwischen den Gläubigern der Gesellschaft dient, ist sie aber keinesfalls verfahrensfremd. Diese Gleichbehandlung von Gläubigern des Gesellschafters außerhalb eines Insolvenzverfahrens kollidiert auch nicht mit der haftungsrechtlichen Trennung zwischen Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen. Zweifelsohne gebietet die Existenz zweier getrennter Vermögensmassen die Durchführung zweier selbständiger Insolvenzverfahren. Hieran aber will die Ausweitung der Gleichbehandlung durch § 93 InsO gar nichts ändern. Sie dient vielmehr der sinnvollen Koordination der Insolvenzfolgen zweier getrennter Vermögensmassen.92 Dass hierzu ein unabwendbares Bedürfnis besteht, lässt sich angesichts des unbefriedigenden Gläubigerwettlaufs um das Gesellschaftervermögen im Konkursrecht nicht bestreiten.93 Gerechtfertigt ist diese Koordination aufgrund der vorerwähnten Sicherungsfunktion des § 93 InsO zugunsten einer gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger des Gesellschafters. Da die Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes damit letztlich durch das Interesse der Gläubiger des Gesellschafters und nicht durch eine haftungsrechtliche Zuweisung der Haftungsansprüche an die Insolvenzmasse der Gesellschaft gerechtfertigt ist, verstößt § 93 InsO nicht gegen die haftungsrechtliche Trennung der Vermögensmassen. Damit stehen der gleichbehandlungssichernden Funktion des § 93 InsO keine durchgreifenden Bedenken entgegen. Anders verhält es sich mit der 91

So aber Brinkmann, S. 98. Zur Abstimmung der Konkursfolgen durch § 212 KO vgl. K. Schmidt, Einhundert Jahre Konkursordnung, 247 (267). 93 BGHZ 121, 179 (191). 92

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von Brinkmann im Schutz der Sanierungsmasse erkannten Funktion. Diese ist nicht unerheblichen Bedenken ausgesetzt. b) Bedenken am Schutz der Sanierungsmasse Als Norm des Regelinsolvenzverfahrens gilt § 93 InsO unabhängig von einer Sanierung des Unternehmensträgers. Nach der von Brinkmann vertretenen Funktionsanalyse hätte die Vorschrift aber nur bei Sanierung des schuldnerischen Unternehmens eine Funktion. Dies würde dazu führen, dass § 93 InsO in einer Vielzahl von Insolvenzverfahren funktionslos wäre.94 Bereits aus diesem einfachen Grund kann die von Brinkmann vertretene Funktion nicht überzeugen. Denn § 93 InsO beansprucht nicht zuletzt aus gesetzessystematischen Gründen zweifelsohne auch dann Geltung, wenn ein Unternehmenserhalt von vornherein gar nicht beabsichtigt ist oder die Sanierungsbemühungen gescheitert sind.95 Daneben treten weitere Bedenken an der Funktionsanalyse Brinkmanns. Denn bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die im Schutz der Sanierungsmasse erkannte Funktion nicht einmal in der Sanierung überzeugt. Dies ergibt sich aus dem typischen Verfahrensablauf einer Sanierung mittels Insolvenzplans. Zur Vorlage eines Insolvenzplans sind nach § 218 Abs. 1 Satz 1 InsO der Insolvenzverwalter und der Schuldner berechtigt. Im praktischen Regelfall verbindet der Schuldner die Vorlage eines Insolvenzplans nach § 218 Abs. 1 Satz 2 InsO mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens („prepackaged plan96“). Dies entspricht zwar nicht der Absicht des Gesetzgebers. Nach dessen Vorstellung sollte in erster Linie der Insolvenzverwalter im Auftrag der Gläubigerversammlung einen Plan ausarbeiten. Anders als nach der bisherigen Konzeption des (Zwangs-)Vergleichsverfahrens sollte gerade nicht nur vom Schuldner ein Vorschlag für eine einvernehmliche Bereinigung der Insolvenz ausgehen können.97 Die Begründung dafür, dass entgegen dieser Vorstellung die Planinitiative regelmäßig vom Schuldner ausgeht, findet sich in der Gesetzesbegründung in seinen Begründungen selbst: „Während der Insolvenzverwalter einen Plan frühestens dann vorlegen darf, wenn ihn die Gläubigerversammlung dazu beauftragt hat, sind die anderen Vorlageberechtigten schon vor diesem Termin berechtigt. Für den Schuldner hat beson94 Berger, ZZP 2003, 241 (245); Bunke, KTS 2002, 471 (Fn. 31). Dies gesteht Brinkmann, ZGR 2003, 264 (274) selbst ein. 95 Bunke, KTS 2002, 471 (Fn. 319). 96 So Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 217 Rz. 5 unter Verweis auf die als Vorbild dienliche Rechtslage im amerikanischen Recht. 97 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 194.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

dere Bedeutung, dass die Möglichkeit gegeben wird, gleichzeitig mit der Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen Plan vorzulegen. Auf diese Weise kann der Schuldner – ähnlich wie nach geltendem Recht mit einem Vergleichsantrag – von vornherein gegenüber seinen Gläubigern zum Ausdruck bringen, dass er zwar nicht mehr uneingeschränkt zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten in der Lage ist, dass er jedoch einen Weg sieht, die Insolvenz einvernehmlich zu bereinigen. Bei Unternehmen können so die negativen Auswirkungen des Eröffnungsantrags auf die Fortsetzung der Geschäftsbeziehungen in Grenzen gehalten werden.“98

Aus einem weiteren Grund wird der Inhalt des Insolvenzplans in aller Regel durch den Schuldner selbst bereits vor Stellung eines Insolvenzantrages ausgearbeitet.99 Dieser Grund ergibt sich aus der Wichtigkeit schneller Entscheidungen. Der Erfolg eines Insolvenzplanverfahrens entscheidet sich mit einem zügigen Verfahrensablauf. Ein solcher ist aber nur bei umfassender Vorbereitung des Sanierungskonzepts im Vorfeld der Insolvenz möglich. Nur bei einer Kommunikation zwischen den Beteiligten in dieser Phase können fatale Verzögerungen vermieden werden.100 Erleichtert wird die Ausarbeitung des Plans vor Verfahrenseröffnung durch die in der Praxis inzwischen vermehrt anzutreffende Einrichtung eines vorläufigen Gläubigerausschusses.101 Ein solcher ermöglicht eine Kommunikation mit den wesentlichen Gläubigern bereits vor der Verfahrenseröffnung.102 Zu diesen unerlässlichen vorinsolvenzlichen Sanierungsbemühungen kann § 93 InsO keinen Beitrag leisten. Bei der Aufstellung von „prepackaged plans“ oder der Ausarbeitung des Plans im Eröffnungsverfahren ist § 93 InsO nicht anwendbar. Eine Anwendung der Vorschrift in der vorläufigen Insolvenz kommt nicht in Betracht. Ist der Plan bei Eröffnung dementsprechend schon aufgestellt, verbleibt bis zur Annahme des Plans durch die Gläubiger im Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 Abs. 1 Satz 1 InsO) ein verhältnismäßig geringer Anwendungsbereich für die sanierungsfreundliche Wirkung des § 93 InsO.103 Der Gesetzgeber selbst hat mit der Möglichkeit, den Erörterungs- und Abstimmungstermin (§ 235 Abs. 1 InsO) 98 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 196. So auch Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 218 Rz. 5. 99 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2106). 100 Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2106). 101 Zulässigkeit ist umstritten. Bejaht wird sie etwa vom AG Köln ZIP 2000, 1350 m. Anm. Undritz EWiR 2000, 1115. 102 Rattunde, ZIP 2003, 596 (597). 103 Die gebotene Kürze dieses Zeitraums veranschaulicht Rattunde, ZIP 2003, 2103 (2106) sehr eindrucksvoll am Beispiel des Insolvenzverfahrens Herlitz (AG Berlin-Charlottenburg – 109 IN 1653/02 sowie 109 IN 1654/02). In diesem Verfahren stimmte die Gläubigerversammlung bereits fünf Wochen nach der Verfahrenseröffnung den Insolvenzplänen zu. Hierzu und auch zur verfahrensbeschleunigenden

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mit dem Prüfungstermin zu verbinden (§ 236 Satz 2 InsO), auf eine zügige Durchführung des Planverfahrens hingewirkt.104 Sicher besteht bis zur Annahme des Insolvenzplans ein Interesse, den Inhalt eines bereits ausgearbeiteten Plans nicht durch die Geltendmachung der Gesellschafterhaftung oder die Einzelvollstreckung durch einzelne Gläubiger zu gefährden. Jedoch kann dieser verbleibende Anwendungsbereich nicht die von Brinkmann vertretene (Um-)Interpretation rechtfertigen. Hierzu besteht auch gar kein Anlass.105 Es sollte vielmehr als ein erfreulicher Nebeneffekt bewertet werden, dass von § 93 InsO auch eine sanierungsfreundliche Wirkung ausgeht und einzelne Insolvenzgläubiger künftig nicht mehr in letzter Minute den in einem Insolvenzplan vorgesehenen Kürzungen ihrer Haftungsforderungen durch Einzelvollstreckung entgehen können.106 Die Hauptfunktion des § 93 InsO kann dadurch gleichwohl nicht im Schutz der Sanierungsmasse gesehen werden. 4. Ergebnis Der Zweck des § 93 InsO ist in Übereinstimmung mit Rechtsprechung107 und herrschender Lehre108 die Ausweitung der Gläubigergleichbehandlung. Auf der Grundlage dieser Funktion wird die Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft zu beurteilen sein.

Wirkung eines vorläufigen Gläubigerausschusses ausführlich Rattunde ZIP 2003, 596 (600). 104 Uhlenbruck/Lüer, InsO, § 236 Rz. 2. 105 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 VI 3 a, für den kein Anlass ersichtlich ist, den Regelungszweck auf einen Schutz der Sanierungsmasse zu reduzieren. 106 So Oepen, Rz. 251. Zu diesem unbefriedigenden Zustand unter der Konkursordnung vgl. Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 211 Rz. 4. 107 BGHZ 151, 245 (248) = BGH ZIP 2002, 1492 (1493); BFH ZIP 2002, 179 (181); LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783). 108 Oepen, Rz. 64; Pelz, S. 85; Braun/Kroth, InsO, § 93 Rz. 1; HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 1; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 3; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 494; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 82; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 1; Smid/Smid, InsO, § 93 Rz. 1; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 7; Bitter, ZInsO 2002, 557; Bork, in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1333; ders., ZInsO 2001, 835 (837); Bunke, KTS 2002, 471 (476); ders., NZI 2002, 591 (593 f.); Fuchs, ZIP 2002, 1089 (1091); ders., EWiR 2002, 163 (164); Gerhardt, ZIP 2000, 2181; Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190 f.); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); Hasselbach, DB 1996, 2213 (2217); Kesseler, ZInsO 549 (554); Noack/Bunke, Festschrift für Uhlenbruck, 335 (338); Oepen, ZInsO 2002, 162 (164); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082); Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626); Wessel, DZWIR 2002, 53.

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II. Überwindung der Massearmut Fraglich ist, ob § 93 InsO darüber hinaus in zulässiger Weise die Überwindung der Massearmut im Insolvenzverfahren der Gesellschaft bezweckt. Den Vorstellungen des Gesetzgebers der Insolvenzordnung entsprach es jedenfalls, die Ablehnung der Verfahrenseröffnung über das Gesellschaftsvermögen bei ausreichendem Vermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters zu verhindern.109 1. Feststellung der Verfahrenskostendeckung Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO weist das Insolvenzgericht den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse ab, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreichen wird, um die Kosten des gesamten Verfahrens zu decken.110 Die Kosten des Insolvenzverfahrens hat der Gesetzgeber in § 54 InsO definiert. Verfahrenskosten sind hiernach die Gerichtskosten für das Insolvenzverfahren sowie die Vergütungen und die Auslagen des vorläufigen Insolvenzverwalters, des Insolvenzverwalters und der Mitglieder des Gläubigerausschusses.111 Sonstige Masseverbindlichkeiten sind in den Begriff der Verfahrenskosten nicht einzubeziehen.112 Bei der Prüfung dieser Verfahrenskostendeckung ist das gesamte Schuldnervermögen zu berücksichtigen.113 2. Bedeutung des § 93 InsO bei der Feststellung der Verfahrenskostendeckung Damit kollidiert die vom Gesetzgeber beabsichtigte Berücksichtigung des Gesellschaftervermögens mit der Verfahrenskostendeckung nach § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO. Hiernach ist der Antrag auf Verfahrenseröffnung nur dann mangels Masse abzuweisen, wenn das Vermögen des Schuldners voraussichtlich nicht ausreicht, die Kosten des Verfahrens zu decken. Schuldner ist jedoch allein die Gesellschaft und nicht etwa die persönlich haftenden Gesellschafter.114 Wie nun ein Beitrag zur Überwindung der Massearmut 109

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140. Hierzu MünchKomm/Haarmeyer, InsO, § 26 Rz. 11. 111 Zu den Einzelheiten: Jaeger/Henckel/Schilken, InsO, § 26 Rz. 19. 112 Jaeger/Henckel/Schilken, InsO, § 26 Rz. 22. Zu der nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung geführten Diskussion um einen erweiterten Massekostenbegriff vgl. Jaeger/Henckel/Schilken, InsO, § 26 Rz. 23 f. 113 Jaeger/Henckel/Schilken, InsO, § 26 Rz. 11 ff. 114 Kübler/Prütting/Prütting, InsO, § 11 Rz. 5; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 36 ff.; Baumbach/Hopt, HGB, § 124 Rz. 46. 110

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mit § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO und der vermögens- und haftungsrechtlichen Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen vereinbar ist, wird unterschiedlich beurteilt. Der Gesetzgeber enthält sich einer Aussage. Damit ist einerseits denkbar, dass die Vorschrift des § 93 InsO vom Gesetzgeber nicht hinreichend durchdacht ist und dieser Zweck nicht erreicht werden kann. Andererseits könnte § 93 InsO aber auch gerade die Anordnung enthalten, ausnahmsweise schuldnerfremdes Vermögen bei der Prüfung der Verfahrenskostendeckung zu berücksichtigen. Letzteres darf sich jedoch nicht auf den Hinweis auf die gesetzgeberische Absicht beschränken, sondern bedarf einer Rechtfertigung. Nur dann kann der Gesetzeszweck in Übereinstimmung mit der Regelungsabsicht in zulässiger Weise in der Überwindung der Massearmut erkannt werden. Das Erfordernis einer solchen Rechtfertigung wird im Schrifttum aber überwiegend verkannt.115 a) Keine verbesserten Eröffnungschancen durch § 93 InsO Ein Teil der Literatur sieht für eine solche Rechtfertigung keine Grundlage. Eine Berücksichtigung des Gesellschaftervermögens bei der Verfahrenskostendeckung in der Gesellschaftsinsolvenz komme daher nicht in Betracht.116 Nach Brinkmann ist eine Verbesserung der Eröffnungschancen grundsätzlich auf zwei verschiedene Weisen denkbar. Zum einen durch eine materiellrechtliche Erweiterung der Gesellschafterhaftung (§ 128 Satz 1 HGB) auf Masseverbindlichkeiten. Dann würde der Gesellschafter nicht nur für so genannte alte117 und bestimmte neue Masseverbindlichkeiten haften, sondern vor allem auch für die Massekosten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft. Auf dieser Grundlage wäre eine Berücksichtigung des Gesellschaftervermögens im Rahmen des § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO ohne weiteres gerechtfertigt. Zum anderen könnte sich diese Rechtfertigung aus einer haftungsrechtlichen Zuordnung der gegen den Gesellschafter gerichteten Haftungsansprüche zum Gesellschaftsvermögen ergeben. Nach Brinkmann bewirkt § 93 InsO weder das eine noch das andere. Gegen eine materiellrechtliche Erweiterung der Haftung durch § 93 InsO spreche 115 Die herrschende Ansicht geht scheinbar selbstverständlich davon aus, dass Verfahrenskosten aus den von den Gesellschaftern eingezogenen Beträgen bezahlt werden können: HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 1; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 10; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 494; Smid/Smid, InsO, § 93 Rz. 1; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 3; Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1157 (1169); Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1093). 116 Brinkmann, S. 102 f.; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.16; ders., in: Insolvenzrecht im Umbruch, S. 101 (107). 117 Zum Begriff der Altverbindlichkeit vgl. MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 7: Verbindlichkeiten, deren Rechtsgrund vor Verfahrenseröffnung gelegt worden ist.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

zunächst schon der Wortlaut der Vorschrift. Denn dieser beziehe sich auf eine schon bestehende Haftung des Gesellschafters und erfasse damit nicht die in dem über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahren entstehenden Masseverbindlichkeiten. Zudem verbleibe das Gewicht der gesellschaftsrechtlichen Grundprinzipien, die bislang herangezogen wurden, um die akzessorische Gesellschafterhaftung auf die so genannten Altverbindlichkeiten zu beschränken: Grundsatz der Selbstorganschaft und Prinzip des Eigennutzes.118 Hieran könne auch die Schaffung des § 93 InsO nichts ändern.119 Ebensowenig begründe diese Vorschrift eine haftungsrechtliche Zuordnung der Ansprüche gegen die Gesellschafter zum Gesellschaftsvermögen. Dies sei mit dem in § 788 ZPO angelegten Grundsatz nicht vereinbar, wonach Vollstreckungskosten stets dem Vermögen des Vollstreckungsschuldners zur Last fallen müssen.120 Damit sei es ausgeschlossen, die Haftungsansprüche – gestützt auf einer haftungsrechtlichen Zuweisung – zur Tilgung von Masseverbindlichkeiten zu verwenden, für die materiellrechtlich keine Haftung bestehe. Gestützt auf diese Argumentation hatte zuvor bereits Häsemeyer eine solche Zuordnung abgelehnt und die Berücksichtigung der Haftungsansprüche bei der Massekostendeckung für unstatthaft erklärt.121 Über das Vermögen einer OHG sei vielmehr nur dann das Insolvenzverfahren zu eröffnen, wenn das Gesellschaftsvermögen selbst eine zureichende Masse hergebe.122 Denn ohne eine haftungsrechtliche Zuordnung fehle es an einer Rechtfertigung dafür, dass die vom Insolvenzverwalter beim Gesellschafter eingezogenen Beträge auch zur Tilgung von Masseverbindlichkeiten verwendet werden können. Zutreffend sei vielmehr die Bildung einer Sondermasse für die erlangten Beträge. Diese diene sodann nur zur Befriedigung derjenigen, für die der Gesellschafter persönlich hafte.123 118

Zu dieser Argumentation vgl. Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 70 m. w. N. K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (114) lehnt vor dem Hintergrund dieser Argumentation die Haftung für Masseschulden aus § 128 HGB im Wege einer teleologischen Reduktion ab. Siehe hierzu auch Armbruster, S. 157 und umfassend zu dieser Frage Sieveking, S. 38. 119 Anders in diesem Punkt Heitsch, ZInsO 2003, 692 (693). Dieser sieht den Gesetzeszweck des § 93 InsO dadurch erreicht, dass man der Vorschrift des § 93 InsO die Bedeutung einer cessio legis beimisst. Zu dieser fehlerhaften Deutung der rechtstechnischen Konstruktion der Vorschrift siehe oben 1. Kapitel, C. I. 120 Brinkmann, S. 103. Zur entsprechenden Geltung dieser vom sachlichen Anwendungsbereich her nur für alle Arten der Einzelzwangsvollstreckung geltenden Vorschrift vgl. MünchKomm/K. Schmidt, ZPO, § 788 Rz. 5 sowie Musielak/Lackmann, ZPO, § 788 Rz. 1. 121 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.16. 122 Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.16; ders., in: Insolvenzrecht im Umbruch, S. 101 (107). 123 Armbruster, S. 192; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 3; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.16.

D. Regelungszweck des § 93 InsO

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b) Materiellrechtliche Haftungserweiterung durch § 93 InsO Soweit ersichtlich stützen allein Lüke124 und Kroth125 die vom Gesetzgeber propagierte Überwindung der Eröffnungsreife auf eine durch § 93 InsO bewirkte materiellrechtliche Erweiterung der akzessorischen Gesellschafterhaftung (§ 128 Satz 1 HGB). Kroth stützt dies auf einen Vergleich mit den allgemeinen Vorschriften zur Liquidation einer OHG außerhalb eines Insolvenzverfahrens. Nach § 156 HGB bestehe bis zur Beendigung der Liquidation die Gesamthaftung der persönlich haftenden Gesellschafter (§ 128 Satz 1 HGB) fort. Die Gesellschafter haften damit für die in der Liquidation der Gesellschaft anfallenden Kosten und die durch den Liquidator begründeten Verbindlichkeiten. Letztere entsprechen im Wesentlichen den Neuverbindlichkeiten bei der Liquidation mittels Insolvenzverfahren. Die in Teilbereichen vergleichbare rechtliche Stellung des Liquidators und des Insolvenzverwalters gebiete eine Haftung der Gesellschafter für Masseverbindlichkeiten. Denn es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft besser gestellt werden sollen, als bei einer Liquidation außerhalb des Insolvenzverfahrens. Diese Gleichstellung zu gewährleisten, sei Aufgabe des § 93 InsO. Lüke hingegen wehrt sich gegen den Vorwurf, eine materiellrechtliche Haftungserweiterung durch § 93 InsO stehe im Widerspruch mit gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen. Eine Argumentation, die sich allein auf den Grundsatz der Selbstorganschaft und das Prinzip des Eigennutzes stützt, verkenne das Interesse der Gesellschaftsgläubiger und den Regelungszweck der persönlichen Gesellschafterhaftung. Denn deren Sinn und Zweck liege auch im Schutz der Gläubigerinteressen und müsse auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens Geltung beanspruchen. Zumal die Durchführung eines Insolvenzverfahrens im Interesse der Gläubiger erfolge. Aus diesem Grund sei in § 93 InsO eine materiellrechtliche Haftungserweiterung zu sehen. Entsprechend der Regelungsabsicht des Gesetzgebers sei daher auch die Überwindung der Massearmut Normzweck des § 93 InsO. c) Stellungnahme Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass die Überwindung der Massearmut kein zulässiger Gesetzeszweck des § 93 InsO ist. Anders als bei der Gläubigergleichbehandlung überzeugt in diesem Punkt die Argumentation 124 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 28 f. Auch nach Wolf, in: Insolvenzrecht im Umbruch, S. 113 (122) sollte im Interesse der Fortführung der Gesellschaft eine Haftung der Gesellschafter für Masseschulden nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden. 125 Braun/Kroth, InsO, § 93 Rz. 20.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

Brinkmanns.126 Während sich die Erstreckung des Gleichbehandlungsgrundsatzes aus der Perspektive der (Gesellschafts-)Gläubiger des Gesellschafters rechtfertigen ließ, muss der Anknüpfungspunkt für die Überwindung der Massearmut im Insolvenzverfahren der Gesellschaft gesucht werden. Denn für die Kosten dieses Verfahrens sollen die Gläubiger mit ihren massefremden Haftungsansprüchen nach § 128 Satz 1 HGB einstehen müssen. Erreicht werden kann dies nur durch eine materielle Haftungserweiterung [aa)] oder durch eine haftungsrechtliche Zuordnung der Haftungsansprüche zur Insolvenzmasse der Gesellschaft [bb)]. Beides kann nicht überzeugen. aa) Keine materielle Haftungserweiterung Einer materiellen Haftungserweiterung muss die bereits unter Geltung der Konkursordnung angeführte Argumentation entgegengehalten werden.127 Die persönliche Haftung der Gesellschafter ist eben nur dort gerechtfertigt, wo die Gesellschafter das Schicksal des Unternehmens steuern können und ihnen auch Erträge zufließen. Eine persönliche Haftung nach § 128 Satz 1 HGB ist damit Ausfluss des Prinzips der Selbstorganschaft und des Eigennutzes. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens jedoch werden diese Prinzipien durch die rechtliche Stellung des Insolvenzverwalters und die von diesem zu verfolgenden Interessen abgelöst. Der nach § 80 Abs. 1 InsO zur Verwaltung und Verfügung des Schuldnervermögens befugte Verwalter, dessen Auswahl und Amtsführung die Gesellschafter nicht beeinflussen können, lässt die Erträge einer Unternehmensfortführung nur noch den Gläubigern der Gesellschaft zugute kommen.128 An die Stelle des Prinzips der Selbstorganschaft und des Eigennutzes treten die Fremdverwaltung durch den Insolvenzverwalter und die Verfolgung von Gläubigerinteressen.129 Dass die persönliche Gesellschafterhaftung auch im Interesse der Gesellschaftsgläubiger besteht, kann hieran nichts ändern. Dies belegt die Haftungsbestimmung des § 61 InsO. Hiernach haftet der Insolvenzverwalter den Massegläubigern, falls er Masseverbindlichkeiten begründet hat, mit deren vollständiger Tilgung aus der Insolvenzmasse er nicht sicher rechnen konnte. 126

Brinkmann, S. 102 f. Ebenfalls Bedenken an einem Beitrag zur Überwindung der Massearmut äußern Bork, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1333 (1343); ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (115); Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.16; ders., in: Insolvenzrecht im Umbruch, S. 101 (107) sowie Heitsch, ZInsO 2002, 692 (693), der aus diesem Grund § 93 InsO die Bedeutung einer cessio legis beimisst. 127 Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 70; Sieveking, S. 38; K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (114). 128 MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 7. 129 K. Schmidt, ZHR 152 (1988), 105 (115).

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An diesen grundsätzlichen Bedenken ändert auch die Einführung des § 93 InsO nichts. Es übersteigt den Regelungsgehalt der Vorschrift, wenn man in ihr die Grundlage einer Haftung für Masseverbindlichkeiten und die Abbedingung der vorerwähnten gesellschaftsrechtlichen Grundprinzipien erkennt. Die Rechtsfolge des § 93 InsO liegt vielmehr darin, dass allein der Insolvenzverwalter zur Geltendmachung der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft befugt ist. Entscheidend ist allein die Überleitung der Befugnis zur Geltendmachung. Eine Ausweitung der gesetzlichen Haftung des Gesellschafters aus § 128 Satz 1 HGB kann darin nicht erblickt werden. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 93 InsO. Mit der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft kann allein eine bereits bestehende Haftung des Gesellschafters vom Verwalter geltend gemacht werden.130 Ein anderes Verständnis stünde auch im Widerspruch mit den Normvorstellungen des Gesetzgebers. Dieser betont, dass die „persönlich haftenden Gesellschafter durch die Überleitung der Ausübung der Haftungsansprüche auf den Verwalter nicht schlechter gestellt werden, als sie nach geltendem Recht stehen“.131 Hieran ändert ein Vergleich mit der Liquidation nichts. Auch wenn sich zwischen der rechtlichen Stellung eines Liquidator und der eines Insolvenzverwalters Parallelen finden lassen, so kann § 93 InsO gerade nicht die Bedeutung beigemessen werden, die § 156 HGB für das Liquidationsverfahren einnimmt. Denn diese erklärt anders als § 93 InsO die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB bis zur Beendigung der Liquidation für anwendbar. Die Vereinbarkeit mit den gesellschaftsrechtlichen Grundprinzipien der Selbstorganschaft und des Eigennutzes hätte vielmehr eine ausdrückliche Haftungsanordnung für die Insolvenz verlangt. Eine solche kann jedoch nicht in § 93 InsO erblickt werden. Somit rechtfertigt eine materiellrechtliche Haftungserweiterung nicht den vom Gesetzgeber beabsichtigten Beitrag zur Überwindung der Massearmut. Die Haftungsansprüche müssten also für die Tilgung der Verfahrenskosten verwendet werden dürfen, obwohl die Gesellschafter für diese Kosten materiellrechtlich nicht haften. bb) Keine haftungsrechtliche Zuordnung Fraglich ist, ob die massefremden Haftungsansprüche gegen die Gesellschafter aus einem anderen Grund bei der Prüfung einer kostendeckenden Masse berücksichtigt werden können, weil das Gesellschaftervermögen dem 130 131

Brinkmann, S. 102. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 140.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

Vermögen des Insolvenzschuldners haftungsrechtlich zuzuordnen ist. Dies aber lässt sich nicht überzeugend begründen. Anders als die Erstreckung des Gleichbehandlungsgrundsatzes kollidiert diese Zuordnung zur Insolvenzmasse mit der haftungs- und vermögensrechtlichen Trennung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen.132 Sollen die Haftungsgläubiger für die Vollstreckungskosten des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft einstehen, so geht dies über eine bloße Abstimmung der Insolvenzfolgen hinaus.133 Aus dem gleichen Grund ist die in der gerichtlichen Praxis bei der Überprüfung der Verfahrenskostendeckung anzutreffende Gesamtbetrachtung von Gesellschafts- und Gesellschaftervermögen abzulehnen.134 Wird für diese Gesamtbetrachtung der enge wirtschaftliche Zusammenhang der beiden Vermögensmassen angeführt, so ist diese Argumentation ebenso unzulässig wie der von § 93 InsO beabsichtigte Beitrag zur Masseanreicherung.135

III. Ergebnis Zweck des § 93 InsO ist in erster Linie die Ausweitung der Gläubigergleichbehandlung auf das Vermögen der persönlich haftenden Gesellschafter.

E. Gesellschaftsformen im Sinne des § 93 InsO Dem Wortlaut nach ist die Regelung des § 93 InsO sachlich anwendbar, wenn über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KG aA) das Insolvenzverfahren eröffnet ist.

132

Zu der konsequenten Anwendung dieses Prinzips in der Insolvenz eines GbRGesellschafters vgl. jüngst OLG Rostock, DZWIR 2004, 38 m. zust. Anm. v. Keller DZWIR 2004, 40. 133 Als eine solche wurde zuvor die Ausweitung der Gleichbehandlung bewertet. Siehe hierzu S. 22 ff. 134 So zum Beispiel das LG München I ZInsO 2001, 1018 (1019). 135 Wenn Heitsch, ZInsO 2003, 692 (693); Oepen, Rz. 225 ff. und Pelz, S. 112 ff. zu einem anderen Ergebnis kommen, liegt das an einer abweichend vertretenen rechtlichen Konstruktion des § 93 InsO. Während Heitsch in der Vorschrift eine cessio legis erkennt, geht Oepen von der Eröffnung eines integrierten gemeinschaftlichen Inkassoverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters aus. Gleiches gilt für Pelz. Dieser fingiert die Massezugehörigkeit der Haftungsansprüche analog § 1987 Abs. 2 BGB. Hierzu siehe oben 1. Kapitel, C.

E. Gesellschaftsformen im Sinne des § 93 InsO

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I. Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit Nach der Legaldefinition des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO sind OHG, KG, GbR, EWIV und die Partenreederei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit. Diese Gesellschaften kennzeichnen sich allesamt durch die Existenz mindestens eines Gesellschafters, der für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft kraft seiner Gesellschafterstellung unbeschränkt persönlich haftet. Der sachliche Anwendungsbereich bestimmt sich damit letztlich durch den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift. Die Anwendung des § 93 InsO auf die OHG (§ 105 Abs. 1 HGB) und die KG (§ 161 Abs. 1 HGB) ergibt sich für die OHG aus der persönlichen Haftung aller Gesellschafter136 (§ 128 Satz 1 HGB) und für die KG aus der persönlichen Haftung der Komplementäre (§§ 161 Abs. 1, 2 i. V. m. 128 Satz 1 HGB).137 Gleiches gilt auch für eine KG, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist. So kann etwa nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer GmbH & Co. KG die Haftung der GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin nur vom Insolvenzverwalter der KG geltend gemacht werden.138 Geht es um die Geltendmachung einer ausnahmsweise unbeschränkten Kommanditistenhaftung (§ 176 HGB), so findet auch dann § 93 InsO auf die KG Anwendung.139 Für die im Übrigen lediglich summenmäßig beschränkte Haftung des Kommanditisten ergibt sich die Befugnis des Verwalters aus § 171 Abs. 2 HGB.140 Die Anwendung des § 93 InsO auf die GbR141 hingegen erscheint auf den ersten Blick keinesfalls selbstverständlich.142 Denn für die Gesellschafter einer GbR war die gesetzliche Haftungsverfassung lange Zeit heftig um136 Zur Haftung des ausgeschiedenen Gesellschafters ausführlich Gerhardt, ZIP 2000, 2181. 137 MünchKomm/Ott, InsO, § 11 Rz. 45; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 46 II 1. 138 So entschieden durchs LAG Niedersachsen ZInsO 2003, 146 (148). Zu den Besonderheiten in der Insolvenz und Insolvenzabwicklung bei der GmbH & Co. KG siehe Förster, ZInsO 2001, 110; K. Schmidt GmbHR 2002, 1209; ders., GmbHR 2003, 1404. 139 MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 3. Zur unbeschränkten Haftung des Kommanditisten: Baumbach/Hopt, HGB, § 176 Rz. 1, 9; HK/Stuhlfelner, HGB, § 176 Rz. 1, 8. 140 Koller/Roth/Mork, HGB, § 171 Rz. 8. Teilweise wird aber auch vertreten, dass § 171 Abs. 2 HGB mit Schaffung des § 93 InsO entbehrlich geworden sei. Denn auch die Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB sei eine persönliche Haftung, wenn auch summenmäßig auf die Haftsumme beschränkt, vgl. Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 496; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 7. Richtig dürfte das von Bork, in: Kölner Schrift zu Insolvenzordnung, 1333 (1342) gewonnene enge Verständnis einer „persönlichen Haftung“ sein, wonach nur die unbeschränkte persönliche Haftung gemeint sei, so dass § 93 InsO und § 171 Abs. 2 HGB überschneidungsfrei nebeneinander anwendbar sind.

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

stritten. Diese Ungewissheit betraf gleichsam die Anwendung des § 93 InsO. Nun aber entspricht die entsprechende Anwendung der §§ 128 ff. HGB herrschender Lehre143 und jüngerer Rechtsprechung des BGH,144 so dass eine Abwicklung der persönlichen Haftung eines GbR-Gesellschafters nach § 93 InsO im Wesentlichen der Haftungsabwicklung in der Insolvenz einer OHG gleicht. Die Anwendung des § 93 InsO auf die PartG erklärt sich durch § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG, der einer sinngemäßen Wiederholung der §§ 128 ff. HGB entspricht.145 Für die Partenreederei (§ 489 Abs. 1 HGB) ergibt sich die akzessorische Gesellschafterhaftung der Mitreeder und damit die Anwendung des § 93 InsO aus der Haftungsbestimmung des § 507 Abs. 1 HGB. Für die Mitglieder einer EWIV lässt sich Art. 24 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV-VO) entnehmen, dass diese – wenn auch subsidiär – unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Vereinigung haften.146

II. Kommanditgesellschaft auf Aktien (KG aA) Die KG aA ist eine juristische Person und damit als Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit (§ 278 Abs. 1 AktG) nach § 11 Abs. 1 InsO insolvenzfähig. Die Haftungsverfassung der KG aA kennzeichnet sich durch zwei Arten von Gesellschaftern. Auf der einen Seite durch einen oder auch mehrere Kommanditaktionäre, die am Grundkapital beteiligt sind und für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht persönlich haften. Auf der anderen Seite durch wenigstens einen nach § 278 Abs. 2 AktG in Verbindung mit den Vorschriften der §§ 161 Abs. 2, 128 ff. HGB persönlich haftenden Ge141 Reine Innengesellschaften sind mangels eigenen Vermögens von vornherein nicht insolvenzfähig. Zur Insolvenzfähigkeit der BGB-(Außen-)Gesellschaft: Pelz, S. 9 ff.; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 11 Rz. 368; Prütting, ZIP, 1997, 1725. 142 Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 7; K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (217). 143 Zum Meinungsstand: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 60 III 2 m. w. N. 144 Grundlegend BGHZ 146, 341. Diese entsprechende Anwendung der §§ 128 ff. HGB widerspricht der vom BGH früher – und auch von einem Teil der Lehre – vertretenen Theorie von der Doppelverpflichtung. Vgl. hierzu BGHZ 136, 254 (258); 117, 168 (176); BGHZ 79, 374 (377) sowie MünchKomm/Ulmer, BGB, § 714 Rz. 25 ff.; Brandes, WM 1994, 569 (571); Habersack, JuS 1993, 1 (2 f.). Die jüngste Rechtsprechung des BGH NJW 2003, 1445 und BGH NJW 2003, 1803 zur Deliktshaftung bei der GbR und zur Haftung für Altverbindlichkeiten vgl. Altmeppen, NJW 2003, 1553. 145 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 39; MünchKomm/Ulmer, PartGG, § 8 Rz. 1; Häsemeyer, Insolvenzrecht, Rz. 31.28, 31.30; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 64 IV 3. 146 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 66 II 3 d.

E. Gesellschaftsformen im Sinne des § 93 InsO

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sellschafter (Komplementär). Die Existenz einer solchen akzessorischen Gesellschafterhaftung rechtfertigt die Einbeziehung der KG aA in den § 93 InsO.147 Dieser Anwendung kommt jedoch keine große Bedeutung zu. Denn bei der KG aA stellt nicht die persönliche Haftung des Komplementärs, sondern das von den Kommanditaktionären aufgebrachte, durch die aktienrechtlichen Kapitalaufbringungs- und -erhaltungsvorschriften geschützte Grundkapital die eigentliche Haftungsgrundlage für die Gesellschaftsgläubiger dar.148

III. Entsprechende Anwendung des § 93 InsO Weil die Anwendung des § 93 InsO auf Gesellschaften zielt, bei denen mindestens ein Gesellschafter kraft seiner Gesellschafterstellung unbeschränkt haftet, wird die Vorschrift ferner entsprechend angewendet auf die GmbH, wenn ein GmbH-Gesellschafter ausnahmsweise unbeschränkt persönlich haftet.149 Eine solche Anwendung des § 93 InsO auf die so genannten Fälle einer Durchgriffshaftung150 setzt aber voraus, dass diese Haftung unmittelbar die Gläubiger der GmbH und nicht etwa die Gesellschaft selbst berechtigt.151 Denn nur dann bedarf es einer Haftungsüberleitung.152 Ist die Gesellschaft selbst aus der Haftung berechtigt (§§ 9, 24, 31 GmbHG) gehören die Haftungsansprüche ohnehin der Masse an. Die Voraussetzungen einer Durchgriffs-Außenhaftung sind umstritten. Selbst die Berechtigung des ganzen Rechtsinstituts kann nicht als gesichert angesehen werden.153 Als gefestigt gilt die Annahme einer Durchgriffshaftung in den Fällen der Vermögensvermischung.154 Lediglich teilweise vertreten wird eine Anwendung 147

MünchKomm/Ott, InsO, § 11 Rz. 38; Nerlich/Römermann/Mönning, InsO, § 11 Rz. 36. 148 BGHZ 134, 392 (397). 149 Diese Grundsatzfrage ist nach den Urteilen des BAG ZIP 2005, 1174 (m. Anm. v. Recq/Smyrek, GmbHR 2005, 1593 und Schröder, GmbHR 2005, 987 (990) – Bestätigung von LAG Köln ZIP 2003, 1893 m. Anm. v. Hölzle ZIP 2003, 1897)) und des BGH ZIP 2006, 467 (Bestätigung von OLG Celle EWiR 2002, 109 m. zust. Anm. v. Meyke bzw. LG Hildesheim DStR 2001, 1447 m. zust. Anm. Haas/Holla, DStR 2001, 1447 (1448)) geklärt. Zu diesem Problem vgl. weiter Hölzle, ZIP 2003, 1376; Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (111); Bruns, WM 2003, 815 (818); Jawansky, DB 2003, 2757 (2759); K. Schmidt, in: RWS-Forum 2003, 19 (31) sowie die Angaben unter Fn. 156 und 157. Zu den Altfällen vor Inkrafttreten des § 93 InsO vgl. BGH ZIP 2005, 1734 (Bestätigung von BGHZ 151, 181 = ZIP 2002, 1578). 150 Hierzu Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rz. 76 ff. 151 MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 83. 152 Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (110); K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (217). 153 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rz. 77. 154 Roth/Altmeppen/Altmeppen, GmbHG, § 13 Rz. 20 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 2 a. Konsequent daher die entsprechende Anwendung des § 93

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1. Kap.: Grundlagen der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO

dieser Haftungsgrundsätze bei qualifizierter Unterkapitalisierung.155 Nur hingewiesen werden soll auf die jüngste Entwicklung in der Rechtsprechung zum Haftungstatbestand des qualifiziert faktischen Konzerns156 und der Untersuchung einer nicht spezifisch konzernrechtlich begründbaren Verschuldenshaftung des Gesellschafters, der die eigene Gesellschaft durch Ausübung der Konzernleitungsmacht existentiell schädigt (Existenzvernichtungshaftung).157 Aber auch hierbei ist nur dann an eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO zu denken, wenn diese Haftung unmittelbar die Gläubiger der Gesellschaft berechtigt;158 interne Verlustausgleichsansprüche hingegen sind massezugehörig und können nach § 80 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.159 Gleiches gilt für die entsprechende Anwendung des § 93 InsO auf Vorgesellschaften,160 auf deren Haftungsverfassung an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden soll.161 Auf Vorgründungsgesellschaften ist § 93 InsO nur anwendbar, wenn diese ausnahmsweise bereits eigenes Vermögen gebildet haben und damit keine reine – gar nicht erst insolvenzfähige – Innengesellschaft darstellen.162 AnInsO durch OLG Celle, EWiR 2002, 109. Zustimmend auch Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (111). 155 Scholz/Emmerich, GmbHG, § 13 Rz. 94 f.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 4 m. w. N. Der BGH NJW 1979, 2104 lässt sie nur dann gelten, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 826 BGB vorliegen. 156 BGHZ 150, 61 (KBV); BGHZ 149, 19 (Bremer Vulkan). Vgl. hierzu ebenso die frühere Rechtsprechung: BGHZ 122, 123 (131) (TBB); BGHZ 115, 187 (Video); BGHZ 95, 330 (Autokran). Zur entsprechenden Anwendung des § 93 InsO auf diese Fälle der Existenzvernichtungshaftung vgl. BAG ZIP 2005, 1174 und BGH ZIP 2006, 467. Bejaht wird eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO weiter von Hölzle, ZIP 2003, 1376; Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (111); Bruns, WM 2003, 815 (818); Jawansky, DB 2003, 2757 (2759); K. Schmidt, in: RWS-Forum 2003, 19 (31). Vgl. weiter Fn. 149 und 157. 157 Zu dieser inzwischen anerkannten Existenzvernichtungshaftung vgl. die Rechtsprechung unter Fn. 149 sowie Böckmann, ZIP 2005, 2186; Bork, in: RWSForum 2003, 97 (110); grundlegend ders., KTS 2006, 39 (53 ff.); Brinkmann, ZGR 2003, 264; Hirte, ZInsO 2005, 403; Hölzle ZIP 2003, 1376 (1380); ders., ZIP 2003, 1897; K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (217); Recq/Smyrek, GmbHR 2005, 1593; Wahl, GmbHR 2004, 994. 158 Auch hierzu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 9 IV 3 a. 159 So auch Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 499. 160 Zu dieser Problematik vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 8; Bork, in: RWSForum 2003, 97 (110); K. Schmidt, KTS 2001, 373 (392). Zur Vor-Genossenschaft Kübler/Prütting/Lüke, InsO; § 93 Rz. 10 f.; HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 2. Das OLG Dresden, ZInsO 2001, 801 (805) konnte eine Anwendung des § 93 InsO auf die Vor-Genossenschaft offen lassen, weil es eine Anwendung des § 93 InsO im Gesamtvollstreckungsverfahren ablehnte. Ablehnend Harnacke, DGVZ 2003, 161 (164). 161 Hierzu jüngst BGH ZIP 2002, 2309 m. Anm. v. Drygala ZIP 2002, 2311. Zur früheren Rechtsprechung vgl. insbesondere das Grundsatzurteil BGHZ 134, 133. Zum Meinungsstand statt vieler Scholz/K. Schmidt, GmbHG, § 11 Rz. 80 ff.

E. Gesellschaftsformen im Sinne des § 93 InsO

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zumerken sei zuletzt, dass die Regelung des § 93 InsO ihren Bedeutungszuwachs neben den zahlreichen GbR-Insolvenzen163 einer solchen entsprechenden Anwendung auf die Durchgriffshaftung von GmbH-Gesellschaftern164 und nicht etwa dem vermeintlich klassischen Anwendungsfall einer OHG verdankt.

IV. Zusammenfassung Auf diese Gesellschaften kann § 93 InsO damit unmittelbar oder auch entsprechend angewendet werden. In der Insolvenz jeder dieser Gesellschaften stellt sich folglich die Problematik paralleler Sicherheiten, wenn der kraft seiner Gesellschafterstellung unbeschränkt haftende Gesellschafter zusätzlich die Übernahme einer Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft verspricht.

162 MünchKomm/Ott, InsO, § 11 Rz. 15; Uhlenbruck/Hirte, § 11 Rz. 36. Zu diesem Gründungsstadium vgl. ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 34 III 2. 163 Vgl. hierzu OLG Bremen ZIP 2002, 679; OLG Jena InVo 2002, 148 (Bestätigung von LG Gera ZVI 2002, 24). So auch die Einschätzung Borks, in: RWS-Forum 2003, 97 (110), der auf die erhebliche Rolle der Anwendung des § 93 InsO auf die Haftung der GbR-Gesellschafter hinweist. 164 Vgl. BAG ZIP 2005, 1174 (m. Anm. v. Recq/Smyrek, GmbHR 2005, 1593 und Schröder, GmbHR 2005, 987 (990)) und BGH ZIP 2006, 467 sowie die im Schrifttum (Fn. 157) geführte Diskussion. Vgl. hier statt vieler: Bork, KTS 2006, 39 ff.

Zweites Kapitel

Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand Die in der Literatur seit der Einführung des § 93 InsO durch die Insolvenzordnung geführte Diskussion um die Bedeutung der Parallelsicherheiten bei der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO gewann durch die erstmalige gerichtliche Auseinandersetzung und die anschließende Grundsatzentscheidung des BGH an Intensität und Brisanz. Neben einer Darstellung dieser gerichtlichen Entscheidungen soll nachstehend auch der Meinungsstand im Schrifttum skizziert werden.

A. Stand der Rechtsprechung Erstreckt sich § 93 InsO über die gesetzliche Haftung des Gesellschafters hinaus auf andere Haftungstatbestände? Mit dieser allgemein gehaltenen und nicht auf die Parallelbürgschaft beschränkten Fragestellung lassen sich die Entscheidungen des LG Bayreuth,1 des OLG Schleswig2 sowie des BFH3 und auch des BGH4 umschreiben. In der vom LG Bayreuth zu entscheidenden Rechtssache ging es unmittelbar um die Anwendbarkeit des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft. Die anderen Gerichte hingegen setzten sich mit der Befugnis des Insolvenzverwalters auseinander, die selbständige abgabenrechtliche Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters für die Steuerschulden der Gesellschaft (§§ 69, 34 AO) geltend zu machen.

I. LG Bayreuth5 Die Klägerin war Inhaberin einer Forderung aus einer Warenrücklieferung gegen eine inzwischen insolvente OHG. Zur Sicherheit dieser Forde1

LG Bayreuth v. 30.05.2000 – 33 O 244/00, ZIP 2001, 1782. OLG Schleswig v. 21.09.2001 – 1 U 207/00 (LG Lübeck), ZIP 2001, 1968. 3 BFH v. 02.11.2001 – VII B 155/01, ZIP 2002, 179. Bestätigung des SchleswigHolsteinischen Finanzgerichts v. 28.06.2001 – V 65/01, EFG 2001, 1177. 4 BGH v. 04.07.2002 – IX ZR 265/01, BGHZ 151, 245 = BGH ZIP 2002, 1492. 5 LG Bayreuth, ZIP 2001, 1782. 2

A. Stand der Rechtsprechung

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rung hatten sich die persönlich haftenden Gesellschafter verbürgt. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der OHG nahm die Klägerin mit Schreiben vom 29. Februar 2000 die Gesellschafter aus der Bürgschaft in Anspruch. Die Beteiligten stritten um die Aktivlegitimation der Klägerin. Die beklagten Gesellschafter beriefen sich darauf, dass sie während des derzeit anhängigen Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen nur vom Verwalter der Gesellschaft in Anspruch genommen werden können. Das LG Bayreuth hielt diese Rechtsauffassung für unzutreffend und gab der Klage statt. Es gehe nicht um die persönliche Haftung der Beklagten als Gesellschafter der insolventen OHG nach § 128 Satz 1 HGB. Die Beklagten würden vielmehr aufgrund der bestehenden Bürgschaftsverpflichtung in Anspruch genommen. Die Regelung des § 93 InsO sei mithin nicht anwendbar. Es sei in keiner Weise zu beanstanden, wenn persönlich haftende Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft sich über ihre persönliche Haftung hinaus noch zusätzlich als Bürgen verpflichten, um auf diese Weise den Gläubigern ergänzende Sicherheiten zur Verfügung zu stellen. „Eine solche ergänzende Sicherheit ist gerade darin zu sehen, dass die Gläubiger einer Gesellschaft sich mit einer Bürgschaft davor absichern, in einem möglichen Insolvenzverfahren lediglich eine quotenmäßige Befriedigung zu erlangen. Die zusätzliche Eingehung einer Bürgschaftsverpflichtung durch bereits auf Grund gesetzlicher Vorschriften (§ 128 Satz 1 HGB) haftende Gesellschafter macht nur dann Sinn, wenn die negative Folge des § 93 InsO vermieden werden kann.6“ Dieses enge Verständnis sieht das LG Bayreuth auch nicht in einem Widerspruch mit Sinn und Zweck der Vorschrift. Durch § 93 InsO solle verhindert werden, dass Gläubiger von Gesellschaftern, die zugleich Gläubiger der Gesellschaft sind, in einem Wettlauf versuchen, bevorzugte Befriedigung aus dem zusätzlich haftenden Privatvermögen der Gesellschafter zu erlangen. Diese gleichmäßige Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger sei aber dann nicht geboten, wenn der Gläubiger des Gesellschafters nicht zugleich Gläubiger der Gesellschaft sei. Hierbei sei nach Ansicht des Gerichts aber nicht auf die Person des Gläubigers abzustellen. Ob es sich um einen Gesellschaftsgläubiger handle, beurteile sich vielmehr nach der zugrunde liegenden Forderung. Die Bürgschaftsforderung gegen den Gesellschafter sei aber nicht gleichsam eine Forderung gegen die Gesellschaft. Der Bürgschaftsgläubiger sei damit ein Gläubiger des Gesellschafters, der nicht zugleich Gesellschaftsgläubiger sei. Vielmehr begründe die Bürgschaft eine neben der persönlichen Gesellschafterhaftung aus § 128 Satz 1 HGB bestehende und von dieser Haftung losgelöste eigenständige Verpflichtung des 6

LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783).

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

Gesellschafters. Auch eine analoge Anwendung des § 93 InsO komme nicht in Betracht. Denn „es ist nicht ersichtlich, dass in der Insolvenzordnung hinsichtlich der Verpflichtung von Bürgen eine unbeabsichtigte Regelungslücke enthalten ist.“ Aus einer Bürgschaftsverpflichtung könnten persönlich haftende Gesellschafter damit anders als aus § 128 Satz 1 HGB vom Gläubiger selbst in Anspruch genommen werden.

II. OLG Schleswig Auch das mit einer Berufung gegen ein Urteil des LG Lübeck befasste OLG Schleswig7 hatte sich mit dem Regelungsumfang des § 93 InsO zu befassen. Es ging jedoch nicht um die Anwendung dieser Vorschrift auf die Bürgenverpflichtung eines persönlich haftenden Gesellschafters. Streitgegenständlich war vielmehr die selbständige abgabenrechtliche Haftung eines Komplementärs. Gemäß §§ 34 Abs. 1, 69 AO haben die Geschäftsführer einer KG deren steuerliche Pflicht zu erfüllen. Gibt es keinen Geschäftsführer, trifft diese Verpflichtung die persönlich haftenden Gesellschafter (§ 34 Abs. 2 Satz 1 AO). Diese Personen haften nach § 69 AO, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht ausgeglichen werden. Die Beteiligten stritten um die Eintragung einer Sicherungshypothek auf einem hälftigen Miteigentumsanteil des persönlich haftenden Gesellschafters. Der Kläger war Verwalter in dem über das Vermögen der KG eröffneten Insolvenzverfahren. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland hatte gegen den persönlich haftenden Gesellschafter der schuldnerischen KG einen Haftungsbescheid wegen Steueransprüchen gegen die KG erlassen. Aufgrund des bestandskräftig gewordenen Haftungsbescheids erwirkte die Beklagte sodann die Eintragung der Sicherungshypothek. Nach Veräußerung des Grundstücks verlangte der klagende Verwalter auf Auskehr des bei der Veräußerung erlangten Betrages. Unter Hinweis auf § 93 InsO war der Kläger der Auffassung, das Finanzamt sei nicht berechtigt gewesen, die Steueransprüche gegen die Schuldnerin gegenüber dem persönlich haftenden Gesellschafter durchzusetzen. Das LG Lübeck wies die Klage ab. Das OLG Schleswig hingegen gab der eingelegten Berufung statt und verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des streitig gebliebenen Betrages. Zur Geltendmachung der abgabenrechtlichen Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters sei allein der Insolvenzverwalter der insolventen KG befugt. Dies ergebe sich aus der Regelung des § 93 InsO, über deren Regelungsumfang Streit be7

OLG Schleswig ZIP 2001, 1968.

A. Stand der Rechtsprechung

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stehe. Der erkennende Senat hält einen weiten Anwendungsbereich des § 93 InsO für gerechtfertigt. Hiernach sei auch dann allein der Insolvenzverwalter befugt, den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen, wenn der Gesellschafter neben § 128 Satz 1 HGB noch aus einem anderen Grund hafte.8 Ein anderes Ergebnis sehe sich im Widerspruch mit dem Wortlaut der Vorschrift: „Es heißt dort nicht, dass der Insolvenzverwalter nur dann zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsschulden berechtigt sei, wenn sich die Haftung allein aus § 128 HGB herleiten lasse“. Für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung des § 93 InsO spreche auch kein entsprechender gesetzgeberischer Wille. Denn die Gesetzesmaterialien besagten nicht oder jedenfalls nicht zweifelsfrei, dass § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung beschränkt sei. Unter wörtlicher Bezugnahme auf die zu § 93 InsO gelieferte Gesetzesbegründung gelangt das Gericht zu der Erkenntnis, dass allein der klagende Verwalter zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters für die Steuerschulden der Schuldnerin befugt gewesen sei. Die Regelung des § 93 InsO erfasse damit auch die neben der gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht stehende abgabenrechtliche Haftung eines persönlich haftenden Gesellschafters nach §§ 34, 69 AO.9 Das OLG Schleswig erkennt damit anders als das LG Bayreuth eben gerade keine Beschränkung des § 93 InsO auf die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB an. Vielmehr seien von diesem Einzugsvorbehalt auch alternative Haftungstatbestände unmittelbar erfasst. Auch wenn es in der zu entscheidenden Fallkonstellation nicht um eine konkurrierende Mithaftung aus einer Bürgschaftsverpflichtung ging, will das Gericht seine Auffassung ausdrücklich nicht auf die abgabenrechtliche Haftung beschränkt sehen. Ein alternativer Haftungstatbestand im Sinne der gerichtlichen Argumentation sei damit auch die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters. Insoweit gelangt das OLG Schleswig anders als das LG Bayreuth zu einer Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft.

III. Bundesfinanzhof Auch der BFH hatte sich mit einer Anwendung des § 93 InsO auf die abgabenrechtliche Haftung des Geschäftsführers und persönlich haftenden Gesellschafters einer KG zu befassen.10 Mit einem auf die §§ 191, 69, 34 AO gestützten Haftungsbescheid nahm das Finanzamt den Gesellschafter 8

OLG Schleswig ZIP 2001, 1968 (1969). OLG Schleswig ZIP 2001, 1968 (1970). 10 BFH ZIP 2002, 179. 9

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

wegen rückständiger Lohn- und Umsatzsteuern der KG in Anspruch. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte ebenso wie der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung keinen Erfolg. Daher erhob der Gesellschafter unter Hinweis auf die fehlende Befugnis des Finanzamtes, die betreffende Haftung selbständig geltend zu machen, Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht. Dieses jedoch wies sowohl die gegen den Haftungsbescheid erhobene Klage als auch den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab. Einer Inanspruchnahme des persönlich haftenden Gesellschafters aus §§ 69, 34 AO durch das Finanzamt selbst stehe die Vorschrift des § 93 InsO nicht entgegen.11 Ebenso ohne Erfolg blieb die beim BFH gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht eingelegte Beschwerde. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Haftungsbescheids bestünden keine ernstlichen Zweifel. Es sei nicht ernstlich zweifelhaft, dass die abgabenrechtliche Haftung gemäß §§ 191, 69, 34 AO von der Sperrwirkung des § 93 InsO nicht erfasst sei. Das FG habe daher die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids zu Recht abgelehnt. Wie auch das OLG Schleswig nahm der BFH die streitgegenständliche Haftung zum Anlass, den Regelungsumfang des § 93 InsO einer grundsätzlichen Untersuchung zu unterziehen. Anders als dieses spricht sich der BFH hierbei jedoch gegen eine Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft aus. Die Entstehungsgeschichte der Norm sowie die Begründung des Regierungsentwurfs zum heutigen § 93 InsO rechtfertigten den beschränkten Anwendungsbereich. Das Gericht bemüht hierbei den Ersten Bericht der Insolvenzrechtskommission, den Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz, die Vorbildfunktion des § 171 Abs. 2 HGB sowie die spätere Gesetzesbegründung. Bereits in dem Kommissionsbericht werde eine Zuweisung von Haftungsansprüchen zur Insolvenzmasse der Gesellschaft aus besonderen Haftungsansprüchen abgelehnt. Gemeint sei hiermit unter anderem die rechtsgeschäftlich begründete Bürgenhaftung des Gesellschafters. „Die Zuweisung von Mithaftungsansprüchen an die Insolvenzmasse sollte danach nur in Betracht kommen, wenn ein Gesellschafter einen besonderen Haftungstatbestand gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern verwirklicht hat.12“ Dies seien die Vorgaben, denen der Gesetzgeber der Insolvenzordnung bei der Schaffung des § 93 InsO gerecht werden wollte. Die gesetzgeberische Umsetzung dieser Regelungsvorgaben belegt nach Ansicht des BFH der Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz sowie die spätere Gesetzesbegründung. Denn diese inhaltsgleichen 11

Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht EFG 2001, 1177. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Begründung zu Leitsatz 6.2, S. 446 f. 12

A. Stand der Rechtsprechung

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Gesetzesmaterialien erwähnten ausschließlich die Haftungsbestimmung des § 128 Satz 1 HGB. Diese ausdrückliche Benennung könne im Lichte der Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers auch nicht als beispielhaft bezeichnet werden. Unterstützt werde dies durch den Rechtszustand vor Schaffung der Insolvenzordnung. Die Vorschrift des § 93 InsO solle dem Umstand Rechnung tragen, dass in § 128 HGB anders als in § 171 Abs. 2 HGB eine Regelung fehle, die den Konkursverwalter im Konkursverfahren zur Ausübung der Gläubigeransprüche berechtige. In diesem Sinne spreche die Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs von einer Rechtsanalogie zu eben dieser handelsrechtlichen Bestimmung. Diese Vorschrift sei jedoch auf die gesellschaftsrechtliche Haftung des Kommanditisten nach § 171 Abs. 1 HGB beschränkt. Rechtsgeschäftliche Mithaftungstatbestände hingegen seien ersichtlich nicht erfasst. Dies müsse auch für die mit § 93 InsO beabsichtigte Rechtsanalogie gelten.13 Hieran ändere auch der in der Gesetzesbegründung zu § 93 InsO zum Ausdruck gebrachte Regelungszweck nichts. Sicher ziele § 93 InsO auf eine gleichmäßige Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger ab, so dass der Gesetzeszweck auch teilweise vereitelt werde, wenn die Übernahme einer Bürgschaft zu einem gesonderten Zugriff auf den persönlich haftenden Gesellschafter berechtige. Jedoch verdeutliche die Begründung lediglich die Motive, die den Gesetzgeber zur Einführung des § 93 InsO veranlasst haben. Der Begründung könne hingegen nicht entnommen werden, auf welche Art und Weise und in welchem Umfang der Gesetzgeber sein erklärtes Ziel erreichen wolle. Die gesetzgeberische Intention könne damit nicht die Einbeziehung der Parallelbürgschaft begründen. Nicht zuletzt aufgrund des Willens des historischen Gesetzgebers hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft. Überdies ließen sich gute Gründe dafür finden, Gläubiger, denen ein Gesellschafter etwas aus einem von seiner Gesellschafterstellung unabhängigen Rechtsgrund schuldet, gegenüber anderen Gläubigern in der Insolvenz der Gesellschaft zu privilegieren.14

IV. Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 04.07.2002 In einem Urteil vom 04.07.2002 hatte sich der IX. Zivilsenat des BGH mit der Reichweite des § 93 InsO zu befassen.15 Das Gericht hatte als Revisionsgericht über den vom OLG Schleswig entschiedenen Fall zu befinden. Streitgegenständlich war daher die Anwendung des § 93 InsO auf die abga13 14 15

BFH ZIP 2002, 179 (180). BFH ZIP 2002, 179 (181). BGHZ 151, 245 = BGH ZIP 2002, 1492.

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

benrechtliche Haftung des geschäftsführenden Komplementärs einer KG nach §§ 69, 34 AO. Anders als das Berufungsgericht wendet der BGH die Regelung des § 93 InsO ausschließlich auf die akzessorische Gesellschafterhaftung an. Weder die im Streit befindliche Haftung des Gesellschafters wegen Steueransprüchen gegen die Gesellschaft noch die Bürgenhaftung desselben könnten vom Insolvenzverwalter der Gesellschaft unter Berufung auf § 93 InsO geltend gemacht werden. Dieser Regelungsumfang ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte sowie dem Zweck der Regelung. Über die Argumentation des BFH hinaus versucht das Gericht eine weitergehende Auseinandersetzung mit den Überlegungen zur Reform des Insolvenzrechts. Zu diesem Zweck bemüht es den rechtspolitischen Vorschlag von K. Schmidt, die Einziehungsbefugnis des Verwalters nicht nur auf die gesetzliche Haftung (§ 128 Satz 1 HGB) zu erweitern, sondern eben auch auf die Forderungen aus einer Bürgschaft und vergleichbaren persönlichen Verpflichtungen der Gesellschafter.16 Aus der Zusammenschau dieses Vorschlags mit dem Kommissionsbericht sowie der Vorgängerregelung des § 171 Abs. 2 HGB könne geschlossen werden, dass sich der Gesetzgeber gegen eine Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche entschlossen habe. Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung liefere ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 93 InsO keinen Hinweis dafür, dass der Gesetzgeber von dieser Entscheidung habe abweichen wollen. Diesen Anwendungsbereich erachtet das Gericht mit Blick auf die Problematik der Parallelsicherheiten auch als systemgerecht. Denn Bürgschaften und vergleichbare Verpflichtungen erwiesen ihren Wert in der Regel erst dann, wenn der Hauptschuldner insolvent werde. Könne der Gläubiger den Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens aus solchen persönlichen Verpflichtungen nicht in Anspruch nehmen, so stehe er regelmäßig im wirtschaftlichen Ergebnis ebenso da, als wenn er sich mit der gesetzlichen Haftung begnügt hätte. Es könne jedoch angenommen werden, dass der Wille, persönliche Schuldverpflichtungen der Gesellschafter in Abkehr zum bisher geltenden Recht zu entwerten, in einer eindeutigen Regelung zum Ausdruck gebracht worden wäre. Anhaltspunkte hierfür seien aber nicht ersichtlich. Die insolvenzrechtlichen Bestimmungen der §§ 254 Abs. 2 Satz 1, 301 Abs. 2 InsO widerlegten gar einen solchen möglichen Willen. So bestimme § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO, dass nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen durch den Plan nicht berührt werden. Dies belege zusätzlich die ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung. Hieran ändere auch die Erwägung nichts, dass es aus Gründen 16 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (46 ff.); ders., JZ 1985, 301 (303 f.).

B. Streitstand im Schrifttum

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der Gläubigergleichbehandlung wünschenswert erscheine, die Geltendmachung von Haftungsansprüchen umfassend beim Insolvenzverwalter zu bündeln. Zwar eröffne die zusätzliche Übernahme einer Bürgschaft durch den persönlich haftenden Gesellschafter die Möglichkeit, die Wirkung des § 93 InsO zu umgehen. Jedoch rechtfertige dies keine Analogie. Denn die gesetzliche Regelung enthalte unter keinem Gesichtspunkt eine planwidrige Regelungslücke. Zudem hätte eine solche Analogie einen beträchtlichen Eingriff in die der Privatautonomie unterstehende Möglichkeit, Sicherungsgeschäfte abzuschließen zur Folge.17

B. Streitstand im Schrifttum Neben der Rechtsprechung zum Anwendungsbereich des § 93 InsO sollen auch die im Schrifttum vertretenen Ansichten zum Problem der Parallelsicherheiten dargestellt werden.

I. Keine Anwendung des § 93 InsO Nach überwiegender Auffassung erfasst § 93 InsO nur die gesetzliche Haftung als Gesellschafter.18 Die durch eine Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters gesicherten Gläubiger können daher auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ungehindert auf das Privatvermögen des Gesellschafters zugreifen. Eine Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft kommt damit weder nach der 17

BGHZ 151, 245 (251) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). Braun/Kroth, InsO, § 93 Rz. 9; Breutigam/Blersch/Goetsch/Blersch, InsO, § 93 Rz. 7; Hess/Weis/Wienberg/Weis, InsO, § 93 Rz. 11; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 ff.; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 84; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 2, 21;Nerlich/Römermann/Wittkowski, InsO, § 93 Rz. 7; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 14, 18; App, DGVZ 2003, 83; Bitter, ZInsO 2002, 557; ders., WuB VI C. § 93 InsO 1.02, 1182; Bunke, KTS 2002, 471; ders., NZI 2002, 591; Fuchs, ZIP 2000, 1989; ders., EWiR 2002, 163; Graf/ Wunsch, EWiR 2002, 25; Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189; dies., DStR 2002, 1095; Haas/Müller, NZI 2002, 366; Heitsch, ZInsO 2003, 692 (695); Huber, LMK 2003, 119; Kirchhof, ZInsO 2003, 149 (157); K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (217 f.); Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082); Theißen, ZIP 1998, 1625; Welzel, EWiR 2003, 335. Wessel, EWiR 2002, 217 (218) und DZWIR 2002, 53 (54) lehnt zwar auch eine Einbeziehung konkurrierender Sicherheiten ab. Da er aber die abgabenrechtliche Haftung erfasst sieht, beschränkt er im Gegensatz zur herrschenden Lehre den Anwendungsbereich des § 93 InsO nicht ausschließlich auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung. Brinkmann, S. 125 ff. lehnt im Hinblick auf die Bürgschaftsforderung jedenfalls eine Ermächtigung des Insolvenzverwalters ab. Zu dieser auf die Sperrwirkung beschränkte Analogie zu § 93 InsO siehe 2. Kapitel, B. II. 3. 18

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

Rechtsprechung noch nach der herrschenden Lehre in Betracht. Die angeführte Argumentation und die für tragfähig erachteten Begründungsansätze fallen jedoch in zahlreichen Punkten auseinander. 1. Wortlaut und Gesetzessystematik des § 93 InsO Anders als in der Judikatur wird im Schrifttum versucht, auch im Wortlaut ein Argument für die ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung zu finden. Im Begründungsaufwand unterscheiden sich diese Versuche bisweilen ganz erheblich. So wird etwa unter bloßem Hinweis auf das Kompositum „persönliche Haftung“ vertreten, dass der Wortlaut des § 93 InsO ersichtlich nur auf die akzessorische Haftung eines Gesellschafters bezogen ist.19 Wieder andere sehen den Wortlaut auf die gesetzliche Haftung beschränkt, weil die Verwendung des Plurals („Verbindlichkeiten“) und damit die grammatikalische Fassung der Vorschrift dies nahe legt. Denn die Regelung des § 93 InsO ordne die Kollektivierung der Haftungsansprüche nur unter der Voraussetzung an, dass der Gesellschafter „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ hafte. Voraussetzung sei mithin die persönliche Einstandspflicht des Gesellschafters für sämtliche Schulden der Gesellschaft. Dies treffe nur für die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht zu.20 Bitter untersucht die Verwendung des Begriffs „persönliche Haftung eines Gesellschafters“ unter einem systematischen Blickwinkel. Hierbei erkennt er ein traditionelles Sprachverständnis. Spreche der Gesetzgeber von einer persönlichen Haftung der Gesellschafter, so meine er stets die Haftung als Gesellschafter und damit die gesetzliche Haftung. In diesem Sinne entspreche die amtliche Überschrift des § 93 InsO der zwar nicht amtlichen, aber doch üblichen und dem Gesetzgeber bekannten Überschrift des § 128 HGB. Unterstützt werde dies durch einen Blick in das Aktiengesetz. Nach § 278 Abs. 1 AktG kennzeichne sich eine KG aA dadurch, dass „mindestens ein Gesellschafter den Gesellschaftsgläubigern unbeschränkt haftet (persönlich haftender Gesellschafter) und die übrigen an dem in Aktien zerlegten Grundkapital beteiligt sind, ohne persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu haften (Kommanditaktionäre).“ Hier meine das Gesetz ganz selbstverständlich nur die gesellschaftsrechtliche Haftung und nicht einen aufgrund einer Bürgschaft persönlich haftenden Gesellschafter. Gleiches gelte für § 161 Abs. 1 HGB.21 Damit liege es nahe, dass die Insolvenzordnung den Begriff des 19

So Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26). Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367). Wohl auch Heitsch, ZInsO 2003, 692 (695). 21 Bitter, ZInsO 2002, 557 (559). 20

B. Streitstand im Schrifttum

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„persönlich haftenden Gesellschafters“ nicht selbst definiere, sondern auf andere Gesetze zurückgreife.22 2. Entstehungsgeschichte Der Umgang der Literatur mit der Entstehungsgeschichte sowie dem Regelungszweck des § 93 InsO soll nur insoweit dargestellt werden, wie die Argumentation über die gerichtlichen Begründungen hinausgeht. Bitter23 sieht sich in besonderer Weise veranlasst, den Ersten Kommissionsbericht daraufhin zu untersuchen, ob dieser die von K. Schmidt geforderte24 Einbeziehung konkurrierender Haftungsansprüche ablehnt. In Augenschein nimmt er hierfür den Leitsatz 6.2 des betreffenden Kommissionsberichts.25 Dieser lehne eine einheitliche Zuweisung von Ansprüchen an die Insolvenzmasse der Gesellschaft aus besonderen Haftungstatbeständen, die auf rechtsgeschäftlicher Haftung beruhen, grundsätzlich ab.26 Bitter räumt ein, dass dieser Leitsatz in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit § 93 InsO steht. Jedoch lasse sich dieser Zusammenhang dadurch herstellen, dass sich der betreffende Leitsatz in dem Abschnitt über die „Zuweisung von Haftungsansprüchen an die Insolvenzmasse“ befinde. Denn dies sei der Abschnitt, aus dem später die Vorschriften der §§ 92, 93 InsO hervorgingen. „Insoweit spricht der Erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht in der Begründung des Leitsatzes 6.2 ganz allgemein davon, dass eine Zuweisung von Mithaftungsansprüchen an die Insolvenzmasse nur dann in Betracht kommt, wenn ein Gesellschafter einen besonderen Haftungstatbestand gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern verwirklicht hat.27“ Vor diesem Hintergrund müsse sodann die ausschließliche Erwähnung des § 128 HGB in der Gesetzesbegründung des § 93 InsO gesehen werden.28 22 Brinkmann, S. 126; ders., ZGR 2003, 264 (275); Bunke, KTS 2002, 471 (478); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); Huber, LMK 200, 119. Ebenso – wenn auch in anderem Zusammenhang – Gerhardt, ZIP 2000, 2181 (2183). 23 Bitter, ZInsO 2002, 557 (558 f.); ders., WuB VI C. § 93 InsO 1.02, 1182 (1183). 24 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (46 ff.). Hierzu auch ders., in: Die neue Insolvenzordnung. (Bankrechtstag 1999), S. 20 f. 25 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Begründung zu Leitsatz 6.2, S.446 f. Kritisch zum Umgang dieses Kommissionsberichts mit der persönlichen Gesellschafterhaftung K. Schmidt, in: Bankrechtstag 1999, Die neue Insolvenzordnung. Erste Erfahrungen und Tragweite für die Kreditwirtschaft, S. 21. 26 Ebenso MünchKomm-K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 82. 27 K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (219); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). 28 Zustimmend auch Bunke, KTS 2002, 471 (481). Anders als Bitter erkennt dieser aber im Ersten Kommissionsbericht kein Argument für die Einschränkung des § 93 InsO, vgl. Bunke KTS 2002, 471 (481).

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

Für noch deutlicher hält Bunke29 die Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs.30 Nach dieser solle § 93 InsO in Rechtsanalogie zu § 171 Abs. 2 HGB Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen persönlich haftende Gesellschafter der Insolvenzmasse der Gesellschaft zuweisen. Weil die Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB nur die gesellschaftsrechtliche Haftung des Kommanditisten erfasse, spreche diese Bezugnahme offensichtlich für eine Beschränkung des § 93 InsO. Brandes untermauert dieses restriktive Verständnis mit einem Hinweis auf die Bestimmung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese belege, dass der Gesetzgeber die Probleme, die die Absicherung einer Insolvenzforderung durch eine Bürgschaft mit sich bringe, gesehen habe und mithin den von K. Schmidt unterbreiteten Vorschlag nicht aufgegriffen habe.31 Die Entscheidung des Gesetzgebers wird damit von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre für ausschlaggebend erachtet. Methodisch versteht sich diese Argumentation zum einen als Grundlage einer restriktiven Auslegung32 und zum anderen als Ausgangspunkt zur Ablehnung einer analogen Anwendung, entweder weil die Historie der Annahme einer planwidrigen Regelungslücke33 oder der Vergleichbarkeit der Interessenlagen34 oder gar beidem35 entgegensteht. 3. Sinn und Zweck Überdies gebiete der Regelungszweck des § 93 InsO einen auf die gesetzliche Haftung des Gesellschafters beschränkten Anwendungsbereich. Sicherlich sei es Sinn und Zweck der einheitlichen Einziehung, den Wettlauf der Gläubiger um das Privatvermögen der Gesellschafter durch die Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger abzulösen. Jedoch halte der Gesetzgeber diesen Grundsatz nicht lückenlos durch. „So habe er es etwa unterlassen, sämtliche konkurrierende Ansprüche eines Gesellschaftsgläubigers gegen Dritte in das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft einzubeziehen. Daher sei der Gesellschaftsgläubiger nicht gehindert, etwa die Bürgenhaftung eines (Nicht-)Gesellschafters im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners durchzusetzen (§ 43 InsO).36“ 29

Bunke, KTS 2002, 471 (481); ders., NZI 2002,591 (592). Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. A 40. 31 MünchKomm-Brandes, InsO, § 93 Rz. 21; Bunke, KTS 2002, 471 (481); ders., NZI 2002, 591 (593). Ebenso K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (217). 32 Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367). 33 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 b; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 7; Fuchs, EWiR 2002, 164 (165). 34 Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190). 35 Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26). 30

B. Streitstand im Schrifttum

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Dies entspreche einem bewussten gesetzgeberischen Umgang mit dem Zugriff auf ausserhalb der Insolvenzmasse stehendes Privatvermögen. Damit solle nicht jeder Wettlauf der Gläubiger um eine zusätzliche Haftungsmasse verhindert werden. Schließlich sei die gleichmäßige Befriedigung aus dem Gesellschaftervermögen grundsätzlich der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorzubehalten und könne daher nicht bereits mit der Gesellschaftsinsolvenz umfassend gewährleistet werden.37 Daher formuliere der Gesetzgeber in der Regierungsbegründung, dass Gläubiger eines Gesellschafters, die nicht zugleich Gesellschaftsgläubiger sind, weiterhin gesondert auf das Vermögen des Gesellschafters zugreifen können. Um eine solche persönliche Verbindlichkeit des Gesellschafters handle es sich auch, wenn sich der Gesellschafter gegenüber einem Gesellschaftsgläubiger für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zusätzlich verbürgt habe.38 Hieran könne der zu einer Gesellschaftsverbindlichkeit bestehende Bezug nichts ändern.39 Überdies dürfe der Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger eines insolventen Schuldners nicht missverstanden werden. „Par condicio creditorum“ bedeute keinesfalls die gleiche Behandlung sämtlicher Gläubiger. Nur „gleiches“ solle „gleich“ – „ungleiches“ dementsprechend „ungleich“ – behandelt werden. Besondere Bedeutung komme hierbei den Kreditsicherheiten zu.40 Denn gerade die Absicherung von Forderungen markiere die „Ungleichheit“ gegenüber bloßen Insolvenzgläubigern.41 Da sich § 93 InsO nicht als „Instrument zur Vernichtung von (Kredit-)Sicherheiten“ verstehe, könne es dem Gesetzgeber nicht darum gegangen sein, den Wert einer Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters in Zweifel zu ziehen.42 36

Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367). Häsemeyer, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 645 (664 ff.); Bunke, NZI 2002, 591 (594). 38 Braun/Kroth, InsO, § 93 Rz. 9; Breutigam/Blersch/Goetsch/Blersch, InsO, § 93 Rz. 7; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 a; Fuchs, ZIP 2000, 1089. 39 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 a. 40 Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWiR 2002, 189 (191). 41 Nach Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 18 steht einer Anwendung des § 93 InsO entgegen, dass zum einen die Stellung der Kreditgeber deutlich verschlechtert wird und zum anderen hierdurch indirekt eine Verteuerung der Kreditversorgung bewirkt wird. 42 Dass durch die Möglichkeit der selbständigen Geltendmachung paralleler Sicherheiten das mit § 93 InsO verfolgte Ziel unterwandert wird, erkennen auch die Vertreter dieser herrschenden Meinung an, Kübler/Prütting/Lüke InsO, § 93 Rz. 18 a; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 18; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). Auch Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626) sieht das Regelungsziel des § 93 InsO durch einen Wettlauf gefährdet, an dem nicht mehr die reinen Gesellschaftsgläubiger gegeneinander antreten, um die Haftung im Sinne des § 128 HGB zu realisieren, sondern der Insolvenzverwalter als Treuhänder aller Gesellschaftsgläubiger gegen dieje37

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

II. Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft Eine Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft wird im Schrifttum nur vereinzelt vertreten.43 Während sich Oepen44 und auch Pelz45 mit der Anwendung des § 93 InsO ohne den Einfluss gerichtlicher Entscheidungen beschäftigen konnten, erweist sich die jüngere Diskussion46 als eine kritische Auseinandersetzung mit der zwischenzeitlich ergangenen Rechtsprechung. Gestützt wird der hierbei favorisierte weite Regelungsumfang entweder auf eine unmittelbare Anwendung47 oder aber auf eine Analogie.48 1. Unmittelbare Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft Eine unmittelbare Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft wird sich in erster Linie mit dem Gesetzeswortlaut auseinandersetzen müssen. Denn einer Analogie bedarf es dann nicht, wenn die nach der Auslegung für zutreffend erachtete Lesart vom möglichen Wortsinn der Vorschrift gedeckt ist.49 Auf diese Weise argumentiert Kesseler. Seiner Ansicht nach ist es unverständlich, in der sprachlichen Fassung der Vorschrift bereits die gebotene Einschränkung des Anwendungsbereichs zu erkennen. Der Begriff der persönlichen Haftung meine nicht allein die kraft Gesetzes bestehende gesetzlinigen von ihnen, denen ein Gesellschafter aus einem weiteren Verpflichtungsgrund zusätzlich haftet. 43 Oepen, Rz. 269 ff.; Pelz, S. 84 ff.; HK/Eickmann, § 93 Rz. 4; Smid/Smid, InsO, § 93 Rz. 3; Bork, NZI 2002, 362; Kesseler, ZInsO 2002, 549; ders., ZIP 2002, 1974; Oepen, ZInsO 2002, 162. Zu der von Brinkmann, S. 125 ff. vertretenen, auf die Sperrwirkung beschränkten, analogen Anwendung des § 93 InsO siehe 2. Kapitel B. II. 3. 44 Oepen, Rz. 272. 45 Pelz, S. 84 ff. 46 Bork, NZI 2002, 362; ders., in: RWS-Forum 2003, 97. Ebenso die Besprechung von BGHZ 151, 245 = BGH ZIP 2002, 1492 durch Kesseler, ZIP 2002, 1974; ders., DZWIR 2003, 488. 47 Pelz, S. 84 ff.; Kesseler, ZInsO 2002, 549; ders., ZIP 2002, 1974; ders., DZWIR 2003, 488 (490). Möglicherweise versteht sich auch die von Smid/Smid, InsO, § 93 Rz. 3 vertretene Ansicht als eine unmittelbare Anwendung des § 93 InsO. Jedenfalls greift seiner Ansicht nach die Vorschrift „auch ein, soweit sich ein Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft verbürgt hat.“ 48 Oepen, Rz. 272; HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Bork, NZI 2002, 362; ders., in: RWS-Forum 2003, 97; Oepen, ZInsO 2002, 162. 49 Für eine unmittelbare Anwendung setzte sich insbesondere Kesseler, ZInsO 2002, 549; ders., ZIP 2002, 1974 ein. Auf eine Analogie verzichten ferner Pelz, S. 84 ff. und wohl auch Smid/Smid, InsO, § 93 Rz. 3.

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che Haftung, erfasst sei vielmehr jede Form der persönlichen Haftung. Der Wortlaut beziehe sich damit auch auf die persönliche Haftung eines Gesellschafters, die aus der Übernahme einer Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft resultiere. Im Text der Vorschrift finde sich kein gegenteiliger Hinweis. Vor dem Hintergrund dieses Wortlautverständnisses müsse die von Rechtsprechung und herrschender Lehre in erster Linie angeführte Entstehungsgeschichte auf ihre Tragfähigkeit für eine einschränkende Auslegung untersucht werden. Die Bedeutung der Wortlautgrenze verlange dabei erhebliche Gegenargumente.50 Zu diesem Zweck untersucht Kesseler zunächst § 171 Abs. 2 HGB. Hierbei betont er, dass diese Norm sicher eine Vorbildfunktion für § 93 InsO habe. Ebenso sei es zweifelsfrei, dass diese Regelung nur die gesellschaftsrechtliche Haftung des Kommanditisten für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfasse. Hieraus könne jedoch nicht ohne weiteres die Beschränkung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung gefolgert werden. Denn die Übernahme persönlicher Sicherheiten durch den von § 171 Abs. 2 HGB erfassten Kommanditisten und die Bürgenverpflichtung eines unbeschränkt persönlich haftenden Gesellschafters könnten nicht miteinander verglichen werden. Die Relevanz dieser Schuldverpflichtungen der Gesellschafter sei völlig verschieden. Bei der Übernahme einer Bürgschaft durch den Kommanditisten handle es sich um eine persönliche Sicherheit, die neben der gesellschaftsrechtlichen Haftung eine zusätzliche, nicht auf die Haftung aus der Haftsumme anrechenbare ergänzende Haftung begründe. Verbürge sich hingegen der persönlich haftende Gesellschafter, so werde eine ohnehin schon bestehende Haftung „doppelt“ besichert. Eine zusätzliche Haftung entstehe hierdurch nicht. Es gehe damit um ein Problem der Auslegung des § 93 InsO, das bei der Bestimmung des § 171 Abs. 2 HGB gar nicht existiere. Daher könne diese Norm keine Beschränkung des § 93 InsO begründen. Eine andere Argumentation verkennt nach Kesseler diese Unterschiede der beiden Haftungsregeln. Ebensowenig könne der ausschließlichen Erwähnung des § 128 HGB in den Gesetzesmaterialien ein Indiz für einen beschränkten Anwendungsbereich entnommen werden. Sollte dieser Formulierung eine Ausschlusswirkung beizumessen sein, so könne diese nicht nur für die persönlichen Sicherheiten von Bedeutung haben. Auszuschließen sei bei einer solchen Deutung auch die persönliche Haftung der Gesellschafter einer Partnerschaftsgesellschaft. Denn § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG finde sich ebensowenig in den Gesetzesbegründungen. Dies widerspreche aber dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, sämtliche Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit erfassen zu wollen. Damit könne der ausschließlichen Erwähnung des 50

Kesseler, ZInsO 2002, 549 (552 ff.).

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

§ 128 HGB in der Begründung kein Hinweis für einen beschränkten Anwendungsbereich entnommen werden. Ein solcher Hinweis ergebe sich auch nicht aus dem Kommissionsbericht. Denn dieser weise in erster Linie dem Insolvenzverwalter die Befugnis zu, Gesamtschäden geltend zu machen, nicht hingegen Haftungsansprüche gegen persönlich haftenden Gesellschafter. Der Bericht enthalte folglich keine § 93 InsO vergleichbare Regelung. Dieser bereits in der Begründung des betreffenden Leitsatzes 6.1 zum Ausdruck kommende fehlende Zusammenhang mit § 93 InsO finde Unterstützung in der für diesen Leitsatz gefundenen Überschrift „Ansprüche von Gläubigern gegen Gesellschafter oder Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft“.51 Dies belege endgültig die Untauglichkeit der Gesetzeshistorie, einen beschränkten gesetzgeberischen Willen zu begründen. Ein anderes Ergebnis geriete zudem in einen Widerspruch mit der gesetzlichen Systematik der Insolvenzordnung. Kesseler wendet sich damit gegen die vom BGH angeführte Bezugnahme auf § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese Bestimmung erfasse nämlich anders als es ihr Wortlaut nahe lege nicht die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters. Nach den Gesetzesmaterialien dieser Vorschrift sollten nur persönliche Ansprüche des Gläubigers „gegen Dritte“ nicht durch den Insolvenzplan berührt werden.52 Ansprüche gegen den persönlich haftenden Gesellschafter des Insolvenzschuldners seien eben gerade keine Ansprüche „gegen Dritte“. Hierbei handle es sich um Ansprüche gegen verfahrensnahe Personen, deren Haftung vielmehr Regelungsgegenstand des § 227 Abs. 2 InsO sei.53 Dieser aber ordne gerade nicht den Fortbestand der persönlichen Haftung des Gesellschafters an, sondern erstrecke die Haftungsbefreiung in § 227 Abs. 1 InsO auf die persönlich haftenden Gesellschafter. Denn bei Personengesellschaften sei die Verwirklichung eines Insolvenzplanes nicht ohne die gleichzeitige Haftungsbefreiung der Gesellschafter des Insolvenzschuldners möglich, da deren persönliche Vermögenssituation an die der Gesellschaft gekettet sei. Diese Intention würde jedoch praktisch unterlaufen werden, wenn persönliche Sicherheiten der Gesellschafter in den Anwendungsbereich des § 254 Abs. 2 InsO einzubeziehen wären.54 Im Lichte dieser Auslegung der §§ 254 Abs. 2, 227 Abs. 2 InsO gehe die Annahme des BGH fehl, dass die Bevorzugung persönlicher Sicherheiten einem von der Insolvenzordnung geschaffenen System entspreche und dieses eine beschränkte Anwendung des § 93 InsO auf die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht rechtfertige. 51 52 53 54

Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554); ders., DZWIR 2002, 488 (490). Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 213. Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977). Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977); ders., DZWIR 2002, 488 (491 f.).

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Auch der Regelungszweck des § 93 InsO gebiete eine solche Einschränkung nicht.55 Es greife zu kurz, die Situation des durch eine Parallelbürgschaft gesicherten Gläubigers mit der eines Privatgläubigers zu vergleichen. Zwar fehle es bei der Bürgschaftsforderung an der für die Zuweisung von Haftungsansprüchen entscheidenden kollektiven Verknüpfung der Forderung und damit an der Gesamtberechtigung der Gläubiger, jedoch sei hierdurch nur vordergründig der Regelungszweck des § 93 InsO nicht betroffen. Wie zuvor bei der kritischen Überprüfung einer Vorbildfunktion des § 171 Abs. 2 HGB betont Kesseler die besondere wirtschaftliche Bedeutung einer Parallelsicherheit. Anders als bei der durch einen Kommanditisten übernommenen Bürgschaft werde durch die Parallelbürgschaft kein zusätzliches Haftungspotential erschlossen. Ebensowenig berechtige eine solche Bürgschaft zur doppelten Geltendmachung der Forderung. Damit handle es sich um ein bloßes Mehrfachversprechen, aus dem sich keine Befriedigungsvorteile herleiten lassen.56 Denn die Bürgschaft ziele allein auf die Umgehung der Durchsetzungssperre des § 93 InsO und erweise sich so als eine unzulässige rein prozessuale Vorrangvereinbarung. Die Einräumung eines solchen Vorranges könne allein aus einer materiellen Besserstellung durch Erweiterung des Vermögenszugriffs resultieren. Zu denken sei dabei an die Gewährung exklusiver Zugriffsrechte durch Bestellung von Pfandrechten oder die Stellung von Sicherheiten Dritter. Selbst wenn sich der Vorteil der Verjährung und die nach § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO fortbestehenden Rechte im Planverfahren anführen ließe, ziele die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters in erster Linie auf die Umgehung des § 93 InsO. Eine materielle Besserstellung sei daher nicht ersichtlich, so dass sich der Gesellschafter letztlich für eine ihn ohnehin schon treffende Verbindlichkeit verbürge.57 Wegen dieser wirtschaftlichen Betrachtung sieht Kesseler auch die Parallelbürgschaft vom Regelungszweck erfasst und versagt dem Gläubiger einer Parallelbürgschaft einen gesonderten Zugriff auf das Privatvermögen des Gesellschafters. 2. Analoge Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft Der überwiegende Teil der in der Literatur vertretenen Stimmen, die § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft anwenden, halten eine Analogie für erforderlich. Die unmittelbare Anwendung sei durch die Entstehungsgeschichte und den Regelungszweck auf die gesetzliche Haftung des Ge55 Auf den Zweck stützt insbesondere Pelz, S. 86 die unmittelbare Anwendung des § 93 InsO. 56 Kesseler, DZWIR 2003, 488 (491). 57 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554); ders., ZIP 2002, 1974 (1977).

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

sellschafters beschränkt. Damit bedürfe es einer Rechtsfortbildung in Form einer Analogie.58 a) Bork59 Bork erörtert in erster Linie das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Hierbei setzt er sich zunächst mit dem Kommissionsbericht auseinander. Er versucht die von der herrschenden Meinung in diesem Bericht erkannte Ablehnung einer Einbeziehung persönlicher Mithaftungsansprüche zu widerlegen. Dies stützt er auf zwei Erwägungen: Zum einen fehle es an einem inhaltlichen Zusammenhang des betreffenden Leitsatzes und der streitbefangenen Haftung des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft. Zum anderen leide eine andere Deutung des Kommissionsberichts an der fehlerhaften Vorstellung, dass der von K. Schmidt geäußerte rechtspolitische Vorschlag im Gesetzgebungsverfahren weiter verfolgt worden sei. Dies sei aber nicht der Fall gewesen. Daher könne der Leitsatz 6.1 gar nicht als Ablehnung dieses Vorschlags verstanden werden.60 Dieser Planwidrigkeit stehe ebenso wenig die Vorschrift des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO entgegen. Zwar gebe der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift zu verstehen, dass er sich etwaiger Probleme im Hinblick auf die persönliche Mithaftung von Gesellschaftern bewusst gewesen sei, dies aber sei nicht überzeugend. Zum einen gehe es bei § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO nur um Bürgschaften im Allgemeinen und nicht um das Sonderproblem der Parallelbürgschaft. Zum anderen erscheine es zu weit hergeholt, aus einer insolvenzplanungsrechtlichen Vorschrift Rückschlüsse auf ein Spezialproblem des § 93 InsO zu ziehen. Näher als ein bewusstes Schweigen des Gesetzgebers zum Schicksal der Bürgschaft im Rahmen des § 93 InsO liege damit die Deutung, der Gesetzgeber habe dieses Sonderproblem nicht gesehen oder es bewusst der Lösung durch Rechtsprechung und Literatur überlassen.61 Daher stehe einer planwidrigen Regelungslücke auch nicht die aus58

Oepen, RZ. 269 ff.; HK/Eickmann, § 93 Rz. 4; Bork, NZI 2002, 362 (363); ders., ZIP 1999, 1988 (1991); ders., in: RWS-Forum 2003, 97; Oepen, ZInsO 2002, 162 (168). Wohl auch Kling, ZIP 2002, 881: Die Bürgschaft sei zwar nicht unmittelbar von § 93 InsO erfasst. Jedoch gebiete der Normzweck eine Analogie. Die Argumentation der h. M. gegen die diskutierte Analogie auf persönliche Sicherheiten im Hinblick auf Sinn und Zweck der Vorschrift hält er für fernliegend. 59 Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (106); ders., NZI 2002, 362; ders., ZIP 1999, 1988 (1991). 60 Bork, RWS-Forum 2003, 97 (107 f.); ders., NZI 2002, 362 (363 f.) und auch HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4. Dies wird auch von Befürwortern einer eingeschränkten Anwendung des § 93 InsO so gesehen, vgl. Bunke KTS 2002 471 (480); ders., NZI 2002, 591 (592). 61 Bork, RWS-Forum 2003, 97 (108).

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schließliche Erwähnung des § 128 HGB in den Materialien entgegen. Diese könne sich schließlich nicht auf Fälle beziehen, die der Gesetzgeber gar nicht im Auge hatte, so dass die Bezugnahme auf die gesellschaftsrechtliche Haftung allein den unmittelbaren Anwendungsbereich der Vorschrift abstecke.62 Sodann bemüht Bork Sinn und Zweck des § 93 InsO, um die für eine analoge Anwendung erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlagen zu belegen.63 Er fragt, wie der Wettlauf der Gläubiger um das Privatvermögen der Gesellschafter verhindert werden solle, wenn eine Bürgschaft genau die Sondervorteile verspreche, die § 93 InsO auszuräumen versuche. Da der Gesellschafter ohnehin schon kraft Gesetzes mit seinem gesamten Vermögen hafte und damit keine Haftungserweiterung bewirkt werde, liege der Zweck einer solchen persönlichen Sicherheit allein in der Ausschaltung des § 93 InsO.64 Dies stelle jedoch eine unzulässige schuldrechtliche Vorrangvereinbarung dar und verwirkliche einen zur Analogie berechtigenden Umgehungstatbestand.65 Der beabsichtigte Sondervorteil des Bürgschaftsgläubigers erübrige sich auch nicht dadurch, dass sich dieser noch der Konkurrenz des nach § 93 InsO vorgehenden Insolvenzverwalters ausgesetzt sehe. Dieser werde nämlich im Gegensatz zum Bürgschaftsgläubiger regelmäßig keinen Titel haben. Damit komme es genau zu dem Wettlauf der Gläubiger, den die Vorschrift unterbinden wolle. Da der BGH diese Besonderheit paralleler Sicherheiten nicht erkenne, öffne er der Umgehung des § 93 InsO Tür und Tor.66 Die Richtigkeit seiner Überlegungen sieht Bork überdies von einem jenseits des Meinungsstandes bestehenden Grundkonsens gedeckt.67 Denn Rechtsprechung und herrschende Lehre lehnten eine Anwendung des § 93 InsO nur aus dem Grund ab, dass es an einer planwidrigen Regelungslücke fehle. Die Analogiefähigkeit der Vorschrift hingegen werde nur vereinzelt bestritten. Damit bestehe Einigkeit darüber, dass eine Einbeziehung konkur62

Bork, NZI 2002, 362 (364). Bork, NZI 2002, 362 (364 f.). 64 Bork, RWS-Forum 2003, 97 (107). 65 Bork, RWS-Forum 2003, 97 (107). Ebenso HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4. 66 Bork, RWS-Forum 2003, 97 (109). Bork kritisiert die Grundsatzentscheidung des BGH unter einem weiteren Gesichtspunkt. Das Gericht habe durch die grundsätzliche Klärung der Behandlung paralleler Sicherheiten in bemerkenswerter Weise gegen das Gebot richterlicher Selbstbeschränkung verstoßen. Denn Gegenstand des zu entscheidenden Sachverhalts sei allein die abgabenrechtliche Haftung gewesen. Bei dieser Gelegenheit auch noch über die Parallelbürgschaft zu befinden, sei besonders deshalb misslich, weil der BGH dadurch den im Umgehungspotential erkannten Unterschied zwischen abgaben- und bürgschaftsrechtlicher Haftung verkenne. 67 Bork, RWS-Forum 2003, 97 (107). 63

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

rierender Mithaftungsansprüche aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung wünschenswert sei. Zuletzt sieht Bork seine Überlegungen auch nicht durch das vom LG Bayreuth aufgestellte Erfordernis, die Forderung aus der Bürgschaft gegen den Gesellschafter müsse auch eine Forderung gegen die Gesellschaft sein, gefährdet. Denn auch der Bürgschaftsverpflichtung des Gesellschafters liege in gleicher Weise wie der bereits bestehenden gesetzlichen Haftung eine akzessorische Gesellschaftsverbindlichkeit zugrunde. Es werde in beiden Fällen für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gehaftet und dies sei entscheidend. Allein die unterschiedliche Haftungsbegründung könne die Vergleichbarkeit der in den jeweiligen Haftungssituationen bestehenden Interessenlagen nicht erschüttern.68 Aus diesen Gründen sei eine analoge Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft. b) Oepen69 Oepen betont, dass die Bürgschaft als „Prototyp einer Individualsicherheit“ im Gegensatz zu der akzessorischen Gesellschafterhaftung eben gerade keine gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern bestehende Mithaftung begründet. Sie könne daher sicher nicht unmittelbar von § 93 InsO erfasst sein.70 Dass eine Anwendung dennoch geboten erscheint, folgert er aus der Besonderheit einer parallelen Bürgschaftsübernahme sowie dem Regelungszweck des § 93 InsO. Ein Gläubiger könne nicht deshalb ein Vorrecht in Anspruch nehmen, weil er sich die Leistungserbringung vom Schuldner noch einmal habe versprechen lassen. Andernfalls ermögliche man es den einzelnen Gesellschaftsgläubigern, sich mittels schuldrechtlichen Vertrages mit den persönlich haftenden Gesellschaftern ein Vorrecht in Form der Befreiung von der Sperrwirkung des § 93 InsO zu verschaffen. Dies widerspreche jedoch der insolvenzrechtlichen Befriedigungsordnung. Daher stünden gesetzliche Haftungs- und rechtsgeschäftliche Bürgschaftsforderung in einer Befriedigungsgemeinschaft und müssen insolvenzrechtlich als eine Forderung behandelt werden. Nur so könne gewährleistet werden, dass sich die Stellung des Gläubigers in einem späteren Insolvenzverfahren durch Vereinbarungen zwischen einem Gläubiger und einem Schuldner allein dann verbessere, wenn der Schuldner entweder dem Gläubiger ein zur Absonderung berechtigendes Recht einräume oder seine Verbindlichkeit dem Gläubiger gegenüber effektiv erhöhe. Eine Vorrangvereinbarung – wie sie eben die Parallelbürgschaft darstelle – sei hin68 69 70

Bork, NZI 2002, 362 (365). Oepen, Rz. 269 ff.; ders., ZInsO 2002, 162 (168). Oepen, ZInsO 2002, 162 (168).

B. Streitstand im Schrifttum

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gegen unbeachtlich und rechtfertige damit eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO.71 3. Brinkmann72 – Eingeschränkte analoge Anwendung des § 93 InsO Brinkmann hält eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO nur hinsichtlich der Sperrwirkung für gerechtfertigt. Wolle man nicht zulassen, dass § 93 InsO weitgehend leer laufe, weil sich vor allem Banken stets der Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters versichern werden, müsse wenigstens die Sperrwirkung für die Bürgschaftsforderung gelten.73 Diese sei während des Insolvenzverfahrens der Gesellschaft eine nicht durchsetzbare Verbindlichkeit.74 Diese Ausweitung der Sperrwirkung rechtfertige sich durch den von Brinkmann für maßgeblich erachteten Sanierungsmasseschutz.75 Hierzu leiste die eingeschränkte analoge Anwendung des § 93 InsO einen Beitrag, weil eine höhere Sanierungsbereitschaft bestehe, wenn die Gesellschafter nicht außerhalb des Insolvenzverfahrens von einem Bürgschaftsgläubiger in Anspruch genommen werden können. Eine solche Beschränkung auf die Sperrwirkung respektiere in besonderer Weise die Eigenschaft einer Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafter als Sicherungsmittel gegen die Wirkungen eines bestätigten Insolvenzplanes (§ 254 Abs. 1 Satz 1 InsO) und als Schutz gegen die Sonderverjährung oder Enthaftung (§§ 159, 160 HGB). Eine Ausweitung auch auf die Ermächtigungswirkung sei weder sinnvoll noch erforderlich. Denn dies würde dazu führen, dass der Insolvenzverwalter aus allen Beträgen, die er aus der Realisierung der Bürgschaftsforderungen erlangt, einzelne Sondermassen zu bilden hätte. Denn diese Bürgschaft sichere nur eine konkrete Verbindlichkeit, so dass der Verwalter das auf diese Gezahlte nicht mit den Beträgen vermischen dürfe, die 71 Oepen, Rz. 272. Abzulehnen sei hingegen eine Anwendung des § 93 InsO auf die abgabenrechtliche Haftung. Denn bei einer solchen kraft Gesetzes begründeten Haftung lasse sich mit dem Umgehungsschutzgedanken keine wertungsmäßige Korrektur des Grundsatzes begründen, nach dem nur solche Ansprüche der Sperrwirkung unterliegen, die allen Gläubigern gegenüber bestehen, vgl. Oepen, ZInsO 2002, 162 (169 f.). Wie auch Wessel, EWiR 2002, 217 (218), DZWiR 2002, 53 (54) hält Oepen damit eine unterschiedliche Behandlung von Bürgschaft und gesetzlich begründeter abgabenrechtliche Haftung für geboten. Jedoch ziehen beide unterschiedliche Konsequenzen aus der Differenzierung. Während Oepen die Bürgschaft unter § 93 InsO subsumiert, erstreckt Wessel die Befugnis des Verwalters auf die Haftung nach der AO, nicht aber auf die Bürgschaftshaftung. 72 Brinkmann, S. 125 ff; ders., ZGR 2003, 264 (275 ff.). 73 Brinkmann, ZGR 2003, 264 (277). 74 Brinkmann, S. 127. 75 Siehe 1. Kapitel, D. I. 2.

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2. Kap.: Problematik der Parallelbürgschaft – Meinungsstand

der Gesellschafter zur Erfüllung seiner gesetzlichen Haftung geleistet habe.76 Die deshalb erforderliche – weitergehende – Sondermassenbildung würde das Insolvenzverfahren erheblich verkomplizieren. Somit könne der Insolvenzverwalter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nur die gesellschaftsrechtliche Haftung der Gesellschafter und nicht etwa auch eine mögliche Bürgenhaftung einzelner Gläubiger geltend machen. Wegen der eingeschränkten analogen Anwendung des § 93 InsO stehe diese Befugnis aber auch nicht den Bürgschaftsgläubigern zu.

76 Brinkmann, S. 128. Er weist zu Recht darauf hin, dass diese Lösung besondere Vorteile für die Doppelinsolvenz von Gesellschaft und Gesellschafter bietet. Denn sei der Verwalter gar nicht erst zur Geltendmachung des Bürgschaftsanspruchs berechtigt, so könne es nicht zu einer unzulässigen Doppelberücksichtigung dieses Anspruchs aus § 765 Abs. 1 BGB und des gesellschaftsrechtlichen Haftungsanspruchs aus § 128 HGB kommen. Zu der andernfalls drohenden Doppelanmeldung sowie der Frage nach der Geltung des Ausfallprinzips oder des Doppelberücksichtigungsprinzips vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 26; Bitter, ZInsO 2002, 557 (559 ff.); K. Schmidt, KTS 2001, 373 (390 ff.); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077. In seiner Anmerkung zum Urteil des BGH v. 04.07.2002 bedauert Bitter, WuB VI C. § 93 InsO 1.02. 1182 (1183), dass der BGH nicht auf die gravierenden Folgen dieser neueren Rechtsprechung für die Haftungsabwicklung nach § 93 InsO eingeht.

Drittes Kapitel

Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO Das insolvenzrechtliche Schicksal einer Parallelbürgschaft hängt damit davon ab, was § 93 InsO mit „persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ meint. Denkbar sind zwei Lesarten: Entweder ist nur die akzessorische Gesellschafterhaftung (§ 128 Satz 1 HGB) gemeint oder auch die parallele Bürgenhaftung. Die zutreffende Lesart ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Gegenstand einer solchen ist „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“.

A. Ziel der Gesetzesauslegung Das Ziel der Auslegung ist Gegenstand einer langjährigen Kontroverse. Gegenüber stehen sich die subjektive Theorie auf der einen und die objektive Auslegungstheorie auf der anderen Seite.1 Die subjektive Theorie stellt auf den historischen Willen des Gesetzgebers ab. Im Gegensatz dazu hält die objektive Theorie den vom Willen des Gesetzgebers unabhängigen objektiven Sinn des Gesetzes, der sich gegebenenfalls mit der Zeit wandeln kann, für maßgebend. Richtigerweise sollten Aspekte beider Theorien Berücksichtigung finden. Stellt man allein auf den Willen des Gesetzgebers und die subjektiven Vorstellungen der beteiligten Personen und Gremien beim Gesetzgebungsverfahren ab, so scheitert dies oft an der Praktikabilität. Entweder ist der Wille nicht mehr zu ermitteln oder streitbefangene Rechtsprobleme treten erst im Laufe der Zeit auf und waren damit in der Zeit des Gesetzgebungsverfahrens noch nicht aktuell. Jedoch ist die subjektive Theorie insoweit zu beachten, als der Richter bei der Auslegung eines Gesetzes an die rechtspolitische Wertentscheidung des historischen Gesetzgebers gebunden ist. Die Annahme eines „objektiven Sinns“ eines Gesetzes birgt hingegen die Gefahr, dass das in Art. 103 Abs. 2 GG verankerte Gesetzlichkeitsprinzip 1 Als Vertreter der subjektiven Theorie seien ohne weitere Angaben nur Windscheid und Bierling genannt. Für die objektive Theorie, auch Theorie der immanenten Gesetzesdeutung genannt, seien Kohler und Binding erwähnt. Einen Überblick über die bestehende Kontroverse gibt Larenz, S. 316 ff.

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

missachtet wird. Denn bei diesem festgestellten „objektiven Sinn“ handelt es sich um nichts anderes als um subjektive richterliche Zwecksetzungen, die sich von den ursprünglichen Zielen des Gesetzgebers lösen. Für die umfassende Auslegung der Norm sind daher sowohl subjektiv-historische als auch objektiv-teleologische Argumente zu berücksichtigen. Folgt man Larenz, so ist Ziel der Gesetzesauslegung zwar letztlich nur die Ermittlung des heute rechtlich maßgeblichen, also eines normativen Sinnes des Gesetzes. Dieser rechtlich als maßgeblich zu erachtende Sinn des Gesetzes ist aber nur unter Berücksichtigung auch der Regelungsabsichten und konkreten Normvorstellungen festzustellen.2 Neben diesen Willen des historischen Gesetzgebers und den objektiven Normzweck treten mit der gesetzlichen Systematik und dem Gesetzeswortlaut weitere Kriterien einer Gesetzesauslegung.3

B. Bedeutung der Wortlautauslegung des § 93 InsO Zu beginnen hat die Auslegung mit dem Wortlaut der Vorschrift.4 Es besteht die Vermutung, dass derjenige, der etwas sagen will, die Worte in dem Sinne gebraucht, in dem sie gemeinhin verstanden werden.5 Mit der Auslegung nach dem Wortlaut soll der Inhalt einer Rechtsnorm aus ihrer sprachlichen Fassung heraus gewonnen werden. Soll der Ausdruck „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ verstanden werden, so wird die sprachliche Fassung allein jedoch sicher nicht geeignet sein, die zutreffende Bedeutung zu ermitteln. Selbst dann nicht, wenn Maßstab nicht nur der allgemeine Sprachgebrauch ist, sondern auch ein besonderer juristischer Sprachgebrauch festgestellt werden kann. Erforderlich ist vielmehr eine Zusammenschau der Umstände, die einen Bezug zu dem auszulegenden Gesetzestext aufweisen und geeignet erscheinen, aus den denkbaren Bedeutungsvarianten die tatsächlich gemeinte ausfindig zu machen.6 Gemeint ist die Anwendung der klassischen Auslegungskriterien. Diese erschließen sich jedoch wiederum erst durch den Sprachgebrauch. Soll sich der Ausdruck „persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der 2

Larenz, S. 318. Vgl. hierzu auch Canaris, S. 39. So die in der juristischen Methodenlehre entwickelten Kriterien, mit Hilfe derer die Auslegung nicht nach Gutdünken erfolgt, sondern in einer gesicherten und nachprüfbaren Weise vorgeht, vgl. Larenz, S. 319 sowie Schmalz, Rz. 219. 4 Bartholomeyczik, S. 18; Kramer, S. 43; Wank, S. 23; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (215). 5 Larenz, S. 320. 6 Larenz, S. 321. 3

B. Bedeutung der Wortlautauslegung des § 93 InsO

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Gesellschaft“ also im Lichte der Gesetzessystematik oder der Regelungsabsicht erhellen, so wird dies ohne Kenntnis des Sprachgebrauchs nicht erfolgreich möglich sein. Erst dieser schafft Zugang zu den für die Sinnermittlung erforderlichen Zusammenhängen, denen der betreffende Ausdruck ausgesetzt ist. Der BGH jedoch setzt sich in seiner Grundsatzentscheidung zur Reichweite des § 93 InsO mit dem Wortlaut der Vorschrift nicht auseinander.7 Die befürwortete ausschließliche Anwendung der Vorschrift wird in erster Linie mit ihrer Entstehungsgeschichte begründet. Das Gericht trifft damit keine Aussage darüber, wie sich diese Lesart des § 93 InsO mit dem Gesetzeswortlaut verträgt. Ohne eine solche Auseinandersetzung kann aber eine Auslegung nur schwerlich überzeugen. Denn mit dem Gesetzeswortlaut bleibt mehr als nur ein Auslegungskriterium unberücksichtigt. Der mögliche Wortsinn bestimmt gleichsam die Grenze zulässiger Gesetzesauslegung.8 Bewegt sich die für zutreffend erachtete Lesart nicht innerhalb dieses möglichen Wortsinns, so stößt die Gesetzesauslegung an ihre Grenze.9 Es bedarf dann vielmehr einer Rechtsfortbildung.10 Unter welchen Voraussetzungen eine solche methodisch zulässig ist, beurteilt sich ebenfalls nach dem Wortlaut der Vorschrift. Ist der zu entscheidende Fall nicht vom Wortlaut, wohl aber vom Normzweck erfasst, so ist eine ausdehnende Anwendung im Wege einer Analogie zu bemühen. Soll der Anwendungsbereich gegenüber dem Wortlaut eine Einschränkung erfahren, so handelt es sich um eine teleologische Reduktion.11 Voraussetzung ist dann, dass der vom Wortlaut erfasste Fall gerade nicht vom Normzweck der Bestimmung gedeckt ist.12 Der BGH aber begründet im Anschluss an die herrschende Lehre sein Regelungsverständnis nahezu ausschließlich mit der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und zieht nicht in Betracht, die ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung durch eine teleologische Reduktion rechtfertigen zu müssen. Eine ganz andere ist die Vorgehensweise des mit derselben Rechtssache als Berufungsgericht befassten OLG Schleswig. Dieses beginnt die Auslegung mit dem Gesetzeswortlaut und stellt fest, dass sich aus diesem eine Einschränkung nicht ergibt. In § 93 InsO stehe nicht, dass der Insolvenzver7 BGHZ 151, 245 = BGH ZIP 2002, 1492. Seiler, S. 61 gelangt in seiner methodischen Untersuchung höchstrichterlicher Entscheidungsgründe zu der Erkenntnis, dass oftmals eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut fehlt. 8 Engisch, S. 83; Larenz, S. 309, 329, 332; Wank, S. 17. 9 Wank, S. 23. 10 Canaris, S. 19 ff.; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (218); Meier-Hayoz, S. 42. 11 Schmalz, Rz. 342. 12 Brandenburg, S. 2.

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

walter nur dann zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsschulden berechtigt sei, wenn sich die Haftung allein aus § 128 HGB herleiten lasse. Vor diesem Hintergrund wird die Auslegung nach dem Wortlaut einen ersten Schwerpunkt darstellen. Zu untersuchen ist dabei die These, dass die Bürgschaft eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters vom Wortlaut des § 93 InsO erfasst ist.

C. Untersuchung der sprachlichen Fassung – Die Begriffe im Einzelnen Für die Untersuchung der sprachlichen Fassung muss zunächst festgestellt werden, welche Begriffe, Ausdrücke oder Wortverbindungen des betreffenden Gesetzestextes für die Auslegung bedeutsam sind. Das Problem der Parallelbürgschaft betrifft den Sinngehalt der mit „persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ umschriebenen Haftung. Die Auslegung nach dem Wortlaut zielt darauf, diesen Gesetzestext so zu verstehen, wie sich sein Sinn zunächst allein aus der in ihm verwandten Sprache ergibt. Hierbei wird zu untersuchen sein, ob der Wortlaut eine Andeutung auf den Rechtsgrund der persönlichen Haftung eines Gesellschafters enthält. Zu diesem Zweck sollen die einzelnen Wortbestandteile des Auslegungsgegenstandes zunächst isoliert betrachtet werden (C.). Erst im Anschluss daran wird die Wortverbindung im Ganzen zu untersuchen sein (D.).

I. „Für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ Fraglich ist, ob die Formulierung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ eine Beschränkung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung zum Ausdruck bringt. Dann dürfte die Parallelbürgschaft anders als die Haftung gemäß § 128 Satz 1 HGB keine Haftung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ darstellen. Im Schrifttum finden sich tatsächlich Stimmen, die dies ablehnen. Begründet wird dies zum einen damit, dass § 93 InsO eine Verbindlichkeit der Gesellschaft verlange und eine solche bei persönlichen Sicherheiten der Gesellschafter gerade nicht vorliege.13 Hierbei handle es sich vielmehr um 13 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 f.; Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Fuchs, ZIP 2000, 1089. Im Anschluss daran das LG Bayreuth ZIP 2002, 1782 (1783). Auch wenn sich Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190) und dies., DStR 2002, 1095 (1096) in erster Linie mit einer Anwendung des § 93 InsO auf die abgabenrechtliche Haftung (§§ 34, 69 AO) auseinandersetzen, gleicht deren Wortlautverständnis den hier angeführten Literaturstimmen.

C. Untersuchung der sprachlichen Fassung – Die Begriffe im Einzelnen

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persönliche Verbindlichkeiten des Gesellschafters und eben nicht wie von § 93 InsO vorausgesetzt um Verbindlichkeiten der Gesellschaft (1.). Ferner wird behauptet, dass durch den Plural nur die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht gemeint sein kann (2.).14 1. Persönliche Verbindlichkeit und nicht Haftung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ Bei § 93 InsO muss unterschieden werden zwischen der Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und den persönlichen Verbindlichkeiten des Gesellschafters. Gegenüber stehen sich so genannte Gesellschaftsverbindlichkeiten auf der einen und Privatverbindlichkeiten auf der anderen Seite. Gläubiger solcher privaten Verbindlichkeiten sollen weiterhin ungehindert auf das Vermögen des Gesellschafters zugreifen können. a) Keine Anwendung auf die Parallelbürgschaft Im Schrifttum wird nunmehr vertreten, dass die Parallelbürgschaft von der Formulierung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ aus dem Grund nicht erfasst sei, weil sie eine Privatverbindlichkeit darstelle.15 b) Kritik Hiergegen wenden sich Teile der Literatur.16 Das vorgebrachte Argument, die Anwendung des § 93 InsO auf persönliche Sicherheiten für Gesellschaftsschulden scheitere schon daran, dass der Wortlaut der Vorschrift eine Gesellschaftsverbindlichkeit erfordere, die in diesen Fällen gerade nicht vorliege, sei schlichtweg unzutreffend.17 Einer Parallelbürgschaft liege wie jeder anderen Bürgschaft eine Forderung zugrunde, zu der die Bürgschaft akzessorisch sei.18 Bei der Parallelbürgschaft sei diese gesicherte Forderung der Anspruch des gesicherten Gläubigers gegen die Gesellschaft.19 An diesem Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit könne eine zusätzliche Bürgschaftsübernahme nichts ändern. Denn eine Gesellschaftsverbindlichkeit bleibe eine Gesellschaftsverbindlichkeit unabhängig davon, 14

Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367). LG Bayreuth ZIP 2002, 1782 (1783); Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 f.; Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Fuchs, ZIP 2000, 1089. 16 Bork, NZI 2002, 362 (365); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (552). 17 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (552). Identisch urteilt Bork, NZI 2002, 362 (365). 18 Bork, NZI 2002, 362 (365); Kesseler, ZInsO 2002 549 (551). 19 Bork, NZI 2002, 362 (365). 15

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

ob ein Gesellschafter sich für diese verbürge. Es käme einem Wunder gleich, wenn die ursprünglich das Sicherungsbedürfnis begründende Forderung erlöschen könne, ohne dass nicht auch die Bürgenhaftung erlöschen würde. Insoweit könne auch kein Unterschied zur persönlichen Gesellschafterhaftung (§ 128 Satz 1 HGB) gemacht werden. Wie auch diese kennzeichne sich die Haftung des Gesellschafters aus einer Bürgschaft als eine akzessorische Sicherheit für die Erfüllung einer Verbindlichkeit der Gesellschaft. Nicht zuletzt durch diese Möglichkeit der zusätzlichen Sicherung einer Gesellschaftsverbindlichkeit durch die Bürgschaft eines Gesellschafters sei die Frage aufgekommen, ob § 93 InsO auf diese Sicherheiten anwendbar sei. Allein diese Formulierung der streitbefangenen Fragestellung belege damit die Existenz einer Verbindlichkeit der Gesellschaft. c) Bewertung der geführten Kontroverse Richtig ist, dass auch der Parallelbürgschaft eine Gesellschaftsverbindlichkeit zugrunde liegt. Dies bedeutet jedoch nicht, die bestehende Kontroverse im Sinne der zuletzt dargestellten Kritik zu entscheiden. Vielmehr im Gegenteil unterliegt diese Kritik einem grundlegenden Missverständnis. Dieses beruht auf der fehlerhaften Interpretation der zuvor dargestellten Literaturansicht [aa)]. Gleichwohl ist auch dieser nicht zu folgen. Denn bei genauer Betrachtung zeigt sich, dass die im Schrifttum geführte Kontroverse um das Vorliegen einer eigenen Verbindlichkeit des Gesellschafters und solchen der Gesellschaft den Wortlaut der Vorschrift gar nicht betrifft [bb)]. aa) Vorliegen einer Gesellschaftsverbindlichkeit Grundlage des kritisierten Begründungsansatzes ist die Gegenüberstellung von Gesellschafts- und Privatverbindlichkeiten des Gesellschafters. Ist die Bürgenverpflichtung eine private Verbindlichkeit, so kann sie der Bürgschaftsgläubiger selber geltend machen. Aus diesem Grund zielt die Argumentation der zuerst genannten Ansicht darauf, den Bürgschaftsgläubiger als einen Privatgläubiger zu qualifizieren oder ihn zumindest als einen solchen zu behandeln.20 Bejaht man dies, wie es auch das LG Bayreuth macht,21 so darf daraus aber nicht gleichsam gefolgert werden, dass die Vertreter dieser Rechtsansicht das Bestehen einer Gesellschaftsverbindlichkeit leugnen. An diesem Missverständnis leidet jedoch die erwähnte Kritik. Der durch eine Bürgschaft des Gesellschafters gesicherte Gläubiger soll le20 21

Siehe hierzu oben 2. Kapitel, B. II. 3. LG Bayreuth ZIP 2002, 1782 (1783).

C. Untersuchung der sprachlichen Fassung – Die Begriffe im Einzelnen

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diglich kein von § 93 InsO erfasster Gesellschaftsgläubiger sein. Hiervon unberührt bleibt der Bestand der zu sichernden Gesellschaftsverbindlichkeit. Etwas anderes wird, soweit ersichtlich, von keiner Seite vertreten. bb) Wortlautargument? Gleichwohl gibt der Wortlaut mit der Formulierung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ keinen Hinweis auf einen beschränkten Anwendungsbereich des § 93 InsO. Denn selbst wenn der Bürgschaftsgläubiger ein Privatgläubiger des Gesellschafters sein sollte,22 berührt diese Argumentation nicht den Wortlaut der Vorschrift.23 Wird vertreten, dass eine Anwendung auf die Parallelbürgschaft ausscheide, weil § 93 InsO eine Verbindlichkeit der Gesellschaft verlange und diese bei Sicherheiten des Gesellschafters nicht vorliege,24 so betrifft dies allein die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Privatgläubigers und nicht den Wortlaut der Vorschrift. Es trifft daher schlichtweg nicht zu, dass der Wortlaut auf die gesetzliche Haftung des Gesellschafters beschränkt ist, weil der Text des § 93 InsO nur von der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und nicht auch von der Haftung für eigene Verbindlichkeiten des Gesellschafters spricht.25 Eine solche Argumentation übersieht, dass auch eine eigene und damit private Verbindlichkeit des Gesellschafters eine Haftung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ begründen kann. Die Einordnung als Privatgläubiger und die Haftung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ schließen sich nicht aus. Auch einem als Privatgläubiger zu qualifizierenden Bürgschaftsgläubiger haftet der Gesellschafter aus der Bürgschaft wie aus der gesetzlichen Haftung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Das Gesetz umschreibt mit „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ allein den Inhalt der Haftung des Gesellschafters und gibt indes keinen Hinweis auf den Rechtsgrund der Haftung. Die betreffende Formulierung enthält keine Aussage darüber, ob es sich um eine private Verbindlichkeit oder eine Gesellschaftsverbindlichkeit handelt. Auch § 128 Satz 1 HGB begründet eine eigene Verbindlichkeit des Gesellschafters.26 Der Bürgenhaftung und der Haftung aus § 128 Satz 1 HGB ist ge22

Hierzu unten 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb) (3) (b). So aber Gundlach//Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190); dies., DStR 2003, 1095 (1096). 24 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 f.; Fuchs, ZIP 2000, 1089. Im Anschluss daran das LG Bayreuth ZIP 2002, 1782 (1783). Auch wenn sich Gundlach/ Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190) in erster Linie mit der Haftung nach §§ 34, 69 AO auseinandersetzen, kann davon ausgegangen werden, dass diese eine Anwendung auf die Bürgschaft mit dem gleichen Wortlautargument ablehnen. 25 Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190). 23

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

rade gemein, dass sie beide für eine Fremdverbindlichkeit bestehen. Eine Antwort auf die Frage, ob der Bürgschaftsgläubiger Privatgläubiger des Gesellschafters ist, betrifft vielmehr den Regelungszweck. Dem Wortlaut der Vorschrift lassen sich hierfür keine Anhaltspunkte entnehmen. Bürgt ein unbeschränkt haftender Gesellschafter für die Schulden seiner Gesellschaft, so haftet er auch aus der Bürgschaft „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Dabei sollte man es belassen. Jeder Versuch, hieran etwas zu ändern, schafft allein Missverständnisse. 2. Verwendung des Plurals Eine Einschränkung des Wortlauts könnte sich jedoch daraus ergeben, dass das Gesetz in § 93 InsO den Plural verwendet. Vom Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters ist nur die persönliche Haftung des Gesellschafters „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft erfasst“. Im Einklang hiermit haften nach § 128 Satz 1 HGB die Gesellschafter „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Ein Bürge hingegen verpflichtet sich gemäß § 765 Abs. 1 BGB für die Erfüllung „der Verbindlichkeit“ einzustehen. Dies könnte darauf hindeuten, dass § 93 InsO mit dem gewählten Begriff der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft an § 128 Satz 1 HGB anknüpft und sich das Einziehungsrecht damit auf die gesetzliche Haftung beschränkt.27 Unterstützung findet diese sprachliche Übereinstimmung von § 93 InsO und § 128 Satz 1 HGB in den anderen gesetzlichen Haftungsbestimmungen. Denn auch diese sprechen von der „Haftung für Verbindlichkeiten“. Nach § 8 Abs. 1 PartGG haften die Partner „für Verbindlichkeiten der Partnerschaft“ persönlich. Nichts anderes findet sich in § 278 Abs. 1 AktG. Anders als die persönlich haftenden Gesellschafter haften die Kommanditaktionäre einer KG aA nicht persönlich „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“. Im Einklang damit haftet den Gläubiger einer GmbH „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ nur das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG). Gleiches ordnet § 1 Abs. 1 Satz 2 AktG an. Aus dieser übereinstimmenden Verwendung des Plurals einen besonderen Sprachgebrauch des Gesetzgebers zu folgern, überspannt gleichwohl die Grenzen der grammatikalischen Auslegung. Ein bloßer Vergleich des Wortlauts von § 93 InsO mit § 765 Abs. 1 BGB auf der einen und mit § 128 Satz 1 HGB auf der anderen Seite greift schlechterdings zu kurz. Schließlich geht es nicht um die Bürgschaft eines beliebigen Sicherungsgebers für die Verbindlichkeit eines ebenso beliebigen Dritten, sondern um die Bürg26 27

Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rz. 1. So jedoch Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367).

C. Untersuchung der sprachlichen Fassung – Die Begriffe im Einzelnen

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schaft eines persönlichen haftenden Gesellschafters. Der Wortlaut des § 765 Abs. 1 BGB stellt damit für die vorgezeichnete Auslegung des § 93 InsO nur ein begrenzt taugliches Mittel dar. Denn der Gesetzgeber war bei der sprachlichen Fassung des § 765 Abs. 1 BGB allein darum bemüht, die vertragstypischen Pflichten bei der Bürgschaft zu normieren. Der Formulierung des § 765 Abs. 1 BGB liegt damit die einfache Regelbürgschaft zugrunde. Die zahlreichen hiervon abweichenden Sonderformen einer Bürgschaft entnehmen dem § 765 Abs. 1 BGB lediglich die vertragstypischen Pflichten.28 Zieht man den Wortlaut dieser Vorschrift dennoch heran, so muss dieser im Lichte der jeweiligen Bürgschaftsart und deren üblicher Ausgestaltung betrachtet werden. Eine Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters wird in den wenigsten Fällen nur für eine Gesellschaftsverbindlichkeit bestehen. Zum einen wird die Bürgenhaftung regelmäßig auf andere in der jeweiligen Geschäftsbeziehung bestehende Forderungen gegen die Gesellschaft ausgeweitet. Zum anderen entspricht die Übernahme einer Parallelbürgschaft im Rechtsverkehr mit einer Personenhandelsgesellschaft der üblichen Rechtspraxis.29 Damit haftet der Gesellschafter aus der Bürgschaft den Gläubigern der Gesellschaft gegenüber in einer mit § 128 Satz 1 HGB vergleichbaren Weise für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Dieser Hintergrund verwässert das Bild der von § 765 Abs. 1 BGB im Singular formulierten Haftung des Bürgen für die Erfüllung einer Verbindlichkeit des Hauptschuldners. Aus der Formulierung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ kann damit keine Beschränkung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung entnommen werden. Überdies hätte eine Formulierung der Norm im Singular keinen Sinn gemacht. Ein Einzugsvorbehalt kennzeichnet sich gerade durch die Konzentration von einer Vielzahl von Haftungsforderungen in der Hand des Verwalters. Die Verwendung des Plurals lässt sich damit auch ganz zwanglos durch die für einen Einzugsvorbehalt typische Rechtsfolge erklären. Denn das Einziehungsrecht des Verwalters erstreckt sich in jedem Fall auf mehr als eine einzelne Forderung.30 Ein Anhalt dafür, dass die persönliche Haftung eines Gesellschafters eine gesetzliche Haftung sein muss, lässt sich damit jedenfalls nicht an der Formulierung „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ festmachen.

II. „Persönlich“ Dass sich „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ auf die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB be28 29 30

Jauernig/Stadler, BGB, vor § 765 Rz. 2. Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 71. Kesseler, ZInsO 2002, 549 (551).

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

schränkt, ergibt sich ebensowenig aus dem Begriff einer „persönlichen“ Haftung. Die Bezeichnung einer Haftung als „persönlich“ betrifft Art und Umfang einer Haftung, nicht jedoch ihren Rechtsgrund. Dieses Verständnis ergibt sich aus der vom Gesetzgeber getroffenen Differenzierung, ob mit dem gesamten Vermögen oder mit einer Sache gehaftet wird. Beschränkt sich die Haftung auf eine Sache, so spricht man von einer dinglichen Haftung, wie sie beispielsweise durch Einräumung eines Pfandrechts oder Bestellung einer Hypothek begründet wird. Die Gegenstände des Schuldnervermögens, an denen der Gläubiger ein solches dingliches Verwertungsrecht hat und auf die sich die Haftung auch beschränkt, unterliegen dann einer so genannten Sachhaftung.31 Nicht vom Wortlaut des § 93 InsO erfasst sind damit dingliche Sicherheiten, die der Gesellschafter zur Absicherung der Gesellschaftsverbindlichkeit an seinem Vermögen bestellt hat.32 Fehlt es hingegen an einer solchen gegenständlichen Beschränkung der Haftung, so haftet der Schuldner mit seinem gesamten Vermögen unbeschränkt und man spricht von einer persönlichen Haftung des Schuldners. Die von § 93 InsO erfasste Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft muss also eine unbeschränkte Vermögenshaftung sein. Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge durch den Bürgschaftsvertrag gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen. Die Bürgschaft dient damit als vertraglich begründetes Rechtsverhältnis zwischen Gläubiger und Bürgen der Sicherung einer Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner. Wie auch Schuldbeitritt und Garantie gehört die Bürgschaft zum Kreis der Personalsicherheiten. Sie begründet als solche kein dingliches Vorzugsrecht an einem Gegenstand, sondern eine persönliche Verpflichtung des Bürgen. Für die Erfüllung dieser Verpflichtung muss der Bürge nach Maßgabe der §§ 765 ff. BGB mit seinem gesamten Vermögen einstehen.33 Auch nach § 128 Satz 1 HGB haften die Gesellschafter unbeschränkt.34 Damit haftet der Gesellschafter persönlich, ganz gleich ob sich seine Inanspruchnahme auf seine gesetzliche Haftung als Gesellschafter oder auf seine rechtsgeschäftlich begründete Bürgenhaftung stützt. Daraus, dass nur eine persönliche Haftung des Gesellschafters dem Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters unterliegt, lässt sich keine Einschränkung des Wortlauts auf die gesetzliche Haftung herleiten.

31 32 33 34

MünchKomm/Kramer, BGB, vor § 241 Rz. 48. MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 21; Bork, NZI 2002, 362 (365). MünchKomm/Habersack, BGB, § 765 Rz. 1. Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rz. 1.

C. Untersuchung der sprachlichen Fassung – Die Begriffe im Einzelnen

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III. „Haftung“ Eine solche Einschränkung des Wortlauts könnte sich jedoch aus dem Begriff der „Haftung“ ergeben. Nach § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge gegenüber dem Gläubiger eines Dritten, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen.35 Gemäß § 128 Satz 1 HGB hingegen haftet der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die übereinstimmende Verwendung des Begriffs „Haftung“ könnte nahe legen, dass § 93 InsO das Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters an die von § 128 Satz 1 HGB gemeinte Haftung und damit allein an die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht anknüpft. Dem Begriff der Haftung werden in der Rechtssprache jedoch zahlreiche Bedeutungsvarianten beigemessen. 1. „Haftung“ als eine auf eine Schadensersatzpflicht zielende Einstandspflicht Das Gesetz etwa gebraucht den Begriff der Haftung an zahlreichen Stellen als eine auf Schadensersatz zielende Einstandspflicht. Dieser Zusammenhang zwischen der Schadensersatzpflicht und dem Haftungsbegriff lässt sich in den §§ 179 Abs. 3, 276 Abs. 1 und 3 oder auch in 571 Abs. 2 BGB nachzeichnen. Die Verwendung von Ausdrücken wie Verschuldens- und Gefährdungshaftung sowie der Haftung für Gehilfen (§ 278 BGB) oder der Organhaftung (§ 31 BGB) bestätigen diesen gesetzgeberischen Sprachgebrauch.36 Den gleichen Eindruck vermittelt ein Blick in das Recht der unerlaubten Handlung. Begrifflichkeiten wie Deliktshaftung sowie die beispielsweise in dem als Haftpflichtgesetz titulierten Sonderbereich des Straßenverkehrsgesetzes normierte Gefährdungshaftung stehen allesamt für den Begriff einer Haftung als eine Einstandspflicht, mit der möglichen Folge einer Schadensersatzverpflichtung. Dies entspricht jedoch eher einem untechnischen Gebrauch des Haftungsbegriffs. 2. Gegenüberstellung von Schuld und Haftung Der technische Sprachgebrauch ergibt sich vielmehr aus der Gegenüberstellung von Schuld und Haftung.37 Denn die obligatorische Verbindlichkeit – die Schuld – steht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Begriff der Haftung.38 Schuld bezeichnet die materiellrechtliche Leistungspflicht. Der 35

Vgl. Weber, S. 77. Jauernig/Vollkommer, BGB, § 241 Rz. 18; MünchKomm/Kramer, BGB, vor § 241 Rz. 46. 37 Erman-H. P Westermann, BGB, vor § 241 Rz. 22 f. 36

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

Gläubiger hat die Möglichkeit, seine Forderung, wenn der Schuldner seiner Verpflichtung nicht nachkommt, klageweise und nach erfolgter Verurteilung des Schuldners im Wege der Zwangsvollstreckung zu verfolgen. Schulden bedeutet damit „Leisten müssen“. Haften heißt in der Gegenüberstellung mit Schuld „Zugriffsobjekt in der Zwangsvollstreckung“.39 3. Bedeutung dieser Begriffsbildung für die Haftung im Sinne von § 93 InsO Mit Hilfe dieser Begriffsbildung lässt sich jedoch kein Unterschied zwischen der gesetzlichen und der bürgschaftsrechtlichen Haftung des Gesellschafters begründen.40 Damit könnte allein die übereinstimmende Verwendung des Haftungsbegriffs in § 93 InsO auf der einen und in § 128 Satz 1 HGB auf der anderen Seite eine Einschränkung nahe legen. Bei genauerer Betrachtung überzeugt dieser Gedanke jedoch nicht. Zum einen kann nicht einmal mit Gewissheit gesagt werden, was eigentlich „haften“ im Sinne des § 128 Satz 1 HGB heißt. Über den Inhalt dieser Haftung besteht ein langjähriger Theorienstreit.41 Nach der inzwischen überwiegend vertretenen Erfüllungstheorie ist unter Haftung nicht etwa eine Einstandspflicht der Gesellschafter gemeint, wie es auch der vorerwähnte allgemeine Sprachgebrauch nahe legt. Die Gesellschafter schulden vielmehr grundsätzlich wie die schuldnerische Gesellschaft Erfüllung in natura.42 Zum anderen greift der Blick in den Wortlaut des § 765 Abs. 1 BGB zu kurz. Denn die durch den Bürgen übernommene Verpflichtung, für die Erfüllung der Verbindlichkeit des Dritten einzustehen, richtet sich nach den §§ 765 ff. BGB. Von besonderer Bedeutung ist hierbei die Vorschrift des § 767 BGB. Diese bestimmt den Umfang der Bürgschaftsschuld. Nach § 767 Abs. 2 BGB „haftet“ auch der Bürge und zwar für die dem Gläubiger von dem Hauptschuldner zu ersetzenden Kosten der Kündigung und der Rechtsverfolgung. Damit versteht der Gesetzgeber auch die Verpflichtung des Bürgen, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen als eine Haftung. Richtig muss es daher heißen: Der Bürge haftet mit seinem Vermögen, weil er schuldet.43 Gleiches belegt der jeweils eindeutige 38

MünchKomm/Kramer, BGB, vor § 241 Rz. 46. MünchKomm/Kramer, BGB, vor § 241 Rz. 46. 40 Brinkmann, ZGR 2003, 264 (281) erkennt in der Verwendung dieses schillernden Begriffs „Haftung“ und dessen fehlender eindeutiger Bedeutung den Grund für Verwirrung um den Anwendungsbereich des § 93 InsO, soweit es um die Einbeziehung der abgabenrechtlichen Haftung geht. 41 Statt vieler Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rz. 8. 42 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 III 1. 43 Weber, S. 77. 39

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen

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Wortlaut der §§ 769, 774 Abs. 2, 777 Abs. 2, 778 BGB. Ohne dass es auf eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Begriff der Haftung ankommt, belegt der gesetzgeberische Sprachgebrauch, dass es für das Verständnis des Haftungsbegriffs nicht auf den einer Haftung zugrunde liegenden Rechtsgrund ankommt. Der von § 93 InsO verwandte Begriff der „Haftung“ rechtfertigt damit für sich genommen keine Begrenzung auf die die gesetzliche Haftung.

IV. Ergebnis Schlüsselt man also „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ in einzelne Wortbestandteile auf, so ist die Parallelbürgschaft vom Wortlaut des § 93 InsO erfasst. Eine Einschränkung ist nicht ersichtlich.

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen – „Die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ Eine solche isolierte Betrachtung könnte jedoch einen innerhalb der Vorschrift oder auch zu anderen Normen bestehenden Bezug unberücksichtigt lassen. Die für sich genommen untersuchten Begriffe sind auch in dem Zusammenhang zu betrachten, in dem sie vom Gesetzgeber gebraucht werden. Schließlich wird das Verständnis einer Textstelle entscheidend durch ihren Kontext bestimmt.44 Aus diesem Grund beschränkt sich die Auslegung nach dem Wortlaut nicht punktuell auf das einzelne Wort. Sie bemüht sich vielmehr um das Verständnis von Sätzen, Absätzen oder auch anderen Paragraphen, die schon rein sprachlich ein kontextuelles Gewebe aus Wortbedeutungen darstellen und daher ein System bilden. Betroffen ist folglich die systematische Dimension der Wortlautauslegung.45

I. Innerer Kontext der Vorschrift Zunächst ist § 93 InsO selbst auf einen einschränkenden sprachlichen Kontext hin zu untersuchen. Ein solcher Kontext könnte sich aus der Zusammenschau der auslegungsbedürftigen Textpassage mit dem sachlichen Anwendungsbereich der Vorschriften ergeben. 44 45

Larenz, S. 324; Wank, S. 27. Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (223).

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

1. Bedeutungsinhalt Denn im Lichte der von § 93 InsO erfassten Gesellschaftsformen könnte die persönliche Haftung eines Gesellschafters als ein gesellschaftsrechtlicher und damit auf die gesetzliche Haftung beschränkter Begriff verstanden werden. Dieses Sprachverständnis könnte sich aus dem Bedeutungsinhalt der Begriffe ergeben, die den sachlichen Anwendungsbereich des § 93 InsO umschreiben: Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit und Kommanditgesellschaft auf Aktien. Der Bedeutungsinhalt (Intension) meint die Aufzählung der Merkmale, aufgrund derer der Ausdruck auf die erfassten Fälle zutrifft.46 Den Gegensatz dazu bildet der Bedeutungsumfang (Extension). Dieser gibt an, auf welche Fälle ein vom Gesetzgeber gewählter Ausdruck zutrifft. Bezieht man diese Überlegungen einmal auf den Begriff der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so liefert § 11 Abs. 2 InsO den Bedeutungsumfang. Aufgrund welcher Merkmale die in dieser Vorschrift genannten Gesellschaften so genannte Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeiten sind (Bedeutungsinhalt), ist damit jedoch noch nicht benannt. Gemeinsames Merkmal der betreffenden Gesellschaften ist die gesetzliche Haftungsverfassung.47 Diese Gesellschaften und deren gesetzlichen Haftungsverfassungen verbindet die Existenz mindestens eines von Gesetzes wegen persönlich haftenden Gesellschafters.48 2. Auswirkung auf den Auslegungsgegenstand Legt man der Auslegung des § 93 InsO diesen Bedeutungsinhalt zugrunde, so liest sich der sachliche Anwendungsbereich der Vorschrift wie folgt: „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet, bei der mindestens ein Gesellschafter kraft Gesetzes persönlich haftet, so kann . . .“

Das Verständnis „der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ könnte sich im Lichte dieses vom Bedeutungsinhalt her bestimmten sachlichen Anwendungsbereichs folgendermaßen verändern: Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft eröffnet, bei der mindestens ein Gesellschafter kraft Gesetzes persönlich haftet, so kann diese persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft 46 47 48

Zur intensionalen und extensionalen Begriffsbildung ausführlich Wank, S. 35 ff. Siehe hierzu auch oben 1. Kapitel, E. I. Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rz. 1 und § 105 Rz. 9.

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen

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während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.

Verknüpft man die auslegungsbedürftige Gesetzespassage auf diese Weise mit dem sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift, so offenbart sich für die persönliche Haftung eines Gesellschafters ein gesellschaftsrechtlicher Kontext, der dem Wortlaut der Vorschrift ein auf die gesetzliche Haftung beschränktes Verständnis verleiht. 3. Unterstützung durch den Sprachgebrauch des Gesetzgebers der Insolvenzordnung Unterstützung finden könnte diese Lesart durch andere insolvenzrechtliche Bestimmungen, die auch die Insolvenz einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit regeln. Zu denken ist hier beispielsweise an die §§ 15 Abs. 1 und 3, 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 sowie 118 InsO.49 Auch diese weisen, wenn auch nicht gänzlich identisch, das Begriffspaar „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ und „persönlich haftender Gesellschafter“ auf. Die Regelung des § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO bestimmt das Antragsrecht des Schuldners. Ist der Schuldner eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so weist § 15 Abs. 1 InsO dieses Recht den persönlich haftenden Gesellschaftern zu.50 Die §§ 15 Abs. 2 und 18 Abs. 3 InsO greifen die für eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit denkbare Situation auf, dass ein Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nicht von allen persönlich haftenden Gesellschaftern gestellt wird. Während § 15 Abs. 2 InsO die Zulässigkeit eines solchen Antrags allein davon abhängig macht, ob der Eröffnungsgrund glaubhaft gemacht wird, versagt § 18 Abs. 3 InsO in einer solchen Situation den Eröffnungsgrund der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 Abs. 1 InsO), wenn der Antragsteller nicht zur Vertretung der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit berechtigt ist.51 Die Regelungen der §§ 18 Abs. 3 und 19 Abs. 3 InsO werden den Besonderheiten einer GmbH & Co. KG gerecht. Dem § 118 InsO liegt die Regelungssituation zugrunde, dass eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird. Dann ist der geschäftsführende Gesellschafter mit den Ansprüchen, die ihm aus der einstweiligen Fortführung eilbedürftiger Geschäfte zustehen, Massegläubiger.52 49 Auf § 227 Abs. 2 InsO wird angesichts der Bedeutung dieser Vorschrift für das Problem der Parallelsicherheiten an anderer Stelle (S. 85 ff., 122 f.) einzugehen sein. 50 MünchKomm/Ott, InsO, § 11 Rz. 43. 51 MünchKomm/Drukarczyk, InsO, § 18 Rz. 50. 52 HK/Marotzke, InsO, § 118 Rz. 7.

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

In diesen Vorschriften ist mit „persönlich haftendem Gesellschafter“ freilich nur die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht gemeint und nicht etwa eine schuldrechtliche Sonderverpflichtung des Gesellschafters. Denn die Insolvenzordnung hat die Gesellschaften in der von Gesetzes wegen vorgesehenen Haftungsverfassung vor Augen und berücksichtigt nicht einen zufällig auch aufgrund einer Bürgschaft persönlich haftenden Gesellschafter. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung will bei der Verfahrensgestaltung mithin der Besonderheit gerecht werden, dass ein Gesellschafter von Gesetzes wegen persönlich haftet. Denn diese gesetzliche Gesellschafterhaftung ist zweifelsohne die Besonderheit einer solchen Gesellschaft.53 Als solche ist die persönliche Mithaftung damit oftmals Anlass und auch inhaltlicher Gegenstand der für solche Gesellschaften geschaffenen Vorschriften. Auch mit § 93 InsO schafft der Gesetzgeber eine Vorschrift, die ungeachtet ihres Regelungsumfanges auf die gesetzliche Haftung eines Gesellschafters zurückgeht. Es liegt damit nahe, dass der zwischen dem Begriff der „Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit“ und dem Begriff des „persönlich haftenden Gesellschafters“ bestehende Zusammenhang allein dessen gesetzliche Haftung zum Ausdruck bringt. Der Blick in andere insolvenzrechtliche Bestimmungen könnte damit die zuvor für § 93 InsO aufgestellte These eines eingeschränkten Sprachverständnisses bestätigen. 4. Bewertung Jedoch greifen die angestellten Überlegungen für den Nachweis einer Einschränkung des Wortlauts zu kurz. Letztlich können weder der Bedeutungsinhalt der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit, noch der an anderen Stellen der Insolvenzordnung nachgewiesene Sprachgebrauch des Gesetzgebers eine Einschränkung des Wortlauts begründen. Denn dieser Kontext wäre der gleiche, wenn die Regelung des § 93 InsO ohne jeden Zweifel die Bürgenhaftung erfassen würde. Anknüpfungspunkt einer solchen Regelung könnte auch nur die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder eine KG aA sein. Anlass und Regelungsgegenstand wäre auch dann nur der kraft Gesetzes persönlich haftende Gesellschafter. Denn allein in dessen Person stellt sich das Problem der Parallelsicherheiten. Der gesellschaftsrechtliche Kontext ist damit für die Regelung des § 93 InsO denknotwendig. Rückschlüsse auf den Regelungsumfang verkennen die der Vorschrift zugrunde liegende Regelungssituation. Der innerhalb des § 93 InsO bestehende sprachliche Kontext steht einer Einbeziehung der Parallelbürgschaft daher nicht entgegen.

53

MünchKomm/Ott, InsO, § 11 Rz. 43.

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen

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II. Traditioneller Sprachgebrauch des Gesetzgebers Im Schrifttum wird vertreten, dass sich eine Einschränkung des Wortlauts aus einem traditionellen Sprachgebrauch des Gesetzgebers ergibt.54 Ein systematischer Blick in andere Gesetze offenbare, dass der Begriff „persönliche Haftung eines Gesellschafters“ stets nur die Haftung aufgrund der Gesellschaftereigenschaft meine. Gedacht wird hierbei an die handelsrechtlichen Bestimmungen der §§ 128 Satz 1, 161 Abs. 1 HGB sowie an § 278 Abs. 1 AktG. Spreche das Gesetz innerhalb dieser Normen vom persönlich haftenden Gesellschafter, so meine es nicht einen aufgrund einer Bürgschaft haftenden Gesellschafter.55 Dies belege in besonderer Weise der Blick auf die von § 278 Abs. 1 AktG gelieferte Legaldefinition. Nach dieser Bestimmung hafte den Gesellschaftsgläubigern mindestens ein Gesellschafter (persönlich haftender Gesellschafter) unbeschränkt. Die übrigen Kommanditaktionäre haften hingegen nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. „Auch hier meint die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ganz selbstverständlich nur die gesellschaftsrechtliche Haftung, nicht aber eine daneben bestehende Haftung.56“ Da die Insolvenzordnung den Begriff der „persönlichen Haftung des Gesellschafters“ nicht eigenständig regele, sei davon auszugehen, dass der Gesetzgeber der Insolvenzordnung diesen Begriff deckungsgleich aus dem Handelsgesetzbuch übernommen habe.57 Dieser Ansicht ist zuzugeben, dass bei der Wortlautauslegung ein besonderer juristischer Sprachgebrauch zweifelsohne Vorrang gegenüber einem allgemeinen Sprachgebrauch verdient.58 Bei der Auslegung des § 93 InsO überzeugt ein solcher Rückgriff auf den handelsrechtlichen Sprachgebrauch aber nicht.59 Zum einen weist die Vorschrift des § 93 InsO einen eigenen besonderen juristischen Sprachgebrauch auf (1.). Zum anderen wäre vor 54 Brinkmann, S. 126 f.; Oepen, Rz. 36 f.; Bitter, ZInsO 2002, 557 (558); Brinkmann, ZGR 2003, 264 (275); Bunke, KTS 2002, 471 (475); Fuchs, EWiR 2002, 163 (164); Gerhardt, ZIP 2000, 2181 (2183); Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26); Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190); dies., DStR 2002, 1095 (1096); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); Huber, LMK 2003, 119. 55 Bitter, ZInsO 2002, 557 (558). 56 Bitter, ZInsO 2002, 557 (558). 57 Bunke, KTS 2002, 471 (475); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); Huber, LMK 2003, 119. Wenn auch in anderem Zusammenhang Gerhardt, ZIP 2000, 2181 (2183). 58 Bydlinski, S. 439; Fikentscher, S. 670; Larenz, S. 320; Wank, S. 19; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (222). 59 Anders RGZ 150, 163 (166 ff.) für die Auslegung der §§ 211 Abs. 2 KO, 109 Abs. 1 Nr. 3 VerglO. Das Gericht lehnte eine Anwendung dieser Vorschriften auf den Kommanditisten unter anderem durch einen Rückgriff auf den handelsrecht-

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

dem Hintergrund der rechtspolitischen Diskussion die Übernahme des handelsrechtlichen Begriffs auf unmissverständlichere Weise geboten gewesen (2.) und zuletzt weicht der Wortlaut des § 93 InsO nicht unerheblich von den angeführten handelsrechtlichen Bestimmungen ab (3.). 1. Vorrang eines besonderen juristischen Sprachgebrauchs Die Übernahme des handelsrechtlichen Begriffs bleibt bei genauer Betrachtung ohne Rechtfertigung. Hingewiesen wird allein auf den im Handelsrecht anzutreffenden Sprachgebrauch und das Fehlen einer insolvenzrechtlichen Definition für die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.60 Den Wert einer Begründung haben diese Hinweise jedoch nicht. Denn der Rückgriff auf den in einem anderen Rechtsgebiet verwandten Begriff erfolgt ohne Darlegung gewisser Voraussetzungen oder Grenzen. Die Relativität der Begriffsbildung und die Andersartigkeit der Regelungsmaterie bleiben unberücksichtigt. Die angeführte Argumentation strapaziert den Gedanken der Einheit der Rechtsordnung folglich über Gebühr. Erkennbar wird dieser Eindruck einer unreflektierten Übernahme des handelsrechtlichen Sprachgebrauchs, wenn man bedenkt, dass § 93 InsO selbst ein besonderer juristischer Sprachgebrauch zugrunde liegt.61 Dieser besteht darin, dass die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft gerade keinen Hinweis auf den Rechtsgrund der Haftung enthält. Sicher ließe sich einwenden, dass auch ein anderer, womöglich unmissverständlicherer, Gesetzestext für eine über die gesetzliche Haftung hinausgehende Anwendung denkbar gewesen. Gleichwohl kann nicht abgestritten werden, dass die für § 93 InsO gewählte Formulierung zu den wenigen Möglichkeiten gehört, gesetzliche und rechtsgeschäftliche Haftung eines Gesellschafters zugleich zu erfassen, ohne auf einen unliebsamen Katalogtatbestand zurückzugreifen. Insbesondere darf man bei der Untersuchung des Wortlauts nicht den Fehler machen und auf eine ausdrückliche Erwähnung der Bürgschaft warten. Denn die Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche zielt in gleicher Weise auf einen Schuldbeitritt, eine Garantie oder ein abstraktes Schuldanerkenntnis. Ungeachtet der im Einzelnen bestehenden Unterschiede62 lassen sich auch Schuldbeitritt und Garantie unter „die persönliche Haftung eines Geselllichen Sprachgebrauch ab. Andere Ansicht Wissmann, S. 147 f. und Heinemann, GmbHR 1968, 205. 60 Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367). 61 Hierzu Wank, S. 110, 116. 62 Ausführlich Selb, § 12 I – III.

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen

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schafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ subsumieren. Tritt jemand einer fremden Schuld bei, so begründet auch dies eine persönliche Haftung für eine Verbindlichkeit.63 Unter einem Garantievertrag versteht man allgemein einen Vertrag, durch den sich ein Garant einem Garantieempfänger gegenüber verpflichtet, für das Eintreten oder Nichteintreten eines bestimmten Erfolges einzustehen.64 Wird diese Garantie zur Erfüllung einer gegen einen Dritten bestehenden Forderung erklärt, so gehört auch sie zu den Rechtsfiguren, bei denen einem Gläubiger mehrere Verpflichtete gegenüberstehen und lässt sich damit als persönliche Mithaftung unter den Wortlaut des § 93 InsO subsumieren.65 Gleiches gilt für ein abstraktes Schuldanerkenntnis, bei dem der persönlich haftende Gesellschafter eine neue – der Haftung aus § 128 Satz 1 HGB gegenüber inhaltsgleiche – selbständige Schuldverpflichtung schafft, für deren Erfüllung er sodann persönlich haftet. Der Wortlaut des § 93 InsO wird damit nicht nur einer vom Rechtsgrund der persönlichen Haftung unabhängigen Einbeziehung gerecht, sondern gewährleistet auch eine Einbeziehung persönlicher Schuldverpflichtungen über die Bürgschaft hinaus. 2. Unmissverständliche Einschränkung des Wortlauts Unterstützt wird dieses Sprachverständnis durch die Überlegung, dass es für den Gesetzgeber der Insolvenzordnung ein Leichtes gewesen wäre, den Wortlaut des § 93 InsO unmissverständlich auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung zu beschränken. Denn der Schwierigkeit eine für die gesetzliche Gesellschafterhaftung und Haftung aus Bürgschaft, Schuldbeitritt und Garantie gleichermaßen zutreffende Formulierung zu finden, steht die Leichtigkeit gegenüber, den Wortlaut auf die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht zu beschränken. Dass der Gesetzgeber hiervon nicht Gebrauch gemacht hat, überrascht vor allem deshalb, weil der Regelungsumfang gerade Gegenstand der rechtspolitischen Diskussion war. Dabei hätten einem Hinweis auf den gesetzlichen Rechtsgrund gleich mehrere Wege offen gestanden. So hätte der Gesetzgeber der Insolvenzordnung zum einen wie folgt formulieren können: „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann die unbeschränkte Haftung als Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.“ 63 64 65

Selb, § 12 II 1 a). Larenz, Schuldrecht II, § 62 III; Selb, § 12 III 1. Selb, S. 217.

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

Zum anderen wäre folgende Formulierung denkbar gewesen:66 „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann die unbeschränkte gesetzliche Gesellschafterhaftung während des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden.“

Auf diese Weise wäre der Wortlaut des § 93 InsO eindeutig und keiner Auslegung zugänglich.67 Bei der Gesetz gewordenen Fassung aber drängt sich eine Auslegungsbedürftigkeit geradezu auf.68 3. Unterschiede im Wortlaut des § 93 InsO zu handelsrechtlichen Normen Hinzukommt, dass der Wortlaut des § 93 InsO nicht unbedeutend vom handelsrechtlichen Sprachgebrauch abweicht. Im Handels- und Gesellschaftsrecht (§§ 128 Satz 1, 161 Abs. 1, 172 Abs. 6, 172 a, 176 Abs. 1, 177 a HGB, § 278 Abs. 1 AktG) sowie in zahlreichen insolvenzrechtlichen Bestimmungen (§§ 15 Abs. 1 und 3, 18 Abs. 3, 19 Abs. 3 sowie 118 InsO) ist stets die Rede vom persönlich haftenden Gesellschafter. Anknüpfungspunkt ist damit stets die Person des Gesellschafters. Mit persönlich haftendem Gesellschafter ist selbstverständlich allein der kraft Gesetzes für die Schulden der Gesellschaft haftende Gesellschafter gemeint. Schließlich begründet allein die gesellschaftsrechtliche Haftung und nicht eine persönliche Schuldverpflichtung die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter. Insoweit ist Bitter ausdrücklich zuzustimmen. Schließt er hieraus gleichsam die Einschränkung des Wortlauts des § 93 InsO, so wäre das allein dann folgerichtig, wenn auch diese insolvenzrechtliche Bestimmung die Person des Gesellschafters zum Anknüpfungspunkt hat. In § 93 InsO heißt es aber nicht etwa: „Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann „der persönliche haftende Gesellschafter . . .“ 66 Kesseler, ZInsO 2002, 1974 (1978). Gegen diesen Vorschlag ausdrücklich Huber, LMK 2003, 119. aber auch nur mit dem bloßen Hinweis auf die Übernahme des handelsrechtlichen Begriffs. 67 Ein Hinweis auf den Rechtsgrund der Haftung mit dem bloßen Wort „als“ wäre ferner dem Bestreben gerecht geworden, zum einen die knappen Formulierungen der Konkursordnung zum Vorbild zu nehmen und zum anderen die Insolvenzordnung zu „verschlanken“. Zu diesem Bestreben der Gesetzgeber der Insolvenzordnung vgl. Landfermann, Festschrift für Henckel, 253 (261). 68 Diese Formulierungen hätten ferner kein Spannungsverhältnis zwischen § 93 InsO und § 171 Abs. 2 HGB vermieden. Hierzu Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 496.

D. Untersuchung der sprachlichen Fassung im Ganzen

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Tatbestandliche Anbindung des Einzugsvorbehalts ist vielmehr die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Anders als die im Schrifttum angeführten handelsrechtlichen Normen stellt § 93 InsO damit nicht auf die Person des Gesellschafters, sondern auf die in der Person des Gesellschafters begründete Haftung ab.69 Nur weil bei einer Anknüpfung an die Person des Gesellschafters stets die gesellschaftsrechtliche Haftung gemeint ist, muss bei einer tatbestandlichen Anbindung an die „Haftung“ nicht Gleiches gelten. Denn anders als die Gesellschaftereigenschaft einer Person kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters ohne weiteres auch auf einer Bürgschaftshaftung beruhen. So verwundert es auch nicht, dass einerseits noch niemand auf die Idee gekommen ist, eine für den persönlich haftenden Gesellschafter geschaffene Bestimmung auf die Haftung eines Gesellschafters aus einer Bürgschaft anzuwenden, andererseits aber seit Einführung der Insolvenzordnung der Wortlaut des § 93 InsO in diesem Punkt kontrovers diskutiert wird. Die Regelung des § 93 InsO ist damit offener formuliert und kann folglich nicht bereits aus ihrem Wortlaut heraus als auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränkt angesehen werden. Vielmehr im Gegenteil liegt nahe, dass § 93 InsO bewusst anders formuliert wurde als die handelsrechtlichen Haftungstatbestände.70 Eine andere Sichtweise beruht auf einer unreflektierten Übernahme des handelsrechtlichen Sprachgebrauchs und strapaziert den – ohnehin nicht unbestrittenen71 – Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung über Gebühr. 4. Ergebnis Da der Rückgriff auf ein tradiertes Sprachverständnisses im Handels- und Gesellschaftsrecht nicht gelingt, beurteilt sich der Wortlaut des § 93 InsO nach dem in der isolierten Betrachtung der Wortbestandteile gewonnen Verständnis. Da dieses keinen Hinweis auf den Rechtsgrund der persönlichen Haftung enthält, ist die Parallelbürgschaft vom Wortlaut des § 93 InsO erfasst. Für die weitere Auslegung bedeutet die, dass derjenige die Argumentationslast trägt, der dem Text einen hiervon abweichenden Sinn beimessen will.72 In der weiteren Auslegung geht es folglich darum, ob Gründe für 69 Mit diesem Unterschied wurde bereits an anderer Stelle (§ 211 Abs. 2 KO, § 109 Abs. 1 Nr. 3 VerglO) die Übernahme des handelsrechtlichen Sprachgebrauchs abgelehnt, vgl. hierzu Wissmann, S. 147 f. m. w. N. 70 So Wissmann, S. 147 f. und Heinemann, GmbHR 1985, 205 seinerzeit für § 211 Abs. 2 KO, 109 Abs. 1 Nr. 3 VerglO. 71 Kramer, S. 49; Sieker, S. 80 m. w. N.

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3. Kap.: Auslegung nach dem Wortlaut des § 93 InsO

eine einschränkende Anwendung ersichtlich sind und, wenn ja, ob eine solche noch von einer Auslegung des § 93 InsO gedeckt ist oder ob es vielmehr einer teleologischen Reduktion bedarf.

72

Vgl. hierzu Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (223); Meier-Hayoz, S. 42.

Viertes Kapitel

Gesetzliche Systematik des § 93 InsO A. Wesen einer systematischen Auslegung Zu den Kriterien einer Gesetzesauslegung gehört die Gesetzessystematik. Mit Hilfe dieser soll aus der Einordnung der Norm in den Gesetzestext und ihrer Stellung im äußeren System der Rechtsordnung auf den Normsinn geschlossen werden.1 Im Mittelpunkt dieser Überlegungen steht damit die Beziehung der auszulegenden Norm zu anderen Vorschriften. Dass hierbei auch der bereits erörterte sprachliche Kontext und das noch zu untersuchende innere System der Normzwecke und gesetzlichen Wertungsprinzipien betroffen sein kann, ändert nichts an der Eigenständigkeit der Gesetzessystematik als Auslegungskriterium.2 Richtig ist an dieser methodischen Diskussion, dass die einzelnen Kriterien mitunter nicht immer isoliert erörtert werden können.3 So kann die Auseinandersetzung mit dem sprachlichen Kontext der auslegungsbedürftigen Gesetzespassage auch als systematische Erwägung zu § 93 InsO verstanden werden. Larenz spricht daher von Bedeutungszusammenhang,4 der auch die Teleologie des Gesetzes mit umfasst. Da diese aber einer eigenständigen teleologischen Auslegung vorbehalten ist, beschränkt sich die systematische Auslegung auf die Stellung der Vorschrift im Gesetz. Diese begründet die Vermutung für ein logisch stringentes Vorgehen der Gesetzesverfasser und leistet damit Vorarbeit für die Untersuchung der Teleologie des Gesetzes.5

1

Larenz, S. 313, 324 f.; Zippelius, S. 67. Schmalz, Rz. 232. Andere Ansicht Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (225 f.). Die systematische Auslegung sollte nach Hassold als eine Dimension oder Stufe der grammatikalischen oder teleologischen Auslegung gesehen werden. 3 Dies betont auch Huber, JZ 2003, 1 (6). 4 Larenz, S. 320, 324 sieht daher auch die Gesetzessystematik als den einfachsten Fall des so genannten hermeneutischen Zirkels. 5 Larenz, S. 326; Herschel, BB 1966, 791; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (224). 2

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4. Kap.: Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

B. Untersuchungsbedarf Zu untersuchen ist daher die Einordnung des § 93 InsO in den Gesetzestext. Diese gesetzessystematischen Überlegungen betreffen die Beziehung des § 93 InsO zu anderen insolvenz- und auch handelsrechtlichen Normen. Besondere Beachtung verdient das Verhältnis von § 93 InsO und § 171 Abs. 2 HGB. Die Allgemeine Begründung des Regierungsentwurfs zur Schaffung der Insolvenzordnung spricht bei § 93 InsO von einer Rechtsanalogie zu § 171 Abs. 2 HGB.6 Während der Inhalt dieser Norm die entstehungsgeschichtliche Auslegung betrifft, soll jetzt der Frage nachgegangen werden, warum sich § 171 Abs. 2 HGB und § 93 InsO in verschiedenen Gesetzen befinden und, ob diese unterschiedliche Anordnung Bedeutung für den untersuchten Regelungsumfang hat (C.). Innerhalb der Insolvenzordnung gilt das Interesse dem mit „Haftung mehrerer Personen“ überschriebenen § 43 InsO sowie den §§ 227 Abs. 2 und 254 Abs. 2 Satz 1 InsO. Diese Normen bilden ein gesetzliches System für den Umgang der Insolvenzordnung mit der persönlichen Gesellschafterund auch Bürgenhaftung im Regelinsolvenz- sowie im Insolvenzplanverfahren. Zu untersuchen sein wird die Rolle des § 93 InsO in einem solchen System sowie die Bedeutung des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks und deren Verwirklichung durch die Insolvenzordnung (D.).

C. Systematisches Verhältnis zu § 171 Abs. 2 HGB I. Kritik an der systematischen Einordnung des § 93 InsO Soweit ersichtlich erfolgt im Schrifttum eine Auseinandersetzung mit § 171 Abs. 2 HGB ausschließlich bei der entstehungsgeschichtlichen Auslegung. Unter Berufung auf die Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfes7 sowie die Begründung des § 93 InsO8 wird angeführt, dass § 93 InsO dem § 171 Abs. 2 HGB nachempfunden sei9 und sich dem Vorbild dieser Norm folgend in gleicher Weise auf die gesetzliche Haftung beschränke.10 Auf das systematische Verhältnis dieser beiden Bestimmungen wird hingegen nicht eingegangen. 6

Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. A 40. Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. A 40. 8 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 139 f. 9 Bunke, NZI 2002, 591 (592); ders., KTS 2002, 471 (481); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367). 7

C. Systematisches Verhältnis zu § 171 Abs. 2 HGB

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Allein Armbruster kritisiert die systematische Einordnung des § 93 InsO.11 Ohne sich selbst auf die zutreffende Gesetzessystematik festzulegen, führt Armbruster die seines Erachtens zutreffenden Lösungsmöglichkeiten an: Zum einen hätte man den Regelungsinhalt des § 93 InsO bei § 128 HGB selbst unterbringen können. Zum anderen hätte man dem für die Insolvenzfähigkeit der Personengesellschaften maßgeblichen § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO eine insolvenzrechtliche Haftungsregel folgen lassen können. Gegenstand dieser eigenständigen Vorschrift hätte dann sowohl die Kommanditistenhaftung als auch die persönliche Gesellschafterhaftung sein müssen. Wollte man an der Einordnung in den dritten Teil der Insolvenzordnung „Wirkungen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens“ festhalten, so hätte eben § 93 InsO als umfassende Haftungsregel um den bisherigen Regelungsinhalt des § 171 Abs. 2 HGB erweitert werden müssen. „Keinesfalls sollte man jedoch systematisch Zusammengehöriges streuen. Dies erleichtert nicht gerade die Rechtsanwendung.12“

II. Bedeutung der Kritik für die Auslegung des § 93 InsO Was jedoch bedeutet diese systematische Kritik für die Behandlung paralleler Sicherheiten durch § 93 InsO? Armbruster selbst hat das Problem der konkurrierenden Mithaftungsansprüche in seiner Untersuchung noch nicht bedacht. Er diskutiert Fallgestaltungen, die sich allesamt auf die akzessorische Haftung des Gesellschafters nach § 128 Satz 1 HGB beziehen.13 Die von ihm angeführte Systemwidrigkeit beruht daher auf der Vorstellung, dass § 93 InsO wie auch § 171 Abs. 2 HGB allein die gesetzliche Haftung des Gesellschafters erfassen. Diese Annahme ist jedoch gerade Gegenstand der vorliegenden Auslegung und kann damit nicht die von Armbruster behauptete Systemwidrigkeit rechtfertigen. Greift man dessen gesetzessystematische Überlegungen gleichwohl auf, stellt sich eine ganz andere Frage. Verbirgt sich hinter der von Armbruster gerügten Systemwidrigkeit die bewusste gesetzgeberische Entscheidung, § 93 InsO abweichend von § 171 Abs. 2 HGB auf konkurrierende Mithaftungsansprüche ausweiten zu wollen? Denn mit der Schaffung eines § 128 Abs. 2 HGB hätte eine gesetzliche Lösung zur Verfügung gestanden, die diesem Eindruck eine unmissverständliche Absage erteilt hätte. 10 11 12 13

BGHZ 151, 245 (248 f.) = BGH ZIP 2002, 1492 (1493). Armbruster, S. 149. Armbruster, S. 149. Armbruster, S. 150 ff.

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4. Kap.: Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

III. Untersuchung des äußeren Systems Das äußere System des Gesetzes könnte damit den Weg dafür bereitet haben, dass die Regelung des § 93 InsO an einen von § 128 Satz 1 HGB abweichenden Begriff anknüpft. 1. Sachlicher Grund für Einordnung in der Insolvenzordnung Der Blick auf den sachlichen Anwendungsbereich des § 93 InsO widerlegt diesen Gedanken jedoch. Die Ausweitung der Einziehungsbefugnis auf die persönliche Haftung eines Gesellschafters betrifft anders als § 171 Abs. 2 HGB mehrere Gesellschaften. Die Schaffung eines in der Insolvenzordnung zentrierten Einzugsvorbehalts ist damit die gesetzgebungstechnisch praktikablere Lösung gewesen sein. Die Alternative wäre die Schaffung zahlreicher Einzelbestimmungen gewesen. Denn ein Einzugsvorbehalt außerhalb der Insolvenzordnung hätte neue Vorschriften im HGB, im PartGG, in der EWIV-VO und im AktG erforderlich gemacht. Da die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit legaldefiniert, ist der sachliche Anwendungsbereich überdies von vornherein jedweder Zweifelsfrage entzogen. Eine solche wäre hingegen für die GbR bei Schaffung eines § 128 Abs. 2 HGB vorprogrammiert gewesen. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung verleiht der GbR ausdrücklich die Insolvenzfähigkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), weil diese nicht selten als Träger eines Unternehmens am Rechtsverkehr teilnimmt und deshalb ein praktisches Bedürfnis für deren Einbeziehung in eine Insolvenzverfahren bestand.14 Da die Einziehungsbefugnis des Verwalters durch die Schaffung des § 93 InsO in der Insolvenzordnung zentriert ist, ist die Befugnis des Insolvenzverwalters gesichert, soweit die Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der GbR persönlich haften. Eine solche Anwendung ohne Rücksicht auf die über die gesetzliche Haftungsverfassung geführte Kontroverse hätte ein möglicher § 128 Abs. 2 HGB nicht gewährleisten können. Dann nämlich wäre die Anwendung des Abwicklungsmodells abhängig gewesen von den bei der gesetzlichen Haftungsverfassung bestehenden Zweifelsfragen und hätte nur von den Befürwortern der Akzessoritätstheorie bejaht werden können. Bereits aus diesem Grund ist der in der Insolvenzordnung zentrierte Einzugsvorbehalt zur Verwirklichung größtmöglicher Rechtssicherheit die praktikablere gesetzgebungstechnische Lösung. Die unterschiedliche Einordnung von § 93 InsO und § 171 Abs. 2 HGB ist damit sachlich gerechtfertigt und spricht daher nicht für einen über die gesetzliche Gesellschafterhaftung hinausgehenden Anwendungsbereich. 14

Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 112.

C. Systematisches Verhältnis zu § 171 Abs. 2 HGB

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2. Unterstützung durch die Technik des Gesetzgebers der Insolvenzordnung Dieses Verständnis erfährt ferner Unterstützung durch das grundsätzliche Bestreben des Gesetzgebers der Insolvenzordnung, bislang über verschiedene Gesetze verstreute Regelungen in der Insolvenzordnung zu vereinen. Besondere Aufmerksamkeit verdient hierbei § 15 Abs. 1 InsO. Diese Vorschrift normiert das Einzelantragsrecht der organschaftlichen Vertreter einer juristischen Person und der persönlich haftenden Gesellschafter einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit. Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte belegt, dass sich § 15 Abs. 1 InsO als die Zusammenfassung zahlreicher – bislang auf mehrere Gesetze verteilter – Bestimmungen versteht. Regelten bislang die § 208 Abs. 1, 2, §§ 210, 213 KO, § 63 Abs. 2 GmbHG, § 100 Abs. 1, 2 GenG das bezeichnete Einzelantragsrecht, so finden sich diese Bestimmungen nunmehr vereint in § 15 Abs. 1 InsO.15 3. Die Vorschrift des § 171 Abs. 2 HGB selbst als Gegenstand systematischer Kritik Aus einem weiteren Grund ergibt sich aus der genannten Überlegung kein Argument für die Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft. § 171 Abs. 2 HGB ist selbst Gegenstand systematischer Kritik16 und kann damit kein äußeres System darstellen, das Rückschlüsse auf den Regelungsumfang des § 93 InsO erlaubt. So hält etwa der BGH17 § 171 Abs. 2 HGB für eine Vorschrift des Konkursrechts. Gleiches wird im Schrifttum vertreten:18 Anders als die Regelung über den Gesellschaftskonkurs als Auflösungsgrund und die Vorschrift über die Fortsetzung der Gesellschaft nach Konkursende, hätte die Befugnis des Verwalters zur Geltendmachung der Kommanditistenhaftung nicht im Handelsgesetzbuch geregelt werden dürfen. Dahinter steht eine grundsätzliche Schwierigkeit des Insolvenzrechts. Diese besteht darin, dass in ihm so unterschiedliche Rechtsdisziplinen wie beispielsweise Schuld-, Sachen-, Arbeits- und eben insbesondere Gesellschaftsrecht aufeinanderstoßen.19 Durch diese grundsätzlichen systematischen Schwierigkeiten und die spezielle Kritik zur Systematik des 15

MünchKomm/Schmahl, InsO, § 15 Rz. 4. Baumbach/Hopt, HGB, § 171 Rz. 11; K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht, S. 26; Weber, KTS 1970, 73 (74). 17 BGH ZIP 1991, 233 (235); BGH NJW 1976, 751 (752). 18 Weber, KTS 1970, 73 (74). 19 K. Schmidt, in: Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1199 (1200). Zum Verhältnis von Bürgerlichem Recht und Insolvenzrecht vgl. Gerhardt, AcP 200 (2000), 426 ff. 16

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4. Kap.: Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

§ 171 Abs. 2 HGB ist diese handelsrechtliche Bestimmung keine feste Größe im äußeren System der Rechtsordnung, so dass das systematische Verhältnis zu § 93 InsO keinen Rückschluss auf den Regelungsumfang der Vorschrift erlaubt. 4. Ergebnis Dass die Befugnis des Insolvenzverwalters, „die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ geltend zu machen, in der Insolvenzordnung und nicht wie § 171 Abs. 2 HGB im Handelsrecht geregelt ist, deutet nicht darauf hin, dass der Anwendungsbereich über die handelsrechtliche Haftung hinausgeht.

D. Gesetzliche Systematik innerhalb der Insolvenzordnung Innerhalb der Insolvenzordnung kommt es für eine gesetzessystematische Auslegung des § 93 InsO auf die §§ 227 Abs. 2, 254 Abs. 2 Satz 1 InsO an. Diese Normen bilden den gesetzlichen Rahmen für den Umgang der Insolvenzordnung mit der persönlichen Gesellschafter- und auch Bürgenhaftung im Regelinsolvenz- sowie im Insolvenzplanverfahren. Den Ausgangspunkt hierbei bildet ein vom BGH in § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO erkanntes Argument für die Einschränkung des § 93 InsO.

I. Begründungsansatz des BGH Im Anschluss an die Feststellung, dass eine beschränkte Anwendung des § 93 InsO bereits aus dem Grund gerechtfertigt ist, dass dem Gesetzgeber die rechtliche Problematik der Parallelsicherheiten bekannt war,20 heißt es in den Entscheidungsgründen des BGH wörtlich: „Dies erscheint auch systemgerecht. Die Einbeziehung von Haftungsansprüchen gegen Gesellschafter, deren Rechtsgrund außerhalb der §§ 128, 161 ff. HGB liegt, in den Geltungsbereich des § 93 InsO hätte zur Folge, dass solche persönlichen schuldrechtlichen Ansprüche gegen die Gesellschafter für den Gläubiger nahezu nutzlos wären. Bürgschaften und vergleichbare Verpflichtungen erweisen ihren Wert in der Regel erst dann, wenn der Hauptschuldner insolvent wird. Kann der Gläubiger den Gesellschafter während des Insolvenzverfahrens aus solchen persönlichen Verpflichtungen nicht in Anspruch nehmen, so steht er sich regelmäßig im wirtschaftlichen Ergebnis ebenso, wie wenn er sich mit der gesetzlichen Haftung begnügt hätte. Es ist anzunehmen, dass der Wille, persönliche Schuldver20

Dies wird sogleich bei der historischen Auslegung, vgl. 5. Kapitel.

D. Gesetzliche Systematik innerhalb der Insolvenzordnung

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pflichtungen der Gesellschafter – entgegen dem bisher geltenden Recht – in solcher Weise zu entwerten, im Gesetz deutlich zum Ausdruck gebracht worden wäre, wenn der Gesetzgeber mit der nunmehr geltenden Regelung eine solche Wirkung bezweckt hätte. Anhaltspunkte hierfür fehlen jedoch. Im Gegenteil bestimmt § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO, dass nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners durch den Plan nicht berührt werden, vielmehr ebenso zu behandeln sind wie Rechte an Gegenständen, die nicht zur Insolvenzmasse gehören. Für die Restschuldbefreiung enthält § 301 Abs. 2 InsO eine entsprechende Regelung.“21

II. Untersuchungsbedarf Der BGH hält nur die ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung für systemgerecht. Maßstab bei der Beurteilung der Systemgerechtigkeit einer Anwendung des § 93 InsO ist der für eine Bürgschaft bedeutsame Sicherungszweck in der Insolvenz des Hauptschuldners. Mit diesem sei eine Anwendung des § 93 InsO auf die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters nicht vereinbar. Die Tragfähigkeit dieses Begründungsansatzes bedarf der näheren Untersuchung. Besonderes Augenmerk verdient der vom Gericht aufgestellte Rechtssatz „Bürgschaften und vergleichbare Verpflichtungen erweisen ihren Wert in der Regel erst dann, wenn der Hauptschuldner insolvent wird“. Diese Argumentation wird im Schrifttum kritisiert. Dem BGH wird vorgeworfen, er habe die spezielle Situation der Parallelbürgschaft verkannt. Schließlich gehe es nicht im Allgemeinen um den Sicherungszweck und die Werthaltigkeit eines zusätzlichen Haftungsanspruchs gegen einen beliebigen Dritten in der Insolvenz des Hauptschuldners, sondern um die spezielle Frage, ob diejenige individuelle Haftung eines Gesellschafters werthaltig sein solle, die mit der nach § 93 InsO der Insolvenzmasse zuzuordnenden gesellschaftsrechtlichen Haftung in Anspruchskonkurrenz stehe.22 Im Anschluss daran ist die Bedeutung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO für die Auslegung des § 93 InsO zu untersuchen. Das Gericht zieht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO den für § 93 InsO bedeutsamen Rückschluss, es fehle am Willen des historischen Gesetzgebers, persönliche Schuldverpflichtungen der Gesellschafter durch eine Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche zu entwerten. Während die Ausführungen zum bürgschaftsrechtlichen Sicherungszweck der teleologischen Auslegung vorbehalten sind,23 soll an dieser Stelle die 21 22 23

BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). So der Vorwurf von Bunke, NZI 2002, 591 (593). 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb) (3) (a).

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4. Kap.: Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

Zulässigkeit und der Begründungswert einer Bezugnahme auf § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO untersucht werden. Der BGH befasst sich mit dieser gesetzessystematischen Dimension seiner Argumentation nicht. Das Gericht bemüht die Bezugnahme auf diese Norm allein für einen Rückschluss auf den Willen des historischen Gesetzgebers.24 Bedeutsamer aber ist die gesetzessystematische Dimension der gerichtlichen Argumentation. Denn zum einen versteht es sich nicht von selbst, dass zur Auslegung einer Norm des Regelinsolvenzverfahrens auf eine Insolvenzplanbestimmung zurückgegriffen wird25 (III.) und zum anderen muss die Bezugnahme auf Normen des Insolvenzplanverfahrens auf § 227 Abs. 2 InsO ausgeweitet werden (IV.).26

III. Zulässigkeit der Heranziehung insolvenzplanrechtlicher Bestimmungen Zieht das Gericht aus § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO den Schluss, dass der Gesetzgeber persönliche Schuldverpflichtungen nicht entwerten wollte, so setzt dies voraus, dass § 254 Abs. 1 Satz 2 InsO in zulässiger Weise für die Auslegung des § 93 InsO herangezogen werden darf. Während der BGH dies für selbstverständlich erachtet, lehnt Bork die Zulässigkeit dieser Bezugnahme ab.27 Bei genauer Betrachtung bestehen jedoch keine Bedenken an einer solchen Bezugnahme. Zwar handelt es sich bei § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO um eine Insolvenzplanbestimmung, jedoch steht dies einer Berücksichtigung der Norm bei der Auslegung des § 93 InsO nicht entgegen. Dies ergibt sich bereits aus dem gemeinsamen Zweck von Regelinsolvenz- und Insolvenzplanverfahren. Beide Verfahrensgestaltungen dienen dem gemeinsamen Zweck, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen. Bereits diese von § 1 Satz 1 InsO für jedes Insolvenzverfahren bestimmte Zielsetzung bereitet die Grundlage dafür, in Vorschriften auch dann einen allgemeinen Rechtsgedanken erblicken zu können, wenn sie einerseits das Regelinsolvenz- und andererseits das Insolvenzplanverfahren regeln. 24

BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). Ebenso MünchKomm/ Brandes, InsO, § 93 Rz. 21; Bunke, KTS 2002, 471 (481); ders., NZI 2002, 591 (593) und auch K. Schmidt, ZGR 1996, 209 (217). Zur gesetzeshistorischen Bedeutung der Insolvenzplanbestimmungen siehe unten 4. Kapitel, D. III. 25 Dagegen Bork, NZI 2002, 362 (364). 26 So Bunke, NZI 2002, 591 (593). 27 Bork, NZI 2002 362 (364). Seiner Ansicht nach lässt sich aus der Spezialnorm des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO keine planwidrige Regelungslücke für eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO herleiten.

D. Gesetzliche Systematik innerhalb der Insolvenzordnung

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Bei genauer Betrachtung zeigt sich überdies, dass eine Auseinandersetzung mit den Planbestimmungen der §§ 217 ff. InsO nicht stets die Auseinandersetzung mit einem insolvenzplanspezifischen Problem bedeutet. Denn der Insolvenzplan ist letztlich nichts anderes als ein vermögensund haftungsrechtlicher Vertrag.28 Eine Auseinandersetzung mit § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO betrifft damit im Kern vielmehr die Frage, ob und inwieweit in einer privatautonomen Vereinbarung zwischen Gesellschaft und Gläubigern auf die Haftungsforderungen gegen Dritte eingewirkt werden kann.29 Für die Zulässigkeit der Heranziehung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO spricht weiter, dass § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO ein verallgemeinerungsfähiger Regelungsgedanke zugrunde liegt, der auf § 93 InsO zu übertragen sein könnte. Die Regelung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO dient wie auch die konkurs- und vergleichsrechtlichen Vorgängervorschriften (§ 193 Satz 2 KO und § 82 Abs. 2 VerglO) der Verwirklichung des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks. Denn die Gläubigerrechte gegen den Bürgen bleiben trotz der durch die Bestätigung des Insolvenzplans bewirkten Beschränkungen der Hauptforderung unverändert bestehen. Dem Insolvenzplan wird eine Einwirkung auf diese Rechte versagt. Eine inhaltsgleiche Vorschrift findet sich bei der Wirkung einer erteilten Restschuldbefreiung. Nach § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO werden die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen des Schuldners durch die Restschuldbefreiung nicht berührt. Beiden Normen liegt ein identischer Rechtsgedanke zugrunde: Sie begrenzen den Grundsatz der Akzessorität mit Rücksicht auf den bürgschaftsrechtlichen Sicherungszweck. Denn damit die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen einen Bürgen nach Insolvenzplanbestätigung bzw. Erteilung der Restschuldbefreiung von einer Beschränkung der Hauptforderung unberührt bleiben, bedurfte es einer Durchbrechung des Akzessoritätsprinzips durch die §§ 254 Abs. 2 Satz 1, 301 Abs. 2 Satz 1 InsO.30 Gleiches gilt für die Konkursrechtsbestimmungen der § 193 Satz 2 KO und § 82 Abs. 2 VerglO.31 Dieser Rechtsgedanke beschränkt sich überdies nicht auf das Insolvenzrecht. Nahezu wortgleich bestimmt § 1629 a Abs. 3 BGB, dass die Haftungsbegrenzung des § 1629 a Abs. 1 BGB die Rechte 28

Zur Rechtsnatur des Insolvenzplans FK/Jaffé, InsO, § 217 Rz. 86 ff.; Häsemeyer, Festschrift für Gaul, 175 ff.; Müller, KTS 2002, 209 (210 f.). 29 Müller, KTS 2002, 209 (248). 30 BGH ZIP 2002, 2125 (2127) m. zust. Anm. v. Tiedtke, EWiR 2003, 111 (112). Vgl. weiter Noack/Bunke, Festschrift für Uhlenbruck, 335 (351). Zu der Frage, ob die § 193 Satz 2 KO, § 82 Abs. 2 VerglO, §§ 254 Abs. 2 Satz 1 und 301 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Ausnahme vom Akzessoritätsprinzip oder eine Durchbrechung dieses Grundsatzes darstellen, vgl. C. Schmidt, S. 56 ff. 31 BGH ZIP 2002, 2125 (2127) m. zust. Anm. v. Tiedtke, EWiR 2003, 111 (112).

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4. Kap.: Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

der Gläubiger gegen Mitschuldner und Mithaftende nicht erfasst.32 Ebenso angeführt werden muss § 768 Abs. 1 Satz 2 BGB.33 Kann der Gläubiger vom Bürgen grundsätzlich nur das verlangen, was er vom Hauptschuldner nach dem jeweiligen Bestand der Hauptforderung zu bekommen hat, so macht hiervon § 768 Abs. 1 Satz 2 BGB dadurch eine Ausnahme, dass dem Bürgen bei Tod des Hauptschuldners die Berufung auf die Haftungsbeschränkung des Erben versagt wird. Dieser systematische Blick belegt, dass mit der Vorschrift des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht eine insolvenzplanrechtliche Spezialnorm bemüht wird, sondern der hinter dieser Norm stehende bürgschaftsrechtliche Sicherungszweck sowie dessen Verwirklichung in der Insolvenz des Hauptschuldners.34 Dieser Rechtsgedanke betrifft die Auslegung des § 93 InsO und rechtfertigt damit den Rückgriff auf § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO.

IV. Vergleich von Regelinsolvenz- und Insolvenzplanverfahren Fraglich ist, wie dieser Rechtsgedanke die Auslegung des § 93 InsO beeinflusst. Der BGH folgert aus § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO, dass es nicht dem gesetzgeberischen Willen entsprochen haben könne, mit § 93 InsO die Parallelbürgschaft – entgegen dem bisher geltenden Recht – entwerten zu wollen. Das Gericht bemüht § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO mithin als gesetzeshistorisches Argument. Bei genauerer Betrachtung aber zeigt sich, dass § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO vielmehr die Gesetzessystematik betrifft. Denn die eigentliche Bedeutung dieser Norm für die Parallelbürgschaft ergibt sich erst aus einer Zusammenschau von § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO und § 227 Abs. 2 InsO. 1. Gegenüberstellung von § 227 Abs. 2 InsO und § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO Nach § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO werden Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Mitschuldner und Bürgen durch den Insolvenzplan nicht berührt. Eine Inanspruchnahme des Bürgen bleibt damit auch nach gerichtlicher Bestätigung eines Insolvenzplans möglich. Anders verhält es sich bei § 227 Abs. 2 InsO. Hiernach ist ein im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit bestätigter Insolvenzplan im Zweifel so zu verstehen, dass die Insolvenzgläubiger auf ihre gesetzlichen 32 33 34

Weiter hierzu Haertlein, JA 2000, 982 ff. So auch der BGH ZIP 2002, 2125 (2127). Ausführlich hierzu nachstehend 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb) (3) (a).

D. Gesetzliche Systematik innerhalb der Insolvenzordnung

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Haftungsansprüche in dem Maße verzichten, wie diese Forderungen über die im gestaltenden Teil des Insolvenzplans vorgesehene Befriedigung hinausgehen.35 Damit unterscheidet das Insolvenzplanverfahren für das insolvenzrechtliche Schicksal einer persönlichen Mithaftung danach, ob sich diese aus einer Bürgschaft oder aus der Gesellschafterstellung ergibt. Was dies für die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters bedeutet, erhellt sich vor dem Hintergrund der bisher geltenden Rechtslage. 2. Vergleich mit der bisher geltenden Rechtslage Die Regelung des § 227 Abs. 2 InsO geht zurück auf § 211 Abs. 2 KO und § 109 Nr. 3 VerglO. Bereits nach diesen begrenzte der Abschluss eines (Zwangs-)Vergleichsverfahren im Konkurs der Personenhandelsgesellschaft zugleich den Umfang der persönlichen Haftung der Gesellschafter.36 Auch § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO findet mit den § 193 Satz 2 und § 82 Abs. 2 VerglO eine Vorgängerregelung im bisher geltenden Konkurs- und Vergleichsrecht. Diese galten nach ganz herrschender Meinung auch für die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters.37 Eben darum verlieh die Bürgschaft, die ein unbeschränkt haftender Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft zusätzlich übernommen hatte, dem Gläubiger eine besondere Gewähr, die nicht durch einen der Gesellschaft bewilligten (Zwangs-)Vergleich, sondern nur durch den (Zwangs-)Vergleich des Eigenkonkurses herabgemindert werden konnte.38 Bedeutung für das nunmehr geltende Insolvenzrecht erlangt diese unstreitige Anwendung der § 193 Satz 2 KO, § 82 Abs. 2 VerglO auf die Parallelbürgschaft vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber der Insolvenzordnung sowohl mit § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO als auch mit § 227 Abs. 2 InsO diese Regelungen zum (Zwangs-)Vergleichsverfahren inhaltlich unverändert übernehmen wollte.39 Dementsprechend wird auch nach Einführung der Insolvenzordnung ganz herrschend vertreten, dass § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO über die Bürgschaft eines beliebigen Dritten hinaus auch die Parallel35 Oepen, Rz. 34; Bunke, NZI 2002, 591 (593); Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Müller, KTS 2002, 209 (247 ff.). 36 Hierzu Jaeger/Weber, KO, § 211 Rz. 1. 37 RGZ 139, 252; BGH NJW 1987, 1893 f.; BGH NJW 1959, 229; LG Kempten KTS 1977, 194; Bley/Mohrbutter, VerglO, §§ 82 Anm. 20, 109 Anm. 21; Jaeger/Weber, KO, § 211 Rz. 3; Jaeger/Weber, KO, § 193 Rz. 18; Kilger/ K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 193 KO Anm. 4 a, § 211 KO Anm. 3 KO, § 82 VerglO Anm. 5, § 109 VerglO Anm. 5 a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 193 Rz. 9 a, § 211 Rz. 4 c. 38 Jaeger/Weber, KO, § 211 Rz. 3. 39 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 202 und S. 213.

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4. Kap.: Gesetzliche Systematik des § 93 InsO

bürgschaft erfasst.40 Nichts anderes meint der BGH, wenn er unter Hinweis auf § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO eine Entwertung persönlicher Schuldverpflichtungen der Gesellschafter für ausgeschlossen hält. Erkennt man aber, dass ein bloßer Vergleich des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO mit der bisher geltenden Rechtslage, für sich genommen, nicht die Auslegung des § 93 InsO betrifft, zeigt sich die notwendige gesetzessystematische Dimension der gerichtlichen Begründung. Denn auch wenn der BGH unter Berufung auf die Regelung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO einen allgemeingültigen Willen des historischen Gesetzgebers zu erkennen glaubt, bleibt dieser Begründungsansatz in erster Linie ein Argument für die Anwendung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO selbst. Ein Argument für die Auslegung des § 93 InsO wird der Rückriff auf das Insolvenzplanverfahren erst durch die Systematik des Gesetzes. Nur durch die Gegenüberstellung von § 227 Abs. 2 InsO als Insolvenzplanbestimmung auf der einen und § 93 InsO als Norm des Regelinsolvenzverfahrens auf der anderen Seite betrifft die Begründung des BGH die Auslegung des § 93 InsO. Denn im Lichte dieser Gegenüberstellung legt § 227 Abs. 2 InsO als insolvenzplanungsrechtliche Entsprechung zu § 93 InsO die ausschließliche Anwendung dieser Vorschrift auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung nahe.41 Das systematische Argument liegt damit im Gleichlauf von Insolvenzplan- und Regelinsolvenzverfahren bei der Einbeziehung schuldnerfremder Haftungsansprüche in das Insolvenzverfahren der Gesellschaft. Dass im Schrifttum inzwischen vereinzelt eine Ausweitung des § 227 Abs. 2 InsO auf die Parallelbürgschaft vertreten wird,42 ändert nichts an dem in der Gesetzessystematik erkannten Argument. Denn für diese erweiternde Anwendung wird allein die Gefahr der Gesetzesumgehung angeführt.43 Diese aber bleibt bei der Einordnung des § 93 InsO in das äußere System der Rechtsordnung unberücksichtigt und wird erst über die teleologische Auslegung der Vorschrift wirksam gemacht. Bis dahin begründet das aus dem äußeren System geschlossene Verständnis eine Vermutung für ein logisch stringentes Vorgehen der Gesetzesverfasser.44 40 Brinkmann, S. 157 f.; Müller, S. 415, 417; HK/Flessner, InsO, § 227 Rz. 6; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 537; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 41; MünchKomm/Huber, InsO, § 227 Rz. 12; § 254 Rz. 26; Uhlenbruck/ Lüer, InsO, § 227 Rz. 9 und § 254 Rz. 16; Brinkmann, ZGR 2003, 264 (276); Bunke, NZI 2002, 591 (593); Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Huber, LMK 2003, 119 (120); Müller, KTS 2002, 209 (247). 41 Bunke, NZI 2002, 591 (593); Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683 f.). 42 Oepen, Rz. 304; Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977); ders., DZWIR 2003, 488 (491 f.). 43 So Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977). Ebenso argumentieren: Oepen, Rz. 272 ff.; Pelz, S. 85 f. 44 Larenz, S. 326; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (224).

E. Ergebnis

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V. Ergebnis Die Systematik innerhalb der Insolvenzordnung spricht aufgrund der Gegenüberstellung von § 93 InsO und § 227 Abs. 2 InsO für die Einschränkung des § 93 InsO.

E. Ergebnis Die systematische Auslegung des § 93 InsO legt eine Einschränkung der Vorschrift auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung nahe.

Fünftes Kapitel

Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO Die ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung könnte ferner der Historie der Vorschrift entsprechen. Dieser Ansicht sind jedenfalls die herrschende Lehre und die höchstrichterliche Rechtsprechung.1

A. Bedeutung der Gesetzeshistorie für die Auslegung des § 93 InsO Die Gesetzeshistorie orientiert sich an der Regelungsabsicht des historischen Gesetzgebers und dessen Normvorstellungen. Hierbei muss differenziert werden zwischen der Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihrer Vorgeschichte. Letzteres betrifft mögliche Vorgängerregelungen oder wesensverwandte Regelungen, mit denen man die auszulegende Vorschrift vergleichen kann. Für die Auslegung des § 93 InsO wird es in erster Linie auf § 171 Abs. 2 HGB ankommen. Daneben tritt die Entstehungsgeschichte des § 93 InsO selbst. Für deren Erforschung sind die Gesetzesmaterialien auf die Regelungsabsicht und Wertentscheidungen des historischen Gesetzgebers hin zu untersuchen. Nicht weiter eingegangen werden soll auf die Frage, um welche Personen es sich handelt, wenn der „Wille des Gesetzgebers“ erforscht wird.2 Denn selbst, wenn man den Willen des historischen Gesetzgebers auf diejenigen Vorstellungen reduziert, die in den parlamentarischen Beratungen zum Ausdruck gebracht wurden, wird eine historische Auslegung durch die Berichte beratender Kommissionen sowie die amtliche Begründung eines Regierungsentwurfs und damit die Vorstellungen der eigentlichen Gesetzesverfasser maßgeblich beeinflusst. Regelmäßig wird anzunehmen sein, dass diese Materialien, die zugrunde liegenden Normvorstellungen so zum Ausdruck bringen, dass sie der Regelungsabsicht des Gesetzgebers nahezu identisch sind.3 1 2

Siehe hierzu oben 2. Kapitel, B. und A. Hierzu Engisch, S. 95; Larenz, S. 328 f.

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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B. Untersuchungsbedarf Für die entstehungsgeschichtliche Auslegung des § 93 InsO wird es zunächst auf den von K. Schmidt unterbreiteten Vorschlag ankommen, auch die Parallelbürgschaft in das Insolvenzverfahren der Gesellschaft mit einzubeziehen.4 Nach herrschender Meinung5 wurde dieser Vorschlag jedoch im Ersten Bericht der Insolvenzrechtskommission abgelehnt.6 Die Richtigkeit dieser Aussage wird für die Beurteilung der weiteren Entwicklung der Gesetzgebung von entscheidender Bedeutung sein.7 Denn von einer möglichen Ablehnung des rechtspolitischen Vorschlags durch die Insolvenzrechtskommission hängt die Prämisse für die Untersuchung der amtlichen Regierungsbegründung ab: Lehnt der Leitsatz 6.2 des Kommissionsberichts die Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche ab, so könnte bereits aus dem Schweigen des Gesetzgebers zur Behandlung paralleler Sicherheiten geschlossen werden, dass er den von der Insolvenzrechtskommission befürworteten Umfang einer Haftungszuweisung teilt. Lehnt der Kommissionsbericht die Ausweitung der Einziehungsbefugnis hingegen gar nicht ab, steht die Regelungsabsicht einer Anwendung des § 93 InsO nur dann entgegen, wenn aus der Regierungsbegründung ausdrücklich ein auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränkter Wille hervorgeht. Bevor dies jedoch zu untersuchen sein wird, soll ein Blick auf den Rechtszustand geworfen werden, wie ihn der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 93 InsO vorgefunden hat.

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt Das bisher geltende Konkursrecht sah eine Einbeziehung von Ansprüchen gegen persönliche haftende Gesellschafter in das über das Vermögen der 3

Larenz, S. 328 f. K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (47 f.). 5 BGHZ 151, 245 (249 f.) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494); BFH ZIP 2002, 179 (180); MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 82; Bitter, ZInsO 2002, 557 (559); ders., WuB VI C. § 93 InsO 1.02, 1182 (1183); Fuchs, EWiR 2002, 163 (164); Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26); Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190); dies., DStR 2003, 1095 (1096); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); Huber, LMK 2003, 119; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). 6 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, S. 444 ff. 7 Die für § 93 InsO relevante weitere Entwicklung der Gesetzgebung dokumentieren die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 105 RegE (§ 93 InsO) sowie die Allgemeine Begründung dieses Entwurfs und auch des Diskussionsentwurfs. 4

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

Gesellschaft eröffnete Insolvenzverfahren nicht vor. Mit diesen Worten beginnt auch die Regierungsbegründung zum heutigen § 93 InsO: „Nach geltendem Konkursrecht kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Schulden der Gesellschaft auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nur von den Gläubigern, nicht vom Verwalter geltend gemacht werden.“

Eine konkursrechtliche Vorgängerregelung, aus der Rückschlüsse auf den Regelungsumfang des § 93 InsO gezogen werden können, findet sich daher nicht. Zwar bestand mit § 212 KO eine konkursrechtliche Bestimmung für die persönliche Gesellschafterhaftung im Konkurs.8 Diese weist aber keine für den Regelungsumfang des § 93 InsO relevante Historie auf. Anders verhält es sich mit § 171 Abs. 2 HGB.

I. Historische Relevanz des § 171 Abs. 2 HGB Dieser Norm wird ganz überwiegend ein Argument für die Einschränkung des § 93 InsO entnommen.9 Denn § 171 Abs. 2 HGB beschränke sich auf die gesetzliche Kommanditistenhaftung und habe bei der Schaffung des § 93 InsO zweifelsfrei eine Vorbildfunktion gehabt.10 Sicher liegt eine solche Deutung der Vorbildfunktion auf den ersten Blick nahe. Bei genauer Betrachtung überzeugt sie jedoch nicht. Anders als bei dem Vergleich mit einer inhaltsgleichen konkursrechtlichen Vorgängerregelung gebietet die auseinanderfallende Regelungsmaterie der betreffenden Vorschriften eine sorgsame Überprüfung der vermeintlichen Vorbildfunktion und historischen Relevanz des § 171 Abs. 2 HGB.11 Erkennt man dies, so verbietet es sich, aus § 171 Abs. 2 HGB eine Einschränkung des § 93 InsO zu schließen. Ein solcher Rückschluss übersieht, dass mit § 171 Abs. 2 HGB auf eine Bestimmung Bezug genommen wird, für deren Anwendung das vorbezeichnete Auslegungsproblem keine Bedeutung hat. Anders als die Bürgschaft des unbeschränkt haftenden Gesellschafters, begründet die Bürgschaft des nur beschränkt haftenden Kommanditisten keine Parallelsicherheit, deren Abwicklung Schwierigkeiten bereitet. Diese Bürgschaft ermöglicht vielmehr erst den Zugriff auf das über die Haftsumme hinaus gehende Privatver8

Siehe hierzu oben 1. Kapitel, B. BFH ZIP 2002, 179 (180); MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 2; Gundlach/ Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (191); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). 10 Zur fehlenden Anwendbarkeit des § 171 Abs. 2 HGB auf außergesellschaftsrechtliche Ansprüche vgl. BGHZ 58, 72. 11 Zu den Unterschieden der beiden Vorschriften Gottwald/Haas, § 94 Rz. 71 (Fn. 195). Heitsch, ZInsO 2003, 692 nimmt diese Unterschiede zum Anlass, in § 93 InsO eine andere Rechtskonstruktion zu erkennen. 9

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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mögen des Gesellschafters12 und gleicht damit eher der Bürgschaft eines beliebigen Dritten als der Bürgschaft eines persönlich haftenden Gesellschafters. Die Vorbildfunktion des § 171 Abs. 2 HGB beschränkt sich auf die Rechtsfolge der Vorschrift. Der Rechtszustand vor Einführung der Insolvenzordnung lässt daher allein auf den gesetzgeberischen Willen schließen, abweichend vom bisher geltenden Konkursrecht (§ 212 KO) auch für unbeschränkt haftende Gesellschafter einen Einzugsvorbehalt schaffen zu wollen. Eine Orientierung am Rechtsgrund der vom Insolvenzverwalter geltend zu machenden Haftungsansprüche hingegen übersteigt die historische Relevanz des § 171 Abs. 2 HGB. Dies legt auch der Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 92 InsO nahe.13 Nach § 92 InsO ist der Insolvenzverwalter befugt, Ansprüche der Insolvenzgläubiger geltend zu machen, die auf den Ersatz solcher Schäden gerichtet sind, die diese Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens vor oder nach Eröffnung des Verfahrens erlitten haben.14 In der Gesetzesbegründung zu § 92 InsO heißt es, dass diese Vorschrift der Verwirklichung eines Rechtsgedankens dient, wie er schon einzelnen Vorschriften des geltenden Gesellschaftsrechts zugrunde liegt.15 Es soll verhindert werden, dass sich einzelne Gläubiger unter Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Befriedigung der Insolvenzgläubiger durch einen gesonderten Zugriff Vorteile verschaffen.16 Zu den Vorschriften, denen dieser Rechtsgedanke bereits vor Einführung der Insolvenzordnung zugrunde lag, gehörte neben den §§ 62 Abs. 2 Satz 2, 93 Abs. 5 Satz 4, 309 Abs. 4 Satz 5 AktG auch § 171 Abs. 2 HGB. Diese Bezugnahme in der Gesetzesbegründung zu § 92 InsO spricht dafür, dass § 171 Abs. 2 HGB in erster Linie den Regelungsmechanismus eines Einzugsvorbehalts verkörpert. Die betreffenden gesellschaftsrechtlichen Normen interessieren allesamt allein im Hinblick auf die dem Verwalter zugewiesene Befugnis zur Geltendmachung von Haftungsansprüchen und haben auch über diese Rechtsfolge hinaus nichts gemein. Weder Inhalt noch Reichweite der in das Gesellschaftsinsolvenzverfahren einzubeziehenden Haftungsansprüche sind von Belang. Für sich genommen liefert die Bezugnahme auf § 171 Abs. 2 HGB daher kein Argument für die auf die gesellschaftsrechtliche Haftung beschränkte Anwendung des § 93 InsO.

12 13 14 15 16

BGH NJW 1974, 2000 (2001); BGHZ 58, 72 (76 ff.); Armbruster, S. 109 ff. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 139. HK/Eickmann, InsO, § 92 Rz. 2. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 139. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 92 Rz. 1.

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

II. Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des § 93 InsO Jedoch könnte die Entstehungsgeschichte des § 93 InsO für eine Einschränkung der Vorschrift sprechen. Da diese eine Auseinandersetzung mit § 171 Abs. 2 HGB offenbart, könnte das Zusammenspiel von Entstehungsgeschichte und § 171 Abs. 2 HGB eine Einschränkung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung nahe legen. Als Einstieg in die Untersuchung der Entstehungsgeschichte dient der von der herrschenden Meinung17 für diese Einschränkung bemühte Erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht. 1. Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht von 198518 Nach Ansicht des BGH bringt der Erste Bericht der Insolvenzrechtskommission den gesetzgeberischen Entschluss zum Ausdruck, die Regelung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung beschränken zu wollen.19 Dieser Kommissionsbericht und nicht die Regierungsbegründung der Vorschrift selbst sei entscheidend für dieses Verständnis der Entstehungsgeschichte. Die Bedeutung der Gesetzesbegründung beschränke sich vielmehr auf die Bestätigung eines bereits im Kommissionsbericht gefassten gesetzgeberischen Willens: „Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung liefert keinen Hinweis dafür, dass später in Abweichung von jener Entschließung eine Erweiterung in dem von Karsten Schmidt ursprünglich vorgeschlagenen Umfang in Erwägung gezogen ist. Die Begründung des Regierungsentwurfs bezieht sich lediglich auf die §§ 128, 171 HGB und erwähnt eigenständige persönliche Haftungsverpflichtungen des Gesellschafters nicht.“20

Entscheidend für die Tragfähigkeit der gerichtlichen Begründung ist damit zum einen der von K. Schmidt geäußerte Vorschlag [a)] und zum anderen die Frage, ob der Kommissionsbericht diesen tatsächlich ablehnt [b)].

17 BGHZ 151, 245 (249 f.) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494); BFH ZIP 2002, 179 (180). Zur herrschenden Lehre vgl. nur K. Schmidt/Bitter, ZIP 2002, 1077 (1082), Bitter, ZInsO 2002, 557 (559). 18 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, S. 444 ff. 19 BGHZ 151, 249 (249 f.) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). 20 BGHZ 151, 249 (249 f.) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494).

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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a) Insolvenzrechtsreform und Reorganisation – Gutachten von K. Schmidt zum 54. Deutschen Juristentag21 Der Vorschlag von K. Schmidt, die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters nicht nur auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung, sondern auch auf Forderungen aus Bürgschaften und vergleichbaren persönlichen Verpflichtungen der Gesellschafter auszuweiten, findet sich in einem für den 54. Deutschen Juristentag gefertigten Gutachten. K. Schmidt erörtert die Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche als Überlegung zu einem neuen Begriff der Insolvenzmasse. Der von § 1 KO formulierte Begriff der Konkursmasse sei für die geordnete Abwicklung der gesamten Unternehmensinsolvenz nicht geschaffen und damit für ein Insolvenzrecht der Unternehmen unbrauchbar. Aus diesem Grund gehöre „Ein neuer Begriff der Insolvenzmasse22“ zu den institutionellen Vorbedingungen für eine tragfähige Neuordnung eines Insolvenzrechts für Unternehmen.23 Ziel hierbei müsse es sein, die Insolvenz des Unternehmensträgers durch ein Insolvenzverfahren über „das Unternehmen“ abzulösen. Dieses dürfe nicht nur als Massebestandteil gelten, sondern müsse die Konkurs- oder Reorganisationsmasse bilden. Ein verfahrensfreies Gesellschaftsvermögen, sei es als unpfändbares Vermögen oder als konkursfreier Hinzuerwerb, dürfe es künftig nicht mehr geben. Damit aber nicht genug. Weiter bedürfe es zwischen dieser Unternehmensinsolvenz und der Gesellschafterhaftung einer Koordination, die auf die Korrektur des Begriffs der Konkursmasse hinauslaufe: „Bestandteile der Reorganisations- oder Konkursmasse sind neben dem Gesellschaftsvermögen die Haftungsansprüche gegen Gesellschafter und Dritte.“24

Eine solche Koordination könne § 212 KO nicht leisten. Um aber nicht zu dem aus der PreußKO vertrauten obligatorischen Simultankonkurs zurückzukehren,25 sei eine Lösung zweckmäßig, „die die Haftungsverbindlichkeit zum Gegenstand des einen Unternehmens-Insolvenzverfahrens macht und sich am Vorbild des § 171 Abs. 2 HGB orientiert“.26 Das Lösungskon21 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (47 f.). 22 So die von K. Schmidt gewählte Überschrift für den oben zitierten Abschnitt. 23 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (47 f.). 24 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (47 f.). 25 § 287 Abs. 2 PreußKO 1855 sah das Prinzip der zwangsläufigen Doppelinsolvenz von Gesellschaft und unbeschränkt haftendem Gesellschafter vor. 26 K. Schmidt, Verhandlungen des 54. Deutschen Juristentages, Band I, Gutachten D, S. 35 (46 f.).

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

zept bestehe mithin darin, die Außenhaftung ebenso in das Insolvenzverfahren einzubeziehen wie eine interne Differenzhaftung oder eine Verlustdeckungspflicht. Dieses Prinzip dürfe nicht auf die Kommanditgesellschaft beschränkt bleiben, sondern müsse für jede unbeschränkte oder beschränkte Haftung gelten, die gegenüber der Gesellschaftergesamtheit begründet sei. Im Anschluss daran gibt K. Schmidt die Grenze für die beabsichtigte Ausweitung dieses Prinzips vor: „Nicht in die Insolvenzmasse einzubeziehen sind diejenigen Haftungsansprüche, die nur einzelne Gläubiger sichern. Neben Sonderfällen (§§ 179 BGB, 11 Abs. 2 GmbHG) handelt es sich namentlich um die Haftung aus Bürgschaft und Schuldmitübernahme. Auch ein künftiges Insolvenzrecht wird es dabei belassen müssen, dass der sanierende Vergleich diese Haftung unberührt lässt und nur den Rückgriffsanspruch des Haftenden begrenzt (§§ 82 Abs. 2 VerglO, 193 Satz 2 KO).“

An dieser Grenze für die Einbeziehung von Haftungsansprüchen hält K. Schmidt aber nicht ausnahmslos fest und schließt seine Überlegungen mit dem eigentlich bedeutsamen Vorschlag: „Nur soweit der Bürge oder Gesamtschuldner gleichzeitig als Gesellschafter haftet, sollte seine Haftungsverbindlichkeit zur Masse gezogen werden. Damit verliert zwar die Bürgschaft eines unbeschränkt haftenden Gesellschafters ihren heute entscheidenden Wert, aber das soll auch so sein; sein Vermögen soll allen Gläubigern haften, so dass ein konkursfreier oder reorganisationsfreier Individualanspruch des gesicherten Gläubigers nicht zu rechtfertigen ist.“

Damit hat K. Schmidt genau die Situation vor Augen, deren Behandlung bei der Abwicklung der Gesellschafterhaftung nunmehr die Auslegung des § 93 InsO beschäftigt. b) Ablehnung dieses Vorschlags durch den Kommissionsbericht Nach heute herrschender Meinung27 wurde dieser Vorschlag aber bereits durch die Insolvenzrechtskommission abgelehnt. Diese habe sich intensiv mit der Frage einer Zuweisung von Mithaftungsansprüchen gegen die Gesellschafter an die Insolvenzmasse befasst und habe dazu in der Begründung des Leitsatzes 6.2 festgehalten:28 „Eine Zuweisung von Mithaftungsansprüchen an die Insolvenzmasse kommt nur dann in Betracht, wenn ein Gesellschafter oder Organmitglied einen besonderen Haftungstatbestand gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern verwirklicht hat. In 27

Bitter, ZInsO 2002, 557 (559); ders., WuB VI C. § 93 InsO 1.02, 1182 (1183); Fuchs, EWiR 2002, 163 (164); Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26); Gundlach/ Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190); Haas/Müller, NZI 2002, 366 (367); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). 28 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Begründung zu Leitsatz 6.2, S. 446 ff.

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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einem solchen Fall erscheint es nicht nur zweckmäßig, sondern wegen des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Gläubiger auch geboten, dass der Insolvenzverwalter den Anspruch zugunsten der Insolvenzmasse geltend macht; andernfalls könnten sich einzelne Gläubiger durch den Zugriff auf die leistungspflichtigen Personen Sondervorteile auf Kosten der Gläubigergemeinschaft verschaffen. Allerdings kann wohl nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werden, dass Gesellschafter oder Organmitglieder aufgrund rechtsgeschäftlicher Haftung oder unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes für sämtliche Gesellschaftsschulden einstehen müssen.“

Hierin erblickt die herrschende Meinung die Ablehnung des von K. Schmidt geäußerten Vorschlags. Von dieser sei der Gesetzgeber auch im weiteren Verlauf der Gesetzgebung nicht abgerückt. Eine Einbeziehung der Parallelbürgschaft scheitere folglich daran, dass der Gesetzgeber die Zuweisung von Haftungsansprüchen von der Gesamtberechtigung der Gesellschaftsgläubiger abhängig gemacht habe und diese bei der Bürgenhaftung anders als bei der gesellschaftsrechtlichen Einstandspflicht naturgemäß nicht vorliege. c) Kritik an diesem Verständnis des Kommissionsberichts Im Anschluss an die erstmalige gerichtliche Auseinandersetzung mit dem Regelungsinhalt des § 93 InsO wurde der Kommissionsbericht einer kritischen Untersuchung unterzogen und von Teilen der Literatur in seinem Wert zur Begründung einer einschränkenden Auslegung des § 93 InsO angezweifelt.29 Der bemühte Leitsatz 6.2 des Ersten Berichts der Kommission für Insolvenzrecht mitsamt seiner Begründung trage die angestrengte Einschränkung der Vorschrift nur begrenzt. Zwar werde dort zweifelsfrei eine einheitliche Zuweisung von Ansprüchen aus besonderen Haftungstatbeständen, die wie Bürgschaft, Schuldbeitritt oder Garantie auf rechtsgeschäftlicher Haftung beruhen, grundsätzlich abgelehnt und nur für den Fall empfohlen, dass ein Gesellschafter einen besonderen Haftungstatbestand gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern verwirklicht habe. Leitsatz und Begründung beträfen aber nur besondere Haftungsansprüche von Gläubigern gegen Gesellschafter (oder Organmitglieder) einer Kapitalgesellschaft.30 Ein Bezug zu § 93 InsO sei indes nicht erkennbar31 und könne auch nicht aus der Vergleichbarkeit 29 HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Bork, NZI 2002, 362 (363 f.); ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (107); Bunke, KTS 2002, 471 (480); ders., NZI 2002, 591 (592); Kesseler, DZWIR 2003, 488 (490); ders., ZInsO 2002, 549 (553); ders., ZIP 2002, 1974 (1977 f.); Oepen, ZInsO 2002, 162 (Fn. 64). 30 HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Bunke, KTS 2002, 471 (480); Kesseler, DZWIR 2003, 488 (490). 31 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (553).

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

der Regelungssituationen geschlossen werden.32 Sicher gehe es auch bei der streitbefangenen Bürgschaft um einen Individualanspruch, der neben die Forderung gegen die Gesellschaft trete und die Verluste des Gläubigers bei der Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen ausgleichen solle. Eine Vergleichbarkeit der Regelungssituation könne dies aber letztlich nicht begründen.33 So unterscheide sich die Haftung von Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft und der einer Personengesellschaft doch gerade in der persönlichen Haftung für die Gesellschaftsschulden.34 Vor diesem Hintergrund gehe es zu weit, den Leitsatz 6.2 und seine Begründung auf konkurrierende Haftungsansprüche gegen unbeschränkt haftende Gesellschafter zu beziehen. Wegen der ausdrücklichen Bezugnahme auf Kapitalgesellschaften falle es auch schwer, eine allgemeine Aussage der Kommission zur Zuweisung von Mithaftungsansprüchen gegen Gesellschafter an die Insolvenzmasse zu erkennen.35 Zumal über den Wortlaut der Begründung hinaus auch die von den Verfassern des Kommissionsberichts für den Leitsatz 6.2 gewählte Überschrift „Ansprüche von Gläubigern gegen Gesellschafter oder Organmitglieder einer Kapitalgesellschaft aus besonderen Haftungstatbeständen“ keinen Zweifel aufkommen lasse, an welche Gesellschaftsformen sich die Reformüberlegungen richteten.36 Der Kommissionsbericht befasse sich vielmehr an ganz anderer Stelle (Leitsätze 2.4.9. und 2.4.9.7) mit Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit sowie der ebenfalls betroffenen KG aA und der bei diesen Gesellschaftsformen den Gesellschaftsgläubigern gegenüber bestehenden persönlichen Gesellschafterhaftung.37 Da sich aber auch dort keine Ablehnung des Vorschlags von K. Schmidt finde, sei der Erste Bericht der Kommission für Insolvenzrecht entgegen der herrschenden Meinung kein Argument für eine Einschränkung des § 93 InsO. d) Stellungnahme Diese ausdrückliche und insbesondere ausschließliche Bezugnahme auf Kapitalgesellschaften macht es in der Tat schwer, den Kommissionsbericht bei der Auslegung des § 93 InsO zu berücksichtigen. Es verwundert daher, 32

Bunke, KTS 2002, 471 (480); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (553). Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (109 f.). 34 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554); ders., DZWIR 2003, 488 (490). 35 Bunke, KTS 2002, 471 (480). 36 HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Bork, NZI 2002, 362 (363). 37 Brinkmann, S. 101; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 495 (Fn. 72); Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (107 f.); Bunke, KTS 2002, 471 (480); ders., NZI 2002, 591 (Fn. 50); Oepen, ZInsO 2002, 162 (168). 33

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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mit welcher Selbstverständlichkeit der BGH den Leitsatz 6.2 nicht nur mit der Historie des § 93 InsO in Verbindung bringt, sondern im Kommissionsbericht gar den Ausschlag für die einschränkende Auslegung erblickt. Denn es geht dem Gericht hierbei nicht etwa um eine ergänzende Argumentation, sondern um die ausdrückliche Ablehnung des von K. Schmidt geäußerten Vorschlags, mit der Konsequenz, die weitere Entwicklung der Gesetzgebung an der Frage messen zu müssen, ob der Gesetzgeber später in Abweichung von jener Entschließung eine Erweiterung des Anwendungsbereichs in Erwägung gezogen habe.38 Letztlich kann diese Bewertung des Kommissionsberichts nicht überzeugen. Zwar ließe sich die betreffende Passage des Kommissionsberichts nach ihrem Wortlaut auch auf Mithaftungsansprüche eines persönlich haftenden Gesellschafters erstrecken.39 Gleichwohl aber kann sie nicht als Ablehnung des Vorschlags von K. Schmidt verstanden werden. Den Ausschlag hierfür gibt jedoch weniger die Bezugnahme auf Kapitalgesellschaften, als vielmehr die Tatsache, dass die Insolvenzrechtskommission den Vorschlag, die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB der Insolvenzmasse der Gesellschaft zuzuweisen, überhaupt nicht aufgegriffen hat. Die Bedeutung des Kommissionsberichts für die Genese des § 93 InsO stellt sich damit so dar, dass in der Begründung zu Leitsatz 6.2 zwar durchaus eine allgemeine Aussage über die Zuweisung konkurrierender Mithaftungsansprüche erkannt werden kann [aa)]. Da sich aber die Kommission für eine ganz andere Abwicklung der unbeschränkten Gesellschafterhaftung entschieden hatte, können diese für die Zuweisung von Mithaftungsansprüchen aufgestellten Grundsätze keine Wirkung für § 93 InsO entfalten [bb)]. Entscheidend ist damit nicht der Bezug zu den Kapitalgesellschaften, sondern das Fehlen einer § 93 InsO vergleichbaren Regelung im Ersten Bericht der Insolvenzrechtskommission. aa) Allgemeingültigkeit der Begründung des Leitsatzes 6.2 Für die Untersuchung der Begründung des Leitsatzes 6.2 ist die Heranziehung des Sachzusammenhanges, in dem sich die vom Gericht erkannte Ablehnung des von K. Schmidt unterbreiteten Vorschlags befinden soll, aus zwei Gründen unerlässlich. Zum einen, um den von der überwiegenden Rechtsansicht außer acht gelassenen Bezug zu den Kapitalgesellschaften aufzudecken. Zum anderen, für den Nachweis, dass diese Bezugnahme auf Kapitalgesellschaften einer allgemeinen Aussage nicht zwangsläufig 38 Dies erkennt zutreffend auch Bunke, KTS 2002, 471 (480); ders., NZI 2002, 591 (592). 39 Dagegen Kesseler, ZInsO 2002, 549 (553); ders., DZWIR 2003, 488 (490).

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

entgegensteht. Für den Zugang zu Leitsatz 6.2 und dessen Begründung ist daher die Einführung zu dem mit ganz allgemein „Zuweisung von Haftungsansprüchen an die Insolvenzmasse“ überschriebenen Abschnitt zu bemühen:40 „Eine Zuweisung von Haftungsansprüchen an die Insolvenzmasse im Reorganisations- und Liquidationsverfahren kommt zwei wichtigen Reformanliegen entgegen: Ähnlich wie die Neuordnung des Anfechtungsrechts und andere Reformmaßnahmen (z. B. der Verfahrensbeitrag der Mobiliarsicherungsläubiger) trägt sie dazu bei, die Insolvenzmasse zugunsten aller Gläubiger, insbesondere der ungesicherten Gläubiger, zu vervollständigen. Gleichzeitig schließt sie aus, dass sich einzelne Gläubiger durch den Zugriff auf jene Ansprüche Sondervorteil auf Kosten der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger verschaffen; insofern sichert sie den Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Dieser Grundsatz liegt einer Reihe von Vorschriften auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts zugrunde, die einen Haftungsanspruch der Gesellschaft oder dem Konkursverwalter zuweisen (vgl. z. B. § 130 a Abs. 3 Satz 1, § 171 Abs. 2 HGB, § 62 Abs. 2 Satz 2, § 93 Abs. 5 Satz 4 AktG).“

Wie die Bezugnahme auf § 171 Abs. 2 HGB und auch die im Leitsatz 6.1 diskutierten Ansprüche zeigen, setzen sich die Verfasser in dieser Einführung allgemein – alle Gesellschaftsformen betreffend – mit einer Zuweisung von Haftungsansprüchen an die Insolvenzmasse auseinander. Mit dem Reformanliegen werden insolvenzrechtliche Grundsätze bemüht, zu deren Verwirklichung ein Eingriff in die Legitimationsbefugnis der Haftungsgläubiger nach Vorstellung der Kommission für gerechtfertigt erachtet wird. Allein nach Maßgabe dieser Grundsätze beurteilt die Kommission die Frage, welche der nach geltendem Recht bestehenden materiellrechtlichen Haftungsansprüche der Insolvenzmasse zugeführt werden können. Trifft dann ein Leitsatz eine Entscheidung darüber, ob ein Haftungsanspruch der Insolvenzmasse zugewiesen werden kann, so rechtfertigt diese Entscheidung letztlich der insolvenzrechtlich Gleichbehandlungsgrundsatz und damit ein über die einzelnen Gesellschaftsformen hinaus gehender allgemeiner insolvenzrechtlicher Grundsatz. Gelangen die Verfasser des Kommissionsberichts etwa im Leitsatz 6.4 zu der Überzeugung, dass Ansprüche auf Ersatz eines Schadens, der durch Verkürzung der Insolvenzmasse bei allen Insolvenzgläubigern eingetreten ist, allein vom Insolvenzverwalter geltend zu machen sind,41 so geht das zurück auf die in der Einführung gelieferte allgemeine Aussage zur Rechtfertigung einer Zuweisung an die Insolvenzmasse durch den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung. Denn sei durch eine scha40

Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Einführung zu den Leitsätzen 6 ff., S. 444. 41 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Begründung zu Leitsatz 6.4, S. 449.

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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densstiftende Handlung die Insolvenzmasse verkürzt worden, so treffe der Schaden die Gläubiger in ihrer Gesamtheit. Diese Besonderheit rechtfertige es, den Anspruch der Insolvenzmasse zuzuweisen. Denn von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an haben die Insolvenzgläubiger nur noch ein Recht auf gemeinschaftliche Befriedigung aus der Insolvenzmasse. Damit werde der Zugriff einzelner Gläubiger zugunsten des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Gläubiger verdrängt.42 Nicht anders verhält es sich bei der Kommissionsbegründung, die sich mit der Bürgschaft als besonderem Haftungstatbestand befasst. Sicher heißt es in der Überschrift zu Leitsatz 6.2 „Ansprüche von Gläubigern gegen Gesellschafter oder Organmitgliedern einer Kapitalgesellschaft aus besonderem Haftungsgrund“ und auch die Begründung des Leitsatzes setzt diese Bezugnahme auf die Kapitalgesellschaft fort. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob auch Ansprüche aus besonderen Haftungstatbeständen wie etwa der Gesellschafterbürgschaft der Insolvenzmasse zugewiesen werden können, versteht sich aber letztlich als die Diskussion einer ganz allgemein die Zuweisung von Haftungsansprüchen betreffenden Frage. Der Bezug zu den Kapitalgesellschaften wird weder erneut aufgegriffen, noch gesucht, noch wäre er von Belang für die Entscheidung, von einer Zuweisung von Ansprüchen aus besonderen Haftungstatbeständen abzusehen. Aufgegriffen werden vielmehr die Worte der Einführung, wohlgemerkt jene Worte, die sich ohne jeden Bezug zu den Gesellschaftsformen mit Sinn und Zweck sowie Rechtfertigung einer Zuweisung von Haftungsansprüchen an die Insolvenzmasse befassen. So heißt es in der Begründung des Leitsatzes 6.2 „Eine Zuweisung von Mithaftungsansprüchen an die Insolvenzmasse kommt nur dann in Betracht, wenn ein Gesellschafter oder Organmitglied einen besonderen Haftungstatbestand gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern verwirklicht hat.“

Denn – so ließe sich mit den Worten der Einführung die Begründung fortsetzen – die Zuweisung von Haftungsansprüchen an die Insolvenzmasse schließt aus, dass sich einzelne Gläubiger durch den Zugriff auf jene Ansprüche Sondervorteile auf Kosten der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger verschaffen und sichert damit den Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Gläubiger. Diese zu den besonderen Haftungstatbeständen gefundene Aussage könnte damit grundsätzlich als Ausdruck des Gleichbehandlungsgrundsatzes ganz allgemein darüber Aufschluss geben, wann eine Zuweisung von Haftungsansprüchen nicht mehr zu rechtfertigen ist. Vor diesem Hintergrund ist die ausdrückliche Bezugnahme des betreffenden Leitsatzes auf Kapitalgesellschaften nicht unüberwindbar. 42 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Begründung zu Leitsatz 6.4, S. 449.

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

bb) Haftungsabwicklung nach den Vorstellungen der Insolvenzrechtskommission Diese Allgemeingültigkeit der in Leitsatz 6.2 getroffenen Aussage beansprucht aber nur dann auch für die Parallelbürgschaft Geltung, wenn die Insolvenzrechtskommission die Einbeziehung der Haftung aus § 128 Satz 1 HGB vorschlägt. Dies aber ist bei genauer Betrachtung nicht der Fall. Sollen aber schon nicht die Haftungsansprüche aus § 128 Satz 1 HGB der Insolvenzmasse der Gesellschaft zugewiesen werden, so lehnt Leitsatz 6.2 sicher nicht die Zuweisung einer mit § 128 Satz 1 HGB konkurrierenden Bürgschaftshaftung ab. Mit dem Schicksal der unbeschränkten Gesellschafterhaftung in der Insolvenz einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit befasst sich der Kommissionsbericht in den Leitsätzen 2.4.9.7 und 2.4.9.8.43 Diese Leitsätze lässt die herrschende Meinung völlig unberücksichtigt. Dabei belegen gerade diese Leitsätze, dass die Begründung zu Leitsatz 6.2 nicht die Einbeziehung paralleler Haftungsansprüche ablehnt. Denn anders als von K. Schmidt vorgeschlagen, sollte es nach den Vorstellungen der Insolvenzrechtskommission bei der selbständigen Geltendmachung der Haftungsansprüche durch die Gläubiger bleiben. Lediglich auf Antrag des Gesellschafters sollte ein Vollstreckungsmoratorium bis zur Entscheidung über den Reorganisationsplan möglich sein. Wörtlich heißt es im dritten Absatz des Leitsatzes 2.4.9.7: „Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Zwangsvollstreckung wegen der persönlichen Haftung eines Gesellschafters auf dessen Antrag vom Vollstreckungsgericht einstweilen einzustellen.“

Zwar geht es beiden Reformüberlegungen um die unbefriedigende Möglichkeit der Einzelvollstreckung gegen den persönlich haftenden Gesellschafter, nachdem über das Vermögen der Gesellschaft bereits ein Insolvenzverfahren eröffnet worden ist.44 Die Regelungskonzepte zur Verwirklichung dieses wirtschaftlich für sinnvoll erachteten Ziels sind aber grundverschieden. Der von K. Schmidt vorgeschlagenen Einbeziehung der Haftungsansprüche in das Insolvenzverfahren der Gesellschaft steht die in 43

Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Leitsatz 2.4.9.7, S. 285. 44 BGH KTS 1971, 34 ff. Vgl. hierzu auch die Untersuchung von Wissmann, S. 106 ff. Wissmann prüft, ob sich die in 2.9.4.7 vorgeschlagenen Regelung bereits unter damals geltendem Konkursrecht erreichen ließe. Wochner, BB 1983, 517 hält dies anders als die ganz herrschende Meinung für möglich, indem er die Unsicherheit des Ausgangs des Gesellschaftskonkurses als Einwendung nach § 129 Abs. 1 HGB qualifiziert.

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 110 VerglO von der Kommission empfohlene Möglichkeit eines Vollstreckungsmoratoriums gegenüber.45 Es trifft daher schlechterdings nicht zu, dass die Insolvenzrechtskommission den Vorschlag K. Schmidts in ihre Empfehlungen aufgenommen hat46 und nur auf die Einbeziehung persönlicher Sicherheiten verzichtet hat.47 Andernfalls würde der Kommissionsbericht die teilweise Ablehnung eines nicht einmal im Ansatz verfolgten rechtspolitischen Vorschlags beinhalten. Dies aber ist undenkbar. Entgegen der herrschenden Meinung ist der Kommissionsbericht kein Argument für eine einschränkende Auslegung des § 93 InsO.48 Eine Einschränkung ergibt sich nur dann aus der Historie, wenn die weitere Entwicklung der Gesetzgebung darauf hindeutet, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 93 InsO den Anwendungsbereich ausdrücklich beschränken wollte. Zu untersuchen ist daher die weitere Entwicklung der Gesetzgebung. 2. Weitere Entwicklung der Gesetzgebung Die weitere Entwicklung der Gesetzgebung kennzeichnet sich in erster Linie durch die Abkehr von dem im Leitsatz 2.4.9.7 des Ersten Kommissionsberichts vorgeschlagenen Vollstreckungsschutz zugunsten der dem heutigen § 93 InsO entsprechenden § 100 Abs. 1 Diskussionsentwurf49 und § 105 Abs. 1 Regierungsentwurf. Anders als die Insolvenzrechtskommission knüpft der Gesetzgeber damit an den Vorschlag von K. Schmidt an.50 Diese Absicht einer inhaltlichen Umsetzung zeigt sich auch sehr deutlich in der Allgemeinen Begründung des Regierungsentwurfs.51 Unter der Überschrift „Heranziehung der Gesellschafter und Organmitglieder von Gesellschaften“ heißt es wörtlich: „Im Falle insolventer Gesellschafter sollen dessen Management und die am Schuldner beteiligten Personen dafür herangezogen werden, die Eröffnung und 45 Erster Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, 1985, Begründung zu Leitsatz 2.9.4.7, S. 285 ff. Zu diesem Leitsatz auch Wissmann, S. 106 ff. 46 Brinkmann, S. 101; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 495 (Fn. 72); Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (107 f.); Oepen, ZInsO 2002, 162 (168). 47 So ausdrücklich K. Schmidt, KTS 2001, 373 (389) selbst. Hiermit gerät K. Schmidt an anderer Stelle in einen Widerspruch. Denn er betont, dass die Leitsätze der 6 ff., in denen er augenscheinlich die Übernahme seines Vorschlags erkennt, keine Abweichung vom geltenden Konkursrecht enthalten, vgl. K. Schmidt ZGR 1986, 178 (205). Auf die Einbeziehung der Haftung aus § 128 Satz 1 HGB trifft diese Feststellung aber nicht zu. 48 HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (107 f.). 49 Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. 877. 50 Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 495 (Fn. 72). 51 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 72 ff.

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

Durchführung eines Insolvenzverfahrens zu ermöglichen. Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen persönlich haftende Gesellschafter werden künftig der Insolvenzmasse zugewiesen. Damit wendet sich der Entwurf von der Regelung einer bloßen Ausfallhaftung der Gesellschafter in der Insolvenz der Gesellschaft (§ 212 Abs. 1 KO, § 110 Abs. 1 VerglO) ab.“

Gleiches belegt ein Urteil des BGH zum bislang geltenden Konkursrecht.52 In diesem setzt sich das Gericht mit der unbefriedigenden Situation auseinander, dass die Gesellschafterhaftung nicht dem Interesse der Gesamtheit der Gläubiger der Gesellschaft dienen kann. Seinen Hinweis, dass die künftige Rechtslage durch eine Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters Abhilfe verspreche, belegt das Gericht bezeichnenderweise allein mit § 105 Abs. 1 des Regierungsentwurfs und dem Vorschlag K. Schmidts. Von einer Empfehlung durch die Insolvenzrechtskommission ist indes nicht die Rede. Vor dem Hintergrund dieser Anknüpfung des Gesetzgebungsverfahrens an den Vorschlag von K. Schmidt müssen nunmehr die Materialien daraufhin untersucht werden, ob der Gesetzgeber die vorgeschlagene Zuweisung der Haftungsansprüche vollumfänglich oder lediglich auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränkt übernehmen wollte. Der Ausgangspunkt bei der Beurteilung der Gesetzesmaterialien ist damit ein ganz anderer als es der BGH annimmt. An die Stelle der vom Gericht gestellten Frage, ob in Abweichung von der Entschließung der Insolvenzrechtskommission „eine Erweiterung in dem von Karsten Schmidt vorgeschlagenen Umfang in Erwägung gezogen worden ist,53“ tritt die Frage, ob der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung beschränken wollte, obgleich er die Umsetzung des Vorschlags von K. Schmidt beabsichtigte. a) Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs Ein solcher Hinweis auf einen einschränkenden Willen des Gesetzgebers könnte sich aus der Allgemeinen Begründung des Diskussionsentwurfs ergeben.54 „In Rechtsanalogie zu § 171 Abs. 2 HGB sollen Haftungsansprüche der Gesellschaftsgläubiger gegen persönliche haftende Gesellschafter der Insolvenzmasse der Gesellschaft zugewiesen werden.“

Um in diesen Worten den gesetzgeberischen Entschluss gegen eine Einbeziehung persönlicher Sicherheiten zu erkennen, müsste auf § 171 Abs. 2 52 53 54

BGHZ 121, 179 (190). BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. A 40.

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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HGB wegen der gesetzlichen Grundlage der erfassten Haftungsansprüche Bezug genommen worden sein. Die isolierte Betrachtung der Vorschrift konnte diesen Bezug nicht begründen.55 Diese Schwierigkeit könnte aber durch die vom Gesetzgeber mit § 93 InsO beabsichtigte Rechtsanalogie zu § 171 Abs. 2 HGB überwunden werden.56 Eine Rechtsanalogie kennzeichnet sich dadurch, dass ein aus mehreren Bestimmungen abgeleiteter Grundgedanke auf andere Fälle erstreckt werden soll. Ausgehend von diesem Begriff ließe sich ohne Zweifel einwenden, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung der Allgemeinen Begründung des Diskussionsentwurfs als Grundgedanken allein die den §§ 62 Abs. 2 Satz 2, 93 Abs. 5 Satz 4, 309 Abs. 4 Satz 5 AktG und auch § 171 Abs. 2 HGB gemeinsame Rechtsfolge der Sperr- und Ermächtigungswirkung vor Augen hatte. Anders als bei der isolierten Betrachtung des § 171 Abs. 2 HGB ist diese Deutung jedoch abzulehnen. Sicher ist den soeben zitierten Bestimmungen die Sperr- und Ermächtigungswirkung gemein. Jedoch erscheint es zweifelhaft, den Grundgedanken, um dessen Übertragung es dem Gesetzgeber gegangen sein soll, auf die Sperr- und Ermächtigungswirkung zu beschränken. Diese ist als Rechtsfolge eines Einzugsvorbehalts lediglich das rechtstechnisch einschlägige Mittel zur Verwirklichung eines für maßgeblich erachteten Grundgedankens und nicht der Grundgedanke selbst. Aus diesem Grund spricht die Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs auch nicht wie die Regierungsbegründung zu § 92 InsO von einer Vielzahl von gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, sondern nur von § 171 Abs. 2 HGB und deutet damit bewusst auf den Regelungsinhalt hin. Der Begriff der Rechtsanalogie schließt damit aus, dass sich die weitere Entwicklung der Gesetzgebung an § 171 Abs. 2 HGB nur mit Blick auf die Rechtsfolge orientiert hat. Damit ist aber noch nicht ohne weiteres gesagt, dass § 93 InsO allein an gesetzliche Haftungsansprüche anknüpft. Geklärt ist allein, dass sich die Vorbildfunktion der handelsrechtlichen Vorschrift nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht auf den Regelungsmechanismus beschränkt. Auszuräumen ist weiter der eingangs erwähnte Einwand der fehlenden Relevanz von Parallelsicherheiten bei einer Haftungabwicklung nach § 171 Abs. 2 HGB. Anders als die Bürgschaft des unbeschränkt haftenden Gesellschafters begründet die Übernahme einer Bürgschaft durch einen Kommanditisten keine Parallelsicherheit, deren Behandlung bei der Haftungsabwicklung Schwierigkeiten bereitet. Die Annahme einer vom Gesetzgeber beabsichtigten Einschränkung bedarf daher einer weitergehenden Begründung. 55

Siehe hierzu oben 5. Kapitel, C. I. Bunke, NZI 2002, 591 (593); ders., KTS 2002, 471 (481) stellt in erster Linie auf diese Allgemeine Begründung des Diskussionsentwurfs ab. 56

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

b) Begründung des Diskussions-57 und Regierungsentwurfs58 zu § 93 InsO Eine solche Begründung könnte sich aus einem Hinweis der Gesetzesmaterialien zu § 93 InsO auf den Rechtsgrund der persönlichen Haftung ergeben. Ohne einen solchen liegt es hingegen nahe, dass der Gesetzgeber in dem Umfang eine Ausweitung des in § 171 Abs. 2 HGB enthaltenen Prinzips beabsichtigt hat, wie es das von K. Schmidt vorgeschlagene Normkonzept vorsieht. Denn anders als die Mitglieder der Insolvenzrechtskommission zielt der Gesetzgeber der Insolvenzordnung auf die Übernahme der betreffenden Reformüberlegungen. Ein solcher Hinweis auf den Rechtsgrund der persönlichen Haftung eines Gesellschafters liegt jedoch vor.59 Anders als die Allgemeine Begründung zum Diskussionsentwurf sprechen die inhaltsgleichen Begründungen zu § 100 des Diskussionsentwurfs oder zu § 105 des Regierungsentwurfs ausdrücklich von § 128 HGB. „Nach geltendem Konkursrecht kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für Schulden der Gesellschaft auch nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nur von den Gläubigern, nicht vom Verwalter, geltend gemacht werden. § 128 HGB, der die persönliche Haftung der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft normiert, enthält anders als § 171 HGB nicht die Regelung, dass im Konkursverfahren der Verwalter zur Ausübung der Gläubigeransprüche berechtigt ist. Aus § 212 KO ergibt sich, dass nach der Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft deren Gläubiger ihre Ansprüche auch im Konkursverfahren über das Privatvermögen eines persönlich haftenden Gesellschafters geltend machen können (vgl. auch § 110 VerglO).“

aa) Ausschließliche Erwähnung des § 128 HGB Diese Gegenüberstellung von § 171 HGB auf der einen und § 128 HGB auf der anderen Seite deutet daraufhin, dass die vom Gesetzgeber beabsichtigte Rechtsanalogie zu § 171 Abs. 2 HGB auch auf den Rechtsgrund der betreffenden Haftungsansprüche zielt. Mit § 128 HGB wird ausschließlich die gesetzliche Gesellschafterhaftung erwähnt. Es scheint dem Gesetzgeber damit nicht allgemein darum gegangen zu sein, nunmehr auch für die Person des persönlich haftenden Gesellschafters einen Einzugsvorbehalt zu schaffen, sondern speziell um die gesetzliche Grundlage der betreffenden 57

Begründung des Diskussionsentwurfs, 1988, S. 877. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 139 f. 59 Bitter, ZInsO 2002, 557 (558 f.); Bunke KTS 2002, 471 (481); ders., NZI 2002, 591 (592 f.); Gundlach/Frenzel/Schmidt, DStR 2003, 1095 (1096). 58

C. Rechtszustand vor Schaffung des § 93 InsO als Ausgangspunkt

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Haftungsansprüche. Die Bezugnahme auf § 128 HGB gibt damit Aufschluss über die Reichweite der vom Gesetzgeber beabsichtigten Rechtsanalogie und lässt sich dem Einwand entgegenhalten, dass die fehlende Bedeutung paralleler Sicherheiten bei § 171 Abs. 2 HGB einen Rückschluss auf den Rechtsgrund der einzubeziehenden Haftungsansprüche verbiete. Eine andere Deutung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Erwähnung des § 128 HGB lediglich beispielhaft erfolgt. bb) Beispielhafte Erwähnung des § 128 HGB Zu dieser Deutung gelangt Kesseler.60 Dass die alleinige Bezugnahme der Gesetzesbegründung auf den Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und dessen Haftung aus § 128 Satz 1 HGB beispielhaft sei, zeige sich daran, dass beispielsweise die unzweifelhaft unter § 93 InsO zu subsumierende Haftung der Gesellschafter einer Partnerschaftsgesellschaft in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt werde. Stelle also die ausschließliche Erwähnung des § 128 HGB ein Indiz für eine Normbeschränkung des § 93 InsO dar, so wäre es nur folgerichtig, andere gesetzliche Haftungstatbestände auch auszuklammern. Dies aber widerspreche dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, der mit den Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit bewusst einen sachlichen Anwendungsbereich der Vorschrift bestimmt, der über OHG und KG hinausgehen soll.61 cc) § 128 HGB – Paradigma der gesetzlichen Gesellschafterhaftung Diese Ansicht Kesselers geht jedoch fehl.62 Er verkennt den Kreis der Haftungstatbestände, der mit der beispielhaften Erwähnung des § 128 Satz 1 HGB umschrieben werden soll. Diese ausschließliche Erwähnung des § 128 Satz 1 HGB fungiert als Beispiel für die gesetzliche Gesellschafterhaftung aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen. Die Haftung aus § 128 Satz 1 HGB dient als Paradigma für die weiteren gesetzlichen Haftungstatbestände der von § 93 InsO erfassten Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 176 Abs. 1 HGB, § 8 Abs. 1 Satz 1 PartGG, § 507 Abs. 1 HGB und Art. 24 Abs. 1 Satz 1 EWIV-VO). Zumal sich diese weiteren Haftungstatbestände zuweilen auf eine sinngemäße Wiederholung des § 128 HGB beschränken oder gar auf diese Bestimmung verweisen. Hingegen dient die Haftung aus § 128 HGB keinesfalls als Beispiel für die akzessorische Gesellschafterhaftung und pa60 61 62

Kesseler, ZInsO 2002, 549 (553). Kesseler, ZInsO 2002, 549 (553). So auch BFH ZIP 2002, 179 (180); Bunke KTS 2002, 471 (481).

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5. Kap.: Entstehungsgeschichte und Gesetzeshistorie des § 93 InsO

rallele Schuldverpflichtungen der Gesellschafter zugleich. Kesseler kann damit nicht widerlegen, dass die ausschließliche Erwähnung des § 128 HGB den Willen des Gesetzgebers nahe legt, § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung zu begrenzen.

D. Ergebnis Der Wille des historischen Gesetzgebers spricht für eine einschränkende Auslegung des § 93 InsO, jedoch nicht in der Eindeutigkeit und auch nicht mit der Begründung, wie es in Rechtsprechung und Literatur bisweilen unreflektiert behauptet wird.

Sechstes Kapitel

Normzweck des § 93 InsO – Sicherungszweck paralleler Sicherheiten versus Gesetzesumgehung A. Wesen der teleologischen Auslegung Der Normzweck des § 93 InsO hingegen könnte für eine Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche sprechen. Die teleologische Auslegung ist die Auslegung des Gesetzes nach seiner ratio legis. Die Rechtsprechung spricht bevorzugt von Auslegung nach Sinn und Zweck des Gesetzes.1 Hierbei soll nicht weiter darauf eingegangen werden, ob der Normzweck subjektiv und damit nach den Regelungsabsichten, Zwecken und Normvorstellungen des Gesetzgebers, oder objektiv bestimmt wird.2 Richtigerweise ist das Ziel der Gesetzesauslegung die Ermittlung des heute rechtlich maßgeblichen, also eines normativen Sinnes des Gesetzes. Dieser maßgebliche Sinn des Gesetzes lässt sich aber keinesfalls unabhängig von der Regelungsabsicht und den konkreten Normvorstellungen des historischen Gesetzgebers feststellen.3 Maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes ist mithin der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers. Nachdem der Wille des historischen Gesetzgebers bereits festgestellt wurde, sind nunmehr objektiv-teleologische Auslegungskriterien zu untersuchen.

B. Bestimmung des Normzwecks des § 93 InsO Der Regelungszweck der Vorschrift wurde bei den Grundlagen einer Haftungsabwicklung nach § 93 InsO erörtert und gemeinsam mit Rechtsprechung4 und Schrifttum5 in der Gläubigergleichbehandlung erkannt.6 1

Vgl. etwa BGHZ 18, 44 (49); BGHZ 17, 266 (276). Hierzu ausführlich und m. w. N. Larenz, S. 316 ff. 3 Larenz, S. 318. 4 BGHZ 151, 245 (248) = BGH ZIP 2002, 1492 (1493); BFH ZIP 2002, 179 (181); LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783). 5 Oepen, Rz. 64; Pelz, S. 85; Braun/Kroth, InsO, § 93 Rz. 1; HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 1; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 3; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 494; MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 82; Münch2

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

Die abweichende Ansicht Brinkmanns,7 nach der dieser Zweck unzulässig sei, konnte nicht überzeugen. Sicher wird oftmals unter formelhafter Berufung auf die Motive des Gesetzgebers der Normzweck wenig kritisch bestimmt, jedoch konnte die Annahme der gleichbehandlungssichernden Wirkung des § 93 InsO auch einer kritischen Überprüfung standhalten. Mit der Regelung des § 93 InsO soll der Wettlauf der Gesellschaftsgläubiger um eine Befriedigung aus dem Privatvermögen des Gesellschafters zugunsten einer gleichmäßigen Verteilung durch den Insolvenzverwalter ersetzt werden. Kein Gesellschaftsgläubiger soll sich in der Insolvenz der Gesellschaft durch einen schnelleren Zugriff auf persönlich haftende Gesellschafter Sondervorteile verschaffen können.

C. Meinungsstand – Bedeutung des Normzwecks für die Parallelbürgschaft Dieser Zweck könnte nunmehr gefährdet sein, wenn ein paralleler Bürgschaftsanspruch den unmittelbaren Zugriff auf das Gesellschaftervermögen ermöglicht. Einflussreichen Gläubigern könnte es ein Leichtes sein, im Privatvermögen des Gesellschafters ungeachtet des § 93 InsO Befriedigung zu suchen.

I. Begrenzung des Normzwecks – Gesamtberechtigung der Gläubigergesamtheit Nach der überwiegenden Rechtsansicht gebietet der Normzweck des § 93 InsO keine Anwendung der Vorschrift auf die Parallelbürgschaft.8 Sie erKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 1; Smid/Smid, InsO, § 93 Rz. 1; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 7; Bitter, ZInsO 2002, 557; Bork, in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 1333; ders., ZInsO 2001, 835 (837); Bunke, KTS 2002, 471 (476); ders., NZI 2002, 591 (593 f.); Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1091); ders., EWiR 2002, 163 (164); Gerhardt, ZIP 2000, 2181; Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190 f.); dies., DStR 2003, 1095 (1096 f.); Haas/ Müller, NZI 2002, 366 (367); Hasselbach, DB 1996, 2213 (2217); Kesseler, ZInsO 549 (554); ders., DZWIR 2003, 488 (490); Noack/Bunke, Festschrift für Uhlenbruck, 335 (338); Oepen, ZInsO 2002, 162 (164); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082); Theißen, ZIP 1998, 1625 (1626); Wessel, DZWIR 2002, 53. 6 1. Kapitel, D. Zur dogmatischen Grundlage des Gleichbehandlungsgrundsatzes vgl. Berges, KTS 1957, 49 ff.; Häsemeyer, KTS 1982, 507 (521 ff.); Windel, Jura 2002, 230 (231). 7 Brinkmann, S. 103 ff.; ders., ZGR 2003, 264 (272 ff.). Zur funktionalen Interpretation Brinkmanns vgl. die Darstellung des Meinungsstandes 1. Kapitel, D. I. 1. 8 BGHZ 151, 245 (251) = BGH ZIP 2002, 1492 (1493 f.); BFH ZIP 2002, 179 (181); Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93

C. Meinungsstand

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kennt dabei sehr wohl die Gefahr, dass es einer gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung aus dem Gesellschaftervermögen zuwiderläuft, wenn Einzelne weiterhin ungehindert auf dieses Vermögen zurückgreifen können. So wird bereits prognostiziert, dass sich der bisherige Wettlauf um das Gesellschaftervermögen auf einen Wettlauf zwischen den durch eine Bürgschaft zusätzlich gesicherten Gesellschaftsgläubigern und dem nach § 93 InsO vorgehenden Insolvenzverwalter verlagern wird.9 Gleichwohl erkennt die herrschende Meinung im Normzweck kein Argument für die Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft. Dies folge aus der Begrenzung des Normzwecks und den berechtigten Interessen eines zusätzlich gesicherten Gläubigers. Eine Parallelbürgschaft betreffe nicht den Schutz der Interessen der Gläubigergesamtheit. Diese Interessen seien nur dort betroffen, wo die persönliche Haftung eines Gesellschafters sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen berechtige.10 Nur dann komme es zwischen den Gläubigern der insolventen Gesellschaft auch in Bezug auf das ihnen gemeinsam als zusätzlicher Haftungsfonds dienende Gesellschaftervermögen zu einer Konkurrenzsituation mit der Gefahr, dass Einzelne durch raschere Vollstreckung in das private Vermögen Befriedigung ihres Interesses zulasten der Gläubigergesamtheit erlangen. Da die Bürgschaft aber nur speziell besicherte Forderungen einzelner Gläubigern betreffe, seien die Interessen der Gläubigergesamtheit und damit der Normzweck des § 93 InsO nicht betroffen.11 Überdies sei es gerechtfertigt, dass ein zusätzlich gesicherter Bürgschaftsgläubiger wirtschaftlich besser stehe, als wenn er sich mit der gesetzlichen Gesellschafterhaftung begnügt hätte. In den Entscheidungsgründen des BFH heißt es hierzu wörtlich:12 „Es lassen sich überdies gute Gründe dafür anführen, Gläubiger, denen ein Gesellschafter etwas aus einem von seiner Gesellschafterstellung unabhängigen Rechtsgrund schuldet, gegenüber anderen Gläubigern in der Insolvenz der Gesellschaft zu privilegieren.“ Rz. 21; Bitter, ZInsO 2002, 557 (559); Bunke, KTS 2002, 471 (478, 484 ff.); ders., NZI 2002, 591 (593 f.); Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26); Gundlach/Frenzel/Schmidt, DZWIR 2002, 189 (190 f.); dies., DStR 2002, 1095 (1097); Huber, LMK 2003, 119; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082). 9 BFH ZIP 2002, 179 (181); MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 21; Bunke, KTS 2002, 471 (484). 10 Bitter, ZInsO 2002, 557 (559); Graf/Wunsch, EWiR 2002, 25 (26); Gundlach/ Frenzel/Schmidt, DStR 2003, 1095 (1096 f.). 11 Bunke, KTS 2002, 471 (478, 484 ff.). So auch Brinkmann, S. 119, wenn auch auf der Grundlage des abweichend vertretenen Normkonzepts. 12 BFH ZIP 2002, 179 (181).

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

Während also die Abwicklung der gesetzlichen Gesellschafterhaftung gerechtfertigt sei, weil sie prinzipiell gegenüber allen Gesellschaftsgläubigern gleichermaßen bestehe, legitimiere die Verwirklichung eines besonderen Haftungstatbestandes die Befugnis des betreffenden Anspruchsinhabers seine Individualforderung in Eigenregie durchzusetzen.13 Die Situation unterscheide sich damit nicht von der eines reinen Privatgläubigers des Gesellschafters, der ohne Zweifel von § 93 InsO nicht erfasst sei.14 Aus diesen Gründen gebiete der Regelungszweck die einschränkende Auslegung des § 93 InsO.

II. Ausweitung des Normzwecks – Wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten Hiergegen wenden sich Teile des Schrifttums.15 Folge man der herrschenden Meinung, werde es sich bei § 93 InsO um eine Norm mit sehr begrenztem Verfallsdatum handeln, da den „schnellen“ Gläubigern künftig die Sicherung durch die Bürgschaft möglich bleibe. Nur bei einer Durchsetzungssperre auch für persönliche Sicherheiten der Gesellschafter für Gesellschaftsschulden lasse sich die Verwirklichung des Normzwecks sicherstellen.16 Für die Beurteilung des Normzwecks greife es deshalb zu kurz, die Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche allein an dem Erfordernis zu messen, ob die betreffenden Haftungsansprüche allen Gläubigern der Gesellschaft gleichermaßen zustehen. Diese Bewertung überzeuge nur vordergründig und verkenne die besondere Bedeutung einer Parallelbürgschaft.17 Denn diese erweise sich bei näherer Betrachtung als eine unzulässige Vorrangvereinbarung. Ein Element der insolvenzrechtlichen Befriedigungsordnung bestehe aber gerade darin, dass ein Gläubiger für seine Forderung nicht deshalb ein Vorrecht in Anspruch nehmen könne, weil er sich von dem Schuldner die Leistung noch einmal habe versprechen lassen. Genau hierin bestehe aber die Funktion der Parallelbürgschaft.18 13

Bunke, KTS 2002, 471 (486). Breutigam/Blersch/Goetsch/Blersch, InsO, § 93 Rz. 7; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18; Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 7, 18; Fuchs, ZIP 2000, 1089 (1091 f.). 15 Oepen, Rz. 270 ff.; ders., ZInsO 2002, 162 (167 f.); Bork, NZI 2002, 362 (364); ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (107 ff.); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554); ders., ZIP 2002, 1974 (1976 f.); ders., DZWIR 2003, 488 (490). 16 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (555). 17 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554); ders., DZWIR 2003, 488 (491). 18 Oepen, Rz. 272 ff.; ders., ZInsO 2002, 162 (168); Kessler, ZInsO 2002, 549 (554 ff.); Bork, NZI 2002, 362 (365); ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (107 ff.). 14

D. Untersuchungsbedarf

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Kesseler spricht davon, dass bei der Parallelbürgschaft anders als bei der Bürgschaft eines beliebigen Dritten letztlich keine fremde, sondern eine wirtschaftlich ohnehin schon eigene Schuld besichert werde.19 Es komme auch nicht wie bei der Bürgschaft eines Kommanditisten zu einer Anspruchskumulation, sondern im Ergebnis lediglich zu einer Anspruchsgrundlagenkumulation. Die Bürgschaft des unbeschränkt haftenden Gesellschafters berechtige weder zur doppelten Geltendmachung der Forderung noch erschließe sie zusätzliches Haftungspotential, aus dem der Gesellschafter zu leisten verpflichtet wäre. Neben einem Vorteil bei der Verjährung und dem Fortbestand des Bürgschaftsanspruchs nach Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 254 Abs. 2 Satz 1 InsO) biete die Parallelbürgschaft gegenüber der gesetzlichen Gesellschafterhaftung letztlich nur den Vorteil, die Wirkungen des § 93 InsO umgehen zu können.20 Dies laufe aber auf eine Vorrangstellung zulasten der übrigen Gesellschaftsgläubiger hinaus, die durch Vereinbarung zwischen einem Gläubiger und dem Schuldner an für sich nur dadurch erreicht werden könne, dass der Schuldner entweder dem Gläubiger ein zur Absonderung berechtigendes Recht einräume oder die Verbindlichkeit gegenüber den Gläubigern effektiv erhöhe. Insofern sei die insolvenzrechtliche Befriedigungsordnung auch nicht dispositiv.21 Auch Oepen erkennt diese besondere wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten und berücksichtigt sie ebenfalls bei der teleologischen Auslegung des § 93 InsO.22 Er geht von einer Befriedigungsgemeinschaft zwischen den miteinander konkurrierenden Haftungsansprüchen aus. Diese Befriedigungsgemeinschaft rechtfertige es, die beiden Haftungsforderungen insolvenzrechtlich wie eine einzige, vom Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters erfasste, Forderung zu behandeln.23

D. Untersuchungsbedarf Damit fällt die Bewertung des Regelungszwecks weit auseinander. Der Begrenzung des Normzwecks auf die gesetzliche Haftung durch die herr19

Kesseler, ZInsO 2002, 549 (555); ders., ZIP 2002, 1974 (1976 f.). Kesseler, ZInsO 2002, 549 (555). Bork spricht gar nicht erst von anderen Vorteilen und weist der Bürgschaft nur den Zweck zu, in der Insolvenz der Gesellschaft die Sperrwirkung des § 93 InsO auszuhebeln, vgl. Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (107). 21 Oepen, ZInsO 2002, 162 (169). 22 Ebenso Bork, NZI 2002, 362 (365), der eine Parallelbürgschaft nicht für eine Drittbürgschaft wie jede andere hält, sondern für eine nicht hinnehmbare schuldrechtliche Vorrangvereinbarung. 23 Oepen, Rz. 272. Zum Begründungsansatz Oepens vgl. auch Fuchs, EWiR 2002, 163 (164). 20

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

schende Meinung steht der im Schrifttum für eine Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche vorgetragene Umgehungscharakter gegenüber. Eine teleologische Auslegung wird sich mit diesem Vorwurf der Gesetzesumgehung in besonderer Weise auseinandersetzen müssen. Denn der Vorwurf der Gesetzesumgehung und dessen Berücksichtigung bei der Auslegung und Gesetzesanwendung betrifft methodisch bedeutsame Fragen. Die Beantwortung dieser Fragen ist besonders sorgsam vorzunehmen, da der Vorwurf einer Gesetzesumgehung bisweilen vorschnell erfolgt und infolge methodischer Nachlässigkeit oftmals nicht den Wert einer Begründung hat.24 Andererseits wird zu untersuchen sein, ob sich der Vorwurf der Gesetzesumgehung bereits mit bloßem Hinweis auf die Privatautonomie entkräften lässt. Denn Umgehungsgeschäfte betreffen stets das Spannungsfeld zwischen der prinzipiellen Befugnis der Parteien, Rechtsverhältnisse nach ihrem Belieben gestalten zu können und der Existenz zwingender Normen,25 so dass der bloße Hinweis auf die Privatautonomie26 ebensowenig einen spezifischen Begründungswert hat wie die pauschale Berufung auf die Umgehung des § 93 InsO. Als Problem der Rechtsanwendung verlangt die Untersuchung des Umgehungsvorwurfs vielmehr eine sorgsame Auseinandersetzung mit der Reichweite des von § 93 InsO verfolgten Normzwecks. Fest steht, dass der Normzweck einer Begrenzung bedarf. Dies erkennen auch die Befürworter einer Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft an.27 Denn zweifelsohne bezweckt die Vorschrift nicht die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger des Gesellschafters. Diese ist vielmehr der Eröffnung eines eigenständigen Insolvenzverfahrens vorbehalten.28 Anders als über die Haftsumme eines Kommanditisten ist ein solches gesondertes Insolvenzverfahren über das Vermögen des persönlich haftenden Gesellschafters auch möglich.29 Von § 93 InsO bezweckt sein kann damit nur die gleichmäßige Befriedigung ganz gewisser Gläubiger. Den Kreis dieser bestimmt das Erfordernis der Gesamtberechtigung der Gläubiger. Unstreitig vom Normzweck gedeckt sind daher die Gläubiger einer Haftung nach § 128 Satz 1 HGB. Diese berechtigt alle Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen. Das Versprechen ei24

Benecke, S. 212 f.; Sieker, S. 10. Sieker, S. 1; Häsemeyer, Festschrift für Universität Heidelberg, 163. 26 Wenn auch in einem anderem Zusammenhang BGHZ 151, 245 (251) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). 27 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554 f.); Oepen, ZInsO 2002, 162 (168). 28 Vgl. hierzu und zum abweichenden Normverständnis Brinkmanns S. 18 ff. 29 Auch hierzu Brinkmann, S. 96 f. 25

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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nes unbeschränkt haftenden Gesellschafters, für eine Verbindlichkeit seiner Gesellschaft zusätzlich zu bürgen, berechtigt hingegen nur einzelne Gläubiger. Sicher kann die Übernahme einer Parallelbürgschaft der üblichen Praxis im Rechtsverkehr entsprechen und damit eine Vielzahl von Gläubigern berechtigen. Dies aber wird dem Erfordernis der Gesamtberechtigung nicht gerecht. Allein die gesteigerte Möglichkeit, dass eine Mehrheit von Gläubigern der Gesellschaft über Bürgschaftsforderungen verfügt, kann nicht die Haftungsgläubigerkonkurrenz begründen, wie sie zur Rechtfertigung einer Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes erforderlich ist.30 Die hierfür erforderliche Gesamtberechtigung trifft nur auf die Gläubiger des gesetzlichen Haftungsanspruchs zu. Dies geben auch die Befürworter einer Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft zu. Sie sind jedoch der Ansicht, dass dieses Erfordernis für den Fall der Parallelbürgschaft zu kurz greift. Gestützt wird diese These auf den dargestellten Umgehungscharakter der Parallelbürgschaft.31

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO Mit der Tragfähigkeit dieses Umgehungsschutzgedankens (I.) entscheidet sich daher, ob der Normzweck anders zu beurteilen ist, wenn es um die Parallelbürgschaft geht. Ferner befassen wird sich die teleologische Auslegung des § 93 InsO mit dem Begriff des Privatgläubigers (II.) sowie dem Ausnahmecharakter der Vorschrift (III.).

I. Berücksichtigung des Vorwurfs der Gesetzesumgehung Für die Beurteilung des Umgehungsschutzgedankens ist ein Rückgriff auf die allgemeine Problematik der Gesetzesumgehung und die Behandlung typischer Umgehungsgestaltungen erforderlich. Denn mit dieser Argumentation ist ein ganz allgemein in der Rechtsordnung bestehendes Spannungsfeld betroffen. Gegenüber stehen sich die prinzipielle Befugnis der Parteien, Rechtsverhältnisse nach ihrem Belieben zu gestalten auf der einen und die Existenz zwingender Normen auf der anderen Seite, deren Anwendung die Parteien als lästig empfinden und mithin verhindern wollen.32 Dieser Kon30

Oepen, Rz. 270. Oepen, Rz. 270 ff.; Bork, NZI 2002, 362 (365); ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (107 ff.); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554 ff.); ders., ZIP 2002, 1974 (1976 f.); ders., DZWIR 2003, 488 (491); Oepen, ZInsO 2002, 162 (167 ff.). 32 Benecke, S. 34 f.; Lutter, Festschrift für Stiefel, 505 (508); Sieker, S. 1. Häsemeyer, Festschrift für Universität Heidelberg, 163 untersucht sogar das Spannungsfeld zwischen Privatautonomie und Insolvenzrecht. 31

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

flikt zwischen Privatautonomie und dem Geltungsanspruch zwingender Gesetzesbestimmungen besteht aber nicht nur, wenn die Parteien die Anwendung individuell vereinbarter Regelungen anstreben, sondern auch dann, wenn die Anwendung einer benachteiligenden zugunsten einer begünstigenden Vorschrift vermieden werden soll.33 Die Übernahme einer Parallelbürgschaft bezweckt zwar keine individuell vereinbarte Rechtsfolge, die an die Stelle des § 93 InsO treten soll. Sie zielt aber auf die Anwendung einer anderen, für den Bürgschaftsgläubiger günstigeren Bestimmung. An die Stelle der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters soll die Möglichkeit einer selbständigen Geltendmachung des Haftungsanspruchs durch den jeweiligen Gläubiger bei Geltung des Doppelberücksichtigungsprinzips nach § 43 InsO treten. Der damit betroffene Konflikt zwischen Privatautonomie und dem Geltungsanspruch zwingenden Gesetzesrechts gibt seit dem römischen Recht Anlass zu grundlegenden Untersuchungen über die Behandlung solcher Umgehungsgeschäfte.34 1. Gesetzesumgehung als Problem der Rechtsanwendung Einigkeit besteht darüber, dass es sich bei der Gesetzesumgehung nicht um eine eigenständige Rechtsfigur handelt. Diese Erkenntnis geht maßgeblich zurück auf die Untersuchung Teichmanns.35 Dieser hatte sich mit der Entwicklung genereller Kriterien zur Einordnung der Gesetzesumgehung befasst. Durch diese Kriterien sollte einer zwingenden Norm zur Durchsetzung ihres Geltungsanspruchs gegen Umgehungsgestaltungen verholfen werden. Hierbei erkannte Teichmann die Gesetzesumgehung als ein Problem der Rechtsgeltung. Es sei allein eine Frage der Auslegung der betreffenden Norm oder ihrer analogen Anwendung, ob eine Vertragsgestaltung von einer gesetzlichen Regelung erfasst werde oder nicht.36 Ergebe bereits die Gesetzesauslegung die Anwendbarkeit der betreffenden Norm, müssten keine Umgehungsschutzgesichtspunkte bemüht werden.37 Denn ist der Geltungsbereich einer Norm eröffnet, liege schlechterdings keine Gesetzesumgehung vor.38 Streng genommen liege eine Geset33

Vgl. hierzu Teichmann, S. 48 f. Zur historischen Entwicklung der Umgehungsproblematik vgl. Benecke, S. 8 ff.; Ebenso bei J. Schröder, Gesetzesauslegung und Gesetzesumgehung. 35 Teichmann, Die Gesetzesumgehung. Untersuchungen aus der jüngsten Vergangenheit stammen von Benecke, Die Gesetzesumgehung im Zivilrecht (2004) sowie von Sieker, Umgehungsgeschäft (2001). 36 Teichmann, S. 67 ff. 37 Teichmann, S. 50 ff.; ders., JZ 2003, 761 (765 ff.). Ebenso Benecke, S. 85, die in diesem Fall von einem misslungenen Umgehungsversuch spricht. 38 Benecke, S. 85. 34

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

137

zesumgehung erst vor, wenn ein Analogieschluss erforderlich sei.39 Dass in der Rechtsprechung der Vorwurf der Gesetzesumgehung oftmals gleichwohl als Auslegungsargument herangezogen werde,40 liege nicht zuletzt an der Schwierigkeit einer Abgrenzung des Geltungsbereichs von Auslegung und Analogie.41 Methodisch zutreffend und definitorisch sauber könne erst bei Erforderlichkeit einer Analogie eine Gesetzesumgehung vorliegen. Dann nämlich rechtfertigten Umgehungsschutzgesichtspunkte die Vergleichbarkeit der Interessenlage und damit – die Lückenhaftigkeit des Gesetzes vorausgesetzt – die analoge Anwendung der Norm, deren Umgehung droht.42 Da aber die analoge Anwendung einer Norm – nicht anders als deren Auslegung – ein Problem der Rechtsgeltung ist, wird mit dem Umgehungsschutzgedanken kein eigenständiges Rechtsinstitut bemüht.43 Eine eigenständige Rechtsfigur der Gesetzesumgehung gibt es daher nach diesem Grundverständnis nicht. Dies wird inzwischen überwiegend vertreten44 und ist auch vom BGH ausdrücklich bestätigt worden.45 Entscheidend für diese Behandlung der Gesetzesumgehung als ein Problem der Rechtsgeltung ist das fehlende Bedürfnis für die Einführung einer eigenständigen Rechtsfigur.46 Diese Erkenntnis geht zurück auf die zwischenzeitliche Anerkennung einer teleologischen Auslegung und der prinzipiellen Zulässigkeit richterlicher Rechtsfortbildung.47 Kann die ratio legis schon bei der Gesetzesauslegung wirksam gemacht werden und muss nicht erst über die Gesetzesumgehung berücksichtigt werden, so braucht man keine eigenständige Lehre vom Umgehungsgeschäft.48 Hinzu kommt, dass das Verhältnis einer eigenständigen Rechtsfigur zu den methodischen Kate39

Im Anschluss an Teichmann jüngst Benecke, S. 85. BGHZ 28, 184 und BGHZ 61, 317 (320). Vgl. hierzu Benecke, S. 87. 41 Benecke, S. 86. 42 So auch ausdrücklich Benecke, S. 87 f. 43 Statt vieler Teichmann, S. 50 ff. 44 Behrends, S. 10 f.; J. Schröder, S. 1 f.; Sieker, S. 8 ff.; MünchKomm/Kramer, BGB, § 117 Rz. 15; Staudinger/Coing, BGB, § 117 Rz. 21; Flume, S. 350 f.; Medicus, Rz. 660 f.; Häsemeyer, Festschrift für Universität Heidelberg, 163 (169); H. Honsell, Festschrift für Kaser, 111 ff.; Bickel, JuS 1987, 861 ff.; Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522 (537); a. A. MünchKomm/Mayer-Maly, BGB, § 134 Rz. 12 ff. 45 So der BGH in einer grundlegenden Entscheidung v. 15.1.1990 zur verdeckten Sacheinlage, vgl. BGHZ 110, 47 (64). 46 Müller-Freienfels, AcP 156 (1957), 522 (537). 47 J. Schröder, S. 11 f.; Sieker, S. 9. Letztere sieht in den Rechtsanwendungslehren der römischen Juristen, die eine strenge grammatikalische Wortlautinterpretation verlangten und eine teleologische Gesetzesanwendung grundsätzlich den zur Rechtsetzung befugten Instanzen vorbehielten, die Ursache für die heute noch – zum Beispiel von MünchKomm/Mayer-Maly, BGB, § 134 Rz. 12 ff. – vertretene Eigenständigkeit der Gesetzesumgehung als Rechtsinstitut. 48 Medicus, Rz. 660. Hierzu ausführlich Sieker, S. 9 ff. 40

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

gorien der Auslegung und Analogie unklar ist und die Anwendung dieser Rechtsfigur folglich nur zur methodischen Nachlässigkeit verleiten würde.49 Das rechtliche Instrumentarium, das sich gegen den Vorwurf einer – vermeintlichen Gesetzesumgehung – einsetzen lässt, beschränkt sich damit auf die Kategorien der Auslegung und Analogie des Gesetzes. 2. Begründetheit des Vorwurfs der Gesetzesumgehung Als Problem der Rechtsgeltung kommt die Untersuchung des Vorwurfs der Gesetzesumgehung damit nicht umhin, Sinn und Zweck der betreffenden Norm zu ermitteln.50 Der Ausgangspunkt zur Untersuchung einer Gesetzesumgehung ist damit kein anderer als bei der teleologischen Auslegung.51 Das oftmals für die Anwendung einer Vorschrift angeführte zusätzliche Argument, sonst würde der Gesetzesumgehung „Tür und Tor“ geöffnet werden, stellt für sich genommen hingegen kein tragfähiges Begründungsmuster dar.52 Es deutet auf ein selbständiges Rechtsinstitut der Gesetzesumgehung hin und kann nach heutigem Verständnis nicht mehr überzeugen.53 Hinzu tritt auch nicht etwa das Erfordernis eines zielgerichteten, subjektiv vorwerfbaren Willens, der Anwendung einer zwingenden Rechtsnorm auszuweichen. Eine solche Umgehungsabsicht entfällt mit dem Verzicht auf eine eigenständige Rechtsfigur der Gesetzesumgehung.54 a) Darstellung des Begründungsansatzes Auf den ersten Blick legt die Argumentation der Befürworter einer Anwendbarkeit des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft den Verdacht nahe, die Gesetzesumgehung als eigenständiges Rechtsinstitut zu behandeln. Bork formuliert beispielsweise wörtlich:55 „Der Umgehung hat der BGH Tür und Tor geöffnet.“ Auch Kesseler stellt in erster Linie auf den Vorwurf der Gesetzesumgehung ab und erkennt in § 93 InsO durch die mit der Gesellschaf49

Sieker, S. 10. Römer, S. 31. Beneke, S. 91, differenziert zwischen Sinn und Ziel des Gesetzes. Sie gesteht jedoch ein, dass diese Abgrenzung oft nicht eindeutig möglich sein wird. 51 Benecke, S. 93, 109 f.; Teichmann, S. 49; ders., JZ 2003, 761 (764); Häsemeyer, Festschrift für Universität Heidelberg, 163 (164). 52 Teichmann, JZ 2003, 761 (767). 53 Teichmann, JZ 2003, 761 (767). 54 Die Anwendung der möglicherweise umgangenen Norm soll nicht von einer Gesinnungsprüfung abhängig gemacht werden, vgl. Sieker, S. 40; Teichmann, S. 69 f; a. A. MünchKomm/Müller-Maly, BGB, § 134 Rz. 14 ff. 55 Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (109). 50

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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terbürgschaft bestehende Umgehungsmöglichkeit eine Norm mit lediglich begrenztem Haltbarkeitsdatum. Bestärkt wird dieser Verdacht durch den Umgang der betreffenden Literaturstimmen mit der Anwendung des § 93 InsO auf die abgabenrechtliche Haftung nach §§ 34 Abs. 1, 69 AO. Diese nämlich wird abgelehnt, weil anders als bei der Parallelbürgschaft keine Gefahr der Gesetzesumgehung bestehe.56 Dies könnte den Umkehrschluss zulassen, in der Literatur werde eine Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft nicht unter Hinweis auf die Auslegung der Vorschrift selbst, sondern allein unter Berufung auf den Umgehungsschutz als eigenständiges Rechtsinstitut vertreten. Dieser Verdacht bestätigt sich jedoch nicht. Die jeweilige Begründung belegt bei genauer Betrachtung die zutreffende Behandlung des Umgehungsvorwurfs als ein Problem der Rechtsanwendung. Hinter dem Vorwurf der Gesetzesumgehung verbergen sich ganz offensichtlich Normzwecküberlegungen. Insbesondere Kesseler sucht die Anbindung der Umgehungsgefahr an den Regelungszweck der Vorschrift. Geschaffen worden sei die Regelung des § 93 InsO, um Sondervorteile zu unterbinden, die sich einzelne Gesellschaftsgläubiger unter Geltung der Konkursordnung zu Lasten der anderen Gesellschaftsgläubiger durch den schnellen Zugriff auf das Haftungsvermögen der Gesellschafter verschaffen konnten. Die Möglichkeit solcher Sondervorteile hätten in erster Linie die besonders einflussreichen Großgläubiger, vor allem Banken, gehabt. Von ihnen sei damit das größte Risiko für die Gleichbehandlung der Gesellschaftsgläubiger ausgegangen. Es seien aber genau diese Gläubigergruppen, die sich auch am ehesten in der Lage befänden, sich von den Gesellschaftern persönliche Sicherheiten zu verschaffen.57 Vor diesem Hintergrund sei die Möglichkeit einer parallelen Geltendmachung paralleler Sicherheiten mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vereinbar.58 Um die Funktion der Norm hingegen zu gewährleisten und ihren Zweck nicht zu unterlaufen, sei es daher notwendig, auch persönliche Sicherheiten der Durchsetzungssperre des § 93 InsO zu unterwerfen. Begründet wird diese Bewertung des Normzwecks mit der vorerwähnten besonderen wirtschaftlichen Bedeutung paralleler Sicherheiten.59 Der Vorwurf, die Befürworter einer Einbeziehung paralleler Sicherheiten machen von einer eigenständigen Rechtsfigur der Gesetzesumgehung Ge56

Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (109); Oepen, ZInsO 2002, 162 (168 ff.). Kesseler, ZInsO 2002, 549 (555); ders., DZWIR 2003, 488 (490 f.). 58 Bork, NZI 2002, 362 (365); ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (107 ff.); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (555); ders., DZWIR 2003, 488 (490 f.); Oepen, ZInsO 2002, 162 (168). 59 Oepen, Rz. 270 ff.; Bork, NZI 2002, 362 (365); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554 ff.); ders., ZIP 2002, 1974 (1976 f.); Oepen, ZInsO 2002, 162 (167 ff.). Ausführlich hierzu siehe oben 6. Kapitel, C. II. 57

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

brauch, ist damit nicht haltbar. Begründet wird das weite Regelungsverständnis allein mit Normzwecküberlegungen, die nunmehr auf ihre Richtigkeit hin zu untersuchen sind. b) Tragfähigkeit des Begründungsansatzes Die Schwierigkeit dieser Begründung liegt in der Vereinbarkeit mit dem für den Normzweck bedeutsamen Erfordernis der Gesamtberechtigung der Haftungsgläubiger. Denn nach bisheriger Erkenntnis gebietet der Zweck der Vorschrift nur dann die Einbeziehung von Haftungsforderungen, wenn diese alle Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen berechtigen. Hat sich der Gesellschafter zusätzlich zu seiner gesetzlichen Gesellschafterhaftung als Bürge verpflichtet, so berechtigt dies aber nur einzelne Gläubiger der Gesellschaft.60 Anders als die herrschende Meinung korrigieren die Befürworter einer Anwendung des § 93 InsO diese Begrenzung des Normzwecks für parallele Sicherheiten unter Berufung auf den durch die wirtschaftliche Bedeutung dieser Sicherheiten begründeten Vorwurf der Gesetzesumgehung.61 Bei näherer Untersuchung überzeugt eine solche Überwindung des Erfordernisses der Gesamtberechtigung gleich aus mehreren Gründen nicht. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung entspricht nicht einer teleologischen Auslegung, sondern einer unzulässigen Sachverhaltsbeurteilung [aa)]. Auch die apodiktisch behauptete besondere wirtschaftliche Bedeutung besteht nicht [bb)]. aa) Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung – Unzulässige Sachverhaltsbeurteilung Bei näherer Betrachtung liegen der Berufung auf die wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten keine Normzwecküberlegungen zugrunde. Die betreffende Argumentation zielt vielmehr auf eine wirtschaftliche Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts. Der für die Bewertung des Normzwecks relevante Sachverhalt der parallelen Haftungsforderungen wird auf seinen wirtschaftlichen Gehalt hin untersucht und entsprechend modifiziert. So wird in der Bürgschaft des unbeschränkt haftenden Gesellschafters unter Berufung auf ihre wirtschaftliche Bedeutung nur noch eine 60

Siehe oben 6. Kapitel, C. II. Vgl. hierzu noch einmal Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554): „Dieses auf den ersten Blick eindeutige Urteil greift für die Bewertung des Gesetzeszwecks des § 93 InsO zu kurz. Vernachlässigt würde dadurch nämlich die wirtschaftliche und verfahrensrechtliche Bedeutung, die den Gesellschafterbürgschaften im Verhältnis zur Gesellschafterhaftung in der praktischen Haftungsabwicklung zukommt.“ 61

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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schuldrechtliche Vorrangvereinbarung erkannt. Der natürliche Lebenssachverhalt der persönlichen Schuldverpflichtung durch den Gesellschafter tritt in den Hintergrund und wird als ein bloßes Mehrfachversprechen verstanden. Auch wenn in der Rechtsprechung oftmals unter dem Begriff der wirtschaftlichen Betrachtungsweise solche Sachverhaltsbeurteilungen zu finden sind,62 bestehen an einer solchen Betrachtung grundsätzliche Bedenken.63 Sie ist insbesondere nicht mit dem Grundschema der juristischen Subsumtion vereinbar und läuft auf eine eigenständige methodische Kategorie sui generis hinaus. Denn anzusiedeln wäre eine solche Sachverhaltsbeurteilung im Zwischenbereich von Norm und Sachverhalt. Hinzukommt die Schwierigkeit bei der Vielzahl der Umstände, die einen Lebenssachverhalt ausmachen, die für eine wirtschaftliche Betrachtung relevanten Tatsachen auszuwählen. Denn das Kriterium des Wirtschaftlichen ist kein geeignetes Auswahlkriterium. Dies ist auch der Grund dafür, dass sich eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zwangsläufig in apodiktische Behauptungen niederschlagen muss. Eine andere Beurteilung wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die angeführte wirtschaftliche Bedeutung den Inhalt des Tatbestandes einer Norm betrifft.64 Dann nämlich wäre die einfache Auslegung des Gesetzes betroffen, bei der Elemente des Rechtssatzes, die wirtschaftlicher Herkunft sind, selbstverständlich als solche interpretiert werden.65 Die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ist aber kein Tatbestand, der kraft seiner wirtschaftlichen Herkunft vor dem Hintergrund einer besonderen wirtschaftlichen Bedeutung zu interpretieren ist. Der Forderung, die besondere wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten zu berücksichtigen, liegt damit eine unzulässige Beurteilung des entscheidungserheblichen Sachverhalts zugrunde. Diese Bewertung gilt ebenso für § 227 Abs. 2 InsO. Auch für diese Vorschrift wird seit Einführung der Insolvenzordnung die Einbeziehung kon62

Möller, S. 90 m. w. N. Dass der Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung eine Sachverhaltsbeurteilung zugrunde liegt heißt nicht, die Rechtsfigur der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ grundsätzlich als Sachverhaltsbeurteilung qualifizieren zu wollen. Auf Begriff und Behandlung dieser Rechtsfigur soll im Übrigen nur soweit eingegangen werden, wie es die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung paralleler Sicherheiten verlangt. Im Übrigen vgl. hierzu die Untersuchungen von Möller, Die wirtschaftliche Betrachtungsweise im Privatrecht; Rittner, Die sogenannte wirtschaftliche Betrachtungsweise in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sowie Sieker, S. 74 ff. 64 Möller, S. 22 f.; Rittner, S. 29. 65 Rittner, S. 29. Vgl. hierzu die von Otte, JuS 1970, 154 (158 f.) gelieferten Beispiele. 63

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

kurrierender Mithaftungsansprüche vertreten.66 Da für die Ausweitung des § 227 Abs. 2 InsO nur die wirtschaftliche Bedeutung angeführt wird,67 ist dieser Argumentation jeder Boden entzogen. Sicher betrifft der Fortbestand der parallelen Bürgenhaftung ganz wesentlich die Verwirklichung des von § 227 Abs. 2 InsO verfolgten Regelungsanliegens.68 Schließlich kann sich ein Sanierungsvorhaben durch Insolvenzplan dann nicht auf die gleichzeitige Haftungsbefreiung der persönlich haftenden Gesellschafter stützen, wenn sich diese für die Schulden der Gesellschaft zusätzlich verbürgt haben und diese Haftung auch nach Abschluss eines Planverfahrens fortbesteht. Dies aber ist hinzunehmen und kann ebensowenig wie bei § 93 InsO unter Berufung auf die wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten korrigiert werden. Auch bei § 227 Abs. 2 InsO erweist sich die Berücksichtigung der vermeintlichen besonderen wirtschaftlichen Bedeutung damit als unzulässige Sachverhaltsbeurteilung und nicht etwa als eine Normzwecküberlegung. Erkennt man diese unzulässige Sachverhaltsbeurteilung und bewertet den entscheidungserheblichen Sachverhalt unter rechtlichen Gesichtspunkten, so ist das Erfordernis der Gesamtberechtigung der Haftungsgläubiger und mit diesem Erfordernis die Begrenzung des Normzweck unüberwindbar. Gläubiger individueller Mithaftungsansprüche bewegen sich damit außerhalb des beabsichtigten Geltungsanspruchs der Norm. Aus diesem Grund ist bereits die bloße Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung paralleler Sicherheiten bei der teleologischen Auslegung des § 93 InsO unstatthaft.

66 Oepen, Rz. 304; Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977); ders., DZWIR 2003, 488 (491 f.). 67 Vor dem Hintergrund der Gesetzeshistorie und der innerhalb des § 227 Abs. 2 InsO bestehenden Systematik legt die Auslegung des § 227 Abs. 2 InsO eher eine auf die gesetzliche Haftung begrenzte Anwendung nahe als § 93 InsO. Denn § 227 Abs. 2 erklärt den Absatz 1 der Vorschrift für anwendbar. Dieser regelt die Haftungsbefreiung für den Schuldner. Die systematische Nähe zu diesem Absatz legt nahe, dass sich der nicht eindeutige Wortlaut des zweiten Absatzes auf die gesetzliche Haftungsverfassung des Insolvenzschuldners bezieht und sich damit die persönliche Haftung eines Gesellschafters auf die durch die Haftungsverfassung des Insolvenzschuldners vermittelte Gesellschafterhaftung beschränkt. Eindeutiger ist das gesetzeshistorische Argument. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 227 InsO entspricht die Regelung den früheren § 109 Nr. 3 VerglO, 211 Abs. 2 KO zum (Zwangs-)Vergleich. Zu diesen wurde ganz überwiegend vertreten, dass die Vergleichswirkung nur die Haftung als Gesellschafter, nicht aber die Gesellschafterhaftung aus einem sonstigen Rechtsgrund betrifft. Diese waren hingegen erfasst von § 193 Satz 2 KO, 82 Abs. 2 VerglO, die sachlich dem heutigen eindeutigen § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO entsprechen. 68 Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977); ders., DZWIR 2003, 488 (492).

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bb) Besondere wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten Aber auch die angeführte wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten selbst überzeugt nicht. Zwar schafft die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters weder neue Haftungsmasse (1) noch berechtigt sie zur doppelten Geltendmachung der gesicherten Gesellschaftsverbindlichkeit (2). Gleichwohl aber beschränkt sich ihre Bedeutung nicht auf eine Umgehung des § 93 InsO (3). (1) Keine Schaffung zusätzlicher Haftungsmasse Zweifelsohne unterscheidet sich die Parallelbürgschaft in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ganz wesentlich von der Bürgschaft eines beliebigen Dritten. Denn während letztere gerade erst die Verpflichtung begründet, für die Erfüllung der Verbindlichkeit eines Hauptschuldners unbeschränkt persönlich einzustehen, besteht diese Verpflichtung bei einer Parallelbürgschaft bereits zuvor kraft Gesetzes.69 Ein solches Bürgschaftsversprechen schafft damit anders als die Bürgschaft eines beliebigen Dritten schlechterdings keine zusätzliche Haftungsmasse. Sie begründet lediglich eine weitere rechtliche Grundlage, den Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich in Anspruch zu nehmen. (2) Keine Anspruchskumulation Als zusätzliche Anspruchsgrundlage berechtigt sie auch nicht etwa zu einer doppelten Geltendmachung der Forderung.70 Denn durch die zusätzliche Übernahme einer Bürgschaft kommt es nicht zu einer Anspruchskumulation. Kesseler spricht daher vom bloßen Vorliegen einer Anspruchsgrundlagenkumulation. Treffender dürfte der Begriff der Anspruchskonkurrenz sein.71 Inhalt der Bürgschaftsforderung ist nicht anders als bei der gesetzlichen Haftungsforderung die Verbindlichkeit der Gesellschaft. Ihre Erfüllung kann selbstverständlich nur einmal verlangt werden, entweder aus der Bürgschaft oder gestützt auf die gesellschaftsrechtliche Einstandspflicht. Dies gebietet bereits die Akzessorität der jeweiligen Haftungsforderung gegenüber der Gesellschaftsverbindlichkeit.72 69

Bunke, KTS 2002, 471 (478). Kesseler, ZInsO 2002, 549 (554); K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1983). 71 Staudinger/Horn, BGB, § 765 Rz. 112; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1083). 72 Selb, S. 12 II 1 a). 70

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Ebenso scheidet in der Insolvenz des Gesellschafters eine doppelte Teilnahme am Insolvenzverfahren einschließlich doppelter Befriedigung aus.73 Etwas anderes kann sich nur aus § 43 InsO ergeben. Hiernach kann ein Gläubiger, dem mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, im Insolvenzverfahren gegen jeden Schuldner bis zu seiner vollen Befriedigung den ganzen Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Verfahrenseröffnung zu fordern hatte. Da § 43 InsO aber nur bei Haftung verschiedener Vermögensmassen greift, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung des Doppelberücksichtigungsprinzips nicht vor.74 Die zusätzliche Bürgschaftsforderung berechtigt damit auch nicht zu einer doppelten Teilnahme am Insolvenzverfahren des Gesellschafters.75 (3) Keine bloße Umgehungsgestaltung Gleichwohl beschränkt sich ihre wirtschaftliche Bedeutung nicht auf eine Umgehung des § 93 InsO. Erkennt man in der Parallelbürgschaft mit einem Teil der Literatur76 wegen dieses Vorwurfs der Gesetzesumgehung eine bloße schuldrechtliche Vorrangvereinbarung und behandelt infolgedessen Bürgschafts- und gesetzliche Haftungsforderung insolvenzrechtlich als eine Forderung, so verkennt dies die rechtliche Selbständigkeit der jeweiligen Haftungsforderung zum einen (a) und leugnet einen zumindest ergänzenden Sicherungszweck paralleler Sicherheiten zum anderen (b). (a) Rechtliche Selbständigkeit Verspricht ein unbeschränkt haftender Gesellschafter für die Schulden der Gesellschaft zusätzlich die Bürgschaft, so sichern Gesellschafterhaftung und Bürgschaft die Erfüllung derselben Gesellschaftsverbindlichkeit. Eine Inanspruchnahme des Gesellschafters aus der Bürgschaft auf der einen und aus § 128 Satz 1 HGB auf der anderen Seite zielt damit auf die Befriedigung desselben materiellen Interesses.77 Aus dieser durch die Akzessorität der Haftungsansprüche vermittelten Identität der gesicherten Gesellschaftsverbindlichkeit darf gleichwohl nicht geschlossen werden, dass die Haftungsforderungen insolvenzrechtlich als eine Forderung zu behandeln 73 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (555). Bei alleiniger Insolvenz des Gesellschafters hat § 93 InsO keine Bedeutung, vgl. Uhlenbruck/Hirte, InsO, § 93 Rz. 15; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1081). 74 Jaeger/Henkel, KO, § 3 Rz. 299; Jaeger/Lent, KO, § 64 Rz. 9, 13; K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084). 75 MünchKomm/Lwowski/Bitter, InsO, § 44 Rz. 40. 76 Siehe oben 6. Kapitel, C. II. 77 Bunke, KTS 2002, 477 (484).

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sind.78 Denn beide Haftungsforderungen sind rechtlich selbständig und unterliegen einem eigenen rechtlichen Schicksal. Rückschlüsse aus der Identität der zugrunde liegenden Gesellschaftsverbindlichkeit beschränken sich darauf, die Forderung gegen den Gesellschafter weder doppelt geltend machen zu können noch doppelt am Insolvenzverfahren des Gesellschafters teilnehmen zu können. Die rechtliche Selbständigkeit und ein eigenständiges insolvenzrechtliches Schicksal aber bleiben hiervon unberührt. Diese Selbständigkeit liegt dem Gesetz in den §§ 128, 129 HGB zum einen und in den §§ 765 ff. BGB auf der anderen Seite mit großer Selbstverständlichkeit zugrunde. Damit verbunden gelten unterschiedliche Wertungsprinzipien. Als sehr anschaulich erweist sich in diesem Zusammenhang der Umgang des BGH mit einer verjährungsrechtlichen Problematik: Verklagt ein Gläubiger vor Verjährung der Hauptforderung nur den bürgenden Gesellschafter und nicht auch die hauptschuldnerische Gesellschaft, so ermöglicht nach Verjährung der Hauptforderung nur noch die gesetzliche Haftung einen Zugriff auf das Gesellschaftervermögen.79 Der Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft hingegen kann der Gesellschafter mit Erfolg die Einrede der Verjährung entgegenhalten, obgleich die Verjährung erst nach der Klage gegen den Bürgen eingetreten ist. Dies ergibt sich aus der Regelung des § 768 Satz 1 BGB. Hiernach kann der Bürge die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden der Verjährung geltend machen und dieses Recht steht dem Bürgen nach ganz herrschender Meinung eben auch dann zu, wenn die Verjährung der Hauptforderung eintritt, nachdem er bereits vom Gläubiger verklagt wurde.80 Begründet wird dies mit dem hinter der Vorschrift des § 768 Satz 1 BGB stehenden Prinzip der Akzessorität in Form der Durchsetzungsakzessorität81 sowie den Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch.82 Ein Gläubiger, der allein den Bürgen verklagt und damit auf eine Hemmung der Verjährung der Hauptforderung verzichtet, ist damit nicht nur dem Risiko ausgesetzt, dass die Hauptforderung nicht mehr durchsetzbar ist. Er riskiert vielmehr zugleich, dass seine zunächst zulässige 78

Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 209 Rz. 31. Grundlegend: BGHZ 104, 76 (80 ff.) und BGH ZIP 1981, 861 (862). Sehr kritisch betrachtet wird dies von Lieb, Festschrift für Lüderitz, 455 ff. 80 Horn, ZIP 2001, 93 (102). 81 BGH ZIP 1999, 19 (20); BGHZ 76, 222 (226). Vgl. hierzu auch zuletzt BGH ZIP 2003, 524 m. zust. Anm. v. Weber, EWiR 2003, 363 und Sonnenhol, WuB I F 1 a – 9.03. Nach diesem Urteil kann sich der Bürge nach § 768 Satz 1 BGB auch dann mit Erfolg auf die Verjährung der Hauptschuld berufen, wenn die Hauptschuldnerin wegen Vermögenslosigkeit als Rechtsperson untergegangen ist. 82 Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches II, S. 661 f. und 663. 79

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und begründete Klage gegen den Bürgen unbegründet wird.83 Ist der allein verklagte Bürge bereits rechtskräftig verurteilt, riskiert der Gläubiger gar, dass ihm ein rechtskräftiger Zahlungstitel im Wege der Vollstreckungsgegenklage wieder entwunden wird.84 Anders beurteilt sich die Rechtslage bei der akzessorischen Gesellschafterhaftung. Dem vor Verjährung der Gesellschaftsschuld in Anspruch genommenen Gesellschafter ist die Berufung auf die Verjährung der Gesellschaftsschuld verwehrt. Die Regelung des § 129 Abs. 1 HGB85 ist für diesen Fall einschränkend auszulegen, so dass die Verjährung der Haftung des Gesellschafters für eine Gesellschaftsschuld schon durch Klage gegen den Gesellschafter unterbrochen wird. Man mag darin einen Widerspruch bei der Behandlung im Kern gleichgelagerter Sachverhalte erkennen,86 aber sowohl der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Senat87 als auch der X. Senat88 des BGH propagieren an dieser Stelle eine unterschiedliche Behandlung von Bürgschafts- und gesetzlicher Gesellschafterhaftung und erteilen der Übertragung der Rechtsprechung zur Gesellschafterhaftung auf das Bürgschaftsrecht ausdrücklich eine Absage.89 Diese Beschränkung des in § 129 Abs. 1 HGB zum Ausdruck kommenden Grundsatzes der prinzipiellen Übereinstimmung von Gesellschaftsschuld und Gesellschafterhaftung rechtfertige sich durch die Schutzwürdigkeit des Gläubigers und der Gleichwertigkeit der (unmittelbar) persönlichen Gesellschafterhaftung neben der Haftung des Gesellschaftsvermögens. Der Gläubiger habe es in der Hand, von vornherein nur den Gesellschafter in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht aber würde entscheidend geschmälert, wenn der Gläubiger stets auch gegen die Gesellschaft gerichtlich vorgehen müsste, um auf einen Gesellschafter zurückgreifen zu können.90 Bereits dieser unterschiedlich gewährte Schutz des Gläubigerwahlrechts zeigt, wie wenig Identität der gesicherten Gesellschaftsverbindlichkeit und 83 BGHZ 139, 214 (216 ff.) unter Bestätigung von BGHZ 76, 222 (225); MünchKomm/Habersack, BGB, § 768 Rz. 5; Staudinger/Horn, BGB, § 768 Rz. 13; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rz. 237; Habersack, WuB I F 1 a – 18.98. 84 BGH ZIP 1999, 19 (20 f.); Jauernig/Stadler, BGB, § 768 Rz. 6; Palandt/ Sprau, BGB, § 768 Rz. 6; Reinicke/Tiedtke, Kreditsicherung, Rz. 238. 85 Zum § 129 Abs. 1 HGB als Ausdruck der Akzessorität der Gesellschafterhaftung ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 II 3 c. 86 Lindacher, Festschrift für Gerhardt, 587 ff.; Lieb, Festschrift für Lüderitz, 455 ff. Habersack, WuB I F 1 a – 19.98. erkennt anders als Lieb und Lindacher die Rechtsprechung zur Gesellschafter- und nicht zur Bürgenhaftung für falsch hält. 87 BGH ZIP 1981, 861 (862). 88 BGHZ 104, 76 (78 f.) unter maßgeblicher Berufung auf BGH ZIP 1981, 861 (862). Zu BGHZ 104, 76 vgl. Fleck, EWiR 1988, 689. 89 Zu den Unterschieden von Bürgschafts- und gesetzlicher Gesellschafterhaftung vgl. BGHZ 139, 214 (216 ff.).

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rechtliches Schicksal des Haftungsanspruchs einander bedingen. Diese Identität beschränkt sich vielmehr auf das der jeweiligen Haftungsforderung zugrunde liegende materielle Interesse und meint damit keinesfalls eine rechtliche Identität, vermöge derer miteinander konkurrierende Haftungsansprüche insolvenzrechtlich als eine Forderung behandelt werden könnten.91 (b) Sicherungszweck der Parallelbürgschaft Der Versuch, die wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten auf die Umgehung des § 93 InsO zu reduzieren, kollidiert ferner mit dem Sicherungszweck der Bürgschaft. Dieser besteht grundsätzlich in der Schaffung zusätzlicher Haftungsmasse, indem sich der Bürge dem Gläubiger des Hauptschuldners gegenüber vertragsmäßig verpflichtet, dessen Verbindlichkeit zu erfüllen, wenn die anderweitige Erfüllung dieser Verbindlichkeit unterbleibt.92 Auf die bloße Begründung einer weiteren Befriedigungsmöglichkeit kann es für die Parallelbürgschaft aber nicht ankommen. Dieser Zweck ist bereits durch die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter erreicht. Aus dem Grund wird im Schrifttum auch vertreten, der Sicherungszweck der Bürgschaft ließe sich nicht gegen die Ausweitung des § 93 InsO anführen.93 Es gehe schließlich nicht im Allgemeinen um den Sicherungszweck und die Werthaltigkeit eines zusätzlichen Haftungsanspruchs gegen einen beliebigen Dritten in der Insolvenz des Hauptschuldners, sondern um die spezielle Frage, ob diejenige individuelle Haftung eines Gesellschafters werthaltig sein soll, die mit der nach § 93 InsO der Insolvenzmasse zuzuordnenden gesellschaftsrechtlichen Haftung in Anspruchskonkurrenz stehe.94 Diese Argumentation aber greift für die Beurteilung des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks zu kurz. Sie beschränkt den Begriff der Sicherheit und damit den Sicherungszweck der Bürgschaft auf die Schaffung neuer Haftungsmasse. Sicher hat die Bürgschaft in erster Linie die Funktion, mit der persönlichen Einstandspflicht des Bürgen zusätzliche Haftungsmasse zu schaffen. Es besteht aber 90 BGHZ 104, 76 (79 ff.). Diese Schutzwürdigkeit lässt sich nach Lieb, Festschrift für Lüderitz, 455 (458) auch für den Gläubiger einer selbstschuldnerischen Bürgschaft rechtfertigen. 91 So aber ausdrücklich Oepen, Rz. 272. 92 Motive zu dem Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches II, S. 659. 93 Bunke, NZI 2002, 591 (593). Anders BGHZ 151, 145 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). 94 Bunke, NZI 2002, 591 (593) erkennt hierin und in einer vergleichbaren Argumentation des LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783) das Vorliegen einer petitio principii.

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gleichwohl weder ein Bedürfnis noch eine Rechtfertigung dafür, den Begriff der Sicherheit und damit den Sicherungszweck der Bürgschaft hierauf zu beschränken. Der Begriff der Sicherheit ist im Gesetz nicht definiert. Nach Ansicht des RG ist der Begriff der Sicherheit „kein eindeutig technischer Rechtsbegriff, sondern ein allerdings der Rechtssprache angehörender Ausdruck, mit dem auf einen der Verwirklichung in mannigfacher Weise zugänglichen Zweck oder Erfolg hingewiesen wird“.95 Im Begriff der Sicherheit ist damit gewiss keine Einschränkung angelegt. Auch der Sicherungszweck der Bürgschaft gibt keinen Anlass, den Begriff der Sicherheit auf die Schaffung neuer Haftungsmasse zu begrenzen. Die Bürgschaft soll den Gläubiger ganz allgemein vor dem Risiko der Nichterfüllung der Hauptschuld schützen.96 Dies kann sie auch dann, wenn der Bürge schon aufgrund seiner Gesellschafterstellung unbeschränkt haftet. Denn es sind Situationen denkbar, in denen nur die bürgschaftsrechtliche und nicht die gesellschaftsrechtliche Haftung eine Inanspruchnahme ermöglicht.97 Die Sicherungsfunktion einer Haftungsübernahme bestimmt sich daher durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme im konkreten Einzelfall. Abzustellen ist daher auf die Befriedigungsvorteile im Einzelnen und nicht allein darauf, ob durch die zusätzliche Haftungsübernahme neue Haftungsmasse geschaffen wird. Für die Übernahme einer Parallelbürgschaft zeigen sich Befriedigungsvorteile gegenüber der gesetzlichen Gesellschafterhaftung im Fortbestand der Bürgenhaftung nach Bestätigung eines Insolvenzplans (§ 254 Abs. 2 Satz 1 InsO) und bei der Möglichkeit einer Inanspruchnahme des Bürgen ungeachtet besonderer Verjährungs- und Nachhaftungsbestimmungen (§§ 159, 160 HGB). Dass die Rechte eines Insolvenzgläubigers gegen einen Bürgen anders als gegen den persönlich haftenden Gesellschafter durch den Abschluss eines Insolvenzplans unberührt bleiben, geht zurück auf das bislang geltende Konkurs- und Vergleichsrecht.98 Dort sahen die § 193 Satz 2 KO, § 82 Abs. 2 VerglO vor, dass die Rechte der Insolvenzgläubiger gegen Bürgen des Schuldners durch den Abschluss eines (Zwangs-)Vergleichs über das 95

RGZ 142, 320. Vgl. auch Leiser, S. 284 f. Staudinger/Horn, BGB, vor §§ 765 ff. Rz. 2. 97 Dies gilt im Übrigen auch umgekehrt. Die Rechtsprechung des BGH zu der oben 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb) (3) (a) auf den S. 126 ff. skizzierten verjährungsrechtlichen Problematik belegt die gegenüber der Bürgschaft bestehenden Befriedigungsvorteile der gesetzlichen Haftung aus § 128 Satz 1 HGB. 98 Diese Befriedigungsvorteile werden von Bork gänzlich geleugnet. Nach dessen Ansicht hat die Bürgschaft nur den Zweck, in der Insolvenz der Gesellschaft die Sperrwirkung des § 93 InsO auszuhebeln, vgl. Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (107). 96

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Vermögen des Schuldners nicht berührt werden. Zweifel an der Anwendung dieser Vorschriften auch auf die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters wurden von keiner Seite geäußert.99 Von der Vergleichswirkung erfasst war hingegen die persönliche Gesellschafterhaftung (§ 211 Abs. 2 KO, 109 Nr. 3 VerglO). Ohne diese Sonderregelungen würde der Gesellschafter trotz eines Zwangsvergleichs über das Vermögen der Gesellschaft in voller Höhe nach § 128 Satz 1 HGB weiter haften100 und die durch den Zwangsvergleich erstrebte Weiterführung des Unternehmens durch den unbeschränkt haftenden Gesellschafter würde vereitelt.101 Denn die Sanierung der Gesellschaft ist letztlich nicht ohne die Sanierung der Gesellschafter möglich. Diese Rechtslage wollte der Gesetzgeber der Insolvenzordnung mit den §§ 227 Abs. 2 und 254 Abs. 2 Satz 1 InsO für das einheitliche Insolvenzverfahren übernehmen.102 Vor dem Hintergrund dieser Entstehungsgeschichte entspricht es auch unter Geltung der Insolvenzordnung ganz herrschender Meinung, § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO nicht nur auf die Bürgschaft eines beliebigen Dritten, sondern auch auf die Parallelbürgschaft anzuwenden.103 Wird nunmehr vereinzelt unter Berufung auf den Umgehungsschutz eine entsprechende Anwendung des § 227 Abs. 2 InsO vertreten,104 so übersieht dies nicht nur diese eindeutige Entstehungsgeschichte, sondern auch, dass dem Umgehungsvorwurf eine unzulässige Sachverhaltsbeurteilung zugrunde liegt.105 Neben diese im Insolvenzplanverfahren bestehenden Befriedigungsvorteile treten weitere Gründe für die zusätzliche Bürgenverpflichtung eines bereits unbeschränkt haftenden Gesellschafters. Anders als der Fortbestand der Bürgenhaftung nach Insolvenzplanbestätigung ergeben sich diese wei99 RGZ 139, 252; BGH NJW 1959, 229; BGH ZIP 1986, 1240 (1241); BGH NJW 1987, 1893 f.; LG Kempten KTS 1977, 194; Bley/Mohrbutter, VerglO, §§ 82 Anm. 20, 109 Anm. 21; Jaeger/Weber, KO, § 211 Rz. 3; Jaeger/Weber, KO, § 193 Rz. 18; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, § 193 KO Anm. 4 a, § 211 KO Anm. 3, § 82 VerglO Anm. 5, § 109 VerglO Anm. 5 a; Kuhn/Uhlenbruck, KO, § 193 Rz. 9 a, § 211 Rz. 4 c. Erörtert wurde allein die materielle Wirksamkeit der Bürgschaft eines persönlich haftenden Gesellschafters, vgl. hierzu Oepen, Rz. 304. 100 BGH NJW 1974, 147 (148). 101 RGZ 150, 163 (170). 102 Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 12/2443, S. 202 und S. 213. 103 Brinkmann, S. 157 f.; Müller, S. 415, 417; HK/Flessner, InsO, § 227 Rz. 6; Kübler/Prütting/Noack, Gesellschaftsrecht, Rz. 537; MünchKomm-Brandes, InsO, § 93 Rz. 41; MünchKomm/Huber, InsO, § 227 Rz. 12; § 254 Rz. 26; Uhlenbruck/ Lüer, InsO, § 227 Rz. 9; § 254 Rz. 16; Brinkmann, ZGR 2003, 264 (276); Bunke, NZI 2002, 591 (593); Eidenmüller, ZGR 2001, 680 (683); Huber, LMK 2003, 119 (120); Müller, KTS 2002, 209 (247). 104 Kesseler, ZIP 2002, 1974 (1977). 105 Siehe oben E. I. 2. b) aa).

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teren Gründe nicht aus der Insolvenzordnung, sondern aus dem Handelsgesetzbuch.106 In dessen sechsten Titel finden sich mit den §§ 159, 160 HGB Sondervorschriften für die Verjährung und die zeitliche Begrenzung der Haftung nach § 128 Satz 1 HGB. Die Regelung des § 159 Abs. 1 HGB bestimmt eine Sonderverjährung für die Ansprüche gegen einen Gesellschafter nach Auflösung der Gesellschaft.107 Hiernach verjährt ein Anspruch gemäß § 128 Satz 1 HGB in fünf Jahren nach Auflösung der Gesellschaft, sofern nicht der Anspruch gegen die Gesellschaft einer kürzeren Verjährung unterliegt. Von größerer praktischer Bedeutung dürfte die zeitliche Begrenzung der Nachhaftung des ausgeschiedenen persönlich haftenden Gesellschafters sein. Denn nach § 160 Abs. 1 HGB haftet der Gesellschafter für die bis zu seinem Austritt aus der Gesellschaft begründeten Verbindlichkeiten nach § 160 Abs. 1 HGB nur noch, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig und daraus Ansprüche gegen ihn gerichtlich geltend gemacht sind. Die §§ 765 ff. BGB kennen weder eine solche Ausschlussfrist108 noch eine mit der Auflösung einer hauptschuldnerischen Gesellschaft einsetzende Verjährung der Bürgenhaftung. Auch werden die §§ 159, 160 HGB auf die Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters nicht entsprechend angewandt.109 Nach Auflösung der Gesellschaft oder Ausscheiden eines Gesellschafters ist damit eine Inanspruchnahme des persönlich haftenden Gesellschafters ohne zeitliche Begrenzung nur aus der Bürgschaft möglich. Damit zielt die zusätzliche Übernahme einer Bürgschaft nicht allein auf die Umgehung der Wirkungen des § 93 InsO. Durch diese Befriedigungsvorteile nach Bestätigung eines Insolvenzplans, nach Auflösung der Gesellschaft sowie nach Ausscheiden des Gesellschafters aus der Gesellschaft verstärkt das parallele Bürgschaftsversprechen vielmehr die gesetzliche Gesellschafterhaftung. Endgültige Klarheit über diese ergänzende Sicherheitsfunktion schafft eine weitere, bislang unberücksichtigt gebliebene Überlegung. Die Problematik paralleler Sicherheiten wird in Literatur und Rechtsprechung mit 106

BGH ZIP 1986, 1240 (1241). Zu dieser Sonderverjährung vgl. Baumbach/Hopt, HGB, § 159 Rz. 3. 108 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass bei Ausscheiden des bürgenden Gesellschafters eine außerordentliche Kündigung der für unbestimmte Zeit übernommenen Bürgschaft denkbar ist. Denn eine solche Kündigung beschränkt das Haftungsvolumen auf den Kündigungszeitpunkt und begrenzt nicht etwa die bestehende Haftung. Vgl. hierzu BGH ZIP 1999, 877; Staudinger/Horn, BGB, § 765 Rz. 53, 116, 230; Zwade, GmbHR 2003, 141 (145). Überdies ist im Interesse des Gläubigers eine angemessene Kündigungsfrist zu beachten, vgl. BGH WM 1985, 1059. 109 Baumbach/Hopt. HGB, §§ 128 Rz. 7, 159 Rz. 4, 160 Rz. 2. 107

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großer Selbstverständlichkeit stets am Beispiel einer einfachen Bürgschaft erörtert. Hierbei konkurrieren gesellschaftsrechtliche und rechtsgeschäftliche Verpflichtung, für die Verbindlichkeit eines Dritten einzustehen. Geht man aber einmal davon aus, dass es sich bei der zusätzlichen Bürgschaft – wie in der Praxis üblich – um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt, so zeigt sich ein weiterer Befriedigungsvorteil, vermöge dessen die zusätzliche Bürgschaftsübernahme als ergänzendes Sicherungsinstrument und nicht als Umgehungsvereinbarung verstanden werden muss. Eine Bürgschaft auf erstes Anfordern begründet die weitergehende Verpflichtung des Bürgen, auf einfaches Verlangen des Gläubigers unter einstweiligem Verzicht auf Einwendungen sofort zu leisten.110 Der Bürge muss folglich unverzüglich zahlen, ohne aufgrund des Hauptschuldverhältnisses Einreden oder Einwendungen erheben oder die Aufrechnung erklären zu können.111 Die Zahlungspflicht des Bürgen entfällt nur ausnahmsweise bei offensichtlichem Rechtsmissbrauch oder wenn sich die Bürgschaft nicht auf den Anspruch bezieht, den der Gläubiger geltend macht.112 Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern wird somit dem Gläubiger ein rascher Zugriff auf die Bürgschaftssumme ermöglicht. Die Geltendmachung von Einwendungen bleibt anders als bei der einfachen Bürgschaft und anders als bei der gesetzlichen Gesellschafterhaftung einem späteren Rückforderungsprozess vorbehalten. Diese Möglichkeit einer den Gläubiger besonders privilegierenden Form der Bürgschaftsverpflichtung ist ein weiterer Befriedigungsvorteil der Parallelbürgschaft gegenüber der gesetzlichen Gesellschafterhaftung. Neben den bereits genannten Befriedigungsvorteilen gebietet es damit auch das berechtigte Interesse eines Gläubigers an der Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, in der persönlichen Schuldverpflichtung des persönlich haftenden Gesellschafters ein Sicherungsinstrument zu erkennen. Dieser zumindest ergänzende Sicherungszweck verbietet es, die wirtschaftliche Bedeutung paralleler Sicherheiten auf eine Umgehung des § 93 InsO zu reduzieren.

110 BGH NJW 1999, 2361 (2362); BGH NJW 1997, 255; BGH NJW 1996, 717; Dieckmann, DZWIR 2003, 178 ff.; Kupisch, WM 2002, 1626 (1627); Marx, DZWIR 2003, 312 (313). 111 Weber, S. 74 m. w. N. 112 So zuletzt entschieden für die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern im Fall einer masseunzulänglichen Insolvenz des Gläubigers, vgl. BGH DZWIR 2003, 195 und Marx, DZWIR 2003, 312. Zur Rechtsmissbräuchlichkeit siehe ferner: BGH ZIP 2002, 658 (659) m. w. N.

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(4) Ergebnis Die wirtschaftliche Bedeutung der Parallelbürgschaft besteht nicht in der Umgehung des § 93 InsO. Der Vorwurf der Gesetzesumgehung korrigiert nicht den durch die Gesamtberechtigung der Gläubiger begrenzten Normzweck des § 93 InsO. Die Bürgschaft eines bereits unbeschränkt haftenden Gesellschafters verstärkt vielmehr die Haftung aus § 128 Satz 1 HGB und stellt ein zumindest ergänzendes Sicherungsinstrument dar.

II. Stellung als Privatgläubiger des Gesellschafters Diese Begrenzung des Normzwecks legt auch der Vergleich des Bürgschaftsgläubigers mit der für einen Privatgläubiger des Gesellschafters typischen Gläubigerposition nahe.113 Privatgläubiger des Gesellschafters sind vom Geltungsbereich der Vorschrift nicht erfasst. Ihre gleichmäßige Befriedigung ist einem eigenständigen Insolvenzverfahren über das Vermögen des Gesellschafters vorbehalten. Dass auch der Bürgschaftsgläubiger ein reiner Privatgläubiger des Gesellschafters ist, wird von der herrschenden Meinung vielfach als selbstverständlich vorausgesetzt und daher nur unzureichend begründet.114 Den Befürwortern einer Anwendung des § 93 InsO fällt es hingegen schwer, die vom Gesellschafter übernommene Bürgschaft als dessen Privatverbindlichkeit anzuerkennen. Gestützt werden diese Bedenken auf einen engen Bezug der Bürgschaft zur gesicherten Gesellschaftsverbindlichkeit und die Überlegung, dass der Gesellschafter ganz offensichtlich nur aufgrund seiner Beteiligung an der hauptschuldnerischen Gesellschaft bürge.115 Dass es hierauf aber nicht ankommen kann, ergibt sich aus der für einen Privatgläubiger des Gesellschafters typischen Rechtsstellung: Hat beispielsweise der Gläubiger einer Kaufpreisforderung gegen den Gesellschafter keine Rechtsbeziehung zur Gesellschaft, welcher der Gesellschafter ange113 So ausdrücklich Braun/Kroth, InsO, § 93 Rz. 9; Breutigam/Blersch/Goetsch/ Blersch, InsO, § 93 Rz. 7; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 f.; Fuchs, ZIP 2000, 1089. 114 LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783); Breutigam/Blersch/Goetsch/Blersch, InsO, § 93; Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18 f.; Fuchs, ZIP 2000, 1089. Fuchs sieht eine konkurrierende Bürgenverpflichtung deswegen nicht von § 93 InsO erfasst, weil diese Vorschrift eine Verbindlichkeit der Gesellschaft verlange, so dass persönliche Verbindlichkeiten des Gesellschafters vom Anwendungsbereich der Norm ausgeschlossen sind. Insoweit gelte nichts anderes als für die persönlichen Gläubiger des Gesellschafters. Ebenso Lüke. Vgl. hierzu auch die auf der Wortlautebene geführte Diskussion auf S. 3. Kapitel, C. I. 1. 115 Kesseler, ZInsO 2002, 549 (552).

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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hört, so handelt es sich zweifelsohne um einen Privatgläubiger. Gleiches gilt aber auch dann, wenn dieser Kaufpreisgläubiger des Gesellschafters aus einer anderen Forderung auch der Gesellschaft gegenüber zu fordern berechtigt ist. Denn die Rechtsstellung als Privatgläubiger definiert sich nicht darüber, ob der Gläubiger des Gesellschafters zufällig auch Inhaber einer Forderung gegen die Gesellschaft ist.116 Die Stellung als Privatgläubiger des Gesellschafters bestimmt sich damit nicht durch Blick auf die Person des Gläubigers, sondern auf die zugrunde liegende Forderung.117 Dies erkennt auch das LG Bayreuth in seiner Entscheidung zur Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft. Jedoch gelangt das Gericht zu einer irreführenden Feststellung.118 Es stellt zwar zunächst zutreffend auf die zugrunde liegende Forderung ab, zieht aber dann die falschen Schlüsse: Es lehnt die Einbeziehung der Parallelbürgschaft ab, weil es sich bei der Forderung aus der Bürgschaft nicht gleichzeitig um eine Forderung gegen die Gesellschaft handelt.119 Eine Forderung ist der gegen eine bestimmte Person auf eine bestimmte Leistung gerichtete Anspruch des Gläubigers. Die Kehrseite dieses Anspruchs ist die Leistungspflicht des Schuldners. Diese Rechtswirkungen beschränken sich auf die am Schuldverhältnis Beteiligten.120 Es ist mithin eine Selbstverständlichkeit, dass es sich bei der Bürgschaft des Gesellschafters für eine Gesellschaftsverbindlichkeit nicht um eine Forderung gegen die Gesellschaft handelt. Nicht einmal, wenn mehrere Personen als Gesamtschuldner eine Leistung in der Weise schulden, dass jeder die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet, der Gläubiger aber die Leistung nur einmal zu fordern berechtigt ist (§ 421 BGB), liegen zwei selbständige Forderungsbeziehungen vor. Damit ist eine Forderung gegen einen Schuldner nicht einmal bei Identität des der Verpflichtung zugrunde liegenden Leistungsinhalts auch zugleich eine Forderung gegen einen anderen Schuldner.121 Sollte es sich immer schon dann um einen Privatgläubiger handeln, wenn die gegen einen Gesellschafter gerichtete Forderung nicht auch eine Forde116

Hierzu auch Fuchs, ZIP 2000, 1089; Kesseler, ZInsO 2002, 549 (552). LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783); Kesseler, ZInsO 2002, 549 (552). 118 LG Bayreuth ZIP 2001, 1782. Das LG Bayreuth sucht als einziges Gericht die Auseinandersetzung mit dieser in den Gesetzesmaterialien zu findenden Formulierung. 119 LG Bayreuth ZIP 2001, 1782 (1783). 120 Jauernig/Vollkommer, BGB, § 241 Rz. 4. 121 Dass sich die Leistungsinhalte decken ist dabei für die Annahme eines Gesamtschuldverhältnisses nicht einmal erforderlich. Ausreichend erscheint die Identität des Leistungsinteresses, vgl. BGHZ 43, 232. 117

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

rung gegen die Gesellschaft ist, fällt diesem Erfordernis auch die unstreitig von § 93 InsO erfasste Forderung nach § 128 Satz 1 HGB zum Opfer. Denn auch bei dieser handelt es sich allein um eine Forderung gegen den Gesellschafter und nicht etwa auch gegen die Gesellschaft.122 Entscheidend für die Rechtsstellung als Privatgläubiger einerseits und als Gesellschaftsgläubiger andererseits ist vielmehr ganz allein die rechtliche Bedeutung der Gesellschafterstellung. Setzt die Inanspruchnahme des Gesellschafters dessen Gesellschafterstellung in rechtlicher Hinsicht voraus, so kann es sich schlechterdings nicht um einen privaten Gläubiger des Gesellschafters handeln. Verbürgt sich ein unbeschränkt haftender Gesellschafter für eine Gesellschaftsverbindlichkeit, so ist die Gesellschafterstellung des Bürgen aber keine rechtliche Voraussetzung für eine Inanspruchnahme des Bürgen. Zwar kommt es zweifelsohne nur wegen der Gesellschafterstellung zur Bürgschaftsübernahme. Dies aber betrifft allein die Motivation und begründet keinesfalls eine Haftung als Gesellschafter. Rechtliche Voraussetzung ist die Gesellschafterstellung allein für die gesetzliche Haftung (§ 128 Satz 1 HGB). Nur dieser Haftungsanspruch begründet die Rechtsstellung als Gesellschaftsgläubiger einerseits und die Inanspruchnahme als Gesellschafter andererseits. Die zusätzliche Bürgschaftsübernahme hingegen findet ihren Rechtsgrund allein in der persönlichen Schuldverpflichtung des Bürgen und nicht in dessen Eigenschaft als persönlich haftender Gesellschafter. Der Gesellschaftsbezug betrifft allein die zugrunde liegende Motivation und verleiht damit dem Bürgschaftsgläubiger keine Stellung als Gesellschaftsgläubiger. Ebenso unbeachtlich ist der Umstand, dass sich rechtsgeschäftliche Bürgen- und gesetzliche Gesellschafterhaftung in ihren wesentlichen Zügen gleichen.123 Denn für die Stellung als Privatgläubiger kommt es allein auf die Haftungsbegründung an und diese erfolgt bei der Bürgschaft anders als bei der Haftung aus § 128 Satz 1 HGB nicht durch Gesetz, sondern durch persönliche Schuldverpflichtung. Verspricht ein persönlich haftender Gesellschafter für die Schulden seiner Gesellschaft zusätzlich eine Bürgschaft, so ist auch er als eine am Hauptschuldner beteiligte Person in rechtlicher Hinsicht lediglich Dritter. 122 Zur „Nichtidentität der Haftungsverbindlichkeit mit der Gesellschaftsschuld“ ausführlich K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 49 II. Vgl. hierzu ebenso Flume, in: Festschrift für Knur, 125 (128 ff.). 123 Bork, NZI 2002, 362 (365). Zur bürgenähnlichen Haftung des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft vgl. BGHZ 47, 376 (379); Staudinger/Horn, BGB, § 765 Rz. 111 m. w. N. und Habersack, AcP 198 (1998), 152 (154ff.). Hinzuweisen ist an dieser Stelle auf die verfehlte Auseinandersetzung von Breutigam/ Blersch/Goetsch/Blersch, InsO, § 93 Rz. 7: „Während § 128 Satz 1 HGB Ansprüche gegen den Gesellschafter begründet, denen aufgrund der akzessorischen Gesellschafterhaftung Gesellschaftsverbindlichkeiten zugrunde liegen, lässt eine isolierte Bürgschaftsverpflichtung solche Gesellschaftsverbindlichkeiten gerade vermissen.“

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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Auswirkungen der Gesellschafterstellung des Bürgen beschränken sich auf das Innenverhältnis zwischen mehreren Bürgen. Haben sich etwa für die Verbindlichkeit einer offenen Handelsgesellschaft sowohl ein beliebiger Dritter als auch einer ihrer persönlich haftenden Gesellschafter verbürgt, so hat der aus der Bürgschaft in Anspruch genommene Gesellschafter im Regelfall keinen Rückgriffsanspruch aus der Mitbürgschaft gegen den Dritten. Im umgekehrten Fall einer Inanspruchnahme des Dritten besteht hingegen ein Ausgleichsanspruch gegen den Gesellschafter auf Befreiung wegen der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft.124 Die Ausgleichspflicht des bürgenden Dritten verneint der BGH mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis. Denn auf das Verhältnis der Gesellschafter zueinander habe die zusätzliche Übernahme einer Bürgschaft keinen Einfluss. Ein etwaiger Ausgleichsanspruch richte sich daher bei einer Inanspruchnahme des Gesellschafters aus der Bürgschaft in gleicher Weise wie bei einer Inanspruchnahme nach § 128 Satz 1 HGB nach dem Gesellschaftsverhältnis. Ist also neben persönlich haftenden Gesellschaftern als Bürgen auch ein Nichtgesellschafter Bürge, so lege die Auslegung nahe, dass er im Innenverhältnis der Bürgen freigestellt sein solle.125 Dieser Umgang mit der im Innenverhältnis bestehenden Ausgleichspflicht mehrerer Bürgen (§§ 769, 462 Abs. 2 BGB) folgt aus der Möglichkeit einer privatautonomen Vereinbarung der Bürgen untereinander (§ 426 Abs. 2 BGB) und ändert nichts daran, dass der aus der Bürgschaft in Anspruch genommene Gesellschafter im Außenverhältnis Dritter ist. Für diese im Außenverhältnis betroffene Rechtsstellung des gesicherten Bürgschaftsgläubigers macht es mithin keinen Unterschied, ob der Bürge eine beliebige Person oder ein am Hauptschuldner beteiligter Gesellschafter ist. Es muss daher akzeptiert werden, dass in gleicher Weise wie bei anderen Gesellschaftsformen auch der persönlich haftende Gesellschafter seiner Gesellschaft als Dritter gegenüberstehen kann.126 Der aus einer Parallelbürgschaft berechtigte Gläubiger ist mithin ein Privatgläubiger des Gesellschafters. Privatgläubiger aber sind vom Normzweck des § 93 InsO nicht erfasst. Deren gleichmäßige Befriedigung ist der Eröffnung eines eigenständigen Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters vorbehalten.

124 BGH Urt. v. 26.1.1959 – II ZR 221/57, LM § 774 BGB Nr. 3 = MDR 1959, 277 f.; Baumbach/Hopt, HGB, § 128 Rz. 7; Schlegelberger/K. Schmidt, § 128 Rz. 84; Staudinger/Horn, BGB, § 774 Rz. 22. 125 Staudinger/Horn, BGB, § 765 Rz. 114; Tiedtke, EWiR 1986, 673. 126 Baumbach/Hopt, HGB, § 124 Rz. 52 und § 128 Rz. 24.

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

III. Berücksichtigung des Ausnahmecharakters des § 93 InsO Unterstützt wird diese Bewertung der Teleologie durch den Ausnahmecharakter des § 93 InsO. 1. Ausnahmecharakter des § 93 InsO Die Regelung des § 93 InsO macht die Ablösung des Prioritätsprinzips durch die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung von einem anderen Ereignis als der Insolvenz des Vermögensträgers abhängig. Sie ist damit nicht nur Ausdruck – wie vielfach für die Ausweitung der Vorschrift angeführt wird –, sondern in erster Linie Ausnahme von der Zielbestimmung des § 1 Satz 1 InsO. Die teleologische Auslegung des § 93 InsO muss diesen Ausnahmecharakter berücksichtigen. Denn die sachliche Rechtfertigung, mit § 93 InsO eine Ausnahme von § 1 Satz 1 InsO machen zu können, betrifft die Teleologie des Gesetzes unmittelbar. 2. Berücksichtigung bei der Auslegung Der Ausnahmecharakter des § 93 InsO rechtfertigt sich aus der Perspektive der Gesellschaftsgläubiger des Gesellschafters.127 Denn soweit die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft sämtliche Gläubiger einer insolventen Gesellschaft gleichermaßen berechtigt, verlagert sich der Wettlauf um die Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen auf das insolvenzfreie Vermögen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters. Die Vorschrift zielt damit darauf, die Gleichbehandlung in der Insolvenz des Gesellschafters vorgreiflich sicherzustellen.128 Sie will hingegen nicht die Aufgaben eines Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftervermögen vorwegnehmen und zwischen allen Gläubigern des Gesellschafters Gleichbehandlung herstellen. Entscheidend ist damit nicht das scheinbar uferlose Gebot der Gläubigergleichbehandlung, sondern die sachliche Rechtfertigung für die Ausweitung dieses Grundsatzes auf schuldnerfremdes Vermögen durch die Gesamtberechtigung der Gläubiger der Gesellschaft. Da diese nur bei der gesetzlichen Gesellschafterhaftung besteht, wird der Normzweck des § 93 InsO durch diese den Ausnahmecharakter der Vorschrift rechtfertigende Gesamtberechtigung der Gläubiger unüberwindbar begrenzt. Eine Ausweitung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft bedeutet eine Korrektur dieses Erfor127 128

Siehe oben 1. Kapitel, D. I. 3. a). Siehe oben 1. Kapitel, D. I. 3. b).

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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dernisses der Gesamtberechtigung und übersteigt damit die Grenze dessen, was mit der grundsätzlichen Ablösung des Prioritätsprinzips durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vereinbar ist. Wird dem die weitergehende Verwirklichung des Gleichbehandlungsgrundsatzes entgegengehalten, so strapaziert dies diesen insolvenzrechtlichen Grundsatz über Gebühr. Allein die Einführung einer zwangsläufigen Eröffnung eines Simultaninsolvenzverfahrens über das Vermögen des Gesellschafters könnte der aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung für wünschenswert erachteten Einbeziehung konkurrierender Haftungsansprüche Rechnung tragen. Bekannt ist dieses Prinzip der zwangsläufigen Doppelinsolvenz von Gesellschaft und unbeschränkt haftendem Gesellschafter aus der PreußKO 1855. Diese bestimmte in ihrem § 287 Abs. 2 die Ablösung des Prioritätsprinzips auch in Bezug auf das Gesellschaftervermögen durch die Insolvenz der Gesellschaft. Die Einführung einer solchen Haftungsabwicklung wäre aber kaum vereinbar mit den in der Insolvenzordnung getroffenen Wertungen und Grundprinzipien.129 So hatte bereits der Gesetzgeber der Konkursordnung die zwangsläufige Eröffnung eines Simultaninsolvenzverfahrens über das Vermögen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters aus guten Gründen nicht aus der PreußKO 1855 übernommen.130 Für das geltende Insolvenzrecht bleibt der Grundsatz festzuhalten, dass die Gläubiger eines insolventen Schuldners nur soweit gleichmäßig zu befriedigen sind, wie es um ihre Befriedigung aus dem Vermögen des Insolvenzschuldners selbst geht (§ 1 Satz 1 InsO). Eine mit Rücksicht auf die Interessen der Gesellschaftsgläubiger gerechtfertigte Ausnahme hiervon macht § 93 InsO für die unbeschränkte gesetzliche Gesellschafterhaftung.

IV. Funktionsuntauglichkeit der Haftungsabwicklung nach § 93 InsO? Kann der Insolvenzverwalter der Gesellschaft – dem bislang für zutreffend erachteten Normzweckverständnis entsprechend – nur die gesetzlichen Haftung, nicht aber konkurrierende Mithaftungsansprüche geltend machen, hat dies beträchtliche Auswirkungen auf die Haftungsabwicklung nach § 93 InsO. Bitter spricht gar von einer Funktionsuntauglichkeit des § 93 InsO131. Dieser Gedanke wirft zwei Fragen auf: (i) ist die Haftungsabwicklung nach 129

K. Schmidt, Einhundert Jahre Konkursordnung, 247 (267). Vgl. hierzu Begründung des Entwurfs zu §§ 198, 201 KO, in: Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S. 449 f. sowie Brinkmann, S. 98. 131 Bitter, WuB VI C. § 93 InsO 1.02; ders., ZInsO 2002, 557 (559 ff.); ders., ZIP 2000, 1077 (1082 ff.). 130

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

§ 93 InsO tatsächlich funktionsuntauglich und (ii) beeinflusst die mögliche Funktionsuntauglichkeit die teleologische Auslegung? 1. Problemstellung Im Kern geht es um die Gefahr einer insolvenzrechtlich unzulässigen Doppelanmeldung (§ 44 InsO) durch den zusätzlich gesicherten Gläubiger. In der Insolvenz des Gesellschafters wird der Insolvenzverwalter der Gesellschaft den Anspruch aus § 128 Satz 1 HGB und der Gläubiger den Anspruch aus § 765 Abs. 1 BGB zur Tabelle anmelden. Auf diese Weise könnte der zusätzlich gesicherte Gläubiger bei gleichzeitiger Insolvenz von Gesellschaft und persönlich haftendem Gesellschafter doppelt berücksichtigt werden. Denn Inhalt der rechtlich selbständigen Haftungsansprüche ist ein und dieselbe Forderung, die lediglich auf zweierlei Weise abgesichert ist.132 Ob diese Gefahr doppelter Berücksichtigung überhaupt besteht und wie ihr – sollte sie bestehen – zu begegnen ist, wird unterschiedlich beurteilt133 und hängt von der Frage ab, in welchem Umfang der Insolvenzverwalter nach § 93 InsO die gesellschaftsrechtliche Haftung realisieren darf: kann er entweder (i) den vollen Betrag aller im Verfahren angemeldeter Insolvenzforderungen einziehen134 oder (ii) nur den Unterdeckungsbetrag geltend machen, der sich aus einer auf den Eröffnungsstichtag bezogenen Vermögensbilanz errechnet.135 a) Ausfallhaftungsmodell Letzteres entspricht dem von K. Schmidt vertretenen Ausfallhaftungsmodell. Hiernach ist das Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters nach § 93 InsO auf den am Eröffnungsstichtag bestehenden Ausfall beschränkt. Nur diese beschränkte Einziehungsbefugnis ermögliche die von § 93 InsO beabsichtigte Binnenliquidation, mit Hilfe derer die unbeschränkte Gesellschafterhaftung wie ein Verlustausgleich behandelt werden könne. Durch diese Verlegung des Ausfallprinzips in das Innenverhältnis habe der Gesetz132

Bitter, WuB VI C. § 93 InsO 1.02. Statt vieler vgl.: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1080 ff.). 134 Wissmann, Rz. 447 f.; MünchKomm/Lwowski/Bitter, InsO, § 44 Rz. 40; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 28 a. E.; Bitter, WuB VI C. § 93 InsO 1.02.; ders. in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 ff.); ders., ZInsO 2003, 557 (559 ff.); Theißen, ZIP 1998, 1625 (1628). 135 MünchKomm/K. Schmidt, HGB, § 128 Rz. 86 ff.; K. Schmidt, in: K. Schmidt/ Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085 ff.). 133

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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geber der Insolvenzordnung das in § 212 Abs. 1 KO enthaltene Ausfallprinzip nur rechtstechnisch, nicht aber inhaltlich beseitigt136. Mit der praktischen Konsequenz, dass sich nach dem Ausfallhaftungsmodell auch bei gleichzeitiger Insolvenz von Gesellschaft und persönlich haftendem Gesellschafter an der Haftungsabwicklung im Verhältnis von Gesellschaft und Gesellschafter nichts ändert: (i) Der Insolvenzverwalter meldet in der Insolvenz eines (jeden) Gesellschafters nur den auf den Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung berechneten Unterdeckungsbetrag an. (ii) Er braucht sich nicht darum zu kümmern, ob einzelne Gesellschaftsgläubiger im Insolvenzverfahren des Gesellschafters etwa auch Ansprüche aus einer Gesellschafterbürgschaft geltend gemacht haben und er infolgedessen analog § 44 InsO von einer Anmeldung des gesetzlichen Haftungsanspruchs ausgeschlossen sein könnte137. b) Vollanmeldungsmodell Ungeachtet der Praktikabilität dieses Ausfallhaftungsmodells ist das von Bitter138 entwickelte und wohl herrschend vertretene139 Abwicklungsmodell überzeugender. Es beruht auf der Prämisse, dass der Gesetzgeber der Insolvenzordnung das in § 212 Abs. 1 KO enthaltene Ausfallprinzip durch § 93 InsO eben nicht nur rechtstechnisch, sondern auch inhaltlich beseitigt hat. Insbesondere habe nicht § 93 InsO das Ausfallprinzip in das Innenverhältnis verlagert. Ein solches Verständnis überspanne die Regelungswirkung des § 93 InsO. Die unmittelbare (Außen-)Haftung des Gesellschafters in der Insolvenz der Gesellschaft wie einen Verlustausgleichsanspruch der Gesellschaft zu behandeln, hätte die Schaffung eines ausdrücklichen insolvenzrechtlichen Verlustausgleichsanspruchs erforderlich gemacht. Da dies aber nicht geschehen sei, komme eine Beschränkung der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters auf den Ausfall – de lege lata – nicht in Betracht140. In Abweichung von § 212 Abs. 1 KO greift damit das Doppelberücksichtigungsprinzip des § 43 InsO und der Insolvenzverwalter kann die Summe aller Gesellschaftsverbindlichkeiten gegen jeden unbeschränkt haf136

K. Schmidt, in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085 f.). Einer solchen (für den Insolvenzverwalter haftungsträchtigen) Prüfung bedarf es nach dem von Bitter vertretenen Vollanmeldungsmodell, vgl. unter b). 138 Bitter, WuB VI C. § 93 InsO 1.02; ders., ZInsO 2002, 557 (559 ff.); ders., ZIP 2000, 1077 (1082 ff.). 139 Wissmann, Rz. 447 f.; MünchKomm/Lwowski/Bitter, InsO, § 44 Rz. 40; Klinck, NZI 2004, 651 (654); v. Olshausen, ZIP 2003, 1321. 140 Bitter, in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1083). 137

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

tenden Gesellschafter geltend machen. Eine Beschränkung des Einziehungsrechts kann sich allein aus § 242 BGB ergeben: Da der Insolvenzverwalter nach dem Ende des Insolvenzverfahrens einen Überschuss an die Gesellschafter auszukehren hätte (§ 199 Abs. 2 InsO), ist es weder zweckmäßig noch erforderlich, vorher einen höheren Betrag von ihnen einzufordern (dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est).141 Eine weitergehende Beschränkung im Sinne des Ausfallhaftungsmodell ist damit nur de lege ferenda vertretbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den mit dem Vollanmeldungsmodell verbundenen praktischen Komplikationen: die fehlende Einschränkung führt zu einer aufgespalteten Einziehungsbefugnis; diese wiederum bringt die Gefahr einer Doppelanmeldung mit sich.142 Ganz gleich, wie man dieser Gefahr begegnet, erschwert ein uneingeschränktes Einziehungsrecht die Koordination und Abwicklung der Simultaninsolvenz.143 Folgt man Bitter und schließt den Insolvenzverwalter analog § 44 InsO von der Geltendmachung der gesetzlichen Haftung aus144, so muss sich der Insolvenzverwalter vor der Anmeldung der Gesellschaftsverbindlichkeit in der Privatinsolvenz des Gesellschafters informieren, ob nicht die Gesellschaftsgläubiger ihrerseits schon die einzelnen Forderungen aufgrund eines konkurrierenden Mithaftungsanspruches angemeldet haben. Nur wenn das nicht der Fall ist, darf von der Einziehungsbefugnis nach § 93 InsO Gebrauch machen.145 Diese Abhängigkeit der Einziehungsbefugnis von einer Anmeldung des Bürgschaftsanspruchs durch den Gläubiger bedeutet für den Insolvenzverwalter der Gesellschaft neben den praktischen Komplikationen, die mit einer solchen Prüfung verbunden sind, insbesondere ein Haftungsrisiko. Meldet er Ansprüche aus § 128 Satz 1 HGB im Insolvenzverfahren des Gesellschafters an, obwohl es zu einer Anmeldung des Bürgschaftsanspruchs durch den Gläubiger kommt, so verletzt er eine insolvenzspezifische Pflicht, die bei entsprechendem Verschuldensvorwurf eine Schadensersatzpflicht nach § 60 InsO begründet146. 141

Bitter, in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1083). Siehe oben VI. 1. 143 Zu den verschiedenen Lösungsansätzen vgl. Klinck, NZI 2004, 651 ff. 144 Anders Klinck, NZI 2004, 651 (654), der zwar Bitter folgt und das Vollanmeldungsmodell vertritt, aber anders als Bitter nicht den Verwalter stets analog § 44 InsO von der Geltendmachung ausschließt, sondern aus der Argumentation des BGH heraus ein Wettlaufmodell entwickelt, das den Insolvenzverwalter analog § 44 InsO nur dann an der Geltendmachung der Haftung aus § 128 Satz 1 HGB hindert, wenn der Gläubiger den Bürgschaftsanspruch im Insolvenzverfahren des Gesellschafters schneller anmeldet als der Insolvenzverwalter den gesetzlichen Haftungsanspruch, vgl. Klinck, NZI 2004, 651 (655). 145 Bitter, in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084). 142

E. Untersuchung des Normzwecks des § 93 InsO

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Eine weitere leidlich praktische Konsequenz des befürworteten Vollanmeldungsmodells ist die notwendige Bildung von Sondermassen. Verfolgen Gläubiger ihren Sicherungsanspruch in der Privatinsolvenz des Gesellschafters selbst und erhalten sie auf diese Weise eine Quote aus der Privatinsolvenz, muss der Insolvenzverwalter nicht nur (i) von der Geltendmachung des parallelen Haftungsanspruchs aus § 128 Satz 1 HGB mit der beschriebenen Analogie zu § 44 InsO ausgeschlossen werden, sondern auch (ii) daran gehindert werden, dass die vom Insolvenzverwalter über § 93 InsO eingezogenen Beträge aus den Forderungen der ungesicherten Gläubigern an alle Gesellschaftsgläubiger ausgeschüttet werden. Die gesicherten Gläubiger würden dann nämlich auf Kosten der ungesicherten Gläubiger von deren Forderungsbeträgen profitieren. Das dies wenig sachgerecht sein würde, muss für die über § 93 InsO eingezogenen Beträge vom Insolvenzverwalter eine Sondermasse gebildet werden147. Keine Teilhabe an dieser Sondermasse dürfte denjenigen Gläubigern gewährt werden, die zusätzlich gesichert sind und den aus dieser Sicherheit resultierenden Anspruch selbständig verfolgt und auf diesen eine Quote erhalten haben148. 2. Bedeutung für die teleologische Auslegung Für die untersuchte Fragestellung hat diese Kontroverse insoweit Bedeutung als die beschriebenen Komplikationen von solchem Gewicht sein könnten, dass (i) die Vorschrift des § 93 InsO und mit ihr die Haftungsabwicklung funktionsuntauglich sein könnte und (ii) diese Funktionsuntauglichkeit die Auslegung des § 93 InsO berühren könnte. Die praktischen Komplikationen liegen auf der Hand und zeigen auf, dass die Haftungsabwicklung nach § 93 InsO bei Vorliegen paralleler Sicherheiten vom Gesetzgeber nicht zu Ende gedacht worden ist und die dabei auftretenden Schwierigkeiten wohl größer sind als die mit Einführung der Vorschrift verbundenen Vorteile149. Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, von einer Funktionstauglichkeit der Vorschrift zu sprechen. Die Frage nach den Auswirkungen dieser Funktionsuntauglichkeit auf die vorstehende Auslegung lässt sich überzeugend mit Bitter beantworten: Eine Lösung kann nur durch den Gesetzgeber erfolgen. Entweder entscheidet er sich dafür, alle konkurrierenden Ansprüche in die Sperr- und Ermächtigungswirkung mit einzubeziehen oder aber der Gesetzgeber schafft eine gesetzliche Grundlage für die von K. Schmidt bereits in § 93 InsO erkannte 146 147 148 149

Bitter, in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1084). Bitter, in: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1085). Bitter, ZInsO 2002, 557 (560). Zu weiteren Problemen vgl.: K. Schmidt/Bitter, ZIP 2000, 1077 (1082 ff.).

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6. Kap.: Normzweck des § 93 InsO

Binnenliquidation, vermöge derer sich die Außenhaftung des Gesellschafters in das Innenverhältnis verlagert und der Insolvenzverwalter aufgrund eines echten Verlustausgleichsanspruchs den Ausfall zu fordern berechtigt ist150. Ausdrücklich abzulehnen ist aber der Gedanke, dass die mit der Haftungsabwicklung verbundenen praktischen Schwierigkeiten über die Auslegung des § 93 InsO wirksam gemacht werden könnten, um eine Einbeziehung paralleler Sicherheiten zu begründen. Ein solches Verständnis übersteigt die noch näher darzulegenden Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung und auch die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung151.

V. Ergebnis Anders als es der in der Gleichbehandlung der Gläubiger erkannte Normzweck auf den ersten Blick nahe legt, entspricht die Einbeziehung eines parallelen Bürgschaftsanspruchs nicht dem Regelungszweck des § 93 InsO. Dieser ist durch die Gesamtberechtigung der Gläubiger unüberwindbar begrenzt. Sinn und Zweck des § 93 InsO gebieten nur die Einbeziehung solcher Haftungsansprüche, die sämtliche Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen berechtigen. Da dies allein auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung zutrifft, berechtigt die Parallelbürgschaft zum ungehinderten Zugriff auf das Gesellschaftervermögen. Hierdurch wird § 93 InsO auch nicht in unzulässiger Weise umgangen. Die Parallelbürgschaft stellt vielmehr eine ergänzende Sicherheit dar, deren privatautonome Begründung es rechtfertigt, den betreffenden Gläubiger besser zu stellen, als wenn er sich mit der gesetzlichen Haftung begnügt hätte.

150 151

Bitter, in: K. Schmidt/Bitter, ZInsO 2002, 557 (561 f.). Hierzu 7. Kapitel.

Siebtes Kapitel

Bewertung der Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis Gegenstand der vorbezeichneten Auslegung des § 93 InsO ist die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Fraglich ist, ob sich diese von § 93 InsO gemeinte Haftung auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränkt oder auch die für eine Gesellschaftsverbindlichkeit begründete Bürgenhaftung des Gesellschafters erfasst. Für die Beantwortung dieser Auslegungsfrage wurden die klassischen Auslegungskriterien bemüht. Die hierbei ermittelten grammatikalischen, systematischen, historischen und teleologischen Anhaltspunkte sind für die Bewertung der Gesetzesauslegung zueinander in Verhältnis zu setzen und zu gewichten. Im Anschluss daran ist zu beurteilen, ob das für zutreffend erachtete Regelungsverständnis noch in zulässiger Weise als Gesetzesinterpretation verstanden werden kann oder bereits der rechtsfortbildenden Gesetzeskorrektur zuzuordnen ist.

A. Bewertung der Gesetzesauslegung Ausgehend vom Gesetzeswortlaut liegt eine Anwendung des § 93 InsO auch auf die Bürgenhaftung nahe. Denn über die gesetzliche Gesellschafterhaftung hinaus ist auch diese rechtsgeschäftliche Haftung des Gesellschafters vom möglichen Wortsinn erfasst. Weder die einzelnen Worte der auslegungsbedürftigen Gesetzespassage („persönlich“, „Haftung“ und „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“) für sich genommen noch die Gesetzespassage als einheitliches Ganzes geben einen Hinweis auf den Rechtsgrund der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.1 Der weiteren Auslegung kam damit die Aufgabe zu, dieses vorläufige Ergebnis entweder zu bestätigen oder zu widerlegen.2 Die Auslegung des § 93 InsO offenbart letzteres. Neben der Systematik und der Historie des Gesetzes spricht insbesondere der Normzweck für eine Einschränkung der Vorschrift. Das Verhältnis der einzelnen Auslegungskri1 2

Siehe oben 3. Kapitel, D. II. 4. Schmalz, S. 106.

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

terien zueinander ist für die Bewertung der Auslegungsergebnisse damit nicht weiter von Bedeutung.3 Denn abgesehen vom Wortlaut der Vorschrift streiten die Kriterien einer Gesetzesinterpretation allesamt für ein auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränktes Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters. Der Gesetzeswortlaut allein kann der gebotenen Einschränkung nur schwerlich entgegengehalten werden. Sicher kann für die Rechtssicherheit, die Berechenbarkeit des Rechts und damit den Rechtsfrieden die feste sprachliche Form gefassten Gesetzesrechts nicht hoch genug veranschlagt werden.4 Unüberwindbar ist der Wortlaut aus diesem Grund indes nicht. So formuliert etwa das RG: „Denn den Richter verpflichtet nicht nur der Text des Gesetzes. Höher als der Wortlaut des Gesetzes steht vielmehr sein Sinn und Zweck.5“ Dieser aber gebietet anders als der Wortlaut des § 93 InsO die Einschränkung der Vorschrift. Findet der Normzweck dann auch noch Unterstützung in der gesetzlichen Systematik sowie in der Gesetzeshistorie, so kann für die Bewertung der Gesetzesauslegung auf eine Gewichtung der Auslegungskriterien verzichtet werden. Unberücksichtigt bleiben darf die fehlende Vereinbarkeit der Einschränkung mit dem Wortlaut gleichwohl nicht. Denn anders als Systematik, Historie und Teleologie des Gesetzes ist der Wortlaut mehr als nur ein Anhaltspunkt für die Auslegung der Vorschrift. Der Wortlaut begrenzt vielmehr gleichsam die Gesetzesauslegung.6 Betroffen ist damit nicht die Gewichtung der Auslegungskriterien, sondern die Bedeutung des möglichen Wortsinns als Grenze zulässiger Gesetzesinterpretation.

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung Um eine restriktive Gesetzesinterpretation handelt es sich allein dann, wenn der Anwendungsbereich einer Norm lediglich durch Annahme einer engeren statt einer auch möglichen weiteren Wortbedeutung eingeengt wird.7 Würde jedoch der mögliche Wortsinn unterschritten, so müssten die Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung in Form der teleologischen Reduktion vorliegen.8 Die teleologische Reduktion ist das Gegenteil zur Analogie: 3

Vgl. hierzu ausführlich Larenz, S. 343 ff. Brandenburg, S. 1. 5 RGZ 142, 36 (40). 6 BGHZ 46, 74 (76); Canaris, S. 19 ff.; Looschelders/Roth, S. 198 ff.; Zippelius, S. 47; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (218); Pawlowski, DZWIR 2001, 45 (56). 7 Larenz, S. 391 ff. 8 Brandenburg spricht in seiner Untersuchung „Die teleologische Reduktion“ von auslegungsunterschreitender Gesetzeseinschränkung, vgl. Brandenburg, S. 2 f. 4

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung

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Während bei der Analogie der zu entscheidende Fall zwar nicht vom Wortlaut, wohl aber von deren Normzweck erfasst wird, fällt bei der teleologischen Reduktion der Fall zwar unter den Wortlaut, nicht jedoch unter den Normzweck.9 Larenz spricht hierbei von einer verdeckten Lücke. Denn eine gesetzliche Regelung bedürfe entgegen ihrem Wortsinn, aber gemäß der Teleologie des Gesetzes einer Einschränkung, die im Gesetzestext nicht enthalten sei.10 Die Ausfüllung einer solchen Lücke erfolgt durch die Hinzufügung der sinngemäß geforderten Einschränkung. Der endgültige Anwendungsbereich der Norm ist dann nur noch mit dem Bereich identisch, der vom Normzweck abgedeckt wird.11 Ob es einer solchen Rechtsfortbildung bedarf, entscheidet sich mit der Abgrenzung von restriktiver Auslegung und teleologischer Reduktion.

I. Bedeutung der Abgrenzung von restriktiver Auslegung und teleologischer Reduktion Diese Abgrenzung von einschränkender Gesetzesinterpretation und auslegungsunterschreitender Einschränkung kann im Einzelfall sehr zweifelhaft sein. Vergleichbar und methodisch ebenso bedeutsam wie die Abgrenzung von Einzelanalogie und erweiternder Auslegung.12 Mit dem gegenüber der Rechtsfortbildung bestehenden Vorrang der Gesetzesauslegung ist allein der Ausgangspunkt der erforderlichen Abgrenzung gewiss.13 Der Übergang von der restriktiven Auslegung zur teleologischen Reduktion hingegen ist fließend und entscheidet sich mit dem möglichen Wortsinn: „Der Anwendungsbereich der Norm wird das eine Mal durch die Hinzufügung einer einschränkenden Norm, das andere Mal durch die Annahme einer engeren statt einer auch möglichen weiteren Wortbedeutung eingeengt.“14

II. Notwendigkeit der Abgrenzung Sicher lässt sich einwenden, dass diese Abgrenzung auf das Ergebnis der Rechtsanwendung in aller Regel ohne Auswirkung bleibt, da die Argumentation bei der Auslegung und bei der Rechtsfortbildung gleich verläuft.15 Denn die teleologische Reduktion ist nicht anders als jede einschränkende 9

Schmalz, S. 146 f. Larenz, S. 391. 11 Engisch, S. 176 ff.; Pawlowski, Rn. 493 ff.; Schmalz, S. 146 f. 12 Benecke, S. 85 f.; Larenz, S. 391. 13 Schmalz, S. 137. 14 Larenz, S. 391. 15 Schmalz, S. 137. 10

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

Gesetzesinterpretation in erster Linie auf die Teleologie des Gesetzes ausgerichtet. So wird für das vergleichbare Verhältnis von Auslegung und Analogie auch tatsächlich vertreten, es komme auf eine Unterscheidung nicht an.16 Für die Frage, ob es sich noch um einengende Auslegung oder bereits um teleologische Reduktion handelt, glaubt Larenz daher in der Rechtsprechung auch die Tendenz zu erkennen, nicht selten noch von einengender Auslegung zu sprechen, wo es sich in Wirklichkeit nicht mehr um Auslegung, sondern bereits um eine teleologische Reduktion handelt.17 Nach Larenz wolle die Rechtsprechung durch diese methodische Vorgehensweise den Eindruck größerer Gesetzestreue erwecken.18 Richtigerweise sollte die Entscheidung in echten Grenzfällen nicht zuletzt wegen des verfassungsrechtlichen Gebots der Gesetzesbindung nicht mehr in den Bereich der Auslegung einbezogen werden,19 sondern als Rechtsfortbildung verstanden und gerechtfertigt werden müssen,20 Letztere ist insbesondere nicht weniger gesetzestreu als jede teleologische Interpretation; vorausgesetzt, dass die Reduktion streng an der dem Gesetz eigenen Teleologie und damit an den Schranken richterlicher Rechtsfortbildung ausgerichtet wird. Dies begründet gleichsam die Bedeutung einer Abgrenzung zwischen restriktiver Auslegung und teleologischer Reduktion. Die ergänzende oder umbildende Rechtsfortbildung ist anders als die bloße Gesetzesauslegung an besondere Voraussetzungen gebunden. Die betreffende Abgrenzung soll damit die Rolle des Gesetzes als primäre Regelung gewährleisten. Unterbleibt sie, so kann die Frage nach dem methodischen Ansatz zur Begründung der befürworteten Einschränkung des § 93 InsO nicht beantwortet werden. Unbeantwortet bleiben kann die Abgrenzung zwischen Auslegung und Rechtsfortbildung aus einem weiteren Grund nicht. Liegt der Einschränkung des § 93 InsO eine teleologische Reduktion zugrunde, so ist es ein Widerspruch, über die analoge Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft nachzudenken. Analogie und teleologische Rechtsfortbildung schließen sich aus. So gebietet bereits die Auflösung solcher Ungereimtheiten eine sorgsame Untersuchung des methodischen Begründungsansatzes und damit die Abgrenzung von restriktiver Gesetzesinterpretation und teleologischer Reduktion.

16 17 18 19 20

Bydlinski, S. 468 f. Larenz, S. 391. Larenz, S. 322. Engisch, S. 250. Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (219).

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung

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III. Meinungsstand – Restriktive Auslegung oder teleologische Reduktion des § 93 InsO Für die Untersuchung des methodischen Begründungsansatzes interessieren in erster Linie die Argumentation des BGH und diejenige der herrschenden Lehre. Denn gemeinsam mit der vorliegenden Arbeit befürworten auch diese eine ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung. Nur leider erweist sich deren Argumentation für den Versuch einer methodisch geleiteten Rechtfertigung des befürworteten Anwendungsbereichs als wenig hilfreich. Sicher wird der für zutreffend erachtete Regelungsinhalt aus der, wenn auch unvollständigen, Anwendung der Auslegungskriterien geschlossen. Unberücksichtigt bleibt aber die im Anschluss an die Auslegung interessierende Frage nach der Grenze zulässiger Gesetzesauslegung. Ist die Anwendung des § 93 InsO allein auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung noch Ergebnis zulässiger Gesetzesauslegung oder bedarf es hierfür vielmehr einer teleologischen Reduktion? Musste also die im Gesetz enthaltene Regel möglicherweise erst durch Hinzufügung einer Einschränkung auf den nach dem Regelungszweck gebotenen Anwendungsbereich zurückgeführt werden? Die Befürworter eines auf die gesetzliche Haftung beschränkten Anwendungsbereichs sehen diese Grenze ganz offensichtlich nicht erreicht. An die Notwendigkeit, diesen Anwendungsbereich erst durch richterliche Rechtsfortbildung rechtfertigen zu müssen, wird gar nicht erst gedacht. Methodische Anstrengungen gelten allein einer Ausweitung der Regelung. So wird nicht eine teleologische Reduktion, sondern die Möglichkeit einer ausdehnenden Anwendung der Vorschrift im Wege der Analogie erörtert. Der unmittelbare Anwendungsbereich wird folglich mit großer Selbstverständlichkeit in einem allein für die gesetzliche Gesellschafterhaftung bestehenden Einziehungsrecht des Insolvenzverwalters erkannt. So spricht der BGH auch mit keinem Wort von einer Einschränkung der Vorschrift oder deren restriktiver Auslegung. Es heißt allein, dass „die durch § 93 InsO begründete Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters über die kraft gesetzlicher Akzessorität entstehenden Haftungsansprüche nicht hinausgeht21“ und dass der Begriff der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft „nur in dem gemäß § 128 Satz 1 HGB geltenden, allein die generelle gesetzliche Haftung betreffenden Sinne verstanden werden“ könne.22 Von einer Einschränkung des Norm21 22

BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). BGHZ 151, 245 (251) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494).

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

bereichs ist damit nicht die Rede. Nicht anders verfährt die herrschende Literatur.23 Der Notwendigkeit, die ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Haftung in irgendeiner Weise methodisch rechtfertigen zu müssen, messen damit weder Schrifttum noch Rechtsprechung eine Bedeutung bei.

IV. Stellungnahme – Auslegung oder teleologische Reduktion des § 93 InsO Bei vollumfänglicher Berücksichtigung der durch die Auslegung gewonnenen Erkenntnisse bedarf die Regelung des § 93 InsO zur Rechtfertigung ihrer ausschließlichen Anwendung auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung einer teleologischen Reduktion. Dieser überwiegend befürwortete und auch nach den Erkenntnissen der vorliegenden Untersuchung gebotene Anwendungsbereich ist nicht mehr gedeckt von einer Auslegung des § 93 InsO. Eine Anwendung der Norm allein auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung ist nur durch Rechtsfortbildung möglich. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen: 1. Grundvoraussetzung für methodisch geleitete Rechtfertigung Eine methodisch geleitete Begründung ist ohne umfassende Bewertung aller Auslegungsergebnisse nicht möglich. Unerlässlich ist daher die Anwendung sämtlicher Auslegungskriterien. Schließlich handelt es sich bei den angewandten Elementen der Auslegung nicht um verschiedene Auslegungsmethoden, sondern um methodische Gesichtspunkte, die allesamt zu berücksichtigen sind.24 Dies jedoch wird von denjenigen, die eine Anwendung des § 93 InsO zutreffend auf die gesetzliche Haftung beschränken, nicht beachtet. Hierunter leidet nicht nur der Anspruch auf Richtigkeit des befürworteten Auslegungsergebnisses;25 verwehrt wird hierdurch ferner eine methodische Rechtfertigung des befürworteten Anwendungsbereichs.

23 Kübler/Prütting/Lüke, InsO, § 93 Rz. 18; MünchKomm/Brandes, InsO, § 93 Rz. 21; Bitter, ZInsO 2002, 557 ff.; Fuchs, ZIP 2000, 1089; Haas/Müller, NZI 2002, 366 ff.; Anders verfährt allein Bunke, der stets um eine methodisch geleitete Begründung der für möglich erachteten Ergebnisse bemüht ist, vgl. Bunke, KTS 2002, 471 (479, 483). 24 Larenz, S. 319. 25 Larenz, S. 319.

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung

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2. Überbewertung der Entstehungsgeschichte Verantwortlich hierfür ist eine Überbewertung der Entstehungsgeschichte. Da diese als methodische Rechtfertigung für ausreichend erachtet wird, leidet eine für die Gesetzesauslegung unerlässliche Auseinandersetzung mit Normzweck und Gesetzeswortlaut. Werden überhaupt weitere Auslegungselemente bemüht, so erscheinen diese als eine zusätzliche – der Sache nach nicht für erforderlich gehaltene – Argumentation. Sicher können nicht alle Elemente einen Hinweis auf das zutreffende Auslegungsergebnis geben. Ursache der unterbliebenen Abgrenzung von teleologischer Reduktion und restriktiver Auslegung ist daher auch nicht die bloße Unvollständigkeit der vorgenommenen Auslegung. Verantwortlich ist vielmehr eine insbesondere beim BGH vorzufindende Auslegung, die in dem Glauben an eine eindeutige Entstehungsgeschichte gar nicht erst an der Feststellung interessiert ist, welche Elemente weiter Aufschluss über den fraglichen Norminhalt geben. Zweifelsohne kann sich die Auslegung einer Norm nicht über deren eindeutige Entstehungsgeschichte hinwegsetzen.26 Es trifft auch zu, dass die Entstehungsgeschichte der Vorschrift gegen eine Einbeziehung konkurrierender Mithaftungsansprüche spricht. Wie die historische Auslegung aber zeigt, ist dieses gesetzeshistorische Verständnis alles andere als eindeutig. Durch das Zusammenspiel des Gutachtens zum Deutschen Juristentag, der Berichte der Insolvenzrechtskommission sowie der Begründungen zum eigentlichen Gesetzgebungsverfahren ist die Entstehungsgeschichte des § 93 InsO sehr komplex und bisweilen auch widersprüchlich. Die fehlende Eindeutigkeit zeigt sich schon daran, dass die herrschende Lehre und der ihr folgende BGH die betreffenden Materialien, wenn auch nicht im Ergebnis so doch zumindest in der Begründung, fehlerhaft interpretieren.27 Hinzu kommt, dass die Bedeutung der Entstehungsgeschichte bei der Auslegung einer Gesetzesvorschrift im Allgemeinen widersprüchlich beurteilt wird. „Oft ist der Entstehungsgeschichte nur ein bedingter Wert oder überhaupt kein Wert für die Auslegung einer Gesetzesnorm beigemessen worden.28“ Bisweilen wurde die Entstehungsgeschichte nur zur Bestätigung des sonstigen Ergebnisses der Auslegung herangezogen.29 Der BGH verfährt in seinem Grundsatzurteil zur Auslegung des § 93 InsO umgekehrt. „Da dem Gesetzgeber die rechtliche Problematik bekannt war, kann schon aus diesem Grunde der Begriff der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die 26 27 28 29

Engisch, S. 249; Larenz, S. 318. Siehe oben 5. Kapitel, C. II. 2. BGHZ 46, 75 (79 ff.). BVerfGE 19, 354 (362); BVerfGE 8, 274 (307); BGHZ 36, 370 (377).

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

Verbindlichkeiten der Gesellschaft, wie ihn § 93 InsO verwendet, nur in dem gemäß § 128 Satz 1 HGB geltenden, allein die generelle gesetzliche Haftung betreffenden Sinne verstanden werden.“

„Dies erscheint auch systemgerecht“ – so das Gericht wörtlich bei dem anschließenden Versuch, für das bereits durch die Entstehungsgeschichte gerechtfertigte Auslegungsergebnis weitere Unterstützung im Wert persönlicher Schuldverpflichtung von Gesellschaftern zu finden.30 Dieser Umgang mit der Entstehungsgeschichte durch den BGH sowie die herrschende Lehre lässt sich auch nicht dadurch rechtfertigen, dass Wesentliches für die Auslegung der Vorschrift nur der Entstehungsgeschichte zu entnehmen ist. Zwar wird mit dieser Begründung oftmals die Entstehungsgeschichte als maßgeblich herangezogen.31 Für die Auslegung des § 93 InsO überzeugt dieses Begründungsmuster aber nicht. Denn auch die anderen bei der Auslegung von Gesetzesvorschriften maßgeblichen Kriterien sind ergiebig. 3. Unzureichende Berücksichtigung der ratio legis des § 93 InsO Unerlässlich ist insbesondere eine grundlegende Untersuchung der Gesetzesteleologie. Nicht nur, weil die vorliegende Abhandlung in ihr den Ausschlag für die Einschränkung des § 93 InsO erkennt, sondern weil erst der Rückgang auf die ratio legis die gesetzgeberische Konzeption und damit die in ihr enthaltene Wertung der Interessenlage offenbart. Unterbleibt eine solche Auseinandersetzung, so ist die Auslegung unvollständig und eine methodisch geleitete Rechtfertigung nicht möglich. Denn der Sinn einer Vorschrift erschließt sich erst dann, „wenn man auf die Teleologie des Gesetzes und das zugrunde liegende innere System der maßgeblichen Wertentscheidungen und Prinzipien zurückgeht“.32 Wird gleichwohl der Anwendungsbereich des § 93 InsO beinahe ausschließlich unter Berufung auf die Historie bestimmt, bleibt mit der Begrenzung des Normzwecks durch die Gesamtberechtigung der Gläubiger ein ganz wesentlicher Aspekt unbehelligt. Allein bei dieser kommt es zwischen den Gläubigern der Gesellschaft auch in Bezug auf das ihnen gemeinsam als zusätzlicher Haftungsfonds dienende Gesellschaftervermögen zu einer Konkurrenzsituation mit der Gefahr, dass Einzelne durch raschere Vollstreckung in das Privatvermögen Befriedigung ihres Interesses zulasten der Gläubigergesamtheit erlangen.33 Als tragendes Wertungsprinzip bestimmt diese – 30 31 32 33

BGHZ 151, 245 (250) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). BGHZ 46, 75 (79 ff.). Larenz, S. 328. Bunke, KTS 2002, 471 (477 f.).

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung

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den Ausnahmecharakter der Vorschrift rechtfertigende – Gesamtberechtigung der Gläubiger auch unmittelbar die Auslegung der Vorschrift. Diese sachliche Rechtfertigung ist auch keiner weiteren Bewertung zugänglich. Weder die Parallelität der Haftungsansprüche noch die Berufung auf einen Umgehungscharakter34 noch Zweifel am Wert paralleler Sicherheiten35 noch Bedenken an der Stellung als Privatgläubiger36 können eine Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes über die gesetzliche Gesellschafterhaftung begründen. Allein für deren Einbeziehung besteht eine sachliche Rechtfertigung. Jeder andere Haftungsanspruch betrifft nicht den Normbereich des § 93 InsO und unterliegt den für die reinen Privatgläubiger geltenden Wertungen und Grundprinzipien. Eine Einbeziehung konkurrierender Haftungsansprüche in das Insolvenzverfahren der Gesellschaft würde damit eine Ungleichbehandlung des Bürgschaftsgläubigers im Verhältnis zu den ungehindert zum Zugriff berechtigten Privatgläubigern bedeuten. Diese in der Vorschrift angelegte Einschränkung ist für das Regelungsverständnis von größerer Bedeutung als ihre Entstehungsgeschichte. 4. Unzureichende Berücksichtigung des möglichen Wortsinns des § 93 InsO Noch schwerer aber wiegt die fehlende Auseinandersetzung der herrschenden Meinung mit dem Gesetzeswortlaut. Denn mit dem Wortlaut wird mehr als ein bloßes Element der Auslegung außer Acht gelassen. Der mögliche Wortsinn einer Vorschrift markiert gleichsam die Grenze zulässiger Gesetzesauslegung. Bewegt sich die für zutreffend erachtete Lesart nicht innerhalb dieses möglichen Wortsinns, so stößt die Gesetzesauslegung an ihre Grenze.37 Es bedarf dann vielmehr einer Rechtsfortbildung.38 Ebenfalls nach dem Wortlaut beurteilt sich, auf welche Weise und unter welchen Voraussetzungen eine solche Fortbildung des Rechts erfolgen kann. Ist der zu entscheidende Fall nicht vom Wortlaut, wohl aber vom Normzweck erfasst, so ist eine ausdehnende Anwendung im Wege der Analogie zu bemühen. Soll der Anwendungsbereich gegenüber dem Wortlaut eine Einschränkung erfahren, so handelt es sich um eine teleologische Reduktion.39 Die Grenze 34

Siehe oben 6. Kapitel, E. I. 2. b). Siehe oben 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb). 36 Siehe oben 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb) (3) (b). 37 Wank, S. 23. 38 Canaris, S. 19 ff.; Meier-Hayoz, S. 42; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (218). 39 Brandenburg, S. 2. 35

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

zulässiger Gesetzesauslegung sowie Notwendigkeit und Voraussetzungen einer Rechtsfortbildung können damit nur unter Berücksichtigung des möglichen Wortsinns bewertet werden. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Einschränkung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung mit dem Wortlaut der Vorschrift vereinbar ist, wird von der herrschenden Meinung jedoch nicht geführt. Während die Stimmen in der Literatur vereinzelt eine Einschränkung des Wortlauts zu begründen versuchen,40 verzichten BGH41 und BFH42 auf eine solche Untersuchung gänzlich. Dabei hatte sich gerade der BGH in seiner Revisionsentscheidung mit einem Berufungsurteil des OLG Schleswig zu befassen, das sich unter maßgeblicher Heranziehung des Wortlauts gegen eine einschränkende Auslegung des § 93 InsO ausspricht. So heißt es in den Entscheidungsgründen des OLG Schleswig wörtlich: „Aus dem Wortlaut des § 93 InsO ergibt sich eine solche Einschränkung nicht. Es heißt dort nicht, dass der Insolvenzverwalter nur dann zur Geltendmachung der persönlichen Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsschulden berechtigt sei, wenn sich die Haftung allein aus § 128 HGB herleiten lasse.43“ Der BGH jedoch greift diese Überlegungen nicht auf. Die Entscheidungsgründe enthalten allenfalls mittelbar einen Hinweis auf das gerichtliche Wortlautverständnis: Denn der BGH gesteht ein, dass es aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung wünschenswert sein könnte, auch die Bürgschaft des Gesellschafters der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters zu unterstellen. Jedoch fehlen nach Ansicht des Gerichts die Voraussetzungen der hierfür erforderlichen Analogie. Da eine analoge Anwendung aber nur dann in Betracht kommt, wenn der streitbefangene Sachverhalt nicht vom Wortlaut der Vorschrift erfasst ist, könnte der BGH zu verstehen geben, dass die Bürgschaft nicht einmal vom Wortlaut der Vorschrift erfasst ist. Dieser Rückschluss aber hilft weder weiter noch ist er zweifelsfrei. Aus der Begründung des Gerichts könnte mindestens genauso gut das Gegenteil geschlossen werden. Denn gerade aus dem Umstand, dass der BGH nicht erkennen lässt, ob sein Ergebnis auch durch den Wortlaut gerechtfertigt ist, könnte ebenso gefolgert werden, dass das Gericht daher von einem weit gefassten Wortlaut ausgeht. Unterstützung erhält diese These durch eine 40 Bitter, ZInsO 2002, 557 (558 ff.); Bunke, KTS 2002, 471 (478 f.). Eine Auslegung nach dem Wortlaut findet sich ferner bei Gundlach/Frenzel/Schmidt, DStR 2002, 1095 (1096 f.). Diese aber befassen sich in erster Linie mit der Anwendbarkeit des § 93 InsO auf die Haftung nach §§ 34, 69 AO. 41 BGHZ 151, 245 ff. = BGH ZIP 2002, 1492 ff. 42 BFH ZIP 2002, 179 ff. 43 OLG Schleswig ZIP 2002, 1968 (1969).

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung

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Bewertung der gerichtlichen Auslegung durch Kirchhof.44 Denn dieser fasst das – auch von ihm als Mitglied des erkennenden IX. Zivilsenats getroffene – Grundsatzurteil des BGH wie folgt zusammen: „Die Regelung des § 93 InsO erfasst nur den Bereich der gesetzlichen akzessorischen Haftung des Gesellschafters für Gesellschaftsverbindlichkeiten, also nach §§ 128, 176 HGB. Diese Einschränkung des Wortlauts ergibt sich einmal aus der Entstehungsgeschichte des § 93 InsO.45“ Anders als in den Entscheidungsgründen spricht Kirchhof in dieser Passage von einer Einschränkung des Wortlauts und geht damit von einem weiten Wortlautverständnis aus. Aber auch dies hilft nicht weiter und führt zurück zu dem Vorwurf, dass Schrifttum und Rechtsprechung den Wortlaut des § 93 InsO in seiner Funktion als Auslegungskriterium, vor allem aber als Grenze zulässiger Gesetzesauslegung unberücksichtigt gelassen haben. Dies erklärt sich wie die unzureichende Auseinandersetzung mit der ratio legis durch eine vorschnell für ausschlaggebend erachtete Entstehungsgeschichte. Dies entzieht einer methodisch geleiteten Rechtfertigung des befürworteten Anwendungsbereichs gleich zu Beginn den Boden. Schließlich fehlt mit dem möglichen Wortsinn nicht nur die Grenze zulässiger Gesetzesauslegung, sondern auch der Ausgangspunkt einer Auslegung lege artis. Denn „da der Wortsinn die möglichen Auslegungen einer Bestimmung begrenzt, empfiehlt es sich, bei ihm zu beginnen“.46 Der Wortlaut ist erste Erkenntnisquelle, „weil angenommen werden kann, dass derjenige, der etwas sagen will, die Worte in dem Sinne gebraucht, in dem sie gemeinhin verstanden werden“.47 Aufgabe der weiteren Auslegung ist sodann, das hierbei gewonnene Verständnis entweder zu widerlegen oder zu bestätigen.48 Dementsprechend entfällt bei eindeutigem Wortlaut die Auslegungsbedürftigkeit.49 Unterbleibt eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut, so fehlt eine mit der weiteren Auslegung zu widerlegende oder zu bestätigende These. Mit dieser These entscheidet sich gleichsam die Darlegungslast bei der weiteren Auslegung. Legt der Wortlaut der Vorschrift allein die Anwendung auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung nahe, so spricht eine gewisse Vermutung für ein eingeschränktes Regelungsverständnis. Wer dem Text entgegen seinem Wort44

Kirchhof, ZInsO 2003, 149 (157). Kirchhof, ZInsO 2003, 149 (157). 46 Larenz, S. 345. Kritisch Huber, JZ 2003, 1 (6). 47 Larenz, S. 320. 48 Schmalz, S. 106. 49 Larenz, S. 343. Die herrschende Meinung kann auch nur von der Mehrdeutigkeit des in § 93 InsO verwandten Begriffs der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft ausgegangen sein; denn andernfalls hätte mangels Auslegungsbedürftigkeit keine Auseinandersetzung mit der Entstehungsgeschichte erfolgen dürfen. 45

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

laut einen anderen Sinn zuweisen will, trägt dafür die Darlegungs- und Argumentationslast.50 Mit Hilfe der gesetzlichen Systematik, der Historie sowie der ratio legis ist folglich danach zu fragen, ob die Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut auf die Parallelbürgschaft im Wege extensiver Auslegung oder vielmehr entsprechender Anwendung auszuweiten ist. Umgekehrt verhält es sich, wenn man im Wortlaut des § 93 InsO ein Argument für die Anwendung der Vorschrift auf Parallelbürgschaften zu erkennen glaubt. Dann tragen die Gegner einer solchen Anwendung die Darlegungslast. Darzulegen sind Gründe für die Einschränkung einer nach ihrem Wortlaut zu weit geratenen Vorschrift. Unterbleibt hingegen eine Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der Vorschrift, so wird diese Verteilung der Darlegungslast und damit eine methodisch geleitete Rechtfertigung des befürworteten Anwendungsbereichs unmöglich gemacht. Denn „so wenig der Wortsinn gemäß dem allgemeinen Sprachgebrauch oder auch einem besonderen juristischen Sprachgebrauch die Bedeutung eines Ausdrucks gerade in diesem Zusammenhang, an dieser Stelle des Gesetzes schon endgültig festzulegen vermag, so wenig ist seine Kenntnis doch zu entbehren, soll der Prozess des Verstehens durch Auslegung überhaupt in Gang kommen“.51 Da dies aber in der um den Anwendungsbereich des § 93 InsO geführten Diskussion unberücksichtigt bleibt, leidet die Auslegung der Vorschrift bereits an einem fehlerhaften Ausgangspunkt. Es verwundert daher auch nicht, dass methodische Anstrengungen allein für die Ausweitung der Einziehungsbefugnis, nicht jedoch zur Rechtfertigung einer auf § 128 Satz 1 HGB beschränkten Anwendung, unternommen werden. 5. Zutreffende methodische Begründung der Einschränkung des § 93 InsO Erst vor diesem Hintergrund und nicht schon bei alleiniger Betrachtung der Entstehungsgeschichte kann der befürwortete Anwendungsbereich methodisch zutreffend gerechtfertigt werden. Wählt man also den Wortlaut des § 93 InsO zum Ausgangspunkt der Auslegung und würdigt die in Wortlaut und Teleologie erkannten widerstreitenden Hinweise auf den Norminhalt, so zeigt sich die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion. Führt man die ihrem Wortsinn nach zu weit gefasste Regel nicht auf den ihr nach der ratio legis zukommenden Anwendungsbereich zurück, kommt man nicht umhin, auch die Geltendmachung der Parallelbürgschaft dem Insolvenzverwalter zuweisen zu müssen. Die daher gebotene Restriktion kann auch nicht durch eine Gesetzesinterpretation gerechtfertigt werden. 50 51

Vgl. hierzu Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (223); Meier-Hayoz, S. 42. Larenz, S. 321.

B. Grenze zulässiger Gesetzesauslegung

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Denn lässt man – in dem von Larenz geprägten Bild – das Gesetz selbst sprechen und fügt ihm nichts hinzu,52 so fehlt ein Hinweis darauf, die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft nur dann vom Insolvenzverwalter geltend machen zu lassen, wenn sich die Haftung allein aus dem Gesetz herleiten lässt. Ein Hinweis auf den Rechtsgrund der persönlichen Haftung des Gesellschafters ist schlechterdings nicht ersichtlich. Auch wenn sich die mit „persönliche Haftung der Gesellschafter“ bezeichneten Überschriften von § 93 InsO auf der einen und § 128 HGB auf der anderen Seite gleichen, rechtfertigt dies kein einschränkendes Wortlautverständnis. Für ein solches streitet allein der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Dieser aber wird in seinem Begründungswert überschätzt und kann das bei isolierter Betrachtung der einzelnen Wortbestandteile gewonnene – ebenfalls besondere juristische – Sprachverständnis nicht verdrängen.53 Verspricht ein Gesellschafter für die Verbindlichkeiten seiner Gesellschaft die zusätzliche Übernahme einer Bürgschaft, so begründet auch diese Schuldverpflichtung die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Damit ermöglicht es erst die Hinzufügung eines den Gesetzestext einschränkenden Merkmals, diesen Begriff allein in dem gemäß § 128 Satz 1 HGB geltenden Sinne zu verstehen. Neben die bereits im Gesetzestext enthaltenen Merkmale der von § 93 InsO gemeinten Haftung („persönlich“, „eines Gesellschafters“ und „für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“) tritt mit „gesetzlich“ ein weiteres den Wortlaut einschränkendes Merkmal. Da allein mit dessen Hinzufügung die Einschränkung des Anwendungsbereichs steht und fällt, kann diese Einschränkung auch nicht als Annahme einer engeren statt einer auch möglichen weiteren Wortbedeutung verstanden werden. An letzteres ist nur im so genannten Unschärfebereich einer Norm zu denken.54 Die für die persönliche Haftung eines Gesellschafters bestehenden Bedeutungsvarianten bewegen sich aber nicht in einem solchen der Gesetzesinterpretation vorbehaltenen Unschärfebereich.55 Sie grenzen sich mit Hilfe der im Rechtsgrund der persönlichen Haftung erkannten Einschränkung vielmehr klar voneinander ab. Denn entweder man ergänzt die in § 93 InsO enthaltene Regel um einen Hinweis auf den Haftungsgrund und begrenzt damit ihren Geltungsanspruch oder man verzichtet auf die Hinzufügung dieses einschränkenden Merkmals und belässt es bei dem weiten Begriffsverständnis. Von einem Unschärfebereich, innerhalb dessen der 52

Hierzu vgl. Larenz, S. 320 ff. Vgl. hierzu ausführlich 3. Kapitel, D. 54 Brandenburg, S. 2 f. 55 Zum Vorrang der Gesetzesauslegung gegenüber der richterlichen Rechtsfortbildung vgl. Larenz, S. 366 ff. 53

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

mögliche Wortsinn durch die Annahme einer engeren statt einer auch möglichen weiteren Wortbedeutung festgelegt wird, kann damit nicht die Rede sein. Vielmehr wird der Wortlaut tatsächlich unterschritten. Damit ist die Grenze einer zulässigen Auslegung der Regelung des § 93 InsO erreicht.

C. Rechtsfortbildung des § 93 InsO in Form einer teleologischen Reduktion Der Anwendungsbereich des § 93 InsO kann folglich nur dann auf die unbeschränkte gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränkt werden, wenn die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion vorliegen.

I. Ausgangspunkt einer Rechtsfortbildung Damit ist der Ausgangspunkt einer möglichen Rechtsfortbildung des § 93 InsO ein ganz anderer als von Literatur und Rechtsprechung angenommen. Dort beruht jeder Gedanke an eine Rechtsfortbildung auf der Überlegung, ob es nicht aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung wünschenswert sei, auch die aus der persönlichen Verpflichtung des Gesellschafters herrührenden Haftungsansprüche der alleinigen Einziehungsbefugnis des Verwalters zu unterstellen.56 Als methodisches Instrumentarium richterlicher Rechtsfortbildung diskutiert – und teilweise auch vertreten57 – wird folglich allein eine analoge Anwendung der Vorschrift aus Umgehungsschutzgesichtspunkten. Bei verständiger und vor allem vollumfänglicher Würdigung der Auslegungskriterien verbietet sich eine solche Analogie. Da der mögliche Wortsinn konkurrierende Haftungsansprüche erfasst, ist deren Abwicklung durch § 93 InsO gesetzlich geregelt. Damit liegt keine Gesetzeslücke vor, die durch eine analoge Anwendung des § 93 InsO ausgefüllt werden müsste. Es bedarf vielmehr im Gegenteil einer teleologischen Reduktion. Denn die dem Wortlaut nach mögliche Anwendung läuft der ratio legis zuwider. Bemüht werden muss eine Rechtsfortbildung daher nicht zur Ausweitung der in § 93 InsO enthaltenen Regel, sondern zu deren Einschränkung.58 Dass die Beurteilung einer Rechtsfortbildung zu § 93 InsO derart auseinan56

Statt vieler: BGHZ 151, 245 (251) = BGH ZIP 2002, 1492 (1494). Oepen, Rz. 269 ff.; HK/Eickmann, InsO, § 93 Rz. 4; Bork, NZI 2002, 362 ff.; ders., in: RWS-Forum 2003, 97 (107 ff.). 58 Obsolet ist damit der Gedanke von Bitter, ZInsO 2002, 557 (559), wonach eine Rechtsfortbildung des § 93 InsO wegen Funktionsuntauglichkeit der Vorschrift unzulässig sein soll. Denn erst eine Rechtsfortbildung vermag die von Bitter befürwortete ausschließliche Anwendung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung zu begründen. 57

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derfällt, liegt an der dargelegten Überbewertung der Entstehungsgeschichte. Wird der unmittelbare Anwendungsbereich des § 93 InsO in der Sicherheit einer eindeutigen Entstehungsgeschichte mit großer Selbstverständlichkeit in der ausschließlichen Anwendung der Vorschrift auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung erkannt, so verlagert sich die wissenschaftliche Diskussion vorschnell auf die Ebene der Rechtsfortbildung und dort unweigerlich auf die Erörterung einer Analogie. Diese im gesamten Schrifttum und auch in der Rechtsprechung anzutreffende Tendenz veranschaulicht Borks Auseinandersetzung mit dem direkten Anwendungsbereich der Norm: „Eine direkte Anwendung des § 93 InsO auf die Parallelbürgschaft des Gesellschafters kommt nicht in Betracht. Zwar ließe der Wortlaut zu, auch die Parallelbürgschaft unter § 93 InsO zu subsumieren. Denn auch die Bürgschaft begründet eine ‚persönliche Haftung des Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft‘. Gleichwohl ist aber der unmittelbare Anwendungsbereich der Norm auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung zu beschränken. Das ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, denen zufolge die Gesetzesverfasser nur die Haftung aus § 128 HGB im Auge hatten.“

Sicher kann sich eine Auslegung nicht über eine eindeutige Entstehungsgeschichte hinwegsetzen.59 Ebenso trifft es zu, dass die Entstehungsgeschichte des § 93 InsO für die Einschränkung der Vorschrift spricht.60 Aber weder das eine noch das andere rechtfertigt die beschriebene methodische Vorgehensweise. Zum einen ist die entstehungsgeschichtliche Auslegung des § 93 InsO keinesfalls frei von Zweifeln. Zum anderen verkennt eine solche Argumentation die Grenze zulässiger Gesetzesauslegung. Diese Grenze bestimmt allein der mögliche Wortsinn einer Vorschrift.61 Hieran ändert auch eine für noch so eindeutig gehaltene Entstehungsgeschichte nichts. Denn nur weil ein Gesetz, gemessen an seiner Entstehungsgeschichte, schlecht formuliert ist, rechtfertigt dies keine methodische Nachlässigkeit. Besinnt man sich dessen, so zeigt sich, dass die von der herrschenden Meinung völlig zu Recht gegen eine analoge Anwendung angeführte Argumentation richtigerweise für die Einschränkung der ihrem Wortlaut nach zu weit geratenen Regel durch eine teleologische Reduktion hätte wirksam gemacht werden müssen.62 Aber nur wenn deren Voraussetzungen auch tatsächlich vorliegen, kann der Anwendungsbereich der Vorschrift auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung beschränkt werden. 59

Hieran erinnert auch Bunke, KTS 2002, 471 (479). Siehe hierzu oben 5. Kapitel, C. II. 2. b). 61 Canaris, S. 19 ff.; Looschelders/Roth, S. 198 ff.; Zippelius, S. 47; Hassold, Festschrift für Larenz, 211 (218). 62 Eine Anwendung des § 93 InsO ist nach dem hier vertretenen Konzept daher nur unmittelbar denkbar. Für die oben dargestellte Argumentation Borks bedeutet dies, dass die von ihm befürwortete Anwendung in Wahrheit eine unmittelbare und nicht etwa – wie von ihm angenommen – eine analoge ist. 60

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

II. Voraussetzungen der teleologischen Reduktion des § 93 InsO Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen kann es nicht verwundern, wenn weithin dieselben Kriterien maßgebend sind, wie für die Auslegung des Gesetzes.63 Auslegung und Rechtsfortbildung dürfen nicht als wesensverschieden angesehen werden. Sie sind lediglich verschiedene Stufen desselben gedanklichen Verfahrens, bei dem sich die Ausfüllung von Gesetzeslücken durch richterliche Rechtsfortbildung als Fortsetzung der Gesetzesauslegung versteht.64 Die Befugnis zur Rechtsfortbildung besteht soweit das Gesetz lückenhaft ist.65 Der Begriff der Gesetzeslücke bezeichnet zwar nicht die Grenze der möglichen und zulässigen Rechtsfortbildung überhaupt, wohl aber die Grenze einer gesetzesimmanenten Rechtsfortbildung, die sich an die Regelungsabsicht, den Plan und die immanente Teleologie des Gesetzes gebunden hält.66 Innerhalb der Gesetzeslücken unterscheidet man weiter zwischen „verdeckten“ und „offenen“ Lücken. Eine „offene“ Lücke liegt vor, wenn das Gesetz für eine bestimmte Fallgruppe keine Regel enthält, die auf sie anwendbar wäre, obgleich es nach seiner eigenen Teleologie eine solche enthalten sollte.67 Die Ausfüllung einer solchen Lücke erfolgt im Wege der Analogie. Da die Bürgschaft des unbeschränkt haftenden Gesellschafters aber vom möglichen Wortsinn des § 93 InsO erfasst ist, liegt eine solche Lücke nicht vor. Die Lückenhaftigkeit des Gesetzes kann sich damit nicht aus dem Fehlen einer Regelung, sondern nur aus dem Fehlen einer Einschränkung ergeben. Man spricht in diesem Fall von einer „verdeckten“ Lücke.68 Eine solche liegt vor, wenn das Gesetz zwar eine auf eine bestimmte Fallgruppe anwendbare Regel enthält, diese aber der Teleologie des Gesetzes zuwiderläuft. Die Ausfüllung einer solchen Lücke geschieht durch die Hinzufügung der vermissten Einschränkung. Gerechtfertigt ist die hierdurch bewirkte teleologische Reduktion – wie auch die Analogie – durch das Gebot der Gerechtigkeit. Liegt die Rechtfertigung der Analogie in dem Gebot, dem maßgeblichen Wertungsgesichtspunkt nach gleichartige Fälle gleich zu behandeln, so liegt 63

Larenz, S. 366 ff. Larenz, S. 366. 65 Zippelius, S. 65. 66 Ferner besteht die Möglichkeit einer gesetzesübersteigenden Rechtsfortbildung. Vgl. hierzu in erster Linie Larenz, S. 413 ff. Für § 93 InsO wird eine solche gesetzesübersteigende Rechtsfortbildung von Bunke, KTS 2002, 471 (483) erörtert und abgelehnt. 67 Zippelius, S. 65. 68 Zippelius, S. 65 bezeichnet diese Lücken, ohne etwas anderes zu meinen, als Wertungslücken. 64

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die Rechtfertigung der teleologischen Reduktion in dem Gebot, die von der Wertung her erforderlichen Differenzierungen vorzunehmen.69 Die gesetzliche Haftung als Gesellschafter (§ 128 Satz 1 HGB) und die durch eine Parallelbürgschaft begründete Haftung dürfen also in den für die Anwendung des § 93 InsO maßgebenden Hinsichten keine Ähnlichkeit aufweisen. Nur dann gebietet die Forderung der Gerechtigkeit, Ungleiches ungleich zu behandeln, die Vornahme einer teleologischen Reduktion.70 Die Voraussetzungen einer solchen sind folglich mit Vorliegen einer „verdeckten“ Lücke und fehlender Ähnlichkeit von gesetzlicher und rechtsgeschäftlicher Haftung in der für die gesetzliche Bewertung entscheidenden Hinsicht zu bezeichnen. Die Lückenhaftigkeit des Gesetzes und die Vergleichbarkeit der Interessenlage lassen sich jedoch nur schwerlich voneinander trennen. Denn die Vorgänge der Feststellung einer Lücke und ihre Ausfüllung beruhen auf demselben gedanklichen Vorgang und auf derselben wertenden Betrachtung.71 Die Erkenntnis, dass eine gesetzliche Regel aus ihrem Sinn und Zweck, wegen einer vorrangigen Norm oder aufgrund eines gesetzesimmanenten Prinzips einer Einschränkung bedarf, legt zugleich die Art und Weise fest, in welcher die so festgestellte Lücke zuschließen ist. Die teleologische Reduktion ist insoweit eine Gedankenoperation, die nicht erst der Lückenausfüllung, sondern bereits der Lückenfeststellung dient.72 Aus dem Grund ist allgemein anerkannt, dass Lückenfeststellung und Lückenschließung gemeinsam zu beurteilen sind.73 Ob eine derartige, die richterliche Rechtsfortbildung rechtfertigende Lücke vorliegt, ist durch wertende Betrachtung zu beurteilen. Die Regelung des § 93 InsO ist folglich teleologisch zu reduzieren, wenn es von der gesetzlichen Wertung her geboten ist, den parallelen Bürgschaftsanspruch anders als den gesetzlichen Haftungsanspruch auch in der Gesellschaftsinsolvenz vom Haftungsgläubiger selbst – und nicht vom Insolvenzverwalter – geltend machen zu lassen. Die für die gesetzliche Wertung maßgebenden Hinsichten ergeben aus der Teleologie des Gesetzes.74 Diese gebietet die Einschränkung eines zu weit geratenen Gesetzeswortlauts, wenn dies entweder Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm selbst (immanenter Regelungszweck) oder der vorrangige Zweck anderer Bestimmungen (Sinnzusammenhang) nahelegt. 69

Larenz, S. 392. Larenz, S. 381. Zur Prüfungsfolge bei einer teleologischen Reduktion vgl. auch Schmalz, S. 147. 71 Canaris, S. 151 ff. 72 Canaris, S. 151 ff.; Larenz, S. 401. 73 Bydlinski, S. 474; Larenz, S. 377; Möller, S. 150; Schmalz, S. 142 f. 74 Vgl. Larenz, S. 279; Brandenburg, S. 35 ff. 70

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

1. Regelungszweck des § 93 InsO selbst Der Normzweck des § 93 InsO ist eng begrenzt und gebietet damit bereits von sich aus allein die Einbeziehung der gesetzlichen Gesellschafterhaftung. Als Begründung hierfür dient nicht zuletzt der Ausnahmecharakter der Vorschrift. Denn anders als es die Zielbestimmung der Insolvenzordnung (§ 1 Satz 1 InsO) vorsieht, macht der Einzugsvorbehalt des § 93 InsO die Ablösung vom Prioritätsprinzip mit der Insolvenz der Gesellschaft von einem anderen Ereignis abhängig als der Insolvenz des Vermögensträgers selbst. Das Bedürfnis, für einen Teil der Gläubiger schon vor Eröffnung eines eigenständigen Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftervermögen, eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung gewährleisten zu wollen, ergibt sich aus der Sicherungsfunktion des § 93 InsO. Die einheitliche Einziehung durch den Insolvenzverwalter will nicht etwa die einem eigenständigen Insolvenzverfahren vorbehaltene Aufgabe wahrnehmen, zwischen den Gläubigern des Gesellschafters Gleichbehandlung herzustellen. Sie zielt vielmehr darauf, die Wahrnehmung dieser Aufgabe vorgreiflich sicherzustellen, indem sie schon im Vorfeld einer möglichen Privatinsolvenz die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft koordiniert.75 Gerechtfertigt ist diese Sicherungsfunktion aber nur, soweit diese persönliche Mithaftung alle Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen berechtigt. Nur dann kommt es zu der Konkurrenzsituation mit der Gefahr, dass Einzelne durch raschere Vollstreckung in das Privatvermögen Befriedigung ihres Interesses zu Lasten der Gläubigergemeinschaft erlangen. Denn sind alle Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen zum Zugriff auf das Privatvermögen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters berechtigt, so verlagert sich der Wettlauf um die Befriedigung aus dem Gesellschaftsvermögen auf das Vermögen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters. Hierdurch wird die durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Gesellschaftsvermögen unterbundene Gefahr eines Wettlaufs der Gläubiger zu einer Gefahr für das insolvenzfreie Vermögen des Gesellschafters. Dies zu verhindern, ist Aufgabe einer einheitlichen Einziehung der Haftungsansprüche durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft. Da eine Berechtigung der Gläubigergesamtheit aber nur bei den aus der Gesellschafterstellung resultierenden Haftungsansprüchen besteht, ist eine Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf konkurrierende Mithaftungsansprüche nicht zu rechtfertigen.76 Die für die Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in der Gesamtberechtigung erkannte sachliche Rechtfertigung begrenzt den Regelungszweck des § 93 InsO vielmehr unüberwindbar. Weder die Einordnung einer Parallelbürgschaft als schuldrechtliche Vorrangver75 76

Vgl. Kesseler, DZWIR 2003, 488 (489) und oben 1. Kapitel, D. I. 2. Bunke, KTS 2002, 471 (476 ff., 486 f.)

C. Rechtsfortbildung des § 93 InsO

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einbarung noch der damit verbundene Vorwurf der Gesetzesumgehung noch die unter Berufung auf die Akzessorität der jeweiligen Haftung bemühte Ähnlichkeit der Haftungstatbestände können über diese Begrenzung des Normzwecks hinweghelfen.77 Die sachliche Rechtfertigung zur Ausweitung des Gleichbehandlungsgrundsatzes steht und fällt mit dem Rechtsgrund der Haftung. Da andere als die gesetzliche Gesellschafterhaftung diesem einschränkenden Erfordernis und damit den an die sachlichen Rechtfertigung gestellten Anforderung nicht gerecht werden, ist es der Normzweck des § 93 InsO selbst, der eine Einschränkung des nach seinem Wortlaut auch Parallelsicherheiten umfassenden Anwendungsbereichs gebietet. Die Ausfüllung dieser Lücke geschieht durch die Hinzufügung der sinngemäß geforderten Einschränkung. Um auf diese Weise die Regelung des § 93 InsO auf den ihr nach dem Regelungszweck zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen, bedarf es der Hinzufügung eines auf den Rechtsgrund der Haftung hinweisenden Merkmals. Dies erinnert an die bereits bei der Auslegung nach dem Wortlaut aufgezeigten Möglichkeiten, einen auf die gesetzliche Haftung beschränkten Anwendungsbereich auch im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen. Die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschafters hätte hierfür etwa ersetzt werden müssen durch „die unbeschränkte Haftung als Gesellschafter“ oder „die unbeschränkte gesetzliche Gesellschafterhaftung“. 2. Sinnzusammenhang des Gesetzes Diese durch den Normzweck des § 93 InsO bedingte Lücke ist gleichsam Ausdruck des Sinnzusammenhangs des Gesetzes, so dass nicht nur der Normzweck der auszulegenden Vorschrift selbst eine auslegungsunterschreitende Einschränkung der Vorschrift rechtfertigt, sondern auch der vorrangige Zweck anderer Normen. Dieser entstammt den in den §§ 43, 93, 227 Abs. 2 und 254 Abs. 2 Satz 1 InsO erkannten Wertungsprinzipien. Bestimmt werden diese durch den besonderen Wert persönlicher Sicherheiten in der Insolvenz zum einen (§§ 43, 254 Abs. 2 Satz 1 InsO) und die Rechtfertigung für die von diesem Grundsatz abweichenden Ausnahmen zum anderen (§§ 93, 227 Abs. 2 InsO). Nachdem bereits das äußere System des Gesetzes die Vermutung begründet hat, das nur gesetzliche Mithaftungsansprüche in das Insolvenzverfahren der Gesellschaft einzubeziehen sind,78 kann nunmehr auch das innere System des Gesetzes für eine Einschränkung des § 93 InsO bemüht werden. Den Ausschlag hierfür gibt die auch in der 77 78

Siehe oben 6. Kapitel, E. I. 2. b) bb) (4). Siehe oben 4. Kapitel, D. IV. 1.

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

Bürgschaft des persönlich haftenden Gesellschafters erkannte Sicherungsfunktion.79 Für den streitbefangenen Sachverhalt paralleler Sicherheiten und deren Abwicklung in der Gesellschaftsinsolvenz überschneiden sich die Anwendungsbereiche von § 43 InsO auf der einen und § 93 InsO auf der anderen Seite. Ein Gläubiger, dem mehrere Personen für dieselbe Leistung auf das Ganze haften, kann nach § 43 InsO im Insolvenzverfahren gegen jeden Schuldner bis zu seiner vollen Befriedigung den ganzen Betrag geltend machen, den er zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens zu fordern hatte. Diese Regelung ist – wie auch der wörtlich entsprechende § 68 KO – entsprechend anwendbar auf die Bürgschaft.80 Ohne eine Anwendung dieser Vorschrift würde der Gläubiger für den Fall, dass sowohl über das Vermögen des Bürgen als auch des Hauptschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet ist, nach Ausschüttung der Quote in dem einen Verfahren in allen weiteren Verfahren nur noch mit dem danach verbleibenden Forderungsbetrag teilnehmen. Auf diese Weise würde der Gläubiger Gefahr laufen, mit einem Teil seiner Forderung auszufallen, obwohl vielleicht die Insolvenzmasse beider Verfahren zusammen zu einer vollen Befriedigung geführt hätte.81 Ein solches vom Gesetz als unbillig angesehenes Ergebnis zu verhindern, ist Sinn und Zweck dieses so genannten Doppelberücksichtigungsprinzips82. Dem Gläubiger soll für den Fall der Insolvenz aus der Haftung mehrerer schlichtweg eine möglichst hohe Befriedigung zufließen.83 Damit braucht sich der durch eine Bürgschaft gesicherte Gläubiger weder angesichts der Mithaftung eines anderen Schuldners auf eine Minderung der anzumeldenden Forderung verweisen lassen, noch hat er sich in einem der Verfahren nach Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistungen eines Schuldners anrechnen zu lassen.84 Dieser Gläubigerschutz gilt über diesen Fall der gleichzeitigen Insolvenz von Bürge und Hauptschuldner hinaus auch für den Fall, dass nur über das Vermögen einer von mehreren haftenden Personen das Insolvenzverfahren eröffnet wird.85 Befindet sich also nur der Hauptschuldner in der Insolvenz, so kann der gegen den Bürgen gerichtete 79

Siehe oben 6. Kapitel, E. II. 2. b) bb) (3). Zur entsprechenden Anwendung des § 43 InsO auf die Bürgschaft vgl. MünchKomm/Lwowski/Bitter, InsO, § 43 Rz. 16; Uhlenbruck/Uhlenbruck, InsO, § 43 Rz. 4 f. Für die Anwendung des § 68 KO auf das Verhältnis von Hauptschuldner und selbstschuldnerischem Bürgen vgl. BGH NJW 1985, 271 (272) und BGH NJW 1969, 796. 81 BGH NJW 1969, 796. 82 Jaeger/Lent, KO, § 68 Rz. 1. 83 MünchKomm/Lwowski/Bitter, InsO, § 43 Rz. 1. Zu § 68 KO: Begründung des Entwurfs zu § 68 KO, in: Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S. 266; Kuhn, WM 1971, 1038 (1046). 84 BGH NJW 1969, 796; Kuhn, KTS 1957, 68. 80

C. Rechtsfortbildung des § 93 InsO

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Anspruch außerhalb des Insolvenzverfahrens in voller Höhe verfolgt werden, und zwar auch dann, wenn nach Anmeldung des entsprechenden Betrages in voller Höhe in der Insolvenz des Hauptschuldners eine Quote auf diesen Betrag ausgeschüttet wurde. Befriedigung kann der Gläubiger dabei selbstverständlich nur in Höhe seiner noch bestehenden Forderung verlangen.86 Eingehende Teilzahlungen verringern damit materiellrechtlich die Forderung, nicht dagegen die Höhe der angemeldeten Forderung.87 Da diese Regelung des § 43 InsO die Begünstigung eines durch die Haftung mehrerer Personen gesicherten Gläubigers bezweckt und die Vorschrift auch auf die Bürgschaft anwendbar ist, dient sie letztlich der Verwirklichung des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks in der Insolvenz des Hauptschuldners. Mit diesem Sicherungszweck besteht für den Fall der Parallelbürgschaft ein gegenüber § 93 InsO vorrangiger Gesetzeszweck. Dieser rechtfertigt es neben dem Normzweck des § 93 InsO selbst, die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters auf die akzessorische Gesellschafterhaftung zu beschränken. Denn durch die gegenüber der gesetzlichen Gesellschafterhaftung bestehenden Befriedigungsvorteile bezweckt die Bürgschaft eines bereits unbeschränkt haftenden Gesellschafters die Sicherheit des Gläubigers und zielt nicht lediglich auf die Umgehung des § 93 InsO.88 Durch diesen Sicherungszweck ist die Parallelbürgschaft wie jede andere Bürgschaft vom Normzweck des auf die Bürgschaft analog anwendbaren § 43 InsO erfasst. Die Teleologie gebietet damit die Geltung des Doppelberücksichtigungsprinzips und – was viel entscheidender ist – eine Geltendmachung des zusätzlichen Bürgschaftsanspruchs durch den Gläubiger selbst und nicht durch den Insolvenzverwalter der Gesellschaft. Den Ausschlag gibt damit der Sicherungszweck der Parallelbürgschaft. Erst vor dessen Hintergrund wird die Teleologie des Gesetzes verständlich. Denn zum einen kann nicht länger unter Berufung auf das Vorliegen einer Gesetzesumgehung der Normzweck des § 93 InsO für eine Einbeziehung paralleler Sicherheiten bemüht werden. Zum anderen gerät bei zutreffender Berücksichtigung des Sicherungszwecks der Normzweck solcher Regelungen in den Vordergrund, die wie § 43 InsO der Verwirklichung des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks dienen. Gleiches gilt für die Insolvenzplanbestimmung des § 254 Abs. 2 Satz 1 InsO. Auch diese kann als Aus85 Vgl. hierzu noch einmal Begründung des Entwurfs zu § 68 KO, in: Hahn, Materialien zur Konkursordnung, S. 265. 86 BGH, NJW 1969, 796. 87 Noack/Bunke, Festschrift für Uhlenbruck, 335 (341). 88 So insbesondere Bork, in: RWS-Forum 2003, 97 (107 ff.) und Kesseler, DZWIR 2003, 488 (491). Ausführlich hierzu oben 6. Kapitel, E. I. 2. b).

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7. Kap.: Gesetzesauslegung, Rechtsfortbildung und Ergebnis

fluss des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks für eine selbständige Geltendmachung des parallelen Bürgschaftsanspruchs bemüht werden. Denn dient eine Insolvenzrechtsnorm der Verwirklichung des bürgschaftsrechtlichen Sicherungszwecks, so erstreckt sich diese ratio legis auch auf die Parallelbürgschaft. Erkennt man also den Sicherungszweck der Parallelbürgschaft an und macht diesen – wie in der teleologische Auslegung geschehen – über die ratio legis des § 93 InsO für eine Einschränkung des dem Wortsinn nach zu weit geratenen Anwendungsbereichs wirksam, so entspricht dies letztlich einer Argumentation mit der den §§ 43, 254 Abs. 2 Satz 2, 301 Abs. 2 Satz 1 InsO innewohnenden Teleologie. Aus diesem Grund rechtfertigt sich die Vornahme einer teleologischen Reduktion nicht nur durch den Normzweck der einzuschränkenden Norm selbst, sondern auch durch den vorrangigen Zweck kollidierender Normen und damit durch den Sinnzusammenhang des Gesetzes.

D. Ergebnis Die Voraussetzungen einer teleologischen Reduktion des § 93 InsO liegen vor. Der endgültige Anwendungsbereich der Vorschrift ist nur noch mit dem Bereich identisch, der vom Normzweck abgedeckt wird. Ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit oder einer Kommanditgesellschaft auf Aktien eröffnet, so kann die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverwalters nur dann vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, wenn sich diese Haftung aus der gesetzlichen Gesellschafterhaftung ergibt. Die Bürgschaft des unbeschränkt haftenden Gesellschafters fällt nicht unter § 93 InsO. Sie ermöglicht auch in der Gesellschaftsinsolvenz einen gesonderten Zugriff auf das Gesellschaftervermögen. Dass der beabsichtigte Beitrag zur Verbesserung der Gleichbehandlung im Insolvenzverfahren der Gesellschaft damit geringer ausfällt als erhofft, muss wegen der begrenzten Reichweite des Normzwecks einerseits und der berechtigten Interessen eines zusätzlich gesicherten Gläubigers andererseits hingenommen werden.

Achtes Kapitel

Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die Regelung des § 93 InsO dient in erster Linie der Ausweitung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung auf das insolvenzfreie Vermögen des unbeschränkt haftenden Gesellschafters. Diese Ausnahme von § 1 Satz 1 InsO ist gerechtfertigt, weil für einen Teil der Gläubiger des Gesellschafters (Gesellschaftsgläubiger) eine gleichmäßige Gläubigerbefriedigung bereits mit der Insolvenz der Gesellschaft geboten ist. 2. Der Wortlaut des § 93 InsO spricht für eine Anwendung der Vorschrift auf die Parallelbürgschaft. Diese begründet – nicht anders als die gesetzliche Gesellschafterhaftung aus § 128 Satz 1 HGB – die persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft. 3. Die gesetzliche Systematik des § 93 InsO spricht für eine Einschränkung des Anwendungsbereichs auf die Haftung des Gesellschafters nach § 128 Satz 1 HGB. Dass die Befugnis des Insolvenzverwalters, die „persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ geltend zu machen, in der Insolvenzordnung und nicht wie § 171 Abs. 2 HGB im Handelsgesetzbuch geregelt ist, bringt keinen über die handelsrechtliche Haftung hinausgehenden Anwendungsbereich zum Ausdruck. Da im Insolvenzplanverfahren durch § 227 Abs. 2 InsO nur die gesetzliche Gesellschafterhaftung in das Insolvenzverfahren einbezogen wird, liegt eine Beschränkung des § 93 InsO auf die Haftung des Gesellschafters aus § 128 Satz 1 HGB nahe. 4. Die Gesetzeshistorie spricht für eine Einschränkung des § 93 InsO auf die gesetzliche Gesellschafterhaftung. Der Gesetzgeber der Insolvenzordnung greift mit § 93 InsO zwar den rechtspolitischen Vorschlag auf, die Einbeziehung von Haftungsansprüchen auszuweiten, er beschränkt diese Ausweitung aber auf die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB. 5. Die mit § 93 InsO bewirkte Ausweitung des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung gebietet die Anwendung der Vorschrift auf die Parallelbürgschaft nicht. Diese Ausweitung ist begrenzt auf Haftungs-

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8. Kap.: Zusammenfassung der Ergebnisse

ansprüche, die allen Gläubigern der Gesellschaft gleichermaßen zustehen. Während die Haftung nach § 128 Satz 1 HGB alle Gläubiger der Gesellschaft gleichermaßen berechtigt, begründet die Bürgschaft nur Haftungsansprüche einzelner Gläubiger. Der Vorwurf der Gesetzesumgehung ist unbegründet und rechtfertigt keine andere Bewertung des Normzwecks. Auch wenn die Parallelbürgschaft keine zusätzliche Haftungsmasse schafft, ist sie aufgrund von Befriedigungsvorteilen im Insolvenzplanverfahren (§ 254 Abs. 2 Satz 1 InsO) und bei der Verjährung (§§ 159, 160 HGB) ein ergänzendes Sicherungsinstrument und keine insolvenzrechtlich unbeachtliche Vorrangbzw. Umgehungsvereinbarung. 6. Dass die „persönliche Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft“ nur dann vom Insolvenzverwalter geltend machen werden darf, wenn sich diese Haftung aus dem Gesetz ergibt, übersteigt die Grenzen zulässiger Gesetzesauslegung und bedarf einer Rechtsfortbildung durch teleologische Reduktion. 7. Die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion des § 93 InsO liegen vor, weil das Gesetz mit § 93 InsO zwar eine auf die Parallelbürgschaft anwendbare Regel enthält, diese aber der Teleologie des § 93 InsO und dem Sicherungszweck der Parallelbürgschaft und damit dem vorrangigen Normzweck der §§ 43, 254 Abs. 2 Satz 1 InsO zuwiderläuft.

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Sachwortverzeichnis Abgabenrechtliche Haftung 56 ff. Absonderung 133 Abstimmungstermin 40 Akzessorische Haftung 62, 99 Alte Masseverbindlichkeiten 42 ff. Analogie 69 ff., 137 ff., 164 ff. Anspruchskonkurrenz 143 ff. Anspruchskumulation 143 ff. Aufrechnung 26, 30 Ausfall 23, 158 ff. Ausfallprinzip 158 ff. Banken 139 Bürgschaft – auf erstes Anfordern 151 ff. – Doppelberücksichtigungsprinzip 24 ff., 32 ff., 137, 158 ff. – Einreden 145, 151 ff. – Einwendungen 145, 151 – Enthaftung 148 – Haftung 85 ff. – Hauptforderung 85, 145 ff. – Hauptschuldner 18, 83 ff. – Verjährung 145 ff. – Vertrag 85 Cessio legis 27 Dingliche Sicherheiten 84 Doppelberücksichtigungsprinzip 24 ff., 34 ff., 137 ff., 154 ff. Doppelinsolvenz 26 Drittschuldner 25 Drittsicherheit 33 Durchgriffshaftung 51 Durchsetzungssperre 25 ff.

Einreden 145, 151 Einwendungen 145, 151 Einziehungsbefugnis 33 ff. Einzugsvorbehalt 25 ff. Enthaftung 148 Entstehungsgeschichte 110 ff. Erlass 33 ff. Ermächtigungswirkung 25 ff. Eröffnungsgrund 36 Erörterungstermin 42 Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung 53 EWIV 53 Existenzvernichtungshaftung 51 Extension 88 Garantie 16 f., 84 ff. GbR 16, 44 f., 96 Gesamtberechtigung 140 ff. Gesamtvollstreckung 33 Gesamtvollstreckungsordnung 52 Gesellschaft bürgerlichen Rechts 16, 44 f., 96 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 52 f., 114 ff. Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 53 f. Gesellschafter – -bürgschaft 16, 140 ff. – -haftung 85, 140 ff. – -sicherheit 16 Gesellschaftsgläubiger 140 ff. Gesellschaftsverbindlichkeit 78 ff., 152 ff. Gesellschaftsvermögen 21 Gesetzeslücke 164 ff.

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Sachwortverzeichnis

Gesetzesmaterialien 110 ff. Gesetzessystematik 97 ff. Gesetzesumgehung 138 ff. Gläubigerausschuss 40 ff. Gläubigerwettlauf 15, 64 ff., 130 ff. Gleichbehandlungsgrundsatz 15, 32 ff., 152 f. GmbH 52 f., 114 ff. GmbH Co. KG 49, 89, 191 Grundkapital 51 f., 62 Gründungsgesellschaft 51 f. Haftsumme 112 Haftung – Begriff 85 – Bürge 85 – dingliche 84 – Erweiterung 16, 140 ff. – Fonds 21, 131, 170 – Insolvenzverwalter 46, 158 ff. – Masse 143 – persönliche 85 ff. – Verfassung 49 ff., 87 ff. Hauptschuldner 18, 83 ff., 103 ff. Hypothek 56, 84 Inkassoverfahren 27 ff. Innengesellschaft 50, 53 Innsolvenz – -anfechtung 37 – -antrag 40 – -forderung 27 ff., 64, 158 – -gläubiger 27 ff., 37 ff. – -grund 36 – -masse 25 ff., 103 ff., 112 ff. – -quote 27, 64, 158 – -schuldner 15, 25 ff. – -verwalter 15, 25 ff. Insolvenzplan – Abstimmungstermin 42 – Allgemein 18, 34 ff., 102 ff. 110 ff. – Bestätigung 33 ff., 158 ff.

– Erörterungstermin 42 – Verfahren 110 ff. Insolvenzrechtskommission 114 ff. Insolvenzverwalter 15, 25, 35 ff. Insolvenzverwalterhaftung 46, 158 ff. Intension 88 Juristentagsgutachten 118 ff. Kapitalaufbringung 51 Kapitalsicherung 21, 51 KG 49 Kommanditaktionäre 50 f. Kommanditgesellschaft 49 Kommanditgesellschaft auf Aktien 50 f. Kommanditist 49 Kommanditistenhaftung 49, 98 ff., 111 ff. Komplementär 49 ff., 56 f., 189 Konkurrierende Mithaftungsansprüche 16 f., 84 ff. Konkurs 22 ff. Konkursordnung 22 ff. Konzern 52 Kreditsicherheit 16 f. Krise 37 Legitimationsbefugnis 25 ff. Liquidation 45 ff. Massearmut 42 ff. Massegläubiger 46, 89 Masseunzulänglichkeit 37, 151, 189 Masseverbindlichkeit – alt 38 ff. – neu 40 Mithaftung 16 f. Neue Masseverbindlichkeiten 40 Normzweck 129 ff.

Sachwortverzeichnis Offene Handelsgesellschaft 49 OHG 49 Organmitglieder 116 ff. Parallelsicherheiten 16 f. Partenreederei 16, 49 f. Partnerschaftsgesellschaft 49 f. Patronatserklärung 16 Personalsicherheiten 16, 83 ff. Persönliche Haftung 83 ff. Pfandrecht 69, 84 Prioritätsprinzip 15, 33 ff., 156 ff. Privatautonomie 137 ff. Privatgläubiger 152 ff. Privatvermögen 152 ff. Prozessführungsbefugnis 25 f. Prozessstandschaft 29 Quote 27, 64, 158 Rechtsanalogie 69, 137 ff., 164 ff. Rechtsfortbildung 163 ff. Regelungsabsicht 110 ff. Regelungsmechanismus 25 ff. Reorganisationsplan 115 ff. Restriktive Auslegung 163 ff. Restschuldbefreiung 103 ff. Rückschlagsperre 37 ff. Sanierungskonzept 40 Sanierungsmasse 34 Schuld 85 ff. Schuldbeitritt 16 Selbstorganschaft 44 ff. Sicherungshypothek 56, 84 Sicherungszweck 144, 147 ff. Simultaninsolvenz 34, 115 ff. 157 ff.

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Sondermasse 31, 73 ff., 161 ff. Sonderverjährung 148 Sperrwirkung 25 f. Sprachgebrauch 75 ff. Teleologie 129 ff. Teleologische Reduktion 163 ff. Traditioneller Sprachgebrauch 95 ff. Treuhänder 31 ff. Umgehungsvereinbarung 138 ff. Unterkapitalisierung 52 Unternehmensfortführung 46 Verfahrenseröffnung 42 ff. Verfahrenskosten 42 ff. Verfahrenskostendeckung 42 ff. Vergleich 30 Vergleichsverfahren 24 ff., 39, 107 ff. Verjährung 133, 145 ff. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis 25 ff. Vollstreckungsgegenklage 146 Vollstreckungsmoratorium 122 ff. Vorgründungsgesellschaft 51 f. Vorläufiger Gläubigerausschuss 41 ff. Vorläufiges Insolvenzverfahren 41 ff. Vorrangvereinbarung 140 ff. Wirtschaftliche Betrachtungsweise 140 ff. Wortlaut 75 ff. Zwangsvergleichsverfahren 24 ff., 39, 107 ff. Zwangsvollstreckung 28 ff., 86, 186