Die pädagogische Freiheit des Lehrers: Eine Untersuchung zur Reichweite und zu den Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat [1 ed.] 9783428508952, 9783428108954

Johannes Rux zeigt am Beispiel der Rechtsstellung der Lehrer die Reichweite und Grenzen der Fachaufsicht im demokratisch

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Die pädagogische Freiheit des Lehrers: Eine Untersuchung zur Reichweite und zu den Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat [1 ed.]
 9783428508952, 9783428108954

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 66

Die pädagogische Freiheit des Lehrers Eine Untersuchung zur Reichweite und zu den Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat

Von

Johannes Rux

Duncker & Humblot · Berlin

JOHANNES RUX

Die pädagogische Freiheit des Lehrers

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf

Vitzthum

in Gemeinschaft mit M a r t i n Heckel, Karl-Hermann Kästner F e r d i n a n d K i r c h h o f , Hans v o n M a n g o l d t M a r t i n Nettesheim, Thomas Oppermann G ü n t e r Püttner, M i c h a e l R o n e l l e n f i t s c h sämtlich in Tübingen

Band 66

Die pädagogische Freiheit des Lehrers Eine Untersuchung zur Reichweite und zu den Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat

Von Johannes Rux

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Rux, Johannes: Die pädagogische Freiheit des Lehrers : eine Untersuchung zur Reichweite und zu den Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat / von Johannes Rux. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 66) Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 2001/2002 ISBN 3-428-10895-7

D 21 Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-10895-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

Vorwort I n der vorliegenden Arbeit geht es u m die Frage, ob den Lehrern ein rechtlich geschützter Freiraum für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zur Verfügung steht und wie weit dieser Freiraum gegebenenfalls reicht. Diese Frage, die zuletzt vor gut zwanzig Jahren Gegenstand der rechtswissenschaftlichen Diskussion war, ist nicht zuletzt durch das w o h l nur für Außenstehende überraschend schlechte Abschneiden der deutschen Schülerinnen und Schüler bei internationalen Vergleichstests (TIMSS und PISA) wieder ins Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit geraten: Denn diese Vergleichsstudien haben wieder einmal deutlich gemacht, dass der Staat seinem selbstgesetzen Bildungs- und Erziehungsanspruch nur dann gerecht werden kann, wenn die Lehrer die Möglichkeit haben, die ihnen anvertrauten jungen Menschen individuell zu fördern. I m ersten Teil der vorliegenden Untersuchung w i r d das Außenverhältnis zwischen der Schule und den Schülern bzw. deren Eltern i m Mittelpunkt stehen, u m auf diese Weise den äußeren Rahmen der pädagogischen Freiheit zu bestimmen: Schließlich sind die Lehrer aufgrund ihrer umfassenden Rechtsbindung selbst dann, wenn sie tatsächlich pädagogische Freiheit genießen sollten, unter keinen Umständen dazu berechtigt, in die Rechte Dritter einzugreifen. W i e sich i m Verlauf der Untersuchung zeigen wird, gibt es i m Bereich des Bildungswesens eine Vielzahl von Entscheidungen, die aus einer bestimmten, nachträglich nicht rekonstruierbaren konkreten Situation heraus getroffen werden und die daher einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich sind. Während es für den Schüler i m Ergebnis gleichgültig ist, wer diese Entscheidung i m Innenverhältnis konkret zu verantworten hat, stellt sich für den Lehrer die Frage, ob er auch insofern stets an die Weisungen seiner Vorgesetzten gebunden ist. Da die pädagogische Freiheit jedenfalls kein Grundrecht der Lehrer darstellt, kommt insofern den einfach-gesetzlichen Bestimmungen über die pädagogische Freiheit bzw. Eigenverantwortung der Lehrer entscheidende Bedeutung zu. W i e hier aufzuzeigen sein wird, stellen diese nicht nur eine objektive Beschränkung der Aufsichts- und Weisungsbefugnisse dar, sondern sie vermitteln den Lehrern einen justitiablen Anspruch auf einen gewissen Freiraum für die Gestaltung ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit, der sich zwar von Land zu Land geringfügig unterscheidet, aber durchweg dazu führt, dass in erster Linie die Lehrer darüber zu

Vorwort

6

entscheiden haben, wie die vorgegebenen Erziehungsziele innerhalb des durch die einschlägigen Gesetze und Rechtsverordnungen vorgegebenen Rahmens erreicht werden sollen. Bei alldem wird es immer auch darum gehen, am Beispiel der Rechtsstellung der Lehrer die Reichweite und Grenzen der Fachaufsicht im demokratischen Rechtsstaat aufzuzeigen und damit deutlich zu machen, dass die Ergebnisse dieser Untersuchung keineswegs nur für das Schulverhältnis von Bedeutung sind. Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2001/2002 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen und für die Drucklegung nur noch geringfügig geändert. Wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit besteht aller Anlass zu Danksagungen an die Adresse all derjenigen, die zum Gelingen beigetragen haben: Zu nennen ist insofern zunächst Herr Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Püttner, der mir während meiner Assistentenzeit nicht nur die Gelegenheit zu einer fruchtbaren Kooperation geboten und genügend Raum für meine eigene Arbeit gelassen, sondern auch die Mühe des Erstgutachtens auf sich genommen hat. Dank schulde ich weiterhin Herrn Prof. Dr. Karl-Hermann Kästner für sein erfreulich rasches Zweitgutachten und Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Graf Vitzthum für seine Bereitschaft, diese Arbeit in die Reihe der Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht aufzunehmen. Die JohannesLöchner-Stiftung hat die Veröffentlichung dieser Arbeit durch einen großzügigen Zuschuss unterstützt. Und schließlich habe ich meinen Eltern zu danken, die mir stets als Beispiel dafür gedient haben, dass viele der gängigen Vorurteile gegenüber Lehrern doch nur auf tönernen Füßen stehen. Vor allem stehe ich aber in der Schuld meiner Frau und meiner beiden Töchter: Ihr Lieben! Euch sei dieses Werk gewidmet.

Tübingen, im Juli 2002

Johannes Rux

Inhaltsübersicht Α.

Einführung

17

Β.

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

25

I.

Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

25

II.

Die Rechte der Eltern

42

III. Der Lehrer im Spannungsverhältnis zwischen Schülern, Eltern und Schulverwaltung C.

Das Außen Verhältnis - Entscheidungsspielräume der Verwaltung und Rechtsschutz im Schulverhältnis 45 I.

Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis

45

II.

Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

56

III. Zusammenfassung D.

43

72

Das Innenverhältnis - Die pädagogische Freiheit als Beschränkung der staatlichen Weisungs- und Aufsichtsrechte im Schulbereich

74

I.

Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

77

II.

Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

105 141

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsprozess 216 V.

Der Lehrer und die Konferenzen

224

VI. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines subjektiven Rechts auf pädagogische Freiheit 232 E.

Zusammenfassung und Schluss

239

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze

243

Literaturverzeichnis

251

Stichwortverzeichnis

263

Inhaltsverzeichnis Α. Β.

Einführung

17

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

25

I.

25

Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens 1.

Die Schulpflicht und das Recht auf Bildung

26

2.

Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates

27

a)

3. II.

Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates und der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht

29

aa) Art. 144 S. 1 WRV als Grundlage des staatlichen Bildungsund Erziehungsanspruchs in der Weimarer Republik

29

bb) Die Funktion des Art. 7 Abs. 1 GG

32

b)

Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates und das Selbstentfaltungsrecht der Schüler

36

c)

Das Bildungswesen und die Berufsfreiheit

37

d)

Die Schulen als Keimzelle des (demokratischen) Gemeinwesens

39

Zusammenfassung

Die Rechte der Eltern

III. Der Lehrer im Spannungsverhältnis zwischen Schülern, Eltern und Schulverwaltung C.

41 42 43

Das Außenverhältnis - Entscheidungsspielräume der Verwaltung und Rechtsschutz im Schulverhältnis 45 I.

II.

Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis

45

1.

Der Vorbehalt des Gesetzes und die notwendige Unschärfe abstraktgenereller Regelungen

45

2.

Zur Regelungsdichte im Schulrecht

49

Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

56

1.

Zur Reichweite und zu den Grenzen des Rechtsschutzanspruchs . . .

56

a)

Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als vorbehaltloses Grundrecht

57

b)

Zur Zulässigkeit einer Beschränkung des Rechtsschutzanspruchs

58

aa) Die „normative Ermächtigungslehre"

58

bb) Die verfassungsimmanenten Schranken des Rechtsschutzanspruchs

59

(1) Die Grundrechte Dritter und der Grundsatz der Rechtssicherheit

60

nsverzeichnis

10

(2) Der Grundsatz eines wirkungsvollen behördlichen und gerichtlichen Verfahrens und die Handlungsfähigkeit der Staatsorgane 60 (3) Die Eigenständigkeit der Verwaltung

c) 2.

D.

63

(a) Regelungsdichte und gerichtliche Überprüfung von Hoheitsakten

64

(b) Die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung als objektive Grenze des Rechtsschutzanspruchs

65

(c) Planung, Politik und gerichtliche Kontrolle

67

Zusammenfassung

Die Grenzen des Rechtsschutzes im Schulverhältnis

68 69

III. Zusammenfassung

72

Das Innenverhältnis - Die pädagogische Freiheit als Beschränkung der staatlichen Weisungs- und Aufsichtsrechte im Schulbereich

74

I.

Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit . . . .

77

1.

77

Die pädagogische Freiheit als Grundrecht der Lehrer a)

Zur Geltung der Grundrechte für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes

78

aa) Zur Geltung der Grundrechte für die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes

78

bb) Zur Geltung der Grundrechte für das außerdienstliche Verhalten und das Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung cc) Zur Geltung der Grundrechte für die Lehrer an öffentlichen Schulen b)

II.

82 86

Die pädagogische Freiheit als Fall der Lehrfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG

87

aa) Die Lehrfreiheit als Grundrecht der Hochschullehrer

87

bb) Die Lehrfreiheit als untrennbarer Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit

88

cc) Die Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht

90

dd) Zwischenergebnis

94

c)

Die pädagogische Freiheit als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG

95

d)

Zusammenfassung

98

2.

Die pädagogische Freiheit und die Grundrechte der Schüler

98

3.

Die pädagogische Freiheit und das Ziel der Erziehung zur Eigenverantwortung 103

Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

105

1.

107

Die pädagogische Eigenverantwortung in der Literatur a)

Die erste Phase: Vom In-Kraft-Treten des Grundgesetzes bis zum Musterentwurf für ein Landesschulgesetz 107

nsverzeichnis b)

2.

3.

Die zweite Phase: Der Musterentwurf der „Kommission Schulrecht" des Deutschen Juristentags 111

c)

Die dritte Phase: Die Entwicklung seit Mitte der achtziger Jahre

116

d)

Zusammenfassung und Kritik

119

Die pädagogische Freiheit in der Rechtsprechung

120

a)

Die Rechtsprechung des OVG Berlin

121

b)

Die Rechtsprechung des OVG Münster

123

c)

Die Rechtsprechung des OVG Schleswig

126

d)

Die Rechtsprechung des VGH Mannheim

127

e)

Die Rechtsprechung des OVG Lüneburg

128

f)

Die Rechtsprechung des VGH Kassel

131

g)

Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes

133

h)

Zusammenfassung und Kritik

134

Eigener Ansatz: Die pädagogische Freiheit als subjektives Recht der Lehrer 135 a)

Pädagogische Verantwortung und pädagogische Freiheit

135

b)

Die pädagogische Freiheit als subjektives Recht der Lehrer . . .

139

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit 1.

11

141

Die ausdrücklichen Grenzen der Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse: Zu den einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze

141

a)

142

Hessen

aa) Die Rechtsgrundlagen der pädagogischen Freiheit und Eigenverantwortung 143 bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden

145

(1) Die Vorgaben des § 93 Abs. 3 HessSchG

146

(2) Zum Umfang der Aufsicht über die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer 149 cc) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter

b)

152

(1) Die Vorgaben des § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG

153

(2) Zum Umfang der Eingriffsbefugnisse

155

dd) Ergebnis

156

Mecklenburg-Vorpommern

158

aa) Die Rechtsgrundlagen der pädagogischen Freiheit und Eigenverantwortung 158

c)

d)

bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden

161

cc) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter

164

Niedersachsen

165

aa) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden

166

bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter

167

Bremen

168

aa) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden

168

nsverzeichnis bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter

170

Berlin

172

f)

Saarland

173

g)

Brandenburg

174

aa) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter

175

bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden

176

e)

h)

Nordrhein-Westfalen

176

i)

Thüringen

178

j)

Sachsen-Anhalt

179

k)

Rheinland-Pfalz

180

1)

Hamburg

181

m) Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Schleswig-Holstein

182

n)

184

Zusammenfassung

Die ungeschriebenen Grenzen der Eingriffs- und Weisungsbefugnisse: Zu den Voraussetzungen für die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen im Schulverhältnis 185 a)

Zur Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen

185

aa) Das Problem: Rechtsbindung und Remonstrationsverfahren 186 bb) Der erste Lösungsansatz: Die Unverbindlichkeit „offensichtlich rechtswidriger" Anordnungen 188 cc) Der zweite Lösungsansatz: Die Unterscheidung zwischen „innerer" und „äußerer Rechtmäßigkeit" 190 dd) Zur Legitimation einer Beschränkung des Grundsatzes der Rechtsbindung der Verwaltung 192 (1) Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen als „hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums" . . 192 (a) Das Reichsbeamtengesetz von 1873

193

(b) Zur gewohnheitsrechtlichen Verdrängung der Vorgaben des RBG 197 (c) Zum Verhältnis von Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG 200 (2) Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung 200 (a) Zur verfahrensrechtlichen Absicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung 201 (b) Das Remonstrationsverfahren und die persönliche Haftung des Beamten 205 (3) Exkurs: Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen und die Verbindlichkeit von Weisungen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung 208 ee) Zwischenergebnis

211

nsverzeichnis

13

b)

Die Voraussetzungen für die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen 212

c)

Die Pädagogische Freiheit als „Recht auf den Beurteilungsspielraum" 214

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsprozess 216

V.

1.

Das Innenverhältnis

216

2.

Das Außenverhältnis

219

a)

Zur Kontrolldichte im Widerspruchsverfahren

219

b)

Die Schüler als Objekte der Lehrerwillkür?

223

Der Lehrer und die Konferenzen

224

1.

Die Lehrerkonferenzen

224

2.

Die Schulkonferenz

229

3.

Zusammenfassung

231

VI. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines subjektiven Rechts auf pädagogische Freiheit 232

E.

1.

Die pädagogische Freiheit und der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht 233

2.

Die pädagogische Freiheit und das demokratische Prinzip

Zusammenfassung und Schluss

236 239

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze

243

Literaturverzeichnis

251

Stichwortverzeichnis

263

Abkürzungsverzeichnis 1 AK-GG AP AS Bay BayEUG BayVoSchG 1966 Bbg BbgSchG Beri BerlSchG BerlSchVerfG BK Brem BremSchG BremSchG 1975 BremSchVwG BremSchVwG 1978 BS BUZwG BW BW-KonfO BW-LBG BW-LVG BW-SchG BW-SchVOG 1964

1

Wassermann et al. (Hrsg.): „Alternativ-Kommentar zum Grundgesetz" Arbeitsgerichtliche Praxis - Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichtes Amtliche Sammlung des (schweizerischen) Bundesrechts Bayern, bayerisch Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (Bayerisches) Volksschulgesetz vom 17.11.1966, BayGVBl. S. 402 Brandenburg, brandenburgisch Gesetz über die Schulen im Land Brandenburg - Brandenburgisches Schulgesetz Berlin, Berlinisch Schulgesetz für Berlin Gesetz über die Schulverfassung für die Schulen des Landes Berlin Dolzer et al. (Hrsg.): „Kommentar zum Bonner Grundgesetz" Bremen, bremisch Bremisches Schulgesetz Bremisches Schulgesetz vom 18.2.75, BremGBl. S. 89 Bremisches Schulverwaltungsgesetz Bremisches Schulverwaltungsgesetz vom 24. Juli 1978, BremGBl. S. 167 Bereinigte Sammlung der (schweizerischen) Bundesgesetze und Verordnungen 1848-1947 Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes Baden-Württemberg, baden-württembergisch Konferenzordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums (Baden-Württembergisches) Landesbeamtengesetz (Baden-Württembergisches) Landes Verwaltungsgesetz Schulgesetz für Baden-Württemberg (Baden-Württembergisches) Gesetz zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vom 5.5.64 - BW-GB1. S. 235

Sofern im Text Abkürzungen verwendet wurden, die hier nicht erklärt werden, wird auf das Abkürzungsverzeichnis der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) und Hildebert Kirchner, AbkürzungsVerzeichnis der Rechtssprache, 4. Auflage, Berlin 1993, verwiesen.

Abkürzungsverzeichnis CH-aBV

CH-nBV DJT-SchGE

GKÖD Hamb HambSchG HambSchG 1977 HambSchVerfG 1973 HambSchVwG 1956 HambSchVwG 1968 Hess HessSchG HessSchVwG 1961

HessSchVwG 1978

HStR IEA LSA LSA-SchG MüKo MV MV-SchG · Nds NdsSchG NRW NRW-ASchO NRW-SchMG NRW-SchOG NRW-SchVwG

15

Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 29. Mai 1874, BS 1 S. 3; außer Kraft seit 31. Dezember 1999 Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. April 1999, AS 1999, S. 2556 Deutscher Juristentag, Schule im Rechtsstaat - Bericht der Kommission Schulrecht, Band I: Entwurf für ein Landesschulgesetz Fürst, Walter (Hrsg.): „Gemeinschaftskommentar zum öffentlichen Dienstrecht" Hamburg, hamburgisch Hamburgisches Schulgesetz Schulgesetz der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. Oktober 1977, HambGVBl. S. 297 (Hamburgisches) Schulverfassungsgesetz vom 12. April 1973, HambGVBl. S. 91 (Hamburgisches) Schulverwaltungsgesetz vom 3. Juli 1956, HambGVBl. S. 125 (Hamburgisches) Schulverwaltungsgesetz vom 8. Juli 1968, HambGVBl. S. 185 Hessen, hessisch Hessisches Schulgesetz (Hessisches) Gesetz über die Unterhaltung und Verwaltung der öffentlichen Schulen und die Schulaufsicht - Schulverwaltungsgesetz - vom 28.6.61, HessGVBl. I S. 87 (Hessisches) Gesetz über die Unterhaltung und Verwaltung der öffentlichen Schulen und die Schulaufsicht - Schulverwaltungsgesetz - in der Fassung vom 4. April 1978, HessGVBl. I S. 232 Anschütz/Thoma (Hrsg.): „Handbuch des deutschen Staatsrechts", Band 2, Tübingen 1932 International Association for the Evaluation of Educational Achievement (Land) Sachsen-Anhalt, sachsen-anhaltinisch Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt Rebmann/Säcker (Hrsg.): „Münchener Kommentar Bürgerliches Gesetzbuch" Mecklenburg-Vorpommern, mecklenburg-vorpommerisch Schulgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern Niedersachsen, niedersächsich Niedersächsisches Schulgesetz Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Allgemeine Schulordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (Nordrhein-Westfälisches) Gesetz über die Mitwirkung im Schulwesen Erstes Gesetz zur Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen (Nordrhein-Westfälisches) Schulverwaltungsgesetz

16 OECD

PISA RBG RP RP-GHS SchG RP-SchG Saar SaarSchMG SaarSchOG Sächs SächsSchG SH SH-SchG Thür ThürSchAG ThürSchG TIMSS

VvB VvB 1950

Abkürzungsverzeichnis Organization for Economic Cooperation and Development Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Programme for International Student Assessment - Internationale Schulleistungsstudie der OECD Reichsbeamtengesetz vom 31.3.1873, RGBl. S. 61. Rheinland-Pfalz, rheinland-pfälzisch (Rheinland-Pfälzisches) Landesgesetz über die öffentlichen Grund-, Haupt- und Sonderschulen Landesgesetz über die Schulen in Rheinland-Pfalz Saarland, saarländisch (Saarländisches) Gesetz Nr. 994 über die Mitbestimmung und Mitwirkung im Schulwesen - Schulmitbestimmungsgesetz Gesetz Nr. 812 zur Ordnung des Schulwesens im Saarland Schulordnungsgesetz sächsisch Schulgesetz für den Freistaat Sachsen Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Schleswig-Holsteinisches Schulgesetz Thüringen, thüringisch Thüringer Gesetz über die Schulaufsicht Thüringer Schulgesetz Third International Mathematics and Science Study - Dritte Internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie der IEA Verfassung von Berlin Verfassung von Berlin vom 1. September 1950 (VOB1.1 S. 433)

„Nein, nein, wir brauchen Menschen als Lehrer und keine zweibeinigen Konservenbüchsen! Wir brauchen Lehrer, die sich entwickeln müssen, wenn sie uns entwickeln wollen. " Erich Kästner, Das fliegende Klassenzimmer (1933)1

A. Einführung Die Bildungspolitik w i r d von der Öffentlichkeit seit jeher mit Argusaugen beobachtet: A u f der einen Seite führt w o h l fast jeder Versuch, die Werte und Bildungsinhalte, die den Schülern vermittelt werden sollen, oder die hergebrachten Strukturen der Schulorganisation zu ändern, zu einer breiten öffentlichen Diskussion, an der sich keineswegs nur diejenigen beteiligen, die als Schüler, Eltern oder Lehrer von den Veränderungen unmittelbar betroffen wären. A u f der anderen Seite werden ständig neue Reformvorschläge an die Parlamente, die Kultusministerien und die Schulverwaltungen herangetragen, sodass der Streit über Bildungsinhalte und Erziehungsziele, über die Qualität der Institution Schule und über ihre Organisation praktisch nie zum Erliegen kommt. 2

1 Zitiert nach der Gesamtausgabe von 1998, hrsg. von Franz Josef Görtz, „Eintritt frei! Kinder die Hälfte - Romane für Kinder II", S. 99. 2 Das große Interesse der Öffentlichkeit an der Bildungspolitik zeigt sich nicht nur daran, dass sie bei Landtagswahlkämpfen eine zentrale Rolle spielt, sondern auch an dem Umstand, dass sie immer wieder Gegenstand von Volksinitiativen und Volksbegehren war: So fand der erste Volksentscheid in der Geschichte der Bundesrepublik 1968 in Bayern über die Frage statt, ob auch dort die „christliche Gemeinschaftsschule" anstelle der Bekenntnisschulen als Regelform der Volksschule eingeführt werden sollte, vgl. zu diesem Verfahren ausführlich Degenhart, Der Staat 1992, S. 77, 81 f.; Jürgens, S.174 ff.

Im Jahr 1977 gelang es den Oppositionsparteien FDP und CDU in Nordrhein-Westfalen, mehr als 20 % der Stimmberechtigten zur Unterstützung eines Volksbegehrens zu bewegen, das sich gegen die Pläne der Landesregierung richtete, die Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien zu „Kooperativen Schulen" zusammenzufassen und die Schüler der Klassenstufen 5 und 6 gemeinsam zu unterrichten: Das umstrittene „Koop-Gesetz" wurde zurückgezogen, bevor es zum Volksentscheid kommen konnte; vgl. dazu Jürgens, S. 194 f. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Initiativen, die auf eine Verbesserung der personellen und sächlichen Ausstattung sowie auf eine stärkere organisatorische Verselbständigung der einzelnen Schulen gerichtet waren; zur Praxis der direktdemokratischen Verfahren in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland bis 1991 vgl. Jürgens, S. 162 ff. m.w.N. Ein Überblick über die Entwicklung in den neunziger Jahren findet sich bei Jung, ZfG 1998, S. 295 ff.

Α. Einführung

18

Dieses große öffentliche Interesse hat viele Gründe, von denen hier nur einige genannt werden sollen: Zunächst ist festzuhalten, dass Helmut Schelskys Feststellung, die Schule sei eine „bürokratische Zuteilungsapparatur von LebensChancen",3 bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat. Auch wenn in der aktuellen Berichterstattung auch nach dem Zusammenbruch des „Neuen Marktes" immer noch die Erfolgsgeschichten über junge Internet- und Medienfirmen dominieren mögen, deren Gründer es nicht selten ohne eine abgeschlossene Ausbildung zu Multimillionären gebracht haben, ändert das rein gar nichts an der Tatsache, dass die Chancen zu sozialem Aufstieg und ökonomischem Wohlstand heute mehr denn je vom erfolgreichen Abschluss einer Berufsausbildung abhängen.4 Ob und welche Ausbildungsgänge einem Menschen offen stehen, bestimmt sich aber wiederum in erster Linie nach seinem Schulabschluss. Dabei ist zu beachten dass der Schulabschluss keineswegs nur eine formale Hürde für den Zugang zu einer bestimmten Berufsausbildung darstellt. Getreu dem klassischen Postulat „Non scolae sed vitae discimus"5 ist die Schule nämlich kein Selbstzweck. Vielmehr sollen die Schülerinnen und Schüler zu „mündigen Bürgern" erzogen und ihnen sollen diejenigen Fertigkeiten und Kenntnisse vermittelt werden, die sie für ihren weiteren Lebensweg benötigen. Die Fragen, welche Fertigkeiten und Kenntnisse das konkret sind und was genau einen wirklich „mündigen Bürger" ausmacht, war und ist allerdings seit jeher heftig umstritten. Insbesondere lässt sich der Wunsch, den Schülern eine möglichst breite Allgemeinbildung zu verschaffen, nicht ohne weiteres mit dem Bedürfnis vereinbaren, die jungen Menschen bereits in der Schule möglichst gut auf ihre Zukunft im Arbeitsleben vorzubereiten. 6 Weitere Konflikte ergeben sich aus dem Anspruch des Staates, weitgehend frei über diejenigen Werte zu entscheiden, die den Schülern vermittelt werden sollen. 3

Schelsky, S. 18.

4

Dies zeigt sich nicht zuletzt an der Diskussion über die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ausländische Informationstechnologie-Experten der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt eröffnet werden soll: Die einschlägige Verordnung setzt ganz selbstverständlich den erfolgreichen Abschluss eines einschlägigen Studiums voraus, vgl. § 2 Nr. 1 der Verordnung über die Arbeitsgenehmigung für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte der Informations- und Kommunikationstechnologie (IT-ArGV) vom 28. Juli 2000 (BGBl. I S. 1146). 5 „Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir." Vgl. Seneca d. /., Briefe an Lucilius, Nr. 106,12, der den Satz allerdings umgekehrt formuliert hatte, um die damalige Situation zu kritisieren. 6 Schon lange vor dem Stoiker Seneca hatte Aristoteles, Politik, Band VIII, Kap. 3, 2, festgestellt: „immer nur nach dem Nützlichen zu fragen, ziemt sich gar nicht für großzügige und freie Menschen". Man sieht, dass die Diskussion keineswegs neu ist...

Α. Einführung

Schließlich kann sich aufgrund der allgemeinen Schulpflicht grundsätzlich niemand diesem Einfluss vollständig entziehen. Daher steht der Staat unter dem Generalverdacht der Indoktrination und damit auch unter einem permanenten Rechtfertigungsdruck. 7 Betrachtet man die bildungspolitische Diskussion der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, so lassen sich drei Schwerpunkte unterscheiden: Zum einen wird seit jeher über die Frage gestritten, ob und inwieweit das Schulwesen in einem säkularen Staat für religiöse und weltanschauliche Bezüge geöffnet werden darf. Dieser Streit zieht sich seit den Verhandlungen der Weimarer Nationalversammlung wie ein roter Faden durch die schulpolitische und schulrechtliche Diskussion.8 Interessanterweise hat sich die Perspektive der Diskussion im Lauf der Zeit deutlich verschoben: Zunächst ging es in erster Linie um die Entkonfessionalisierung des Schulwesens und damit darum, den Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates auch in diesem Bereich der öffentlichen Verwaltung endgültig durchzusetzen.9 Nachdem dieser Prozess mittlerweile durch die flächendeckende Einführung der - teilweise allerdings immer noch ausdrücklich christlich geprägten 10 - Gemeinschaftsschulen 11 weitgehend abgeschlossen ist, kommt 7 Schließlich darf auch nicht unterschätzt werden, dass jeder Mensch einmal Schüler war und sich schon von daher für hinreichend kompetent erachtet, um sich an der Diskussion zu beteiligen. 8

Zunächst ging es um die Frage, ob die sogenannte „Simultanschule", in der die Schüler aller Bekenntnisse gemeinsam unterrichtet werden, neben oder an die Stelle der Bekenntnisschulen treten sollten. In jüngerer Zeit wurde vor allem über die Stellung des Religionsunterrichts, über die Zulässigkeit von gemeinsamen Schulgebeten oder über religiöse Symbole in den Klassenräumen öffentlicher Schulen diskutiert. 9 Bekanntermaßen konnte die konsequente Trennung von Kirche und Staat in Deutschland weder bei den Verfassungsberatungen der Weimarer Nationalversammlung noch im Parlamentarischen Rat durchgesetzt werden, vgl. dazu zusammenfassend Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 161 ff. 10

Während in Art. 15 Abs. 1 BW-V von der „christlichen Gemeinschaftsschule" die Rede ist und auch Art. 135 S. 2 BayV davon spricht, dass die Schüler „nach den Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen" werden sollen, heißt es in Art. 56 Abs. 2 HessV nur, dass die „Kinder aller religiösen Bekenntnisse und Weltanschauungen in der Regel gemeinsam erzogen" werden. 11

Dieser Schultyp musste in den sechziger Jahren gegen den teilweise erbitterten Widerstand der christlichen Kirchen als Regelform der Grund- und Hauptschulen durchgesetzt werden; vgl. dazu BVerfGE 41, S. 29; BVerfGE Al, S. 65; BVerfGE 41, S. 88. Diese Entwicklung war allerdings letztendlich unvermeidbar, da die hergebrachten, konfessionell relativ homogenen Siedlungsstrukturen nach dem zweiten Weltkrieg zunächst durch die Zuwanderung von Flüchtlingen aus den früheren deutschen Ostgebieten und später durch die immer größere Binnenmobilität und die Zuwanderung von ausländischen Arbeitnehmern und Flüchtlingen aufgelöst wurden.

20

Α. Einführung

es seit einigen Jahren immer häufiger zu Konflikten, weil sich einzelne Schüler oder Lehrer auch innerhalb der Schule gemäß den Geboten ihres jeweiligen Glaubens verhalten w o l l e n . 1 2 I n diesem Zusammenhang ist auch auf das schwierige Verhältnis zwischen dem in Art. 7 Abs. 3 G G als ordentliches Unterrichtsfach garantierten Religionsunterricht und dem mittlerweile in den meisten Ländern eingeführten

religiös

und weltanschaulich

neutralen Ethik-Unterricht

hin-

zuweisen. 1 3 Der zweite Schwerpunkt der bildungspolitischen Diskussion ist die Qualität der Ausbildung. Problematisch ist dabei vor allem, dass es bis heute keinen Konsens über die Kriterien gibt, an denen diese Qualität gemessen werden soll. 1 4 A u c h hier hat sich der Schwerpunkt der Diskussion in den letzten Jahren deutlich verlagert: Während es früher vor allem u m die bildungspolitische Grundsatzfrage ging, ob und inwieweit das Schulwesen ausdifferenziert werden muss, u m den individuellen Bedürfnissen und Fähigkeiten der Schüler hinreichend Rechnung zu tragen, 15

12

Konkrete Konflikte gab es vor allem im Zusammenhang mit der Frage, ob und unter welchem Voraussetzungen moslemische Schülerinnen ggf. vom Sportunterricht befreit werden müssen. Seit kurzem haben die Gerichte sich auch mit der Frage zu befassen, ob einer Lehrerin die Eignung für das von ihr ausgeübte Amt abgesprochen werden darf, weil sie nur mit einem Kopftuch unterrichten will. 13 Dies betrifft keineswegs nur das Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religion gem. § 11 Abs. 2 BbgSchG, über den im Hinblick auf die Anwendbarkeit des Art. 141 GG auf die neuen Bundesländer derzeit vor dem Bundesverfassungsgericht gestritten wird, sondern auch den „normalen" Ethik-Unterricht, gem. § 100a BW-SchG etc., da dieser nach der insofern zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes mit dem Religionsunterricht gleichwertig sein muss, vgl. BVerwGE 107, S. 75; dazu Rux, VB1BW. 1999, S. 58. Sollte die Bindungskraft der großen (christlichen) Religionsgemeinschaften weiter nachlassen, ist zu erwarten, dass sich diese Konflikte noch verstärken. 14 Für die einen steht der Schüler als Subjekt des Lernens im Mittelpunkt. Die Qualität der Schule bemisst sich daher in erster Linie daran, ob dem Schüler die Fertigkeit vermittelt wurde, sich selbst Inhalte zu erarbeiten. Objektiv messen lässt sich diese Fertigkeit nicht. Für die anderen kommt es vor allem darauf an, ob den Schülern ein vorgegebener Bildungskanon vermittelt werden konnte. Der Schulerfolg wird dementsprechend vor allem daran gemessen, ob die Schüler im Rahmen von Prüfungen das erlernte Wissen reproduzieren und die eingeübten Fertigkeiten angewendet werden können. Letztendlich haben wohl alle Recht: Auf der einen Seite muss die Schule den Schülern heutzutage vor allem die Fertigkeit vermitteln, sich immer wieder neu in andere Gebiete einzuarbeiten und sich an die sich stetig verändernden Umweltbedingungen anzupassen. Auf der anderen Seite hängt diese Fertigkeit nicht zuletzt davon ab, ob die Betroffenen über einen soliden Grundstock von Bildung verfügen. Dies alles ändert allerdings nichts daran, dass es keinen objektiven Maßstab für die Qualität der Schule gibt und wohl auch nicht geben kann. 15

Vgl. dazu zusammenfassend Avenarius/Heckel, Tz. 4.46 und 24.335; vgl. auch Püttneri Rux, Rn. 15 f.

Α. Einführung steht heute die Finanzierung des Schulwesens i m Mittelpunkt: Während nämlich auf der einen Seite auch die Etats der Kultusminister und der Schulträger 16 nicht v ö l l i g von den Sparmaßnahmen verschont geblieben sind, die aufgrund der desolaten Lage der öffentlichen Haushalte unvermeidbar waren, besteht auf der anderen Seite kein Zweifel daran, dass erhebliche Investitionen in die Sach- und Personalausstattung der Schulen erforderlich sind, wenn der bisherige Standard auch nur annähernd gehalten werden soll. 1 7 Daher kann es kaum erstaunen, wenn sich seit einigen Jahren die Klagen über zu große Klassen, Unterrichtsausfall und marode Schulgebäude häufen. Zwar erscheint es angesichts der Diskrepanz zwischen öffentlicher A r m u t und privatem Reichtum 1 8 durchaus nachvollziehbar, wenn die Schulträger versuchen, einen immer größeren T e i l der Kosten für Lernmittel und auch für die Schülerbeförderung auf die Eltern und Schüler abzuwälzen. Das ändert aber nichts daran, dass Bildung ganz allmählich wieder zu einem Luxusgut und damit zu einem Privileg der Besserverdienenden zu werden droht. 1 9 In den letzten Monaten hat sich der Schwerpunkt der Diskussion allerdings durch den „PISA-Schock" 20 wiederum etwas verlagert: Nachdem die deutschen Schülerinnen und Schüler bei einer im Auftrag der OECD durchgeführten vergleichenden Studie sehr schlecht abgeschnitten hatten, gab es wieder einmal hitzige Debatten über die Frage, welche Kenntnisse und Fertigkeiten den Kindern und Jugendlichen in der Schule vermittelt werden sollen.

16 Das sind in der Regel die Gemeinden, teilweise die Kreise. Ausnahmsweise kann auch das Land Schulträger sein, vgl. dazu Püttner/Rux, Rn. 20 ff. 17 Zum einen müssen zahlreiche Schulbauten saniert werden, wenn die Bausubstanz erhalten bleiben soll. Zum anderen sind Milliarden-Aufwendungen notwendig, da auch der Umgang mit Computern und dem Internet mittlerweile zu den unverzichtbaren Kulturtechniken gehört, die ebenso wie das Schreiben, das Lesen und das Rechnen in den Schulen vermittelt werden müssen. Schließlich müssen freiwerdende Lehrerstellen wieder besetzt werden obwohl die Landeshaushalte gleichzeitig immer stärker mit den Kosten für die Versorgung der Ruhestandsbeamten belastet sind. 18

Noch immer übersteigen die von den Bürgern gehaltenen Vermögenswerte die Schulden der öffentlichen Haushalte um ein Vielfaches. 19

Nur in Baden-Württemberg ist die Lernmittelfreiheit in der Verfassung verankert, vgl. Art. 14 Abs. 2 S. 1 BW-V. Wie der VGHMannheim vor kurzem völlig zu Recht festgestellt hat, ergibt sich daraus ein echter Leistungsanspruch, der den Staat und die Schulträger daran hindert, die Kosten für Lernmittel auf die Schüler bzw. ihre Eltern abzuwälzen; vgl. Urteil vom 23.1.2001 - 9 S 331/00 - mit Anmerkung Rux, VB1BW. 2001, S. 221. 20

In der ersten Stufe der Studie „Programme for International Student Assessment PISA" ging es vor allem um die Lesekompetenz, sowie die mathematische und naturwissenschaftliche Grundbildung. Die Studie wurde im Jahr 2000 gleichzeitig in 30 Ländern durchgeführt. In Deutschland war das Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung federführend, vgl. dazu Baumert et al., passim.

22

Α. Einführung I m Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung w i r d indes ein Problem aus

dem dritten Schwerpunktbereich der bildungspolitischen Diskussion stehen, nämlich der Schulorganisation: Konkret w i r d es darum gehen, eine Antwort auf die Frage zu finden, ob die Lehrer einen rechtlich geschützten Spielraum für ihre Tätigkeit genießen - und wie weit diese „pädagogische Freiheit" reicht. 2 1 A u f den ersten B l i c k handelt es sich dabei u m ein Thema, das allenfalls für den doch eher kleinen Kreis derjenigen interessant zu sein scheint, die sich von Berufs wegen oder aus Interesse mit dem Schulrecht i m engeren Sinne auseinander zu setzen haben. W i e i m Folgenden aufzuzeigen sein wird, trifft dieser Eindruck aber schon deshalb nicht zu, w e i l die soeben dargestellten bildungspolitischen Grundsatzfragen untrennbar mit der Stellung des einzelnen Lehrers verbunden sind. 2 2 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Auseinandersetzung mit den Rechtsgrundlagen und der Reichweite der „pädagogischen Freiheit" nur ein Teilaspekt der weit umfassenderen Diskussion über die Reichweite der Staats- und Fachaufsicht i m demokratischen Rechtsstaat ist, die seit einigen Jahren in der Rechtswissenschaft 21

Die „pädagogische Freiheit" der Lehrer wird nur in einigen Bundesländern ausdrücklich erwähnt; vgl. § 67 Abs. 2 BbgSchG, § 86 Abs. 2 Satz 2 HessSchG, § 100 Abs. 2 M V SchG, § 30 Abs. 1 S. 1 LSA-SchG). In den anderen Ländern ist demgegenüber von der „unmittelbaren pädagogischen Verantwortung" (§ 38 Abs. 2 BW-SchG, Art. 59 Abs. 1 S. 1 BayEUG, § 40 Abs. 2 SächsSchG), von der „eigenen Verantwortung" (§ 10 Abs. 1 BerlSchVerfG, § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG, § 88 Abs. 2 HambSchG, §§ 5 S. 1 SaarSchMG bzw. 28 Abs. 1 S. 1 SaarSchOG), von der „eigenen pädagogischen Verantwortung" (§ 50 Abs. 1 S. 1 NdsSchG, § 83 Abs. 1 S. 1 SH-SchG, § 34 Abs. 2 S. 1 ThürSchG) oder von der „freien und eigenen pädagogischen Verantwortung" (§ 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG) die Rede. In NordrheinWestfalen spricht § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG im Zusammenhang mit der Schulaufsicht zwar nur von der „pädagogischen Selbstverantwortung". In § 3 Abs. 2 NRW-SchMG ist jedoch davon die Rede, dass die Lehrer in „Freiheit und Verantwortung" erziehen und unterrichten sollen. 22

Dies wurde in den letzten Monaten nicht zuletzt durch die „Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Lehrergewerkschaften - »Aufgaben von Lehrerinnen und Lehren heute - Fachleute für das Lernen 4 " vom 5. Oktober 2000 deutlich, in der „Bildungspolitik und Bildungsverwaltung" unter anderem dazu aufgefordert worden sind, „für Lehrerinnen und Lehrer die erforderlichen Rahmenbedingungen zu sichern, damit sie den hohen Erwartungen gerecht werden können." Konkret wurde allerdings nur gefordert, Angebote zur Beratung, Fortbildung und beruflichen Weiterqualifizierung für Lehrkräfte bereitzustellen, nicht jedoch, ihnen einen rechtlich geschützten Freiraum für ihre Tätigkeit einzuräumen. Deutlich weiter ist insofern die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) gegangen, die im Juli 2001 im Rahmen der „Empfehlungen der Wirtschaft für ein Lehrerbild - , Führungskraft Lehrer'" von der Politik und der Bildungs Verwaltung unter anderem gefordert hat, „der Schule mehr Selbstständigkeit und den Lehrern mehr Gestaltungsmöglichkeiten" zu geben.

Α. Einführung

geführt wird. 23 Aus diesem Grund wird es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung stets auch darum gehen, Bezüge zu den allgemeinen Regelungen des öffentlichen Dienstrechts, des allgemeinen Verwaltungsrechts und des Verwaltungsprozessrechts herzustellen, um zu klären, ob und inwieweit die Ergebnisse auf andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung übertragen werden können. Sowohl in der einschlägigen Literatur als auch in der Rechtsprechung ist grundsätzlich anerkannt, dass die Lehrer an den öffentlichen Schulen24 einen Spielraum für ihre Tätigkeit benötigen.25 Schließlich erscheint es kaum vorstellbar, wie ein Lehrer, der selbst keinen Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts hat, dazu in der Lage sein soll, die ihm anvertrauten Schüler zu selbständigen und mündigen Bürgern zu erziehen. 26 Tatsächlich haben die Lehrer in der Praxis einen weitaus größeren Spielraum für die eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Tätigkeit als die meisten anderen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Dieser Freiraum ergibt sich jedoch zunächst und in erster Linie aus dem Umstand, dass sie im Alltag mit ihrer Klasse im Unterricht allein sind. Auch werden die tatsächlichen Umstände, die einen Lehrer zu einer bestimmten Maßnahme bewogen haben, häufig überhaupt nicht oder nur durch ihn selbst dokumentiert. Schon von daher entziehen sich seine Handlungen und Entscheidungen einer umfassenden Kontrolle durch den jeweiligen Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Verhältnis zwischen den Schülern und ihren Lehrern zwar ohne jeden Zweifel auch ein Rechtsverhältnis ist. Dennoch lässt sich die Tätigkeit der Lehrer nur bedingt als Rechtsanwendung oder gar als Rechtsdurchsetzung charakterisieren. 27 Denn sie können die ihnen zugewiesenen 23

Vgl. dazu statt vieler Emde, S. 49 ff.; Jestaedt, S. 102 ff.; Waechter, S. 19 ff.

24

Ob und welche Freiräume die Betreiber von Privatschulen den von ihnen angestellten Lehrern für die Ausübung ihrer Tätigkeit belassen, ist keine Frage des öffentlichen Rechts. 25

Vgl. statt vieler BVerfGE 47, S. 46, 83; BVerfGE 58, S. 257, 271; BVerwG, NVwZ 1994, S. 583; OVG Lüneburg, NVwZ 1998, S. 94; VGHMannheim, DVB1. 1988, S. 1121; Avenarius/Heckel, Tz. 19.41. 26

So bereits Heckel, Schulrechtskunde 1, S. 168, der schon sehr früh versucht hatte, die pädagogische Freiheit funktional zu begründen. Stock, Freiheit, S. 17 ff. und passim, hat am Beispiel des HessSchVwG von 1961 herausgearbeitet, dass sich die Gesetzgeber bei der Einführung der Regelungen über die pädagogische Freiheit und Verantwortung genau von dieser Erkenntnis haben leiten lassen. 27

Schließlich kann ein Lehrer seine Erziehungsaufgabe wohl nur dadurch erfüllen, dass er eine persönliche Beziehung zu seinen Schülern aufbaut. Und auch der Unterrichtserfolg hängt nicht zuletzt von seinem pädagogischen Talent ab, also von seiner Fähigkeit, den spezifischen Bedürfnissen und Fähigkeiten seiner Schüler Rechnung zu tragen.

24

Α. Einführung

Aufgaben überhaupt nur dann erfüllen, wenn es ihnen gelingt, eine persönliche Beziehung zu ihren Schülern aufzubauen: Dies gilt nicht nur für ihre erzieherische Tätigkeit, sondern auch für die Vermittlung von bestimmten Kenntnissen und Fertigkeiten, da das Lernen kein technischer - und damit weitgehend steuerbarer - , sondern ein sozialer Prozess ist. Angesichts dieser realen Beschränkungen ist es nur zu verständlich, wenn sich die Schulaufsichtsbehörden und die Schulleiter bei der Ausübung ihrer Eingriffsbefugnisse in der Regel sehr große Zurückhaltung auferlegen. Dennoch soll im Folgenden versucht werden, eine überzeugende Antwort auf die Frage zu finden, ob und inwieweit die pädagogische Verantwortung und die pädagogische Freiheit der Lehrer auch rechtlich abgesichert ist. Diese Frage, die in der rechtswissenschaftlichen Diskussion der vergangenen zehn Jahre so gut wie überhaupt keine Rolle gespielt hat, 28 ist keineswegs nur von akademischem Interesse: Denn zum einen hängt das berufliche Selbstverständnis der Lehrer und ihr Verhalten gegenüber den Schülern nicht zuletzt davon ab, ob das „Damoklesschwert jederzeitigen Eingreifens" 29 über ihnen schwebt oder ob sie gegebenenfalls eine Möglichkeit haben, sich gegen Eingriffe in ihre pädagogische Freiheit zur Wehr zu setzen. Zum anderen beschränken sich die Schulaufsichtsbehörden keineswegs darauf, einzelne Handlungen und Entscheidungen nachträglich zu überprüfen und gegebenenfalls wieder aufzuheben. Gerade weil eine solche nachträgliche Kontrolle von Einzelfallentscheidungen in der Praxis kaum möglich ist, steht vielmehr die „antizipierte Aufsicht" durch Erlasse und andere Verwaltungsvorschriften im Mittelpunkt. Für den einzelnen Lehrer stellt sich damit aber immer wieder die Frage, ob und inwieweit er an solche generell-abstrakte Vorgaben der Schulaufsichtsbehörden bzw. an die Einzelweisungen seiner Vorgesetzten gebunden ist. Genauer gesagt, geht es dabei um die beiden Fragen, ob und mit welchen Sanktionen er rechnen muss, wenn er diese Vorgaben nicht beachtet bzw. welche Möglichkeiten ihm zur Verfügung stehen, sich gegen diese Vorgaben zur Wehr zu setzen.

28

Der letzte größere Beitrag zur dogmatischen Begründung der pädagogischen Freiheit m Thema stammt aus dem Jahre 1989 (Thomas Burmeister: „Die pädagogische Freiheit' ein klagloses Recht?" - RdJB 1989, S. 415 ff.). Seither sind im wesentlichen Urteilsanmerkungen erschienen, vgl. etwa Stock, RdJB 1992, S. 241 ff.; ders., RdJB 1994, S. 151 ff. 29

Püttner/Rux,

Rn. 71; so schon Püttner, Schulrecht, Rn. 58.

Β. Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen Das Schulverhältnis lässt sich selbstverständlich nicht auf die Beziehung zwischen dem Lehrer und den ihm anvertrauten Schülern reduzieren. Vielmehr handelt es sich bei diesem Verhältnis um ein höchst komplexes Beziehungsgeflecht, an dem neben dem einzelnen Lehrer und seinen Schülern auch deren Eltern, die anderen Lehrer, die in der jeweiligen Klasse bzw. Schule unterrichten, die in der Regel kommunalen Schulträger 1 und nicht zuletzt die Schulaufsichtsbehörden und der Schulleiter als Vertreter des Staates beteiligt sind.2 Bevor auf die Rechtsstellung des Lehrers im Verhältnis zu seinen Vorgesetzten eingegangen werden kann, erscheint es daher geboten, sich zunächst mit dem Schulverhältnis als Rechtsverhältnis zu befassen und auf die Rechtsstellung der übrigen Beteiligten dieses Verhältnisses einzugehen.

I . Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens Zentraler Bezugspunkt des Schulwesens und damit auch des Schulrechts sind die Schüler, die vom sechsten bis zum 18. Lebensjahr grundsätzlich der Schulpflicht unterworfen sind.3

1 Das sind in der Regel die Gemeinden, teilweise die Kreise und ausnahmsweise das Land, vgl. Püttner/Rux, Rn. 28 f. 2 Im Bereich der beruflichen Schulen kommen gegebenenfalls noch die Verantwortlichen für die betriebliche Ausbildung hinzu. Einen nicht unerheblichen Einfluss haben auch die Kirchen, denen zumindest das Recht zusteht, den Religionsunterricht weitgehend in eigener Verantwortung zu gestalten, Art. 7 Abs. 3 GG. 3

Art. 14 Abs. 1 BW-V; Art. 129 Abs. 1 BayV; Art. 30 Abs. 1 BbgV; Art. 30 Abs. 1 BremV; Art. 56 Abs. 1 S. 1 HessV; Art. 4 Abs. 2 S. 1 NdsV; Art. 8 Abs. 2 NRW-V; Art. 102 Abs. 1 S. 2 SächsV; Art. 25 Abs. 2 LSA-V; Art. 8 Abs. 1 SH-V; Art. 23 Abs. 1 ThürV; vgl. aber auch § 7 BerlSchG, § 37 HambSchG, § 41 MV-SchG, § 44 RP-SchG, § 30 SaarSchG. Zu beachten ist, dass die Schulpflicht nicht auf den Besuch einer allgemeinbildenden Schule beschränkt ist. Vielmehr beginnt nach dem Abschluss der Haupt- oder Realschule die Berufsschulpflicht; vgl. dazu Püttner/Rux, Rn. 91.

Β. Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

26

1. Die Schulpflicht und das Recht auf Bildung Zunächst ist festzuhalten, dass die Verpflichtung zum regelmäßigen Besuch des Unterrichts und zur Vor- und Nachbereitung des in der Schule behandelten Stoffes für die betroffenen Kinder und Jugendlichen einen schwerwiegenden Eingriff in ihre Grundrechte darstellt, der einer besonderen Rechtfertigung bedarf: 4 Tatsächlich gibt es mit Ausnahme des Strafvollzugs wohl keinen anderen Bereich, in dem der Staat vergleichbar intensiv und ähnlich lange in das Selbstbestimmungsrecht der Bürger eingreift. Das Recht des Staates zur Einführung der allgemeinen Schulpflicht beruht zunächst darauf, dass die soziale Stellung und der materielle Wohlstand des Einzelnen in der modernen Gesellschaft in erster Linie von seinem Bildungs- und Ausbildungsniveau abhängen - und heute wohl vor allem von seiner Fähigkeit zum lebenslangen Lernen. Nimmt der Staat seine Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte daher ernst, so hat er nicht nur das Recht, sondern sogar die Pflicht, dafür zu sorgen, dass möglichst jeder Bürger eine seiner Begabung entsprechende Bildung und Ausbildung erhalten kann. Denn erst dadurch wird er in die Lage versetzt, seine Grundrechte tatsächlich in Anspruch zu nehmen. Genau aus diesem Grund ist es nur konsequent, dass der Schulpflicht in allen Ländern ein „Recht auf Bildung" gegenübersteht.5 Auch wenn an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden kann - und auch nicht geklärt werden muss - , ob und welche konkreten Leistungsansprüche sich aus diesem (Grund-)Recht auf Bildung herleiten lassen,6 steht jedenfalls fest, dass die Schüler nicht nur ein Recht 4

Daran ändert sich auch nichts, wenn man mit der früher vertretenen Lehre davon ausgeht, dass es sich beim Schulverhältnis um ein „besonderes Gewaltverhältnis" handelt, in dem die Grundrechte keine oder nur eine beschränkte Geltung erlangen. Denn die Begründung eines solchen Verhältnisses stellt unzweifelhaft einen Grundrechtseingriff dar. 5

Art. 11 Abs. 1 BW-V; Art. 128 Abs. 1 BayV; Art. 20 Abs. 1 S. 1 VvB; Art. 29 Abs. 1 BbgV; Art. 27 Abs. 1 BremV; Art. 8 M V - V ; Art. 4 Abs. 1 NdsV; Art. 8 Abs. 1 S. 1 NRWV; Art. 31 S. 1 RP-V; Art. 27 Abs. 6 SaarV; Art. 29 SächsV; Art. 25 Abs. 1 LSA-V; Art. 20 ThürV; vgl. auch Art. 59 HessV; Art. 8 Abs. 2 SH-V. In Hamburg ergibt sich das Recht auf Bildung aus § 1 S. 1 HambSchG. 6

Vgl. dazu Rux, VB1BW. 1998, S. 371 ff., zur Rechtslage in Baden-Württemberg, die sich allerdings durch einige Besonderheiten auszeichnet. Dabei ist zu beachten, dass die Landesverfassungen den Bürgern Rechte einräumen können, die über die Grundrechte des Grundgesetzes hinausgehen. Art. 31 GG wird erst dann verletzt, wenn dadurch (mittelbar) die grundgesetzlich geschützten Rechte Dritter verletzt werden; vgl. dazu ausführlich Dreier-ders., Art. 31 GG, Rn. 53 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 1472 ff., jeweils m.w.N. Zwar ergeben sich aus den so genannten „sozialen Grundrechten" grundsätzlich keine Leistungsansprüche, da der Staat nicht frei über die entsprechenden Ressourcen verfügen kann. Im Bereich des Bildungswesens ist dies

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

27

daraufhaben, irgendeine Schule besuchen zu dürfen. Vielmehr ist der Staat dazu verpflichtet, ein hinreichend differenziertes Bildungswesen vorzuhalten, i n dem den individuellen Begabungen der Kinder und Jugendlichen nach Möglichkeit Rechnung getragen werden kann. 7 Darüber hinaus muss der Staat sicherstellen, dass der Schulbesuch an sich weitgehend kostenfrei ist: Diese Verpflichtung des Staates, die in einigen Ländern durch ein subjektives Recht auf Schulgeld- und Lernmittelfreiheit konkretisiert wurde, 8 lässt sich nicht nur aus dem Recht auf Bildung in Verbindung mit dem Sozialstaatsgebot herleiten, sondern auch aus der Schulpflicht, da diese nur dann einen verhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Schüler und ihrer Eltern darstellen kann, wenn der Schulbesuch für die Betroffenen keine übermäßige finanzielle Belastung mit sich bringt.

2. Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates Der Staat begnügt sich nicht damit, die jungen Menschen durch die Einführung der allgemeinen Schulpflicht in gewisser Weise zur Selbstentfaltung zu zwingen. Es reicht i h m nämlich keineswegs aus, dass die Kinder und Jugendlichen überhaupt etwas lernen, 9 sondern er bestimmt darüber hinaus auch über die Bildungsaufgrund des flächendeckende Systems öffentlicher Schulaufsicht jedoch gerade nicht der Fall.

Schulen und der staatlichen

Die eigenständige Bedeutung des Landesverfassungsrechts wird regelmäßig übersehen. Im einschlägigen Schrifttum finden sich vor allem eher fragwürdige Versuche, das „Recht auf Bildung" aus dem Grundgesetz abzuleiten, vgl. etwa AK-Richter, Art. 7 GG, Rn. 39; Stein, Selbstentfaltung, S. 40; vgl. auch BVerwGE 47, 201, 206, die sämtlich auf Art. 2 Abs. 1 GG abstellen, obwohl es sich dabei ohne Zweifel um ein Abwehrrecht handelt; deutlich zurückhaltender daher BVerwGE 56,155,158; ablehnend BVerfGE 45,400,417; vgl. auch Drcier-Gröschner, Art. 7 GG, Rn. 61 ; Pieroth, DVB1.1994, S. 949,957, und jetzt Thiel, S. 50 ff., der ohne nähere Begründung feststellt, dass sich aus den landesverfassungsrechlichen Regelungen keine Leistungsansprüche herleiten ließen. Allerdings geht es Thiel weniger um die Begründung eines „Rechts auf Bildung", als um die Frage, ob und inwieweit sich aus einem solchen Recht ein eigenständiger Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates herleiten lässt. 7 Dies bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Staat ein gegliedertes Schulwesen vorhalten muss. Entschließt er sich jedoch zur Einführung der Gesamtschule als Regelschule, so muss er den Schülern innerhalb dieser Schulen ein differenziertes Bildungsangebot eröffnen. 8

Zum Recht auf Lernmittelfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 BW-V vgl. VGH Mannheim, VB1BW. 2001, S. 217 mit Besprechung durch Rux, VB1BW. 2001, S. 221; sowie schon ders., VB1BW. 1997, S. 362 ff. 9

Bis 1919 beschränkte sich die Schulpflicht tatsächlich vor allem auf die Verpflichtung, sich unterrichten zu lassen. Ob diese Verpflichtung durch den Besuch einer staatlichen oder kirchlichen Schule erfüllt wurde oder durch Privatunterricht, spielte demgegenüber nur eine vergleichsweise untergeordnete Rolle. Dies änderte sich erst in der Weimarer Republik, da

2 8 Β .

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

inhalte, die Gegenstand des Unterrichts sind oder zumindest sein sollen, und über diejenigen Werte, die den Schülern in der und durch die Schule vermittelt werden sollen. Dieser umfassende Bildungs- und Erziehungsanspruch 10 des Staates bedarf einer eigenen Rechtfertigung, 1 1 die sich nicht schon daraus ergibt, dass es sich bei den Schulen u m öffentliche Einrichtungen handelt. Zwar sind die Träger solcher Einrichtungen grundsätzlich dazu berechtigt, diese einem bestimmten Zweck zu widmen und die Voraussetzungen für ihre Nutzung festzulegen. W i e bereits dargelegt wurde, handelt es sich bei den Schulen jedoch nicht u m typische Einrichtungen der „Daseinsvorsorge" oder „Leistungsverwaltung". Denn es steht den jungen Menschen keineswegs frei, ob und welche Leistungen sie in Anspruch nehmen wollen. Darüber hinaus ließe sich auf diese Weise kaum erklären, wieso nicht die jeweiligen - in der Regel kommunalen - Schulträger über die Zweckbestimmung entscheiden, sondern stets der Staat. U n d schließlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Staat auch den privaten Ersatzschulen Vorgaben macht, obwohl diese regelmäßig gerade nicht nur als „beliehene Unternehmer" tätig werden, sondern vielmehr eine Alternative zum staatlichen Schulwesen sein wollen und sollen. 1 2 Art. 143 Abs. 1 WRV vorsah, dass für die Bildung der Jugend in erster Linie öffentliche Anstalten zuständig sein sollten. 10

Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates, also sein Recht, Bildungs- und Erziehungsziele zu definieren, muss vom Bildungs- und Erziehungsaw/irag der Schulen unterschieden werden, denen innerhalb des Staates die Aufgabe zukommt, diese Ziele umzusetzen. 11 Wobei in diesem Zusammenhang festzuhalten ist, dass die These Thiels, S. 45 ff., nicht überzeugen kann, der meint, dass sich der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates notwendigerweise aus dem Grundgesetz ableiten lassen muss, da der Bund insofern durch Art. 7 Abs. 1 GG die Zuständigkeit an sich gezogen habe. Thiel verkennt dabei, dass Art. 7 Abs. 1 GG nur eine Vorgabe für die Organisation des Schulwesens enthält und daher durchaus damit vereinbar ist, wenn die Länder das Recht haben, weitgehend frei über die Inhalte und Werte zu bestimmen, die in den Schulen vermittelt werden sollen. 12

Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, die Schulpflicht durch den Besuch einer Privatschule zu erfüllen. Jedoch unterliegen auch solche „Ersatzschulen" der staatlichen Schulaufsicht. Sie sind nur dann genehmigungsfähig, wenn die Lernziele und die Ausbildung der Lehrkräfte denjenigen öffentlicher Schulen gleichwertig sind. Darüber hinaus müssen auch die Erziehungsziele mit der Verfassungsordnung vereinbar sein. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass die in der jeweiligen Landesverfassung festgeschriebenen Erziehungsziele auch für die Ersatzschulen verbindlich sind; vgl. dazu BVerwG NVwZ 1992, S. 1187 ff.; sowie AvenariusfHeckel, Tz. 13.521; Niehues, Schulrecht, Rn. 241 ff. Jedenfalls dann, wenn der Abschluss einer solchen Schulausbildung mit demjenigen an einer öffentlichen Schule vergleichbar sein soll, nimmt der Staat auch maßgeblichen Einfluss auf die zu vermittelnden Bildungsinhalte.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

29

a) Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates und der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht Nach der wohl herrschenden, zumindest aber sehr weit verbreiteten Auffassung soll sich das Recht des Staates, über die Bildungsinhalte und Erziehungsziele zu bestimmen, aus dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht gemäß Art. 7 Abs. 1 GG ergeben. 13 In der Tat ergibt diese Verfassungsbestimmung überhaupt nur dann einen Sinn, wenn man dem Staat das Recht zugesteht, einen Maßstab zu entwickeln, an dem schulische Entscheidungen überprüft werden können.14

aa) Art. 144 S. 1 WRV als Grundlage des staatlichen Bildungs- und Erziehungsanspruchs in der Weimarer Republik Zumindest auf den ersten Blick spricht auch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes für die These, dass der umfassende Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates in Art. 7 Abs. 1 GG verwurzelt ist. Schließlich wurde diese Bestimmung fast wortwörtlich aus Art. 144 S. 1 WRV in das Grundgesetz übernommen. Man kann und muss daher davon ausgehen, dass sich der Parlamentarische Rat die in der Zeit der Weimarer Republik herrschende Auslegung dieser Vorläuferbestimmung zu Eigen machen wollte. In der einschlägigen Literatur wird dementsprechend häufig auf die Ausführungen von Gerhard Anschütz und Walter Landé hingewiesen,15 die in der Zeit der Weimarer Republik dargelegt hatten, dass mit dem Begriff der staatlichen Schulaufsicht in Art. 144 S. 1 WRV keineswegs nur die Aufsicht im engeren Sinne gemeint sei, sondern vielmehr die Schulhoheit und damit das dem Staate ausschließlich zustehende, umfassende administrative Bestimmungsrecht über die Schule.16 Dies entspreche auch einer in den früheren Ländern des Reiches begründeten Tradition, nach der die Schulen seit jeher Veranstaltungen des Staates gewesen seien.17 13

Statt vieler Avenarius/Heckei, Tz. 15.12; Dittmann, VVDStRL (54) 1995, S. 47 ff.; Dreier-Gröschner, Art. 7 GG, Rn. 34 ff.; Oppermann, Bildung, S. 724, 779 ff.; SachsSchmitt-Kammler, Art. 7 GG, Rn. 22 ff.; sowie Thiel, S. 61 ff. mit umfangreichen Nachweisen in Fn. 216 f.; aus der Rechtsprechung vor allem BVerfGE 34, S. 165, 182; BVerwGE 6, S. 101, 104; bestätigt in BVerwGE 18, S. 38, 39; BVerwGE Al, S. 201, 204. 14

Vgl. dazu schon Püttner/Rux,

Rn. 62; vgl. auch Ossenbühl, DÖV 1977, S. 801, 807.

15

Vgl. dazu statt vieler AK-GG-Richter, Art. 7 GG, Rn. 1 f.

16

Anschütz, WRV, Art. 144 WRV, Anm. 1 S. 672; vgl. auch Landé, S. 701 f., m.w.N.

17 Vgl. § 1 I I 12 PrALR, und die Nachweise bei Landé, in Fn. 56 auf S. 702; Anschütz, WRV, Art. 143 WRV, Anm. 2, S. 668 führte aus: „Die Gemeinde baut, als Trägerin der äußeren Schulverwaltung, der Schule das Haus: Herr im Hause aber ist der Staat".

3 0 Β .

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

Bei einer näheren Betrachtung wird allerdings deutlich, dass sich der eigenständige Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates gerade wegen dieser historischen Bezüge nicht aus Art. 7 Abs. 1 GG herleiten lässt: Zunächst ist festzuhalten, dass die Dogmatik der Grundrechte in der Zeit der Weimarer Republik noch in den Kinderschuhen steckte. Gerade weil die Schulen seit jeher Veranstaltungen des Staates waren und obwohl die Schulpflicht keineswegs nur oder auch nur in erster Linie zum Wohle der betroffenen Kinder und Jugendlichen eingeführt worden ist, 18 war es alles andere als selbstverständlich, dass es sich hierbei um einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen handelt. Tatsächlich setzte sich diese Erkenntnis erst viel später, gut 25 Jahre nach der Verabschiedung des Grundgesetzes endgültig durch. 19 Selbst wenn man in der Zeit der Weimarer Republik auf den Gedanken gekommen wäre, dass der eigenständige Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates einer Rechtfertigung bedarf, wäre es jedenfalls nicht erforderlich gewesen, dafür auf Art. 144 S. 1 WRV zurückzugreifen: Vielmehr hätte es weit näher gelegen, insofern auf Art. 148 WRV abzustellen, in dem die Nationalversammlung die grundlegenden Bildungs- und Erziehungsziele für das gesamte Reich festgeschrieben hatte. Und schließlich ist zu beachten, dass Art. 144 S. 1 WRV tatsächlich keineswegs in die Reichsverfassung aufgenommen worden war, um den als selbstverständlich erachteten Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates begründen. Vielmehr zeigt eine nähere Betrachtung, dass mit dieser Bestimmung dem Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates auch im Bereich des Bildungswesens zur Durchsetzung verholfen werden sollte: 20 Obwohl es sich bei den Schulen unbestritten um „Veranstaltungen des Staates" handelte, war die Aufsicht über die öffentlichen Schulen noch bis zum Ende des Kaiserreiches regelmäßig auf die örtlichen Geistlichen oder auf kirchliche Schulinspektoren 18 Damit sollte zum einen ein Potenzial hinreichend qualifizierter Arbeitskräfte geschaffen werden. Zum anderen dienten die Volksschulen dazu, den jungen Menschen eine einheitliche Sprache und die neu geschriebene Nationalgeschichte und damit das „Nationalbewusstsein" zu vermitteln, ohne das die Entstehung der modernen Staaten undenkbar gewesen wäre. 19

Vgl. dazu vor allem die Entscheidungen des BVerfG über die „Hessische Förderstufe", den Ausschluss vom „Speyer-Kolleg" und die „Hessische Oberstufenreform" (BVerfGE 34, S. 165,181 ff.; BVerfGE Al, S. 251,260; BVerfGE 45, S. 400,417 f.), in denen das Gericht endgültig klargestellt hat, dass der Vorbehalt des Gesetzes auch innerhalb des Schuldverhältnisses gelten muss. 20

So völlig zu Recht Anschütz, WRV, a.a.O., Apelt, S. 333.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

31

delegiert worden. Der Einfluss der Kirchen auf das öffentliche Bildungswesen wurde dadurch verstärkt, dass in den meisten Gemeinden jeweils eine der christlichen Konfessionen dominierte - dies spiegelte sich dann aber auch in der Zusammensetzung der kommunalen Gremien wider und die jeweiligen religiösen Minderheiten hatten es dementsprechend schwer, ihre Anliegen durchzusetzen. 21 Indem die Nationalversammlung die Schulaufsicht nun nicht nur zu einer genuinen öffentlichen Aufgabe erklärte, sondern die Aufsichtsbefugnisse ausdrücklich dem Staat zuwies, der die Gemeinden lediglich beteiligen durfte, wollte sie den bis dahin immer noch erheblichen Einfluss der Kirchen auf das öffentliche Schulwesen22 endgültig beseitigen.23 Tatsächlich ging es auch Anschütz und Landé bei ihren Ausführungen zum Begriff der „staatlichen Schulaufsicht" in Art. 144 S. 1 WRV überhaupt nicht darum, eine überzeugende Begründung für das Recht des Staates zu finden, Bildungs- und Erziehungsziele festzulegen. Vielmehr setzten sie dieses Recht stillschweigend voraus und wollten vor allem darlegen, dass und warum trotz des in der Tat missverständlichen Begriffs der „Aufsicht", der sich normalerweise auf den staatlichen Einfluss über Selbstverwaltungskörperschaften bezieht,24 weder den Kirchen noch den Kommunen maßgeblicher Einfluss auf das Bildungswesen gegeben werden durfte. Auch der offensichtliche Konflikt zwischen dem elterlichen Erziehungsrecht und dem Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates wurde in der Zeit der Weimarer Republik vor allem unter diesem Blickwinkel betrachtet: In den Kommentierungen zu Art. 120 WRV ging es vor allem um die Frage, ob der Verfassungsgeber mit dieser Bestimmung das „natürliche" und gottgegebene absolute Recht der Eltern anerkannt habe, ihre Kinder nach ihren Vorstellungen zu erziehen. Diese, vor allem von katholischer Seite unterstützte These

21

Dies änderte sich erst aufgrund des Zustroms von Flüchtlingen nach 1945. In der Folgezeit haben sich die bis dahin sehr starren Strukturen durch die größere Mobilität und die Zuwanderung aus dem Ausland weiter aufgelöst. 22

Nach dem PrALR oblag die Schulaufsicht in erster Linie den jeweiligen Kirchenvorstehern (§ 13 I I 12), die dabei allerdings gemäß § 15 I I 12 PrALR an die vom Staat erlassenen und genehmigten Schulordnungen gebunden waren. In § 153 der Paulskirchenverfassung war ausdrücklich vorgesehen, dass das Unterrichts- und Erziehungswesen der Beaufsichtigung der Geistlichkeit als solcher enthoben sein sollte. Zwar ist diese Regelung niemals in Kraft getreten. Allerdings sah Art. 23 Abs. 1 der Verfassungsurkunde für den preußischen Staat vom 31.1.1850 vor, dass die Schulaufsicht ausschließlich dem Staat obliegen sollte. Aus den Materialien der Entstehungsgeschichte ergibt sich, dass die Geistlichen damit von der Schulaufsicht ausgeschlossen sein sollten, vgl. dazu von Rönne, S. 53 f.; Anschütz, Verfassungsurkunde, S. 400. 23

In diesem Sinne auch Jach, S. 19, AK-GG-Richter, Art. 7 GG, Rn. 2.

24

Vgl. dazu ausführlich Kahl, passim und insbesondere S. 349 ff.

32

Β. Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

wurde insbesondere von Anschütz vehement zurückgewiesen, der betonte, dass der Staat nicht nur dazu berechtigt sei, die Ausübung dieses Rechts zu überwachen, sondern auch dessen Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmen dürfe. 25

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass Art. 144 S. 1 WRV keineswegs das Recht des Staates begründet hat, über die Bildungsinhalte und die Erziehungsziele zu bestimmen, sondern vielmehr seine Pflicht, grundsätzlich selbst darüber zu wachen, dass die in der Verfassung und den einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen festgeschriebenen Vorgaben für das Schulverhältnis auch tatsächlich beachtet werden.

bb) Die Funktion des Art. 7 Abs. 1 GG Genau mit diesem Inhalt ist diese Bestimmung auch in Art. 7 Abs. 1 GG übernommen worden: Der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht verschafft dem Staat also nicht das Recht, Bildungs- und Erziehungsziele zu definieren, sondern diese Bestimmung setzt den eigenständigen Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates als gegeben voraus. Wie schon Art. 144 S. 1 WRV soll auch Art. 7 Abs. 1 GG vor allem sicherstellen, dass sich der Staat hinreichende Einfluss- und Kontrollmöglichkeiten schafft und erhält und auf diese Weise die religiösen und weltanschauliche Neutralität des Schulwesens gewährleistet. Die konkrete Entscheidung über die Ziele der schulischen Bildung und Erziehung bleibt hingegen anders als unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung den Ländern überlassen.26 Art. 7 Abs. 1 GG ist dementsprechend nicht als „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates." zu lesen, sondern als „Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates."

25 26

Anschütz, WRV, Art. 120 WRV, Anm. 2, S. 562.

So im Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung, auch AK-GG-Richter, Art. 7 GG, Rn. 18, der darauf abstellt, dass das Grundgesetz keine bestimmte Gesellschaftsordnung festschreibe und sich daher nicht als Erziehungsziel eigne. Letztendlich verweigert Richter dem Staat das Recht, Erziehungsziele festzulegen, wenn er mit Böckenförde, Entstehung, S. 75, darauf hinweist, dass „der Staat von Voraussetzungen lebe, die er selbst nicht schaffen kann". Dies steht nun aber wiederum im Widerspruch zu den auch von Richter akzeptierten Bildungs- und Erziehungszielen in den Landesverfassungen hin, die zwar „für die jeweiligen Länder fragmentarisch bleiben", aber dennoch verbindliche Vorgaben enthalten. Tatsächlich lassen sich auch dem Grundgesetz einige Wertvorstellungen entnehmen, die den Kindern und Jugendlichen in den öffentlichen Schulen nicht nur vermittelt werden können, sondern sogar vermittelt werden müssen, vgl. dazu auch Dittmann, VVDStRL (54) 1995, S. 47, 59; Huber, BayVBl. 1994, S. 545, 552 ff., die allerdings nicht hinreichend berücksichtigen, dass dem Limdesverfassungsrecht hier eine entscheidende Bedeutung zukommt.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

33

Dieses Ergebnis w i r d auch durch die Entstehungsgeschichte des Art. 7 Abs. 1 G G bestätigt: Die konkrete Formulierung des Art. 7 G G ist auf einen Vorschlag des so genannten „Fünfer-Ausschusses" zurückzuführen, 2 7 dem jeweils zwei A b geordnete der SPD und C D U und ein Abgeordneter der FDP angehörte und der v o m Parlamentarischen Rat eingesetzt worden war, u m vor der dritten und letzten Lesung des Grundgesetzes i m Hauptausschuss des Rates die letzten Streitfragen zu klären. 2 8 Zwar lässt sich in den Materialien der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes keine Begründung dafür finden, warum sich der Fünfer-Ausschuss in der letzten Phase seiner Beratungen doch noch dazu entschlossen hat, den Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht aus Art. 144 S. 1 W R V i n das Grundgesetz zu übernehmen. 29 Nachdem dieser Vorschlag jedoch offensichtlich dazu dienen sollte, den erbittert geführten Streit u m die religiöse Ausrichtung des (öffentlichen) Schulwesens beizulegen, 3 0 kann man davon ausgehen, dass es dabei darum ging, den Grundsatz der religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Schulwesens festzuschreiben.

27

Vgl. Art. 7b Abs. 1 des Vorschlags für die 3. Lesung des Grundgesetz-Entwurfes im Hauptausschuss des Parlamentarischen Rates, vgl. Pari. Rat-Drs. Nr. 591, Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Band 7, S. 342. Dieser Vorschlag findet sich seinerseits erst in der letzten Fassung des Entwurfs des Fünfer-Ausschusses, vgl. Sonderdrucksache S 12, vgl. Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Band 7, S. 319. 28

Zum Fünfer-Ausschuss vgl. Stern, Staatsrecht V, S. 1282.

29

Die übrigen Bestimmungen über das Schulwesen sind nicht übernommen worden, weil diese Materie in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder fiel - und weil absehbar war, dass im Parlamentarischen Rat keine Einigung zu erzielen war. 30

Tatsächlich wurde der Streit nicht endgültig beigelegt: So erklärten die Fraktionen der CDU/CSU, der DP und des Zentrums vor der Abstimmung über den Entwurf des Fünferausschusses im Hauptausschuss am 8. Februar 1949, dass sie an ihrem Standpunkt festhielten, wonach das Erziehungsrecht der Eltern ein gottgegebenes Naturrecht darstelle und sich der Staat daher darauf beschränken müsse, es den Eltern zu ermöglichen, ihre Kinder je nach ihrer persönlichen Gewissensentscheidung in bekenntnismäßigen, simultanen oder weltlichen Schulen erziehen und unterrichten zu lassen. Zwar habe sich dieses Ziel nicht gegen die Mehrheit durchsetzen lassen. Dennoch wolle man den Kampf um die Verwirklichung des natürlichen, von Gott gegebenen Rechts der Eltern zur Erziehung ihrer Kinder mit allen rechtlich zulässigen Mitteln fortführen. Bei der Abstimmung stimmten dann allerdings nur drei Abgeordnete des Hauptausschusses gegen den Vorschlag des Fünferausschusses, der Zentrumsabgeordnete Brockmann enthielt sich (vgl. Parlamentarischer Rat, Sten.Prot. S. 615). Die Diskussion wurde in der zehnten Plenarsitzung des Parlamentarischen Rates am 8. Mai 1949 nochmals aufgenommen, vgl. insbesondere die Ausführungen des CDU-Abg. Finck (Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Band 9, S. 572 ff.), der unter anderem eine Volksabstimmung über diese Frage forderte.

3 4 Β .

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

Tatsächlich bestätigt die innere Systematik des Art. 7 GG die hier vertretene Auslegung. Geht man nämlich davon aus, dass Art. 7 Abs. 1 GG in erster Linie die religiöse und weltanschauliche Neutralität des Bildungswesens sicherstellen sollte, dann wird ohne weiteres deutlich, dass die nachfolgenden Absätze allesamt Ausnahmen von diesem Grundsatz darstellen: Offensichtlich ist dies bei den Abs. 2 und 3, die den Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen betreffen. Aber auch die Absätze 4 und 5 über die Rechtsstellung der Privatschulen haben einen engen Bezug zur religiösen und weltanschaulichen Ausrichtung des öffentlichen Schulwesens, da die Privatschulen ihre Existenz seit jeher vor allem dem Umstand verdanken, dass es genügend Eltern gibt, die ihre Kinder im Sinne eines bestimmten Glaubens oder einer bestimmten Weltanschauung erziehen lassen wollen. 31732 Indem das Grundgesetz die Gründung von Privatschulen somit nicht nur zulässt, sondern sogar das Recht zur Errichtung solcher Schulen gewährleistet und den Staat mittelbar zu ihrer aktiven Förderung verpflichtet, da eine Sonderung der Schüler nach Besitzverhältnissen untersagt ist, 33 bekommen die Eltern daher die Möglichkeit, ihre Kinder auch in der Schule im Sinne ihres jeweiligen Glaubens erziehen zu lassen und ihnen die Auseinandersetzung mit bestimmten Inhalten und Themen zu ersparen, die in den öffentlichen Schulen Gegenstand des Unterrichts sind. In diesem Zusammenhang ist weiterhin zu beachten, dass der Religionsunterricht nach Art. 7 Abs. 3 S. 2 GG ausdrücklich ,,[u]nbeschadet des staatlichen Aufsichtsrechts" in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt wird. Wäre nun aber mit dem Begriff der „Aufsicht" das staatliche Bestimmungsrecht über das Schulwesen gemeint, dann könnten die Religionsgemeinschaften keinesfalls eigenständig Erziehungsziele für den Religionsunter-

31

Dies gilt auch und insbesondere für die Waldorfschulen, da die Pädagogik Rudolf Steiners in bestimmten religiösen Vorstellungen verwurzelt ist. 32

Tatsächlich stellt Art. 7 Abs. 4 GG ein Zugeständnis an die CDU und das Zentrum dar, die Eltern damit die Möglichkeit verschaffen wollten, ihre Kinder dem Einfluss der staatlichen und wegen Art. 4 Abs. 1 und 2 sowie Art. 7 Abs. 1 GG notwendigerweise religiös- und weltanschaulich neutralen öffentlichen Schulen entziehen wollten. Dabei ist zu beachten, dass Art. 7 Abs. 4 GG deutlich über die Vorgängerbestimmung des Art. 147 S. 1 WRV hinaus geht, der lediglich eine Genehmigungspflicht für Privatschulen vorsah, nicht jedoch ein Grundrecht, aus dem sich auch Leistungs- oder zumindest Schutzansprüche ableiten lassen, vgl. BVerfGE 90, S. 107,117. Auch fehlt im Grundgesetz eine mit Art. 143 Abs. 1 S. 1 WRV vergleichbare Vorgabe, nach der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates in erster Linie durch die öffentlichen Schulen erfüllt werden musste. Dies übersieht Dreier-Gröschner, Art. 7 GG, Rn. 85, der ohne weiteres davon ausgeht, dass Art. 7 Abs. 4 GG und Art. 147 Abs. 1 WRV „weitgehend übereinstimmen". 33

Vgl. dazu nur BVerfGE 15, S. 40, 63/67, sowie Avenarius/Heckel,

Tz. 13.561.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

35

rieht definieren. Und auch den Privatschulen dürfte nicht das Recht zugestanden werden, weitgehend frei über Ziele und Inhalte des Unterrichts zu entscheiden.34 Schließlich ist zu berücksichtigen, dass sich mit der hier vertretenen Auslegung auch der einzige, aber dennoch entscheidende Unterschied zwischen Art. 7 Abs. 1 GG und der Vorläuferregelung des Art. 144 S. 1 WRV erklären lässt: Im Gegensatz zur Weimarer Reichsverfassung wurde es dem Staat im Grundgesetz nämlich nicht erlaubt, die Gemeinden an der Schulaufsicht zu beteiligen. Dies lässt sich aber nur mit dem bereits beschriebenen Umstand erklären, dass die Religionsgemeinschaften in der Zeit der Weimarer Republik auf dem Umweg über die kommunale Schulaufsicht doch noch einen ganz erheblichen Einfluss auf die Ausgestaltung der öffentlichen Schulen erlangt hatten.35 Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass der Begriff der staatlichen Schulaufsicht in Art. 7 Abs. 1 GG den umfassenden Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates nicht begründet, sondern diesen Anspruch vielmehr als gegeben voraussetzt. Mag es im Zeitalter des Absolutismus und auch noch in der konstitutionellen Monarchie selbstverständlich gewesen sein, dass allein der Staat darüber bestimmt, ob er die jungen Menschen der Pflicht zum Besuch öffentlicher Schulen unterwirft, und was den Kindern und Jugendlichen dort vermittelt wird, so hat sich die Lage doch spätestens mit der Verabschiedung des Grundgesetzes grundlegend verändert. Wenn der Staat daher heutzutage das Recht für sich beansprucht, über die Bildungs- und Erziehungsziele zu bestimmen, dann muss er darlegen, dass und inwieweit dies erforderlich ist, um seiner Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte nachzukommen.

34

So aber zu Recht BVerfG, NVwZ 1990, S. 864, 865, wobei festzuhalten ist, dass die Schulen dabei an die Grundwerte der Verfassung gebunden sind, in diesem Sinne auch BVerfGE 90, S. 1, 11 f., sowie zusammenfassend AveraznWHeckel, Tz. 13.521. 35

Vgl. dazu auch Landé, S. 713 f., der darauf hinweist, dass den Glaubensgemeinschaften durch vertragliche Regelungen oder die gesetzlich vorgesehene Mitgliedschaft in den lokalen Aufsichtsorganen in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise doch noch einen Einfluss auf das öffentliche Bildungswesen verschafft worden war. So gehörten den preußischen Schuldeputationen für die Volksschulen nicht nur Vertreter des Gemeindevorstands und der Stadtverordnetenversammlungen, sowie Lehrer und andere des Erziehungsund Volksschulwesens kundige Personen an, sondern von Amts wegen auch die dienstältesten Pfarrer der christlichen Großkirchen und ggf. auch ein Rabbiner; vgl. dazu §§ 44 ff. des Volksschulunterhaltungsgesetzes vom 28.7.1906 (Preußische Gesetzsammlung S. 335), sowie Hué de Grais/Peters, S. 555.

36

Β. Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

b) Der Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates und das Selbstentfaltungsrecht der Schüler Möglicherweise lässt sich das Recht des Staates, über die Organisation des Schulwesens und über diejenigen Inhalte und Werte zu bestimmen, die den jungen Menschen in den Schulen vermittelt werden sollen, aus dem Selbstentfaltungsrecht der Kinder und Jugendlichen herleiten. Zwar ginge die Schulpflicht letztendlich ins Leere, wenn nicht sichergestellt wäre, dass den Kindern und Jugendlichen in den Schulen diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten 36 vermittelt werden, die sie für die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit brauchen. Die Frage, welche Kenntnisse und Fertigkeiten das sind, muss aber grundsätzlich für jeden Menschen gesondert beantwortet werden. Hätte die Einführung der allgemeinen Schulpflicht daher ausschließlich den Zweck, die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass die Kinder und Jugendlichen ihre Persönlichkeit frei entfalten können, dann wäre wohl nur ein „vollautonomes Unterrichtssystem" zulässig, in dem die Schüler - bzw. ihre Eltern - selbst auswählen können, welche Bildungsinhalte sie sich erarbeiten wollen. 37 Der Pflichtkanon müsste demgegenüber auf die Vermittlung derjenigen wesentlichen Kulturtechniken (Lesen, Schreiben, Rechnen etc.) beschränkt werden, ohne die Selbstbestimmung objektiv ausgeschlossen ist. 38 Auch dürfte der Staat sich unter diesen Umständen kaum das Recht anmaßen, verbindliche Erziehungsziele festzulegen, da damit im Grunde das Ergebnis des Bemühens um Selbstentfaltung vorgegeben 39

ware.

36

Mit dem Begriff der „Fertigkeiten" wird die Summe derjenigen Fähigkeiten und Kenntnisse bezeichnet, über die man verfügen muss, um eine bestimmte (berufliche) Tätigkeit ausüben zu können. 37

In diesem Sinne ist etwa Stein, Selbstentfaltung, S. 51, zu verstehen, der die Montessori-Pädagogik als Annäherung an ein solches vollautonomes Unterrichtssystem erwähnt. 38

Nur wer in der Lage ist, sich Wissen zu erarbeiten und mit anderen zu kommunizieren, kann ein wirklich selbstbestimmtes Leben führen. Der Entschluss, sein Leben als Einsiedler zu führen und nur noch zu meditieren, ist nur dann autonom, wenn der künftige Eremit sich zuvor mit den Alternativen auseinander gesetzt hat. 39

Dazu ausführlich Jach, S. 65 ff., der dabei allerdings verkennt, dass ein Staat, der vollständig darauf verzichtet, Erziehungsziele festzulegen, im Ergebnis nicht die Selbstentfaltungsmöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen absichert, sondern vielmehr dem Recht der Eltern, ihre Kinder im Sinne eines bestimmten Wertsystem zu erziehen und auch in den Schulen erziehen zu lassen.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens c) Das Bildungswesen

37

und die Berufsfreiheit

Eine nähere Betrachtung macht deutlich, dass das Recht und die Pflicht des Staates, über die Inhalte des Unterrichts zu bestimmen, jedenfalls heutzutage untrennbar damit zusammenhängt, dass die allermeisten Berufe erst nach dem Abschluss einer entsprechenden Ausbildung ausgeübt werden dürfen. 4 0 D a die Zulassung zu einer bestimmten Berufsausbildung wiederum die erfolgreiche Teilnahme an einer schulischen Prüfung voraussetzt, 41 stellt sich die Pflicht, an einer solchen Prüfung teilzunehmen, als mittelbarer Eingriff i n die Berufsfreiheit i m Sinne von Art. 12 Abs. 1 und 2 G G dar. 4 2 Genauer gesagt, handelt es sich u m eine subjektive Zulassungsbeschränkung, wobei lediglich zu beachten ist, dass es hier nicht u m die Zulassung zu einem bestimmten Beruf, sondern u m den Zugang zu einer ganzen Gruppe von Berufen geht. 4 3 Legt man nun diejenigen Maßstäbe an, die das Bundesverfassungsgericht seit seiner „Apotheken"-Entscheidung 4 4 zur Auslegung des Art. 12 G G entwickelt hat, so w i r d deutlich, dass die Pflicht, an einer schulischen Prüfung teilzunehmen, nur 40

Auch Thiel. S. 77 ff., rechtfertigt den Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates nicht zuletzt mit der Notwendigkeit, die Gleichwertigkeit der Schulabschlüsse zu gewährleisten. Wenn er insofern aber vor allem auf Art. 3 GG abstellt, dann verkennt er, dass das Problem weniger darin liegt, dass die Absolventen der Schulen einem Konkurrenzkampf um Ausbildungs- und Studienplätze stellen müssen, sondern vielmehr daran, dass der Zugang zu fast allen Ausbildungsgängen den erfolgreichen Abschluss eines schulischen Bildungsganges voraussetzt. Art. 3 GG kommt daher erst mittelbar Bedeutung zu, weil der Schulabschluss auf der einen Seite regelmäßig an die Stelle einer individuellen und auf den jeweiligen Ausbildungszugang zugeschnittenen Aufnahmeprüfung tritt und weil die Länder auf der anderen Seite die gegenseitige Anerkennung der Schulabschlüsse vereinbart haben. 41 Noch stärker ist der Bezug zur Berufsfreiheit im Bereich des beruflichen Schulwesens, da die meisten Ausbildungsgänge für gewerbliche und kaufmännische Berufe in das „duale System der Berufsausbildung" eingebunden sind. 42 Wobei richtigerweise davon auszugehen ist, dass das Grundgesetz nicht nur vor unmittelbaren Eingriffen in den Schutzbereich der Grundrechte schützt, vgl. dazu Pieroth/Schlink, Rn. 239 ff. 43

Dennoch ist der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 und 2 GG eröffnet. Wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht festgestellt hat, kommt es dafür nicht darauf an, ob eine Maßnahme unmittelbar auf die berufliche Tätigkeit abzielt. Es reicht vielmehr aus, wenn sie infolge ihrer tatsächlichen Auswirkungen geeignet ist, die Berufsfreiheit mittelbar zu beeinträchtigen, vgl. BVerfGE 41, S. 251,262 f. und noch deutlicher BVerfGE 58, S. 257, 273. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass jedenfalls die weiterführenden Schulen (also alle auf der Grundschule aufbauenden Schularten) zu den Ausbildungsstätten im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG gehören; vgl. dazu Dreier-Wieland, Art. 12 GG, Rn. 55; Sachs-Tettinger, Art. 12 GG, Rn. 67, jeweils m.w.N. 44

BVerfGE 1, S. 377; vgl. statt vieler dazu Pieroth/Schlink,

Rn. 844 ff.

Β. Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

38

dann eine verhältnismäßige Beschränkung der individuellen Freiheit darstellt, wenn es unsachgemäß oder unzweckmäßig wäre, 4 5 der betroffenen Person den Zugang zu irgendeiner derjenigen Berufsausbildungen zu eröffnen, die ihr i m Fall der erfolgreichen Teilnahme an der Prüfung offen stehen würden. Aus diesem Grund dürfen grundsätzlich nur solche Kenntnisse und Fertigkeiten Gegenstand der Prüfung sein, ohne die die betreffenden Tätigkeiten überhaupt nicht oder zumindest nicht sachgemäß ausgeübt werden können bzw. ohne die eine erfolgreiche Teilnahme an den betreffenden Berufsausbildungen nicht zu erwarten ist. 4 6 Daraus ergeben sich wiederum Vorgaben für die Inhalte des Unterrichts, da der prüfungsrelevante Stoff zunächst dort behandelt worden sein muss. 4 7 Spätestens hier w i r d deutlich, dass der Staat bei der Festlegung der Bildungsinhalte keineswegs v ö l l i g frei ist. Vielmehr muss das Schulwesen so ausgestaltet sein, dass die Schüler i n den Schulen (auch) diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben können, die sie für ihren weiteren Berufs- bzw. Ausbildungsweg benötigen. Wobei dies selbstverständlich nicht bedeutet, dass sich die Schulen darauf beschränken müssten, den Kindern und Jugendlichen nur unmittelbar „verwertbare" Kenntnisse zu vermitteln. Schließlich muss in der Schule die Grundlage dafür gelegt werden, dass sich die Schüler später möglichst eigenständig die erforderlichen berufsspezifischen Kenntnisse und Fertigkeiten aneignen können. Dies setzt aber neben den bereits erwähnten grundlegenden Kulturtechniken auch eine hinreichend breite Allgemeinbildung voraus. 48

45

Es erscheint kaum vorstellbar, dass der Eingriff mit einer Gefahr für die Allgemeinheit gerechtfertigt werden kann. 46

Dies müssen keineswegs nur berufsspezifische Kenntnisse und Fertigkeiten sein. Schließlich erscheint es durchaus nachvollziehbar, wenn für die Zulassung zu einer Berufsausbildung ein gewisses Mindestmaß an Allgemeinbildung als Grundlage für die Vermittlung von Spezialkenntnissen vorausgesetzt wird. 47

Vgl. dazu Avenarius!Heckel, Tz. 27.216. Dies ist allerdings kein allgemeiner Grundsatz für Leistungsbewertungen. Vielmehr zeichnen sich gerade berufsbezogene Prüfungen dadurch aus, dass die Kandidaten Kenntnisse nachweisen müssen, die sie sich selbst erarbeitet haben. 48

Wobei die Grenzen nicht immer ohne weiteres zu erkennen sind: So geht es bei der Aufgabe, ein Gedicht auswendig zu lernen, keineswegs nur darum, den Schülern die Poesie und die Schönheit der Sprache nahe zu bringen. Vielmehr wird damit auch das Gedächtnis geschult. Ein anderes Beispiel ist die Schreibschrift: Die Fähigkeit, mit einem Stift oder einem Füllfederhalter sauber und schön schreiben zu können, ist im EDV-Zeitalter kaum noch eine Kulturtechnik, sondern fast schon ein Kunsthandwerk. Das ändert aber nichts daran, dass die Schwungübungen, die beim Erlernen der Schreibschrift unverzichtbar sind, einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Feinmotorik haben.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens d) Die Schulen als Keimzelle des (demokratischen)

39

Gemeinwesens

Das Recht des Staates, über die Inhalte des Unterrichts zu bestimmen, hängt weiterhin damit zusammen, dass sich die Bürger bei Wahlen und Abstimmungen überhaupt nur dann sachgerecht entscheiden können, wenn sie über eine hinreichende (auch, aber nicht nur politische) Bildung verfügen. 4 9 Erst dadurch werden sie in die Lage versetzt, die Gegenstände der Abstimmungen und die Programme der angetretenen Kandidaten und Parteien zu beurteilen oder sich auf andere W e i se an der politischen Willensbildung zu beteiligen. Indem der Staat den jungen Menschen eine möglichst breite Allgemeinbildung vermittelt, schafft und sichert er also eine der wesentlichen Grundlagen für die Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen. 5 0 Genau hierin ist letztendlich auch das Recht und die Pflicht des Staates begründet, die Schüler zu erziehen, ihnen also soziale Kompetenz und bestimmte Werte zu vermitteln: Da der Mensch ein soziales Wesen ist, das i n der Gemeinschaft oder zumindest i m Kontakt mit anderen lebt, 5 1 gehört jeder Einzelne einer V i e l zahl von (sozialen) Gruppen an, 5 2 die sich auf vielfache Weise überschneiden. Die

49

Auf diesen Umstand hat auch Thiel, S. 79, hingewiesen, der allerdings behauptet, dass es sich dennoch um keine genuin hoheitliche Aufgabe handele. Dies liegt aber vor allem daran, dass er nicht genügend zwischen der Aufgabe der Schule als Zuteilungsapparat von Lebenschancen und ihrer Funktion differenziert, die Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit demokratischer Institutionen zu schaffen. 50

Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass Demokratie überhaupt erst dann möglich ist, wenn ein hinreichend großer Anteil der Bürger ein hinreichendes Bildungsniveau erreicht hat. Auch wenn der Zusammenhang zwischen dem Bildungsstandard einer Gesellschaft und der Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen offenkundig ist, lässt sich die Einrichtung einer „Entwicklungsdiktatur" nicht damit legitimieren, dass den Bürgern zunächst das erforderliche Wissen vermittelt werden müsse, bevor man sie in die Selbstbestimmung entlässt. 51 Das Bundesverfassungsgericht spricht zu Recht vom „gemeinschaftsbezogenen und gemeinschaftsgebundenen Individuum" (BVerfGE 45, 187, 227 f.). 52 Diese lassen sich dadurch von einer zufälligen Personenansammlung unterscheiden, dass ihre Mitglieder zumindest ein gemeinsames Interesse haben. Welcher Art das gemeinsame Interesse ist, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. So kommt es etwa nicht darauf an, ob sich die Mitglieder einer bestimmten Gruppe die Vorteile einer arbeitsteiligen Vorgehensweise zunutze machen wollen oder ob sie sich durch andere - nicht unbedingt rational nachvollziehbare - Motive miteinander verbunden fühlen. Ebensowenig ist es von Bedeutung, ob die Gruppe auf einem freiwilligen Zusammenschluss beruht oder ob ihre Mitglieder durch zufällige Ereignisse zusammengeführt wurden.

In der Soziologie werden daneben weitere Merkmale von Gruppen genannt, ζ. B. die Dauerhaftigkeit der sozialen Beziehung oder die gruppeninterne Rollenverteilung; vgl. dazu den Artikel „Gruppe" in der Brockhaus-Enzyklopädie, Band 9, 20. Auflage, 1997. Diese

4 0 Β .

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

Stabilität solcher sozialen Gruppen hängt in erster Linie davon ab, ob Konflikte zwischen einzelnen Gruppenmitgliedern aufgelöst oder soweit entschärft werden können, dass die Betroffenen das sie verbindende gemeinsame Interesse (wieder) höher bewerten und den Konflikt nicht zum Anlass nehmen, die Gruppe zu verlassen. In aller Regel lassen sich Konflikte informell auf Grundlage der gemeinsamen (subjektiven) Wertvorstellungen der Gruppenmitglieder lösen.53 Dies wird aber umso schwieriger, je größer die Zahl der Beteiligten ist und je deutlicher sich die individuellen Interessen unterscheiden. In diesem Fall muss die Konfliktlösung institutionalisiert werden. Damit wird die Gruppe aber zur Körperschaft, deren Organe zum einen die Aufgabe haben, interne Konflikte zu schlichten und zum anderen die gemeinsamen Interessen nach außen vertreten müssen. Die zentrale Aufgabe des Staates und der wesentliche Grund für seinen Fortbestand besteht somit darin, die Voraussetzungen für die Lösung sozialer Konflikte zu schaffen und zu erhalten. 54 Auf den ersten Blick erfüllt der Staat diese Aufgabe vor allem dadurch, dass er Normen setzt und indem er dafür sorgt, dass diese Normen beachtet werden. 55 Allerdings muss die zwangsweise Durchsetzung von Normen die Ausnahme bleiben. Jedenfalls in einem demokratischen System werden Rechtssätze nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie deshalb befolgt weil sie „Recht" sind oder weil Verstöße gegebenenfalls geahndet werden könnten, sondern weil die Adressaten sie als Vorgabe für einen angemessenen Ausgleich der konkurrierenden Interessen akzeptieren und sie daher freiwillig befolgen. Dies setzt aber wiederum voraus, dass die Normen ihrerseits auf einem möglichst breiten Grundkonsens über bestimmte gemeinsame Wertvorstellungen beruhen wobei festzuhalten ist, dass dieser Konsens unter Umständen erst dadurch erreicht sind aber letztendlich nur Mittel zum Zweck, nämlich das gemeinsame Interesse zu befördern. Vgl. dazu auch Hettlage, in Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, Band 2, 1986, S. 1139. 53

Wobei auf der einen Seite festzuhalten ist, dass eine „Lösung" darin bestehen kann, dass sich die Gruppe auflöst. Auf der anderen Seite muss „Lösung" nicht bedeuten, dass der Konflikt beseitigt wird. Vielmehr reicht es gegebenenfalls aus, dass die Beteiligten einen Weg finden, trotz der Spannungen ihre gemeinsamen Interessen weiter zu verfolgen. 54 Dieser Versuch, die Existenz des Staates zu legitimieren, lässt sich zwar kaum mit der tatsächlichen historischen Entwicklung der modernen Nationalstaaten in Übereinstimmung bringen. Dies ist aber auch nicht erforderlich, da sich der Staat täglich aufs Neue legitimieren muss, vgl. dazu schon Rux, Öko-Diktatur, S. 301. 303 f. 55

Dazu dienen nicht nur die Maßnahmen der (präventiven) Gefahrenabwehr und der (repressiven) Strafverfolgung, sondern auch und insbesondere die Zivilgerichtsbarkeit und andere Institutionen, die es Privaten ermöglichen, ihre Streitigkeiten verbindlich klären zu lassen.

I. Die Schüler als zentraler Bezugspunkt des Schulwesens

41

wird, dass der Staat an einer unpopulären Norm festhält und zumindest versucht, die Bürger von ihrer Notwendigkeit zu überzeugen. 56 Zwar lebt der Staat ohne Zweifel (auch) von Voraussetzungen, die er (allein) nicht schaffen kann. 57 Das hindert ihn jedoch nicht daran, zumindest den Versuch zu unternehmen, den jungen Menschen diejenigen Grundwerte nahe zu bringen, auf denen die Verfassungsordnung beruht. 58 Auf diese Weise schafft und erhält er nicht nur die wesentliche Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der Bürger, sondern er gewährleistet auch die Funktionsfähigkeit des demokratischen Systems - und sichert damit wiederum die Grundlage für seine eigene Existenz. 59760 3. Zusammenfassung Damit sollte zum einen hinreichend deutlich geworden sein, dass und warum der Staat dazu berechtigt ist, Erziehungsziele festzulegen. Zum anderen hat die bisherige Untersuchung aber auch gezeigt, dass er dabei keineswegs völlig frei ist. Vielmehr muss er sich darauf beschränken, den Schülern die wesentlichen Grundwerte nahe zu bringen, die der Verfassungsordnung zugrunde liegen. Bei der Entscheidung darüber, welche Kenntnisse und Fertigkeiten den Kindern und Jugendlichen in den Schulen vermittelt werden sollen, hat der Staat zwar einen wesentlich größeren Gestaltungsspielraum. Auch hier ist er aber nicht völlig frei und muss gegebenenfalls darlegen, dass und warum es erforderlich ist, den Schülern bestimmte Inhalte zu vermitteln. 61 56

Vgl. dazu grundlegend Th. Geiger, S. 347 ff., der zu Recht daraufhinweist, dass das „Rechtsbewusstsein" alles andere als ein absoluter Wert ist, a.a.O. S. 341 ff. 57

Vgl. Böckenförde,

Entstehung, S. 75.

58

Dabei geht es selbstverständlich nicht (nur) darum, abstrakte Wertvorstellungen zu vermitteln, sondern vor allem um „soziale Kompetenz", also die Fähigkeit, in der Gemeinschaft mit anderen zu leben. 59

Dabei ist festzuhalten, dass nur dem Staat die Verantwortung dafür zugewiesen werden kann, dass den jungen Menschen in den Schulen die Grundwerte der Verfassung vermittelt werden. Zwar ist es nicht per se ausgeschlossen, dass private Institutionen diese Aufgabe ebenfalls erfüllen. Dies setzt aber wiederum voraus, dass sie von staatlichen Instanzen kontrolliert werden. 60

Dies steht wohlgemerkt keineswegs im Widerspruch zu der Aufgabe des Staates, einen Rahmen zu schaffen, in dem die Kinder und Jugendlichen ihre Persönlichkeit möglichst frei entfalten können. Schließlich kann der Einzelne seine Persönlichkeit nur innerhalb der Gesellschaft und damit zwangsläufig in der Auseinandersetzung mit anderen entfalten. 61 Dies kann etwa bei der Entscheidung über die Fremdsprachenfolge von Bedeutung werden: Zwar soll der Unterricht in einer Fremdsprache die Schüler nicht nur dazu in die

4 2 Β .

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

Es liegt auf der Hand, dass es im Einzelfall sehr schwierig sein kann, die verfassungsmäßigen Rechte der Schüler und die Interessen des Staates untereinander auszugleichen: Auf der einen Seite ist es selbst in einem höchst differenzierten Schulsystem ausgeschlossen, dem individuellen Begabungsprofil und der Persönlichkeit jedes einzelnen Schülers vollständig gerecht zu werden. Auf der anderen Seite lässt sich nicht eindeutig bestimmen, über welche Kenntnisse und Fertigkeiten ein wahrhaft mündiger Bürger verfügen muss.62 Und schließlich ist es unmöglich, völlig trennscharf zwischen der Vermittlung der Grundwerte der Verfassung und der Indoktrination und Erziehung zu obrigkeitsgläubigen Untertanen zu unterscheiden.

II. Die Rechte der Eltern Weiter verkompliziert wird die Lage dadurch, dass der Staat kein Monopol auf die Erziehung der Kinder und Jugendlichen hat. Vielmehr garantiert Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG das Erziehungsrecht der Eltern. Zwar ist der Staat zum Wächter über die Ausübung dieses Grundrechts berufen. Mit der äußerst vagen Vorgabe des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG wird jedoch lediglich der fiduziarische Charakter des elterlichen Erziehungsrechts herausgestellt: Der Staat kann und muss daher eingreifen, wenn er feststellen sollte, dass Eltern die Menschenwürde ihrer Kinder verletzen. 63 Insbesondere muss er den Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit verschaffen, sich gegebenenfalls gegen ihre Eltern zur Wehr zu setzen.64 Sein Wächteramt

Lage versetzen, sich im Ausland oder mit Ausländern zu verständigen. Vielmehr geht es dabei immer auch darum, das Sprachvermögen insgesamt zu befördern: Nicht selten führt erst der Fremdsprachenunterricht dazu, dass sich die Schüler über die Grammatik ihrer eigenen Muttersprache klar werden. Dennoch wäre es heute ausgeschlossen, den Schülern nur Unterricht in Altgriechisch und Latein anzubieten. 62

Tatsächlich lässt sich nicht einmal Einigkeit darüber erzielen, welche wesentlichen Kulturtechniken in den Schulen unbedingt vermittelt werden sollten: So wurde beim Streit über die „Rechtschreibreform" völlig übersehen, dass es angesichts des rapiden Fortschritts bei der Entwicklung von Textverarbeitungsprogrammen, nur noch eine Frage der Zeit ist, bis diese Systeme die Rechtschreibung perfektioniert haben. Man kann diese Entwicklung zwar bedauern, muss sich aber zumindest mittelfristig damit abfinden, dass die Fähigkeit, mit den Instrumenten der EDV umzugehen, „wichtiger" wird, als das Wissen um die korrekte Schreibweise von Begriffen. 63 64

Vgl. dazu etwa die Bestimmungen der §§ 1666 f. BGB und § 171 StGB.

Beispielhaft ist insofern immer noch das Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.7.1921, RGBl. S. 939: Ab der Vollendung des 12. Lebensjahres kann das Kind jedenfalls nicht mehr dazu gezwungen werden, einen andern Glauben anzunehmen. Die volle Religionsmündigkeit auch gegenüber den Eltern tritt dann mit der Vollendung des 14. Lebensjahres ein.

III. Der Lehrer zwischen Schülern, Eltern und Schulverwaltung

43

berechtigt den Staat jedoch nicht dazu, den Eltern vorzuschreiben, zu welchen Weiten sie ihre Kinder erziehen sollen. Umgekehrt können die Eltern aus ihrem Erziehungsrecht aber auch keinen Anspruch darauf ableiten, dass sich der Staat seinerseits diejenigen Ziele zu Eigen macht, die sie sich für die Erziehung ihrer Kinder gesetzt haben. Sie müssen vielmehr den eigenständigen Erziehungsanspruch des Staates akzeptieren und es hinnehmen, wenn ihren Kindern in den Schulen auch solche Wertvorstellungen und Verhaltensmuster nahe gebracht werden, die mit ihren eigenen Prinzipien nicht oder zumindest nicht vollständig übereinstimmen. Vor allem können sie es nicht verhindern, dass ihren Kindern (Er-)Kenntnisse vermittelt werden, mit denen sie selbst sie lieber nicht konfrontieren würden. 65 Sie können lediglich verlangen, dass der Staat ihre Erziehungsziele nicht unterläuft - wobei sich die Grenze zwischen der zulässigen Erziehung und der unzulässigen Manipulation im Einzelfall nur sehr schwer ermitteln lässt.

III. Der Lehrer im Spannungsverhältnis zwischen Schülern, Eltern und Schulverwaltung Die einzelnen Lehrer stehen im Zentrum des Dreiecksverhältnisses zwischen dem Staat, den Schülern und ihren Eltern. Zunächst und in erster Linie sind sie das Bindeglied zwischen dem Staat und den Schülern. Die Aufgabe, den staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrag zu verwirklichen und auf diese Weise die Grundlage für die freie Entfaltung der Persönlichkeit der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu legen, obliegt in erster Linie den einzelnen Lehrern. Auf der anderen Seite trifft sie aber auch die Verpflichtung des Staates, die Grundrechte der Schüler - und das Erziehungsrecht der Eltern - zu achten. Und schließlich sind nicht zuletzt die Lehrer dafür verantwortlich, dass der Wächterauftrag des Staates aus Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG verwirklicht wird: Denn sie sind die Augen und Ohren, mit denen der Staat wahrnehmen kann, ob die Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder deren Rechte hinreichend beachten.66

65

Dies betrifft etwa die Frage, ob strenggläubig christliche Eltern verlangen können, dass die Evolutionsbiologie nicht zum Gegenstand des Unterrichts gemacht wird. Ein anderes Konfliktfeld ist seit jeher die Sexualkunde. 66 Die Lehrer müssen ihre Schüler insbesondere vor körperlichen Misshandlungen durch ihre Eltern schützen. Auch müssen sie darauf achten, dass die Schüler von ihrem Recht auf Glaubensfreiheit Gebrauch machen können. Dies wird etwa dann höchst problematisch, wenn eine religionsmündige Schülerin lediglich aufgrund des familiären Drucks verlangt, vom koedukativen Sportunterricht freigestellt zu werden oder in der Schule ein Kopftuch tragen zu dürfen.

4 4 Β .

Das Schulverhältnis als komplexes System von Rechtsbeziehungen

Zwar erscheint es kaum denkbar, wie die Schule ihrem Auftrag nachkommen soll, die Schüler zu Freiheit und Selbständigkeit zu erziehen, wenn die Lehrer ihrerseits nicht auf die individuellen Bedürfnisse ihrer Schüler eingehen und diejenigen Maßnahmen treffen können, die sie in einer konkreten Situation für geboten halten.67 Das ändert aber nichts daran, dass sich jede Veränderung des labilen Gleichgewichts innerhalb des Schulverhältnisses zugunsten einer mehr oder weniger weit gehenden Autonomie der Schule bzw. der einzelnen Lehrer für die übrigen Beteiligten als Gefährdung ihrer eigenen Stellung darstellt: Obwohl auch die Eltern und Schüler keinen „gegängelten" Lehrer wollen, der nichts selbst entscheiden kann, befürchten sie, dass die Lehrer ihre pädagogische Freiheit nicht als Chance betrachten, um den Interessen und Bedürfnissen der Schüler besser Rechnung tragen zu können, sondern als Freibrief für Willkürentscheidungen, die sich im Ergebnis nicht mehr korrigieren lassen. Für den Staat stellt sich damit aber die Frage, ob und wie er die Erfüllung seines Bildungsauftrages sicherstellen und den Grundrechten der Beteiligten Geltung verschaffen soll, wenn er auf seine umfassenden Aufsichtsmöglichkeiten verzichtet. Die pädagogische Freiheit als Rechtsbegriff hat dementsprechend (mindestens) zwei Dimensionen: Zum einen geht es um das Verhältnis zwischen dem einzelnen Lehrer und den Schülern bzw. ihren Eltern und um die Frage, inwieweit diese sich gegen Entscheidungen und Handlungen der Lehrer zur Wehr setzen können [C.]. Zum anderen betrifft die pädagogische Freiheit des Lehrers dessen Verhältnis zu seinen Vorgesetzten und damit die Frage, ob und inwieweit er an deren Weisungen und sonstige Anordnungen gebunden ist [D.].

67

Vgl. dazu schon Gallwas, S. 71; Kopp, DÖV 1979, S. 890, 891.

C. Das Außenverhältnis - Entscheidungsspielräume der Verwaltung und Rechtsschutz im Schulverhältnis Zunächst stellt sich die Frage, ob die Lehrer im Verhältnis zu ihren Schülern bzw. zu deren Eltern einen rechtlich geschützten Spielraum haben und wie groß dieser Spielraum gegebenenfalls ist. Dabei muss zwischen der - unter Umständen sehr engen - persönlichen Beziehung des Lehrers zu seinen Schülern und dem Schulverhältnis als Rechtsverhältnis unterschieden werden. Parteien dieses Schulverhältnisses sind in erster Linie die Schüler und der Staat, also das jeweilige Bundesland, das durch den Lehrer, die Schule und ihre Organe bzw. durch die Schulaufsichtsbehörden vertreten wird. 1

I. Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis Auch wenn das Schulverhältnis über lange Zeit als eines der so genannten „besonderen Gewaltverhältnisse" angesehen wurde, besteht heute wohl kein ernsthafter Zweifel mehr daran, dass die Grundrechte des Grundgesetzes - und der Landesverfassungen - auch im Schulverhältnis uneingeschränkt gelten. Alles andere wäre mit der umfassenden Bindung der Staatsgewalt an diese Grundrechte unvereinbar, die sich aus Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG ergibt. 2

1. Der Vorbehalt des Gesetzes und die notwendige Unschärfe abstrakt-genereller Regelungen Eingriffe in diese Grundrechte bedürfen stets einer besonderen Rechtfertigung. Sie sind grundsätzlich nur durch oder aufgrund eines hinreichend bestimmten Gesetzes zulässig, in dem das Parlament alle wesentlichen Entscheidungen über die Voraussetzungen, den Umfang und die Folgen dieser Eingriffe festgelegt hat.3 1 Daneben gibt es gegebenenfalls noch weitere Beteiligte, etwa die in der Regel kommunalen Schulträger oder diejenigen, die im dualen System der Berufsausbildung für die betriebliche Ausbildung verantwortlich sind. Darauf kommt es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung allerdings nicht an. 2

Vgl. dazu zusammenfassend Avenarius!Heckel, Tz. 24.111 und 24.21; Niehues, Schulrecht, Rn. 635; vgl. auch Maurer, § 6, Rn. 17 und § 8, Rn. 28 ff.; jeweils m.w.N. 3

Vgl. dazu BVerfGE

61, S. 260, 275; BVerfGE

88, S. 103, 116.

46

C. Das Außenerhältnis

Ob die Entscheidung in einer bestimmten Angelegenheit „wesentlich" ist, hängt in erster Linie von der Intensität ab, mit der gegebenenfalls in die Grundrechte der Betroffenen eingegriffen würde. 4 Dabei ist zu beachten, dass nicht nur die Maßnahmen der klassischen Eingriffsverwaltung grundrechtsrelevant sind. Vielmehr kommt den Grundrechten, insbesondere dem Gleichheitsgrundsatz, auch im Bereich der Leistungsverwaltung maßgebliche Bedeutung zu.5 Diese „Wesentlichkeitstheorie" lässt sich nicht umkehren: Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, bestimmte Sachverhalte zu regeln, ergibt sich daher keineswegs, dass er auch nur diese Sachverhalte regeln dürfte. 6 Dennoch kann trotz der viel beklagten „Regelungsflut" und der zunehmenden Verrechtlichung nahezu aller Lebensbereiche keine Rede davon sein, dass der Gesetzgeber tatsächlich alles selbst geregelt hätte. Vielmehr hat er der Exekutive lediglich einen mehr oder weniger klar definierten, im Ergebnis aber sehr weiten Rahmen für ihre Tätigkeit vorgegeben: Der Entscheidungsspielraum der Verwaltung ist offensichtlich dann am größten, wenn der Gesetzgeber untätig geblieben ist: 7 In diesem Bereich entscheiden die Verwaltungsbehörden nämlich weitgehend selbst darüber, ob und auf welche Weise sie tätig werden - wobei sie allerdings an die allgemeinen Vorgaben über die Zuständigkeit und das Verfahren gebunden sind. Darüber hinaus haben sie die Grundrechte der Bürger und die Vorgaben des jeweiligen Haushaltsplans zu beachten.8 Von „gesetzesfreier" Verwaltung kann daher keine Rede sein.9 4

Zusammenfassend Pieroth/Schlink,

Rn. 261 ff., insbesondere Rn. 265 ff.

5

Eine trennscharfe Abgrenzung beider Bereiche ist daher nicht möglich; vgl. dazu zusammenfassend Maurer, § 1, Rn. 20 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass die Unterscheidung nicht anhand der Wirkungen auf die Betroffenen möglich ist, sondern nur in Bezug auf das verwendete Instrumentarium; dies verkennt etwa Peine, Allgemeines Verwaltungsrecht, Rn. 15 f. 6

Dabei muss zwischen der Zuständigkeit des Gesetzgebers und der des Parlamentes unterschieden werden. Denn ebensowenig wie das Parlament das einzige Organ der Gesetzgebung ist, beschränkt sich seine Zuständigkeit auf den Erlass abstrakt-genereller Regelungen. 7 Dies setzt allerdings voraus, dass er nicht durch die Verfassung verpflichtet ist, einen bestimmten Sachverhalt selbst zu regeln. Dies ist insbesondere in Bezug auf staatliche Leistungen und für Infrastrukturmaßnahmen der Fall. 8 Wobei zu beachten ist, dass dieser Grundsatz mittlerweile zahlreiche Einschränkungen erfahren hat: Auf der einen Seite stellt der Haushaltsplan nur eine Ermächtigung dar, von der die Exekutive nicht unbedingt Gebrauch machen muss. Die Haushaltsansätze müssen daher nicht unbedingt in vollem Umfang ausgeschöpft werden; vgl. dazu Sachs-Siekmann, Art. 100 GG, Rn. 28, m.w.N., und schon Stern, Staatsrecht II, § 49 I I I 4 c a, S. 1207. Auf der anderen Seite kann die Regierung über die Verwendung einiger Mittel weitgehend frei

I. Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis

47

Einen relativ großen Freiraum hat die Exekutive in der Regel auch dann, wenn der Gesetzgeber ihr die konkrete Gestaltung von Rechtsverhältnissen überträgt, indem er die Regierung, einzelne Minister oder auch untergeordnete Verwaltungsbehörden in den Grenzen des Art. 80 Abs. 1 GG bzw. der vergleichbaren Vorschriften der Landesverfassungen zum Erlass von Rechtsverordnungen und anderen Ausführungsbestimmungen ermächtigt. In den einschlägigen Gesetzen finden sich dann häufig nur allgemeine Zielvorgaben und Rahmenregelungen, die durch den Verordnungsgeber ausgefüllt werden müssen. Für die untergeordneten Verwaltungsbehörden kommt es allerdings nur bedingt darauf an, ob ein bestimmter Sachverhalt durch ein Gesetz, eine Verordnung oder durch eine andere untergesetzliche Norm geregelt ist. Ihr Entscheidungsspielraum ergibt sich nämlich vor allem daraus, dass die Realität viel zu komplex ist, um sich in Konditionalsätzen abbilden zu lassen: Weder der Gesetz- noch der Verordnungsgeber können jeden denkbaren Einzelfall vorhersehen, in dem eine Entscheidung getroffen werden muss. Ebensowenig ist es ihnen möglich, vorab abschließend festzulegen, welche Kriterien bei einer konkreten Entscheidung berücksichtigt und wie diese Kriterien gewichtet werden müssen. Zwar ändert das gegebenenfalls nichts an der Verpflichtung des Normgebers, das administrative Handeln so weit wie möglich vorprogrammieren, indem er hinreichend bestimmte Entscheidungskriterien festlegt und den Behörden ein Entscheidungsverfahren vorgibt. Gerade wegen seiner Bindung an die Grundrechte muss der Normgeber dabei jedoch zugleich sicherstellen, dass die konkreten Umstände des Einzelfalles angemessen gewürdigt werden können.10 Zudem müssen der wissenschaftliche und technische Fortschritt und die gesellschaftlichen entscheiden. Dies betrifft insbesondere die Erlöse aus der Privatisierung öffentlicher Unternehmen. Besonders eindrücklich war insofern der Streit über die ca. 100 Mrd. DM, die der Bund im August 2000 mit der Versteigerung der UMTS-Mobilfunklizenzen erzielt hat. 9

Vgl. dazu schon Schmidt-Aßmann, HdBStR § 24, Rn. 61, und im Anschluss an diesen Dreier, Hierarchische Verwaltung, S. 127, die die Vorstellungen von einer (wirklich) „gesetzesfreien Verwaltung" in die „verwaltungsrechtliche Märchenwelt" verbannen wollen. 10

Dies gilt sogar für so strukturierte Bereiche wie das Steuerrecht. Schon bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Errechnung der Steuerschuld muss die Verwaltung die Möglichkeit haben, Vermögenswerte angemessen zu bewerten, um den konkreten Umständen des Einzelfalls gerecht werden zu können. Auch wenn sich die Steuerschuld aufgrund von mathematischen Formeln eindeutig berechnen lässt, muss doch im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, durch die Stundung oder gar durch den Erlass von Steuerschulden die Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners zu erhalten, vgl. §§ 222, 227 AO.

C. Das Außenerhältnis

48

Veränderungen bei der Entscheidungsfindung hinreichend Berücksichtigung finden können. Dem Gesetz- bzw. dem Verordnungsgeber bleibt daher gar nichts anderes übrig, als sich die größere Sachnähe und die Fachkompetenz der Verwaltungsbehörden und der einzelnen Beamten zunutze zu machen. Nicht zuletzt aus diesem Grund gehört eine gewisse Unbestimmtheit und Unschärfe zum Wesen der Rechtsnorm als abstrakt-genereller Regelung:11 Auf der einen Seite lässt sich der Anwendungsbereich einer Norm nur durch unbestimmte - und damit ausfüllungsbedürftige - Begriffe beschreiben. Die jeweils zuständigen Verwaltungsbehörden müssen dann im Einzelfall feststellen, ob ein konkreter Sachverhalt vom Regelungsbereich einer bestimmten Norm erfasst wird. Auf der anderen Seite ist es nicht immer möglich, die rechtlichen Konsequenzen, die sich aus einem bestimmten Lebenssachverhalt ergeben sollen, vorab eindeutig festzulegen. Daher müssen die Verwaltungsbehörden häufig nach pflichtgemäßem Ermessen aus einem - nicht notwendigerweise abschließenden - Katalog von Entscheidungsmöglichkeiten diejenige Rechtsfolge auswählen, die sie im Einzelfall für zweckmäßig halten.12 Dies setzt wiederum voraus, dass sie zunächst mit Hilfe der juristischen Auslegungsmethoden ermittelt haben, welchem Zweck die betreffende Norm überhaupt dient. Auch insofern kann der Gesetzgeber den Behörden in der Regel keine abschließenden Vorgaben machen. Bei alldem ist zu beachten, dass sich hoheitliche Maßnahmen ohnehin nicht oder zumindest nicht ausschließlich auf rational nachvollziehbare und objektivierbare Entscheidungskriterien zurückführen lassen. Sie sind vielmehr das Ergebnis eines - im weitesten Sinne - politischen Willensbildungsprozesses, in dem auch höchst subjektive Wertungen eine Rolle spielen. Wenn der Normgeber den Verwaltungsbehörden daher keine eindeutigen und abschließenden Vorgaben für ihre Tätigkeit macht, dann stellt er nicht nur sicher, dass diese den konkreten Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung tragen können. Darüber hinaus 11

Dem entspricht auch die Vorgabe des Art. 19 Abs. 1 S. 1 GG. Alle Versuche, „Einzelfall-,, und „Einzelpersonengesetze" abzugrenzen, vgl. etwa Maunz/Dürig-//erzög, Art. 19 Abs. 1 GG, Rn. 29 ff. und 46 f.; Stern, Staatsrecht III/2, S. 738 ff., können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Β VerfG bislang noch kein Gesetz wegen eines Verstoßes gegen diese zwingende Verfassungsbestimmung für nicht erklärt hat; vgl. dazu Sachs-Krüger, Art. 19 GG, Rn. 17. In diesem Zusammenhang ist vor allem zu beachten, dass der Gesetzgeber gegebenenfalls dazu verpflichtet ist, einen Einzelfall zu regeln, wenn es sich um einen „wesentlichen" Eingriff in die Grundrechte handelt (vgl. dazu oben unter C.I). Daher gibt es kein generelles Verbot des „Verwaltungsaktes in Gesetzesform", in diesem Sinne auch Dreier-ders., Art. 19 Abs. 1 GG, Rn. 14. 12 Selbst dann, wenn der Gesetzgeber einen bestimmten Bereich überhaupt nicht geregelt hat, können sich die Exekutivorgane durch die analoge Anwendung von Rechtsnormen ihre Handlungsfähigkeit erhalten.

I. Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis

49

überträgt er ihnen auf diese Weise vielmehr auch das Recht und die Pflicht zu einer im weitesten Sinne „politischen" Wertung: 13 Schon die Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes, aber auch die Subsumtion eines realen Lebenssachverhaltes unter den Tatbestand einer bestimmten Norm wird maßgeblich vom politischen Vorverständnis des Beobachters geprägt. 14 Noch deutlicher tritt der politische Charakter der Entscheidung bei der Auswahl zwischen mehreren möglichen Rechtsfolgen und bei Planungsentscheidungen zu Tage:15 Denn hier müssen die Behörden ihren Entscheidungen regelmäßig eine Prognose über die künftige Entwicklung zugrunde legen. Will oder kann der Gesetzgeber die Entscheidung daher nicht selbst treffen, so muss er sich gegebenenfalls darauf beschränken, mehr oder weniger bestimmte Vorgaben dafür festzuschreiben, welche Kriterien die Behörden bei ihrer Entscheidung zu berücksichtigen haben und wie diese Kriterien gegebenenfalls zu gewichten sind. 16

2. Zur Regelungsdichte im Schulrecht Schon ein oberflächlicher Blick in die Schulgesetze der Länder zeigt, dass die Gesetzgeber nur einige Details des Schulverhältnisses selbst abschließend geregelt haben. Zwar gibt es auch im Schulverhältnis nur noch wenige Bereiche, für die überhaupt keine gesetzlichen Vorgaben bestehen.17 Detaillierte Regelungen enthalten die Schulgesetze jedoch nur zu wenigen, besonders wichtigen Einzel-

13

Sowohl bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, als auch bei der Ermessenausübung und bei Planungsentscheidungen geht es immer auch um eine politische Wertung, vgl. dazu auch Dreier, Verwaltung 1992, S. 137, 152. 14

Grundlegend dazu Esser, S. 12 f. und passim, in Bezug auf die Rechtsanwendung.

15

In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass Entscheidungen in aller Regel nicht in einem Zustand vollkommener Information getroffen werden. Je komplexer eine Fragestellung ist, desto größer ist daher die Wahrscheinlichkeit, dass verschiedene Ansichten über die maßgeblichen Wirkungszusammenhänge vertreten werden. Die Entscheidung für oder gegen eine dieser Ansichten beruht dann aber ebenfalls nicht auf einer fachlichen, sondern auf einer politischen Bewertung. Besonders deutlich wird dies etwa bei der Gefahrenprognose im Zusammenhang mit der Genehmigung von Anlagen nach dem BImSchG oder Atomkraftwerken. 16

Die Verantwortung für die Umsetzung dieser Vorgaben liegt im Ergebnis bei der Regierung, die jedenfalls im parlamentarischen Regierungssystem durch das Parlament und damit durch den Gesetzgeber kontrolliert wird. 17

Keine gesetzlichen Vorgaben bestehen allenfalls in Bezug auf die freiwilligen, in der Regel außerunterrichtlichen Veranstaltungen, wie ζ. B. Projekttage, freiwillige Arbeitsgemeinschaften, Klassenfahrten, Schullandheimaufenthalte, aber auch freiwillige Förderangebote für lernschwache (und auch besonders begabte) Schülerinnen und Schüler.

50

C. Das Außenerhältnis

fragen: 18 Etwa über die verschiedenen Schularten und ihre wesentlichen Merkmale einschließlich der Voraussetzungen für den Zugang zu weiterführenden Schulen, 1 9 über den Beginn und das Ende der Schulpflicht, 2 0 über die Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülern, 2 1 über den Religions- und Ethikunterricht, sowie die Sexualerziehung, 22 und auch über die Schülermitverantwortung. 2 3 Gesetzlich geregelt sind weiterhin die Voraussetzungen unter denen die Schüler bzw. ihre Eltern an den Kosten für Lernmittel beteiligt werden können. 2 4 I n Bezug auf die Gegenstände und den Inhalt des Unterrichts haben sich die Gesetzgeber hingegen i m Wesentlichen darauf beschränkt, die i n der jeweiligen Landesverfassung 25 enthaltenen Bildungs- und Erziehungsziele zu wiederholen oder näher zu konkretisieren 2 6 bzw. solche Ziele erstmals festzulegen. 27 D i e kon-

18

Im Folgenden wird vor allem auf die Bestimmungen des baden-württembergischen Schulrechts Bezug genommen. In den anderen Ländern finden sich allerdings vergleichbare Regelungen. 19

Vgl. z.B. §§ 4 ff. BW-SchG. Dazu Av*/ianWHeckel, Tz. 15.382 und 26.2.

20

Vgl. z.B. §§ 72 ff. BW-SchG. Dazu Ave/wnWHeckel, Tz. 15.381 und 25.12.

21

Vgl. z.B. § 90 BW-SchG.

22

Vgl. z.B. §§ 96 ff. BW-SchG. Dazu Avenarius/Heckel,

23

Vgl. z.B. §§ 62 ff. BW-SchG.

Tz. 15.362, m.w.N.

24 Der Schulbesuch an sich ist in allen Bundesländern kostenfrei; vgl. Avenarius!Heckel, Tz. 31.41; dies ist im Ergebnis die notwendige Konsequenz aus der Einführung der allgemeinen Schulpflicht und dem Recht auf Bildung, vgl. dazu oben unter B.I.

Aus demselben Grund besteht grundsätzlich Lernmittelfreiheit; vgl. dazu Rux, VB1BW. 1997, S. 371; ders., RdJB 1998, S. 362 f. Allerdings haben sich die Gesetzgeber fast durchweg entschlossen, die Lernmittelfreiheit auf einkommensschwache Schülerinnen und Schüler zu beschränken, bestimmte Gegenstände von der Lernmittelfreiheit auszuschließen oder den Eltern bzw. Schülern eine Eigenbeteiligung abzuverlangen, vgl. dazu ausführlich AvenariusfUtckei, Tz. 31.42. 25

Vgl. Art. 12 Abs. 1 BW-V; Art. 131 BayV; Art. 28 BbgV; Art. 26 BremV; Artt. 55, 56 Abs. 3-5 HessV; Art. 7 NRW-V; Art. 33 RP-V; Art. 26 SaarV; Art. 27 Abs. 1 und 2 LSA-V; Art. 22 ThürV. 26

Vgl. § 1 Abs. 2 S. 2 BW-SchG; Art. 1 Abs. 1 BayEUG; § 4 BbgSchG; § 5 BremSchG; § 2 HessSchG; § 1 NRW-SchOG; § 1 RP-SchG; § 1 SaarSchG; § 1 LSA-SchG; § 2 ThürSchG. Dabei sind gewisse Modifikationen durchaus üblich. So spricht § 1 Abs. 2 S. 2 BWSchG davon, dass die Schüler in Verantwortung vor Gott zu erziehen seien. Art. ; 12 Abs. 1 der Landesverfassung nennt hingegen die Ehrfurcht vor Gott als Erziehungsziel. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Staat aufgrund seiner umfassenden Verpflichtung zur Neutralität in Glaubensfragen nicht berechtigt ist, den Schülern „Ehrfurcht vor Gott" zu predigen. Art. 12 Abs. 1 BW-V ist daher verfassungskonform in dem Sinne auszulegen, dass mit „Ehrfurcht vor Gott" das Bekenntnis zu einer trans-

I. Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis

51

kreten Bildungs- und Lehrpläne, die Grundlage des Unterrichts und der Erziehung i n der Schule sein sollen, und auch die Stundentafeln, aus denen sich die A r t und der Umfang des Lehrangebotes i n den einzelnen Klassenstufen der verschiedenen Schularten ergeben, werden hingegen v o m Kultusministerium als oberster Schulaufsichtsbehörde festgelegt. 28 Das jeweilige Kultusministerium ist auch für die Zulassung von Lernmitteln verantwortlich. 2 9 Es erlässt die Schul-, Prüfungs- und Versetzungsordnungen, aus denen sich unter anderem die konkreten Voraussetzungen für die Aufnahme i n bestimmte Schularten und der Inhalt und das Verfahren schulischer Prüfungen ergeben. 30 Die Kultusministerien sind darüber hinaus ermächtigt, zahlreiche weitere Einzelheiten des Schulverhältnisses durch Rechtsverordnung zu regeln. 3 1 Insbesondere entscheiden sie über die Verteilung der Schulferien 3 2 und darüber, ob der Samstag unterrichtsfrei sein soll bzw. wer über diese Frage zu entscheiden hat. 3 3 Schließlich haben die Kultusministerien i n einigen Bundesländern 3 4 auch zendental begründeten Wertordnung gemeint ist, die nach der Überzeugung der allermeisten Menschen dem Willen eines göttlichen Wesens entspringt. 27 Vgl.§ 1 BerlSchG, § 2 HambSchG, §§ 2 f. MV-SchG, § 2 NdsSchG, § 1 SächsSchG, § 4 SH-SchG. 28 Vgl. § 35 Abs. 3 BW-SchG. Dabei ist nicht einmal immer die Form einer Rechtsverordnung vorgeschrieben, vgl. z.B. § 35 Abs.4 BW-SchG. Lediglich in den §§ 2 ff. HessSchG und §§ 2 ff. MV-SchG finden sich ansatzweise Vorgaben in Bezug auf die zu unterrichtenden Fächer. Vgl. dazu Avenarius/Heckel, Tz. 15.361. 29

Vgl. z.B. § 35a BW-SchG.

30

Vgl. z.B. §§ 35 Abs. 3 und 89 BW-SchG.

31

§ 87 BW-SchG nennt etwa das Verfahren bei der vorzeitigen Einschulung bzw. bei der Zurückstellung noch nicht schulreifer Kinder, die zeitweilige Beurlaubung und das Verfahren für die Feststellung der Sonderschulbedürftigkeit. 32 Vgl. dazu § 35 Abs. 3 BW-SchG i.V.m. der Ferienverordnung vom 20.11.1986 (K.u.U. 1987, S. 1); zuletzt geändert 18.8.1992 (K.u.U. S. 507). Die Länder haben dabei allerdings die Vorgaben des „Hamburger Abkommens" vom 28.10.1964, i.d.F. vom 14.10.1971, KMK-Beschluss Nr. 101, gebunden. Bei diesem Abkommen handelt es sich um eine Vereinbarung der Ministerpräsidenten der Bundesländer. 33

Vgl. die Verwaltungsvorschrift des baden-württembergischen Kultusministeriums über die unterrichtsfreien Samstage vom 15.7. 1992; zuletzt geändert 23.7.1993 (K.u.U. S. 377), aus der sich ergibt, dass die Schulkonferenz bestimmen kann, dass alle Samstage unterrichtsfrei sind. Tut sie das nicht, findet an jedem zweiten Samstag Unterricht statt. Das BVerfG hält es für zulässig, diese Frage in einer Verwaltungsvorschrift zu regeln CBVerwGEAl, S. 201). Dies ist jedenfalls insofern nicht völlig unproblematisch, als damit mittelbar auch die Arbeitszeit der Lehrkräfte geregelt wird. In Baden-Württemberg gilt grundsätzlich die Arbeitszeitverordnung (AZVO) vom 29.1.1996 (GBl. S. 76), zuletzt geändert am 12.9.1996 (GBl. S. 585), die in § 1 Abs. 2 S. 1 die Tage von Montag bis Freitag als Arbeitstage vorsieht. Zwar enthält § 19 AZVO eine Klausel, nach der die

52

C. Das Außenerhältnis

das Recht, die Ausbildung, Prüfung und Fortbildung der Lehrkräfte eigenständig zu regeln. 3 5 Sowohl die Schulgesetze als auch die einschlägigen Ausführungsbestimmungen enthalten eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und Ermessensbestimmungen, die von den zuständigen Behörden eine Bewertung der tatsächlichen Umstände oder eine Abwägung zwischen verschiedenen Handlungsalternativen verlangen: -

So soll z.B. die Note „sehr gut" erteilt werden, wenn eine Leistung „den A n forderungen i m besonderen Maße entspricht". 3 6 Außerhalb von den in einigen Ländern einheitlich vorgegebenen 37 Abschlussprüfungen werden diese A n forderungen aber auf Grundlage der Bildungs- und Lehrpläne v o m jeweiligen Lehrer festgelegt. Er muss also entscheiden, ob die Leistung den Anforderungen tatsächlich „ i n besonderem Maße" entspricht. Selbst dann, wenn dies der Fall sein sollte, muss er nicht notwendigerweise die Note „sehr gut" erteilen. Denn schließlich handelt es sich nur u m eine Soll-Bestimmung - wobei sich allerdings die Frage stellt, ob hier noch Raum für eine Abwägung bleibt. 3 8

Unterrichts Verpflichtung der Lehrer anders geregelt werden kann. Allerdings ist dort von einer Verordnung der Landesregierung die Rede. Diese ist jedoch bisher nicht erlassen worden. Statt dessen gibt es nur eine Verwaltungsvorschrift („Regelstundenmaßerlass" vom 10.11.1993 - K.u.U. S. 469, zuletzt geändert am 26.1.1998 - K.u.U. S. 26). 34

In Baden-Württemberg, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen. Gesetzliche Regelungen finden sich hingegen in Bayern. Berlin, Brandenburg, Bremen, Hessen, Nordrhein-Westfalen und im Saarland; vgl. dazu AveraznWHeckel, Tz. 17 (Fn. 2 bis 4). 35 Vgl. § 35 Abs. 3 BW-SchG. Auch insofern gibt es Rahmenvereinbarungen der K M K , etwa über die „Grundsätze der Wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an Gymnasien"(KMK-Beschluss Nr. 715) oder die Rahmenvereinbarung über die „Ausbildung und Prüfung für Lehrämter für die Sekundarstufe I I oder für das Gymnasium (Lehramtstyp 4)" (KMK-Beschluss Nr. 750); vgl. dazu Avenarius/Hcckcl Tz. 17.1. 36

§ 5 Abs. 2 Nr. 1 der Verordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums über die Notenbildung vom 5.5.1983 (K.u.U. S. 449); zuletzt geändert am 16.6.1999 (K.u.U. S. 126). 37 Vgl. z.B. § 21 Abs. 2 der Verordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums über die Jahrgangsstufen 12 und 13 sowie über die Abiturprüfung an Gymnasien der Normalform und Gymnasien in Aufbauform mit Heim (NGVO) vom 20.4.1983 (K.u.U. S. 367); zuletzt geändert am 9.4.1999 (K.u.U. S. 71). 38

Dabei ist zu beachten, dass sich die genannte Bestimmung auch auf die Zeugnisnoten bezieht, bei deren Berechnung nicht nur die Einzelbewertungen der Leistungen berücksichtigt werden, die der Schüler im betreffenden Schuljahr bzw. Schulhalbjahr erbracht hat. Allgemein zum Problem der so genannten Koppelungsvorschriften Maurer, § 7, Rn. 48 ff., m.w.N.

I. Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis -

53

Ein anderes Beispiel sind die Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, bei denen den zuständigen Stellen lediglich vorgegeben wird, dass sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten und zunächst zu pädagogischen Erziehungsmaßnahmen zu greifen haben. 39 Die schwerwiegenderen Maßnahmen 4 0 sind nur zulässig, wenn ein Schüler durch „schweres oder wiederholtes Fehlverhalten" seine Pflichten verletzt und dadurch die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer verletzt. 4 1 W a n n diese Voraussetzungen erfüllt sind, müssen die zuständigen Organe i m Einzelfall feststellen.

-

Schüler, die ihre Schulpflicht nicht erfüllen, können der Schule zwangsweise zugeführt werden. Dies muss aber nicht geschehen. 42 Umgekehrt können Schüler i n besonders begründeten Ausnahmefällen vorübergehend oder dauernd, ganz oder teilweise von der Teilnahme am Unterricht i n einzelnen Fächern oder von sonstigen verbindlichen Schulveranstaltungen befreit werden. 4 3

-

Private Volksschulen sind nach Art. 7 Abs. 5 G G zuzulassen, wenn die Unterrichtsverwaltung

39

ein „besonderes öffentliches Interesse" anerkennt. 44

Vgl. § 90 Abs. 2 BW-SchG.

40

Von der Androhung des zeitweiligen Unterrichtsausschlusses bis zur Androhung des Schulausschlusses. 41

Vgl. § 90 Abs. 6 BW-SchG.

42

Vgl. § 86 BW-SchG. Ein Verzicht auf Zwangsmaßnahmen ist etwa dann opportun, wenn damit zu rechnen ist, dass der betreffende Schüler im Falle seiner Teilnahme den Unterricht massiv stören oder gar die Mitschüler gefährden wird. Grundsätzlich ist es allerdings Aufgabe der Schule, eine solche Entwicklung schon im Ansatz zu erkennen und durch geeignete erzieherische Maßnahmen darauf hinzuwirken, dass die Situation nicht eskaliert. Daher stößt es auf erhebliche Bedenken, wenn die Behörden es zulassen, dass einzelne Schüler zuhause unterrichtet werden. 43 Vgl. § 3 Abs. 1 S. 2 der Verordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums über die Pflicht zur Teilnahme am Unterricht und an den sonstigen Schulveranstaltungen (Schulbesuchsverordnung) vom 21.3.1982 (K.u.U. S. 387); zuletzt geändert am 13.1.1995 (K.u.U. S. 43). 44

Nach der Rechtsprechung des BVerfG soll die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffes durch die Verwaltung allerdings grundsätzlich in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar sein (BVerfGE 88, S. 40, 56). Da die Anerkennung eines besonderen pädagogischen Interesses für eine bestimmte Schule keine uneingeschränkt rechtsgebundene, auf einer rein fachlichen Beurteilung beruhende Entscheidung sei, habe die Verwaltung jedoch dennoch einen Spielraum, da das materielle Recht der Verwaltung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise eine Entscheidung abverlange, ohne dafür ein „Entscheidungsprogramm", also hinreichend bestimmte Vorgaben zu enthalten (a.a.O., S. 61; vgl. dazu auch Geis, DÖV 1993, S. 22, 24; Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, S. 617).

54

C. Das Außenerhältnis

Zu beachten ist weiterhin, dass zahlreiche Entscheidungen im Schulverhältnis auf einer Prognose über künftige Entwicklungen beruhen: - Am deutlichsten wird dies bei Versetzungentscheidungen, bei denen es eben nicht nur darauf ankommt, ob die Leistungen des betreffenden Schülers im laufenden Schuljahr den Anforderungen im Ganzen entsprochen haben. Die Versetzungsentscheidung ist daher keineswegs nur das Ergebnis einer mathematischen Berechnung, bei der ein Durchschnittswert aus allen oder bestimmten Einzelnoten gebildet wird. Vielmehr muss auch „zu erwarten sein", dass der Schüler den Anforderungen der nächsthöheren Klassenstufe gewachsen sein wird. 45 - Vergleichbare Kriterien gelten auch für die sogenannte „Bildungsempfehlung", die maßgebliche Bedeutung für den Übergang auf (andere) weiterführende Schulen hat. 46 - Auch die Entscheidung über den Schulausschluss47 beruht auf einer Prognose: Diese schärfste der Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen ist nämlich nur dann zulässig wenn das „Verbleiben des Schülers in der Schule eine Gefahr für die Erziehung und Unterrichtung, die sittliche Entwicklung, Gesundheit oder Sicherheit der Mitschüler befürchten lässt."48 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann und soll nicht näher auf die Frage eingegangen werden, ob der Gesetzgeber tatsächlich alle wesentlichen Entscheidungen in Bezug auf die Ausgestaltung des Schulverhältnisses selbst 45 Vgl. dazu beispielhaft § 1 Abs. 1 der baden-württembergische Versetzungsordnung Gymnasien vom 30.1.1984 (GBl. S. 149, K.u.U. S. 63); zuletzt geändert am 23.6.1999 (GBl. S. 330; K.u.U. S. 179). 46

Vgl. § 4 der Verordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums über das Aufnahmeverfahren für die Realschulen und die Gymnasien der Normalform (Aufnahmeverordnung) vom 10.6.1983 (K.u.U. S. 475); zuletzt geändert am 4.7.1994 (K.u.U. S. 435), sowie die Verordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums über den Übergang zwischen Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien der Normalform (Multilaterale Versetzungsordnung) vom 19.7.1985 (K.u.U. S. 360); zuletzt geändert 28.3.1995 (K.u.U. S. 89). Vgl. dazu ausführlich Avenarius/Heckel, Tz. 26.211. Zwar entscheiden grundsätzlich die Eltern über den Bildungsweg ihrer Kinder. Sie können sich jedoch nur dann über die Bildungsempfehlung hinwegsetzen, wenn die Kinder erfolgreich an einer Aufnahmeprüfung teilgenommen haben, bei der wiederum die Frage im Mittelpunkt steht, ob der betreffende Schüler voraussichtlich mit Erfolg am Unterricht teilnehmen können wird. 47

Bzw. der Ausschluss von allen Schulen des Landkreises, des Oberschulamtsbezirkes oder gar des Landes. 48

Vgl. § 90 Abs. 6 BW-SchG.

I. Entscheidungsspielräume der Verwaltung im Schulverhältnis

55

getroffen hat. 49 Entscheidend ist allein, dass die Schulgesetze und die einschlägigen untergesetzlichen Ausführungsbestimmungen den Lehrern nur einen Rahmen für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit vorgeben: Insbesondere entscheiden die Lehrer grundsätzlich 50 selbständig darüber, wie die vorgegebenen Lernziele erreicht werden sollen. Dies betrifft nicht nur die Auswahl der Lehrmethoden, sondern regelmäßig 51 auch die Entscheidung über den Stoff, der Gegenstand des Unterrichts sein soll und seine Verteilung über das Schuljahr. Die Lehrer bestimmen weiterhin über die pädagogischen Maßnahmen, mit denen der Erziehungsauftrag der Schule erfüllt werden soll und sie sind häufig auch für die Verhängung der milderen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen zuständig.52 Schließlich und vor allem haben in erster Linie die einzelnen Lehrer die Aufgabe, die mündlichen und schriftlichen Leistungen der Schüler zu bewerten, wobei sie in der Regel auch den Prüfungsstoff auswählen müssen.53 Darüber hinaus werden einige Entscheidungen von mehreren Lehrern gemeinsam getroffen: So entscheidet die Klassen- oder Jahrgangskonferenz über Fragen von allgemeiner Bedeutung für die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit in der Klasse. Ihr obliegt außerdem die Entscheidung darüber, ob ein Schüler in die nächste Klassenstufe versetzt wird, 54 sie spricht die bereits erwähnte „Bildungsempfehlung" aus55 und sie ist für die Verhängung bestimmter schwerwiegender Erziehungs· und Ordnungsmaßnahmen zuständig.56 Die Fachkonferenz, der alle Lehrer angehören, die ein bestimmtes Fach unterrichten, entscheidet darüber, welche der vom Kultusministerium zugelassenen Lehrmittel tatsächlich im Unterricht ver49 In jüngster Zeit war vor allem umstritten, ob die „Rechtschreibreform" einer gesetzlichen Grundlage bedarf. Das BVerfG tBVerfGE 98, S. 218, 244 f./251 ff.) hat dies zu Recht verneint; vgl. auch Avenarius/Heckel, Tz. 15.363, m.w.N. 50

Allerdings ist zu beachten, dass durch die Auswahl eines bestimmten Lehrbuches schon eine Vorentscheidung über die Unterrichtsmethode getroffen wird. Die Lehrer können aber nicht allein über die Lernmittel entscheiden, die im Unterricht verwendet werden sollen. 51 Wie schon dargelegt wurde, sind bestimmte Vorgaben zu beachten, wenn die Schüler auf zentrale Prüfungen vorbereitet werden müssen; vgl. dazu schon oben unter C.I.2. 52

Vgl. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BW-SchG: Nachsitzen bis zu zwei Unterrichtsstunden.

53

Dies gilt nur dann nicht, wenn zentrale Abschlussprüfungen vorgesehen sind. Auch sind die Lehrer bei der Stoff aus wähl selbstverständlich nicht völlig frei, da sie an die Vorgaben der Lehr- und Bildungspläne gebunden sind. 54

Vgl. § 45 Abs. 2 BW-SchG i.V.m. § 4 BW-KonfO und den Versetzungsordnungen für die einzelnen Schularten (vgl. Fn. 45). 55 56

Vgl. § 4 der Aufnahme Verordnung (Fn. 46).

Vgl. § 90 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BW-SchG: Zeitweiliger Ausschluss vom Unterricht, Androhung des Schulausschlusses und der Schulausschluss selbst.

56

C. Das Außenerhältnis

wendet werden. 57 Und die Gesamtlehrerkonferenz ist schließlich für die Entscheidung in solchen Angelegenheiten zuständig, die für die ganze Schule von wesentlicher Bedeutung sind, 58 wobei häufig auch der Schulkonferenz, also einem Gremium aus Vertretern der Lehrer, Eltern und Schüler, eine große Bedeutung zukommt. Auf die Konflikte, die sich im Verhältnis zwischen dem einzelnen Lehrer und den Konferenzen bzw. zwischen der Schulkonferenz und anderen Organen der Schule und den Schulaufsichtsbehörden ergeben können, wird später noch ausführlich einzugehen sein. 59

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis Obwohl die Gesetz- und der Verordnungsgeber den Lehrern keine abschließenden Vorgaben für ihre Tätigkeit gemacht haben, bedeutet das noch nicht notwendigerweise, dass der einzelne Lehrer im Außenverhältnis zu den im anvertrauten Schülern einen rechtlich geschützten Spielraum hat. Dies ist vielmehr nur dann der Fall, wenn seine Handlungen und Entscheidungen ihrerseits keiner umfassenden Kontrolle durch Dritte unterliegen.

1. Zur Reichweite und zu den Grenzen des Rechtsschutzanspruchs Insofern ist nun aber zu beachten, dass nach Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG sämtliche Handlungen und Entscheidungen der Exekutive, einschließlich der materiellen Gesetzgebung durch den Erlass von Rechtsverordnungen etc., der Kontrolle durch die Gerichte unterliegen. 60 Dies gilt selbstverständlich auch für das Schulverhältnis. 61 Grundsätzlich können daher alle Entscheidungen und sonstigen Maßnah57 Vgl. § 2 der Verordnung des baden-württembergischen Kultusministeriums über die notwendigen Lernmittel (Lernmittelverordnung - LMVO) vom 8.1.1998 (GBl. S. 85). Damit wird sichergestellt, dass der Unterricht auch im Falle eines Lehrerwechsels fortgeführt werden kann. 58

Dabei gibt es von Land zu Land große Unterschiede. In Baden-Württemberg beschließt die Gesamtlehrerkonferenz insbesondere allgemeine Grundsätze für Klassenarbeiten und Hausaufgaben und sie spricht Empfehlungen für einheitliche Maßstäbe bei der Notengebung und Versetzung aus; vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BW-KonfO. 59

Vgl. dazu unten unter D.V.

60

Vgl. dazu statt vieler Β Κ-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 90 ff.; Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 52 ff., 182 f. 61

Da es sich bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Schulverhältnis unzweifelhaft um öffentlich-rechtliche Angelegenheiten handelt, ist gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob sich die betreffende Maßnahme als Verwaltungsakt, Realakt oder

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

57

men der Lehrer durch die Verwaltungsgerichte überprüft werden. Nach dem in Deutschland geltenden Rechtsträgerprinzip ist dabei stets das jeweilige Land Klagegegner im Sinne des § 78 Abs. 1 S. 1 VwGO. 6 2 Zwar könnte sich das Land im Prozess zumindest in der ersten Instanz durch den einzelnen Lehrer vertreten lassen, § 67 Abs. 2 S. 1 VwGO. Tatsächlich ist dies jedoch in keinem Bundesland vorgesehen, sodass der einzelne Lehrer auch dann allenfalls als Zeuge an einem eventuellen Gerichtsverfahren beteiligt wird, wenn sich die Klage gegen eine Entscheidung oder sonstige Maßnahme im Zusammenhang mit seiner konkreten Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit richtet. Dies wäre allerdings anders zu beurteilen, wenn der Lehrer einen subjektiven Anspruch daraufhat, dass ihm ein hinreichender Spielraum für die eigenverantwortlichen Gestaltung seiner Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit verbleibt. 63

a) Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG als vorbehaltloses Grundrecht Bei einer unbefangenen Betrachtung des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG besteht ein Anspruch auf eine unbeschränkte und umfassende Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Denn schließlich handelt es sich hierbei nicht nur um einen unverbindlichen Programmsatz, sondern um ein echtes Grundrecht, das zudem nicht ausdrücklich unter den Vorbehalt einer gesetzlichen Regelung gestellt wurde. Ein umfassender Rechtsschutzanspruch entspricht auch dem Sinn und Zweck dieser Verfassungsbestimmung, mit der gewährleistet wird, dass die Bürger eine (angebliche) Verletzung ihrer Rechte durch die ausführenden Organe des Staates rügen und die betreffenden Maßnahmen durch unabhängige Instanzen überprüfen lassen können. Denn erst damit werden ihre subjektiven Rechte, die sich aus der Verfassung und aus dem einfachen Recht ergeben, zu mehr als einer unverbindlichen Vorgabe für die Tätigkeit des Staates und seiner Organe. Wenn die Organe der Exekutive nun aber stets damit rechnen müssen, dass ihre Handlungen und Entscheidungen gegebenenfalls durch die Gerichte aufgehoben werden, dann scheinen sie keinen rechtlich geschützten Spielraum für ihre Tätig-

ais eine andere Form des Verwaltungshandelns qualifizieren lässt. Diese Abgrenzung wird erst für die Auswahl der konkreten Klageart von Bedeutung; vgl. dazu Maunz/DürigSchmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 66 ff. 62

Richtigerweise ist davon auszugehen, dass § 78 VwGO nicht die Passivlegitimation regelt (so aber etwa Schmitt Glaser/Horn, Rn. 237; Eyermann-Happ, § 78 VwGO, Rn. 1), sondern die (passive) „Prozessführungsbefugnis" und damit eine Frage der Zulässigkeit, so auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 12, Rn. 40 ff.; Schenke, Rn. 546. 63 In diesem Fall müsste er gemäß § 65 Abs. 2 VwGO notwendig beigeladen werden, vgl. dazu unten D.IV.2.

58

C. Das Außenerhältnis

keit zu haben: Schließlich würden sie selbst dort, wo ihnen die einschlägigen Gesetze und untergesetzlichen Bestimmungen einen Spielraum für die eigenverantwortliche Ausübung des ihnen übertragenen Amtes belassen, der umfassenden und unbeschränkten Kontrolle durch die Gerichte unterliegen. b) Zur Zulässigkeit einer Beschränkung des Rechtsschutzanspruchs Wohl nicht zuletzt aus diesem Grund wird dem Gesetzgeber nach einer weit verbreiteten Auffassung das Recht zugestanden, die gerichtliche Kontrolle von Hoheitsakten zu beschränken. 64

aa) Die „normative Ermächtigungslehre" Eine solche Beschränkung ergibt sich allerdings nicht schon daraus, dass bei der Formulierung von Rechtsnormen unbestimmte und damit ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe verwendet werden. Denn schließlich ist im Grunde jeder Begriff mehr oder weniger unbestimmt, da sich seine konkrete Bedeutung erst aus dem Zusammenhang ergibt. Nicht selten lässt sich der Inhalt eines Begriffes überhaupt nicht abstrakt bestimmen, sondern nur im Hinblick auf die konkreten Umstände, unter denen eine bestimmte Norm angewendet werden soll. 65 Daher kann und muss die Auslegung von Rechtsbegriffen durch die Behörden und die Subsumtion eines realen Sachverhaltes unter den Tatbestand einer Norm grundsätzlich in vollem Umfang durch die Gerichte kontrolliert werden. Ein gerichtlich nicht voll überprüfbarer „Beurteilungsspielraum" wird von den Vertretern der heute wohl überwiegend vertretenen „normativen Ermächtigungslehre" dementsprechend nur dann anerkannt, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich entschieden habe, dass die Behörden das Letztentscheidungsrecht in einer bestimmten Angelegenheit haben sollen. Zumindest müsse sich aus dem Zusammenhang der Norm unzweifelhaft ergeben, dass der Gesetzgeber die Reichweite des gerichtlichen Rechtsschutzes beschränken wollte. 66 In diesem Fall könnten die 64

Grundlegend Bachof, JZ 1955, S. 97,99 ff. Vgl. auch Maurer, § 7, Rn. 31 ff. m.w.N.

65

Besonders deutlich wird dies bei den häufig verwendeten Generalklauseln: Auch die Definition der „Gefahr" als „hinreichender Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintrittes" kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass man mit dieser „Definition" nur einen unbestimmten Begriff durch einen anderen ersetzt hat. 66

Vgl. dazu BVerfGE 61, S. 82, S. 111; BVerfGE 88, S. 40, 45; BVerwGE 94, S. 307, 309; und statt vieler Kopp/Schenke, § 114 VwGO, Rn. 24; von Münch/Kunig-ütefo Art. 19 GG, Rn. 65; Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs 4 GG, Rn. 185 ff., DreierSchulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 92 ff.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

59

Entscheidungen nur daraufhin überprüft werden, ob das Verfahren korrekt durchgeführt wurde, ob die Behörden von unrichtigen Tatsachen ausgegangen sind oder ihren Entscheidungen sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt haben und ob sie die allgemeinen Bewertungsgrundsätze eingehalten haben.67

bb) Die verfassungsimmanenten Schranken des Rechtsschutzanspruchs Diese „normative Ermächtigungslehre" und damit die gesamte Dogmatik des so genannten „Beurteilungsspielraums" lässt sich jedoch nicht damit vereinbaren, dass es sich bei Art. 19 Abs. 4 GG um ein vorbehaltloses Grundrecht handelt. Zwar finden nach der wohl immer noch überwiegend vertretenen Ansicht 68 auch solche vorbehaltlosen Grundrechte ihre Grenzen in den Grundrechten Dritter und anderen Verfassungsprinzipien. Zum einen kann diese Auffassung aber schon deshalb nicht überzeugen, weil sie der Grundentscheidung des Verfassungsgebers zuwiderläuft, der gerade keine Beschränkung des Rechtsschutzanspruchs zulassen wollte. 69 Zum anderen und vor allem wäre eine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte aber auch dann, wenn man davon ausgeht, dass vorbehaltlose Grundrechte verfassungsimmanenten Beschränkungen unterliegen, nur dann zulässig, wenn zunächst der Nachweis erbracht würde, dass ein unbeschränkter Rechtsschutz mit anderen Verfassungsprinzipen unvereinbar ist. 70 Dieser Nachweis steht jedoch bis heute aus und er lässt sich, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, auch nicht erbringen.

67

Vgl. dazu statt vieler Maurer, § 7, Rn. 37 ff.; BK-Schenke, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 304 ff.; Maunz/Düri g-Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 188 ff. jeweils m.w.N. 68

Vgl. zur ständigen Rechtsprechung des BVerfG grundlegend BVerfGE 261; statt vieler Dreier-t/ers., Vorb., Rn. 88 ff., m.w.N.; Hesse, Rn 317 ff.

28, S. 243,

69

Vgl. dazu Pieroth/Schlink, Rn. 330 ff., die zu Recht davon ausgehen, dass lediglich der durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützte Kernbestand an Verfassungsprinzipien gewahrt bleiben muss. Die meisten Konflikte beruhen ohnehin auf einer zu extensiven Bestimmung der Schutzbereiche der betreffenden Grundrechte, vgl. dazu Rux, Der Staat 1996, S. 523 ff., zu Konflikten zwischen dem positiven und negativen Aspekt der Bekenntnisfreiheit. 70 Dies übersieht Dreier-Schulze-Fielitz, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 99. Auch von Münch/Kunig-Äre&s, Art. 19 GG, Rn. 65, behauptet unter Berufung auf das BVerfG {BVerfGE 60, S. 253, 267) nur, dass sich Art. 19 Abs. 4 GG in das „Sinngefüge der Verfassung" einzufügen habe, ohne darzulegen, inwiefern ein umfassender Rechtsschutzanspruch andere Verfassungsprinzipien berührt.

60

C. Das Außenerhältnis

( 1) Die Grundrechte Dritter und der Grundsatz der Rechtssicherheit Festzuhalten ist zunächst, dass die Grundrechte Dritter keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte rechtfertigen können: Ein Konflikt subjektiver Rechtspositionen lässt sich nicht auf der prozessualen Ebene auflösen, indem man einer der Parteien den Schutz ihrer Rechte verweigert. Vielmehr muss das materielle Recht bestimmen, wessen Ansprüche sich gegebenenfalls durchsetzen. Auch der Grundsatz der Rechtssicherheit kann nicht als Begründung für eine Beschränkung des Rechtsschutzanspruches herangezogen werden. Insofern ist auf der einen Seite zu beachten, dass dieser Grundsatz aus dem Vertrauensschutzgedanken und damit gerade zum Schutz der Bürger entwickelt wurde. 71 Schon aus diesem Grund können sich der Staat und seine Organe nicht auf das Bedürfnis nach Rechtssicherheit berufen. Auf der anderen Seite ist auch dann, wenn sich ein Bürger gegen eine belastende Maßnahme zur Wehr setzen will, die zugleich einem Dritten einen Vorteil bringt, keine Beschränkung des Rechtsschutzes erforderlich: Zwar hat dieser Dritte seinerseits durchaus das legitime Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Für die Lösung des Konflikts kommt es jedoch wiederum auf das materielle Recht an.

(2) Der Grundsatz eines wirkungsvollen behördlichen und gerichtlichen Verfahrens und die Handlungsfähigkeit der Staatsorgane Es liegt auf der Hand, dass die Handlungsfähigkeit der Staatsorgane kaum gewährleistet werden könnte, wenn jede ihrer Maßnahmen jederzeit gerichtlich überprüft werden könnte.72 Insofern ist zunächst zu beachten, dass die mit der Einführung von Fristen verbundene zeitliche Begrenzung des Rechtsschutzanspruches bei näherer Betrachtung keinen Eingriff in den Schutzbereich des prozessualen Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG darstellt: Schließlich wird dort ausdrücklich auf ein gerichtliches Verfahren Bezug genommen - und diese Verfahren sind seit jeher an bestimmte Fristen gebunden.73 Wer den Rechtsweg nicht rechtzeitig beschreitet,

71 Vgl. dazu BVerfGE 18, S. 429,439; BVerfGE 50, S. 177,193; und statt vieler DreierSchulze-Fielitz, Art. 20 GG (Rechtsstaat), Rn. 135, m.w.N. 72 73

In diesem Sinne auch BVerfGE

60, S. 253, 270 f.

Unabhängig davon ergibt sich aus einem eventuellen Konflikt zwischen dem Grundsatz der Rechtssicherheit und der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG keine Legitimation dafür, der Exekutive in bestimmten Angelegenheiten das Letztentscheidungsrecht zu belassen.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

61

verwirkt daher zwar nicht seine Rechte, wohl aber die Möglichkeit, diese Rechte gerichtlich durchzusetzen. 74 Obwohl die Regelungen über die Rechts- und Bestandskraft von Hoheitsakten damit entscheidend zu einem wirkungsvollen behördlichen und gerichtlichen Verfahren beitragen, 75 ändert die zeitliche Beschränkung des Rechtsschutzanspruches aus Art. 19 Abs. 4 GG jedoch nichts daran, dass bis zum Eintritt der Rechtskraft jede Maßnahme einer Behörde zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden könnte. In Bezug auf das Schulverhältnis scheint dies aber zu der geradezu grotesken Konsequenz zu führen, dass man im Grunde neben jeder Schule ein eigenes Verwaltungsgericht errichten müsste, um der zu erwartenden Flut von Klagen gegen Einzelmaßnahmen der Lehrer Herr werden zu können. Nichts anderes gilt für andere Anstaltsverhältnisse, insbesondere für den Strafvollzug oder die Nutzung öffentlicher Einrichtungen.

Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde bis vor einiger Zeit die von Ule für das Beamtenverhältnis entwickelte Unterscheidung zwischen dem so genannten Grund- und dem Betriebsverhältnis auch für das Schulverhältnis übernommen. 76 Bei diesem Versuch, die Handlungsfähigkeit der Verwaltung auch im Rahmen von Anstaltsverhältnissen zu gewährleisten, wurde allerdings übersehen, dass der einzelne Schüler - anders als ein Beamter in Ausübung seiner Dienstaufgaben 77 niemals Teil der Verwaltung ist, sondern dem Staat und seinen Organen immer als Person und damit als Träger von Grundrechten gegenübersteht. Aufgrund des umfassenden Geltungsanspruchs der Grundrechte ist daher eine Differenzierung zwischen solchen Maßnahmen, die lediglich das Innen- oder Betriebsverhältnis betreffen sollen, und den so genannten statusbegründenden, -ändernden oder -aufhebenden Maßnahmen, die sich auf das Grundverhältnis beziehen, ausgeschlossen.78 Dementsprechend hat sich mittlerweile die Auffassung durchgesetzt,

74

Wobei zu beachten ist, dass der Rechtsschutzanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG nicht durch eine übermäßige Verkürzung der Antrags- und Klagefristen ausgehebelt werden darf. Auch Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 8, weist auf die „Prozessverantwortung" des Bürgers hin. 75

So auch BVerfG 60, S. 253, 270 f.

76

Vgl. dazu statt vieler Niehues, Schulrecht, 2. Auflage, Rn. 378 ff.; Schwerdtfeger, Rn. 211; sowie grundlegend Ule, VVDStRL(15) 1957,S. 133,151 f.; ders., Verwaltungsprozessrecht, § 35 V 2, S. 194. 77

Vgl. dazu unten D.I.l.a.aa.

78

So auch Niehues, Schulrecht, Rn. 635 ff.

62

C. Das Außen Verhältnis

dass es sich beim Schulverhältnis um kein „besonderes Gewaltverhältnis" handelt.79 Tatsächlich ist es nicht erforderlich, auf einen wie auch immer zu begründenden Verfassungsgrundsatz eines „wirkungsvollen behördlichen und gerichtlichen Verfahrens" zurückzugreifen, um die Handlungsfähigkeit der Staatsorgane im Allgemeinen und einen möglichst reibungslosen Ablauf des Unterrichts in den öffentlichen Schulen im Besonderen zu gewährleisten. Denn selbst wenn man auf der einen Seite mit dem Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass sich aus Art. 2 Abs. 1 GG ein umfassender Anspruch auf Schutz vor rechtswidrigen staatlichen Maßnahmen ergibt 80 und dass Art. 19 Abs. 4 GG den Bürgern auf der anderen Seite einen umfassenden Anspruch darauf verschafft, vor Eingriffen in ihre Rechte geschützt zu werden, kommen keineswegs alle Entscheidungen und Maßnahmen innerhalb des Schulverhältnisses als Gegenstand von Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in Frage: -

So stellt die Pflicht zur Einhaltung der Hausordnung keinen selbständigen Eingriff in die Rechte der Schüler, sondern nur eine notwendige Folge der allgemeinen Schulpflicht dar. 81

-

Auch die Bewertung einzelner Leistungen führt für sich genommen noch zu keinem Eingriff in die Grundrechte, 82 sondern erst dadurch, dass die Einzelbewertungen Grundlage für die Zeugnisnoten und damit wiederum für die Entscheidung über die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe bzw. den erfolgreichen Abschluss einer bestimmten Schulausbildung sind.

-

Schließlich stellt auch die Festlegung der Unterrichtsmethoden und der konkreten Unterrichtsinhalte sowie die Verteilung des Unterrichtsstoffes auf das Schuljahr in der Regel keinen besonderen Eingriff in die (Grund-)Rechte der Schüler dar, da auf diese Weise lediglich die vorgegebene Erziehungs- und Unterrichtsziele konkretisiert werden.

Dementsprechend können Maßnahmen innerhalb des Schulverhältnisses nur dann isoliert angefochten werden, wenn sie für die Betroffenen einen weiter gehenden Eingriff in ihre Rechte bedeuten. Dies betrifft insbesondere die formellen Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, die Publikation von Schülerzeitungen 79

Vgl. dazu oben C.I.

80

BVerfGE 29, S. 402, 409; vgl. auch Pieroth/Schlink,

Rn. 368 ff.

81

Aus der Pflicht, eine Schule zu besuchen, ergibt sich mittelbar die Verpflichtung, sich innerhalb der Schule so zu verhalten, dass es den übrigen Beteiligten des Schulverhältnisses möglich bleibt, ihre Aufgaben zu erfüllen. 82

Vgl. dazu auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14, Rn. 44.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

63

oder die sonstige Meinungsäußerung oder auch ein bekenntnisgeprägtes Verhalten innerhalb der Schule - wobei es sowohl um die Frage geht, ob und inwiefern die Kinder und Jugendlichen innerhalb der Schule bestimmten Glaubens- und Wertvorstellungen ausgesetzt werden dürfen, als auch darum, ob und unter welchen Umständen sie unter Berufung auf ihre Bekenntnisfreiheit Sonderrechte beanspruchen dürfen. 83 Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass es nicht erforderlich ist, den Rechtsschutzanspruch der Bürger zu beschränken, um die Handlungsfähigkeit der Verwaltung zu gewährleisten. Vielmehr kommt es auch hier auf die materielle Rechtslage und damit darauf an, ob und welche subjektiven Rechte der Gesetzund Verordnungsgeber den Bürgern eingeräumt hat.

(3) Die Eigenständigkeit

der Verwaltung

Damit bleibt wohl nur noch ein Ansatzpunkt, um eine Beschränkung des Rechtsschutzanspruches zu rechtfertigen: Das Grundgesetz setzt in Art. 20 Abs. 2 und 3 GG die Eigenständigkeit der Verwaltung als einer der drei Formen der Staatsgewalt voraus. 84 Von dieser Eigenständigkeit scheint aber jedenfalls im Ergebnis nichts übrig zu bleiben, wenn die Verwaltungsbehörden auf der einen Seite die zwingenden Vorgaben zu beachten haben, die ihnen vom Gesetzgeber gemacht wurden, und wenn ihre Handlungen und Entscheidungen auf der anderen Seite selbst in denjenigen Bereichen der umfassenden Kontrolle durch die Gerichte unterliegen, in denen ihnen der Gesetzgeber einen Spielraum für ihre Tätigkeit belassen hat. 85 83 Richtigerweise ist auch davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hinreichend konkrete Vorgaben in Bezug auf die Gegenstandsbereiche des Unterrichts machen muss, vgl. dazu Püttner/Rux, Rn. 121. Allerdings ist der Staat bei der Bestimmung der Lehrinhalte dennoch weitgehend frei, vgl. BVerwGE 64, S. 308 ff., zur Festlegung von Englisch als erster Fremdsprache. 84 In diesem Sinne etwa MminzfDüüg-Schmidt-Aßmann, vgl. auch Franßen, FS Zeidler, S. 429, 443.

Art. 19 Abs 4 GG, Rn. 184;

85 Dabei spielt es grundsätzlich keine Rolle, dass die Gerichte die Maßnahmen der Behörden nur überprüfen können, wenn Klage erhoben wird. Zwar ist eine solche Klage nur zulässig, wenn zumindest die Möglichkeit besteht, dass die subjektiven Rechte des Klägers durch die angegriffene Maßnahme verletzt wurden. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aber bereits dann ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit vorliegt, wenn eine belastende Maßnahme aus irgendeinem Grunde mit gesetzlichen oder untergesetzlichen Bestimmungen unvereinbar ist (vgl. dazu BVerfGE 80, S. 137), muss man davon ausgehen, dass fast jede Maßnahme der Verwaltungsbehörden zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens - oder in einem solchen Verfahren zumindest inzident überprüft - werden kann.

64

. Das

en Verhältnis

Tatsächlich ist die Eigenständigkeit der Verwaltung aber auch dann gewährleistet, wenn man davon ausgeht, dass es sich bei Art. 19 Abs. 4 GG um ein vorbehaltloses Grundrecht handelt, das keinen Beschränkungen unterliegt. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, verbleibt ihr nämlich selbst dann ein hinreichender Aufgabenbereich, wenn die Gerichte die Rechtmäßigkeit der Exekutivorgane umfassend überprüfen können.

(a) Regelungsdichte und gerichtliche Überprüfung von Hoheitsakten Insofern ist zunächst und vor allem zu beachten, dass die Gerichte tatsächlich nur die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Maßnahmen überprüfen können.86 Sie müssen also zunächst mit Hilfe der juristischen Auslegungsmethoden den Rechtssatz herausarbeiten, der in einer bestimmten Norm verkörpert ist und danach feststellen, ob der Rechtssatz im Einzelfall von den Behörden korrekt angewendet wurde. Eine umfassende gerichtliche Überprüfung von Hoheitsakten ist dann aber überhaupt nur unter der Voraussetzung möglich, dass der Normgeber der Verwaltung hinreichend deutliche und abschließende Vorgaben für ihre Tätigkeit gemacht hat. 87 Wie oben schon dargelegt wurde, ist dies jedoch keineswegs immer oder auch nur in der Regel der Fall. Vielmehr sind die Bürger häufig auf den Anspruch auf eine bewertungs- und ermessensfehlerfreie Entscheidung beschränkt. Gibt es mehr als eine rechtmäßige Handlungsalternative, dann entscheiden daher grundsätzlich die Behörden darüber, welche Maßnahme dem Zweck der Regelung am besten entspricht und daher „richtig" ist. 88 Die Gerichte können in diesem Fall nur überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet wurden, nicht jedoch, ob eine bestimmte Handlung oder Maßnahme zweckmäßig war. 89 Damit stellt sich allerdings die Frage, ob es mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar ist, wenn der Gesetz- oder der Verordnungsgeber Normen so unscharf formuliert, dass die Gerichte ihre Anwendung nicht umfas86 Auf diesen Umstand weist auch Maurer, § 7, Rn. 61, hin. Allerdings verkennt er, dass der Verwaltung nicht nur die Beurteilung von Sachfragen überlassen werden kann, sondern auch die politische Bewertung des Sachverhaltes. 87

Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus, vgl. BVerfGE

88, S. 40, 61.

88

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Kategorien „Rechtmäßigkeit" und „Zweckmäßigkeit" nicht völlig trennscharf voneinander abgrenzen lassen: Denn eine völlig unzweckmäßige Handlung oder Entscheidung stellt gegebenenfalls einen unverhältnismäßigen Eingriff dar und ist daher rechtswidrig. 89

Vgl. insofern § 114 VwGO und die differenzierte Regelung des Prüfungsumfangs in §§ 68 Abs. 1 S. 1 bzw. 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

65

send überprüfen können.90 Insofern ist nun aber zu beachten, dass Art. 19 Abs. 4 GG lediglich die Durchsetzbarkeit der subjektiven Rechte gewährleistet. Ob und inwieweit der Normgeber dazu verpflichtet ist, die Voraussetzungen für Eingriffe in die Rechte der Bürger selbst zu regeln, hängt nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes letztendlich davon ab, ob und mit welcher Intensität in die Grundrechte der Bürger eingegriffen wird. Sofern der Gesetzgeber nicht durch die Vorgaben der Verfassung gebunden ist, kann er daher frei entscheiden, ob er der Verwaltung ein Entschließungs- oder Auswahlermessen und damit einen Spielraum für eigene, im weitesten Sinne politische Wertungen einräumen will. 9 1 Auch der Verordnungsgeber unterliegt keinen weiter gehenden Beschränkungen: Aus dem Recht, eine Rechtsverordnung oder eine andere untergesetzliche Norm zu erlassen, ergibt sich keine Pflicht, die betreffenden Rechtsverhältnisse bis ins letzte Detail zu reglementieren. Vielmehr kann den ausführenden Behörden auch und gerade hier ein relativ großer Spielraum belassen werden.

(b) Die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung als objektive Grenze des Rechtsschutzanspruchs Die Eigenständigkeit der Verwaltung beruht nicht nur darauf, dass sich die Gerichte darauf beschränken müssen, die Rechtmäßigkeit der Entscheidungen und Handlungen der Behörden zu überprüfen und daher nicht berechtigt sind, die im weitesten Sinne politischen Wertungen in Frage zu stellen, die den meisten Maßnahmen der Exekutive zugrunde liegen. Vielmehr ist zu beachten, dass eine umfassende Überprüfung durch die Gerichte überhaupt nur dann möglich ist, wenn diese die tatsächlichen Umstände kennen, auf denen eine bestimmte Entscheidung oder Handlung beruht. Nur dann können sie entscheiden, ob die Behörden den realen Lebenssachverhalt korrekt unter den Tatbestand der Norm subsumiert und sich rechtmäßig verhalten haben. In den meisten Fällen lassen sich die tatsächlichen Umstände, unter denen die angegriffene Entscheidung ergangen bzw. die gerügte Handlung vorgenommen worden ist, durch die Beiziehung der Verfahrensakten oder durch die Erhebung 90 Vgl. dazu Schmidt-Aßmann/Groß, NVwZ 1993, S. 617,621 f.; Dreier-Schulze-Fielitz Art. 19 Abs. 4 GG, Rn. 95, die aus Art. 19 Abs. 4 GG Vorgaben für den Gesetzgeber ableiten wollen. 91

In diesem Sinne hat sich auch das BVerfG geäußert: „Gerichtliche Kontrolle kann nicht stattfinden, soweit das materielle (Gesetzes- oder Richter-)Recht der Verwaltung in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise Entscheidungen abverlangt, ohne dafür hinreichend bestimmte Vorgaben (Entscheidungsprogramme) zu enthalten." (BVerfGE 88, S. 40, 61).

66

. Das

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von Beweisen mit hinreichender Sicherheit nachvollziehen. Auch können sich die Gerichte mit Hilfe sachverständiger Zeugen und Gutachten die fachliche Kompetenz aneignen, die erforderlich ist, um einen Sachverhalt fachkundig würdigen zu können. Bestimmte Lebenssachverhalte sind jedoch aufgrund ihrer hohen Komplexität und der besonderen Dynamik der Materie objektiv nicht rekonstruierbar. 92 In diesem Fall stößt die Rechtsprechung aber an ihre Funktionsgrenzen, weil die Gerichte unter diesen Voraussetzungen auch die rechtliche Bewertung des betreffenden Sachverhaltes durch die Exekutive nicht in jeder Hinsicht überprüfen können.93 Auch hier stellt sich wiederum die Frage, ob und inwieweit der Gesetz- bzw. der Verordnungsgeber dazu verpflichtet ist, die Maßnahmen der Verwaltungsbehörden überprüfbar zu machen. Dabei ist auf der einen Seite zu beachten, dass die Grundrechte nicht nur die Ausgestaltung des materiellen Rechts beeinflussen, sondern zugleich den Maßstab für die Gestaltung der Verwaltungsorganisation und des Verwaltungsverfahrens setzen.94 Aus diesem Grund müssen die tatsächlichen Umstände, in denen eine Entscheidung getroffen wird, nach Möglichkeit dokumentiert werden, oder es muss auf andere Weise sichergestellt werden, dass die Entscheidung nachträglich kontrolliert werden kann. Auf der anderen Seite dürfen die Dokumentationspflichten aber auch nicht übersteigert werden: Zum einen muss die Funktionsfähigkeit der Verwaltung erhalten werden. 95 Zum ande92

Nach Maurer, § 7, Rn. 62, soll der Umfang der gerichtlichen Kontrolle ausschließlich durch die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung beschränkt werden. Er verkennt dabei allerdings, dass der Gesetzgeber trotz seiner Verpflichtung, alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen, der Verwaltung einen Spielraum einräumen kann. Vgl. dazu auch BVerfGE 84, S. 34, 50, das allerdings ausdrücklich offen lässt, ob die Gerichte bei der Kontrolle von Prüfungsentscheidungen tatsächlich an ihre Funktionsgrenzen stoßen. Statt dessen stellt es vor allem auf den Grundsatz der Chancengleichheit ab (vgl. dazu unten unter C.II.2). Interessanterweise nimmt das Gericht in diesem Zusammenhang auf Maunz/Dürig-Schmidt-Aßmann, Art. 19 Abs. 4, Rn. 184 f., und auf drei eigene frühere Entscheidungen (BVerfGE 54, S. 173, 197; BVerfGE 61, S. 82, S. 114; BVerfGE 83, S. 130, 148) Bezug. Dort geht es aber überhaupt nicht um die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung, sondern nur darum, dass die Verwaltung überhaupt das Letztentscheidungsrecht in bestimmten Angelegenheiten haben können soll. 93 Diese Funktionsgrenzen werden etwa bei der Überprüfung von Eilmaßnahmen des Polizeivollzugsdienstes deutlich: Grundsätzlich können und müssen die Gerichte umfassend prüfen, ob eine hinreichende „Gefahr" bestand. Dabei müssen sie jedoch die Perspektive des handelnden Beamten zugrunde legen. Da sich typischerweise nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen lässt, was der Beamte wann wahrgenommen hat, sind die Gerichte im Ergebnis auf eine Plausibilitätskontrolle beschränkt. 94

Grundlegend dazu BVerfGE

95

Dieser Aspekt verliert aufgrund des technischen Fortschritts stetig an Bedeutung.

69, S. 315, 355.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

67

ren ist zu beachten, dass die Dokumentation ihrerseits einen Eingriff in die Grundrechte der Bürger darstellt: Eine umfassende Erfassung und Speicherung aller entscheidungserheblichen Umstände wäre nur bei einer umfassenden und lückenlosen Überwachung des gesamten Verhaltens der Betroffenen möglich. Daher kann es bei der Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens nicht um die Optimierung einzelner Grundrechtspositionen gehen, sondern nur darum, den gesamten Grundrechtsschutz zu effektivieren.

(c) Planung, Politik und gerichtliche Kontrolle Die Eigenständigkeit der Verwaltung beruht schließlich darauf, dass die Behörden nicht nur die Aufgabe haben, reale Sachverhalte unter den Tatbestand von Normen zu subsumieren und daraus bestimmte Rechtsfolgen zu ziehen. Vielmehr hat die Exekutive auch und vor allem eine politische Funktion. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Planung, aber auch sonst, wenn die Handlungen und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden auf Prognosen über künftige Entwicklungen beruhen. 96 In diesem Bereich spielen gleich beide der soeben dargestellten Beschränkungen der gerichtlichen Kontrolle eine Rolle: Auf der einen Seite stoßen die Gerichte auch hier häufig an ihre Funktionsgrenzen, da sie nicht in der Lage sind, die Vielzahl von Wahrnehmungen und Erkenntnissen nachzuvollziehen, die Grundlage einer bestimmten planerischen Entscheidung oder Prognose waren. Auf der anderen Seite liegt es auf der Hand, dass Prognosen aufgrund von Annahmen und Wertungen getroffen werden, die sich einer Kontrolle nach den Kriterien von „Recht" und „Unrecht" weitgehend entziehen. Für die gerichtliche Überprüfung müssen daher dieselben Grundsätze gelten, wie für Ermessensentscheidungen.97

96 Dies ist nicht nur für die „typischen" Entscheidungen im Zusammenhang mit der Bauleitplanung oder der raumbezogenen Fachplanung von Bedeutung, sondern insbesondere auch für die Gefahrenabwehr: Auch wenn die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes der „Gefahr" in vollem Umfang durch die Gerichte überprüft werden kann, ändert das nämlich nichts daran, dass diese ex post nicht mit absoluter Sicherheit feststellen können, ob tatsächlich eine Gefahrsituation vorlag. 97

Dennoch besteht ein qualitativer Unterschied, da es hier nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie um die Auswahl der „richtigen" Rechtsfolge geht, sondern vor allem um die Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes. Die Grenzen zwischen Ermessen und Beurteilungsspielraum sind daher aufgehoben; vgl. dazu auch Maurer, § 7, Rn. 63, m.w.N.

68

. Das

en Verhältnis

c) Zusammenfassung Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Bürger aufgrund der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG einen Anspruch auf die umfassende gerichtliche Kontrolle aller Maßnahmen der öffentlichen Gewalt haben. Da es sich bei Art. 19 Abs. 4 GG um ein vorbehaltloses Grundrecht handelt, kann und muss der Gesetzgeber das Rechtsschutzverfahren zwar im Detail ausgestalten. Es steht ihm jedoch nicht zu, die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger auszuhebeln, indem er die Reichweite der gerichtlichen Überprüfung beschränkt. 98 Auch in Bezug auf diejenigen Rechte, die sich erst aus dem einfachen Recht ergeben, hat sich der Gesetzgeber grundsätzlich selbst gebunden. Allerdings setzt der Rechtsschutzanspruch die Existenz subjektiver Rechte voraus, die sich unmittelbar aus der Verfassung oder aus dem einfachen Recht ergeben können. Wenn der Gesetzgeber die Bürger hingegen zulässigerweise auf den Anspruch auf eine ermessens- und abwägungsfehlerfreie Entscheidung beschränkt hat, dann bedeutet dies letztendlich nichts anderes, als dass er der Verwaltung die fachlichen und im weitesten Sinne politischen Wertungen übertragen hat, die mit solchen Entscheidungen verbunden sind. Sofern sich aus den einschlägigen Rechtsvorschriften keine hinreichend bestimmten und damit justitiablen Entscheidungskriterien ergeben, müssen sich die Gerichte unter diesen Umständen im wesentlichen auf eine Plausibilitätskontrolle beschränken. Dies gilt nicht nur für die klassischen Ermessensentscheidungen, sondern auch und insbesondere für die Überprüfung von Prognosen und Risikobewertungen. Die zweite, für die Praxis ebenso bedeutsame Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte ergibt sich daraus, dass eine bestimmte Maßnahme einer Behörde überhaupt nur dann rechtlich bewertet werden kann, wenn es den Gerichten möglich ist, den entscheidungserheblichen Sachverhalt mit hinreichender Sicherheit zu rekonstruieren. Zwar muss der Gesetzgeber aufgrund seiner Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte das Verwaltungsverfahren durch die Einführung von Dokumentationspflichten etc. nach Möglichkeit so ausgestalten, dass die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Behörden nachträglich möglichst umfassend überprüft werden können. Ist dies jedoch objektiv unmöglich oder unzumutbar, dann stößt die Rechtsprechung an ihre Funktionsgrenzen. 99 In diesem Fall - und nur dann - steht den Behörden daher ein „Beurteilungsspielraum" zur Verfügung.

98 99

In diesem Sinne auch Geis, DÖV 1993, S. 22, 24.

Auch Maurer, § 7, Rn. 29, weist darauf hin, dass hinter der Theorie vom Beurteilungsspielraum letztendlich ein Erkenntnisproblem steht.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

69

Dies betrifft aber nicht nur die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durch die Verwaltung, sondern auch die Fälle des so genannten „kognitiven Ermessens", also insbesondere Gefahr- und Verdachtssituationen - und damit wiederum Prognose- und Risikoentscheidungen. Auch hier müssen sich die Gerichte Zurückhaltung auferlegen, da es für die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme nur darauf ankommen kann, ob sie zum Zeitpunkt der Entscheidung aus der Perspektive des handelnden Beamten geboten war. War eine Maßnahme danach rechtmäßig, kommt es nicht darauf an, wenn es sich später herausstellen sollte, dass tatsächlich überhaupt keine Rechtsgüter gefährdet waren. Dies alles bedeutet wohlgemerkt keineswegs, dass die umfassende und vorbehaltlose Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG im Ergebnis doch bestimmten Beschränkungen unterliegen würde: Vielmehr ist zu beachten, dass die Gerichte ihrerseits rechtswidrig handeln würden, wenn sie unter diesen Umständen an Stelle der Behörden entscheiden würden, da in ihre Entscheidung zwangsläufig sachfremde Erwägungen einfließen müssten. Auch wenn es kein allgemeines Rechtsinstitut des „gesetzlichen Verwaltungsbeamten" oder gar einen entsprechenden mit Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG vergleichbaren Rechtsanspruch gibt, kann es daher vorkommen, dass eine Entscheidung überhaupt nur dann rechtmäßig ist, wenn sie von der zuständigen Behörde getroffen wurde.

2. Die Grenzen des Rechtsschutzes im Schulverhältnis Wendet man die soeben entwickelten Grundsätze auf das Schulverhältnis an, so lässt sich zunächst feststellen, dass auch sämtliche Entscheidungen und Handlungen der Lehrer und der Schule grundsätzlich einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterliegen. 100 Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob die betreffende Maßnahme als Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG zu qualifizieren ist, ob sich der Schüler gegen eine tatsächliche Handlung zur Wehr setzen will, ob es ihm darum geht, den Umfang seiner Rechte und Pflichten feststellen zu lassen oder ob er eine bestimmte Leistung einfordert. 101 Sofern den Lehrern die Entscheidung darüber übertragen wurde, ob bzw. auf welche Weise sie in einer bestimmten Situation reagieren, können und müssen die Gerichte gegebenenfalls mit Hilfe von sachverständigen Zeugen feststellen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet wurden. Dabei ist zu beachten, dass 100

In diesem Sinne auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 14, Rn. 44; Schenke, Rn. 97; vgl. auch Erichsen, § 12, Rn. 36. 101

Diese Abgrenzung wird erst bei der Auswahl der richtigen Klageart relevant.

70

. Das

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die Pädagogik keine exakte Wissenschaft ist. Wenn sich daher aus den einschlägigen gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen keine klaren Handlungsanweisungen in dem Sinne ergeben, dass der Lehrer auf eine ganz bestimmte Situation in einer ganz bestimmten Art und Weise reagieren muss, dann können die Gerichte die pädagogische Wertung, die seiner Entscheidung zugrunde liegt, zwangsläufig nur eingeschränkt überprüfen. 102 Dies ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil es im Schulrecht nur vergleichsweise wenige Normen in dem Sinne gibt, dass aufgrund eines bestimmten Tatbestands eine bestimmte Rechtsfolge eintritt. Vielmehr beschränkt sich der Normgeber häufig darauf, bestimmte Ziele vorzugeben und den Lehrern bzw. den Schulen die Entscheidung zu überlassen, wie diese Ziele konkret erreicht werden sollen. Noch viel größere Bedeutung kommt jedoch dem bereits erwähnten Umstand zu, dass der Lehrer im Alltag mit seiner Klasse allein ist. Der Verlauf des Unterrichts wird grundsätzlich nur durch ihn selbst dokumentiert 103 - wobei festzuhalten ist, dass sich die subtilen Nuancen des Verhältnisses zwischen den Schülern und ihren Lehrern ohnehin einer hinreichend exakten Aufzeichnung entziehen. Daher lässt sich die konkrete Situation, in der eine bestimmte Entscheidung getroffen wurde, nicht selten überhaupt nicht oder allenfalls bedingt nachvollziehen. Dies betrifft auch und insbesondere die mündlichen Prüfungen, deren Verlauf sich selbst mit technischen Hilfsmitteln 104 nur in engen Grenzen dokumentieren lässt. Unter diesen Voraussetzungen ist eine lückenlose Überprüfung schulischer Entscheidungen und Maßnahmen durch die Gerichte schlichtweg ausgeschlossen. Auch das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass sich die schwierigen Bewertungen, die im Gesamtzusammenhang eines Prüfungsverfahrens getroffen wurden, nicht ohne weiteres in einem Verwaltungsstreitverfahren nachvollziehen lassen. Zwar könne und müsse die fachwissenschaftliche Richtigkeit der Antworten gegebenenfalls überprüft werden. Nach der im Ergebnis völlig zutreffen-

102

Zwar hat der Gesetzgeber der Exekutive auch und gerade im Bereich des Bildungswesens zahlreiche im weitesten Sinne politische Bewertungen überlassen. Den einzelnen Lehrern und auch den einzelnen Schulen steht insofern jedoch grundsätzlich kein Spielraum zur Verfügung, da die meisten dieser Entscheidungen von den Kultusministern bzw. den Landesregierungen getroffen wurden. 103 Etwa durch Eintragungen in das Klassenbuch oder eigene Aufschriebe über den Verlauf der Unterrichtsstunden. 104

Auch eine Videoaufzeichnung ist nicht geeignet, die spezifische Atmosphäre der Prüfungssituation aufzufangen. Unabhängig davon stellt sich ohnehin die Frage, ob der Einsatz technischer Hilfsmittel zur Dokumentation des Unterrichts und von Prüfungen nicht seinerseits einen unzulässigen Eingriff in die Rechte der Schüler (und Lehrer) auf Schutz ihrer Privatsphäre darstellt.

II. Der Rechtsschutz im Schulverhältnis

71

den Ansicht des Gerichtes haben die Prüfer jedoch i n Bezug auf die „prüfungsspezifischen Wertungen" einen Spielraum, der sich der gerichtlichen Kontrolle entzieht. 1 0 5 Diese Rechtsprechung lässt sich aber auch auf die meisten anderen Maßnahmen innerhalb des Schulverhältnisses übertragen. Tatsächlich ist die Reichweite der gerichtlichen Kontrolle außerhalb von Prüfungsentscheidungen i n der Regel noch viel stärker beschränkt, da für Prüfungen immerhin bestimmte Dokumentations- und Protokollierungspflichten bestehen, die eine nachträgliche Kontrolle erst ermöglichen. 1 0 6 Dabei ist allerdings festzuhalten, dass die Begründung des Bundesverfassungsgerichtes nicht überzeugen kann: In seiner Entscheidung hat das Gericht nämlich ausdrücklich offen gelassen, ob die Rechtsprechung bei Prüfungsentscheidungen an ihre Funktionsgrenzen stößt. Statt dessen hat es auf den Grundsatz der Chancengleichheit abgestellt, der sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz in Verbindung mit der Berufsfreiheit ergibt. 107 Mit diesem Grundsatz lasse es sich nicht vereinbaren, wenn die Prüfungsleistungen eines einzelnen Kandidaten von einer anderen Instanz und damit zwangsläufig aus einer anderen Perspektive bewertet würden. Tatsächlich unterscheidet sich die Lage insofern aber nicht von anderen Fällen, in denen nur eine von mehreren Personen, die von einem Hoheitsakt betroffen werden, die Gerichte anruft. 108 Eine genauere Betrachtung macht jedoch deutlich, dass der Grundsatz der Chancengleichheit bei Prüfungen weniger die Grundlage für eine Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle ist, 1 0 9 als vielmehr die zwingende Folge der

105

BVerfGE 84, S. 34,51 ff.; vgl. zu dieser Entscheidung und ihren Auswirkungen auf das konkrete Prüfungsverfahren ausführlich Lampe, passim; vgl. auch Avenarius/Heckel Tz. 27.12; Niehues, Schulrecht, Rn. 399 ff.; jeweils m.w.N. 106

Tatsächlich hat die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes vor allem dazu geführt, dass die Prüfungsverfahren noch stärker formalisiert wurden. 107

BVerfGE 84, S. 34,50. In diesem Sinne auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 25, Rn. 49. Dabei ist festzuhalten, dass dem Gleichheitsgrundsatz hier nur eine nachrangige Bedeutung zukommt. Wenn es einen legitimen Grund gibt, den Zugang zu einer bestimmten Berufsausbildung zu beschränken, dann muss der Auswahl unter mehreren Bewerbern eine Prognose darüber zugrunde gelegt werden, bei welchen der Bewerber die höchste Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie die jeweilige Ausbildung mit einem möglichst guten Erfolg abschließen werden. In der Praxis beruht diese Prognose auf einem Vergleich der bisherigen Prüfungsergebnisse. Dieser Vergleich ist aber nur dann zulässig, wenn die Prüfungsleistungen unter vergleichbaren Umständen erbracht wurden. 108

Die VwGO ermöglicht den Gerichten durch die Beiladung gemäß § 65 VwGO und die Rechtskraftbindung gemäß § 121 Nr. 2 VwGO die Möglichkeit, die Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte zu gewährleisten. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die notwendige Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 und 3 VwGO eine seltene Ausnahme darstellt. 109 Wäre es tatsächlich möglich, eine vollkommene Chancengleichheit bei Prüfungen herzustellen, dann könnten die Prüfungsergebnisse auch in jeder Hinsicht überprüft werden.

72

. Das

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komplexen Entscheidungssituation: Indem Prüfungen unter möglichst gleichförmigen Bedingungen abgehalten werden, wird diese Komplexität reduziert und damit die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Prüfungsentscheidung nachträglich überprüft werden kann. 110

Zu beachten ist weiterhin, dass auch die Prognoseentscheidungen, die im Schulverhältnis getroffen werden müssen, regelmäßig auf Bewertungen beruhen, die sich nicht anhand objektiver Maßstäbe nachprüfen lassen: So kommt es für die Entscheidung über die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe bzw. über den Übergang in eine andere Schule eben nicht nur auf die dokumentierten Leistungen an, die der betreffende Schüler in der Vergangenheit erbracht hat. Vielmehr wird von den Lehrern bzw. von der zuständigen Konferenz eine Prognose über die künftige Leistungsfähigkeit verlangt, bei der die bisherigen Leistungen zwar eine große Bedeutung haben, die aber dennoch nur auf Grundlage einer ganzheitlichen und damit notwendigerweise subjektiv geprägten Betrachtung der gesamten Persönlichkeit des Schülers getroffen werden kann. Auch hier sind die Gerichte schlichtweg überfordert, da es ihnen nicht möglich ist, solch vielschichtige Bewertungen in vollem Umfang nachzuvollziehen.

III. Zusammenfassung Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die Lehrer, die Schulen und die Schulverwaltungsbehörden im Außenverhältnis zu den Schülern einen gewissen Entscheidungsspielraum haben, der sich einer umfassenden Kontrolle durch die Gerichte entzieht. Dieser Spielraum ergibt sich zum einen daraus, dass die Gesetzgeber trotz - oder vielleicht auch gerade wegen - ihrer umfassenden Verpflichtung auf die Grundrechte nicht alle Details des Schulverhältnisses selbst geregelt haben. Auch die einschlägigen Ausführungsverordnungen vermitteln den Schülern - und ihren Eltern - regelmäßig nur einen Anspruch auf eine ermessens- und bewertungsfehlerfreie Entscheidung. Die Gerichte können daher insbesondere nicht entscheiden, ob eine bestimmte Maßnahme im Schulverhältnis pädagogisch zweckmäßig war. Zum anderen stoßen die Gerichte bei der Überprüfung von Maßnahmen im Schulverhältnis nicht selten an ihre Funktionsgrenzen, da sie die konkreten UmDenn in diesem Fall dürfte das subjektive Moment keine Rolle spielen und es würde daher nicht darauf ankommen, wer die Prüfungsleistungen zuerst beurteilt hatte. 110

Wie so oft, zeigt sich auch hier der enge Zusammenhang zwischen Freiheit und Gleichheit.

III. Zusammenfassung

73

stände schulischer Entscheidungen nicht mit hinreichender Sicherheit aufklären können und weil sie daher auch nicht dazu in der Lage sind, den entscheidungserheblichen Sachverhalt in jeder Hinsicht rechtlich zu bewerten. Diesen Funktionsgrenzen kommt auch und insbesondere bei der gerichtlichen Kontrolle von Prüfungs- und Versetzungsentscheidungen Bedeutung zu. Den Prüfungsbehörden muss hier ein Bewertungsspielraum zugestanden werden, damit sie der konkreten Prüfungssituation, aber auch der Persönlichkeit des Prüfungskandidaten gerecht werden können.

D. Das Innenverhältnis - Die pädagogische Freiheit als Beschränkung der staatlichen Weisungsund Aufsichtsrechte im Schulbereich Für den Schüler, der sich gegen eine bestimmte Handlung oder Entscheidung eines Lehrers zur Wehr setzen w i l l , kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob dieser Lehrer die betreffende Maßnahme aus freien Stücken unternommen hat, ob sie auf einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift beruht oder auf einer Weisung i m Einzelfall. Für den Lehrer ist es hingegen von entscheidender Bedeutung, ob er seine Tätigkeit zumindest teilweise selbst bestimmen kann oder ob das „Damoklesschwert jederzeitigen Eingreifens" 1 über i h m schwebt, w e i l er stets damit rechnen muss, dass er zu einem bestimmten Verhalten angewiesen w i r d oder dass seine Entscheidungen durch seine Vorgesetzten korrigiert werden. Da die meisten Lehrer Beamte sind, werden im Folgenden die Bestimmungen des öffentlichen Dienstrechts im Mittelpunkt stehen. Die arbeitsrechtliche Stellung der angestellten Lehrer soll hingegen nur am Rande und nur insoweit berücksichtigt werden, als es nötig ist, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede herauszuarbeiten. A l s Beamte sind die Lehrer i n das hierarchische System der Staatsverwaltung eingebunden und grundsätzlich dazu verpflichtet, die Anordnungen 2 ihrer Vorgesetzten zu befolgen. 3 Dabei ist zu beachten, dass die Lehrer sogar zwei un1

Püttner/Rux,

Rn. 71.

2

Der Begriff der „Anordnungen" umfasst sowohl Weisungen für bestimmte Einzelfälle als auch abstrakt-generelle Vorgaben in der Form von VerwaltungsVorschriften etc. Vgl. dazu statt vieler Felix, S. 34 ff. 3 Man kann durchaus in Frage stellen, ob Lehrer aufgrund des Funktionsvorbehaltes des Art. 33 Abs. 4 GG grundsätzlich Beamte sein müssen. Schließlich lassen sich diejenigen Bereiche, in denen hoheitliche Befugnisse ausgeübt werden, relativ klar abgrenzen: Das sind insbesondere die Entscheidungen über die Begründung und Durchsetzung der Schulpflicht, die Versetzungsentscheidungen, die Abschlussprüfungen und die Erziehungsund Ordnungsmaßnahmen; vgl. dazu auch Huber, Verwaltung 1996, 437, 457 ff., der darauf abstellt, ob der Lehrer nur „pädagogischer Dienstleister" ist oder über echte Eingriffsbefugnisse verfügt. Zum Diskussionsstand vgl. Avenarius/Heckel, Tz. 18.21, m.w.N., der selbst zu dem Ergebnis kommt, dass Lehrer grundsätzlich verbeamtet werden müssen, weil sie durch die Beteiligung an Versetzungsentscheidungen und anderen Eingriffen in die Rechte der Schüler Hoheitsgewalt ausüben und eine für das Gemeinwohl bedeutsame Aufgabe erfüllen. Zumindest das letzte Argument kann indes nicht überzeugen,

D. Das Innenverhältnis

75

mittelbare Vorgesetzte haben, die ihnen Weisungen erteilen können: 4 Nämlich den Schulleiter 5 und die jeweils zuständige Schulaufsichtsbehörde 6 bzw. den zuständigen Schulaufsichtsbeamten. Darüber hinaus sind die Lehrer auch noch an die Beschlüsse der Konferenzen gebunden. 7 Nach den eindeutigen Regelungen des öffentlichen Dienstrechts sind Beamte nur dann nicht an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden, wenn sie durch eine besondere gesetzliche Bestimmung von Weisungen frei gestellt wurden und nur dem Gesetz unterworfen sind. 8 Lehrer genießen daher überhaupt nur dann und nur insoweit pädagogische Freiheit i m Sinne eines rechtlich geschützten Freiraums für ihre Tätigkeit, wenn die Reichweite der Weisungs- und Aufsichtsbefug-

da Art. 33 Abs. 5 GG eben nicht die gesamte Tätigkeit des Staates erfasst, sondern nur die Ausübung „hoheitlicher Befugnisse", also in erster Linie Eingriffe in die Rechte der Bürger und darüber hinaus allenfalls die Gewährung grundrechtlich gebotener Leistungen; in diesem Sinne auch schon Peine, Verwaltung 1984, 415, 433 ff.; vgl. auch Dreier-LübbeWoljf.; Art. 33 GG, Rn. 58 f., m.w.N. 4 Gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BW-LBG ist derjenige „Vorgesetzter", der dem Beamten Weisungen erteilen kann. Wer das ist, bestimmt sich nach dem inneren Aufbau der jeweiligen Verwaltung. 5 Dieser ist in Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben weisungsberechtigt gegenüber den Lehrer seiner Schule; vgl. § z.B. 41 Abs. 1 S. 1 BW-SchG. 6 In Baden-Württemberg ist dies für Grund-, Haupt- und Realschulen und die entsprechenden Sonderschulen das Staatliche Schulamt, § 33 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BWSchG. Für die übrigen Schulen (insbesondere Gymnasien und berufliche Schulen) das Oberschulamt, § 34 Abs. 2 Nr. 1 BW-SchG. Die Verteilung der Zuständigkeiten ist von Land zu Land sehr verschieden, vgl. dazu ausführlicher AvenariusfHeckel, Tz. 16.4 und 16.6; Püttneri Rux, Rn. 64 ff.

Da die Schulaufsichtsbehörden für staatliche und kommunale Schulen gleichermaßen zuständig sind, kommt es insofern nicht darauf an, ob die Lehrer im Dienst des Landes, der Kommunen oder anderer Träger der öffentlichen Verwaltung stehen: Kommunale Bedienstete sind insbesondere die Lehrer an kommunalen Schulen in Bayern und an kommunalen beruflichen Vollzeitschulen in Rheinland-Pfalz. In Bremen sind alle Lehrer Bedienstete der Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. Vgl. dazu Avenarius!Heckel, Tz. 9.62. 7

Auf die besonderen Probleme des Verhältnisses zwischen den einzelnen Lehrern und den Konferenzen wird später noch ausführlicher einzugehen sein, vgl. unten unter D.V. 8

Vgl. § 37 S. 3 BRRG, § 74 S. 2, 2. Hs. BW-LBG. Zu nennen sind hier unter anderem die Mitglieder des Bundesrechnungshofes, Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG; der Wehrbeauftragte des Bundestages, § 5 Abs. 2 des Gesetzes zu Art. 45b GG; die Untersuchungsführer bei Disziplinarverfahren, §§56 Abs. 3 S. 1 BDO; die Mitglieder des Bundespersonalausschusses, § 97 Abs. 1 S. 1 BBG, und der Landespersonalausschüsse, vgl. § 123 Abs. 1 S. 1 BW-LBG; die Rechtspfleger, § 9 RPflG; die Datenschutzbeauftragten des Bundes, § 36 Abs. 3 S. 2 BDSG, und der Länder, vgl. § 26 Abs. 2 BW-LDSG.

D. Das Innenverhältnis

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nisse ihrer Vorgesetzten entweder insgesamt oder zumindest im Bereich des Schulwesens eingeschränkt ist. 9 Im Folgenden wird daher auf die Frage einzugehen sein, ob dem einzelnen Lehrer aufgrund der einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze oder der allgemeinen Regelungen des öffentlichen Dienstrechtes ein rechtlich geschützter Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seiner Tätigkeit zur Verfügung steht, wie weit dieser Freiraum gegebenenfalls reicht und ob er sogar einen justitiablen Anspruch darauf hat, dass seine Vorgesetzten seine pädagogische Freiheit respektieren. Eine solche Beschränkung der Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse könnte sich zunächst daraus ergeben, dass die Schulaufsichtsbehörden und Schulleiter nach den Schulgesetzen einiger Länder nur unter bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt sind, in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer einzugreifen. 10 Unabhängig davon ist zu beachten, dass den Lehrern in allen Ländern die unmittelbare oder eigene pädagogische Verantwortung für die Erziehung und die Bildung 11 bzw. den Unterricht 12 der Schüler zugewiesen wurde. Damit liegt aber der Schluss nahe, dass ihnen auch ein gewisser Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Tätigkeit zur Verfügung stehen muss.

9

Im Ergebnis gilt das auch für die Angestellten, die dem Direktionsrecht des Arbeitgebers unterstehen; vgl. dazu § 8 Abs. 2 B A T sowie Achterberg/Püttner/Würtenberger-ßata's, § 32, Rn. 32/40; Avenarius/Heckel Tz. 23.24. 10

Vgl. etwa § 9 Abs. 2 bzw. § 22 Abs. 2 BerlSchVerfG, § 130 Abs. 2 S. 3 bzw. 69 Abs. 2 S. 2 BbgSchG, § 12 Abs. 2 und 3 BremSchVG, § 93 Abs. 3 bzw. § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG, § 95 Abs. 4 MV-SchG, §§ 43 Abs. 3 i.V.m. 51 Abs. 1 S. 1 bzw. § 121 Abs. 2 NdsSchG. 11 12

§ 38 Abs. 2 BW-SchG, § 40 Abs. 2 SächsSchG.

Art. 59 Abs. 1 S. 1 Bay EUG, § 67 Abs. 2 S. 1 BbgSchG, § 100 Abs. 2 S. 1 MV-SchG, § 50 Abs. 1 S. 1 NdsSchG, § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG; § 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG, § 30 Abs. 1 S. 1 LSA-SchG, § 83 Abs. 1 S. 1 SH-SchG, § 34 Abs. 2 S. 1 ThürSchG. In Berlin und im Saarland erstreckt sich diese Verantwortung ausdrücklich auch auf die Leistungsbewertungen, vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 BerlSchVerfG, § 28 Abs. 1 S. 1 SaarSchOG; in Hamburg und Hessen auch auf die Beratung und Betreuung, vgl. § 88 Abs. 2 HambSchG, § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG. In Bremen hat das gesamte schulische Personal die ihm durch das Schulgesetz auferlegten Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, vgl. § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

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I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit Bevor näher auf die Frage eingegangen werden kann, wie weit die Weisungsund Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden konkret reichen und ob die Lehrer einen Anspruch darauf haben, dass ihre Vorgesetzten nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Tätigkeit eingreifen, erscheint es allerdings geboten, sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob und inwiefern die pädagogische Freiheit der Lehrer in der Verfassung verankert ist: Denn schließlich kommt es für die Auslegung der einfachgesetzlichen Bestimmungen des Schul- und Dienstrechts darauf an, ob diese Freiheit ein Grundrecht der Lehrer darstellt [ 1.]. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, könnte sich aus den Grundrechten der Schüler [2.] oder aus den Erziehungszielen, die in den meisten Landesverfassungen festgeschrieben sind [3.], eine objektive Verpflichtung des Staates ergeben, den Lehrern einen gewissen Spielraum zu belassen, der dem Einfluss Dritter teilweise oder sogar vollständig entzogen ist. Auch dies wäre bei der Auslegung der einfachgesetzlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. 13

1. Die pädagogische Freiheit als Grundrecht der Lehrer In der einschlägigen Literatur hat es seit der Mitte der sechziger Jahre immer wieder Versuche gegeben, ein Grundrecht auf pädagogische Freiheit aus dem Grundgesetz herzuleiten. Ausgangspunkt der Argumentation war die Feststellung, dass die Lehrer nach den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft einen gewissen Spielraum für ihre Tätigkeit benötigen. Dieser Spielraum werde jedoch insbesondere durch die Schulaufsichtsbehörden gefährdet, die den Lehrern durch eine unübersehbare Vielzahl von Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen teilweise sehr konkrete Vorgaben für ihre Tätigkeit machen konnten und auch tatsächlich gemacht haben. Nachdem es in vielen Ländern noch keine systematische Kodifikation des Schulrechts gab und weil die Stellung der Lehrer auch in den wenigen vorhandenen Regelwerken allenfalls eine untergeordnete Rolle spielte, schien das Verfassungsrecht die einzige Grundlage für ein Recht auf pädagogi-

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Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in zwei Entscheidungen ausdrücklich betont, dass den Lehrern ein Mindestmaß an „pädagogischer Freiheit" verbleiben müsse (.BVerfGE 47, S. 46,83; BVerfGE 58, S. 257,271). Entgegen einer weit verbreiteten Ansicht (vgl. statt vieler A venariusfWzckeX, Tz. 19.41; Niehues, Schulrecht, Rn. 516), kann daraus aber nicht geschlossen werden, dass es sich hierbei um ein Verfassungsprinzip handelt. Schließlich hat das Gericht völlig offen gelassen, aus welchen Bestimmungen des Grundgesetzes sich dieser Grundsatz ergeben soll. Es konnte das ohne weiteres tun, weil es sich bei seinen Ausführungen ohnehin um obiter dicta handelte.

D. Das Innenverhältnis

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sehe Freiheit zu sein, das die Lehrer in die Lage versetzt hätte, sich gegen eine übermäßige Gängelung durch die Schulaufsichtsbehörden zur Wehr zu setzen. Eine bloße institutionelle Garantie der pädagogischen Freiheit schien insofern nicht auszureichen, da die Lehrer in diesem Fall keine Möglichkeit haben, ihre Vorgesetzten von sich aus zur Beachtung dieser Vorgabe zu zwingen. 14

Im Mittelpunkt der Diskussion stand dabei die Frage, ob und inwieweit sich auch die Lehrer auf die Lehrfreiheit des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen können [b)]. Daneben findet sich auch die These, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit um einen der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG handeln soll [c)].

a) Zur Geltung der Grundrechte für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Bevor näher darauf eingegangen werden kann, ob sich aus diesen Verfassungsbestimmungen tatsächlich ein Recht auf pädagogische Freiheit herleiten lässt, stellt sich allerdings zunächst die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen sich die Lehrer im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit überhaupt auf die Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen berufen können: Dass dies trotz des umfassenden Geltungsanspruch der Grundrechte keineswegs selbstverständlich ist, wird schnell deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass auch die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer - obwohl sie eine persönliche Beziehung zu den Schülern voraussetzt - ohne jeden Zweifel Ausübung von Staatsgewalt darstellt. aa) Zur Geltung der Grundrechte für die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes Spätestens hier wird deutlich, dass sich die Beziehungen zwischen dem Staat und den bei ihm beschäftigten Personen grundlegend von dem allgemeinen Verhältnis zwischen Staat und Bürgern unterscheiden: Schließlich ist es dem Staat überhaupt nur dann möglich, die ihm durch die Verfassung vorgegebenen Ziele zu

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Schließlich zeichnet sich eine institutionelle Garantie gerade dadurch aus, dass sie kein subjektives und damit justitiables Recht begründet, vgl. dazu schon C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 ff. Besonders deutlich wird dies bei der kommunalen Selbstverwaltung im Sinne von Art. 28 Abs. 2 GG: Gerade weil diese Bestimmung nur eine institutionelle Garantie aber kein Grundrecht begründet (so statt vieler Dreier-ders., Art. 28 GG, Rn. 81), hat der Verfassungsgeber den Kommunen in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4b GG die Möglichkeit zur kommunalen Verfassungsbeschwerde eröffnet.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

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erreichen, wenn die abstrakten Vorgaben des Gesetzgebers und der Regierung durch die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes i n die Tat umgesetzt werden. Er ist daher ebenso wie ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen darauf angewiesen, dass seine Beschäftigten die ihnen zugewiesenen Aufgaben erledigen. Dies wäre aber kaum zu gewährleisten, wenn sich die Beamten ihrerseits auch i n Bezug auf ihre dienstliche Tätigkeit i n vollem Umfang auf die Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen berufen könnten. Dabei ist zu beachten, dass sich der Staat seiner umfassenden Bindung an die Grundrechte nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht"entziehen darf. 15 Daher kann der jeweilige Dienstherr auch die von ihm beschäftigten Arbeiter und Angestellten keinen weiter gehenden Bindungen unterwerfen, als ihm das bei Beamten möglich wäre. 16 Angesichts dieses offensichtlichen Spannungsverhältnisses kann es kaum erstaunen, wenn sich die insbesondere von Otto Mayer und Paul Laband i m 19. Jahrhundert entwickelte Lehre v o m Beamtenverhältnis als „besonderem Gewaltverhältnis" bis in die Zeit nach dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes behauptet hat. 1 7 Zwar lässt sich die These, dass die Grundrechte und der Vorbehalt des Gesetzes i m Beamtenverhältnis nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt gelten, kaum mit dem umfassenden Geltungsanspruch der Grundrechte vereinbaren. Dennoch findet sich in der einschlägigen staatsrechtlichen Literatur bis heute die These, dass das „besondere Gewaltverhältnis" auch unter der Geltung des Grundgesetzes unverzichtbar sei. 1 8 15

Dies verkennt z.B. Ule, Öffentlicher Dienst, S. 537, 619 f., der ohne weiteres davon ausgeht, dass sich die Angestellten des öffentlichen Dienstes gegenüber ihrem Arbeitgeber nicht auf die Grundrechte berufen können. 16 Allerdings unterscheiden sich die Möglichkeiten, die Grundrechte geltend zu machen, da die Angestellten auf den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten verwiesen sind. 17 Grundlegend dazu Mayer, 1. Auflage, Band 1, S. 101 f. und in der 3. Auflage, Band 1, S. 101; Laband, 1. Auflage, S. 387 und in der 5. Auflage, S. 432 ff.; besonders deutlich auch Thoma, Juristische Bedeutung, S. 1, 24; vgl. auch Anschütz, WRV, Art. 130 WRV, Anm. 1, S. 604; C. Schmitt, Verfassungslehre, S. 181 f.; sowie aus dem Schrifttum nach 1949 vor allem von Mangoldt, S. 37, sowie Krüger, VVdStRL (15) 1957, S. 109, 112, der feststellt, dass die Ursprünglichkeit des Zweckes und die Unmittelbarkeit der Gewalt im besonderen Gewaltverhältnis weder durch Gesetze noch durch Grundrechte noch durch Rechtsschutz gebrochen oder vermittelt sei. Nur hier existiere daher noch die Staatsgewalt in ursprünglicher Kraft. Diese These steht in einem auffallenden Widerspruch zu früheren Ausführungen Krügers in seinem Beitrag zur Festschrift für Rudolf Smend: Dort hatte er noch betont, dass der Rückgriff auf ein besonderes Gewaltverhältnis angesichts des umfassenden Geltungsanspruchs der Grundrechte unvertretbar sei, vgl. Krüger, FS Smend, S. 211, 231. 18

So ausdrücklich Stern, Staatsrecht I I I / l , S. 1379 ff., der sogar behauptet, dass diese These „unstreitig" sei; ähnlich auch von Münch/Kunig-vo« Münch, Vorb. Artt. 1-19 GG,

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D. Das Innenverhältnis

Eine nähere Betrachtung macht jedoch deutlich, dass sich der Konflikt zwischen den legitimen Interessen des Staates und den Grundrechten der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auch ohne den Rückgriff auf ein solches, wie auch immer zu begründendes „besonderes Gewaltverhältnis" auflösen lässt, wenn man die einschlägigen Bestimmungen des Grundgesetzes nach den Regeln der Verfassungsinterpretation auslegt: Insofern ist zunächst zu beachten, dass trotz der vom Bundesverfassungsgericht vertretenen sehr weiten Auslegung 19 keineswegs jedes beliebige menschliche Verhalten durch die Grundrechte geschützt ist. Vielmehr beziehen sich diese Rechte grundsätzlich nur auf das Verhältnis zwischen den Bürgern und dem Staat und seinen Organen. Zwar entfalten sie darüber hinaus unter bestimmten Umständen auch mittelbare Wirkungen für das Verhältnis zwischen Privaten. Der Staat selbst kann hingegen grundsätzlich nicht Träger von Grundrechten sein. Dies betrifft aber nicht nur den Staat als abstraktes Gebilde und auch nicht nur diejenigen Institutionen, deren er sich bedient, um die ihm zugewiesenen Aufgaben erfüllen zu können, sondern auch die dienstliche Tätigkeit der Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes. Weil die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes hier nicht als Bürger, sondern als Organe des Staates handeln, fällt ihre Tätigkeit grundsätzlich nicht in den Schutzbereich der Grundrechte. 20 Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nicht als Ausübung von Grundrechten angesehen werden kann. Rn. 59/61 \ Ronellenfitsch, DÖV 1981, S. 933 ff.; ders. DÖV 1984, S. 711 ff.; vgl. auch Ule, Öffentlicher Dienst, S. 537,615 ff., der sich vor allem auf Art. 33 Abs. 5 GG stützt: Zu den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" gehören nach seiner Auffassung auch die hergebrachten Grundrechtsbeschränkungen; in diesem Sinne auch Schnellenbach, Rn. 210. Ausführlich zur Diskussion über die Einschränkbarkeit von Grundrechten Hemmrich, S. 53 ff. Gegen die Lehre vom „besonderen Gewaltverhältnis" haben sich vor allem Rottmann, Beamte, S. 226 ff.; ders., ZBR 1983, S. 77 ff., und Kutscha, KJ 1985, S. 43 ff., ausgesprochen. 19 20

Vgl. insofern insbesondere BVerfGE

80, S. 137.

In diesem Sinne auch Bull, Rn. 767; Isensee, HdBVerfR, Rn. 81; Stein/Roell S. 41; vgl. auch Loschelder, Sonderbindung, S. 279 ff.; der allerdings zu weit geht, wenn er diese Sonderbindung auch auf das Schul Verhältnis oder gar die Anstaltsbenutzung ausdehnen will. Entscheidend ist, dass die Beschäftigen des öffentlichen Dienstes selbst Teile des Verwaltungsapparates sind. Interessanterweise hatte Bachof FS Laforet, S. 285,299, schon daraufhingewiesen, dass der angewiesene Beamte zugleich als Person und als Amtswalter angesprochen sein kann.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

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Obwohl damit in der Tat ein besonderes Verhältnis zwischen dem Staat und seinen Beschäftigten besteht, sollte der Begriff des „besonderen Gewaltverhältnisses" vermieden werden, da dieser Begriff suggeriert, dass die Rechte der Beamten, Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes zumindest in gewissen Grenzen zur Disposition des jeweiligen Dienstherren stehen. Tatsächlich ist dies jedoch nicht oder allenfalls insofern der Fall, als der Dienstherr die dienstlichen Aufgaben seiner Beschäftigten und damit denjenigen Bereich ihres Verhaltens festlegt, der nicht in den Schutzbereich der Grundrechte fällt. Dabei ist er jedoch keineswegs völlig frei. Vielmehr muss er sich gerade wegen seiner Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte darauf beschränken, den Beschäftigten nur solche Aufgaben und Pflichten zuzuweisen, die für die Erfüllung des ihnen zugewiesenen Amtes erforderlich sind. 21 Auch der von Wolfgang Loschelder geprägte Begriff der „öffentlich-rechtlichen Sonderbindung" kann letztendlich nicht überzeugen, weil Loschelder diesen Begriff unterschiedslos auf alle „Eingliederungsverhältnisse" anwendet, in denen die Betroffenen auf irgendeine Art und Weise in einen administrativen Ablauf eingebunden sind. 22 Tatsächlich unterscheidet sich die Stellung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes aber grundsätzlich von derjenigen der Schüler oder Strafgefangenen, die dem Staat ohne Zweifel als Bürger und damit als Träger von Grundrechten gegenüber treten. W i e so oft, so gilt auch dieser Grundsatz allerdings nicht ausnahmslos, da einige Grundrechte speziell die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes bzw. deren Rechtsstellung betreffen. Besonders deutlich w i r d dies bei Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG, nach dem kein Lehrer gegen seinen W i l l e n Religionsunterricht erteilen muss, oder auch bei Art. 97 Abs. 1 GG, der die Unabhängigkeit der Richter schützt. A u c h die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre i m Sinne von Art. 5 Abs. 3 G G bezieht sich vor allem auf die Tätigkeit von Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. 2 3 I n diesem Zusammenhang ist schließlich Art. 33 G G zu erwähnen, aus dessen Abs. 2 sich nicht nur ein Anspruch auf gleichberechtigten Zugang zu öffentlichen Ämtern ergibt, sondern auch eine Vorgabe für den Aufstieg innerhalb des öffentlichen Dienstes. Darüber hinaus können die einzelnen Beamten aufgrund von Art. 33 Abs. 5 G G verlangen, dass die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums bei der konkreten Ausgestaltung des Beamten Verhältnisses berücksichtigt werden.

21 Dass der Gesetzgeber das Recht hat, in gewissen Grenzen über die Reichweite der Grundrechte zu disponieren, ist keineswegs ungewöhnlich. Zu denken ist insofern etwa an das Recht, den Inhalt der Eigentumsrechte festzulegen aber auch an die Befugnis, im Rahmen des Art. 19 Abs. 3 GG über die Geltung der Grundrechte für juristische Personen zu entscheiden, vgl. dazu Rux, ZAR 1999, S. 217, 220. 22

Vgl. dazu Loschelder, HdBStR § 123, Rn. 6 ff. und 17 ff., und ausführlicher ders., Sonderbindung, passim. 23

In diesem Sinne auch schon Richter, RdJB 1979, S. 250, 253.

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D. Das Innenverhältnis

bb) Zur Geltung der Grundrechte für das außerdienstliche Verhalten und das Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung Im Ergebnis ist die Rechtsstellung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bezug auf ihre dienstliche Tätigkeit mit derjenigen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und privatrechtlich organisierter Hoheitsträger vergleichbar: 24 Auch diesen hat das Bundesverfassungsgericht den Schutz durch die Grundrechte mit wenigen Ausnahmen verweigert. 25 Während die juristischen Personen des öffentlichen Rechts jedoch grundsätzlich nur eine einzige Funktion haben, nämlich die ihnen zugewiesene öffentliche Aufgabe zu erfüllen, muss bei den einzelnen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes strikt zwischen der dienstlichen Tätigkeit und ihrem außerdienstlichen Verhalten unterschieden werden: Da die Betroffenen hier nicht als Amtswalter, sondern als Privatpersonen handeln, haben sie grundsätzlich dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen Bürger auch. Das außerdienstliche Verhalten wird daher selbstverständlich umfassend durch die Grundrechte geschützt.26 Diese Differenzierung ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil die Beamten, Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes ihre Persönlichkeit nicht mit Dienstbeginn an der Garderobe abgeben und zu reinen Amtsausübungsautomaten mutieren. Daher muss ihre eigentliche dienstlichen Tätigkeit, die keine Grundrechtsausübung darstellt, von ihrem Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung abgegrenzt werden. Denn in Bezug auf dieses Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung können sich die Beschäftigten grundsätzlich auf den Schutz durch die Grundrechte berufen. Es liegt auf der Hand, dass hier ein ganz erhebliches Konfliktpotential besteht: Zum einen kann es im Einzelfall äußerst schwierig sein, die eigentliche dienstliche Tätigkeit trennscharf vom Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung zu un24

Wobei zu beachten ist, dass dies bei gemischtwirtschaftlichen Unternehmen zu erheblichen Schwierigkeiten führen muss, die dann noch verstärkt werden, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts in einen privatrechtlich organisierten und privatwirtschaftlich tätigen Konzern eingebunden wird, vgl. dazu statt vieler Dreier-ders. Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 49, m.w.N. Auf dieses Problem kann und soll hier aber nicht näher eingegangen werden. 25

Vgl. àazxxBVerfGE2\, S. 362,372 f.; BVerfGE39, S. 302,312 f.; BVerfGE 45, S. 63, 78 ff.; BVerfGE 62, S. 354, 369; BVerfGE 68, S. 193,206; BVerfGE 75, S. 192,196 f. Aus der Literatur statt vieler Dreier-ders., Art. 19 Abs. 3 GG, Rn. 38 ff., m.w.N. 26

Auf den ersten Blick scheint der Gesetzgeber damit über die Geltung der Grundrechte für seine Beschäftigen disponieren zu können, indem er ihren Aufgabenbereich weit oder eng definiert. Daher dürfen die dienstlichen Pflichten der Beamten nicht weiter ausgedehnt werden, als es zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben unbedingt erforderlich ist.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

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terscheiden. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Betroffene im Rahmen seiner Tätigkeit in unmittelbaren Kontakt zu Bürgern kommt. Denn in diesem Fall besteht immer die Möglichkeit, dass sein an sich privates Verhalten doch dem Staat zugerechnet wird. Zum anderen ist es durchaus vorstellbar, dass das nicht-dienstliche Verhalten eines Angehörigen des öffentlichen Dienstes seine dienstliche Tätigkeit (negativ) beeinflusst. 27 Den Befürwortern eines „besonderen Gewaltverhältnisses" geht es letztendlich vor allem darum, dieses Konfliktpotential zu beseitigen, indem sie aus der dienstrechtlichen Stellung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes eine besondere Pflichtenstellung und damit eine Rechtfertigung für Eingriffe in die Grundrechte ableiten. Eine nähere Betrachtung macht allerdings schnell deutlich, dass es nicht erforderlich ist, ein solches „besonderes Gewaltverhältnis" zu konstruieren: Zunächst ist zu beachten, dass die allermeisten Grundrechte ohnehin unter einem Gesetzesvorbehalt stehen und daher unter anderem durch die Bestimmungen des öffentlichen Dienstrechts eingeschränkt werden können. Die einzige Besonderheit besteht insofern darin, dass im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Grundrechtseingriffs auch das legitime Interesse an der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt werden kann - und berücksichtigt werden muss.28 Daher ist es insbesondere zulässig, wenn auch das ausserdienstliche Verhalten eines Beamten der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden muss, die sein Beruf erfordert. 29 Auch spricht grundsätzlich nichts dagegen, wenn die Beamten dazu verpflichtet werden, sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Einhaltung einzutreten. 30 Größere Schwierigkeiten ergeben sich daher nur dann, wenn ein bestimmtes (unerwünschtes) Verhalten des betreffenden Beamten oder Angestellten durch ein vorbehaltloses Grundrecht geschützt wird oder wenn die in der Verfassung festgeschriebenen Möglichkeiten, die Grundrechtsausübung zu beschränken, nicht ausreichen, um die betreffenden Verhaltensweisen zu unterbinden.

27

Besonders deutlich wird dies bei gesundheitsgefährdenden Handlungen, aber auch dann, wenn ein Beschäftigter des öffentlichen Dienstes mit seiner Amtsbezeichnung für politische, religiöse oder kommerzielle Anliegen wirbt und damit zumindest den Eindruck entstehen lässt, dass er sein Amt nicht wirklich unparteiisch ausübt. 28

Vgl. in diesem Sinne auch schon Müller, RdJB 1977, S. 30, 34 f., zur Beschränkung der Meinungsfreiheit. 29

Vgl. §§ 36 S. 3 BRRG, 73 S. 3 BW-LBG.

30

Vgl. §§ 35 Abs. 1 S. 3 BRRG, 70 Abs. 2 BW-LBG.

D. Das Innenverhältnis

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Insofern ist es in den letzten Jahren vor allem dann zu Konflikten gekommen, wenn sich Angehörige des öffentlichen Dienstes im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit gemäß den Geboten ihres Glaubens verhalten wollten. 31 W i e schon i m Zusammenhang mit der Reichweite der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 G G dargelegt wurde, überzeugt der Versuch des Bundesverfassungsgerichtes, solche Konflikte durch den Rückgriff auf so genannte „verfassungsimmanente Schranken" der Grundrechte aufzulösen, schon deshalb nicht, w e i l sie die besondere Stellung der vorbehaltlosen Grundrechte nicht hinreichend berücksichtigt. 3 2 Darüber hinaus und vor allem ist es jedoch überhaupt nicht erforderlich, auf diesen letzten Notanker des Verfassungsrechts zurückzugreifen, da in der Regel schon der Schutzbereich der Grundrechte nicht eröffnet ist. Schließlich vermitteln gerade die vorbehaltlosen Grundrechte den Bürgern keine Leistungsansprüche, sondern lediglich das Recht, Eingriffe durch den Staat und seine Organe abzuwehren. So ergibt sich etwa aus der Bekenntnisfreiheit kein Anspruch darauf, dass sich der Staat bestimmte religiöse oder weltanschauliche Vorstellungen zu Eigen macht oder sich auch nur mit diesen identifizieren lässt. Sofern es den betroffenen Beschäftigten daher darum geht, durch ihr Verhalten für ihre religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen zu werben, kann und muss der Staat ihnen dieselbe Pflicht zur Zurückhaltung auferlegen, die ihn selbst trifft. 33 Werden die Aus- bzw. Außenwirkungen des betreffenden Verhaltens hingegen durch die besondere dienstliche Stellung der Betroffenen nicht verstärkt, dann besteht auch kein Bedürfnis für eine Beschränkung der Grundrechtsausübung und der Dienstherr kann und muss seine Beschäftigten gewähren lassen.34 Dabei ist zu beachten, dass ein bestimmtes religiös-motiviertes Verhalten für sich genommen noch keine Glau-

31

Vgl. zu diesem Problemfeld VGH Mannheim, Entscheidung vom 26.6.01 (4 S 1439/00), mit Besprechung durch Rux, DVB1.2001, S. 1542 ff., m.w.N.; sowie schon Rux, Der Staat 1996, S. 523 ff. 32

Vgl. oben unter C.II.l.b.bb.

33

Dabei ist zu beachten, dass die Neutralitätspflicht des Staates auch und insbesondere im Bereich des Bildungswesens durchbrochen ist. Gerade dann, wenn der Staat das Schulwesen durch die Einführung „christlicher Gemeinschaftsschulen" für religiöse Bezüge öffnet, kann er von den Lehrern an diesen Schulen nicht verlangen, dass sie selbst ihre religiösen Überzeugungen verbergen. Auf diese Frage kann und soll hier aber nicht näher eingegangen werden, vgl. dazu die Anmerkung von Rux zur Entscheidung des VGH Mannheim vom 26.6.01 (Az.: 4 S 1439/00 - „Ludin"), DVB1. 2001, S. 1542 ff. 34

Zum selben Ergebnis kommt man auch dann, wenn man es grundsätzlich für möglich hält, Eingriffe in vorbehaltlos gewährte Grundrechte unter Berufung auf deren „verfassungsimmanente Schranken" zu rechtfertigen. Denn zu diesen Schranken gehört auch das Bedürfnis, die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes aufrecht zu erhalten.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

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benswerbung darstellt - und zwar selbst dann nicht, wenn die religiöse Motivation offensichtlich ist oder wenn es sich um besonders auffällige Verhaltensweisen handelt. 35

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unabhängig von ihrem Status als Beamte oder Angestellte in Bezug auf ihr Verhalten bei Gelegenheit oder außerhalb ihrer dienstlichen Tätigkeit auf die Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen berufen können.36 Ihr dienstliches Verhalten selbst fällt hingegen grundsätzlich nicht in den Schutzbereich dieser Grundrechte. Um festzustellen, ob und inwiefern das Verhalten eines bestimmten Beschäftigten des öffentlichen Dienstes durch die Grundrechte geschützt ist, muss man daher zunächst seine dienstliche Tätigkeit von seinem außerdienstlichen Verhalten und seinem Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung abgrenzen. Dabei muss in jedem Einzelfall festgestellt werden, ob und inwieweit die Person des Amtsträgers hinter dem Amt zurücktreten muss.37 In einem zweiten Schritt ist dann zu prüfen, ob diese dienstliche Tätigkeit durch eines derjenigen Grundrechte geschützt wird, die auch oder ausschließlich die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes betreffen. Erst ganz zuletzt stellt sich dann die Frage, ob und inwiefern es gerechtfertigt ist, ihm Vorgaben für sein außerdienstliches Verhalten zu machen.

35

Dies indiziert vielmehr in der Regel, dass es sich um den Angehörigen einer religiösen Minderheit handelt - sonst wäre das betreffende Verhalten ja nicht so auffällig. Die Grundrechte dienen aber auch und gerade dem Schutz solcher Minderheiten. 36 Vgl. dazu statt vieler Hesse, Rn. 321 ff.; Loschelder, HdBStR § 123, Rn. 1 ff.; Maurer, § 8, Rn. 28 ff. 37 Richtigerweise kommt es insofern vor allem auf die Intensität an, mit der der betreffenden Amtsträger in die Rechte der Bürger eingreift bzw. eingreifen kann. Im Ergebnis überzeugt daher die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, das etwa festgestellt hat, dass Richter zum Tragen einer Amtstracht verpflichtet werden können. Dies entspricht nicht nur einer langen Tradition, sondern zeigt vor allem, dass der Richter hier den Staat verkörpert; vgl. BVerwGE 66, S. 222. Aus heutiger Sicht nicht mehr ganz überzeugend erscheint demgegenüber die Entscheidung in BVerwGE 84, S. 287, da es zumindest zweifelhaft erscheint, ob einem Zollbeamten immer noch das Tragen eines Ohrsteckers untersagt werden dürfte.

D. Das Innenverhältnis

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cc) Zur Geltung der Grundrechte für die Lehrer an öffentlichen Schulen Wendet man diese Grundsätze nun auf die Lehrer an öffentlichen Schulen an, so ist zunächst zu beachten, dass diese ihren Schülern nicht nur bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten vermitteln müssen, sondern darüber hinaus auch die Aufgabe haben, sie zu erziehen. 38 Diese Erziehungsaufgabe können sie aber nur durch ihr eigenes vorbildhaftes Verhalten und dadurch erfüllen, dass sie eine möglichst enge persönliche Beziehung zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen aufbauen. Daher lässt sich die dienstliche Tätigkeit der Lehrer nicht von ihrem Verhalten bei Gelegenheit der Dienstausübung unterscheiden. Damit kommt man zu dem angesichts der bisherigen Ausführungen durchaus überraschenden und zumindest auf den ersten Blick geradezu paradox erscheinenden, dennoch aber zwingenden Ergebnis, dass das gesamte Verhalten der Lehrer im Zusammensein mit ihren Schülern grundsätzlich nicht vom Schutzbereich der Grundrechte erfasst wird: 39 Gerade weil sich ihre Tätigkeit nicht darin erschöpft, Rechts- und Verfahrensvorschriften zu befolgen und damit weit über die bloße Rechtsanwendung hinaus reicht, sind sie im Unterricht, bei der Aufsicht in den Pausen und bei außerunterrichtlichen Veranstaltungen immer „im Dienst". Als erstes Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass die pädagogische Freiheit der Lehrer unter keinen Umständen aus der grundgesetzlich verbürgten Berufsfreiheit und auch nicht aus der Meinungsfreiheit abgeleitet werden kann. Wenn überhaupt, dann könnte sich diese Freiheit aus einem derjenigen Grundrechte ergeben, die auch die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentli38

Tatsächlich kommt der Erziehungsaufgabe der Lehrer eine immer größere Bedeutung zu; vgl. dazu etwa die „Gemeinsame Erklärung der Kultusministerkonferenz und der Lehrergewerkschaften - , Aufgaben von Lehrerinnen und Lehren heute - Fachleute für das Lernen 4 " vom 5. Oktober 2000. 39 So im Ergebnis, allerdings ohne Begründung auch Richter, RdJB 1979, S. 250,253, Stein/Roell S. 41. Auch Häußler, ZAR 1999, S. 32,34, scheint davon auszugehen, dass die Grundrechte nicht unmittelbar anwendbar sind, wenn er den (von ihm nicht näher begründeten) Grundsatz der pädagogischen Freiheit als Rechtfertigung dafür heranzieht, dass sich eine Lehrerin im Unterricht den Geboten ihres Glaubens entsprechend verhalten darf. Wären die Grundrechte anwendbar, dann müsste man hier aber vor allem auf die Bekenntnisfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG abstellen.

Avenarius/Heckel, Tz. 19.11, geht demgegenüber ganz selbstverständlich davon aus, dass sich die Lehrer auch für ihre dienstliche Tätigkeit auf die Grundrechte berufen können. Er geht dann allerdings ausschließlich auf ihr außerdienstliches Verhalten ein. Auch Thiel, S. 218 f., meint, dass die Lehrer nur gewisse Einschränkungen der Grundrechte hinnehmen müssten - obwohl er selbst zunächst daraufhingewiesen hat, dass die Lehrer im Unterricht gerade Repräsentant des Staates sind, und sich daher nicht auf das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit berufen können.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

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chen Dienstes erfassen: 40 Zwar findet sich in der Verfassung außerhalb des bereits erwähnten Art. 7 Abs. 3 S. 3 GG keine ausdrückliche Bestimmung über die Rechtsstellung der Lehrer, und auch die Landesverfassungen schweigen sich insofern weitgehend aus.41 Die Tätigkeit der Lehrer könnte jedoch möglicherweise als „Lehre" im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG anzusehen sein [b)]. Zu beachten ist weiterhin, dass bei der konkreten Ausgestaltung des öffentlichen Dienstrechts gemäß Art. 33 Abs. 5 GG die „hergebrachten Grundsätze" des Berufsbeamtentums beachtet werden müssen - da den Lehrern aber jedenfalls seit der Weimarer Republik die Rechte und Pflichten der Staatsbeamten zukommen,42 erscheint es zumindest nicht ausgeschlossen, dass auch die pädagogische Freiheit mittlerweile zu einem von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Grundsatz geworden ist [c)]. b) Die pädagogische Freiheit als Fall der Lehrfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG Damit sich die Lehrer auf die Lehrfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen können, müsste es sich bei ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit um „Lehre" im Sinne dieser Verfassungsbestimmung handeln.

aa) Die Lehrfreiheit als Grundrecht der Hochschullehrer In den ersten Jahren nach dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes war es allerdings völlig unbestritten, dass sich die Lehrfreiheit im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich auf die wissenschaftliche Lehre und damit in erster Linie auf die Tätigkeit der Hochschullehrer beziehen soll. 43 Der erste und scheinbar einzige Versuch, diese extrem restriktive Auslegung zu begründen, 44 findet sich in einer frühen Entscheidung des OVG Lüneburg, auf die 40 Diese Möglichkeit verkennt etwa Roe Hecke, DÖV 1976, S. 515, 516 f.; dagegen Richter, RdJB 1979, S. 250, 253 (Fn. 45). 41 Die Artt. 19 BW-V und 15 NRW-V beziehen sich auf die (Aus-)Bildung der Lehrer, die Artt. 133 Abs. 2 BayV und 36 RP-V auf ihren Status als Beamte. 42

Vgl. schon Art. 143 Abs. 3 WRV.

43

Vgl. dazu die folgende Fußnote und die umfassenden Nachweise bei Stock, Freiheit, S. 65, Rn. 1. 44

In der Regel beschränkte man sich auf den Hinweis auf die Kommentierung des Art. 5 GG durch Hermann von Mangoldt, S. 67 f.; vgl. Gerber, DVB1.1954, S. 313; Meckel, ZBR 1957, S. 217; ders., Schulrechtskunde 1, S. 168; von Mangoldt/tf/em, Art. 5 GG, Anm. X.5.c; Köttgen, S. 291, 299 f.; vgl. auch Ridder, S. 243, 250, Anm. 25. Zwar war von Mangoldt maßgeblich an den Beratungen beteiligt gewesen und konnte von daher als Autorität für die Auslegung des Grundgesetzes gelten - das ändert aber nichts

D. Das Innen Verhältnis

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in der einschlägigen Literatur regelmäßig Bezug genommen wurde: Der Verfassunggeber habe die Freiheit der Lehre in einem Atemzug mit derjenigen der Forschung, der Kunst und der Wissenschaft genannt. Daraus ergebe sich, dass mit dem vorbehaltlosen Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ausschließlich der besonderen geistigen Verantwortlichkeit des Hochschullehrers Rechnung getragen werden solle.45 Tatsächlich ist es aufgrund des engen Zusammenhangs von Wissenschaft, Forschung und Lehre unbestreitbar, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch und vor allem die Tätigkeit der Hochschullehrer schützt. Das ändert jedoch nichts daran, dass diese Verfassungsbestimmung keine ausdrückliche Beschränkung auf die Lehre an wissenschaftlichen Hochschulen enthält. Daher spricht grundsätzlich nichts dagegen, den Anwendungsbereich dieser Verfassungsbestimmung auch auf Personen auszudehnen, die außerhalb solcher Hochschulen in der Lehre tätig sind.

bb) Die Lehrfreiheit als untrennbarer Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit Seit den sechziger Jahren hat sich dementsprechend allmählich die Auffassung durchgesetzt, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG grundsätzlich jede wissenschaftliche Betätigung schütze.46 Die Begriffe „Wissenschaft, Forschung und Lehre" sollen eine Einheit bilden, wobei die „Wissenschaft" der Oberbegriff für „Forschung und Lehre" sei.47 Führt man diese Argumentation konsequent zu Ende, dann zeigt sich auf der einen Seite, dass die Lehrfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nur die Vermittlung eigener wissenschaftlicher Erkenntnisse schützen kann. 48 Die bloße daran, dass er sich im Rahmen seiner Kommentierung auf eine apodiktische Feststellung beschränkt hat, die eine Begründung nicht ersetzen kann. 45

OVG Lüneburg, OVGE 3, S. 138, 144.

46

Vgl. BVerfGE 15, S. 256, 263 f.; BVerfGE 90, S. 1, 11; zusammenfassend SachsBethge, Art. 5 GG Rn. 205 ff. m.w.N. Schon Röttgen, S. 291, 292 hatte festgestellt, dass „Lehre" nicht allein „akademische Lehre" sei. 47

Vgl. etwa Sachs-Bethge, Art. 5 GG, Rn. 182 ff. bzw. 200 ff. oder Maunz/DürigScholz, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 16 ff. bzw. 81 ff., Thiel, S. 215; oder auch schon Röttgen, S. 290, 295 f., der meint, dass es außerhalb von Forschung und Lehre keine Wissenschaft gebe. 48 Besonders deutlich in diesem Sinne Maunz/Dürig-Sc/iö/z, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 103 f. Erstaunlicherweise hat Thiele, S. 209, vor kurzem unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Scholz die Ansicht vertreten, dass den Lehrern nicht vorgeworfen werden könne, keine Wissenschaft zu treiben, wenn damit die „planmäßige, ernsthafte und geordnete Streben nach Wahrheit" gemeint sei. Damit wird der Schutzbereich der Wissenschaftsfreiheit aber völlig uferlos. Dies hat auch Laaser, S. 20, übersehen, der

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

89

Wiedergabe der Forschungsergebnisse anderer ist hingegen keine „Lehre" i n diesem Sinne, da sie keinen unmittelbaren Bezug zur Wissenschaft hat. 4 9 Nur dann, wenn man Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in diesem Sinne auslegt, können Hochschullehrer gegebenenfalls dazu verpflichtet werden, Lehrveranstaltungen anzubieten, obwohl sie selbst in dem betreffenden Bereich nicht forschen. 50 A u f der anderen Seite kann der Schutzbereich der Lehrfreiheit bei dieser Auslegung des Begriffes „Lehre" aber nicht auf die Lehre an den Hochschulen beschränkt werden. Grundsätzlich können sich daher auch die Lehrer an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen auf dieses Grundrecht berufen. Allerdings setzt dies voraus, dass sie den jeweiligen Adressaten die Ergebnisse ihrer eigenen Forschungstätigkeit vermitteln wollen. Da die Schulen jedoch - jedenfalls nach der geltenden Rechtslage - nicht der Forschung dienen, gehört eine eventuelle Forschungstätigkeit der Lehrer selbst dann nicht zu ihren Dienstaufgaben, wenn ein Zusammenhang mit demjenigen Fachgebiet besteht, das sie unterrichten. Art. 5 Abs. 3 S. 1 G G vermittelt den Lehrern bei dieser Auslegung somit keinen Anspruch darauf, dass ihnen ein Freiraum verbleibt, u m den Schülern die Ergebnisse ihrer (außerdienstlichen) Forschungstätigkeit zu präsentieren. Dabei wird vorausgesetzt, dass die derzeitige Ausgestaltung des Schulwesens ihrerseits mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist. Tatsächlich kommen die Schulen objektiv nicht als Stätten der Forschung in Frage. Dies gilt insbesondere auch für die gymnasiale Oberstufe, obwohl den Schülern hier unter anderem die „Studierfähigkeit" vermittelt werden soll. Gegenstand des Unterrichts sind dennoch „nur" die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens bzw. der einzelnen Fachgebiete.

ebenfalls davon ausgeht, dass der Unterricht in der Schule „wissenschaftliche Lehre" darstellen kann. 49 Eine völlig trennscharfe Abgrenzung ist allerdings nicht möglich: Auch wenn in vielen Fakultäten mittlerweile die berufsspezifische Ausbildung der Studierenden im Vordergrund steht, sind die Universitäten immer noch vom Humboldt'sehen Ideal der Einheit von Forschung und Lehre geprägt. Dies führt zwar nicht dazu, das jeder Hochschullehrer ausschließlich das lehrt, worüber er gerade forscht. Aber die Lehre beschränkt sich in der Regel eben nicht nur auf die Wiedergabe vorgegebener Wissensportionen, sondern es handelt sich um eine eigene Leistung des jeweiligen Dozenten, der sich mit dem zu behandelnden Lehrstoff auseinander gesetzt haben muss und der den Studierenden daher auch im Rahmen von Einführungs- und Grundlagenveranstaltungen in der Regel die Ergebnisse der eigenen Forschungstätigkeit vermittelt. 50

Auf der anderen Seite darf die Lehrfreiheit aber auch nicht faktisch ausgehebelt werden, indem die Belastung mit Pflichtveranstaltungen so hoch angesetzt wird, dass die betroffenen Hochschullehrer keine Möglichkeit mehr haben, Lehrveranstaltungen zu ihrem jeweiligen Spezialgebiet anzubieten.

D. Das Innen Verhältnis

90

Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass sich Lehrer nach der heute wohl überwiegend vertretenen Auslegung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG in Bezug auf ihre dienstliche Tätigkeit nicht auf die Lehrfreiheit des Grundgesetzes berufen können.51 Entgegen einer vielfach vertretenen Ansicht ist dies allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass eine so extensiv verstandene Lehrfreiheit hinter der in Art. 7 Abs. 1 GG statuierten staatlichen Schulhoheit zurücktreten müsste.52 Vielmehr fällt der Unterricht an den Schulen schon nicht in den Schutzbereich dieses Grundrechts, sodass es keiner Rechtfertigung eines Grundrechtseingriffes durch (vermeintlich) konkurrierende Verfassungsbestimmungen bedarf. 53

cc) Die Lehrfreiheit als eigenständiges Grundrecht Wie schon dargelegt wurde, beruht die wohl überwiegend vertretene Ansicht zur Auslegung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auf der These, dass die Lehrfreiheit integraler Bestandteil der Wissenschaftsfreiheit und daher untrennbar mit der Freiheit der Forschung verbunden ist. Diese Auslegung ist allerdings nicht zwingend. Vielmehr könnte es sich bei der Lehrfreiheit auch um ein eigenständiges Grundrecht handeln, das in keinem untrennbaren Zusammenhang zur Freiheit der Forschung steht. In diesem Fall läge es aber durchaus nahe, auch die Lehrer an den allgemeinbildenden Schulen in den personalen Schutzbereich der Lehrfreiheit einzubeziehen. Tatsächlich hat Ingo von Münch bereits Mitte der sechziger Jahre daraufhingewiesen, dass der Wortlaut des Grundgesetzes keine Beschränkung auf die Lehre wissenschaftlicher Erkenntnisse erzwingt. 54 Besonders deutlich wird dies, wenn man Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG mit der entsprechenden Bestimmung der Weimarer Reichs Verfassung vergleicht: Denn nach Art. 142 S. 1 WRV waren ausdrücklich „... die Wissenschaft und ihre Lehre" frei. 51

In diesem Sinne Avenarius!Heckel,. S. 235; Sachs-Bethge, Art. 5 G, Rn. 212; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 261; ders., HdBStR § 135, Rn. 67; Richter, RdJB 1979, S. 250, 254; Maunz/Dürig-Sc/w/z, Art. 5 Abs. 3 GG, Rn. 107; unklar hingegen von Münch/Kunig-Wendt, Art. 5 GG, Rn. 103. 52

So aber von Münch, DVB1. 1964, S. 789, 792 f., und im Anschluss daran z.B. Avenarius!Heckel, a.a.O.; Heckel, ZBR 1965, S. 129, 130; ders., Schulrecht und Schulpolitik, S. 196; Oppermann, HdBStR § 135, Rn. 67; Starck, DÖV 1979, S. 269, 273 f.; vgl. auch Hemmrich, S. 102 f.; Müller, RdJB 1977, S. 30, 31 f. 53 Vgl. allgemein zur Problematik der Bestimmung des Schutzbereiches vorbehaltlos gewährter Grundrechte Pieroth/Schlink, Rn. 379. Beispielhaft zur Bestimmung der Reichweite des Art. 4 Abs. 1 und 2 GG innerhalb der Schule Rux, Der Staat 1996, S. 523, 526 ff. 54

von Münch, DVB1. 1964, S. 789, 792 f.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

91

Während Ingo von Münch es dennoch für ausgeschlossen hielt, die Lehrer an den öffentlichen Schulen in den Schutzbereich der Lehrfreiheit einzubeziehen, da es dem Staat in diesem Fall unmöglich wäre, der in Art. 7 Abs. 1 GG statuierten Aufsichtspflicht nachzukommen,55 sind Ilse Staff und Hartmut Perschel gegen Ende der sechziger Jahre mit unterschiedlichen Begründungen zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei der Lehrfreiheit um ein völlig eigenständiges Grundrecht handele, das auch die Tätigkeit der Lehrer schützt.56 Ilse Staff stellte zur Begründung für ihre Ansicht vor allem darauf ab, dass sich der Schulunterricht allenfalls graduell von der Lehre an Hochschulen unterscheide. 57 Dies gelte insbesondere für die gymnasiale Oberstufe. 58 Zwar kann dieser Befund kaum bezweifelt werden. Dennoch ist es nicht zwingend erforderlich, den Schutzbereich der Lehrfreiheit völlig unabhängig von dem der Forschungsfreiheit zu bestimmen und auch den Unterricht an den Schulen einzubeziehen. Denn dieser Konflikt lässt sich, wie im vorigen Abschnitt schon aufgezeigt wurde, ebenso gut dadurch auflösen, dass man nur die Vermittlung eigener Forschungsergebnisse in den Schutzbereich der Lehrfreiheit einbezieht. Spätestens hier wird deutlich, dass der Argumentation Staffs ein Zirkelschluss zugrunde liegt: Um zu begründen, dass Lehre und Forschung keine Einheit bilden, setzt sie nämlich voraus, dass die Lehre an den Hochschulen insgesamt durch die Lehrfreiheit geschützt wird. Dies wäre jedoch nur dann der Fall, wenn mit „Lehre" in diesem Sinne nicht nur die Vermittlung eigener Forschungsergebnisse ge-

55

von Münch, a.a.O.

56

Staff, DÖV 1969, S. 627 ff.; Perschel, DÖV 1970, S. 34 ff.; vgl. auch Clevinghaus, RdJB 1975, S. 25,26; sowie Roellecke, JZ 1969, S. 726 ff, der die Lehrfreiheit allerdings nur am Rande behandelt. In einem Redebeitrag auf der 27. Staatsrechtslehrertagung behauptete Roellecke, VVDStRL (27), S. 1969, S. 211, apodiktisch, dass Art. 5 Abs 3 S. 1 GG „selbstverständlich" auch für die Gymnasien gelten solle. Einige Jahre später betonte er hingegen, dass sich die Exekutionsmacht der Lehrer nicht mit „irgendwelchen Grundrechten" legitimieren lasse; Roellecke, DÖV 1976, S. 516 f. Ausführlich zur Diskussion bis zum Beginn der siebziger Jahre Stock, Freiheit, S. 65 ff. 57

Staff, DÖV 1969, S. 627, 630, argumentiert damit, dass dem Schulunterricht die Qualifikation als „Lehre" nicht deshalb bestritten werden könne, weil lediglich längst feststehende, nicht mehr zu überprüfende Sachverhalte gelehrt würden. Denn auf diese Weise werde auch der akademischen Lehre die Wissenschaftlichkeit abgesprochen. In diesem Sinne auch Clevinghaus, RdJB 1975, S. 25, 26. 58

In diesem Sinne auch Dietze, DVB1.1975, S. 389,398 f. Auch hieraufhatte schon von Münch, DVB1.1964, S. 789,792 f., hingewiesen; vgl. auch Becker, Merkur 1954, S. 1155, 1166 ff., der schon zehn Jahre zuvor aus einer eher erziehungs wissenschaftlichen Perspektive nicht zuletzt wegen der Gemeinsamkeiten eine Angleichung der Rechtsstellung der Lehrer an die der Hochschullehrer gefordert hatte.

D. Das Innenverhältnis

92

meint wäre, sondern der gesamte Prozess der Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden. 5 9 Aus demselben Grund können auch die Ausführungen von Ekkehard Beck nicht überzeugen, der Mitte der siebziger Jahre mit einer etwa anderen Begründung zu demselben Ergebnis wie Ilse Staff gekommen ist: 6 0 Zwar geht er auf der einen Seite mit der überwiegend vertretenen Ansicht davon aus, dass die Lehre Bestandteil der Wissenschaft ist und daher selbstverständlich nur die „wissenschaftliche Lehre" geschützt sein könne. Auf der anderen Seite betont Beck aber den kommunikativen Aspekt der Wissenschaft und kommt dementsprechend zu dem Ergebnis, dass auch der Unterricht an den Schulen in den Schutzbereich der Lehrfreiheit falle. 61 Würde man dieser extrem weiten Ansicht folgen, dann ließe sich der Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG jedoch letztendlich überhaupt nicht mehr eingrenzen. 62 A u c h Wolfgang Perschel ist der Auffassung, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 G G den „Vorgang des Lehrens umfassend schützt". 6 3 Zur Begründung stellt er in erster L i n i e auf die Entstehungsgeschichte des Art. 5 Abs. 3 S. 1 G G ab, die einer weiten Auslegung der Lehrfreiheit zumindest nicht entgegenstehe. 64 Tatsächlich ist der Redaktionsausschuss des Parlamentarischen Rates offensichtlich davon ausgegangen, dass auch die Lehrer grundsätzlich den Schutz der

59

Bei einem so weiten Verständnis der Lehrfreiheit würde die Funktionsfähigkeit der Schulen und Hochschulen grundsätzlich in Frage gestellt: Da die Lehrfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG nämlich nur durch die Pflicht zur Treue zur Verfassung beschränkt ist, wäre der Staat letztendlich daran gehindert, verbindliche Curricula vorzuschreiben. Der von Roellecke, JZ 1969, S. 726, 729, vorgeschlagene Ausweg, den konkreten Umfang der Lehrfreiheit nach Zweckmäßigkeitserwägungen in Bezug auf das Ausbildungsniveau zu bestimmen, kann nicht überzeugen, da Art. 5 Abs. 3 GG solche Beschränkung nicht ausdrücklich zulässt. 60

Beck, S. 23 ff., insbes. S. 61 ff.

61

Besonders deutlich wird dies durch die Ausführungen über die „Wissenschaftlichkeit" des Unterrichts in den unteren Klassenstufen: „Die Popularisierung des Stoffes ermöglicht [...] überhaupt erst die Vermittlung sachlicher Ergebnisse", Beck, S. 203. 62

Tatsächlich geht Beck, S. 172 ff., davon aus, dass die Lehrfreiheit doch den gesamten Prozess der Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden schützt. Er lässt offen, wie man zwischen der Lehre an den Hochschulen und dem Unterricht in den Schulen auf der einen Seite und jeder beliebigen anderen Form der Wissensvermittlung auf der anderen Seite unterscheiden soll. 63 64

Perschel DÖV 1970, S. 34, 37 f.

Perschel, DÖV 1970, S. 34,37 ff.; in diesem Sinne auch Beck, S. 9 ff.; Stock Freiheit, S. 67 ff., m.w.N.; vgl. dazu ansatzweise auch schon Staff \ DÖV 1969, S. 627, 628, die allerdings vor allem auf die Verfassungsberatungen von 1848 und 1919 abgestellt hatte.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

93

Lehrfreiheit genießen.65 Zumindest ist es wohl nur so zu erklären, warum der Ausschuss bis zuletzt an seiner Forderung festgehalten hat, die „Lehrer an Schulen und Hochschulen" nicht von der Pflicht zur Treue gegenüber dem Grundgesetz zu entbinden.66 Allerdings wurde diese Formulierung gerade nicht in die Endfassung des Grundgesetzes übernommen. Zwar ist dies kein eindeutiger Beleg dafür, dass der Parlamentarische Rat wieder zum engen Lehrbegriff des Art. 142 WRV zurückkehren wollte. 67 Dennoch lässt sich aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes entgegen Perschels Ansicht nicht mit hinreichender Sicherheit schließen, dass der Verfassungsgeber die Lehrfreiheit aus dem Zusammenhang mit der Freiheit der Wissenschaft und der Forschungsfreiheit herauslösen wollte. Auch Perschel ist sich der Schwäche einer rein historischen Auslegung bewusst. Um seine These zu untermauern, dass es sich bei der Lehrfreiheit um ein eigenständiges Grundrecht handelt, weist er daher ergänzend auf den Umstand hin, dass in Art. 18 GG nur die Lehrfreiheit erwähnt wird. 68 Wiederum hat Ekkehard Beck einige Zeit später ganz ähnlich argumentiert. Anders als Perschel stellte er allerdings darauf ab, dass in der so genannten „Treueklausel" des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG nur auf die Lehrfreiheit, nicht aber auf die Freiheit der Wissenschaft und Forschung Bezug genommen wird. 6 9

In der Tat unterscheidet sich die Lehrfreiheit insofern von den anderen in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG genannten Freiheitsrechten. Aus dem Umstand, dass die Lehrfreiheit besonderen Beschränkungen unterliegt, lässt sich jedoch keineswegs der Schluss ziehen, dass auch ihr Schutzbereich völlig eigenständig von dem der

65 Roellecke, JZ 1969, S. 726, 728, hat dargelegt, dass der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee sogar eine völlige Neubewertung beabsichtigt hatte. Im Mittelpunkt des Art. 15 des Verfassungsentwurfes stand tatsächlich weniger der Schutz für die Wissenschaft, als der Schutz vor der Wissenschaft. 66

Perschel, DÖV 1970, S. 34, 37; vgl. in diesem Sinne auch Beck, S. 12 f.

67

Dann hätte es nämlich nahe gelegen, in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ausdrücklich an Wortlaut des Art. 142 WRV anzuknüpfen, und auf diese Weise klarzustellen, dass auch in Zukunft nur die „Lehre der Wissenschaft" geschützt werden soll. Zudem gibt es eine überzeugende Erklärung für die Entscheidung, die Treueklausel des Art. 5 Abs. 3 S. 2 GG doch abstrakt zu formulieren: Nach Abschluss der Beratungen hat Theodor Heuß darauf hingewiesen, dass man nicht das „Misstrauen gegen einen ganzen Berufsstand" in der Verfassung habe verankern wollen, JöR 1951, S. 92; vgl. dazu schon Perschel, DÖV 1970, S. 34, 37. 68 69

Perschel DÖV 1970, S. 34, 37.

Beck, S. 4 und 12 ff.; er beruft sich in diesem Zusammenhang auf W.O. Schmitt, DVB1.1966, S. 6, der allerdings nicht näher auf das Verhältnis von Lehr- und Forschungsfreiheit eingeht.

94

D. Das Innenverhältnis

Freiheit der Wissenschaft und Forschung definiert werden muss.70 Schließlich ist es ohne weiteres einsichtig, dass und warum es gegebenenfalls sinnvoll oder sogar geboten sein kann, die Verbreitung bestimmter Erkenntnisse zu beschränken oder gar ganz auszuschließen71 - und umgekehrt liegt es auf der Hand, dass es kaum möglich ist, die Erkenntnis an sich zu verhindern.

dd) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass der Schutzbereich der Lehrfreiheit nicht unabhängig von der Freiheit der Wissenschaft und Forschung bestimmt werden kann. Vielmehr ist mit der oben dargelegten, überwiegend vertretenen Auffassung davon auszugehen, dass sich die „Lehre" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG nur auf die Vermittlung eigener Forschungsergebnisse bezieht. Da die Forschung nicht zu den Aufgaben der Schulen gehört, ist der Unterricht an den Schulen keine „Lehre" in diesem Sinne und die Lehrer können sich im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit nicht auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG berufen. Dieses Ergebnis wird auch durch das systematische Verhältnis zwischen der Lehrfreiheit nach Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und dem bereits erwähnten Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht nach Art. 7 GG bestätigt: Zwar steht dieser Grundsatz einer weiten Auslegung der Lehrfreiheit nicht zwingend entgegen,72 da der konkrete Umfang der Aufsichtsbefugnisse gegebenenfalls im Hinblick auf die Grundrechte der Lehrenden bestimmt werden könnte und müsste.73 Genau dies hätte der Verfassunggeber aber erkennen müssen. Wenn er dennoch darauf verzichtet hat, die Lehrfreiheit in Art. 7 GG ausdrücklich zu erwähnen oder auch nur auf Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu verweisen, so deutet dies daraufhin, dass er die Lehrer nicht in

70

Tatsächlich gibt es gute Gründe, die Schranken der Lehrfreiheit enger zu fassen. Erst durch die öffentliche Verbreitung entfalten die Ergebnisse der Forschung ggf. ihre bis dahin nur potenziellen gemein wohl widrigen Wirkungen. 71 Man denke etwa an eine „Anleitung zum möglichst effizienten Bombenbau", die ohne weiteres Gegenstand einer Chemie-Vorlesung sein könnte. Die Schranken der Meinungsfreiheit könnten problemlos unterlaufen werden, wenn unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Lehre jedwede Meinungen und Tatsachenbehauptungen verbreitet werden dürften. 72 So aber von Münch, DVB1. 1964, 789, 792 f., Starck, DÖV 1979, S. 274; Thiel, S. 639, die sämtlich übersehen, dass Art. 7 Abs. 1 GG den Staat keineswegs daran hindert, die Reichweite der Aufsicht zurückzunehmen, sondern vielmehr nur die Übertragung der Aufsichtsbefugnisse auf Dritte, insbesondere auf die Religionsgemeinschaften verhindern soll, vgl. dazu oben unter B.I.2.a.bb. 73

So zu Recht Staff, DÖV 1969, S. 627, 629; Perschel, DÖV 1970, S. 34, 38.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

95

den persönlichen Schutzbereich des Grundrechts auf Lehrfreiheit einbeziehen wollte. In diesem Zusammenhang ist schließlich nochmals darauf hinzuweisen, dass die Lehrer nicht darauf beschränkt sind, den Schülern bestimmte Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln. Vielmehr haben sie auch und insbesondere die Aufgabe, die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu erziehen. Zwar geht es bei der pädagogischen Freiheit auch um die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Lehrer dazu berechtigt sind, über die Bildungsinhalte zu entscheiden, die den Schülern vermittelt werden sollen. Umgekehrt spielt das pädagogisch-didaktische Element auch für die Lehre an den Hochschulen eine gewisse Rolle. Dennoch kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass sich die erzieherische Tätigkeit der Lehrer kaum unter den Begriff der „Lehre" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG subsumieren lässt.74

c) Die pädagogische Freiheit als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG Nachdem alle Versuche gescheitert waren, die pädagogische Freiheit der Lehrer auf die Lehrfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zurückzuführen, hat Ingo Richter gegen Ende der siebziger Jahre die These formuliert, dass es sich bei dieser Freiheit um einen der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG handeln könnte.75 Ausgangspunkt seiner Argumentation ist die Feststellung, dass mit der Weimarer Reichsverfassung ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe: Während die Lehrer auf der einen Seite die Rechte und Pflichten von Staatsbeamten erhielten, wurde auf der anderen Seite die bis dahin übliche kirchliche Schulaufsicht endgültig abgeschafft. 76 In der Zeit der Weimarer Republik habe sich der Charakter der Schulaufsicht dann noch weiter verändert, da es immer weniger um die Kontrolle der Lehrkräfte gegangen sei, als darum, sie zu beraten und weiterzubilden. Auch innerhalb der Schule habe es einen Wandel von der direktorialen zur kollegialen Schulleitung gegeben. Man könne daher durchaus von einem „Grundsatz der

74

Daher kann es auch kaum verwundern, dass die meisten Autoren auf die Vergleichbarkeit eines universitären Grundstudiums mit der gymnasialen Oberstufe abstellen, also auf eine Phase der schulischen Ausbildung, in der die Erziehungsaufgabe des Staates nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. 75

Richter, RdJB 1979, S. 250, 254 ff.

76

Vgl. Artt. 143 Abs. 3 und 144 WRV.

D. Das Innen Verhältnis

96

kollegialen Modifikation der beamtenrechtlichen Hierarchie in der Schule" sprechen.77 Tatsächlich haben die Vertreter der so genannten Reformpädagogik bereits in der Umbruchphase unmittelbar nach dem Zusammenbruch der Monarchie die Forderung erhoben, die Lehrer nur noch der Rechtsaufsicht zu unterstellen, da die Eigengesetzlichkeit des Pädagogischen keine Aufsicht des Staats in didaktischen und methodischen Fragen dulde. Wie Richter selbst zu Recht betont, haben sich diese Forderungen allerdings nicht durchsetzen lassen:78 Obwohl noch auf der Reichsschulkonferenz im Jahre 1920 darüber diskutiert worden war, die Schulen zu Selbstverwaltungskörperschaften zu machen,79 wurden in der Zeit der Weimarer Republik lediglich die kirchlichen Schulaufsichtsbeamten durch Pädagogen ersetzt. Auch wenn die Kreisschulräte dazu angehalten waren, nicht nur autoritativ zu „beaufsichtigen", sondern die Lehrer in ihrem Sprengel zu beraten und weiterzubilden, änderte das nichts daran, dass sie Vorgesetzte der Lehrer waren und gegebenenfalls auch von ihren Eingriffsbefugnissen Gebrauch machten. Darüber hinaus setzt sich der von der Reichsschulkonferenz angeregte Übergang zur „kollegialen Schulleitung" nur in einigen Ländern und auch dort nur ansatzweise durch. 80 Nach alldem kann also keine Rede davon sein, dass die Lehrer bereits in der Zeit der Weimarer Republik einen rechtlich geschützten und anerkannten Freiraum für ihre Tätigkeit gehabt hätten.81 Bei der pädagogischen Freiheit der

77

Richter, RdJB 1979, S. 250, 258 f.

78

Vgl. Richter, RdJB 1979, S. 250, 257 f., m.w.N.

79

Diese Forderung wurde vor allem von Eduard Spranger erhoben. Er hatte insbesondere vorgeschlagen, dass die Schulaufsichtsbeamten von den Selbtsverwaltungsorganen der Schulen gewählt werden sollten, vgl. Reichsministerium des Inneren, S. 265. Darüber hinaus sollten zumindest die rein inneren, pädagogischen Angelegenheiten auf „Schulversammlungen" übertragen werden, denen neben Lehrern auch „Vertreter anderer Kreise" angehören sollten, a.a.O, S. 271 f. Der Ausschuss 10 über Schulleitung und Schul Verwaltung stellte die Forderung auf, dass der Schulleiter nicht mehr Vorgesetzter der Lehrer sein sollte. Vielmehr sollten diese selbst für ihre Arbeit verantwortlich sein, vgl. Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, S. 182 und den Bericht von Menzel, a.a.O., S. 178 f. Die Forderung, die Schulen zu „materiellen Selbstverwaltungskörperschaften" zu machen, wurde schon kurz nach Gründung der Bundesrepublik von Hellmut Becker erhoben (vgl. Becker, Merkur 1954, S. 1155, 1164/1174). Sie wurde dann Ende der sechziger Jahre von der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates übernommen, vgl. Deutscher Bildungsrat, Strukturplan, S. 262 ff., dazu Stock, AöR 1971, S. 392 ff. 80

Zum Sonderfall Hamburgs vgl. de Lorent, passim.

81

So im Ergebnis allerdings ohne hinreichende Begründung auch Thiel, S. 221.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

97

Lehrer handelt es sich dann aber keinesfalls um einen hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Unabhängig von diesem empirischen Befund kann auch Richters verfassungsrechtliche Interpretation nicht überzeugen: Nicht ohne Grund hat er selbst darauf hingewiesen, dass der Versuch, die pädagogische Freiheit als Schranke der Weisungsbefugnisse aus den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" abzuleiten, auf den ersten Blick absurd erscheine. 82 Tatsächlich bestätigt eine nähere Betrachtung genau diesen Eindruck: Zum einen ist zu beachten, dass die Weisungsbindung ihrerseits zweifellos zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört - wobei sich dieser Konflikt allerdings gegebenenfalls im Sinne der praktischen Konkordanz konkurrierender Rechtsprinzipien auflösen ließe. Viel wichtiger ist jedoch, dass die pädagogische Freiheit der Lehrer tatsächlich nur höchst mittelbar mit ihrem Beamtenstatus zusammenhängt: Zwar wurde die Forderung, den Lehrern den Status von (Reichs-)Beamten zu verleihen, in etwa zur gleichen Zeit erhoben, wie diejenige, ihnen einen gewissen Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts und ihrer Erziehungstätigkeit zu belassen. Hinter beiden Forderungen standen jedoch ganz unterschiedliche Motive: Vom Beamtenstatus versprachen sich die Lehrer zunächst und vor allem eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage. Die Nationalversammlung war auch grundsätzlich bereit, diese Forderung zu erfüllen. Indem sie den Lehrern in Art. 143 Abs. 3 WRV die Rechte und Pflichten der Staatsbeamten einräumte, stellte die Nationalversammlung aber zugleich sicher, dass in erster Linie der Staat und nicht wie bisher die Kirchen und Gemeinden die Verantwortung für das Schulwesen tragen sollte.83 Aus dieser Perspektive wird aber deutlich, dass Art. 143 Abs. 3 WRV unter keinen Umständen als Beleg dafür angesehen werden kann, dass der Verfassungsgeber den Lehrern einen Freiraum für ihre Tätigkeit verschaffen wollte. Vielmehr ist ganz im Gegenteil davon auszugehen, dass es der Nationalversammlung bei der Verabschiedung der einschlägigen Bestimmungen der WRV darum ging, die Einflussmöglichkeiten des Staates auszuweiten und abzusichern.

82 83

Richter, RdJB 1979, S. 250, 254.

Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Regelung durchaus den Forderungen der Lehrerschaft entsprach, die sich von der Zuordnung zu den Staatsbeamten in der Tat mehr Freiheit erhoffte, da der Zugriff der kirchlichen und kommunalen Aufsichtsbeamten wesentlich direkter erfolgte. Bei einem staatlichen Schulaufsichtssystem war jedoch schon wegen der damit regelmäßig verbundenen größeren räumlichen Distanz eine geringere Aufsichtsintensität zu erwarten. Das ändert jedoch nichts daran, dass dies alles nichts mit dem Beamtenstalus der Lehrer zu tun hat.

98

D. Das Innenverhältnis

d) Zusammenfassung Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Lehrer kein „Grundrecht auf pädagogische Freiheit" haben: Für ihr Verhalten im Zusammensein mit den ihnen anvertrauten Schülern können sie sich nicht auf die Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen berufen, da die dienstliche Tätigkeit der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes grundsätzlich nicht in den Schutzbereich dieser Grundrechte fällt. Zwar sieht das Grundgesetz einige Ausnahmen von diesem Grundsatz vor. Beim Unterricht an den öffentlichen Schulen handelt es sich jedoch nicht um „Lehre" im Sinne des Art. 5 Abs. 3 GG und die pädagogische Freiheit der Lehrer lässt sich auch nicht als einer der von Art. 33 Abs. 5 GG geschützten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums ansehen.

2. Die pädagogische Freiheit und die Grundrechte der Schüler Obwohl es sich bei der pädagogischen Freiheit um kein Grundrecht der Lehrer handelt, könnte sie doch in der Verfassung verankert sein. Tatsächlich findet sich in der einschlägigen Literatur häufig die These, dass der Staat seiner Verpflichtung zum Schutz der Grundrechte der Schüler nur dadurch nachkommen könne, dass er den Lehrern einen gewissen Freiraum für ihre Tätigkeit belässt.84 Zum ersten Mal formuliert wurde diese These wohl von Ekkehart Stein im Rahmen seiner Antrittsvorlesung vor der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster im Jahre 1965: Nach Steins Ansicht kann dem „Recht des Kindes auf Selbstentfaltung in der Schule" nur dann Rechnung getragen werden, wenn der Staat den Lehrern die Verantwortung für die Erziehung der Kinder überträgt. Da die Schule in erster Linie die Aufgabe habe, dem Grundrecht des Kindes auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit zur Geltung zu verhelfen, 85 sei sie dazu verpflichtet, „den Schülern einen ausgewogenen Querschnitt, eine repräsentative Auslese der wichtigsten geistigen Strömungen zu vermitteln." 86 Dieses Ziel lasse sich jedoch nicht erreichen, wenn staatliche Stellen den Bildungsstoff auswählen. Denn der Staat sei erwiesenermaßen kein geeigneter Garant für die ideologische Neutralität des Schulwesens. Der unantastbare Wesensgehalt von Art. 2 Abs. 1 GG werde jedenfalls dann verletzt, wenn der Staat einseitig

84

Vgl. in diesem Sinne insbesondere Eiselt, DÖV 1981, S. 821,825, Gallwas, S. 71,84; W. Geiger, S. 92, 100 ff.; Hennecke, RdJB 1986, S. 233, 240; zustimmend AvenflnWHeckel, Tz. 19.411. 85

Stein, Selbstentfaltung, S. 39 ff.

86

Stein, Selbstentfaltung, S. 53.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

99

bestimmte Bildungsideale festlege und auf diese Weise versuche, die Selbstentfaltung der Schüler von außen in eine bestimmte Richtung zu drängen. 87 Konsequenterweise kommt Stein zu dem Ergebnis, dass dem Selbstentfaltungsrecht der Schüler am besten in einem vollautonomen Unterrichtssystem - wie etwa in den „Montessori-Schulen" 88 - Rechnung getragen werden könne, weil nur dort jeder Schüler selbst entscheiden kann, wann und wie er sich mit Hilfe des bereitgestellten Arbeitsmaterials und mit Unterstützung des Lehrers das Bildungsgut erarbeitet. 89 Zumindest müsse ein teilautonomes Unterrichtssystem eingefühlt werden, in dem die Schüler zwar gemeinsam unterrichtet, aber alle Entscheidungen, die mit der inhaltlichen Gestaltung des Unterrichts zusammenhängen, aus der staatlichen Verwaltung herausgenommen werden. 90 Dies soll nach Steins Ansicht auch und insbesondere für die Festlegung des Prüfungsstoffes gelten, da es sich in einem freiheitlichen Schulwesen hierbei notwendigerweise um Selbstverwaltungsangelegenheiten handele.91 Bei alldem erkennt Stein durchaus an, dass gewisse Vorgaben erforderlich sind, um den Schülern einen Schulwechsel zu ermöglichen. Aus den Bildungsplänen dürfe sich dennoch nur ergeben, welche Einzelbereiche jedes Fachs in welchen Klassen zu behandeln sind. Der Staat dürfe jedoch unter keinen Umständen festschreiben, welches Ideengut im Unterricht vermittelt werden muss oder gar, welche Tendenz der Unterricht haben soll. 92 Der beste Schutz gegen die einseitige Vermittlung einer Ideologie besteht nach Steins Ansicht darin, die Schüler dem Einfluss vieler verschiedener Lehrerpersönlichkeiten auszusetzen.93 Dies setze allerdings voraus, dass die Lehrer ihrerseits

87

Stein, Selbstentfaltung, S. 51.

88

Nach der von Maria Montessori begründeten Lehre sollen die Kinder nach eigener Entscheidung wählen, womit sie sich beschäftigen. Sie bestimmen über den Arbeitsrhythmus und die Beschäftigungsdauer und auch darüber, ob sie allein oder mit einem Partner arbeiten, spielen oder lernen möchten (Grundsatz der Freiarbeit). Der Lehrer soll dabei nur unterstützend eingreifen. 89

Wobei offen bleibt, wer das Bildungsgut definiert. Auch hier wird die Selbstentfaltung durch die Auswahl der Arbeitsmaterialien in gewisse Bahnen gesteuert. 90

Zu diesen Begriffen vgl. Stein, Selbstentfaltung, S. 51.

91

Stein, Selbstentfaltung, S. 58 ff. Er hält es für sinnvoll, sich insofern grundsätzlich am Modell der Hochschulen zu orientieren, wobei er durchaus anerkennt, dass das Einfluss des Staates im Schulbereich größer sein muss. 92

Stein, Selbstentfaltung, S. 61.

93

Stein, Selbstentfaltung, S. 57.

100

D. Das Innenverhältnis

gegen alle Versuche geschützt werden, ihren Unterricht von außen im Sinne einer bestimmten Ideologie zu beeinflussen. Führt man Steins Argumentation konsequent zu Ende, dann hätten die Lehrer zwar kein Grundrecht auf pädagogische Freiheit. Auf der anderen Seite wäre diese Freiheit aber auch kein bloßer Reflex aus den Rechten der Schüler. Vielmehr hätten diese einen Anspruch darauf, dass ihren Lehrern ein hinreichender Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung ihrer Tätigkeit verbleibt. Zumindest würde sich aus dem Selbstentfaltungsrecht der Schüler eine objektive Verpflichtung des Staates ergeben, den Lehrern einen solchen Freiraum zu belassen.94 Tatsächlich lässt sich die pädagogische Freiheit der Lehrer jedoch zumindest nicht unmittelbar aus den Grundrechten der Schüler herleiten. Zunächst ist festzuhalten, dass Steins Argumentation in sich widersprüchlich ist: Denn obwohl er auf der einen Seite betont, dass der Staat nicht oder doch nur in engen Grenzen dazu berechtigt sein soll, den Lehrern Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts zu machen, verlangt er auf der anderen Seite genau von diesem Staat, dass er die Verpflichtung der Lehrer zur Neutralität und Objektivität gegebenenfalls mit den Mitteln des Disziplinarrechts durchsetzen soll. 95 Schon hier zeigt sich, dass es Stein weniger darum geht, den Lehrern einen Spielraum für die eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts zu verschaffen, als vielmehr darum, den Einfluss und die Wahlmöglichkeiten der Schüler - und ihrer Eltern zu vergrößern. Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn man Steins konkrete Forderungen betrachtet, die aus heutiger Sicht alles andere als radikal erscheinen: Neben einer grundlegenden Reform der Schulverfassung, bei der insbesondere die Mitwirkungsrechte der Eltern gestärkt werden sollen, fordert Stein in erster Linie eine Erweiterung der Wahlmöglichkeiten für die Schüler. 96 Seine weiteren Überlegungen lassen sich als Plädoyer für die integrierte Gesamtschule und für eine Reform der Lehrerausbildung begreifen.

94

Erstaunlicherweise äußert sich Stein nicht zum Rechtscharakter der pädagogischen Freiheit. 95

Stein, Selbstentfaltung, S. 57 f.; wobei ihm durchaus klar ist, dass er damit dem Staat, dem er soeben noch die Fähigkeit zur Neutralität abgesprochen hat, im gleichen Atemzug die Pflicht auferlegt, diese Neutralität abzusichern. Sein Versuch, diesen Widerspruch dadurch aus der Welt zu schaffen, dass jedenfalls für schwerwiegende Disziplinarverfahren nicht die Verwaltung selbst zuständig sei, sondern die Gerichte, hat nur geringe Überzeugungskraft. Schließlich geht die Gefahr einer einseitigen Indoktrination der Schüler nicht ausschließlich oder auch nur in erster Linie von der Verwaltung aus. 96 Dabei bezieht er sich vor allem auf die gymnasiale Oberstufe und das Abitur, vgl. Stein, Selbstentfaltung, S. 63 f. Er muss sich daher den Vorwurf gefallen lassen, dass er den Haupt- und Realschülern offensichtlich weitaus weniger Freiheit zubilligen will.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

101

Darüber hinaus kann aber auch Steins Grundannahme nicht überzeugen, wonach die Schule ausschließlich oder zumindest in erster Linie dazu dienen soll, dem Selbstentfaltungsrecht der Kinder zur Geltung zu verhelfen. Obwohl den Kindern und Jugendlichen in den Schulen in der Tat diejenigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt werden sollen, die sie erst dazu in die Lage versetzen, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten, 97 so ist dies doch keineswegs der einzige Zweck, den der Staat mit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht erreichen will. Vielmehr hat der Staat, wie bereits dargelegt wurde, einen umfassenden Bildungsund Erziehungsanspruch, der ihn jedenfalls in gewissen Grenzen dazu berechtigt, über diejenigen Inhalte und Werte zu bestimmen, die den Kindern und Jugendlichen in den Schulen vermittelt werden sollen. In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Schüler keineswegs notwendigerweise mit einer Vielzahl unterschiedlicher Wertsysteme konfrontiert werden, wenn man dem Staat das Recht verweigert, über die Inhalte und Werte zu entscheiden, die den Kindern und Jugendlichen in den Schulen vermittelt werden sollen. Vielmehr wäre zu erwarten, dass sich in diesem Fall der Einfluss der Eltern verstärken würde. 98 Schließlich wären diese bei der Entscheidung, welche Schule ihre Kinder besuchen sollen, verständlicherweise darauf bedacht, dass ihren Kindern dort genau diejenigen Inhalte und Werte vermittelt werden, die ihnen selbst wichtig sind. 99 Damit besteht aber eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen gerade nicht mit einer Vielzahl anderer Meinungen und Ansichten konfrontiert, sondern vielmehr in einem weitgehend homogenen Wertsystem aufwachsen würde. Dabei ist festzuhalten, dass dies nicht notwendigerweise einen unzulässigen „ E i n g r i f f in das Selbstentfaltungsrecht der Kinder darstellen muss. 100

Der entscheidende Schwachpunkt in Steins Argumentation ist jedoch seine These, wonach der Staat per se als Garant für die ideologische Neutralität des Schulwesens ausscheide. Zwar ist es nicht möglich, die Erziehung zu bestimmten 97

Vgl. dazu schon oben unter B.I.2.b.

98

Interessanterweise lässt Stein völlig offen, wer Subjekt der „Schulischen Selbstverwaltung" sein und damit über die inhaltliche Ausgestaltung des Unterrichts entscheiden soll. 99

Vgl. in diesem Sinne auch schon Stock, Freiheit, S. 95.

100

Auch wenn man akzeptiert, dass wahre Selbstentfaltung nur dann möglich ist, wenn sich der Einzelne mit anderen Meinungen und Ansichten auseinander setzt und seine eigenen Werte ständig überprüft, kann man durchaus der Ansicht sein, dass diese Konfrontation sinnvollerweise erst dann stattfinden sollte, wenn der Einzelne bereits über ein stabiles Wertsystem verfügt. Auf diese erziehungswissenschaftliche Frage kann und soll hier allerdings nicht näher eingegangen werden.

102

D. Das Innenverhältnis

Weiten trennscharf von der Manipulation im Sinne einer bestimmten Ideologie abzugrenzen. Auch gibt es gerade in der jüngeren deutschen Geschichte genügend Beispiele dafür, dass das Bildungswesen von einem totalitären oder autoritären Regime für seine Zwecke instrumentalisiert werden kann. Dennoch ist es ohne weiteres einsichtig, dass der Verweis auf die Erfahrungen in der Zeit des Nationalsozialismus und in der DDR nicht als Beweis für die Richtigkeit der Thesen Steins ausreicht: Dafür unterscheiden sich sowohl das politische System als auch die gesellschaftliche Realität der Bundesrepublik viel zu sehr von diesen Vorbildern. Tatsächlich wollte auch Stein die Bundesrepublik keineswegs als totalitäres System denunzieren: Vielmehr erkennt er ausdrücklich an, dass sich die Länder bei der konkreten Ausgestaltung des Schulwesens stark zurückgehalten und sehr darum bemüht hätten, auf die wichtigsten gesellschaftlichen Gruppen Rücksicht zu nehmen. Seine Thesen beruhen vor allem auf der Befürchtung, dass die durchaus positive Entwicklung in den ersten fünfzehn Jahren seit der Gründung der Bundesrepublik keinen Schutz gegen zukünftige Missbräuche bieten, weil eine „im Umgang mit der Macht weniger skrupulöse politische Strömung" die bestehenden Strukturen problemlos für ihre Zwecke nutzen könnte. Für eine freiheitliche Reform des Schulwesens, mit der einer solchen Instrumentalisierung vorgebeugt werden könnte, wäre es dann aber zu spät.101 Diese Befürchtung lässt sich aus heutiger Sicht wohl nur dann nachvollziehen, wenn man sich die historischen Umstände vor Augen führt, in denen Stein seine Thesen formuliert hat: Auf der einen Seite war in der Mitte der sechziger Jahre noch nicht erkennbar, ob sich die politischen Institutionen der Bundesrepublik auch nach dem Ende der Ära Adenauer und dem bereits erkennbaren Ende des „Wirtschaftswunders" bewähren würden. Kaum 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes konnten die NPD und einige mit ihr verbündete Parteien deutlichen Stimmengewinne verbuchen und bis 1968 in immerhin sieben der damals noch elf Landesparlamente einziehen.102 Parallel bildeten sich die ersten Vorläufer der Studentenbewegung, die den Konsens der Nachkriegsgesellschaft in den Folgejahren radikal in Frage stellen sollte. Auf der anderen Seite war die überragende Bedeutung der Grundrechte zu diesem Zeitpunkt allenfalls in Ansätzen deutlich geworden: Zwar erscheint es 101 102

Stein, Selbstentfaltung, S. 54.

Die NPD und die mit ihr verbündeten Parteien erreichten 1966 bei den Landtagswahlen in Bayern 7,4 % und in Hessen 7,9 %, ein Jahr später zog sie mit 8,8 % in die Bremer Bürgerschaft ein, bei den Landtags wählen in Niedersachsen erreichte sie 7,0 %, in Rheinland-Pfalz 6,9 % und in Schleswig-Holstein 5,8 %. Im Jahre 1968 kam die NPD in Baden-Württemberg sogar auf 9,8 %.

I. Die verfassungsrechtliche Verankerung der pädagogischen Freiheit

103

auch 50 Jahre nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland nicht völlig undenkbar, dass in Deutschland wieder ein totalitäres Regime die Macht ergreifen könnte. Anders als Stein annimmt, könnte ein solches Regime das Schulwesen jedoch unter keinen Umständen innerhalb der geltenden Verfassungsordnung zur ideologischen Manipulation der Bürger missbrauchen. Denn die Schüler - und gegebenenfalls auch ihre Eltern - haben innerhalb dieser Verfassungsordnung hinreichende Möglichkeiten, um ihre Grundrechte durchzusetzen. Wenn Stein im Jahre 1965 mit keiner Silbe auf diese Möglichkeit eingeht, dann liegt das schlicht daran, dass es noch bis 1972 dauern sollte, bis das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der hessischen Regelungen über die „Förderstufe" der bis dahin immer noch weithin vertretenen Auffassung vom Schulverhältnis als „besonderem Gewaltverhältnis" eine definitive Absage erteilt und damit die Geltung des Gesetzesvorbehaltes endgültig auch auf diesen Bereich ausgedehnt hat. 103 Als Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass sich aus dem Selbstentfaltungsrecht der Schüler keine Verpflichtung des Staates herleiten lässt, den Lehrern einen gewissen Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts zu belassen. Diesem Selbstentfaltungsrecht wird vielmehr auch und vor allem dadurch Rechnung getragen, dass sie sich im Rahmen der dafür vorgesehenen Rechtsschutzverfahren gegen unzulässige Eingriffe in ihre Rechte zur Wehr setzen können - und zwar völlig unabhängig davon, ob diese Eingriffe durch den Gesetzgeber, die Schulaufsichtsbehörden oder den einzelnen Lehrer erfolgen.

3. Die pädagogische Freiheit und das Ziel der Erziehung zur Eigenverantwortung Mittelbar kommt dem Selbstentfaltungsrecht der Schüler allerdings dennoch eine große Bedeutung für die konkrete Ausgestaltung des Schulwesens zu: Wie oben schon dargelegt wurde, beruht der eigenständige Bildungs- und Erziehungsanspruch des Staates auch und vor allem darauf, dass der Staat die Voraussetzungen für die Funktionsfähigkeit der demokratischen Institutionen schaffen und sichern und es den Einzelnen ermöglichen muss, weitgehend selbstbestimmt in der Gemeinschaft mit anderen zu leben. Der Staat ist daher bei der Festlegung der Erziehungsziele keineswegs völlig frei. Insbesondere darf er den Kindern und Jugendlichen in den Schulen kein geschlossenes Wertsystem, also eine bestimmte Ideologie, vermitteln, sondern er 103 Vgl. BVerfGE 34, S. 154 und die nur wenig später ergangene Entscheidung zum Schulausschluss aus dem „Speyer-Kolleg", BVerfGE 41, S. 251 ff.

104

D. Das Innenverhältnis

muss sich im Wesentlichen darauf beschränken, den jungen Menschen diejenigen Grundwerte nahe zu bringen, die der Verfassungsordnung zugrunde liegen. Konsequenterweise sehen die einschlägigen Bestimmungen der Landesverfassungen und der Landesschulgesetze vor, dass die Schüler zu freien und verantwortungsfreudigen Bürgern, zu Toleranz, Demokratie und Freiheitsliebe 104 und damit zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten erzogen werden sollen. Auf die erziehungswissenschaftliche Frage, wie dieser Auftrag konkret umgesetzt werden soll, kann und soll im Rahmen dieser Untersuchung nicht näher eingegangen werden. 105 Fest steht jedenfalls, dass ein „gegängelter" Lehrer, der selbst keinen Freiraum für seine Tätigkeit hat, unter keinen Umständen dazu in der Lage ist, die ihm anvertrauten Schüler zu selbstverantwortlichen Bürgern zu erziehen. Vielmehr kann der Staat die von ihm selbst gesetzten Erziehungsziele überhaupt nur dann erreichen, wenn die Lehrer weitgehend selbständig darüber entscheiden, welche Maßnahme sie in einer bestimmten Situation aus pädagogischer Sicht für zweckmäßig halten. Nur dann, wenn der einzelne Lehrer für seine Schüler als Persönlichkeit mit ganz individuellen Stärken und Schwächen erkennbar bleibt, kann sich das persönliche Vertrauensverhältnis entwickeln, das den Lehrer erst dazu in die Lage versetzt, seine Schüler zur Toleranz und zum Respekt vor anderen zu erziehen. Gerade weil er Vorbild für die Schüler sein soll, darf er den Kindern und Jugendlichen nicht als Neutrum ohne eigene Meinung und Überzeugungen erscheinen. Schließlich ist er kein Katalysator, der die Entwicklung der Schüler anregt, ohne sich selbst dabei zu verändern, sondern er muss sich mit ihnen auseinander setzen und es zulassen oder sogar aktiv fördern, dass seine eigenen Verhaltensweisen von den Schülern kritisch hinterfragt werden. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass sich zwar aus dem Verfassungsrecht kein subjektives Recht der Lehrer auf pädagogische Freiheit herleiten lässt. Wohl aber besteht eine objektive Verpflichtung des Staates, den Lehrern einen hinreichenden Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung des Unterrichts zu belassen.106 Es ist Aufgabe der Gesetzgeber in den Ländern, die Reichweite und Grenzen dieses Freiraums zu bestimmen und dabei auch darüber zu entscheiden, ob und gegebenenfalls auf welche Weise sich die Lehrer gegen Eingriffe in ihre pädagogische Freiheit zur Wehr setzen können. 104 Vgl. etwa Artt. 12 Abs 1 und 21 Abs. 1 BW-V; Art. 131 Abs. 2 und 3 BayV, § 1 BerlSchG, § 4 BbgSchG; Artt. 26 Nr. 1 und 33 S. 1 BremV, § 2 Abs. 1 HambSchG; Art. 56 Abs. 4 HessV; Art. 15 Abs. 4 M V - V , § 2 Abs. 1 NdsSchG; Art. 7 Abs. 2 NRW-V; Art. 33 RP-V; Art. 26 Abs. 1 SaarV; Art. 101 Abs 1 SächsV; Art. 27 Abs. 1 LSA-V, § 4 Abs. 1 SHSchG, § 2 ThürSchG. 105

Vgl. dazu statt vieler Himmelmann, passim.

106

Ähnlich wie hier bereits Gallwas, S. 71, 80/84; Stock, RdJB 1986, S. 212, 220 f.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

105

Diese objektive Verpflichtung ist auch deshalb von Bedeutung, weil sich die Lehrer, wie bereits dargelegt wurde, für ihr Verhalten im Zusammensein mit den ihnen anvertrauten Schülern grundsätzlich nicht auf die Grundrechte des Grundgesetzes und der Landesverfassungen berufen können. 107 Sie haben daher in der Regel keine Möglichkeit, sich gegen Anordnungen zur Wehr zu setzen, mit denen ihnen ein bestimmtes Verhalten untersagt bzw. vorgeschrieben wird. Aufgrund der soeben dargelegten objektiven Verpflichtung kann der jeweilige Dienstherr die Weigerung, einer solchen Anordnung nachzukommen, jedoch nur dann zum Anlass für disziplinarische Maßnahmen nehmen oder gar als Beleg für die fehlende Eignung (Art. 33 Abs. 2 GG) des betroffenen Lehrers heranziehen, wenn das untersagte Verhalten im Widerspruch zu den Erziehungszielen steht. 108 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schüler durchaus zwischen der Institution Schule und der Person des Lehrers differenzieren können.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit Aus dieser Perspektive sollen nun die einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze näher untersucht werden: In allen Ländern tragen die Lehrer die unmittelbare oder eigene pädagogische Verantwortung für die Erziehung und die Bildung 109 bzw. den Unterricht 110 der Schüler. Teilweise wurde dabei ausdrücklich 107

Vgl. dazu oben unter D.I. 1 .a.cc.

108

Aus diesem Grund darf einer moslemischen Lehrerin grundsätzlich nicht allein deshalb die Einstellung in den Schuldienst verweigert werden, weil sie sich weigert, ohne Kopftuch zu unterrichten. Die Eignung für den Schuldienst kann ihr vielmehr nur dann abgesprochen werden, wenn das Schulwesen streng laizistisch ist und sich jedenfalls außerhalb des Religionsunterrichts nicht für religiöse Bezüge öffnet. Während die Entscheidung des OVG Hamburg, DVB1. 1985, S. 456, das einem Lehrer untersagt hatte, sich im Unterricht in der für die Anhänger des Bhagwan Shree Rajneesh typischen Art und Weist nur in Rottönen zu kleiden, aus dieser Perspektive noch einigermaßen vertretbar erscheint, durften die Behörden in Baden-Württemberg und Niedersachsen muslimischen Lehrerinnen die Zulassung zum Schuldienst nicht allein deshalb verweigern, weil diese sich weigerten, ohne Kopftuch zu unterrichten: In diesen beiden Ländern sind die Grund- und Hauptschulen nämlich „christliche Gemeinschaftsschulen" und damit ausdrücklich offen für religiöse Bezüge; vgl. dazu auch Rux, DVB1. 2001, S. 1542 ff.; a.A. hingegen der VGH Mannheim, DVB1. 2001, S. 1538 ff. Im Ergebnis ist auch die Rechtsprechung des Schweizer Bundesgerichtes vertretbar, das es für rechtmäßig erklärt hat, dass die zuständigen Behörden des (laizistischen!) Kantons Genf eine moslemische Grundschullehrerin angewiesen hatten, nur noch ohne Kopftuch zu unterrichten, vgl. BGE 123 I S. 396. 109 110

§ 38 Abs. 2 BW-SchG, § 40 Abs. 2 SächsSchG.

Art. 59 Abs. 1 S. 1 BayEUG, § 67 Abs. 2 S. 1 BbgSchG, § 100 Abs. 2 S. 1 M V SchG, § 50 Abs. 1 S. 1 NdsSchG, § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG; § 20 Abs. 1 S. 1 RPSchG, § 30 Abs. 1 S. 1 LSA-SchG, § 83 Abs. 1 S. 1 SH-SchG, § 34 Abs. 2 S. 1 ThürSchG. In Berlin und im Saarland erstreckt sich diese Verantwortung ausdrücklich auch auf die

106

D. Das Innenverhältnis

festgeschrieben, dass die pädagogische Freiheit der Lehrer nicht unnötig oder unzumutbar eingeschränkt werden darf. 111 In einigen Ländern sind die Schulaufsichtsbehörden und bzw. oder die Schulleiter darüber hinaus nur unter bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt, in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer einzugreifen. 112 Wie im Folgenden aufgezeigt werden soll, herrscht in der einschlägigen Literatur allerdings die Auffassung vor, dass sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung bestenfalls eine objektive Beschränkung der Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse, unter keinen Umständen aber subjektiven Rechte der Lehrer ergebe [ 1.]. Dementsprechend haben die Obergerichte Lehrern, die sich gerichtlich gegen dienstliche Anordnungen zur Wehr setzen wollten, die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis abgesprochen [2.]. Tatsächlich lässt sich diese restriktive Auslegung jedoch weder mit der Entstehungsgeschichte der Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer noch mit ihrer systematischen Stellung im Gesamtsystem des öffentlichen Dienstrechts vereinbaren. Vielmehr ergeben diese Bestimmungen grundsätzlich überhaupt nur dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, dass sie einen Anspruch der Lehrer darauf begründen, dass ihre Vorgesetzten nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Tätigkeit eingreifen [3.].

Leistungsbewertungen, vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 BerlSchVerfG, § 28 Abs. 1 S. 1 SaarSchOG; in Hamburg und Hessen auch auf die Beratung und Betreuung, vgl. § 88 Abs. 2 HambSchG, § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG. In Bremen hat das gesamte schulische Personal die ihm durch das Schulgesetz auferlegten Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, vgl. § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG. 111

Vgl.§ 67 Abs. 2 S. 2 BbgSchG, § 59 Abs. 2 S. 2 BremSchG, § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG, § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG. 112

Zwar behauptet AvenariusiHeckel, Tz. 16.22, dass solche Beschränkungen „nahezu überall" gelten würden. Tatsächlich sind aber nur in fünf Ländern die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter und der Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt, vgl. §§9 Abs. 2, 22 Abs. 3 BerlSchVerfG, §§ 71 Abs. 2 S. 2, 130 Abs. 2 S. 3 BbgSchG, §§ 88 Abs. 4 S. 2, 93 Abs. 3 HessSchG, §§ 43 Abs. 3, 121 Abs. 2 NdsSchG sowie §§ 16 Abs. 4, 67 Abs. 2 SaarSchMG. In fünf weiteren Ländern wurden immerhin die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt, vgl. § 12 Abs. 2 und 3 BremSchG, § 95 Abs. 4 M V SchG, § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG, § 26 Abs. 5 S. 4 LSA-SchG sowie §§ 3 Abs. 2 ThürSchAG. In Rheinland-Pfalz ist schließlich nur der Schulleiter bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränkt, nicht jedoch die Schulaufsichtsbehörden, vgl. § 21 Abs. 2 S. 1 RP-SchG. Damit bleiben aber immer noch fünf keineswegs unbedeutende Länder (BadenWürttemberg, Bayern, Hamburg, Sachsen und Schleswig-Holstein), in denen weder die Befugnisse der Schulleiter noch die der Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt worden sind.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

107

1. Die pädagogische Eigenverantwortung in der Literatur Die Forderung, den Lehrern pädagogische Freiheit einzuräumen, ist keineswegs neu: Bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts hatte sich mit der so genannten Reformpädagogik eine erziehungswissenschaftliche Schule entwickelt, zu deren zentralen Anliegen es gehörte, den Lehrer und die einzelne Schule aus dem Korsett der hierarchischen Staatsverwaltung herauszulösen. Auch in der von Eduard Spranger begründeten Kulturpädagogik spielte die schulische Selbstverwaltung und die pädagogische Freiheit der Lehrer eine große Rolle. Dementsprechend war die Organisation des Schulwesens eines der zentralen Themen der bereits mehrfach erwähnten Reichsschulkonferenz im Jahre 1920. 113 Nachdem sich der Staat jedoch gerade erst mit der Weimarer Reichsverfassung die Schulhoheit verschafft hatte, konnten sich die Forderungen nach pädagogischer Autonomie zunächst nicht durchsetzen.

a) Die erste Phase: Vom In-Kraft-Treten des Grundgesetzes bis zum Musterentwurf für ein Landesschulgesetz In den fünfziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts haben dann vor allem Hellmut Becker und Hans Heckel die Forderung aufgenommen, den Lehrern pädagogische Freiheit zu gewähren, weil sie andernfalls überhaupt nicht dazu in der Lage seien, ihrer Erziehungsaufgabe nachzukommen.114 Die Frage, ob den Lehrern auch ein entsprechender Rechtsanspruch eingeräumt werden sollte, blieb dabei allerdings noch völlig offen. Tatsächlich wäre angesichts der damals immer noch vorherrschenden oder zumindest doch sehr weit verbreiteten Vorstellung vom Beamtenverhältnis als „besonderem Gewaltverhältnis" wohl kaum jemand auch nur auf den Gedanken gekommen, die pädagogische Freiheit als subjektives Recht der Lehrer anzusehen. Genau damit lässt sich wohl auch erklären, wieso die Frage, ob und welche subjektiven Rechte sich aus den ab 1961 zunächst in das hessische Schulverwaltungsgesetz und später auch in die Schulgesetze einiger anderer Bundesländer eingeführten Bestimmungen über die pädagogische Freiheit und Verantwortung der Lehrer ergeben, zunächst überhaupt nicht diskutiert wurde. Vielmehr definierte Hans-Ulrich Evers die pädagogische Freiheit noch auf der Kieler Staatsrechtslehrertagung im Jahre 1964 als bloßen Reflex, der sich schlicht daraus ergebe, 113 Vgl. vor allem Spranger, Schulverfassungslehre, passim; ders., Lehrerbildung, S. 261, 271. 114 So besonders nachdrücklich Becker, Merkur 1954, S. 1155, 1165 ff.; Heckel, Schulrechtskunde 1, S. 168; ders., ZBR 1957, S. 217, 218.

D. Das Innenverhältnis

108

dass die Schulaufsichtsbehörden nicht jedes Detail selbst regeln können. 115 Zwar sei dieser Freiraum durch die kurz zuvor in Hessen, Baden-Württemberg und dem Saarland 116 erlassenen Bestimmungen in gewisser Weise rechtlich abgesichert worden. Auch sei die pädagogische Freiheit den Lehrern zumindest auch um ihrer selbst willen eingeräumt worden, weil von ihnen verlangt werde, im Unterricht alle geistigen und seelischen Kräfte einzusetzen und sich in unvergleichlich höherem Maße als der Beamte der Verwaltung mit ihrer Aufgabe zu identifizieren. Dennoch stehe die letzte Konsequenz noch aus, nämlich den Lehrern trotz ihrer grundsätzlichen Weisungsbindung ein Recht auf pädagogische Freiheit zuzugestehen, auf das sie sich gegebenenfalls auch vor den Verwaltungsgerichten berufen könnten. 117 Auch Evers' Ko-Referent Ernst-Werner Fuß erwähnte zwar den Umstand, dass die pädagogische Eigenverantwortung in einigen neueren Schulgesetzen festgeschrieben worden sei, 118 betonte dann aber, dass es sich tatsächlich nur um einen „faktischen Ermessensspielraum" handele, der sich daraus ergebe, dass Lehren und Erziehen nun einmal ein ungemein differenzierter Vorgang sei. 119 Noch einige Zeit später haben sich Ekkehart Stein 120 und Thomas Oppermann 121 mit der Stellung der Lehrer auseinander gesetzt, ohne die einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze auch nur zu erwähnen.

Selbst Hans Heckel, der maßgeblich an der Formulierung des hessischen Schulverwaltungsgesetzes von 1961 beteiligt war, wollte aus den Bestimmungen über die pädagogische Freiheit und Verantwortung zunächst keinen umfassenden Abwehranspruch der Lehrer ableiten. Zwar sei die beamtenrechtliche Stellung der Lehrer durch diese Bestimmungen in gewisser Weise modifiziert worden. 122 Das 115

Evers, VVDStRL (23) 1964, S. 147, 179 ff.

116

§ 45 Abs. 2 HessSchVwG 1961, § 22 Abs. 2 BW-SchVOG, § 37 SaarSchOG.

117

Evers VVDStRL (23) 1964, S. 147, 181 f.

118

Fuß, VVDStRL (23) 1964, S. 199, 223.

119

A.a.O., S. 224.

120

Stein, Selbstentfaltung, passim.

121

Oppermann, Kulturverwaltungsrecht S. 258 ff. Noch am Ende der achtziger Jahre ging Oppermann ohne weiteres davon aus, dass den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung kein eigenständiger Regelungsgehalt zukomme, da sie lediglich eine „Sondersituation des Lehrer-Beamtenstatus Kraft Natur der Sache" andeuten würden, vgl. Oppermann, Bildung, S. 779, 814. 122

Heckel, ZBR 1965, S. 129,130 ff., ders., Schulrecht und Schulpolitik, S. 198 ff.; vgl. auch Gabler, RdJB 1982, S. 216,218; Hall, S. 89. Dagegen Pöttgen, ZBR 1966, S. 48,49, der davon ausgeht, dass der aus der Pädagogik übernommene Begriff der pädagogischen Freiheit keine Rechts Wirkungen entfalten könne - obwohl er selbst in Fn. 12 auf S. 49

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

109

ändere aber nichts daran, dass die Schulaufsichtsbehörden gegebenenfalls dazu verpflichtet seien, die Recht- und Zweckmäßigkeit schulischer Maßnahmen umfassend zu überprüfen. Andernfalls würde nicht nur das Anliegen des § 68 V w G O , sondern auch die Schulaufsicht leer laufen. 1 2 3 Wobei bereits hier festzuhalten ist, dass diese Argumentation nicht überzeugen kann: § 68 VwGO begründet keine Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse, sondern setzt diese vielmehr voraus. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass die Widerspruchsbehörde die Zweckmäßigkeit eines Verwaltungsaktes im Vorverfahren nur dann und nur insoweit überprüfen kann, als sie im Wege der Fachaufsicht dazu berechtigt wäre, der Ausgangsbehörde verbindliche Weisungen zu erteilen. 124 Im Übrigen läuft die Schulaufsicht auch bei einer partiellen Beschränkung der Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse keineswegs völlig leer. Daher hat Heckel seine grundsätzlichen Bedenken einige Jahre später wieder aufgegeben. 125 Immerhin soll der einzelne Lehrer nach Heckeis Ansicht jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen nicht dazu verpflichtet sein, seine früheren Entscheidungen aufgrund einer Anordnung seiner Vorgesetzten selbst zu korrigieren - was die Schulaufsichtsbehörden jedoch nicht daran hindere, die Angelegenheit gegebenenfalls an sich zu ziehen und i m Wege des Selbsteintritts eine Entscheidung zu treffen. 1 2 6 Erst gegen Ende der sechziger Jahre k a m Martin Stock in seiner grundlegenden Untersuchung über die pädagogische Freiheit und den politischen Auftrag der Schule zu dem Ergebnis, dass ein - keineswegs grenzenloses - subjektives Recht darauf hinweist, dass § 45 Abs. 2 HessSchVwG 1961 genau diesen Begriff verwendet. Dabei handele es sich aber nur um eine „mehr programmatische Aussage"; dagegen wiederum Heckel, ZBR 1966, S. 84 f. 123

Heckel, ZBR 1965, S. 129, 130.

124

Dazu statt vieler BVerwGE 70, S. 4, 10; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, § 68 VwGO; Rn. 9/16; Eyermann-Rennert, § 68 VwGO, Rn. 14 f.; Schenke, Rn. 685; sowie ausführlicher unten unter D.IV.2.a. 125 Vgl. Heckel!Seipp, S. 209, wo Heckel davon spricht, dass die Lehrer durch die Regelungen über die pädagogische Eigenverantwortung einen der richterlichen Unabhängigkeit angenäherten beamtenrechtlichen Sonderstatus hätten, wobei die Befugnisse der Fachaufsicht allerdings in gewissem Umfang bestehen bleiben müssten. 126

Heckel, ZBR 1965, S. 129, 132; interessanterweise ist Heckel dabei nicht auf die Frage eingegangen, ob der Lehrer seine Rechte gegebenenfalls gerichtlich geltend machen kann. Obwohl damit eine gewisse Vermutung dafür besteht, dass er die pädagogische Freiheit auch insofern nur als objektive Beschränkung der Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse angesehen hat, könnte es sein, dass Heckel meinte, auf diese Frage nicht näher eingehen zu müssen, weil es in der Praxis ohnehin vor allem darum geht, ob und unter welchen Umständen ein Lehrer disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er sich weigert, einer Anordnung seiner Vorgesetzten nachzukommen.

110

D. Das Innen Verhältnis

auf pädagogische Freiheit notwendiges Systemelement einer emanzipatorischen Schulverfassung sei. 127 Bei der pädagogischen Freiheit handele es sich daher um ein subjektives Recht der Lehrer, das - ganz ähnlich wie das elterliche Erziehungsrecht - einen in gewisser Weise fiduziarischen Charakter habe.128 Allerdings ging auch Stock ohne weiteres davon aus, dass es zur Begründung eines weisungsfreien Bereiches nicht ausreiche, wenn der Gesetzgeber die unmittelbare pädagogische Verantwortung der Lehrer festgeschrieben habe. 129 Vielmehr stützte er sich maßgeblich auf die Regelungen des hessischen Schulverwaltungsgesetzes von 1961, 130 das zum einen in § 45 Abs. 2 ausdrücklich vorsah, dass die pädagogische Freiheit der Lehrer nur beschränkt werden solle, soweit es notwendig ist. 131 Zum anderen ergab sich aus dem im März 1969 neu in das HessSchVwG 1961 eingefügten § 55, dass die Schulaufsichtsbehörden im Rahmen der Fachaufsicht pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen nur dann aufheben, zur erneuten Beschlussfassung zurückverweisen und alsdann erforderlichenfalls selbst entscheiden konnten, wenn - gegen wesentliche Verfahrensvorschriften verstoßen, - vor unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen, - gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Schüler verstoßen worden sei. 132

127

Stock, Freiheit, S. 237 ff. und insbesondere S. 243 ff.

128

So Stock, Freiheit, S. 244, etwas zurückhaltender hingegen ders., RdJB 1986, S. 212, 224 zu § 20 Abs. 1 RP-SchG von 1974; vgl. auch Ossenbühl, DVB1. 1982, S. 1157,1159, m.w.N., der allerdings nur daraufhinweist, dass eine solche Auslegung zulässig sei, ohne selbst Stellung zu nehmen. 129

Zumindest geht Stock, Freiheit, S. 17 ff., bei der Darstellung der einschlägigen Regelungen nicht darauf ein, ob sich aus ihnen subjektive Rechte der Lehrer herleiten lassen. 130 Vgl. Stock, Freiheit, S. 19; in Bezug auf die anderen Länder äußerte sich Stock, Freiheit, S. 35 ff., demgegenüber deutlich zurückhaltender: Wenn überhaupt, werde nur die unmittelbare pädagogische Verantwortung der Lehrer erwähnt, nicht jedoch ihre pädagogische Freiheit. Außerdem fehle es an einer Bestimmung über die Reichweite der Schulaufsicht. 131 Die §§-Zählung wurde infolge einer Neubekanntmachung des Gesetzes im Jahre 1969 geändert (GVB1. S. 87). In der ursprünglichen Fassung des HessSchVwG 1961 hatte es sich um § 38 gehandelt. 132 Vgl. dazu Stock, Freiheit, S. 25. Interessanterweise ging Stock in diesem Zusammenhang nicht auf die Frage ein, ob und inwiefern auch die Weisungsbefugnisse des Schulleiters beschränkt sind.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

111

Bis zum Ende der siebziger Jahre setzte sich dementsprechend die Auffassung durch, dass sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer jedenfalls außerhalb von Hessen - und Niedersachsen 133 - schon deshalb keine justitiablen Rechtsansprüche ergeben könnten, weil die Lehrer nach den klaren Vorgaben der Schulgesetze nicht nur die einschlägigen Gesetze und Rechtsverordnungen zu beachten hatten, sondern auch an Verwaltungsvorschriften, Konferenzbeschlüsse und die Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden waren. 134

b) Die zweite Phase: Der Musterentwurf der „ Kommission Schulrecht " des Deutschen Juristentags Zu Beginn der achtziger Jahre wurde die Diskussion über die pädagogische Freiheit der Lehrer durch die Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages im Jahre 1976 in Stuttgart, 135 den 5. Deutschen Verwaltungsrichtertag im Jahre 1977 in Mannheim 136 und vor allem durch den 1981 von der Schulrechtskommission des Juristentages veröffentlichten Entwurf für ein Landesschulgesetz befördert und in eine ganz neue Richtung gelenkt. Die Schulrechts-Kommission war auf Anregung von Ingo Richter im Jahre 1976 durch den 51. Deutschen Juristentag eingesetzt worden und hatte den Auftrag, die von der Abteilung „Schule im Rechtsstaat" verabschiedeten Grundsätze 133

Dort hatte man das Schulgesetz zunächst im Jahre 1974 nach dem hessischen Vorbild reformiert, vgl. § 101 Abs. 2 NdsSchG vom 30.4.1974, GVB1. S. 289. Diese Regelungen wurden aber nach einem Regierungswechsel im Jahre 1980 wieder aufgehoben, vgl. die Neubekanntmachung des Gesetzes vom 6.11.1980, GVB1. S. 426. Wesentlich zurückhaltender waren § 9 Abs. 2 BerlSchVerfG sowie § 67 Abs. 2 SaarSchMG formuliert, die nur eine „soH"-Bestimmung enthielten, vgl. dazu schon HeckeilSeipp, S. 165. 134 Vgl. dazu Mickel, RdJB 1975, S. 353; Perschel, Pädagogische Freiheit, S. 494,495; Roellecke, DÖV 1976, S. 515, 516 f.; Starch , DÖV 1979, S. 269, 272 ff.; vgl. auch Deutscher Juristentag, S. 306, sowie Heckel!Seipp, die zwar auf S. 209 betonen, dass die pädagogische Freiheit in allen Ländern gesetzlich verankert oder zumindest anerkannt sei, auf S. 164 f. jedoch darauf verweisen, dass es nur in Berlin, Hessen, Niedersachsen und dem Saarland ausdrückliche Beschränkungen gab (vgl. § 9 Abs. 2 BerlSchVerfG, § 67 Abs. 2 SaarSchMG, § 55 HessSchVwG 1961 sowie § 101 NdsSchG in der bis 1980 geltenden Fassung). 135

Vgl. dazu vor allem das Gutachten von Oppermann („Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentlichen Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen"), sowie die Referate von Richter, S. M 10 ff. und Niehues, Referat, S. M 40 ff. und den umfassenden Beitrag von Starck, NJW 1976, S. 1375 ff. 136

Vgl. dazu vor allem den Beitrag „Schule im Rechtsstaat" von Ossenbühl, DÖV 1977, S. 801 ; zum Verwaltungsrichtertag und seinen Ergebnissen auch Stüer, RdJB 1978, S. 46 ff.

112

D. Das Innenverhältnis

und Forderungen für eine rechtsstaatlich verfasste Schule, für die Verwirklichung des Demokratie- und Sozialstaatsprinzips im Schulwesen, für die bessere Verwirklichung von Grundrechten in den Schulsystemen der Länder und zur Förderung des Bildungsrechts und der Bildungsverwaltung in Musterentwürfe umzusetzen, die den Ländern eine hinreichend koordinierte Kodifikation des Schulrechts erleichtern sollten. 137 Diese Kodifikation war unvermeidbar geworden, nachdem sich seit der Verabschiedung des Grundgesetzes ganz allmählich die Erkenntnis durchgesetzt hatte, dass die Grundrechte und damit auch der Vorbehalt des Gesetzes auch im Schulverhältnis gelten müssen.138 Obwohl die Kultusministerkonferenz und insbesondere die unionsregierten Bundesländer in der Folgezeit zu verstehen gegeben haben, dass sie sich durchaus dazu in der Lage sahen, auch ohne die Hilfe einer solchen Kommission die notwendigen Konsequenzen aus den veränderten Rahmenbedingungen zu ziehen, 139 konstituierte sich die Kommission im April 1978 und trat bis zum Juni 1980 neunmal zu mehrtägigen Plenarsitzungen zusammen. Daneben fanden zahlreiche Ausschusssitzungen statt. 140 Außerdem wurden mehrere umfangreiche Gutachten in Auftrag gegeben.141 Zwar hatte die Frage, wie den Lehrern ein hinreichender Freiraum für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit gesichert werden kann, in den Verhandlungen des Juristentages selbst noch kaum eine Rolle gespielt. Nachdem gegen Ende der siebziger Jahre immer wieder gefordert worden war, die pädagogische Freiheit

137

Vgl. dazu Deutscher Juristentag, S. 15 und 408 ff.

138

Vgl. dazu insbesondere BVerfGE 41, S. 251; BVerfGE 47, S. 46; und schon früher VGH Mannheim, DVB1. 1961, S. 523; OVG Hamburg, DÖV 1973, S. 54; sowie das Oppermann, DJT-Gutachten, S. C 47 ff., Richter, Referat, S. M 10 ff.; Niehues, Referat, S. M 40, 42 ff.; außerdem Dietze, JZ 1976, S. 367; Evers, JuS 1977, S. 804, 806 ff.; Nevermann, VerwArch 1980, S. 241,242 f.; Ossenbühl, DÖV 1977, S. 810,802 f.; Starck, NJW 1976, S. 1375, 1376. Bereits auf der Kieler Staatsrechtslehrertagung 1964 hatten sich die Referenten Evers, VVDStRL (23) 1964, S. 147, 153 ff., und Fuß, VVDStRL (23) 1964, S. 199, 205 ff., ähnlich geäußert. Im Laufe der Diskussion war allerdings noch heftige Kritik an der These geäußert worden, der Vorbehalt des Gesetzes gelte auch hier; vgl. etwa die Beiträge von Peters, VVDStRL (23) 1964, S. 249, 251 f.; Ipsen, VVDStRL (23) 1964, S. 267, 269; Bettermann, VVDStRL (23) 1964, S. 269, 272. 139

Vgl. dazu Deutscher Juristentag, S. 412.

140

Der Kommission gehörten 25 Mitglieder aus Wissenschaft, Ministerial- und Kommunalverwaltung an. 141

Zur Normsetzung im Schulbereich (durch Kisker und Scholz!Bismark, jeweils passim), sowie zum Privatschulwesen (durch Avenarius, Gesetzesvorbehalt, passim).

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

113

vor der (vermeintlichen) Regelungswut des Gesetzgebers zu bewahren, 1 4 2 kam die Kommission aber nicht umhin, sich auch mit dieser Frage auseinander zu setzen. Besonders deutlich hatte sich insofern das Bundesverfassungsgericht geäußert, das im Rahmen seiner Entscheidung über die Zulässigkeit des Sexualkundeunterrichts an öffentlichen Schulen nicht nur festgestellt hatte, dass der Gesetzgeber dazu verpflichtet sei, die wesentlichen Grundlagen des Schul Verhältnisses selbst zu regeln, sondern zugleich betont hatte, dass bei der gesetzlichen Fixierung verbindlicher Zielbestimmungen und den darauf ausgerichteten Anleitungen zur Durchführung des Unterrichts große Zurückhaltung geboten sei. Insbesondere müssten die entsprechenden Festlegungen daraufhin überprüft werden, ob sie der pädagogischen Freiheit genügend Raum lassen und ob dem Lehrer im Unterricht noch der Spielraum verbleibe, den er brauche, um seiner pädagogischen Verantwortung gerecht werden zu können. 143 Einige Jahre später hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit der Frage, ob die Voraussetzungen für die Versetzung in die nächsthöhere Klassenstufe gesetzlich geregelt werden müssen, allerdings festgestellt, dass die - wie auch immer begründete pädagogische Freiheit der Lehrer tatsächlich weniger durch den Gesetzgeber gefährdet wird, als vielmehr durch die oft bis zum Perfektionismus gesteigerte Bürokratisierung des Schulwesens. Das Gericht wies daher völlig zu Recht darauf hin, dass die systematische Kodifikation des Schulrechts zu keiner Beschränkung, sondern vielmehr zu einer Absicherung des pädagogischen Freiraums der Lehrerschaft führt, weil infolge der verfassungsrechtlich gebotenen parlamentarischen Leitentscheidungen eine Vielzahl administrativer Bestimmungen, Detailregelungen und Einzeleingriffe obsolet wird. 1 4 4 Nachdem auf der einen Seite alle Versuche gescheitert waren, die pädagogische Freiheit der Lehrer verfassungsrechtlich zu begründen, 1 4 5 und w e i l diese Freiheit auf der anderen Seite nach der auch von der Kommission Schulrecht geteilten, 1 4 6 v ö l l i g herrschenden Auffassung durch die geltenden Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung nicht hinreichend abgesichert werde, schlug die Kommission vor, die Lehrer in Zukunft i n Bezug auf die Erziehung und den Unterricht nur noch an Rechtsvorschriften und Konferenzbeschlüsse zu binden

142

Vgl. etwa Pieske, DVB1. 1979, S. 329 ff.; Kopp, DÖV 1979, S. 890 ff.

143

BVerfGE Al, S. 46, 83.

144

BVerfGE 58, S. 257, 271.

145 Vgl. dazu oben unter D.I. Auffallenderweise hat das Bundesverfassungsgericht in seiner „Sexualkunde"-Entscheidung völlig offen gelassen, ob und inwiefern die pädagogische Freiheit der Lehrer im Verfassungsrecht verankert ist. Nachdem es sich bei seinen Ausführungen ohnehin nur um ein obiter dictum handelte, musste es das auch nicht tun. Tatsächlich besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Gericht lediglich die Gelegenheit genutzt hat, um sich zu der aktuellen bildungspolitischen Diskussion äußern zu können. 146

Deutscher Juristentag, S. 306.

114

D. Das Innenverhältnis

und die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden insofern auf eine reine Rechtsaufsicht zu beschränken. 147 O b w o h l die Kommission Schulrecht gleichzeitig gefordert hatte, viele der bis dahin lediglich durch Verwaltungsvorschriften geregelten Sachverhalte i n Zukunft zum Gegenstand von Rechts Verordnungen 148 oder gar der Schulgesetze zu machen, sodass der Verzicht auf eine umfassende Fachaufsicht jedenfalls i m Ergebnis deutlich weniger gravierende Auswirkungen gehabt hätte, als das auf den ersten B l i c k den Anschein haben m a g , 1 4 9 stießen ihre Vorschläge zur Stellung des Lehrers sowohl i n den Kultusministerien als auch i n großen Teilen der einschlägigen rechtswissenschaftlichen Literatur auf heftige A b l e h n u n g . 1 5 0 A m deutlichsten wurden die Bedenken w o h l von Gerhard Eiselt formuliert: Nach seiner Ansicht handelt es sich bei der Forderung, die Schulaufsicht auf eine reine Rechtsaufsicht zu beschränken, u m einen „höchst gefährlichen

Vor-

schlag", 1 5 1 da sich der Staat damit der Möglichkeit begebe, die Schüler vor w i l l 147

Vgl. dazu §§ 67 Abs. 4 S. 2 und 73 DJT-SchGE sowie die Begründung dazu in Deutscher Juristentag, S. 310 bzw. 318. Der Schulleiter sollte darüber hinaus für die Beachtung der Konferenzbeschlüsse verantwortlich sein. Die Schulrechts-Kommission konnte sich insofern auf die Empfehlungen der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates zur Reform von Organisation und Verwaltung im Bildungswesen aus dem Jahre 1973 stützen: Danach solle es im Kooperationsverhältnis von Schule und Schulaufsicht nur dann Weisungen geben, wenn Gremien oder Personen der Schule die von den Schulaufsichtsbehörden festzulegenden Rahmenrichtlinien verletzen, vgl. Deutscher Bildungsrat, Verstärkte Selbständigkeit der Schule, S. 35 und S. A 125. Schon drei Jahre zuvor hatte sich die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates in ihrem „Strukturplan für das Bildungswesen" für die „materielle Selbstverwaltung"der öffentlichen Schulen ausgesprochen, Deutscher Bildungsrat, Strukturplan, S. 262 ff.; vgl. dazu Stock, AöR 1971, S. 392 ff.; ders., RdJB 1972, S. 225, 229. 148

Dies betrifft insbesondere die Lehrpläne; vgl. § 7 Abs. 1 DJT-SchGE, wobei die Unterrichtsinhalte in diesen Lehrplänen gemäß § 8 Abs. 1 S. 2 DJT-SchGE allerdings wiederum nur in dem Maße bestimmt werden sollten, wie es erforderlich ist, um die wesentlichen Ziele der Unterrichtsfächer zu erreichen. 149

Auch die Kommission Schulrecht war sich völlig im Klaren darüber, dass ihr Versuch, den Lehrern einen rechtlich geschützten Freiraum zu verschaffen, letztendlich nur dann gelingen konnte, wenn sich die Gesetz- und Verordnungsgeber größere Zurückhaltung auferlegen würden als es bis dahin üblich war. 150 Zustimmung fand der Vorschlag der Kommission lediglich bei Pieroth, Der Staat 1985, S. 101, 106. Die positiven Äußerungen von W. Geiger, S. 92, 94, dem der Entwurf sogar noch nicht weit genug ging; sowie von Hennecke, Fachaufsicht - Rechtsaufsicht, S. 104,116 ff., sind nicht maßgeblich, da diese Autoren selbst Mitglieder der Kommission Schulrecht gewesen waren. 151

Vgl. Eiselt, RdJB 1981, S. 169, 170 f.; ders., DÖV 1981, S. 821, 826 f.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

115

kürlichen Entscheidungen und der Indoktrination durch die Lehrer zu schützen. Dies stehe aber im Widerspruch zum Grundgedanken der Schulaufsicht, die im Rechtsstaat nicht mehr allein dem Interesse und der Aufgabe des Staates diene, sondern sich auch der Wahrung der Kindes- und Elternrechte anzunehmen habe. 152 Die Vorschläge der Schulrechts-Kommission seien vor allem deshalb höchst bedenklich, weil angesichts der nur beschränkten gerichtlichen Überprüfung von Prüfungsentscheidungen der verwaltungsinternen Kontrolle eine besonders große Bedeutung zukomme. Während die Schulaufsichtsbehörden bisher häufig nur ihre pädagogische Sicht an die Stelle der Sicht des Lehrers gesetzt habe, müsse sie ihm nun gegebenenfalls einen Rechtsverstoß vorwerfen, um eine Entscheidung aufheben zu können. Es sei zu befürchten, dass die Behörden aufgrund des nicht geringen Prozessrisikos vor diesem Vorwurf zurückschrecken würden - während die Lehrer, die ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit hätten, umgekehrt mit Unterstützung ihrer Berufsverbände gegen die Schulaufsicht prozessieren würden. Unabhängig davon, dass die Schüler und ihre Eltern den Lehrern häufig ohnehin bildungsmäßig und dialektisch unterlegen seien und aus der Befürchtung, an anderer Stelle „bestraft" zu werden, davor zurückschrecken würden, die schulischen Gremien anzurufen, könne ein Appell an diese Gremien kein Ersatz für das Anrufen der zur Neutralität verpflichteten Schulaufsicht sein. Die Vorschläge der Schulrechts-Kommission würden somit lediglich dazu führen, dass die Rechtsstellung der Lehrer völlig grundlos zu Lasten der Rechte ihrer Schüler verbessert werde. 153 Angesichts dieser heftigen Kritik ist es kein Wunder, dass sich kein Landesgesetzgeber dazu entschließen konnte, die Vorschläge der Schulrechts-Kommission zur Rechtsstellung der Lehrer zu übernehmen. Obwohl die Kommission damit letztendlich grandios gescheitert ist, 154 sei an dieser Stelle dennoch darauf hinge152

Eiselt, DÖV 1981, S. 821, 822.

153

Eiselt, RdJB 1981, S. 169,171; vgl. dazu schon früher Oppermann, DJT-Gutachten, S. 42; Roellecke, DÖV 1976, S. 515,517; Starck, NJW 1976, S. 1375,1378 f.; ders., DÖV 1979, S. 269, 273 f. Auch Gallwas, S. 71, 87, sprach sich gegen ein echtes subjektives Recht auf pädagogische Freiheit aus, wollte den Lehrern de lege ferenda aber immerhin die Möglichkeit verschaffen, sich in einer Art Remonstrationsverfahren gegen Weisungen ihrer Vorgesetzten zur Wehr zu setzen. Kritisch zum Entwurf der Schulrechts-Kommission äußerten sich unter anderem auch Falckenberg, RdJB 1981, S. 174, 178; Franck, RdJB 1981, S. 179, 181; Gampe, S. 137 ff./140 f.; Ossenbühl, DVB1. 1982, S. 1157, 1161 f.; Sendler, DVB1. 1982, S. 381, 388 f. Auch die Kultusministerkonferenz hat sich gegen den Vorschlag ausgesprochen, vgl. Beschluss vom 11./12.3.1982, RdJB 1982, S. 252 ff. 154

Vgl. dazu auch Höfling, Pädagogische Freiheit, S. 62, 68 ff.; ders., DÖV 1988, S. 416, 417 ff.; Richter, Schule im Rechtsstaat, S. 15.

116

D. Das Innenverhältnis

wiesen, dass die Kritik zunächst und in erster Linie bildungspolitisch begründet worden war. Das Grundanliegen der Kommission, den Lehrern aufgrund ihrer größeren Sachnähe eine möglichst weit gehende Autonomie zuzubilligen, wurde hingegen auch von den meisten Kritikern akzeptiert. 155 Nach deren Ansicht soll die Schulaufsicht jedoch nicht nur den Rechten der Schüler zur Durchsetzung verhelfen, sondern die Kinder und Jugendlichen darüber hinaus - auch und insbesondere im Zusammenhang mit schulischen Prüfungen - vor „unfähigen Lehrern" und Entscheidungen schützen, die ihrer pädagogischen Situation nicht gerecht werden. Daher müsse den Schulleitern und den Schulaufsichtsbehörden die Möglichkeit erhalten bleiben, im Einzelfall wirksam einzugreifen. 156 Nur Ossenbühl wies ganz am Rande und ohne näher auf dieses Problem einzugehen, darauf hin, dass eine Beschränkung der Fachaufsicht möglicherweise mit dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht im Sinne von Art. 7 Abs. 1 GG unvereinbar sein könnte. 157 Und Eiselt meinte sogar, dass das Recht der Schulaufsicht und ihre Pflicht zur Korrektur des Lehrerverhaltens „aus verfassungsrechtlichen Gründen" Vorrang vor der wie auch immer zu begründenden pädagogischen Freiheit habe, da die Effektivität der parlamentarischen Verantwortung gewährleistet werden müsse. 158 Auch er erschöpfte sich jedoch in einer bloßen Behauptung, die eine differenzierte Auseinandersetzung mit den verfassungsrechtlichen Beschränkungen der pädagogischen Freiheit nicht ersetzen kann.

c) Die dritte Phase: Die Entwicklung seit Mitte der achtziger Jahre Die Frage, ob die Lehrer einen Anspruch auf pädagogische Freiheit haben, hat in der rechtswissenschaftlichen Literatur seit Mitte der achtziger Jahre praktisch keine Rolle mehr gespielt. 159 Im Ergebnis hat sich mit ganz wenigen Ausnahmen 160 sowohl im Schrifttum 161 als auch in der Kommentarliteratur 162 die bereits 155

Vgl. dazu etwa Eiselt, DÖV 1981, S. 821, 824 f.; Ossenbühl, DVB1. 1982, S 1157,

1159. 156

Eiselt, DÖV 1981, S. 821, 830.

157

Ossenbühl, DVB1.1982, S. 1157,1162; vgl. auch Maunz, S. 269,276, der allerdings zu dem Ergebnis kommt, dass Art. 7 Abs. 1 GG es nicht verbietet, dem Lehrer eine gewisse ,,Gestaltungsfreiheit' ' einzuräumen. 158

Eiselt, DÖV 1981, S. 820, 825.

159

Ausnahmen bestätigen dabei wie immer die Regel, vgl. Hennecke, RdJB 1986, S. 233; Höfling, DÖV 1988, S. 416; sowie Maunz, S. 269 ff. Daneben gab es einige (kritische) Anmerkungen zu den obergerichtlichen Entscheidungen, vgl. etwa Burmeister, RdJB 1989, S. 415; Hufen, JuS 1995, S. 455; Stock, RdJB 1992, S. 241; ders., RdJB 1994, S. 151. 160

Nevermann, Enzyklopädie, S. 393,399 f., hat in der 1984 erschienenen Enzyklopädie der Erziehungswissenschaften die Auffassung vertreten, dass sich aus der pädagogischen Eigenverantwortung das zentrale Freiheitsrecht der Lehrer ergebe, weil das Rechtsinstitut

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

117

dargestellte Auffassung durchgesetzt, wonach sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigen Verantwortung schon deshalb nur eine objektive Verpflichtung der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden, jedoch kein justitiabler A n spruch der Lehrer ergeben kann, w e i l diese ihrerseits ausdrücklich dazu verpflichtet sind, Verwaltungsvorschriften und Einzelanordnungen zu befolgen. Da sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung wegen dieser Beschränkungen kein eingriffsfester pädagogischer Freiraum herleiten lasse, sei

der pädagogischen Freiheit den Lehrern einen der richterlichen Unabhängigkeit angenäherten beamtenrechtlichen Sonderstatus gewähre. Anstelle einer Begründung übernahm er aber lediglich eine apodiktische Formulierung Heckeis aus der 1976 erschienenen 5. Auflage der „Schulrechtskunde (.Heckel/Seipp, S. 209 ff.) - wobei Heckel selbst dabei nicht zu der Frage Stellung genommen hatte, ob die Lehrer einen justitiablen Abwehranspruch haben. Reich, § 30 LSA-SchG, Rn. 1, will aus den einschlägigen Bestimmungen des Schulgesetzes von Sachsen-Anhalt ein subjektives Recht der Lehrer ableiten. Zur Begründung verweist er darauf, dass die Bestimmungen über die pädagogische Freiheit und Verantwortung dem Grundrecht auf Wissenschaftsfreiheit nachempfunden worden seien. Obwohl Reich als Ministerialbeamter an den Beratungen über das Schulgesetz beteiligt war, enthebt ihn das keineswegs von der Verpflichtung, diese angesichts der offensichtlichen Unterschiede im Wortlaut von § 30 LSA-SchG einerseits und Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG andererseits, durchaus gewagte These zu begründen. Dieses Begründungsdefizit ist umso bemerkenswerter als Reich selbst im Vorwort zu seiner Kommentierung betont, sich nicht an „erkennbare Mehrheitsmeinungen, sondern nur an den veröffentlichten Text gehalten" zu haben. 161 Vgl. dazu etwa Elser/Haag, Schulverwaltung BW 1992, S. 79,81; W. Geiger, S. 92, 93; Niehues, Schulrecht, Rn. 516; sowie die Nachweise in der folgenden Fn. Auch AvenariusfHeckel, Tz. 19.421, geht - allerdings ohne nähere Begründung - davon aus, dass der Lehrer durch eine Anordnung der Schulaufsichtsbehörden nicht als Träger eigener Rechte betroffen sein könne. 162

Statt vieler beispielhaft v. Alberti/Wörz, § 38 BW-SchG, Anm. 3, und auch Holfelder/Bosse, S. 343 ff., die zwar betonen, dass sich die pädagogische Freiheit unmittelbar aus § 38 Abs. 2 BW-SchG ergebe, dabei aber daran festhalten, dass Lehrer gegebenenfalls auf ihr Remonstrationsrecht beschränkt sind. Etwa unklar äußern sich demgegenüber Hochstetter/Muser, § 38 BW-SchG, Anm. 7, die zwar ebenfalls betonen, dass die Lehrer aus § 38 Abs. 2 BW-SchG berechtigt und verpflichtet seien, dies aber nur auf das innerdienstliche Verhältnis beziehen und die Frage diskutieren, unter welchen Voraussetzungen ein Lehrer für seine Maßnahmen zur Verantwortung gezogen werden kann. Woltering/Bräth, § 50 NdsSchG, Anm. 12, meinen zwar, dass die Lehrer vor „schwerwiegenden und offenkundig fehlerhaften Eingriffen" in ihre pädagogische Freiheit geschützt seien. Anstelle einer Begründung verweisen sie jedoch lediglich auf eine frühe Entscheidung des OVG Lüneburg (2 OVG A 59/94), ohne darauf einzugehen, dass das OVG Lüneburg den Lehrern mittlerweile ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit ausdrücklich bestreitet (vgl. dazu gleich unter D.II.2.e).

118

D. Das Innenverhältnis

die pädagogische Freiheit im Ergebnis eine reine Maßgabefreiheit, die den Lehrern nur unter dem Vorbehalt gewährt worden sei, dass weder der Gesetz- und Verordnungsgeber, noch die Schulaufsichtsbehörden oder der Schulleiter Anlass dafür sehen, in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit einzugreifen. 163 Zwar gibt es einige Autoren, die den Lehrern dennoch ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit zugestehen wollen. Dieses Recht soll sich aber nicht unmittelbar aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer ergeben, sondern vielmehr daraus, dass die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden und bzw. oder der Schulleiter in einigen Ländern ausdrücklich beschränkt worden sind. 164 Tatsächlich liegt damit der Schluss nahe, dass es sich nicht nur um eine objektive Verpflichtung handelt. Allerdings haben die Lehrer nur dann einen Anspruch darauf, dass ihre Vorgesetzten nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen, wenn diese Beschränkungen verbindlich sind. Dies ist jedoch nur in Hessen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern der Fall. 165 In den übrigen Ländern handelt es sich um bloße Soll-Bestimmungen, aus denen sich bestenfalls ein in der Praxis kaum durchsetzbarer Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ausübung der Eingriffsbefugnisse herleiten lässt. 166 Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man sich vor Augen führt, dass die pädagogische Freiheit der Lehrer jedenfalls in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern ausdrücklich nicht „unnötig oder unzumutbar" beschränkt werden darf. Denn auch diese Formulierung legt den Schluss nahe, dass es sich hier um ein echtes Abwehrrecht handelt. 167 163

Burmeister, RdJB 1989, S. 415, 417.

164

Vgl. dazu insbesondere Niehues, Schulrecht, Rn. 514, 517 f.; vgl. auch Burmeister, RdJB 1989, S. 415,417; Fauser, S. 125 f.; Hennecke, RdJB 1986, S. 233, 237 f.; Pieroth, DVB1. 1994, S. 949, 958; Stock, RdJB 1986, S. 212, 224; sowie Höfling, DÖV 1988, S. 416, 420 f., Stein/Roell, S. 43, und schon früher Mahrenholz, RdJB 1980, S. 92, 95 f., die sich allerdings nicht eindeutig festlegen, ob sich aus den einschlägigen Bestimmungen in Bremen und Hessen subjektive Rechte der Lehrer ergeben. 165

Vgl. dazu §§ 88 Abs. 4 S. 2, 93 Abs. 3 HessSchG, §§ 43 Abs. 3, 121 Abs. 2 NdsSchG, sowie § 95 Abs. 4 MV-SchG in Bezug auf die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden, die Befugnisse des Schulleiters sind demgegenüber unbeschränkt. 166

Vgl. §§ 9 Abs. 2, 22 Abs. 3 BerlSchVerfG, §§ 71 Abs. 2 S. 2, 130 Abs. 2 S. 3 BbgSchG, §§16 Abs. 4, 67 Abs. 2 SaarSchMG, wo die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden und der Schulleiter beschränkt wurden. § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG, § 26 Abs. 5 S. 4 LSA-SchG, § 3 Abs. 2 ThürSchAG betreffen demgegenüber nur die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden, § 21 Abs. 2 S. 1 RP-SchG die des Schulleiters. 167 Allerdings enthält § 59 Abs. 2 S. 2 BremSchG eine vergleichbare Klausel, ohne dass die Befugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt wären. Umgekehrt fehlt eine vergleichbare Beschränkung in Niedersachsen.

II. Pädagogische Eigen Verantwortung und pädagogische Freiheit

119

d) Zusammenfassung und Kritik Folgt man der im einschlägigen Schrifttum fast einhellig vertretenen Auffassung, so ergeben sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer somit keine justitiablen Rechtsansprüche. Zwar ist es mittlerweile unbestritten, dass den Lehrern ein gewisser Freiraum für ihre Erziehungsund Unterrichtstätigkeit verbleiben muss. Da es sich hierbei aber nur um eine nicht justitiable institutionelle Garantie handeln soll, wäre die pädagogische Freiheit der Lehrer ein „klagloses Recht", dessen rechtliche Wirkung sich in einem bloßen Appell an die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden erschöpfen würde. 168 Damit erscheint diese pädagogische Freiheit eine bloße Maßgabefreiheit und die Lehrer hätten nur dann die Möglichkeit, Eingriffe in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit abzuwehren, wenn die Gesetzgeber die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse ihrer Vorgesetzten - wie in Hessen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern - ausdrücklich und verbindlich beschränkt haben. In der Tat stellt sich angesichts der in den einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze festgeschriebenen umfassenden Bindung der Lehrer an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Konferenzbeschlüsse und sonstige Anordnungen die Frage, was von einem aus den Bestimmungen über die pädagogischen Eigenverantwortung der Lehrer hergeleiteten subjektiven Recht auf pädagogische Freiheit gegebenenfalls übrig bleiben würde. Dennoch kann aus dem Umstand, dass ein Anspruch zahlreichen und sehr weit reichenden Beschränkungen unterliegt, nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass dieser Anspruch an sich überhaupt nicht existiert. Vielmehr kommt es umgekehrt für die Reichweite der Beschränkungen maßgeblich darauf an, ob die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden aufgrund der Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer nur objektiv beschränkt sind oder ob sich aus diesen Bestimmungen auch ein justitiables Abwehrrecht der Lehrer ergibt. Diese Frage ist aber bis heute nicht einmal gestellt, geschweige denn beantwortet worden. 169

168 169

Burmeister, RdJB 1989, S. 415, 417.

Burmeister, a.a.O., beschränkt sich auf die nicht näher begründete Feststellung, dass es ohne einen ausdrückliche Beschränkung der Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse nicht möglich sei, die so genannten „Wechselwirkungstheorie" anzuwenden. Das trifft letztendlich zwar zu, ändert aber nichts daran, dass die konkrete Reichweite der Eingriffsbefugnisse gegebenenfalls doch im Hinblick auf ein eventuelles subjektives Recht auf pädagogische Freiheit bestimmt werden muss.

120

D. Das Innen Verhältnis

2. Die pädagogische Freiheit in der Rechtsprechung Auch die Obergerichte gehen seit jeher davon aus, dass die Lehrer kein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit haben. Zumindest wurden fast alle Klagen, mit denen sich Lehrer unter Berufung auf ihre pädagogische Freiheit gegen dienstliche Anordnungen zur Wehr gesetzt haben, wegen der fehlenden Klagebefugnis für unzulässig erklärt. 170 Soweit ersichtlich haben sich bisher nur die Oberverwaltungsgerichte in Berlin, Lüneburg, Münster und Schleswig, sowie die Verwaltungsgerichtshöfe Kassel und Mannheim mit der pädagogischen Freiheit der Lehrer befasst. Interessanterweise sind die Entscheidungen fast durchweg nach dem Ende der im letzten Abschnitt dargestellten rechtswissenschaftlichen Diskussion ergangen. Nachdem die Gerichte auf eine ganz eindeutig herrschende Auffassung in der einschlägigen Literatur zurückgreifen konnten, ist es nicht weiter erstaunlich, dass sie relativ schnell zu einer einheitlichen Linie gefunden haben. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, halten aber auch die in der Rechtsprechung gegen ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit vorgebrachten Argumente keiner näheren Überprüfung stand.

170

OVG Berlin, SPE NF 470 Nr. 55; VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, S. 483; OVG Lüneburg, RdJB 1994, S. 147; OVG Lüneburg, N V w Z 1998, S. 94; OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2000, S. 161; VGH Mannheim, VB1BW. 1998, S. 108 f.; OVG Münster, ZBR 1992, S. 25; OVG Schleswig, ZBR 1992, S. 186 f.; so auch schon das VG Düsseldorf, RdJB 1985, S. 157; vgl. aber auch VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, S. 483. Soweit ersichtlich, gab es bisher nur einen einzigen Fall, in dem ein Gericht die Entscheidung eines Lehrers unter Berufung auf dessen pädagogische Freiheit aufrecht erhalten hat; vgl. VG Braunschweig, NVwZ-RR 1989, S. 549. Allerdings ging es in diesem Verfahren um eine wahre Bagatelle, nämlich die Frage der Sitzordnung im Klassenzimmer. Und da nicht der Lehrer, sondern der betroffene Schüler klagte, musste sich das Gericht auch nicht mit der Frage auseinander setzen, ob es sich hier um ein subjektives Recht der Lehrer handelt. Damit erklärt sich auch die vergleichsweise geringe Zahl einschlägiger Gerichtsverfahren. Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass es sich hier um innerdienstliche Vorgänge handelt, die ohnehin nur in seltenen Ausnahmefällen und auch dann regelmäßig nur mittelbar zum Gegenstand eines Gerichtsverfahrens werden: Etwa im Rahmen von Disziplinarverfahren, wenn ein Beamter sich geweigert hat, dienstlichen Anordnungen nachzukommen.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

121

a) Die Rechtsprechung des OVG Berlin Als erstes Obergericht musste sich das OVG Berlin im Jahre 1987 mit der Frage auseinander setzen, ob und welche subjektiven Rechte die Lehrer aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung herleiten können. 171 Gegenstand des Verfahrens war die Klage eines Lehrers, der es nicht hinnehmen wollte, dass die Schulaufsichtsbehörden mehrere von ihm erteilte Noten im Fach Mathematik nachträglich abgeändert hatten.

Das OVG Berlin erklärte die Klage für unzulässig, da dçm Kläger die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehle. Zwar habe der Gesetzgeber den Lehrern mit § 10 Abs. 1 S. 1 BerlSchVerfG unter anderem die Befugnis zugestanden, die Leistungen der ihnen anvertrauten Schüler gemäß ihrer fachlichen Ausbildung in eigener Verantwortung im Rahmen der geltenden Vorschriften und Konferenzbeschlüsse zu beurteilen. Aus § 9 Abs. 1 BerlSchVerfG ergebe sich jedoch eindeutig, dass die Eingriffsbefugnisse der von Verfassung wegen gebotenen staatlichen Schulaufsicht hiervon unberührt bleiben sollen. Daher könnten sich die Lehrer nicht gegen Maßnahmen der Schulaufsichtsbehörden zur Wehr setzen.172 Diese apodiktische Feststellung kann indes nicht überzeugen: Zwar darf der Gesetzgeber die pädagogische Freiheit der Lehrer unter keinen Umständen so ausgestalten, dass es den Schulaufsichtsbehörden unmöglich wird, die verfassungsrechtlich gebotenen Aufsichtsbefugnisse wahrzunehmen. Daher stellt sich durchaus die - später noch ausführlicher zu untersuchende 173 - Frage, ob und inwieweit sich ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit mit dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht und den übrigen Vorgaben der Verfassung vereinbaren lässt. Dem Gesetzgeber wäre es jedoch nur dann vollständig verwehrt, den Lehrern ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit zuzugestehen, wenn er durch die Verfassung dazu verpflichtet ist, im Schulbereich eine umfassende und uneingeschränkte Fachaufsicht zu gewährleisten. Das OVG Berlin hat jedoch nicht einmal den Versuch unternommen, aus den in § 9 Abs. 1 BerlSchVerfG

171

OVG Berlin, SPE NF 470 Nr. 55; allerdings hatte der VGH München bereits ein Jahr zuvor festgestellt, dass ein Lehrer wegen der fehlenden Klagebefugnis keine Möglichkeit habe, sich gerichtlich gegen die Ungültigerklärung einer Schulaufgabe zur Wehr zu setzen; VGH München, SPE NF 196, Nr. 1. Dabei ist das Gericht allerdings überhaupt nicht auf die Frage eingegangen, ob und welche Rechte sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung ergeben könnten. 172

Vgl. auch schon die Entscheidung in der Vorinstanz VG Berlin, SPE NF 470, Nr. 53.

173

Vgl. dazu unten D.VI.

122

D. Das Innenverhältnis

genannten Verfassungsbestimmungen (Art. 7 Abs. 1 GG, Art. 51 Abs. 1 VvB 1950 174 ) eine solche unbedingte Verpflichtung herzuleiten. Entgegen der Auffassung des OVG Berlin lässt sich auch dem Umstand, dass § 9 Abs. 1 BerlSchVerfG ausdrücklich auf § 5 BerlSchG verweist, nicht ohne weiteres entnehmen, dass die Lehrer keinen rechtlich geschützten Freiraum für ihre Tätigkeit haben können. Zwar umfasst die Schulaufsicht nach § 5 Abs. 2 S. 1 BerlSchG ausdrücklich die Gestaltung, Planung und Organisation des Schul- und Unterrichtswesens, sowie die Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht, was in der Tat dafür spricht, dass die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden durch die Bestimmungen über die pädagogische Verantwortung der Lehrer nicht eingeschränkt werden. Allerdings, und dies hat das OVG Berlin entweder übersehen oder schlicht ignoriert, sieht § 9 Abs. 2 BerlSchVerfG seinerseits vor, dass die Schulaufsichtsbehörden unbeschadet ihrer Aufgabe, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schulen beratend zu unterstützen und auf die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze zu achten, nur dann durch Anordnung und sonstige Maßnahmen in die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung in den einzelnen Schulen eingreifen sollen, wenn es zur rechtmäßigen, sachgerechten oder geordneten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes geboten ist. Durch diese Bestimmung wird der in Abs. 1 enthaltene Verweis auf die Bestimmungen über die Schulaufsicht relativiert und klargestellt, dass die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden eben nicht völlig unbeschränkt sind. Damit besteht aber zumindest die Möglichkeit, dass die Lehrer auch in Berlin ein justitiables Recht auf pädagogische Freiheit haben könnten. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Weisungsbefugnisse des Schulleiters ausdrücklich beschränkt sind. 175 Zwar deutet dies auf der einen Seite daraufhin, dass die Schulaufsichtsbehörden ihrerseits keinen Beschränkungen unterliegen. Auf der anderen Seite wird aber spätestens hier deutlich, dass die Vorgesetzten der Lehrer gerade nicht dazu berechtigt sind, völlig frei in deren Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit einzugreifen.

174 175

Vgl. dazu Art. 67 Abs. 4 VvB in der seit 1996 geltenden Fassung.

Gemäß § 22 Abs. 3 BerlSchVerfG soll der Schulleiter in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit in der Regel nur im Benehmen mit der entsprechenden Fachkonferenz und nur dann eingreifen, wenn es zur rechtmäßigen oder sachgerechten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes, geboten ist.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

123

b) Die Rechtsprechung des OVG Münster Letztendlich aus denselben Gründen kann auch die Rechtsprechung des OVG Münster nicht überzeugen, das etwa zwei Jahre später in einem vergleichbaren Fall mit einer etwas anderen Begründung zum selben Ergebnis gekommen ist. 176 Anlass für die Entscheidung war die Klage einer Lehrerin, die es nicht hinnehmen wollte, dass die Schulaufsichtsbehörde aufgrund der Gegenvorstellungen zweier Schülerinnen die Noten für zwei Aufsichtsarbeiten nachträglich abgeändert hatte.

Auch das OVG Münster erklärte die Klage für unzulässig, weil die Lehrerin kein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit habe. Zwar sollen die Lehrer die Schüler nach § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG in Freiheit und Verantwortung erziehen und unterrichten. Dabei seien sie aber nicht nur an die geltenden Vorschriften und Konferenzbeschlüsse und die Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden gebunden. Vielmehr ergebe sich aus § 3 Abs. 1 S. 2 NRW-SchMG, dass die Aufsicht des Landes über das Schulwesen - und damit auch die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden - von den Regelungen über die pädagogische Eigenverantwortung unberührt bleibe. Anders als vor ihm das OVG Berlin hat sich das OVG Münster nicht auf diese Feststellung beschränkt. Es konnte das auch kaum tun, da die Schulaufsichtsbehörden in Nordrhein-Westfalen ihrerseits durch § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG ausdrücklich dazu verpflichtet sind, die pädagogische Selbstverantwortung der Lehrer zu pflegen. Nach Ansicht des Gerichtes sollen sich jedoch auch hieraus keine justitiablen Rechte der Lehrer ergeben. Mit dieser Bestimmung habe der Gesetzgeber vielmehr lediglich dem Umstand Rechnung getragen, dass Unterricht und Erziehung ihrer Natur nach nicht auf den Gesetzes vollzug reduziert werden könnten und ihr Ziel verfehlen würden, wenn sie im Vollzug von Normen und Weisungen erstarren. Obwohl § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG die Vermutung nahe legt, dass die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden zumindest gewissen objektiven Beschränkungen unterliegen, geht das OVG Münster wie schon zuvor das OVG Berlin davon aus, dass es dem Gesetzgeber nicht möglich sei, die Reichweite der Fachaufsicht im Bereich des öffentlichen Schulwesens zurückzunehmen. Vielmehr erzwingen die allgemeine Schulpflicht und die weit gehende Monopolisierung des Schulwesens in staatlicher Hand im Rechtsstaat nach Ansicht des Gerichtes eine möglichst effektive Aufsicht:

176

S. 157.

OVG Münster, ZBR 1992, S. 25; so auch schon das VG Düsseldorf,\

RdJB 1985,

124

D. Das Innen Verhältnis

- Zum einen stehe einer Beschränkung der Fachaufsicht im Bereich des öffentlichen Schulwesens der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht entgegen, der in Art. 7 Abs. 1 GG bzw. der entsprechenden Regelung des Art. 8 Abs. 3 NRW-V festgeschrieben ist. - Zum anderen stelle die allgemeine Schulpflicht einen so schwerwiegenden Eingriff in die Rechte der Schüler dar, dass es unter keinen Umständen zu rechtfertigen sei, wenn der Gesetzgeber den Lehrern einen unkontrollierbaren Freiraum für ihre Tätigkeit einräume. -

Schließlich sei zu beachten, dass die pädagogische Freiheit lediglich die situations· und Persönlichkeits- sowie schulklassenangepasste kindgerechte Erfüllung der Erziehungsaufgabe als Prozess menschlicher Begegnung sichern solle. Da sie nicht im Status des Lehrers, sondern ausschließlich in seiner Funktion verwurzelt sei, stelle die pädagogische Freiheit keine private, sondern lediglich eine auf den Schulzweck und damit auf das Interesse der Schüler bezogene Freiheit dar. Aus den einschlägigen schulrechtlichen Bestimmungen ergebe sich daher kein einklagbares subjektives Recht der Lehrer, sondern nur „reflexhaft Positionen tatsächlicher Art". 1 7 7

Wie bereits dargelegt wurde, reicht der pauschale Hinweis auf den Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht jedoch nicht aus. Anstelle insofern lediglich auf die bereits dargestellte Entscheidung des OVG Berlin zu verweisen, hätte das OVG Münster daher darlegen müssen, dass und warum es dem Gesetzgeber aufgrund dieses Grundsatzes unmöglich ist, die Reichweite der Fachaufsicht im Bereich des öffentlichen Bildungswesens zurückzunehmen. Auch die These, dass ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit mit den Grundrechten der Schüler unvereinbar sei, hält keiner näheren Überprüfung stand, da sich aus § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG eindeutig ergibt, dass die pädagogische Freiheit die Lehrer nicht von ihrer umfassenden Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Diensthandlungen entbindet. Sie sind daher selbst dann nicht zu Eingriffen in die Grundrechte ihrer Schüler berechtigt, wenn man davon ausgeht, dass sich aus den Bestimmungen des nordrhein-westfälischen Schulrechts ein justitiabler Rechtsanspruch auf pädagogische Freiheit herleiten lässt. Schließlich und vor allem vermag die Behauptung des OVG Münster nicht zu überzeugen, wonach sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Verantwortung schon deshalb keine subjektiven Rechte der Lehrer ergeben könnten, weil die pädagogische Freiheit im Schulzweck und damit im Grundrecht auf Selbstentfaltung der Kinder begründet sei. Zwar trifft es sicherlich zu, dass dem Lehrer 177

OVG Münster, ZBR 1992, S. 25, 26.

II. Pädagogische Eigenerantwortung und pädagogische Freiheit

12

die pädagogische Freiheit nicht u m seiner selbst, sondern vielmehr u m seiner Schüler w i l l e n gegeben ist, deren verantwortungsvolle und bewusste Unterrichtung und Erziehung i h m anvertraut sind. Daher hat diese Freiheit i n der Tat „gleichsam fiduziarischen Charakter". Anders als das O V G Münster meint, lässt sich hieraus aber keineswegs der Schluss ziehen, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit u m kein subjektives Recht der Lehrer handeln kann: Vielmehr hat Fritz Ossenbühl, auf den sich das Gericht zur Begründung für seine Ansicht beruft, ausdrücklich betont, dass mit der Einordnung als fiduziarische Freiheit noch nichts darüber gesagt ist, ob es sich bei dieser Freiheit u m einen bloßen Funktionsreflex handelt oder u m ein subjektives Recht der Lehrer. Daher könnte es sich bei dieser Freiheit entgegen der A n sicht des O V G Münster durchaus u m ein subjektives Recht der Lehrer handeln, mit dem die i m Innenverhältnis gegenüber den Schülern bestehende Pflicht nach außen i n ein an der konkreten Erziehungssituation orientiertes und durch sie bestimmtes Abwehrrecht fortgesetzt wird. Die pädagogische Verantwortung der Lehrer wäre i n diesem Fall die Innenseite, die pädagogische Freiheit die Außenseite der Lehrererziehung. 1 7 8 Wie schon vor ihm Martin Stock, 179 hat Ossenbühl in diesem Zusammenhang explizit daraufhingewiesen, dass ein solches subjektives Recht auf pädagogische Freiheit mit dem Erziehungsrecht der Eltern vergleichbar wäre: Auch dieses Recht, das sich aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG ergibt und das insbesondere durch die familienrechtlichen Bestimmungen des BGB konkretisiert wird, ist den Eltern nicht um ihrer selbst willen eingeräumt worden, sondern treuhänderisch im Interesse ihrer Kinder. 1 8 0 178

Ossenbühl, DVB1. 1982, S. 1157, 1159, m.w.N. Allerdings weist Ossenbühl darauf hin, dass in der einschlägigen Literatur wenig Neigung bestehe, die pädagogische Freiheit der Lehrer als subjektives Recht anzuerkennen. Er verweist dafür insbesondere auf Roellecke, DÖV 1976, S. 515 ff., der sich in der Tat vehement gegen ein solches subjektives Recht ausgesprochen hat, a.a.O. S. 516. 179

Stock, Freiheit, S. 244. Auch Hans-Ulrich Evers, den das OVG Münster ebenfalls zur Begründung für seine Ansicht herangezogen hat, hatte bereits auf der Kieler Staatsrechtslehrertagung im Jahre 1964 daraufhingewiesen, dass es in der Konsequenz des Ausbaus der pädagogischen Freiheit liege, den Lehrer im Rahmen seiner generell weisungsgebundenen Amtsführung nicht nur wie den Beamten vor Rechtswidrigkeiten und Unzumutbarkeiten zu bewahren, sondern darüber hinaus die pädagogische Freiheit als Recht anzusehen, auf das sich der Lehrer notfalls auch vor den Verwaltungsgerichten berufen kann, Evers, VVDStRL(23) 1964,S. 147,181 f.. Allerdings hat Evers dabei offen gelassen, ob es sich hierbei um eine rechts- und schulpolitische Forderung handelt oder ob sich ein solches Recht aus den damals geltenden Bestimmungen ableiten lässt. 180 Der fiduziarische Charakter des Erziehungsrechts wird nicht zuletzt dadurch deutlich, dass der Verfassungsgeber dem Staat ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen hat, darüber zu wachen, ob die Eltern ihrer Verpflichtung tatsächlich gerecht werden.

126

D. Das Innenverhältnis

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass es dem OVG Münster nicht gelungen ist, seine Behauptung überzeugend zu begründen, wonach die Lehrer unter keinen Umständen aus § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG i.V.m. § 3 Abs. 1 S. 2 NRW-SchMG einen Anspruch auf einen gewissen Freiraum für die eigenständige Erfüllung ihres Unterrichts- und Erziehungsauftrags ableiten können. c) Die Rechtsprechung des OVG Schleswig Aus denselben Gründen kann auch die Rechtsprechung des OVG Schleswig nicht überzeugen, das sich im Jahre 1991 ausdrücklich der Rechtsprechung des OVG Münster angeschlossen hatte. 181 Gegenstand des Verfahrens war die Klage eines Lehramtsanwärters, der aus dem Vorbereitungsdienst entlassen worden war, nachdem er sich geweigert hatte, lehrplanmäßig zu unterrichten.

Zwar geht das OVG Schleswig kurz auf die vor allem von Niehues vertretene Ansicht ein, dass es den für die optimale Erfüllung der schulischen Bildungs- und Erziehungsziele notwendigen Freiraum in Wahrheit nur geben könne, wenn er im Konfliktfall von demjenigen zu verteidigen sei, der ihn mit seinem persönlichen Engagement ausfüllen soll. 182 Jedenfalls in Schleswig-Holstein gebe es aber kein in der pädagogischen Verantwortung begründetes, einklagbares subjektives öffentliches Recht der Lehrkräfte, da diese ausdrücklich auch an Verwaltungsvorschriften und an die Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden und die Befugnisse der Schulaufsicht nicht beschränkt seien. Anstatt diese These anhand einer regelgerechten Auslegung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen zu überprüfen, hat sich das OVG Schleswig allerdings auf einen Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des OVG Münster und auf die nicht näher begründete Feststellung beschränkt, dass die pädagogische Verantwortung in ihrem Kern keine private, sondern auf den Schulzweck und damit auf das Interesse der Schüler bezogene Freiheit mit fiduziarischem Charakter sei - wobei wiederum völlig offen bleibt, wieso aus dem unbezweifelbaren Umstand, dass den Lehrern ihre die pädagogische Freiheit nicht um

181 182

OVG Schleswig, ZBR 1992, S. 186 f.

Niehues, Schulrecht, Rn. 518, der sich unter anderem auf Ossenbühl, DVB1. 1982, S. 1157, 1161; Bryde, DÖV 1982, S. 661, 671, und Mahrenholz, RdJB 1980, S. 92, 96, beruft, obwohl diese zwar davon ausgehen, dass der Lehrer einen gewissen Freiraum benötigt, dabei aber offen lassen, ob die Schulgesetze den Lehrern tatsächlich ein entsprechendes Abwehrrecht verschaffen.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

127

ihrer selbst w i l l e n gewährt wurde, zwangsläufig folgen muss, dass es sich dabei u m kein subjektives Recht handeln kann. Tatsächlich belegt die Entscheidung des OVG Schleswig bestenfalls, dass das auf Kindergeburtstagen und sonstigen Festivitäten beliebte Spiel „Stille Post" 1 8 3 auch im Bereich der Wissenschaft funktioniert. 184

d) Die Rechtsprechung

des VGH

Mannheim

A u c h der V G H Mannheim ist offensichtlich nicht bereit, die pädagogische Freiheit der Lehrer als subjektives Recht anzuerkennen. 185 Der Kläger war vom zuständigen Oberschulamt Karlsruhe dazu angewiesen worden, eine von ihm konzipierte Unterrichtsreihe zum Thema „Aktionskunst" sofort abzubrechen. Anlass für diese Anordnung war das Vorhaben, im Rahmen dieser Unterrichtsreihe unter anderem ein „Happening - Steinigung des Schulhofes" durchzuführen. A u c h der V G H Mannheim hat sich darauf beschränkt, zur Begründung für seine Ansicht auf die früheren Entscheidungen der anderen Obergerichte zu verweisen: D i e pädagogische Freiheit des Lehrers habe ihren Grund und ihre Rechtfertigung allein in dessen Erziehungsaufgabe. D a sie i h m nicht u m seiner selbst, sondern u m seiner Funktion w i l l e n gewährt sei, handele es sich i n ihrem Kern u m keine personale, sondern u m eine auf den Schulzweck, auf die Bildungsinteressen der Schüler bezogene Freiheit. Selbst wenn man daher davon ausgehe, dass die Lehrer keinem unbeschränkten Weisungsrecht unterlägen, ergebe sich aus der einschlägigen Bestimmung des § 38 Abs. 2 B W - S c h G kein einklagbares subjektives Recht der Lehrer. Vielmehr seien diesen nur „reflexhaft Positionen tatsächlicher A r t " verliehen. Nach alldem könnten Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit

183

Dabei flüstert einer der Spieler seinem Nachbarn einen Satz ins Ohr. Dieser gibt den Satz an seinen Nachbarn weiter usw. Der letzte in der Reihe spricht laut aus, was bei ihm angekommen ist - in der Regel hat dies nicht mehr viel damit zu tun, was zu Beginn formuliert worden war. 184

Stock, Freiheit, S. 244, hatte den fiduziarischen Charakter der pädagogischen Freiheit 1971 vor allem deshalb hervorgehoben, um diese Freiheit in Bezug zum elterlichen Erziehungsrecht zu setzen und seine These zu untermauern, dass es sich bei dieser Freiheit um ein subjektives Recht der Lehrer handelt. Ossenbühl, DVB1. 1982, S. 1157, 1159, hat sich diesen Begriff gut zehn Jahre später zu Eigen gemacht, weil er damit zeigen wollte, dass die pädagogische Freiheit durchaus ein subjektives Recht der Lehrer sein könnte. Das OVG Münster, ZBR 1992, S. 25, 26, verweis zwar (nur) auf Ossenbühl, leitete aus dem fiduziarischen Charakter der pädagogischen Freiheit aber bereits ab, dass diese kein subjektives Recht der Lehrer sein könne und das OVG Schleswig, ZBR 1992, S. 186 187, erwähnt die einschlägige Literatur dann schon nicht mehr. 185

VGH Mannheim, VB1BW. 1998, S. 108 f.

D. Das Innenverhältnis

12

oder Zweckmäßigkeit dienstlicher Anordnungen auch i m Bereich des Schulwesens ausschließlich i m Rahmen eines beamtenrechtlichen Remonstrationsverfahrens geltend gemacht werden, nicht jedoch vor Gericht. Der VGH Mannheim knüpfte damit an seine eigene frühere Rechtsprechung an: Bereits zehn Jahre zuvor hatte das Gericht festgestellt, dass es keinen Eingriff in die Rechte einer Lehrerin bedeute, wenn der Schulleiter eine von ihr erteilte Note durch eine andere Bewertung ersetzt. 186 Anstelle sich mit der Frage auseinander zu setzen, ob den Lehrern aufgrund der einschlägigen Bestimmungen des Landesschulgesetzes ein gewisser Spielraum für ihre Tätigkeit verbleiben muss, 187 hatte sich der VGH allerdings auf die nicht näher begründete und tatsächlich unzutreffende Behauptung beschränkt, dass ein solcher Selbsteintritt ohne weiteres vom Weisungsrecht des Schulleiters gedeckt sei, da der Gesetzgeber diesem ausdrücklich die Verantwortung für die Einhaltung der allgemeinen Grundsätze für die Notengebung zugewiesen habe. 188

e) Die Rechtsprechung

des OVG

Lüneburg

Etwas unentschlossen erscheint demgegenüber die Rechtsprechung des O V G Lüneburg: Nachdem das Gericht zunächst ohne nähere Begründung davon ausgegangen war, dass Lehrer sich jedenfalls dann gegen Maßnahmen der Dienst- und Fachaufsicht zur Wehr setzen können, wenn diese „schwerwiegend und offenkundig fehlerhaft" sind, 1 8 9 kam es 1992 i m Zusammenhang mit der Klage eines Chemie-Lehrers, der nicht dazu bereit war, ein von der Fachkonferenz vorgeschlagenes Lehrbuch als „hauptsächliches Arbeitsmittel" i m Unterricht zu verwen-

186

Vgl. VGH Mannheim, DVB1. 1988, S. 1121. Die klagende Lehrerin hatte die Leistungen von zwei Schülerinnen in einer Biologie-Klassenarbeit mit der Note „ungenügend" bewertet, da beide nebeneinander gesessen und die Begriffe „geschlechtlich" und „ungeschlechtlich" verwechselt hatten. Da die Lehrerin aber während der Klassenarbeit keinen Täuschungsversuch festgestellt hatte und da auch die übrigen Formulierungen in den Arbeiten der betroffenen Schülerinnen nicht darauf hindeuteten, dass diese voneinander abgeschrieben hatten, wies der Schulleiter die Lehrerin an, die Note auf „befriedigend" zu ändern. Als sie sich weigerte, dieser Anordnung nachzukommen, setzte er die Noten selbst neu fest. 187

Auf diesen Umstand hat auch schon Henneke, DÖV 1988, S. 1018, 1019, hingewiesen; vgl. auch Burmeister, RdJB 1989, S. 415 ff., der allerdings ohne weiteres davon ausgeht, de lege lata kein solcher Anspruch besteht. 188 Vgl. § 41 Abs. 2 S. 2 BW-SchG. Die Bewertung mit der Note „ungenügend" war in diesem Fall nach Ansicht des Gerichtes mit den Vorgaben der Notvenverordnung unvereinbar; vgl. dazu § 5 Abs. 2 der Verordnung des Kultusministerium über die Notenbildung vom 5.5.1983, K.u.U. S. 449; zuletzt geändert am 23.6.1997, K.u.U. S. 127. 189

OVG Lüneburg, Urt. vom 5.3.1990 - 2 OVG A 59/84; zitiert nach Wolfering/Bräth, §50 NdsSchG, Rn. 12.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

12

den, 190 zu dem Ergebnis, dass die pädagogische Freiheit kein subjektives Recht der Lehrer sein könne: Als Beamte seien die Lehrer an Weisungen gebunden. Aus den Bestimmungen des Schulgesetzes über die pädagogische Eigenverantwortung 191 ergebe sich kein klagbares Abwehrrecht, da der Gesetzgeber Weisungen und Konferenzbeschlüsse ausdrücklich für verbindlich erklärt habe. 192 Obwohl das OVG Lüneburg somit davon ausgeht, dass sich der einzelne Lehrer nicht auf sein Recht auf pädagogische Freiheit berufen kann, hat das Gericht die Klage jedoch für zulässig erklärt. Erst vier Jahre später hat es die notwendige Konsequenz aus seiner eigenen Rechtsprechung gezogen und auf die Klage eines Fachlehrers, der sich dagegen wehren wollte, dass die Schulaufsichtsbehörde die von ihm ermittelte Zeugnisnote nachträglich abgeändert hat, 193 festgestellt, dass den Lehrern grundsätzlich die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis fehle, 194 um sich vor Gericht gegen Maßnahmen der Schulaufsichtsbehörden oder Weisungen des Schulleiters zur Wehr zu setzen.195 Allerdings war das OVG Lüneburg auch jetzt immer noch nicht bereit, sich in jeder Hinsicht der Rechtsprechung der anderen bereits genannten Obergerichte anzuschließen: Während diese nämlich dem Gesetzgeber das Recht bestreiten, die Reichweite der Fachaufsicht im Bereich des öffentlichen Schulwesens zurückzunehmen, hat das OVG Lüneburg ausdrücklich betont, dass 190

Zur Begründung hatte der Lehrer darauf verwiesen, dass für den Unterricht in den Naturwissenschaften Schulbücher im Allgemeinen und das tatsächlich eingeführte Buch im Besonderen ungeeignet seien. Chemieunterricht könne sinnvollerweise nur durch empirische Methoden gestaltet werden. 191

§ 35 Abs. 1 S. 1 NdsSchG.

192

OVG Lüneburg, RdJB 1994, S. 147. Diese Entscheidung wird von Woltering/BrätK Anm. 12 zu § 50 NdsSchG erstaunlicherweise nicht erwähnt. Vielmehr wird dort nur auf die frühere Entscheidung aus dem Jahre 1990 verwiesen. 193 Im konkreten Fall war eine Schülerin der Abschlussklasse der Realschule wenige Wochen vor dem Ende des Schuljahres vom Fachlehrer darauf hingewiesen worden, dass er beabsichtige, ihre Leistungen im Fach Sozialkunde mit der Note „mangelhaft" zu bewerten. Die Schülerin hatte in diesem Fach noch nie die Note „mangelhaft" erhalten. Auch waren weder sie selbst noch ihre Eltern rechtzeitig über die angebliche Mangelhaftigkeit ihrer Leistungen informiert worden. Daher forderte der Schulleiter den Fachlehrer auf, die Note doch noch zu ändern. Als dieser der Aufforderung nicht nachkam, bat der Schulleiter die zuständige Schulaufsichtsbehörde um Überprüfung. Diese wies die Schule an, die Zeugnisnote von „mangelhaft" auf „ausreichend" zu ändern, was dann auch geschah. 194

Nach Ansicht des Gerichtes fehle dem einzelnen Lehrer grundsätzlich schon deshalb die erforderliche Klagebefugnis, weil es um Maßnahmen der Fachaufsicht gehe, gegen die sich nur die Schule als „Körperschaft" wehren könne. 195

OVG Lüneburg, N V w Z 1998, S. 94.

D. Das Innenverhältnis

1

die Lehrer aufgrund ihrer pädagogischen Eigen Verantwortung keinem völlig unbeschränkten Weisungsrecht unterliegen. 196 Es meinte lediglich, darauf verzichten zu können, die Grenzen der Weisungsbefugnisse näher zu bestimmen, da den Klägern in den konkret zu entscheidenden Fällen zumindest ein Restbestand an pädagogischer (Eigen-)Verantwortung verblieben sei. 197 Diese Auffassung lässt sich wohl nicht zuletzt darauf zurückführen, dass die zum fraglichen Zeitpunkt geltenden Bestimmungen erst im Jahre 1980 in das Schulgesetz eingefügt worden waren: Während pädagogische Einzelentscheidungen seit 1974 im Rahmen der Fachaufsicht nur aufgehoben oder geändert werden durften, wenn sie gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe verstießen oder wenn bei ihnen von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen worden war, 198 waren die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden seit der Novellierung des Schulgesetzes im Jahre 1980 nur noch insofern beschränkt, als die Selbständigkeit der einzelnen Schule nicht beeinträchtigt werden durfte. 199 Angesichts dieser Entwicklung erscheint es aber durchaus nachvollziehbar, wenn das OVG Lüneburg obwohl es ausdrücklich anerkannte, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit um ein subjektives Recht der Lehrer oder zumindest um einen rechtlich geschützten Freiraum handeln kann, nicht bereit war, aus den zum fraglichen Zeitpunkt geltenden Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung einen solchen Anspruch abzuleiten. Vielmehr hat das OVG Lüneburg völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass es den Gerichten angesichts des klar erkennbaren Willens des Gesetzgebers nicht zustehe, die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden weiteren Beschränkungen zu unterwerfen. 200

196

So ausdrücklich OVG Lüneburg, NVwZ 1998, S. 94.

197

Im Zusammenhang mit der nachträglichen Änderung der Noten betonte das Gericht, dass die eigentliche Leistungsbewertung durch die Aufsichtsbehörde nicht in Frage gestellt worden sei. Anlass für die Weisung sei vielmehr der Umstand gewesen, dass die Bestimmungen über die rechtzeitige Warnung der Eltern, über die Berücksichtigung der Leistungen während des gesamten Schuljahres und schließlich auch darüber verletzt worden seien, dass im Zweifel zugunsten der Schülerin hätte entschieden werden müssen; vgl. OVG Lüneburg, N V w Z 1998, S. 94. Im Verfahren des Chemielehrers stellte das OVG darauf ab, dass der Lehrer nur dazu verpflichtet worden, mit dem fraglichen Lehrbuch im Unterricht zu arbeiten. In welchem Umfang dies geschehe, sei ihm überlassen; OVG Lüneburg, RdJB 1994, S. 147, 150. 198

Vgl. § 101 Abs. 2 NdsSchG vom 30.4.1974, GVB1. S. 289.

199

Vgl. § 35 Abs. 1 NdsSchG i.d.F. vom 21.7.1980, GVB1. S. 261.

200

OVG Lüneburg, NVwZ 1998, S. 94, 95.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

1

Nachdem der niedersächsische Gesetzgeber die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden i m Jahre 1993 wieder deutlich eingeschränkt hat, 2 0 1 wäre nach alldem zu erwarten gewesen, dass das O V G Lüneburg seine bisherige Rechtsprechung überprüft und sich mit der Frage auseinander setzt, ob sich aus den geänderten Bestimmungen ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit ergibt. Tatsächlich hat es dies jedoch nicht getan, sondern vielmehr i m August 1999 nahtlos an seine frühere Rechtsprechung angeknüpft und ohne nähere Begründung festgestellt, dass die eigene pädagogische Verantwortung des Lehrers auch nach der derzeit geltenden Rechtslage kein Abwehrrecht gegen eine i h m erteilte Weisung begründe.202 Ebenso wie in den früheren Entscheidungen begnügte sich das OVG Lüneburg nicht mit dieser Feststellung, sondern es legte darüber hinaus dar, dass und warum in dem konkreten Einzelfall die Freiheit der klagenden Lehrerin tatsächlich überhaupt nicht beeinträchtigt worden sei. 203

f) Die Rechtsprechung

des VGH Kassel

Anders als die anderen Obergerichte, geht der V G H Kassel offensichtlich davon aus, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit u m ein subjektives Recht der Lehrer handelt. 2 0 4 Zumindest lässt es sich nur so erklären, dass das Gericht die Klage eines Lehrers ohne weiteres für zulässig erklärt hat, mit der dieser die Schulaufsichtsbehörden dazu verpflichten wollte, anstelle der Schulleiterin darü-

201

Vgl. § 121 Abs. 2 NdsSchG in der seit 1993 geltenden Fassung.

202

OVG Lüneburg, NVwZ-RR 2000, S. 161. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Nachdem die Leistungen von 17 der 20 Schüler einer Englischklasse zum Halbjahr des Schuljahres 1998/1999 mit der Note mangelhaft oder noch schlechter bewertet worden waren, hatte der Schulleiter die Lehrerin angewiesen, ihm ab sofort ihre Unterrichtsvorbereitungen mit dem geplanten Unterrichtsentwurf und gegebenenfalls mit dem geplanten Tafelbild rechtzeitig zukommen zu lassen. Die Lehrerin meinte, dass auf diese Weise mittelbar ihre pädagogische Freiheit verletzt werde, da es letztendlich darum gehe, die konkrete Darstellung und Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten zu überprüfen. 203 Zum einen sei der Lehrerin gerade nicht vorgeschrieben worden, wie sie den Unterricht konkret zu gestalten hat. Auch seien die Unterrichtsinhalte nicht festgelegt worden. Zum anderen sei nicht einmal ansatzweise zu erkennen, in welcher Weise durch eine solche, letztendlich nur verwaltungstechnische Anweisung ein eventuell doch geschützter „Kernbestand" der pädagogischen Freiheit der Lehrerin verletzt worden sein könnte. Schließlich habe aufgrund der Umstände ein hinreichender Anlass für die Befürchtung bestanden, dass das Lernangebot der Lehrerin den pädagogischen Anforderungen nicht hinreichend genügt. 204

VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, S. 483.

12

D. Das Innenverhältnis

ber zu entscheiden, der Lehrer einen Gewerkschaftsvertreter im Unterricht zum Thema „Aufbau und Arbeit einer Gewerkschaft" sprechen lassen darf. 205 Leider hat das Gericht dabei nicht deutlich gemacht, ob sich dieses Recht auf pädagogische Freiheit als notwendiges Gegenstück aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigen Verantwortung ergibt, oder erst aus den diversen ausdrücklichen Beschränkungen der Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse. 206 Daher lässt sich seine Entscheidung nicht ohne weiteres auf die Rechtslage in den anderen Bundesländern übertragen, in denen es keine solchen ausdrücklichen Beschränkungen gibt. Das Gerichte meinte offensichtlich, sich hier zurückhalten zu können, da die Klage bereits aus einem anderen Grund erfolglos war: Nach Ansicht des VGH wird die pädagogische Freiheit der Lehrer nämlich unter anderem durch § 18 der Allgemeinen Dienstordnung für Schulleiter, Lehrer und Erzieher 207 beschränkt. Nach S. 1 dieser VerwaltungsVorschrift dürfen schulfremde Personen nur mit Zustimmung des Schulleiters zum Unterricht herangezogen werden. Zwar hat der Lehrer nach S. 2 die Möglichkeit, die Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde herbeizuführen, wenn der Schulleiter die Zustimmung verweigert. Dies bedeutet nach Auffassung des VGH aber nicht, dass die Schulaufsichtsbehörde in diesem Fall selbst entscheiden dürfe oder gar müsse. Vielmehr habe sie lediglich die Pflicht, die Entscheidung des Schulleiters fachaufsichtlich zu überprüfen. 208 Zumindest im Ergebnis verdient die Entscheidung des VGH Kassel Zustimmung. Zwar kann man durchaus bezweifeln, ob die Allgemeine Dienstordnung für Schulleiter, Lehrer 205

Die Schulleiterin hatte dieses Vorhaben untersagt, da sie meinte, dass die erforderliche Ausgewogenheit des Unterrichts nicht mehr gewährleistet sei. Auf Anfrage teilte das Staatliche Schulamt der Schulleiterin und dem Lehrer mit, dass von seiner Seite aus keine Bedenken gegen die Teilnahme des Gewerkschaftsvertreters bestünden. Nachdem die Schulleiterin der Veranstaltung dennoch nicht zustimmte, stellte das Schulamt allerdings nur fest, dass diese Entscheidung nicht zu beanstanden sei. 206

Nach dem zum fraglichen Zeitpunkt geltenden § 59 Abs. 2 HessSchVwG 1978 sollten die Lehrer nicht nur im Rahmen der Gesetze, der Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden und der Beschlüsse der Lehrerkonferenz in eigener Verantwortung unterrichten und erziehen. Darüber hinaus war ausdrücklich vorgesehen, dass ihre pädagogische Freiheit nur beschränkt werden soll, soweit dies notwendig ist. Diese Bestimmung beruht auf § 52 Abs. 2 HessSchVwG 1961 in der Fassung des Gesetzes vom 29.3.1969 (GVB1. S. 44) und wurde in modifizierter Form in § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG übernommen; vgl. dazu ausführlich unten D.III.la. Vergleichbare Regelungen finden sich heute in § 67 Abs. 2 BbgSchG, § 59 Abs. 2 BremSchG, § 100 Abs. 2 S. 3 MV-SchG, § 28 Abs. 1 S. 2 SaarSchOG. 207

Vom 19.3.1981, HessABl. S. 199.

208

VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, S. 483, 484.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

1

und Erzieher als bloße Verwaltungsvorschrift geeignet ist, die pädagogische Freiheit der Lehrer wirksam zu beschränken. 209 Ein Anspruch des Klägers, dass nicht die Schulleiterin, sondern die Schulaufsichtsbehörde über die Zulässigkeit der von ihm geplanten Unterrichtsveranstaltung entscheidet, besteht jedoch nicht.

g) Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes Das Bundesverwaltungsgericht hat sich bisher erst einmal mit der Frage auseinander gesetzt, ob und welche subjektiven Rechte der Lehrer sich aus den landesrechtlichen Bestimmungen über die pädagogische Eigen Verantwortung der Lehrer herleiten lassen.210 Anlass für die Entscheidung war die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bereits dargestellten niedersächsischen Verfahren, über die Pflicht zur Verwendung eines bestimmten Schulbuches.211

Im Rahmen seiner Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht unter anderem festgestellt, dass die Lehrer im Hinblick auf ihre „eigene pädagogische Verantwortung" jedenfalls keinem unbeschränkten Weisungsrecht unterliegen. Zwar bedeutet das noch nicht zwangsläufig, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit um ein subjektives Recht der Lehrer handeln muss. Auf der anderen Seite ist in diesem Zusammenhang aber auch zu beachten, dass sich das Bundesverwaltungsgericht die von den meisten Obergerichten vertretene Auffassung nicht ausdrücklich zu Eigen gemacht hat, wonach den Lehrern schon die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Befugnis für eine Klage gegen Anordnungen ihrer Vorgesetzten fehlen soll. Vielmehr lassen seine Ausführungen durchaus den Schluss zu, dass das Bundesverwaltungsgericht den Lehrern grundsätzlich einen Anspruch auf einen gewissen Freiraum für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zubilligen will Allerdings handelt es sich bei diesen Ausführungen lediglich um ein obiter dictum, da das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde bereits deshalb für unzulässig erklärt hatte, weil das Rechtsschutzbedürfnis für die Nichtzulassungsbeschwerde entfallen sei, da das betreffende Lehrbuch mittlerweile aus dem Lernmittelverzeichnis gestrichen worden war. Daher konnte das Gericht auch die Frage offen lassen, ob es sich hier überhaupt um revisibles Landesrecht handelt.

209 Handelt es sich bei dieser Freiheit um ein subjektives Recht der Lehrer, reicht eine VerwaltungsVorschrift nicht als Grundlage für Beschränkungen aus. 210

BVerwG, NVwZ 1994, S. 583.

211

Vgl. dazu oben unter D.II.2.e.

D. Das Innenverhältnis

1

Dabei ist festzuhalten, dass die vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellte These nicht überzeugen kann, wonach es sich hier um keine grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage handeln soll, weil die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob die pädagogische Freiheit bzw. Verantwortung der Lehrkraft eine Ausnahme vom Grundsatz der Weisungsgebundenheit eines Beamten darstellt bzw. ob das Weisungsrecht im Bereich pädagogischer Gestaltungen durch die pädagogische Freiheit bzw. Verantwortung beschränkt wird, bereits durch die einschlägigen Rechtsnormen hinreichend beantwortet werde. Ob der niedersächsische Gesetzgeber tatsächlich die Voraussetzungen für einen sachgerechten Ausgleich der möglicherweise widerstreitenden Interessen geschaffen hat, 212 lässt sich nämlich überhaupt nur dann beantworten, wenn zuvor die auszugleichenden Interessen bestimmt wurden. Um festzustellen, welches Gewicht der pädagogischen Freiheit der Lehrer im Rahmen der Abwägung zukommt, hätte das Bundesverwaltungsgericht daher unbedingt klarstellen müssen, ob es sich bei dieser Freiheit um ein subjektives Recht der Lehrer handelt oder ob der Staat nur objektiv dazu verpflichtet ist, den Lehrern einen gewissen Freiraum zu belassen.

h) Zusammenfassung und Kritik Nach alldem sollte deutlich geworden sein, dass die Obergerichte ihre Behauptung, wonach sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer keine subjektiven Rechte der Lehrer ergeben sollen, nicht überzeugend begründet haben. Anstelle mit den Mitteln der juristischen Auslegungsmethode darzulegen, dass und warum die Lehrer aus den einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze tatsächlich keinen Anspruch darauf herleiten können, dass die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen, haben sich die Gerichte im wesentlichen auf die nicht weiter begründete Behauptung beschränkt, ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit sei mit dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht unvereinbar. Darüber hinaus haben sie aus der völlig zutreffenden Erkenntnis, dass die Lehrer ihre pädagogische Freiheit gegebenenfalls treuhänderisch im Interesse der Schüler wahrnehmen, ohne weiteres darauf geschlossen, dass die Lehrer diese Freiheit unter keinen Umständen im Verhältnis gegenüber Dritten geltend machen 212

Das BVerwG stellt insofern vor allem darauf ab, dass gemäß § 23 NdsSchG zwar die Entscheidung der zuständigen Fachkonferenz über die Einführung von Schulbüchern an einer Schule für die Lehrer verbindlich sei. Auf der anderen Seite müsse die Konferenz dabei aber auf die eigene pädagogische Verantwortung des Lehrers, insbesondere auf seine methodische und didaktische Freiheit, Rücksicht nehmen.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

1

können. Dabei gibt es mit dem elterlichen Erziehungsrecht zumindest ein - durchaus nahe liegendes - Beispiel dafür, dass der fiduziarische Charakter eines Rechts seine Justitiablität keineswegs ausschließt. 213

3. Eigener Ansatz: Die pädagogische Freiheit als subjektives Recht der Lehrer Damit stellt sich die Frage, ob sich aus den Bestimmungen über die unmittelbare oder eigene pädagogische Verantwortung für die Erziehung und die B i l d u n g 2 1 4 bzw. den Unterricht 2 1 5 der Schüler nicht doch justitiable Rechtsansprüche der Lehrer herleiten lassen bzw. welcher Regelungsgehalt diesen Bestimmungen andernfalls z u k o m m t . 2 1 6

a) Pädagogische

Verantwortung

und pädagogische

Freiheit

Zumindest auf den ersten B l i c k haben die Gesetzgeber den Lehrern m i t den Regelungen über die pädagogische Eigenverantwortung nur eine besondere

213 Die extrem restriktive Haltung der Rechtsprechung erscheint umso bemerkenswerter, wenn man berücksichtigt, dass es ausweislich der Angaben im Tatbestand der einschlägigen Entscheidungen durchaus in jedem Einzelfall gute Gründe dafür gegeben hat, die Klagen als unbegründet abzuweisen. Damit drängt sich nämlich der Eindruck auf, dass es den Gerichten weniger um eine regelgerechte Auslegung der einschlägigen landesrechtlichen Bestimmungen gegangen ist, als vielmehr darum, potenzielle Kläger zu entmutigen. Hätten die Gerichte die pädagogische Freiheit nämlich grundsätzlich als subjektives Recht der Lehrer anerkannt, dann wäre zu erwarten gewesen, dass sie sich im Rahmen einer Vielzahl weiterer Verfahren immer wieder mit der Frage auseinander zu setzen habe, wie weit diese Freiheit konkret reicht. 214

§ 38 Abs. 2 BW-SchG, § 40 Abs. 2 SächsSchG.

215

Art. 59 Abs. 1 S. 1 BayEUG, § 67 Abs. 2 S. 1 BbgSchG, § 100 Abs. 2 S. 1 M V SchG, § 50 Abs. 1 S. 1 NdsSchG, § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG; § 20 Abs. 1 S. 1 RPSchG, § 30 Abs. 1 S. 1 LSA-SchG, § 83 Abs. 1 S. 1 SH-SchG, § 34 Abs. 2 S. 1 ThürSchG. In Berlin und im Saarland erstreckt sich diese Verantwortung ausdrücklich auch auf die Leistungsbewertungen, vgl. § 10 Abs. 1 S. 1 BerlSchVerfG, § 28 Abs. 1 S. 1 SaarSchOG; in Hamburg und Hessen auch auf die Beratung und Betreuung, vgl. § 88 Abs. 2 HambSchG, § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG. In Bremen hat das gesamte schulische Personal die ihm durch das Schulgesetz auferlegten Aufgaben in eigener Verantwortung zu erfüllen, vgl. § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG. 216 Erstaunlicherweise ist Thiel im Rahmen seiner Untersuchung auf diese Bestimmungen nicht eingegangen. Statt dessen hat er sich auf die Frage beschränkt, ob sich die pädagogische Freiheit aus der Verfassung ableiten lässt. Dabei ist er möglicherweise davon ausgegangen, dass es dem Gesetzgeber schlechthin unmöglich ist, die allgemeinen Vorgaben des Beamtenrechts im Bereich des Bildungswesens zu modifizieren.

16

D. Das Innenverhältnis

Dienstpflicht auferlegt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die pädagogische Eigenverantwortung die Existenz eines gewissen Freiraums notwendigerweise voraussetzt: Denn schließlich kann grundsätzlich nur demjenigen, der eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, die Verantwortung für deren Folgen zugerechnet werden. Und umgekehrt ist es geboten, ihn von dieser persönlichen Verantwortung freizustellen, wenn sein Verhalten nicht auf seiner eigenen Entscheidung beruht, sondern auf eindeutigen Vorgaben, die sich z.B. aus Gesetzen oder dienstlichen Weisungen ergeben können. Die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer und ihre - nur in einigen Schulgesetzen ausdrücklich erwähnte - pädagogische Freiheit erweisen sich damit als zwei Seiten ein und derselben Medaille. Zwar ergibt sich daraus nicht notwendigerweise, dass die Lehrer einen rechtlich geschützten Freiraum für ihre Tätigkeit oder gar einen justitiablen Anspruch darauf haben müssen, dass die Schulaufsichtsbehörden und Schulleiter diesen Freiraum bei ihren Entscheidungen respektieren. Denn zumindest theoretisch könnte sich die pädagogische Eigenverantwortung ausschließlich auf den zwar relativ großen, letztendlich aber nur real existierenden Freiraum beziehen, den die Lehrer für ihre Tätigkeit haben, weil sie im Alltag mit ihren Schülern allein sind und es daher weder dem Schulleiter noch den Schulaufsichtsbehörden und schon gar nicht dem Gesetzgeber möglich ist, ihnen bis ins letzte Detail vorzuschreiben, wie sie sich in einer bestimmten Situation zu verhalten haben, oder ihre Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen in jeder Hinsicht umfassend zu überprüfen. Wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird, lässt sich eine so enge Auslegung der einschlägigen Bestimmungen jedoch weder mit ihrer Entstehungsgeschichte noch mit ihrer systematischen Stellung im Gesamtsystem des öffentlichen Dienstrechts vereinbaren. Bis in die sechziger Jahre wurde das Schulverhältnis vor allem durch die Kultusministerien und die Schulverwaltungsbehörden geprägt, die den Lehrern durch eine fast unübersehbare Menge von Vorschriften und Einzelanordnungen sehr detaillierte Vorgaben für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit machen konnten und tatsächlich auch gemacht haben. Dies änderte sich erst, nachdem sich allmählich die Erkenntnis durchsetzte, dass die Grundrechte und damit auch der Vorbehalt des Gesetzes auch im Schulverhältnis gelten müssen. Aus dem Umstand, dass sich die Landesgesetzgeber bei der unvermeidbar gewordenen systematischen Kodifikation des Schulrechts darauf beschränkt haben, die wesentlichen Grundlagen des Schulverhältnisses selbst zu regeln und die konkrete Ausgestaltungen dieses Verhältnisses wie bisher den Schulaufsichtsbehörden zu überlassen, lässt sich dann aber der Schluss ziehen, dass die Bestimmungen über die pädagogische Eigen Verantwortung, die seit 1961 sukzessive in alle Schulgesetze

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

17

aufgenommen worden sind, 217 nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie eine besondere Pflichtenstellung der Lehrer begründen, sondern vielmehr auch und vor allem sicherstellen sollten, dass den Lehrern im Verhältnis zu ihren Vorgesetzten derjenige Spielraum für ihre Tätigkeit verbleibt, den sie nach den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft unbedingt benötigen, um situationsgerecht auf die individuellen Bedürfnisse der ihnen anvertrauten Schüler eingehen zu können. 218 Die freiraumsichernde Funktion der Bestimmungen über die pädagogische Eigen Verantwortung der Lehrer wird noch deutlicher, wenn man sie den allgemeinen Vorgaben des Beamtenrechts gegenüberstellt: Nach den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder tragen die Beamten die volle persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Amtshandlungen.219 Obwohl diese Regelungen nur dann einen Sinn ergeben, wenn man davon ausgeht, dass die Beamten die ihnen zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich selbständig und daher in eigener Verantwortung erledigen, steht der Verantwortung für die Rechtmäßigkeit kein entsprechender Freiraum gegenüber, da eine bestimmte Handlung nur entweder rechtmäßig oder rechtswidrig sein kann, nicht aber mehr oder weniger rechtmäßig. Indem die Gesetzgeber den Beamten die persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Amtshandlungen zugewiesen haben, wollten sie somit vor

217 Vgl. dazu auch schon ausführlich Stock, Freiheit, S. 17 ff. und passim, sowie Evers, VVDStRL (23) 1964, S. 147, 177 ff. 218 In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu beachten, dass sich die einschlägigen Formulierungen des HessSchVwG, das Vorbildcharakter für alle nachfolgenden Regelungen hatte, nicht zuletzt auf Hans Heckel zurückführen lassen, der sich stets dafür ausgesprochen hatte, den Lehrern und den einzelnen Schulen einen möglichst großen Spielraum zu verschaffen und die Eingriffsmöglichkeiten der Schulaufsichtsbehörden zu beschränken; vgl. Heckel, Schulrechtskunde 1, S. 168, ders., ZBR 1957, S. 217, 218; dazu schon ausführlich Stock, Freiheit, S. 28 ff., der auch darauf hinweist, dass zahlreiche Passagen aus der Begründung des Gesetzentwurfes fast wörtlich aus früheren Veröffentlichungen Heckeis entnommen worden waren; in diesem Sinne auch Richter, RdJB 1979, S. 250.

Allerdings hatte Heckel, ZBR 1965, S. 129,130 f., später ausdrücklich betont, dass sich aus den Regelungen über die pädagogische Freiheit zwar ein rechtlich geschützter Freiraum zugunsten der Lehrer ergebe. Die Schulaufsichtsbehörden seien jedoch nicht darauf beschränkt, die Maßnahmen der Lehrer und der Schule nur in dem Umfang nachzuprüfen, wie das auch den Gerichten möglich sei. Vielmehr ergebe sich aus § 68 der - erst 1960 erlassenen - VwGO, dass die Recht- und Zweckmäßigkeit aller Verwaltungsentscheidungen gegebenenfalls umfassend zu prüfen sei (a.a.O., S. 132). Nach Heckeis Ansicht soll sich aus dem HessSchVwG 1961 also nur eine objektive Beschränkung der Aufsichtsbefugnisse herleiten lassen. 219

Vgl. § 38 Abs. 1 BRRG, § 75 Abs. 1 BW-LBG.

1

D. Das Innenverhältnis

allem dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung zur Durchsetzung verhelfen. Bei den Regelungen über die pädagogischen Freiheit geht es nun aber gerade nicht um die Rechtmäßigkeit schulischer Maßnahmen, sondern um ihre Zweckmäßigkeit. Zwar obliegt auch die Entscheidung darüber, welche von mehreren rechtlich zulässigen Möglichkeiten dem verfolgten Zweck am besten entspricht, zunächst und in erster Linie dem jeweils zuständigen Beamten. Dennoch trifft die Verantwortung für die Zweckmäßigkeit seiner Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen grundsätzlich nicht ihn selbst, sondern vielmehr seine jeweiligen Vorgesetzten, 220 die über ihre umfassenden Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse jederzeit und grundsätzlich unbeschränkt Einfluss auf seine dienstliche Tätigkeit nehmen können. Dieser Zusammenhang lässt sich dann aber auch umkehren: Wenn die Gesetzgeber den Lehrern ausnahmsweise die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung zugewiesen haben, dann haben sie damit zu verstehen gegeben, dass grundsätzlich auch nur die Lehrer darüber entscheiden sollen, ob und welche Maßnahme in einer bestimmten Situation aus pädagogischer Sicht am zweckmäßigsten ist. In diesem Zusammenhang ist schließlich zu beachten, dass den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung überhaupt kein eigenständiger Regelungsgehalt zukäme, wenn man davon ausgeht, dass die Lehrer keinen rechtlich geschützten Freiraum für ihre Tätigkeit haben sollen. In diesem Fall würden die einschlägigen Regelungen der Landesschulgesetze nämlich lediglich sicherstellen, dass sich die Lehrer bei ihrer Tätigkeit ausschließlich an den Interessen und am Wohl der ihnen anvertrauten Schüler orientieren - das müssen sie aber bereits aufgrund ihrer allgemeinen Pflicht zur unparteiischen und uneigennützigen Amtsführung tun. 221 An dieser Bewertung ändert sich auch dann nichts, wenn man berücksichtigt, dass nicht alle Lehrer Beamte sind. Zwar stellen die Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung sicher, dass es für die Rechtsstellung eines Lehrers nicht darauf ankommt, ob 220

Wobei es etwa im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung durchaus darauf ankommt, ob ein Beamter von sich aus diejenige Maßnahme ausgewählt hat, die dem angestrebten Zweck nach Ansicht seiner Vorgesetzten am besten entspricht. 221

Vgl. § 35 Abs. 1 BRRG § 70 Abs. 1 BW-LBG: „Der Beamte dient dem ganzen Volk. Er hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen." § 36 BRRG, § 73 S. 1 und 2 BW-LBG: „Der Beamte hat sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen. Er hat sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen zu verwalten." Diese Pflichten werden durch § 8 Abs. 1 BAT auch für die Angestellten des öffentlichen Dienstes verbindlich.

II. Pädagogische Eigenverantwortung und pädagogische Freiheit

1

er im Beamten- oder Angestelltenverhältnis beschäftigt wird. Eine solche Harmonisierung ist aber überhaupt nur dann erforderlich, wenn und insofern die in den Beamtengesetzen222 bzw. im B A T 2 2 3 festgeschriebene allgemeine Pflicht zur Befolgung dienstlicher Anordnungen im Bereich des öffentlichen Schulwesens nicht oder zumindest nicht uneingeschränkt gilt. Denn nur in diesem Fall besteht überhaupt die Möglichkeit, dass sich die Rechtsstellung der angestellten Lehrkräfte von denen ihrer beamteten Kollegen unterscheidet. 224

Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass sich die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer nicht nur auf denjenigen letztendlich nur real existierenden Freiraum beziehen kann, der sich daraus ergibt, dass es den Schulleitern und Schulaufsichtsbehörden objektiv nicht möglich ist, die Erziehungsund Unterrichtstätigkeit der Lehrer in jeder Hinsicht zu steuern. Vielmehr setzen die einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze voraus, dass die Lehrer einen rechtlich geschützten Freiraum für ihre Tätigkeit haben. Aus den einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze lässt sich damit zumindest eine institutionelle Garantie der pädagogischen Freiheit herleiten.

b) Die pädagogische Freiheit als subjektives Recht der Lehrer Damit aber nicht genug: Wenn den Lehrern die unmittelbare oder eigene Verantwortung für die Erziehung und den Unterricht der ihnen anvertrauten Kinder auferlegt wurde, dann haben sie nicht nur die Pflicht, den staatlichen Erziehungsund Bildungsauftrag zu erfüllen und die ihnen verbleibenden Freiräume im Interesse und zum Wohl der Kinder auszufüllen, sondern auch ein Recht darauf, dass die Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden nur unter den gesetzlich vorgesehenen Voraussetzungen in ihre Tätigkeit eingreifen. Der pädagogischen Verantwortung der Lehrer steht also nicht nur ein rechtlich geschützter Freiraum, sondern sogar ein subjektives und damit justitiables Recht auf pädagogische Freiheit gegenüber. Dies zeigt sich überraschenderweise vor allem daran, dass die Gesetzgeber die Lehrer im selben Atemzug, in dem sie ihnen die pädagogische Verantwortung für die Erziehung und den Unterricht zugewiesen haben, ausdrücklich dazu verpflichtet haben, die einschlägigen Gesetze und untergesetzlichen Rechtsvorschriften, 222

Vgl. § 38 Abs. 2 BRRG, § 74 S. 2 BW-LBG.

223

§ 8 Abs. 2 S. 1 BAT.

224

Geht man hingegen davon aus, dass die Lehrer aufgrund der Bestimmungen über ihre pädagogische Verantwortung einen Anspruch darauf haben, dass ihre Vorgesetzten nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen, stellen diese Bestimmungen zugleich sicher, dass es insofern nicht darauf ankommt, ob die Lehrer im Beamten- oder im Angestelltenverhältnis beschäftigt werden.

1

D. Das Innenverhältnis

Verwaltungsvorschriften, Konferenzbeschlüsse und - je nach Bundesland - die Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden und/oder Schulleiter zu beachten. Würden die Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung nämlich lediglich dazu dienen, die Lehrer an ihre Pflicht zu erinnern, bei allen ihren Entscheidungen die Bedürfnisse und Interessen der ihnen anvertrauten Schüler in den Mittelpunkt zu stellen, dann wären diese Beschränkungen schlicht überflüssig, da die Lehrer, wie bereits dargelegt wurde, selbstverständlich von ihrer persönlichen Verantwortung entbunden werden müssen, sofern ihr Verhalten nicht auf ihrer eigenen Entscheidung, sondern auf den verbindlichen Vorgaben Dritter beruht. Darüber hinaus ließe sich bei einer so engen Auslegung der einschlägigen Regelungen der Landesschulgesetze kaum erklären, warum die pädagogische Verantwortung der Lehrer keineswegs in allen Ländern ausdrücklich durch die Anordnungen der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden beschränkt wurde. Sollten die Lehrer etwa in denjenigen Ländern, in denen dies nicht geschehen ist, selbst dann die Verantwortung für ihre Handlungen und Entscheidungen tragen müssen, wenn sie diese Maßnahmen nicht aus eigenem Entschluss, sondern aufgrund einer verbindlichen Anordnung unternommen haben? Geht man hingegen wie hier davon aus, dass sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit ergibt, dann lösen sich diese Widersprüche in Luft auf. Denn in diesem Fall wird deutlich, dass die Gesetzgeber durch die Bindung an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Konferenzbeschlüsse etc. keineswegs die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer beschränken, sondern vielmehr die Grenzen der pädagogischen Freiheit aufzeigen wollten. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die Lehrer aus den Bestimmungen über ihre pädagogische Eigenverantwortung ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit herleiten können. Zwar handelt es sich bei dieser Freiheit um eine fiduziarische Freiheit, die im Interesse der Schüler ausgeübt werden muss und die zahlreichen Beschränkungen unterliegt. Dies ändert aber nichts daran, dass die Lehrer einen Anspruch darauf haben, dass die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen. 225 225

Dabei ist festzuhalten, dass es durchaus nicht unüblich ist, aus Bestimmungen über die Verteilung von Zuständigkeiten subjektive Rechte der Beteiligten abzuleiten: Tatsächlich beruhen die verfassungs- und verwaltungsrechtlichen Organklagen durchweg darauf, dass dem Organ, das nach der Verfassung bzw. aufgrund eines bestimmten Gesetzes für eine bestimmte Entscheidung oder sonstige Massnahme zuständig ist, zugleich das Recht zugestanden wird, sich vor Gericht gegen Übergriffe durch andere Organe desselben Hoheitsträgers zur Wehr zu setzen. Besonders deutlich wird dies bei der Kommunalen

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

141

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit Nachdem sich gezeigt hat, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit um ein subjektives Recht der Lehrer handelt, stellt sich nun die Frage, wie weit dieses Recht konkret reicht: Fest steht, dass die Lehrer an die in den Verfassungen bzw. den Landesschulgesetzen festgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsziele gebunden sind und auch alle übrigen Rechtsvorschriften zu beachten haben. Wie bereits dargelegt wurde, 226 ist ihre konkrete Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit aber weitgehend ungeregelt, da sich die Gesetzgeber insofern regelmäßig darauf beschränkt haben, Ziele vorzugeben und es damit den Lehrern überlassen, wie sie diese Ziele erreichen wollen. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit hängt dementsprechend vor allem davon ab, ob und unter welchen Voraussetzungen die Vorgesetzten der Lehrer berechtigt sind, ihnen durch Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen Vorgaben in Bezug auf ihre eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zu machen oder sonst in diese Tätigkeit einzugreifen. Dabei ist zwischen den ausdrücklichen Beschränkungen der Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse, die sich aus den Schulgesetzen der Länder ergeben [1.], und den ungeschriebenen Voraussetzungen für die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen [2.] zu unterscheiden. 1. Die ausdrücklichen Grenzen der Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse: Zu den einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze Da sich das subjektive Recht auf pädagogische Freiheit unmittelbar aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer ergibt, kommt es grundsätzlich weder darauf an, ob in den Schulgesetzen ausdrücklich von der pädagogischen Freiheit der Lehrer die Rede ist, 227 noch spielt es insofern eine Rolle, ob die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und/oder Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt worden sind. 228 Wie im FolgenSelbstverwaltung, die nach Art. 28 Abs. 2 GG nur „gewährleistet sein" muss. Obwohl es sich somit eindeutig um kein Grundrecht, sondern nur um eine institutionelle Garantie handelt (vgl. dazu statt vieler Dreier-ders., Art. 28 GG, Rn. 81 m.w.N.), wurde den Gemeinden in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4 b das Recht zur Verfassungsbeschwerde zugestanden. Auch sonst wird Organen und Organteilen teilweise das Recht zugebilligt, eine Verletzung ihres Zuständigkeitsbereiches vor den Verwaltungsgerichten zu rügen, vgl. dazu etwa Kopp/Schenke, § 42 VwGO, Rn. 80. 226

Vgl. oben C.I.2.

227

Vgl. § 67 Abs. 2 BbgSchG, § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG, § 100 Abs. 2 MV-SchG, § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG, § 30 Abs. 1 S. 1 LSA-SchG. 228 Vgl. §§ 9 Abs. 2, 22 Abs. 3 BerlSchVerfG, §§ 71 Abs. 2 S. 2, 130 Abs. 2 S. 3 BbgSchG, §§ 88 Abs. 4 S. 2, 93 Abs. 3 HessSchG, §§ 43 Abs. 3, 121 Abs. 2 NdsSchG

142

D. Das Innen Verhältnis

den deutlich werden wird, kommt diesen ausdrücklichen Beschränkungen allerdings bei der Bestimmung der konkreten Reichweite der pädagogischen Freiheit eine maßgebliche Bedeutung zu. Eine umfassende Darstellung der Rechtslage in allen Bundesländern würde allerdings den Rahmen der vorliegenden Untersuchung sprengen. Daher sollen zunächst die besonders weit gehenden Bestimmungen des hessischen Schulgesetzes im Mittelpunkt stehen. Auf die Rechtslage in den übrigen Ländern wird danach nur noch insofern einzugehen sein, als es für die Darstellung der wesentlichen Gemeinsamkeiten und Unterschiede erforderlich ist. Die Reihenfolge der Darstellung richtet sich dabei vor allem nach dem Umfang der Eingriffsbefugnisse. Nachdem nicht zu erwarten ist, dass die Leser dieser Untersuchung die einschlägigen Bestimmungen jederzeit verfügbar haben, wurden die wichtigsten Vorschriften im Anhang zu dieser Untersuchung abgedruckt.

a) Hessen Wie bereits dargelegt, ist die pädagogische Eigenverantwortung und Freiheit der Lehrer erstmals im Hessischen Schulgesetz von 1961 verankert worden. 229 Bis heute spielt Hessen insofern eine Vorreiterrolle. Denn hier haben die Lehrer nicht nur einen Anspruch darauf, dass ihrer pädagogischen Freiheit beim Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften angemessen Rechnung getragen wird, § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG, sondern die Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden 230 sind darüber hinaus auch grundsätzlich nicht dazu berechtigt, einem Lehrer in Bezug auf seine Unterrichts- und Erziehungstätigkeit zu einem bestimmten Verhalten anzuweisen und sie dürfen seine Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen auch sonst nur unter sehr engen Voraussetzungen nachträglich aufheben, §§ 88 Abs. 4, 93 Abs. 3 HessSchG.

sowie §§ 16 Abs. 4,67 Abs. 2 SaarSchMG. In fünf Ländern wurden nur die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt, vgl. § 12 Abs. 2 und 3 BremSchG, § 95 Abs. 4 MV-SchG, § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVG, § 26 Abs. 5 S. 4 LSA-SchG sowie §§ 3 Abs. 2 ThürSchAG. In Rheinland-Pfalz ist umgekehrt nur der Schulleiter bei der Ausübung seines Weisungsrechts beschränkt, nicht jedoch die Schulaufsichtsbehörden, vgl. § 21 Abs. 2 S. 1 RP-SchG. 229 230

Vgl. dazu oben unter D.II.l.a.

In Hessen sind das die Staatlichen Schulämter, die direkt dem Kultusministerium als oberster Schulaufsichtsbehörde unterstehen; vgl. §§ 95, 96 HessSchG.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

14

aa) Die Rechtsgrundlagen der pädagogischen Freiheit und Eigenverantwortung Gemäß § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG erziehen, unterrichten, beraten und betreuen die Lehrer i n eigener Verantwortung. Zwar müssen sie dabei auf der einen Seite die Grundsätze und Ziele der §§ 1 bis 3 des Schulgesetzes 231 sowie die sonstigen Rechtsvorschriften, Verwaltungsvorschriften und auch die Konferenzbeschlüsse beachten. A u f der anderen Seite ergibt sich jedoch aus § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG, dass die für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrer erforderliche 2 3 2 pädagogische Freiheit ihrerseits durch diese Vorgaben nicht unnötig oder unzumutbar eingeengt werden darf. 2 3 3 Da der Gesetzgeber damit an die Terminologie

für die Prüfung

von

(Grund-)Rechtsverstößen angeknüpft hat, kann endgültig kein Zweifel mehr daran bestehen, dass mit § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG nicht nur eine objektive Verpflichtung des Verordnungsgebers 2 3 4 und der Schulaufsichtsbehörden begründet wurde, sondern ein subjektives Recht der Lehrer. 2 3 5

231

In diesen Bestimmungen werden die Erziehungsziele gem. Art. 56 Abs. 3 bis 5 der Landesverfassung näher konkretisiert. 232

Richtigerweise ist davon auszugehen, dass dieses Kriterium nicht einschränkend gemeint ist - wie etwa im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Grundrechtseingriffen. Vielmehr hat der Gesetzgeber hier lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es einen sachlichen Grund dafür geben muss, den Lehrern einen Freiraum zu belassen; vgl. in diesem Sinne auch schon die Begründung zu § 66 DJT-SchGE in Deutscher Juristentag, S. 308. 233

Vgl. in diesem Sinne auch § 67 Abs. 2 S. 2 BbgSchG, § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG; sowie § 59 Abs. 2 S. 2 BremSchG, wobei zu beachten ist, dass hier weder die Befugnisse der Schulleiter noch diejenigen der Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt worden sind. Vielmehr ergibt sich aus der inneren Systematik des § 59 Abs. 2 BremSchG, dass „dienstliche Anordnungen" grundsätzlich unbeschränkt möglich sind. 234

Zwar ist in § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG von „Rechtsvorschriften" die Rede. Allerdings hat sich der Gesetzgeber damit nicht selbst gebunden. 235

Dafür spricht auch und insbesondere die Entstehungsgeschichte der Bestimmung, die auf § 66 Abs. 2 S. 2 DJT-SchGE zurückgeht. Denn die Kommission Schulrecht des Deutschen Juristentages wollte die Stellung der einzelnen Lehrer aufwerten und diesen ein Mittel in die Hand geben, um eine Aushöhlung ihrer pädagogischen Freiheit verhindern zu können; vgl. dazu die Begründung zu § 66 DJT-SchGE in Deutscher Juristentag, S. 307. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Schulrechts-Kommission ihren Vorschlag auf Grundlage der Erfahrungen formuliert hat, die man mit der einschlägigen Vorläuferbestimmungen des § 52 Abs. 2 HessSchVwG 1961 gemacht hatte. Schon diese Regelung hatte aber den Zweck, den Lehrern denjenigen Freiraum zu verschaffen, den sie nach den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft für ihre Tätigkeit benötigen; vgl. Stock, Freiheit, S. 17 ff. und passim.

1

D. Das Innenverhältnis

Um sicherzustellen, dass dieser Anspruch nicht leer läuft, wurde er in § 4 Abs. 1 S. 2 HessSchG in Bezug auf die Rahmenpläne über die Ziele und Inhalte des Unterrichts näher konkretisiert. 236 Danach müssen die verbindlichen und die fakultativen Unterrichtsinhalte in diesen Plänen in einem sinnvollen Verhältnis so zueinander bestimmt werden, dass die Lehrer in die Lage versetzt werden, die vorgegebenen Ziele in eigener pädagogischer Verantwortung zu erreichen. 237 Eine weitere Beschränkung der Eingriffsbefugnisse ergibt sich daraus, dass die Lehrer nicht allgemein an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden sind, sondern nur an Verwaltungsvorschriften, also an die Erlasse des jeweiligen Kultusministeriums und andere abstrakt-generelle Vorgaben der Schulaufsichtsbehörden. 238 Denn daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass es weder den Schulaufsichtsbehörden noch den Schulleitern möglich ist, den ihnen unterstellten Lehrern durch Einzelweisungen verbindliche Vorgaben für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zu machen. Für die Schulpraxis kommt dieser Beschränkung allerdings nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung zu: Da der Gesetzgeber in § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG den Rahmen für die pädagogische Freiheit definiert hat, sind nur die Weisungen im engeren und eigentlichen Sinne ausgeschlossen, also die vorherige Anordnung, sich in einem konkreten Einzelfall auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten. Solche Weisungen müssen im Bereich des Bildungswesens aber ohnehin eine seltene Ausnahme bleiben, da sich die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden aufgrund der bereits mehrfach erwähnten besonderen Dynamik und Komplexität des Schulverhältnisses in aller Regel auf die nachträgliche Kontrolle der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer sowie darauf beschränken müssen, den Lehrern abstrakt-generelle Vorgaben für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zu machen.239

236

Auch damit ist der hessische Gesetzgeber den Vorschlägen der Kommission Schulrecht gefolgt, vgl. dazu § 8 Abs. 1 S. 2 und Abs. 3 DJT-SchGE. 237

§ 4 Abs. 1 S. 2 HessSchG.

238

Vgl. in diesem Sinne auch § 10 Abs. 1 S. 1 BerlSchVerfG, § 67 Abs. 2 S. 1 BbgSchG, § 88 Abs. 2 HambSchG, § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG, § 28 Abs. 1 S. 1 SaarSchOG bzw. § 5 Abs. 1 S. 1 SaarSchMG, § 30 Abs. 1 LSA-SchG. Auch in § 100 Abs. 2 MV-SchG, § 50 Abs. 1 S. 1 NdsSchG, § 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG, § 34 Abs. 2 S. 1 ThürSchG ist nur von den Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden die Rede ist, nicht jedoch von denen der Schulleiter. 239

In der Regel sehen die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden erst aufgrund der Beschwerden von Eltern und Schülern Anlass zum Einschreiten.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

14

Auf der anderen Seite ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass die Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden keineswegs erst dann von ihren Aufsichtsbefugnissen Gebrauch machen dürfen, wenn bereits eine Entscheidung gefallen ist, die sich im Außenverhältnis überhaupt nicht mehr oder jedenfalls nur mit einem erheblichen Aufwand korrigieren lässt. Vielmehr können sie einem Lehrer gegebenenfalls im Wege der „antizipierten Aufsicht" schon dann Vorgaben für seine Tätigkeit machen, wenn erkennbar ist, dass er sich pflichtwidrig verhalten will. 2 4 0 Nach alldem kommt den §§88 und 92 f. HessSchG entscheidende Bedeutung zu, in denen die Voraussetzungen für die nachträgliche Kontrolle der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen des Lehrers durch die Schulaufsichtsbehörden [bb)] bzw. den Schulleiter [cc)] geregelt sind. 241 bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden Grundsätzlich unterstehen die Schulen und Lehrer auch in Hessen der Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden. Diese können und müssen schulische Entscheidungen und andere Maßnahmen immer dann aufheben und zur erneuten Entscheidung oder Beschlussfassung zurückverweisen, wenn diese Maßnahmen - gegen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, - das Schulprogramm 242 oder 240

Von der „normalen" Weisung unterscheidet sich eine solche „präventive Aufsichtsmaßnahme" dadurch, dass die Vorgesetzten bzw. Aufsichtsbehörden nur dann einschreiten dürfen, wenn tatsächlich zu erwarten ist, dass sich ein Lehrer pflichtwidrig verhalten wird. Eine Weisung ist demgegenüber unabhängig von einem solchen Verdacht zulässig. 241

Vgl. ähnlich auch schon § 73 Abs. 2 S. 4 (Alternative 1) bzw. § 73 S. 3 (Alternative 2) sowie § 67 Abs. 4 DJT-SchGE sowie Deutscher Juristentag, S. 306 f. 242 Gemäß § 127b Abs. 2 HessSchG gestaltet die Schule durch dieses Programm den „Rahmen, in dem sie ihre pädagogische Verantwortung für die eigene Entwicklung und die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit wahrnimmt. Sie legt darin auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme die Ziele ihrer Arbeit in Unterricht, Erziehung, Beratung und Betreuung unter Berücksichtigung des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule und der Grundsätze ihrer Verwirklichung, die wesentlichen Mittel zum Erreichen dieser Ziele und die erforderlichen Formen der Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrer fest. Im Schulprogramm sind Aussagen zum Beratungs- und Fortbildungsbedarf, zur Organisationsentwicklung und zur Personalentwicklung der Schule zu machen. Die Schule kann unter Nutzung der unterrichtsorganisatorischen und inhaltlichen Gestaltungsräume ihre Schwerpunkte setzen, sich so ein eigenes pädagogisches Profil geben und, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedürfnisse ihres Umfeldes, besondere Aufgaben wählen."

Es ist durchaus bemerkenswert, dass der Gesetzgeber (auch) den Schulaufsichtsbehörden das Recht zugestanden hat, über die Einhaltung des Schulprogrammes zu wachen,

16

D. Das Innenverhältnis

- Anordnungen der Schulaufsichtsbehörde verstoßen oder - aus pädagogischen Gründen erhebliche Bedenken gegen sie bestehen243 - es reicht also nicht aus, dass die Schulaufsichtsbehörde eine andere Vorgehensweise bevorzugen würde. Werden die entsprechenden Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden nicht befolgt, dann können sie die betreffende Angelegenheit gegebenenfalls an sich ziehen und selbst eine unmittelbar wirksame Entscheidung treffen. Noch stärker beschränkt ist die Fachaufsicht in Bezug auf pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen. Hier dürfen die Schulaufsichtsbehörden gemäß § 93 Abs. 3 HessSchG nur dann einschreiten, wenn - wesentliche Verfahrens- und Rechtsvorschriften verletzt wurden, - von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde oder - gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wurde. 244 Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, müssen die Schulaufsichtsbehörden die betreffenden Angelegenheiten zunächst zur erneuten Entscheidung an die Schule bzw. an den einzelnen Lehrer zurückverweisen. Nur dann, wenn diese keine Abhilfe schaffen, können die Schulaufsichtsbehörden selbst eine nach außen wirksame Entscheidung treffen.

( 1) Die Vorgaben des § 93 Abs. 3 HessSchG Damit stellt sich zunächst die Frage, was mit den „pädagogischen Bewertungen sowie unterrichtlichen und erzieherischen Entscheidungen und Maßnahmen" im Sinne von § 93 Abs. 3 HessSchG gemeint ist. Wie bereits deutlich wurde, 245 legt der VGH Kassel diese Bestimmung sehr eng aus: Nach seiner Ansicht soll schon die Frage, welches methodische Mittel im Unterricht zum Einsatz kommt, nicht mehr zu dem weitgehend unantastbaren Kernbereich der pädagogischen Freiheit gehören. Diese beziehe sich vielmehr

obwohl dieses Programm von der Schulkonferenz festgelegt wurde, vgl. dazu unten unter D.V.2. und dort Fn. 476 auf S. 230. 243

Vgl. § 93 Abs. 1 HessSchG.

244

Vgl. in diesem Sinne auch § 95 Abs. 4 MV-SchG sowie § 121 Abs. 2 NdsSchG.

245

Vgl. dazu oben unter D.II.2.f.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

14

ausschließlich auf die „konkrete Darstellung und Vermittlung von Kenntnissen im Unterricht". 246 Diese Auffassung kann jedoch schon deshalb nicht überzeugen, weil die Methodenwahl untrennbar mit der Unterrichtsgestaltung zusammen hängt. 247 Richtigerweise ist davon auszugehen, dass die „unterrichtlichen und erzieherischen Entscheidungen und Maßnahmen" grundsätzlich das gesamte Verhalten der Lehrer im Zusammensein mit ihren Schülern erfassen - und zwar einschließlich der Auswahl der Unterrichtsmethoden und der Lerninhalte, die im Unterricht behandelt werden sollen, sowie der außerunterrichtlichen Veranstaltungen, 248 da diese in erster Linie dazu dienen, den Schülern soziale Kompetenz zu vermitteln und damit dazu, den selbstgesetzten Erziehungsauftrag des Staates zu erfüllen. Dabei soll nicht verhehlt werden, dass es im Einzelfall sehr schwierig sein kann, die eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit von organisatorischen und technischen Maßnahmen abzugrenzen. Im Zweifel kommt es auf den Schwerpunkt der jeweiligen Regelung, ihren Zweck und ihre Zielrichtung an. 2 4 9 In der Regel wird man danach unterscheiden müssen, ob einem Lehrer eine bestimmte Aufgabe übertragen werden kann und wie er diese Aufgabe erfüllt. 2 5 0

Weiterhin stellt sich die Frage, was mit den „pädagogischen Bewertungen" im Sinne von § 93 Abs. 3 HessSchG gemeint ist. Da bei fast allen schulischen Entscheidungen pädagogische Bewertungen eine gewisse Rolle spielen, muss dieser Begriff eng ausgelegt werden. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass alle Entscheidungen außerhalb der eigentlichen Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit erfasst werden, bei denen die Persönlichkeit der Schüler bzw. eine Prognose über ihre weitere Entwicklung eine zentrale Rolle spielt: Das sind vor allem die

246 VGH Kassel, NVwZ-RR 1993, S. 483,484, unter Berufung auf BVerfGE Al, S. 46, 83. Vgl. auch VGH Kassel, ESVGH 45, S. 233. 247 Die Entscheidung des VGH Kassel lässt sich daher überhaupt nur dann angemessen würdigen, wenn man die konkreten Umstände beachtet: Wie unter D.II.2.f. bereits dargelegt wurde, ging es hier formal nur darum, wer dazu berechtigt sein soll, dem Lehrer Vorgaben für den Unterricht zu machen. Mit seiner Argumentation erreichte der VGH, dass er sich nicht mit der Frage auseinander setzen muss, ob und wie die Zuständigkeitsbereiche der Schulleiter und der Schulaufsichtsbehörden voneinander abgegrenzt werden müssen. 248

Z.B. Schulausflüge, Klassenfahrten, etc.

249

vgl. so auch schon die Kommission Schulrecht in der Begründung zu § 73 DJTSchGE, Deutscher Juristentag, S. 318. 250

Dieses Verhältnis lässt sich etwa am Beispiel der Pausenaufsicht aufzeigen: Die Entscheidung, welcher Lehrer zu welcher Zeit die Aufsicht führt, ist eine organisatorische Maßnahme. Wie der Lehrer einen Streit unter Schülern schlichtet, ist hingegen genuiner Bestandteil seiner Erziehungsaufgabe.

D. Das Innen Verhältnis

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Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, 251 aber auch die Entscheidung über die Versetzung in die jeweils nächste Klassenstufe oder über die Aufnahme in eine weiterführende Schule. Unabhängig davon, dass diese zuletzt genannten Entscheidungen ohnehin nicht von einem einzelnen Lehrer, sondern von der jeweils zuständigen Konferenz getroffen werden müssen, ist festzuhalten, dass die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden insofern jedenfalls im Ergebnis deutlich weiter reichen als bei den übrigen pädagogischen Bewertungen: Obwohl nämlich auch den Versetzungsentscheidungen eine Prognose über die künftige Entwicklung des Schülers zugrunde liegt, beruht die Prognose, ob ein Schüler den Anforderungen der nächsten Klassenstufe bzw. einer bestimmten Schulart gerecht werden kann, vor allem auf seinen bisherigen Leistungen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass auch bei der Bewertung einzelner Leistungen unter Umständen ein pädagogisches Element eine gewisse Rolle spielt, 252 und dass diese Bewertungen zweifellos in einem engen Zusammenhang mit der Gestaltung des Unterrichts stehen, da bei schulischen Prüfungen grundsätzlich nur derjenige Stoff abgefragt werden kann, der zuvor im Unterricht behandelt worden ist, ändert dies jedoch nichts daran, dass die mündlichen und schriftlichen Prüfungen vor allem dazu dienen, den aktuellen Leistungs- und Kenntnisstand der Schüler zu ermitteln und zu dokumentieren. Die einzelne Leistungsbewertung gehört daher weder zum Unterricht und zur Erziehung noch zu den „pädagogischen Bewertungen" im Sinne des § 93 Abs. 3 HessSchG und sie kann daher in den Grenzen des § 93 Abs. 1 HessSchG umfassend durch die Schulaufsichtsbehörden überprüft werden. Im Ergebnis unterliegen damit aber auch die Versetzungsentscheidungen mittelbar der Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden. 253 251

Wobei festzuhalten ist, dass die Ordnungsmaßnahmen gemäß § 82 Abs. 9 HessSchG ausschließlich durch den Schulleiter verhängt werden können. Die Entscheidung über pädagogische Erziehungsmaßnahmen im Sinne von § 82 Abs. 1 HessSchG obliegt demgegenüber dem Lehrer. 252 Besonders deutlich wird dies etwa bei der Frage, ob und gegebenenfalls auf welche Weise die bisherige Entwicklung eines Schülers bei der Notengebung berücksichtigt werden kann oder gar berücksichtigt werden muss: Dies erscheint insbesondere bei der Bewertung musischer oder sportlicher Leistungen sinnvoll, aber auch bei ausländischen Schülern, die erst relativ kurze Zeit in Deutschland sind. 253 Damit bleibt nur noch die Frage offen, welche rechtliche Bedeutung dem Umstand zukommt, dass die Betreuungs- und Beratungstätigkeit der Lehrer in § 93 Abs. 3 HessSchG nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Zwar ist damit jedenfalls im Grundsatz davon auszugehen, dass die Lehrer auch insofern der umfassenderen Fachaufsicht gemäß § 93 Abs. 1 HessSchG unterliegen. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Schulaufsichtsbehörden aufgrund von § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG nicht dazu berechtigt sind, den Lehrern insofern durch Einzelweisungen Vorgaben für ihre Tätigkeit zu machen. Daher dürfen sie

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Wobei auf der anderen Seite zu beachten ist, dass dieser Abgrenzung für die Praxis heute eine weitaus geringere Bedeutung zukommt als noch vor wenigen Jahren: Schließlich wurde das Prüfungsverfahren infolge der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zum Beurteilungsspielraum bei Prüfungen 254 immer stärker verrechtlicht und formalisiert. Dennoch gibt es immer noch einen Bereich, der sich der gerichtlichen Kontrolle und damit auch der Rechtsaufsicht entzieht.

(2) Zum Umfang der Aufsicht über die Erziehungsund Unterrichtstätigkeit der Lehrer Nachdem sich gezeigt hat, dass grundsätzlich die gesamte Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer mit Ausnahme der Leistungsbewertungen von § 93 Abs. 3 HessSchG erfasst wird, sollen im Folgenden der Umfang und die Grenzen der Aufsichtsbefugnisse genauer bestimmt und herausgearbeitet werden, ob und inwieweit die Schulaufsichtsbehörden dazu berechtigt sind, die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit pädagogischer Bewertungen sowie unterrichtlicher und erzieherischer Entscheidungen und Maßnahmen zu überprüfen. Zunächst ist festzuhalten, dass auch die Schulen und Lehrer einer umfassenden Rechtsaufsicht unterliegen. Zwar sollen die Schulaufsichtsbehörden gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 HessSchG nur bei einem Verstoß gegen „wesentliche Verfahrensund Rechtsvorschriften" einschreiten dürfen. Dies darf jedoch nicht in dem Sinne verstanden werden, dass die Schulaufsichtsbehörden berechtigt oder gar verpflichtet wären, „unwesentliche" Verstöße gegen Rechtsnormen hinzunehmen.255 Vielmehr ist diese Bestimmung im Hinblick auf den in Art. 20 Abs. 3 GG festgeschriebenen Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung in dem Sinne auszulegen, dass die Schulaufsichtbehörden dann zum Eingreifen berechtigt sind, wenn entweder Rechtsvorschriften oder wesentliche Verfahrensvorschriften verletzt worden sind, womit nur die verwaltungsinternen Vorgaben für die Ausgestaltung des Verfahrens gemeint sein können.

grundsätzlich nur dann einschreiten, wenn erhebliche pädagogische Bedenken gegen das konkrete Verhalten eines Lehrers sprechen. Dies ist aber wiederum nur dann der Fall, wenn das Verhalten aus pädagogischer Sicht völlig unvertretbar ist. Letztendlich kommt es darauf aber nicht an, da sich die Beratung und Betreuung durch die Lehrer ohnehin weitgehend jeder Fremdsteuerung und damit auch dem Einfluss der Schulaufsichtsbehörden entziehen. 254 Vgl. dazu BVerfGE 27.12, m.w.N.

84, S. 34/59, sowie zusammenfassend Avenarius/Heckel,

Tz.

255 Vgl. dazu auch Avenarius/Heckel, Tz. 16.21, Fn. 10, der meint, dass durch diese Einschränkung eine wirksame Kontrolle der Einhaltung der rechtlichen Bindungen der Schule gefährdet werde.

D. Das Innenverhältnis

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Tatsächlich hat die ausdrückliche Erwähnung der Verfahrensvorschriften in § 93 Abs. 3 HessSchG ohnehin nur eine deklaratorische Bedeutung: - Auf der einen Seite führt ein Verstoß gegen die gesetzlichen und untergesetzlichen Verfahrensregelungen jedenfalls dann zur Rechtswidrigkeit - oder sogar zur Nichtigkeit 256 - der betreffenden Maßnahme, wenn der betreffende Verfahrensfehler nicht mehr geheilt werden kann. 257 Umgekehrt ist ein Verfahrensfehler nicht „wesentlich", solange er noch geheilt werden kann. 258 - Auf der anderen Seite sind nur diejenigen verwaltungsinternen Vorgaben für das Verfahren „wesentlich" im Sinne des § 93 Abs. 3 HessSchG, die das Verfahren der betreffenden Behörde maßgeblich prägen. Obwohl es sich bei solchen Verwaltungsvorschriften nicht um Rechtsnormen handelt, kommt ihnen dann aber in der Regel eine mittelbare Außenwirkung zu, da sich die Behörden durch ihre bisherige Verwaltungspraxis selbst gebunden und die Bürger aufgrund des verfassungsrechtlichen Gleichheitsgebotes einen Anspruch darauf haben, dass die Verwaltung diese Praxis beibehält.259 Weicht eine Behörde dennoch ohne triftigen Grund von dieser Praxis ab und besteht keine Möglichkeit zur Heilung des Verfahrensfehlers, dann ist die betreffende Maßnahme daher ebenfalls rechtswidrig. Auch in Bezug auf die übrigen in § 93 Abs. 3 HessSchG genannten Voraussetzungen für ein Eingreifen der Schulaufsichtsbehörden gilt im Ergebnis nichts anderes: - Zum einen ist eine hoheitliche Maßnahme selbstverständlich auch dann rechtswidrig, wenn sie gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 2 HessSchG auf unrichtigen Voraus256

Vgl. etwa § 44 Abs. 2 Nr. 1,2 VwVfG und die vergleichbaren Bestimmungen des Landesrechts. 257

Vgl. insofern § 45 VwVfG und die vergleichbaren Bestimmungen des Landesrechts.

258

In diesem Fall darf die Schulaufsichtsbehörde die Entscheidung nicht an sich ziehen, sondern sie muss sich darauf beschränken, die Schulen oder Lehrer auf den Verfahrensfehler und die Möglichkeit seiner Heilung hinzuweisen. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 46 VwVfG ist darüber hinaus davon auszugehen, dass ein Verfahrensfehler auch dann nicht „wesentlich" ist, wenn er die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Bei schulischen Entscheidungen ist diese Voraussetzung allerdings kaum jemals gegeben, da es sich hier in aller Regel um Ermessensentscheidungen handelt und/oder darum, unbestimmte Rechtsbegriffe korrekt auszulegen. Ein - unheilbarer - Verfahrensfehler indiziert dann aber stets eine fehlerhafte Rechtsanwendung und damit die materielle Rechtswidrigkeit der Maßnahme; vgl. dazu statt vieler Kopp/Ramsauer, § 46 VwVfG, Rn. 32 ff. 259 Vgl. zum Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung zusammenfassend Maurer, § 24, Rn. 21 ff., m.w.N.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Setzungen beruht oder wenn ihr sachfremde Erwägungen zugrunde liegen: Denn in beiden Fällen handelt es sich grundsätzlich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Betroffenen. 260 - Zum anderen führt auch ein Verstoß gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe zur Rechtswidrigkeit der Entscheidung. Denn diese Voraussetzung ist dann - und nur dann - erfüllt, wenn die betreffende Maßnahme gegen alle Erkenntnisse der Erziehungswissenschaft verstößt. In diesem Fall ist sie aber nicht nur unzweckmäßig, sondern schlicht ungeeignet, den angestrebten Zweck zu erreichen und damit ebenfalls unverhältnismäßig. - Schließlich sollte es keiner näheren Erläuterung bedürfen, dass ein Lehrer auch dann rechtswidrig handelt, wenn er bei seinen Entscheidungen den Gleichheitsgrundsatz verletzt. Im Ergebnis hat der hessische Gesetzgeber die Schulaufsichtsbehörden zwar nicht insgesamt, aber jedenfalls in Bezug auf pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt. 261 Insbesondere sind die Schulaufsichtsbehörden nicht dazu berechtigt, Entscheidungen oder andere Maßnahmen eines Lehrers aufzuheben, wenn dieser lediglich gegen eine „normale" Verwaltungsvorschrift verstoßen hat. Zwar sind die Lehrer aufgrund von § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG grundsätzlich dazu verpflichtet, auch solche verwaltungsinternen Vorgaben zu beachten.§ 93 Abs. 3 HessSchG ermächtigt die Schulaufsichtsbehörden jedoch nicht bei jedem Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften, sondern nur dann zum Einschreiten, wenn wesentliche Verfahrenst orschriften nicht beachtet wurden. 262 Im Ergebnis stellen die Verwaltungsvorschriften damit zumindest so lange nur eine unverbindliche Empfehlung für die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer dar, bis sie mittelbare Außenwirkungen entfalten.

260

Entsprechend dem in § 46 VwVfG verkörperten Rechtsgedanken gilt dies nur dann nicht, wenn offensichtlich ist, dass auch bei einer korrekten Ermittlung des Sachverhaltes und der zu berücksichtigenden Belange keine andere Entscheidung in der Sache möglich gewesen wäre. 261 Damit ist er auch insofern den Vorschlägen der Kommission Schulrecht des Deutschen Juristentages gefolgt; vgl. dazu § 73 DJT-SchGE und die Begründung dazu, Deutscher Juristentag, S. 318 f. Avenarius/Heckel, Tz. 16.21, geht dennoch davon aus, dass diese Vorschläge in keinem Land übernommen worden seien - dabei setzt er sich allerdings nicht mit dem Wortlaut des § 93 Abs. 3 HessSchG auseinander. 262 Eine solche Beschränkung hatte bereits die im Jahre 1969 eingefügte Vorläuferbestimmung des § 45 Abs. 2 HessSchVwG 1961 enthalten.

D. Das Innenverhältnis

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In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Lehrpläne in Hessen gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 HessSchG durch Rechtsverordnung zur Erprobung freigegeben oder für verbindlich erklärt werden. Obwohl es sich auch bei diesen Plänen formal nur um Verwaltungsvorschriften handelt, sind die Lehrer daher ohne weiteres dazu verpflichtet, sie ihrer Unterrichts- und Erziehungsarbeit zugrunde zu legen. 263

cc) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter Während die Schulaufsichtsbehörden bereits seit 1969 nur noch unter bestimmten Voraussetzungen dazu berechtigt waren, den Lehrern Vorgaben für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zu machen, stand dem Schulleiter zunächst weiterhin ein unbeschränktes Weisungsrecht z u . 2 6 4 Dies änderte sich erst i m Jahre 1992, als die damalige Regierungskoalition aus SPD und Grünen i m Rahmen der Zusammenführung der einzelnen schulrechtlichen Bestimmungen eine differenzierte Regelung i n das neue Schulgesetz eingeführt hat: Gemäß § 88 Abs. 4 S. 1 HessSchG ist der Schulleiter seither nur noch i m Rahmen der „Verwaltungsaufgaben" 2 6 5 und der dazu ergangenen Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden und des Schulträgers sowie zur Ausführung von Konferenzbeschlüssen unbeschränkt dazu berechtigt, den Lehrern Weisungen zu erteilen. 2 6 6 I n die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrer darf der Schulleiter gemäß § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG demgegenüber nur dann eingreifen, wenn ein Lehrer gegen -

Rechts- und Verwaltungsvorschriften,

-

die durch § 93 Abs. 3 Nr. 3 vorgegebenen Grundsätze und Maßstäbe, 2 6 7 263

Wobei sich allerdings die hier nicht näher zu untersuchende Frage stellt, ob und unter welchen Umständen diese Bindung auch dann bestehen bleibt, wenn die Lehrpläne später geändert werden. Zumindest bei einer wesentlichen Veränderung der Lehrinhalte reicht die ursprüngliche Verbindlichkeitserklärung wohl nicht mehr aus. 264 § 48 Abs. 3 des HessSchVwG 1978 sah vor, dass der Schulleiter in Erfüllung seiner Aufgaben gegenüber den Lehrern weisungsberechtigt ist. 265 Mit diesem Begriff ist wohl die Schulorganisation gemeint, also die Festlegung der Stundenpläne, die Hausreinigung etc. 266

Dies steht keineswegs im Widerspruch zu der These, dass die Lehrer in Hessen in Bezug auf die Erziehung, den Unterricht, die Beratung und Betreuung grundsätzlich weisungsfrei sind, vgl. dazu oben D.III.l.a.aa. Vielmehr verhält sich § 88 Abs. 4 S. 1 HessSchG komplementär zur allgemeinen Vorgabe des § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG, indem hier klargestellt wird, dass die Verwaltungsangelegenheiten von den soeben genannten Tätigkeiten abzugrenzen sind. 267 Also gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung; vgl. dazu oben unter D.III, l.a.bb.(l).

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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- verbindliche pädagogische Grundsätze des Schulprogramms 268 oder - Konferenzbeschlüsse verstößt. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, muss sich der Schulleiter darauf beschränken, die Lehrer zu einem korrekten Verhalten anzuweisen. Schon auf den ersten Blick wird deutlich, dass der Gesetzgeber in § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG nicht dieselbe Terminologie verwendet hat wie in § 93 Abs. 3 HessSchG. Angesichts der breiten und ausführlichen öffentlichen Diskussion vor der Verabschiedung des neuen Schulgesetzes im Jahre 1992 können diese unterschiedlichen Formulierungen kaum auf ein Redaktionsversehen zurückgeführt werden. 269 Zwar liegt die Vermutung nahe, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 93 Abs. 3 HessSchG nicht zuletzt deshalb am Wortlaut des früheren § 55 HessSchVwG 1978 orientiert hat, weil er den Rechtsanwendern keinen Anlass dazu geben wollte, die neue Regelung anders auszulegen als ihre Vorläuferbestimmung. 270 Gerade dann wäre es aber geboten gewesen, diese Terminologie auch in § 88 Abs. 4 HessSchG so weit wie möglich zu übernehmen, um auf diese Weise die Gemeinsamkeiten und Unterschiede deutlich zu machen. Da dies nicht geschehen ist stellt sich die im Folgenden näher zu untersuchende Frage, ob und gegebenenfalls inwiefern sich die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter von denen der Schulaufsichtsbehörden unterscheiden.

(1 ) Die Vorgaben des § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG Zunächst ist festzuhalten, dass die „Unterrichts- und Erziehungsarbeit" der Lehrer im Sinne von § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG ohne Zweifel zu den „unterrichtlichen und erzieherischen Entscheidungen und Maßnahmen" im Sinne von § 93 Abs. 3 HessSchG gehört. Die unterschiedliche Formulierung lässt sich vor allem damit erklären, dass die Schulaufsichtsbehörden aufgrund von § 93 Abs. 3 HessSchG nicht nur die Unterrichts- und Erziehungsarbeit des einzelnen Lehrers überwachen, sondern auch die Entscheidungen des Schulleiters und der Konfe268

Vgl. dazu schon oben Fn. 242 auf S. 145.

269

Dagegen spricht auch der Umstand, dass in § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG ausdrücklich auf § 93 Abs. 3 Nr. 2 HessSchG verwiesen wird - dies belegt, dass dem Gesetzgeber der Zusammenhang zwischen den beiden Bestimmungen durchaus klar war. 270 Dies ergibt sich zwar nicht aus den Materialien der Entstehungsgeschichte. Allerdings hat der frühere Kultusminister des Landes Hessen, Hartmut Holzapfel, der maßgeblich an der Reform beteiligt war, in einem privaten Schreiben an den Verf. am 12.12.00 erklärt, dass die neue Systematik und der neue inhaltliche Ansatz schon einiges von den Rezipienten verlangt habe. Daher habe man ihnen zumindest da Ungewohntes ersparen wollen, wo es keine dringende Notwendigkeit für Änderungen gab.

D. Das Innenverhältnis

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renzen. § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG bezieht sich demgegenüber ausschließlich auf das Verhältnis zwischen dem Schulleiter und den an seiner Schule beschäftigten Lehrern. Der zweite Unterschied zu § 93 Abs. 3 HessSchG besteht darin, dass die Schulleiter in § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG nicht ausdrücklich dazu ermächtigt wurden, den Lehrern auch Vorgaben in Bezug auf deren „pädagogische Bewertungen" zu machen.271 Grundsätzlich führt dies dazu, dass diese Bewertungen - jedenfalls dann und insoweit sie sich nicht auf die eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer beziehen - dem Einfluss des Schulleiters entzogen sind. Im Ergebnis kommt es hierauf allerdings nicht an. Denn wie soeben schon dargelegt worden ist, spielen solche Bewertungen außerhalb der eigentlichen Erziehungsund Unterrichtstätigkeit vor allem im Zusammenhang mit der Entscheidung über Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen eine Rolle. In Hessen ist nun aber ohnehin ausschließlich der Schulleiter dazu berechtigt, die formellen Ordnungsmaßnahmen im Sinne des § 82 Abs. 2 HessSchG272 zu verhängen. 273 Dennoch reichen die Eingriffsbefugnisse des Schulleiters wesentlich weniger weit als die der Schulaufsichtsbehörden. Während § 93 Abs. 3 HessSchG nämlich dazu dient, die umfassenden Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden zu modifizieren und diese in Bezug auf die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer und deren pädagogische Bewertungen auf eine reine Rechtsaufsicht zu beschränken, werden die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter überhaupt erst durch § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG begründet. Da die Leistungsbewertungen dort aber nicht ausdrücklich erwähnt werden, unterliegen die Lehrer insofern ausschließlich der Aufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden, und der Schulleiter hat keine Möglichkeit, eine solche Bewertung selbst aufzuheben oder gar gegen den Willen des Lehrers abzuändern.

271 Wobei ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass es sich bei den pädagogischen Bewertungen nicht um „Verwaltungsaufgaben" im Sinne von § 88 Abs. 4 S. 1 HessSchG handelt. 272 273

Diese reichen vom zeitweiligen Ausschluss vom Unterricht bis zum Schulverweis.

Vgl. § 82 Abs. 9 HessSchG. Die Lehrer müssen sich demgegenüber darauf beschränken, durch pädagogische Maßnahmen die Erfüllung des Bildungsauftrages der Schule zu gewährleisten; vgl. § 82 Abs. 1 HessSchG.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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(2) Zum Umfang der Eingriffsbefugnisse Nachdem sich damit gezeigt hat, dass der Anwendungsbereich des § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG etwas enger ist als derjenige der vergleichbaren Bestimmung des § 93 Abs. 3 HessSchG, liegt die Vermutung nahe, dass der jeweilige Schulleiter allenfalls unter denselben Voraussetzungen in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der an seiner Schule beschäftigten Lehrer eingreifen kann wie die Schulaufsichtsbehörden. Zumindest auf den ersten Blick scheinen seine Eingriffsbefugnisse jedoch paradoxerweise deutlich weiter zu reichen: Schließlich soll der Schulleiter nicht nur bei einem Verstoß gegen „wesentliche Vez/a/irensvorschriften" zum Einschreiten berechtigt sein, sondern bei jedem Verstoß gegen Verwaltungsworsdmften - und zwar völlig unabhängig davon, ob diese Verwaltungsvorschriften das Verfahren für schulische Entscheidungen betreffen oder die Inhalte und Methoden des Unterrichts. In diesem Zusammenhang ist nun allerdings zu beachten, dass der Schulleiter keine Möglichkeit hat, seine Weisungen zwangsweise durchzusetzen oder die Entscheidung gar selbst an sich zu ziehen. Kommt ein Lehrer einer entsprechenden Weisung des Schulleiters daher nicht nach, bleibt diesem nur die Möglichkeit, die zuständigen Schulaufsichtsbehörden zum Einschreiten aufzufordern. Da deren Eingriffsbefugnisse nun aber wiederum nicht davon abhängen, ob sie aus eigener Initiative tätig werden oder weil sie von Dritten dazu aufgefordert werden, dürfen sie auch hier nur unter den in § 93 Abs. 3 HessSchG genannten Voraussetzungen in die Tätigkeit der Lehrer eingreifen. Im Ergebnis reichen die Eingriffsbefugnisse des Schulleiters daher jedenfalls insofern doch nicht weiter als diejenigen der Schulaufsichtsbehörden. Allerdings stellt sich weiterhin die Frage, ob und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben, dass der Gesetzgeber in § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG nur auf § 93 Abs. 3 Nr. 3 HessSchG verwiesen hat, nicht jedoch auf die Nr. 2 dieser Bestimmung: Sollte der Schulleiter etwa selbst dann nicht zum Einschreiten berechtigt sein, wenn er erkennt, dass ein Lehrer bei einer Entscheidung von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen ist oder ihr sachfremde Erwägungen zugrunde gelegt hat? Tatsächlich ist dies nicht der Fall: Wie schon dargelegt wurde, ist die betreffende Entscheidung unter diesen Voraussetzungen nämlich ohnehin rechtswidrig. 274 Demzufolge kommt § 93 Abs. 3 Nr. 2 HessSchG nur eine deklaratorische Bedeutung zu. 275 274

Vgl. dazu oben unter D.III.l.a.bb.(2).

275

Allerdings stellt sich die Frage nach den Gründen, die den Gesetzgeber dazu

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D. Das Innenverhältnis

I m Ergebnis sind die Schulleiter damit trotz der unterschiedlichen Formulierungen i n den §§ 88 Abs. 4 S. 3 bzw. 93 Abs. 3 HessSchG grundsätzlich unter denselben Voraussetzungen wie die Schulaufsichtsbehörden zu Eingriffen in die Tätigkeit der Lehrer berechtigt: A u c h sie können somit grundsätzlich nur dann einschreiten, wenn ein Lehrer i m Rahmen seiner Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit gegen geltendes Recht verstößt. Wobei zu beachten ist, dass der Gesetzgeber den Schulleitern in § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG darüber hinaus auch die Verantwortung dafür zugewiesen hat, dass die Lehrer bei ihrer Tätigkeit die verbindlichen pädagogischen Grundsätze des Schulprogramms und die Konferenzbeschlüsse beachten. 276

dd) Ergebnis Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass in Hessen weder die Schulaufsichtsbehörden noch die Schulleiter dazu berechtigt sind, den Lehrern durch Einzelweisungen verbindliche Vorgaben für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit, sowie für die Beratung und Betreuung zu machen. A u c h bei der nachträglichen Überprüfung der unterrichtlichen und erzieherischen Entscheidungen und Maßnahmen sind sie gemäß §§ 93 Abs. 3 bzw. 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG grundsätzlich auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt. bewogen haben, auf § 93 Abs. 3 Nr. 3 HessSchG Bezug zu nehmen, obwohl auch diese Vorgabe letztendlich nur der Klarstellung dient, weil auch solche Entscheidungen zweifellos rechtswidrig und nicht nur unzweckmäßig sind, bei denen gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wurde. Aus den Materialien der Entstehungsgeschichte ergeben sich insofern keine Hinweise. Allerdings könnte es sein, dass der Gesetzgeber bei der Formulierung des Gesetzes von der Vorstellung ausgegangen ist, dass der Schulleiter ohnehin nicht dazu berechtigt sein soll, Einfluss auf Einzelfallentscheidungen durch die Lehrer zu nehmen. In diesem Fall wäre es tatsächlich weder sinnvoll noch geboten, die Kriterien des § 93 Abs. 3 Nr. 2 HessSchG in § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG zu übernehmen, da diese nur bei Einzelfallentscheidungen von Bedeutung werden. Die in § 93 Abs. 3 Nr. 3 HessSchG genannten Kriterien sind hingegen auch auf abstrakte Vorgaben anwendbar. Dies Erklärung für die unterschiedliche Formulierung der §§ 88 Abs. 4 bzw. 93 Abs. 3 HessSchG wäre allerdings nur dann plausibel, wenn mit der „Erziehungs- und Unterrichtsarbeit" im Sinne von § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG nur die allgemeinen Grundsätze des Unterrichts und der Erziehung durch den einzelnen Lehrer gemeint wären, nicht jedoch die konkrete Umsetzung dieser Grundsätze im Alltag. Eine so enge Auslegung erscheint aber schon deshalb kaum vertretbar, weil die Eingriffsbefugnisse des Schulleiters damit im Ergebnis leer laufen würden. 276

Auf diesen Aspekt wird später noch einzugehen sein, vgl. unten D.V.2. und dort Fn. 476 auf S. 230.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Zwar wurden die Lehrer in § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG ausdrücklich dazu verpflichtet, auch die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu beachten. Da jedoch weder der jeweilige Schulleiter noch die Schulaufsichtsbehörden eine Möglichkeit haben, diese Verpflichtung zwangsweise durchzusetzen, stellen die Erlasse der Schulaufsichtsbehörden im Ergebnis lediglich unverbindliche Empfehlungen für die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer dar. 277 Jedenfalls dann wenn der Gesetz- oder Verordnungsgeber den Lehrern eine bestimmte Materie zur Entscheidung zugewiesen hat, 278 unterliegen die Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden denselben Beschränkungen wie die Gerichte. Auch sie sind daher nicht schon dann zum Einschreiten berechtigt, wenn sie eine bestimmte Entscheidung oder sonstige Maßnahme für unzweckmäßig halten. Vielmehr müssen sie respektieren, dass es der Gesetz- oder Verordnungsgeber in das Ermessen der Lehrer gestellt hat, ob bzw. wie sie sich in einer bestimmten Situation verhalten und sie müssen sich daher auf die Prüfung beschränken, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet wurden. Noch größere Zurückhaltung ist geboten, wenn sich aus den gesetzlichen und untergesetzlichen Bestimmungen überhaupt keine Vorgaben für die Tätigkeit der Lehrer ergeben. Auf der anderen Seite ist in diesem Zusammenhang aber auch zu beachten, dass die Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörden und Schulleiter völlig unabhängig von einer möglichen Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte sind. Sie können und müssen daher gegebenenfalls auch dann eingreifen, wenn die Entscheidungen oder Handlungen eines Lehrers „nur" gegen objektiv-rechtliche Vorgaben verstoßen.

Zu beachten ist weiterhin, dass die Vielzahl pädagogischer Bewertungen, die die Lehrer im Zusammenhang mit dem Unterricht und der Erziehung zu treffen haben, ausschließlich durch die Schulaufsichtsbehörden und zudem nur in beschränktem Umfang überprüft werden können. Sofern sich eine solche Bewertung im Rahmen dessen hält, was nach den Erkenntnissen der Erziehungswissenschaft noch vertretbar ist, müssen sie den Lehrer daher grundsätzlich gewähren lassen.279 277 Auch dies entspricht den Absichten der Kommission Schulrecht, vgl. die Begründung zu § 73 DJT-SchGE; Deutscher Juristentag, S. 318. 278

In Hessen betrifft dies insbesondere die in § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG erwähnten Aufgaben, also die Erziehung und den Unterricht, die Beratung und Betreuung. Näher konkretisiert werden die Rechte und Pflichten der einzelnen Lehrer insbesondere durch die Dienstordnung für Lehrkräfte, Schulleiterinnen und Schulleiter und sozialpädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom 8.7.1993 (ABl. S. 691), in der Fassung der Verordnung vom 22.7.1998 (ABl. S. 598). 279 Etwas größer sind ihre Einflussmöglichkeiten nur in Bezug auf die Leistungsbewertungen, die nicht in den Anwendungsbereich des § 93 Abs. 3 HessSchG fallen. Da der hessische Gesetzgeber in § 93 Abs. 1 HessSchG auch die Reichweite der allgemeinen

D. Das Innenverhältnis

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I m Ergebnis werden damit die Kategorien des Ermessens und des Beurteilungsund Bewertungsspielraumes bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe, die ursprünglich für das (Außen-)Verhältnis zwischen Verwaltung und Rechtsprechung entwickelt worden sind, auf das (Innen-) Verhältnis zwischen dem einzelnen Lehrer und seinen Vorgesetzten übertragen und damit zu einem subjektiven Recht der Lehrer. 2 8 0 Dieses Ergebnis entspricht durchaus dem ursprünglichen Anliegen des hessischen Gesetzgebers: Schließlich war es keineswegs ein Zufall, dass man sich im Jahre 1969 bei der Formulierung des § 55 HessSchVwG 1961, mit dem die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden erstmals ausdrücklich beschränkt worden sind, gerade an denjenigen Kriterien orientiert hatte, die von der Rechtsprechung für die Überprüfung von Ermessensentscheidungen und der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe entwickelt worden 281 waren. b)

Mecklenburg-Vorpommern

D e m hessischen V o r b i l d am nächsten kommt das i m Jahre 1996 erlassene Schulgesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Zwar hat das hessische Schulgesetz bei dessen Formulierung offensichtlich Pate gestanden. Trotz aller Gemeinsamkeiten zeigen sich bei einer näheren Betrachtung jedoch einige, keineswegs unwesentliche Abweichungen.

aa) Die Rechtsgrundlagen der pädagogischen Freiheit und Eigenverantwortung Der erste, noch relativ unbedeutende Unterschied besteht darin, dass sich die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer - und damit auch ihre pädagogische Freiheit - nach § 100 Abs. 2 S. 1 M V - S c h G ausdrücklich nur auf die Erziehung Fachaufsicht über schulische Entscheidungen beschränkt hat, können die Schulaufsichtsbehörden aber auch insofern nur dann eingreifen, wenn entweder das Prüfungsverfahren fehlerhaft war, oder gegen die konkrete Bewertung der Leistungen in pädagogischer Hinsicht erhebliche Bedenken bestehen. 280 Auffallenderweise wurden die einschlägigen Regelungen nicht in Frage gestellt, als die neu gewählte CDU/FDP-Koalition im Juni 1999 mit dem „Ersten Gesetz zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen", HessGVBl. I 354, zahlreiche Bestimmungen des Schulgesetzes geändert und dabei insbesondere den Einfluss der Eltern und Schüler zurückgedrängt hat. Vielmehr war es sogar erklärtes Anliegen, die Befugnisse der Lehrer und insbesondere der Konferenzen zu stärken, vgl. die Begründung zum Entwurf des genannten Gesetzes, LT-Drs. 15/151. 281

Vgl. dazu schon Heckel/Seipp, S. 165, die ebenfalls davon sprechen, dass die Aufsichtsbefugnisse auf eine „nahezu reine Rechtsaufsicht" zurückgeführt worden seien.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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und den Unterricht bezieht, nicht jedoch auf die Beratung und Betreuung. Nachdem den Lehrern in § 100 Abs. 2 S. 3 MV-SchG ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen wurde, Erziehungsberechtigte und Schüler in Fragen der schulischen Bildung und Erziehung zu beraten, ergibt sich damit der Eindruck, dass die Lehrer jedenfalls insofern weiter gehenden Beschränkungen unterliegen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass sich die Beratungstätigkeit der Lehrer ohnehin weitgehend jeder Einflussnahme durch die Schulleiter oder die Schulaufsichtsbehörden entzieht. 282 Im Ergebnis entspricht der Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 S. 3 MV-SchG daher dem des hessischen Vorbildes. Etwas größere Bedeutung kommt demgegenüber dem Umstand zu, dass die Lehrer nach § 100 Abs. 2 S. 2 MV-SchG nicht nur an den in § 2 MV-SchG festgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, an die Rahmenpläne, die gemäß § 8 MV-SchG zur Erfüllung dieses Auftrags vom Kultusministerium erlassen wurden, und an die Beschlüsse der Konferenzen gebunden sind, 283 sondern auch an die Anordnungen der Schulaufsicht. 284 Zu den Anordnungen in diesem Sinne gehören nämlich nicht nur die abstrakt-generellen Vorgaben in Form von Erlassen und anderen Verwaltungsvorschriften, sondern auch Einzelweisungen. Anders als in Hessen sind die Schulaufsichtsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern also nicht auf die nachträgliche Kontrolle von Einzelfallentscheidungen beschränkt, sondern sie können den Lehrern gegebenenfalls auch Weisungen darüber erteilen, wie sie sich in einer ganz bestimmten Situation zu verhalten haben. Dies gilt jedoch nicht für die Schulleiter. Zwar sind diese gemäß § 101 Abs. 3 S. 3 M V SchG Vorgesetzter der an der jeweiligen Schule beschäftigten Lehrer und damit grundsätzlich weisungsbefugt. Richtigerweise ist jedoch davon auszugehen, dass § 100 Abs. 2 S. 1

282

Zwar können die Aufsichtsbehörden den Lehrern auch insofern Vorgaben machen. Den entsprechenden Rechtsnormen oder Verwaltungsvorschriften kommt dabei aber allenfalls dieselbe Bedeutung zu, wie einer Informationsbroschüre, die ein persönliches Beratungsgespräch unter keinen Umständen ersetzen kann. 283 Das entspricht im wesentlichen den Vorgaben des § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG. Die Rechtsbindung wurde in Mecklenburg-Vorpommern nicht ausdrücklich betont, aus § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG ergibt sich jedoch eindeutig, dass die Lehrer selbstverständlich an die einschlägigen Rechtsvorschriften gebunden sind. 284

In Mecklenburg-Vorpommern wird die Schulaufsicht durch die Schulämter und das Kultusministerium als oberste Schulaufsichtsbehörde ausgeübt. Das Schulamt ist in den Landkreisen an die Kreisverwaltung angegliedert und besteht aus dem jeweiligen Landrat und einem oder mehreren Schulräten, die im Dienst des Landes stehen und ggf. auch für mehrere Landkreise zuständig sein können. In den Stadtkreisen sind die Schulämter selbständige staatliche Sonderbehörden, die nur aus Schulräten bestehen; vgl. §§ 96 f. M V SchG.

D. Das Innenverhältnis

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MV-SchG eine Ausnahme von diesem Grundsatz enthält, da die Lehrer in Bezug auf ihre Unterrichts- und Erziehungstätigkeit nicht ausdrücklich an die Anordnungen ihres Schulleiters gebunden worden sind. 285

Weiterhin ist zu beachten, dass gemäß § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG die für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit des Lehrers erforderliche pädagogische Freiheit auch in Mecklenburg-Vorpommern weder durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften noch durch Konferenzbeschlüsse unnötig oder unzumutbar eingeengt werden darf. Obwohl der Gesetzgeber damit lediglich die vergleichbare Regelung des § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG übernommen hat, scheint sich die Rechtslage vom hessischen Vorbild zu unterscheiden, da die Lehrer scheinbar keinen rechtlich geschützten Anspruch darauf haben, dass ihre pädagogische Freiheit nicht nur beim Erlass von Verwaltungsvorschriften, sondern auch bei einzelnen Anordnungen durch die Schulaufsichtsbehörden berücksichtigt wird. Dieser kaum zu akzeptierende Wertungswiderspruch lässt sich wohl nur auflösen, wenn man davon ausgeht, dass es sich hier um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt, der bei der Übernahme des § 86 Abs. 2 HessSchG in das Schulrecht des Landes Mecklenburg-Vorpommern schlicht übersehen hat, dass § 100 Abs. 2 S. 4 MVSchG an den veränderten Wortlaut des § 100 Abs. 2 S. 1 MV-SchG hätte angepasst werden müssen.286 Ein weiterer Unterschied zum hessischen Vorbild besteht darin, dass § 8 Abs. 2 S. 4 MV-SchG, mit dem die allgemeine Vorgabe des § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG in Bezug auf die Rahmenpläne konkretisiert wird, aus denen sich die allgemeinen, fachlichen und fachübergreifenden Ziele und Inhalte der einzelnen Unterrichtsfächer ergeben, hinter der vergleichbaren Bestimmung des § 4 Abs. 1 S. 3

285

In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass sich die Weisungen des Schulleiters nicht als „Anordnung der Schulaufsicht" im Sinne von § 100 Abs. 2 S. 2 MV-SchG ansehen lassen: Dagegen spricht nicht nur der formale Umstand, dass im MV-SchG auch sonst sehr deutlich zwischen den „Befugnissen der Schulaufsicht", also der Schulaufsichtsbehörden i.e.S., und denen des Schulleiters differenziert wird. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang auch zu beachten, dass das Weisungsrecht des Schulleiters in seiner Stellung als Leiter der einzelnen Behörde begründet ist, während mit dem Begriff der „Aufsicht" seit jeher das Verhältnis zwischen verschiedenen, hierarchisch gegliederten Institutionen bezeichnet wird. 286

Tatsächlich lässt sich eine so extensive Auslegung des § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG ohne weiteres mit den Regeln der juristischen Methode vereinbaren: Wenn der Lehrer nämlich einen Anspruch darauf hat, dass die Schulaufsichtsbehörden die für seine Erziehungs- und Unterrichtsarbeit erforderliche pädagogische Freiheit sogar beim Erlass von notwendigerweise unbestimmten abstrakt-generellen Verwaltungsvorschriften nicht übermäßig oder unnötig beeinträchtigen, dann muss dies erst Recht für die auf einen konkreten Einzelfall bezogenen Anordnungen gelten.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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HessSchG zurückbleibt: 287 Während den Lehrern in Hessen ein Freiraum verbleiben muss, innerhalb dessen sie die vorgegebenen Ziele in eigener pädagogischer Verantwortung erreichen sollen, ist in Mecklenburg-Vorpommern lediglich die Rede davon, dass die Lehrer die Rahmenpläne „in eigener pädagogischer Verantwortung offen und fächerübergreifend nutzen können" sollen. Aus dieser unbestimmten Vorgaben lassen sich aber keine hinreichend bestimmten Einschränkungen der Befugnisse des Kultusministeriums und somit auch keine justitiablen Rechtsansprüche der Lehrer herleiten. Wie in Hessen, so kommt aber auch in Mecklenburg-Vorpommern den Bestimmungen über die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden entscheidende Bedeutung zu, um die konkrete Reichweite des Rechtsanspruchs auf pädagogische Freiheit zu bestimmen. bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 1 MV-SchG umfasst die Schulaufsicht grundsätzlich die (uneingeschränkte) Fachaufsicht über den Unterricht und die Erziehung in den Schulen. Gemäß Abs. 3 S. 2 dieser Bestimmung sind die Schulaufsichtsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben dazu berechtigt, den Lehrern und Schulleitern Weisungen zu erteilen. Da die Reichweite dieser „normalen Fachaufsicht" anders als in Hessen nicht ausdrücklich beschränkt worden ist, können die Schulaufsichtsbehörden nicht nur dann einschreiten, wenn aus pädagogischen Gründen erhebliche Bedenken gegen eine bestimmte Maßnahme bestehen, sondern immer dann, wenn sie dies für erforderlich halten. Auf der anderen Seite ist in diesem Zusammenhang aber auch zu beachten, dass den Schulaufsichtsbehörden anders als in Hessen jedenfalls im Rahmen der „normalen Fachaufsicht" kein Selbsteintrittsrecht zusteht. Ihnen bleiben daher gegebenenfalls nur die Mittel des Disziplinarrechts, um sicherzustellen, dass die Lehrer ihren Anordnungen tatsächlich nachkommen.

Pädagogische Bewertungen, sowie unterrichtliche und erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen können die Schulaufsichtsbehörden hingegen auch in Mecklenburg-Vorpommern gemäß § 95 Abs. 4 MV-SchG nur dann aufheben, wenn - Verfahrens- und Rechtsvorschriften verletzt wurden, - von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde oder

287

Vgl. dazu oben unter D.III. 1 .a.aa.

D. Das Innenverhältnis

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- gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wurde. Selbst wenn eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist, müssen die Schulaufsichtsbehörden die betreffende Maßnahme zunächst zur erneuten Entscheidung zurückverweisen. Nur dann, wenn die Schule bzw. der Lehrer den Beanstandungen dennoch nicht abhilft, können die Schulaufsichtsbehörden die Entscheidung an sich ziehen. Da diese Beschränkungen der Aufsichtsbefugnisse fast wortwörtlich dem Vorbild des § 93 Abs. 3 HessSchG entsprechen, kann im wesentlichen auf die früheren Ausführungen verwiesen 288 und festgestellt werden, dass die Schulaufsichtsbehörden auch in Mecklenburg-Vorpommern in Bezug auf die gesamte Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer und auf die pädagogischen Bewertungen im Ergebnis auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt und daher insbesondere nicht schon dann zum Einschreiten berechtigt sind, wenn ein Lehrer im Rahmen seiner Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit gegen „einfache" Verwaltungsvorschriften verstößt. 2897290 Allerdings stellt sich die Frage, wie unter diesen Voraussetzungen die Pflicht zur Einhaltung der Rahmenpläne für den Unterricht durchgesetzt werden kann. 291 Da es sich bei diesen Rahmenplänen nicht um „Verfahrensvorschriften" im Sinne von § 95 Abs. 4 MV-SchG handelt, haben die Schulaufsichtsbehörden nur dann die Möglichkeit, in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer einzugrei288 Vgl. oben unter D.III.l.a.bb.(2). Im Grunde unterscheiden sich die Bestimmungen nur dadurch, dass die Aufsichtsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern nicht nur bei einer Verletzung „wesentlicher" Verfahrensbestimmungen einschreiten dürfen. Allerdings kommt es ggf. auch hier darauf an, ob ein Verfahrensfehler noch geheilt werden kann. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber klargestellt, dass nicht nur die Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler gewährleistet werden muss. 289

Wie im Zusammenhang mit den hessischen Regelungen ebenfalls schon dargelegt wurde, gilt dies nicht für die Leistungsbewertungen, da hier einerseits das pädagogische Moment nur eine untergeordnete Rolle spielt und da diese Bewertungen andererseits auch nicht zum eigentlichen Unterricht und der Erziehung gehören. Mittelbar unterliegen damit auch die Entscheidungen über die Versetzung in die nächste Klassenstufe bzw. den Übergang in eine andere Schulart der Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden. 290

Dabei kommt es im Ergebnis nicht darauf an, dass die Schulaufsichtsbehörden nicht nur bei der Verletzung „wesentlicher Verfahrensvorschriften" einschreiten dürfen, da eine Verletzung „unwesentlicher" Vorschriften in der Regel ohne weiteres geheilt werden kann. 291

Schließlich werden diese Pläne in Mecklenburg-Vorpommern gemäß § 8 Abs. 1 S. 1 MV-SchG vom Kultusministerium als Verwaltungsvorschrift erlassen und anders als in Hessen müssen sie auch nicht erst durch eine Rechtsverordnung für allgemeinverbindlich erklärt werden.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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fen, wenn die Weigerung, lehrplanmäßig zu unterrichten, aus anderen Gründen rechtswidrig ist. Insofern ist nun aber zu beachten, dass ein Lehrer, der sich weigert, lehrplanmäßig zu unterrichten, damit jedenfalls in der Regel den Anspruch der Schüler auf Chancengleichheit verletzt: 292 Schließlich ist der im Unterricht behandelte Stoff Gegenstand der schulischen Prüfungen. Außerdem ist eine gewisse Harmonisierung der Lehrinhalte erforderlich, damit ein anderer Lehrer in der nächsten Klassenstufe auf dem Gelernten aufbauen kann. 293 Die soeben aufgeführten Beschränkungen der Aufsichtsbefugnisse sind auch aus einem weiteren Grund von Bedeutung: Wie bereits dargelegt wurde, haben die Schulaufsichtsbehörden in Mecklenburg-Vorpommern anders als in Hessen das Recht, den Lehrern Weisungen zu erteilen, sie also von vornherein zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten. Zwar wurde dieses Weisungsrecht nicht ausdrücklich beschränkt. Allerdings wäre es völlig sinnwidrig, wenn man den Schulaufsichtsbehörden auf der einen Seite ein unbeschränktes Weisungsrecht einräumen und sie auf der anderen Seite nur unter bestimmten Umständen dazu berechtigen würde, die Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen der Lehrer nachträglich aufzuheben. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass die in § 95 Abs. 4 MV-SchG festgeschriebenen Beschränkungen der Fachaufsicht analog für das Weisungsrecht der Schulaufsichtsbehörden gelten. 294 In Bezug auf ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit sind die Lehrer daher nur dann an die Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden gebunden, wenn die betreffende Anordnung ergangen ist, um die Einhaltung von Verfahrens- und Rechtsvorschriften zu gewährleisten, oder weil der Lehrer bei seiner Maßnahme von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen ist, bzw. gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hat.

292 Wobei gegebenenfalls zu überprüfen wäre, ob die Rahmenpläne ihrerseits den Anforderungen des § 8 MV-SchG genügen und den Lehrern einen hinreichenden Freiraum belassen. 293

Allerdings stellt sich die Frage, ob es sich hier nicht auch um ein Redaktionsversehen handelt. 294

Tatsächlich kann man wohl davon ausgehen, dass auch hier ein Redaktionsversehen vorliegt.

D. Das Innenverhältnis

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cc) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter Gemäß § 101 Abs. 3 MV-SchG trägt der Schulleiter im Rahmen seiner Zuständigkeit die Verantwortung für die pädagogische Arbeit und die Verwaltung der Schule und er führt die Beschlüsse der Schulkonferenz und der Lehrerkonferenzen aus. Da er gemäß § 101 Abs. 3 S. 4 MV-SchG Vorgesetzter aller an der Schule beschäftigten Personen ist, hat er grundsätzlich das Recht, den Lehrern Anordnungen in Bezug auf ihre dienstliche Tätigkeit zu erteilen. Wie bereits dargelegt wurde, 295 gilt dies jedoch nicht in Bezug auf die eigentliche Erziehungsund Unterrichtstätigkeit, da die Lehrer gemäß § 100 Abs. 2 S. 2 MV-SchG insofern ausschließlich an die Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden gebunden sind. Vergleicht man die Regelungen des Schulgesetzes von Mecklenburg-Vorpommern mit der hessischen Rechtslage, dann wird ein weiteres Problem deutlich: In Hessen kommt es jedenfalls im Ergebnis nicht darauf an, dass die Schulleiter kein Recht haben, den Lehrern in Bezug auf die Erziehung und den Unterricht, die Beratung und Betreuung Weisungen zu erteilen. Schließlich gibt es mit § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG eine ausdrückliche Bestimmung darüber, unter welchen Voraussetzungen die Schulleiter dazu berechtigt sind, die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der an ihrer Schule beschäftigten Lehrer nachträglich aufzuheben. Wenn in Mecklenburg-Vorpommern eine solche Regelung fehlt, könnte man das zwar auf den ersten Blick als Beleg dafür ansehen, dass der Gesetzgeber die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter nicht beschränken wollte. Dies lässt sich aber kaum damit vereinbaren, dass die Lehrer in Bezug auf ihre eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit gerade nicht an die Anordnungen ihres Schulleiters gebunden worden sind. Aus dem systematischen Vergleich der einschlägigen Bestimmungen in Mecklenburg-Vorpommern und Hessen lässt sich demnach nur der Schluss ziehen, dass der Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern den Schulleitern generell keine Möglichkeit einräumen wollte, in die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der Lehrer einzugreifen. Kommt ein Schulleiter daher zu dem Ergebnis, dass sich ein Lehrer rechtswidrig verhält und lässt sich dieser im Rahmen von Beratungsgesprächen etc. nicht eines Besseren belehren, so bleibt dem Schulleiter im Ergebnis nur die Möglichkeit, die Schulaufsichtsbehörden einzuschalten. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Rechtslage in MecklenburgVorpommern im wesentlichen dem hessischen Vorbild entspricht. Während die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden etwas weiter gehen, da sie in Bezug auf 295

Vgl. oben unter D.III.l.b.aa.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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den Unterricht und die Erziehung nicht auf die nachträgliche Kontrolle beschränkt sind, sondern den Lehrern gegebenenfalls auch Weisungen erteilen können, sind die Schulleiter allerdings insofern insgesamt auf die Beratung beschränkt. Im Übrigen entspricht die Reichweite der Aufsichtsbefugnisse dem hessischen Modell: Auch in Mecklenburg-Vorpommern sind die Schulaufsichtsbehörden auf die Rechtsaufsicht beschränkt und sie dürfen daher nur unter denselben Voraussetzungen wie die Gerichte in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen.

c) Niedersachsen Die Rechtslage in Niedersachsen entspricht in weiten Teilen derjenigen in Mecklenburg-Vorpommern: Gemäß § 50 Abs. 1 NdsSchG erziehen und unterrichten die Lehrkräfte auch hier in eigener pädagogischer Verantwortung, wobei sie an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Beschlüsse der Konferenzen und deren Ausschüsse sowie an Anordnungen der Schulaufsicht gebunden sind. Wie in Mecklenburg-Vorpommern ergibt sich daraus im Umkehrschluss, dass die Schulleiter insofern nicht dazu berechtigt sind, den Lehrern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben. Zwar fehlt hier eine mit § 86 Abs. 2 S. 2 HessSchG oder § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG vergleichbare Bestimmung, nach der die für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit des Lehrers erforderliche pädagogische Freiheit weder durch Rechtsund Verwaltungs Vorschriften noch Konferenzbeschlüsse unnötig oder unzumutbar eingeengt werden darf. Aus dem § 4 Abs. 1 S. 2 HessSchG nachgebildeten § 122 Abs. 1 S. 2 NdsSchG ergibt sich jedoch immerhin, dass die verbindlichen und fakultativen Unterrichtsinhalte in den vom Kultusministerium erlassenen Rahmenrichtlinien für den Unterricht in einem sinnvollen Verhältnis so zueinander zu bestimmen sind, dass die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, die vorgegebenen Ziele in eigener pädagogischer Verantwortung zu erreichen und die Interessen der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen.296

296

Interessanterweise ist das Kultusministerium aufgrund von § 122 Abs. 2 NdsSchG ausdrücklich dazu verpflichtet, rechtzeitig vor dem Erlass solcher Rahmenrichtlinien den Landtag zu unterrichten.

D. Das Innenverhältnis

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aa) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden 297 richten sich nach § 121 NdsSchG. Gemäß Abs. 2 dieser Vorschrift können die Schulaufsichtsbehörden pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und pädagogische Entscheidungen im Rahmen der Fachaufsicht in Niedersachsen nur dann aufheben oder abändern, wenn - diese gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen, - bei ihnen von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde oder - sie gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe verstoßen. Zu beachten ist dabei, dass die Schulaufsichtsbehörden auch in Niedersachsen ein Selbsteintrittsrecht haben: Gemäß § 120 Abs. 4 NdsSchG kann die Schulbehörde an Stelle der Schule tätig werden, wenn diese eine Weisung nicht innerhalb einer bestimmten Frist befolgt oder wenn Gefahr im Verzug ist. Da diese Beschränkungen der Fachaufsicht im wesentlichen den vergleichbaren Regelungen in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern entsprechen, kann weitgehend auf die früheren Ausführungen verwiesen werden. Der wesentliche Unterschied zur Rechtslage in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern besteht darin, dass die Schulaufsichtsbehörden in Niedersachsen nicht nur bei einem Verstoß gegen Verfahrenst orschriften zum Einschreiten berechtigt sind, sondern bei jedem Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften. Zwar wird auf diese Weise auf der einen Seite sichergestellt, dass die Lehrer auch die bereits erwähnten Rahmenrichtlinien für den Unterricht beachten müssen. Auf der anderen Seite können und müssen die Schulaufsichtsbehörden aber auch alle übrigen abstrakt-generellen Vorgaben für den Unterricht und die Erziehung durchsetzen. Damit reichen ihre Eingriffsbefugnisse über eine bloße Rechtsaufsicht hinaus 298 - wobei zu beachten ist, dass es auch hier nicht ausreicht, wenn die Schulaufsichtsbehörden eine bestimmte Entscheidung oder sonstige Maßnahme eines Lehrers aus pädagogischer Sicht für unzweckmäßig erachten. Vielmehr ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang des § 121, dass ganz erhebliche Bedenken vorliegen müssen. In diesem Fall wird die Entscheidung aber in der Regel häufig doch einen un verhältnismäßigen Eingriff in die Rechte der Schüler darstellen und daher ohnehin rechtswidrig sein. 297

Gemäß § 119 NdsSchG sind dies das Kultusministerium als oberste Schulbehörde und die Bezirksregierungen als nachgeordnete Schulbehörden. 298

So auch Wolte ring/B räth, Anm. 9 ff. zu § 121 NdsSchG.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter Wie bereits dargelegt wurde, sind die Lehrer auch in Niedersachsen in Bezug auf den Unterricht und die Erziehung ausdrücklich nur an die Anordnungen der Schulaufsicht gebunden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Schulleiter den Lehrern grundsätzlich keine verbindlichen Vorgaben für ihr Verhalten machen können. Ebenso wie in Mecklenburg-Vorpommern gilt dieser Grundsatz in Niedersachsen nicht völlig uneingeschränkt. Zwar gibt es hier keine Bestimmung, in der die Voraussetzungen geregelt sind, unter denen der Schulleiter pädagogische Wertungen, bzw. Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen der Lehrer im Zusammenhang mit der Erziehung und dem Unterricht nachträglich aufheben oder abändern kann. Zu beachten ist aber, dass der Schulleiter gemäß § 43 Abs. 3,1. Hs. NdsSc hG in Erfüllung der ihm zugewiesenen Aufgaben allen an der Schule tätigen Personen Weisungen erteilen kann. Zwar schreibt § 43 Abs. 3 1. Hs. NdsSchG ausdrücklich fest, dass der in § 50 Abs. 1 Satz 1 NdsSchG festgeschriebene Freiraum der Lehrer für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit von diesem Weisungsrecht unberührt bleiben soll. Da die Lehrer aber auf der einen Seite ausdrücklich verpflichtet wurden, die einschlägigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu beachten und es auf der anderen Seite gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 5 NdsSchG ausdrücklich zu den Aufgaben des Schulleiters gehört, für die Einhaltung dieser Vorschriften zu sorgen, wird deutlich, dass der Schulleiter trotz der allgemeinen Vorgabe des § 50 Abs. 1 S. 1 NdsSchG unter bestimmten Voraussetzungen doch dazu berechtigt ist, in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer einzugreifen. Im Ergebnis entsprechen seine Eingriffsbefugnisse damit im wesentlichen denjenigen der Schulaufsichtsbehörden. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden in Niedersachsen in Bezug auf die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer zwar nicht auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt sind. Allerdings können sie grundsätzlich nur dann einschreiten, wenn der Lehrer entweder rechtswidrig handelt, oder gegen Verwaltungsvorschriften verstößt. 299 Die Schulaufsichtsbehörden können darüber hinaus auch dann tätig werden, wenn gegen eine bestimmte Maßnahme eines Lehrers ganz erhebliche pädagogische

299 Dabei ist lediglich zu beachten, dass die Schulaufsichtsbehörden den Lehrern von vornherein ein bestimmtes Verhalten vorschreiben dürfen, während der jeweilige Schulleiter auf die nachträgliche Kontrolle beschränkt ist. In der Praxis verschwindet dieser Unterschied allerdings aufgrund der Möglichkeit und Notwendigkeit einer „antizipierten Kontrolle".

D. Das Innenverhältnis

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Bedenken bestehen - in diesem Fall wird aber auch die Grenze zur Rechtswidrigkeit überschritten sein. d) Bremen Etwas anders stellt sich die Rechtslage in Bremen dar: Nach § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG haben nicht nur die Lehrer, sondern das gesamte schulische Personal den in den §§ 3 bis 12 BremSchG beschriebenen Auftrag der Schule in eigener Verantwortung der einzelnen Bediensteten oder in der Kooperation mehrerer nach Maßgabe der für die jeweiligen Personen und Aufgaben geltenden Rechtsvorschriften, Verwaltungsanordnungen, verbindlichen überschulischen Absprachen und Konferenzbeschlüsse sowie dienstlicher Anweisungen zu erfüllen. Insofern ist zunächst festzuhalten, dass die Lehrer auch in Bremen nicht nur an Rechts-, sondern auch an Verwaltungsvorschriften und andere abstrakt-generelle Vorgaben der Schulaufsichtsbehörden gebunden sind. Da zu den „dienstlichen Anweisungen" sowohl die Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden als auch die Weisungen des jeweiligen Schulleiters gehören, scheint im Ergebnis von der pädagogischen Freiheit der Lehrer nichts übrig zu bleiben. Dieser Eindruck verstärkt sich noch, wenn man sich vor Augen führt, dass in § 59 Abs. 2 S. 2 BremSchG lediglich vorgesehen ist, dass Verwaltungsanordnungen, verbindliche überschulische Absprachen und Konferenzbeschlüsse die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung nicht unnötig oder unzumutbar einengen dürfen. Denn daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden 300 grundsätzlich unbeschränkt sind.

aa) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden Tatsächlich täuscht dieser Eindruck jedoch zumindest in Bezug auf die Schulaufsichtsbehörden: Zwar sieht § 12 Abs. 1 BremSchVerwG vor, dass die Fachaufsicht über die öffentlichen Schulen schulische Entscheidungen und Maßnahmen aufheben, zur erneuten Entscheidung oder Beschlussfassung zurückweisen oder erforderlichenfalls selbst entscheiden kann. 301 Auch hat der Gesetzgeber in 300

In Bremen obliegt die Fachaufsicht über die Schulen der beiden Stadtgemeinden und die Schulinspektion dem Senator für Bildung und Wissenschaft, § 11 Abs. 2 S. 2 BremSchVwG. 301 Darüber hinaus kann sie auch eingreifen, wenn die Schule untätig bleibt, da sie ausdrücklich dazu ermächtigt ist, fehlende schulische Entscheidungen durch Anweisung anzufordern oder erforderlichenfalls selbst zu entscheiden.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Absatz 2 dieser Vorschrift klargestellt, dass die Lehrer einer umfassenden Rechtsaufsicht unterliegen. 3 0 2 Gemäß § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BremSchVerwG dürfen die Schulaufsichtsbehörden jedoch grundsätzlich nur dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen, 3 0 3 wenn nach schulinternem Schlichtungsverfahren i m Einzelfall keine Einigung zwischen Betroffenen erzielt werden konnte. Nach S. 2 dieser Bestimmung sollen die Schulaufsichtsbehörden darüber hinaus nur nach einer Beratung durch die Schulinspektionen einschreiten. 3 0 4 Schließlich und vor allem sind die Aufsichtsmaßnahmen gemäß § 12 Abs. 4 S. 2 B r e m S c h V e r w G 3 0 5 so zu gestalten, dass die pädagogische Aufgabe, Verantwortung und Freiheit von Lehrkräften 3 0 6 weitestmöglich gewahrt und gestützt werden. Damit w i r d aber klar, dass die Schulaufsichtsbehörden auch in Bremen nicht ohne weiteres dazu berechtigt sind, eine an sich rechtmäßige Entscheidung oder sonstige Maßnahme eines Lehrers aufzuheben oder abzuändern. Vielmehr sind auch hier ganz erhebliche Zweifel i n Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit der betreffenden Maßnahme erforderlich. I m Ergebnis reichen die Eingriffsbefug302

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Danach greift die Rechtsauf sieht als Teil der Fachaufsicht ein, wenn: gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, auch gegen verbindliche überregionale Vereinbarungen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler oder gegen das Erziehungsrecht der Eltern verstoßen worden ist oder von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel verstoßen worden ist. 303

Zwar kann die Fachaufsicht gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 1-4 BremSchVerwG auch dann eingreifen, wenn: - die Gleichwertigkeit des schulischen Angebots in den Stadtgemeinden oder ein geordneter Unterrichtsablauf anders nicht gewährleistet werden kann, - das Schulprogramm in erheblicher Weise den pädagogischen Grundsätzen und Zielen der §§ 3 bis 12 des Bremischen Schulgesetzes widerspricht, - gegen überregionale Vereinbarungen verstoßen worden ist, oder - kein hinreichendes Einvernehmen unter Lehrkräften und Eltern und altersangemessen auch Schülerinnen und Schülern über die Sicherung notwendiger Standards erzielt werden kann. Dies betrifft jedoch nur Entscheidungen der Schule, nicht aber die Maßnahmen der einzelnen Lehrer. 304

Diese Schulinspektionen haben nach § 13 Abs. 1 BremSchVerwG eine rein beratende Funktion. Gemäß Abs. 3 dieser Vorschrift steht ihnen ausdrücklich kein Weisungsrecht gegenüber den Schulen zu. 305

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Nach S. 1 dieser Vorschrift müssen die Aufsichtsmaßnahmen darauf gerichtet sein: die Wahrnehmung der Aufgaben der Schule nach den Vorschriften dieses Gesetzes und des Bremischen Schulgesetzes zu gewährleisten, und dass die Schule ihre Aufgaben eigenverantwortlich in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen erfüllen kann. 306

Und der Schulleitung sowie die Beteiligung von Eltern, Schülerinnen und Schülern.

D. Das Innenverhältnis

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nisse der Schulaufsichtsbehörden in Bremen daher ebenso weit wie in Niedersachsen: Sie können nur dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen, wenn diese entweder gegen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verstoßen haben oder wenn eine bestimmte Maßnahme völlig unzweckmäßig und damit wiederum rechtswidrig ist.

bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter Zumindest auf den ersten Blick scheinen die Schulleiter keinen vergleichbaren Beschränkungen zu unterliegen: Gemäß § 63 Abs. 1 BremSchVerwG leiten diese die jeweilige Schule im Rahmen der geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der erteilten Anordnungen sowie der Beschlüsse der Konferenzen und deren mit Entscheidungsbefugnis versehenen Ausschüssen. Darüber hinaus sind sie für die Organisation, und die Durchführung des Unterrichts und des übrigen schulischen Lebens verantwortlich. Aus § 63 Abs. 5 BremSchVerwG ergibt sich, dass der Schulleiter Vorgesetzter der Lehrkräfte und des nichtunterrichtenden Personals - und damit grundsätzlich weisungsberechtigt ist. Zudem hat ihm der Gesetzgeber ausdrücklich die Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und des übrigen schulischen Lebens und damit die Pflicht zugewiesen, die Lehrkräfte der Schule zur Umsetzung der getroffenen Entscheidungen anzuhalten und gegebenenfalls die erforderlichen Weisungen zu erteilen, vgl. § 63 Abs. 6 Nr. 2 BremSchVerwG. 307 Nachdem weder in § 63 noch in einer anderen Bestimmung des BremSchVerwG ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Schulleiter bei der Ausübung seiner Weisungsbefugnisse denselben oder auch nur vergleichbaren Beschränkungen unterliegt, wie sie sich für die Schulaufsichtsbehörden aus § 12 BremSchVerwG ergeben, und da es auch keine allgemeine Bestimmung gibt, nach der die pädagogische Freiheit der Lehrer nicht unnötig oder unzumutbar eingeschränkt werden darf, scheinen die Schulleiter in Bremen nicht nur dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen zu dürfen, wenn diese rechtswidrig gehandelt haben oder erhebliche Bedenken in Bezug auf die Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen oder sonstigen Maßnahmen bestehen. Zwar ist es durchaus vorstellbar, dass der Gesetzgeber den Schulleitern tatsächlich weiter gehende Einflussmöglichkeiten als den Schulaufsichtsbehörden zu-

307

Allerdings sieht § 63 Abs. 2 S. 1 BremSchVerwG auch vor, dass der Schulleiter die Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Ausbildungsbetriebe sowie alle am Schulleben Beteiligten in allen die Schule betreffenden Fragen berät. Damit hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die Beratung ggf. Vorrang hat.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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gestehen wollte. 308 Dennoch drängen sich bei einer näheren Betrachtung Zweifel auf, ob die einschlägigen Bestimmungen des bremischen Schulrechts tatsächlich so weit ausgelegt werden können: Schließlich sind auch die Weisungsbefugnisse des Schulleiters als Vorgesetztem der Lehrer, obwohl er zweifellos keine Schulaufsichtsbehörde ist, letztendlich Ausfluss und Teil der Fachaufsicht über die Tätigkeit der Lehrer. Aus dieser Perspektive erscheint es aber kaum nachvollziehbar, wieso der Schulleiter weiter gehende Einflussmöglichkeiten haben sollte als die Schulaufsichtsbehörden selbst.309 Vielmehr liegt es nahe, die allgemeine Vorgabe des § 12 Abs. 4 S. 2 BremSchVerwG auch auf die Eingriffsbefugnisse des Schulleiters anzuwenden und diesen ebenfalls dazu zu verpflichten, seine Befugnisse so auszuüben, dass die pädagogische Aufgabe, Verantwortung und Freiheit der betreffenden Lehrkraft weitestmöglich gewahrt und gestützt wird. 3 1 0 Im Ergebnis sind die Einflussmöglichkeiten des Schulleiters damit ebenso groß wie die der Schulaufsichtsbehörden. Auch sie dürfen nur dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen, wenn sich die Lehrer rechtswidrig verhalten, wenn sie gegen Verwaltungsvorschriften verstoßen oder wenn ganz erhebliche Bedenken in Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen oder sonstigen Maßnahmen bestehen.

308

Damit hätte er sichergestellt, dass Konflikte zunächst und in erster Linie an der jeweiligen Schule gelöst werden. 309

Dabei ist zu beachten, dass der Schulleiter zwar seinerseits der Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden unterliegt. Allerdings dürfen diese die in § 12 Abs. 4 S. 2 BremSchVerwG begründeten Beschränkungen ihrer Aufsichtsbefugnisse nicht umgehen, indem sie den Schulleiter anweisen, den Lehrern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben. 310 Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass es dem Schulleiter nach § 63 Abs. 6 Nr. 1 BremSchVerwG in Verantwortung für die inhaltliche Gestaltung des Unterrichts und des übrigen schulischen Lebens obliegt, die zur Weiterentwicklung der Schule im Sinne der §§ 4 bis 13 BremSchG erforderlichen Beratungs- und Entscheidungsverfahren einzuleiten und zu Ende zu führen. Gemäß Nr. 2 dieser Bestimmung ist er berechtigt und verpflichtet, die Lehrkräfte der Schule zur Umsetzung der [in diesen Verfahren] getroffenen Entscheidungen anzuhalten und gegebenenfalls die erforderlichen Weisungen zu erteilen.

Dies spricht nun aber dafür, dass er selbst nur dann in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrer eingreifen darf, wenn der gemäß § 12 Abs. 2 S. 2 BremSchVerwG für die Fachaufsicht über die Schulen zuständige Senator für Bildung und Wissenschaft zuvor eine entsprechende Weisung erteilt hat, die nun umgesetzt werden muss. Schon von daher steht die hier vertretene Auslegung des BremSchVerwG nicht im Widerspruch zu der im Zusammenhang mit der Rechtslage in Mecklenburg-Vorpommern aufgestellten These (s.o. Fn. 285 auf S. 160), wonach die Weisungen des Schulleiters nicht als „Anordnung der Schulaufsicht" im Sinne von § 100 Abs. 2 S. 2 MV-SchG angesehen werden können.

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D. Das Innen Verhältnis

e) Berlin Etwas weiter gehen die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörde und der Schulleiter in Berlin: Zunächst ist jedoch festzuhalten, dass die Lehrer die ihnen anvertrauten Schüler gemäß § 10 Abs. 2 S. 1 BerlSchVerfG auch hier in eigener Verantwortung unterrichten und erziehen. Da sie dabei nur an die geltenden (Rechts- und Verwaltungs-)Vorschriften 311 und Konferenzbeschlüsse gebunden sind, können ihnen weder die Schulaufsichtsbehörde 312 noch die Schulleiter durch Einzelweisungen von vornherein Vorgaben darüber machen, wie sie sich in einer bestimmten Situation zu verhalten haben. In Bezug auf die nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer ist zunächst § 5 Abs. 2 S. 1 BerlSchG zu beachten, nach dem die Schulaufsicht nicht nur die Gestaltung, Planung und Organisation des Schul- und Unterrichtswesens umfasst, sondern auch die Dienst-, Fach- und Rechtsaufsicht. Dies spricht dafür, dass die Schulaufsichtsbehörde auch die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer umfassend und unbeschränkt kontrollieren kann. Obwohl § 9 Abs. 1 BerlSchVerfG ausdrücklich vorsieht, dass die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörde durch die Bestimmungen dieses Gesetzes unberührt bleiben sollen, wird der in § 5 Abs. 2 S. 1 BerlSchG festgeschriebene Grundsatz durch § 9 Abs. 2 BerlSchVerfG eingeschränkt, nach dem die Schulaufsichtsbehörde nur dann durch Anordnungen und sonstige Maßnahmen in die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung eingreifen soll, wenn es zur rechtmäßigen, sachgerechten oder geordneten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes geboten ist. Darüber hinaus muss sie sich auf die beratende Unterstützung und darauf beschränken, auf die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze zu achten. In Bezug auf die Schulleiter enthält § 22 Abs. 3 BerlSchVerfG eine vergleichbare Beschränkung der Eingriffsbefugnisse, wobei zusätzlich verlangt wird, dass der Schulleiter sich zunächst mit der entsprechenden Fachkonferenz ins Benehmen setzt. Zwar reichen die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörde und der Schulleiter damit auch in Berlin über eine bloße Rechtsaufsicht hinaus. Insbesondere legt der 311 Die Rahmenpläne für Unterricht und Erziehung ergehen in Berlin als Verwaltungsvorschriften. Gemäß § 76 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BerlSchVerfG ist der Landesschulbeirat an der Festlegung von Bildungszielen für diese Rahmenpläne zu beteiligen. 312

Gemäß § 5 Abs. 1 BerlSchG wird die Aufsicht über das Schul- und Unterrichtswesen von der für das Schulwesen zuständigen Senatsverwaltung ausgeübt, die gemäß Abs. 3 S. 1 auch oberste Schulaufsichtsbehörde ist. Untere Schulaufsichtsbehörde ist gemäß § 5 Abs. 4 BerlSchG das Landesschulamt, das in den einzelnen Bezirken Außenstellen unterhält.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Begriff der „Sachgerechtigkeit" nahe, dass sie auch dann einschreiten dürfen, wenn sie eine bestimmte Maßnahme eines Lehrers nur für unzweckmäßig erachten. Auf der anderen Seite deutet die ausdrückliche Bezugnahme auf den Gleichheitsgrundsatz daraufhin, dass auch diese Eingriffsbefugnisse eng ausgelegt werden müssen. Daher dürfen die Schulaufsichtsbehörde und die Schulleiter auch in Berlin nur dann einschreiten, wenn der Lehrer im Rahmen seiner Unterrichts- und Erziehungstätigkeit entweder gegen die einschlägigen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen hat oder wenn erhebliche Bedenken in Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit einer bestimmten Entscheidung oder sonstigen Maßnahme bestehen.313 In diesem Fall wird die Maßnahme aber in der Regel völlig unzweckmäßig und damit wiederum rechtswidrig sein.

f) Saarland Ganz ähnlich wie in Berlin stellt sich die Rechtslage im Saarland dar: Gemäß § 5 S. 1 SaarSchMG und § 28 Abs. 1 S. 1 SaarSchOG unterrichten und erziehen die Lehrer die ihnen anvertrauten Schüler und beurteilen ihre Leistungen in eigener Verantwortung im Rahmen der für ihn geltenden Vorschriften und Konferenzbeschlüsse. Auch hier können die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden die Lehrer daher grundsätzlich nicht von vornherein zu einem bestimmten Verhalten anweisen, sondern sie müssen sich auf die nachträgliche Kontrolle beschränken. Da die Schulaufsicht gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 2 SaarSchOG auch und insbesondere die Fachaufsicht über die öffentlichen Schulen umfasst, sind die Schulaufsichtsbehörden 314 grundsätzlich dazu berechtigt, sämtliche Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer umfassend auf ihre Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit zu überprüfen. 315 Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 67 Abs. 2 SaarSchMG eingeschränkt, aus dem sich ergibt, dass die Schulaufsichtsbehörden unbeschadet ihrer Aufgabe, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule 313

Der Umstand, dass in § 10 Abs. 1 S. 2 BerlSchVerfG nur die in diesem Gesetz vorgesehenen Gremien ausdrücklich dazu verpflichtet wurden, die Gestaltungen des Unterrichts und der Erziehung durch den einzelnen Lehrer nicht unzumutbar einzuengen, spielt dabei keine Rolle. Zwar betrifft diese Beschränkung zwar nur die Konferenzen etc. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörde unbeschränkt wären, da deren Befugnisse in § 9 BerlSchVerfG geregelt sind. 314

Im Saarland ist das Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft oberste Schulaufsichtsbehörde, § 57 Abs. 1 SaarSchOG. Gemäß § 55 Abs. 1 und 2 SaarSchOG sind die bei den Gemeindeverbänden eingerichteten Schulämter untere Schulaufsichtsbehörden für die allgemein bildenden und beruflichen Schulen. 315

Dieser Grundsatz wird in § 67 Abs. 1 SaarSchMG nochmals bestätigt, wonach die Befugnisse der staatlichen Schulaufsicht von den Vorschriften dieses Gesetzes unberührt.

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D. Das Innenverhältnis

beratend zu unterstützen und auf die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze zu achten, nur dann durch Anordnungen und sonstige Maßnahmen in die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung in den einzelnen Schulen eingreifen sollen, wenn es zur rechtmäßigen, sachgerechten und geordneten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Chancengleichheit und zum Ausgleich von Bewertungsunterschieden geboten ist. Eine vergleichbare Beschränkung enthält § 16 Abs. 4 SaarSchMG in Bezug auf die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter. 316 Wie bereits im Zusammenhang mit den vergleichbaren Vorgaben des Berliner Schulgesetzes dargelegt wurde, 317 führen diese Beschränkungen im Ergebnis dazu, dass die Schulaufsichtsbehörden und die Schulleiter auch hier im Regelfall nur dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen dürfen, wenn deren Verhalten rechtswidrig ist. Im Einzelfall können allerdings auch schon erhebliche Bedenken in Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit ausreichen, um ein Einschreiten zu rechtfertigen. g) Brandenburg Auch in Brandenburg unterrichten und erziehen die Lehrkräfte gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 BbgSchG in eigener Verantwortung und sind dabei nur an die in Art. 28 der Landesverfassung und § 4 des Schulgesetzes festgeschriebenen Bildungs- und Erziehungsziele, an Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie an die Beschlüsse der schulischen Gremien gebunden. Da mit diesen Gremien nur die Konferenzen gemeint sind, können die Schulaufsichtsbehörden und Schulleiter den Lehrern auch hier nicht durch Einzelweisungen ex ante Vorgaben in Bezug auf ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit machen. Gemäß § 67 Abs. 2 S. 2 BbgSchG darf die pädagogische Freiheit der Lehrer auch sonst nicht unnötig oder unzumutbar eingeschränkt werden. Anders als in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen gilt diese Beschränkung aber nicht nur in Bezug auf Rechtsverordnungen, Verwaltungsvorschriften und Konferenzbeschlüsse, sondern als allgemeiner Grundsatz, der zum einen in § 10 Abs. 3 BbgSchG konkretisiert wird, nach dem die Rahmenpläne für den Unterricht unter anderem so zu gestalten sind, dass der Eigenverantwortung der Lehrkräfte entsprochen werden kann. 318 316 Dieser ist gemäß § 16 Abs. 5 SaarSchMG in Erfüllung seiner Aufgaben den Lehrern seiner Schule gegenüber weisungsberechtigt. 317 318

Vgl. dazu oben unter D.III.I.e.

Wobei sich wie in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern die Frage stellt, ob und gegebenenfalls wie diese sehr unbestimmte Vorgabe durchgesetzt werden kann.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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aa) Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter Zum anderen und vor allem darf der Schulleiter gemäß § 71 Abs. 2 S. 2 BbgSchG nur dann in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit einer Lehrkraft und des sonstigen pädagogischen Personals eingreifen, wenn gegen geltende Vorschriften, Anordnungen der Schulbehörden oder Beschlüsse von schulischen Gremien verstoßen wurde oder wenn eine geordnete Unterrichts- und Erziehungsarbeit nicht gewährleistet ist. 319 Obwohl es nahe liegt, für die Auslegung dieser Bestimmung auf die bisherigen Untersuchungsergebnisse zurückzugreifen, zeigen sich bei einer näheren Betrachtung einige Unterschiede: Zwar wäre es möglich, den Begriff der „Vorschriften" ähnlich weit wie in Berlin oder dem Saarland zu verstehen. Geht man nun aber davon aus, dass damit auch in Brandenburg Rechts- und Verwaltungsvorschriften gemeint sein sollen, dann stellt sich die Frage, was mit den „Anordnungen der Schulbehörden" gemeint ist: Auf der einen Seite kann es sich dabei nicht um abstrakt-generelle Anordnungen handeln, da diese bereits zu den Verwaltungsvorschriften gezählt werden können. Auf der anderen Seite können damit aber auch keine Einzelweisungen gemeint sein, da die Lehrer in Bezug auf ihre Erziehungsund Unterrichtstätigkeit auch in Brandenburg nicht ausdrücklich an solche Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden gebunden worden sind. Dieses Problem löst sich allerdings in Luft auf, wenn man davon ausgeht, dass mit dem Begriff der Vorschriften in § 71 Abs. 2 S. 2 BbgSchG anders als in Berlin und dem Saarland nur Rechts- Vorschriften gemeint sein sollen, während es sich bei den „Anordnungen der Schulbehörden" um die Verwaltungsvorschriften und alle übrigen abstrakt-generellen Vorgaben für die Erziehung und den Unterricht handeln würde. 320 Diese Trennung wäre schon deshalb durchaus sinnvoll, weil es auch und gerade im Bereich des Schulwesens sehr viele solcher abstrakt-genereller Vorgaben gibt, die sich zwar theoretisch unter den Begriff der Verwaltungsvorschrift subsumieren lassen, die aber tatsächlich nicht als solche bezeichnet werden. Im Ergebnis reichen die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter in Brandenburg damit ebenso weit wie die ihrer Kollegen in Berlin und dem Saarland.

319

Nach § 71 Abs. 2 S. 1 BbgSchG ist der Schulleiter im Übrigen im Rahmen der „Verwaltungsaufgaben" gegenüber allen Lehrkräften und dem sonstigen Schulpersonal weisungsberechtigt, vgl. zu diesem Begriff schon oben Fn. 271 auf S. 154. 320 Dies ist nicht zuletzt deshalb von Bedeutung, weil die Rahmenpläne für den Unterricht auch in Brandenburg gemäß § 10 Abs. 6 BbgSchG als Verwaltungsvorschriften erlassen werden.

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D. Das Innenverhältnis

bb) Die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden Etwas anders scheint sich die Lage in Bezug auf die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden 321 darzustellen, die in Brandenburg anders als in Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen nicht ausdrücklich beschränkt worden sind. Zwar sollen die Schulaufsichtsbehörden gemäß § 130 Abs. 2 S. 3 BbgSchG nur unter Berücksichtigung der Rechte und Pflichten des Schulleiters in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrkräfte eingreifen. Daraus ergibt sich jedoch keineswegs, dass ihre Eingriffsbefugnisse denselben Beschränkungen unterliegen, sondern lediglich, dass das Schulamt gegebenenfalls abwarten muss, ob und welche Maßnahmen der Schulleiter von sich aus vornimmt. 322 Obwohl oder vielmehr gerade weil die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden in Brandenburg nicht ausdrücklich beschränkt worden sind, muss allerdings die allgemeine Vorgabe des § 67 Abs. 2 S. 2 BbgSchG beachtet werden, nach der auch die Schulaufsichtsbehörden die pädagogische Freiheit der Lehrer nicht unnötig oder unzumutbar einschränken dürfen. Im Ergebnis muss damit aber auch in Brandenburg in jedem Einzelfall geprüft werden, ob dem Recht des einzelnen Lehrers auf pädagogische Freiheit angemessen Rechnung getragen worden ist.

h) Nordrhein-Westfalen In Nordrhein-Westfalen unterrichten und erziehen die Lehrer gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG die Schüler in Freiheit und Verantwortung im Rahmen der geltenden Vorschriften und der Konferenzbeschlüsse. 323 Gemäß § 9 Abs. 3 S. 3 NRW-SchMG fällt auch die Beurteilung einzelner Leistungen in die Verantwortung der Lehrer. Zunächst ist festzuhalten, dass mit dem Begriff der „Vorschriften" auch in Nordrhein-Westfalen nicht nur Rechts-, sondern auch Verwaltungsvorschriften

321

In Brandenburg sind die den Landkreisen und kreisfreien Städten zugeordneten staatlichen Schulämter untere Schulbehörde, § 131 Abs. 2 BbgSchG. Diese Ämter bestehen aus dem Landrat bzw. Oberbürgermeister und einem Kreis- bzw. Stadtschulrat. Nach § 131 Abs. 1 S. 1 BbgSchG ist das für Schule zuständige Ministerium oberste Schulbehörde; eine Mittelebene gibt es nicht. 322 Damit ist sichergestellt, dass Konflikte nach Möglichkeit innerhalb der Schule gelöst werden können. 323 Wobei letztere die Freiheit und Verantwortung der Lehrer bei der Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung nicht unzumutbar einschränken dürfen; vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 NRW-SchMG.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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- und damit alle abstrakt-generellen Vorgaben der Schulaufsichtsbehörden 324 gemeint sind. Weiterhin ist zu beachten, dass auch in § 3 Abs. 2 S. 1 NRWSchMG keine Rede von den Anordnungen der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden ist. Diese können den Lehrern daher auch in Nordrhein-Westfalen nicht von vornherein vorschreiben, wie sie sich in einem bestimmten Einzelfall zu verhalten haben, sondern müssen sich grundsätzlich auf die nachträgliche Kontrolle der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer beschränken. Da die Schulaufsicht gemäß § 14 Abs. 3 S. 1 NRW-SchVerwG unter anderem die Dienst- und Fachaufsicht umfasst, können die Schulaufsichtsbehörden grundsätzlich bereits dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen, wenn sie eine bestimmte Maßnahme eines Lehrers für unzweckmäßig erachten. Allerdings wurden sie in § 14 Abs. 3 S. 2 NRW-SchVerwG ausdrücklich dazu verpflichtet, die pädagogische Selbstverantwortung zu pflegen. Daher muss auch hier in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Bedenken so gravierend sind, dass sie ein Einschreiten der Schulaufsichtsbehörden rechtfertigen. Etwas anders stellt sich die Rechtslage in Bezug auf den Schulleiter dar: Dieser ist gemäß § 20 Abs. 2 S. 3 NRW-SchVerwG Vorgesetzter aller an der jeweiligen Schule tätigen Personen. Da seine Weisungsbefugnisse nicht ausdrücklich beschränkt worden sind 325 und es auch keine allgemeine Bestimmung gibt, nach der die pädagogische Freiheit der Lehrer nicht unnötig oder unzumutbar eingeschränkt werden darf, scheint der Schulleiter nicht nur dann in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen zu dürfen, wenn diese rechtswidrig gehandelt haben oder erhebliche Bedenken in Bezug auf die Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen oder sonstigen Maßnahmen bestehen. Tatsächlich hält dieser Eindruck keiner näheren Überprüfung stand: Da auch die Weisungsbefugnisse des Schulleiters letztendlich der Fachaufsicht über die Tätigkeit der Lehrer dienen, liegt es nahe, die in § 14 Abs. 3 S. 2 NRWSchVerwG festgeschriebenen allgemeinen Beschränkungen in bezug auf die Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden auch auf die Eingriffsbefugnisse des Schulleiters zu übertragen. Auch er als Vorgesetzter der Lehrer ist daher dazu verpflichtet, die pädagogische Selbstverantwortung zu pflegen. 324

Gemäß § 15 Abs. 1 S. 1 NRW-SchVerwG ist der Kultusminister oberste Schulaufsichtsbehörde. Obere Schulaufsichtsbehörden sind die Regierungspräsidenten, untere Schulaufsichtsbehörden die Schulämter, vgl. § 15 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 S. 1 NRWSchVerwG. 325 § 20 Abs. 3 NRW-SchVerwG sieht lediglich vor, dass der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule in enger Zusammenarbeit zwischen Schulleiter und Schulkonferenz zu erfüllen ist.

D. Das Innenverhältnis

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Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass in Nordrhein-Westfalen nicht nur die Schulaufsichtsbehörden, sondern auch die Schulleiter dazu verpflichtet sind, bei der Ausübung ihrer Aufsichtsbefugnisse die pädagogische Verantwortung der Lehrer zu pflegen. Auch sie dürfen daher nur dann in die Erziehungsund Unterrichtstätigkeit eingreifen, wenn sich die Lehrer rechtswidrig verhalten oder wenn erhebliche Bedenken in Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit ihrer Entscheidungen oder sonstigen Maßnahmen bestehen.

i) Thüringen Auch in Thüringen unterrichtet und erzieht der Lehrer gemäß § 34 Abs. 2 S. 1 und 2 ThürSchG die ihm anvertrauten Schüler in eigener pädagogischer Verantwortung, wobei er an die für ihn geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, an Konferenzbeschlüsse sowie an die Anordnungen der Schulaufsicht gebunden ist. 326 Wie in Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen können die zuständigen Schulaufsichtsbehörden 327 den Lehrern daher zumindest theoretisch von vornherein vorschreiben, wie sie sich in einem bestimmten Fall verhalten sollen. Nachdem solche Weisungen in der Praxis eine seltene Ausnahme bleiben werden, kommt es allerdings auch hier vor allem auf die Reichweite der (nachträglichen) Aufsicht an. Nach § 2 Abs. 2 S. 1 ThürSchAG umfasst die Schulaufsicht insbesondere die Fachaufsicht über die von den Schulen in eigener Verantwortung zu leistende Erziehungs- und Unterrichtsarbeit (Nr. 4) und die Dienstaufsicht über die im Dienst des Landes Thüringen stehenden Schulleiter, Lehrer, Sonderpädagogischen Fachkräfte, Erzieher, Seminarleiter, Fachleiter und Lehramtsanwärter (Nr. 5). Zwar spricht dies für eine umfassende und unbeschränkte Fachaufsicht. Allerdings sieht § 3 Abs. 2 ThürSchAG vor, dass die Schulaufsicht so gehandhabt werden soll, dass die pädagogische Eigenverantwortung der Schule und des einzelnen Lehrers nicht gefährdet werden. Daher muss auch hier in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Bedenken in Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit einer bestimmten Entscheidung oder sonstigen Maßnahme schwerwiegend genug waren, um ein Eingreifen der Schulaufsichtsbehörden zu rechtfertigen.

326

Gemäß § 26 Abs. 1 S. 2 ThürSchG entscheidet der einzelne Lehrer in eigener pädagogischer Verantwortung darüber, ob und inwieweit das Recht der Schüler, auch in der Schule ihre Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, im Rahmen des Unterrichts und sonstiger schulischer Veranstaltungen beschränkt wird. 327 Gemäß § 4 Abs. 1 ThürSchAG wird die Schulaufsicht vom Kultusministerium als oberster Schulaufsichtsbehörde und von den Staatlichen Schulämtern als unteren Schulaufsichtsbehörden ausgeübt.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

1

In Bezug auf die Eingriffsbefugnisse des Schulleiters kann auf die Ausführungen zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen verwiesen werden: Gemäß § 33 Abs. 1 ThürSchG ist der Schulleiter für einen geordneten Schulbetrieb und Unterricht sowie gemeinsam mit den Lehrern für die Bildung und Erziehung der Schüler verantwortlich und in Erfüllung dieser Aufgaben den Lehrern, den Erziehern, den Sonderpädagogischen Fachkräften sowie dem Verwaltungs- und Hauspersonal gegenüber weisungsberechtigt. Zwar ist dieses Weisungsrecht nicht ausdrücklich beschränkt worden. Da es jedoch in der Fachaufsicht begründet ist, muss der in § 3 Abs. 2 ThürSchAG festgeschriebene Allgemeine Grundsatz auch auf ihn übertragen werden. Die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter sind somit auch hier mit denen der Schulaufsichtsbehörden identisch.

j) Sachsen-Anhalt Noch etwas anders stellt sich die Rechtslage in Sachsen-Anhalt dar: Gemäß § 30 Abs. 1 LSA-SchG erziehen und unterrichten die Lehrer auch hier in eigener pädagogischer Freiheit und Verantwortung, wobei sie nur an Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie an die Beschlüsse der Konferenzen gebunden sind. Die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden 328 müssen sich daher insofern grundsätzlich auf die nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer beschränken. Anders als in den bisher dargestellten Ländern unterliegen jedenfalls die Schulaufsichtsbehörden bei dieser nachträglichen Kontrolle keinen weiteren Beschränkungen: Gemäß § 83 Abs. 3 S. 1 LSA-SchG obliegt ihnen die Dienst- und Fachaufsicht. Zwar hat der Gesetzgeber sie in Satz 2 dieser Vorschrift damit beauftragt, die Schulen bei deren pädagogischer und organisatorischer Entwicklung zu beraten und zu unterstützen und die Selbständigkeit der Schulen in ihrer Arbeit zu fördern. Daraus lassen sich jedoch keinerlei Einschränkungen der Aufsichtsbefugnisse herleiten, sodass die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer einer umfassenden und unbeschränkten Kontrolle unterliegen. 329

328 Gemäß § 82 Abs. 3 LSA-SchG ist das Kultusministerium oberste Schulbehörde. Untere Schulbehörde sind die Staatlichen Schulämter. 329 Anders Reich, Anm. 4 zu § 83 LSA-SchG, der zunächst zu Recht darstellt, dass mit der Fachaufsicht eine umfassende Kontrolle gemeint sei und dann ohne nähere Begründung behauptet, dass die Aufsicht „ihre Grenzen in den im Gesetz ausdrücklich festgestellten Rechtspositionen, gerade auch in der pädagogischen Freiheit des Lehrers" finde. Zwar stellt sich in der Tat die Frage, ob die Aufsicht tatsächlich stets unbegrenzt ist. Der Wortlaut des Gesetzes bietet jedoch keine hinreichende Grundlage für eine Beschränkung.

D. Das Innenverhältnis

1

Dieses Ergebnis bestätigt sich, wenn man die Regelungen über die Schulaufsicht mit den Bestimmungen über die Rechtsstellung des Schulleiters vergleicht: Diese sind gemäß § 26 Abs. 5 S. 1 LSA-SchG Vorgesetzte der Lehrer und als solche grundsätzlich weisungsberechtigt. Allerdings ergibt sich aus § 26 Abs. 5 S. 4 LSA-SchG, ebenso wie in Berlin und dem Saarland, dass die pädagogische Freiheit und Eigenverantwortung der Lehrer hiervon unberührt bleiben soll. Im Ergebnis bedeutet das aber nichts anderes, als dass die Schulleiter in SachsenAnhalt keine Möglichkeit haben, selbst in die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrer einzugreifen. Vielmehr müssen sie sich gegebenenfalls darauf beschränken, die Schulaufsichtsbehörden zu informieren und zum Einschreiten aufzufordern. 330

k) Rheinland-Pfalz Ganz ähnlich wie in Sachsen-Anhalt stellt sich die Rechtslage in RheinlandPfalz dar. Auch hier gestalten die Lehrer gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG die Erziehung und den Unterricht der Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der für die Schule geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Beschlüsse der Lehrerkonferenzen. Anders als in Sachsen-Anhalt sind die Lehrer darüber hinaus ausdrücklich an die Anordnungen der Schulaufsicht gebunden, die demzufolge nicht auf die nachträgliche Überprüfung der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer beschränkt sind. Ebenso wie in Sachsen-Anhalt unterliegt die Reichweite der Schulaufsicht auch in Rheinland-Pfalz keinen ausdrücklichen Beschränkungen: Vielmehr umfasst sie gemäß § 84 Abs. 2 S. 1 RP-SchG die Gesamtheit der staatlichen Aufgaben zur inhaltlichen, organisatorischen und planerischen Gestaltung und die Beaufsichtigung des Schulwesens. Dementsprechend wurde den Schulaufsichtsbehörden 331 in 330

Selbst wenn man § 26 Abs. 5 S. 4 LSA-SchG weiter auslegen und dem Schulleiter grundsätzlich doch das Recht zugestehen will, in die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der an seiner Schule beschäftigten Lehrer einzugreifen, wäre eine enge Auslegung geboten. Reich geht im Rahmen seiner Kommentierung der einschlägigen Vorschriften leider nicht auf diesen Zusammenhang ein, sondern begnügt sich in Anm. 13 zu § 26 mit der lapidaren Feststellung, dass die pädagogische Freiheit der Lehrer unberührt bleiben müsse. In den Anmerkungen zu § 30 LSA-SchG geht Reich dann vor allem darauf ein, dass es sich bei der pädagogischen Freiheit um ein Abwehrrecht handele, ohne jedoch die konkrete Reichweite dieses Rechts herauszuarbeiten. 331

Gemäß § 85 Abs. 1 RP-SchG ist das fachlich zuständige Ministerium oberste Schulbehörde. Ihm nachgeordnet ist eine „Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (Schulbehörde)", die aus der einer Zentralstelle in Trier und den Außenstellen in Koblenz und Neustadt an der Weinstraße besteht.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

11

S. 2 der Bestimmung unter anderem die Fachaufsicht über die Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schulen (Nr. 5) und die Dienstaufsicht über die Schulleiter, Lehrer und pädagogischen und technischen Fachkräfte der staatlichen Schulen (Nr. 6) zugewiesen. Während die Lehrer damit auch in Bezug auf ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der umfassenden und unbeschränkten Aufsicht durch die Schulbehörden unterliegen, können die Schulleiter ihnen insofern keinerlei Vorgaben machen: Wie bereits deutlich wurde, ist in § 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG nur von den Anordnungen der Schulbehörden die Rede. Darüber hinaus sieht § 21 Abs. 2 S. 1 RPSchG, aus dem sich das Weisungsrecht der Schulleiter ergibt, ausdrücklich vor, dass § 20 Abs. 1 RP-SchG und damit die pädagogische Freiheit und Eigenverantwortung der Lehrer von diesem Weisungsrecht unberührt bleibt. I) Hamburg In Hamburg scheint von der pädagogischen Freiheit der Lehrer schließlich überhaupt nichts mehr übrig zu bleiben: Zwar unterrichten, erziehen, beraten und betreuen die Lehrer gemäß § 88 Abs. 2 HambSchG auch hier in eigener Verantwortung und sie sind dabei grundsätzlich „nur" an die Ziele und Grundsätze, die in den §§ 1 bis 3 HambSchG festgeschrieben wurden, an die sonstigen Rechtsund Verwaltungsvorschriften und die Beschlüsse der Schul- und Lehrerkonferenz gebunden, nicht aber an die Anordnungen der Schulaufsichtsbehörde 332 und die Weisungen ihres Schulleiters. Eine nähere Betrachtung macht jedoch deutlich, dass sowohl die Schulaufsichtsbehörde als auch der Schulleiter die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer umfassend überprüfen können: Gemäß § 85 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HambSchG ist die Schulaufsichtsbehörde für die Beachtung der Rechts- und VerwaltungsVorschriften, insbesondere der in den §§ 1 bis 3 HambSchG niedergelegten Ziele und Grundsätze sowie der Bildungspläne verantwortlich. Neben der Dienstaufsicht über das pädagogische Personal (Nr. 3) übt sie die Fachaufsicht über Unterricht und Erziehung in den Schulen aus (Nr. 2). Da sie in § 85 Abs. 1 S. 3 HambSchG ausdrücklich dazu ermächtigt wurde, zur Erfüllung dieser Aufgaben Anordnungen zu treffen und der Schulleitung sowie den Lehrkräften Weisungen zu erteilen und da diese Befugnisse nur durch die „Grundsätze der (schulischen) Selbstverwaltung" beschränkt sind, nicht jedoch durch die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer, unterstehen diese der 332

In § 85 HambSchG ist nur von der „zuständigen Behörde" die Rede. Dies ist die Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung, also das „Kultusministerium" des Stadtstaates.

12

D. Das Innenverhältnis

umfassenden Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörde, die damit auch die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer umfassend und unbeschränkt steuern kann. Darüber hinaus sind in Hamburg auch die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter unbeschränkt: Gemäß § 89 Abs. 2 S. 1 und 2 HambSchG ist der Schulleiter Vorgesetzter aller an der Schule tätigen Personen und ausdrücklich dazu berechtigt, diesen die für die Einhaltung ihrer dienstlichen Pflichten erforderlichen Weisungen zu erteilen. Zwar sieht Abs. 3 S. 1 dieser Bestimmung unter anderem vor, dass der Schulleiter bei der Erfüllung seiner Aufgaben mit den Lehrkräften zusammenarbeiten soll. Daraus lässt sich jedoch keine Beschränkung seines Weisungsrechts herleiten. Vielmehr wurde dem Schulleiter in § 89 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 HambSchG das Recht und die Pflicht zugestanden, die „geeigneten Maßnahmen" zu treffen, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit sicherzustellen.

m) Baden-Württemberg,

Bayern, Sachsen und Schleswig-Holstein

Ebenso wie in Hamburg stellt sich die pädagogische Freiheit der Lehrer in Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Schleswig-Holstein als eine reine Maßgabefreiheit dar, die den Lehrern nur unter dem Vorbehalt gewährt wurde, dass keiner ihrer Vorgesetzten Anlass zum Einschreiten sieht: Zwar wird auch hier die unmittelbare pädagogische Verantwortung der Lehrer für die Erziehung und den Unterricht betont. 333 Zugleich werden sie aber pauschal an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden.334 Weder gibt es eine Ein333 Vgl. dazu § 38 Abs. 2 BW-SchG, § 40 Abs. 2 SächsSchG, § 83 Abs. 1 S. 2 SH-SchG; sowie Art. 59 Abs. 1 S. 3 BayEUG, nach dem sowohl die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden als auch die dienstrechtliche Stellung der Lehrer - und damit deren Bindung an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten - von den Regelungen über die pädagogische Verantwortung unberührt bleiben sollen.

Die Regelungen der § 38 Abs. 2 BW-SchG, § 40 Abs. 2 SächsSchG gehen im wesentlichen auf § 22 Abs. 2 des baden-württembergischen Gesetzes zur Vereinheitlichung und Ordnung des Schulwesens vom 5.5.1964 (GBl. S. 235) zurück. 334

Vgl. in diesem Sinne auch § 40 Abs. 2 SächsSchG, sowie § 83 Abs. 1 S. 2 SH-SchG und Art. 59 Abs. 1 S. 3 BayEUG, wonach sowohl die Befugnisse der Schulaufsichtsbehörden als auch die dienstrechtliche Stellung der Lehrer - und damit deren Bindung an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten - von den Regelungen über die pädagogische Verantwortung unberührt bleiben sollen. Ganz ähnlich wie § 38 Abs. 2 BW-SchG ist auch § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchVerwG formuliert, wobei nach S. 2 dieser Vorschrift zumindest Verwaltungsanordnungen, verbindliche überschulische Absprachen und Konferenzbeschlüsse die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung nicht unnötig oder

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

1

schränkung, wonach die pädagogische Freiheit der Lehrer nicht unnötig oder übermäßig beschränkt werden dürfte, noch finden sich ausdrückliche Beschränkungen der Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse des Schulleiters und der Schulaufsichtsbehörden. 335 Lediglich die Lehrerkonferenzen sind dazu aufgerufen, die pädagogische Verantwortung der Lehrer bei ihren Entscheidungen zu respektieren 336 - wobei es in SchleswigHolstein sogar an dieser minimalen Beschränkung fehlt.

Im Ergebnis scheinen die Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung der Lehrer in diesen Ländern nur ein Scheinzugeständnis an die in der Pädagogik vorherrschenden Vorstellungen einer emanzipatorischer Erziehung: Selbst wenn man nämlich wie hier davon ausgeht, dass sich aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung ein justitiabler Rechtsanspruch der Lehrer darauf ergibt, dass ihre Vorgesetzten nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen dürfen, bleibt von diesem Anspruch jedenfalls im Ergebnis nichts übrig, wenn die Lehrer auch in Bezug auf ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden bleiben und die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden bei der Ausübung ihrer Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse ihrerseits nicht dazu verpflichtet sind, den Lehrern einen gewissen Freiraum zu belassen.337

unzumutbar einengen dürfen; nachdem anders als in S. 1 nicht von „dienstlichen Anordnungen" die Rede ist, werden diese von den Beschränkungen in S. 2 nicht erfasst. 335 Vgl. in diesem Sinne auch Art. 59 Abs. 1 S. 3 Bay EUG, § 40 Abs. 2 SächsSchG, § 83 Abs. 1 S. 2 SH-SchG. Ganz ähnlich ist auch § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG formuliert, der darüber hinaus auch noch überschulische Absprachen nennt. 336

§ 44 Abs. 2 S. 1 BW-SchG; Art. 58 Abs. 3 S. 2 BayEUG, § 44 Abs. 1 S. 3 SächsSchG.. 337

Allerdings meinen Niebes/Becher/Pollmann, § 40 SächsSchG, Rn. 5, dass der in § 40 Abs. 2 SächsSchG genannte Begriff „Anordnungen" nicht dahingehend ausgelegt werden könne, dass eine Beschränkung der pädagogischen Freiheit des Lehrers jederzeit durch Eingriffe des Schulleiters, der Schul- oder Lehrerkonferenz oder der Schulverwaltung möglich ist. Vielmehr sollen solche Anordnungen nur dort erfolgen, wo der im Gesetz definierte Rahmen der pädagogischen Freiheit durch den Lehrer überschritten wird und dadurch nachteilige Folgen für die Schüler konkret zu befürchten sind - sie verkennen dabei aber, dass der Gesetzgeber die Lehrer ausdrücklich auch an die Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden hat. Anordnungen sind daher gerade nicht nur dann zulässig, wenn ein Lehrer eine der übrigen in § 40 Abs. 2 SächsSchG genannten Beschränkungen der pädagogischen Freiheit verletzt.

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D. Das Innen Verhältnis

η) Zusammenfassung Als Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden in Bezug auf die eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer in den meisten Bundesländern gewissen Beschränkungen unterliegen - umgekehrt haben die Lehrer in diesen Ländern aufgrund ihres Rechtsanspruchs auf pädagogische Freiheit mehr oder weniger weit reichende Möglichkeiten, sich auch außerhalb des verwaltungsinternen Remonstrationsverfahrens gegen Eingriffe in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zur Wehr zu setzen. Besonders weit sind die Gesetzgeber dabei in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern gegangen, wo die Schulaufsichtsbehörden und Schulleiter im Ergebnis auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt wurden. Sie können daher nur unter denselben Voraussetzungen wie die Gerichte in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen. In Niedersachsen und Bremen können die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden darüber hinaus auch bei einem Verstoß gegen Verwaltungsvorschriften eingreifen. Auch in Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Thüringen sind die Eingriffsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden nicht völlig unbeschränkt. Vielmehr müssen sich die Vorgesetzten der Lehrer grundsätzlich auch hier auf die Rechtsaufsicht und darauf beschränken, die Einhaltung der einschlägigen Verwaltungsvorschriften zu überprüfen. Darüberhinaus dürfen sie nur dann in die Erziehung und den Unterricht eingreifen, wenn erhebliche Bedenken in Bezug auf die pädagogische Zweckmäßigkeit einer bestimmten Entscheidung oder sonstigen Maßnahme bestehen - wobei gegebenenfalls in jedem Einzelfall geprüft werden muss, ob dem Lehrer noch ein hinreichender Freiraum verbleibt. Trotz der teilweise erheblichen Unterschiede bei der Formulierung der einschlägigen Bestimmungen unterscheiden sich die Voraussetzungen, unter denen der jeweilige Schulleiter bzw. die Schulaufsichtsbehörden in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen dürfen, in all diesen Ländern im Ergebnis nur unwesentlich voneinander. In immerhin fünf der sechzehn Bundesländer 338 sind die Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden und Schulleiter hingegen völlig unbeschränkt. In zwei weiteren Ländern 339 können jedenfalls die Schulaufsichtsbehörden grundsätzlich jederzeit und umfassend in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen. Unter diesen Voraussetzungen scheint aber von dem Recht auf pä338

Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Sachsen und Schleswig-Holstein.

339

Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

1

dagogische Freiheit, das sich als notwendiges Gegenstück zur pädagogischen Verantwortung der Lehrer ergibt, im Ergebnis nichts mehr übrig zu bleiben - und die Lehrer wären auf den bereits mehrfach erwähnten real-existierenden Freiraum beschränkt, der sich daraus ergibt, dass sie im Alltag mit ihren Schülern im Unterricht allein sind und dass ihre Vorgesetzten daher nicht dazu in der Lage sind, ihnen bis ins letzte Detail vorzuschreiben, wie sie sich gegenüber den ihnen anvertrauten Schülern zu verhalten haben.

2. Die ungeschriebenen Grenzen der Eingriffs- und Weisungsbefugnisse: Zu den Voraussetzungen für die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen im Schulverhältnis Bei alldem ist jedoch zu beachten, dass die Lehrer selbstverständlich nur an verbindliche Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden sind. 340 Damit stellt sich aber die Frage, unter welchen Voraussetzungen Verwaltungsvorschriften und Einzelweisungen verbindlich sind: Sollte sich herausstellen, dass Lehrer - völlig unabhängig davon, ob ihre Vorgesetzten ausdrücklich dazu verpflichtet wurden, ihre pädagogische Freiheit zu respektieren - jedenfalls unter bestimmten Voraussetzungen nicht dazu verpflichtet sind, dienstliche Anordnungen zu befolgen, dann würde sich dies auch auf die Reichweite ihres Rechtsanspruchs auf pädagogische Freiheit auswirken.

a) Zur Verbindlichkeit

rechtswidriger

Anordnungen

Wie bereits dargelegt wurde, 341 sind Weisungen im Einzelfall und generellabstrakte Anordnungen für die Beamten, Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes grundsätzlich verbindlich. Allerdings stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Umständen die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes dazu verpflichtet sind, auch solchen Anordnungen Folge zu leisten, mit denen sie zu einem rechtswidrigen Verhalten verpflichtet werden sollen.

340

In Baden-Württemberg und Sachsen wurde dieser selbstverständliche Grundsatz sogar ausdrücklich betont, vgl. § 38 Abs. 2 BW-SchG, § 40 Abs. 2 SächsSchG. 341

Vgl. oben unter D., sowie § 37 S. 2 BRRG, § 74 S. 2. BW-LBG.

D. Das Innen Verhältnis

1

aa) Das Problem: Rechtsbindung und Remonstrationsverfahren Auf den ersten Blick scheint es nur eine einzige mögliche Antwort auf die soeben gestellte Frage zu geben: Da nur der Gesetzgeber unmittelbar demokratisch legitimiert ist, müssen sich seine Entscheidungen im Zweifel durchsetzen. Eine rechtswidrige verbindliche Anordnung in dem Sinne, dass ein Beamter verpflichtet sein soll, sich rechtswidrig zu verhalten, erscheint völlig ausgeschlossen. Zum selben Ergebnis kommt man auch dann, wenn man vom Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung ausgeht, der in Art. 20 Abs. 3 GG festgeschrieben wurde und der daher zu den unantastbaren Grundprinzipien der Verfassungsordnung gehört: Aus dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung ergibt sich unter anderem, dass das Verwaltungsverfahren so ausgestaltet sein muss, dass die Handlungen und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden möglichst von vornherein rechtmäßig sind. 342 Auch insofern scheint die rechtswidrige aber dennoch verbindliche Anordnung als Widerspruch in sich. Schließlich ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass der Gesetzgeber den Beamten explizit die persönliche Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Amtshandlungen auferlegt hat, 343 was ebenfalls für eine strikte Bindung an die gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben spricht. Für die Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes besteht eine vergleichbare Verpflichtung aufgrund von § 6 Abs. 1 S. 1 B A T , 3 4 4 bzw. der Bestimmungen ihres Arbeitsvertrages, 345 in dem sie regelmäßig dazu verpflichtet werden, die geltenden Rechtsnormen zu befolgen.

Tatsächlich haben die Gesetzgeber im Bund und den Ländern die Beamten jedoch ausdrücklich dazu verpflichtet, den Anordnungen ihrer Vorgesetzten selbst dann Folge zu leisten, wenn sie davon überzeugt sind, damit rechtswidrig zu handeln. Zwar müssen die einzelnen Beamten prüfen, ob die angeordneten Maßnahmen rechtmäßig sind, und sie sind dazu verpflichtet, ihre Bedenken unverzüglich gegenüber ihrem Vorgesetzten geltend zu machen. Hält dieser die Weisung jedoch aufrecht und bestätigt auch die nächsthöhere Stelle die Anordnung, dann ist der 342 Es muss z.B. sichergestellt sein, dass der Sachverhalt richtig ermittelt wurde und dass ein Amtsträger entscheidet, der über die erforderliche Fachkompetenz verfügt. Vgl. dazu auch Stern, Staatsrecht III/2, S. 1169 und BVerfGE 53, S. 30, 64, m.w.N. 343

Vgl. § 38 Abs. 1 BRRG.

344

Danach hat der Angestellte dem Arbeitgeber die gewissenhafte Diensterfüllung und die Wahrung der Gesetze zu geloben. 345

Dies ist deshalb wichtig, weil nur die Mitglieder der Tarifparteien unmittelbar durch den Tarifvertrag berechtigt und verpflichtet sind. Allerdings wird in der Regel in allen Arbeitsverträgen die Anwendung der Bestimmungen des BAT vereinbart.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

1

Beamte grundsätzlich zur Ausführung verpflichtet - wobei er konsequenterweise i m Gegenzug von der persönlichen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung befreit w i r d . 3 4 6 Weigert sich ein Beamter, eine Anordnung auszuführen, so verletzt er seine Dienstpflichten und kann daher disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden. 3 4 7 Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur für den Fall vorgesehen, dass sich der angewiesene Beamte durch die Ausführung der Anordnung strafbar machen oder eine Ordnungswidrigkeit begehen würde. Sofern die Strafbarkeit bzw. Ordnungswidrigkeit für ihn ohne weiteres erkennbar ist, 3 4 8 soll er nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sein, der Anordnung den Gehorsam zu verweigern. Dasselbe soll auch dann gelten, wenn er durch die Ausführung der Anordnung die Würde eines Menschen verletzen würde. 3 4 9 Diese zuletzt genannten Beschränkung dient vor allem dem Schutz des angewiesenen Beamten: Die Würde - und damit auch der unantastbare Kernbereich der Grundrechte derjenigen, die von den angeordneten Maßnahmen betroffen werden, ist in der Regel durch die Bestimmungen des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts hinreichend geschützt. Im Fall der Selbstschädigung auf Anordnung bietet dieses Sanktionensystem jedoch keinen hinreichenden Schutz. Da Beamte nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sind, Anordnungen den Gehorsam zu verweigern, wenn sie sich selbst durch die Ausführung zum Objekt degradieren würden, werden schikanöse Befehle und damit jeder Ansatz von „Kadavergehorsam" unterbunden. 350 346 Vgl. § 38 Abs. 2 BRRG, § 75 Abs. 2 BW-LBG. Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Polizeibeamte gelten Sonderregelungen, vgl. § 7 Abs. 3 BUZwG, § 38 Abs. 3 BRRG, § 75 Abs. 4 BW-LBG. Im Wehrrecht gibt es keine Regelungen über die Remonstration, auch hier ist aber das Recht und die Pflicht zu Gegenvorstellungen anerkannt, vgl. BGHSt 19, S. 231. 347 In diesem Sinne etwa£Ve//G, DVB1.1995, S. 192,193 (Kammerbeschluss); SteinerKöpp, Rn. 115; Schmidt-Aßmann-£wmg, Rn. 130; vgl. auch Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404, 411 ff., der sogar nur dann von der Un Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen ausgeht, wenn der Beamte offensichtlich gegen Tatbestände des Straf- und Ordnungswidrigkeitenrechts verstoßen oder die Menschenwürde verletzen würde. 348

Richtigerweise ist davon auszugehen, dass es nicht darauf ankommt, ob der Beamte die Strafbarkeit seines Verhaltens erkannt hat, sondern darauf, ob er sie erkennen hätte müssen. 349 Da es nicht darauf ankommt, ob die Verletzung der Menschenwürde für den Beamten erkennbar ist, stellt sich allerdings die Frage, ob er sich gegebenenfalls weigern muss. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn der Beamte die Möglichkeit einer solchen Verletzung trotz der gebotenen sorgfältigen Prüfung nicht erkennen konnte - wobei es allerdings zweifelhaft ist, ob es einem pflichtgemäß handelnden Beamten wirklich verborgen bleiben kann, wenn er in den Kernbestand der Grundrechte eingreift. 350 Aus den Materialien zur Entstehungsgeschichte des „ 1. Gesetz zur Vereinheitlichung des Beamtenrechts" ergibt sich, dass die Bestimmungen über die Weisungsbindung und die

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D. Das Innenverhältnis I m Ergebnis gibt es damit nur zwei Arten von dienstlichen Anordnungen: Ent-

weder der Beamte ist zur Ausführung verpflichtet, oder er darf die Anordnung unter keinen Umständen ausführen - tertium non datur.

bb) Der erste Lösungsansatz: Die Unverbindlichkeit „offensichtlich rechtswidriger" Anordnungen I n der einschlägigen Literatur hat es immer wieder Versuche gegeben, den offensichtlichen Widerspruch zwischen dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung und der Weisungsgebundenheit der Beamten aufzulösen. So findet sich häufig die These, dass über den Wortlaut der Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren hinaus auch - und nur - offensichtlich

rechtswidrige A n -

persönliche Verantwortung der Beamten erst auf Vorschlag des Ausschusses für Beamtenrecht eingeführt worden waren, vgl. BT-Drs. 11/3363, S. 21. Dieser ging im Gegensatz zur Bundesregierung (BT-Drs. 11/1549) davon aus, dass diese Vorgaben zum Wesen des Beamtenverhältnisses gehörten und daher auch in das BRRG übernommen werden sollten. Der Ausschuss lehnte sich bei der Formulierung ausdrücklich an § 11 Abs 1 des kurz zuvor verabschiedeten Soldatengesetzes (SG) an. Dies ist deswegen nicht völlig uninteressant, weil die Entstehungsgeschichte des SG wiederum darauf hindeutet, dass man durch die Erwähnung der Menschenwürde keineswegs nur die Rechte der Soldaten schützen wollte. Vielmehr stellte der Verteidigungsausschuss vor allem darauf ab, dass es ein wesentlicher Zug freiheitlicher Ordnung sei, der Gehorsamspflicht dort Grenzen zu setzen, wo Grundwerte verletzt werden, vgl. BTDrs. 11/2140, S. 7. Dies wurde auch von der Bundesregierung nicht in Frage gestellt, die allerdings zunächst davon ausgegangen war, dass die Gerichte auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Regelung zu einer vertretbaren Einschränkung der Befehlsgewalt kommen würden, vgl. BT-Drs. 11/1700, S. 22. Unter den besonderen Bedingungen des Soldatenverhältnisses reichte es aber aus, die Menschenwürde als Schranke der Befehlsgewalt festzuschreiben, um schikanöse Befehle zu verhindern: Denn da die dienstliche Tätigkeit der Soldaten regelmäßig den objektiven Tatbestand von Strafgesetzen erfüllt, sind die Grundrechte derjenigen, die von ihren Maßnahmen betroffen werden, bereits dadurch hinreichend geschützt, dass militärische Befehle jedenfalls dann unverbindlich sind, wenn die Soldaten sich durch die Ausführung strafbar machen würden. Im Bereich der „normalen" Verwaltung stellt sich die Sachlage aufgrund der wesentlich geringeren Eingriffsintensität indes anders dar. Wollte man auch hier sicherstellen, dass die Gehorsamspflicht dort ihre Grenzen findet, wo Grundrechte verletzt werden, müsste man daher nicht nur die Menschenwürde nennen, sondern auf die Grundrechte insgesamt Bezug nehmen. Diese Konsequenz hat der Gesetzgeber allerdings offensichtlich nicht gezogen. Vielmehr spricht alles dafür, dass es dem Bundestagsausschuss für Beamtenrecht bei seinem Vorschlag für die Regelungen über das Remonstrationsverfahren in erster Linie darum ging, diese Bestimmungen mit denen des SG zu harmonisieren. Es ist nicht erkennbar, dass er die Motivation des Verteidigungsausschusses auch nur zur Kenntnis genommen hat - was wiederum durchaus nachvollziehbar ist, da die Gesetzgebungsverfahren parallel verliefen.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Ordnungen unverbindlich seien.351 Durch diese Beschränkung soll dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung Rechnung getragen werden, ohne dass damit zugleich ihre Funktionsfähigkeit über Gebühr beeinträchtigt wird. „Offensichtlich rechtswidrig" soll eine Anordnung danach allerdings nur dann sein, wenn die angeordnete Maßnahme den „Makel der Rechtswidrigkeit auf der Stirn trägt", sodass sie von einem unvoreingenommen - aber fachlich vorgebildeten - Dritten ohne weiteres erkannt würde. 352 Auch wenn diese Ansicht auf den ersten Blick durchaus überzeugend erscheinen mag, hält sie keiner näheren Überprüfung stand: Zu beachten ist nämlich, dass der Beamte immer noch dazu verpflichtet ist, die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen umfassend zu prüfen und gegebenenfalls zu remonstrieren. Hält er seine rechtlichen Bedenken aber auch nach dem Abschluss des Remonstrationsverfahrens aufrecht, dann bedeutet dies im Ergebnis nichts anderes als dass die Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahmen jedenfalls fììr ihn offensichtlich ist. Damit wird der Beamte aber vor die praktisch wohl unlösbare Aufgabe gestellt, sich vor der Entscheidung, ob er einer Weisung trotz seiner rechtlichen Bedenken nachkommt, zunächst in einen „Schleier des Nichtwissens" zu hüllen und darüber zu meditieren, 353 ob ein unvoreingenommener Dritter ebenfalls ohne weiteres zu dem Ergebnis kommen würde, dass das angeordnete Verhalten rechtswidrig ist. Der wohl einzig gangbare Ausweg aus diesem Dilemma besteht darin, den Umfang des Prüfungsrechts zu beschränken: 354 Schließlich hat der Beamte keine 351

Vgl. Stratenwerth, S. 153 f. In diesem Sinne auch ClaussenUanzen, Einl. C zur BDO, Rn. 33; Günther, ZBR 1988, S. 297, 306; Rn. 8; Lindgen, S. 676; GKÖD-Mühl § 56 BBG, Rn. 2; vgl. auch P. Eiselt\ S. 16; Huth; S. 32; Meilmann, S. 38, zum Wehrrecht. 352

Vgl. dazu Günther, ZBR 1988, S. 297, 306.

353

Es gibt wohl keinen Ausdruck mit dem diese „Prüfung" treffender beschrieben werden kann. 354 Allerdings hatte Battis in der ersten Auflage seines Kommentars zum BBG einen anderen Ansatzpunkt gewählt, um die Unverbindlichkeit offensichtlich rechtswidriger Anordnungen zu begründen: Er stellte darauf ab, dass der Beamte durch die Pflicht, einer offensichtlich rechtswidrigen Anordnung Folge zu leisten, in seiner Menschenwürde verletzt werde; Battis , BBG 1 , § 56 Anm. 4, unter Berufung auf GKÖD-Mühl, § 56 BBG, Rn. 2. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Beamte tatsächlich nicht zum bloßen Amtsausübungsautomaten reduziert werden darf, ist es aber mehr als zweifelhaft, ob er bereits dadurch in seiner Würde verletzt wird, dass er eine zwar offensichtlich aber nur marginal rechtswidrige Amtshandlung vornehmen muss, vgl. dazu Günther, ZBR 1988, S. 297,305, der am Beispiel einer Anordnung, 3 D M „zu viel" Sozialhilfe auszuzahlen, zu Recht davor warnt, das Grundrecht „als kleine Münze zu verscherbeln"; zustimmend auch Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404,408 und jetzt auch Battis , BBG 2 , § 56 BBG, Rn. 5. Auf

D. Das Innenverhältnis

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Veranlassung, einer Anordnung den Gehorsam zu verweigern, wenn er überhaupt nicht merkt, dass die angeordneten Maßnahmen rechtswidrig sind. Tatsächlich stellt Günther Stratenwerth, der die These von der Unverbindlichkeit offensichtlich rechtswidriger Anordnungen (wieder) begründet hat, 355 maßgeblich darauf ab, dass auch innerdienstliche Anordnungen eine Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich beanspruchen könnten, die der angewiesene Beamte zu respektieren habe. Im Ergebnis läuft diese Ansicht auf eine Beschränkung der Prüfungs- und Remonstrationspflicht hinaus, die sich weder mit dem klaren Wortlaut der Regelungen über die Rechte und Pflichten der Beamten, noch mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung vereinbaren lässt, dem man auf diese Weise einen Bärendienst erwiese, da das Remonstrationsverfahren als Mittel der verwaltungsinternen Rechtmäßigkeitskontrolle weitgehend leer laufen würde. Die These, dass über die ausdrücklich im Gesetz genannten Fälle hinaus auch und nur offensichtlich rechtswidrige Anordnungen unverbindlich sein sollen, kann somit nicht überzeugen. Der Widerspruch zwischen dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung und der Weisungsgebundenheit der Beamten lässt sich auf diese Weise nicht auflösen. 356 cc) Der zweite Lösungsansatz: Die Unterscheidung zwischen „innerer" und „äußerer Rechtmäßigkeit" Einen weiteren Versuch, den hier aufgezeigten Widerspruch aus der Welt zu schaffen, haben Friedrich Schnapp und Otto Depenheuer unternommen, 357 die der anderen Seite ist auch zu beachten, dass der Beamte gegebenenfalls auch dann seiner Würde beraubt würde, wenn er zu einem gravierenden, aber eben nicht offensichtlichen Rechtsverstoß verpflichtet wäre. 355

Stratenwerth, S. 153 f./197 f., knüpfte (allerdings ohne dies ausdrücklich klarzustellen) an Hatscheks Arbeiten aus der Zeit der Weimarer Republik an; vgl. Hatschek, S. 329. 356

Dabei ist zu berücksichtigen, dass es Stratenwerth überhaupt nicht oder allenfalls am Rande darum ging, ob und unter welchen Umständen ein Beamter dazu verpflichtet ist, eine Anordnung auszuführen. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand vielmehr die Frage, ob ein Beamter auch dann strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er aufgrund eines dienstlichen Befehls oder einer Anordnung gehandelt hat. Dafür kommt es aber weniger auf die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen an als auf die Reichweite der Prüfungspflicht. 357 Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404, 409; Schnapp, S. 182 ff., der sich ausdrücklich gegen den Vorwurf einer allzu „konservativen" Betrachtungsweise wehrt, da „eine an den Prinzipien analytischer Rechtstheorie ausgerichtete Betrachtungsweise [...] aus Rechtssätzen nicht mehr »herausholen' [kann] als sie bereits enthalten", (a.a.O., S. 188). Dabei übersieht er jedoch, dass die in der Tat eindeutigen Regelungen über das Remonstrationsverfahren ihrerseits an den Vorgaben der Verfassung gemessen werden müssen.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

11

zwischen der Rechtmäßigkeit einer Anordnung im Innenverhältnis und der Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen im Außenverhältnis unterscheiden wollen: Aus den Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren ergebe sich, wann eine Weisung oder Verwaltungsvorschrift im Innenverhältnis rechtmäßig sei. Sofern diese Vorgaben beachtet würden, könne es daher überhaupt keine rechtswidrigen aber dennoch verbindlichen Weisungen geben. Vielmehr seien alle verbindlichen Weisungen notwendigerweise rechtmäßig. Tatsächlich dient das Remonstrationsverfahren nicht nur der demokratischen Rückkoppelung, sondern auch und vor allem der verwaltungsinternen Rechtmäßigkeitskontrolle. 358 Aufgrund der Remonstration eines Untergebenen muss der Vorgesetzte daher prüfen, ob die angeordnete Maßnahme tatsächlich rechtmäßig ist. 359 Bestätigt er die Anordnung, trifft er somit immer auch eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen. Obwohl sich die Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren durchaus in dem Sinne auslegen lassen, dass diese Entscheidung für den angewiesenen Beamten verbindlich sein soll, 360 ändert das nichts daran, dass durch die Bestätigung einer Anordnung im Remonstrationsverfahren allenfalls eine „Fiktion der Rechtmäßigkeit" begründet wird. 361 Durch die Unterscheidung zwischen „innerer" und „äußerer Rechtmäßigkeit" wird das Problem also nur verlagert und es stellt sich nunmehr die Frage, ob es mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung vereinbar ist, wenn der Gesetzgeber den Vorgesetzten des Beamten das Recht eingeräumt hat, im Innenverhältnis verbindlich über die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen zu entscheiden.

358

Dementsprechend haben Beamte auch nicht etwa das Recht, sondern die Pflicht zur Remonstration. Sie erfüllen damit ihre Treuepflicht gegenüber dem Dienstherren, von dem sie Schaden abzuwenden haben; vgl. dazu Loschelder HdBStR § 68, Rn. 93 und 98; GKÖD-Mühl § 56 BBG, Rn. 5; Plog/Wiedow/Beck/Lemhöfer § 56 BBG, Rn. 9; Schütz § 56 BBG, Rn. 7. 359

Wobei diese verwaltungsinterne Rechtmäßigkeitskontrolle jedenfalls dann weitgehend ins Leere geht, wenn der Vorgesetzte, auf den eine Anordnung zurückgeht, diese Anordnung im Remonstrationsverfahren bestätigt. 360

In diesem Sinne auch Stein, Weisungsrecht, S. 34/44, der allerdings auf S. 6 missverständlich behauptet, dass rechtswidrige Weisungen grundsätzlich unverbindlich seien. Gemeint ist damit, dass sie zunächst unverbindlich sind, durch die Bestätigung des nächsthöheren Vorgesetzten jedoch verbindlich werden. 361 Wie Wilhelm, S. 33, schon in seiner 1933 erschienenen Dissertation herausgearbeitet hat, ändert der Umstand, dass ein Vorgesetzter eine Anordnung im Innenverhältnis bestätigt hat, rein gar nichts an der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahme.

12

D. Das Innenverhältnis

Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass es keine Möglichkeit gibt, den Widerspruch zwischen dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung und der Verbindlichkeit solcher Anordnungen aufzulösen, mit denen ein Beamter zu einem rechtswidrigen Verhalten angewiesen wird.

dd) Zur Legitimation einer Beschränkung des Grundsatzes der Rechtsbindung der Verwaltung Obwohl der Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung zu den von Art. 79 Abs. 3 GG geschützten unantastbaren Strukturprinzipien der Verfassung gehört, kann man nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass die Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren jedenfalls insoweit verfassungswidrig sind, als sie die Beamten dazu verpflichten gegebenenfalls auch rechtswidrigen Anordnungen Folge zu leisten. Denn schließlich gilt auch der Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung nicht absolut, sondern er muss gegebenenfalls mit anderen, konkurrierenden Verfassungsprinzipien zum Ausgleich gebracht werden. Damit stellt sich aber die Frage, ob sich die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen ihrerseits nicht nur aus den Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren ergibt, sondern ebenfalls in der Verfassung verankert ist. Insofern lassen sich verschiedene Begründungsansätze unterscheiden, die im Folgenden näher untersucht werden sollen: Zum einen könnte es sich bei der Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen um einen „hergebrachten Grundsatz des Berufsbeamtentums" handeln [(1)]. Zum anderen könnte diese Verbindlichkeit geboten sein, um die Funktionsfähigkeit der Verwaltung zu gewährleisten [(2)]. (1) Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen als „ hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums " Zu den „hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums" im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG gehört nach der zutreffenden Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes der „Kernbestand von Strukturprinzipien [...], die allgemein oder doch ganz überwiegend und während eines längeren, Tradition bildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind." 362 Im Folgenden wird daher auf die Rechtslage in der Zeit der Weimarer Republik einzugehen sein. Da das Beamtenverhältnis bis 1937

362

BVerfGE

8, S. 332, 343.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

1

aber maßgeblich durch das Reichsbeamtengesetz von 1873 (RBG) 363 geprägt wurde, ist es geboten, noch etwas weiter auszuholen.

(a) Das Reichsbeamtengesetz von 1873 Nach § 10 RBG waren die Reichsbeamten auf die Verfassung und die Gesetze verpflichtet. § 13 RBG wies ihnen die volle Verantwortung für die Gesetzmäßigkeit ihrer amtlichen Handlungen zu. Es gab keine Regelungen über ein Remonstrationsverfahren. Zwar waren Beamte seit jeher grundsätzlich an die Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden.364 Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes hatten sie jedoch das Recht und die Pflicht, die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen umfassend zu prüfen und gegebenenfalls die Ausführung zu verweigern. Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes bestätigt: Nach dem ursprünglichen Entwurf der Reichsregierung aus dem Jahre 1871 sollten Beamte ausdrücklich auch zur Befolgung „sonstiger Anordnungen" und damit im Ergebnis zum unbedingten Gehorsam verpflichtet werden. Als Ausgleich war ein Haftungsprivileg für Beamte vorgesehen. Nachdem der Reichstag beide Vorschläge kategorisch abgelehnt hatte, 365 weigerte sich der Bundesrat zunächst, dem Gesetz in der vom Reichstag beschlossenen Form zuzustimmen. Erst nachdem deutlich geworden war, dass das Parlament insofern nicht kompromissbereit war, lenkten die Reichsregierung und der Bundesrat ein und das RBG konnte 1873 verabschiedet werden. 366 Obwohl das RBG somit nach seinem Wortlaut und seiner Entstehungsgeschichte eindeutig an die im Vormärz begründete Tradition des liberalen Rechtsstaates anknüpfte, 367 setzte sich zumindest im Schrifttum in der Folgezeit allmählich die 363

RBG vom 31.3.1873 (RGBl. S. 61). Dieses Gesetz war Vorbild für die Beamtengesetze der Länder. 364

Vgl. dazu statt vieler Hue de Grais/Peters, S. 54, die auf die „Natur des Beamtenverhältnisses abstellen". Zumindest insoweit lässt sich ein „hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums" nachweisen, vgl. Dreier-Lübbe-Woljf, Art. 33 GG, Rn. 78; vgl. auch BVerfGE 9, S. 268, 286; BVerfG, DVB1. 1995, S. 192, 193. 365 Der Widerstand des Reichstags ist wohl vor allem darauf zurückzuführen, dass viele seiner Mitglieder bereits wegen der Nichtausführung solcher „sonstigen Anordnungen" disziplinarisch belangt worden waren. 366 367

Vgl. dazu Hattenhauer S. 266 ff.

Schon § 61 der Kurhessischen Verfassungsurkunde vom 5.1.1831 und auch die §§ 89 f. des Staatsgrundgesetzes von Sachsen-Gotha vom 25.3.1849 verpflichteten die Beamten auf das Gesetz und machten sie für die Rechtmäßigkeit ihrer Amtshandlungen

D. Das Innenverhältnis

1

Auffassung durch, dass den Beamten - wie schon nach dem Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 368 - allenfalls ein beschränktes Prüfungsrecht zugestanden werden dürfe, da die Funktionsfähigkeit der Verwaltung andernfalls nicht gewährleistet werden könne. 369

verantwortlich. Der Verzicht auf ein Remonstrationsverfahren impliziert das Recht, rechtswidrigen Weisungen den Gehorsam zu verweigern. Dies wird vor allem durch einen Vergleich mit § 53 der Württembergischen Verfassungsurkunde vom 15.9.1819, in dem die Remonstrationspflicht wohl zum ersten Mal gesetzlich geregelt worden war. Auch § 7 des Sächsischen Civilstaatsdienergesetzes vom 7.3.1835, die §§ 20 f. des Lippischen Gesetzes über den Staatsdienst vom 15.1.1850 und die §§ 33 ff. des Hannoveraner Staatsdienergesetzes vom 8.5.1852 gaben den Beamten das Recht, sich durch die Remonstration von ihrer persönlichen Verantwortung zu befreien. Damit hatte man einen Vorschlag aufgenommen, den Gönner im Jahre 1808 erstmals formuliert hat. Die hier und in der folgenden Fn. zitierten Regelungen sind sämtlich abgedruckt bei Summer. 368 § 3 h 9 PrALR hatte eine unbedingte Treuepflicht festgeschrieben. Diesem Grundsatz waren auch die meisten nach der gescheiterten Revolution von 1848/49 erlassenen Regelungen gefolgt, vgl. etwa Art. 40 des Oldenburgischen Civilstaatsdienergesetzes vom 26.3.1855. § 44 der Kurhessischen Verfassungsurkunde vom 30.5.1860, Art. 63 des Verfassungsgesetzes von Schaumburg-Lippe vom 17.11.1868 und § 14 des Schaumburg-Lippischen Civilstaatsdienergesetz vom 8.3.1872. Allerdings wurde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der Amtshandlungen teilweise auf die anordnende Stelle verlagert: So schränkte § 9 des Zivil-Staatsdiener-Gesetzes für Anhalt-Dessau und Anhalt-Köthen vom 10.4.1850 die Pflicht zur Befolgung von Anordnungen auf solche Weisungen ein, die nicht gegen Strafgesetze verstoßen. Bereits im frühen 18. Jahrhundert war Kritik am absolutistischen Konzept der Treuepflicht laut geworden. So hatte etwa von Leyser bereits 1719 gefordert, dass ein Beamter einem Befehl, der gegen die „lex divina" verstoße, den Gehorsam verweigern müsse; vgl. sehr kritisch zur unbedingten Gehorsamspflicht auch Perthes, S. 126. 369

Otto Mayer sprach in diesem Zusammenhang von einer „verkehrten Welt" des RBG. Man habe das RBG daher insofern nie umgesetzt (Ο. Mayer, 3. Auflage, Band 2, S. 188, ähnlich schon die noch im Kaiserreich publizierten Vorauflagen: 1. Auflage, Band 2 -1896, S. 238; 2. Auflage, Band 2 - 1917, S. 325). Auch Laband, Band 1, S. 462 (vgl. auch schon S. 441 der 2. Auflage 1888) wies darauf hin, dass das System der hierarchischen Verwaltung auf den Kopf gestellt würde, wenn die unteren Behörden und der niedriger gestellte Beamte das Recht und die Pflicht hätten, die Entscheidungen und Verfügungen der oberen Behörde und des vorgesetzten Beamten zu überprüfen. Bei Laband wird allerdings nicht völlig klar, ob Beamte nicht berechtigt sein sollen, rechtswidrigen Anordnungen den Gehorsam zu verweigern oder ob sie nur nicht berechtigt sein sollen, die Rechtmäßigkeit von Anordnungen zu überprüfen; vgl. dazu gleich Fn. 376 auf S. 196. In der Zeit des Kaiserreiches wurde die im Staatsrecht völlig herrschende Ansicht vor allem von Strafrechtlern in Frage gestellt, vgl. etwa Μ E. Mayer, S. 119, 147. Nach 1919 sprach sich lediglich Kelsen, S. 289, für die Un Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen aus. Er betonte, dass es sich letztendlich um einen rechtspolitischen Streit handele, der nur durch eine ausdrückliche Entscheidung des Gesetzgebers beendet werden könne.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Es ist nicht ganz klar, ob sich auch der Gesetzgeber diese Auffassung zu Eigen gemacht hat: Dagegen spricht vor allem der Umstand, dass die einschlägigen Bestimmungen des R B G sogar nach dem Ende des Kaiserreiches unverändert i n Kraft geblieben sind. 3 7 0 Vielmehr wurde das R B G erst 1937 durch das Deutsche Beamtengesetz ( D B G ) abgelöst, das die Pflicht zum unbedingten Gehorsam als notwendige Folge des nationalsozialistischen Führerprinzips ausdrücklich festschrieb. 3 7 1 Z u beachten ist in diesem Zusammenhang weiterhin, dass der Gesetzgeber den Beamten i m Jahre 1900 m i t § 839 B G B zwar doch noch ein Haftungsprivileg zugestanden hat - wobei jedoch nicht zwischen dem Handeln auf A n ordnung und der eigenverantwortlichen Wahrnehmung der Dienstgeschäfte differenziert wurde. O b w o h l dieser Umstand durchaus dafür zu sprechen scheint, dass der Gesetzgeber die i n §§ 10,13 R B G festgelegten Grundsätze unverändert beibehalten wollte, ist jedoch zu beachten, dass diese Frage i n den Beratungen über das B G B überhaupt keine Rolle gespielt hat. 3 7 2 Dies deutet aber wiederum darauf hin, dass sich auch der Reichstag mittlerweile die i m Schrifttum vorherrschende A n sicht zu Eigen gemacht hatte. 3 7 3 Aus diesem Grund war es dann auch nur konse-

370

Soweit ersichtlich hat es in der Zeit der Weimarer Republik nur einen Vorstoß für eine grundlegende Reform des Beamtenrechts gegeben: Im Juni 1928 brachte die Deutsche Demokratische Partei einen Entwurf für ein neues Beamtengesetz in den Reichstag ein, der stark von den Forderungen des Beamtenbundes beeinflusst war; RT-Drs. IV/24, vgl. dazu auch Summer, Rn.280. Da sich der Niedergang der DDP zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits ankündigte, hatte der Entwurf keine realistische Durchsetzungschance. Die einzige wesentliche Änderung des RBG erfolgte daher durch das „Republikschutzgesetz" vom 21.7.1922, mit dem die Beamten auf die Republik verpflichtet wurden - was von ihnen teilweise als Verstoß gegen Art. 130 WRV angesehen wurde, nach dem Beamte Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei sein sollten und in dem ihnen die Freiheit ihrer politischen Gesinnung garantiert wurde. 371

RGBl. I S. 39. Nach § 7 DBG durften Beamte einer Anordnung nur dann den Gehorsam verweigern, wenn sie sich durch die Ausführung strafbar machen würden. Auf der anderen Seite verpflichtete § 3 DBG die Beamten zum Gehorsam gegenüber den Vorgesetzten und zur Treue bis in den Tod gegenüber dem „Führer", vgl. dazu die amtliche Begründung, abgedruckt bei Brand, S. 690, sowie die Anmerkungen zu § 3 DBG ebda.. S. 87/90. Daher hatten dienstliche Weisungen die Vermutung der Rechtmäßigkeit für sich, vgl. Brand, Anm. zu § 7 DBG, S. 123/130. 372 373

Vgl. dazu Mugdan, S. 458 ff.; Jakobs/Schubert,

S. 998 ff.

So findet sich schon in frühen Kommentierungen des BGB die These, dass eine Handlung nicht widerrechtlich sein kann, wenn sie aufgrund eines Befehls vorgenommen wurde, dem der Handelnde kraft Gesetzes zu gehorchen verpflichtet war; vgl. in diesem Sinne etwa Staudinger-Engelmann, Anm. 6 zu § 823 BGB. Diese Ansicht wird bis heute nicht ernsthaft in Frage gestellt, vgl. statt vieler Münchener Kommentar-Papier, § 839 BGB, Rn. 207 (m.w.N. in Fn. 629); Detterbeck/Windthorst/Sproll, § 9, Rn. 23 und § 11, Rn. 8.

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D. Das Innenverhältnis

quent, wenn der Reichstag weitere 10 Jahre später das bis heute wirksame Gesetz über die Haftung des Reiches für seine Beamten beschloss, mit dem die Verantwortlichkeit für Amtspflichtverletzungen auf den Staat bzw. die jeweilige A n stellungskörperschaft übergeleitet wurde. 3 7 4 Demnach kann und muss man w o h l davon ausgehen, dass sich schon i m Kaiserreich aber auch und vor allem i n der Zeit der Weimarer Republik die Auffassung durchgesetzt hatte, dass Beamte Anordnungen grundsätzlich unabhängig davon zu befolgen hatten, ob die angeordneten Maßnahmen rechtmäßig waren 3 7 5 - wobei allerdings bis i n die Endphase der Weimarer Republik umstritten blieb, wie weit das Prüfungsrecht der Beamten konkret reichen sollte. 3 7 6

Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 56 f., weist allerdings auf das Problem hin, dass der Bürger nicht erkennen kann, ob der Beamte aufgrund einer Anordnung tätig geworden ist und daher ggf. den passivlegitimierten Hoheitsträger verfehlt. Er löst das Problem, indem er zwischen der internen Amtspflicht, Weisungen zu befolgen und der externen Pflicht zum rechtmäßigen Verhalten unterscheidet und in jedem Fall die Anstellungskörperschaft des ausführenden Beamten haften lässt. Auch diese Lösung ist jedoch nicht völlig befriedigend, da sie den Regress erschwert: Handelt etwa ein städtischer Beamter aufgrund einer Weisung des Regierungspräsidiums, dann haftet nach Ossenbühls Ansicht die Stadt nach außen. Diese steht dann aber vor dem Problem, dass ihr Regressforderungen nur gegenüber dem zuständigen Beamten des Regierungspräsidiums zustehen. 374 RBHG vom 22.5.1910, RGBl. S. 798, zuletzt geändert durch Gesetz vom 28.7.1993, BGBl. I S. 1394. Dabei ist allerdings zu beachten, dass dieses Gesetz vor allem dazu diente, die Rechtsstellung der Geschädigten zu verbessern. Daher wurde noch etwas später in Art. 131 Abs. 1 S. 2 WRV klar gestellt, dass der Rückgriff gegenüber dem einzelnen Beamten möglich bleibt, vgl. dazu auch Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 8 f., der zu Recht betont, dass die Regelungen über die Staatshaftung nur in Grenzen dazu beitragen, die „Entschlussfreudigkeit" der Beamten zu stärken. 375

Leider gibt es keine hinreichende Basis für eine empirische Untersuchung der Verwaltungspraxis. Da Beamten der Rechtsweg weitgehend versperrt und die „Flucht an die Öffentlichkeit" ein Dienstvergehen war, lässt sich nicht nachvollziehen, ob und unter welchen Umständen Beamte auch dann für eine Verletzung der Gehorsamspflicht zur Verantwortung gezogen worden sind, wenn sich im nachhinein herausgestellt hat, dass sie zu Recht von der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahmen ausgegangen waren. 376

So wollte Laband, Band 1, S. 460 ff., die Beamten nur dazu verpflichten, die formelle Rechtmäßigkeit einer Anordnung zu überprüfen, also die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Anweisenden und des Angewiesenen sowie die Einhaltung eventueller Form Vorschriften. Zur Begründung stellt er zum einen darauf ab, dass das System der Behördenorganisation auf den Kopf gestellt würde, wenn der Beamte das Recht hätte, die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen umfassend zu überprüfen (a.a.O., S. 462). Auf der anderen Seite verfolgt Laband aber auch das Anliegen, die Beamten zu schützen. Denn er geht davon aus, dass sich die Beamten aufgrund ihrer in § 13 RBG festgeschriebenen umfassenden Verantwortung nicht durch die Remonstration von der Haftung entlasten können (a.a.O., S. 461, dort vor allem Fn. 1). Die Beschränkung des Prüfungsrechts sei

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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(b) Zur gewohnheitsrechtlichen Verdrängung der Vorgaben des R B G Damit stellt sich aber die Frage, ob die eindeutige Vorgabe der §§ 10,13 R B G durch später entstandenes Gewohnheitsrecht verdrängt worden ist. Dies setzt voraus, dass ein formelles Parlamentsgesetz überhaupt durch abweichendes Gewohnheitsrecht aufgehoben werden kann. Fest steht, dass es Gewohnheitsrecht auf allen Ebenen des Bundesstaates geben kann. 3 7 7 Es steht grundsätzlich auf derselben Rangstufe wie vergleichbare formelle Rechtsnormen. 3 7 8 Zwar

daher auch deshalb erforderlich, weil das unbedingte und unbeschränkte Prüfungsrecht eben die unbedingte und unbeschränkte Verantwortlichkeit als Korrelat mit sich bringe (a.a.O., S. 462). Dabei verkennt Laband jedoch, dass die Reichweite des Prüfungsrechts und die der Prüfungsp/Z/c/tf keineswegs identisch sein müssen (vgl. auch a.a.O., S. 488). Zudem geht er mit keinem Wort darauf ein, dass § 13 RBG genau darauf abstellt, die Rechtsbindung der Verwaltung durch die Inpflichtnahme der Beamten und damit durch ein umfassendes Prüfungsrecht abzusichern. O. Mayer, 3. Auflage, Band 2, S. 190, stellte darauf ab, dass ein Beamter jedenfalls dann nicht verpflichtet sei, eine Anordnung auszuführen, wenn er sich damit im Außenverhältnis haftbar machen würde. Daher seien auch solche Anordnungen unverbindlich, die auf eine strafbare Handlung zielten oder einem höherrangigen Dienstbefehl widersprechen. Damit nahm er im Grunde den Gedanken der Remonstration auf, die ja im RBG nicht vorgesehen war. Ganz ähnlich argumentierte auch Hatschek, S. 329, der auf den Grundsatz des „öffentlich-rechtlichen Vertrauensschutzes" hinwies und meinte, dass der Untergebene auch nach außen in seinem Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen geschützt werden müsse. Dieses Vertrauen sei nur dann nicht gerechtfertigt, wenn eine Anordnung offensichtlich rechtswidrig ist. Angesichts dieses Meinungsstreites mutet es durchaus merkwürdig an, wenn das Bundesverfassungsgericht in einem Kammerbeschluss aus dem Jahre 1994 die These aufstellt, dass es einen hergebrachten Grundsatz im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gebe, nach dem Beamte ausschließlich offensichtlich rechtswidrigen Anordnungen den Gehorsam verweigern dürfen; BVerfG, DVB1. 1995, S. 192, 193. Interessanterweise beruft sich das Gericht ausdrücklich auf Laband obwohl dieser den Beamten dieses Recht gerade nicht zugestehen wollte. 377 Allerdings muss dabei die Kompetenzverteilung zwischen dem Bund und den Ländern beachtet werden; vgl. dazu Sachs-Degenhart, Art. 70 GG, Rn. 19.

Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil Landes-Gewohnheitsrecht nach Art. 31 GG gegebenenfalls durch Bundesrecht gebrochen wird. Außerdem ist diese Abgrenzung für die Entscheidung darüber erforderlich, ob das Bundes- oder ein Landesverfassungsgericht das Gewohnheitsrecht am Maßstab der jeweiligen Verfassung überprüfen kann. 378

Dazu statt vieler Maurer, § 4, Rn. 43. Es gibt daher Gewohnheitsverfassungsrecht, Gewohnheitsrecht als Ergänzung zu formellen Gesetzen und Gewohnheitsrecht neben Satzungsrecht.

D. Das Innen Verhältnis

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ist es zumindest zweifelhaft, ob Raum für diese informelle Gesetzgebung bleibt, obwohl die Verfassungen nur die Parlamente - und ggf. noch das Volk - als Gesetzgeber benennen. Diese Frage muss hier allerdings nicht abschließend geklärt werden. 379 Denn eine nähere Betrachtung macht deutlich, dass formelle Parlamentsgesetze jedenfalls im Bereich des öffentlichen Rechts nicht durch neu entstandenes Gewohnheitsrecht verdrängt werden können: Voraussetzung für die Entstehung von Gewohnheitsrecht ist zum einen eine „allgemeine Übung" (consuetudo) und zum anderen die Überzeugung der Beteiligten von der Rechtmäßigkeit ihres Tuns (opinio iuris). 380 Im Bereich der öffentlichen Verwaltung bedeutet dies aber nichts anderes, als dass die Verwaltungspraxis 381 auf einer fehlerhaften Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen beruht. In diesem Fall besteht jedoch kein Anlass, das Fehl verhalten der Behörden auch noch zu sanktionieren, indem man es in den Rang eines Rechtssatzes erhebt. 382 Vielmehr muss die Verwaltungspraxis verändert werden, um dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung und - im Bereich der Eingriffsverwaltung - dem Vorbehalt des (formellen) Gesetzes Geltung zu verschaffen. 383 Im Bereich des öffentlichen Rechts kann das Gewohnheitsrecht daher nur herangezogen werden, um die - durchaus zahlreich vorhandenen - Regelungslücken zu schließen.384 379

Nimmt man die Regelungen über die Gesetzgebungskompetenzen ernst, dann können die allfälligen Regelungslücken daher nicht durch neues Gewohnheitsrecht geschlossen werden, sondern nur durch die analoge Anwendung der geltenden (formellen) Rechtsnormen. Auf der anderen Seite ist nicht ernsthaft zu erwarten, dass sich Gewohnheitsrecht bilden wird, das mit dem geltenden Recht völlig unvereinbar ist. Eine trennscharfe Abgrenzung ist daher nicht möglich. Letztendlich kommt es vor allem darauf an, durch wen eine Regelungslücke geschlossen wird: Bildet sich bei den Betroffenen aufgrund einer längeren Praxis eine gemeinsame Rechtsüberzeugung, dann handelt es sich um Gewohnheitsrecht. Bleibt die Entscheidung hingegen bei den Gerichten und Behörden, dann werden diese in der Regel durch Analogieschlüsse zu einer Lösung kommen. Damit wird auch deutlich, warum das Gewohnheitsrecht im Bereich des öffentlichen Rechts praktisch keine Bedeutung haben kann. 380

Maurer, § 4, Rn. 19.

381

Und gegebenenfalls auch die Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte.

382

Andernfalls würde man im Ergebnis nur eine der „klassischen Abwehrargumente" der Verwaltung übernehmen: Denn der Satz „Das haben wir schon immer so gemacht" wäre im Ergebnis zum Verfassungsprinzip mutiert. 383

Vgl. dazu auch Maurer, § 4, Rn. 22, der allerdings nur auf den Konflikt mit dem Vorbehalt des Gesetzes eingeht. 384 In der Literatur findet sich allerdings teilweise die These, dass sich Gewohnheitsrecht auch im Bereich des Verwaltungsrechts gegen das geschriebene Recht bilden könne; vgl.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Nichts anderes galt aber auch schon unter der Geltung der Weimarer Reichsverfassung und der Reichsverfassung von 1871: Denn obwohl dort weder die Rechtsbindung der Verwaltung 385 noch der Vorbehalt des Gesetzes ausdrücklich festgeschrieben worden war, bestand kein Zweifel an der verpflichtenden Wirkung von Gesetzen.386 Auch schon vor dem In-Kraft-Treten des Grundgesetzes konnten Parlamentsgesetze daher nicht durch schlichte Nichtbeachtung außer Kraft gesetzt werden. 387 Als Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass die im Kaiserreich und in der Weimarer Republik vorherrschende Auffassung, nach der Beamte nicht dazu berechtigt sein sollten, die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen umfassend zu überprüfen und rechtswidrigen Anordnungen gegebenenfalls den Gehorsam zu verweigern, keine Grundlage im RBG hatte. Die einschlägigen Bestimmungen der §§ 10, 13 RBG sind auch nicht durch später entstandenes Gewohnheitsrecht verdrängt worden. Aus der rechtswidrigen Verwaltungspraxis in der Zeit des Kaiserreichs und der Weimarer Republik lässt sich daher kein hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG herleiten, nach dem Beamte eine dienstliche Anordnung grundsätzlich auch dann befolgen müssen, wenn die angeordnete Maßnahme rechtswidrig ist.

etwa Ossenbühl, HdBStR § 64, Rn. 44; Wolff/Bachof/Stofor, § 25, Rn. 14; skeptisch hingegen Maurer, § 4, Rn. 22. Anstelle einer Begründung für diese Ansicht findet sich lediglich der Hinweis auf einige Gerichtsentscheidungen (.BVerfGE 9, S. 213, 221; BVerwGE 8, S. 317, 321; BVerwG, DVB1. 1979, S. 116, 118), in denen die Möglichkeit derogierenden Gewohnheitsrechts ausdrücklich anerkannt worden sei. Auch hier fehlt aber jede Begründung und es ist kein Fall ersichtlich, in dem ein formelles Gesetz aufgrund später entstandenen Gewohnheitsrechts tatsächlich nicht angewendet worden ist. 385

Die heutige Fassung des Art. 20 Abs. 3 GG geht auf einen Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses des Parlamentarischen Rates zurück (PR-Drs. Nr. 279 vom 16.11.1948). Anders als Sachs-ders. Art. 20 GG, Rn. 64, meint, war der Grundsatz der Rechtsbindung allerdings bereits im Entwurf der Fachausschüsse vom 18.10.1948 enthalten; vgl. PR-Drs. Nr. 203: Art. 21 Abs. 4 sollte lauten „Rechtsprechung und Verwaltung stehen unter dem Gesetz." Der Vorschlag des Allgemeinen Redaktionsausschusses brachte daher keine inhaltliche Veränderung mit sich, vgl. auch C. Schmid , in der 4. Sitzung des Hauptausschusses am 17.11.1948, Sten.Prot. S. 46. Aus der Stellungnahme des Abg. von Mangoldt in dieser Sitzung ergibt sich außerdem, dass der Allgemeine Redaktionsausschuss lediglich einen Vorschlag des Ausschusses für Grundsatzfragen aufgenommen hatte (a.a.O., S. 47). 386

Vgl. dazu statt vieler O. Mayer, 3. Auflage, Band 2, S. 65 ff. Sehr erhellend sind auch die Ausführungen Nagelmanns, passim. 387

Vgl. Jahrreiß, HStR § 103, S. 630 f.; O. Mayer, 3. Auflage, Band 2, S. 88 f. Schon Laband, Band 2, S. 75, hat festgestellt, das Gewohnheitsrecht formelle Gesetze grundsätzlich nicht verdrängen kann.

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D. Das Innenverhältnis

(c) Zum Verhältnis von Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 33 Abs. 5 GG Selbst wenn man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, dass Beamte in der Zeit der Weimarer Republik jedenfalls unter bestimmten Umständen dazu verpflichtet waren, rechtswidrige Anordnungen auszuführen, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass es sich hierbei um einen der „hergebrachten Grundsätze" handelt, die der Gesetzgeber gemäß Art. 33 Abs. 5 GG bei der konkreten Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses berücksichtigen muss. Zu beachten ist nämlich, dass die beamtenrechtliche Tradition durch das Grundgesetz unterbrochen worden sein könnte. Dafür spricht insbesondere, dass der Parlamentarische Rat den Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung nicht nur ausdrücklich in der Verfassung festgeschrieben, sondern sogar in die Staatsfundamentalnorm des Art. 20 Abs. 3 GG aufgenommen hat. Die grundsätzliche Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen kann dann aber nicht ausschließlich mit dem Hinweis darauf begründet werden, dass Beamte schon in der Zeit der Weimarer Republik nicht dazu berechtigt waren, die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen umfassend zu prüfen. Vielmehr bedarf eine solche Einschränkung der Rechtsbindung einer eigenständigen Legitimation.

(2) Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen und die Funktionsfähigkeit der Verwaltung Hinter der Ansicht, dass auch rechtswidrige Anordnungen grundsätzlich verbindlich sein sollen, steht vor allem die Befürchtung, dass sich die Verwaltung andernfalls durch eine ständige Binnendiskussion lähmen würde. 388 Besonders deutlich wurde dies in einer Entscheidung der ersten Kammer des zweiten Senates des Bundesverfassungsgerichtes, in der es heißt, dass angesichts der Fülle offener und nicht abschließend geklärter Rechtsfragen kein effektives Arbeiten der Verwaltung möglich wäre, wenn der einzelne Beamte den Ablauf und Vollzug einer in den Bereich seine Dienstaufgaben fallenden Verwaltungsentscheidung hemmen könne, weil er aufgrund einer abweichenden Rechtsauffassung die von ihm weisungsgemäß auszuführende Amtshandlung für rechtswidrig hält. Nach Ansicht der Kammer entfällt die Gehorsamspflicht daher selbst bei verfassungswidrigen An388 Vgl. etwa Schmidt-Aßmann-Aiw/g, Rn. 130; Steiner-^öpp, Rn. 115; letztendlich lag diese These auch der Argumentation von O. Mayer und Laband zugrunde (vgl. die Nachweise in Fn. 369 auf S. 194).

Festzuhalten ist allerdings, dass regelmäßig überhaupt nicht auf die Frage eingegangen wird, ob und ggf. unter welchen Umständen die Regelungen über das Remonstrationsverfahren mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung vereinbar sind. Besonders deutlich wird dies etwa bei Felix, S. 52 ff.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

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Ordnungen nur dann, wenn ein evidenter, besonders schwerwiegender Verstoß vorliegt. 389 Obwohl die Verfassungsordnung ohne jeden Zweifel die Funktionsfähigkeit der Exekutive zwingend voraussetzt, reicht die bloße Behauptung, dass diese Funktionsfähigkeit gefährdet sei, jedoch nicht aus, um eine Beschränkung des Grundsatzes der Rechtsbindung der Verwaltung zu rechtfertigen. Im Folgenden wird daher zu untersuchen sein, ob die Funktionsfähigkeit der Verwaltung tatsächlich gefährdet ist, wenn Beamte nicht dazu verpflichtet werden, rechtswidrigen Anordnungen grundsätzlich Folge zu leisten. In diesem Zusammenhang kommt es vor allem darauf an, wie hoch der Grad der Wahrscheinlichkeit dafür ist, dass ein Beamter einer Anordnung nicht nachkommt, weil er die angeordnete Maßnahme auch nach dem Abschluss des Remonstrationsverfahrens für rechtswidrig hält. Genauer gesagt, stellt sich die Frage, ob das Verfahren über Gebühr verzögert wird, weil ein Beamter irrigerweise von der Rechtswidrigkeit einer Anordnung ausgeht und deshalb die Ausführung verweigert. 390

(a) Zur verfahrensrechtlichen Absicherung der Funktionsfähigkeit der Verwaltung Insofern ist zunächst zu beachten, dass es die jeweiligen Dienstherren in der Hand haben, das Irrtumsrisiko zu minimieren, indem sie nur hinreichend qualifizierte Bewerber einstellen und indem sie für eine ständige Fort- und Weiterbildung ihrer Beschäftigten sorgen, sodass diese die rechtlichen Grundlagen ihrer dienstlichen Tätigkeit kennen. Dies ist mit Sicherheit das wichtigste und effektivste Instrument, um sowohl die Funktionsfähigkeit der Verwaltung als auch ihre Rechtsbindung zu gewährleisten. Zugleich dient die Ausbildung auch dem Schutz der Beamten, die schließlich im Einzelfall entscheiden müssen, ob sie berechtigt oder sogar verpflichtet sind, die Ausführung einer Anordnung zu verweigern. 391 389

BVerfG, DVB1.1995, S. 192,193(1. Kammer, des 2. Senats). Das Gericht beruft sich auf eine frühere Entscheidung zu § 353b StGB, vgl. auch BVerfGE 28, S. 191, 203 ff., in der festgestellt worden war, dass ein Beamter allenfalls dann zur „Flucht an die Öffentlichkeit" berechtigt ist, wenn es sich um einen evidenten und schwerwiegenden Verfassungsverstoß handelt. 390 Sind die betreffenden Maßnahmen tatsächlich rechtswidrig, dann führt die Weigerung des Beamten zwar zu einer Verzögerung des Verfahrens. Die Funktionsfähigkeit der Verwaltung ist jedoch nicht gefährdet, da es insofern nicht darauf ankommt, dass die Verwaltungsbehörden überhaupt tätig werden, sondern vielmehr darauf, dass ihre Maßnahmen rechtmäßig sind. 391 Es ist durchaus erstaunlich, wenn Depenheuer, DVB1.1992, S. 404,410 f., annimmt, dass dem Beamten durch die stetige Ausweitung der Straftatbestände eine Verantwortung

2

D. Das Innen Verhältnis

Interessanterweise finden sich gerade in den Schulgesetzen derjenigen Länder, in denen die Lehrer nicht nur an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sondern auch an alle übrigen Anordnungen ihrer Vorgesetzten gebunden sind, keine Bestimmungen, nach denen die Lehrer ausdrücklich dazu verpflichtet sind, sich ständig fort- und weiterzubilden. 392 Die allgemeine beamtenrechtliche Fortbildungspflicht gilt allerdings auch hier. 3 9 3 Z u beachten ist weiterhin, dass die generelle Unverbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen lediglich zu einer graduellen Veränderung des Irrtumsrisikos führen würde. Schließlich schulden die Beamten ihrem Dienstherren selbst dann keinen „Kadavergehorsam", wenn sie grundsätzlich auch an rechtswidrige Weisungen und Verwaltungsvorschriften gebunden sind. Vielmehr besteht stets die Möglichkeit, dass ein Beamter einer Anordnung den Gehorsam verweigert, w e i l er zu Unrecht davon ausgeht, sich durch die Ausführung strafbar zu machen, eine Ordnungswidrigkeit zu begehen oder die Würde eines Menschen zu verletzen. 3 9 4

auferlegt worden sei, die für ihn im allgemeinen zu schwer wiege. Man kann durchaus erwarten, dass ein Beamter über die rechtlichen Grundlagen seiner Tätigkeit informiert ist. Selbst wenn der Gesetzgeber den Kreis der Straftatbestände tatsächlich über Gebühr ausgedehnt hätte, wären die Beamten dadurch geschützt, dass die Strafbarkeit ihres Tuns für sie erkennbar gewesen sein muss. Auch das strafrechtliche Risiko hält sich in Grenzen, da der Beamte dann, wenn die Strafbarkeit für ihn nicht erkennbar war, im Verbotsirrtum gehandelt hat. 392

Die wohl einzige Ausnahme enthält § 88 Abs. 4 HambSchG, nach dem Lehrerinnen und Lehrer verpflichtet sind, sich zur Erhaltung und weiteren Entwicklung ihrer Unterrichts- und Erziehungsfähigkeit in der unterrichtsfreien Zeit - aber möglichst schulintern - fortzubilden. Gegenstand der Fortbildung sollen dabei auch die für die Selbstverwaltung der Schule erforderlichen Kompetenzen sein. Die Schulaufsichtsbehörde soll die Fortbildung durch entsprechende Angebote unterstützen. § 82 Abs. 3 S. 2 SH-SchG verpflichtet demgegenüber lediglich die Schulleiter dazu, auf die Fortbildung der Lehrer hinzuwirken. In Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen fehlen ebenso wie in Berlin und Nordrhein-Westfalen vergleichbare Bestimmungen. Eine Pflicht zur Fortbildung sehen demgegenüber vor: § 67 Abs. 3 BbgSchG, § 59 Abs. 4 BremSchG i.V.m. § 10 BremSchVerwG, § 86 Abs. 2 S. 3 HessSchG, § 100 Abs. 5 MV-SchG, § 51 Abs. 2 NdsSchG, § 20 Abs. 7 RP-SchG, § 29 Abs. 3 SaarSchOG, § 30 Abs. 4 LSA-SchG; vgl. auch § 60 Nr. 6 ThürSchG, nach dem immerhin durch Rechts Verordnung sichergestellt werden soll, dass die Lehrer die Möglichkeit haben, sich weiterzubilden. 393 Vgl etwa § 54 Abs. 1 BW-Laufbahn Verordnung: „(1) Die Beamten sind verpflichtet, an der dienstlichen Fortbildung teilzunehmen und sich außerdem selbst fortzubilden, damit sie über die Anforderun-gen ihrer Laufbahn unterrichtet bleiben und auch steigenden Anforderungen ihres Amts gewachsen sind." Die Teilnahme an konkreten Fortbildungsangeboten des Dienstherren ist dennoch freiwillig. 394

Dabei ist zu beachten, dass der Beamte gegebenenfalls zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er zu Unrecht davon ausgegangen ist, sich strafbar zu machen. Es reicht nicht aus, dass ein Beamter die mögliche Strafbarkeit erkennt, sondern er muss konkrete

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

Darüber hinaus hat der Gesetzgeber dem Vollzugsinteresse der Exekutive bereits auf vielfache Weise Rechnung getragen. Besonders deutlich wird dies im Bereich der Gefahrenabwehr, aber auch sonst, wenn Behörden aufgrund von Prognosen über künftige Entwicklungen tätig werden. Wie schon dargelegt wurde, 395 kommt es für die Rechtmäßigkeit solcher Maßnahmen keineswegs darauf an, ob sich die Prognose im nachhinein als richtig erweist. Entscheidend ist vielmehr, ob sie aufgrund der zum Zeitpunkt der Entscheidung erkennbaren Umstände plausibel war. Dies ist aber deshalb von entscheidender Bedeutung, weil ein Beamter einer Weisung demnach nicht allein deshalb den Gehorsam verweigern darf, weil er die künftige Entwicklung anders als seine Vorgesetzten beurteilt. Unabhängig davon kann der Gesetzgeber die Handlungsfähigkeit der Verwaltung absichern, indem er den übergeordneten Behörden bzw. den Vorgesetzten das Recht einräumt, die fragliche Entscheidung gegebenenfalls selbst zu treffen: 396 Sollte sich ein Beamter nach einer erfolglosen Remonstration weigern, eine Anordnung auszuführen, so kann die übergeordnete Stelle an seiner Stelle entscheiden. Ein solches Selbsteintrittsrecht führt weder zu einer nennenswerten Mehrbelastung der übergeordneten Behörden, noch zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens. 397 Die Möglichkeit zum Selbsteintritt hilft allerdings nur bedingt weiter, wenn sich ein Beamter weigern sollte, eine tatsächliche Handlung vorzunehmen. Denn in diesem Fall kann der Vorgesetzte regelmäßig nicht oder jedenfalls nicht ohne weiteres anstelle seines Untergebenen tätig werden. 398 Eine nähere Betrachtung

Anhaltspunkte dafür haben, dass er selbst sich durch die Ausführung der Anordnung strafbar machen würde. Aus diesem Grund ist auch die Befürchtung von Depenheuer, DVB1.1992, S. 404,411, weitgehend unbegründet, dass Beamte aus Übervorsicht oder aus Obstruktion die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Staates lähmen könnten. 395

Vgl. dazu oben unter C.l.b.(2).

396

Wie Guttenbergy S. 37 ff. und passim, überzeugend dargelegt hat, ergibt sich aus der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung ein grundsätzliches Verbot des Selbsteintritts. 397

Zwar müssen die übergeordneten Stellen prüfen, ob der Beamte die Anordnung nach dem Abschluss des Remonstrationsverfahrens ausführt. Dies führt dennoch zu keiner Verzögerung: Denn der Beamte ist seinerseits dazu verpflichtet, seine Vorgesetzten darüber zu informieren, wenn er auch nach seiner erfolglosen Remonstration nicht bereit ist, die Anordnung auszuführen. 398

Dies kann z.B. daran liegen, dass ihm die erforderlichen Kenntnisse oder Fähigkeiten fehlen, oder daran, dass er schlicht nicht physisch anwesend ist oder daran, dass er vielen Beamten gleichzeitig denselben Befehl erteilt.

2

D. Das Innen Verhältnis

macht allerdings deutlich, dass der Gesetzgeber dem Vollzugsinteresse der Verwaltung auch hier hinreichend Rechnung getragen hat: Insofern ist zunächst festzuhalten, dass sich vor allem im Zusammenhang mit der zwangsweisen Durchsetzung von Hoheitsakten Probleme ergeben können. Für die Rechtmäßigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen kommt es jedoch in der Regel gerade nicht darauf an, ob die zu vollstreckende Grundverfügung ihrerseits materiell rechtmäßig ist. Vielmehr reicht es gemäß § 6 Abs. 1 BVwVG und den vergleichbaren Regelungen des Landesrechts 399 grundsätzlich aus, dass diese Grundverfügung wirksam und unanfechtbar oder sofort vollziehbar im Sinne des § 80 Abs. 2 VwGO ist. 400 Ein Beamter, der angewiesen wurde, einen Verwaltungsakt zwangsweise durchzusetzen, kann und muss daher lediglich prüfen, ob diese Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind - und ob die angeordnete Vollstreckungsmaßnahme an sich rechtmäßig ist. Auf die Rechtmäßigkeit der zu vollstreckenden Grundverfügung kommt es hingegen nicht an. 401 Auch beim „sofortigen Vollzug" und bei der „unmittelbaren Ausführung", also dem Handeln ohne vorherigen Verwaltungsakt, 402 hat der Gesetzgeber dem Vollzugsinteresse der Verwaltung hinreichend Rechnung getragen. Zwar ist richtigerweise davon auszugehen, dass diese Vollstreckungsmaßnahmen nur dann rechtmäßig sind, wenn eine (fiktive) Grundverfügung materiell rechtmäßig wäre. 403 Viel wichtiger ist jedoch, dass der sofortige Vollzug und die unmittelbare Ausführung ausschließlich zur Gefahrenabwehr zulässig sind und daher eine Prognose voraussetzen, die von dem angewiesenen Beamten nicht ohne weiteres in Frage gestellt werden kann. 404

399

Vgl. etwa § 2 BW-LVwVG.

400

Vgl. dazu die ausführliche Darstellung bei Neumann, S. 61 ff.

401

Damit löst sich zugleich der scheinbare Widerspruch auf, der sich daraus ergibt, dass ein Verwaltungsakt auf der einen Seite für den Adressaten gemäß § 43 Abs. 2 VwVfG grundsätzlich unabhängig von seiner materiellen Rechtmäßigkeit verbindlich bleibt, während der Beamte, der dazu angewiesen wird, diesen Verwaltungsakt durchzusetzen scheinbar nicht verpflichtet ist, diese Weisung zu befolgen: Tatsächlich muss der Beamte einer solchen Anordnung Folge leisten, sofern die Voraussetzungen für die Vollstreckung vorliegen. 402

Vgl. § 6 Abs. 2 BVwVG. Zur Unterscheidung zwischen dem „sofortigen Vollzug", der auch als Zwangsmaßnahme gegen den anwesenden Polizeipflichtigen dienen kann, und der „unmittelbaren Ausführung", die nur zulässig ist, wenn der Polizeipflichtige nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, vgl. Kästner, JuS 94, S. 361,364; Rachor, Rn. 487. 403

Dazu statt vieler Gusy y Rn. 351.

404

Vgl. dazu Neumann, S. 64 ff.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit Noch weiter ist der Gesetzgeber im Bereich des Militärs gegangen: Nach § 11 Abs. 1 und 2 SG ist ein Befehl grundsätzlich nur dann unverbindlich, wenn sich der Soldat durch die Ausführung strafbar machen oder die Würde eines Menschen (das kann auch er selbst sein) 405 verletzen würde.

(b) Das Remonstrationsverfahren und die persönliche Haftung des Beamten Für die Praxis kommt allerdings der zweiten Funktion des Remonstrationsverfahrens entscheidende Bedeutung zu: Dieses Verfahren dient nämlich nicht nur der verwaltungsinternen Rechtmäßigkeitskontrolle und der demokratischen Rückkoppelung, sondern auch und vor allem dazu, den angewiesenen Beamten von der persönlichen Verantwortung für die Rechtmäßigkeit seines Tuns zu befreien. Dies ist deshalb von größter Bedeutung, weil die Unverbindlichkeit einer Anordnung entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht 406 keineswegs notwendigerweise dazu führt, dass der Beamte die betreffende Weisung oder Verwaltungsvorschrift nicht befolgen darf, sondern vielmehr nur dazu, dass er sie nicht befolgen muss.401 Hat ein Beamter daher auch noch nach dem Abschluss des Remonstrationsverfahrens Bedenken in Bezug auf die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahmen, so muss er sich gegebenenfalls entscheiden, ob er der Anordnung dennoch Folge leisten oder den Gehorsam verweigern will. Da die Anordnung bestätigt wurde, kann der Beamte trotz seiner fortbestehenden Zweifel grundsätzlich davon ausgehen, dass die Maßnahme, zu der er angewiesen wurde, rechtmäßig ist. Führt er die Anordnung daher trotz seiner fortbestehenden Zweifel aus, so muss er grundsätzlich nicht befürchten, im Außenverhältnis oder disziplinarisch zur Verantwortung gezogen zu werden. Dieses Haftungsprivileg wird ihm vielmehr nur in den Fällen der „qualifizierten Rechtswidrigkeit" verweigert; also dann, wenn er durch die Ausführung der Anordnung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen oder die Würde eines Menschen 405

Vgl. dazu schon oben Fn. 350 auf S. 187.

406

So aber wohl Felix, S. 142, die ihre Ansicht, dass auch rechtswidrige Anordnungen grundsätzlich verbindlich seien, vor allem damit begründet, dass die Beamten andernfalls schutzlos gestellt würden. Sie geht also offensichtlich davon aus, dass Beamte unverbindliche Anordnungen unter keinen Umständen befolgen dürfen. 407

Dies wird regelmäßig übersehen. Besonders deutlich wird dies etwa bei Felix, S. 142 f., die sich mit dem Hinweis auf die Schutzpflicht des Dienstherren gegen die These wendet, dass sich die Unverbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebe. Dabei unterstellt sie jedoch, dass der Beamte gegebenenfalls verpflichtet ist, den Gehorsam zu verweigern. Ähnlich auch Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404, 411 f., der sogar davon ausgeht, dass nur die offensichtliche Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit bzw. eine offensichtliche Verletzung der Menschenwürde zur Unverbindlichkeit führen dürfe.

26

D. Das Innenverhältnis

verletzen würde. In diesem Fall - und nur dann - darf er der Anordnung nicht nachkommen. Befolgt der Beamte eine Weisung oder Verwaltungsvorschrift hingegen nicht, weil er auch nach dem Abschluss des Remonstrationsverfahrens von ihrer Rechtswidrigkeit überzeugt ist, so handelt er auf eigenes Risiko. Sollte sich im nachhinein - etwa aufgrund der Klage eines Betroffenen oder im Rahmen eines Disziplinarverfahrens - herausstellen, dass die angeordnete Maßnahme doch rechtmäßig gewesen wäre, dann trifft den Beamten die volle Verantwortung dafür, dass er der Anordnung nicht nachgekommen ist. In diesem Fall muss er nicht nur mit Disziplinarmaßnahmen rechnen, 408 sondern gegebenenfalls auch mit Schadensersatz- und Regressforderungen seines Dienstherren. 409 Angesichts dieses Haftungsrisikos wird ein Beamter einer dienstlichen Anordnung aber kaum leichtfertig den Gehorsam verweigern. Vielmehr wird er dies nur dann tun, wenn er nach einer sorgfältigen Prüfung der Sach- und Rechtslage von der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahme überzeugt ist. Trifft seine Überzeugung zu, dann dürfen dem Beamten aus dem Umstand, dass er sich geweigert hat, die Anordnung auszuführen, keine Nachteile erwachsen. Denn schließlich hat er durch sein Verhalten lediglich sichergestellt, dass die Maßnahmen der Verwaltung im Einklang mit den gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben stehen. 410 ' 411 Nichts anderes gilt auch in dem - praktisch wohl kaum bedeutsamen - umgekehrten Fall: Wurde eine Anordnung im Remonstrationsverfahren aufgehoben, dann dürfte der

408 Entwickelt ein Beamter querulatorische Neigungen, dann kann dies durchaus mit schweren Sanktionen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst geahndet werden. 409 Vgl. § 46 Abs. 1 BRRG und die entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen. In diesen Fällen wird zumindest die grobe Fahrlässigkeit kaum bezweifelt werden können. 410 Dabei ist zu beachten, dass der Beamte durchaus disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn er trotz seiner Zweifel kein Remonstrationsverfahren einleitet. Er muss seinen Vorgesetzten die Möglichkeit geben, ihre Entscheidung nochmals zu überdenken. Auch wenn er von der Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahmen überzeugt ist, darf er eine Anordnung daher nicht schlichtweg ignorieren. 411

Interessanterweise enthält das SG auch hier eine vorbildhaft differenzierte Sonderregelung: Einerseits ergibt sich aus § 11 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. SG, unter welchen Voraussetzungen ein Soldat wegen Ungehorsams belangt werden kann, weil er irrigerweise davon ausgegangen ist, dass ein Befehl nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt wurde bzw. er durch die Ausführung die Würde eines Menschen verletzen würde. Andererseits enthält Abs. 2 S. 2 der Bestimmung einen besonderen Entschuldigungsgrund für den Fall, dass der Soldat die Strafbarkeit seines Tuns irrigerweise verkannt hat.

207

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

Beamte sie an und für sich nicht mehr ausführen. 412 Tut er es dennoch, 413 dann trägt er die volle persönliche Verantwortung, wenn sich seine Maßnahmen nachträglich als rechtswidrig herausstellen sollten. 414 Wie die folgende Übersicht deutlich macht, kommt es tatsächlich praktisch nur in diesen beiden Fällen darauf an, ob rechtswidrige Anordnungen verbindlich sind: 415 Der Beamte hat Zweifel in Bezug auf Rechtmäßigkeit einer Anordnung. Der Beamte ...

...remonstriert

Die Anordnung wird ...

...bestätigt

Der Beamte führt die A O ... Die Maßnahme ist ...

a)

...aus rm

rw

...nicht bestätigt ...nicht

qrw

...remonstriert nicht

rm

rw

...aus rm

rw

...nicht rm

rw

...aus rm

rw

...nicht rm

rw

Der Beamte ist verantwortlich^ wenn man davon ausgeht, dass rechtswidrige Anordnungen ... ... verbindlich sind:

η

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j

j

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... unverbindlich sind:

η

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η

f j f Ύ

d)

jc)

jc)

jd>

?

a)

rm = rechtmäßig; rw = rechtswidrig; qrw = „qualifiziert rechtswidrig" (Straftat, Ordnungswidrigkeit oder Verletzung der Menschenwürde).

b)

Dabei ist gegebenenfalls zwischen der disziplinarischen Verantwortlichkeit für die Missachtung der Anordnung und der (Regress-)Haftung für eine Amtspflichtverletzung (nach § 839 BGB i. V.m. den einschlägigen Regelungen der Beamtengesetze) zu unterscheiden.

c)

In diesen Fällen kann der Beamte (nur) wegen einer Verletzung seiner Remonstrationspflicht zur Verantwortung gezogen werden. Jedenfalls dann, wenn er die Anordnung ausführt, werden seine Zweifel allerdings nicht nach außen dringen.

d)

In diesem Fall haftet der Beamte zum einen wegen einer Verletzung seiner Remonstrationspflicht, wobei diese auch hier nur dann erkennbar sein wird, wenn der Beamte die Anordnung „ohne Vorwarnung" nicht ausgeführt hat. Zum anderen haftet der Beamte nach den allgemeinen Grundsätzen für die Amtshaftung - entweder weil er eine rechtswidrige Handlung vorgenommen hat oder weil er eine rechtlich gebotene Handlung unterlassen hat.

A l s Zwischenergebnis lässt sich damit festhalten, dass die Funktionsfähigkeit der Verwaltung auch dann ohne weiteres gewährleistet werden kann, wenn Beam-

412 Die Entscheidung, eine Einzel Weisung zurückzunehmen oder eine Verwaltungsvorschrift aufzuheben enthält gleichzeitig die Anordnung, nicht mehr in dieser Art und Weise zu verfahren. In der Regel wird sich der Vorgesetzte allerdings nicht damit begnügen, seine frühere Anordnung zu widerrufen, sondern eine neue Anordnung erlassen. 413

Was allerdings voraussetzt, dass er die Rechtmäßigkeit mittlerweile anders beurteilt.

414

War die angeordnete Handlung bzw. Entscheidung hingegen rechtmäßig, dann kann ihm auch allenfalls der - rechtlich unbeachtliche - Vorwurf gemacht werden, dass er unnötigerweise ein Remonstrationsverfahren eingeleitet und seine Vorgesetzten damit dazu gebracht hat, ihre erste Anordnung wieder aufzuheben. 415

Allerdings ergeben sich auch dann gewisse Abweichungen, wenn der Beamte seine Remonstrationspflicht verletzt, da er gegebenenfalls nur wegen dieser Pflichtverletzung disziplinarisch belangt werden kann, nicht aber deswegen, weil er eine rechtswidrige Anordnung nicht ausgeführt hat.

208

D. Das Innenerhältnis

te nicht dazu verpflichtet werden, Anordnungen grundsätzlich unabhängig davon zu befolgen, ob die angeordneten Maßnahmen rechtmäßig sind: Geht man wie hier davon aus, dass rechtswidrige Anordnungen unverbindlich sind, wird die starre Trennung zwischen solchen Weisungen, die unter allen Umständen befolgt werden müssen und solchen, die unter keinen Umständen befolgt werden dürfen, durch eine dritte Variante ergänzt, nämlich durch Weisungen, die zwar nicht befolgt werden müssen, aber befolgt werden dürfen. Dieses Ergebnis trägt letztendlich den Interessen aller Beteiligten Rechnung: Die Bürger können darauf vertrauen, dass die Beamten die Rechtmäßigkeit ihrer Amtshandlungen skrupulös prüfen und rechtswidrige Maßnahmen nach Möglichkeit unterlassen werden. Die Beamten werden auch beim Handeln auf Anordnung nicht zu bloßen Amtsausübungsautomaten reduziert. Und der Staat hat die Rechtsbindung der Verwaltung abgesichert ohne dabei ihre Funktionsfähigkeit ernsthaft zu gefährden. Im Übrigen entspricht dieses Ergebnis auch der für die Angestellten des öffentlichen Dienstes geltenden Rechtslage. Auf den ersten Blick scheinen diese allerdings einer noch weiter gehenden Gehorsamspflicht zu unterliegen: Nach § 8 Abs. 2 S. 2 BAT trifft die Verantwortung beim Handeln auf Anordnung stets denjenigen, der die Anordnung erteilt hat. Nach Satz 3 dieser Bestimmung sind Angestellte nur dann dazu verpflichtet Anordnungen ihres Arbeitgebers den Gehorsam zu verweigern, wenn die Ausführung für sie erkennbar den Strafgesetzen zuwiderläuft. Dennoch besteht Einigkeit darüber, dass hieraus nicht gefolgert werden kann, dass Angestellte Anordnungen im Übrigen stets Folge zu leisten hätten. Vielmehr sollen rechtswidrige Anordnungen stets unverbindlich sein, wobei der jeweilige Angestellte das volle Risiko dafür trägt, dass er sich über die Rechtswidrigkeit des ihm aufgetragenen Verhaltens irrt. 4 1 6 Die Rechtslage unterscheidet sich daher nur insoweit von der für die Beamten geltenden, als Angestellte nicht dazu verpflichtet sind, Anordnungen den Gehorsam zu verweigern, wenn die Ausführung erkennbar ordnungswidrig wäre oder wenn sie damit die Würde eines Menschen verletzen würden.

(3) Exkurs: Die Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen und die Verbindlichkeit von Weisungen im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung Obwohl sich die grundsätzliche Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen damit weder als „hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums" erwiesen hat, noch als notwendige Voraussetzung, um die Funktionsfähigkeit der Exekutive aufrecht zu erhalten, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass rechtswidrige An416 Vgl. dazu BAG, AP Nr. 17, 18, 24 und 26 zu § 611 BGB - Direktionsrecht, Bruse/Görg/Hamer et.al., Rn. 60 zu § 8 BAT, der in Rn. 92 ff. zu Recht betont, dass das BAG das Irrtumsrisiko zu stark auf den Arbeitnehmer verlagert hat.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

209

Ordnungen unter allen Umständen unverbindlich sein müssen. Vielmehr stellt sich nun die Frage, ob es zumindest in Teilbereichen der öffentlichen Verwaltung erforderlich ist, den Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung einzuschränken, um anderen Verfassungsprinzipien Geltung zu verschaffen. Dies erscheint nicht zuletzt deshalb geboten, weil Otto Depenheuer seine Argumentation für die unbedingte Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen maßgeblich auf die These stützt, dass andernfalls das Weisungsrecht des Bundes gegenüber den Ländern im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung gemäß Art. 85 Abs. 3 GG auf dem Schreibtisch des jeweils zuständigen Landesbeamten enden würde: 417 Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist dabei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes, nach der die Länder verpflichtet sein sollen, solche Weisungen grundsätzlich völlig unabhängig von ihrer Rechtmäßigkeit zu befolgen. 418 Da sich ein Beamter, der den ungenehmigten Betrieb einer kerntechnischen Anlage zulässt,419 unter Umständen nach § 339 StGB wegen Rechtsbeugung strafbar macht, 420 wäre er aber gegebenenfalls nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, einer Weisung des Bundes den Gehorsam zu verweigern. Um dem Weisungsrecht des Bundes dennoch zur Durchsetzung zu verhelfen, legt Depenheuer die einschlägigen Bestimmungen des Beamtenrechts so eng aus, dass der Beamte nur bei einer offensichtlichen Verletzung von Normen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrechts berechtigt und verpflichtet sein soll, der betreffenden Anordnung den Gehorsam zu verweigern. Dabei soll der Beamte gegebenenfalls die Beweislast für die Offensichtlichkeit tragen. 421 In der Tat erscheint es kaum nachvollziehbar, wenn das Land den Beamten gewähren lassen müsste, obwohl es selbst zur Ausführung der Weisungen des

417

Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404.

418

Vgl. dazu insbesondere BVerfGE

81, S. 310, 331; BVerfGE

84, S. 25, 31.

419

Auch diese Materie fällt in den Bereich der Bundesauftragsverwaltung, vgl. Art. 87c GG i.V.m. § 24 Abs. 1 AtomG. 420

Vgl. dazu nur die Entscheidungen des LG Hanau, NJW 1988, S. 571, im „Alkem"Fall, sowie LG Hanau, NStZ 1988, S. 179. Da die Genehmigung trotz des Fehler zunächst wirksam bleibt, kommt eine Bestrafung nach § 327 Abs. 1 Nr. 1 oder Abs. 3 StGB hier nicht in Betracht, da schon der Tatbestand dieser Norm nicht erfüllt ist. § 330 Nr. 5 StGB betrifft - außer im Fall der Kollusion - nur den Adressaten der Genehmigung, nicht aber den ausführenden Beamten. 421

Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404, 413. Interessanterweise beruft sich Depenheuer, DVB1. 1992, S. 404, 407, ausdrücklich auf die Thesen Labands zu den §§ 10, 13 RBG, wonach das System der Behördenorganisation auf den Kopf gestellt würde; vgl. dazu oben unter D.III.2.a.dd.( 1 ).(a). Dabei geht er allerdings wieder mit keinem Wort darauf ein, dass sich die heutige Rechtslage deutlich von der nach dem RBG unterscheidet.

D. Das Innenerhältnis

210

Bundes verpflichtet ist. Dennoch lässt sich hieraus nicht ohne weiteres der Schluss ziehen, dass die Grenzen des Amtsgehorsams in diesem speziellen Bereich weiter gezogen werden müssten. Unabhängig davon, dass Depenheuers Argumentation ebenso wenig überzeugen kann, wie die früheren Thesen Stratenwerths, da er den Beamten letztendlich nicht nur die Pflicht, sondern sogar das Recht bestreitet, die Rechtmäßigkeit der angeordneten Maßnahme umfassend zu überprüfen, 422 stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Reichweite der Bundesaufsicht im Bereich der Bundesauftragsverwaltung einer näheren Überprüfung standhält. Denn schließlich gilt auch hier grundsätzlich nichts anderes, als bereits zur Verbindlichkeit rechtswidriger Anordnungen im Beamtenverhältnis ausgeführt wurde: Ist ein Land verpflichtet, eine Weisung des Bundes auch dann auszuführen, wenn es damit rechtswidrig handelt, dann bedeutet dies eine Einschränkung des Grundsatzes der Rechtsbindung der Verwaltung, der einer eigenen Legitimation bedarf. Das Bedürfnis für eine solche Legitimation ist sogar noch größer als im Falle des einzelnen Beamten, da das Land - anders als der angewiesene Beamte, der für die Bürger immer als Teil der Staatsverwaltung erkennbar ist - nach außen, also im Verhältnis zu den Bürgern, die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit der betreffenden Maßnahme trägt. 423 Das Bundesverfassungsgericht will die „Sachkompetenz" dennoch ausschließlich dem Bund zugestehen. Zur Begründung für seine Ansicht beruft es sich vor allem darauf, dass die Verwaltungskompetenzen der Länder im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung ohnehin von vornherein eingeschränkt seien.424 Dem Land dürfe lediglich die so genannte Wahrnehmungskompetenz nicht entzogen werden, also das Handeln und die Verantwortlichkeit nach außen, im Verhältnis zu Dritten. 425 Es erscheint allerdings in höchstem Maße fragwürdig, ob man aus dem 422 Vgl. dazu schon oben unter D.III.2.a.aa., wobei zu beachten ist, dass es Stratenwerth um die Frage ging, unter welchen Voraussetzungen Anordnungen über die im Gesetz genannten Fälle hinaus unverbindlich sind, während Depenheuer sogar die gesetzlich normierten Gründe für die Un Verbindlichkeit solcher Anordnungen einschränken will. 423

Dies wird auch vom BVerfG nicht bezweifelt, vgl. BVerfGE

424

BVerfGE

81, S. 310, 332.

81, S. 310, 331 f.

425 BVerfGE 81, S. 310, 332; zustimmend etwa Sachs-Dittmann, Art. 85 GG, Rn. 25 f., der allerdings nur die Rechtsprechung referiert; schon früher Maunz/Düüg-Lerche, Art. 95 GG, Rn. 53; Blümel HdBStR, § 101, Rn. 66; für die Unverbindlichkeit rechtswidriger Weisungen hingegen Lange, S. 91 ff.; Pauly, S. 233 ff.

Das Gericht sieht seine Auslegung durch die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes bestätigt: Die Berichterstatter des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates hätten die Auftragsverwaltung dahingehend charakterisiert, dass hier allein der Wille der zuständigen obersten Bundesbehörde entscheiden solle. Während dem Bund bei der Ausführung der Bundesgesetze als eigener Angelegenheit nur das Recht zu Einzelweisungen in besonderen

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

211

Umstand, dass der Bund im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung weiter gehende Befugnisse hat, darauf schließen kann, dass sich die Funktion der Länder im Zweifel darauf beschränkt, die Anordnungen des Bundes umzusetzen. Auch hier ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Verfassungsgeber durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, dem Bund eine eigene Verwaltungskompetenz oder zumindest ein Selbsteintrittsrecht zuzugestehen. Da er dies nicht getan hat, besteht kein Anlass, die rechtsschutzsichernde Wirkung der Kompetenzverteilung im Bundesstaat aufzugeben: Schließlich dient die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern auch und insbesondere der gegenseitigen Kontrolle und damit ebenso wie die verwaltungsinterne Zuständigkeitsverteilung dazu, dem in Art. 20 Abs. 3 GG statuierten Grundsatz der Rechtsbindung zur Durchsetzung zu verhelfen. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass für das Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern grundsätzlich nichts anderes gilt, als hier für das Verhältnis zwischen dem einzelnen Beamten und seinen Vorgesetzten ausgeführt wurde. 426 ee) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass sich die Bestimmungen des BRRG und der Beamtengesetze des Bundes und der Länder, nach denen ein Beamter gegebenenfalls dazu verpflichtet sein soll, einer dienstlichen Anordnung auch dann nachzukommen, wenn die angeordnete Maßnahme ihrerseits rechtswidFällen zustehe, liege bei der Auftragsverwaltung daher ein allgemeines Unterordnungsverhältnis vor. Zwar ergibt sich aus den Beratungen des Hauptausschusses in der Tat, dass die Länder im Rahmen der Bundesauftrags Verwaltung nicht kraft eigenen Rechts handeln sollten (vgl. dazu insbesondere die Stellungnahme des Abg. Zinn, in der 45. Sitzung des Hauptausschusses am 19.1.1949, Sten. Prot. S. 594 f.) Das Problem, ob auch eine rechtswidrige Weisung befolgt werden muss, war dort jedoch überhaupt nicht diskutiert worden. Wie so oft, zeigt sich damit auch hier, dass die Entstehungsgeschichte einer Norm nur bedingt als Maßstab für ihre Auslegung in Frage kommt. 426

Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Bund durchaus hinreichende Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um zu verhindern, dass ein Land unter Berufung auf die angebliche Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahmen die Ausführung verweigert. Selbst wenn es zu lange dauern würde, bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Rahmen eines Bund-Länder-Streites nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 GG i.V.m. §§ 13 Nr. 7,68 ff. BVerfGG ergeht, besteht jedenfalls die Möglichkeit, eine einstweilige Anordnung nach § 32 BVerfGG zu beantragen. Besteht tatsächlich Eilbedürftigkeit und liegt die Rechtswidrigkeit der angeordneten Maßnahmen nicht auf der Hand, wird das Bundesverfassungsgericht das Land dazu verpflichten, der Anordnung unter Vorbehalt nachzukommen.

212

D. Das Innenerhältnis

rig ist, mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung nicht vereinbaren lassen. Verweigert ein Beamter einer solchen Anordnung den Gehorsam, muss er jedenfalls dann nicht befürchten, disziplinarrechtlich zur Verantwortung gezogen oder in Regress genommen zu werden, wenn er seine Remonstrationspflicht erfüllt hat.

b) Die Voraussetzungen für die Verbindlichkeit

dienstlicher Anordnungen

Was bedeutet dies nun konkret? Zunächst ist festzuhalten, dass eine dienstliche Anordnung jedenfalls dann unverbindlich ist, wenn ein Beamter zu einem Verstoß gegen materiell-rechtliche Bestimmungen, insbesondere zu einem ungerechtfertigten Eingriff in die subjektiven Rechte der Bürger verpflichtet werden soll. Rechtswidrig und damit unverbindlich sind darüber hinaus auch solche Weisungen oder Verwaltungsvorschriften, mit denen einem Beamten aufgegeben wird, vom vorgeschriebenen Verfahren abzuweichen - wobei es grundsätzlich nicht darauf ankommt, ob dieser Verfahrensfehler später geheilt werden könnte. 427 Und schließlich ist es eine Selbstverständlichkeit, dass der Beamte örtlich und sachlich für die angeordnete Maßnahme zuständig sein muss.428 Auf der anderen Seite sind Weisungen und Verwaltungs vorschriften grundsätzlich unabhängig davon verbindlich, ob die angeordneten Maßnahmen zweckmäßig sind. Sofern die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten wurden, darf der einzelne Beamte einer Anordnung daher nicht allein deshalb den Gehorsam verweigern, weil er der Meinung ist, dass eine andere Maßnahme dem vom Normgeber angestrebten Zweck noch besser entsprechen würde. Die Grenze zur Rechtswidrigkeit wird vielmehr erst dann überschritten, wenn die angeordnete Maßnahme völlig unzweckmäßig ist oder die sonstigen gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden.

427 Wie Tschentscher, S. 166 ff. und insbesondere 172, überzeugend herausgearbeitet hat, ist die Aufklärungs- und Begründungslast der Verwaltung durch die 6. VwGO-Novelle und die übrigen, in den letzten Jahren ergangenen Beschleunigungsgesetze faktisch von einer Bring- zur Holschuld geworden. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass Behördenleiter ihre Untergebenen anweisen, Bescheide grundsätzlich ohne vorherige Anhörung und Begründung zu erlassen, da diese Verfahrensschritte gegebenenfalls bis zum Abschluss eines eventuellen Gerichtsverfahrens nachgeholt werden können, vgl. § 45 Abs. 2 VwVfG. 428

In Bezug auf die sachliche Zuständigkeit des Beamten ergibt sich dies bereits aus dem Begriff der Anordnung: Eine Weisung, mit der ein Beamter zu einer Maßnahme verpflichtet werden soll, die nicht zu seinen Dienstaufgaben gehört, ist niemals dienstlich und daher auch keine Anordnung.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

213

Problematisch bleiben damit diejenigen Fälle, in denen der Verwaltung im Verhältnis zu den Gerichten ein „Beurteilungsspielraum" zusteht: Wie bereits dargelegt wurde, ergibt sich dieser Spielraum letztendlich allein daraus, dass die Gerichte hier an ihre Funktionsgrenzen stoßen.429 Sie können die Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Behörden nur deshalb nicht umfassend überprüfen, weil es ihnen unmöglich ist, den entscheidungserheblichen Sachverhalt mit hinreichender Sicherheit zu rekonstruieren. Würden sie dennoch anstelle der Behörden entscheiden, müssten daher zwangsläufig sachfremde Erwägungen in ihre Entscheidung einfließen - damit würden die Gerichte aber ihrerseits rechtswidrig handeln. Nichts anderes gilt für die Fälle des „kognitiven Ermessens", also um Entscheidungen in Gefahr- und Verdachtslagen, bei denen der einzelne Beamte aufgrund einer subjektiven Bewertung der tatsächlichen Umstände entscheiden muss, ob und welche Maßnahmen geboten sind. Ob er sich rechtmäßig verhalten hat, hängt demnach nicht von der durch einen „objektiven Beobachter" nachträglich ermittelten Sachlage ab, sondern von den Umständen, die der handelnde Beamte wahrgenommen hat bzw. die er bei pflichtgemäßem Verhalten hätte wahrnehmen müssen. Überträgt man nun die Argumente, mit denen begründet wurde, dass der Verwaltung in diesen Fällen ein gerichtlich nicht oder doch nur sehr eingeschränkt überprüfbarer Spielraum für ihre Tätigkeit verbleiben muss, auf das Verhältnis zwischen dem einzelnen Beamten und seinen Vorgesetzten, so wird schnell deutlich, dass diese bei der Wahrnehmung ihrer Aufsichtsbefugnisse an genau dieselben objektiven Grenzen stoßen wie die Gerichte. Zwar haben sie grundsätzlich das Recht, nicht nur die rechtliche, sondern auch die fachliche Bewertung eines bestimmten Sachverhaltes durch den Beamten nachzuvollziehen. Diese Befugnis hilft ihnen aber nicht weiter wenn sie den tatsächlichen Sachverhalt, auf dessen Grundlage der Beamte entschieden hat, überhaupt nicht mit hinreichender Sicherheit rekonstruieren können. Dienstliche Anordnungen sind daher nicht nur dann unverbindlich, wenn der einzelne Beamte verpflichtet werden soll, gegen die Vorgaben des materiellen Rechts oder bindende Vorgaben für das Verfahren und die Zuständigkeit zu verstoßen, sondern auch dann, wenn es den Vorgesetzten aufgrund der besonderen Komplexität und Dynamik der Situation nicht möglich ist, die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe durch ihre Untergebenen umfassend zu überprüfen oder wenn sie - wie es häufig in Gefahr- und Verdachtssituationen der Fall ist 4 3 0 429 430

Vgl. dazu ausführlich oben unter C.II.l.b.bb.(2).(b).

Besonders deutlich wird dies bei Maßnahmen des Polizeivollzugsdienstes: Ein Polizeibeamter muss grundsätzlich selbst entscheiden, ob die konkreten Umstände eine

214

D. Das Innenerhältnis

außerstande sind, den entscheidungserheblichen Sachverhalt mit hinreichender Sicherheit zu erfassen. Mittelbar wirkt sich das aber auch auf ihre Möglichkeiten aus, die Zweckmäßigkeit der Entscheidungen ihrer Untergebenen zu kontrollieren: Zwar haben die Vorgesetzten ohne Zweifel das Recht, ihren Untergebenen bestimmte Ziele vorzugeben. Die Entscheidung darüber, wie diese Ziele am besten erreicht werden können, muss unter diesen Umständen jedoch weitgehend den einzelnen Beamten überlassen bleiben.

c) Die Pädagogische Freiheit als „Recht auf den Beurteilungsspielraum" Überträgt man diese Grundsätze auf das Schulverhältnis, so kommt man zu dem Ergebnis, dass die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden völlig unabhängig davon, ob ihre Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse ausdrücklich beschränkt worden sind, im Ergebnis grundsätzlich nur unter denselben Voraussetzungen in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer eingreifen dürfen wie die Gerichte. Zwar berechtigt ihre pädagogische Freiheit die Lehrer unter keinen Umständen dazu, in die Rechte ihrer Schüler, deren Eltern oder anderer Beteiligter des Schulverhältnisses einzugreifen. Auch sind sie an die verbindlichen Vorgaben gebunden, die sich aus der jeweiligen Landesverfassung, dem Schulgesetz und den einschlägigen untergesetzlichen Rechtsvorschriften ergeben. Und schließlich müssen sie nicht nur die grundlegenden Ziele für die Bildung und Erziehung beachten, sondern auch die Detailvorgaben, die sich aus den Lehr- und Bildungsplänen ergeben - und zwar unabhängig davon, ob diese Pläne als Rechtsnormen erlassen wurden oder „nur" als Verwaltungsvorschriften. Sowohl bei der Bewertung der Leistungen ihrer Schüler als auch im Zusammenhang mit den pädagogischen Bewertungen, die sie vielen, wenn nicht sogar allen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Unterricht und der Erziehung zugrunde legen müssen, kommt es jedoch in erster Linie auf ihre subjektive Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse an und die Vorgesetzten dürfen daher nur dann in die Tätigkeit der Lehrer eingreifen, wenn sie die verbindlichen Vorgaben für das Verfahren verletzt haben oder wenn sie ihren Entscheidungen sachfremde Erwägungen oder unrichtige Annahmen zugrunde gelegt haben.

Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründen. Sein Vorgesetzter kann ihm daher nur dann umfassend Weisungen erteilen, wenn er die Situation aus eigener Anschauung kennt.

III. Die Reichweite der pädagogischen Freiheit

215

Damit nicht genug: Geht man wie hier davon aus, dass die Lehrer aus den Bestimmungen über ihre pädagogische Eigenverantwortung einen Anspruch darauf ableiten können, dass ihre Vorgesetzten nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingreifen, dann bedeutet dies nichts anderes als dass sie auch in denjenigen Bundesländern, in denen die Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden nicht ausdrücklich beschränkt sind, ein subjektives und damit justitiables Recht darauf haben, dass ihnen ein hinreichender Spielraum verbleibt. Die pädagogische Freiheit der Lehrer erweist sich damit nicht nur in Hessen und Mecklenburg-Vorpommern, sondern in allen Ländern als „Recht auf den Beurteilungsspielraum". 431 Diesem Recht kommt vor allem deshalb Bedeutung zu, weil bei der Anwendung der so genannten, im Schulverhältnis besonders häufigen „Koppelungsvorschriften" regelmäßig ein so genannter „Ermessensschwund" eintritt, da alle oder doch die meisten der für die Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte bereits für die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes im Tatbestand der Norm berücksichtigt werden mussten.432 Im Ergebnis kommt es für die Rechtsstellung der Lehrer damit kaum noch darauf an, ob der Gesetzgeber die Befugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt hat, wie es in Hessen geschehen ist, oder ob die pädagogische Freiheit der Lehrer - wie etwa in Baden-Württemberg - sogleich durch die Pflicht beschränkt wurde, nicht nur Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu befolgen, sondern auch alle übrigen verbindlichen Anordnungen. Ob und inwieweit die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden in die Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der Lehrer eingreifen können, hängt vielmehr vor allem davon ab, ob der jeweilige Gesetzgeber bzw. das Kultusministerium als Verordnungsgeber den Lehrern ein verbindliches und objektivierbares Entscheidungsprogramm vorgegeben haben.

431

Vgl. in diesem Sinne auch schon Fuß, VVDStRL (23) 1964, S. 199, 225 f.; Hall, S. 90; Müller, RdJB 1977, S. 30,32, die ihre Feststellung, dass die Schulaufsichtsbehörden nur dann eingreifen dürfen, wenn ein Lehrer den ihm zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten hat, nicht näher begründen und auch nicht darauf eingehen, ob der Lehrer einen Anspruch darauf hat, dass die Schulaufsichtsbehörden diese Beschränkung ihrer Befugnisse tatsächlich beachten. 432

Vgl. dazu Maurer, § 7, Rn. 49. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, dann würden die Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden allerdings weiter reichen als die Kontrollbefugnis der Gerichte.

216

D. Das Innenerhältnis

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsprozess Damit stellt sich die Frage, wie sich das Recht der Lehrer auf pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und im Verwaltungsprozess auswirkt. Dabei ist zwischen dem Innenverhältnis zwischen dem Lehrer und seinen Vorgesetzten [ 1.] und dem Außenverhältnis zwischen dem Lehrer, seinen Schülern bzw. deren Eltern und den übrigen Beteiligten des Schulverhältnisses zu unterscheiden [2.].

1. Das Innenverhältnis Wie bereits dargelegt wurde, führt die Unverbindlichkeit einer dienstlichen Anordnung zunächst und in erster Linie dazu, dass der angewiesene Beamte sie - nachdem er erfolglos remonstriert hat - nicht ausführen muss, ohne befürchten zu müssen, dafür disziplinarrechtlich oder auf andere Weise zur Verantwortung gezogen zu werden. 433 Er hat jedoch keine Möglichkeit, die Unverbindlichkeit einer Verwaltungsvorschrift oder Einzelweisung außerhalb des Remonstrationsverfahrens selbst geltend zu machen, sondern muss gegebenenfalls abwarten, ob ein Disziplinarverfahren eingeleitet oder Regressforderungen erhoben werden. Erst im Rahmen dieses Verfahrens wird dann inzident geprüft, ob der Beamte tatsächlich verpflichtet war, der Anordnung Folge zu leisten. Darüber hinaus kann die Verbindlichkeit dienstlicher Anordnungen auch dann von den Gerichten überprüft werden, wenn die (schlechte) dienstliche Beurteilung eines Beamten unter anderem oder sogar hauptsächlich darauf gestützt wird, dass er dienstlichen Anordnungen keine Folge geleistet hat. Nachdem solche Beurteilungen ebenso wie die Ergebnisse schulischer Prüfungen von den Gerichten jedoch nur in beschränktem Umfang überprüft werden können, 434 hilft den Beamten diese theoretische Möglichkeit in der Praxis nicht viel weiter. Ganz anders stellt sich die Lage jedoch dann dar, wenn der einzelne Beamte ein subjektives Recht darauf hat, dass seine Vorgesetzten ihm einen hinreichenden Spielraum für seine Tätigkeit belassen: In diesem Fall hat er nämlich die Möglich433 434

Vgl. dazu oben D.III.2.a.dd.(2).

Die Gerichte billigen den Dienstherren insofern seit jeher einen Beurteilungsspielraum zu. Zwar lassen sich die Grundsätze, die das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG für berufsbezogene Prüfungen aufgestellt hat, BVerfGE 84, S. 37/59, im wesentlichen auf diese Entscheidungen übertragen, wobei lediglich zu beachten ist, dass hier nicht Art. 12 GG, sondern vielmehr Art. 33 Abs. 2 GG zur Anwendung kommt. Dies führt jedoch im Ergebnis nur dazu, dass das Bewertungsverfahren formalisiert und die dienstliche Beurteilung ausführlich begründet werden muss. Dennoch bleibt den jeweiligen Vorgesetzten auch hier ein gewisser Bewertungsspielraum.

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und -prozess

217

keit, nach Abschluss des Remonstrationsverfahrens gerichtlich gegen eine bestimmte Anordnung vorzugehen und auf diese Weise klären zu lassen, ob und inwieweit er dazu verpflichtet ist, eine Verwaltungsvorschrift oder Einzelweisung zu befolgen. 435 In prozessualer Hinsicht ist dabei zunächst § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG zu beachten, nach dem auch in diesen Fällen jedenfalls dann zwingend ein Vorverfahren durchgeführt werden muss, wenn der Lehrer im Beamtenverhältnis beschäftigt wird. 4 3 6 Zwar erscheint ein solches Vorverfahren auf den ersten Blick nur eine überflüssige Formalität zu sein, da die Vorgesetzten des Lehrers die angefochtene Anordnung bereits im Rahmen des Remonstrationsverfahrens bestätigt haben. Dabei ist allerdings zu beachten, dass diese Bestätigung im Gegensatz zu einem Widerspruchsbescheid formlos und ohne Begründung erfolgen kann. Darüber hinaus stellt § 126 Abs. 3 Nr. 1 BRRG sicher, dass die vorgesetzten Behörden rechtzeitig davon erfahren, dass der Lehrer an seiner Weigerung festhält. Beide Seiten bekommen auf diese Weise also nochmals Gelegenheit, ihre Positionen zu überdenken und nach einer ein vernehmlichen Lösung zu suchen. In Bezug auf die angestellten Lehrer ist zu beachten, dass § 126 Abs. 3 BRRG auf sie nicht - auch nicht analog - anwendbar ist. Damit besteht für sie keine Notwendigkeit, ein Vorverfahren durchzuführen. Ohnehin stellt sich die Frage, ob auch hier der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist oder ob diese Lehrer nicht auf eine Klage vor den Arbeitsgerichten beschränkt sind, um ihren Anspruch auf pädagogische Freiheit geltend zu machen. Zwar ist die pädagogische Freiheit im jeweiligen Schulgesetz und damit in einer Norm verwurzelt, die ohne Zweifel zum öffentlichen Recht gehört. Dies ändert aber nichts daran, dass die Weisungsbefugnisse des Dienstherren dem Direktionsrecht des Arbeitgebers entspringen. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass angestellte Lehrer auch hier den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschreiten müssen. 437

Sollte die Anordnung auch nach Abschluss des Vorverfahrens nicht zurückgenommen worden sein, kann der Lehrer Klage erheben. Dabei ist zu beachten, dass eine Einzelweisung oder Verwaltungsvorschrift nicht allein deshalb zum Verwaltungsakt mutiert, weil die Lehrer ein justitiables Recht auf pädagogische Freiheit haben. Daher ist hier nicht etwa die Anfechtungsklage statthaft, sondern 435

Vgl. dazu auch Felix, S. 210 ff.

436

Sofern das jeweilige Kultusministerium seine Befugnisse nicht auf nachgeordnete Behörden übertragen hat, ist es als oberste Dienstbehörde im Sinne des § 126 Abs. 3 Nr. 2 BRRG für die Entscheidung über den Widerspruch zuständig. 437

Wobei zu beachten ist, dass das BAG hier sehr strenge Anforderungen in Bezug auf das besondere Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO stellt, vgl. BAG, AP Nr. 6 zu § 75 BPersVG. Allerdings besteht gegebenenfalls die Möglichkeit einer Unterlassungsklage, vgl. Brüse!Görg/Hamer et.al., Rn. 94 zu § 8 BAT.

218

D. Das Innenerhältnis

es ist vielmehr - ebenso wie i n anderen Fällen, i n denen u m die Reichweite der Dienstpflichten von Beamten gestritten w i r d 4 3 8 - eine Feststellungsklage geboten und der Widerspruch und die Klage haben daher keine aufschiebende W i r k u n g i m Sinne von § 80 Abs. 1 V w G O . 4 3 9 Das gemäß § 43 Abs. 1 V w G O erforderliche besondere Feststellungsinteresse ist jedenfalls dann gegeben, wenn die betreffende Anordnung noch gilt. Darüber hinaus ist die Klage aber auch dann zulässig, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass erneut eine vergleichbare Anordnung ergehen wird. Gegenstand einer solchen Klage kann nicht nur die Anordnung selbst sein, sondern auch diejenigen Maßnahmen, die die Schulaufsichtsbehörden aufgrund eines ihnen jedenfalls in einigen Bundesländern zustehenden Selbsteintrittsrechts 440 unternommen haben, nachdem sich der Lehrer geweigert hat, einer Weisung nachzukommen. Denn das Selbsteintrittsrecht setzt seinerseits voraus, dass die Schulaufsichtsbehörden dem Lehrer zunächst eine verbindliche Anordnung erteilt haben. U m festzustellen, ob eine Anordnung tatsächlich die pädagogische Freiheit des klagenden Lehrers verletzt hat, müssen die Gerichte dieselben Grundsätze anwenden, wie sie für die gerichtliche Kontrolle von Prüfungsentscheidungen und pädagogischen Bewertungen gelten: K o m m t ein Gericht dabei zu dem Ergebnis, dass es die fragliche Maßnahme selbst umfassend überprüfen könnte, w e i l sich aus den einschlägigen Rechtsvorschriften hinreichend bestimmte Vorgaben ergeben und w e i l die tatsächlichen Umstände, aufgrund deren diese Maßnahme getroffen wurde, hinreichend dokumentiert sind, dann muss das Gericht auch den Aufsichts-

438

Vgl. dazu BVerwG, DVB1. 1983, S. 1110 VGH Mannheim, N V w Z 1992, S. 595; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18, Rn. 19. Dagegen Felix, S. 188, die zwar zu Recht darauf hinweist, dass das Verwaltungsgericht aufgrund der klaren Vorgabe des Beamtenrechts nicht feststellen könne, dass der Beamte einer Weisung der Gehorsam verweigern dürfe, dabei aber übersieht, dass genau diese unbedingte Gehorsamspflicht ihrerseits im Widerspruch zum Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung steht. Auch ihr Vorschlag, hiereine „allgemeine Gestaltungsklage" zuzulassen, kann nicht überzeugen, da es auch der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage nicht rechtfertigen kann, neue Klagearten zu erfinden. 439

Konkret bedeutet dies, dass der Lehrer der Anordnung vorerst Folge leisten muss. Allerdings kann er unter Umständen auf dem Wege des § 123 VwGO erreichen, dass eine Anordnung vorläufig außer Kraft gesetzt wird. Dies ist auch schon vor Einleitung eines Widerspruchsverfahrens möglich. Richtigerweise ist sogar davon auszugehen, dass der Lehrer nicht einmal das Ende des RemonstrationsVerfahrens abwarten muss. Die Verwaltungsgerichte werden allerdings wohl nur in seltenen Ausnahmefällen eine einstweilige Anordnung erlassen. 440

Ein solches Selbsteintrittsrecht findet sich nur in § 12 Abs. 1 S. 1 BremSchVerwG, § 93 Abs. 1 S. 1 HessSchG, § 95 Abs. 4 MV-SchG, und § 120 Abs. 4 bzw. § 121 Abs. 2 NdsSchG.

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und -prozess

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behörden das Recht zugestehen, die Maßnahmen des Lehrers umfassend zu prüfen. Sind diese Voraussetzungen hingegen nicht gegeben, dann muss das Gericht der pädagogischen Freiheit der Lehrer zur Durchsetzung verhelfen, indem es die Unverbindlichkeit der betreffenden Anordnung feststellt. Wobei nochmals daraufhinzuweisen ist, dass es im Schul Verhältnis im allgemeinen und im Rahmen der eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer, auf die sich die pädagogische Freiheit bezieht, im besonderen praktisch keine „echten" Ermessensentscheidungen gibt, bei denen pädagogische Bewertungen überhaupt keine Rolle spielen. Vielmehr müssen in der Regel alle Gesichtspunkte, die für die Ermessenausübung relevant sein könnten, schon bei der Feststellung des Tatbestands herangezogen werden. Daher kommt es im Ergebnis nicht oder doch nur in wenigen Ausnahmefällen darauf an, dass die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden jedenfalls außerhalb Hessens und unter bestimmten Umständen grundsätzlich dazu berechtigt sind, auch die Zweckmäßigkeit der Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen der Lehrer zu überprüfen.

2. Das Außenverhältnis Zumindest auf den ersten Blick kommt es für das Außenverhältnis zwischen der Schule und den Schülern, ihren Eltern und den übrigen Beteiligten des Schulverhältnisses nicht darauf an, ob die Lehrer ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit haben: Schließlich bleibt der im zweiten Abschnitt dieser Arbeit dargestellte umfassende Rechtsschutzanspruch der Bürger unberührt und es scheint für sie im Ergebnis keine Rolle zu spielen, wem genau der „Beurteilungsspielraum" zusteht, den die Gerichte der Verwaltung in Bezug auf Prüfungsentscheidungen und andere pädagogische Bewertungen zubilligen. Das subjektive Recht auf pädagogische Freiheit scheint sich damit nur insofern auszuwirken, als ein Lehrer - entgegen der bisherigen Praxis - gemäß § 65 Abs. 2 VwGO beigeladen werden muss, wenn Schüler, Eltern oder andere Beteiligte des Schulverhältnisses gegen eine von ihm getroffene Entscheidung klagen. 441 a) Zur Kontrolldichte

im Widerspruchsverfahren

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die gerichtliche Überprüfung schulischer Entscheidungen eine eher seltene Ausnahme darstellt. Gerade weil die Gerichte der Verwaltung im Bereich von Prüfungsentscheidungen und pädagogischen Bewertungen einen relativ großen Spielraum zubilligen, kommt der verwaltungs441

Vgl. dazu schon oben unter C.II. 1. Es handelt sich deshalb um einen Fall der notwendigen Beiladung im Sinne von § 65 Abs. 2 VwGO, da die Gerichte, wenn sie die Entscheidung des Lehrers aufheben, immer zugleich in dessen pädagogische Freiheit eingreifen.

220

D. Das Innenerhältnis

internen Kontrolle entscheidende Bedeutung zu. Diese Kontrolle kann zum einen im Rahmen eines formellen Widerspruchsverfahrens gegen schulische Verwaltungsakte442 stattfinden. Darüber hinaus gibt es aber auch weitere, mehr oder weniger formalisierte verwaltungsinterne Kontrollverfahren, die insbesondere infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur gerichtlichen Kontrolldichte bei Prüfungsentscheidungen eingeführt worden sind. Geht man nun richtigerweise davon aus, dass die Widerspruchsbehörde - sofern sie nicht ohnehin mit der Ausgangsbehörde identisch ist 4 4 3 - als „nächsthöhere Behörde" im Sinne des § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 VwGO regelmäßig mit der jeweiligen Aufsichtsbehörde identisch ist, dann wird deutlich, dass der Widerspruch im Ergebnis zu einer Erweiterung der Befugnisse der Aufsichtsbehörden führt: Während diese nämlich außerhalb des Widerspruchsverfahrens darauf beschränkt sind, den nachgeordneten Stellen Weisungen im Innenverhältnis zu erteilen und Entscheidungen nur dann an sich ziehen können, wenn der Gesetzgeber ausdrücklich die Möglichkeit des Selbsteintritts vorgesehen hat, wächst ihnen durch den bedingten Devolutiveffekt des Widerspruchs jedenfalls dann die Befugnis zu, auch im Außenverhältnis eine unmittelbar wirksame Entscheidung zu treffen, wenn die Ausgangsbehörde dem Widerspruch nicht selbst abhilft. Aus dem Umstand, dass die Organkompetenz von der Ausgangs- auf die Widerspruchsbehörde übergeht, folgt jedoch keineswegs notwendigerweise, dass auch der Umfang ihrer Entscheidungsbefugnisse erweitert wird: Zwar soll im Widerspruchsverfahren aufgrund der ausdrücklichen Regelung des § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO die Rechtmäßigkeit und die Zweckmäßigkeit des betreffenden Verwaltungsaktes überprüft werden. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass stets eine umfassende Prüfung stattfinden muss. Vielmehr sieht § 68 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. VwGO ausdrücklich vor, dass der Gesetzgeber auf ein Widerspruchsverfahren verzichten kann. Dann hat er aber erst Recht die Befugnis, den Umfang der Überprüfung durch die Widerspruchsbehörde zu beschränken. 444 Fraglich ist dabei nur, 442

Zu nennen sind insofern vor allem Versetzungsentscheidungen, Abgangszeugnisse und die Entscheidung über die Aufnahme in weiterführende Schulen, Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen, die teilweise oder vollständige Befreiung von bestimmten Unterrichtsfächern etc. 443 444

Vgl. § 73 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 und 3 VwGO.

Dies ist insbesondere bei Prüfungsentscheidungen geschehen, vgl. BVerwGElO, S. 4, 10 f. (zu den Prüfungsausschüssen nach § 36 BBiG); sowie BVerwG, Buchholz 421.0, Nr. 140 und Nr. 193 (zur Juristenausbildung) - wobei festzuhalten ist, dass das BVerwG die Beschränkung hier mittelbar daraus abgeleitet hat, dass der Gesetzgeber die Entscheidung einem bestimmten Gremium übertragen hat, das an ein bestimmtes Verfahren gebunden ist. Daher wäre es sinnwidrig, die Entscheidung von einer Instanz überprüfen zu lassen, die nicht diesen Vorgaben entspricht.

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und -prozess

221

ob sich diese Beschränkung der Kontrolldichte im Widerspruchsverfahren ausdrücklich aus dem Gesetz ergeben muss oder ob es gegebenenfalls ausreicht, wenn die Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse der übergeordneten Behörde objektiven Beschränkungen unterliegen. Tatsächlich zeigt eine nähere Betrachtung, dass die Befugnisse der übergeordneten Behörden grundsätzlich nicht davon abhängen, ob sie aus eigener Initiative, aufgrund einer einfachen Dienstaufsichtsbeschwerde oder aufgrund eines förmlichen Widerspruchs tätig werden: Zwar hat sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Vorverfahrens an das gerichtliche Rechtsschutzverfahren angelehnt und das Widerspruchsverfahren ist als erste Stufe eines solchen Rechtsschutzverfahrens eine wichtige Voraussetzung für den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz. Auf der anderen Seite unterscheidet sich die verwaltungsinterne Kontrolle im Rahmen des Vorverfahrens aber dadurch grundlegend von der gerichtlichen Kontrolle von Verwaltungsentscheidungen, dass die angefochtenen Maßnahmen eben nicht durch eine unabhängige Instanz überprüft werden. Das Widerspruchsverfahren ist dementsprechend gerade kein „Rechtsweg" im Sinne des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Vielmehr stellt der Widerspruch im Ergebnis nichts anderes dar, als einen Antrag auf das Einschreiten der jeweiligen Aufsichtsbehörden. 445 Dem Umstand, dass die Behörde nicht aus eigener Initiative tätig wird, kommt daher nur insofern Bedeutung zu, als die übergeordnete Behörde sich nun nicht mehr auf eine interne Weisung beschränken darf, sondern vielmehr dazu verpflichtet ist, einen formellen Widerspruchsbescheid zu erlassen. 446 Zum selben Ergebnis kommt man auch dann, wenn man berücksichtigt, dass es der übergeordneten Behörde objektiv möglich sein muss, die angegriffene Maßnahme in jeder Hinsicht zu überprüfen. Wie hier dargelegt wurde, ist dies aber insbesondere bei Prüfungsentscheidungen und auch bei den meisten anderen pädagogischen Bewertungen, die die einzelnen Lehrer ihren Entscheidungen zugrunde legen müssen, gerade nicht der Fall.

445 Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn man sich vor Augen führt, dass der Devolutiveffekt nur dann eingreift, wenn die Ausgangsbehörde selbst dem Widerspruch nicht abhilft. Auch insofern unterscheidet sich das Vorverfahren nach der VwGO von der Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte. 446

Vgl. dazu Pietzner/Ronellenfitsch, § 42, Rn 29 ff., die völlig zu Recht darauf hinweisen, dass sich die Widerspruchsbehörde dieser Pflicht nicht dadurch entledigen kann, dass sie die nachgeordneten Stellen zu einem bestimmten Verhalten anweist - und diesen damit die Prozessführungslast und das Kostenrisiko zuschiebt.

222

D. Das Innenerhältnis

Interessanterweise sind diese objektiven Beschränkungen des Prüfungsumfanges im Widerspruchsverfahren sowohl von der Rechtsprechung 447 als auch in der einschlägigen Literatur 448 seit langem anerkannt, 449 ohne dass diese Erkenntnis auf das Innenverhältnis der Verwaltung übertragen worden wäre. 450 A l s Ergebnis lässt sich damit festhalten, dass der jeweiligen Widerspruchsbehörde durch den Widerspruch keine weiter gehenden Entscheidungsbefugnisse zuwachsen. Vielmehr sind die Befugnisse der Aufsichtsbehörden und der Widerspruchsbehörden kongruent: Sind die übergeordneten Behörden in ihrer Funktion als Aufsichtsbehörden nur unter bestimmten Umständen dazu berechtigt, i n die Tätigkeit der nachgeordneten Stellen einzugreifen, dann ist auch die Reichweite der Prüfung i m Widerspruchsverfahren entsprechend eingeschränkt. Genau damit erklärt es sich auch, warum in Prüfungsangelegenheiten ggf. ein verwaltungsinternes Kontrollverfahren erforderlich ist. Dabei handelt es sich nämlich letztendlich um nichts anderes als um ein „gekapptes" Widerspruchsverfahren, bei dem die Ausgangsbehörde - also die ursprünglichen Prüfer - ihre Entscheidung nochmals überprüfen kann. Hält sie an der ursprünglichen Bewertung einer bestimmten Leistung fest, dann ist diese Entscheidung endgültig. Der Devolutiveffekt tritt nicht ein, und damit kommt die potenzielle Widerspruchsbehörde überhaupt nicht in die Verlegenheit, sich mit einer Leistungsbewertung auseinander setzen zu müssen, obwohl sie weder die tatsächlichen Umstände rekonstruieren kann, unter denen die Prüfung stattgefunden hat, noch dazu in der Lage ist, die prüfungsspezifischen Wertungen in jeder Hinsicht nachzuvollziehen, die für die konkrete Bewertung ausschlaggebend waren. 451

447

Vgl. dazu statt vieler BVerwGE 57, S. 1 3 0 , 1 4 5 f f . , s o w i e ^ ™ G £ 9 1 , S . 2 6 2 , 2 6 5 f .

448

Vgl. dazu Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, § 68 VwGO; Rn. 9/16; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 7, Rn. 33-37 in Bezug auf Entscheidungen mit Beurteilungsspielraum und Abwägungsentscheidungen; Pietzner/Ronellenfitsch, § 39, Rn. 6, in Bezug auf Prüfungsentscheidungen; Ey ermann-Rennert, § 68 VwGO, Rn. 14 f.; Schenke, Rn. 685. 449 Genau aus diesem Grund hat sich seit den „Prüfungsentscheidungen" des Bundesverfassungsgerichtes (.BVerfGE 84, 34 und 59) völlig zu Recht die Ansicht durchgesetzt, dass dem Prüfungsverfahren und der Begründung für die konkrete Entscheidung maßgebliche Bedeutung zukommt, und dass ggf. ein verwaltungsinternes Kontroll verfahren einzuführen ist, an dem die ursprünglichen Prüfer beteiligt werden sollten, vgl. BVerwGE 91, S. 262; BVerwGE 92, S. 141. 450 Allerdings findet sich in der einschlägigen schulrechtlichen Literatur immer wieder die nicht näher begründete Behauptung, dass die Schulaufsichtsbehörden den Beurteilungsspielraum der Lehrer zu beachten hätten, vgl. etwa Fuß, VVDStRL (23) 1964, S. 199, 225 f.; Hall, S. 90; Müller, RdJB 1977, S. 30, 32. 451

Anders stellt sich die Lage nur dann dar, wenn der Kandidat Fehler im Prüfungsverfahren oder andere gravierende Bewertungsfehler geltend macht, die auch der gerichtlichen Kontrolle unterliegen würden. In diesem Fall kann und muss die Widerspruchsbehörde nachprüfen, ob das Prüfungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wurde.

IV. Die pädagogische Freiheit im Verwaltungsverfahren und -prozess

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b) Die Schüler als Objekte der Lehrerwillkür? Zumindest auf den ersten Blick scheinen die Schüler damit zum bloßen Objekt der Willkür ihrer Lehrer zu werden: Schließlich müssen sie nicht nur eine wesentlich verringerte gerichtliche Kontrolldichte in Kauf nehmen, sondern sie haben nicht einmal mehr die Möglichkeit, die Entscheidungen ihrer Lehrer umfassend durch die Schulaufsichtsbehörden kontrollieren zu lassen. Insofern ist zunächst festzuhalten, dass es keinen Grund für die Annahme gibt, die Lehrer würden die Rechte und Interessen ihrer Schüler überhaupt nur deshalb respektieren, weil sie jederzeit damit rechnen müssen, durch ihre Vorgesetzten und die Gerichte kontrolliert zu werden. Zwar kann und wird es im Einzelfall immer wieder zu Konflikten kommen. Das ändert aber nichts daran, dass die Lehrer aufgrund ihrer Ausbildung dazu in der Lage sind - oder zumindest dazu in der Lage sein sollten - diese Konflikte so zu lösen, dass die Schule ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag erfüllen kann. Der Gesetzgeber und die Schulbehörden haben es dabei in der Hand, die Lehrer durch angemessene Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen nicht nur über die neuesten Erkenntnisse in ihren jeweiligen Unterrichtsfächern, sondern auch über die Entwicklung der Erziehungswissenschaft auf dem Laufenden zu halten: 452 Nachdem die Schule heutzutage auch oder sogar in erster Linie die Fähigkeit zum lebenslangen Lernen vermitteln muss, sollten die Lehrer auch insofern Vorbild sein. Darüber hinaus können die Schulaufsichtsbehörden die Lehrer durch Beratung, Supervisionen und andere flankierende Maßnahmen bei ihrer Tätigkeit unterstützen. Auch wenn sich Konflikte nicht völlig vermeiden lassen, ist es somit durchaus möglich, das Konfliktpotential deutlich zu verringern oder Konflikte vorbildhaft zu bereinigen - womit wiederum dem Erziehungsauftrag der Schule gedient wäre. Völlig unabhängig davon ist zu beachten, dass die Lehrer auch dann, wenn man aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit ableitet, selbstverständlich an die geltenden Rechtsvorschriften gebunden bleiben. Sofern sich daher aus den einschlägigen Gesetzen und Verordnungen hinreichend bestimmte Vorgaben dafür ergeben, wie sie sich in einer bestimmten Situation zu verhalten haben, kann ihr Verhalten sowohl durch die Gerichte als auch durch ihre Vorgesetzten auch an diesem Maßstab überprüft werden. Dies ist deshalb von Bedeutung, weil die Gesetzgeber ihrerseits dazu verpflichtet sind, alle wesentlichen Voraussetzungen dafür zu bestimmen, ob und unter welchen Umständen in die Grundrechte der Schüler eingegriffen werden darf. Auch sonst haben es die Gesetzgeber in der Hand, den

452

Vgl. dazu schon oben unter D.III.2.dd.(2).(a).

224

D. Das Innenerhältnis

Lehrern überall dort, wo sie eine Missbrauchsgefahr zu erkennen glauben, hinreichend bestimmte Vorgaben zu machen. Damit steht fest, dass das subjektive Recht auf pädagogische Freiheit keineswegs einen Freibrief für Willkürentscheidungen durch die Lehrer darstellt.

V. Der Lehrer und die Konferenzen In diesem Zusammenhang ist auch und vor allem zu beachten, dass die Gesetzgeber die Lehrer in ein verwaltungsinternes Kontrollsystem eingebunden haben: Schließlich obliegen viele der besonders wichtigen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erziehung und dem Unterricht nicht dem einzelnen Lehrer allein, sondern vielmehr den Konferenzen. Zum Abschluss der vorliegenden Untersuchung soll daher auf das höchst komplizierte Verhältnis zwischen dem Lehrer und diesen Gremien eingegangen werden. Dabei ist zwischen den Lehrerkonferenzen, also Gremien, denen alle Lehrer angehören, die in der jeweiligen Schule, Klasse, Jahrgangsstufe bzw. das betreffende Fach unterrichten, und der Schulkonferenz zu unterscheiden, der Vertreter der Lehrer, der Schüler, der Eltern und gegebenenfalls auch der übrigen Beteiligten des Schulverhältnisses angehören. Nur in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gibt es diese Trennung nicht. Hier sind Vertreter der Eltern und Schüler an den „normalen" Konferenzen beteiligt. 453

1. Die Lehrerkonferenzen Die Lehrerkonferenzen beraten und beschließen in allen Ländern über alle wichtigen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule, wenn insofern ein Zusammenwirken der Lehrer erforderlich ist. 454 Sie dienen also zunächst und in erster Linie der kollektiven Wahrnehmung der pädagogischen Freiheit und damit zugleich zur systemimmanenten Kontrolle des einzelnen Lehrers: Besonders deutlich wird diese Funktion der Konferenzen bei Versetzungsentscheidungen, die der jeweiligen Klassenkonferenz zugewiesen sind: Hier soll eben nicht der einzelne Lehrer allein für die Prognose verantwortlich sein, ob ein Schüler dazu in der Lage sein wird, mit Erfolg am Unterricht der nächsten Klassenstufe teilzunehmen. Vielmehr obliegt diese Entscheidung sämtlichen Lehrern, die in der jeweiligen Klasse unterrichten und die den Schüler daher 453 454

Vgl. § 36 NdsSchG, § 29 LSA-SchG.

Vgl. statt vieler § 44 Abs. 1 S. 1 BW-SchG, Art. 58 Abs. 3 S. 1 BayEUG, § 133 Abs. 1 HessSchG.

V. Der Lehrer und die Konferenzen

225

aus eigener Anschauung kennen.455 Aus genau demselben Grund sind häufig auch bestimmte Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen dieser Klassenkonferenz zugewiesen.456 Nicht zu unterschätzen ist auch der Einfluss der Fachkonferenzen, die unter anderem für die Entscheidung zuständig sind, welche der zulässigen Lehr- und Lernmittel tatsächlich im Unterricht an der betreffenden Schule verwendet werden sollen. 457 Zwar ist eine gewisse Koordination zweifellos unabdingbar, da der Unterricht im Falle eines Lehrerwechsels andernfalls kaum erfolgreich fortgeführt werden könnte. Nachdem die Entscheidung für ein bestimmtes Lehrbuch aber in der Regel zugleich die Entscheidung für ein bestimmtes didaktisches Konzept beinhaltet, bedeutet die Bindung an die Entscheidungen der Fachkonferenz für die betroffenen Lehrer eine ganz wesentliche Beschränkung ihrer pädagogischen Freiheit. Es liegt auf der Hand, dass es im Einzelfall zu Konflikten kommen kann. Die einschlägigen Bestimmungen der Schulgesetze bieten kaum Anhaltspunkte für die Lösung solcher Konflikte: Zwar haben die Gesetzgeber die Lehrer auf der einen Seite ausdrücklich an die Beschlüsse der Konferenzen gebunden.458 Auf der anderen Seite wurden die Konferenzen jedoch fast durchweg dazu verpflichtet, ihrerseits auf die pädagogische Freiheit der Lehrer Rücksicht zu nehmen.459 Daher muss in jedem Einzelfall abgewogen werden, ob das Bedürfnis nach einer einheitlichen Regelung Vorrang vor der pädagogischen Freiheit des einzelnen Leh455

Vgl. etwa § 4 Abs. 1 Nr. 4 BW-KonfO.

456

Vgl. etwa § 90 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 BW-SchG i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 5 BW-KonfO.

457

Vgl. etwa § 5 Abs. 2 Nr. 2 BW-KonfO i.V.m. § 2 Abs. 1 BW-LernmittelVO.

458

Vgl. § 44 Abs. 3 BW-SchG, Art. 58 Abs. 4 S. 1 BayEUG, § 10 Abs. 1 S. 1 BerlSchVerfG, § 67 Abs. 2 S. 1 BbgSchG, § 59 Abs. 2 S. 1 BremSchG, § 88 Abs. 2 HambSchG, § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG, § 100 Abs. 2 MV-SchG, § 50 Abs. 1 S. 2 NdsSchG, § 3 Abs. 2 S. 1 NRW-SchMG, § 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG, § 28 Abs. 1 SaarSchOG, § 44 Abs. 2 SächsSchG, § 30 Abs. 1 LSA-SchG, § 34 Abs. 2 S. 2 ThürSchG. Lediglich in Schleswig-Holstein findet sich keine entsprechende Regelung, da die Lehrer nach § 83 Abs. 1 S. 1 SH-SchG bei der Gestaltung der Erziehung und des Unterrichts nur an Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie an die Weisungen der Schulleiterin oder des Schulleiters und der Schulaufsichtsbehörden gebunden sind, nicht aber an die Beschlüsse der Konferenzen. Daher müssen die Befugnisse dieser Gremien so ausgelegt werden, dass Konflikte mit der pädagogischen Freiheit ausgeschlossen sind. 459

§ 44 Abs. 2 S. 1 BW-SchG, Art. 58 Abs. 3 S. 2 BayEUG, § 10 Abs. 1 S. 2 BerlSchVerfG, § 67 Abs. 2 S. 2 BbgSchG, § 59 Abs. 2 S. 2 BremSchG, § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG, § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG, § 34 Abs. 3 NdsSchG, § 3 Abs. 2 S. 2 NRWSchMG, § 28 Abs. 1 S. 2 SaarSchOG sowie § 5 SaarSchMG, § 44 Abs. 2 S. 1 SächsSchG, § 27 Abs. 2 LSA-SchG, § 37 Abs. 1 S. 9 ThürSchG.

226

D. Das Innenerhältnis

rers hat. Richtigerweise ist dabei davon auszugehen, dass i n der Regel der einzelne Lehrer entscheiden kann und muss. Die Bestimmungen über die Zuständigkeit der Konferenzen sind als Ausnahme von dieser Regel eng auszulegen. Dies gilt im Ergebnis auch in Hamburg und Rheinland-Pfalz, wo die Lehrerkonferenzen nicht ausdrücklich dazu verpflichtet worden sind, die pädagogische Freiheit der Lehrer bei ihren Entscheidungen zu respektieren: Schließlich können die Konferenzen den Lehrern auch in diesen Ländern nur allgemeine Vorgaben in Bezug auf den Unterricht und die Erziehung machen. 460 Daher kann und muss im Zweifel geklärt werden, ob die Konferenz ihren Zuständigkeitsbereich eingehalten haben. Tatsächlich kommt es aber ohnehin weniger darauf an, ob der einzelne Lehrer verlangen kann, dass auch die Konferenzen seine pädagogische Freiheit respektieren, als vielmehr darauf, wie er diese Freiheit gegebenenfalls durchsetzen kann: Z w a r ist der jeweilige Schulleiter i n allen Ländern dazu verpflichtet, den Schulaufsichtsbehörden einen Konferenzbeschluss zur Entscheidung vorzulegen, wenn er meint, dass die Konferenz gegen Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder andere verbindliche Vorgaben verstoßen hat. 4 6 1 O b w o h l dies grundsätzlich auch dann möglich ist, wenn die Konferenz die pädagogische Freiheit einzelner Lehrer verletzt hat, können die Lehrer nicht mittelbar gegen einen Konferenzbeschluss vorgehen, da sie keinen Anspruch darauf haben, dass der Schulleiter von seinem Beanstandungsrecht Gebrauch macht. Nichts anderes gilt i n Bezug auf die Rechtsaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden. 462

460

Nach § 53 Abs. 2 HambSchG beschließt die Lehrerkonferenz insbesondere über „Grundsätze der Unterrichtsgestaltung, der Unterrichtsmethoden und der Leistungsbeurteilung sowie Verfahren zu deren Koordinierung und Auswertung" (Nr. 1 ) und „Grundsätze der Erziehung, Betreuung und Beratung an der Schule" (Nr. 3). Nach § 22 Abs. 1 RP-SchG beraten und beschließen die Lehrer in Lehrerkonferenzen über alle wichtigen Fragen der Erziehungs- und Unterrichtsarbeit der Schule, die ihrer Art nach ein Zusammenwirken der Lehrer erfordern und für die keine andere Zuständigkeit begründet ist." 461 Vgl. § 44 Abs. 3 S. 2 BW-SchG, Art. 58 Abs. 5 S. 2 BayEUG, § 12 Abs. 5 S. 1 BerlSchVerfG, § 71 Abs. 3 S. 1 BbgSchG, § 90 Abs. 1 HambSchG, § 87 Abs. 4 S. 1 HessSchG, § 101 Abs. 4 MV-SchG, § 43 Abs. 4 NdsSchG, § 13 Abs. 4 NRW-SchMG, § 22 Abs. 6 S. 2 RP-SchG, § 16 Abs. 6 S. 1 SaarSchMG, § 44 Abs. 2 S. 2 SächsSchG, § 26 Abs. 4 LSA-SchG, § 37 Abs. 5 ThürSchG. Teilweise kann der Schulleiter auch dann die Schulaufsichtsbehörden anrufen, wenn er nur der Meinung ist, den Beschluss der Konferenz nicht (nach außen) vertreten zu können (BW, Bayern, Hamburg, Sachsen). In Bremen und Schleswig-Holstein ist das Beanstandungsrecht nicht ausdrücklich geregelt. 462

In diesem Zusammenhang stellt sich die durchaus interessante Frage, ob die Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren analog auf Konferenzbeschlüsse anwendbar sind. Eine Remonstrationspflicht ist abzulehnen, da nach den eindeutigen Vorgaben der Landesschulgesetze allein der Schulleiter verpflichtet ist, Konferenz-

V. Der Lehrer und die Konferenzen

227

Damit bleibt den Lehrern nur die Möglichkeit, sich unmittelbar gegen die Entscheidungen der Konferenzen zu wehren: Dies ist aber deswegen problematisch, weil die Konferenzen dem Lehrer - anders als der Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden - nicht als Vertreter des Staates gegenüber treten, gegen den sich eine Klage gegebenenfalls richtet, sondern als Organ der Schule - die wiederum eine nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts ist und daher grundsätzlich nicht als Beteiligte eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens i n Betracht kommt. Allerdings liegt es nahe, hier an diejenigen Grundsätze anzuknüpfen, die von der Rechtsprechung und i n der Literatur für den so genannten Kommunalverfassungsstreit entwickelt worden sind. 4 6 3 Dabei ist richtigerweise davon auszugehen, dass das so genannte Rechtsträgerprinzip des § 78 V w G O auf diese Verfahren nicht anwendbar i s t . 4 6 4 Daher kann der einzelne Lehrer unmittelbar gegen einen Konferenzbeschluss klagen und i m Wege einer Feststellungsklage eine Verletzung seiner pädagogischen Freiheit geltend machen. Nichts anderes gilt im Übrigen auch für die allfälligen Streitigkeiten zwischen der Konferenz und dem Schulleiter: Während der Schulleiter Konferenzbeschlüsse beanstanden und auf diese Weise eine Entscheidung der Schulaufsichtsbehörden herbei führen kann, hat die Konferenz ihrerseits nämlich keine Möglichkeit, sich in einem verwaltungsinternen Verfahren gegen Kompetenzüberschreitungen durch den Schulleiter zur Wehr zu setzen. 465 Vergleichbare Probleme ergeben sich auch dann, wenn ein Beschluss der Konfe-

beschlüsse gegebenenfalls zu beanstanden. Eine echte und wohl auch planwidrige Regelungslücke besteht jedoch in Bezug auf das Remonstrationsrecht, da die Schulgesetze den Lehrern keine Möglichkeit einräumen, sich von der persönlichen Verantwortung für die Ausführung eines Konferenzbeschlusses zu befreien. Richtigerweise ist daher davon auszugehen, dass ein Lehrer weder disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden noch in Regress genommen werden kann, wenn er einen Konferenzbeschluss trotz seiner fortbestehenden Zweifel in Bezug auf die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung ausführt nachdem er seine Bedenken beim Schulleiter und den Schulaufsichtsbehörden geltend gemacht hat. 463

Vgl. dazu ausführlich Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 21: Auch hier geht es darum, dass Organe oder Organteile einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft ihre Kompetenzen gegen Übergriffe durch andere Organe dieser Körperschaft schützen. Geht man wie hier davon aus, dass die Lehrer ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit haben, dann muss ihnen auch dann die Möglichkeit gegeben werden, eine Verletzung dieses Rechts geltend zu machen, wenn dies innerhalb des starren Rahmens der in der VwGO ausdrücklich geregelten Verfahrens nicht möglich ist. 464 Vgl. dazu Hufen, Verwaltungsprozessrecht, a.a.O., Rn. 10. Die Konferenz ist als „sonstige Vereinigung" im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO beteiligtenfähig, so auch AvenariuslHeckel, Tz. 34.343. 465

Hier ergibt sich allerdings das äußerst pikante Problem, dass der Schulleiter gegen sich selbst klagt, da er auch Vorsitzender der Konferenz ist und diese nach außen vertritt.

228

D. Das Innenerhältnis

renz aufgrund einer Beanstandung des Schulleiters durch die Schulaufsichtsbehörde aufgehoben wurde, die Konferenz dies aber nicht hinnehmen will. Dabei ist zu beachten, dass der Zuständigkeitsbereich der Konferenzen in der Regel nicht abschließend bestimmt ist, sodass es im Einzelfall immer wieder streitig sein kann, ob sie oder der Schulleiter für eine bestimmte Entscheidung zuständig ist.

Bei alledem ist zu beachten, dass die Lehrerkonferenzen keineswegs auf Entscheidungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Erziehung und dem Unterricht beschränkt sind. Vielmehr unterscheidet sich die Rechtsstellung der Lehrer auch insofern von derjenigen der übrigen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes, als sie zusammen mit ihren jeweiligen Kolleginnen und Kollegen sehr weit reichende Mitbestimmungsrechte genießen: So entscheidet die Gesamtlehrerkonferenz in Baden-Württemberg gemäß § 45 Abs. 2 BW-SchG i.V.m. § 2 Abs. 1 BWKonfO nicht nur über allgemeine Fragen der Erziehung und des Unterrichts an der Schule (Nr. 1), die Schul- und Hausordnung (Nr. 3), allgemeine Fragen der Klassenarbeiten und Hausaufgaben (Nr. 4), sondern unter anderem auch über die Verwendung der der Schule zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel (Nr. 7) und über Fragen der Fortbildung der Lehrer (Nr. 2). Noch wesentlich weiter reichen die Befugnisse der Gesamtlehrerkonferenz in einigen anderen Ländern, in denen die Lehrerkonferenz nach einer Vorauswahl durch die Schulaufsichtsbehörden darüber zu entscheiden hat, welcher von mehreren Bewerbern Schulleiter werden soll. 466 Diese weit reichenden Entscheidungsbefugnisse der Lehrerkonferenzen sind vor allem deshalb von Bedeutung, weil ihre Beschlüsse grundsätzlich nur durch die Schulaufsichtsbehörden und nur dann aufgehoben werden können, wenn die Konferenz gegen geltende Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder (verbindliche) Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden verstoßen hat. 467 Völlig unabhängig davon, ob und inwieweit die Gesetzgeber die Reichweite der Fachaufsicht ausdrücklich beschränkt haben, ist auch hier zu beachten, dass weder die Aufsichtsbehörden noch die Gerichte dazu in der Lage sind, die komplexen Motive, die dem betreffenden Konferenzbeschluss zugrunde liegen, in jeder Hinsicht nachzuvollziehen. Daher steht ihnen ebenso wie anderen Sachverständigengremien ein gewisser Spielraum zu, der sich einer umfassenden Fachaufsicht ebenso entzieht wie einer lückenlosen gerichtlichen Kontrolle. 468 466

Vgl. etwa § 23 Abs. 3 BerlSchVerfG, § 31 Abs. 3 S. 1 LSA-SchG.

467

Vgl. statt vieler § 44 Abs. 3 S. 2 BW-SchG oder § 71 Abs. 3 S. 1 BbgSchG; noch enger § 22 Abs. 5 S. 1 BerlSchVerfG, § 16 Abs. 6 SaarSchMG, wo nur von Verstößen gegen „geltende Bestimmungen" die Rede ist. 468

Vgl. BVerwGE 12, S. 20; BVerwGE 59, S. 213; BVerwGE 62, S. 330, 337 ff.; BVerwGE 72, S. 195 oder auch BVerwGE 77, S. 75, 77 f.

V. Der Lehrer und die Konferenzen

229

2. Die Schulkonferenz Nichts anderes gilt für die Schulkonferenzen, denen nicht nur Vertreter der Lehrer, sondern auch Vertreter der Schüler, Eltern und der übrigen Beteiligten des Schulverhältnisses angehören und die i n fast allen Ländern Mitwirkungs- und Mitentscheidungsrechte bei solchen Fragen haben, die von wesentlicher Bedeutung für die Schule in ihrer Gesamtheit sind: 4 6 9 Dies betrifft etwa den Namen der Schule, die Frage, ob an fünf oder sechs Tagen in der Woche Unterricht erteilt w i r d oder auch die Schul- und Hausordnung. 4 7 0 Darüber hinaus muss die Schulkonferenz in einigen Ländern beteiligt werden, bevor bestimmte, besonders schwerwiegende

Erziehungs-

und

Ordnungsmaßnahmen

verhängt

werden

können. 4 7 1 I n einigen Ländern sind die Gesetzgeber noch etwas weiter gegangen, indem sie der Schulkonferenz das Recht zugestanden haben, über das „Schulprogramm" zu entscheiden. 4 7 2 M i t diesem Programm kann sich die einzelne Schule ein Profil verschaffen, das sie von anderen Einrichtungen unterscheidet. 473 Zwar bedarf das 469 Vgl. §47 Abs. 1 BW-SchG und zusammenfassend A vemznWHeckel, Tz. 7.321. Auf Anhörungsrechte beschränkt sind nur das „Schulforum" gemäß Art. 69 BayEUG und der „Schulausschuss" gemäß § 38 RP-SchG. Auch die Schulkonferenz nach § 43 SächsSchG hat nur relativ eng begrenzte Entscheidungsrechte.

In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gibt es keine Schulkonferenz. Hier sind Vertreter der Eltern und Schüler an den „normalen" Konferenzen auf allen Ebenen beteiligt, vgl. § 36 NdsSchG, § 29 LSA-SchG. 470

Vgl. § 47 Abs. 3 Nr. 2 und 4 bzw. Abs. 5 Nr. 1 BW-SchG.

471

Vgl. § 90 Abs. 4 BW-SchG oder § 28 Abs. 2 Nr. 4 RP-SchG.

472

Vgl. § 33 Abs. 2 S. 4 Nr. 1 BremSchVerwG, § 53 Abs. 1 HambSchG, § 129 Nr. 1 HessSchG, § 92 Abs. 2 Nr. 1 SH-SchG sowie auch § 91 Abs. 2 Nr. 1 BbgSchG. Nach § 32 S. 1 NdsSchG sind die Schulen im Rahmen der staatlichen Verantwortung und der Rechts- und Verwaltungsvorschriften selbständig in Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts, in der Erziehung, in ihrer Organisation und Verwaltung. Eine ähnliche Klausel enthält § 24 LSA-SchG, nach dem den Schulen für ihre pädagogische Arbeit Budgets zur Verwendung in eigener Verantwortung zur Verfügung gestellt werden sollen. 473 Beispielhaft ist insofern die Formulierung in § 127b Abs. 2 HessSchG: „Durch ein Schulprogramm gestaltet die Schule den Rahmen, in dem sie ihre pädagogische Verantwortung für die eigene Entwicklung und die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit wahrnimmt. Sie legt darin auf der Grundlage einer Bestandsaufnahme die Ziele ihrer Arbeit in Unterricht, Erziehung, Beratung und Betreuung unter Berücksichtigung des allgemeinen Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule und der Grundsätze ihrer Verwirklichung ( § § 2 und 3 HessSchG), die wesentlichen Mittel zum Erreichen dieser Ziele und die erforderlichen Formen der Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrer fest. Im Schulprogramm sind Aussagen zum Beratungs- und Fortbildungsbedarf, zur Organisations-

230

D. Das Innenerhältnis

Programm der Zustimmung durch die jeweilige Schulaufsichtsbehörde. 474 Dennoch haben die Schulen damit relativ weit reichende Möglichkeiten, selbst darüber zu entscheiden, wie die vorgegebenen Bildungs- und Erziehungsziele erreicht werden sollen. O b w o h l sie de jure nicht-rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bleiben, 4 7 5 werden die Schulen damit materiell

zu Selbstverwaltungskör-

perschaften. 476 In einigen Ländern hat die Schulkonferenz auch maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung der Schulleiterstelle. 477 Sofern die Schulkonferenzen echte Entscheidungsbefugnisse haben, sind die Lehrer durchweg auch an ihre Beschlüsse gebunden. 4 7 8 A u c h hier ist allerdings zu beachten, dass die Schulkonferenzen in den allermeisten Ländern ausdrücklich dazu verpflichtet worden sind, ihrerseits die pädagogische Freiheit der Lehrer zu

entwicklung und zur Personalentwicklung der Schule zu machen. Die Schule kann unter Nutzung der unterrichtsorganisatorischen und inhaltlichen Gestaltungsräume ihre Schwerpunkte setzen, sich so ein eigenes pädagogisches Profil geben und, insbesondere unter Berücksichtigung der Bedürfnisse ihres Umfeldes ( § 1 6 HessSchG), besondere Aufgaben wählen." 474 Vgl. § 9 Abs. 1 S. 4 BremSchG, § 51 Abs. 2 S. 2 HambSchG, § 127b Abs. 4 S. 1 HessSchG, § 3 Abs. 1 S. 2 SH-SchG. 475 Genau aus diesem Grund wird regelmäßig betont, dass es eine echte „Selbstverwaltung" im Bereich des Bildungswesen zumindest derzeit nicht gibt, da die Schulen keinen rechtlich geschützten, eigenen Wirkungskreis haben, vgl. statt vieler Hufen, FS Vogel, S. 53, 62 f.; Schmidt, N V w Z 1997, S. 456, 459. 476

Daher ist es kaum zu erklären, wieso der Gesetzgeber in Hessen nicht nur dem Schulleiter, sondern auch den Schulaufsichtsbehörden die Pflicht zugewiesen hat, über die Einhaltung des Schulprogramms zu wachen, vgl. § 88 Abs. 4 S. 3 HessSchG und § 93 Abs. 1 HessSchG, sowie oben unter D.III. 1 .a.cc. 477 Vgl. § 73 Abs. 4-5 BbgSchG, § 93 HambSchG; vgl. auch § 40 BW-SchG oder § 33 Abs. 2 ThürSchG (Mitwirkung der Schulkonferenz) oder § 88 SH-SchG (Entscheidung durch Schulleiterwahlausschuss aus Lehrern, Eltern und Schülern); vgl. auch § 47 NdsSchG (Ein Findungsausschuss, dem auch Vertreter der Eltern und Schüler angehören, erstellt eine Liste der Bewerber, die Grundlage für die Entscheidung durch die Schulbehörde ist) oder §31 Abs. 3 S. 1 LSA-SchG (Wahl des Schulleiters durch die Gesamtkonferenz, der auch Vertreter der Eltern und Schüler angehören). 478

Vgl. § 47 Abs. 7 S. 1 BW-SchG, sowie die Nachweise in Fn. 458 auf S. 225. Auffallenderweise wurden die Lehrer in Sachsen nicht ausdrücklich an die Beschlüsse der Schulkonferenz gebunden, vgl. § 43 SächsSchG im Unterschied zur Regelung des § 44 SächsSchG über die Lehrerkonferenzen. Dies erklärt sich vor allem damit, dass die Schulkonferenz ohnehin nur sehr beschränkte Entscheidungsbefugnisse hat. Darüber hinaus ist zu beachten, dass auch ihre Entscheidungen als „Anordnungen" im Sinne des § 40 Abs. 2 SächsSchG anzusehen sind.

V. Der Lehrer und die Konferenzen

231

respektieren. 479 Selbst w o dies, wie i n Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen, nicht geschehen ist, können sich die Lehrer zumindest mittelbar gegen eine Verletzung ihrer pädagogischen Freiheit zur Wehr setzen, da die Schulkonferenzen auf Grundsatzentscheidungen beschränkt wurden und daher jedenfalls dann, wenn sie ihren Zuständigkeitsbereich beachten, überhaupt nicht i n der Lage sind, in die konkrete Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der Lehrer einzugreifen. 4 8 0

3. Zusammenfassung A u c h wenn hier nicht i n aller Ausführlichkeit auf die Konferenzen und ihre Funktion i m Rahmen des Schulverhältnisses eingegangen werden kann, sollte deutlich geworden sein, dass diese Gremien zumindest drei Zwecken dienen:

479

Vgl. aber § 10 Abs. 1 S. 2 BerlSchVerfG, § 67 Abs. 2 S. 2 BBGSCHG, § 59 Abs. 2 S. 2 BremSchG, § 86 Abs. 2 S. 1 HessSchG, § 100 Abs. 2 S. 4 MV-SchG, § 34 Abs. 3 NdsSchG, § 3 Abs. 2 S. 2 NRW-SchMG, § 28 Abs. 1 S. 2 SaarSchOG sowie § 5 SaarSchMG, § 27 Abs. 2 LSA-SchG. Auch in Schleswig-Holstein ist die Schulkonferenz nicht ausdrücklich dazu verpflichtet, die pädagogische Freiheit der Lehrer zu respektieren. Dies ist aber schon deshalb unproblematisch, weil diese in § 83 Abs. 1 S. 2 SH-SchG nur an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, sowie an die Weisungen ihrer Vorgesetzten gebunden wurden, nicht aber an die Konferenzbeschlüsse. 480 Gemäß § 47 Abs. 3 BW-SchG entscheidet die Schulkonferenz insbesondere über Schulpartnerschaften, über die Verteilung des Unterrichts auf fünf oder sechs Wochentage, den Unterrichtsbeginn und den Tag der Einschulung in die Grundschule, über allgemeine Angelegenheiten der Schülermitverantwortung, über die Grundsätze für die Einrichtung freiwilliger Arbeitsgemeinschaften und über die Anforderung von Haushaltsmitteln gegenüber dem Schulträger. Nach Abs. 5 dieser Bestimmung bedürfen einige andere Entscheidungen des Einverständnisses der Schulkonferenz: namentlich die Schul- und Hausordnung, Beschlüsse zu allgemeinen Fragen der Klassenarbeiten und Hausaufgaben sowie zur einheitlichen Durchführung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften an der Schule und die Grundsätze über die Durchführung von besonderen Schulveranstaltungen und außerunterrichtlichen Veranstaltungen.

Zwar hat die Schulkonferenz in Hamburg sehr weit gehende Entscheidungsrechte, vgl. § 53 HambSchG. Auf die eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der Lehrer wirkt sich aber wohl nur die Entscheidung über das Schulprogramm aus. Auch dieses Programm muss sich aber auf die Darstellung der wesentlichen Grundsätze beschränken. In Sachsen hat die Schulkonferenz ohnehin keine „echten" Entscheidungsbefugnisse. Zwar ist für bestimmte Entscheidungen gemäß § 43 Abs. 2 S. 1 SächsSchG ihr Einverständnis erforderlich. Allerdings kann dieses Einverständnis nach S. 2 der Bestimmung durch eine Entscheidung der Schulaufsichtsbehörde ersetzt werden.

232

D. Das Innenerhältnis

- Zum einen handelt es sich um ein höchst differenziertes verwaltungsinternes Kontrollsystem, mit dem einem möglichen Missbrauch der pädagogischen Freiheit durch einzelne Lehrer entgegengewirkt werden kann. - Zum anderen beruhen die Entscheidungsbefugnisse der Konferenzen aber ihrerseits auf denselben Grundlagen wie diese pädagogische Freiheit: Auch die Konferenzen haben ihre Existenz letztendlich dem Umstand zu verdanken, dass der Gesetzgeber das Schulverhältnis nur unvollkommen geregelt und sich im wesentlichen darauf beschränkt hat, bestimmte Erziehungs- und Bildungsziele, sowie das Verfahren und die Zuständigkeit für schulische Entscheidungen zu regeln. Die Entscheidung darüber, wie der vorgegebene Bildungs- und Erziehungsauftrag umgesetzt werden soll, bleibt damit denjenigen vorbehalten, die diesen Auftrag letztendlich erfüllen müssen: nämlich den Lehrern. -

Schließlich zeugt insbesondere die Existenz der Schulkonferenzen davon, dass die Schulen, unabhängig davon, dass sie de jure immer noch nicht-rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts sein mögen, im Ergebnis zu „partiellen Selbstverwaltungskörperschaften" geworden sind. 481 Da weder der Schulleiter noch die Schulaufsichtsbehörden und schon gar nicht die Gerichte dazu in der Lage sind, die Entscheidungen der Lehrer und der Konferenzen in jeder Hinsicht zu überprüfen, sind sie im Ergebnis auf eine reine Rechtsaufsicht beschränkt - wobei es die Gesetz- und Verordnungsgeber jedenfalls in gewissen Grenzen in der Hand haben, die Reichweite dieser Aufsichtsrechte zu beeinflussen, indem sie den Lehrern und Konferenzen mehr oder weniger bestimmte Vorgaben machen.

VI. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit eines subjektiven Rechts auf pädagogische Freiheit Damit liegt aber die letzte Frage auf der Hand, die im Rahmen dieser Untersuchung erörtert werden soll: Wie bereits dargelegt wurde, ist die pädagogische Freiheit zwar insofern in der Verfassung verwurzelt, als die Gesetzgeber den Lehrern einen gewissen Spielraum für ihre Tätigkeit belassen müssen, weil die Lehrer nur unter dieser Voraussetzung dazu in der Lage sind, die durch die Verfassung vorgegebenen Erziehungsziele zu erreichen. 482 Auch wenn es danach

481 Auf diesen Umstand hat schon Hennecke, FS v. Unruh, S. 931,947 ff., hingewiesen, der allerdings zu weit geht, wenn er schon die faktischen Mitwirkungsmöglichkeiten der Eltern und Schüler unabhängig von ihrer rechtlichen Begründung als Ausdruck einer „Selbstverwaltung" ansieht. 482

Vgl. dazu oben unter D.I.3.

VI. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der pädagogischen Freiheit

233

ausgeschlossen ist, den Lehrern bis ins letzte Detail vorzuschreiben, wie sie sich in einer ganz bestimmten Situation zu verhalten haben, bedeutet dies aber keineswegs, dass das subjektive Recht auf pädagogische Freiheit, das hier als notwendige Konsequenz aus den Bestimmungen über die pädagogische Eigenverantwortung herausgearbeitet wurde, ohne weiteres mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbar ist: Vielmehr könnte dieses Recht zum einen im Widerspruch zum Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht stehen [1.] und zum anderen gegen das demokratische Prinzip des Grundgesetzes verstoßen, weil die hier aufgezeigten Beschränkungen der Aufsichtsbefugnisse im Ergebnis dazu führen, dass der jeweils zuständige Fachminister nicht mehr dazu in der Lage ist, gegenüber dem Parlament in jeder Hinsicht die Verantwortung für die Entscheidungen und Maßnahmen der Lehrer zu übernehmen [2.].

1. Die pädagogische Freiheit und der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht Die Frage, ob und inwieweit sich ein rechtlich geschützter Freiraum zugunsten der Lehrer oder gar ein subjektives Recht auf pädagogische Freiheit mit dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht vereinbaren lässt, ist keineswegs neu: Wie bereits dargelegt wurde, haben insbesondere Fritz Ossenbühl und Gerhard Eiselt im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Schulrechts-Kommission des Deutschen Juristentages Zweifel geäußert, ob es zulässig wäre, die Lehrer in Bezug auf ihre Unterrichts- und Erziehungsarbeit nur noch der Rechtsaufsicht zu unterstellen. Während Ossenbühl diese Frage letztendlich offen gelassen hat, 483 stellte Eiselt ohne nähere Begründung fest, dass der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht „aus verfassungsrechtlichen Gründen" Vorrang vor der wie auch immer zu begründenden pädagogischen Freiheit habe, da die Effektivität der parlamentarischen Verantwortung gewährleistet werden müsse.484 Nachdem die entsprechenden Vorschläge der Schulrechtskommission in keinem Land umgesetzt wurden und sich in der Rechtsprechung relativ schnell die - wie hier gezeigt wurde, unzutreffende - Ansicht durchgesetzt hat, dass die Lehrer aus den Bestimmungen über ihre pädagogische Eigenverantwortung keine subjektiven Rechte ableiten können, wurde das Spannungsverhältnis zwischen der pädagogischen Freiheit und dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht nicht mehr problematisiert. Allerdings hat die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, die Reichweite der Fachaufsicht im Bereich des öffentli-

483

Ossenbühl, DVB1. 1982, S. 1157, 1162.

484

Eiselt, DÖV 1981, S. 820, 825.

234

D. Das Innen Verhältnis

chen Bildungswesens einzuschränken, im Zusammenhang mit der Diskussion um eine rechtliche Verselbständigung der Schulen durchaus eine gewichtige Rolle gespielt. Im November 1994 hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof auf Antrag des Staatsministeriums ein Volksbegehren für unzulässig erklärt, mit dem unter anderem erreicht werden sollte, dass jede Schule ihre Angelegenheiten im Rahmen der geltenden Gesetze und Verordnungen in eigener Verantwortung regeln darf, wobei das so genannte „Schulforum" aus Vertretern der Eltern, Schüler und Lehrer unter anderem über „wesentliche Fragen der Schulorganisation" und die „Bildung eines pädagogischen Profils der Schule" entscheiden sollte. 485 Der Verfassungsgerichtshof hielt diese Vorschläge für unvereinbar mit dem in Art. 130 Abs. 1 BayV festgeschriebenen Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht, da sich aus diesem Grundsatz auch eine Pflicht des Staates ergebe, die ihm eingeräumte Kompetenz tatsächlich wahrzunehmen. Diese Pflicht werde aber jedenfalls dann verletzt, wenn der Staat wesentliche Fragen der Schulgestaltung durch Gesetz auf schulische Selbstverwaltungsgremien überträgt, ohne zugleich sicherzustellen, dass die Schulverwaltung diese Entscheidungen umfassend überprüfen kann. 486 Letztendlich zum selben Ergebnis ist auch der Hessische Staatsgerichtshof im Rahmen seiner Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit zahlreicher Bestimmungen des im Jahre 1992 grundlegend reformierten Schulgesetzes gekommen.487 Zwar erklärte das Gericht die Bestimmung über die Kompetenzen der Schulkonferenz, § 129 HessSchG, im Oktober 1995 für verfassungsgemäß. Allerdings stellte es dabei unmissverständlich klar, dass dies nur deshalb gelte, weil die Schulkonferenz als Organ der Schule der uneingeschränkten staatlichen Fachaufsicht unterliege. Nur durch das Beanstandungsrecht der Schulleiter, das tatsächlich eine Beanstandungsp/Z/c/tf sei, und die Fachaufsicht durch die Schulaufsichtsbehörden sei eine hinreichende Kontrolle sichergestellt. 488 Genau aus diesen Gründen hat es der niedersächsische Staatsgerichtshof im Jahre 1996 schließlich für zulässig erklärt, Vertreter der Eltern und Schüler an 485 Vgl. § 1 Nr. 23 des Gesetzentwurfes, abgedruckt im Zusammenhang mit der Entscheidung des BayVerfGH, BayVBl. 1995, S. 173. 486

BayVerfGH,

487

HessStGH, SPE Nr. 740.1.

488

BayVBl. 1995, S. 173, 174 f.

HessStGH, SPE Nr. 740.1, S. 75. Das Gerichte betonte dabei ausdrücklich - und zu Recht - , dass die einschränkende Bestimmung des § 93 Abs. 2 HessSchG in Bezug auf die Aufsicht über den Unterricht und die Erziehung hier nicht anwendbar ist, da die Konferenz insofern keine Kompetenzen hat. Auf die Frage, ob eine umfassende Aufsicht tatsächlich möglich ist, ging der HessStGH nicht ein.

VI. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der pädagogischen Freiheit

235

Konferenzentscheidungen zu beteiligen. 489 Nach Ansicht des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes müssen vor allem die Entscheidungen über Zeugnisse, Versetzungen, Abschlüsse und Übergänge den Lehrern vorbehalten bleiben, da diese Entscheidungen in besonderem Maße fachliche und pädagogische Kenntnisse und Erfahrungen erfordern, die Eltern und Schülern nach Ansicht des Gerichtes mangels einer entsprechenden Ausbildung und Berufserfahrung in der Regel fehlen. Zudem - und dies ist im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung von besonderem Interesse - schließe die Vielzahl der zu treffenden Einzelentscheidungen über Zeugnisse, Versetzungen, Abschlüsse und Übergänge, deren Grundlagen und deren Zustandekommen nur begrenzt dokumentierbar sind, eine effektive nachträgliche Kontrolle aus, sodass die staatliche Schulhoheit nur gewahrt sei, wenn die Entscheidungen selbst durch die Lehrkräfte „als Gewährsträger der Schulhoheit" getroffen werden. 490 Spätestens hier wird deutlich, dass es in allen drei Verfahren tatsächlich überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie darum gegangen ist, ob und unter welchen Umständen es mit dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht vereinbar ist, die Reichweite der Aufsichtsbefugnisse im Bereich des Bildungswesens zu beschränken. Im Mittelpunkt stand vielmehr die Frage, ob es zulässig ist, Personen an schulischen Entscheidungen zu beteiligen, die nicht durch den Staat und damit auch nicht höchst mittelbar demokratisch legitimiert sind. Tatsächlich hindern Art. 7 Abs. 1 GG und die vergleichbaren Bestimmungen der Landesverfassungen 491 den Gesetzgeber nicht unter allen Umständen daran, die Aufsichts- und Eingriffsbefugnisse der Schulaufsichtsbehörden in gewissen Grenzen zu beschränken: Schließlich dient der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht, wie bereits zu Beginn der vorliegenden Untersuchung dargelegt wurde, 492 zunächst und in erster Linie dazu, der Verpflichtung des Staates, zur Neutralität in Fragen des Glaubens und der Weltanschauung auch im Bereich des öffentlichen Schulwesens zur Durchsetzung zu verhelfen. Art. 7 Abs. 1 GG soll also nicht die „staatliche Schul aufsieht' gewährleisten, sondern vielmehr die „,staatliche Schulaufsicht". Aus dieser Perspektive wird nun aber deutlich, dass der Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht den Gesetz- und Verordnungsgeber keineswegs daran hindert, bestimmte Entscheidungen auf die Lehrer zu übertragen, ohne gleichzeitig sicher489

NdsStGH NVwZ 1997, S. 267, 270; zustimmend Niehues, Schulrecht, Rn. 69.

490

NdsStGH, NVwZ 1997, S. 267, 271.

491

Vgl. etwa Art. 130 Abs. 1 BayV oder Art. 27 Abs. 3 S. 1 RP-V.

492

Vgl. dazu oben unter B.I.2.a.

236

D. Das Innenerhältnis

zustellen, dass deren Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen in jeder Hinsicht durch den Schulleiter bzw. die Schulaufsichtsbehörden überprüft werden können. Er muss lediglich gewährleisten, dass die Lehrer die vorgegebenen Bildungs- und Erziehungsziele erreichen können und auf der anderen Seite verhindern, dass Lehrer ihre pädagogische Freiheit dazu nutzen, um den Grundsatz der Neutralität des Staates in Fragen des Glaubens und der Weltanschauung zu unterlaufen. Sofern die gesetzlichen Vorgaben hinreichend bestimmt sind, ist daher auch die Beschränkung auf eine reine Rechtsaufsicht zulässig. Ob der Lehrer ein Recht auf pädagogische Freiheit hat oder ob die Aufsichtsbefugnisse lediglich objektiven Beschränkungen unterliegen, spielt insofern keine Rolle. 493

2. Die pädagogische Freiheit und das demokratische Prinzip Wesentlich schwieriger zu beantworten ist demgegenüber die Frage, ob es mit dem demokratischen Prinzip des Grundgesetzes vereinbar ist, wenn den Lehrern ein Spielraum für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit eingeräumt wird, ohne dass ihre Entscheidungen durch die Schulaufsichtsbehörden umfassend kontrolliert werden können. Auch diese Frage wurde in der Vergangenheit regelmäßig im Hinblick auf die Stellung der Schulkonferenz und die Autonomie der Einzelschule diskutiert: Günter Püttner hat bereits 1988 daraufhingewiesen, dass die Entscheidungsbefugnisse der Schulkonferenz im Hinblick auf die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Reichweite des Demokratiegebotes durchaus nicht unproblematisch sind. 494 Während er versucht hat, den Konflikt durch die Bildung von „Teilvölkern" aufzulösen,495 hat sich in den letzten Jahren die Ansicht durchgesetzt, dass es nicht 493

In diesem Sinne auch AK-GG-Richter, Art. 7 GG, Rn. 23/49. Auch Avenarius, RdJB 1994, S. 256,261, hält die Selbstverwaltung der Schule im Hinblick auf Art. 7 Abs. 1 GG jedenfalls dann für unproblematisch, sofern die religiöse und weltanschauliche Neutralität der öffentlichen Schulen und ein hinreichender Schutz der Grundrechte der Schüler gewährleistet sind. Auf die Stellung der Lehrer geht er dabei allerdings nicht ein. Vgl. auch Niehues, Schulrecht, Rn. 64, der allerdings in Rn. 69 eine umfassende und möglichst effiziente Fachaufsicht voraussetzt und damit noch über das hinaus geht, was der NdsStGH, NVwZ 1997, S. 267, gefordert hatte. Im Ergebnis wären die Schulen damit auch materiell keine Selbstverwaltungskörperschaften mehr. Diese restriktive Haltung steht im Widerspruch zu der ebenfalls von Niehues, Schulrecht, Rn. 517/520 ff., aufgestellten - und durchaus zutreffenden - These, dass es zulässig ist, den Lehrern einen Anspruch auf pädagogische Freiheit einzuräumen, obwohl man sie damit im Ergebnis einer umfassenden Fachaufsicht entzieht. 494

Püttner, DÖV 1988, S. 357, 359 f.

495

Püttner, DÖV 1988, S. 357,361 f. Im Ergebnis bedeutet dies aber nichts anderes als

VI. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der pädagogischen Freiheit

237

darauf ankomme, ob alle Mitglieder von Entscheidungsgremien als Person demokratisch legitimiert sind, sondern vielmehr darauf, ob insgesamt eine effektive demokratische Kontrolle gewährleistet ist. Dieses Ziel könne aber auch dadurch erreicht werden, dass die Entscheidungen der betreffenden Gremien ihrerseits einer umfassenden Kontrolle durch staatliche Organe unterliegen. 496 Wendet man diese Argumente nun auf die Stellung des einzelnen Lehrers an, kommt man zu dem Ergebnis, dass ein Recht auf pädagogische Freiheit ebenso im Widerspruch zum demokratischen Prinzip zu stehen scheint, wie ein (nur) objektiver, aber rechtlich abgesicherter Freiraum für die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit, da in beiden Fällen keine effektive demokratische Kontrolle stattfindet: Zwar ist der Lehrer als Person selbst hinreichend demokratisch legitimiert, da ihm sein Amt durch einen anderen Amtsträger übertragen wurde, der seinerseits personell legitimiert ist. Obwohl damit jedenfalls insofern die vom Bundesverfassungsgericht geforderte „ununterbrochene Legitimationskette" vorliegt, 497 handelt der Lehrer hier aber nicht im Auftrag und nach Weisung der Regierung. Dieses Kontrolldefizit kann auch nicht dadurch ausgeglichen werden, dass er selbstverständlich an die vom Parlament beschlossenen Gesetze und andere Rechtsnormen gebunden ist - denn schließlich ergibt sich sein Spielraum gerade daraus, dass ihm durch diese Rechtsnormen kein abschließendes Entscheidungsprogramm vorgegeben wird. Bei alldem ist jedoch zu beachten, dass auch das demokratische Prinzip bestimmten Beschränkungen unterliegt. Eine (partielle) Durchbrechung des demokratischen Legitimationszusammenhangs ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn dies erforderlich ist, um anderen durch die Verfassung geschützten Rechtsgütern zur Durchsetzung zu verhelfen. Da die pädagogische Freiheit der Lehrer letztendlich darin begründet ist, dass es dem Staat unmöglich wäre, die Kinder und Jugendlichen zu selbstverantwortlichen Mitgliedern der Gesellschaft zu erziehen, wenn er den Lehrern bis ins letzte Detail vorschreiben würde, was sie zu tun

dass die Schulen zu (partiellen) Selbstverwaltungskörperschaften gemacht werden, die ihrerseits demokratisch organisiert sind. 496 In diesem Sinne etwa NdsStGH, N V w Z 1997, S. 267, 271 unter Hinweis auf das „Mitbestimmungsurteil" des BVerfG (E 93, S. 37,66 f.). Vgl. auch Hufen, FS Vogel, S. 53, 65 f.; Niehues, Schulrecht, Rn. 69; Richert, RdJB 1997, S. 393. Deutlich kritischer hat sich Geis, FS Vogel, S. 31, 45 ff., geäussert, der bemängelt, dass die Gerichte kein Kriterium für die Effektivität der Aufsichtsbefugnisse benannt haben. Nach seiner Auffassung bedürfen alle Entscheidungen, die den staatlichen Erziehungsauftrag betreffen, der vorherigen Genehmigung, a.a.O., S. 50. 497

Vgl. dazu BVerfGE

83, S. 60, 73; BVerfGE 93, S. 37, 67.

238

D. Das Innen Verhältnis

und zu lassen haben, liegt es auf der Hand, dass das Bedürfnis nach einer umfassenden demokratischen Kontrolle hier zurückstehen muss.498 Auch in Bezug auf die Diskussion über die Autonomie der einzelnen Schule ist zu beachten, dass Demokratie und Selbstverwaltung keineswegs Gegensätze sind. 499

Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass das hier dargestellte Recht der Lehrer auf pädagogische Freiheit weder im Widerspruch zum Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht steht, noch das demokratische Prinzip verletzt. Ob und inwieweit der Gesetzgeber dazu verpflichtet ist, den Lehrern selbst ein Entscheidungsprogramm vorzugeben, oder zumindest sicherzustellen, dass ihre Entscheidungen und sonstigen Maßnahmen durch die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden umfassend geprüft und gegebenenfalls abgeändert oder aufgehoben werden können, hängt in erster Linie von der Intensität ab, mit der die Lehrer in die Grundrechte der ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen bzw. ihrer Eltern eingreifen können. Sofern ein hinreichender Grundrechtsschutz gewährleistet ist, spricht aber nicht nur nichts dagegen, den Lehrern die Entscheidung darüber zu überlassen, wie die vorgegebenen Bildungs- und Erziehungsziele erreicht werden sollen. Vielmehr erscheint es geradezu geboten, ihnen einen möglichst weit reichenden Spielraum für die eigenverantwortliche Gestaltung der Erziehung und des Unterrichts zu belassen, weil sie nur dadurch in die Lage versetzt werden, eine persönliche Beziehung zu ihren Schülerinnen und Schülern aufzubauen, ohne die eine erfolgreiche Erziehungstätigkeit schlichtweg ausgeschlossen erscheint.

498

Vgl. in diesem Sinne auch Höfling, RdJB 1997, S. 361, 366 ff., der auf S. 370 zu Recht daraufhinweist, dass das Bundesverfassungsgericht nicht nur eine ununterbrochene Legitimationskette verlangt, sondern auch ohne weiteres davon ausgeht, dass der einzelne Lehrer einen gewissen Freiraum für die eigenverantwortliche Gestaltung seiner Tätigkeit benötigt. Diese Ziele lassen sich aber nicht gleichzeitig erreichen. 499 Vgl. dazu schon ausführlich Frotscher, FS v. Unruh, S. 127 ff., der zu Recht darauf hinweist, dass auch die Selbstverwaltung öffentliche Verwaltung ist (a.a.O., S. 141 f.) und betont, dass innerhalb einer Selbstverwaltungskörperschaft das demokratische Prinzip gelten muss (a.a.O., S. 143). Allerdings geht Frotscher nicht auf die Frage ein, ob die Schulen Selbstverwaltungskörperschaften in diesem Sinne sind oder zumindest sein könnten.

„Der schwierige Vorgang des Lehrens und Erziehens kann nur gelingen, wenn der Lehrer so viel Freiheit und Initiative besitzt, dass er dem wachsenden Kinde gegenüber aufgeschlossen bleibt. " Hellmut Becker, Die verwaltete Schule Merkur 1954, S. 1155, 1165

E. Zusammenfassung und Schluss Zum Abschluss der Untersuchung sollen die wichtigsten Ergebnisse nochmals in Thesen zusammengefasst werden: 1. Das Recht des Staates, die Kinder und Jugendlichen der allgemeinen Schulpflicht zu unterwerfen und verbindliche Bildungs- und Erziehungsziele festzuschreiben, ist letztendlich in seiner Verpflichtung begründet, die Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft mit anderen zu schaffen. 2. Zwar sind die Gesetzgeber in den Ländern dazu verpflichtet, die wesentlichen Voraussetzungen für Eingriffe in die Grundrechte der Kinder und Jugendlichen selbst zu regeln. Sie haben sich dabei aber weit gehend damit begnügt, Bildungs- und Erziehungsziele zu formulieren und im Übrigen den Lehrern die Entscheidung darüber zugewiesen, wie diese Ziele konkret erreicht werden sollen. 3. Da bei den meisten Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erziehung und dem Unterricht pädagogische Bewertungen eine Rolle spielen, die sich einer Überprüfung an objektivierbaren Maßstäben und damit einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle entziehen, haben die Lehrer im Außenverhältnis zu den Schülern und ihren Eltern einen relativ weit reichenden Spielraum. 4. Darüber hinaus können sich die Lehrer auch im Innenverhältnis zu ihren Vorgesetzten gegen Eingriffe in ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit zur Wehr setzen: Zwar haben die Lehrer kein Grundrecht auf pädagogische Freiheit. Vielmehr können sie sich in Bezug auf ihre eigentliche Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit grundsätzlich überhaupt nicht auf den Schutz durch die Grundrechte berufen. Zu beachten ist jedoch, dass sich die vorgegebenen Bildungs- und Erziehungsziele überhaupt nur dann erreichen lassen, wenn den Lehrern ein hinreichender Freiraum für ihre Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit verbleibt, da sie nur unter dieser Voraussetzung dazu in der Lage sind, eine persönliche Beziehung zu den ihnen anvertrauten Kindern und Jugendlichen herzustellen.

240

E. Zusammenfassung und Schluss

Indem die Gesetzgeber den Lehrern die unmittelbare pädagogische Verantwortung für die Erziehung und den Unterricht zugewiesen haben, wurde zugleich ein Rechtsanspruch auf pädagogische Freiheit begründet. Die Lehrer können daher zum einen verlangen, dass ihre Vorgesetzten diejenigen Beschränkungen ihrer Weisungs- und Aufsichtsbefugnisse beachten, die sich ausdrücklich aus dem jeweiligen Landesschulgesetz ergeben. Zum anderen können sich die Lehrer unter Berufung auf ihr Recht auf pädagogische Freiheit aber auch gegen solche Anordnungen zur Wehr setzen, die aus anderen Gründen unverbindlich sind. Dies ist deswegen von Bedeutung, weil es mit dem Grundsatz der Rechtsbindung der Verwaltung unvereinbar ist, wenn Beamte durch die Bestimmungen über das Remonstrationsverfahren dazu verpflichtet werden, Einzelweisungen und Verwaltungsvorschriften auch dann zu befolgen, wenn sie damit im Außenverhältnis rechtswidrig handeln würden. Rechtswidrig in diesem Sinne sind dienstliche Anordnungen aber auch dann, wenn die Vorgesetzten oder Aufsichtsbehörden objektiv nicht dazu in der Lage sind, die tatsächlichen Umstände, die einer bestimmten Entscheidung zugrunde liegen, in jeder Hinsicht zu überprüfen. Im Ergebnis wird der „Beurteilungs-,, oder „Bewertungspielraum", den die Gerichte der Verwaltung insbesondere bei Prüfungsentscheidungen und anderen pädagogischen Bewertungen zugestehen, damit zum subjektiven Recht der einzelnen Lehrer. Umgekehrt können die Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden damit grundsätzlich nur unter denselben Voraussetzungen in die Erziehungs- und Unterrichtstätigkeit der einzelnen Lehrer eingreifen wie die Gerichte. 5. Zwar ist nicht auszuschließen, dass Lehrer im Einzelfall ihre pädagogische Freiheit missbrauchen. Der Gesetzgeber und die Schulbehörden haben es jedoch in der Hand, diese Missbrauchsgefahr auf ein Minimum zu reduzieren: Zum einen kann der Gesetzgeber den Lehrern möglichst konkrete Vorgaben machen, deren Beachtung sowohl durch die Gerichte als durch die Schulleiter und die Schulaufsichtsbehörden überprüft werden kann. Zum anderen kann durch eine gute Aus- und vor allem durch eine permanente Weiterbildung der Lehrer sichergestellt werden, dass die Erkenntnisse der Erziehungswissenschaft im Unterricht umgesetzt werden. Und schließlich besteht mit den Konferenzen ein verwaltungsinternes Kontrollsystem. 6. Unter diesen Voraussetzungen ist das subjektive Recht auf pädagogische Freiheit sowohl mit dem Grundsatz der staatlichen Schulaufsicht als auch mit dem demokratischen Prinzip vereinbar. 7. Zwar lassen sich die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung nicht ohne weiteres auf andere Bereiche der öffentlichen Verwaltung übertragen, da nicht alle Beamten einen Anspruch darauf haben, dass ihre Vorgesetzten nur unter den

E. Zusammenfassung und Schluss

gesetzlich geregelten Voraussetzungen in ihre dienstliche Tätigkeit eingreifen. Dennoch ist festzuhalten, dass die hier dargestellten objektiven Beschränkungen der Aufsichtsbefugnisse auch außerhalb des Schulverhältnisses gelten: Sind die Vorgesetzten eines Beamten daher nicht dazu in der Lage, die tatsächlichen Umstände, die einer bestimmten Entscheidung oder sonstigen Maßnahme zugrunde liegen, mit hinreichender Sicherheit nachzuvollziehen, dann können sie auch nur in engen Grenzen prüfen, ob die betreffende Maßnahme zweckmäßig war. Dies betrifft nicht nur diejenigen Fälle, in denen die Gerichte der Verwaltung zu Recht einen „Beurteilungsspielraum" einräumen, sondern auch das so genannte „kognitive Ermessen", also insbesondere Entscheidungen in Gefahr- und Verdachtssituationen und Prognoseentscheidungen, sofern der Normgeber kein hinreichend bestimmtes und damit objektivierbares Entscheidungsprogramm festgelegt hat. Es bleibt zu hoffen, dass die Gerichte ihre Rechtsprechung zu der Frage, ob die Lehrer einen Anspruch auf pädagogische Freiheit haben, kritisch überprüfen und sich der hier vertretenen Auffassung anschließen. Wenn sie das bisher - mit Ausnahme des VGH Kassel - nicht getan haben, dann liegt das möglicherweise daran, dass sie befürchteten, mit einer Vielzahl von Klagen überhäuft zu werden und zu einer noch weiter gehenden Verrechtlichung des Schulverhältnisses beizutragen, die im krassen Widerspruch zu der Erkenntnis steht, dass dieses Verhältnis eben nicht nur oder auch nur in erster Linie ein Rechtsverhältnis ist, sondern eine persönliche Beziehung zwischen Lehrenden und Lernenden ist oder zumindest sein sollte. Mit der vorliegenden Untersuchung sollte ein Beitrag dazu geleistet werden, diese Befürchtungen zu entkräften: Durch die seit vielen Jahren stetig fortentwickelte Dogmatik des so genannten „Beurteilungsspielraums" bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe auf der einen und der Abwägung bei Ermessens- und Planungsentscheidungen auf der anderen Seite, haben die Gerichte das nötige Handwerkszeug, um auch die allfälligen Konflikte im Innenverhältnis zwischen dem Lehrer und seinen Vorgesetzten auf angemessene Weise lösen zu können. Damit die pädagogische Freiheit den mit ihr beabsichtigten Zweck erfüllen kann, sind allerdings vor allem die Schulaufsichtsbehörden gefordert. Während sich nämlich die Gesetz- und Verordnungsgeber weitgehend darauf beschränkt haben, die wesentlichen Grundlagen des Schulverhältnisses selbst zu regeln, um den Lehrern einen hinreichenden Freiraum für die eigenverantwortliche Tätigkeit zu belassen, versuchen die Schulaufsichtsbehörden bis heute, den Lehrern durch eine Vielzahl von Erlassen und Einzelanordnungen einen möglichst engen Rahmen für ihre Tätigkeit zu setzen.1 1

Wobei zu beachten ist, dass auch die Lehrer für diese Entwicklung verantwortlich sind, da sie, um die allfälligen Konflikte mit ihren Schülern und deren Eltern nicht selbst lösen

242

E. Zusammenfassung und Schluss

Schließlich ist festzuhalten, dass auch die Lehrer in der Pflicht sind: Der Möglichkeit, sich gegen übermäßige oder unnötige Eingriffe in ihre pädagogische Freiheit zur Wehr zu setzen, steht die Pflicht gegenüber, diese Freiheit auch im Interesse der Schülerinnen und Schüler zu nutzen: Nur ein Lehrer, der sich selbst als Lernender begreift und sich mit seinen Schülerinnen und Schülern im besten Sinne des Wortes auseinander setzt, kann den ihm anvertrauten Kindern und Jugendlichen das vermitteln, was sie brauchen, um sich in der modernen Gesellschaft und einer höchst komplexen, pluralistischen und multi-kulturellen Gesellschaft zurecht zu finden.

zu müssen, häufig geradezu um eine Entscheidung der Schulaufsichtsbehörden bitten. Umgekehrt sind die Schüler und ihre Eltern häufig nicht bereit, einen Konflikt beizulegen, bis die Schulaufsichtsbehörde ihre Autorität in die Waagschale geworfen und eine verbindliche Entscheidung getroffen hat.

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landesschulgesetze1 Baden-Württemberg § 38 Abs. 2 BW-SchG: „Der Lehrer trägt im Rahmen der in Grundgesetz, Verfassung von Baden-Württemberg und § 1 dieses Gesetzes niedergelegten Erziehungsziele und der Bildungspläne sowie der übrigen für ihn geltenden Vorschriften und Anordnungen die unmittelbare pädagogische Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Schüler."

Bayern Art. 59 Abs. 1 Bay EUG: „Die Lehrkräfte tragen die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schüler. Sie haben dabei insbesondere den in Art. 1 und 2 niedergelegten Bildungs- und Erziehungsauftrag sowie die Lehrpläne und Richtlinien für den Unterricht und die Erziehung zu beachten. Gegenüber dem ihnen zugeordneten sonstigen pädagogischen Personal sind sie weisungsbefugt. Art. 111 bis 117 und die dienstrechtlichen Vorschriften bleiben unberührt."

Berlin § 9 Abs. 2 BerlSchVerfG: „Die Schulaufsichtsbehörde soll unbeschadet ihrer Aufgabe, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schulen beratend zu unterstützen und auf die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze zu achten, nur dann durch Anordnung und sonstige Maßnahmen in die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung in den einzelnen Schulen eingreifen, wenn es zur rechtmäßigen, sachgerechten oder geordneten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes geboten ist." § 10 Abs. 1 BerlSchVerfG: „Der Lehrer unterrichtet und erzieht die ihm anvertrauten Schüler und beurteilt ihre Leistungen gemäß seiner fachlichen Ausbildung und in eigener Verantwortung im Rahmen der geltenden Vorschriften und Konferenzbeschlüsse. Beschlüsse der in diesem Gesetz vorgesehenen Gremien dürfen die Gestaltungen des Unterrichts und der Erziehung durch den einzelnen Lehrer nicht unzumutbar einengen." 1

Hier wurden nur diejenigen Vorschriften abgedruckt, die entweder unmittelbar auf die pädagogische Freiheit und Verantwortung der Lehrer Bezug nehmen oder mit denen die Eingriffs- und Aufsichtsbefugnisse der Schulleiter und Schulaufsichtsbehörden ausdrücklich beschränkt wurden.

244

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landeschulgesetze Brandenburg

§ 67 Abs. 2 BbgSchG: „Die Lehrkräfte unterrichten und erziehen in eigener Verantwortung im Rahmen der Bildungs- und Erziehungsziele sowie der Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Beschlüsse der schulischen Gremien. Ihre pädagogische Freiheit darf nicht unnötig oder unzumutbar eingeschränkt werden." § 71 Abs. 2 BbgSchG: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter ist im Rahmen der Verwaltungsaufgaben gegenüber allen Lehrkräften und dem sonstigen Schulpersonal weisungsberechtigt. In die Unterrichts- und Erziehungsarbeit einer Lehrkraft und des sonstigen pädagogischen Personals darf nur eingegriffen werden, wenn gegen geltende Vorschriften, Anordnungen der Schulbehörden oder Beschlüsse von schulischen Gremien verstoßen wird oder wenn eine geordnete Unterrichts- und Erziehungsarbeit nicht gewährleistet ist. Das staatliche Schulamt ist über Eingriffe zu unterrichten."

Bremen § 59 Abs. 1 und 2 BremSchG: „(1) Die Aufgaben des schulischen Personals werden durch den in den §§ 3 bis 12 beschriebenen Auftrag der Schule bestimmt. (2) Die konkrete Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt in eigener Verantwortung der einzelnen Bediensteten oder in der Kooperation mehrerer nach Maßgabe der für die jeweiligen Personen und Aufgaben geltenden Rechtsvorschriften, Verwaltungsanordnungen, verbindlichen überschulischen Absprachen und Konferenzbeschlüsse sowie dienstlicher Anweisungen. Verwaltungsanordnungen, verbindliche überschulische Absprachen und Konferenzbeschlüsse dürfen die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung nicht unnötig oder unzumutbar einengen. Referendare und Referendarinnen unterrichten sowie Lehrmeister und Lehrmeisterinnen unterweisen auch unter Anleitung von Lehrerinnen und Lehrern." § 12 Abs. 1 bis 3 BremSchVerwG: „(1) Die Fachaufsicht über die öffentlichen Schulen kann schulische Entscheidungen und Maßnahmen aufheben, zur erneuten Entscheidung oder Beschlussfassung zurück weisen oder erforderlichenfalls selbst entscheiden. Sie kann fehlende schulische Entscheidungen durch Anweisung anfordern oder erforderlichenfalls selbst entscheiden. (2) Die Rechtsaufsicht als Teil der Fachaufsicht greift ein, wenn 1. gegen Rechts- oder VerwaltungsVorschriften, auch gegen verbindliche überregionale Vereinbarungen, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler oder gegen das Erziehungsrecht der Eltern verstoßen worden ist oder 2. von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen oder gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel verstoßen worden ist. (3) Im übrigen kann die Fachaufsicht über öffentliche Schulen der Stadtgemeinden nur eingreifen, wenn 1. die Gleichwertigkeit des schulischen Angebots in den Stadtgemeinden oder ein geordneter Unterrichtsablauf anders nicht gewährleistet werden kann,

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landeschulgesetze

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2. das Schulprogramm in erheblicher Weise den pädagogischen Grundsätzen und Zielen der §§ 3 bis 12 des Bremischen Schulgesetzes widerspricht, 3. gegen überregionale Vereinbarungen verstoßen worden ist, 4. kein hinreichendes Einvernehmen unter Lehrkräften und Eltern und altersangemessen auch Schülerinnen und Schülern über die Sicherung notwendiger Standards erzielt werden kann oder 5. nach schulinternem Schlichtungsverfahren im Einzelfall keine Einigung zwischen Betroffenen erzielt werden kann. Einer solchen Maßnahme der Fachaufsicht soll eine Beratung der Schule durch die Schulinspektion vorausgehen. (4) Aufsichtsmaßnahmen nach den Absätzen 1 bis 3 müssen darauf gerichtet sein, 1. die Wahrnehmung der Aufgaben der Schule nach den Vorschriften dieses Gesetzes und des Bremischen Schulgesetzes zu gewährleisten, und 2. dass die Schule ihre Aufgaben eigenverantwortlich in dem gesetzlich vorgegebenen Rahmen erfüllen kann. Aufsichtsmaßnahmen sind so zu gestalten, dass die pädagogische Aufgabe, Verantwortung und Freiheit von Lehrkräften und Schulleitung sowie die Beteiligung von Eltern und Schülerinnen und Schülern weitestmöglich gewahrt und gestützt werden."

Hamburg § 85 Abs. 1 S. 1 HambSchG: „(1) Das gesamte Schulwesen steht in der Verantwortung des Staates. Die zuständige Behörde ist unter Beachtung der Grundsätze der Selbstverwaltung verantwortlich für [...] 1. die Beachtung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere der in den §§ 1 bis 3 niedergelegten Ziele und Grundsätze sowie der Bildungspläne, 2. die Führung der Fachaufsicht über Unterricht und Erziehung in den Schulen, 3. die Dienstaufsicht über das pädagogische Personal." § 88 Abs. 2 HambSchG: „Die Lehrerinnen und Lehrer unterrichten, erziehen, beraten und betreuen in eigener Verantwortung im Rahmen der Ziele und Grundsätze der §§ 1 bis 3 sowie der sonstigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Beschlüsse der Schulkonferenz gemäß § 53 und der Lehrerkonferenz gemäß § 57 Absatz 2."

Hessen § 4 Abs. 1 HessSchG: „Der Unterricht wird auf der Grundlage von Lehrplänen erteilt. Sie müssen sich nach den Anforderungen und Bildungszielen der einzelnen Bildungsgänge richten, die allgemeinen und fachlichen Ziele der einzelnen Fächer, Lernbereiche und Aufgabengebiete sowie didaktische Grundsätze, die sich an den Qualifikationszielen des jeweiligen Fachs, Lernbereichs oder Aufgabengebiets zu orientieren haben, enthalten und Möglichkeiten des fächerverbindenden und fachübergreifenden Lernens aufzeigen. Verbindliche und fakultative Unterrichtsinhalte sind in einem sinnvollen Verhältnis so zueinander zu bestimmen, dass die Lehrerin oder der Lehrer in die Lage versetzt wird, die vor-

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landeschulgesetze gegebenen Ziele in eigener pädagogischer Verantwortung zu erreichen und Interessen der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen. [...]" § 86 Abs. 2 HessSchG: „Die Lehrerinnen und Lehrer erziehen, unterrichten, beraten und betreuen in eigener Verantwortung im Rahmen der Grundsätze und Ziele der §§ 1 bis 3 sowie der sonstigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften und der Konferenzbeschlüsse. Die für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Lehrerin oder des Lehrers erforderliche pädagogische Freiheit darf durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Konferenzbeschlüsse nicht unnötig oder unzumutbar eingeengt werden. Lehrerinnen und Lehrer sind verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden." § 88 Abs. 4 HessSchG: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter ist im Rahmen der Verwaltungsaufgaben und der dazu ergangenen Anordnungen der Schulaufsichtsbehörden und des Schulträgers sowie zur Ausführung von Konferenzbeschlüssen gegenüber den Lehrkräften und sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern weisungsbefugt. Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann den Unterricht der Lehrkräfte, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich ist, besuchen. In die Unterrichts- und Erziehungsarbeit darf nur bei einem Verstoß gegen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, die durch § 93 Abs. 3 Nr. 3 vorgegebenen Grundsätze und Maßstäbe, verbindliche pädagogische Grundsätze des Schulprogramms und Konferenzbeschlüsse eingegriffen und die Weisung erteilt werden, diese Vorgaben zu beachten." § 93 Abs. 1 und 3 HessSchG: „(1) Die Fachaufsicht umfasst die Befugnis, schulische Entscheidungen und Maßnahmen aufzuheben, zur erneuten Entscheidung oder Beschlussfassung zurückzuverweisen und danach erforderlichenfalls selbst zu entscheiden, wenn diese gegen Rechts- und VerwaltungsVorschriften, das Schulprogramm oder Anordnungen der Schulaufsichtsbehörde verstoßen oder aus pädagogischen Gründen erhebliche Bedenken gegen sie bestehen. Fehlende Entscheidungen kann die Schulaufsichtsbehörde anfordern und erforderlichenfalls selbst entscheiden. Sie tritt in das Recht und die Pflicht ein, Konferenzbeschlüsse zu beanstanden, wenn die Schulleiterin oder der Schulleiter den Aufgaben nach § 87 Abs. 4 nicht nachkommt. (3) Pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen kann sie nur aufheben, zu erneuter Entscheidung zurückverweisen und über sie dann erforderlichenfalls selbst entscheiden, wenn 1. wesentliche Verfahrens- und Rechtsvorschriften verletzt wurden, 2. von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde, 3. gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Schülerinnen und Schüler verstoßen wurde."

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landes Schulgesetze

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Mecklenburg-Vorpommern § 8 Abs. 2 MV-SchG: „Die Rahmenpläne enthalten die allgemeinen, fachlichen und fächerübergreifenden Ziele und Inhalte der einzelnen Unterrichtsfächer, Lernbereiche und Aufgabengebiete und orientieren sich an der Entwicklung in den Fach- und Erziehungswissenschaften, die Didaktik sowie an der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung. Die Rahmenpläne weisen die verbindlichen und fakultativen Unterrichtsinhalte aus. Die Rahmenpläne sind so zu gestalten, dass dem unterschiedlichen Leistungsvermögen, den individuellen Fähigkeiten und Neigungen der Schüler entsprochen werden kann. Der Schule soll ein hinreichend großer Entscheidungsraum für die Gestaltung eines eigenen Profils bleiben. Die Lehrer sollen die Rahmenpläne in eigener pädagogischer Verantwortung offen und fächerübergreifend nutzen können." § 95 Abs. 1 und 4 MV-SchG: „(1) Die Schulaufsicht umfasst bei den öffentlichen Schulen 1. die Fachaufsicht über Unterricht und Erziehung in den Schulen, (...) (4) Pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und erzieherische Entscheidungen und Maßnahmen können die Schulaufsichtsbehörden nur aufheben, zu erneuter Entscheidung zurück verweisen und darüber dann selbst entscheiden, wenn 1. Verfahrens- und Rechtsvorschriften verletzt wurden, 2. von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde, 3. gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe oder gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen wurde." § 100 Abs. 2 MV-SchG: „Die Lehrer unterrichten und erziehen in eigener pädagogischer Verantwortung. Sie sind an den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule, die Rahmenpläne sowie an die Beschlüsse der Konferenzen und Anordnungen der Schulaufsicht gebunden. Sie beraten die Erziehungsberechtigten und Schüler in Fragen der schulischen Bildung und Erziehung. Die für die Unterrichts- und Erziehungsarbeit des Lehrers erforderliche pädagogische Freiheit darf durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften und Konferenzbeschlüsse nicht unnötig oder unzumutbar eingeengt werden."

Niedersachsen § 43 Abs. 3 NdsSchG: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter kann in Erfüllung der Aufgaben nach Absatz 2 allen an der Schule tätigen Personen Weisungen erteilen; § 50 Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt." § 50 Abs. 1 NdsSchG: „Die Lehrkräfte erziehen und unterrichten in eigener pädagogischer Verantwortung. Sie sind an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Beschlüsse der Konferenzen und deren Ausschüsse nach § 39 Abs. 1 und 2 sowie an Anordnungen der Schulaufsicht gebunden." § 121 Abs. 1 und 2 NdsSchG: „(1) Die Fachaufsicht soll so gehandhabt werden, dass die Selbständigkeit der Schule (§ 32) nicht beeinträchtigt wird. Auch außerhalb eines Widerspruchsverfahrens (§ 68 der Verwaltungsgerichtsordnung) ist der Schule grundsätzlich

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Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landeschulgesetze

Gelegenheit zu geben, die von ihr getroffene Maßnahme vor der Entscheidung der Schulbehörde noch einmal zu überprüfen. (2) Die Schulbehörden können pädagogische Bewertungen sowie unterrichtliche und pädagogische Entscheidungen im Rahmen der Fachaufsicht nur aufheben oder abändern, wenn 1. diese gegen Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verstoßen, 2. bei ihnen von unrichtigen Voraussetzungen oder sachfremden Erwägungen ausgegangen wurde oder 3. sie gegen allgemein anerkannte pädagogische Grundsätze oder Bewertungsmaßstäbe verstoßen. § 122 Abs. 1 NdsSchG: „Der Unterricht wird auf der Grundlage von Rahmenrichtlinien erteilt. Diese werden vom Kultusministerium erlassen und müssen die allgemeinen und fachlichen Ziele der einzelnen Unterrichtsfächer sowie didaktische Grundsätze, die sich an den Qualifikationszielen des jeweiligen Unterrichtsfaches zu orientieren haben, enthalten sowie verbindliche und fakultative Unterrichtsinhalte in einem sinnvollen Verhältnis so zueinander bestimmen, dass die Lehrkräfte in die Lage versetzt werden, die vorgegebenen Ziele in eigener pädagogischer Verantwortung zu erreichen und Interessen der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen."

Nordrhein-Westfalen § 3 Abs. 2 NRW-SchMG: „Die Lehrer unterrichten und erziehen die Schüler in Freiheit und Verantwortung im Rahmen der geltenden Vorschriften und der Konferenzbeschlüsse. Die Konferenzbeschlüsse dürfen die Freiheit und Verantwortung der Lehrer bei der Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung nicht unzumutbar einschränken." § 9 Abs. 3 S. 3 NRW-SchMG: „Leistungsbeurteilungen fallen in die Verantwortung der einzelnen Lehrer; sie sind auf Wunsch eines Betroffenen mit diesem zu erörtern." § 14 Abs. 3 NRW-SchVerwG. „Die Schulaufsicht umfasst die Dienst- und Fachaufsicht, die staatliche Ordnung, Förderung und Pflege des Schulwesens. Sie hat die pädagogische Selbstverantwortung zu pflegen, Schulträger, Schulleiter, Lehrer und Schüler zur Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten anzuhalten und das Interesse der kommunalen Selbstverwaltung an der Schule zu fördern."

Rheinland-Pfalz § 20 Abs. 1 S. 1 RP-SchG: „Der Lehrer gestaltet Erziehung und Unterricht der Schüler frei und in eigener pädagogischer Verantwortung im Rahmen der für die Schule geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, der Anordnungen der Schulaufsicht und der Beschlüsse der Lehrerkonferenzen." § 21 Abs. 2 S. 1 RP-SchG. „In Erfüllung seiner Aufgaben ist [der Schulleiter] gegenüber den Lehrern sowie den pädagogischen und technischen Fachkräften weisungsberechtigt; § 20 Abs.l bleibt unberührt."

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landeschulgesetze

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Saarland § 28 Abs. 1 SaarSchOG: „Der Lehrer unterrichtet und erzieht die ihm anvertrauten Schüler und beurteilt ihre Leistungen in eigener Verantwortung im Rahmen der für ihn geltenden Vorschriften und Konferenzbeschlüsse. Beschlüsse der in diesem Gesetz vorgesehenen Gremien dürfen die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung durch den einzelnen Lehrer nicht unnötig oder unzumutbar einengen." § 5 SaarSchMG: „Der Lehrer unterrichtet und erzieht die ihm anvertrauten Schüler und beurteilt ihre Leistungen in eigener Verantwortung im Rahmen der für ihn geltenden Vorschriften und Konferenzbeschlüsse. Beschlüsse der in diesem Gesetz vorgesehenen Gremien dürfen die pädagogische Freiheit des Lehrers nur insoweit einschränken, als es zur Sicherung der Qualität des Unterrichts, zur Vereinheitlichung von Prüfungs- und Bewertungsmaßstäben und zur Wahrung der Rechte des Schülers erforderlich ist." § 16 Abs. 4 SaarSchMG: „In die Unterrichts- und Erziehungsarbeit soll der Schulleiter nur dann eingreifen, wenn es zur rechtmäßigen, sachgerechten und geordneten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Chancengleichheit und zum Ausgleich von Bewertungsunterschieden geboten ist." § 67 Abs. 2 SaarSchMG: „Die Schulaufsichtsbehörden sollen unbeschadet ihrer Aufgabe, die Unterrichts- und Erziehungsarbeit der Schule beratend zu unterstützen und auf die Einhaltung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundsätze zu achten, durch Anordnungen und sonstige Maßnahmen in die Gestaltung des Unterrichts und der Erziehung in den einzelnen Schulen nur dann eingreifen, wenn es zur rechtmäßigen, sachgerechten und geordneten Durchführung von Unterricht und Erziehung, insbesondere aus Gründen der Chancengleichheit und zum Ausgleich von Bewertungsunterschieden geboten ist." Sachsen § 40 Abs. 2 SächsSchG: „Der Lehrer trägt die unmittelbare pädagogische Verantwortung für die Erziehung und Bildung der Schüler im Rahmen der im Grundgesetz, in der Verfassung des Freistaates Sachsen und in diesem Gesetz niedergelegten Erziehungsziele und der Lehrpläne sowie der übrigen für ihn geltenden Vorschriften und Anordnungen." Sachsen-Anhalt § 26 Abs. 5 LSA-SchG: „Die Schulleiterin oder der Schulleiter ist Vorgesetzter im Sinne des § 3 des Beamtengesetzes Sachsen-Anhalt der an der Schule tätigen Lehrkräfte. Sie können die an ihrer Schule tätigen Lehrkräfte im Unterricht besuchen und beraten. Sie können Beurteilungsempfehlungen der Schulbehörde gegenüber abgeben. §30 Abs. 1 Satz 1 bleibt unberührt." § 30 Abs. 1 LSA-SchG: „Die Lehrerin und der Lehrer erzieht und unterrichtet in eigener pädagogischer Freiheit und Verantwortung. Sie sind an Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie an die Beschlüsse der Konferenzen gebunden."

Anhang: Die einschlägigen Bestimmungen der Landeschulgesetze Schleswig-Holstein § 83 Abs. 1 SH-SchG: „Die Lehrkräfte gestalten Erziehung und Unterricht in eigener pädagogischer Verantwortung. Sie sind dabei an Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere an die Bildungs- und Erziehungsziele der Schule und die Rahmenrichtlinien und Lehrpläne, sowie an die Weisungen der Schulleiterin oder des Schulleiters und der Schulaufsichtsbehörden gebunden. Die Lehrkräfte beraten Eltern, Schülerinnen und Schüler in Fragen der schulischen Erziehung."

Thüringen § 34 Abs. 2 ThürSchG: „Der Lehrer unterrichtet und erzieht die ihm anvertrauten Schüler in eigener pädagogischer Verantwortung. Dabei ist er an die für ihn geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Konferenzbeschlüsse und die Anordnungen der Schulaufsicht gebunden. Er erfüllt seine Aufgabe im vertrauensvollen Zusammenwirken mit den Schülern und den Eltern. Unbeschadet seines Rechts, im Unterricht die persönliche Meinung zu äußern, ist der Lehrer zu einer ausgewogenen Darstellung des Unterrichtsgegenstandes verpflichtet. Jede einseitige Unterrichtung und Information der Schüler ist unzulässig." § 3 Abs. 2 ThürSchAG: „Die Schulaufsicht soll dabei so gehandhabt werden, dass die pädagogische Eigenverantwortung der Schule und des einzelnen Lehrers nicht gefährdet werden."

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Dieser Abschnitt ist ab der 9. Auflage nicht mehr weitergeführt worden.

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Stichwortverzeichnis

Angestellte 138, 208, 217

Erziehungsrecht 42 Erziehungsziele 50, 103

Baden-Württemberg 182 -

VGH Mannheim 127

Fortbildung 202

Bayern 182 Beamte

Gewaltverhältnis, besonderes

-

Grundrechte 78

-

Beamte 61, 78, 79

-

Remonstration 186, 200, 205, 216

-

Schüler 45, 102

-

Weisungsbindung 74, 75, 185

Gewohnheitsrecht 197

Berlin 172

Grundrechte

-

-

der Beamten 78

Berufsbeamtentum 81, 95, 192, 200

-

der Eltern 42

Berufsfreiheit 37

-

der Lehrer 78, 86

Beurteilungsspielraum 48, 58, 68, 213

-

der Schüler 26, 43, 98

OVG Berlin 121

Bildungsanspruch 27, 36, 103 Brandenburg 174

Haftung 205

Bremen 168

Hamburg 181

Bundesauftrags Verwaltung 208

Hessen 142

Bundesverwaltungsgericht 133

-

Demokratie

Juristentag, Schulgesetzentwurf 111, 114

-

und Erziehungsanspruch 39

-

und pädagogische Freiheit 236

VGH Kassel 131

Konferenzen 55, 224

DJT-Entwurf s. Juristentag Lehrerkonferenzen 224 Elternrecht 42

Lehrfreiheit 87

Ermessen 48, 64

Lernmittel 51

Erziehungsanspruch 27, 36, 103 -

Schulaufsicht 29, 32, 233

-

Selbstentfaltungsrecht 36, 98, 103

-

Demokratie 39

Erziehungsauftrag 28 (Fn. 10)

Mecklenburg-Vorpommern 158 Niedersachsen 165 -

OVG Lüneburg 128

264

trtverzeichnis

Nordrhein-Westfalen 176

Schleswig-Holstein 182

-

-

OVG Münster 123

OVG Schleswig 126

Schulaufsicht 29, 32, 233 Pädagogische Eigenverantwortung 105, 135 Privatschulen 34

-

in der WRV 29, 35, 96, 97

Schüler 25, 98,219 Schulkonferenz 229 Schulpflicht 26

Recht auf Bildung 26

Schulprogramm 145 (Fn. 242), 229

Rechtsbindung 137, 149, 186

Schulrechtskommission s. Juristentag

Rechtsschutz 56, 68

Selbsteintritt 128, 203

-

gegen dienstliche Anordnungen 216

Selbstentfaltungsrecht 36, 98, 103

-

gegen Maßnahmen im Schulverhältnis 56, 68, 219

Regress 206

Thüringen 178

Reichsbeamtengesetz 193, 197 Reichsschulkonferenz 96, 107

Vorbehalt des Gesetzes 45

Religionsunterricht 34 Remonstration 186, 200, 205, 216 Rheinland-Pfalz 180

Weimarer Reichs Verfassung 29, 35, 96, 97 Weisungsbindung 74, 135, 185, 192

Saarland 173

Widerspruchsverfahren 219

Sachsen 182

Wissenschaftsfreiheit 87

Sachsen-Anhalt 179