Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig: Von der Gründung bis in die ersten Jahre des Seniorats Johann Christoph Gottscheds [Reprint 2012 ed.] 9783110937718, 9783484365704

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Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig: Von der Gründung bis in die ersten Jahre des Seniorats Johann Christoph Gottscheds [Reprint 2012 ed.]
 9783110937718, 9783484365704

Table of contents :
Vorwort
1. Die Leipziger Deutsche Gesellschaft im Bild der bisherigen Forschung
2. Die Quellen zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft
3. Das Görlitzer Gymnasium Augustum und sein Rektor Samuel Grosser
4. Gründung und Intentionen der Görlitzischen Poetischen Gesellschaft
5. Statuten, Mitglieder und Vereinsleben der Gesellschaft in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens
6. Die Dichtungen der Gesellschaft in ihrer Frühzeit
7. Johann August Egenolff und die Idee zur Gründung einer Sozietät zur Pflege der deutschen Sprache
8. Die Wandlung von der Görlitzischen Poetengesellschaft zur Teutschübenden Poetischen Gesellschaft. Ihre Mitglieder in den Jahren um 1720
9. Johann Burkhard Mencke und Christian Clodius. Die Bibliothek der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft
10. Die Teutschübende Poetische Gesellschaft in der 1. Hälfte der zwanziger Jahre. Das Auftreten Gottscheds
11. Die Krise der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft. Ihre Umwandlung zur Deutschen Gesellschaft
12. Die neuen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft
13. Die zeitgenössische Resonanz auf die erneuerte Deutsche Gesellschaft
14. Literarische Produktion, Wendung gegen die Schlesier
15. Erste Versuche zur Umwandlung der Deutschen Gesellschaft zu einer Akademie der deutschen Sprache und Dichtung. Die Normierung der Rechtschreibung und das Scheitern der Arbeitsgemeinschaft zwischen Berlin, Jena und Leipzig
Schlußbetrachtungen
Quellentexte
1. Gedicht zur Feier des 25. Jahrestages der Gründung der Görlitzer Poetischen Gesellschaft (1722)
2. Johann Friedrich May: Zwei Anreden an die Deutsche Gesellschaft (1726/27)
3. Anmerckung Von einigen Vorzügen die die deutsche Poesie vor der Lateinischen hat. Von M. Johann Christoph Gottsched
4. Johann Christoph Gottsched: Gedancken und Muthmaßungen vom Ursprung und Wachsthum der Poesie
5. Johann Christoph Gottsched: Anzugs-Gedichte betitelt »Die vergebens unternommene Dämpfung unüberwindlicher Poetischer Triebe«
6. Johann Christoph Gottsched: Schreiben an ein Frauenzimmer, unter die Classe der galanten Briefe gehörig
7. Johann Christoph Gottsched: Nachahmung der andern Satire des H. Boileau
8. Johann Christoph Gottsched: Ob ein Medicus nothwendig die Sprachen der Gelehrten verstehen müsse? Ward bey der Promotion eines guten Freundes beantwortet und anstatt eines Glückwunsches überreichet
9. Rede über den Stutzer (gehalten in der Deutschen Gesellschaft, anonym)
10. Beschreibung der früher in der Leipziger Stadtbibliothek befindlichen Gedichtbände der Görlitzer Poetischen Gesellschaft (heute UB Leipzig)
11. Brief von Johann Friedrich May an Johann Christoph Gottsched, 17. 2. 1732 (Auszug)
12. Briefe von Johann Christian Benemann an Johann Christoph Gottsched
13. Briefe von Bernhard Walther Marperger an Gottsched
Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Quellen
a) Handschriften und Archivalien
b) Literatur des 18. Jahrhunderts
2. Sekundärliteratur (19. und 20. Jh.)
Abkürzungsverzeichnis
Personenregister

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Frühe Neuzeit Band 70 Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext In Verbindung mit der Forschungsstelle „Literatur der Frühen Neuzeit" an der Universität Osnabrück Herausgegeben von Jörg Jochen Berns, Klaus Garber, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller und Friedrich Vollhardt

Detlef Döring

Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Von der Gründung bis in die ersten Jahre des Seniorats Johann Christoph Gottscheds

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2002

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Döring, Detlef: Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig : von der Gründung bis in die ersten Jahre des Seniorats Johann Christoph Gottscheds / Detlef Döring. - Tübingen: Niemeyer, 2002 (Frühe Neuzeit; Bd. 70) ISBN 3-484-36570-6

ISSN 0934-5531

© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2002 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Buchbinderei Heinr. Koch, Tübingen

Inhaltsverzeichnis Vorwort 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

9. 10. 11. 12. 13. 14. 15.

Die Leipziger Deutsche Gesellschaft im Bild der bisherigen Forschung Die Quellen zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft Das Görlitzer Gymnasium Augustum und sein Rektor Samuel Grosser Gründung und Intentionen der Görlitzischen Poetischen Gesellschaft Statuten, Mitglieder und Vereinsleben der Gesellschaft in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens Die Dichtungen der Gesellschaft in ihrer Frühzeit Johann August Egenolff und die Idee zur Gründung einer Sozietät zur Pflege der deutschen Sprache Die Wandlung von der Görlitzischen Poetengesellschaft zur Teutschübenden Poetischen Gesellschaft. Ihre Mitglieder in den Jahren um 1720 Johann Burkhard Mencke und Christian Clodius. Die Bibliothek der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft Die Teutschübende Poetische Gesellschaft in der 1. Hälfte der zwanziger Jahre. Das Auftreten Gottscheds Die Krise der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft. Ihre Umwandlung zur Deutschen Gesellschaft Die neuen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft Die zeitgenössische Resonanz auf die erneuerte Deutsche Gesellschaft Literarische Produktion, Wendung gegen die Schlesier Erste Versuche zur Umwandlung der Deutschen Gesellschaft zu einer Akademie der deutschen Sprache und Dichtung. Die Normierung der Rechtschreibung und das Scheitern der Arbeitsgemeinschaft zwischen Berlin, Jena und Leipzig

Schlußbetrachtungen

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Quellentexte 1. 2. 3. 4. 5.

6. 7. 8.

9. 10.

11. 12. 13.

Gedicht zur Feier des 25. Jahrestages der Gründung der Görlitzer Poetischen Gesellschaft (1722) Johann Friedrich May: Zwei Anreden an die Deutsche Gesellschaft (1726/27) Anmerckung Von einigen Vorzügen die die deutsche Poesie vor der Lateinischen hat. Von M. Johann Christoph Gottsched . . . Johann Christoph Gottsched: Gedancken und Muthmaßungen vom Ursprung und Wachsthum der Poesie Johann Christoph Gottsched: Anzugs-Gedichte betitelt »Die vergebens unternommene Dämpfung unüberwindlicher Poetischer Triebe« Johann Christoph Gottsched: Schreiben an ein Frauenzimmer, unter die Classe der galanten Briefe gehörig Johann Christoph Gottsched: Nachahmung der andern Satire des H. Boileau Johann Christoph Gottsched: Ob ein Medicus nothwendig die Sprachen der Gelehrten verstehen müsse? Ward bey der Promotion eines guten Freundes beantwortet und anstatt eines Glückwunsches überreichet Rede über den Stutzer (gehalten in der Deutschen Gesellschaft, anonym) Beschreibung der früher in der Leipziger Stadtbibliothek befindlichen Gedichtbände der Görlitzer Poetischen Gesellschaft (heute UB Leipzig) Brief von Johann Friedrich May an Johann Christoph Gottsched, 17.2.1732 (Auszug) Briefe von Johann Christian Benemann an Johann Christoph Gottsched Briefe von Bernhard Walther Marperger an Gottsched

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Literatur- und Quellenverzeichnis

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Quellen a) Handschriften und Archivalien b) Literatur des 18. Jahrhunderts

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2.

Sekundärliteratur (19. und 20. Jh.)

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AlSkürzungsverzeichnis

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Personenregister

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Vorwort Folgt man der Auffassung eines bekannten Germanisten, so spielten in der deutschen Literaturgeschichte Dichterakademien kaum eine Rolle, jedenfalls nicht vor dem 20. Jh. Nach dem Dreißigjährigen Krieg seien zwar einige »verdienstvolle Dichtergremien« entstanden, jedoch seien sie letztendlich »dem Raritätenkabinett der Literarhistorie« zuzuordnen. Ganz anders hätten sich dagegen die Verhältnisse in Frankreich gestaltet. Die dortigen Akademien seien »vom staatlichen Glanz umflossene Institute« gewesen, die weit in das literarische Publikum zu wirken vermochten, die Entwicklung der Sprache nachhaltig beeinflußten, dem Dichter hohe gesellschaftliche Anerkennung verschafften.1 Selbstredend handelt es sich um eine Tatsache, daß es im Deutschland der Frühen Neuzeit keine der Académie Française vergleichbare Einrichtung gab und aus naheliegenden Gründen auch gar nicht geben konnte. Dennoch mutet Minders Charakterisierung der Sprachgesellschaften, denn diese sind mit den »Dichtergremien« gemeint, als Bestandteile eines Raritätenkabinetts befremdlich an. Vor allem aber übersieht er die Tatsache, daß es in Deutschland außer den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s Sozietäten gab, die sich selbst zumindest in der Intention als Pendant zur berühmten Französischen Akademie betrachteten, sich also der Normierung und lexikalischen Erfassung der Sprache verpflichtet sahen, die Dichtung fördern wollten, sich der Literaturgeschichte widmeten, das kulturelle Ansehen der deutschen Sprache und Literatur im In- und Ausland zu stärken suchten. Der dezentralen politischen Gliederung Deutschlands entsprechend konnten diese Gesellschaften allerdings keine dem französischen Vorbild adäquate gesamtnationale Wirkung entfalten; ihr Einfluß blieb mehr oder minder regional beschränkt. Dieses Schicksal teilen sie freilich mit vielen anderen kulturellen und wissenschaftlichen Institutionen in Deutschland, und längst wird allgemein anerkannt, daß jene Vielgliedrigkeit des geistigen Lebens der Entwicklung der deutschen Kultur und Literatur auch große Möglichkeiten eröffnete. So stellen auch die Deutschen Gesellschaften des 18. Jh.s, auf die hier soeben angespielt worden ist, ein Phänomen dar, das nicht durch die rasche Zuordnung zu den Kuriosa der Geschichte hinreichend zu klassifizieren ist, 1

Robert Minder: Warum Dichterakademien? Ihre gesellschaftliche Funktion in Deutschland und Frankreich. In: ders.: Die Entdeckung deutscher Mentalität. Essays. Leipzig 1992, S. 112-139 (112), Erstveröffentlichung 1966.

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sondern es bietet eine wesentliche Zugangsmöglichkeit für das Verständnis der deutschen Literatur- und Geistesgeschichte in der Zeit der Aufklärung. Dennoch finden merkwürdigerweise die Deutschen Gesellschaften noch eher innerhalb der Forschungen zur Geschichte der Sozietäten Beachtung, kaum jedoch in der Literaturhistoriographie (vgl. Forschungsbericht). Deutsche Gesellschaften hat es nachweisbar in 18 Orten gegeben; manche von ihnen existierten über Jahrzehnte hinweg. Wenn sich auch bei keiner Gesellschaft derzeit die genaue Mitgliederzahl ausweisen läßt, so ist doch davon auszugehen, daß viele hundert Männer (und auch einige Frauen) hier organisatorisch zusammengeschlossen waren. Regelmäßig (meist wöchentlich) traf man sich in diesen Kreisen, hörte und beurteilte poetische und prosaische Texte. Da die meisten Deutschen Gesellschaften an Universitätsstädten angesiedelt waren und Universitätsangehörige das Gros ihrer Mitgliederschaft stellten, ist davon auszugehen, daß die deutschen Hochschulen, die bekanntlich eine ganz andere, eine weitaus größere Bedeutung besaßen als die entsprechenden französischen Institutionen, von jenen Sozietäten beeinflußt worden sind und vice versa.2 Mehrere der Deutschen Gesellschaften wirkten durch publizierte Schriften nach außen, d.h. durch Einzelveröffentlichungen und Periodika. Wenigstens von der Leipziger Deutschen Gesellschaft wissen wir, daß sie über lange Jahre Preisaufgaben stellte, eine damals sehr beliebte und wirkungsmächtige Methode, ein breiteres Publikum für literarische, philosophische und wissenschaftliche Fragen zu interessieren. Bereits diese wenigen, eher summarischen Angaben sollten belegen können, daß das Thema Dichterakademien in Deutschland nicht mit der Feststellung einiger negativer, abwertender Beobachtungen sein Bewenden haben kann. Eine wirkliche Annäherung an den Sozietätstyp Deutsche Gesellschaft, den die vorliegende Untersuchung unternehmen möchte, kann jedoch nur über die Beschäftigung mit derjenigen Gründung geschehen, die die erste ihrer Art war und zugleich für alle späteren Einrichtungen normprägend blieb. Gemeint ist die Leipziger Deutsche Gesellschaft. Diese von der Leipziger Deutschen Gesellschaft eingenommene besondere Position ist in einem erheblichen Maße damit zu erklären, daß an ihrer Spitze elf Jahre lang eine der überhaupt führenden Gestalten der deutschen 2

Das sahen schon die Zeitgenossen. So schreibt Gabriel Wilhelm Goetten 1732 an Gottsched: Er habe Nachricht daß die Universität Leipzig immer mehr in Flor komme. Daraus schlußfolgert Gottscheds Briefpartner: »Ich freue mich um deswillen darüber, weil also der Nutzen der Deutschen Gesellschaft und der gelehrten Unterweisungen, welche Ew. Hochedelgeb. geben sich weiter ausbreitet.« (Goetten an Gottsched, 1.10.1732, UBL, Ms 0342, II, Bl. 239 r -240 r ). Die Gesellschaft scheint auch direkt organisatorisch der Universität unterstellt gewesen zu sein. Darauf deutet zumindest die Tatsache, daß sie später in die Visitationen der Hochschule einbezogen wurde. Die Jenaer Teutsche Gesellschaft hat sich übrigens ihre Gesetze ausdrücklich durch die Universität bestätigen lassen (Gesetze ... [wie Kap. 9, Anm. 45], S. 22f£).

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Aufklärung stand, Johann Christoph Gottsched. Ihre Glanzzeit ist die Periode, in der sie Gottsched als ihren Senior ansehen konnte. Bei allen relativierenden Ausführungen über Gottscheds Rolle, die in diesem Buch später folgen werden, gilt es diese Tatsache festzuhalten. Schon einer der wenigen Zeitgenossen, die nach Gottscheds Tod versuchten, ein ausgewogenes Urteil über den inzwischen dem allgemeinen Spott verfallenen einstigen »Literaturpapst« zu fällen, Abraham Gotthelf Kästner, hebt unter den Verdiensten des Verstorbenen gerade dessen Wirken als Senior der Deutschen Gesellschaft im besonderen Maße hervor: »Er war Aeltester der Leipziger deutschen Gesellschaft, die seinen Bemühungen gewiß das Ansehen zu danken hatte, in welchem sie damai stand. Man hat mir erzählt: unter den Verdrießlichkeiten, die ihn veranlasseten sich von ihr abzusondern, wären die meisten daher gekommen, daß er die Mitglieder zu mehr Fleiß anstrengen wollen, als ihnen gefällig gewesen wäre: Ein Beyspiel daran sich jeder Aeltester einer deutschen Gesellschaft spiegeln mag.«3 Mit Gottscheds Auftreten allein ist der Aufstieg und die Rolle der Leipziger Deutschen Gesellschaft jedoch noch nicht zu erklären. Daß es gerade in dieser Stadt zur Entstehung der ersten Deutschen Gesellschaft gekommen ist, die dann das Vorbild aller weiteren Gründungen bildete, ist kein Zufall. Wie in keiner anderen Stadt waren hier seit den zwanziger Jahren des 17. Jh.s zahlreiche Sozietäten verschiedenster Orientierung gegründet worden. Zu Beginn des Jahrhunderts der Aufklärung bestand somit bereits eine lange Tradition der Sozietätsbewegung, an die die Gesellschaften des 18. Jh.s in der Gestaltung ihrer Verfassung und ihres Vereinslebens anknüpfen konnten. Dazu kam der kulturelle Hintergrund, den die Stadt zu bieten vermochte: eine Universität, die zu den frequentiertesten Hochschulen des Reiches gehörte; zahlreiche Gelehrte innerhalb und auch außerhalb der Universität, die neuen Tendenzen des geistigen und wissenschaftlichen Lebens durchaus offen gegenüberstanden; zwei Gymnasien, die zu den führenden Bildungseinrichtungen Mitteldeutschlands zählten; die dreimal im Jahr stattfindenden Messen, die die Stadt zum Mittelpunkt der internationalen Begegnung machten; die Stellung einer in Deutschland schlechthin anerkannten Metropole des guten Tons, des Geschmacks, der Mode; ein ausgebauter Buchhandel, der sich anschickte der auf diesem Gebiet bisher führenden Stadt Frankfurt/ M. den Rang abzulaufen; die noch junge Zeitschriftenpresse, die in Quantität und Qualität in Leipzig ihr Zentrum besaß; eine große Zahl von Bibliotheken, von naturwissenschaftlichen Sammlungen und Kunstgalerien; ein an Literatur interessiertes Publikum, das seinen Mittelpunkt u.a. in Salons und Kaffeehäusern fand; ein Angebot an Theater- und Opernvorstellungen, dem 3

Abraham Gotthelf Kästner: Betrachtungen über Gottscheds Charakter in der königl. Deutschen Gesellschaft zu Göttingen, den 12ten Sept. 1767 vorgelesen. In: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste 6 (1768), S. 208-218 (218).

χ höchstens noch Hamburg Konkurrenz bieten konnte. 4 Den Leipzigern war die besondere Bedeutung, die ihrer Stadt zukam, durchaus bewußt, darauf gründete sich ihr Stolz. Nur einer von vielen Belegen, die sich in diesem Zusammenhang anführen ließen, bildet ein Gedicht Gottscheds, wo es sehr selbstbewußt heißt: Zwar weis ich wohl den Unterscheid/ Der zwischen Rom und Leipzig bleibet:/ Ist dieses nicht so groß und weit j Wer weis, wie hoch mans künftig treibet?/ Auch Romuls Stadt war anfangs klein,/ Und ist nur nach und nach gewachsen./ Auch Leipzig wird einst größer seynJ Zu deiner Ehr und Zier, o Sachsen!/ Wer sieht nicht, daß durch Kunst und Pracht/ Es sich täglich schöner macht?5 In einem auffälligen Kontrast zu dieser zentralen Bedeutung, die der Stadt Leipzig im kulturellen Leben Deutschlands im 18. Jh. zukam, steht die geringe Beachtung, die sie in der modernen Historiographie findet. So kennt beispielsweise ein vor wenigen Jahren erschienenes Lexikon der Aufklärung als Mittelpunkte der Aufklärung im deutschsprachigen Raum die Städte Berlin, Braunschweig, Göttingen, Halle, Hamburg, Wolfenbüttel (!) und Zürich, nicht aber Leipzig.6 Es ist auffällig, daß abgesehen von Halle alle genannten Orte (Berlin spielt eine Ausnahmerolle) in der alten Bundesrepublik bzw. in der Schweiz liegen. Auch bei manchen anderen Publikationen westlicher Provenienz läßt sich eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ausblendung mittel- bzw. ostdeutscher Territorien beobachten. 7 Dieser Befund kann wohl schwerlich anders begründet werden als durch die Situation des Kalten Krieges, die die Gegenden jenseits der Interzonengrenze im Blick des westlichen Deutschlands und Europas zu einer Terra incognita verschwimmen ließ. Die DDR-Forschung wiederum hat, trotz der gängigen Kritik am »preußischen Militarismus«, ei4

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Die eben aufgezählten Gesichtspunkte finden eine relativ ausführliche Darstellung in: Detlef Döring: Johann Christoph Gottsched in Leipzig. Ausstellung in der Universitätsbibliothek Leipzig zum 300. Geburtstag von J. Chr. Gottsched. Stuttgart/ Leipzig 2000. Ich verweise, was den Leipziger Hintergrund des Auftretens der Deutschen Gesellschaft angeht, grundsätzlich auf diese Publikation. Die vorliegende Abhandlung beschränkt sich, um leidiges Wiederholen zu vermeiden, bei diesem Themenbereich auf die unbedingt notwendigen Mitteilungen. J. Chr. Gottsched: Ode Als Herr Gottfried Winkler das Stadtrichteramt in Leipzig 1736 zum erstenmahle übernahm. In: Der Deutschen Gesellschaft Oden und Cantaten. Leipzig 1738, S. 375-378 (376). Lexikon der Aufklärung. Deutschland und Europa Hg. von Werner Schneiders. München 1995. Ein weiteres Beispiel bietet die großangelegte Geschichte des Pietismus, von der bisher 3 Bände erschienen sind (Göttingen 1993,1995 und 2000). Die »pietistische Bewegung in Leipzig«, deren zentrale Rolle für die Geschichte des Pietismus jedem Kundigen deutlich ist, wird auf fünf Seiten des ersten Bandes (Gesamtumfang 584 Seiten) abgehandelt. Der Pietismus des 18. Jh.s in Mitteldeutschland beansprucht (ohne Berücksichtigung des eigenständigen Zinzendorf-Kapitels) 12 Seiten des zweiten Bandes (insgesamt 826 Seiten); Kursachsen wird hier nicht einmal erwähnt. Pommern und Ostpreußen werden zwei Seiten eingeräumt; Schlesien kommt (abgesehen von einigen Erwähnungen im Zusammenhang mit den Herrenhutern) gar nicht vor.

XI sern an einer in Deutschland seit dem 19. Jh. verbreiteten borussischen Orientierung der Geschichtsschreibung festgehalten, die auch die Beschäftigung mit der Kultur- und Geistesgeschichte beeinflußte.8 Die Entwicklungen in der außerpreußischen »Provinz« konnten so nie ein ähnliches Interesse finden, wie es den Vorgängen in Berlin entgegengebracht wurde. Dazu trat der für die DDR typische ausgeprägte Zentralismus, der landes-, regional- und lokalgeschichtlichen Traditionen mit Mißtrauen gegenüberstand.9 Alle diese Umstände haben dazu beigetragen, daß bei dem uns hier speziell interessierenden Beispiel der Stadt Leipzig die Forschung, speziell die zur Literatur- und Geistesgeschichte, in den verflossenen Jahrzehnten zwar nicht stagnierte, aber doch in einem nur sehr reduzierten Umfang und in einer einseitigen thematischen Orientierung vorangetrieben worden ist. Das betrifft auch die geradezu unzähligen Sozietäten, die hier im Laufe der Jahrhunderte entstanden, und im speziellen die Deutsche Gesellschaft, über die seit Jahrzehnten keine größere eigenständige Publikation vorgelegt worden ist. Die vorliegende Arbeit ist aus einem ursprünglich weitaus bescheidener angelegten Vorhaben hervorgegangen, nämlich einer vorgesehenen Edition der Quellentexte 3 und 4 (s. Anhang). Bei der Beschäftigung mit diesen Texten wurde das Handikap rasch deutlich, das im Fehlen einer gründlichen Darstellung der Geschichte der Deutschen Gesellschaft besteht, in deren Reihen jene Gottschedtexte erstmals vorgetragen wurden. Der daraufhin gefaßte Plan zielte auf eine Abhandlung über die Entwicklung der Gesellschaft von ihrer Gründung als Görlitzer Poetisches Kollegium (1697) bis zum Austritt Gottscheds aus der von ihm geführten Deutschen Gesellschaft (1738). Von diesem Vorhaben habe ich dann aus folgendem Grund Abstand genommen: Nach Verhandlungen, die sich über viele Jahre hinzogen, ist es gelungen, an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig das Vorhaben »Edition des Briefwechsels von Johann Christoph Gottsched« zu begründen. Dessen Ziel besteht in der vollständigen Veröffentlichung der gesamten erhaltenen Korrespondenz Gottscheds. Die entsprechende Arbeitsstelle hat im April 2000 ihre Tätigkeit aufgenommen. Es ist davon auszugehen, daß die Erschließung dieser so dichten Korrespondenz auch wesentliche neue Materialien und Erkenntnisse zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft erbringen wird. Eine jetzt vorgelegte Abhandlung über die Gesellschaft in der Zeit des Höhepunkts von Gottscheds Wirksamkeit wäre so 8

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So ist im Zusammenhang mit der >Preußen-Renaissance< der achtziger Jahre in der DDR auch ein relativ umfangreiches Schrifttum zur Aufklärung in Berlin-Brandenburg vorgelegt worden, während nicht im entferntesten gleiche Anstrengungen zur Aufklärung in Sachsen unternommen worden sind. Vgl. zu den Ursachen und Auswirkungen dieser Reserve gegenüber der Landesgeschichte Karlheinz Blaschke: Die landesgeschichtliche Arbeit in Sachsen. In: Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento VII (1981), S. 155-197, zum angesprochenen Thema s. S. 182f£

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in ca. 10 bis 12 Jahren, wenn die ersten Bände der Edition vorliegen, bereits wieder überholt. Ich habe mich daher entschlossen, die Darstellung nur bis in die Jahre um 1730 heranzuführen. Die zuvor unterhaltene vergleichsweise schmale Korrespondenz Gottscheds ist bereits heute überschaubar; die anderen zum Thema vorhandenen Quellen glaube ich in annähernder Vollständigkeit erfaßt und berücksichtigt zu haben. Ob es mir später, nach dem Erscheinen der erwähnten Briefbände, möglich sein wird, einen zweiten Band zu verfassen, der dann die Geschichte der Deutschen Gesellschaft bis 1738 zu schildern hätte, eventuell verbunden mit einem Ausblick auf die Entwicklung nach Gottscheds Austritt, läßt sich heute nicht sagen. Die vorliegende abgeschlossene Studie geht in ihren Anfängen in den Hochsommer 1996 zurück. Leider habe ich die Arbeit daran im Lauf der Zeit immer wieder zugunsten anderer Vorhaben und Verpflichtungen unterbrechen müssen. Ich hoffe dennoch, daß jetzt im Ergebnis dem Leser eine einigermaßen abgerundete Darstellung in die Hände gelegt wird. Ich habe allen Archiven und Bibliotheken zu danken, die gedruckte und handschriftliche Quellenmaterialien zur Verfügung stellten: UB Jena, Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin, Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften in Görlitz, der Ratsschulbibliothek Zwickau, der UB Tartu (Dorpat), Universitätsarchiv Leipzig, Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Thüringischen Staatsarchivs Altenburg, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Bibliothek des Leipziger Stadtgeschichtlichen Museums, UB Kiel, UB Halle, Zentralbibliothek Zürich. Vor allem aber bin ich der UB Leipzig zu Dank verpflichtet, die den GottschedBriefnachlaß und die Gedichtbände der Görlitzer Poetischen Gesellschaft verwahrt. Beide Bestände zählen zu den Hauptquellen des vorliegenden Buches. Für Hinweise, Auskünfte und Hilfeleistungen danke ich insbesondere Herrn Dr. Rüdiger Otto sowie Herrn Dr. Michael Schlott und Herrn Hartmut Wittkowski (jeweils von der Sächsischen Akademie der Wissenschaften), Frau Petra Hesse (Universitätsarchiv Leipzig) und meinem Bruder Thomas Döring (UB Leipzig). Bei Fragen der Computerbenutzung bedeutete mir der Rat von Frau Dr. Christiane Maaß (Sächsische Akademie der Wissenschaften) eine wesentliche Hilfe. Zu herzlichem Dank verpflichtet bin ich jedoch auch der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, in deren Rahmen ich dieses hier vorliegende Buch verfassen konnte. Die dort herrschende gute Arbeitsatmosphäre hat nicht wenig zum Gedeihen des ganzen Vorhabens beigetragen. Für die Aufnahme der Untersuchung in die Reihe Frühe Neuzeit bin ich besonders Herrn Prof. Dr. Friedrich Vollhardt sowie Herrn Prof. Dr. Wilhelm Kühlmann verpflichtet. Leipzig, im Januar 2001

Detlef Döring

1. Die Leipziger Deutsche Gesellschaft im Bild der bisherigen Forschung Die 1697 in Leipzig unter dem Namen Görlitzer Collegium Poeticum gegründete, jedoch erst unter ihrer späteren, 1727 angenommenen Bezeichnung allgemein bekannt gewordene Deutsche Gesellschaft genießt von jeher in der Literurhistoriographie einen besonderen Ruf. Dieser begründet sich vor allem auf die enge Verbindung der Sozietät mit dem Namen Johann Christoph Gottscheds 1 und damit mit dem Beginn der neueren deutschen Literaturgeschichte.2 Ja, es ist geradezu eine Opinio communis der Forschungsliteratur, daß Gottsched quasi der Schöpfer und alles tragende Mittelpunkt der Deutschen Gesellschaft gewesen sei. Der wohl erste Vertreter dieser Ansicht war kein geringerer als Gottsched selbst. Schon 1732 verweist er seinen Landesherren August den Starken auf »verschiedene von mir ans Licht gestellte Schriften der Deutschen Gesellschaft, so ich die Zeither fast allein im Stande erhalten und zu verbessern gesucht [...].« 3 Auch nach seinem Bruch mit der Gesellschaft (1738) hält er weiter das Bild aufrecht, er und jene Sozietät

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Die Identifikation der Deutschen Gesellschaft (bzw. Gesellschaften) mit Gottscheds Wirken setzt sich allerdings erst allmählich durch. In den frühen Publikationen zur Deutschen Gesellschaft wird zuerst und meistens allein auf Johann Burkhart Mencke als Gründer und späteren Präsidenten der Sozietät verwiesen. In den fünfziger Jahren des 18. Jh.s steht dann Gottscheds Name für die Deutschen Gesellschaften schlechthin. Das belegt eine gerade gegen diesen Anspruch zielende spöttische Bemerkung Friedrich Nicolais, die auf Gottscheds Drohung reagiert, aus der Göttinger Deutschen Gesellschaft auszutreten: »Welch eine Drohung! Die arme deutsche Gesellschaft, wenn ihr dieses Unglück begegnen sollte! Ich glaube, sie würde darüber zu einer wendischen. Denn wie kann eine deutsche Gesellschaft ohne Gottscheden bestehen?« (Briefe die neueste Litteratur betreffend, 75. Brief [2.11.1759], S. 284). Eine Darstellung der Beurteilung der Deutschen Gesellschaft in der wissenschaftlichen Literatur fehlt bislang. Zu Gottscheds Berücksichtigung in jener Literatur s. den knappen, mit Kobersteins Werk einsetzenden Überblick bei Mitchell, S. 105114. Schreiben Gottscheds an den Kurfürsten, 25.1.1732 (SHA, Loc. 6111, Ersetzung derer Professoren-Stellen in der Phil. Fac. zu Leipzig. Vol. II., Bl. 35-36). Gottsched bewirbt sich in diesem Brief um die Professur für Logik. Schon drei Jahre zuvor hatte er in einer Bewerbung um eine außerordentliche Professur für Poesie darauf verwiesen, daß die Deutsche Gesellschaft unter seiner Sorge und Leitung aufblühe (refloruit) und berühmt werde (Brief vom November 1729, SHA, Loc. 10538/16, Ersetzung der Professor-Stellen in der Phil. Fac. zu Leipzig 1668-1731, Bl. 528).

2 seien sozusagen identisch gewesen. So heißt es im Jahrgang 1752 der von Gottsched herausgegebenen Zeitschrift Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit in einer Fußnote der Besprechung eines französischssprachigen Werkes über die Wissenschaften in Deutschland, Gottsched habe 1728 (!) die Gesellschaft »gestiftet«; existiert habe sie bis 1738, d.h. bis zu Gottscheds Austritt.4 Hundert Jahre später versucht Theodor Wilhelm Danzel, der mit einem bis heute unentbehrlichen Werk am Beginn der Gottsched-Forschung steht,5 wenigstens etwas zu differenzieren. In manchen Bestrebungen der Gesellschaft wären bereits Keime angelegt gewesen, an die Gottsched anknüpfen konnte. Daraus habe er jedoch »etwas viel Höheres« geschaffen und aus einer Gesellschaft lokaler Bedeutung eine Sozietät geformt, die einen Ruf in ganz Deutschland besaß. In der späteren Literatur ist dieses Differenzierungsvermögen immer weiter zurückgegangen; Gottsched wird zum einsamen Macher. Ich beziehe mich im folgenden nur auf einige Beispiele für diese Position. So bestimmt Gottsched nach Julian Schmidt sofort nach seinem Eintritt in die Gesellschaft ganz und gar deren Geschicke; ihr neuer Charakter, ihre neuen Intentionen sind ganz sein Werk.6 Der Gottschedenthusiast Eugen Reichel räumt zwar ein, daß sich schon vor dem Auftreten seines Helden »schüchtern gewisse Bestrebungen« regten, »die wenige Jahre später von Gottsched mit weitschauender Kraft und großzügiger Beharrlichkeit« in die Tat umgesetzt wurden. Zur Zeit des Eintretens Gottscheds ist die Gesellschaft jedoch schon »ganz in Verfall« geraten, geht es »um Leben oder Sterben des kleinen Vereins«. Gottsched aber, so Reichel, »stand besonnen im Hintergrunde und schmiedete in der Stille seine großen Pläne. Die Zeit schien gekommen, daß er die Führung in die Hand nähme und das untauglich gewordene, durch ihn zu erneuende Werkzeug seinen vaterländischen Absichten dienstbar machte.« So ist denn die Umgestaltung der Gesellschaft ganz ein Werk des großen Meisters; alle anderen fungieren bei Reichel bestenfalls als Handlanger.7 Werner Rieck gibt in seinem Gottsched4 5

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Das Neueste aus der anmuthigen Gelehrsamkeit. Jg. 1752, S. 685. Danzel, S. 74ff. zur Deutschen Gesellschaft. Zu Danzel bzw. seiner Edition von Gottsched-Briefen vgl. Killy 2, S. 520f.; Hermann Hettner: Gottsched und seine Zeit. In: ders.: Schriften zur Literatur. Berlin 1959, S. 277-287 (Erstveröffentlichung 1848). Otto Jahn: Vorwort zu den Gesammelten Aufsätzen von Th. W. Danzel. Leipzig 1855, S. III-XXXIV, zu Danzels Beschäftigung mit Gottsched s. S. XXVft Wilhelm Lehmann: Theodor Wilhelm Danzel. In: ders.: Bewegliche Ordnung. Aufsätze. Frankfurt/M. o. J., S. 96-116, zu Danzels Gottsched-Buch s. S. 108f£ Julian Schmidt: Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland von Leibnitz bis auf Lessing's Tod 1681-1781.1. Bd. Leipzig 1862, S. 440ft H. Döring sieht gar Gottscheds Hand schon bei der Umgestaltung der Gesellschaft im Jahr 1717 (!) wirken (Allgemeine Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste. Bearbeitet und hg. von Johann Samuel Ersch und Jakob Gottfried. Gruber. Leipzig 1818ff., I. Abteilung, 76. Bd. [1863], S. 194). Eugen Reichel: Gottsched. Berlin 1908, S. 129ff. und S. 286f£

3 Buch, das die umfassendste Darstellung zum Thema in der Nachkriegszeit bildet, lediglich eine Wiedergabe des Inhaltes von Ernst Krokers Jahrzehnte zuvor veröffentlichten Aufsätzen zur Deutschen Gesellschaft und legt darüber hinaus besonderen Wert auf die Beobachtung, daß die Gesellschaft einen ausgesprochen bürgerlichen Charakter getragen habe. 8 Marianne Wehr vermeidet in ihrer ungedruckt gebliebenen Dissertation jede Erwähnung der früheren Geschichte der Gesellschaft, sondern berichtet sofort über den »Aufbau der Deutschen Gesellschaft« bzw. über deren »Reorganisation«. 9 Bei Elisabeth Lea/ Gerald Wiemers »versichert« sich Gottsched »der Gesellschaft zu seinen Zwecken« und »säuberte« sie »von untätigen und hinderlichen Elementen«. 10 Nach Mitchell, der die bisher letzte Gesamtdarstellung zu Gottsched vorgelegt hat, ist die Deutsche Gesellschaft von 1727 ausschließlich ein Produkt Gottscheds, der erst durch das Wirken dieser von ihm neu geschaffenen Gesellschaft zu einer nationalen Figur wurde: »[...] now his voice was cleary heard throughout Germany.«11 Im übrigen sieht Mitchell die Gesellschaft ganz und gar in der Tradition der Sprachgesellschaften des 17. Jh.s.12 Erst das Auftreten eines so energischen Organisators wie Gottsched läßt die von den früheren Sozietäten gestreute Saat aufgehen; lediglich ihren eher bürgerlichen Charakter benennt Mitchell als Unterschied zu den Gruppierungen des vorangegangenen Jahrhunderts. Schließlich sieht auch die neueste Publikation zur Deutschen Gesellschaft Gottsched als »Motor für eine grundsätz8

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Werner Rieck: Johann Christoph Gottsched. Eine kritische Würdigung seines Werkes. Berlin 1972, S. 26f., zur Deutschen Gesellschaft überhaupt S. 26-30. Gerade unter Gottscheds Seniorat häuft sich der Eintritt adliger Mitglieder (s. S. 231f.). Auch Riecks Feststellung, daß Gottscheds Kampf gegen den sprachlichen Provinzialismus zum Bruch mit der Gesellschaft geführt habe, ist nicht neu, wie behauptet, sondern findet sich schon bei Kroker. Marianne Wehr: J. Chr. Gottscheds Briefwechsel. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Frühaufklärung. Diss. Leipzig 1965 (Ms), S. lOff. Elisabeth Lea/ Gerald Wiemers: Planung und Entstehung der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig 1704-1846. Zur Genesis einer gelehrten Gesellschaft. Göttingen 1996 (Abhandlungen der Akademie der Wiss. in Göttingen, Phil.hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 217), S. 81, S. 79-84 eine an manchen Fehlern krankende Darstellung der Geschichte der Gesellschaft. Mitchell, S. 20, vgl. auch S. 8. Irrtümlich bezeichnet Mitchell Gottsched als Senior und Sekretär. Das Amt des letzteren übte jedoch J. F. May aus. Noch deutlicher streicht Mitchell die nach seiner Ansicht schlechthin zentrale Rolle Gottscheds in der Gesellschaft im Nachwort zu Band XII der Gottsched-Ausgabe heraus: »Nicht nur eine Erneuerung, sondern auch eine Umgestaltung der Gesellschaft hatte Gottsched unter seiner alles bestimmenden Leitung zu Stande gebracht. Für jeglichen Aspekt, für jegliche Tätigkeit der Gesellschaft wurde Gottsched maßgebend.« (S. 438) Die (nicht haltbare) Einordnung des Collegium Poeticum in die Tradition der Sprachgesellschaften des 17. Jh.s findet sich auch in anderen Darstellungen, ζ. B.: Wolfgang Fleischer: Zur Geschichte der germanistischen Sprachwissenschaft in Leipzig. In: Deutsch als Fremdsprache 21 (1984), S. 257-264 (257).

4 liehe Neuorientierung«, sein Wirken als »Neugründung« der Gesellschaft an. Clodius, vor Gottscheds Auftreten der wichtigste Kopf innerhalb der Gesellschaft, erscheint nur in der bibliographischen Angabe einer Fußnote. 13 Selten nur findet sich eine genauer abwägende Position wie die von Eugen Wolff, der darauf verweist, daß Gottsched, wie in anderen Fragen auch, bei seinen die Gesellschaft berührenden Reformbestrebungen »bereits an eine im Fluß befindliche Bewegung anknüpfte«. 14 Es war jedoch nicht allein der Leipziger »Literaturpapst«, der die Erinnerung an die Deutsche Gesellschaft aufrechterhielt. Das zeigt die bleibende Anerkennung ihrer Bedeutung für die Entwicklung der deutschen Literatur selbst innerhalb der langen Zeit der Geringschätzung, ja der Verachtung der Person und des Werkes Gottscheds, die schon zu seinen Lebzeiten einsetzen 15 und nach seinem Tod unvermindert anhalten. 16 Dabei ist die zeitgenössische Reaktion auf das Auftreten der Gesellschaft durchaus zwiespältig gewesen. Neben einer breiten Zustimmung, die sich vor allem auch in der Gründung zahlreicher an dem Leipziger Beispiel orientierten Deutschen Gesellschaften in fast allen protestantischen Gebieten des Reiches niederschlug, fand das Unternehmen auch Kritik, die wieder recht unterschiedlich motiviert sein konnte. So existierte auf der einen Seite entschiedener Widerstand der Vertreter einer überkommenen, am Vorrang der Pflege der klassischen Sprachen und Literaturen festhaltenden Gelehrsamkeit. Ein eindrückliches Beispiel dafür bildet ein anonym veröffentlichter, höchst sarkastischer Aufsatz in der Zeitschrift Singularia Historico-Literaria Lusatica,17 Aufs Korn 13 14 15

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K. Heidt (Der vollkommene Regent), S. 241 und 244. Wolff, S. 41, vgl. auch S. 46f. Unzählige Beispiele der in den vierziger und fünfziger Jahren gegen Gottsched gerichteten Verachtung bietet der weitgehend unveröffentlichte Nachlaß Johann Jakob Bodmers. Eine der schärfsten Zungen führte der Geistliche und Liederdichter Samuel Gotthold Lange. Schon 1749 meint er, Gottsched sozusagen für tot erklären zu können: »Teutobach [ein im Kreis um Bodmer und Breitinger gern verwendeter Spottname für Gottsched] hat das Unglück gehabt sich selbst zu überleben, denn er siehet sich von allen Anhängern völlig verlassen, und sein Name wird von niemanden, als von seinen Hausgenossen ausgesprochen. Die Zeiten sind da Sie, und ihr theurer Breytinger die Früchte ihrer Arbeit, an dem allgemeiner werdenden guten Geschmack mit Freuden sehen können.« (Laiblingen, 20. 4.1749, Zürich, Zentralbibliothek, Ms Bodmer 4.2). Es dürfte nur wenige der bedeutenderen deutschen Autor aus den Jahrzehnten nach Gottscheds Tod unterlassen haben, ihrer Verachtung dem Verstorbenen gegenüber Ausdruck zu geben. Goethe und Lessing sind nur die bekanntesten Beispiele. Ich verweise als weiteren Beleg lediglich auf eine besonders giftige Bemerkung von Helfrich Peter Sturz: »Der Staat braucht wenige, aber sehr gute Köpfe und desto mehr Hände und Füße. Dem dicken Mann Gottsched riet man an, sich eine Fähre auf der Elbe zu mieten und statt Bücher Menschen zu übersetzen; so frostig das Wortspiel ist, so gut war der Rat.« (H. P. Sturz: Die Menechmen. Kopenhagen 1767, No. 4, zitiert nach: ders.: Die Reise nach dem Deister. Prosa und Briefe. Hg. von Karl Wolfgang Becker. Berlin 1976, S. 311). Unpartheyische Gedancken über die aus dem ehemahls in Leipzig florirenden Gör-

5 g e n o m m e n wird zuerst das überhöhte Geltungsgebaren der Gesellschaft, d.h. ihr nach Auffassung des Autors nicht durch entsprechende Leistungen gedeckter Alleinvertretungsanspruch in allen Fragen der deutschen Sprache: Es gehet ihnen eine Sache auf das vortreflichste von statten, ehe sie von derselben noch selber zulänglichen Begriff haben. Sie Wissens gantz gewiß, und es kan ihnen auch niemand besser sagen, als sie sich unter einander selber, daß alle ihre Arbeiten unverbesserliche Meister-Stücke sind [...] Mein Herr! wir mögen die Zeiten wohl für die glücklichsten achten, darinnen wir zu leben von dem Schicksal versehen sind. Denn, bedencken sie nur, ob jemahls solche Wunder-Menschen gelebet? 18 D i e B e m ü h u n g e n der Sozietät (»die ehrlichen Deutschen Herren«) um die deutsche Sprache werden als lächerliche Deutschtümelei geschildert, die der notwendigen Beschäftigung mit den klassischen Sprachen Abbruch tue; d e m Scheinwissen und der geistigen Oberflächlichkeit würden damit Tür und Tor geöffnet. 1 9 Andererseits ist das Wirken der Leipziger Sozietät und der von ihr beeinflußten deutschen Gesellschaften an anderen Orten gerade von den Autoren der Generationen der Söhne und Enkel, deren zentrales Jugenderlebnis im Auftauchen aus der »Gottsched-Gellert-Weissischen pp. Wasserflut« bestand, 2 0 als ungenügend, ja als fruchtlos angesehen worden. So meint Herder, daß »die meisten unserer vielen >Deutschen G e s e l l s c h a f t e n « auch »nicht im Traume« daran gedacht hätten, die »Sprache zum vollkommenen Werkzeug der Wissenschaften zu machen [...].« Auch fehle es in den Gesellschaften an Bemühungen um eine Sprachphilosophie. 2 1 Eine harsche Kritik übt Friedrich Nicolai im zwölften seiner Briefe über den itzigen Zustand

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litzischen Collegio Poetico daselbst entstandene Deutsche Gesellschafft und von derselben herausgegebene Carmina. In: Singularia Historico-Literaria Lusatica 2 (1740), S. 38-51. Singularia, S. 401 »Nur Geduld! bald wird das aureum Eruditorum seculum angehen: Denn es sollen alle Bücher deutsch geschrieben, ins Deutsche übersetzt, und alle Wissenschafften und Künste deutsch vorgetragen werden. O was für vielwissende Leute wird es nun geben! O wie leichte werden nun alle noch verborgene Dinge entdecket werden! O was wird die Gelehrsamkeit vor eine gemeine Sache werden! [...].« (Singularia, S. 47). Ähnlich ausgerichtet ist eine von dem Laubaner Diakon und Katecheten Gottlob Friedrich Gude formulierte Kritik an einer nach seiner Meinung übertriebenen Pflege des Deutschen als Wissenschaftssprache. Damit würden der wahren Gelehrsamkeit die Grundlagen entzogen (Abhandlung von den gegenwärtigen Hindernissen der Gelehrsamkeit. In: Arbeiten einer vereinigten Gesellschaft in der Oberlausitz zu den Geschichten und der Gelahrheit. 3. Bd. (1752), 1. Stück, S. 83ff. Die Deutschen Gesellschaften werden hier jedoch nicht ausdrücklich erwähnt. So Goethe an Zelter, 27.3.1830. In: Johann Wolfgang Goethe: Sämtliche Werke (Münchner Ausgabe). Bd. 20: Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799-1832. Hg. von Edith Zehm und Sabine Schäfer. München 1998, S. 1338. Vgl. auch den Kommentarband (München 1998), S. 1099. J. G. Herder: Fragmente, 1. Sammlung, 2. Ausgabe bzw. Fragmente, 1. Sammlung, 1. Ausgabe, zitiert nach: J. G. Herder: Schriften zur Literatur. Hg. von R. Otto. Berlin u. Weimar 1985, S. 368 u. 24.

6 senschaften in Deutschland (1755): Den deutschen Gesellschaften würde ihr Name nur »in sehr uneigentlichem Verstand« zukommen, da sie bisher kein Werk geliefert hätten, »welches nicht auch einzelne Personen hätten zu Stande bringen können. Die Schriften, die sie heraus geben, sind zuweilen die deutlichste Beweise, wie wenig ihre Mitglieder der Sprache und der schönen Wissenschaften, über die sie richten sollen, mächtig sind.« Ihr Vergleich mit der Französischen Akademie wird daher ausdrücklich abgelehnt. 22 Herders Urteil bezieht eine radikale Position, die in dieser Schärfe doch wohl nur von wenigen Zeitgenossen geteilt wurde. Gerade das Verdienst der Gesellschaft um die Verbesserung und Vereinheitlichung der deutschen Sprache hat weithin Anerkennung gefunden, wenn es auch hier nicht an Kritikern fehlte. Die freilich noch weithin unter dem Eindruck des Gottschedschen Siegeszug stehende zeitgenössische Publizistik hat die Deutsche Gesellschaft als Pendant zur Französischen Akademie gesehen, als Sozietät zur »Verbesserung, Untersuchung und Übung der deutschen Sprache«, als Förderin der »critischen Känntniß unserer Sprache«, durch deren Wirken »ietzo weit mehrere Deutsche sich einer reinen und guten deutschen Schreib-Art befleißigen, als vorher geschähe.« 23 In Zedlers Lexikon, der Summa Scientiarum des Jahrhunderts, wird die Gesellschaft bezeichnenderweise unter dem Stichwort »Societät der Deutschen Sprache« geführt. Sie sei 1727 nach dem Beispiel der Französischen Akademie umgebildet worden und befleißige sich »der Reinigkeit und Richtigkeit der deutschen Sprache; das ist sie vermeidet 22

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Eine Ausnahme bildet für Nicolai freilich die Leipziger Gesellschaft, die er jedoch als »nunmehr untergegangen« bezeichnet (Friedrich Nicolai: Briefe über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland, zitiert nach dem von G. Ellinger besorgten Nachdruck [Berliner Neudrucke. 3. Serie. 2. Band. Berlin 1894, S. 94105], Sehr ironisch urteilt Lichtenberg in seinen Sudelbüchern: »Man könnte also deutsche Gesellschaft als ein Kabinett ansehen worin ein philosophischer Ältester junge Affen in ihrer Überzeugung große Geister zu sein, wie in einem leichten Spiritus aufbewahrt, um daraus Glieder zu der Kette zu finden mit welcher der Gelehrte an dem Kopisten anhängt« (Sudelbücher, Heft B, 306, zitiert nach: G. Chr. Lichtenberg: Schriften und Briefe. Hg. von W. Promies. Frankfurt/M. 1994,1. Bd., S. 126). Im vorausgegangenen Aphorismus (B 305) werden die deutschen Gesellschaften nach dem Beispiel der päpstlichen »Congregatio de Propagande Fide« sarkastisch als »Gesellschaften de propaganda puritate linguae germanicae« bezeichnet. Wieland urteilt Anfang der achtziger Jahren in einer Auseinandersetzung mit Adelung, daß Gottsched »so unverdienterweise [...] zum großen Wiederhersteller der deutschen Sprache« erhoben werde. Er und seine Schule, bei der im Kontext an die deutschen Gesellschaften zu denken ist, hätten beinahe »unsre Literatur« auf »dem Grade von Geschmacklosigkeit und Bathos« gebracht, daß »gewiß keine Nation bis ans Ende der Welt« die Deutschen darum beneiden würden (Was ist Hochdeutsch?, in: Wielands Werke in vier Bänden. Hg. von Hans Böhm. Berlin und Weimar 1984, 4. Band, S. 122). G. W. Goetten: Das jetztlebende Gelehrte Europa. Braunschweig 1736, S. 781-789, (784). Ausdrücklich heißt es hier, die Deutsche Gesellschaft habe sich »nach dem Exempel der Französischen Academie« benannt. Goetten war selbst Mitglied der Deutschen Gesellschaft und stand mit Gottsched in Korrespondenz.

7 nicht nur alle ausländische Wörter, sondern auch alle deutschen unrichtigen Ausdrücke, und Provincial-Redens-Arten, so, daß [...] rein Hochdeutsch geschrieben wird, so wie man es in gantz Deutschland verstehen kan.« 24 Der bekannte Polyhistor Christoph August Heumann betont die Bemühungen der Gesellschaft um die »cultura eloquentiae patriae, imo et Germanicae Grammaticae ac Philologicae«, verweist aber auch auf ihre Beschäftigung mit der deutschen Literaturgeschichte: Hier komme der Leipziger Gesellschaft überhaupt das Verdienst zu, als erste das Feld bestellt zu haben. 25 Schon die bald nach Gottscheds Tod erschienene Kurze Geschichte der deutschen Dichtkunst von Michael Huber in der Überarbeitung von Christoph Daniel Ebeling 26 geht mehrfach auf die Verdienste der Gesellschaft ein, der die Deutschen es geradezu »zu verdanken haben, daß die Liebe zu unsrer Sprache und die Begierde, sie rein und zierlich zu schreiben, die fast ganz erstorben waren, wiederum auflebten. Ihre Bemühungen überhaupt schafften der deutschen Litteratur Liebhaber [...].« 27 Als besonderes Verdienst wird ihr die intensive Beschäftigung mit den vergangenen Epochen der deutschen Dichtung zuerkannt, eine fortan geltende opinio communis der gesamten Literatur. Sie förderte oder begründete geradezu die Literaturkritik und die Ausbildung der deutschen Grammatik; in der Übersetzung 24 25

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Zedier 38 (1743), Sp. 190-92, (191). »Qui posthac Germanicae poesos historiam describendam susceperit, ei amplam praebebit materiam nostra haec aetas, quo facto Lipsiae initio multum coli coepit ager, cumque poeseos patriae studio coniungi cultura eloquentiae patriae, imo et Germanicae Grammaticae ac Philologiae. Ac Lipsiae singularis Societatis Teutonicae conditor fuit Io. Burck. Menckenius: cuius exemple non solum superiori in Saxonia, sed etiam in inferiori, excitati sunt multi successu prosperrimo.« (Ch. Α. Heumann: Conspectus Reipublicae Literariae. Hannover 71763, S. 261). Bemerkenswert ist, daß Mencke von Heumann schlechthin als »conditor« der Gesellschaft bezeichnet wird. Beide standen im übrigen miteinander in enger Korrespondenz (vgl. Hermes, Johann Burkhard Mencke, S. VII. Danach befinden sich 86 Briefe Menckes an Heumann in der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover). Michael Huber: Kurze Geschichte der deutschen Dichtkunst. In: Hannoversches Magazin, Jg. 1767 und 1768 (in Fortsetzungen), zu Gottsched Jg. 1768, Sp. 97-118, 353-384. Es handelt sich um eine Übersetzung der von Huber seiner Anthologie »Choix des poésies allemandes« beigegebenen deutschen Literaturgeschichte. Jedoch erklärt Ebeling, daß er sich die Freiheit genommen habe, »sie an vielen Stellen, sonderlich aber in der neuern Geschichte zu vermehren« (Jg. 1767, Sp. 81f.). Nach Klaus Weimars Darstellung ist die zweite Hälfte der Artikelserie ganz ein Produkt aus der Feder Ebelings (Weimar, S. 127£, auf S. 128ff. ausführlich zu Ebelings Konzeption der Literaturgeschichte). Vgl. zu Ebeling Killy 3, S. 138. Vgl. zu Huber; Ersch-Gruber, II. Section, 11. Teil (1834), S. 3301 Huber war 1766 nach Leipzig gezogen; sein Haus bildete eines der geistigen Mittelpunkte der Stadt. Auch Ebeling (s. MGG1, 3. Bd., Sp. 1039-41) lebte zeitweilig als Hauslehrer in Leipzig. Die von den Autoren gebotene ausführliche Darstellung der Kämpfe um Gottsched dürfte also noch auf einer unmittelbaren Kenntnis der Vorgänge beruhen. Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Hinweise der Verfasser auf den handschriftlichen Nachlaß' Gottscheds und seiner Frau, Sp. 541ff. Hannoversches Magazin, Jg. 1768, Sp. 101.

8 antiker und moderner Autoren leistete sie beträchtliches. Daß sie diese Tätigkeit im engen Anschluß an Gottsched entfaltete, wird ausdrücklich betont, wie überhaupt Huber/Ebeling bei aller auch vorhandenen Kritik Gottscheds Wirken und auch seine Person noch durchaus positiv beurteilen, ihn fast in das Zentrum der Darstellung des 18. Jh.s stellen.28 Lediglich die dichterische Produktion der Gesellschaftsmitglieder wird in ihrem Wert als eher bescheiden eingeschätzt: »Daß sie gute Dichter hervor gebracht, oder daß der gute Geschmack würcklich durch sie gebildet worden, das wird man nicht mehr einräumen, ungeachtet man gestehen muß, daß es ihre völlige Absicht war.«29 Immerhin nimmt die Gesellschaft auch hier in ihrer Zeit eine dominierende Stellung ein, denn diese »war an Dichtern außer der deutschen Gesellschaft noch nicht sehr fruchtbar«. 30 In Johann Kaspar Friedrich Mansos Übersicht der Geschichte der deutschen Poesie seit Bodmers und Breitingers kritischen Bemühungen aus den Jahren 1806-180831 tritt die Rolle der Gesellschaft im Vergleich zu Gottsched in den Hintergrund. Letzterer, ein »eitler und lobbegieriger Kunstrichter«, benutzte die Gesellschaft als Mittel zur Errichtung »der Alleinherrschaft im Reiche des Geschmacks«. Durch jene Sozietät kam er »mit mehrern angesehenen Männern inn- und außerhalb Leipzig in Verbindung« und erwarb durch die von ihm bewirkte Umwandlung der Gesellschaft den »Ruf eines patriotischen Deutschen«. Immerhin billigt auch Manso der Gesellschaft echte Verdienste zu, so den Kampf gegen die »ungewisse eckle Sprachmengerei« und die Herausgabe der Beyträge zur Critischen Historie der Deutschen Sprache, von denen Manso jedoch nur die Abhandlungen historischen und grammatischen Inhaltes gelten läßt.32 Ähnlich urteilt Johann Friedrich Ludwig Wachler, der übrigens zur gleichen Zeit wie Manso in Breslau wirkte. Nach seiner Auffassung übte Gottsched mittels der Gesellschaft einen »bedeutenden Einfluß« auf die Studierenden und auf die »an wissen-

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»Wir wollen seinen Verdiensten Gerechtigkeit widerfahren lassen, und eine aufrichtige Erzählung seiner Geschichte ist hinreichend, Deutschland daran zu erinnern, daß es ihm ungemein viel zu verdanken habe, und daß er vielleicht nicht viel weniger als der Wiederhersteller der schönen Wissenschaften in Deutschland ist, so sonderlich er auch die Sache anfieng.« (Hannoversches Magazin, Jg. 1768, Sp. 97) Hannoversches Magazin, Jg. 1768, Sp. 101, vgl. auch Sp. 108f£ (»Die Gedichte waren ordentlicher Weise Carmina, die damals vor allem in Leipzig herrschten, und immer die Schande der deutschen Dichtkunst gewesen sind.«). Das gleiche Urteil wiederholt wortwörtlich Karl Heinrich Jördens: Lexikon deutscher Dichter und Prosaisten. 2. Bd. Leipzig 1807 (Nachdruck Hildesheim, New York 1970), S. 213. Hannoversches Magazin, Jg. 1768, Sp. 113. J. K. F. Manso: Übersicht der Geschichte der deutschen Poesie seit Bodmers und Breitingers kritischen Bemühungen. In: Nachträge zu Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste, Nachträge. Bd. 8. Leipzig 1808, vgl. S. 5-108 (Darstellung der Entwicklung von 1721 bis 1748). Vgl. K. Weimar, S. 284ff. Zu Manso vgl. Killy 7, S. 456t Kosch 10, Sp. 377. Manso, Übersicht, S. 19f£

9 schaftlichen Bestrebungen empfänglichen jungen Männer« aus.33 Es folgt das nun üblich gewordene matte Lob der Verdienste Gottscheds für die Erschließung der deutschen Literaturgeschichte und für die Reinigung der Sprache, ohne jedoch in diesem Zusammenhang auf die Deutsche Gesellschaft einzugehen,34 um dann umso schärfer über den Größenwahn Gottscheds zu urteilen, den der Jubel »der gedankenlosen Menge« und die »demüthige Verehrung schwacher Köpfe« völlig geblendet habe.35 Wie unterschiedlich das Urteil über Gottsched im Werk ein- und desselben Autors ausfallen konnte, je nach den im konkreten Kontext verfolgten Intentionen, zeigt das Beispiel Heinrich Laubes, bekannt u.a. als einer der Führer des Jungen Deutschland. In seinem 1847 verfaßten Theaterstück Gottsched und Geliert erscheint der Leipziger Literaturpapst ganz als »deutscher Pedant in seiner prahlerischen Hohlheit«, der sich unablässig in Prahlereien über seine vermeintlichen Verdienste um die Literatur ergeht. Mit Recht werde ihn dereinst die Strafe der Verachtung durch die Nachwelt treffen. 36 Wesentlich differenzierter dagegen urteilt Laube in seiner wenige Jahre zuvor erschienenen Literaturgeschichte über Gottsched, wo er das Wirken der Deutschen Gesellschaft, das er weitgehend mit dem ihres Seniors identifiziert, charakterisiert: Sie weckte immer mehr den kritischen Antheil an der deutschen Sprache, und förderte die Bestrebung, selbige rein und zierlich zu schreiben. Eine dünn dogmatische, aber klar sichtende Begriffsphilosophie [...] erwies sich hierbei äußerst hilfreich. Das Interesse des Publikums, dem diese neue Manier verständlich und einleuchtend war, wurde in einem bis dahin unerhörten Maaße gewonnen.

Die Gesellschaft habe die Öffentlichkeit auf »die alten deutschen Dichtwerke« orientiert und überhaupt viel »Würdiges« geleistet. Wie bereits fast achtzig Jahre zuvor konstatiert Laube dann freilich, daß die Gesellschaft keine Dichter erzeugt habe, wie überhaupt ihr Talent, und damit auch das Gottscheds, allein auf dem Gebiet der Kritik lag, nicht aber im »positiven Versuch«.37 Nach August Koberstein, mit dem die moderne Literaturhistoriographie einsetzt, verkörpert die Leipziger Sozietät das erste Beispiel einer modernen 33

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Ludwig Wachler: Vorlesungen über die Geschichte der teutschen Nationalliteratur. Frankfurt/M. 1818, S. 109. Vgl. K. Weimar, S. 286f£ Anders setzt Wachler die Akzente in einem Beitrag zur Allgemeinen Enzyklopädie der Wissenschaften und Künste von Ersch/Gruber: Es gäbe nur wenige Sprachgesellschaften, die sich wirkliche Verdienste erworben haben: »Unter den neueren zeichnet sich die zu Leipzig [...] durch ausgebreitete vermittelst polemischer Reibungen gehobene Thätigkeit und Bekanntmachung älterer Sprach- und Literaturdenkmäler am vortheilhaftesten aus« ([I. Section], 2. Teil [1819], S. 282). L. Wachler, Vorlesungen, S. 112. Heinrich Laube: Gottsched und Geliert. Benutzt nach folgender Ausgabe: H. Laube: Meisterdramen. 1. Teil. Leipzig o. J., S. 288-424. Heinrich Laube: Geschichte der deutschen Literatur. 2. Band. Stuttgart 1839, S. 14£

10 deutschen Gesellschaft (in Absetzung zu den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s); ihr Einfluß auf die deutsche Literatur sei bedeutend gewesen. 38 Georg Gottfried Gervinus erkennt in seiner einflußreichen Literaturgeschichte schon der von Johann Burkhard Mencke, also vor Gottscheds Auftreten, geleiteten Gesellschaft zu, daß sie die erste praktische Verwirklichung der seit Ende des 17. Jh.s geführten Diskussion um die Gründung neuer Sprachgesellschaften gewesen sei. Unter Gottscheds Leitung wird sie dann ganz und gar sein Instrument und zum Zentrum einer ganz Deutschland erfassenden Bewegung: »Diese Verbindungen waren meist in erklärter Abhängigkeit von Leipzig und gaben ihre Schriften nach dem Muster der Mutterstadt heraus, worin denn Gottsched's Lob aus allen Enden Deutschlands verkündet ward.«39 Stärker in der Tradition »ähnlicher Schöpfungen des 17. Jahrhunderts« sieht Albert Köster die Deutsche Gesellschaft. Sie habe Gottsched in seinem Wirken jedoch einen festen Rückhalt gegeben und ihm »einen Kreis williger Mitarbeiter« gesichert. 40 In Joseph Nadlers Konzeption der Literaturgeschichte nimmt die Deutsche Gesellschaft eine geradezu zentrale Stellung ein. Innerhalb weniger Wochen wird nach seiner Darstellung Gottsched der »anerkannte Führer« der Gesellschaft: »Mit einem Schlage war das literarische Leben des Ostens auf Leipziger Boden zusammengeschlossen.« In einem »großangelegten Eroberungsfeldzug« wird der Versuch unternommen, das »Mutterland« (die Gebiete links der Elbe-Saale-Linie) der Sprache und dem Geist des »Siedelraumes« zu unterwerfen. 41

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Karl August Koberstein: Geschichte der deutschen Nationalliteratur. Leipzig 51872 (1. Auflage 1827), S. 37£ Zu Koberstein vgl. Killy 6, S. 417. Georg Gottfried Gervinus: Geschichte der Deutschen Dichtung. 4. Band. Leipzig 4 1873, S. 49; zur Gesellschaft unter Menckes Leitung vgl. 3. Bd., S. 617f. Zu Gervinus' Werk vgl. Weimar, S. 309-319. Nur ganz am Rande findet die Deutsche Gesellschaft dagegen bei Hermann Hettner Beachtung; sie wäre in ihrer Orientierung an die französische Akademie »die beste Verwirklichung seiner weitausgreifenden, aber rein äußerlichen Pläne gewesen«, die Hettner in der Durchsetzung des französischen Klassizismus sieht (H. Hettner: Geschichte der deutschen Literatur im achtzehnten Jahrhundert (Erstausgabe 1862-1870), Nachdruck Berlin 1961, 1. Bd., S. 263. Die sehr verbreitete Geschichte der deutschen National-Literatur von A. F. C. Vilmar nennt die Gesellschaft überhaupt nicht. Gottsched werden immerhin einige »wirkliche Verdienste« zugebilligt, jedoch eben ohne Erwähnung der Deutschen Gesellschaft (Marburg und Leipzig u1866, S. 376f£). Auf eine knappe Bemerkung beschränkt Carl Lemcke seine Äußerungen zur Deutschen Gesellschaft: Gottsched habe aus ihr »ein academisches höchstes Tribunal« formen wollen (Geschichte der deutschen Dichtung. 1. Band. Leipzig 1871, S. 390). Auch Wilhelm Scherer geht in seiner verbreiteten Geschichte der deutschen Literatur nur am Rande auf die Gesellschaft ein, meint jedoch, Gottsched habe sich mit ihr an »die Spitze des literarischen Wesens in Deutschland« stellen wollen (Berlin o. J., S. 439, Erstausgabe 1883). Albert Köster: Die deutsche Literatur der Aufklärungszeit. Heidelberg 1925, S. 6. Joseph Nadler: Literaturgeschichte der deutschen Stämme und Landschaften. 2. Band. Regensburg 21923, S. 408. Zu Nadler vgl. Killy 8, S. 327.

11 In den literaturhistorischen Handbüchern der Nachkriegszeit spielt die Deutsche Gesellschaft kaum eine nennenswerte Rolle. Newald erwähnt sie nur en passant.42 In dem umfangreichen Gottsched-Kapitel der maßgeblichen Literaturgeschichte der DDR-Germanistik wird nur flüchtig erwähnt, daß Gottsched die »ehemalige Studentenverbindung« nach »seinen eigenen Vorstellungen prägte«. In dieser Gestalt habe sie der »deutschen Aufklärung ein immer größeres Feld« erschlossen.43 Nach der lapidaren Darstellung von Reiner Wild in Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur entsteht mit Gottsched und »der von Leipzig ausgehenden Bewegung der Deutschen Gesellschaften [...] eine einheitliche deutsche Literatursprache und mit ihr eine Literatur von nationaler Bedeutung«.44 Von einer nur flüchtigen Beschäftigung mit dem Thema muß man bei einem Beitrag von Uwe-K. Ketelsen sprechen, der Gottsched als Präses (sie!) die Gesellschaft neu gründen läßt: Er stellte ihre Arbeit auf die Grundlage der Wölfischen Philosophie, band sie an seine universitäre Ausbildungsarbeit und benutzte sie konsequent als eines seiner Instrumente, die rationalistische Philosophie (und in diesem Zusammenhang die aufklärerische Literaturauffassung) sowie das Sächsische als allgemeinverbindliche Literatursprache im deutschen Sprachraum durchzusetzen.45

Hier ist vieles Spekulation! Bei aller Nähe zur Universität war die Deutsche Gesellschaft keine Ausbildungseinrichtung, weder Gottscheds noch einer anderen Persönlichkeit.46 Wie wir noch sehen werden, bestand die Mitgliederschaft der Gesellschaft keineswegs allein aus Vertretern der Philosophie Wolffs, wie auch deren Propagierung in den Veröffentlichungen der Sozietät eher nur eine mittelbare Rolle spielte. Letztendlich sei, so Ketelsen, die Deutsche Gesellschaft jedoch nur eine modernisierte Sprachgesellschaft gewesen und zwar als deren »letzte Rettung vor dem allgemeinen Untergang«. Daß die Leipziger Gesellschaft bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts im ganzen deutschen Sprachgebiet vielfältige Nachahmung fand, scheint dem 42

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Richard Newald: Die deutsche Literatur vom Späthumanismus zur Empfindsamkeit 1570-1750. München 1951 (Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart 5), S. 485. Geschichte der deutschen Literatur von den Anfängen bis zur Gegenwart. 6. Band. Berlin 1979, S. 179 u. 181. Der Beitrag zu Gottsched (verfaßt von Werner Rieck) umfaßt die Seiten 176 bis 195. Hansers Sozialgeschichte der deutschen Literatur vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Hg. von R. Grimminger. Bd. 3. München, Wien 1984, S. 113. Uwe-K. Ketelsen: Literarische Zentren-Sprachgesellschaften. In: Deutsche Literatur. Eine Sozialgeschichte. Hg. von Horst Albert Glaser. Band 3. Reinbek bei Hamburg 1985, S. 117-137 (136). Auch Klaus Weimar betrachtet übrigens die Deutschen Gesellschaften als Vorläufer der späteren universitären germanistischen Seminare. Seine Argumentation stützt sich vor allem auf Nachrichten über die Göttinger Deutsche Gesellschaft (Weimar, S. 49f£). Das soll hier nicht untersucht werden. Die Leipziger Gesellschaft ist jedenfalls nie eine studentische Übungsgesellschaft gewesen, gleich gar nicht in der Zeit von Gottscheds Führung, aber wohl auch später nicht.

12 Autor nicht bekannt gewesen zu sein. Er nennt nur die »kurzlebige« Gründung in Bern und die »ephemere Gründung« in Basel. Nach dem eben gegebenen raschen Überblick über die großen, umfassenden literaturgeschichtlichen Darstellungen wenden wir uns spezielleren Untersuchungen zu. Die einzige größere selbständige Arbeit zur Literaturgeschichte Leipzigs stammt aus der Feder des Leipziger Germanisten Georg Witkowski. Der Deutschen Gesellschaft kommt nach seinem Urteil höchste Bedeutung zu. Sie war das wichtigste Instrument in der Hand Gottscheds, um »das von Luther begonnene Werk der Einigung der neuhochdeutschen Schriftsprache« durchzusetzen; Leipzig wurde durch ihr Wirken in den dreißiger Jahren des 18. Jh.s zur »Metropole des deutschen Geisteslebens«,47 während Witkowski ansonsten die literarischen Entwicklungen in Leipzig als eher »wenig erfreulich« bewertet.48 Die Kenntnisse zur Leipziger Literatur der ersten Hälfte des 18. Jh.s sind von der Behandlung einzelner Fragen abgesehen über den von Witkowski erreichten Stand nicht hinausgekommen.49 Die neueste einschlägige Publikation, der Sammelband Das literarische Leipzig behandelt die Deutsche Gesellschaft nur kurz. Vor Gottscheds Auftreten hätte man sich dort damit begnügt, »mit selbstverfertigten Dichtungen die städtischen Feierlichkeiten zu bereichern.« Schon nach der Teilnahme an wenigen Sitzungen weist Gottsched der Gesellschaft den richtigen Weg - den der Beschäftigung mit Literaturkritik und Sprachpflege. Es folgen einige lapidare Mitteilungen zur Publikationstätigkeit der Sozietät, und damit ist dieses Thema abgehandelt.50 Die neben Gottsched beherrschende Gestalt des Leipziger kulturellen Lebens in der ersten Hälfte des 18. Jh.s ist Johann Sebastian Bach gewesen. Man sollte meinen, daß die über einhundert Jahre währende intensive Bachforschung sich mit dem literarischen Leben Leipzigs als des Kontextes von Bachs Wirken eingehend beschäftigt hat. Dies ist jedoch nur in eingeschränktem Maße der Fall.51 Ich nenne einige Beispiele: Nach Hans Joachim Kreut47 48 49

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Witkowski, S. 366ff. Witkowski, S. XXII. Vgl. u. a. Friedrich Schulze: Sachsens Anteil an dem Aufstieg der deutschen Literatur im 18. Jahrhundert. In: Jahrbuch Sachsen 1925. Hg. von Curt A. Nitzsche, S. 114-122. Gottsched steht zwar im Zentrum der Ausführungen Schulzes, die Deutsche Gesellschaft erwähnt er jedoch nicht. Gottsched wird ein entscheidender Anteil daran zugebilligt, daß in Sachsen der spätere Aufstieg der klassischen deutschen Dichtung vorbereitet wurde, damit sei jedoch »Sachsens literarische Mission erledigt« gewesen. Der hier herrschende realistisch-nüchterne literarische Stil habe den Anschluß Sachsens an die weitere Literaturentwicklung verhindert. Das literarische Leipzig. Kulturhistorisches Mosaik einer Buchstadt. Hg. von Andreas Herzog. Leipzig 1995, S. 791 Die immer noch umfassendste Bach-Biographie von Spitta (Philipp Spitta: Johann Sebastian Bach. 2 Bände. Leipzig 41930) beschäftigt sich lediglich mit Christian Friedrich Henrici (Picander) als Vertreter des Leipziger literarischen Lebens, da dieser Bach Kantatentexte lieferte. Selbst Christiane Mariane Ziegler, aus deren

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zer52 lag die Literaturproduktion in den Händen der Professoren und der Studenten, jedoch mit sehr »unterschiedlichen Zielsetzungen«. Als Beispiele studentischer Dichtungen werden Reuter und Günther genannt. Diese dürften jedoch, bei allen etwa in Leipzig empfangenen Anregungen, eher als Ausnahmeerscheinungen zu beurteilen sein. Die Professoren hätten meist lateinisch geschrieben, d.h. europäisch. Wenn man jedoch die Dichtungen Menckes, des zweifellos wichtigsten dichtenden Leipziger Professor jener Zeit, mit denen der Studenten in der Poetengesellschaft vergleicht, werden keine graduellen Unterschiede erkennbar; lateinisch wird im übrigen auch von den Studenten gedichtet. »Öffentliche Unternehmungen« (was ist damit gemeint?) hätten nur die adligen Studenten zustande bringen können. Bemerkenswert ist die von Ulrich Siegele entwickelte These, es habe im Leipziger Rat zwei kulturpolitisch unterschiedlich orientierte Fraktionen gegeben, die Kantoren- und die Kapellmeisterpartei.53 Letztere habe erst Telemann, dann Bach favorisiert. Dabei hätten sich die Vertreter der Kantorenpartei am Pietismus orientiert, ihre Widersacher seien dagegen in einer Nähe zur Aufklärung anzusiedeln. Deren Ziel bestand darin, die engen Bindungen des kulturell-musischen Lebens an den religiös-theologischen Bereich zu lokkern. Bach sei in den Augen dieser Kapellmeisterfraktion ein Vertreter der Aufklärung und daher ihr Mann gewesen. So anregend diese Darstellung ist und wie beeindruckend die akribische Rekonstruktion des Agierens beider Parteien erscheint, besitzt doch die jeweilige geistesgeschichtliche Zuweisung der beiden Parteien keine durchschlagende Überzeugungskraft. Daß Telemann u. a. in Leipzig Collegia musica gründeten und leiteten, daß diese Collegia hinter der Neukirchenmusik (die in der Leipziger Neuen Kirche oder Matthäikirche aufgeführte Musik) standen, daß daraus eine Nähe zur Oper und zur Universität abzuleiten sei, was schließlich zur »Ästhetik der Aufklärung« führt, ist doch ein zu rasch gezogener, unabgesicherter Argumentationsstrang, der so nicht überzeugt. Auch die Behauptung, Bach sei als ausgesprochen professioneller mit »rationalen Methoden« arbeitender Vertreter seines Faches in das Lager der Aufklärung einzuordnen,54 wirkt merkwürdig

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literarischen Produktion Bach ebenfalls Texte vertonte, findet keine Erwähnung. Die weithin verbreitete Bachdarstellung von Albert Schweitzer kennt das literarisch-kulturelle Leben in Leipzig als Thema gar nicht. Hans Joachim Kreutzer: Johann Sebastian Bach und das literarische Leipzig der Aufklärung. In: Bach-Jahrbuch 77 (1991), S. 7-31. Eine völlige Fehlanzeige in Hinsicht auf die Beschäftigung mit unserer Frage bedeutet die neuste Bach-Biographie von Christoph Wolff: Johann Sebastian Bach. Frankfurt/M. 2000. Vgl. Ulrich Siegele: Bachs Stellung in der Leipziger Kulturpolitik seiner Zeit. In: Bach-Jahrbuch. 69 (1983), S. 7-50, 70 (1984), S. 7-44, 72 (1986), S. 33-68. »Die Leipziger Ratsherren betrachteten ihn als jemanden, der den kompetenten Musiker vom Fach und insofern auf der Grundlage der lutherischen Orthodoxie, die ihnen gemeinsam als unveräußerlich galt, ein Moment der Aufklärung repräsentierte.« (70, S. 43)

14 nichtssagend. Mit welchen Methoden haben die Musiker vor Bach gearbeitet? Wie definiert Siegele eigentlich den Begriff Aufklärung, der in seiner Publikation als eine jedermann selbstverständliche Größe einherkommt? Auch in einer erst kürzlich erschienenen Darstellung seiner Theorie 55 liefert Siegele keine überzeugende Begründung, zumal hier sämtliche Literaturund Quellenbelege fehlen. Die Argumentation, Bürgermeister Gottfried Lange, der Bach protegierte, sei ein entschiedener Aufklärer gewesen, daher müsse Bach in eine enge ideengeschichtliche Beziehung zur Frühaufklärung gestellt werden, bleibt eine unabgesicherte Behauptung. 56 Die Deutsche Gesellschaft ist schließlich nicht nur ein Gegenstand der Literaturhistoriographie. Als Sozietät bildet sie einen Teil der Geschichte der Gesellschaften, deren Bedeutung speziell für die Entwicklung der Aufklärungsbewegung in den letzten Jahrzehnten immer deutlicher geworden ist. 57 So erscheinen die Deutschen Gesellschaften denn auch in vielen Darstellungen zu den Sozietäten der Aufklärungszeit, jedoch keineswegs in allen Überblicken. 58 Richard van Dülmen sieht in der von Gottsched in Leipzig konzipierten Deutschen Gesellschaft erstmals eine Gesellschaft, »die eine klar umgrenzte Aufgabenstellung kannte«: Diskussion über die Standesgrenzen hinweg, die Dominanz der Vernunft über die traditionell-autoritäre Meinung, Freiheit der Meinung. Dies allem kam beim Durchbruch der Aufklärung ein entscheidender Charakter zu. 59 Die bisher gründlichste Behandlung innerhalb der Literatur zur Geschichte der Sozietäten findet die Deutsche Gesell55

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Ulrich Siegele: Bachs politisches Profil oder Wo bleibt die Musik? In: Bach-Handbuch. Hg. von Konrad Küster. Kassel u.a. 1999, S. 5-25. Den einzigen konkreten Beleg bildet der Hinweis auf Bachs sogenannten vermischten Geschmack im Komponieren, der als »ästhetisches Korrelat« zur eklektischen Philosophie der deutschen Frühaufklärung zu betrachten sei (S. 27£). Ein früher Hinweis auf die Verbindung zwischen den Deutschen Gesellschaften und der Aufklärungsbewegung findet sich in einem Aufsatz von Eugen Wolff: Die Deutschen Gesellschaften des achtzehnten Jahrhunderts. In: Nord und Süd. Eine deutsche Monatsschrift. IC. Bd. (Oktober 1901), S. 225-241 und 336-354. Die Gesellschaften hätten sich »in den Dienst einer über die bloße Forschung hinausgehenden Arbeit gestellt.« Wahrheit und nicht bloßes Wissen sei deren Ziel gewesen: »Auch wo es in den Gesellschaften zu ernsten Einzelforschungen kommt, schwebt als letzter und eigentlicher Zweck die Anwendung der Wissenschaft, die praktische Ausübung der Wahrheit, Aufklärung, Bildung, Kultur vor.« (S. 340) So kennt das von Werner Schneiders herausgegebene Lexikon der Aufklärung geheime und patriotische Gesellschaften sowie Lesegesellschaften, jedoch keine Deutschen Gesellschaften. Gleiches gilt für Ulrich Im Hof: Das Europa der Aufklärung. München 1993, S. 95f£ An anderer Stelle (Das gesellige Jahrhundert. Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung. München 1982) erwähnt allerdings Im Hof die Deutsche Gesellschaft ganz knapp. Die geringe Intensität seiner Beschäftigung mit dem Thema belegt die Mitteilung Im Hofs, die Sozietät sei 1717 als Deutsche Gesellschaft gegründet worden, um 1728 in Deutsche Sozietät umbenannt worden zu sein (S. 125). Richard van Dülmen: Die Gesellschaft der Aufklärer. Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland. Frankfurt/M. 1986, S. 48f£

15 schaft in Wolfgang Hardtwigs großer Darstellung des Vereinswesens in Deutschland.60 Hardtwig ist einer der wenigen Autoren, die erkennen, daß die Gesellschaft bereits vor Gottscheds Ankunft neue Wege beschritten hatte, an die er anknüpfen konnte. Betont wird, daß es neben den literarischen Reformbestrebungen auch die Pflege der lügenden gewesen sind, die im Anschluß an die Orientierung der barocken Sprachgesellschaften ein wichtiges Ziel der Deutschen Gesellschaft bildete. Tugendhaftigkeit und Redlichkeit wird in Abgrenzung zu Adel und Hof als »Selbstkennzeichnung des Bürgers« verstanden (»Mittelstand als sittlicher Kern der Nation«). Mit diesem Anspruch trat die Gesellschaft in die literarische Öffentlichkeit, die so zumindest implizit die Möglichkeit barg, politische Öffentlichkeit zu werden. Die Deutschen Gesellschaften erscheinen damit als Ausdruck eines gesteigerten bürgerlichen Selbstbewußtseins. Ein weiteres Ziel der Deutschen Gesellschaft bestand in der Förderung des deutschen Patriotismus. Deutsche Literatur, Kultur und Sprache sind, so der Anspruch, den führenden europäischen Kulturnationen gegenüber gleichberechtigt. Zugleich richtete sich dieser Anspruch gegen die vom französischen Einfluß überfremdete unnationale höfisch-aristokratische Gesellschaft in Deutschland. Zusammenfassend urteilt Hardtwig: Bereits in der Deutschen Gesellschaft, »nicht erst bei Herder oder in der >Deutschen Bewegung< der Jahre nach 1763, legen bürgerliche Gelehrte ein Programm der nationalen Bewußtwerdung und Erneuerung< vor. Somit stellt bereits die deutsche Frühaufklärung einen ursächlichen Zusammenhang von Bürgerlichkeit, Gelehrsamkeit und Nationalität her [,..].«61 Eine in manchen Punkten ähnliche Position hatte schon Jahrzehnte vor Hardtwig die m.E. einzige monographische Gesamtdarstellung der Deutschen Gesellschaften des 18. Jh.s eingenommen, die unveröffentlicht gebliebene Dissertation von Thomas Charles Rauter. 62 Hinter der Gründung deutscher Gesellschaften stand nach Rauters Auffassung das Vorbild der Académie Française: »In the >Deutsche GesellschaftDeutsche Gesellschaft«', the educated German-speking bourgeoisie took part in the century's literary life as in no other German social institution.« (S. 287) Rauter (Deutsche Gesellschaft), S. 80. Gottscheds großes Verdienst hätte darin bestanden, diese Entwicklung überhaupt erst ermöglicht zu haben. »The >Deutsche Gesellschaft« was an attempt to translate the Académie Française into German-speaking Europe.« (Rauter [Deutsche Gesellschaft], S. 30, vgl. auch S. 45t)

17 Schäften, d.h. in das Streben nach »Ausbildung und Vervollkommnung der Sprache«. Daß die Gesellschaft ausschließlich von Studenten aus Görlitz gegründet wurde, wird aus einem reinen Zufall erklärt. Die große Bedeutung von Christian Clodius bleibt unbeachtet; die führende Gestalt der Frühzeit der Sozietät ist Johann Burkhard Mencke. Das Wirken der Gesellschaft unter Gottscheds Leitung wird eher kritisch beurteilt: Sind gleich dieser Gesellschaft einige Verdienste um die Deutsche Sprache nicht abzusprechen, so konnte sie doch nur dem Geiste und der Bildung ihres Zeitalters gemäß wirken. Selbst in den Zeiten, wo sie am thätigsten wirkte, hauptsächlich unter Gottsched, zeichnete sie sich durch keine bedeutende Arbeit aus, und gefesselt durch den Ton, den Gottsched angab, erhob sie sich nicht zu der Höhe, auf die damals einige Deutsche Schriftsteller sich aufgeschwungen hatten. Daher auch jetzt ihre Schriften, vornehmlich die Gedichte, bei ihrem Ton und ihrem Ausdrucke, keinen Beifall finden können.67

Merkwürdig ist, daß der Bruch Gottscheds mit der Gesellschaft keine Erwähnung findet: Nach seinem »Abgange« sei 1762 (!) Ludwig als sein Nachfolger im Seniorat gewählt worden. Auch ein elf Jahre später gehaltener Vortrag vor den Mitgliedern der Gesellschaft sieht das Wirken der von Gottsched geprägten Sozietät zuerst kritisch: Es habe »alle Gebrechen« der »vom Meister vorgezeichneten Richtung« getragen, d.h. Geschmacklosigkeit und Wortschweifigkeit. Andererseits habe sie doch Anteil am Aufkommen der neuen deutschen Literatur eines Klopstocks und Goethes. Die zweite Hälfte des 18. Jh.s wird eher als eine Zeit des Stillstands für die Gesellschaft betrachtet, zum Teil weil sie sich »nicht mehr halten lassen wollte in den Fesseln Gotsched'scher Gesetze.«68 Julius Vogel ist einer der wenigen Autoren, die sich näher der Frühgeschichte der Gesellschaft zuwenden. Zwar beginnt für ihn 1727 ein völlig neuer Abschnitt in der Entwicklung der Gesellschaft, der ganz und gar auf die Reformideen Gottscheds beruht, dennoch widmet er sich relativ ausführlich der Frühgeschichte der Gesellschaft; auch ist er der einzige Autor überhaupt, der die geschriebenen Gedichtbände des Kollegiums benut.69 Bruno Stübel, dessen Festvortrag von 1877 bis heute die umfangreichste Gesamtdarstellung zt der Geschichte der Gesellschaft bietet,70 sieht diese ganz in 67

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Vgl. Erster Bericht an die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft zu Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig. Leipzig 1827, S. 43. Der Autor dieses Beitrages (S. 5 - 4 4 ) wird nicht genannt. Bericht vom Jahre 1838 an die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft. Hg. von den Geschäftsführern der Gesellschaft Dr. Ámilius Ludwig Richter und Dr. Karl August Espe. Leipzig 1838, S. 55-58. Verfasser des Beitrags ist der Herausgeber Ä. L. Richter. Julius Vogel: Die Deutsche Gesellschaft zu Leipzig. Zu ihrem zweihundertjährigen Jubiläum. In: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. Jg. 1897 (Ausgabe vom 2.1.), S. 1 - 4 . Der informative Beitrag hat in der späteren Forschung keinerlei Beachtung gefunden. Bruno Stübel: Die Deutsche Gesellschaft in Leipzig von ihrem Entstehen bis zur

18 der Tradition der Sprachgesellschaften des 17. Jh.s und konzentriert sich in seinen Ausführungen im wesentlichen auf die Wiedergabe des Inhaltes der inhaltlich mehrfach revidierten Statuten der Gesellschaft. Die Jahre zwischen 1724 und 1738 sehen Gottsched ganz und gar im Zentrum der Ausführungen; er allein steht hinter allen Aktivitäten der Sozietät; von Mosheim abgesehen werden keine anderen Namen genannt.71 Ein 1927 in Leipzig gehaltener Festvortrag von Friedrich Neumann handelt im Widerspruch zu seinem Thema72 kaum von der Deutschen Gesellschaft, sondern fast allein über Gottsched und sein Wirken. Immerhin trifft jedoch Neumann die anregende Feststellung, daß Gottsched, dem äußeren Eindruck entgegen, die Gesellschaft nicht wirklich nach seinen Vorstellungen hatte prägen können. Sie sei in vielerlei Hinsicht »die alte Teutschübende Gesellschaft geblieben, in ihr war noch viel 17. Jahrhundert.« Auf die Gegensätze zwischen den Mitgliedern der Gesellschaft und ihrem Senior verweist auch Ernst Kroker in seinem ebenfalls 1927 gehaltenen Vortrag73 und macht Gottscheds Rechthaberei, die Bequemlichkeit vieler Mitglieder und Gottscheds Frontstellung gegen die Schlesier als Ursachen der Spannungen aus; eine wirkliche innere Geschichte der Sozietät findet sich bei ihm jedoch nicht, wenn er auch neben Gottsched noch andere Namen, vor allem den Johann Friedrich Mays, erwähnt. Es folgt eine ausführlichere Darstellung des Austritts Gottscheds aus der Gesellschaft, die sich auf eine frühere umfangreiche Untersuchung Krokers stützen kann. Immerhin findet Clodius' Tätigkeit als Begründer der Bibliothek der Gesellschaft breitere Beachtung; mit seinem Weggang sei die Sozietät jedoch wieder in ihre frühere Untätigkeit zurückgefallen.74 Im wesentlichen mit Krokers Darstellung iden-

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Gegenwart. Vortrag, gehalten bei Gelegenheit der Feier des 50jährigen Erneuerungsjubiläums der Gesellschaft am 5. April 1877. In: Mittheilungen der Deutschen Gesellschaft 6 (1877), S. 3-41. Vgl. auch die lapidare Feststellung Felix Beckers aus dem Jahre 1925, Gottsched habe aus »dem lokalen Studentenvereine eine deutsche Gelehrtenangelegenheit« gemacht (Becker, S. 118). Friedrich Neumann: Gottsched und die Leipziger Deutsche Gesellschaft. In: Archiv für Kulturgeschichte VIII, S. 194-212 (210). Ernst Kroker: Zweihundert Jahre Deutscher Gesellschaft. In: Beiträge zur Deutschen Bildungsgeschichte. Festschrift zur Zweihundertjahrfeier der Deutschen Gesellschaft in Leipzig 1727-1927 (Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig 12), S. 7-27. Vgl. Abkürzungsverzeichnis. Die Arbeit stützt sich auf einen Handschriftenfund in der damaligen Leipziger Stadtbibliothek (Briefe von und an Gottsched), den Kroker im Anhang auch ediert. Außerdem bietet der Beitrag ein Verzeichnis der Mitglieder der Gesellschaft der Jahre 1697-1741. Die von Kroker herangezogenen Quellen für die Zusammenstellung dieses Verzeichnisses sind jedoch durch die Mitgliederlisten zu ergänzen, die Sicul in seinen Annalen veröffentlichte (I, S. 889; II, S. 144f.; III, S. 47f. und S. 391-393; IV, S. 959-960). Eine Liste der Mitglieder nach dem Stand des Jahres 1736 gibt G. W. Goetten: Das jetztlebende Gelehrte Europa. Braunschweig 1736, S. 783-789. Die Liste beruht auf einer Zusammenstellung von J. F. May (vgl. Briefe Goettens an Gottsched, 4.11.1734, 29. 9.1735). Im Wider-

19 tisch ist ein ebenfalls im Jubiläumsjahr 1927 veröffentlichter Aufsatz von G. Witkowski.75 Auch er verweist auf eine »neue, literarhistorische Tendenz« innerhalb der Gesellschaft nach 1717, die er eng mit Clodius in Verbindung setzt. Erst Gottsched habe dann freilich die Gesellschaft in die Lage versetzt, diese Ideen verwirklichen zu können. Bleibt also bei Kroker und Witkowski Gottsched die große Gestalt, so erkennen sie doch zumindest, daß die Gesellschaft nicht eine völlig unselbständige Vereinigung darstellte, aus der Gottsched nach Belieben eine in ihrem Charakter ganz aus seinem Geist geschöpfte Körperschaft formen konnte.76 Auch die neueste von Kerstin Heidt vorgelegte Darstellung der Geschichte der Deutschen Gesellschaft bewegt sich teilweise in den alten Geleisen: Die »Leipziger Sprachgesellschaft« (sie!) hätte in jeder Phase ihrer Geschichte »unter dem Leitgedanken der Pflege der deutschen Sprache« gestanden.77 In ihren Anfängen hätte sie in der Tradition der von Heidt nicht näher definierten »älteren europäischen und deutschen Sozietätsbewegung« gewirkt, seit den zwanziger Jahren sei sie unter dem Einfluß der »modernen europäischen Akademiebewegung« gestanden. Letztere wird an den Beispielen der bekannten italienischen und französischen Akademien sowie der Fruchtbringenden Gesellschaft erläutert. Konkreter wird die Charakterisierung der Gesellschaft in der Zeit ihrer Führung durch Gottsched. Dieser habe als »Motor für eine grundsätzliche Neuorientierung« der Sozietät »an den Prinzipien der rationalistischen Philosophie« Wolffs gewirkt.78 Vor allem über die Analyse der panegyrischen Dichtung der Gesellschaft wird dann versucht, diese These zu belegen. Die dabei unterbreiteten Ergebnisse sind durchaus beachtenswert und weithin akzeptabel. Kritisch anzumerken ist jedoch die wiederum zu einseitige Orientierung auf Gottsched, was zur Verkennung der vielfältigen Gestalt der Gesellschaft und ihrer weit komplizierteren Geschichte führt. Im Résumé läßt sich feststellen, daß der soeben entworfene Überblick über die bisherige Beschäftigung mit der Geschichte der Deutschen Gesellschaft in Leipzig erhebliche Lücken, Desiderate und Verkürzungen aufzeigt.

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Spruch zum Titel des Aufsatzes geht Kroker auch relativ ausführlich auf die Frühgeschichte der Gesellschaft, insbesondere aber auf die Jahre ihrer Umgestaltung unter Gottscheds Senioriat ein. Georg Witkowski: Die Deutsche Gesellschaft in Leipzig. In: Minerva-Zeitschrift. Nachrichten für die Gelehrte Welt 3 (1927), S. 165-170. Singular ist die Auffassung Herbert Hoffmanns, der meint, über Mencke eine Beeinflussung der Poetischen Gesellschaft (eine »Umbildung der alten Akademien«) durch die Royal Society feststellen zu können, wären doch Dichter, Ärzte, Mathematiker, Philosophen usw. Mitglieder gewesen (H. Hoffmann, S. 54). Kerstin Heidt: Der vollkommene Regent. Studien zur panegyrischen Casuallyrik am Beispiel des Dresdner Hofes Augusts des Starken, Tübingen 1997 (Frühe Neuzeit 34), S. 238. K. Heidt (Der vollkommene Regent), S. 241.

20 Vielleicht der erste zu erhebende Einwand ist der, daß die Deutsche Gesellschaft nicht isoliert von ihrem Kontext zu sehen ist, d. h. in Unabhängigkeit von der Universität, der fast alle ihre Mitglieder angehörten, und ohne Berücksichtigung des allgemeinen literarisch-kulturellen Lebens der Stadt Leipzig. So ist der im zweiten Jahrzehnt des 18. Jh.s einsetzende Wandel der Deutschen Gesellschaft unbedingt im Zusammenhang mit den jetzt zum Tragen kommenden Änderungen im geistigen Klima an der Universität und in der Stadt zu betrachten. Andererseits ist die lange Zeit andauernde fast ausschließliche oberlausitzer und schlesische Herkunft der Mitglieder und die dezidierte Anbindung der Gesellschaft an die Stadt Görlitz nicht als Zufall oder zu vernachlässigender Aspekt zu betrachten. Dies wirft zugleich die Frage nach der gegenseitigen kulturellen Beeinflussung zwischen Leipzig und der erst seit dem Dreißigjährigen Krieg zu Sachsen gehörenden Oberlausitz auf. Besonders nachteilig hat sich die von jeher als selbstverständlich gesehene ganz einseitige Konzentration auf die Person Gottscheds erwiesen. Kaum eines der anderen zahlreichen Mitglieder der Gesellschaft fand so das Interesse des Betrachters; die Zeit vor Gottscheds Ankunft in Leipzig (1724) wird zur rasch erzählten, in ihrer Bedeutung mehr oder minder zu vernachlässigenden Vorgeschichte. Mit Gottsched, so die Auffassung, hebt dann eine neue, die eigentliche Geschichte der Gesellschaft an; der Zeit davor kommt somit keine eigenständige Bedeutung zu. Wir werden jedoch sehen, daß Gottsched als Leiter der Deutschen Gesellschaft niemals an einem Nullpunkt der Entwicklung stand, sondern mit Persönlichkeiten, mit Vorstellungen und Intentionen zu tun hatte, die sich ihm nicht oder nur teilweise fügten. Andererseits sind viele der Aktivitäten, die von Gottsched in Gang gebracht wurden, bereits in der »vorgottschedischen Zeit« verfolgt wurden, nur eben weniger intensiv, weniger professionell, weniger publikumswirksam.79 Auch das von Gottsched so nachdrücklich und schließlich doch so erfolglos betriebene Bemühen, der Deutschen Gesellschaft analog der Académie Française den Rang einer Deutschen Akademie für Sprache und Literatur zu verschaffen, hatte im engeren sächsischen Raum Vorläufer, die es zu berücksichtigen gilt. Ein angesichts der Quellenlage schwierig zu behandelndes, gleichwohl wichtiges Thema ist die zeitgenössische Resonanz auf das Auftreten der Gesellschaft. Nur bei Berücksichtigung dieses Aspektes läßt sich etwas über die tatsächliche Wirkung unserer Sozietät sagen.

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Bei der Gründung und dem Aufbau der Bibliothek der Gesellschaft ist allerdings festzustellen, daß die Hauptarbeit zum Zeitpunkt des Beitritts Gottscheds bereits geleistet worden war.

2. Die Quellen zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft Der geschilderte keineswegs befriedigende Stand der Forschungen zur Deutschen Gesellschaft ist wenigstens teilweise aus der ungünstigen Quellenüberlieferung zu ihrer Geschichte zu erklären. Die Hauptquelle zur Kenntnis der Entwicklung der Gesellschaft bildet das von ihr herausgegebene Schrifttum. Es beginnt, klammert man einzelne zuvor im Namen der Gesellschaft publizierte Kasualgedichte aus, mit einer lateinischen Arbeit von Christian Clodius zur Geschichte des Görlitzer Poetenvereins (Schediasma) und endet mit einer Rede des Seniors Johann Georg Eck, die er 1808 anläßlich der alljährlichen Magisterpromotionen an der Leipziger Universität gehalten hat.1 Etwas merkwürdig mutet an, daß sowohl die erste als auch die letzte Selbstdarstellung der Deutschen Gesellschaft in lateinischer Sprache abgefaßt wurden. In verschiedenen Vorreden und anderen Texten wird in jenen Publikationen auch auf Geschichte, Verfassung und Bestreben der Gesellschaft eingegangen. Ungedruckte Quellen sind heute dagegen nur noch in bescheidenem Umfange nachweisbar. Ein Archiv hat es gegeben, 2 jedoch ist schon in der Mitte des 19. Jahrhunderts davon nichts mehr vorhanden.3 Bereits zu Beginn 1

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Ad Renunciationem Magistrorum L. L. A. A. Doctorumque Philosophiae D. III. Martii MDCCCVIII. Ab H. X Ritu solemni habendam [...] invitât loh. Georgius Eccius. Inest Symbolarum ad histor. Litt. Lipsiensem Pars V De Societate Germanica (benutzt nach einem Exemplar der UB Kiel). Das geht aus einem Brief von Abraham Gottheit Kästner an Christian Gottlieb Ludwig hervor. Er hätte, schreibt Kästner, aus »dem Archiv der Gesellschaft« gerne ein bestimmtes Gedicht erhalten wollen. Der Senior May habe es »aber wegen der Unordnung in die er alles gerathen lassen« nicht finden können (30. 5.1762, UBL, Ms 01308, Bl. 131 r -132 v [132v]). Schon Danzel konnte »keine Spur« eines Archives mehr feststellen (S. 99, Fußnote). Jedoch fordert das Statut von 1727, daß der Sekretär der Gesellschaft von allen eingehenden und ausgehenden Briefen eine Abschrift (»in ein besonders Buch«) anfertigt und »dasselbe zur Bibliothek der Gesellschafft« übergibt. Gleiches galt für ein anderes Buch, in dem der Sekretär »alle sonderbare Anmerckungen, die von der Gesellschafft über die verlesenen Sachen gemachet werden« festhalten sollte (Nachricht, S. 21). Von der Existenz solcher Bücher habe ich jedoch nirgends eine Spur finden können. Auch die statuarisch geforderte schriftliche Rechnungsführung und das gleichfalls verlangte »Schuld-Register« lassen sich nirgends nachweisen. Allerdings ist in einem Brief Gottscheds, der in Verbindung zu seinem Austritt aus der Gesellschaft zu sehen ist, von einem »geschlossenen Pult« die Rede, das sich bei ihm (Gottsched) befindet und »geschriebene Sachen« enthält, die sich auf die Gesellschaft beziehen (Brief vom 25. 6.1738, UBL, Rep. VI, 16bb, Bl. 13v.

22 der zwanziger Jahre soll die Gesellschaft einen ausgedehnten Briefverkehr mit Orten in Ober- und Niedersachsen, Schlesien, Westfalen, Franken, Schwaben, Bayern, Österreich und Dänemark geführt haben. 4 Später lief die Korrespondenz mit den auswärtigen Mitgliedern anscheinend 5 über den Briefwechsel der verschiedenen Repräsentanten der Gesellschaft (Gottsched, May, Mosheim, später Ludwig);6 Sitzungsprotokolle sind nicht überliefert, könnten aber einmal vorhanden gewesen sein.7 1827 vereinigte sich die damals kaum noch lebensfähige Deutsche Gesellschaft mit dem 1824 gegründeten Sächsischen Altertumsverein zur Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Althertümer. Zu diesem Zeitpunkt

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Die in jener Sammlung enthaltenen wenigen Schreiben bilden den einzigen Rest des Archivs der Gesellschaft, vgl. dazu Kroker, Austritt). Im Antwortschreiben ist dann auch wieder vom »geschlossenen Pult« und den »geschriebenen Sachen« die Rede (vgl. Danzel, S. 102). Im Kontrast zur Leipziger Situation steht die außerordentlich umfangreiche Quellenüberlieferung zur Jenaer Deutschen Gesellschaft. Dort scheint das Archiv der Sozietät in wesentlichen Teilen erhalten geblieben zusein: Schreiben der Mitglieder an die Gesellschaft (hauptsächlich jedoch nur aus der Spätzeit der Sozietät), Manuskripte der auf den Sitzungen gehaltenen Reden, Übersetzungen, Voten der Mitglieder über die Probestücke der Kandidaten, Protokollbücher mit Angaben zu den Sitzungen, die Entwürfe zu den Statuten, Aufzeichnungen zur Geschichte der Gesellschaft usw. (UB Jena Mss Prov. f. 130-132 (10), Prov. q. 77-79, Prov. o. 9 u. 10 [insgesamt 16 Konvolute und Bände]). Auch zur Teutschen Gesellschaft in Helmstedt, die von 1745 bis 1805 existierte, hat sich ein allerdings kleiner Aktenbestand erhalten (Staatsarchiv Wolfenbüttel, 37 Alt 976). Sicul III, S. 46. Gottsched erwähnt in Bezug auf die Deutsche Gesellschaft jedoch gelegentlich eine »Sammlung unsrer Correspondenz«, in der sich Briefe aus Breslau, Frankfurt/M., Berlin, aus Gegenden im Magdeburger Raum und in Pommern sowie viele andere Orte befänden. Ob er damit seine eigene Korrespondenz meint, oder ob es doch eine eigenes Briefarchiv der Gesellschaft gab, vermag ich nicht zu sagen. Zur Zeit Gottscheds muß allerdings einmal daran gedacht worden sein, Wolf Balthasar Steinwehr die Korrespondenz der Gesellschaft zu überlassen. Jedenfalls spricht May in seiner Abschiedsrede auf Steinwehrs Berufung nach Göttingen von einer entsprechenden Bereitschaftserklärung Steinwehrs: »Die Hoffnung, welche man dabey fassete, verschwindet nunmehro [...].« (Von dem Einflüsse der Gemüthsbewegungen in die Sprache an Herrn Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr, [...] bey Dessen erhaltenem Berufe zur Prof. Extr. nach Göttingen. In: Eigene Schriften III, S. 224-235 [2281]). Nach den Statuten von 1727 hatte der Senior die bei ihm einlaufenden Briefe der Mitgliederversammlung vorzulegen. Der Sekretär hatte, nach Beratung der Mitglieder, eine Antwort aufzusetzen, die er und der Senior zu unterzeichnen hatten (Nachricht, S. 19f.). Ich schließe dies aus dem Reisebericht Chr. G. Fischers (vgl. Predeek, Albert: Ein vergessener Freund Gottscheds. In: E. Kroker, Festschrift, S. 109-123), der den Salon der Frau Ziegler besuchte, einen beliebten Treffpunkt von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft, und dort auf Gottsched und May trifft. Außerdem nehmen (außer der Frau Ziegler) noch mehrere Damen und zwei Nichtmitglieder der Gesellschaft an der Zusammenkunft teil. Ausdrücklich bemerkt Fischer, daß eine der Damen das Protokoll führte. Wenn dieses doch eher lose Soiree protokolliert wurde, sollte dies für die »richtigen« Versammlungen der Gesellschaft erst recht anzunehmen sein.

23 hat man die Bibliothek der alten Deutschen Gesellschaft, deren Anfänge in das zweite Jahrzehnt des 18. Jh.s zurückreichen, der Leipziger Stadtbibliothek überlassen.8 Im Besitz jener erneuerten Gesellschaft (in ihrem Archiv) blieben jedoch einige Dokumente zu ihrer Frühgeschichte als studentischer Sozietät. Zumindest gilt dies für einen von Kroker erwähnten »starken Oktavband«, der das Verzeichnis der Mitglieder von 1697 bis 1717 und die Statuten in ihren Bearbeitungen bzw. Neufassungen des gleichen Zeitraumes enthielt. 9 Genannt wird außerdem eine weitere Mitgliederliste für die Jahre 1728 bis 1741. 10 Stübel kennt außerdem ein Mitgliederverzeichnis der Jahre 1762 bis 1804 und nennt einige bekanntere Persönlichkeiten, die in jenen Jahren der Gesellschaft beitraten.11 Beide Bände befanden sich zusammen mit der Bibliothek und allen sonstigen Sammlungen in den Räumen der Deutschen Gesellschaft im Mauricianum der Universität (Grimmaische Straße 32 IV ) 12 und fielen dort dem schweren Luftangriff auf Leipzig am 3.12.1943 zum Opfer. Ob sich im reichhaltigen Handschriftenbestand der Bibliothek noch weitere Materialien zur Geschichte der Deutschen Gesellschaft im 18. Jh. befanden, läßt sich heute nicht mehr eindeutig feststellen. 13 Durch die Publikationen von Stübel und Kroker sind uns die Texte des Mitgliederverzeichnisses und der Statuten (allerdings unvollständig) erhalten geblieben. Handschriftliche Überlieferungen zur Geschichte der Gesellschaft nach Gottscheds Austritt sind bisher nicht bekannt geworden. 14 Wenn wir 8

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Der Bestand der Bibliothek wird durch den von Ernst Kroker erstellten Katalog (Bibliotheca Societatis Teutonicae) erschlossen. Kroker, Austritt, S. 4f. Das »Album der Görlitzischen poetischen Gesellschaft« erwähnt auch Felix Becker: Die Sammlungen der Deutschen Gesellschaft. In: E. Kroker: Festschrift, S. 49. J. Vogel (Die Deutsche Gesellschaft) meint gar, das Archiv enthalte an Quellen zur Gesellschaftsgeschichte »außer schon Gedrucktem Nichts«. Vgl. Kroker, Austritt, S. 42. Es handelt sich um einen Anhang zu einem Exemplar der »Nachricht von der erneuerten Gesellschaft [...]«. Stübel, Die Deutsche Gesellschaft, S. 26f. Vgl. zu diesen Sammlungsbeständen F. Becker: Die Deutsche Gesellschaft und ihre Sammlungen. In: Leipziger Kalender. Illustriertes Jahrbuch und Chronik 12 (1925), S. 117-121, dort auch eine Schilderung des Lebens der Gesellschaft in den zwanziger Jahren des 20. Jh.s. Vgl. Hugo K. Hermann Rugenstein: Die Bibliothek der Deutschen Gesellschaft. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft 10 (1910), 3. Heft, S. 5-9. Die hier von Rugenstein angekündigte Katalogisierung der Handschriften scheint nicht zustande gekommen zu sein. Vgl. zur Bibliothek der Gesellschaft auch Eduard Zarncke: Leipziger Bibliothekenführer. Leipzig 1909, S. 155. Hier wird eine Zahl von 450 Handschriften angegeben. Einige wenige Notizen finden sich in den Briefen Mays, des neuen Seniors, an Gottsched. Beide korrespondierten miteinander jedoch nur dann, wenn einer von ihnen nicht in Leipzig anwesend ist. So teilt May am 22.7.1742 mit: »Vergangene Mittwoche hielten wir auf dem Orthopaiischen Saale die Versammlung der Deutschen Gesellschaft und H. M. Schwabe nach unserer Verfassung dem Seel. H. M. Stübnern zu Ehren eine Rede, M. Schmid aber und M. Pitschel wurden in die Gesellschaft aufgenommen. Sr. Excellenz der H Graf [Manteuffel] beehrten uns mit ihrer Gegenwart, M. Coste und H. Prof. Christ kamen auch mit.« (UBL, Ms 0342, VII,

24 davon ausgehen, daß auch die späteren Seniores die Korrespondenz der Sozietät über ihren heimischen Schreibtisch besorgten, so müßten sich entsprechende Papiere in den Nachlässen von May und Ludwig befinden. Von May ist kein Nachlaß bekannt; die Reste des Ludwigischen Briefnachlasses enthalten keine Materialen zur Deutschen Gesellschaft. 15 Glücklicherweise ist die schon erwähnte Bibliothek der alten Deutschen Gesellschaft erhalten geblieben, da sie zusammen mit den Handschriften und anderen Spezialbeständen der Stadtbibliothek, der drittgrößten Büchersammlung Leipzigs, während des Krieges noch rechtzeitig ausgelagert wurde und so nicht, wie die gesamte übrige Stadtbibliothek, dem erwähnten Angriff vom 3.12.1943 zum Opfer fiel. 1961 ist die Sammlung zusammen mit anderen Beständen der Stadtbibliothek der Universitätsbibliothek Leipzig als Dauerleihgabe überlassen worden. 16 Zusammen mit der Bibliothek der Gesellschaft gelangten auch die handschriftlichen Gedichtbände, die zwischen 1697 und 1724 angelegt worden sind, in die Obhut der Stadtbibliothek. Ursprünglich waren die Bände nach ihrer jeweiligen Fertigstellung in die Bibliothek des Görlitzer Gymnasiums gelangt. Gottsched berichtet, daß dorthin insgesamt vier Bände verschickt wurden, jedoch seien »durch gewisse Umstände« die Gedichte »wieder an die Gesellschafft zurücke gekommen«. Über die Gründe jener Zurücksendung läßt er sich jedoch nicht näher aus.17

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Bl. 247r). Diese Mitteilung zeigt im übrigen, daß auch nach 1741 noch Mitglieder aufgenommen wurden. Die durch Kroker (Austritt) überlieferten Mitgliederlisten brechen 1741 ab. Pierre Coste war seit 1721 Pastor der französischen reformierten Gemeinde in Leipzig. Vgl. Detlef Döring: Der Nachlaß von Christian Gottlieb Ludwig (1709-1773) in der Universitätsbibliothek Leipzig. In: Medizinhistorisches Journal 27 (1992), S. 113-125. Eine Ausnahme bilden einige Briefe von Abraham G. Kästner an Ludwig, in denen er sich über die Deutschen Gesellschaften in Leipzig und Göttingen äußert. Die Geschichte der Deutschen Gesellschaft unter der Leitung von Ludwig und seiner Nachfolger (Samuel Friedrich Nathanael Morus, Johann Georg Eck) ist ein völlig unbehandeltes Thema. Ganz so bedeutungslos wird die Sozietät in dieser Zeit nicht gewesen sein. Wenn sie auch nicht mit Publikationen innerhalb der Öffentlichkeit wirkte, können von ihr doch indirekte Einflüsse ausgegangen sein. Darauf deutet die Schilderung des Lebens der Gesellschaft unter dem Seniorat Ludwigs, die 1808 Johann Georg Eck bietet: »Singulis mensibus sodales apud eum [Chr. G. Ludwig] conveniebant, varias de rebus ad linguam vernaculam, atque poësin, pertinentibus recitationes, a collegio diiudicandas, habebant, dubia sua inter se communicabant, ut collegae collegarum libros edendos, priusquam typis exscriberentur, severe, ac diligenter, iudicarent, se invicem hortabantur, atque rogabant, ita, ut negali non possit, multa ab huius Societatis sodalibus ilio tempore composita, et in publicum emissa, scripta, eam, qua gaudent, perfectionem, et elegantiam, non acceptura fuisse, si tam ingeniosorum virorum, sine omni partium studio severorum iudicum personas agentium, ope illa critica caruissent.« (J. G. Eck, Ad Renunciationem, S. IXf.) Damit wurde merkwürdigerweise ein Vorschlag Wirklichkeit, der schon 150 Jahre zuvor geäußert wurde, daß nämlich die Bibliothek der Deutschen Gesellschaft mit der Universitätsbibliothek vereint werden möge (s. S. 180). Nachricht, S. 4. Näheres erfahren wir aus einer Mitteilung des um die Geschichts-

25 Es handelt sich um insgesamt acht Bände, 1 8 über deren Inhalt der Quellentext Nr. 10 Auskunft gibt. Merkwürdig ist dabei, daß die Bände 5 und 6 von weitgehend identischem Inhalt sind. Es sind die gleichen Gedichte in der jeweils gleichen Handschrift (der Verfasser), die hier festgehalten worden sind, allerdings in unterschiedlicher Anordnung. D i e einzige mir denkbare Erklärung für die Anlage einer doppelten Textüberlieferung sehe ich in der Absicht der Gesellschaft, auch den fünften Band nach Görlitz zu schicken, für den eigenen Gebrauch (Bibliothek) jedoch eine Abschrift zu besitzen. 1 9 D i e s entspräche dem sich in jener Zeit wandelnden Selbstverständnis der Gesellschaft, die aus einer losen Verbindung zum Z w e c k e der Pflege der Freundschaft und des Ü b e n s im Versedrechseln zu einem Verein mutierte, der sich einer bewußten Förderung von Sprache und Dichtung verpflichtet fühlte. Zwar gebieten die Statuten der 1727 erneuerten Gesellschaft, daß die bei den wöchentlichen Zusammenkünften der Mitglieder verlesenen und

Schreibung der Oberlausitz verdienten Christian Knauthe. Danach sind die Bände von Clodius für ein Vierteljahr aus Görlitz entliehen worden. Den Hintergrund für diese Bitte habe die Absicht der Mitglieder der Gesellschaft gebildet, im Zusammenhang mit dem beschlossenen Anlegen einer Bibliothek auch die eigenen Schriften zu sammeln. Einen der beiden Briefe (vom 1. 8.1722), die Clodius in dieser Angelegenheit an Grosser richtete, wird von Knauthe zitiert: »Societas, quae hic Lipsiae floret Poeticae Membra impertita humanissima salute, tres II. III. et IV. Miscellaneorum Poeticorum Tomos in quadrantem anni e Bibliotheca Gorlicensi rogant, facta sanctissima stipulatione, se se mutuo data volumina cum I et Vto Tomis, stato tempore bona fide reddituros esse.« Den erwähnten ersten Band habe Clodius schon aufgrund eines vorangegangenen Schreibens erhalten. Man habe in den folgenden Jahren die Gesellschaft in Leipzig mehrfach aufgefordert, die Bände nach Görlitz zurückzusenden, jedoch sei dies nicht geschehen. Knauthe betont dann mit allem Nachdruck, daß die Gedichtbände weiterhin das Eigentum der Görlitzer Schulbibliothek seien (Chr. Knauthe: Historische Nachricht von den Bibliotheken in Görlitz. Görlitz o. J., S. 20ff. Die Originale der Schreiben Clodius' habe ich nicht ermitteln können.). Clodius selbst berichtet vom Wunsch der Gesellschaft, eine Auswahl ihrer Gedichte herauszugeben. Zumindest indirekt ist damit wohl der »Erwerb« der Görlitzer Bände in Zusammenhang zu bringen: »Et, ne literarius Orbis, quos sparsim hactenus emisimus, conjunctim posthaec desideret laborum fructus, Deo successus prosperante, speciminum Poeticorum proxime in conspectum prodibit fasciculus.« (S. 48) Die Bände (sechs an der Zahl) waren spätestens im Frühjahr 1724 wieder in Leipzig, da sie im gedruckten Bücherverzeichnis der Gesellschaft (Vorwort vom 12. 3.) angeführt werden. 18

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Vogel (Die Deutsche Gesellschaft) kennt nur 6 Bände; Wehe (Philander) nur 5. Auch K. Heidt, die die Handschriftenbestände erst vor wenigen Jahren nutzte, nennt merkwürdigerweise nur 7 Bände (Der vollkommene Regent, S. 239). Daß aber schon 1827 acht Bände an die Bibliothek überstellt wurden, belegt Robert Naumann: Catalogue librorum manuscriptorum qui in bibliotheca senatoria civitatis Lipsiensis asservantur. Grimma 1838, S. 227 (Nr. DCCCVI-DCCCCXIII des Kataloges): »Hos codices cum caeteris libris suis Societas Teutonica Lipsiensis anno MDCCCXXVII. liberaliter in bibliothecam nostram intulit.« Diese Vermutung wird durch die Beobachtung unterstützt, daß der jetzige Band VI augenscheinlich früher als Band V gekennzeichnet worden war, so daß es also zwei Bände mit der Zählung V gab. Erst später ist die V in die VI geändert worden.

26 besprochenen Texte (Poesie und Prosa) »auf gemeine Kosten von einer zierlichen Hand« in die Sammlung der Gesellschaft eingetragen werden sollen,20 jedoch scheint dies nur kurze Zeit erfolgt zu sein, jedenfalls besitzen wir nur einige wenige Stücke, die sich im achten Band finden. Dort enden auf Bl. 63v die Textabschriften; die restlichen 170 Blätter sind leer. Vielleicht hat man später, als die Gesellschaft in ihren zahlreichen Publikationen die auf ihren Sitzungen diskutierten Texte der Öffentlichkeit zugänglich machte, auf deren Bewahrung in Form von Abschriften verzichtet. Eine ebenfalls in die Stadtbibliothek gelangte kleine Sammlung von Briefen, die auf Gottscheds Austritt aus der Gesellschaft Bezug nehmen, ist von Ernst Kroker erschlossen worden. Dieser Band enthält noch einige wenige andere Briefe, die sich auf die Gesellschaft beziehen, aber nichts mit Gottscheds Ausscheiden zu tun haben. Sie sind die einzigen bislang bekannten dürftigen Überbleibsel des einstigen Archivs der Gesellschaft. Eine allerdings sehr wichtige Quelle zur Geschichte der Gesellschaft bildet der Briefwechsel Gottscheds, der, was die eingegangenen Briefe angeht, in seltener Vollständigkeit erhalten geblieben ist;21 bis zum Austritt Gottscheds (1738) lief der Schriftverkehr mit der Gesellschaft, wie bereits erwähnt, zum wohl größten Teil über den Senior ab, also über Gottsched. Der Umfang der überlieferten Schreiben, für den Zeitraum bis 1738 (Gottscheds Austritt) ca. 800 Briefe, erschwert freilich in einem erheblichen Maße die Erschließung dieser Materialien. Danzel, der zuerst einen längeren Abriß der Geschichte der Gesellschaft gibt, beschränkt die jener Darstellung folgende Quellenabteilung auf den Abdruck der Briefe Fontenelles, der Schreiben Mosheims (also des Präsidenten der Gesellschaft) und einiger Briefe zum Austritt Gottscheds aus der Gesellschaft.22 Zu berücksichtigen ist freilich immer, daß alle diese Schreiben, denen fast durchweg die Gegenbriefe fehlen, nur im schwachen Maße die Vorgänge in Leipzig selbst widerspiegeln; hier bedurfte man wohl kaum der Korrespondenz, die Kommunikation erfolgte mündlich.

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Nachricht, S. 15. Ms 0342 der UBL (22 Foliobände). Zur Überlieferung dieser Korrespondenz vgl. Detlef Döring: Der Briefwechsel von Johann Christoph Gottsched. Die Geschichte seiner Erschließung und seine Stellung in der Entwicklung der Korrespondenz. In: Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit. 1. Teil. Hg. von Hans-Gert Roioff. Amsterdam 1997 (Chloe. Beihefte zum Daphnis 24), S. 297-318. Die Namen der Briefpartner Gottscheds und die Daten der Briefe werden erschlossen durch: Wolfram Suchier: Gottscheds Korrespondenten. In: Kleine Gottsched-Halle 7 und 8. Berlin 1910/11 (Nachdruck Leipzig 1971). Danzel, S. 74-107.

3. Das Görlitzer Gymnasium Augustum und sein Rektor Samuel Grosser Die unglaubwürdige Erzählung, daß die spätere Deutsche Gesellschaft allein per Zufall (nescio quo fatorum improviso nexu)1 von Görlitzer Studenten, die die Poetik-Vorlesung von Johann Burckhard Mencke besuchten, ins Leben gerufen wurde, ist bis in die Gegenwart immer wieder aufs neue wiederholt worden. Nur die wenigen Untersuchungen, die sich dem Görlitzer Collegium Poeticum, also der Frühphase der Gesellschaft widmen,2 vermitteln zumindest in der Andeutung einen Hinweis auf die tatsächlichen Motive jener Gründung, denn weder das Vorbild der Sprachgesellschaften noch der bloße Zufall spielten bei jenem Vorgang eine wesentliche Rolle. So verweist Theodor Paur auf die Tatsache, daß die ersten Mitglieder allesamt Schüler von Samuel Grosser in Görlitz waren; Vogel wiederum zitiert aus dem Vorwort zum ersten Band der handschriftlichen Gedichtsammlung der Gesellschaft, dem die tatsächliche Motivation zur Gründung der Gesellschaft zu entnehmen ist. Es mutet von vornherein als wenig wahrscheinlich an, daß die Görlitzer Herkunft der Mitglieder des Kollegiums sich rein zufällig ergeben habe. Landsmannschaftliche Zusammenschlüsse verschiedenster Art waren an den Universitäten gang und gäbe. So existierte z.B. in Wittenberg eine >Amica Philosophantium Societas Witteberga-Gorlicensis Collegium Homiletico-Practico-Vändalicum oder Wendische PredigergesellschaftVerbürgerungOberlausitzer Aufklärern< vertretenen Auffassungen, Ideen usw. viel zu heterogen. Außerdem war für die geistige Prägung dieses Personenkreises nicht allein die Oberlausitzer Herkunft von Bedeutung, sondern auch die Einflüsse, die auf dem späteren Lebensweg empfangen wurden. Der aber führte die meisten >Aufklärer< wenigstens zeitweise, oft aber auch für immer, aus der engeren Heimat hinaus. Bei der Beschäftigung mit der Oberlausitzer Geistesgeschichte (insbesondere auch der Geschichte des Görlitzer Gymnasium) ist zu beachten, daß die vielleicht wichtigste Quellensammlung sich heute in der Breslauer Universitätsbibliothek befindet. Vgl. Leon Górecki: Katalog rekopisów obejmujacy sygnatury 6268-6790. Dawny zbiór Biblioteki J. G. Milicha w Zgorzelcu. CZ. II. Rekopisy nowozytne. Wroclaw 1990. Vgl. zum jetzt nachweisbaren Bestand der Milichschen Bibliothek auch Klaus Garber (Forschungen). Die in der Literatur zu findende Behauptung, es habe in den achtziger und neunziger Jahren im Kieslingswalde, dem Gut von Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, eine wissenschaftliche Akademie gegeben, wird durch ihre häufige Wiederholung nicht glaubwürdiger; es fehlen dazu alle Quellen. Eduard Winter, der diese Legende als erster verbreitete, kann lediglich nachweisen, daß Tschirnhaus in Korrespondenz mit verschiedenen Vertretern der Respublica litteraria stand (vgl. E. W. von Tschirnhaus und die Frühaufklärung in Mittel- und Osteuropa. Hg. v. Eduard Winter, Berlin 1960 [Quellen und Studien zur Geschichte Osteuropas VII], S. 43ff.). Ausführliche Wiederholung fand die Legende von der Akademie in Kieslingswalde zuletzt bei Ines Böger: Ein seculum ... da man zu Societäten Lust hat: Darstellung und Analyse der Leibnizischen Sozietätspläne vor dem Hintergrund der europäischen Akademienbewegung im 17. und frühen 18. Jahrhundert. München 1997, S. 409f.). Die Behauptung, bei diesem Kreis handele es sich »in Wirklichkeit« um »eine kleine Akademie der Wissenschaften« (Winter, S. 44) oder »Privatakademie« (Böger, S. 410), ist aus der Luft gegriffen. Weder kann nachgewiesen werden, daß es einen auch nur losen wie auch immer benannten Zusammenschluß dieser Personen gab, noch daß sich diese >Akademiemitglieder< wenigstens zeitweise in Kieslingswalde aufhielten und dort irgendwelche wissenschaftliche Forschungen verfolgten. Es sind im übrigen sicher nicht allein die Gymnasien und ihre Lehrer, die in der Oberlausitz als Träger von Bildung und Wissenschaft in Erscheinung treten. Zum Beispiel kommt in Hinsicht auf die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften den Ärzten größere Bedeutung zu. So berichtet Johann Heinrich Winkler, später Mitglied der Deutschen Gesellschaft, über einen geradezu prägenden Einfluß, den er durch den Arzt Christian Adami erfahren habe, der mit ihm zusammen zahlreiche chemische Experimente durchführte, der ihn aber auch über das Wirken Christian Thomasius' unterrichtete (vgl. Zedier, Bd. 57, Sp. 563). Winkler setzt seine Beschäftigung mit den Naturwissenschaften in Leipzig fort, die ihre Krönung in seiner Aufnahme in die Britische Akademie der Wissenschaften finden wird.

30 lange Zeit das holländische Leiden zur wichtigsten Hochschule wird,8 ist seitens der Lausitzer die mit Abstand am stärksten frequentierte Universität die Leipziger, gefolgt von Wittenberg und Jena. Ein Großteil der Lehrerschaft an den Gymnasien der Oberlausitz bestand aus Absolventen der Leipziger Alma mater, gleiches gilt für die Väter der Gymnasiasten. Daß Schüler wie Söhne ihrerseits wiederum nach Leipzig gehen, nimmt daher kein Wunder. So entscheidet sich z. B. J. H. Winkler (s. S. 233ff.) für ein Studium in Leipzig, obwohl die Eltern ihm eher von dieser Stadt abraten wollen, da der dortige Lebensunterhalt als recht kostspielig galt, denn es hatten »die Beschreibungen welche ihm seine Lehrer von dem Zustande der Gelehrsamkeit in Leipzig gegeben, eine so grosse Begierde nach diesem Ort in ihm erwecket.«9 Man ist sich in den beiden Markgrafentümern dieser besonderen Verbindung nach Leipzig im übrigen durchaus bewußt gewesen. Zur Jubelfeier des 300. Jahrestags der Universitätsgründung (1709) dichtet einer der Schüler des Görlitzer Gymnasium, später Mitglied der Poetischen Gesellschaft: Alle Welt zwar sei der Stadt Leipzig gewogen, jedoch so will ihm Lausitz doch vor andern Weyrauch streun [...] Wie viele Söhne hat es ihm nicht zugesendet/ Die nachmahls alle Kunst und allen ihren Fleiß/ Zu dessen hohem Ruhm preiß-würdigst angewendet [...] So wird sich Lausitz auch in Zukunfft stets bemühen/ Daß Leipzigs Herrligkeit der Sonnen gleiche sey:/ Es wird ihm seinen Dienst zu keiner Zeit entziehen/ Und trägt ihm heute schon geweyhte Palmen bey.10

Tatsächlich wäre die ausstehende, dringend zu wünschende Darstellung der Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte der Oberlausitz im Zeitalter der Aufklärung nur im ständigen Blick auf die Verbindungen nach Leipzig zu schreiben. Ein Großteil der Lausitzer Honoratioren, also Ratspersonen, Theologen, Juristen und Ärzte, hat hier seine geistige Prägung erhalten. Andererseits war Leipzig in diesem Prozeß nicht nur gebender, sondern auch nehmender Teil. Die Oberlausitzer Studenten kamen nicht aus »provinziellen« Verhältnissen an die Universität; sie waren Abgesandte einer Region, die in 8

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Vgl. Herbert Schöffler: Deutsches Geistesleben zwischen Reformation und Aufklärung. Von Martin Opitz zu Christian Wolff. Frankfurt/M. 21956, S. 47f£ Bei der Bedeutung Hollands im 17. Jh. und im Blick auf das dort vorherrschende calvinistische Bekenntnis, waren die Anregungen, die man als Lutheraner an einer holländischen Universität empfangen konnte, natürlich vielfältiger als man sie vom Studium an den sächsischen Universitäten erwarten konnte. Neben Leiden gehört allerdings auch Jena ab der 2. Hälfte des 17. Jh.s zu den seitens der Schlesier stark frequentierten Universität (vgl. Schöffler, S. 176ff.). Bei den Lausitzern scheint dies nicht in diesem Ausmaße der Fall gewesen zu sein. Zedier, 57. Bd., Sp. 564. Das der Welt-berühmten Universität zu Leipzig beständigst liebreich zugethane Marg-Grafthum Ober-Lausitz erwog bey dem in währendem Jubilaeo auf dem Görlitzischen Gymnasio gehaltenen Actu Oratorio [...] Gottlob Kästner. Görlitz o.J. (BOGW, Programm 1,161).

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der Entwicklung der Pädagogik der Frühen Neuzeit eine führende Position innehatte, es sei nur auf den Namen Christian Weises verwiesen. Wir wollen und müssen uns daher jetzt dem Schulwesen der Oberlausitz zuwenden. Verfügte man zwar über keine Möglichkeit, eine Hochschulausbildung im Lande zu erlangen, so existierte doch eine Reihe von leistungsstarken, weithin bekannten höheren Schulen.11 Alle dem Bund der Sechs Städte angehörenden Orte besaßen jeweils ein Gymnasium. Deren Anfänge gingen in jedem Fall auf das Jahrhundert der Reformation zurück. Besonderes Ansehen genossen jedoch die Gymnasien in Görlitz, Lauban und Zittau, die zur Zeit ihrer größten Ausstrahlung, und das sind die Jahrzehnte um 1700, durchaus einen Rang innehatten, der zwischen den normalen Lateinschulen und den Universitäten anzusiedeln ist (vergleichbar den kursächsischen Fürstenschulen). Der Einzugsbereich dieser Schulen reichte dabei weit über die beiden Lausitzen hinaus. War das Niveau des Lehrangebotes an diesen Schulen auch schon vor dem Wirken des Zittauer Rektors Weise beachtlich gewesen, so gewinnen sie doch unter dem Einfluß des Oberlausitzer Reformpädagogen, dessen Schüler bald die Leitung benachbarter Gymnasien übernehmen, 12 eine neue Qualität, die sich vor allem in der Aufwertung des Realienwissens auszeichnet. Der erhebliche Unterschied zu den herkömmlichen Lateinschulen wurde dem von außerhalb kommenden Schüler rasch deutlich. So berichtet der später berühmt-berüchtigt gewordene Johann Christian Edelmann noch Jahrzehnte nach seinem Schulbesuch, mit welchem Dünkel er, aus Sangerhausen kommend, das Gymnasium in Lauban bezogen hätte. Die Gelehrsamkeit seiner Mitschüler, »die es in allerhand Arten der Wissenschaften, in der That schon weit gebracht hatten«, habe ihm diese Überheblichkeit jedoch alsbald ausgetrieben.13 In Lauban hatte bis 1708 Gottfried Hoffmann als Rektor gewirkt, einer der wichtigsten Schüler Weises. Geschichte, Literaturhistorie, Geographie, Mathematik, Zeitungslektüre bilden für ihn wichtige Unterrichtsfächer. Über die Physik wird ein »deutscher Diseurs dictiret«, gleiche Veranstaltungen zur Ethik und Politik folgen.14

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Am Rande sei darauf verwiesen, daß zu Beginn des 18. Jh.s in der Oberlausitz auch ein leistungsstarkes Verlagswesen bestand, das Bücher zu allen Wissenschaften herausgab, wenn auch religiöses Schrifttum noch überwog. Eine Besonderheit stellten die relativ zahlreichen Drucke in sorbischer und tschechischer Sprache dar. Vgl. Christian Knauthe: Annales Typographici Lusatiae Superioris oder Geschichte der Ober-Lausitzischen Buchdruckereyen. Lauban o. J. (1740). Nachdruck Köln, Wien 1980 (Slavistische Forschungen 30). Hg. von R. Olesch (mit Vorwort). Zu Weises Einfluß auf die deutsche Schulgeschichte vgl. Hans Arno Horn: Christian Weise als Erneuerer des deutschen Gymnasiums im Zeitalter des Barock. Weinheim 1966 (Marburger Pädagogische Studien 5), S. 168-182. Schüler Weises übernahmen im übrigen auch Gymnasien außerhalb der Oberlausitz. Joh. Chr. Edelmann: Selbstbiographie. Hg. von Carl Rudolph Wilhelm Klose. Berlin 1849 (Nachdruck Stuttgart-Bad Cannstatt 1976. Hg. von Bernd Neumann.), S. 12f. Vgl. Gottfried Hoffmann: Ausführlicher Bericht von der Methode oder Lehr-Art/

32 Größere Bedeutung noch besaß das Görlitzer Gymnasium. D a s gilt bereits für die Jahrzehnte der Leitung der Schule durch Christian Funcke. 1 5 D a s Görlitzer Gymnasium, 1 6 so sein Geschichtsschreiber Knauth in der Mitte des 18. Jh.s, glich unter Funckes Rektorat »einer kleinen Akademie, denn außer denen täglichen Schul-Exercitiis, ließ der Hr. Funcke, wie auch sein obern Collegen, die Discentes öffentlich declamiren, disputiren, actus Dramaticos halten [...].« 1 7 Seit 1695 steht die Schule dann unter d e m Direktorat von Samuel Grosser ( 1 6 6 4 - 1 7 3 6 ) , eines engen Schülers Christian Weises. 1 8 Mit vielen seiner Bestrebungen ist er durchaus der Frühaufklärung zuzurechnen. 1 9 Grosser, der selbst in Leipzig studiert hatte und dort bis 1691 lebte,

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welche bey denen verordneten Lectionibus im Laubanischen Lyceo gehalten wird. Lauban o. J. Hoffmanns nächste Nachfolger in Lauban sind eigene Schüler. Zu Funckes Amtszeit als Rektor vgl. Christian Knauth: Das Gymnasium Augustum zu Görlitz; in seiner alten und neuen inner- und äuserlichen Gestalt der verflossenen 200 Jahren, bey desselben Jubel-Feyer den 25 und 26 Jun. 1765 [...] geschichtsmäßig entworffen. Görlitz o. J., S. 97-106; auf S. lOOff. der Lehrplan der Schule zur Zeit Funckes. Vgl. zur Geschichte des Görlitzer Gymnasium unter Grossere Leitung Knauth (Das Gymnasium), S. 106-116. Johann Karl Gottfried Schutt: Zur Geschichte des städtischen Gymnasiums zu Görlitz bis zu Baumeisters Amtsantritt. In: Programm, durch welches zur Feier des 300jährigen Jubiläums des städtischen evangelischen Gymnasiums zu Görlitz geziemend einladen der Direktor und das Lehrerkollegium. Görlitz 1865, S. 75 - 84 zu Grosser. Einen gedrängten neueren Überblick zur Schulgeschichte gibt: Zur Geschichte des Gymnasium Augustum Görlitz am Klosterplatz. Görlitz 1993 (auf S. 6 eine Abb. Grossere). Knauth (Das Gymnasium), S. 105. Vgl. zu Weise zuletzt Peter N. Skrine: Christian Weise. In: German Baroque Writers, 1661-1730. Ed. by James Hardin. Detroit, Washington, London 1996 (Dictionary of Literary Biography 168), S. 391-400. Übrigens stand Grosser auch von Görlitz aus weiterhin mit seinem Lehrer in Kontakt. Das belegen insgesamt 17 Briefe Grossers im Nachlaß von Chr. Weise (Christian-Weise-Bibliothek Zittau, Ms A 70). Grosser ist auch der erste Biograph Weises (Vita Chr. Weisii. Leipzig 1710). Eine Kurzbiographie samt Bibliographie zu Grosser gibt: Neuer Büchersaal, Bd. XLIII (1715), S. 480-482. Vgl. weiterhin: Singularia historico-literaria Lusatica. 2. Band. Leipzig und Bautzen 1740, S. 303 -312 (Biographie). Zu Grossers Werk vgl. Otto 1, S. 527-540 u. 719-721; Supplementband (von J. D. Schulze), S. 130141. ADB 9, S. 749f Den vollständigsten Überblick über Grossers Schriften bietet wohl der Bestandskatalog der BOGW (290 Titel!). Dem Görlitzer Syndikus D. G. Riech berichtet Grosser über eine Prüfung seines Sohnes. Vornan stehen Religion, Frömmigkeit und Kenntnis des Lateins; dann prüft er aber auch »poësios tum latinae tum vernaculae« (R. Jecht: Zwei Briefe des Görlitzer Rektors Grosser an den Stadtsyndikus Riech. In: Neues Lausitzisches Magazin 93 (1917), S. 169-172. Für Grossers Stellung innerhalb der Philosophie sind wichtig seine Gründliche Einleitung zur wahren Erudition und sein Pharus intellectus sive logica electiva (Eine Analyse des aufschlußreichen Titelkupfers des letztgenannten Werkes gibt Werner Schneiders: Hoffnung auf Vernunft. Aufklärungsphilosophie in Deutschland. Hamburg 1990, S. 58. Vgl. zu Grossers Logica electiva auch Michael Albrecht: Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart/ Bad Cannstatt 1994, S. 451ff.). Außer Paur (Ursprung) verweist auch M. Wehe kurz auf Grosser als gemeinsamen Lehrer der Gründungsmitglieder des Collegium (Philander, S. 319). Ein Gedicht auf die Görlitzer Schule, das auch

33 steht in der Tradition einer in das 17. Jh. zurückreichenden Neuorientierung der Pädagogik, die eine Aufwertung der » R e s « (Sachwissen) im Vergleich zu den bisher dominierenden »Verba« (Wortwissen) anstrebt und in diesem Zusammenhang eine Ausrichtung des Unterrichts auf die tatsächlichen A n forderungen des Lebens propagiert, die den Schüler außerhalb der Lehrstätte erwarten. Gerade in Leipzig, berichtet Grosser, sei er »von denen sonst gewöhnlichen Abstractivis Speculationibus, und anderen wenig Nutzen bringenden Subtilitäten abgeleitet, und zu solchen Studiis gezogen, dabey man nicht auf müßig Schul-Gezäncke, sondern auf dergleichen Dinge siehet, dadurch man sich zum Bürgerlichen Leben, und desselben Diensten zubereitet.« 2 0 Ausdruck dieser neuen Orientierung sind die von Grosser in Leipzig abgehaltenen Collegia privata über die Poesie, Historie, Geographie und Philosophie. 2 1 In einer alsbald nach seinem Dienstantritt ( 1 6 9 5 ) als R e k t o r des Görlitzer Gymnasium Augustum veröffentlichten Schrift erläutert er Ziele und Methoden des von ihm intendierten Unterrichts; sie entsprechen weithin denen seines Lehrers Weise: 2 2 Die Jugend solle das lernen, was der ewigen

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Grosser berücksichtigt, findet sich im 1. Band der Gedichte des Collegium poeticum (Bl. 347 r -348 v ). Noch 1721 verfaßt J. G. Hamann, eines der prominentesten Mitglieder der Gesellschaft, ein Gedicht auf Grosser im Namen des »florirenden Poetischen Görlitzischen Collegium« (Gedichtbände, VI, Bl. 317 v -319 r ). Samuel Grosser: Erbauliche Welt-Beschreibung. Das ist: Kurtzgefaßte und sonderlich dem Gedächtnuß dienliche Tabellen, In denen sowohl Die Beschaffenheit des Erd-Kreises über haupt, Als auch eines ieden Theils desselben insonderheit [...] Geographice, Physice, Politice und Historice erklähret [...] wird. Leipzig und Görlitz 1718, Vorrede. Die Darbietung des Lehrstoffes in Form von Tabellen entspricht einer schon im 17. Jh. verbreiteten Mode. Gottfried Benjamin Schael spielt in einem Gedächtnisgedicht auf seinen Lehrer (Pia Memoria. Haynau o. J. [1736], verwendetes Exemplar in der U B Halle, Signatur: 78/ M 428 [20]) in einem Vers darauf an: »Pictor erat, varia compingens arte tabellas/ Quoquot ab ignotis conglomerantur agris«. Auf die notwendige Verbindung der Geographie mit den Disziplinen Physik, Geschichte und Politik ist Grosser nach seinem Bericht durch den Dresdner Hofmarschall Friedrich Adolph von Haugwitz, übrigens ein Gönner Christian Thomasius', hingewiesen worden. Nach einer anderen Überlieferung war es der Kommandant der Leipziger Pleißenburg, der Obrist von Saal, der Grosser beeinflußte: »Bey demselben habe Er gelernet, sich in die Welt hineinzuschicken, und mit Leuden zu conversiren« (Rector Goerlicensis non moritur oder Gedächtniß-Schrifft so Herr George Bernhard Schuhes [...] dem Wohl-Seeligen Rect. Grosser zu beständigen Andencken geschrieben. Görlitz 1736). So nach der Mitteilung G. Geysers in seiner Leichenpredigt auf Grosser (BOGW, Th XVI, 309), S. 27. Samuel Grosser: Ausführlicher Entwurf der im Görlitzischen Gymnasio bey denen [...] beliebten Lectionibus der daselbst studirenden Jugend zum besten eingerichteten Methode. Görlitz o. J. Zur Ergänzung ziehe ich eine 15 Jahre später veröffentlichte Schrift heran, in der Grosser eine Bilanz seiner bisherigen Unterrichtstätigkeit zieht: Die auf dem Görlitzischen Gymnasio studirende Jugend wird den XXV. Junii dieses 1710ten Jahres [...] ein Gottgeweyhtes Denck- und Danck-Fest [...] celebriren: dabey aber auch einen Actum oratorium von Schul-Freunden und SchulFeinden vorstellen. Görlitz 1710.

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und bürgerlichen Glückseligkeit nützt. Das schließt die Vermittlung von totem Wissen, das dann doch nur wieder der Vergessenheit anheimfällt, aus.23 Der bekannte Spruch, »non Scholae, sed vitae« diene das Lernen, ist ihm oberste Devise. Dem jeweiligen Schüler wird der Stoff nahegebracht, der seinem Berufswunsch entspricht. Wichtig ist die Vermittlung von Realwissen, das Grosser allerdings hauptsächlich seinen »Auditoribus Privatis« anbietet. Dabei soll der Unterricht am jeweiligen Ingenium der Schüler orientiert sein, d.h. deren Fassungskraft nicht überschreiten. Eine besondere, damals sehr in Mode stehende Fertigkeit Grossere bildete das Bestreben, allen Wissensstoff in Form von »artig-sinnreich-deutlich- und ordentlich-verfaßte« Tabellen zusammenzufassen. Aus einer fast gleichzeitig gehaltenen Oratio de Flore Scholarum lassen sich noch einige genauere Vorstellungen über Grossers Verständnis der Aufgabe und Rolle der Schule gewinnen.24 Bemerkenswert ist vor allem der nicht geringe, geradezu aufklärerische Fortschrittsoptimismus, der hier zum Ausdruck gelangt: Das menschliche Wissen dringt jetzt in bisher für völlig unzulänglich gehaltene Tiefen vor: Quodsi enim Prudentiae primum munus est ignorantiae tenebras depellere, et ánimos varia rerum utilium cognitione illustrare: nunquam altius in res abstrusissimas, nostraeque menti vix pervias, ars penetravit, quam hoc ipso, in quod aetas nostra incidit, tempore. Intueamur vastum et diffusum naturae Regnum, in quo pervidendo olim viros doctissimos irrito successu desudasse accepimus [...].

Ein besonderer Vorzug der jetzigen Schule, hier spricht Grosser ausdrücklich von einer »nova quasi schola«, ist, daß hier Kenntnisse vermittelt werden, die dem gesellschaftlichen Zusammenleben nützlich sind.25 Die Schule lehrt feste Verhaltensmaßregeln, die »ex Principiis sanae rationis« gewonnen werden und vermittelt Kenntnis über die zu übenden Tugenden sowie die zu meidenden Laster: »Ea vero Methodus cum ipsa Mathesi olim sepulta, hodie, claris Viris adnitentibus, velut ab inferís resuscitata, Scholam nova laude decoravit.« Die früher barbarisch traktierten Sprachstudien stehen jetzt in vollem Flor; gleiches gilt für die Eloquenz, die Geographie, Geschichte, Genealogie, Logik und Mathematik. Nicht leere sophistische Techniken dominieren mehr an der Schule, sondern die Vermittlung von Wahrheiten.

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Grossere Schüler Gottfried Benjamin Schael faßt in in den Epicedia zu Schuhes' Gedächtniß-Schrifft das Bestreben seines Lehrers so zusammen: Er »richtete alles ad praxin vitae humanae ein/ verwarft alle subtile und eitle Grillen/ Logomachien u.d.g.« In seinen Kollegien habe er alle Dinge »oculo Politico-Practico, Morali, Oratorio« betrachtet. Inclytae Gorlicensis Reipublicae Patres Conscriptos [...] ad audiendam Orationem de Flore Scholarum [...] invitât M. Samuel Grosser. Görlitz o. J. (1695) BOGW, Programm 1,146. »Hic enim nova quasi Schola panditur, in qua cum sibi ipsi, tum universae civium Societati imperandi ars proponitur.«

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Diese durchaus in die Richtung der Aufklärung weisenden Auffassungen Grossers bilden die eine Seite seines pädagogischen Programms. Daneben steht eine ausgesprochen religiöse Komponente. Grosser hat sein Schulamt immer als göttliche Berufung verstanden. Christus sei der größte Lehrer gewesen, und so sei der Beruf des Lehrers alles andere als ein Ausdruck der göttlichen Ungnade, sondern das Gegenteil sei der Fall: »Daher kommts auch/ daß ein Gott gelassener Schul-Mann sich gewiß versichert/ daß ihm seine Arbeit keines Weges unbelohnt bleiben wird.«26 Die Erweckung und Erbauung der Jugend bilden die Grundlage aller weiteren Erziehung und Wissensvermittlung. Ob Grosser während seiner Leipziger Zeit zu der damals aufkommenden pietistischen Bewegung Kontakte pflegte, wissen wir nicht. Das von ihm gestaltete religiöse Leben innerhalb der Schule und innerhalb seines Hauses lassen jedoch Parallelen zu manchen in pietistischen Kreisen üblichen Gepflogenheiten erkennen:27 Alle Abende hielt er mit seinen Domestiquen und Haus-Purschen eine BethStunde mit Singen/ Bethen/ Bibel-Lesen. Die Bibel aber ließ er nicht nur lesen/ sondern auch erbauliche Porismata, Theoretico-Practica daraus ziehen. Zur Fastenund Paßions-Zeit gieng er mit uns entweder die Paßions-Historie/ oder die PaßionsLieder erbaulich durch/ und stellte darüber heylsame Betrachtungen an.

Jede Schulstunde wurde mit Gesang und Gebet eröffnet. Kurz nach seinem Amtsantritt führt Grosser die bisher nicht übliche regelmäßige Teilnahme der gesamten Schule (einschließlich der Angehörigen der Lehrer) am Abendmahl ein. 1712 wird Melchior Schäffer, später einer der engen Freunde Zinzendorfs und heftig umstritten wegen seiner starken Neigung zum Pietismus, der Beichtvater der Gymnasiasten, wohl nicht ohne Betreiben des Rektors. An jedem Dienstag und Mittwoch wird jetzt die Beichte abgenommen und das Abendmahl gereicht.28 Die nachdrückliche Forderung nach einem sündenfreien frommen Lebenswandel bildet für Grosser ein ständiges Anliegen seiner Erziehung. Gleich am Beginn seiner Rektoratszeit erläutert Grosser in seiner schon erwähnten Oratio de flore scholarum sein Verständnis der Ziele und Aufgaben der Schule. Dabei nimmt die Pietas eine zentrale Stelle ein. Die bisher unterdrückte (perculsa et prostrata) bzw. nur scheinheilig vertretene Frömmigkeit mußte in »diesem Zeitalter« gleichsam erst aus der Verbannung zurückgeholt und in die Herzen gepflanzt werden. Jetzt aber sei die Zeit der Änderung, der Besserung gekommen: Aberglaube und Hochmut, Mißgunst und falsche Lehren werden verdrängt; die wahre Religion triumphiert, die Sitten bessern sich.

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S. Grosser: Betrübter und erfreuter Pleißen-Strand oder allerhand hiebevor in Leipzig und Altenburg gehaltene Leichen- und Hochzeit-Abdanckungen. Dresden 1699 (BOGW, Th X. 131), S. 57. Zum folgenden vgl. Schael in seinem Nachruf auf Grosser. Vgl. Knauth (Das Gymnasium), S. 113.

36 Welche Bedeutung die Erziehung zur Frömmigkeit, aber auch das Aneignen theologischen Wissens damals an den oberlausitzischen Gymnasien innehatte, zeigt ein Blick auf die Schwesterschule in Lauban. Für Hoffmann, der für den Schulbesuch der gesamten männlichen Jugend eintritt, ist die »Christenthums-Ubung« an der Schule eine ganz zentrale Angelegenheit. Die Vermittlung der Kenntnis der christlichen Lehre und die Anleitung zum tugendhaften Lebenswandel sind »ein Werck/ an welchem unendlich gearbeitet werden muß/ und darinne der am weitesten kommen kan/ der in der Schule den Grund darzu wohl geleget hat.«29 Winkler berichtet in seiner Autobiographie, daß man in Lauban Thetik und Polemik auf Universitätsniveau geübt habe, ja sogar auf höherer Ebene, denn er habe sich während seiner Leipziger Zeit darüber gewundert, daß die theologischen Streitigkeiten bei den Vorlesungen so geringe Beachtung fanden. 30 Kritischer wird diese Praxis von Edelmann gesehen, der fast zur gleichen Zeit die Laubaner Schule besuchte. Jeden Freitag habe einer der Schüler eine Predigt halten müssen, die dann zensiert wurde. Dadurch sei jedoch lediglich eine »geistlose Schwäzekunst« anerzogen worden. Man habe sich nur die Gedanken der Lehrer angeeignet und »das eigene Nachsinnen derweilen an die Seite gesezet«.31 Daß Pietas und Honestas neben der Prudentia für die Schulerziehung schlechthin von zentraler Bedeutung sind, gilt auch für das Schultheater, auf das wir noch zu sprechen kommen werden, aber z. B. auch für den traditionellen sogenannten Gregoriusumzug:32 Im Jahre 1697 wird er ausdrücklich von den gewöhnlichen Umzügen dieser Art ausgenommen und ganz dem Thema der verdammlichen Folgen der Sünden gewidmet. Zuerst wird mittels lebender Bilder demonstriert, daß das Betreiben aller Künste und Wissenschaften allein auf einen tugendhaften Lebenswandel ausgerichtet sein soll. Darauf folgt »ein Theologus mit der Biebel: hinter Ihm zwey Frauenzimmer/ deren eines die Theologiam Exegeticam, vorstellet [...]. Das andere stellet vor Theologiam Polemico-Moralem«. Diesen schließen sich Verkörperungen der verschiedenen Sünden an, so z.B. »die Wollust/ vorwärts in schönem Schmuck/ hinten aber wie ein Todten-Gerippe [...]«. Der »Sünden-Sold« wird durch dann folgende »Auftritte« dargestellt, die schließlich ein »ängstlich schreyender/ und Feuer auf dem Haupte habender Mensch/ welcher die dem unseeligen Tode nachfolgende Höllen-Pein vorstellet«, beendet. Dabei wird das Lied »O Ewigkeit du Donner-Wort« gesungen.33 29 30 31 32

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Hoffmann (Schultheater), S. 40£ Zedier, 57. Bd., Sp. 562. Edelmann (Selbstbiographie), S. 14f. Dieser fand alljährlich zur Osterzeit statt. An ihm beteiligten sich sämtliche Schüler, die in Form lebender Bilder ein bestimmtes Thema zur Darstellung brachten. Den Sünden-Sold/ wird auf Hochgeneigte Genehmhaltung ihrer Hochzuehrenden Patronen, an statt eines gewöhnlichen Gregorii-Umbgangs/ wo Gott wiel/ Montag

37 Andererseits ist Grosser jeglicher Separatismus, d.h. alle Kritik an der Kirche oder an den Geistlichen fremd gewesen. Als in den zwanziger Jahren in Görlitz Auffassungen die Runde machen, die antikirchliche pietistische Positionen verraten lassen, nimmt er in mehreren Schriften dagegen vehement Stellung.34 Überhaupt stehen sich Grosser und der Pietismus eher in Distanz gegenüber. Allein das Schultheater als solches dürfte schon die Kritik der Pietisten hervorgerufen haben, war doch Grossers Lehrer Weise von den halleschen Pietisten, vor allem von Joachim Lange und August Hermann Francke, schon aus diesem Grund heftig attackiert worden.35 Ähnlich wie Weise36 maß Grosser dem Deutschunterricht ein größeres Gewicht zu, als dies bislang an den Schulen der Fall gewesen ist:37 »Zu dem nöthigt uns das Bürgerliche Leben/ da die meisten Expeditiones in allen dreyen Facultäten teutsch geschehen/ daß wir unsre Mutter-Sprache eben so sorgfältig, als die Griechische und Lateinische/ ja bey manchen Subjectis, auch noch sorgfältiger/ excoliren müssen.« Trotz dieser Forderung bewahrt die Beschäftigung mit den klassischen Sprachen, ähnlich wie bei Weise in Zittau, ihren absoluten Vorrang im Unterrichtsgeschehen. Im »Rechenschaftsbericht« Grossers aus dem Jahre 1710 (s. Anm. 22) wird die Behandlung der Muttersprache nur an einer Stelle ganz en passant erwähnt: Man übe auch »teutsche Carmina«. In seinem Poetikunterricht verwendet Grosser eine von Weise 1683 publizierte Anthologie klassischer und neulateinischer Poesie.38 Nach Weises Anleitung hat das Schreiben von Gedichten folgende Aufgabe: »Ist es nothwendig, daß ein junger Mensch in Poetischen und Oratorischen Sachen auffgemuntert, und zur recommendation der andern Gelehrsamkeit an lustige und angenehme Inventiones gewiesen wird [...]«. Das Verfassen von Gedichten steht also ganz im Dienst der Gelehrsamkeit - es soll zur Herausbildung eines »stattlichen Ingeniums« beitragen, das über die

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nach dem Sontage Exaudí dieses 1697sten Jahres/ in unterschiedenen Aufzügen vorstellen die auf dem Görlitzischen Gymnasio studierende Jugen/ unter der Anführung M. Samuel Grossers/ Rectoris. Görlitz o. J. (BOGW, L IX, 459. 21, Nr. 7). Zum Beipiel in: Fortgesetzte Prüfung Etlicher [...] der studirenden Jugend aber zu besorglichen Anstoß gereichenden Thesium. Leipzig 1726. Zu diesen Thesen gehört z. B. die Aufforderung, nur die Bibel zu lesen, die Ablehnung des Luthertums als Sekte oder eine scharfe Kritik an der Geistlichkeit. Vgl. A. Horn (Christian Weise), S. 182ff. Die Pietisten wanden sich auch gegen andere Aspekte der Pädagogik Weises. Vgl. auch Hoffmanns Ausführungen zum Unterricht der deutschen Sprache am Laubaner Gymnasium (Schultheater, S. 8f£). Die Geschichte des Deutschunterrichts in der Frühen Neuzeit harrt noch der Darstellung. Das Werk von H. J. Frank (Deutschunterricht) behandelt diese Zeit eher summarisch und enthält manche Fehler. So erscheint z. B. das Schultheater als eine Erfindung Chr. Weises (S. 86£). Bellaria juventutis Scholasticae, sive Versiculi Memoriales. Zittau 1683. Eine zweite Auflage erschien nach Weises Tod (Görlitz 1711). Vgl. Dünnhaupt 6, S. 4217. Das Werk ist selten: Von der ersten Ausgabe kann Dünnhaupt kein Exemplar nachweisen, von der zweiten nur ein Exemplar der Zittauer Stadtbibliothek.

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Beschäftigung mit »blossen Schul-Materien« nicht zu erlangen ist. Zugleich lenkt es von »überflüssigen Wercken« ab, »als Spielen, Sauffen, müssig gehen Der Forderung, das Dichten habe der Ausbildung der Gelehrsamkeit zu dienen, entspricht dem folgenden Prinzip, das nach der Mitteilung seines Schülers Schael von Grosser in seinem Poetikunterricht (gleiches gilt für die Rhetorik) vertreten wurde: »Loquere, ut Te audiam, scribe, ut Te intelligam, et die quod res est: Nam si non vis intelligi, non debes legi, nec audiri.« Entschieden habe sich sein Lehrer gegen die Verwendung heidnischer Götternamen in der Dichtung gewendet, ebenso gegen allen Gebrauch von Zoten und Scherzen - dies gezieme einem Christen nicht: »Summa: Er suchte fromme, gelehrte und geschickte Leute zu ziehen.«40 Daß das Verseschmieden an der Görlitzer Schule sehr im Schwange war, läßt die Fülle der allein im Bestand der Oberlausitzischen Bibliothek der Wissenschaften überlieferten Drucke erahnen. 41 Auch an den anderen Gymnasien der Oberlausitz scheint das Poetisieren eine wichtige Beschäftigung gebildet zu haben. Hier mag auch der Einfluß des benachbarten Schlesiens, für Jahrzehnte das Kernland deutscher Dichtung, gewirkt haben. So ist Edelmann, der in Sangerhausen »kaum gehört hatte, was Poesie war«, über die »vielen trefflichen Versemacher« in Lauban erstaunt. Bald lernt aber auch er, und zwar mit einigem Ehrgeiz, das »Reimeschmieden«, so daß er soviel von dieser Kunst versteht, »daß ich den Edelleuten, die um mich saßen [...] oft vor ein paar KayserGroschen, die Materie machte, die sie hätten machen sollen.«42 Daß man seitens der Schulleitung das Üben im Verfassen deutscher und lateinischer Verse für wichtig hielt, bestätigt auch Winkler.43 Eine größere Rolle spielten die Übungen in der deutschen Sprache bei der Aufführung von Schuldramen,44 für die sich Grosser nach dem Beispiel 39

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Christian Weise: Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Abdruck der Ausgabe von 1678. Eingeleitet von Max Freiherr von Waldberg. Halle 1914, S. 4. Epicedia zu Schlütes' Gedächtniß-Schrifft, S. 109. Hoffmann verwendet zum Poetikuntenicht in Lauban ebenfalls (wie Grosser) Weises Bellaria juventutis. Jeden Donnerstag wird das Verfassen deutscher und lateinischer Verse geübt. Den Schülern, die besondere Talente »zu der Poesi Politicorum oder den also genandten Inscriptionibus weisen«, wird besondere Förderung zugesagt. Zur komplizierten Aufgabe der Erfassung des in der Oberlausitz erschienenen Personalschrifttums, in dem in erster Linie die Produktion der Gedichte jener Zeit überliefert ist, vgl. Klaus Garber: Forschungen zur schlesischen und lausitzischen Literatur der Frühen Neuzeit im Rahmen eines Projekts zur Erschließung von personalem Gelegenheitsschrifttum. In: Sammel - Erforschen - Bewahren. Zur Geschichte und Kultur der Oberlausitz. Ernst-Heinz Lemper zum 75. Geburtstag. Hg. von der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz e.V. Hoyerswerda/ Görlitz 1999, S. 380- 393. Edelmann (Selbstbiographie), S. 13. Vgl. Zedier, 57. Bd., Sp. 562. Die Geschichte der Schultheater im protestantischen Raum ist bisher wenig erforscht worden. Eine Ursache für dieses Manko bildet das Verdikt, das Pietismus,

39 seines Lehrers Weise sehr engagierte. Zur Vorstellung gelangten meist von ihm selbst verfaßte Stücke (insgesamt 61), wie er auch sonst eine recht umfangreiche poetische Produktion entfaltete. 45 Die Dramen wie die Gedichte sind freilich sowohl in Deutsch als auch in Latein abgefaßt worden. 46 Wie Aufklärung und später dann der Neuhumanismus über das Theaterspielen an den Schulen ausgesprochen haben. So verurteilt J. K. G. Schürt (Zur Geschichte), dessen Arbeit immer noch die letzte größere Darstellung der Geschichte des Görlitzer Gymnasium bildet, die Theater kurzerhand als »widerwärtige Schönthuereien«). Vgl. aber Herbert Hoffmann: Das Görlitzer barocke Schultheater. Königsberg 1932 (Königsberger Deutsche Forschungen 10), zu Grosser als Dichter vgl. S. 58-109. Folgende Publikation beruht (nach Angabe des Verfassers) weitgehend auf Hoffmanns Arbeit: Matthias Wenzel: Görlitzer Schultheater im Barock. Ein historischer Überblick. Görlitz 1997 (Schriftenreihe der Städtischen Kunstsammlungen Görlitz. N. F. 29). Ausführlichere Inhaltsangaben verschiedener Stücke Grossere vermittelt Theodor Paur: Die Schulkomödien des Rectors Samuel Grosser in Görlitz zu Anfang des 18. Jahrhunderts. In: Neues Lausitzisches Magazin 43 (1866), S. 112-134. Vollständige Listen der unter Funcke und Grosser aufgeführten Stücke finden sich bei Max Gondolatsch: Beiträge zur Görlitzer Theatergeschichte bis 1800. In: Neues Lausitzer Magazin 103 (1927), S. 107-164 (121f£). Übersehen worden ist in den vorangegangenen Publikationen die Arbeit von M. Meißner: Geistliche Aufführungen und Schulkomödien in Altenburg. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsforschenden Gesellschaft des Osterlandes 11 (1907), S. 352-422, zu Grosser S. 365f£, wichtig vor allem der Abdruck eines Stücks von Grosser auf den S. 390-422: Der Ursprung des in der Welt herrschenden Zancks und Streits (1695). Konrad Gajek: Christian Funckes Prosafassung der Judith von Martin Opitz. Dokumentation einer Aufführung auf dem Görlitzer Schultheater im Jahre 1677. In: Daphnis 18 (1989), S. 421-466. Zu Grossere Verdiensten zählte nach Hoffmanns Angabe die Wahl von Stoffen aus der deutschen und der Heimatgeschichte für seine Stücke (S. 59). Die Hauptquelle zur Geschichte des Görlitzer Schultheatere bilden die Hss Mil II 128-132 der Milich'schen Stadt- und Gymnasialbibliothek Görlitz (heute in der UB Breslau). Vgl. zu den dortigen Beständen zum Görlitzer Schultheater Konrad Gajek: Zur Publikation von handschriftlich überlieferten Schuldramen in schlesischen Bibliotheken. In: Editionsdesiderate zur Frühen Neuzeit. 1. Teil. Hg. von Hans-Gert Roloff. Amsterdam 1997 (Chloe. Beihefte zum Daphnis 24), S. 51-65 (62fE). Eine große Anzahl von gedruckten Einladungsschriften zu den Theateraufführungen befinden sich zudem in der BOGW Görlitz (Programm I) und in den Mss 0307, II und III der UBL. Es handelt sich hier um eine umfangreiche Chronik der Stadt Görlitz aus der Feder von Gabriel Funcke, des Sohnes des gleich zu erwähnenden Vorgängers Grossere. Die Bände enthalten auch zahlreiche Proben der Gelegenheitspoesie Grossere. Zu den Breslauer Schultheatern, die in enger Parallele zum Görlitzer Theater zu sehen sind, steht ein umfangreiches Quellenmaterial in folgender Publikation zur Verfügung: Das Breslauer Schultheater im 17. und 18. Jahrhundert. Einladungsschriften zu den Schulactus und Szenare zu den Aufführungen »förmlicher Comödien« an den protestantischen Gymnasien. Hg. von Konrad Gajek. Tübingen 1994 (mit einem Nachwort des Hg.). Ein im Vorwort angekündigter Band mit Materialien zu anderen schlesischen Schultheatern ist noch nicht erschienen. Da der Herausgeber inzwischen verstorben ist, kann wohl auch mit einer entsprechenden Fortsetzung nicht mehr gerechnet werden. 45

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Zusammengefaßt in folgendem Band: Der studirenden Jugend Gott geheiligte Beth- und Singeschule. Leipzig 1707. Das Lateinische mag noch überwogen haben. In der Einladungsschrift zu dem Stück »Leid- und Freuden-Wechsel menschlicher Begebnisse« (1703) betont der

40 andere am Theater interessierte Lehrer der Zeit hat der Görlitzer Rektor dabei mit mannigfachen Widerständen zu ringen, besonders seitens der Geistlichkeit, die das Theaterspielen als Müßiggang und sittenverderbendes lün verurteilt. Es gehe in seinen Stücken, hält Grosser entgegen, nicht um eine äußere Belustigung der Sinne, sondern um eine »heimliche GemüthsErbauung und nöthige Verbesserung der Rede/ Geberden und Leibes-Stellung.« Für die Stücke würden solche Themen gewählt, die die Schüler zur Erkenntnis ihrer Mängel und Schwächen führen. Die Beschäftigung mit theatralischen Übungen sei daher dem Lehramt nicht zuwider, sondern sei »als ein sonderbahres zu demselbigen gehörigens Stücke zu betrachten«.47 Das Theater wird also in eine enge Verbindung mit den im eigentlichen Schulunterricht verfolgten Zielen gebracht: Wissensvermittlung, praktisches Einüben in theoretisch vermittelte Kenntnisse, moralisch-religiöse Erziehung.48 Grosser hat das Schultheater nicht als erster in Görlitz heimisch gemacht. Schon sein Vorgänger, Christian Funcke, hatte das Theater am Gymnasium Augustum zu einem ersten Höhepunkt seiner Bedeutung geführt. Im Gegensatz zu Grosser, der (ähnlich wie Christian Weise) das Repertoir im wesentlichen auf die eigenen Stücke beschränkte, brachte Funcke viele Texte der zeitgenössischen deutschen Literatur zur Aufführung.49 Eine Reihe der ersten Mitglieder der Görlitzer Poetischen Gesellschaft ist noch bei Funcke, der übrigens auch der berühmten Fruchtbringenden Gesellschaft angehörte,50 in die Schule gegangen und hatten an dessen Theateraufführungen teilgenommen.51 Auf die Namen späterer Mitglieder der Poetischen Gesell-

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Rektor, daß das Drama »nicht/ wie sonsten/ in Lateinischer/ sondern in Teutscher Sprache« gespielt werde. Im Verzeichnis der von Grosser hinterlassenen Manuskripte finden sich übrigens keine Texte zur deutschen Sprache und Literatur (vgl. G. Geysers Leichenpredigt auf S. Grosser, S. 31f.). So Grosser in der Vorrede zu seinem Stück Der bestrafte Absalom. Vgl. K. Gajek (Breslauer Schultheater), Nachwort, S. 23. In seinen letzten Lebensjahren brachte Funcke vor allem Stücke Christian Weises zur Aufführung. Zum Einfluß Weises auf das Görlitzer Schultheater vgl. Walther Eggert: Christian Weise und seine Bühne. Berlin u. Leipzig 1935 (Germanisch und Deutsch. Studien zur Sprache und Kultur 9), S. 333ff. Grosser habe in jeglicher Hinsicht seinen Lehrer Weise »kopiert«. Vgl. auch K. Gajek (Zur Publikation), S. 62ff. Der Eintritt erfolgte 1677; Funcke erhielt den Gesellschaftsnamen »Der Funkkende«. Vgl. Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: Die Zeit Herzog Augusts von Sachsen-Weißenfels 1667-1680. Hg. von M. Bircher unter Mitarbeit von G. Henkel und A. Herz. Tübingen 1991 (Die Deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts Fruchtbringende Gesellschaft. Reihe I, Abteilung C), S. 398. Das Bewerbungs- und das Dankschreiben Funckes an den Herzog von Sachsen-Weißenfels sind auf den S. 160t und 168f£ veröffentlicht. So spielt Johann Caspar Isaac bei der letzten Aufführung (1695) unter Funckes Leitung und bei der zweiten Aufführung eines Grosser-Stückes (König Josaphat, 1697). Bei den Theateraufführungen des Jahres 1694, die bereits als die letzten des »grauen Schul-Hauptes« Funcke angekündigt worden waren, werden fast alle

41 schaft stößt man beim Blättern in den Einladungsschriften zu jenen Vorstellungen ständig.52 Wichtig für die Einschätzung der Bedeutung der Musik in der späteren Leipziger Poetengesellschaft ist die Rolle des musikalischen Unterrichts an den Gymnasien. Daß die Musik täglich »publice und privatim« geübt werde solle, legt die Laubaner Schulordnung ausdrücklich fest, denn die Musik sei eine edle Gabe Gottes; außerdem gehöre ihre Beherrschung zu den Kenntnissen, die im späteren Leben von Nutzen sein können. 53 Einen noch höheren Rang nimmt die Musik in Görlitz ein. Mit dem Organisten Christian Ludwig Boxberg 54 wirkte in den Jahren von 1702 bis 1729 an der Görlitzer Petrikirche ein Mann, der nicht nur an der Orgel und als Sänger hervorgetreten war, sondern in Leipzig mehrere eigene Opern (Text und Komposition) zur Aufführung gebracht hatte. Bemerkenswert ist vor allem aber die musikalische Begleitung bei den Görlitzer Theateraufführungen. 55 Arien und Chöre gehörten zu einer Vielzahl der Stücke. Liest man die Einladungsschriften, entsteht der Eindruck, daß die Fähigkeit der gesanglichen Darbietung ein Muß der Ausbildung darstellte. Das Gymnasium besaß einen Schulchor (Chorus symphoniacus), der nicht nur bei den Theateraufführungen in Aktion trat, sondern auch bei anderen offiziellen und halboffiziellen Anlässen. Als Beispiel sei ein »Actum exequialem« anläßlich des Ablebens des Kurfürsten Johann Georg III. erwähnt. Am Beginn tritt ein späteres Mitglied der Poetengesellschaft, Andreas Luther, mit einem Trauergesang (quae vulgo Arie vocatur) auf, wobei Hauptrollen von späteren Mitgliedern der Gesellschaft besetzt, so in Davids Verfolgung: H. Günther (Ruben), E. Schäffer (Simeon), J. C. Isaac (Tochter Sauls), C. Altmann (andere Tochter Sauls), G. G. Große (David). Vgl. BOGW, Programm I, 221. 52

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So wirken z. B. an dem bereits erwähnten »Actum oratorium von Schul-Freunden [...]« (vgl. Anm. 22) die späteren Mitglieder J. G. Dietrich, J. G. Seidel und A. Ulrich mit. G. Hoffmann (Ausführlicher Bericht), S. 36. Vgl. A. Schering (Musikgeschichte), S. 455f.; M. Gondolatsch: Beiträge zur Musikgeschichte der Stadt Görlitz. Die Organisten. In: Archiv für Musikwissenschaft 6 (1924), S. 324-353, hier S. 331-333 (mit Werkverzeichnis); ders.: Görlitzer Musikleben in vergangenen Zeiten. Görlitz 1914. Allerdings wandelt Funcke in manchen der von ihm aufgeführten Stücke die musikalischen Elemente in Prosafassung um; vielleicht um die Aufführungen zu erleichtern (vgl. Gajek, Christian Funckes Prosafassung); zur Musik unter Funcke vgl. H. Hoffmann [Schultheater], S. 102ff.). Vgl. zur Musik in Görlitz M. Gondolatsch (Görlitzer Musikleben), S. 132t; MGG1, 5. Bd., Sp. 408-426 (Verfasser: Franz Jochen Machatius). Der Görlitz-Artikel in der MGG2, Sp. 153-1538 (Verfasser: Torsten Fuchs) kann den Text der ersten Auflage, was Gründlichkeit und Ausführlichkeit angeht, nicht ersetzen. Zur Musik bei Schuldramen überhaupt vgl. MGG1, 12. Bd., Sp. 229-234. Der Verfasser (K.-G. Hartmann) läßt das protestantische Schuldrama allerdings schon mit dem Dreißigjährigen Krieg enden. Auch bei den Breslauer Schultheatern lassen sich musikalische Begleitungen nachweisen (vgl. K. Gajek [Breslauer Schultheater], Nachwort, S. 41).

42 er seine Stimme »inter sonitum lenem« eines Violoncello erklingen läßt. Der erste Vers des Gesanges lautet: »Der große Sachß/ ist todt!// O Felsen-harte Noth!// Der Baum/ so Uns gestützet// Der Held/ der Uns beschützet// Ist durch den Tod gefällt// Den Vätern zugesellt.«56 Viel Musik erklingt auch bei einem »Brand- und Buß-Fest« im Jahre 1702 (anläßlich der Trauerfeier über einen der häufigen Görlitzer Stadtbrände). Unter den an exponierten Stellen Beteiligten werden mehrere Schüler genannt, die wir in den Leipziger Mitgliederlisten finden können: Daniel Riech (Mitglied 1708) »ermundert« sich mit drei anderen Kindern zu »andächtigen Buß-Gedanken«; Zacharias Schmidt (Mitglied 1702) stellt in Erinnerung »der durch Gottes Seegen wieder aufgebauten ehemals abgebrandten Häuser« das »Göttliche LiebesFeuer« dar; Gottfried Förster (Mitglied 1703) verweist auf Gottes »Warnungs-Feuer« und mahnt die Einwohner der Stadt, von ihren Sünden zu lassen, um nicht Gott eine »neue Feuer-Ruthe« abzunötigen. Ob Grosser über seine Schüler Verbindungen zur Görlitzer Poetengesellschaft unterhielt, ist nicht bekannt.57 Bemerkenswert ist die Tatsache, daß Grossers Sohn Johann Gottlob 1715 der Sozietät beitrat. Unter deren Mitgliedern ist man sich der Bedeutimg des Görlitzer Lehrers für die eigene intellektuelle Entwicklung lange Zeit bewußt geblieben. Noch 1720 gedenkt man Grosser mit einem Gedicht: »Großer ist an Geiste groß: größer noch an Kunst und Wißen,/ Und am größten an der Treu. Eilt, ihr Musen, seyd beflißen/ Großem Palmen abzubrechen. Grabt sein Lob in Marmor ein./ Weil Verdienste gröster Größe großer Erhfurcht würdig seyn.«58 Schließlich 56 57

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Die Melodie folgt dem deutschen Lied »Welt Ade! ich bin dein müde!« Grosser soll nach einer späteren Mitteilung noch um 1710 »in dem vertrautesten Brief-Wechsel mit vielen academischen Lehrern« in Leipzig gestanden haben (Von der durch Christum erworbenen herrlichen und ewigen Ruhe der Gläubigen, handelte [...] bey feyerlicher Beerdigung [...] Herrn Daniel Riechs [...] in einer Trauerrede Joh. G. Schultze. Görlitz 1768). Es wäre also sehr wohl denkbar, daß er auf diesem Wege Nachrichten über die Pöetengesellschaft erhalten hat. G. Geyser, Mitglied der Gesellschaft, berichtet in seinem Nachruf auf Grosser, dieser habe »mit den berühmtesten Gelehrten auch der entlegensten Länder einen weitläufigen Briefwechsel geführt« (abgedruckt in den Epicedia zu Schlütes Gedächtniß-Schrifft, S. 26). Von diesen Korrespondenzen scheint nichts erhalten geblieben zu sein. Gedichtbände VI, Bl. 83v, von J. G. Hamann. In der selbstverfaßten Grabschrift G. Chr. Lehms (s. S. 68t) heißt es gar: »Görlitz, und sein grosser Grosser, (hat) einen Mensch aus mir gemacht« (nach Mitteilung bei F. W. Strieder [Grundzüge], S. 469). Die Stadt Görlitz ist bis in die zwanziger Jahren immer wieder Thema der Dichtungen der Gesellschaft. Noch 1720 ergeht eine Neujahrsgratulation an den Rat von Görlitz (Gedichtbände VI., Bl. 282 v -284 v ). Von einem Schüler Grossers stammt ein Gedicht auf den Tod seines Lehrers, in dem ausführlich dessen pädagogischen Verdienste gerühmt werden: »Ludendo docuit, revera fingere ludum/ Ex bene composita perdocet ille schola.« Seine Beherrschung der Sprache und Dichtung wird besonders hervorgehoben: »Grosserus moritur, quem Svada et blanda Poesi/ Et quem laus Sophiae praedicat.« Der Verfasser, Gottfried Benjamin Schael, war zwar nicht Mitglied der Deutschen Gesellschaft, schenkte ihr jedoch 1719 ein Exemplar von Brockes Betlehemitischen Kindermord. Schael hatte übrigens auch in Leipzig

43 mahnt Clodius n o c h 1736 in einer an die D e u t s c h e Gesellschaft gerichteten Epistola,

Grosser nicht z u vergessen, d e n n aus seiner Schule s e i e n die Grün-

der der Gesellschaft g e k o m m e n . 5 9 In der Oberlausitz hat das Wissen darum, d a ß d i e später s o b e r ü h m t e D e u t s c h e Gesellschaft v o n Oberlausitzern gegründet w o r d e n ist, d a z u beigetragen, das Selbstbewußtsein u m die kulturelle B e d e u t u n g dieses Landstric h e s zu stärken. S c h o n 1740 heißt es: »Ober-Lausitz hat d i e Ehre, d a ß ihre Kinder die A n f ä n g e r u n d Stiffter v o n der D e u t s c h e n Gesellschaft in Leipzig sind.« 6 0 D i e Gesellschaft, heißt es an anderer Stelle, »gereicht der Oberlausitz b e s o n d e r s zur größten Ehre, welche, o b sie sich s c h o n nicht in der Oberlausitz befindet, d o c h Oberlausitzern ihren Ursprung z u v e r d a n k e n hat.« 6 1 In einer anläßlich der Feier z u m 25. Jahrestag der Oberlausitzer Gesellschaft der Wissenschaften g e h a l t e n e n R e d e ( 2 5 . 4 . 1 8 0 4 ) wird die Görlitzer Poetische Gesellschaft ausdrücklich unter d e n Vorläufern der e i g e n e n Sozietät erwähnt. 6 2 A n d e r e r s e i t s hat die Kritik, die mit d e m S c h w i n d e n des A n s e h e n s

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studiert und war ein Freund Johann Christian Günthers (vgl. Krämer [Johann Christian Günther], S. 233 u. 328). Zu Schaels Erinnerungen an Grosser vgl. auch S. 34 »Nolite immemores esse Grosseri Rectoris, per utramque Lusatiam, quidni? per universum literarium orbem celeberrimi, Praeceptoris mei ad ciñeres usque Parentis loco devenerandi. lili enim, si cuiquam alii, et iis, quos ad literarum et Poeseos studia formavit, instituti illius debetis prima incunabula.« H. Hoffmann sieht sonderbarerweise Grosser als Mitbegründer der Gesellschaft (Schultheater, S. 58). Auch v. Borell bezeichnet Grosser als Mitbegründer der Gesellschaft, obwohl er im gleichen Satz mitteilt, daß dieser 1683-1691, also lange vor Entstehung des Görlitzer Poetenvereins, in Leipzig studierte (Georg Christian Lehms, S. 53). Ober-lausitzischer Beytrag zur Gelahrtheit und deren Historie. III. Band, 24. Stück, Sp. 383. Auch eine 1748 in Zittau gegründete Gelehrte Sozietät nennt die Görlitzische Gesellschaft ausdrücklich als Beleg für den kulturell-wissenschaftlichen Aufschwung Deutschlands nach dem Dreißigjährigen Krieg (Gottlob Friedrich Gude: Eine Abhandlung von dem Zunehmen und Wachsthume nach dem dreyßigjährigen Kriege. In: Arbeiten einer vereinigten Gesellschaft in der Oberlausitz zu den Geschichten und der Gelahrheit. l . J g . 3 1753, S. 86-112, hier S. 103; Angabe des Autors nach einer handschriftlichen Notiz in einem Exemplar der B O G W [Signatur: L. V, 3a]). Vgl. Johann Hortzschansky: Kurze Anzeige von den Oberlausitzischen gelehrten Gesellschaften. Görlitz o. J. (Text anläßlich der Feier »Bey der Lux- und Knauthischen ehelichen Verbindung, welche den 28. Februar. 1770 zu Friedersdorf vergnügt vollzogen wurde«), S. 21: Vgl. Neue Lausitzer Monatsschrift. Jg. 1804, S. 281fñ Andererseits kursierten in der Oberlausitz zur gleichen Zeit völlig widersinnige Vorstellungen über Entstehung und Geschichte der Gesellschaft. So soll sie ausschließlich aus ehemaligen Zittauer Schülern gegründet worden sein. Immanuel August Wentzel (Mitglied 1724!) sei eines der ersten Mitglieder gewesen. Nachdem »durch das Eindringen verschiedener fremder Personen allerley Streitigkeiten entstanden« waren sei Wentzel wieder ausgetreten (vgl. Lausitzisches Magazin, Jg. 1782, Stück 12, S. 182). Vielleicht steckt hinter dieser Notiz eine dunkle Erinnerung an die Erneuerung der Gesellschaft wenige Jahre nach Gottscheds Eintritt und an die damit verbundenen Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern. Gottsched wäre dann eine dieser »fremden Personen«.

44 Gottscheds ebenfalls die Deutsche Gesellschaft traf, auch in der Oberlausitz Fuß gefaßt (s. S. 4f.). Wenn wir uns jetzt der Entstehung und der Frühgeschichte der Görlitzer Poetischen Gesellschaft zuwenden, gilt es, diesen Hintergrund, d. h. die konkreten Lebensumstände, unter denen fast alle Mitglieder des Kollegiums aufgewachsen sind, nicht zu vergessen. Das betrifft vor allem die pädagogischen Verhältnisse und Traditionen der Oberlausitz, einschließlich der Rolle der Dichtung, des Schultheaters und der Musik, die diese für die Ausbildung der künftigen Universitätsstudenten spielten.

4. Gründung und Intentionen der Görlitzischen Poetischen Gesellschaft Über die Entstehungsgeschichte der Gesellschaft wird erstmals 1719, also 22 Jahre nach dem ersten Zusammentreten ihrer Gründer, der Öffentlichkeit berichtet. Es handelt sich um eine knappe Notiz, die Christoph Ernst Sicul in seiner Leipziger Jahr-Geschichte 1719-1721 festhält: Die Gesellschaft habe 1697 ihren Anfang genommen,1 nämlich als ein paar gute Freunde (vor allem Johann Christoph Haßfurth und Johann Christoph Urban) zusammenkamen »und durch allerhand Poetische Einfälle sich die Abend Stunden dermaßen nutzbar verkürtzten/ daß einer des andern Arbeit scharff doch wohlmeynend beurtheilte.« Zur gleichen Zeit habe Johann Burkhard Mencke ein Collegium zur Poetik gehalten, an dem durch besondere Fügung nur Görlitzer teilgenommen hätten: »Also wurde die beliebte Vers-Ubung nicht allein währenden Collegio fleißig getrieben/ sondern auch/ nach dessen Endschafft von den nun einmal zusammen gewohnten Gliedern desselben dergestalt fortgesetzt/ daß sie gewisse leges [...] machten«.2 Christian Clodius, der 1722 die erste breitere Darstellung der Entwicklung der Gesellschaft gibt,3 setzt den Akzent etwas anders; er läßt die Gesellschaft direkt aus Menckes Collegium poeticum hervorgehen.4 Bald jedoch habe man gelernt, ohne Aufsicht (sine cortice) zu dichten. Unverkennbar versucht Clodius, die Görlitzische Gesellschaft in eine Tradition zu den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s zu setzen, denn erst nach breiten Ausführungen über jene Sozietäten gelangt er zur Darstellung der Görlitzer Gesellschaft.5 Diese schlägt nach seiner Darstellung sogleich eine Entwicklung ein, 1

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Vereinzelt geblieben ist die Auffassung von Ä. L. Richter, der meint, die Gesellschaft sei spätestens 1673 gegründet worden, da sich in ihrem Archiv ein auf dieses Jahr datierter Text »Statuta et rationes collegii oratorii« befände (Bericht vom Jahre 1838). Diese Statuten haben freilich nichts mit unserer Gesellschaft zu tun, sondern gehören zu einer der Leipziger Rednergesellschaften. Man wird sich diese Statuten als Beispiel für die Verfassung einer Sozietät zugelegt haben. Sicul II, S. 55-57 Vgl. Abkürzungsverzeichnis (Schediasma). So auch M. Wehe (Philander), die im übrigen Mencke von Beginn an als Präses der Gesellschaft fungieren läßt. Von den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s hegte man im schlesischen Raum eine hohe Auffassung; sie erscheinen zusammen mit den schlesischen Dichtern als Beweis für den Aufschwung, den die deutsche Sprache und Dichtung genommen habe. Vgl. folgende Einladungsschrift zu einer Theateraufführung des Breslauer Magda-

46 die in Richtung auf eine Akademie zur Pflege und Verbesserung der deutschen Sprache läuft. Die Tatsache, daß die religiös-erbauliche Dichtung in den ersten Jahren der Gesellschaft durchaus im Mittelpunkt ihres literarischen Schaffens stand, bleibt bei Clodius ausgeblendet; sie würde in der Tat nicht in das von ihm entworfene Geschichtsbild passen. Schon in der programmatischen im Namen aller Mitglieder an die Görlitzer Ratsherren gerichteten Vorrede wird dagegen das Wirken der Gesellschaft in einen denkbar weiten Zusammenhang gestellt: Um die deutsche Sprache und Poesie zu ihrer ganzen Schönheit (pulchritudo) und Vollkommenheit (perfectio) zu entwickeln, seien große Anstrengungen vonnöten: »Quae vero totius Germaniae provincia ad istiusmodi institutum magis formata et composita est, quam heac nostra Saxonia, et quae Saxoniam illustrât, Lipsia?«6 Daß nun gerade Lausitzer Hand an dieses große Werk legen, wird dem für ganz Deutschland vorbildlichen Schulwesen in Görlitz zugeschrieben; hier sei der Sitz der Weisheit schlechthin (sedes sapientiae). In der Darstellung der Geschichte der Gesellschaft wird berichtet, der vierte Band der Gedichte sei mit solchem Lob bedacht worden, daß der Gedanke entstand, dem Collegium den Namen einer Akademie zu verleihen. In diesem Zusammenhang sei man zu dem Entschluß gelangt, eine Sammlung von Büchern anzulegen, »quorum regulis & exemplis rudiores quadantenus instruí, provectiores confirmari possent.«7 Auch in der Vorrede zu dem 1724 erstmals herausgegebenen Katalog der so entstandenen Bibliothek der Gesellschaft wird rückprojizierend ausdrücklich betont, es sei »die Absicht unserer, Gesellschafftlichen Arbeit nie-

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lenen-Gymnsium: Christian Stieff: Die Beschaffenheit der Teutschen Poesie. Breslau 1709 (abgedruckt bei Gajek, Breslauer Schultheater). Die Fragwürdigkeit der von Clodius verfolgten Anknüpfung der Görlitzer Poetengesellschaft an die Sprachgesellschaften des 17. Jh.s belegt überzeugend Rauter (Deutsche Gesellschaft), S. 37£ Lotter bringt in seiner Antrittsrede die Deutsche Gesellschaft sogar in eine unmittelbare Verbindung mit der »ersten Deutschen Gesellschaft«, der Sodalitas Rhenania des Konrad Celtis. Seine Zuhörer würden sicher »mit Vergnügen verschiedene Umstände und Eigenschaften an derselben entdecket haben, welche gegenwärtige ansehnliche Versammlung mit der ersten gemein hat, und die alle von der Beschaffenheit sind, daß sie die wahren Gründe von beyder innerm Werthe und immerdauerndem Ruhme abgeben.« (Gesammlete Reden, S. 364). Die Vorrede ist auf den 5.10.1722 datiert. Schediasma, S. 46. Der Gedanke, über eine intensive Beschäftigung mit der Sprache und Dichtung die eigene poetische Produktion zu verbessern, ist nicht neu und steht mit der Auffassung in Verbindung, die Dichtkunst sei eine Wissenschaft. So beklagt Johann Ludwig Prasch in seiner Poetik einen um sich greifenden Verdruß am Versemachen. Dies wäre zu verhindern, »wann noch mehrere Kunst/ Wissenschafft/ Fleiß und Lieblichkeit/ daran es vielen mangelt/ hinzu kämen. Wann wir die nothwendigen Bücher von der Teutschen Sprach- Dicht- und Reimkunst zuvor läsen/ und etwas eintrachteten/ ehe wir Teutsche Verse machen [...]« (J. L. Prasch: Gründliche Anzeige von Fürtrefflichkeit und Verbesserung teutscher Poesie. Regensburg 1680, S. 3 (Nachdruck Stuttgart 1995).

47 mahls auf die Poesie allein, sondern auf die Ausübung der Teutschen Sprache insgemein« ausgerichtet gewesen.8 Ein ebenfalls von den aktuellen Interessen der Gegenwart bestimmtes Bild von der Frühgeschichte der Sozietät vermittelt Johann Friedrich May in seiner Gedächtnisrede auf Johann Burkhard Mencke. Der Vorsatz der Gesellschaft richtete sich nach seiner Darstellung von Beginn an auf die Pflege der deutschen Sprache sowie auf die Verbesserung der Poesie und Beredsamkeit: »Allein es geschah noch im Verborgenen. Der Weg, diese gute Absicht der Welt bekannt zu machen, war noch verschlossen, und man wüste sich zur Zeit noch mit nichts, als mit guten Wünschen zu trösten, die alle von der Hoffnung besserer Zeiten herrühre ten.«9 Schon in seiner »Brandrede« (s. Quellentexte 2) von 1726/27 schreibt May ganz eindeutig den »lobwürdigen Stifftern« der Gesellschaft das Ziel zu, durch die Verbesserung der Sprache zur Verherrlichung der Nation beizutragen. An anderer Stelle wird die Pflege der Muttersprache von May in den Dienst der »Beförderung der angenehmen Wissenschaften« gestellt.10 Auch die Nachricht von 1727 sieht als das einzig treibende Moment der Gesellschaft vom Anbeginn ihrer Existenz die »blosse Liebe zur deutschen Dicht-Kunst«.11 Noch 25 Jahre später vertritt Ludwig als Senior der Gesellschaft das gleiche Geschichtsbild: Die Gesellschaft wurde gegründet, um »die Reinigkeit der Muttersprache« zu fördern und »die besten Muster einer deutlichen und ungezwungenen Schreibart« zu liefern. Dabei greift Ludwig auf das schon von den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s in den Mittelpunkt gestellte Argument zurück, die Verbesserung der Sprache habe eine Verbesserung der Tilgend, Gottesfurcht und Wissenschaft im Gefolge, kurzum »gute Christen und redliche Bürger«.12 Wenden wir uns jetzt der tatsächlichen Entstehungsgeschichte der Gesellschaft zu, soweit sie noch rekonstruierbar ist, bietet sich uns ein etwas anderes Bild, als es von Clodius, May, Ludwig und anderen im Nachhinein entworfen worden ist.13 Die Gründung der Görlitzischen Gesellschaft erfolgte 8

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Verzeichniß Aller Teutschen Poetischen Schrifften, Welche die [...] In Leipzig florirende Teutsch-iibende Poetische Gesellschafft, vom Jahre 1719. biß 23 [...] gesammlet hat. Leipzig 1724, Vorrede vom 12.3.1724. J. F. May: Gedächtnißrede auf den Herrn Hofrath Mencken, als den ersten Vorsteher der deutschen Gesellschaft in Leipzig. In: Eigene Schriften II, S. 104-115 (114). Abschiedsrede auf Steinwehr (Eigene Schriften III, S. 224-235 [228]). Eingehendere Ausführungen zu Mays Sicht der Rolle der Deutschen Gesellschaft finden sich auf den S. 154t Nachricht, S. 5. Zwo Schriften, welche in der deutschen Gesellschaft zu Leipzig ersten außerordentlichen Versammlung nach wiederhergestellten Frieden, den 15ten April 1763, öffentlich vorgelesen worden. Leipzig 1763, S. 3 - 1 0 (31). Ein Beispiel dafür, daß das eben entwickelte Selbstbild der Gesellschaft auch in der neueren Literatur anzutreffen ist, bietet Stefan Benz in seiner Biographie von Johann Georg Eckhart (in: Fränkische Lebensbilder. 15. Bd. Neustadt/Aisch 1993, S. 135-156). Eckhart habe Ende der neunziger Jahre, was m.E. nicht belegbar ist,

48 am 3. Januar 1697 durch jene vier bereits genannten aus Görlitz kommenden Studenten, drei Theologen, einen Juristen: Johann Christoph Urban, Johann Christoph Haßfurt, Johann Adam Schön, Johann Heinrich Krause. Allein Krause (1674-1730) ist über längere Zeit (bis 1707) Mitglied der Gesellschaft geblieben; die anderen verlassen Leipzig spätestens zu Beginn des Jahres 1698. Trotz dieser nur kurzzeitigen Mitgliedschaft haben die Gründer der Sozietät diese in mancher Hinsicht für einen längeren Zeitraum geprägt: So kommt von Beginn an der religiösen Dichtung ganz erhebliches Gewicht in der literarischen Produktion der Gesellschaft zu. Urban (1671-1756) 1 4 und Schön (1675-1730) 1 5 sind später als namhafte Verfasser von Kirchenliedern hervorgetreten; Haßfurt, »ein guter lateinischer Poete« 16 , wird bereits von Erdmann Neumeister erwähnt.17 Zu den eigentlichen Hintergründen der Entstehung der Gesellschaft gelangen wir über die erhaltenen Gedichtbände und insbesondere über die dortigen Vorreden. 18 Aus jener des ersten Bandes geht hervor, daß es den Gründern der Verbindung um die Pflege der »Conversation [...] zur Aufrichtung als Erhaltung wahrer Freundschafft« ging, da die »Gleicheit der Tugenden und Sitten« als der Grundlage der Freundschaft nur durch »fleißige Conversation« zur Wirkung gelangen könne: »In Erwegung dessen haben vor einigen Jahren etliche Academische Freunde gesorget, wie Sie nicht nur ihre auf Schulen gemachte Freundschafft durch eine beständige Conversatio [...]

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dem Görlitzer Collegium Poeticum angehört, dem Benz »eine wichtige anregende Funktion im sich anbahnenden literarischen Geschmackswandel zuweist«: Dort sei die schlesische Dichterschule kritisiert worden sei und dort habe die klassizistische französische Literatur als Kunstmaßstab gegolten. Noch gut zwanzig Jahre später habe Eckhart bei seiner Planung einer Teutschen Akademie in Würzburg auf seine Erfahrungen in der Leipziger Studienzeit zurückgegriffen. Das sind alles Behauptungen, die sich m. E. nirgends belegen lassen (S. 136 und S. 149, vgl. zu Benz auch Kap. 7, Anm. 2). Kroker (Austritt, S. 4) bezeichnet Urban als den eigentlichen Gründer der Gesellschaft. Worauf sich Kroker in dieser Annahme stützt, ist mir nicht deutlich. Im Abschiedsgedicht der Gesellschaft auf Haßfurth, der bereits im Januar 1698 Leipzig verließ, wird dieser als Senior und Haupt des Collegium bezeichnet (Gedichtbände I, Bl. 98 v ). Bemerkenswert ist, daß noch 1722, also Jahrzehnte nach seinem Weggang aus Leipzig, in den Gedichtbänden der Gesellschaft ein Text Urbans aufgenommen wurde (Letztes Gespräche, welches mit Herrn Johann Petro Pauli [...] hielte dessen bis in dem Tod aufrichtiger Schul-Freund, Johann Christoph Urbani [...] Görlitz, gedruckt bey Michael und Jacob Zippern, Gedichtbände V, Bl. 297ff.). Schön wirkte ab 1716 als Diakon an der Görlitzer Petrikirche. Eine relativ ausführliche Biographie enthält Dietmann, S. 246-254. Ein vollständigeres Schriftenverzeichnis (darunter Schöns Kirchenlieder im einzelnen) bietet Otto 3, S. 189-191. Vgl. auch die auf ihn gehaltene Leichenpredigt von (BOGW, Th XVI, 2058). Otto 2, S. 33; 3, S. 731. Erwähnt wird ein Gedicht Haßfurts auf den Brand in Görlitz 1691, das Neumeister als »satis numerose« bezeichnet (De Poetis Germanicis, S. 46). Diese Gedichtbände sind m.W. bisher nur von Vogel (Die Deutsche Gesellschaft) ausführlicher berücksichtigt worden.

49 fortsetzen, sondern auch mit andern, so sie auf dem Weltberühmten Görlitzischen Gymnasio in der Freundschaffts-Probe bewahrt erfunden, unterhalten mögten.« Die Beschränkung der Mitglieder auf Görlitzer Schüler wird damit begründet, daß nur in der Jugend eine aufrichtige Freundschaft gefunden werden könne. An den Universitäten könne man wohl manche Bekanntschaft schließen, die jedoch nur selten einen selbstlosen Charakter besäße. Statt sich an der »Vertraulichkeit frembder Nationen« zu »ergötzen« solle man lieber mit den alten Freunden im Gespräch bleiben: »Weil aber nicht iede Conversation dergleichen Nachdruck mit sich führet, sondern nur diejenige zu welcher Kunst und Tugend den Grund geleget, als hat obgedachten Freunden bey wöchentlicher Zusammenkunfft ein Poetisches Exercitium in Griechischer, Lateinischer, und sonderlich Teutscher Sprache beliebet [...].« Die Bände mit den Aufzeichnungen der von den Mitgliedern verfaßten Gedichten werden der Görlitzer Bibliothek als Denkmal der vielen in Görlitz »genossenen Wohlthaten« geschenkt.19 Die Bibliothek wird als Aufbewahrungsort auch deshalb gewählt, weil dort »zu diesen Poetischen Bau die ersten Grundsteine richtig gelegt worden« seien.20 Zwei Jahre später, in der Vorrede zum 2. Band der Gedichte, wird nochmals betont, es sei der Zweck der Gesellschaft, »die in dem Görlitzischen Gymnasio gemachte Freundschafft auf hiesiger Academie zu unterhalten«. Dies Ziel sei erreicht worden: »Indeßen kan sich unser Collegium gratulieren, daß die Liebe zu demselben, und die Vertraulichkeit in demselben nicht vermindert, sondern vermehret worden [...].« Dieser Erfolg bereite den Gründern ein nicht geringes Vergnügen, da im Gegensatz dazu andere ähnliche Unternehmungen vergeblich versucht hätten, in die Fußstapfen des Görlitzischen Kollegiums zu treten: »Dahero dem Görlitzschem Vertrauten Collegio bis dato der Platz und Preiß 19

Unbekannt ist, inwieweit die Bände in Görlitz Beachtung gefunden haben. Vogel (Die Deutsche Gesellschaft) vermerkt, es würde »sich eine ganze Reihe von Correcturen mit rother Tinte an dem Rande und im Texte« finden. Ich habe in keinem der Bände solche Marginalien entdecken können. Immerhin müssen die Bände zumindest unter den Görlitzer Schülern bekannt gewesen sein. J. Chr. Röber will, wie er in seinem Gedicht zum Eintritt in die Gesellschaft berichtet, durch die Lektüre jener Aufzeichnungen sogar veranlaßt worden sein, in Leipzig zu studieren: »Allein, waß hat mich denn vornehmlich hergeführet/ wo man die Poesie so trefflich veneriret/ Ein unverhoffter Fall hat mir diß eingeprägt/ Es zeigt das Neiß-Athen, wo Großers theurer Mündt/ Mit süßer Suada lehrt, uns einen Schatz von Büchern,/ Darinnen wolt ich mich ein Buch zu sehen versichern/ Da wurde mir der Berg mit den Poeten kundt./ Sie hatten gleich ein Werck mit rarer Poesie/ In diesen Bücher Schatz zu Görlitz eingesetztet/ Und weil mich diese Kunst recht inniglich ergötzet:/ So wünscht ich: Wäre ich nur bey dieser Compagnie.« (»Bey der glücklichen Ankunfft an dem in Leipzig zufindenden Poeten-Berg legte seine Complimente folgendermaßen ab der Autor«, Gedichtbände III, Bl. 181v). Wenige Jahre später textet Gottfried Seibt in seinem Antrittsgedicht: »Denn Ihr Collegium das ieder Zeit gestiegen/ Von dem gantz Görlitz auch sehr viel zu sagen weiß [...]« (Gedichtbände III, Bl. 317v).

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Gedichtbände II., Bl. 2r - 3r. Die Vorrede ist auf den 25. 2.1702 datiert.

50 allein geblieben.« Allerdings müsse man zugeben, daß die in den Anfangsjahren gehegten hochgespannten Erwartungen in Hinsicht auf die Qualität der poetischen Produktion nicht erfüllt werden konnten. Die Ursachen lägen in den kriegerischen Zeitumständen und in der Tatsache, daß die (studentischen) Mitglieder nach Ende ihres Studiums Leipzig und damit das Collegium verlassen würden: »Dahero unser Collegium einem Baum-Garten nicht ungleich worden, worinnen der Gärtner die besten Bäume, wenn Sie anfangen Blüthe und Früchte zutragen andern zum Nutzen und Vergnügen überlaßen und nur beschäfftig seyn müssen, den Abgang mit jungen Pfropff:Reißen zuersetzen.« 21 Diese im Namen des gesamten Kollegiums verfaßten programmatischen Aussagen werden durch den Inhalt zahlreicher in den Bänden zu findenden Gedichte einzelner Mitglieder bestätigt. Besonders die statutengemäß beim Eintritt und dann beim Verlassen der Gesellschaft vorzutragenden Dichtungen erlauben einen Einblick in die Lebensatmosphäre jener sich als Freundschaftsbund verstehenden Verbindung. Besonders aufschlußreich ist ein Gedicht von Gottfried Hedluff, das die Gesellschaft in die Tradition der Kränzchen stellt. Über diese berichtet schon Leibniz in seinem vor dem Collegium Conferentium, also in Leipzig, gehaltenen Vortrag De collegiis: »[...] mera voluptas et exhilaratio per Congressum finis est collegii diciturque Germanice ein Kränzgen, estque tale Collegium Confabulatorium... Hue spectant etiam Collegia Lusoria, Musica, quae ob mutuam delectationem habentur [.. .]«.22 Bei Hedluff heißt es dementsprechend: Ein Kräntzgen nennet man, wo recht vertraute Hertzen/ In angenehmen Flor offt miteinander schertzen:/ Wo sich Verschwiegenheit und süßer Friede küßt/ Wo aller Freunde Hertzen in eins zusammen fließt./ Da schreibt man mit Vernunfft sich Regeln und Gesetze/ Dadurch man iede That nach guter Ordnimg schätze:/ Man machet sich dabey die allerschönste Lusty So ein gelaßner Sinn zu seiner Ruh gewußt./ Und hochgeehrteste, so mich als Freund erkennen/ Darff ich wohl dies Convent ein solches Cräntzgen nennen [...] Man sieht ja bey Sie nur einerley Gedankken/ Ein Hertz und einen Sinn, so niemahls seitwerts wancken./ Es geht nur Lieb und Lust in die Versammlung einJ Und was man zänckisch heißt, muß draus verwiesen seyn./ Beym Kräntzgen liebet man kein ewigs Stilleschweigen/ Es will ein ieder dies auch seinen Freunden zeigen/ Was ihm ein neues Buch vergnüget vorgestelty Und was ein iedes Glied von Welt-Affairen hält./ Sprich, Momus, was man will von unsern Kräntzgen sagen·/ Laß andre, so Du wilst, nach unsern Wercken

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Gedichtbände II, Bl. 2V - 3V, Vorrede vom 10.2.1706. G. W. Leibniz: De collegiis. In: ders.: Sämtliche Schriften und Briefe. Reihe VII. Band 2, S. 4-13, Zitat S. 6. Den Vortrag hat Leibniz wahrscheinlich 1665 als Mitglied der genannten Gelehrtengesellschaft gehalten. Zedlers Lexikon definiert folgendermaßen: »Kräntzlein heisset man eine vertrauliche Gesellschafft, die zu bestimmten Zeiten zusammen kommet, einen fröhlichen Abend zu halten.« (Bd. 15 [1737], Sp. 1639). Solche Kränzchen hat es unter den Leipziger Intellektuellen mindestens vom 17. Jh. an bis ins 20. Jh., d.h. bis in die Gegenwart, in großer Zahl gegeben. Leider liegen zu diesem Thema keinerlei Untersuchungen vor.

51 fragen/ Ob man bey uns nicht das, was gut und nützlich heißt/ Ein ander recht vertraut aus guten Hertzen weißt.23 Die Gesellschaft unterscheidet sich damit in den beiden ersten Jahrzehnten ihres Bestehens nicht wesentlich von anderen Studentengesellschaften, die »ad studiorum utiliorum culturam«, 24 aber auch dem geselligen Vergnügen halber zusammenkamen. Im 18. Jh. nämlich verändert sich das studentische Leben an der Leipziger Universität deutlich im Vergleich zu den typischen, d.h. reinen Universitätsstädten des Reiches. Verbindungswesen, Landsmannschaften, derb burschikoses Treiben spielen hier eine geringere Rolle; der Einfluß des Charakters der bedeutenden Handels-, Messe- und Buchstadt wirkt sich deutlich aus: ein Hang zum gepflegten modischen Auftreten, eine amouröse Atmosphäre, eine starke Einbindung der Studenten in das im weitesten Sinne literarische Leben, eine Beteiligung an der schon erwähnte intensiven Pflege der Musik in Leipzig. 25 Nicht die Kneipe, sondern das Kaffeehaus prägt hier das gesellige Leben. »Wir leben hier galant«, sagt der »Stutzer« zum Jenaer »Renommisten« in Friedrich Wilhelm Zachariäs bekanntem Heldengedicht: »In Leipzig gilt doch noch Verdienst und Adelsstand/ Und ventre bleu! Wer wird in Kleidern schlechter gehen/ Da wir hier jeden Tag die schönsten Damen sehen.« 26 In einem solchen Klima steht die 23

Gedichtbände II, Bl. 284 r -285 r . Man kann sich aus diesem Gedicht ein ungefähres Bild vom Leben des Görlitzer Kollegiums in seiner Frühzeit machen. Die Pflege der Freundschaft als das konstituierende Element der Gesellschaft wird im übrigen in den Gedichten immer wieder betont. So textet Heinrich Günther zum Abschied von Friedrich Lauer: »Und traun was hätten die wohl bessers stifften wollen/ Die zur Societät den ersten Grund gelegt?/ Als dies, daß wir bemüht den Freunden zeigen sollen/ Was man vor Gunst und Pflicht vor Sie in Hertzen hegt./ Das heißt: Wir sollen stets beym Antritt und beym letzten/ Die Pietät zum Grund der wahren Freundschafft setzen. (Gedichtbände II, Bl. 13 r_v ). Im »Carmen Access« von Zacharias Schmidt heißt es: »Wenn sich die Freundschaffts-Pflicht mit Redlichkeit verbindet/ Wenn sich ihr gantzer Zweck auf wahrer Tügend-Schein/ Und ihr belobtes Thun auf Gottes Ehre gründet/ So mus das Freundschaffts-Band wohl recht beglücket seyn./ Es kan sich Jederman vor recht glücklich preisen/ denn solche Freundschafft findet, wo wahre Tilgend blüht/ Wo sich Verstand und Witz als edle Früchte weisen/ Wo man Gelährsamkeit und Weißheit prangen sieht [...]« (Gedichtbände II, Bl. 21r v). In seiner «Abschiedsarie« ruft der sonst eher mit Aufforderungen zu Buße, Gebet und Bibellektüre hervortretende Petermann seinen Genossen zu: »Lebet stets, als wie Poeten/ Lebet lustig, lebt vertraut!/ Euer Dencken sey gesegnet/ Bis es einst Ducaten regnet/ Dichtet nette. Mehret euch./ Werdet Amaranthen gleich/ die nicht Frost, nicht Hitze tödten.« (Gedichtbände VI, Bl. 291 r -293 r , 17. 6.1719).

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So heißt es in der Erklärung des Collegium Conferentium über seine Ziele (nach der Mitteilung Gottscheds in einer Anmerkung seiner Ausgabe von Leibniz' Theodicee [Hannover u. Leipzig 1744, S. 2]). Vgl. W. Bruchmüller: Der Typus des Leipziger Studenten im 18. Jahrhundert. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte 29 (1908), S. 312-341. Ders.: Der Leipziger Student 1409-1909. Leipzig 1909. Kurt Herbst: Der Student in der Geschichte der Universität Leipzig. Leipzig 1961. Friedrich Wilhelm Zachariä: Der Renommist. Ein scherzhaftes Heldengedicht. Hg.

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52 Fähigkeit zum Versesetzen in noch größerer Anerkennung als anderenorts und die Beobachtung, daß in Leipzig das Verfertigen anakreontische Lieder besonders beliebt war, spricht für sich. Wenn auch die Anakreontiker nicht gerade unter den eher konservativen Görlitzer Poeten zu suchen waren, so belegt eine große Zahl von Gedichten anschaulich das lockere Trachten und Treiben auf den Feiern der Gesellschaft. Eines dieser Gedichte trägt die Überschrift: »Als das vertraute Collegium poeticum schmausete lud solches die Poesie folgender Gestalt ein«. Die Feier, so läßt es sich dem Gedicht entnehmen, fand auf dem Lande statt und wird folgendermaßen beschrieben: Das Hauß ist ausgeputzt man siehet an den Zimmern/ Nichts als gewünschte Lust vor unsre Musen schimmern:/ Der Tranck ist eben nicht dem süßen Nectar gleich,/ Doch aber, wie du Weist, An Rrafft und Stärcke reich./ Süß ist das Lust-Revier allwo die matten Hertzen,/ Nach abgelegter Last in höchster Ruhe schertzen/ Man treibe nur mein Volck zum frohen Vivat an/ Weil es so gar vergnügt mein Fest begehen kan.27 Eine große Rolle spielt bei diesen Festen die Musik: Ich freue mich im Geiste/ Denn diese werthe Schaar/ Begeht, nach Arth der Musen/ Mit Pfeiffen und Flout-Dousen/ Ihr werthes Dichter-Fest [...] Ich freue mich im Geiste/ Und über meinen Fuß,/ Daß er durch Trieb der Flöten/ Die rarsten Moteten/ Vergnüget tantzen kan,/ Da giebt sich bey den Springen/ Und angenehmen Singen/ Die Freude reichlich an.28 Überhaupt müssen wir davon ausgehen, daß manche der Gedichte vertont worden sind:29 »Wie nahmt ihr nicht geneigt die frischen Lieder an/ Wenn meine Flöthe sich mit selben vorgethan./ Ihr beßertet das aus, was ich mit falschen Griffen/ Offt Euren Ohren verwegen vorgepfiffen.« 30

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von Detlef Ignasiak. Leipzig 1989, S. 41. Die Dichtung entstand 1743 (Erstveröffentlichung 1744). Gedichtbände III, Bl. 76r_v, von Chr. Altenberger. Vielleicht handelt es sich bei dem geschilderten Fest um die jährlich begangene Feier der Gesellschaft, die auch in anderen Gedichten Erwähnung findet, so z.B. in den »Das freudig begangne Poeten-Fest« überschriebenen Versen: »Das werthe Musen-Volck, das in der Linden-Stadt/ Minervens klugen Witz als ihren Leit-Stern hat,/ Beging ihr Dichter-Fest in den vergangnen Tagen,/ Da konte man von Lust und vieler Freude sagen./ Denn hier war überall ein großer Überfluß,/ So, daß man diesen Schmauß vor allem loben muß,/ Es ziemte dieses Fest die Eintracht der Gemüther,/ Und, wer recht lustig war, das war der beste Ritter./ Am Eßen fehlte nichts der Tranck war auch sehr gutt,/ Der Musicanten Kunst vermehrte unsern Muth [...]« (Gedichtbände III, 249r_v, von Michael Wundsch). Erfreutes Gemüth bey den Poeten-schmause (Gedichtbände III, Bl. 248r, von M. Michael). Die Sangbarkeit der Leipziger Lyrik schon im 17. Jh. betont Chr. Caemmerer (Lustiger Schauplatz), S. 775f. Gedichtbände VI., Bl. lll r .. An anderer Stelle wird eine »Aria bey einer AbendMusique d. 30. Maji« (1716) erwähnt (Gedichtbände IV, Bl. 64r).

53 Daß außer der Pflege von Freundschaft und Geselligkeit die Beschäftigung mit der Poesie Sinn und Nutzen der Zusammenkünfte der Gesellschaft bildeten, soll und kann nicht bestritten werden. Nur sind es nicht die späteren hehren Ziele Mays oder Gottscheds zur allgemeinen Verbesserung von Sprache und Dichtung, die verfolgt werden, sondern bestimmend sind die Bestrebungen der einzelnen jeweiligen Mitglieder, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten im Versesetzen zu üben und über eine gegenseitige Hilfe zu verbessern. Das Vorlegen der eigenen Dichtungen zur Begutachtung bei Lehrern oder Freunden zählte zu den Gepflogenheiten der Zeit 31 und ist in einem Zusammenhang zu der als selbstverständlich betrachteten Auffassung zu sehen, daß das Dichten in erster Linie ein didaktisches Problem bildet. Der Wunsch, durch die Teilnahme am Leben der Gesellschaft das von jedem Neuling als gering deklarierte eigenen Vermögen im Dichten zu stärken, bildet einen Topos so ziemlich aller Antrittsgedichte der gewählten Mitglieder, ebenso die sich jedesmal anschließende Erwartung, die schon auf dem Parnaß lebenden »Musensöhne« mögen den Anfängern helfen, gleiche Höhen zu erklimmen. Dabei bildet das Dichten in jener Zeit meist keine Angelegenheit um seines selbst willen, keine Beschäftigung müßiger Stunden, keine Tätigkeit einiger weniger Berufener oder sich für berufen haltender Musenjünger, sondern eine notwendige Fähigkeit und Fertigkeit für das Fortkommen im gesellschaftlichen Leben, über die jeder Hochschulabsolvent wenigstens ansatzweise verfügen mußte. Taufen, Trauungen, Begräbnisse, Erlangung akademischer Grade, Amtseinführungen, Besuche von Fürsten oder hohen Standespersonen usw. usf. waren ohne Begleitung durch entsprechende Erzeugnisse der Dichtkunst fast nicht denkbar. Leipzig als eines der Zentren Mitteldeutschlands, mit einer breiten Schicht Wohlhabender innerhalb der Stadtbevölkerung, mit einem entwickelten Verlagsgewerbe, mit einer Universität erweckte auf der einen Seite eine besonders hohe Nachfrage nach solchen Dichtungen und verfügte auf der anderen Seite auch über entsprechende Kapazitäten, um diesen Bedarf abdecken zu können. Was Georg Friedrich Rebmann aus den neunziger Jahren des 18. Jh.s berichtet, läßt sich auch ohne weiteres auf die ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts übertragen, daß nämlich in Leipzig der Gelegenheitsgedichte »so viele verbraucht werden, daß, wer einmal als ein fertiger Versemann bekannt ist, ziemlich honorig davon leben kann. Gewöhnlich verfertigt man sie vorrätig und richtet sie dann nur auf die vorliegenden Fälle ein [...] Fast auf jede Disputation, auf jede Doktorund Magisterpromotion, auf jede Leiche, Hochzeit und so weiter wird wenigstens ein Gedicht gedruckt.«32 Auch wenn man nicht darauf angewiesen war, 31 32

Vgl. Baur (Didaktik), S. 217ff. Georg Friedrich Rebmann: Wanderungen und Kieuzzügen durch einen Teil Deutschlands von Anselmus Rabiosus dem Jüngeren. Hg. von Heinz Wiese. Leipzig 1990, hier S. 91. Das Kapitel über die Leipziger Studenten ist von Rebmann, der

54 vom Versemachen zu leben, mußte man jedoch jederzeit in der Lage sein, mit einem Gedicht aufwarten zu können. Zu berücksichtigen ist auch, daß im akademischen Leben Leipzigs am Ende des 17. Jh.s die Beschäftigung mit der Poetik eine Rolle spielte, die wohl über das normale traditionelle Traktieren dieses Fachs innerhalb der Philosophischen Fakultät hinausging. 1695 hatte Erdmann Neumeister33 hier seine berühmte Dissertation De Poetis Germanicis vorgelegt, eine Bestandsaufnahme der Dichtung des ablaufenden Jahrhunderts.34 Die Aufmerksamkeit, die sie erregt, auch und gerade unter manchen sich kritisiert sehenden und nun heftig protestierenden Dichtern, ist beträchtlich. Zur gleichen Zeit hielt Neumeister Vorlesungen über die Poesie, die später publiziert wurden,35 und steht mit Benjamin Neukirch in Verbindung, der im nahen Halle den ersten Band seiner berühmten Anthologie »Herrn von Hoffmannswaldau und anderer Deutschen auserlesene [...] Gedichte« vorbereitete; 1697 verläßt Neumeister jedoch die Stadt. Mencke ist einer seiner engsten Freunde gewesen, an der Entstehung der Dissertation hat er Anteil genommen.36 Neben Neumeister studierte in jenen Jahren noch ein weiterer späterer Hauptvertreter des deutschen Parnasses - Benjamin Schmolck,37 Johann Christian Günthers Lehrer. Schmolck galt schon in seiner Leipziger Zeit als beliebter Verfasser von Gelegenheitsgedichten aller Art, in Leipzig ist er wahrscheinlich zum kaiserlichen Poeten gekrönt worden.38 Nach einer Nachricht, die sich allerdings nicht auf die unmittelbare Quelle zurückzuführen läßt, hat Schön, also eines der Gründungsmitglieder, mit Schmolck in Leipzig »eine vertraute Freundschaft errichtet«.39 Wenn dies so gewesen ist, sollte man

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sich hinter dem Pseudonym Rabiosus verbirgt, erstmals in die 2. Auflage der Wanderungen 1796 eingerückt worden. Vgl. Renate Wilson: Erdmann Neumeister. In: Hardin (German Baroque Writers), S. 300-310 (mit ausführlicher Bibliographie der Werke Neumeisters und der Sekundärliteratur). Hier benutzt nach folgender Ausgabe: Erdmann Neumeister: De Poetis Germanicis. Hg. von Franz Heiduk in Zusammenarbeit mit Günter Merwald. Bern u. München 1978 (mit Übersetzung und ausführlicher Bibliographie zu den bei Neumeister angeführten Autoren, S. 505-529 Nachwort mit Lebenslauf Neumeisters und Literaturverzeichnis). Allerneuste Art zur reinen und galanten Poesie zu gelangen. Hamburg 1707. Der Text wurde von Ch. F. Hunold (Menantes) herausgegeben. Vgl. Witkowski, S. 273f£ Vgl. F. Heiduk in seiner Ausgane von De Poetis Germanicis, der meint, man könne Menckes Anteil »kaum abschätzen«, dies aber nicht näher belegt. Vgl. Killy 10, S. 323f. Umfangreiche Literaturangaben auch bei Malgorzata Morawiec: Forschungen zur Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Stadt Schweidnitz an der Wende des 17. zum 18. Jahrhundert. In: Garber, K. (Hg.), Stadt und Literatur, S. 923-950 (Anm. 53). Vgl. Benjamin Schmolcks Lieder und Gebete. Hg. von Ludwig Grote. Leipzig 1855, S. IX-LVI die Biographie Schmolcks, zu seiner Leipziger Zeit s. S. Xlff. Dietmann, S. 247.

55 vermuten, daß Schmolck, der im Herbst 1697 die Stadt verließ, vom Entstehen der Görlitzer Poetengesellschaft zumindest Kenntnis genommen hat. 40 Studentische Gesellschaftsgründungen zum Zwecke des gemeinsamen Verseschmiedens und Musizierens sind das gesamte 17. Jh. über verbreitet. Leipzig, vor allem im zweiten Drittel des 17. Jh.s ein Mittelpunkt des lyrischen Schaffens in Deutschland, 41 steht hier keineswegs abseits, vielmehr scheint von den hier gegründeten Gesellschaften bzw. Studentenverbindungen ein Einfluß ausgegangen zu sein, der sich zumindest auf den gesamten mitteldeutschen Raum auswirkte. 42 Leider wissen wir bislang nur wenig über diese Verbindungen. Einige nähere Kenntnis besitzen wir jedoch über die in der Mitte des 17. Jahrhunderts florierende Pindische Gesellschaft, eine von Breslauern, die sich durch den gemeinsamen Schulbesuch verbunden fühlten, gegründete Gemeinschaft, die sich dann aber auch sächsischen Mitgliedern öffnete. 43 Schon in Breslau war man gewohnt, gemeinsam Lieder zu texten und zu musizieren. A m Studienort setzt man diese Betätigung fort; dabei konzentriert sich die literarische Produktion vor allem auf Liebeslieder. 44

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Noch nach 1720 schenkt das Mitglied J. W. Sparmann der Gesellschaft die »opera Schmolkii« (heute BST 12° 144 u. 145). Ob dies Rückschlüsse auf die Geltung der Dichtungen Schmolcks innerhalb der Gesellschaft zuläßt, kann ich nicht sagen. Vgl. Witkowski, S. 104-153. Anthony J. Harper: Schriften zur Lyrik Leipzigs 16201670. Stuttgart 1985 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 131). Ders.: Zum literarischen Leben Leipzigs in der Mitte des 17. Jahrhunderts. In: Garber, K. (Hg.), Stadt und Literatur, S. 549-571. Harper betont zu Recht, daß die kulturelle Vielfalt Leipzigs »sich keineswegs in der Anzahl der sich mit dem literarischen Leben Leipzigs befassenden Studien niedergeschlagen« hat (S. 550). Harper geht jedoch nicht auf die literarische Produktion der Sozietäten ein. Vgl. Ulrich Seelbach: Die Altdorfer Ceres-Gesellschaft (1668-1669). In: Europäische Sozietätsbewegung und demokratische Tradition. Die europäischen Akademien der Frühen Neuzeit zwischen Frührenaissance und Spätaufklärung. Hg. von K. Garber und H. Wismann unter Mitwirkung von W. Siebers. 2. Bd. Tübingen 1996, S. 1361-1380, hier auch Hinweise auf weitere studentische Verbindungen. Die erwähnte Ceres-Gesellschaft ist nach Leipziger Vorbild eingerichtet worden. Über den Einfluß der Leipziger Gelehrtengesellschaften auf Jena vgl. D. Döring: Der junge Leibniz und die Gelehrtengesellschaften in Leipzig und Jena. In: Wissenschaft und Weltgestaltung. Internationales Symposium zum 350. Geburtstag von Gottfried Wilhelm Leibniz vom 9. bis 11. April 1996 in Leipzig. Hg. von Kurt Nowak und Hans Poser. Hildesheim 1999, S. 69-92. Vgl. Christiane Caemmerer: Des Hylas aus Latusia Lustiger Schauplatz von einer Pindischen Gesellschaft. Der Bericht über eine Gruppe studentischer Liedermacher im Leipzig des 17. Jahrhunderts. In: Der Buchstab tödt - der Geist macht lebendig. Festschrift zum 60. Geburtstag von Hans-Gert Roloff. Hg. von James Hardin und Jörg Jungmayr. II. Bd. Bern, Berlin, Frankfurt/M., New York, Paris, Wien 1992, S. 775-798. Chr. Caemmerer charakterisiert die Pindische Gesellschaft als einen »Beistandspakt und eine Freizeitvereinigung schlesischer Studenten in einem fremden Land«. Damit sei sie jedoch »weit hinter den sprachreformatorischen Zielen der Sprachgesellschaften und dem Tügendpostulat der adligen Gesellschaften« zurückgeblieben (S. 793).

56 Von den in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts verfaßten und gepflegten Dichtungen zeugen mehrere aus der Zeit stammende handschriftliche Liederbücher, so die in Wien befindlichen Aufzeichnungen des Studenten Christian Clodius, übrigens der Vater des schon mehrfach als Mitglied der Görlitzer Gesellschaft erwähnten Christian Clodius. Ihr Inhalt ist nur teilweise mit den Gedichten der späteren Görlitzer Kollegiums vergleichbar. Die oft derben Trinklieder in Clodius' Liederbuch finden in den Gedichtbänden der Gesellschaft keine Entsprechung, während wiederum die religiösen Dichtungen der Görlitzer bei Clodius nicht zu finden sind. Gleichermaßen vertreten ist dagegen die amouröse Dichtung, bei Clodius allerdings in einem breiteren Umfang; auch das Beispiel eines Gedichtes politischen Inhaltes findet sich bei Clodius (zur englischen Revolution).45 In die zeitliche Nähe zur Gründung des Görlitzer Kollegiums führt schließlich eine ebenfalls nach Wien gelangte Handschrift dreier unbekannter Leipziger Studenten (1683-1695), die mitunter mit dem Kreis um Christian Reuter in Verbindung gebracht wird.46 Neben diesen wohl mehr losen studentischen Verbindungen sind die zahlreichen im weitesten Sinne des Begriffes gelehrten Gesellschaften im Leipzig des 17. und frühen 18. Jh.s als Vorbilder der Görlitzer Gesellschaft zu sehen. Gottsched selbst verweist gelegentlich auf diese Nähe: Es habe »in einem so grossen Cörper« wie der Leipziger Universität »viele andere kleine Gesellschaften« gegeben, die man nach dem Beispiel der Italiener und Franzosen »mit dem Nahmen der Academien hätte benennen können.« Da wäre es »ein rechtes Wunder gewesen, wenn gar keine Poetische dabey entstanden wäre.«47 Die Abhängigkeit der »Görlitzer« von zuvor gegründeten Leipziger Sozietäten zeigt schon ein Blick in die Statuten der Verbindung (s. die Ausführungen am Beginn des folgenden Kapitels).48 Schon bei der ersten uns bekannten Gründung, dem Großen Predigerkolleg (1624), gehört das Abfassen von Gedichten zu Ehren von Mitgliedern zu den per Statut vorgeschriebenen Pflichten der Sozietät. Auch bei sämtlichen späteren sehr zahlreichen 45

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Vgl. Wilhelm Niessen: Das Liederbuch des Leipziger Studenten Clodius vom Jahre 1669. Diss. Berlin 1891. Leipzig 1891. Vgl. auch: Zwei Leipziger Liederhandschriften des 17. Jahrhunderts. Als Beitrag zur Kenntnis des deutschen Volks- und Studentenliedes. Hg. von Emil Karl Blümml. Leipzig 1910 (Teutonia. Arbeiten zur germanischen Philologie 10). Blümml veröffentlicht einzelne Lieder aus Clodius' Sammlung und gibt bei den anderen Dichtungen die Textanfänge und Literaturhinweise. Vgl. Scherer (Geschichte), S. 374ff., ab S. 355 über den studentischen Liedgesang überhaupt. Vgl. Blümml (Liederhandschriften), S. 59-115 (mit umfangreichen Textauszügen). Friedrich Zarncke: Christian Reuter, der Verfasser des Schelmuffsky. Sein Leben und seine Werke. Leipzig 1884 (Abhandlungen der Phil.-hist. Classe der König! sächsischen Gesell, d. Wiss., 9), S. 455-661 (467f.). Gesammlete Reden, (Gottscheds Antwortrede auf Lotters Antrittsrede), S. 371. Die Statuten der Gesellschaft sind also nicht Ausdruck »jugendlicher Wichtigtuerei«, wie Witkowski behauptet (Die Deutsche Gesellschaft, S. 166).

57 Homiletischen Gesellschaften, bei den Ende des 17. Jh.s folgenden Rednergesellschaften und schließlich bei allen sich bestimmten wissenschaftlichen Disziplinen widmenden Sozietäten ist das Dichten gang und gäbe.49 So wird Leibniz vom Collegium Conferentium, dem er 1665 beitrat, anläßlich seiner Altdorfer Promotion mit einem weitläufigen Gedicht bedacht, das auch zum Druck gebracht wird. Schon im Collegium Gellianum und im Collegium Anthologicum, die ein bzw. gut zwei Jahrzehnte eher ins Leben gerufenen wurden, zählt das Dichten zu den Aufgaben der Mitglieder; neben den »wissenschaftlichen Veranstaltungen« kommt es zu feucht-fröhlichen Runden, die ohne Lieder nicht denkbar sind,50 wie überhaupt die reiche lyrische Produktion, ob nun jener studentischen Verbindung, der gelehrten Sozietäten oder Einzelner, in enger Verbindung zum Musikleben zu sehen ist, das schon damals in Leipzig eine besondere Bedeutung besaß. Bereits im 17. Jh. bestanden neben den genannten Gesellschaften verschiedene spezielle Collegia musica, d.h. Verbindungen musizierender Studenten. Durch Georg Philipp Telemann und Johann Friedrich Fasch war es 1701 bzw. 1708 zur Gründung zweier musikgeschichtlich höchst bedeutsamer akademischer Musikkollegien gekommen, die über viele Jahre hinweg wirkten.51 Ob es Dçppelmitgliedschaften in der Görlitzer Gesellschaft und in einem dieser Collegia gegeben hat, wissen wir nicht, genausowenig wie wir über eine etwaige gegenseitige Beeinflussung dieser Verbindungen informiert sind. Ähnlich ausgerichtet war jedenfalls in bestimmter Hinsicht ihr Wirken, so vor allem ihr Auftreten anläßlich offizieller oder halboffizieller Veranstaltungen. Musik und Dichtung standen hier in enger, sich gegenseitig fördernder Verbindung: »Wo ein so gehobenes geistiges Leben, ein so ungeheurer Zustrom regsamer und talentvoller Köpfe vorhanden war und, was den Ausschlag gab, die gesamte Atmosphäre gleichsam mit Musik durchtränkt war wie hier, da konnte mit einer gewissen Berechtigung die Frage nach der >besten und neuesten Art< gesungener Lyrik aufgeworfen werden.«52

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Vgl. Detlef Döring: Die Leipziger gelehrten Sozietäten in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts und das Auftreten Johann Christoph Gottscheds. In: Europa in der Frühen Neuzeit. Festschrift für Günter Mühlpfordt. Hg. von Ernst Donnert. Bd. 5. Weimar, Köln, Wien 1999, S. 17-42. Vgl. Detlef Döring: Samuel Pufendorf und die Leipziger Gelehrtengesellschaften in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Berlin 1989 (Sitzungsberichte der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Phil.-hist. Klasse, Bd. 129, Heft 2). In den Protokollen finden sich dann solche Bemerkungen wie »Dum Domini Collegae hunc conventum Baccho dicarunt Musarum obliti sunt.« Im Collegium Gellianum spielte bei diesen Gelegenheiten nicht selten Johann Rosenmüller, der bedeutendste Leipziger Musiker seiner Zeit, auf. Vgl. Arnold Schering: Musikgeschichte Leipzigs. 2. Band (1650-1723). Leipzig 1926 (Nachdruck Leipzig 1974), S. 334ff. Schering (Musikgeschichte), S. 349.

5. Statuten, Mitglieder und Vereinsleben der Gesellschaft in den ersten zwanzig Jahren ihres Bestehens Die Statuten der Gesellschaft in der ältesten uns überlieferten Fassung1 belegen deren große Abhängigkeit von den bestehenden bzw. früheren Leipziger Sozietäten: Festlegungen über die Regelmäßigkeit der Zusammenkünfte; Bestimmungen über die Zahlung von Strafgeldern (die wieder für »Festschmäuse« ausgegeben werden) bei Zuspätkommen oder bei unentschuldigtem Fehlen; Bewertung der eingereichten schriftlichen Arbeiten durch die übrigen Mitglieder; Aufzeichnung der approbierten Texte; Gratulationsgedichte für die einzelnen Mitglieder bei gegebenen Anlässen; Abfassen von Leichencarmina;2 Vorschriften über den Umgang miteinander (z.B. Verbot von Spöttereien). Neu ist vielleicht das ausdrückliche Untersagen des Mißbrauchs von Bibeltexten. Wenn später Gottsched in seiner Nachricht behauptet, die Gesellschaft sei in den ersten zwanzig Jahren ihrer Existenz »ohne Haupt und Führer« gewesen, 3 so scheint dies nicht ganz den Tatsachen zu entsprechen. So tritt das Gründungsmitglied Krause im Vorwort zum zweiten Band der Gedichte als Senior in Erscheinung. Die >Görlitzer< greifen damit auf die gängige Titulatur für das Oberhaupt einer studentischen Verbindung

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Vgl. Stübel (Die Deutsche Gesellschaft), S. 9f£ Der Pflicht, verstorbene Mitglieder durch ein Gedicht zu ehren, ist man bis in die dreißiger Jahre nachgekommen. Ein Beispiel bietet ein gedrucktes Gedicht von Balthasar Hoffmann auf Jeremias Gottwalt, der kurz vor der Rückkehr in die Heimat durch einen Unglücksfall ums Leben gekommen war. Dort heißt es in Bezug auf die Deutsche Gesellschaft: »[...] Unterdessen denkt sie weinend ihre Pflicht,/ Und bezeiget ihr treues Mitleid, durch ein trauriges Gedicht.« (Bey dem Höchstschmerzlichen Verluste des Wohledlen, Großachtbaren und Wohlgelarten Herrn M. Christian Jeremias Gottwalts ... welcher den 18. Junii 1731. in Leipzig [...] erfolgte, Beklaget Ihr Hochgeschätztes Mitglied die Deutsche Gesellschaft in Leipzig [verwendetes Exemplar der UB Halle, Signatur: Kapsel 78 Ν 12,15b). Zur Entstehung dieses Leichencarmmen vgl. einen Brief Hoffmanns an Gottsched, der zugleich Aufschlüsse über das Prozedere des Zustandekommens dieser Gedichte zuläßt. Hoffmann teilt den Tod von Gottwalt mit und meint dann, die Gesellschaft werde wohl ein Gedicht aus diesem Anlaß schreiben. Dieses sollte schon beim Begräbnis am nächsten Mittwoch verteilt werden können. Er wüßte nicht, wer mit dem Abfassen des Gedichtes an der Reihe ist, biete sich jedoch als Verfasser an (B. Hoffmann an Gottsched, 18. 6.1731, UBL, Ms 0342, II, Bl. 64). Nachricht, S. 5.

59 zurück. Auch die spätere Bezeichnung »Hospes« für denjenigen, in dessen Wohnung die Versammlungen des Kollegiums stattfanden, deutet auf eine enge Verwandtschaft zu den üblichen Studentenverbindungen der Zeit, gleiches gilt für die Bezeichnung »fiscalis« für denjenigen, dem die Finanzen der Verbindung anvertraut waren. Wie in allen Vereinen hat es auch im Görlitzer Collegium immer Schwierigkeiten mit der Befolgung der Statuten gegeben. Dies gilt besonders für die Zahlung der Beiträge und der Strafgelder, die bei Verletzung der Bestimmungen auferlegt wurden. Manche Mitglieder haben daher als Schuldner der Gesellschaft Leipzig verlassen. Eine solche Person galt als »ingratus«, was im Mitgliederverzeichnis ausdrücklich vermerkt wurde. Extrem ist der Fall des Theologiestudenten Valentin Viebig, der gar die Kasse der Gesellschaft plünderte, bevor er das Weite suchte.4 Ein anderes bis heute bekanntes Problem bildete die unregelmäßige Teilnahme mancher Mitglieder am Leben der Gesellschaft. Im schlimmsten Fall läßt man sich überhaupt nicht sehen, wie z.B. ein gewisser Samuel Gottschick, der in den acht Monaten seiner Mitgliedschaft dem Collegium gar keine Gelegenheit gibt, ihn kennenzulernen, »nec curam collegii ullo modo gessit.«5 Selbst Clodius, über mehrere Jahre der führende Kopf der Gesellschaft, kann nicht immer seine Zusagen einhalten. Er habe, berichtet er, vergessen ein zugesagtes Gedicht zu schreiben und muß sich nun darin schicken, das vorgeschriebene Strafgeld zu zahlen, wobei Clodius nicht vergißt, auf die geplante Verwendung dieser Mittel hinzuweisen: »Apollo merkte bald daß Noth vorhanden sey:/ Er rief: Metrophile, zerreiß dir nicht die Krause,/ Gieb deinen Gl. hin, izt braucht man Geld zum Schmause.«6 Zu den Rechten der Mitglieder gehörte, ähnlich wie wohl bei fast allen Leipziger Gesellschaften, der Anspruch auf ein Gedicht bei solchen Anlässen wie Heirat, Promotion und Amtsübernahme.7 Die Verse mußten jedoch ausdrücklich angefordert werden; ein etwaiger Druck war zu bezahlen.8 Das 4

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Kroker, Austritt, S. 45. Nach § 11 des Statuts sollte ein besonders vertrauenswürdiges Mitglied die Kasse verwalten. Da Viebig als Respondent (nach einem handschriftlichen Eintrag in einem Exemplar von Ottos Lexikon in der UBL. 3. Bd., zu S. 335) bei einer Dissertation des Gründungsmitgliedes und Seniors Johann Heinrich Krause in Erscheinung trat, mag es sein, daß man ihm besonderes Vertrauen entgegenbrachte. Kroker, Austritt, S. 48. Gedichtbände IV, Bl. 308r. Auch beim Weggang eines Mitgliedes aus Leipzig wurde oft ein Abschiedsgedicht getextet, z.B. »Gratulation bey dem Abschiede Ihr Wohl-Ehrwürden, Herrn Hn. Christoph Schwartzens, wohlbehalten Feld-Prediger bey dem lobi. Goltzischen Regiment.« (Gedichtbände III, Bl. 257r). Ein frühes Beispiel (aus dem Jahr 1704) für einen solchen Druck bietet eine Sammlung von Gedichten zur Erlangung der Magisterwürde durch Christoph Zippel. Dort will »Das in Leipzig florierende Vertraute Görlitzische Collegium Poeticum« dem Promoventen »von Hertzen gratuliren« (BOGW, L IX, 459. 2, Nr. 2). Der

60 Anrecht auf ein solches Gedicht bestand anscheinend auch nach dem Ausscheiden aus der Sozietät noch fort. Jedenfalls findet sich in der Mitgliederliste hin und wieder der Vermerk, daß dieses oder jenes Mitglied, daß schon vor Jahren Leipzig verlassen hatte, mit einem Gedicht geehrt worden ist.9 Aufschlußreich wäre sicher auch eine genaue Analyse des Mitgliederverzeichnisses der Gesellschaft.10 Dies kann hier nur im Ansatz erfolgen, da eine solche Untersuchung immerhin die aufwendige Ermittlung von biographischen Angaben zu 203 Personen (Zahl der Mitglieder bis zum Eintritt Gottscheds) erfordert. Geradezu in die Augen springt dem Betrachter jedoch der ganz erhebliche Anteil an Theologen. 95 Mitglieder, also fast die Hälfte aller genannten Personen, werden als Theologiestudenten oder als spätere Geistliche angeführt. 11 Dies hatte, wie wir noch sehen werden, auch Einfluß auf den Inhalt der dichterischen Produktion der Gesellschaft. 55 Mitglieder studierten Rechtswissenschaft oder übten später eine juristische Tätigkeit aus; neun sind als angehende Mediziner eingetragen; bei den restlichen Mitgliedern fehlt es an entsprechenden Angaben. Man kann wohl davon ausgehen, daß es sich um Studenten der Philosophischen Fakultät handelte. Da diese zu Beginn des 18. Jh. an den meisten Universitäten noch die größte Fakultät darstellte, ist das fast völlige Dominieren der Vertreter der höheren Fakultäten in der Görlitzer Sozietät auffällig.12 Auch scheinen die angehenden Theologen, Juristen und Mediziner sogleich mit ihrem Fachstudium begonnen zu haben, d. h. ohne Durchlaufen der Philosophischen Fakultät, wie es noch im 17. Jh., gerade auch in Leipzig, üblich war. Wäre dies der Fall gewesen, müßten »Magistri« unter den Mitgliedern auftauchen, was jedoch vor 1717 nicht der Fall ist. Das Übergewicht der Theologiestudenten bleibt in den ersten Jahren der Existenz der Gesellschaft ganz massiv: Unter den bis 1701 eingetretenen 39 Mitgliedern finden sich ganze neun Nichttheologen (acht Juristen, ein Mediziner); erst das Jahr 1702 bahnt mit dem Eintritt von sechs Juristen (von insgesamt acht Beitritten in diesem Jahr) eine Wandlung

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Druck enthält 16 Gedichte; wahrscheinlich hat also jedes der damaligen Mitglieder einen Text beigesteuert. So erhält Melchior Michael, der 1710 die Gesellschaft verlassen hat, 1716 ein Gedicht zu seiner Hochzeit (Kroker, Austritt, S. 48). Lediglich Rieck hat bisher einen Blick unter dieser Fragestellung auf die Liste geworfen, kommt aber nur zu der etwas dürftigen Feststellung, es hätte sich um eine »ausgesprochen bürgerliche Gesellschaft« gehandelt (Johann Christoph Gottsched, S. 26t). Da ein Großteil der Mitglieder später angesehene Positionen als Geistliche, Juristen, Lehrer, Ärzte usw. innehatten, ließe sich über sie wahrscheinlich hinreichend biographisches Material zusammentragen. Vgl. Kroker, Austritt, S. 45f£ In den überlieferten Verzeichnissen werden mitunter Angaben über den späteren Lebensweg der betreffenden Personen angeführt. Vgl. Franz Eulenburg: Die Frequenz der deutschen Universitäten von ihrer Gründung bis zur Gegenwart. Leipzig 1904 (Abhandlungen der Phil.-hist. Klasse der Königl. Sächsischen Akademie der Wiss., XXIV. Bd. [Nachdruck Berlin 1994, mit Nachwort von E. Lea und G. Wiemers]), S. 189ff.

61 an, wobei aber bis zum Beginn der zwanziger Jahre die Theologen weiterhin das zahlenmäßige Übergewicht bewahren.13 Auffällig ist das nicht seltene Auftreten der gleichen Namen aus dem gleichen Ort, was auf eine enge Verwandtschaft, am wahrscheinlichsten auf Geschwister hindeutet. Der eine, wohl ältere Bruder muß dann den anderen in die Gesellschaft nachgezogen haben. 14 In der geographischen Herkunft überwiegen ganz deutlich die Studenten aus den Lausitzen und Schlesien, mit Abstand folgen die übrigen sächsischen Gebiete und Thüringen. Bei den Vätern handelt es sich in der Regel um Pfarrer, Ratspersonen (nicht selten Bürgermeister), Schulrektoren und Juristen. Es fehlt aber auch nicht ganz an Handwerkermeistern (z.B. Schwarz- und Schönfärber, Tischler). Bemerkenswert ist, daß nur ein einziger Adliger, Karl Heinrich von Sebottendorff, der Gesellschaft beitritt; unter Gottscheds Leitung sollte sich dies grundlegend ändern. Eine Reihe von Mitglieder ist noch während des Studiums oder kurze Zeit darauf verstorben, was bei der damals noch sehr hohen Sterblichkeit keine Besonderheit bedeutet. 15 Wenn Witkowski meint, vor dem Eintritt Gottscheds habe die Gesellschaft keinen Namen »von höheren Klang« aufzuweisen, nur Johann Georg Hamann sei »erwähnenswert«,16 so entspricht dies so nicht den Tatsachen, es sei denn, daß Witkowski mit Namen von höheren Klang Personen meinte, die in Nachschlagewerken wie Meyers Lexikon Eingang gefunden haben. Allerdings ist zu beobachten, daß aus den ersten zwanzig Jahren der Existenz der Sozietät nur wenige Namen zu finden sind, die über einen ganz engen lokalen Raum hinaus eine gewisse Bedeutung besitzen. Erst in den Jahren ab 1716/17 kommt es zum Eintritt einer dann jedoch recht stattlichen Reihe von Personen, deren Biographie und Werk unser unbedingtes Interesse erfordern. Soweit sich mit Hilfe der einschlägigen Literatur überhaupt etwas über den weiteren Lebensweg von Mitgliedern, die der Gesellschaft vor dem Jahre 1717 beigetreten sind, ausmachen läßt,17 handelt es sich ausschließlich um Persönlichkeiten, die, abgesehen von einigen wenigen in Sachsen Verbleibenden, in den Lausitzen und in Schlesien lokale bzw. regionale Bedeutung gewinnen konnten; nur einige wenige hat das Schicksal in andere Gegenden 13

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Diese Angaben stützen sich auf die Mitteilungen des von Kroker abgedruckten Mitgliederverzeichnisses. In einigen wenigen Fällen wird dort nichts über die Studienrichtung des Eingetretenen angegeben. Dies scheint mir in mindestens zehn Fällen sicher zu sein. In einem dieser Fälle handelt es sich sogar um drei Brüder. So stirbt der zu den ersten Mitgliedern zählende Caspar Altmann »delirio correptus in vinculis perpetuis«. Ob Clodius ihn wegen dieses Ende nicht in die Mitgliederliste im Schediasma aufgenommen hat, läßt sich schwer sagen. Ein anderer stirbt »malo hypochondriaco correptus«. Witkowski, S. 366. Zu einigen Mitgliedern finden sich knappe biographische Notizen in dem von Kroker publizierten Mitgliederverzeichnis.

62 Deutschlands oder gar Europas geführt. 18 Es sind, der hohen Zahl der Theologiestudenten entsprechend, vor allem Geistliche, auf die wir stoßen. 19 Außerdem finden sich Mediziner, 20 Lehrer,21 Juristen.22 Ausgefallene Wege im Vergleich mit diesen Karrieren beschreiten ein Soldat, ein Militärarchitekt, ein Kaufmann (Mercator), ein Grundstücksverwalter (Toparch praedii prope Lipsiani)23. Zu einer über die Abfassung von Gelegenheitsgedichten hinausgehenden Beschäftigung mit der Poesie scheint im späteren Leben kaum einer der Genannten gekommen zu sein. 24 18

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So Johannes Zachmann (Pfarrer der lutherischen Gemeinde in Amsterdam), Cornelius Schürer (Lehrer am Johanneum in Hamburg), Christoph Zippel (Lehrer in Regensburg), Lehms Wechsel nach Darmstadt wurde schon erwähnt. Ein Salomon Schöps geht als Soldat nach Frankreich. Ich nenne z.B.: George Kallmann (gest. 1705, Pfarrer in Leopoldshyn), Andreas Luther (Kantor in Merseburg), Elias Prützel (Pfarrer in Schreibersdorf), Andreas Wilde (Pfarrer bei Borna), Christoph Buchwald, Gottfried Blümel (Superintendent [?] in Spremberg), Christian Franke (1678-1720, Hilfsprediger in Langenau), Christian Altenberger (1679-1754, Pfarrer in Leopoldshayn), Gottlob Dreßler (Pfarrer in Belmsdorf), Johann George Neumann, Gotthold Heermann (1692-1732, Pfarrer in Deutschossig), Christoph Schwartze (»Pastor militaris«), Johann Heinrich Dekkart (Pfarrer in der Nähe von Sorau), Christian Gottschling (Pfarrer in Olsa), Christian Gottlieb Nitsche (Pfarrer in Jehser bei Guben), Gottfried Purché (Pfarrer in Hochkirch), Mauritius Morgenstern (Pfarrer in Sorau), Gottlob Kästner (Diakon in Schönberg), Andreas Ulrich (Pfarrer in Trotzschendorf). So Johann Kaspar Isaac (1674-1738, Stadtphysikus in Görlitz), Friedrich Erdmann Ferber (1691-1723, Arzt in Görlitz), Friedrich Wilhelm Gehler (1685-1711, Arzt in Görlitz), Johann Gottlob Grosser (1695-1733, Physikus in Birnbaum/Polen). Zu dem Arzt J. W. Sparmann vgl. S. 140. Gottfried Hedluff (1679-1725, Rektor in Görlitz), Elias Eichler (s. S. 74), Christian Präidt (Lehrer in Liegnitz) Ehrenfried Schäffer (Ratsmitglied in Görlitz), Georg Geißler (Ratsmitglied in Görlitz), Johann Abraham Unwürde (Advokat in Forst), Gottfried Michael Bellmann (Advokat in Görlitz), Gottfried Jorcke (Advokat in Halle), Zacharias Schmidt (1682-1711, Jurist, promovierte bei Chr. Thomasius), Johann Gottlob Sibeth (1688-1754, Senator und Stadtrichter in Görlitz), Johann Andreas Straphinus (1690-1723, Jurist), Gottlob Wohlgemuth Rothe (1692-1782, zuletzt Bürgermeister in Görlitz). Es handelt sich hier um Paul Gottfried von Könislöw, der Jahrzehnte später Pierre Bayles »Dictionnaire historique et critique« ins Deutsche übersetzen wird. Die Textfassung ist dann von Gottsched und seiner Frau überarbeitet worden (vgl. Gottscheds Vorrede im 1. Band der deutschen Ausgabe [Leipzig 1741]). Da Gottsched jedoch mitteilt, er habe das Manuskript von seinem Verleger, Breitkopf, erhalten, ist wohl davon auszugehen, daß Königslöws frühere Mitgliedschaft in der Görlitzer Poetengesellschaft nichts mit seiner indirekten Verbindung zu Gottsched zu tun hat. Christoph Zippel hat zwei Gedichte zum Lob der Donaubrücken in Regensburg (1731 und 37) veröffentlicht. Auch publizierte er eine »Periodologia sive doctrina de periodorum structura« (Regensburg 1714), die mir jedoch nicht zu Gesicht gekommen ist. Auch als Verfasser einer Anleitung zur Universal-Historie (1724) ist er hervorgetreten. Melchior Grimm schildert 1741 in einem Brief an Gottsched Zippel, sicher ohne von dessen früheren Mitgliedschaft in der Poetischen Gesellschaft zu wissen, als »ein sehr fein gelehrter und in den freyen Künsten wohlgeübter Mann, aber er ist kein Philosoph.« Brief vom 28. 8.1741, zitiert nach: Friedrich

63 Aus dem Kreis der frühen Mitglieder werden uns nur zwei Personen biographisch etwas näher faßbar. Johann Christoph Urban,25 Gründungsmitglied der Gesellschaft, der nach eigener Mitteilung eine schwere Kindheit durchlebte,26 scheint zuerst und vor allem Musiker gewesen zu sein. Noch viele Jahre nach seiner Görlitzer Schulzeit erinnert er sich lebhaft daran, »was ich in meinem Hertzen vor Freude hatte, als ich die Herren StadtMusicos zum erstenmahle hörte von dem Thurme abblasen.«27 Später habe

Melchior Grimm: Briefe an Johann Christoph Gottsched. Hg. von Jochen Schlobach und Silvia Eichhorn-Jung. St. Ingbert 1998 (Kleines Archiv des achtzehnten Jahrhunderts 18), S. 9. Bemerkenswert ist Zippeis Einsatz schon zu Beginn der zwanziger Jahre für den Deutschunterricht an den Schulen. Vgl. K. Reinhardstöttner: Des Regensburger Rektor Zippelius Bemühungen für die deutsche Sprache. In: Forschungen zur Geschichte Bayerns VII (1899), Kleinere Mitteilungen S. I III. Der Autor druckt hier eine Regensburger Programmschrifts Zippeis zum Thema »De lingua patria in scholis publicis excolenda« (1725) ab. Dort wird die Vernachlässigung der deutschen Sprache zugunsten der ausländischen Idiome verurteilt. Dann wird die Notwendigkeit einer Beschäftigung mit dem Deutschen erläutert. So sei es notwendig, die genuine Bedeutung der Worte zu erkennen. In diesem Zusammenhang befürwortet der Autor sprachgeschichtliche Untersuchungen. Was die Frage der Mundarten angeht, plädiert Zippel dafür, daß diejenige als »dialectorum mater ac domina« anerkannt werden sollte, die von den Gelehrten gesprochen wird. Diesem Rang komme der in Obersachsen gesprochene Dialekt am nächsten (infolge seiner puntas, perspicuitas, maiestas, suavitas und elegantia). Daher besitze das Obersächsische die gleiche Bedeutung wie das Attische bei den Griechen. Vgl. auch Edmund Neubauer: Das geistig-kulturelle Leben der Reichsstadt Regensburg (1750-1806). München 1979 (Miscellanea Bavarica 84), S. 60. 25

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Vgl. Otto 3, S. 434; Meusel 13, S. 212; Robert Eitner: Biographisch-Bibliographisches Quellen-Lexikon. 10. Bd. Leipzig 1904, S. 12; Struve, Görlitzer Schulgeschichte, S. 78. Urban hätte »besser singen als reden« können), am ausführlichsten Max Gondolatsch: Beiträge zur Musikgeschichte der Stadt Görlitz. Die Kantoren. In: Archiv für Musikwissenschaft 8 (1926), S. 348-379, zu Urban S. 359f. (mit einem, sicher unvollständigen, Werkverzeichnis). Eine größere Anzahl von publizierten Gedichten Urbans befindet sich in der UB Halle (aus den Jahren 1708-1722, in Sammelbänden mit folgenden Signaturen: 78 M, 355 M, 367 M, 395 M, 399 M). In einer anläßlich des Görlitzer Amtsantrittes Urbans gedruckten Rede seines Freundes Gottfried Steinbrecher wird Urban als Beispiel eines tugendhaften Menschen gefeiert, der sich z.B. »keine Mühe noch Mangel noch Unkosten arme Discipel und Chor-Schüler unterzubringen/ oder inmittelst zu unterhalten dauren lassen.« Als Halbwaise sei er an einen fremden Ort geschickt worden, wo er »viel ausstehen mußte«. Auf »wunderbarlicher Weise« sei er dann an das Görlitzer Gymnasium gekommen. Vgl. Ich dencke und dancke. Dieses solte, nach d. III. Februar. Anno MDCCXV. mit Gott erhaltener ordentlicher Vocation zu dem Cantorate in [...] Görlitz bey dem Abzüge aus der geliebten Stadt Torgau, allen studirenden Armen zum Tröste aufsetzen [...] und zu lesen geben Johann Christoph Urban. Leipzig o. J. (BOGW, L IX, 459. 10, Nr. 47). Auch die folgenden Mitteilungen stützen sich auf diese Quelle. Nach der seit 1692 für den Görlitzer Stadtmusikchor geltenden Ordnung waren die Musiker zu folgendem verpflichtet: »Von dem Rathausthurm sollen sie täglich [...] durch blasende Instrumente eine gute Musik hören lassen und dabei ein Choral eines geistlichen zeitgemäßen Liedes zur christlichen Aufmunterung abblasen [...]« (zitiert nach: Max Gondolatsch: Görlitzer Musikleben, S. 49).

64 er dann zusammen mit jenen Musikern mit seiner »damaligen DiscantStimme« musizieren können. In Leipzig wird er ein Schüler des Thomaskantors Johann Schelle,28 »der von vielen den Titul eines Vaters armer Musicverständigen Studenten erhalten«. Urban wirkt bei Schelle als Bassist und nimmt zugleich Verbindung zu Nikolaus Adam Strungk auf, der 1693 die erste Leipziger Oper gegründet hatte.29 Strungk habe ihn in seinen Opern »gebraucht«; damit habe er seinen Lebensunterhalt bestreiten können. Zuvor seien seine Lebensverhältnisse in Leipzig kummervoll gewesen, wie die der »meisten armen Studiosi in Leipzig«; schon damals habe er sich jedoch mit den Gedanken getröstet, später einmal Kantor in Görlitz zu werden.30 Daraus wird jedoch vorerst nichts, von 1698 an wirkt Urban 17 Jahre lang als Kantor in Torgau, durchaus mit Erfolg, bezeugt ihm doch anläßlich seines Weggangs aus Torgau der Rat der Stadt, daß er sich »geschickt, treu und fleißig, auch sonst nebst den Seinigen gegen Jedermann friedlich gezeigt, weshalb man es gerne gesehen hätte, wenn er bleiben mögen.«31 An den damals in Torgau beliebten dramatischen Aufführungen und den »Actus oratorii« soll er wesentlich beigetragen haben.32 Im Jahre 1715 erfüllt sich dann dennoch Urbans Hoffnung, und er wird als Kantor nach Görlitz berufen. Bei diesem Schritt scheint Grosser eine wichtige Rolle gespielt zu haben, jedenfalls dankt Urban dem Rektor mit besonderem Nachdruck für dessen »Affection«; dieser habe auch »itzo« sich seiner Wohlfahrt »väterlich angenommen«. Die anderen Lehrer des Gymnasiums hatte Grosser bei dieser Entscheidung wohl nicht auf seiner Seite. Darauf deutet jedenfalls der Bericht, daß sich die Lehrer der Schule (von Grosser abgesehen) weder beim Empfang Urbans durch den Stadtrat noch bei

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Vgl. zu Schelle A. Schering (Leipziger Musikgeschichte), S. 167f£ und öfters. Strungks Ensemble rekrutierte sich zu einem erheblichen Teil aus Studenten. Über Strungk und die Leipziger Oper vgl. A. Schering (Leipziger Musikgeschichte), S. 439ff. und Fritz Hennenberg: 300 Jahre Leipziger Oper. Geschichte und Gegenwart. München 1993, S. 10-15. Schon der Görlitzer Rektor Funcke habe ihm dies prophezeit. Auch sein Studienfreund Martin Moller, in dessen Stube in Leipzig er gelebt habe, hätte ihn immer wieder mit dieser Hoffnung getröstet. Zitiert nach: Otto Taubert: Geschichte der Pflege der Musik in Torgau vom Ausgang des 15. Jahrhunderts bis auf unsere Tage. In: Programm des Gymnasium zu Torgau 1868, S. 1-36, zu Urban S. 19f. Taubert schildert Urban hier als einen Mann »voll genialen Schwunges, ein Componist und Dichter zugleich, eine außerordentlich wohlthuend berührende, stattliche Erscheinung, ein Mann von feinen und angenehmen Sitten, in kurzem der Liebling aller.« Ob sich Taubert in dieser Charakterisierung auf Quellen stützen kann, oder ob es sich um eine freie Schilderung handelt, kann ich nicht urteilen. Als Urban 1718 Torgau noch einmal besuchte, ist ihm seitens seiner ehemaligen Schüler »eine allgemeine Sensation erregende Abendmusik« dargebracht worden. So Taubert, S. 19. Von seinem musikalischen Schaffen, daß von den Zeitgenossen gerühmt wurde, ist nichts erhalten geblieben (so Taubert, S. 19, Anm. 1).

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der Einführung des neuen Kantors in die Schule beteiligten.33 Zu Urbans Görlitzer Wirken ist bisher wenig bekannt geworden. Nach H. Hofmanns Beobachtung hat Urban zu fast allen Stücken Grossers die Musik geschrieben; es sei auch anzunehmen, daß er die Textgestaltung beeinflußte.34 Nach einer M. Gondolatsch (Beiträge zur Musikgeschichte) noch zugänglich gewesenen Quelle soll Urban eine »leichte und gründliche Anweisung in der lateinischen Sprache und Dichtkunst« erteilt haben. Daß, wie wir schon hörten (s. Kap. 4, Anm. 14), noch 1722 ein Gedicht Urbans Eingang in die Gedichtsammlung der von ihm mitbegründeten Gesellschaft fand, belegt seinen bleibenden Kontakt nach Leipzig, auch vom fernen Görlitz aus. Zur gleichen Zeit wird berichtet, Urban habe sich als »einer der ersten Stifter dieses Collegii« aufs neue wieder gemeldet und erklärt, daß »er ein beharrliches Mittglied desselben auch abwesend seyn wolle.«35 In seiner intensiven Beschäftigung mit der Musik und dem Theater ist er ein typischer Abgänger des Görlitzer Gymnasiums. Inwieweit er während seiner kurzen Mitgliedschaft den Charakter des Görlitzer Kollegiums hat prägen können, läßt sich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand nicht sagen. Johann Adam Schön, über dessen Auffassungen wir durch seine überlieferten Predigten etwas näher informiert sind, muß ein ausgeprägter Vertreter der Leipziger Orthodoxie gewesen sein. Immer habe sich der »Wohlseelige Mann«, heißt es in der auf ihn gehaltenen Leichenpredigt, »als einen Wächter über Haus Israel« gesehen, der gegen den »Wolff der Scheinheiligen Boßheit« ankämpfte. Der Satan habe daher gegen ihn, dem Bekenner der reinen Lehre, seinen Anhang losgelassen. In einem Gedicht des Predigerkollegs der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche wird Schön mit dem heiligen Augustin verglichen, denn er habe bei niemandem leiden mögen, was »Neuerung und was Eigensinn ausheckt«. Alle Quellen betonen die große Autorität, die von Schön ausging, sein entschiedenes Auftreten gegen Sünder und Irrgläubige, denen er mit der schwersten Höllenpein zu drohen pflegte. In einer seiner Predigten heißt es, der »Klügsten unnöthige Weisheit« würden in Religion und Glauben nur in die Irre führen. Das »überflüßige Wissen« würde über den Naturalismus und Indifferentismus den Weg zu dem »verdammlichen Atheismo« bereiten. Gleichermaßen zielt Schön gegen den Pietismus, gegen Separatismus, Pharisaismus und Chiliasmus.36 Nicht zuletzt ist Schön als Po-

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So nach einem Bericht über Urbans Amtseinführung im Ms 0307 (II), Bl. 710 der UBL. Eine andere zeitgenössische Quelle weiß nichts von jener Abwesenheit der anderen Lehrer, berichtet aber, daß Urban vor und nach der Predigt »rühmliche« Proben »in einen Basso solo« ablegte (Görlitzer Annalen von Chr. Schäffer, Bd. X, S. 373, Ratsarchiv der Stadt Görlitz). Vgl. H. Hoffmann (Breslauer Schultheater), S. 106f Sicul II, S. 144. Dietmann, S. 253 (Zitat aus einer Predigt anläßlich des Görlitzer Stadtbrandes von 1726).

66 lemiker gegen den zu seiner Zeit als Vertreter der Herrenhuter Pietisten bekannten Görlitzer Pfarrer Melchior Schäfer hervorgetreten. 37 Die vom Pietismus abgelehnte Privatbeichte bleibt ihm ein unaufgebbares Gnadenmittel. 38 Ein von ihm selbst aufgesetztes Gedicht, das er zur täglichen Andacht verwendete, zeigt uns Schön noch ganz als Vertreter der mystisch angehauchten, jenseitsorientierten geistlichen Lyrik des Barock: »Ach! so freu ich mich zu sterben,/ Gute Nacht! du Sünden-Welt./ Ich will da was bessers erben,/ Mein erwünschtes Freuden-Zelt./ Wohl dem, der dergleichen thut,/ So wird seine Rechnung gut,/ Bey den letzten Todes-Stunden,/ In des Herrn Jesu Wunden.« 39 Daß Schön noch 1726 die in Leipzig hochgehaltenen sogenannten »Jahres-Methoden«, eine im 17. Jh. entwickelte Predigtanleitung, gegen den Vorwurf verteidigt, sie führe nur zur Ausbildung von »Sprüchelpredigern«, zeigt den Abstand zwischen dem Gründer der 1697iger Gesellschaft und Gottsched, dem Reformator der Sozietät im Jahre 1727. Was dem einen eine »geistlich labende Speise« bedeutet, 40 ist dem anderen eine Beschäftigung mit »Subtilitäten«, über die man das Eigentliche vergißt - die Frage danach, »ob die Predigt deutlich, gründlich, erbaulich und anständig gewesen.« 41 Georg Christian Lehms (1684-1717; Pseudonym: Pallidor) 42 aus Liegnitz ist dann das erste Mitglied, das Eingang in die gängigen zeitgenössischen 37

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So in der Schrift »Schnöde Verachtung der göttlichen Gnaden-Mittel« (1726. Ich benutze ein Exemplar des Druckes, das den Görlitzer Annalen von Chr. Schäffer [Ratsarchiv der Stadt Görlitz] beigebunden ist, XI. Bd., S. 421-436). Andererseits ist zu beachten, daß Schön als erster Geistlicher die Konfirmation in Görlitz einführte. Vgl. Dietmann, S. 133. Vgl. auch Christian Knauth: Historische Nachricht von dem Hospital und der Kirche zum H. Geiste in Görlitz. Görlitz o.J. (1772), S. 40: Schön habe schon 1704 als Pfarrer von Hermsdorf dort die Konfirmation eingeführt. In seiner Schrift »Schnöde Verachtung [...]« berichtet Schön von einem Bäckergesellen, der ihm erklärt habe, die Beichte verschaffe ihm weder Nutzen noch Trost (»Der Hl. Geist, giebt Zeugnis meinem Geiste, daß ich ein Kind Gottes, und Gott mein gantz lieber und gnädiger Vater sey.«). Ein anderer Handwerksgeselle habe es abgelehnt das Lied »Straf mich nicht in deinem Zorn« zu singen. Immerhin gibt Schön in seiner Antwort zu, daß an der Kirche vieles zu bessern wäre, jedoch sei ein rechtschaffener Christ verpflichtet, die gegebene Ordnung einzuhalten. Dieses Lied (Ausschnitt) wird von Schöns Schwiegersohn, Karl Gottfried Frietzsche, in dessen Gedicht auf den Tod des Schwiegervaters zitiert (BOGW, Th. XVI, 2058). Dietmann, S. 251f. J. Chr. Gottsched: Ausführliche Redekunst, Nach Anleitung der alten Griechen und Römer, wie auch der neuern Ausländer; Geistlichen und weltlichen Rednern zu gut, in zween Theilen verfasset. Leipzig 1736, S. 518. (auch enthalten in: AW, 7) Vgl. Dünnhaupt, IV., S. 2576-2583 (hier auch einige über die im folgenden benutzte Sekundärliteratur hinausgehende Angaben). Kosch 9, Sp. 1133£ Killy 7., S. 192f. Quellenlexikon 18, S. 307f. Friedrich Wilhelm Strieder: Grundzüge zu einer hessischen Gelehrten und Schriftsteller Geschichte 7 (Marburg 1757), S. 469-472 (mit Schriftenverzeichnis); Karl Bader: Lexikon deutscher Bibliothekare im Haupt- und Nebenamt bei Fürsten, Staaten und Städten. Leipzig 1925 (Beiheft 55 zum Zentral-

67 und gegenwärtigen literaturgeschichtlichen Nachschlagewerke gefunden hat. Trotz seines nur kurzen Lebens hat er ein umfangreiches Schrifttum hinterlassen; die Stätten seines Wirkens waren zuerst Leipzig, dann Darmstadt, wo er als Hofbibliothekar starb. Der Poetischen Gesellschaft beigetreten ist Lehms, der das Görlitzer Gymnasium unter Grosser besucht hatte, schon im Jahr seiner Immatrikulation (1706). 43 Er ist in den folgenden Jahren eines der eifrigsten ihrer Mitglieder. Aus seinen in den Gedichtbänden der Gesellschaft niedergeschriebenen Dichtungen, die Kasuallyrik,44 religiöse, amouröse und politische Gedichte umfassen, ließe sich ein ganzes Buch zusammenstellen. Sein späteres poetisches Werk, das ihn in die Schriftstellerlexika bringen sollte, besteht in der Hauptsache aus heroisch-galanten Romanen in der Tradition des 17. Jh.s. Angesiedelt sind sie in der Welt des Alten Testaments, wozu ihn vielleicht auch die biblischen Stücke seines Lehrers Grosser angeregt haben könnten. 45 Im Mitgliederverzeichnis der Gesellschaft wird Lehms als Student der Rechtswissenschaft vermerkt, jedoch galt sein Interesse auch anderen Disziplinen, insbesondere der Theologie. 46 Sein Bekanntenkreis, zu dem immerhin auch der später so berühmte Kameralist Julius Bernhard von Rohr zählte, 47 scheint vor allem aus verschiedenen Theologen bestanden zu ha-

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blatt für Bibliothekswesen), S. 146. Die einzige größere, alle Schaffensbereiche Lehms berücksichtigende Darstellung gibt Winfried von Borell: Georg Christian Lehms. Ein vergessener Barockdichter und Vorkämpfer des Frauenstudiums. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelm Universität zu Breslau IX (1964), S. 50-105 (mit Verzeichnis der Werke Lehms). Im Namen des Collegium ist auch ein von Franz Müller verfaßtes Gedicht auf die Magisterpromotion Lehms veröffentlicht worden: Bey dem in Leipzig/ Anno MDCCVIII. den 9. Febr. rühmlichst erlangten Magisterio, Herrn George Chiristian Lehms/ Ligio-Siles. wurden die Spötter der Philosophie im Nahmen des alldort florirenden Görlitzischen vertrauten Collegii Poetici verworffen von Francisco Müllern [...] Leipzig O.J. (1708). Exemplar in der BOGW, L IX, 459. 2, Nr. 33. Die zu offiziellen Anlässen vorgelegten Gedichte Lehms sind sehr oft im Namen der ganzen Gesellschaft verfaßt worden. Dies legt die Vermutung nahe, daß Lehms dort eine anerkannte Position innehatte. Daß Lehms auch mit der Oberlausitz in Verbindung blieb, belegen manche gedruckten Gedichte, meist zu Hochzeitsfeiern. So »schickt aus Leipzigs Paradiese« der in »dessen liebsten Linden höchst-vergnügte Pallidore einige Verse zur Heirat eines Herrn Zobels nach Görlitz. Vgl. v. Borell (Georg Christian Lehms), S. 74, eine Darstellung des Inhaltes von Lehms Romanen auf S. 73ff. Ein Freund des Vaters von Lehms dichtet, daß dessen Sohn »seinen muntern Fleiß [...] Der heiigen Wissenschafft genug zu zeigen weiß [...]«. Vgl. Zu dem wohlverdienten Magister-Hute/ Welcher Herrn George Christian Lehms/ Den 9. Febr. dieses 1708ten Jahres/ Bey Solenner Promotion Auff der Weltberühmten Universität Leipzig Auffgesetzet wurde/ gratulierten von Hertzen Einige vornehme Patroni, Gönner und Freunde. Leipzig o. J. (BOGW, L IX, 459. 2, Nr. 32). Die in der vorangegangenen Anm. erwähnte Gedichtsammlung zu Lehms Promotion enthält auch ein Gedicht v. Rohrs, in dem er sich als dessen Freund erklärt.

68 ben. 48 Besondere Verehrung soll er dem aus der Oberlausitz stammenden Theologieprofessor Gottlob Friedrich Seligmann entgegengebracht haben, 49 der unter seinen Landsleuten überhaupt in großem Ansehen stand. 50 Schon in Görlitz hatte Lehms sich in der Ablehnung jeglicher religiöser Toleranz als eifriger Verfechter der lutherischen Orthodoxie präsentiert, wobei in seiner Argumentation allerdings Gründe der Staatsräson dominieren: Der Regent habe alle »Sonderlinge in der Religion wie schädliche Kräuter« auszurotten, denn ein Sektenwesen bedrohe die Existenz des Staates als solchen. Erst dann verweist Lehms auf den Wahrheitscharakter des Luthertums im Vergleich zu den Lehren des »Lügen-Prophet Mahomed«. 51 Als Mitglied der Poetengesellschaft präsentiert sich Lehms als typischer Vertreter derjenigen Phase in ihrer Geschichte, in der Frömmigkeit und Erbauung innerhalb der literarischen Produkte der Gesellschaft einen hohen Stellenwert besitzen. Sein »eintziges Vergnügen«, berichtet er ganz in der Tradition des in der barocken Dichtung geläufigen Vergänglichkeitstopos, sei es bisher gewesen, »sich mit dem Tode zu unterreden«. Das Ergebnis dieser Gespräche, ein Buch über den Tod, habe er in »währender Betrachtung« auf »dem Leipzigischen Gottes-Acker/ wo ich viele Stunden in der TodtenGesellschafft zugebracht habe«, verfertigt.52 Bei dieser Beschäftigung habe 48

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So v. Boreil (Johann Christian Lehms, S. 65) auf der Grundlage der Mitteilungen in dem auf Lehms Promotion gedichteten Panegyricus. Seligmann ging allerdings schon 1707 als Oberhofprediger nach Dresden und ist dort noch im gleichen Jahr verstorben. Im Streit um den Pietismus, der zu Beginn des Jahrhunderts in Leipzig im besonderen Maße aufbrandete (Auseinandersetzung um den Terminismus), nahm Seligmann eher eine unentschiedene Stellung ein. Vgl. Otto Kirn: Die Leipziger theologische Fakultät in fünf Jahrhunderten. Leipzig 1909, S. 139. Da Seligmann ein enger Korrespondenzpartner Chr. Weises war (14 Briefe im Zittauer Weise-Nachlaß, s. Kap. 3, Anm. 18), könnte Lehms über seinen Lehrer Grosser mit dem damals in Rostock wirkenden Theologen bekannt geworden sein. In der Gedichtsammlung auf Lehms Promotion tauchen noch weitere Theologen auf. Das belegt ein schon erwähntes (s. Kap. 3, Anm. 10) Gedicht Gottlob Kästners, wo Seligmann als bedeutendster Lausitzer an der Leipziger Universität gefeiert wird: »Viel solche Lehrer hat die Welt noch nicht gehört./ Er war ein Samuel in seinem Lebens-Wandel/ Er floh, Eliae gleich, durch Frömmigkeit empor:/ Es straffte Mosis Ernst durch ihn den Sünden Handel [...]«. Den am 11. Februar, dieses 1706sten Jahres hoch-geschätzten [...] Nahmens-Tag [...] des [...] Herrn M. Gottfried Kretschmars/ der [...] Stadt Görlitz hoch-verdienten Pastoris Primarii, wollte [...] eine Marque seiner Ergebenheit ablegen [...] George Christian Lehms. Görlitz o. J. (BOGW, L IX, 459. 3, Nr. 17). Kretschmar wird dann als derjenige gelobt, der die für das Gemeinwesen notwendige religiöse Eintracht in Görlitz aufrechterhält. So möge der Pfarrer auch weiterhin die »unfruchtbaren Bäume« ausrotten. G. Chr. Lehms: Die fruchtbringende Gesellschaft der Todten/ Bestehend in unterschiedenen Lehrreichen Andachten und geistlichen Betrachtungen über die merckwürdigsten Todes-Fälle/ Derer in dem heiligen Bibel-Buch gedacht werden. Nürnberg 1711 (UBL, Signatur: Pred. u. Erb.Lit. 1417uf. Bei Dünnhaupt kein Exemplar nachgewiesen). Das Buch ist dem Leipziger Handelsherrn Johann Albrecht gewid-

69 er »solche Süssigkeit verspühret/ die mir allen Schmertzen und Kummer aus dem Gedächtnüsse entrissen.« In langen Betrachtungen schildert der Autor dann die Freude des seligen Sterbens, das die Seele aus der vergänglichen Welt in die Ewigkeit des Anblicks Gottes hebt: »Ach! meine Seele/ so sprich dann: Fahre hin du schnöde Welt/ zu guter Nacht ihr Liebhaber der Welt/ ich will euch verlassen/ und zu meinem Jesu eilen [.. ,].«53 In manchen Dichtungen Lehms für die Görlitzer Gesellschaft ist schließlich ein gewisser pietistischer Einschlag erkennbar, so in einem »Buß-Douet zwischen Jesu und der Seele«:54 Die Seele muß die tiefste Zerknirschung erleben, um dann in Glauben, Reue und Gebet gleichsam aufzuerstehen: »Der Himmel hört mich nicht,/ Mein Jesus und mein Licht,/ Will keinen Trost versprechen,/ Drum magstu nur bedrängtes Herz/ Mit Ach und Schmerz/ Elendiglich zerbrechen«. Nachdem Jesus die Schuld vergeben hat jubelt die Seele auf: »O Wort, das Marek und Hertz erfreut!/ Nun flieht mein altes Leid/ Da mir Dein holder Mund/ Das Leben wieder giebet./ Nun bin ich ganz gesund,/ Da mich Dein Herze liebet.« Dagegen taugt für Lehms die »gröste Gelehrsamkeit«, womit insbesondere auch die Poesie zu verstehen ist, nichts ohne Verbindung zur »Moraloder Sitten-Lehre«. Die »geilen Worte« Ovids belegten dies zur Genüge: »Aus deßen Büchern kan ein jeder sattsam spüren:/ Daß auch die Poesie die schlimmste Wißenschafft,/ Wenn sich der Dichter nur an eitler Lust vergafft.« Das Dichten ist überhaupt nur dann legitim, wenn es einem höheren Zweck dient - der Erhaltung der Religion und der gegebenen politischen Ordnung: So bleibt die Poesie die beste Kunst auf Erden,/ Wenn sie dem Höchsten dient, und ihren Fürsten lobt, Wenn sie den Feind besiegt, der unaufhörlich tobt,/ So kann sie aber auch zu etwas schlimmen werden/ Wenn sie die Fürsten trozt, wenn sie sich selber stürzt,/ Wenn sie sich offtermals die Lebens-Zeit verkürzt.55

An anderer Stelle urteilt Lehms dezidiert: Wo man sich nicht Regeln vorschreibe, wie diese oder jene gelehrte Beschäftigung »zu meiner GemüthVergnügung und Seelen-Ruh anwenden kan/ weiß ich wohl viel/ so mir aber wenig nützlich ist.«56 Wer überhaupt glaube, daß die Welt allein aus der Na-

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met. Inwieweit die Verwendung des Begriffs »fruchtbringende Gesellschaft der Todten« in einem Gegensatz zu der bekannten Sprachgesellschaft zu sehen ist, läßt sich schwer sagen. Die fruchtbringende Gesellschaft, S. 46. Auch in den Gedichtbänden der Gesellschaft finden sich Verse Lehms, in denen es um den Tod geht: »[...] Mit Lachen und mit Freuden,/ Geh ich in meinen Tod./ Mus gleich die Seele scheiden,/ So mus sie aus der Noth [...]« (Gedichtbände III, Bl. 138 v -139 r ). Vgl. auch »Der sterbende Simeon« (Gedichtbände III, Bl. 98r"v). Gedichtbände III, Bl. 245 v -246 r . Gedichtbände II, Bl. 49 v -50 v . G. Chr. Lehms: Teutschlands Galante Poetinnen mit ihren sinnreichen und netten Proben. Frankfurt/M. 1715 (Nachdruck Darmstadt 1966 und Leipzig 1973), Vorrede.

70 tur zu erklären sei, der sei ein »rechter Atheist«, der alle Gottesfurcht verachtet, das Gebet als unnötig verbannt, keinen Glauben hat »und endlich das Vertrauen auf Gott vor eine Fabel und Mährlein« hält.57 In seiner Darmstädter Zeit hat dann Lehms ein relativ umfangreiches Werk an geistlichen Dichtungen vorgelegt. Schon in Leipzig präsentierte er jedoch erste Proben dieses Genre, z.B.: Liebe zwischen Michal und David,58 An die entbrannte Jesabel, so dem Felanor einen Liebes-Trunck bey zubringen gesucht. Bemerkenswert ist, daß Johann Sebastian Bach zehn seiner Kantaten zu Texten Lehms schrieb.59 Überhaupt wird Lehms großes Interesse an der Musik verschiedentlich deutlich: durch seine in Darmstadt veröffentlichten die musikalische Aufführung genau berücksichtigenden »Jahrgänge« mit Kantatentexten, in seiner engen Bekanntschaft mit Georg Melchior Hoffmann (Nachfolger Telemanns als Leiter des Collegium musicum),60 sein noch zu erwähnendes Auftreten als Sänger in den Leipziger Kirchen (s. S. 72), in seinem Plan zur Abfassung eines Buches über Deutschlands Komponisten, durch seine Tätigkeit als Verfasser von Operntexten. 61 Daß er für diese Beschäftigung mit der Musik bereits in Görlitz durch Grossers Schultheater Anregungen empfangen haben wird, liegt als Vermutung nahe. Ebenfalls denkbar ist die Annahme, daß Lehms das Musikleben innerhalb der Görlitzer Poetengesellschaft, von dessen Existenz wir auszugehen haben (s. S. 52), gefördert haben dürfte. Andererseits fehlt es bei Lehms auch nicht an modern anmutenden Ansichten. Sein bereits zitiertes Werk über die Galanten Poetinnen ist ein ausgesprochenes Plädoyer für die Gleichberechtigung der Frau: Es fehle dem weiblichen Geschlecht nicht an Tapferkeit, Klugheit und Gelehrsamkeit, und wenn diese Fähigkeiten in der Geschichte bisher weniger sichtbar wurden, so liegt dies in den Vorurteilen der Eltern begründet, die meinen, es genüge, wenn ihre Töchter nähen und spinnen können. 62 Bei allem Pochen auf Glaube und Moral und bei allen intensiven Jenseitsbetrachtungen ist Lehms jede Verachtung der Wissenschaft, wie sie etwa in bestimmten Ausprägungen 57

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Die fruchtbringende Gesellschaft, S. 42. Die Ausführungen beziehen sich auf die Sodomiter, meinen aber offenkundig die Gegenwart. Gedichtbände III, Bl. 283f£ Vgl. Elisabeth Noack: Georg Christian Lehms, ein Textdichter Johann Sebastian Bachs. In: Bachjahrbuch 56 (1970), S. 7-18. In einigen Versen feiert Lehms Telemann und Hoffmann (unter der Bezeichnung T** und H**) als die bedeutendsten Komponisten, »die durch ihre Zauber-Kunst auch die Hertzen gar enrziehen.« (Gedichtbände, III, Bl. 298r) Zur Bekanntschaft zwischen Lehms und M. Hoffmann vgl. v. Borell (Georg Christian Lehms), S. 60. Vgl. die eingehenden Ausführungen von E. Noack (Georg Christian Lehms) zu diesem Thema. Vgl. zu den Poetinnen v. Borell (Georg Christian Lehms), S. 89ff. Der Verfasser wertet Lehms Buch geradezu als »einen Markstein auf dem Wege zur Gleichberechtigung der Frau im deutschen und internationalen Geistesleben.« (S. 98); vgl. auch Hanstein (Die Frauen), I. Bd., S. 64ff.

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des Pietismus verbreitet war, fremd: Durch nichts könne ein Land besser stabilisiert werden als durch das Wirken der Gelehrten und Universitäten. Eine Universität sei »das rechte Trojanische Pferd/ aus welchen der Kern der galantesten und qualificirtesten/ ja der haupt-gelehrtesten Leute hervorkommet.«63 Lehms Abstand vom Pietismus belegen auch seine späteren Operndichtungen,64 aber auch manche Proben der galanten Dichtung aus seiner Leipziger Zeit. Er folgt hier ganz den von uns noch näher zu betrachtenden Konventionen: Schilderung der Schönheit der Geliebten, Klage über die Grausamkeit der Frauen, der Verliebte als Tor.65 Anläßlich einer Hochzeit entsteht das Poem Minervens entworffene Portraits der galanten Leipzigerinnen, das den Schönen der Messestadt huldigen soll: Beim Anblick Leipzigs erkennt Minerva, daß dort »fast das andere Paradieß« liegt, »und an den galanten Schönen ein mit gläntzendem Gewehre versehner Cherub zu finden«. Das Auftreten der »galanten Frauenzimmer« sei dem Erscheinen der Sonne vergleichbar usw. Noch im gleichen Jahr geht eine von Lehms verfaßte Protestation der Venus wider Minervens Portraits der galanten Leipzigerinnen in den Druck, die die Venus in ihrer Eifersucht auf die schönen Leipzigerinnen, insbesondere aber auf eine Frau Seligmann, schildert. Ihre Klage vor der Götterversammlung wird jedoch abgelehnt. Minervas Lob der Leipzigerinnen wird bestätigt; Venus wird verpflichtet, diesen ihre Freundschaft zu würdigen.66 Im Gegensatz zu den meisten anderen Mitgliedern äußert sich Lehms nicht selten über politische Themen, so ζ. B. über den Altranstädter Friedensschluß von 1706. Sein Poem zeigt ihn uns als devoten Verehrer des Siegers, des Schwedenkönigs Karl XII., der als Friedensbringer gefeiert wird, dem noch Kurfürst Friedrich August, der soeben seiner polnische Krone beraubt worden war, dankbar sein soll: 63

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Chr. Lehms: Historische Beschreibung der weltberühmten Universität Leipzig. Leipzig 1710, S. 15. Es handelt sich hier um eine Schrift, die anläßlich der 300Jahrfeier der Leipziger Hochschule vorgelegt wurde. Es wäre denkbar, daß Lehms schon in Leipzig Libretti für die Oper verfaßte. Leider gestattet die sehr ungünstige Quellenüberlieferung zu den Spielplänen der frühen Leipziger Oper hier keine Antwort. Vgl. Hennenberg (Oper), S. 14. Dabei schildert Lehms recht anschaulich das Leben und Treiben der verliebten Studenten, wie er es wohl selbst in Leipzig beobachtet hat: »[...] Da läufft man Straßen auf und wieder,/ Singt bey der Nacht verliebte Lieder,/ Verliehrt den Absatz und den Stock,/ Zerreist sich Hosen, Hembd und Rock,/ Legt einen Zopf vor der Peruque vor,/ Und wenn mans recht bedenckt,/ So sieht das Mädgen, um die man sich kränckt,/ offt wie ein Schmutzgen und ein Mohr [...]« (Gedichtbände III, Bl. 297r). Auch das zweite Gedicht entstand anläßlich einer Hochzeit. Dünnhaupt kennt nur die erstgenannte Publikation, kann aber kein Exemplar nachweisen. Die von mir verwendeten Exemplare dieser Dichtungen stammen aus der UB Halle (Signaturen: Za 5225, Zc 1723).

72 [...] Wir können uns gewis was gutes propheceyn,/ Den Schwedens tapfrer Arm/ Der uns den Krieges-Tempel zugemacht,/ Wird wohl noch manchen Schwärm/ Und manche schöne Macht besiegen [...] Drum lebe dieser Held/ Dem Schwedens tapfres Volck zum Füßen fällt:/ Augusto müße stets das Glücke zinsbar seyn [...].67 Wenige Seiten weiter wird dann dem Kurfürst selbst als Friedensbringer iiberschwenglichst gehuldigt: [...] Doch heute freut man sich, weil dieses Licht aufgeht,/ Daß man der Sonne selbst mit recht vergleichen kan./ Augustus, den das Land schon längst dafür erkennet/ Kommt als ein rechter Gott in Seinem Leipzig an./ Drum lodert unser Gluth: was sag ich, selbe brennet/ Daß man Dich wiederum in unsern Linden nennet.68 In einem thematischen Zusammenhang zu diesem Gedicht ist wohl auch eine 1707 von Lehms veröffentlichte Erzählung zu sehen, in der geschildert wird, wie Claruso (Karl XII.) der schönen Anxiosa (Sachsen) nachstellt. Dabei kommt er mit deren Gemahl Gustav (August der Starke) in Streit, der dann aber friedlich beigelegt wird: Gustav und Claruso schließen einen festen Bund. 69 Lehms so reges und vielfältiges Schaffen muß ihm unter den Leipziger Zeitgenossen Aufmerksamkeit verschafft haben. Diese gilt besonders seinen Dichtungen, aber auch seiner Meisterschaft im Gesang. Schon 1708 dichtet sein Freund Gottlieb Siegmund Corvinus, einer der angesehensten Leipziger Gelegenheitsdichter jener Jahre:70 Der kluge Pallidor ist schon der Welt bekannt/ Sie weiß mehr als zu wohl, was seine nette Hand/ Vor schöne Werckgen hat die Zeit daher geschnitzet [...] Das Echo, welches hier an alle Pfeiler schlägt/ Wenn sich der Saiten-Klang der Virtuosen regt/ Und man von deiner Hand was in den Kirchen höret/ Hat dich und uns zugleich durch seinen Schall gelehret [.. .].»71 67

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Gedichtbände III, Bl. 84 v -85 r . Dabei ist wohl zu berücksichtigen, daß Lehms dem Schwedenkönig für die von ihm herbeigeführte Besserung der Lage der Protestanten in Schlesien, Lehms Heimat, dankbar war. Das Thema des Nordischen Krieges behandelt Lehms auch in zwei 1707 und 1708 publizierten Dichtungen, die ebenfalls gleichermaßen Karl XII. und August den Starken feiern und huldigen (vgl. v. Borell [Georg Christian Lehms], S. 88f. und die folgenden Ausführungen). Gedichtbände III, Bl. 89r_v. Auch in seinen Romanen gibt Lehms ein ganz unkritisches Bild vom Leben und Treiben der Fürsten und ihrer Höfe. Vgl. v. Borell (Georg Christian Lehms), S. 81. G. Chr. Lehms: Die gestillten Schmertzen Der zeithero kranck gewesenen/ nunmehro aber zu ihrer vorigen Gesundheit gelangten Anxiosa Oder das zeithero gedrückte doch wieder erquickte Sachsen erwogen von der unterthänigsten Feder eines ergebensten Diener der Anxiosae. Leipzig 1707. (UB Halle, Signatur: Pon. Vd 1277, bei Dünnhaupt kein Exemplar nachgewiesen). Zum genregeschichtlichen Hintergrund vgl. Hans Wagener: Vom Barock zum Rokoko. Das galante Sachsen bei Hunold und Pöllnitz. In: Hardin, J. (Hg.), >Der Buchstab tödtSchwulstdichtungGrabschriften< finden sich in den Bänden häufig. Ich nenne nur zwei Beispiele: »Ein unvermerckter Brand nahm meine Glieder ein/ Ja Erde, Lufft und Mensch vermehrten meine Pein/ Hier aber entflammter Leib ist zu der Kühlung kommen« (Der sich aus Liebe ersäufft). »Zu betteln schämt ich mich, mehr graben kont ich nicht/ Doch daß es mir zuletzt an Wohnung nicht gebricht,/ So haben die, so nur durch mich zur Ruhe kommen,/ Mich auch aus Danckbarkeit freywillig aufgenommen« (Eines TodenGräbers, Gedichtbände VI, Bl. 273 r -274 v , von August Heinrich Reinhardt). Auch Epigramme auf zeitgenössische Gelehrte sind beliebt. So heißt es unter Anspielung auf seinen Tod über Samuel von Pufendorf: »Mich hat meine nette Feder aus der Nacht ans Licht gebracht/ Die hat mich zu einem Lehrer und auch zum Baron gemacht,/ Doch seht, wie der Himmel sich gegen uns so frembde stellet:/ Daß der, so durch Federn steigt, durch ein FederMesser fället.« (Gedichtbände II, Bl. 105v, von Heinrich Günther; Anspielung auf die Legende, Pufendorf sei infolge des Herausschneidens eines Hühnerauges ums Leben gekommen). Ihr gelingt, heißt es in einem Gedicht, wozu »Redner Witz« vergeblich angewandt wird, nämlich die Besiegung von Vorurteilen: »So kan sie den Verstand im Wissen unterrichten,/ Und beym ingenio verdient sie noch mehr Preiß/ Wenn sie zur Möglichkeit und den gemeßnen Pflichten,/ Wornach man schliesen soll, es anzuführen weiß [...]« (Gedichtbände, IV, Bl. 108).

78 Schäfergedicht,4 Ode, Heldenbriefe (Heroiden). 5 Selbst die im Barock weit verbreitete äußere, artistische Gestaltung von Gedichten fehlt nicht ganz.6 Das Übersetzen fremdsprachiger Literaturtexte, das später gerade auch von Gottsched stark gefördert worden ist, wird in der Gesellschaft von Anfang an betrieben, allerdings sind die Beispiele noch relativ selten. 7 Diese Tatsache bestätigt nochmals die Beobachtung, daß die Verbesserung der Sprache, der jene Übersetzungen in erster Linie dienen sollten, in der Frühzeit der Gesellschaft als Aufgabenstellung noch eine eher bescheidene Rolle spielte. Wenn auch die in der Muttersprache abgefaßten Gedichte in den Bänden zahlenmäßig weitaus dominieren, so läßt sich doch die für den Barockdichter typische Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit bei manchen Autoren der Gesellschaft verfolgen. Neben einer ganzen Zahl lateinischer Dichtungen finden sich vereinzelte griechische und französische Versübungen. 8 Interessanterweise ist gerade Christian Clodius, der die erste Darstellung der Entwicklung des Kollegiums verfaßte (in Latein!) und überhaupt entscheidend zur Umbildung des Görlitzer Poetenkollegiums zur Teutschübenden Poetischen Gesellschaft beitrug, mit einem großen Anteil an lateinischen Gedichten vertreten. 4

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Diese besaßen in Leipzig eine besonders reiche Tradition. Auch hier verweise ich als Beispiel auf eine Dichtung von Hamann: »Die trübe Nacht umzog das Feld mit Schatten/ Der Abend schüttelte den Thau/ Auf die beblümten Matten/ Und fruchte so Berg als Au/ Als Helades, der stille Helades/ Ein Schäfer an der schlancken Pleiße/ annah(?) der müden Glieder Bau/ An eine reiche Linde lehnte/ Und sich mit heißem Ernst und Fleiße/ Nach seiner Clio Hülffe sehnte [...]« (J. G. Hamann, Gedichtbände VI, Bl. 301r-303v und V, Bl. 263v-265r; zur doppelten Überlieferung der Gedichte in den Bänden V und VI vgl. S. 25). Z. B.: Liebe zwischen Michal und David (Gedichtbände III, Bl. 283r-285r, von G. Chr. Lehms, spätere Fortsetzung dieser Briefe: Pharao an Sarai, Sarai an Pharao, Heldenbrief Alexander an Roxane und Roxane an Alexander. Paragramma Trigonale, Tetragonale, Pentagonale aus den Sprüchen Salomonis Cap. XXXI (Gedichtbände IV Bl. 311r, von George Rothe); in Bd. V (Bl. 23v, von Christoph Trentsch), Gedicht »In Festum Pentecoste« in Form eines Baumes. Von Urban, dem Mitbegründer der Gesellschaft, wird berichtet, daß er »allen denjenigen, deren Namen er erfahren konnte, aus den Anfangsbuchstaben ein Symbolum aufsetzte, selbiges durch einige teutsche Verse erläuterte, sauber abschrieb, und sie damit beehrte« (vgl. Otto 3, S. 434). Das Übersetzen vor allem aus den klassischen Sprachen sollte die Fähigkeit der deutschen Sprache, jene als Vorbild begriffenen Dichtungen wiederzugeben und schließlich nachzuempfinden, beweisen und fördern (vgl. M. Opitz: Buch von der deutschen Poeterei, S. 49£). In der Gesellschaft wurden, soweit ich sehe, allein Texte von Horaz, Ovid und Seneca übersetzt. Eine Ausnahme bilden einige Epigramme des in diesem Genre als Vorbild betrachteten Engländers John Owen. Bemerkenswert ist die deutsche Übersetzung einiger Elegien des Jesuiten Petrus Justus Sautel (1613-1662, in: Gedichtbände II, Bl. 80v-82v, von Ehrenfried Schäffer). So finden sich im frühsten mir bekannt gewordenen im Namen der Gesellschaft erfolgten Druck innerhalb von insgesamt 16 Gedichten zwei griechische und fünf lateinische Texte (Gedicht auf Chr. Zippel, s. Kap. 5, Anm. 8). Wieso Reichel meint, man habe zu Beginn »vorzugsweise« lateinisch und griechisch gedichtet, ist mir unklar (S. 130).

79 Bei den Dichtungen handelt es sich zu einem ganz erheblichen Teil um Gelegenheitsgedichte zu den verschiedensten Anlässen: Promotionen, Hochzeiten, Todesfälle, Namenstage, Amtseinführungen. Alle diese Ereignisse bildeten, wie bekannt, bis weit in das 18. Jh. hinein die treibenden Motivationen zum Abfassen von poetischen Texten. Diese Lyrik bildet nicht den in Verse gesetzten Ausdruck jeweils besonderer, d. h. individueller Gefühle, sondern stellen eine auf den Leser bzw. Hörer ausgerichtete, an den Traditionen der Antike und der Renaissance orientierte und damit auch sehr von der Rhetorik geprägte Dichtung dar.9 Wenn auch nach den späteren Reformen der Gesellschaft unter der Führung von Clodius und vor allem von Gottsched die Kasuallyrik nicht mehr das unbedingt vorherrschende Feld der dichterischen Produktion bilden wird, so ist sie doch der Sozietät und ihren Mitgliedern immer ein wichtiges Betätigungsfeld geblieben. Als die Gelegenheitsdichtung unter den Druck wachsender Kritik geriet, hat die Deutsche Gesellschaft an ihr, auch und gerade unter Gottscheds Leitung, unbedingt festgehalten. Die Gedichte wenden sich oft an Mitglieder der Gesellschaft,10 nicht selten aber auch an Personen, die außerhalb dieses Kreises stehen; nur selten handelt es sich um Adlige,11 sondern in der Regel um Angehörige des bürgerlichen Standes. Bei dieser reichen Produktion an Kasualdichtungen mag durchaus auch der Aspekt des Broterwerbs eine Rolle gespielt haben, d.h. die Erwartung auf Zahlung eines Honorars seitens der im Gedicht geehrten Person oder auf Förderung der Karriere des Autors solcher Dichtungen.12 Schon rein zahlenmäßig ins Gewicht fallen die Antrittsgedichte als eine für die Poetische Gesellschaft spezifische Form der Gelegenheitsdichtung. Sie 9

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Die von der Forschung lange sehr vernachlässigte Kasuallyrik hat erst in den letzten Jahrzehnten stärkeres Interesse gefunden. Vgl. Hans-Henrik Rrummacher: Das barocke Epicedium. Rhetorische Tradition und deutsche Gelegenheitsdichtung im 17. Jahrhundert. In: Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft 18 (1974), S. 8 9 147 (dort auch die ältere Literatur). Grundlegend ist Wulf Segebrecht: Das Gelegenheitsgedicht. Ein Beitrag zur Geschichte und Poetik der deutschen Lyrik. Stuttgart 1977. Vgl. auch Hans-Georg Kemper: Deutsche Lyrik der frühen Neuzeit. Band 5/II. Tübingen 1991, S. 24f£ Das Statut schrieb vor, daß bei Namenstagen, Promotionen, Amtsübernahmen und Hochzeiten von Mitgliedern diese mit einem Gedicht bedacht werden mußten. Noch der anonyme oberlausitzer Kritiker der Gesellschaft (s. Kap. 1, Anm. 17) macht sich über dieses ständige gegenseitige Andichten der Mitglieder lustig: »Der gröste Theil ihrer Sammlungen machen Lob-Reden und Lob-Gedichte aus, die ein Mitglied dem andern zu Gefallen gemacht hat; und es ist gantz natürlich, denn sie kennen einander am allerbesten und am allergenauesten. Sie wissen eines jeglichen Verdienste am richtigsten, und weil in ihren Gedancken niemand so deutsch, wie sie, verstehet, so ist auch niemand, solche deutsche Helden zu loben, fähig.« (S. 43) Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet Ehrenfried Walter von Tschirnhaus, zu dessen Hochzeit die Gesellschaft ein Gedicht beisteuert (Gedichtbände II, Bl. 69 v -70 v , von Georg Heinrich Ayn). Vgl. K. Heidt (Der vollkommene Regent), S. 68ff. (mit Beispielen).

80 mußten nach den statuarischen Forderungen von den neugewählten Mitgliedern eingereicht werden, wie andererseits jeder Angehöriger des Kollegiums beim Verlassen der Stadt, womit in jedem Falle die aktive Mitgliedschaft beendet wurde, mit einigen Versen verabschiedet werden mußte. Man möchte annehmen, daß Sprache und Literatur als Thema von Beginn an in den Dichtungen der Gesellschaft eine größere Rolle gespielt haben. Dies ist nur bedingt der Fall. Einen häufigen bzw. ständigen Gegenstand bildet die Poesie allein in den soeben erwähnten obligatorischen Antrittsgedichten der neuen Mitglieder der Gesellschaft. Die dabei gebotenen Verse orientieren sich in der Regel an den immergleichen Topoi: Lob der Poesie, Klage über die eigene Unvollkommenheit im Dichten, 13 Rühmen der im Collegium gepflegten Dichtkunst, Hoffnung durch die Aufnahme in den »Dichterorden« Förderung und Hilfe im Versesetzen zu finden. 14 Denn, daß das Dichten, bei aller zugestanden notwendigen Begabung, doch zuerst eine Frage des handwerklichen Könnens ist, steht, ganz nach der Auffassung der Zeit, außer Frage.15 Der Kreis der Adressaten dieser Dichtungen wird mit 13

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Zum Topos der >affektierten Bescheidenheit« vgl. Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter. Bern 1954, S. 93ff. Ein Beispiel: »Jedoch, ihr werdet auch hieraus zugleich erkennen/ Daß ich kein lichter bin. Denn meine Reime sind/ Nur bloßes Schatten-Werck und Kinderspiehl zu nennen, Woraus kein süßer Regen von Geist und Leben rinnt./ Ein Klepper kommt anstatt des Pegasi geschritten,/ der auf ieden Schritt nur ein großen Fehltritt macht.« (Gedichtbände VI, Bl. 65 r -66 r , von Johann Friedrich Bernhardi). Clodius geht in einem im Namen der gesamten Gesellschaft verfaßten Gedicht auf Mencke ein und meint, daß die Verkündigung seines Ruhmes wohlgeübte Dichter erfordere: »Doch solche sind wir nicht. Ein Chor von müden Hirten/ das in dem Staube keucht, besinget deine Myrthen [...] Vielleicht kan unser Thon dereinst noch heller klingen,/ Wird Gott und Zeiten Lauff nur beßern Nachdruck bringen,/ Bleib unser Dichter Schaar nur stets geneigt und hold [...]« (Gedichtbände VI, B1.213r-214v). Einige Beispiele: »Ihr habt schon durch Euren Fleiß den Parnassum überstiegen/ Aber seht ich muß zur Zeit noch vor diesem Berge liegen./ Darum führt mich Werthe Freunde diesen hohen Berg hinauf,/ Zeiget mir die schönste Straße lehret mich den besten Lauff [...]« (Gedichtbände V Bl. 45 r -46 r , von Christian Gleditsch); »Pflegt gleich meiner Leyer Klang euer Spielen zu vergällen:/ Kriegt sie doch von eurem Singen endlich eine Lieblichkeit.« (Gedichtbände VI, Bl. 194r_v, von Gotthardt Senfftleben); »Die schlechte Wißenschafft, so ich in Versen habe [...] Ist dennoch überhaupt nur Deine Wehrte Gabe/ Weil meine Feder offt vor Deinen Augen lag« (Gedichtbände V, Bl. 58 r -59 r , von Michael Conrad Glaser). In dem Gedicht »De Utilitate Poeseos« wird das Lob der Poesie angestimmt, da sie dem Dichter viele Gönner verschaffen könne, und daher die Verschmähung der Poesie als blauer Dunst zurückgewiesen: »Schmähet hin! das reine Gold wird nimmermehr befleckt/ Der Ruhm der Poesie muß doch beständig bleiben.« (Gedichtbände I, Bl. 254v-55v, von Gottlob Friedrich Mentzel). »Doch, ohne Müh'und Fleiß lernt selten iemand waß;/ Ich will nur schon getrost zum letzten Stücke [Poesie, D. D.] greiffen,/ Und lern'ichs schon nicht gleich, so tröstet mich doch das,/ Daß sich auch nach und nach der Schwachen Kräffte häuften. (Gedichtbände VI, Bl. 101r"v, von Martin Gottlob Pfund). Vgl. Rolf Baur: Didaktik der Barockpoetik. Die deutschsprachigen Poetiken von Opitz bis Gottsched als Lehrbücher der >PoetereyReizung der Phantasie< stand in diesen Kreisen unter einem besonderen Verdikt. Vgl. H.-G. Kemper (Deutsche Lyrik), Bd. 5/1, S. 55-67. Vielleicht zielt ein Gedicht von Johann Gehler, das an repräsentativer Stelle steht (»Das Erste Opfer der Poesie bey Einweyhung des neuen Tomi«, gemeint ist Bd. IV) gegen pietistische Angriffe auf die Poesie, wohl aber auch gegen die den Aufklärern vorgeworffene Neuerungssucht: »Wer itzo bey der Welt sich recht behebt will machen [...] Muß alter Lehrer Kunst, als Narren-Tant verlachen« und sich als »einen Neuling« geben. Selbst die Theologie sei diesem Streben nach Neuerungen unterworfen; bald werde es sie nicht mehr geben, da kaum jemand noch an Gott glaubt. Die Poesie werde abgelehnt, da sie ins Verderben führe: Sie sei ein »Zeit-Verderber«, gebäre eine »Grillen Brutt«, verleite zum Beschreiten schlimmer Wege, führe in »Liebes-Netze« usw. Dagegen trägt Gehler die übliche Verteidigung der Poesie vor (Gedichtbände IV, Bl. 5r~v).

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Chr. Clodius (Gedichtbände IV, Bl. 157r-158r). Auf Bl. 161v-162r erfolgt die Antwort der Poesie auf diese Beschuldigungen, die alle zurückgewiesen werden.

84 lieh konkrete Vorgänge in Leipzig standen, belegt der Schluß der recht umfangreichen Dichtung, der zugleich auf die Görlitzer Gesellschaft, die vielleicht unmittelbar in die Kritik geraten war, Bezug nimmt. Philurene, also die Leipziger Alma mater, wird über den Sieg der Poesie unterrichtet: »So hatten alsobald die treugesinten Söhne/ Der aller werthesten und liebsten Philurene/ Bey welcher noch bis itzt der Dichtkunst Eifer glimmt,/ Dis unvollkommne Lied mit Freuden angestimmt.«26 Die Görlitzer Gesellschaft als ein Hort des unbeschwerten, frohen Dichtens feiert auch das Antrittsgedicht des Schlesiers Sigismund Ludwig: Nach der Klage über den Verfall des Ansehens der Poesie folgt das Lob ihres Nutzen, den das Wirken der Leipziger Gesellschaft aller Welt demonstriere: »Wil man zum Uberfluß hiervon noch Zeugnüß wißen,/ Daß unsrer Zeiten Ruhm des Alters Ruhm vermehrt?/ So ist ein werthes Chor der Linden Stadt befließen,/ Daß es mit Hertzens-Lust die Poesie verehrt./ Das heißt: Weil diese Kunst viel 1000. Nutzen bringet,/ So fordert unser Pflicht, daß jeder täglich singet.«27 Beachtenswert an diesen Versen ist, daß die mit der >Clodius-Ära< eintretende Orientierung der Gesellschaft auf die bewußte Pflege von Sprache und Literatur hier noch nicht erkennbar wird; was zählt, das ist allein die Freude am Dichten in geselliger Runde und die daraus resultierende seelische Ausgeglichenheit und moralische Belehrung.28 In einer Verbindung zur Verteidigung der Poesie kann der Hinweis auf ihren göttlichen Ursprung stehen, eine in den Poetiken des 17. Jh.s häufig gebrauchte Argumentation, gerade auch im Blick auf die Verteidigung der Poesie.29 Alle Völker, heißt es in dem schon zitierten Gedicht von S. Fuchs, verehren Gott nicht nur durch Opfer, sondern auch durch Lieder und Ge26

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Die durch die gerettete Poesie belohnte Musen-Söhne [...] (Gedichtbände VI, Bl. 146 r -251 r ). In einem anderen Gedicht heißt es über die Verfolgung der Poesie: »Man jagt sie von der Welt, man sucht sie auszurotten,/ Indem ein ieder meint, daß sie unbrauchbar sey./ Wo kommt das Übel her? vom vielen Verße Schreiben [...]« (Gedichtbände, V, Bl. 44 r -45 r ). Ein gutes Bild von den gegen die Poesie gerichteten Anschuldigungen kann man aus einer Publikation des schlesischen Theologen Gottfried Ephraim Scheibel gewinnen (Die Unerkannte Sünden der Poeten), die zwar erst 1734 erschien, aber Scheibeis Studentenzeit in Leipzig (1716-1719) zum Hintergrund hat. Die »Sauff- und Studenten-Lieder« sind für Scheibel besonders anstößig (vgl. Dahlke [Johann Christian Günther], S. 97f. u. öfter). Gedichtbände IV, Bl. 34 r -35 r , von Siegmund Ludwig. Eine Andeutung, daß es der Gesellschaft auch um die Verbesserung der Dichtkunst geht, findet sich in einem Carmen von 1715, wobei aber auch dann sogleich zur Bedeutung der Poesie als Seelentröster übergegangen wird: »Die ihr euch schon viele Zeit an der Poesie ergötzet,/ Und die Tichter-Kunst der Deutschen stets zu excoliren trachtet,/ Die da Wentzeln, Hofmannswaldaun einen großen Nahmen macht./ Dieses ist Minervens Gunst, die sie den Poeten schencket,/ Wenn sie durch die Poesie Gram und Aergerniß versencket« (Gedichtbände IV, Bl. 17 v -18 r ). Vgl. M. Opitz, Von der Poeterei, Kap. I. Vgl. zu diesem Thema jetzt Hans-Georg Kemper: Religion und Poetik. In: Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock. Hg. von Dieter Breuer. Wiesbaden 1995 (Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung 25), S. 63 - 92. Nach Kemper tendieren die Poetiken des Barock immer deut-

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sänge.30 Werde die Wahrheit von den Theologen, Juristen und Medizinern aufgegeben, so fände sie Aufnahme bei der Poesie: »Hat mich die Poesie recht zärtlich aufgenommen./ Wer siehet also nicht, daß sie was göttlichs sey.« Die Poesie habe nichts mit dem Wahn der heidnischen Dichter zu tun, sondern der Höchste selbst hat sie der Seelen eingegeben [...] Es ist die Poesie des Himmels reines Kind,/ der Höchste hat in uns dergleichen Krafft gelegt [...] Der Verse Liebligkeit und holder Worte Zier/ Bezeuget, es muß ihr Thun vom Sitz der Sternen stammen,/ Es bleibt die Poesie die edle Wißenschafft,/ So ieder, der von ihr ein rechter Kenner, lehret,/ Ihr Wesen sey von Gott weil die gedrillte Krafft/ die den Verstand regiert, zu ihren Thun gehöret.31 Verwendung zur Legitimation der Poesie findet auch der »historische Beweis«: Schon die alten Hebräer, erst recht die frühen Christen, haben gedichtet und gesungen.32 Erstmals wird 1699, soweit ich sehe, Die Liebe zur Teutschen Sprache thematisiert: Das Studium anderer Sprachen sei nicht zu verachten, jedoch: »Es soll in uns nur Lust zur Mutter Sprache legen/ Daß sie nach Möglichkeit ein ieder Sohn verehret./ Und sie verdient es auch.« Es folgen dann die damals gängigen, im Kern bis in die Historiographie des Humanismus zurückreichenden Argumente, die das besondere Altertum der deutschen Sprache belegen soll - ihr reicher Wortschatz und ihre Reinheit. In Verbindung mit der Idee von der Translatio Imperii an die Deutschen soll die angenommene besondere Ursprünglichkeit der deutschen Sprache deren Überlegenheit insbesondere über die Idiome der Italiener und Franzosen begründen, die doch nur Ableger des im Vergleich zum Deutschen jüngeren Lateins bilden würden:33 »Wer sollte nun den Schluß vor ungebührlich achten/ Der Teutschen Sprache Preiß sey aller vorzuziehn?/ Ja welcher wollte nicht dahin mit Fleisse trachten,/ Daß sie mag iederzeit in voller Anmuth blühn?«34

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licher dahin, die Poesie als autonomen Bereich zu betrachten, d. h. aus der Verbindung zu Religion und Theologie zu lösen. »Sie pflegen insgesammt auch Lieder abzusingen./ Beweiset dieses nicht ihr Neider! allzuklahr/ Daß Gott die Poesie zu seinem Dienst erwehlte [...]« (Gedichtbände VII, Bl. 33 r -36 r , von Johann Samuel Fuchs, 15. 7.1723). Gedichtbände VII, Bl. 33 r -36 r , von Johann Samuel Fuchs, 15. 7.1723. Der göttliche Ursprung der Poesie wird 1726 auch von Gottsched in den Vernünftigen Tadlerinnen verteidigt (VIII. und XVII. Stück). So verweist G. W. Rothe in seinem Antrittsgedicht darauf, daß schon Mose dichtete. Aus der christlichen Epoche werden dann u. a. genannt: Prudentius, Paulinus von Nola, Grotius, Rist, Opitz, Buchanan, Gryphius, Besser, Wentzel (Gedichtbände IV, Bl. 18 v -21 r ). Vgl. über die Herausbildung dieses nationalen Geschichtsbildes Notker Hammerstein: Geschichte als Arsenal. Geschichtsschreibung im Umfeld deutscher Humanisten. In: Geschichtsbewußtsein und Geschichtsschreibung in der Renaissance. Hg. von A. Buck, T. Klaniczay und S. Κ. Németh. Budapest 1989 (Studia Humanitatis 7), S. 19-40. Gedichtbände I, Bl. 157 r -158 v : Gedicht für die Hochzeit von Prof. J. G. Hardt (1699)

86 Der Rang und die Bedeutung der deutschen Sprache erfordert ihre strikte Reinhaltung, d.h. den Verbot aller Sprachmengerei. So heißt es in Apollinis Unwillen über die verderbte Teutsche Sprache, wo gegen das Eindringen des Französischen polemisiert wird: Solt' Euer Sprach Euch nicht den schönsten Vorrath reichen,/ An Anmuth Zierlichkeit und Nachdruck andern weichen?/ Hört nur, was Lohenstein, was Hoffmannswaldau spricht,/ Seht, wie ihr kluger Geist die Reden eingerichtet./ So werdet ihr beschämt daraus erkennen müßen,/ daß ander Sprachen nichts vor euch zu rühmen wißen [,..]. 35

Diese allerdings nur sehr gelegentlichen Hinweise auf Ruhm und Ehre der deutschen Sprache lassen das Görlitzer Collegium in einer auch, aber durchaus nicht allein von den Sprachgesellschaften geprägten Tradition erscheinen, die in der Abwehr aller >Ausländerei< die Muttersprache aufwerten möchte, wobei dieses Bestreben sich im wesentlichen auf die Poesie beschränkt.36 Eine Sprachgesellschaft ist das Collegium Poeticum deshalb nicht gewesen. Der Paragraph 6 der Statuten der Gesellschaft forderte, daß alle dem Collegium vorgelegten Dichtungen ein gewisses literarisches Niveau aufweisen sollten; nur dann hatten sie auch Aussicht, in das Buch der Sozietät eingetragen zu werden (§ VII und VIII). Leider wissen wir nicht, in welcher Weise diese kritische Auseinandersetzung mit den Elaboraten der einzelnen Mitglieder abgelaufen ist. Daß Gedichten die Aufnahme in die Bücher verweigert worden ist, will dem heutigen Leser angesichts der dort enthaltenen nicht selten recht müden und steifen Reimerei als kaum wahrscheinlich vorkommen; jedoch es fehlt eben an entsprechenden Aufzeichnungen oder sonstige Mitteilungen, die uns hier weiterhelfen könnten. Auf die geradezu obligatorische Beteuerung eines jeden Kandidaten, er sei ein im Grunde unwürdiger Musenjünger, wurde schon hingewiesen. Jedoch finden sich auch Ermahnungen, die an die neuen Mitglieder gerichtet werden: »Vor allen hütte Dich: daß nicht fast alle Zeilen,/ Sind so sehr kauderwelsch, daß Hunde möchten heulen,/ Und alle Verße lahm nebst der Erfindung schlecht,/ die Application fast gar geradebrecht.«37 Bei der Einschätzung der poetischen Produkte der Gesellschaft hilft uns ein Blick auf die literaturgeschichtliche Situation der Zeit. Die Mitglieder stammen in den ersten Jahrzehnten fast ausschließlich aus der Oberlausitz und aus Schlesien;38 die Dichtung der sogenannten Zweiten schlesischen 35 36

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Gedichtbände II, Bl. 438 v -489 v . Daß es eine der Schwächen der alten Sprachgesellschaften gewesen sei, ihre Bemühungen auf die Poesie einzugrenzen, bildet ein mehrfach wiederholter Vorwurf von Leibniz (z.B. in: Eine deutschliebende Genossenschaft. In: Leibniz [Deutsche Schriften], Bd. 1, S. 58). Gedichtbände IV, Bl. 18 v -21 r , von G. W. Rothe. Vgl. Arno Lubos: Geschichte der Literatur Schlesiens. 1. Bd., 1. Teil. Würzburg 1995, zur Barockliteratur S. 133ff. (umfangreiche Literaturangaben).

87 Schule steht in dieser langen Zeit bei ihnen ungebrochen in hohem Kurs. Vor allem sind es Hoffmanswaldau und Lohenstein, denen man nacheifern möchte; wichtig ist aber auch Christian Gryphius, der sich im Gefolge von Christian Weise vom »Schwulststil« allerdings abwendet. Seine Dichtungen erfreuen sich um die Jahrhundertwende größerer Beliebtheit als die seines Vaters.39 Die Statuten von 1697 schreiben den Gebrauch der schlesische Pronunciation beim Dichten vor, und neben dem in der deutschen Literatur immer lebendig gebliebenen Regionalismus mag auch das im 17. und frühen 18. Jh. recht lebendige Selbstbewußtsein der Schlesier eine Rolle gespielt haben, daß ihre Provinz das Vaterland der modernen deutschen Poesie bilde.40 Überhaupt werden bis in den Beginn des dritten Jahrzehnts des 18. Jh.s unterschiedslos die Vertreter der schlesischen Schule des vergangenen Jahrhunderts neben den Dichtern genannt, die sich an neuen literarischen Richtungen zu orientieren suchen. Noch 1717 rühmt Petermann in einem an die Poesie gerichteten Gedicht in einem Zuge Lohenstein, Hofmannswaldau, Gryphius, Mühlpfordt und Abschatz als schlechthinnige Vorbilder und fährt dann fort: »Dein Ziegler opffert Dir, nimm seine Liebespfänder,/ Was Besser aufgesetzt, ist die Vollkommenheit./ Menantes, Wentzel, Brocks, Philander von der Linde [...] Ihr, ihr Verewigte, trotzt allen Hönereyen«.41 Der seit 1717 als Oberzeremonienmeister in Dresden wirkende Johann von Besser (1654-1729),42 der literaturgeschichtlich eine Zwischenstellung zwischen dem Marinismus der Zweiten Schlesischen Schule und der zu Gottsched führenden rationalistischen Dichtung einnimmt, taucht im zweiten Jahrzehnt des Jahrhunderts in den Dichtungen der Gesellschaft nicht selten als Vorbild auf: »Doch schweigt! Herr Beßer lebt! sein aufgelöster Geist/ Schwingt sich nach jener Höh, wo nichts mehr sterblich heist./ Hier aber 39

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Des seel. Gryphii Letztes Ehren Gedächtniß (gemeint ist Christian Gryphius, Gedichtbände, III, Bl. 57 r -59 r , von H. von Sebottendorff): »Du hast kein geiles Wort auf das Papier gekleckst,/ Es machte Deine Schrifft den Nächsten nie zu nichte,/ Drum trägts Du nach der Zeit den ungemeinen Lohn,/ Der wahren lichter Kunst in Ewigkeit davon.« In dem von Paul Düren auf das Namensfest von Sebottendorff verfaßten Gedicht »Das sich über den Tod seiner Poeten tröstende Schlesien« (Gedichtbände III, Bl. 72 r -73 v , hauptsächlich auf Chr. Gryphius, Sebottendorff wird als neuer großer schlesischer Dichter gefeiert) heißt es: »O, ich weiß wie Lohenstein und Hoffmannswaldau schreiben«; dann werden Ziegler und Gryphius als Vorbilder gerühmt Gottlob Kästner dichtet: »Lebt Hofmannswaldau nicht annoch auf allen Zungen. Was Flemming, Mühlpfort, Dach, Rist, Tscherning, Golau, Schoch/ Was die beiden Gryphii und Lohenstein gesungen/ Was Ziegler auffgesetzt, das liebt und rühmt man noch.« (Gedichtbände III, Bl. 332 v -334 r ). Vgl. zur Dominanz der schlesischen Mundart Konrad Burdach: Die Wissenschaft von deutscher Sprache. Ihr Werden. Ihr Weg. Ihre Führer. Berlin u. Leipzig 1934, S. 1-18. Gedichtbände IV, Bl. 105 v -106 r , von J. E. Petermann). Das Gedicht läßt sich nur indirekt datieren; wenige Seiten weiter folgt das Accessionsgedicht G. Meyers, der am 9. 9.1717 in die Gesellschaft aufgenommen wurde. Vgl. Killy 2, S. 481f. Dünnhaupt I, S. 534-543.

88 werden ihm die Besserischen Schrifften/ Die unverbeßerlich das beste Denckmal stiften.«43 Welche Autorität Besser zumindest in Sachsen genoß, geht aus Johann Georg Hamanns apodiktischer Feststellung hervor: »Ein junger Mensch, der sich in der deutschen Sprache feste setzen will, muß gute deutsche Bücher lesen. Darunter sind des Herrn von Bessers Schrifften ohnstreitig oben anzusetzen. Dieser grosse und vortreffliche Mann wird unsern Nachkommen einstens, so zu sagen, ein Autor Classicus seyn.«44 In Menckes Gespräch über die Poesie urteilt Tityrus, gegenwärtig sei allein Besser in der Lage, eine deutsche Epope zu schreiben. Philander (Mencke) verliest dann ein Gedicht von Besser auf Eberhard von Danckelmann und urteilt: »Es sind lauter gute Gedancken in seinen Gedichten, und wie alles bey ihm galant und ungezwungen ist, so pflegt er sich der ordinairen Flick-Wörter gar selten zu bedienen, und weiß hingegen die Zeilen mit lauter langen und wol choisirten Wörtern geschickt zu erfüllen.«45 Mit dem verstärkten Einströmen von Mitgliedern, die nicht aus den Lausitzen oder Schlesien stammten, mußte mit der Zeit die zentrale Wertschätzung der schlesischen Dichtung auf Widerstand stoßen. Besondere Probleme bereitete die im § 6 geforderte »schlesische Pronunciation«. Ob in dem Antrittsgedicht von S. G. Seyfried (1720), der allerdings aus Ebersbach (Oberlausitz) stammt, bereits indirekte Kritik an dieser Festlegung geübt wird, läßt sich schwer sagen. Er habe, heißt es, nach seiner erfolgten Zustimmung zu den Gesetzen der Gesellschaft geglaubt, er sei nun deren Mitglied. Jetzt sähe er aber, daß von ihm das sechste Gesetz der Gesellschaft nicht beachtet worden ist: »Es soll sich keiner nicht den Dichtern einverleiben/ Er sey denn wohlgeübt, sonst wird er ausgelacht/ Wenn er Construction und Scansion in Dichten/ Pronunciation und Elocution/ Und was darzu gehört nicht zierlich einzurichten/ Und vorzubringen weiß.« Selbstkritisch muß er bekennen: »Hier sieht man nichts davon./ Es will der schlechte Reim nicht nach den Reguln schlüssen/ Mir ist der Dichter-Kunst in allen unbewust:/ Sonst würd' ich nicht so hart und fast gemartert schlüßen [.. ,].«46 Daß am Ende des zweiten Jahrzehnts ihrer Existenz kaum verhüllte Kritik an den Dichtungsregeln 43

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Gedicht auf Bessers (angeblichen) Tod: (Gedichtbände VII, Bl. 14r, von B. Hoffmann). Hamann, Lexikon, S. 98f. Der lautstärkste Verbreiter des Ruhmes Bessers ist freilich J. U. König, der ihm allerdings auch viel zu verdanken hat. Bezeichnend ist eine Äußerung in einem Schreiben an Bodmer, in denen er den Schweizer darum bittet, seinen an sich gutgeheisenen Kampf um die Abschaffung des Reimes zurückzustellen, »weil wir [...] den Hrn. von Besser so aufgebracht deßwegen finden.« (Brandl [Brockes], S. 142. Vgl. auch S. 149£). Philander von der Linde (J. B. Mencke): Vermischte Gedichte [...] Nebst einer ausführlichen Unterredung Von der Deutschen Poesie [...] Leipzig 1727, S. 154f£ Vgl. Wilhelm Haertel: Johann von Besser. Sein Leben und seine Werke. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Hofdichtung. Berlin 1912 (Literarhistorische Forschungen XLVI), S. 154ff. über die Wirkung Bessers. Gedichtbände IV, Bl. 14 v -15 v , von S. G. Seyfried.

89 der Gesellschaft geübt werden konnte, zeigt das Abschiedsgedicht von Michael Konrad Glaser aus der Niederlausitz. Wohl seien für das Dichten Regeln unaufgebbar, aber: »Jedoch es fragt sich erst: ob solche Regeln gelten,/ Die ziemlich general und unumschräncket seyn?/ Man allegiret zwar dergleichen gar nicht selten,/ Allein was mich betrifft, ich sage gäntzlich Nein!/ Wer selber Augen hat muß nicht mit frembden sehen,/ Weil die autoritaet der großen Leute trügt [...].« Man habe sich nach der im jeweiligen Land gebräuchlichen Sprache zu richten. Durch die zahlreichen Dialekte sei in Deutschland die sprachliche Verständigung nicht gerade einfach; so werde ein Schwabe in Meißen nicht verstanden: Drum soll man allerdings dergleichen Art erwehlen/ Als dorten, wo man lebt, recht und gebräuchlich ist./ Die Ohren müßen erst vor andern gleichsam stehlen/ Was recht geredet heiße? Was reimt und richtig fliest./ Hiervon muß unser Kiel in keinen Stücke weichen,/ Wenn es nicht abgeschmackt und pöbelhafftig klingt.47

Ein anderes Thema bildet in diesem Zusammenhang die Auseinandersetzung um die Notwendigkeit des Reims. Bedenken ob der wilden Reimwut der Zeitgenossen äußert schon der eher zurückhaltende Mencke. Man solle möglichst viele einsilbige Wörter verwenden, »denn die gröste Schönheit der Verße besteht, meines Erachtens, darin, daß nicht allzuviel Consonantes zusammen kommen, welche die delicaten Ohren nothwendig mehr choquiren müssen, als die Vocales.« Die Reime, heißt es dann, müssen gleichlautend sein und aus keinen widrigen Konsonanten bestehen, »hernach hat man auch auf den tonum und valorem vocalium Achtung zu geben; und da steht einem Schlesier immer mehr frey, als einem Meißner. Und ich getraue mir zu erweisen, daß es eben kein Wunderwerck sey, daß es unter den Herren Schlesiern viel Poeten giebt.« Bei ihnen würde sich vieles reimen; »In Meißen sind wir schon etwas eckler«; bestimmte Reime seien nur als »Licentia poetica« erlaubt; »die Pensée« müsse diesen Fehler ausgleichen.48 Im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die >Schwulstdichtung< geraten jetzt die Reime überhaupt immer stärker in die Kritik.49 In ihren Discourse der Mahlern verurteilen Bodmer und Breitinger den Reim als falsches Wortspiel. Man könne ihn nicht respektieren, da er »die Gedancken hemmen, die besten Expressionen entkräfften, an ihrer statt andere, schwache und närri-

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Gedichtbände V, Bl. 58-59, von Michael Konrad Glaser, Abschiedsgedicht vom März 1720. Vgl. damit Menckes Kritik an der Anwendung von Regeln in der Dichtung: »Doch wer fleißig Poeten liest, und imitirt, oder auch aus andern Sprachen übersetzt, bedarf weiter keiner Regeln: Denn in diesen drey Stücken hat ein Liebhaber der Poesie alle Kunstgriffe beysammen, die er braucht, wenn er sein Meisterstücke machen wil.« (S. 313) Mencke, (Gespräche), S. 310f. Vgl. zum folgenden die gründlichen Ausführungen von Claus Schuppenhauer: Der Kampf um den Reim in der deutschen Literatur des 18. Jahrhunderts. Bonn 1970 (Abhandlungen zur Kunst-, Musik- und Literaturwissenschaft 91).

90 sehe einführen« würde 50 Gegen diese radikale Ablehnung der Reime wendet sich der einflußreiche Kreis der Hamburger Dichter um Brockes, insbesondere Christian Friedrich Weichmann, aber auch der der Leipziger Gesellschaft angehörende Johann Georg Hamann. 51 Nach einem an Bodmer adressierten Bericht des Dresdner Hofpoeten Johann Ulrich von König (1688-1744) 5 2 sollen die Discourse und deren Angriff auf die Reimdichtung in Leipzig Beifall gefunden haben. In »einer gelehrten Gesellschaft [...] welche aus den aufgewecktesten Köpfen daselbst bestehet, und sich alle Wochen einmal zu versammeln, und von gelehrten Neuigkeiten zu unterreden pfleget«, sei man der einhelligen Auffassung gewesen, »daß Dero Bemühung nicht fruchtloß abgehen, sondern dem verdorbenen Geschmack in der deutschen Poesie rühmlichen Einhalt thun würde.« 53 Ob damit unsere Gesellschaft gemeint ist, läßt sich schwer sagen; der Hinweis auf den Austausch »gelehrter Neuigkeiten« spricht eher dagegen. Eingebunden in dem nun aufbrandenden Kampf gegen die Schwulstdichtung und gegen den Reim sehen wir jedenfalls nicht die Leipziger Poetenge50

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Discourse der Mahlern. Zweyter Theil. Zürich 1722, S. 52 (Nachdruck Hildesheim 1969). In der Vorrede zu seiner Schrift »Nützlicher und brauchbarer Vorrath [...]« geht Hamann auch auf die Diskussion um den Reim ein: Die Reime seien von den >Mahlern< angegriffen worden, Weichmann habe jedoch im 2. Teil der »Poesie der Niedersachsen« gute Gegenargumente vorgebracht; auch sei bisher niemand den Vorschlägen der >Mahler< gefolgt. Weichmann wendet sich im übrigen zum Streit um den Reim in einem langen Schreiben an Bodmer, in dem er seine Position so zusammenfaßt: »Daß viele Poeten ohne Reim geschrieben, ist mir gar wol bewust: ich tadle sie deßwegen nicht, und, wie ichs nicht gut heissen würde, wenn man bloß wegen Aussetzung des Reimes die reimenden Poeten ihnen vorziehen wollte; so kann ich gleichfalls nicht zugeben, daß man diese bloß wegen Beybehaltung des Reims jenen nachsetzen will.« (Hamburg, 12.10.1724; Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer 6. 8). Vgl. Max Rosenmüller: Johann Ulrich von König. Ein Beitrag zur Literaturgeschichte des 18. Jahrhunderts. Diss. Leipzig 1896. Killy 6, S. 429-431; MGG 1 7. Bd., Sp. 1364-1366 (mit ausführlicher Bibliographie der Werke Königs und der Sekundärliteratur). Zu Königs Stellung am Dresdner Hof vgl. K. Heidt (Der vollkommene Regent), S. 59ff. Vgl. Litterarische Pamphlete aus der Schweiz. Nebst Briefen an Bodmern. Zürich 1781, S. 30. Diese Mitteilung findet ihre Bestätigung durch einen Brief des Verlegers Schuster an Bodmer: »Die Mahler Discourse werden immer mehr bekannt, und thue mein bestes selbige zu distrahiren. Unser Hoff Poete Herr Geheimbder Secretair König hat solchen großen estim vor Ihre arbeit, daß er nicht unterläßet in den grösesten assemblén bey Hoffe iederzeit davon mit großen rühm zu sprechen.« (Leipzig, 7.5.1723, Zentralbibliothek Zürich Ms Bodmer 4c. 22). Differenzierter ist die Stellung Gottscheds. Im XXXIV. Stück der Vernünftigen Tadlerinnen (Jg. 1725) äußert sich ein Herr Philologus über die Discourse und lobt deren Kritik an der Schwulstdichtung. Andererseits zeigten die Herausgeber der Zeitschrift sich in ihren eigenen Dichtungen noch die gleichen Fehler. Die >Tadlerinnen< verweisen in ihrer Antwort darauf, daß es leicht vorkomme, »daß jemand von ohngefehr wider sein eigenes Erkenntnis handelt.«

91 sellschaft, sondern König. Er bietet jetzt den Schweizern ein gemeinschaftliches Vorgehen gegen die Hamburger an. Durch die Gründung einer »Boberfeldischen Gesellschaft« und durch die Herausgabe eines Periodikums soll gleichsam im Namen Opitz' Front gegen den Verfall der Dichtkunst bezogen werden. 54 Dritter im Bunde ist der Leipziger außerordentliche Professor der Eloquenz Johann Gottlieb Krause,55 der als Herausgeber verschiedener Zeitschriften über erheblichen Einfluß verfügt. Differenzen zwischen Dresden und Zürich bringen jedoch letztendlich das ganze Vorhaben zum Scheitern. Die außerordentliche hohe Wertschätzung von Opitz ist allerdings später Gottsched und den Schweizern in ihrem Kampf gegen die spätbarocke Dichtung gemeinsam: Der >Vater der deutschen Dichtkunst wird gegen die >Schwulstdichter< angerufen, die von seinen Lehren abgewichen seien. 56 Ob solche Fronten bereits innerhalb der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft gezogen worden sind, könnte bestenfalls die aufwendige Untersuchung ihrer Dichtungen ergeben. Daß Tendenzen zugunsten einer Rückkehr zu einer ursprünglichen Natürlichkeit laut werden, zeigt immerhin ein Antrittsgedicht aus dem Jahre 1720 unter dem bezeichnenden Titel Die orthodoxe Clio. In der Intention geht es hier gegen die in der jetzigen »bösen Zeit« allein herrschende Geltung der »opinio von jedermann«, die sich gegen das »was Gott befohlen hat, und unser Regul heiset« richte, d.h. gegen die als »orthodoxen Sinn« bezeichnete »wahre Weißheit«. Die Orthodoxie werde sich letztendlich jedoch durchsetzen, auch in der Dichtkunst: So dachte Clio nächst. Sie kam von ihren Söhnen,/ Bey denen Sinn und Rath nur eintzig dahin gingJ Die theure lichter Kunst mit Fleiß und Witz zu crönenJ weil Nett- und Reinlichkeit bloß ihre Herzen fieng./ Denn was gezwungen klingt, den Tand der lahmen Reime/ Das Flick und Stücke Werck von einen lobesan/ Das schöne bringen ein, die ausgepeitschnen Träume/ und was nicht beßer schmeckt, das alles stanck sie an./ Drauf sprach der Clio Mund: so läßt sich bey den Linden;/ Daran Mercurius und Pallas Cräntze windet:/ Auch ein Collegium von orthodoxen finden!/ wohl, wenn die Söhne so, wie mir gerathen sind./ Fahret liebsten Söhne fort, wenn gleich die Spötter singen/ Wenn man euch orthodox und Ketzer mache-

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Vgl. zur Boberfeldischen Gesellschaft die ausführliche Darstellung bei Schuppenhauer (Kampf um den Reim), S. 117-128. Die Quellengrundlage für die dortigen Ausführungen bieten die im Anhang zu Brandl abgedruckten Briefe Königs an Bodmer, vgl. auch ein undatiertes Schreiben Krauses an Bodmer in: Johann Ulrich König: Gedichte. Dresden 1745, S. 632-637; Rosenmüller (König), S. 133f£; Waniek, S. 75ff. Vgl. Friedrich Carl Gottlob Hirsching: Historisch-litterarisches Handbuch berühmter und denkwürdiger Personen. 3. Bd., 2. Abteilung, S. 371-374 (mit Schriftenverzeichnis). Eine ausführliche Biographie Krauses findet sich bei Carl Günther Ludovici: Ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der Wolffischen Philosophie. Leipzig 1735-1738 (3 Bde.), III. Teil, S. 173-178. Vgl. Felix Leibrock: Das Interesse an der Barockliteratur bei Gottsched und den Schweitzern. In: Europäische Barockrezeption. Hg. von Klaus Garber. Wiesbaden 1991 (Arbeiten zur Barockforschung 20), S. 327-336.

92 risch nennt,/ Laßt keinen unter euch die Sylben in Reime zwingen/ Nichts gelten was ihr nicht vor orthodox erkennt.57

Auch das 1722 von J. G. Hamann verfaßte Festgedicht zum 25. Jubiläum der Gründung der Gesellschaft (s. Quellentexte 1), dem man also einen gewissen offiziellen Charakter zubilligen kann, tadelt den »schnöden Reim« als »die lähmste Betteley«. Man wird wohl davon ausgehen können, daß die »Teutschübende Poetische Gesellschaft« von der Debatte um den Reim zumindest erfaßt worden ist. Gottsched hat im übrigen den Reim weder abgelehnt noch als notwendig bezeichnet; jedoch variiert die von ihm jeweils vorgenommene Akzentsetzung. In einer vor der Deutschen Gesellschaft gehaltenen Rede bezeichnet er die Verbindung zwischen der reimenden und der das Silbenmaß beachtenden Dichtung als die vollkommene Poesie: »Die Deutschen aber haben nebst den Holl- und Engelländern auch Dänen und Schweden das Sylbenmaaß der Griechen und Römer mit ihren Reimen vereiniget, und also das äußerliche Wesen der Poesie auf den höchsten Grad der Kunst getrieben.« (s. Quellentexte Nr. 3). In seiner Antwort auf die Antrittsrede von Christian Ludwig von Seckendorff in der Deutschen Gesellschaft spricht sich Gottsched jedoch zugunsten der reimlosen Verse aus, ohne doch geradezu die Abschaffung des Reims zu fordern. 58 Lavierend reagiert er Ende der dreißiger Jahre auf die scharfe Ablehnung der reimlosen Dichtung durch seinen Mäzen Manteuffel, der solche Verse als schockierend für sein Ohr empfindet. Gottsched verteidigt einerseits den Reim und lobt die im Deutschen mögliche Verbindung von Reim und Silbenmaß, vermittelt dem Grafen jedoch andererseits die Hoffnung, durch reimlose Übersetzungen »ausländischer Poeten« könnten die Deutschen an Dichtungen dieser Art gewöhnt werden. Dann wäre die Stunde für einen »großen Dichter« gekommen, poetische Werke ohne Reim zu verfassen.59 Jedoch, weder Poesie und Sprache, noch die im weiteren zu behandelnden Bereiche des studentischen Leben bilden in den ersten Jahrzehnten der Gesellschaft die vorwiegenden Themen der dichterischen Produktion, sondern eher das Streben nach einer moralisch reinen, religiös geprägten Lebensführung. Dieses Ziel unterscheidet jene Texte von den poetischen Übungen der Leipziger Studenten des vorangegangenen Jahrhunderts, die mehr Gewicht 57 58

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Gedichtbände V, Bl. 37 r -38 r , von Gottfried Geyser. »Denke ich ferner an die unzehlichen falschen Gedanken, ungeschickten Redensarten und an die gezwungene Sylbenhenkerey des grossen Haufens unsrer Poeten: so habe ich einen neuen Grund zu wünschen, daß Deutschland ungereimte Verse schreiben möchte. Je besser sich bisweilen unsre Gedichte reimen, desto ungreimter werden unsre Gedanken und Ausdrückungen. Die gesunde Vernunft leidet Noth, und die Sprachkunst muß sich der Gewalt eines eigensinnigen Klanges, wieder Willen unterwerfen.« (Gesammlete Reden, S. 59). Vgl. Schuppenhauer (Kampf um den Reim), S. 133ff. Vgl. Danzel, S. 28ff. (Briefe Gottscheds vom 31. 5. und 21. 6.1738).

93 auf die galante Lyrik und das Studentengedicht legten. Andererseits zeigen die >Görlitzer< mit ihren Intentionen durchaus eine Nähe zu den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s, die auch ethische Ambitionen verfolgten, d. h. die Tugend und die reinen Sitten fördern wollten. Die Pflege und Verbesserung der deutschen Sprache, so die Auffassung der Poetengesellschaft, und die Veredelung von Zucht und Sitten bedingen einander.60 Wie schon in den Satzungen der Fruchtbringenden Gesellschaft wird in den Statuten des Görlitzer Kollegiums (im ersten Paragraphen) ein »rechtschaffener und sittsamer Lebenswandel« eingefordert. Ausdrücklich untersagt ist das Verfassen von Pasquillen und »Buhlerliedern« sowie der Mißbrauch von Bibeltexten.61 Man mag dabei berücksichtigen, daß in diesen Jahren (1695-1697) Christian Reuters berühmte Satiren auf die Gastwirtsfamilie Müller, in deren Besitz sich die Wirtschaft zum Rothen Löwen in Leipzig befand, erschienen. Das Aufsehen, das diese Schriften erregten, auch und besonders in der Leipziger Studentenwelt, war außerordentlich groß; Reuter wird als Pasquillant von der Hochschule relegiert; vor dem Rothen Löwen kommt es zu Tumulten der Studierenden. Vielleicht, so kann vermutet werden, sind die zitierten Bestimmungen der Görlitzer Gesellschaft sogar vor dem Hintergrund dieser Ereignisse zu sehen.62 Auffällig ist immerhin, daß Reuter vor allem wegen seiner fiktiven Leichenrede auf die >Ehrliche Frau Schlampampegeist=reichen< Gesangs: Halle und die Ansätze einer pietistischen Liedkultur im Deutschland des ausgehenden 17. Jahrhunderts. In: >Geist=reicher< Gesang. Halle und das pietistische Lied. Hg. von Gudrun Busch und Wolfgang Miersemann. Halle/Tübingen 1997 (Hallesche Forschungen 3), S. 11-80, vgl. insbesondere S. 49ff. Über die (bisher vernachlässigte) Stellung religiöser Komponenten in der Tätigkeit der Sozietäten der Frühen Neuzeit vgl. Detlef Döring: Anmerkungen zur Bedeutung von Religion und Theologie in der Geschichte der Akademien der Frühen Neuzeit. In: Beiträge zur musikalischen Quellenforschung. (Protokollbände der Kolloquien Quellenforschung zur Musik in Mitteldeutschland< im Rahmen der Köstritzer Schütz-Tage 4). Bad Köstritz 1998, S. 15-27. Gedichtbände V, Bl. 39 v -40 r . Ein anderes Beispiel: »Sola virtus delectat: Weg bethörte Wollust-Bahn/ Weg verdammtes Sünden Leben,/ Welcher sich durch falschen Wahn/ Deiner schnöden Lust ergeben./ den begleitet nach den Freuden/ Kummer, Angst und schweres Leyden./ Denn was stets vergnügen kan/ Ist gewiß die edle Tugend/ Diese führet Himmel an/ Diese bleibt ein Schmuck der Jugend/ Ja sie heist nach Ehren ringen/ Und muß stete Wonne bringen« (Gedichtbände VI, Bl. 24r_v, von Christian Küpper). Die Menschen in ihrer übergroßen Mehrzahl folgen freilich nicht dieser Orientierung: »Verruchte Menschen Schaar!/ Wilst Du nicht Gottes Ruffen hören [...] Du bist vergnügt wenn Venus Taffei decket/ Kanst du dich nur in hohen Ehren sehn/ So läßt du Gottes Werck an Dich umsonst geschehn« (Gedichtbände V, Bl. 54v, von G. Meyer).

95 und Arme faßen/ Will gleich ein Unglückswind auf ihre Blüthe wehen/ So muß Er ihre Zier doch ungekräncket laßen/ Denn selbst der Himmel ehrt den edlen T\igendlauf£/ Drum setzt Er ihr zum Preiß viel lOOOsend Cronen auff.«67 Die Verachtung der Moral, die Lästerung der Tugend führen dagegen geradewegs in Richtung Verderben und Verdammnis; die Hölle erscheint noch als ganz konkrete Gefahr: »Ihr Teufel kommt! Nur kommt mich zuempfangen!/ Kommt, reißet mich in euren Pfuhl!/ O! wäre doch die Seele längst erhangen!/ Ich darff nicht mehr vor Gottes Stuhl,/ Die Seuffzer steigen ja von mir nicht in die Höh/ O Weh!« 68 Es fehlt dann auch nicht an Versuchen, Religion und >weltliche Wissenschaft als einander ausschließend zu betrachten; der Einfluß des Pietismus ist unverkennbar: »Morale labt die Brust. Morale, nur Morale/ Verdient als Königin den allergrösten Ruhm [...] Verwirrte Wißenschaft! Was Cicero geschrieben,/ Und was Hesiodus vor Lügen ausgedacht,/ Das will die Musen Zunft als Diamanten lieben./ Und ach! Das Bibel-Buch wird stete zugemacht t-..].« 69 Hart angegriffen werden auch die »heidnischen Poeten«: »Schande, daß man freye Christen in den Banden sehen muß./ Juvenalis, Quintus Flaccus, Publius Terentius,/ Plautus und Ovidius: Kurtz, der Heyden Liebes-Poßen/ Werden als Gelehrsambkeit jetzt der Kindheit aufgeschloßen [...] Nur die Biebel, nur die Biebel bleibt das aller beste Buch./ Leset diesen Liebes Brieff, welchen Gott an euch geschrieben.« 70 Das Betreiben der Poesie um ihrer selbst willen führt nur ab vom allein wahren Quellort des Lebens. Dieser ist an ganz anderer Stelle zu suchen: »Wer Ordnung und Gebeth zu seinem centro setzt/ Der hat wohl jederzeit das beste Ziel getroffen;/ Er kan vor seinen Fleiß auch solche Früchte hoffen«. 71 67 68

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Gedichtbände III, Bl. 81v. Die verzweifelte Seele (Gedichtbände VII, Bl. 27 r v, von J. G.Knöcher). Die Frage der Existenz der Hölle spielte insbesondere durch die Angriffe Pierre Bayles gegen diese Vorstellung und Leibniz' Verteidigung derselben in der 1. Hälfte des 18. Jh.s ein Thema lebhafter Auseinandersetzungen (vgl. Georges Minois: Die Hölle. Zur Geschichte einer Fiktion. München 1996, S. 350ff.). Gedancken über die Morale (Gedichtbände IV, Bl. 258 r -259 r , von Petrander [d.i. Johann Erasmus Petermann aus Görlitz]). Vom gleichen Verfasser stammt das Gedicht Das Buch aller Bücher: »Ach Poeten, wer die liest, der empfindet Himmels Lust!/ Eitelkeit. Nehmt die Propheten, die vergnügen recht die Brust./ Steckt in ihrer Poesie lauter Feuer? Dies verzehret./ Forschet, forschet in der Schrift. Dieses Feuer brennt und nährt.« (Gedichtbände IV, Bl. 234 r -237 r ). Erwecken solche Verse den Eindruck einer pietistischen Beeinflussung, so kann aber auch über die lebensferne Frömmelei bestimmter pietistischer Kreise gespottet werden: »Auf einen unchristlichen Pietisten: Marcolphus will mit Macht ein Pietiste seyn./ Die Hände leget er recht säuberlich zusammen;/ Die Augen werffen dann die reinsten AndachtsFlammen:/ Bald fället er auf dies, bald auf das ander Bein,/ Bald meint der stoltze Narr er sey im dritten Himmel,/ Veracht, verflucht, verdamt das munter Welt-Getümmel [...]« (Gedichtbände II, Bl. 219 r , von Gottfried Hedluff). Das Buch aller Bücher, Gedicht von Petrander (s. vorangegangene Anm.). Zu einem Gedicht Petermanns über Görlitz vgl. Paur (Ursprung), S. 256-259. Das andere Opffer der Poesie bey Fortsetzung des Collegii Poetici (Gedichtbände

96 Das Propagieren eines tugendhaften und frommen Lebenswandels in vielen Gedichten scheint noch weniger am bürgerlichen Begriff der Tugend orientiert zu sein, der sich in den ersten Jahrzehnten des 18. Jh.s allmählich durchzusetzen beginnt und die praktische, aktive, auf den Nutzen ausgerichtete Gestaltung des eigenen Lebens betont. 7 2 Es ist eher noch die weltflüchtige, an das Jenseits als der eigentlichen Heimat der Seele ausgerichtete Haltung des 17. Jh.s, der wir hier begegnen: »Drum eile liebste Seele/ Zu deinem Jesu hin/ Verlaß der Laster Hole,/ D i e zum Verderben ziehn,/ Verlaß die Sünden Speißen/ D i e tötlich Giefft bedacht,/ die dar die Straße weißen,/ w o Gluth und Hölle schreckt.« 73 D i e Welt, wie sie sich dem frommen Betrachter bietet, erscheint als feindlich, trostlos und beherrscht von den Mächten des Bösen. So heißt es in einer Meditation

auf das Neue Jahr, gemeint ist 1719:

»Wie die Menschen, so die Zeiten, beyde böse, ja verdammt./ U n d ach! wie ists sonst bestellt? Ach! wie das gemeine Wesen?/ Dieses hat statt sanffter Ruh, Streiten, Zanck u. Krieg erlesen [...] U n d so manchen Tag u. Stunde

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IV. Bd., Bl. 9 r_v ). Zur distanzierten Stellung der Pietisten zu Poesie und Kunst vgl. Kemper (Deutsche Lyrik. Bd. 5/1), S. 63ff. Dies ist vor allem das Thema der Moralischen Wochenschriften, nicht zuletzt der von Gottsched herausgegebenen Blätter. Vgl. Wolfgang Martens: Die Botschaft der Tilgend. Die Aufklärung im Spiegel der deutschen Moralischen Wochenschriften. Stuttgart 1971; eine zusammenfassende Darstellung vom gleichen Autor: Bürgerlichkeit in der frühen Aufklärung. In: Aufklärung, Absolutismus und Bürgertum in Deutschland. Hg. von Franklin Kopitzsch. München 1976, S. 347-363. Aufmunterung zur Buße, (Gedichtbände III, Bl. 82v, von Mauritius Morgenstern) . Ähnlich: »Hochmuth thut gar selten gut,/ Der sich läßt als Gott verehren,/ hört zuletzt noch diese Post:/ Du bist Erd und Würmer Kost:/ Drum will uns dieß Sprichwort lehren,/ Hochmuth thut gar selten gut./ Thut der Hochmuth selten gut,/ So muß man das Laster haßen,/ Und der Demuth nur allein/ Gantz und gar ergeben seyn« (Gedancken über den Hochmuth, in: Gedichtbände V, Bl. 138 v -139 r , von Christoph Trentsch). In einer Meditatio wird über die Sündenverfallenheit (Geiz, Ehebruch, Fluchen) der Menschen geklagt; am Schluß wird dann der bekehrte Sünder angesprochen: »Reiche Deine Wunden her, Sie verlangen dich zu heilen:/ Ruffen Gute Nacht ihr Sünden, süße Freyheit, küße mich:/ Ich will jetzt den Augenblick aus den schnöden Banden eilen./ Liebster Jesu, sey willkommen, weiche Welt, ich haße Dich!« (Gedichtbände IV, Bl. 117 r -118 v , von J. E. Petermann). Sehr hoch ist die Zahl der ganz der Erbauung gewidmeten Gedichte. Ich nenne nur einige Beispiele: A Jove Principium, Buß-Gedancken, Reise nach dem Himmel, Selige Gedancken über die guten und bösen Wege eines Studenten, Gute Gedancken nach dem Heiligen Abendmahl, Gute Gedancken nach der Beichte, Von der Beständigkeit der Religion, Weyhnachts-Gedancken, Kurtze Klage über den Todt Christi, Der über seinen doppelten Sünden-Fall klagende David, Den seine Sünden beweinenden Petrum in einer Buß-Ode vorgestellet, Das erschröcklichen Seelen-Gerichte, Zufällige Gedancken über der Verdammten und Seeligen Ewigkeit, In Natalem CHRISTI (lat.), Den leidenden Jesum unter den Bilde einer Rothen Rose, Auf den Fall unserer ersten Eltern, Buß-Gedancken über das sündige Jerusalem, Anmahnung zur beständigen Buße, Über die Geißelung Christi, Buß-Douet zwischen Jesu und der Seele.

97 uns das Neue Jahr verspricht,/ Ebensoviel Creutz u. Jammer, SchmertzensWort! das Hertze sticht.«74 Neben der Warnung vor einer Verherrlichung der Poesie um ihrer selbst willen finden sich andererseits (auch bei den gleichen Autoren) Lobpreisungen der Poesie, da sie den Weg zu einem tugendhaften Lebenswandel im Hier und Heute weisen könne: Du lernst der Lehren- Nutz und Anmuth zuvermischen,/ Du schlüßest Schertz und Ernst in wenig Zeilen ein;/ Du wilst den Lasterkoth aus unsern Seelen wischen,/ Hingegen in das Hertz den Itigend-Saamen streun./ Du weist den besten Weg zur Erbarkeit zu bahnen/ Von üblen Sitten ab, von guten anzumahnen. 75

Die hier zum Tragen kommende Auffassung, die Poesie sei eine Vermittlerin der Tugendlehren mittels der Sinnlichkeit, entspricht durchaus den Bestrebungen der Aufklärung, die damit freilich an das seit der Renaissance und dem Barock überkommene Verständnis von Sinn und Aufgabe der Dichtkunst anknüpfen konnte.76 In Verbindung mit dem Insistieren auf ein tugendhaftes Leben steht der im Barock verbreitete christlichen Stoizismus, dem wir in nicht wenigen Gedichten begegnen: »Mein Gemüthe strebt allein/ In sich selbst vergnügt zu bleiben./ Glück und Lachen, Furcht und Pein/ Soll den Schluß nicht hintertreiben./ Keine Reitzung soll mich thören,/ Und kein Zufall meine Brust/ Aus den Circuln ihrer Lust/ Durch Verdruß und Unruh Stohren.«77 Ein anderes Gedicht feiert die Gemütsruhe als das »höchste Gutt«: »Süße Ruhe der Gemüther/ Bleibt doch das höchste Guth,/ Auch bey rauhen Ungewitter/ Sieht man, was die Ruhe thut;/ Denn die holde Ruhe macht,/ Daß man alle Noth verlacht.«78 In enger Verbindung mit dieser Apathie steht das Denken an den Tod und an die Vergänglichkeit des Seins. Die Barockdichtung kommt auf dieses Motiv immer wieder zurück, der Vanitasgedanke besitzt bei vielen Autoren prägende Kraft; auch die Dichtungen der Görlitzer Gesellschaft sind von ihm durchdrungen: »Was ist alles auf der Erden? lauter Schein; ein leeres Nichts./ Was ist unser gröste Pracht? Dunckler Schatten eines Lichts,/ Sie ist denen Zweigen gleich, die den Einzug Christi zieren,/ 74 75 76

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Gedichtbände IV, 241 r -242 r , von J. Chr. Friedrich. Über die Poesie (Gedichtbände IV, Bl. 105 v -106 r , von Petermann). Vgl. Angelika Wetterer: Publikumsbezug und Wahrheitsanspruch. Der Widerspruch zwischen rhetorischem Ansatz und philosophischen Anspruch bei Gottsched und den Schweizern. Tübingen 1981 (Studien zur deutschen Literatur 68), S. 48ff. Die Verfasserin sieht das Verhältnis zwischen den poetologischen Traditionen und den moralphilosophischen Bestrebungen der Aufklärung als ein wechselseitiges an. Die Besiegung Seiner selbst, und seiner Gemüths-Regungen (Gedichtbände VII, Bl. 63 v -64 v , von Samuel Seidel). Gedichtbände IV, Bl. 78v. In einem Gedicht In solitudine solatium heißt es: »Stille Ruh der Einsamkeit/ Soll den matten Geist vergnügen,/ Und mich nun und alle Zeit/ Als ihr Eigenthum besiegen/ Denn der Schluß ist fest gemacht,/ Eitelkeit zu guter Nacht!« (Gedichtbände VI, Bl. 28r"v).

98 Ist der weg, so sieht man sie zu den Feuer-Ofen führen.« 79 Alles Trachten nach Reichtum und Ruhm ist eitel; es ist nur ein Haschen nach Wind: »Nichts bleibt auf der Welt als unbeweglich stehen,/ Was heute Cedern gleicht, fällt morgen krafftloß hin:/ [...] Besonders sollen wir die Lüste dieser Erden,/ Woran das Hertze klebt, stets in Betrachtung ziehn/ Wie Wollust, Ehr, und Geld in nichts verwandelt werden/ Und schöne Blumen gleich in kurtzer Zeit verblühn [...].« 80 Statt an Geld und Ehre gilt es an das Sterben, an den womöglich bald bevorstehenden eigenen Tod zu denken: »Was hilfft mich Sterblichen doch alle Kunst und Wißen/ Worauf ihr früh und spät die muntren Sinnen lenckt?/ Was hilfft es wenn ihr euch auf alles wohl befleißen,/ Wenn ihr nicht auf die Kunst recht wohl zu sterben denckt?« 81 In nicht wenigen der religiösen Dichtungen ist eine sich schon im 17. Jh. anbahnende, schließlich im Pietismus weite Verbreitung findende Tendenz zur stark gefühlsbezogenen, zur ästhetisierenden Lyrik greifbar, wie sie dann beispielsweise in den Liedern Zinzendorfs besondere Wirkungsmacht erlangen wird. 82 Auf den dort zentralen Blut- und Wundenkult deuten solche Gedichte wie ζ. B. folgendes: Ich seh o! schöner Blick! noch JESU Wunden offen [...] Auf Seele sey getrost! auf eile, fliehend wende/ Dich jetzt nach Golgatha, wirf die Centner-Last/ Dem treuen Bürgen zu, Er biet dir beyde Hände/ Ja Füß und Seite dar. O! was vor Ruh und Rast/ Kan man in Händ u. Fuß u. offner Seite schauen/ Auf! Seele laß uns da die schöne Hütte bauen/ Ich ruh höchst beglückt zu Jesu holden Füßen,/ [...] Es soll in JESU Blut mein Herz in Thränen fließen,/ Mein Herz das JESUS selbst in Seit u. Armen schließt.83

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Gedichtbände IV, Bl. 297r"v. Die Welt vergeht mit ihrer Lust! (Gedichtbände V, Bl. 13v-14v, von Gottfried Meyer). Memento mori (Gedichtbände VI, Bl. 233r). Auf ähnliche Aussagen verweisen schon die Überschriften zahlloser Gedichte, z. B.: Ach wie gar nichts sind doch alle Menschen!; Auf das unbeständige Glücke; Auff den Unbestand; Glück und Unglück, oder Leid und Freuden Wechsel; Omnis Homo mortalis. Vgl. Günther Müller: Geschichte des deutschen Liedes vom Zeitalter des Barock bis zur Gegenwart. München 1925 (Geschichte der deutschen Literatur nach Gattungen 3), S. 151f£ Die wegen ihrer Sünden höchst betrübte, durch den Glauben aber wiederum getröste Seele (Gedichtbände IV, Bl. 145r-146v). Vgl. auch Dancksagung nach dem heil. Abendmahle: »Mein ganzer Wohlfahrts-Bau stund auf sehr lockern Grunde,/ Ich eilte sinnenloß zum düstern Höllen-Schlunde./ Kurz, alles war verderbt, gar nichts war an mir rein;/ Ich solte Gottes Feind und Satans Sclave sen./ Doch, Jesu, du hast mich der Sünden-Last entbunden,/ Ich bin nun wieder frey. In Deiner Seiten Wunden/ Liegt meine Schuld verdeckt, Ich bin der Ketten loß/ Und ruhe wiederum in deiner Gnaden Schooß [...]«( Gedichtbände VII, Bl. 27v). Weitere Beispiele: »Ungemeine Liebe/ Deren süßen Triebe/ Jesus spühren läst/ Er vertreibt den Schmertzen/ Aus den matten Hertzen,/ Welcher Fromme preßt/ Und setzt den Zucker für/ Statt der Wermuth bittern Galle:/ Jesus liebet alle.« (Gedichtbände III, Bl. 293v). »Mein Jesus, meine Huld, mein Hertzog, mein Verpfleger,/ Mein König, meine Lust, mein Schild und Sünden-Träger,/ Erkalt, erblaßt und stirbt am Creutze mit Ge-

99 Pietistische Einflüsse verraten auch einige Gedichte mit ihrem nachdrücklichen Insistieren auf die Bedeutung eines das gesamte Leben erneuernde Bekehrungserlebnisses: Ich bin nicht, der ich war, ich war nicht, der ich bin,/ Die Güte Gottes gab mir einen andern Sinn./ Vor war ich in der Lust der Eytelkeit verdorben:/ Nun aber ist sie mir, und ich ihr, abgestorben./ Verstand und Wille lag in dunckel finstrer Nacht,/ Die meine Seelen noch bißweilen Schrecken macht./ Des Hertzens schnödes Thun nebst allen seinem Dichten,/ war gäntzlich nicht geschickt was gutes auszurichten [...] Ich konnte diesemnach bey so gestallten Sachen/ Mir leicht auf Gottes Zorn gewiße Rechnung machen./ Es traff auch würcklich ein. Denn des Gesetzes Spruch/ Ging auf Verdammniß, Tod, Gefängnis, Hölle, Fluch/ Die Seele liedte Noth von den Gewißens-Bißen/ Sie wurde gantz und gar zerschmettert und zerrißen.

Durch Jesus sei er nun jedoch erlöst worden; der Bund mit ihm wurde neu geknüpft: »Bist du nun dergestallt von allen Sünden rein,/ So soll auch dieses fort stets deine Losung seyn:/ Ich lebe, doch nicht ich, denn Jesu Christi Leben/ Wil meiner Schwachheit Krafft und volle Stärcke geben.« 84 Andererseits findet sich in den Gedichtbänden auch offene Kritik am Auftreten der Pietisten. So werden diese in einem Madrigal als Heuchler geschildert, deren »Andachts-Flammen« als pharisäerhaft zu bewerten sind, ja noch schlimmer: »Denn ein dergleichen Pietist/ Ist insgemein ein grosser Atheist«. 85 In enger Verbindung zum Eintreten für Tugend und Frömmigkeit steht die Zeitkritik, die Klage über die gegenwärtigen Moden, über die Nachahmung ausländischer (vor allem französischer) Vorbilder, über den Verfall der Sitten, über die Abkehr von der Geistesart der Väter, wobei man bis auf die Germanen des Tacitus zurückgreifen konnte. Auch hier sind die aus dem 16. und 17. Jh. weiterwirkenden Traditionen der Moralsatire greifbar: Alles lebt ietz nach der mode/ was nur Hände und Füße hat,/ Ja man grämt sich fast zu tode/ Und ist seines Lebens satt,/ kann man sich nicht ietzger Zeiten/ Nach der mode recht bereiten./ Was uns die Frantzosen schaffen,/ Muß was recht galantes seyn,/ Und wir treten wie die Affen/ In die närrschen Trapffen ein/ Wenn wir ihre tolle Trachten/ Stets als was besonders achten [...] Wenn wir noch die alten Sitten, welche unsre Vorwelt hielt,/ Nicht verließen, sondern litten/ Würd ein andrer Thon gespielt./ Wenn sich in den rauhen Fellen/ Wahre Lust und Treu gesellen.86

Angeprangert wird in diesem Zusammenhang aufs heftigste ein in der Politik um sich greifender, Lug und Trug propagierender Machiavellismus, der alle Treu und Redlichkeit untergräbt: »Es will sich Niemand mehr an seine Worte binden,/ wer tapffer lügen kan das ist politer Witz./ Soviel der Himmels Bau läst helle Sterne zehlen,/ so häuffig trifft man hier der Wahrheit Irrlicht an,/

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schrey/ Nur daß ich Sünden Knecht vorm Tode sicher sey [...]« (Auf den Tod des Allertheuersten Jesu, Gedichtbände III, 347 r ). Gedichtbände III, Bl. 47 v -348 r . Gedichtbände IV, Bl. 186r. Auf die ietzigen Moden Welt (Gedichtbände II, Bl. 337 r -338 r , von Paul Gottfried von Königslöw).

100 D a s falsche weiß sich so dem wahren zu vermählen,/ D a ß man den Unterscheid fast nicht mehr machen kann [...].« 8 7 D i e Gesellschaft stand, wie wir bereits gesehen haben, in der Tradition Leipziger studentischer Verbindungen, und so spielt auch das Studentenleben im Themenrepertoire ihrer Dichtungen eine (allerdings eher bescheidene) Rolle, wie ja Leipzig überhaupt die Hochburg der Studentenlyrik 8 8 gewesen ist. D e r Inhalt dieser Lieder kreist immer um die gleichen Themen: Liebe, Geld, 8 9 Trinken. Vergleicht man freilich die in ihrer Anzahl relativ wenigen Gedichte mit den etwa gleichzeitigen, frisch, natürlich und singbar anmutenden Leipziger Studentenliedern Johann Christian Günthers, 9 0 so fällt der künstliche, holprige Charakter der Verse der Gesellschaft ins Auge: »[...] E s lohnt sich nicht der Müh/ Wenn nicht die Frau Mama noch 80. Thaler/ den Purschen schicken wil./ Wer Teufel kan denn sonst in Leipzig leben?/ Herein! Herein!/ Mich reut es noch, daß ich nicht gestern gleich/ D e m Kerlen, welcher mich so negligent tractirt,/ D e n Paß ins Unterreich/ Durch einen Stoß gegeben [,..].« 9 1 Eine andere Stelle lautet: Was macht das Musen-Volck an diesem Pleißen Strande?/ Es lebet meistentheils in einem frohen Stande,/ Es lernt, es liebt, es tantzt, es ficht, es vottugirt,/ Es spielt, 87

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Gedancken über das bekante Spiel: Falsch in allen (Gedichtbände VII, Bl. 70r, von Christian Grüne, datiert auf den 29.1.1724). Vgl. auch Der hönische Politicus: »Die Heuchler-Politique kömt itzo ziemlich hoch,/ Die alte Redlichkeit steckt man ins Hundeloch,/ Die wahre Freundschafft liegt und hat sich gantz verstecket,/ Der gröste Heuchel-Schein hat sie fast gar bedecket.« (Gedichtbände III, Bl. 212r v) Vgl. Robert und Richard Keil: Deutsche Studenten-Lieder des 17. und 18. Jahrhunderts. Lahr o. J., zum 18. Jh. vgl. S. 70f£ Der Band enthält zahlreiche Beispiele der Studentenlyrik, bezeichnenderweise jedoch mitunter in gekürzter Fassung, da »der unmittelbarste Ausdruck von Lascivität und Obscönität« die Aufnahme einzelner Strophen nicht gestattet habe (S. 76). Hier geht es vor allem um Schulden, Gläubiger und Schuldeintreiber. So lobt einer der Dichter in einem Madrigal Leipzig, meint dann aber: »Doch könnt ich mich darin nicht finden,/ daß man die Schinder hier vor ehrlich hält [...] Der Schinder will sich umb das Fell bemühn,/ Und jeder hier den besten Rogen ziehn.« (Gedichtbände IV, Bl. 230r. »Rogen ziehen« meint Gewinn ziehen). Vertrautheit mit den neuesten finanztechnischen Entwicklungen verrät ein Quodlibet »Über Reise nach Paris«: »Mein Sinn ist auff der borse/ Wo H. Laws mit eigner Hand/ die Schwindsucht heilt/ drum nicht verweilt./ Weil noch die Actien steigen/ und viel 1000 Livers zeigen/ Wer will mit mir?« Verwiesen sei nur auf solche bekannten Gedichte wie Brüder, laßt uns lustig sein,/ Weil der Frühling währet; Das Haupt bekränzt, das Glas gefüllt!/ So leb ich, weil es Lebens gilt; Müdes Herz,/ Laß den Schmerz/ Mit dem Atem fahren! (hier mit den Versen: »Fort, ihr Brüder, trinkt und Schreit,/ Weil ihr noch in Leipzig seid/ Und man in der schönen Stadt/ Doch kein ewig Leben hat.«). Zu Günthers Leipziger Studentenlieder vgl. Krämer (Johann Christian Günther), S. 133ff.; Dahlke (Johann Christian Günther), S. 95ff. Quodlibet (Gedichtbände VI, Bl. 137 v -139 r ). Vgl. auch folgende Trinck-Ode: »Im Feuer und Dampfte biß über die Ohren/ Vom Taback berauchet, vom Sauffen bezecht/ Einander vexiret und tapffer geschoren,/ Ist wackrer Studenten erworbenes Recht.« (Gedichtbände III, Bl. 14 v -15 v ).

101 es schmaust, es scherzt, es wetzt und jubilirt./ Es sind der Dinge mehr, die ihm Vergnügen geben,/ Die müßen iederzeit zu deßen Diensten leben [...] Es geht zu weilen auch aufs Dorff hinaus spatzieren,/ Da kan ein Bacchus-Sohn die Venus mit sich führen./ Wer viel Geld besitzt, der brings nach Leipzig her,/ Hier wird bey süßer Lust ein voller Beutel leer./ So machts die Musen-Schaar, so thun die MusenSöhne/ In dieser Linden Stadt, in diesem Pleiß-Athene.92 Neben diesen die Freuden des lustigen Studentenlebens preisenden Gedichten gibt es allerdings auch Verse, die dem tüchtigen, dem Eros der Wissenschaft verpflichteten Studenten gewidmet sind: Glückseelig ist der Mensch, so ein Student worden/ Weil er durch solchen Stand das beste Kleinod kriegt./ Die Klugheit muß sich denn als seine Liebste nennen,/ Die Weißheit spricht zu ihm: ich liebe dich als Braut!/ Er lernt diß Frauen-Volck von in und aussen kennen,/ Mit solchen buhlet er und macht sich recht vertraut./ Der liebsten Schlaff-Gemach sind die gelehrten Schrifften/ Darinnen sucht er, und blättert Tag und Nacht [.. .].93 Einen breiteren Raum nimmt, wie nicht anders zu erwarten, die galante Lyrik ein. 94 Inwieweit dies mit dem traditionellen Ruf der Leipziger Studenten, 92

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Das Bildniß eines Lustigen Leipzischen Studentens (Gedichtbände III, Bl. 368 v 369v). Als etwas besser geraten erscheint folgendes Quodlibet: »Ey was Bücher! weggeschmißen,/ Last es dem Professor wissen/ Daß die Purschen schmausen müßen./ Ist der Bogen/ Stets gezogen,/ Und die Drommel aufgespannt,/ So springt Sehn und Fell entzwey./ Drum herbey! herbey! herbey!/ Fort aufs Land« (Gedichtbände IV, Bl. 254v-257v). Posierlich beschreibt ein Gedicht (Das Verlangen nach der Meße) die Freude des Studenten beim Eingang des längst ersehnten Wechsels: »Auff, Pursche, freuet euch, die Meße kommt heran,/ Da man mit Hertzens-Lust den Wechsel heben kan:/ Und solte man sich nicht schon auf denselben freuen? [...] Der Creditorum Zahl ist wahrlich gar zu groß,/ Doch wenn die Meße kommt, so werd ich ihrer loß:/ Denn dabekommt man das schönste Geld von Hause,/ Und geht alsdenn vergnügt mit Compagnie zum Schmause.« (Gedichtbände IV, Bl. 357v-358r). Gedichtbände V, 93r_v. Ähnlich das Gedicht Die Vergnüglikeit eines Studenten bey seinen Büchern. Ein anderer Verfasser klagt über »Das geplagte Studenten Leben«: »Wo zeigt sich größer Noth als im Studenten Leben [...] Dies Leben ist und bleibt mit Kummer angefüllet/ Und zeigt von Tag zu Tag ein recht Studenten Weh./ Wer duldet grössern Haß als der Studenten Orden [...] Drum bleibt es wohl dabey wer das Studenten Leben/ Nur reifflich überlegt der schmecket schon im Geist/ daß kein geplagter Volck kan in den Lüfften schweben/ Als der bey solcher Zeit ein Studiosus heist.« (Gedichtbände VI, Bl. 117v-118v und V, Bl. 104r"v). Ich nenne nur einige Beispiele aus den ersten vier Bänden: 1. Band: Auf den Nahmenstag einer Jungfer; Auf eine Jungfer, die sich vernehmen laßen, einen Alten Mann zuheyrathen; Klage eines abgesetzten Liebhabers; Allemando giebt seiner vormahls geliebten Sylvie Abschied; Als ein L. L. Rath in Leipzig die Hurenwinckel ausstören ließ; 2. Band: Auf einen, der einem bekandten Frauenzimmer Amour suchte; Geile Liebe; Milander saget verbothener Liebe ab; Sonnet über eine unbarmhertzige Schöne; Auf einen, der sich unzeitig in eines andern Frau verliebte; 3. Band: Auf einem, der sich rühmet, daß Er beym Frauenzimmer sehr engagirt sey; Die besiegte Jungfer; Anmuthige Klage einer von Cupidine erlegten Jungfer; Die abgeschmackten Fratzen unsinnig Verliebter; 4. Band: Lamento eines verliebten dem die Gelegenheit benommen mit seiner Phylii zu conversieren; Klage der Phyllis über die Abwesenheit ihres geliebten Selanders.

102 sich mit besonderer Passion den Amouren mit den schönen Mädchen der Stadt hinzugeben, in Verbindung zu bringen ist, läßt sich schwer sagen. Auch in diesen Dichtungen entsprechen Inhalt und Ausdruck den Konventionen der hier im Banne des Petrarkismus stehenden Barockdichtung, besonders der der schlesischen Schule. Diese gilt als schlechthinniges Vorbild, sei es in der verzückten Beschreibung der Schönheit der Geliebten 95 oder sei es in ihrer Schilderung als kalt und unnahbar: »Dämpft ihr Thränen meine Gluth,/ Die ein Blick in mir erregt,/ Dämpft sie, ach seyd so gut/ Wo ihr noch Erbarmen hegt,/ Geh du Mörderin der Lust,/ Weiche nur aus meiner Brust/ Du bist Centner schwere Last/ Und wie Neßelkraut verhaßt.«96 Die Liebe wird mit Qual und Tod eng verbunden, die Geliebte erscheint als Peinigerin und Henkerin: Ihr Götter, wollt ihr mich verderben/ So tödtet mich nur ohne Quaal/ Doch soll ich auch gemartert sterben/ So laßt mir noch die letzte Wahl/ Daß ich Charindens Schooß zum Grabe/ Und ihren Mund zum Hencker habe [...] Werd ich vom Scheiterhauffen hören,/ So soll ein Brand/ Von ihren Lippen mich verzehren:/ Spricht man von glühend-heißen Zangen; So meyn ich ihre Hand/ Die zwickt mich in die Wangen.97 Die Frauen erscheinen gemeinhin als falsch, unberechenbar und wankelmütig: »Die Mädgen sind wie Regenbogen,/ Zwar schön, doch voller Unbestand/ Ihr Mund ist voll von List und Trügen,/ Und teutsch zu sagen, voller Lügen,/ Jedoch gar höflich und galant.«98 Diesem Motiv korrespondiert das Freudengedicht des sich von einer quälenden, weil vergeblichen Zuneigung befreienden Liebhabers: »Ja, ja/ Die stoltze Sylvia/ Soll mich nicht mehr berücken,/ Ihr falsches Händedrücken/

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»Auf Ihr Grübgen im Kinne: Wer Gold und Silber sucht, muß keine Grube scheun/ Bey dir muß schönstes Kind weit mehr verborgen seyn/ Erlaube nur einmahl Dein Grübgen zuergründen/ Ich werde nur Lust, statt Gold und Silber finden.« (Gedichtbände VI, Bl. 162v). Der gleiche Verfasser (A. F. Reinhardt) textet an anderer Stelle zum Thema Auf Ihre Wangen: »Da wird ein Paradies in Anmuth freygestellt/ Wo Rosen und Lilien auf einem Beete stehen/ Es scheint die Liebe will, weil es ihr wohlgefällt/ Auf diesen Rosen Saat mit Lust zur Weyde gehen./ Im Winter ist auch hier die schönste Frühlingszeit/ Es wird der Purpur nicht durch Kält und Frost befleckt [...]« (Gedichtbände IV, Bl. 108r). Die unbarmherzige Doris (Gedichtbände VI, Bl. 62 v -63 r ). Weitere Beispiele: »Du kanst mit fug und recht Dir Deine Sonne nennen,/ Von der Dein schmachtend Herz so manche Würckung spürt/ Doch Ihrer Strahlen Glanz ist kalt und ohne Brennen/ Drum bleibst bewunderns Werth wenn Dich dabey nicht friert [...]« (Als er seine heßliche Amasia eine Sonne nennete, Gedichtbände VII, Bl. 21 v -22 r , von J. H. ô Feral); »Ach möchte Dir mein Singen/ Du allzu harte Schöne/ So in das Hertz wie in die Ohren dringen!/ Ach nähmen sie dein Hertz/ So wie die Ohren ein/ Wie glücklich wie vergnügt würd ich nicht seyn./ Allein Mein Flehen dient Dir, Selimene/ zum leichten Schertz/ Und eben dieser ist die Quelle meiner Pein« (Gedichtbände VI, Bl. 196r_v, von J. G. Hamann). Gedancken über einen Kuß (Gedichtbände VII, Bl. 40 v -41 r ). Zufällige Gedancken über das hurtige Frauenzimmer (Gedichtbände IV, Bl. 294r_v).

103 Ihr honigsüßer Kuß/ Macht meiner Seele nur Verdruß./ Weil ich erlöset bin/ So will ich fernerhin/ Die stoltzen Augen haßen/ Ich will dein falsches Hertz/ Und deinen sonst beliebten Schertz/ Gantz aus den Sinne laßen [...] Der Marmor deiner Brust,/ Der meine Lust,/ Und auch mein Pharos war/ Beweget mich nicht mehr.« 99 Am besten mag es freilich sein, man verschafft sich endgültige Ruhe vor allen Aufregungen der Liebe und genießt seine Freiheit: Cupido, geh mit deinen Pfeilen,/ Du bringst keinen bey mir an,/ Du darffst dich nicht bey mir verweilen,/ denn alles ist umsonst gethan/ Ich will mich nimmermehr verlieben/ Und lieber dich, als Gott betrüben [...] Wenn andre sich mit Liebe kräncken,/ Und stets bey Frauen-Zimmer stehn/ Soll sich mein Hertz zur Freyheit lencken,/ Und dieser losen Zunfft entgehn:/ Das Auge soll von ihnen eilen:/ Drum Amor fort mit deinen Pfeilen.100 Hindeutungen zu Tendenzen der Lyrik der Frühaufklärung finden sich dagegen bei der beschreibenden (malenden) Naturdichtung, die das freie Landleben idealisiert und der vielfach gebundenen, zivilisationsmüden, sittengefährdenden Existenz in der Stadt gegenüberstellt. So heißt es in einem pastoralen, den Einfluß Brockes' zeigendem Gedicht auf das bebaute Land: Unser Auge letztet sich an den bundt-bemahlten Feldern/ Welche, trotz den Frühlings-Zeiten itzo neu belebet stehn [...] Hier sieht es die kleinen Schaaffe, dort die grossen Herden gehn,/ Bald erblickt es einen Bach, der von jenem Hügel rauschet;/ Hier erscheint das freye Feld; dort erblickt man einen Teich,/ Wo die besten Fische stehn; hier, wie man das Wild belauschet/ Dort, wo man die Scheuren füllt. Alles ist von Anmuth reich [...] Würklich solche Lustbarkeiten findet man in keiner Stadt./ Diese Land- und Garten-Lust wird ihm öffters abgeborget,/ Wenn ein eingesperrter Bürger auf das Land spatziren geht.101

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Gedichtbände V, Bl. 86 v -87 r ). Um so größer ist die Freude, wenn die Schöne sich dann doch der Macht der Liebe beugt: »Schwerdt und Bogen sind zerbrochen/ Weil der Sieg die Fahne schwingt./ Phyllis Macht ist gantz vergebens/ Da der Meister ihres Lebens/ Im Triumphe Lieder singt [...] Phyllis prangt mit ihren Feßeln,/ Die sie sonst verschmähet hat./ Und sie hälts vor keine Schande/ Ihrer Ketten, ihrer Bande/ Wird sie nimmermehr nicht satt.« (Über das besiegte Hertz der Phyllis, Gedichtbände IV, Bl. 119v-129r, von G. E. Ziegler). Die abandonnée Liebe (Gedichtbände IV, Bl. 317v-318r, von J. F. Reichel). Eine andere Möglichkeit besteht in einer spielerischen, die >Jungfern< nicht allzu ernst nehmenden Haltung: »Mein Freund ach lerne doch die Jungfern besser kennen,/ Sie lachen nur wenn Du Dir Liebes Schmerzen machst./ Du must Dich nur zum Schein als ihren Diener nennen,/ Am besten ists vor Dich, wenn Du sie ganz verlachst« (Als er ganz traurig wegen empfangenen Korbes, Gedichtbände III, Bl. 260r). Von der Land-Lust (Gedichtbände IV, Bl. 341r-344r, von Georg Rothe). Ein anderes Beispiel findet sich im gleichen Band: »Edles Leben auf dem Lande/ Der Verlaßnen Aufenthalt/ Wo in dem beglückten Stande/ Stets der frohe Thon erschallt:/ Nichts vergnügt mehr die Brust/ Als der Felder süße Lust./ Finsters Thal, ihr grünen Wälder,/ Schenckt mir die Zufriedenheit/ Gönnet mir ihr bunten Felder/ Euren Platz der Einsamkeit,/ Eh der Hoffnung leichtes Zelt/ Ganz und gar zu Boden fällt.« (Gedichtbände IV, Bl. 177v-178r, von A. G. Richter).

104 Zum Themenbereich der Dichtungen der Poetengesellschaft zählen auch Ereignisse und Gestalten aus dem Bereich des politischen Zeitgeschehens.102 Auch hier gibt es den ganz konkreten Anlaß, der die Federn der Mitglieder des Kollegiums in Bewegung setzen kann, ζ. B. der Empfang fürstlicher Persönlichkeiten in der Stadt, der in Versen mit bombastischen Lobpreisungen gefeiert wird.103 Die Huldigung der kurfürstlichen Familie stellt besondere Anforderungen an das dichterische Vermögen unserer Poeten. So dichtet Lehms auf den 13jährigen (!) Kurprinzen: »Du bist, hochtheurer Prinz, der andre Salomon/ Der Schönheit wahrer Ruff, so einst von Ihm geschehen,/ Läßt Dich in dieser auch denselben ähnlich sehen./ An Weißheit war Er wohl des Himmels andrer Sohn,/ Und Du läßt Dich bereits in seinem Geist erblikken [...] Sein Königreich war dort das Schönste von der Erden,/ Vielleicht kanst Du auch einst der schönste König werden.«104 Auch lokale Ereignisse, wie die Einführung eines neuen Bürgermeisters,105 geben Ursache für das Schmieden langer, schwülstiger Verse. Daneben finden sich Gedichte, die sich dem militärische Geschehen der beiden so blutigen ersten Jahrzehnte des Jahrhunderts widmen. Inhalt dieser Dichtungen bildet meistens das Bekenntnis der Treue zu Kaiser und Reich bzw. die Beteuerung des Patriotismus für das kursächsische Haus. Ich nenne einige Beispiele aus den ersten drei Bänden der Sammlung: Das bestürzte und wiederum erfreute Engelland; Kurtzes Abmahnungs-Schreiben Ihr. Rom. Kayserl. Maj. an Chur-Bayern, wegen des Bündnißes mit Franckreich; Auf den unvermutheten, aber doch fälschlichen Einfall derer Schweden in Sachsen; Auf des Pabsts Neutralität Politik; Auf den 14 Novembr. 1706 zwischen Pohlen und Schweden gemachten Friede; Klage des Königs in Franckreich über seine unglücklichen 102

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Das Veröffentlichen von Hymnen auf fürstliche Persönlichkeiten und ihre Taten gehörte damals zum unbedingten >guten Tonedlen Ritters< über die Türken, der überall in Deutschland eine Flut an poetischen Huldigungen mit sich bringt, vorab Günthers großes Gedicht Eugen ist fort. Ihr Musen, nach! George Rothe beklagt, daß nach der schönen Friedenszeit nun wieder Krieg herrscht, jedoch folgt dann der Ausdruck des Triumphes über Kaiser Karls und des

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Der zum Nordischen Krieg gehörende Kampf um die polnische Krone zwischen August dem Starken und Stanislaw Leszynski bildet das Thema verschiedener Dichtungen. Ein besonders drastisches Beispiel bieten die Verse An Stanislaum, die folgendermaßen anheben: »Verräther, wilstu noch der Pohlen Ruhe Stohren./ Rebelle, kanstu den nicht einmahl ruhig seyn./ Verdambter Graff du wirst Dir Deine Straffe mehren [...]« (Gedichtbände III, Bl. 318v, von J. B. Lehmann). Ein anderes Beispiel: »So gehts wer untreu wird, der bleibt wohl verlohren/ Der Himmel schlägt zuletzt, mit Blitz und Donner drein/ Er selbsten wars der uns Augustum auserkohren/ der solte Sachsens Haupt und unser König seyn [...]« (Etlicher rebellischer Pohlen gedancken über ihren itzigen Statum, Gedichtbände III, Bl. 280r, von J. B. Lehmann). So heißt es über Philipp V., dessen durch seinen Vater betriebene Einsetzung auf den Madrider Thron den Spanischen Erbfolgekrieg auslöste: »Ich mache alles mit, was nur mein Alter wil,/ Allein wird unser Wunsch nicht seinen Zweck erreichen,/ So dörfft mein Ludwig wohl vor Gramm und Schmach erbleichen./ Denn man gewint nicht offt bey einem Falschen Spiel.« (Gedichtbände II, Bl. 76v, von G. Geißler). Jakob II. von England: »Wenn Gott verleugnet wird so geht das Spiel verlohren,/ Und würde lOOOmahl der rechte Printz gebohren,/ Drum ist der beste Rath man nehme Beystand an, Von dem der Fürsten setzt, und wieder stützen kan.« (Gedichtbände II, Bl. 128v). Viele Engländer bezweifelten, daß der Thronprätendent Jakob (III.) tatsächlich ein Sohn des gestürzten Königs Jakob II. ist; darauf spielt das Gedicht an. Karl XII. von Schweden: »Dein blutgefärbter Stahl macht Dich in Pohlen groß/ Hingegen läßtu dein armes Liefland bloß./ Das Glücke, so du hast, ich wette, währt nicht immer/ Du bist ein Feind von ihm weil es ein Frauenzimmer.« (Gedichtbände II, Bl. 159v). Karl XII. galt als misogyn. Dies entspricht durchaus den Vorstellungen vom Sinn und Nutzen der Beschäftigung mit der Geschichte, die Christian Weise vertrat, der ja auch direkt und indirekt Einfluß auf die Dichtungen der Gesellschaft nahm (s. S. 37£). Vgl. Detlef Döring: Inhalt und Funktion des Geschichtsunterrichts bei Christian Weise. In: Chloe. Beihefte zum Daphnis 18 (1994), S. 261-293.

106 Prinzen Eugen Siege: »Du solst in kurtzer Frist mit großen Jubeln hören,/ Wie durch Eugenii Hand der Feinde Macht gedämpfft,/ Die Freude soll sich auch von Zeit zu Zeit vermehren,/ Wenn du dich rühmen kanst: der Teutsche hat gekämpfft.«111 Überhaupt ist der Gesellschaft ein reichspatriotisches Bestreben nicht fremd, wenn es in den Gedichten auch nicht allzu häufig zum Ausdruck gelangt. Hier ist durchaus eine Nähe zu den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s zu erkennen, die das Bemühen um die Erneuerung und Reinhaltung der deutschen Sprache mit patriotischen Forderungen der Einigung und Stärkung des Reiches und der Abwehr ausländischer Überfremdung verbanden. Im Gefolge der großen Abwehrkämpfe gegen Frankreich und der endgültigen Zurückdrängung der türkischen Gefahr zu Beginn des 18. Jh.s erlebt die patriotische Anteilnahme an den Geschicken des Reiches und die Hinwendung zum Kaiser als dessen Oberhaupt noch einmal einen deutlichen Höhepunkt. 112 Dabei drückt sich der Gegensatz zu Frankreich nicht allein in der Ablehnung französischer Mode und Lebensart aus, sondern auch in der Forderung, Deutschland für die zahlreichen Angriffe von jenseits des Rheins zu rächen. Dieses Verlangen kann sich in ein historisches Gewand kleiden, wie das Beispiel eines umfangreichen Gedichtes aus dem Jahre 1718 zeigt: Printz Conradini Letzte Rede, als er zu Neapolis enthauptet ward. Der letzte Staufer verkörpert Deutschland; sein Gegner, Karl von Anjou, Frankreich: »Ihr Deutschen insgesammt rächt mein vergossenes Blut!/ Mich hat die Falschheit selbst mit Schmeicheley betrogen/ Drum strafft mit Schwerdt u. Brandt Gewalt und Übermuth./ Es wird die große Schmach der deutschen Nationen/ Nur durch französisch Blut gerächt u. abgewischt.«113 Die Überlegungen über Gründe und Ursachen militärischer Auseinandersetzungen bewegen sich ganz innerhalb der überkommenen Vorstellungen, die Kriege seien Strafgerichte Gottes über den Ungehorsam der Menschen: 111

Das betrübte und getröste Deutschland (Gedichtbände IV, Bl. 173r"v). Popularität genießt der Prinz jedoch schon während des Spanischen Erbfolgekriegs als Held, der die Macht Frankreichs demütigt. Bemerkenswert ist, daß er, obwohl Italiener, als Deutscher gesehen werden kann: »Du gehst voller Muth zu deinen muntern Teutschen/ Mit selbigen kanstu die stoltzen Feinde peitschen/ Die sinds, so freuden voll mit dir ins Treffen gehen [...] So muß der Frentzen Macht vor deinem Degen fliehn/ Dann wird das Teutsche Reich von Ludwichs Joche frey.« (Als Printz Eugenius wieder zur Armee ging, Gedichtbände III, Bl. 231v, von J. B. Lehmann). Vgl. auch die berühmt gewordenen >Eugen-Gedichte< von Günther und König. uz Yg[ Michael Stolleis: Reichspublizistik und Reichspatriotismus vom 16. zum 18. Jahrhundert. In: Aufklärung 4 (1989), S. 7-24. Stolleis verweist auch auf die Rolle der Sprachgesellschaften in der Entwicklung des Reichspatriotismus. Vgl. auch die weiteren Beiträge in diesem Heft zum Thema Patriotismus (hg. von Günter Birtsch). 113 Gedichtbände IV, 204 v -208 r , von G. E. Ziegler. Vgl. Klaus Schreiner: Die Staufer in Sage, Legende und Prophetie. In: Die Zeit der Staufer. Katalog der Ausstellung Stuttgart 1977. Bd. III, S. 249-262, zu Konradin s. S. 251ff.

107 Euch, die das Deutsche Reich in seinen Circkel schließet/ Ist nur vor kurtzer Zeit die Friedenslust geschenckt/ Daß Ihr in Gottes-Furcht derselbigen genießet/ Allein Ihr habt euch bald auff bösen Weg gelenckt/ Drumb nimmt Euch Gott anitzt die kurtz genoßene Freude/ Und strafft mit Krieg und Schwerdt den frechen Übermuth [...] Ach last uns Tag und Nacht auff unsem Knien liegen/ Und rafft den höchsten Gott in tieffster Demuth an,/ So können wir mit Ihn der Feinde Macht besiegen,/ Da unser Arm Ihr sonst nicht wiederstehen kan.114

Der konkrete Geschichtsverlauf liegt ganz in der Hand Gottes, er sorgt für die Demütigung derjenigen, die der Hybris unbegrenzten Machtstrebens verfallen, wie z.B. Ludwig XIV: »Was Menschen durch Verstand ins Werck zu richten dencken,/ Was auf des andern Spott, und deßen Schaden zielt,/ Das weiß des Höchsten Hand höchst weißlich abzulencken,/ Damit sie ihr Gesetz mit Menschen nicht verspielt.«115 Die Entscheidung über Krieg und Frieden ist ausschließlich eine Angelegenheit des Herrschers, auf den Einfluß zu nehmen den Untertanen allein durch Bitten möglich ist. So richtet sich Gottfried Sibeth an den Schwedenkönig, als Stralsund, der letzte von den Schweden in Pommern gehaltene Ort, im Nordischen Krieg belagert wird und es keine Hoffnung auf Entsatz mehr gibt: »Laß doch, O! theurer Carl, das Flehn der Unterthanen/ Den Weg zu stetem Wohl und holden Frieden bahnen,/ Entreiß uns dem Ruin, ergieb den Feind die Stadt!/ Die keine Rettung mehr als die, zu hoffen hat./ Verschone Deines Volks, das Deinen Scepter küßet,/ Ja, das sein Blut vor Dich und Deinen Ruhm vergießet/ Verschone, großer Held, errett uns aus der Noth,/ Die uns des Feindes Grimm auf allen Seiten droht [...].«116 Andererseits soll der Fürst nicht im Führen von Kriegen seine Regimentspflicht erkennen, sondern in der Wahrung des inneren und äußeren Friedens: »Ja, was dem Hadrian, was Heinrichen geschehn,/ zeigt einen König soll niemahls nach Unruh dürsten./ Denn, dis begegnet dem, der durch sein Regiment/ Der Unterthanen Ruh und auch Vergnügung trennt.«117 In einer bestimmten, sehr brisanten Frage bestand allerdings zwischen dem wettinischen Herrscherhaus und seinen Untertanen eine unüberbrückbare Kluft, die immer wieder zu Spannungen führen mußte. Seit Friedrich 114

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Gedancken über den itzigen Krieg (Gedichtbände II, Bl. 64 v -65 v , von Johann Abraham Unwürde). Gemeint ist der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekriegs. Auch Unglücksfälle anderer Art werden ohne weiteres als göttliche Strafgerichte gedeutet, z. B. ein Stadtbrand in Görlitz: »Zwar du mußt selbst gestehn, du hast die Noth verdienet,/ Die itzo deine Brust so sehr empfindlich klemmt,/ Dein Sündenvoller Geist hat sich zuviel erkühnet,/ So, daß dein Laster-Gifft des höchsten Gunst gehemmt/ Drum laß dich diesen Brand zu wahrer Buße leiten/ Bedenke, liebe Stadt, wie du gefallen bist [...]« (Warnung und Trost an das abgebrannte Görlitz, Gedichtbände IV. Bd., Bl. 107v). König Ludwigs verrückte Idee einer Universal-Monarchie (Gedichtbände III, Bl. 245r). Anrede der Bürger in Stralsund an den König von Schweden, wegen Übergabe der Stadt (Gedichtbände IV, Bl. 37 v -38 r ). G. Chr. Lehms: Carmen Accessorium (Gedichtbände III, Bl. 51f.).

108 Augusts I. Übertritt zum Katholizismus (1697), einer Voraussetzung für den Erwerb der polnischen Krone, herrschte im Lande die latente und bei den verschiedensten Anlässen akut werdende Furcht vor einem Kurs der Rekatholisierung. Lange Jahre konzentrierte sich die Aufmerksamkeit auf die Geschicke des noch lutherisch getauften und erzogenen Kurprinzen, dessen Konversion auf Betreiben seines Vaters man jedoch ständig befürchtete mit Recht, da eine entsprechende geheime Zusage August den Starken an den Papst band. Um so größer war die Erleichterung, als im Oktober 1710 auf Betreiben der Großmutter Anna Sophie der Kurprinz feierlich konfirmiert wurde. In Leipzig dichtet man zu diesem Anlaß die euphorischen Verse: »Sey frölich, Sachsen-Land, die Furcht ist nun verschwunden,/ In welche Dich Dein Feind, der Antichrist, gebracht/ Dein künfftig Haupt hat sich recht fest mit Dir verbunden/ Das theure Bündnis ist nunmehr mit Gott gemacht.«118 Fast genau zwei Jahre später wird dann Kurprinz Friedrich August (vorerst noch heimlich) zum Katholizismus übertreten. 119 Im gleichen Jahr der Konfirmation des Kurprinzen kommt es in Leipzig zur Wiedereinführung des katholischen Gottesdienstes; zu Pfingsten wird erstmals nach 171 Jahren wieder die Messe gelesen, in einem Raum der Pleißenburg.120 Die Empörung der protestantischen Bevölkerung, der Widerstand im Rat der Stadt ist groß. Auch in der Görlitzer Gesellschaft nimmt man sich dieses Themas an. In einem Gedicht Auf die erste in der Festung Pleißenburg gehalten Catholischen Predigt gelangt man zur folgenden spöttischen Feststellung: »Und warum hat man wohl die Pleißenburg erwehlet?/ Vielleicht, weil sie zuerst Lutheri Wort gehegt:/ Doch nein, weil sie Geschütz und viele Waffen zehlet,/ Womit der Papst die Welt sonst zubekehren pfleget«.121 Noch tiefer in das Repertoir der konfessionellen Polemik greift man in einer anderen Dichtung: »Ein Bock kömmt zum Altar und will die Meße lesen,/ Allein, er zeiget bald: Es sey nur Narrerey./ Und recht!! Es ist auch war? Sie ist Teuffels Wesen;/ Der Seelen ihr Betrug; der Geld-Sucht Artzeney./ Ach spiegelt euch daran, daß sich ein Bock erkühnet,/ Und schmeißt vom Altar weg, was von euch drauff gelegt.«122 118 119

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Gedichtbände III, Bl. 322r, von E. Eichler. Vgl. zu diesen Vorgängen jetzt die ausführliche Darstellung von Jacek Staszewski: August III. Kurfürst von Sachsen und König von Polen. Berlin 1996, S. 21-69. Vgl. Siegfried Seifert: Niedergang und Wiederaufstieg der katholischen Kirche in Sachsen 1517-1773. Leipzig 1964 (Studien zur katholischen Bistums- und Klostergeschichte 6), S. 163ft Über die durch die Rekatholisierung des Herrscherhauses hervorgerufenen heftigen Auseinandersetzungen in Sachsen Ende 17./ Anfang 18. Jh. vgl. ansonsten Franz Blanckmeister: Sächsische Kirchengeschichte. Dresden 1899, S. 260-331. Ders.: Der Prophet von Kursachsen. Valentin Ernst Löscher. Dresden 1920, S. 41-146. Gedichtbände III, Bl. 306v, von E. Eichler. Die in Leipzig von dem so genannten Schloß-Bock beschimpffte Römisch Catholische Kirch-Capelle (Gedichtbände II, Bl. 342 v -343 r , von Friedrich Karg); Ein weiteres Gedicht greift den vom Kurfürsten nach Leipzig berufenen Pater Eggert an,

109 Fast zwanzig Folioseiten umfaßt schließlich ein Gedicht aus dem Jahre 1721, das sich gegen den Dresdner katholischen Hofprediger richtet, der im Blick auf die in R o m erhoffte Rekatholisierung des Mutterlandes der Reformation einen neugeborenen, nach zwei Monaten aber wieder verstorbenen Prinzen als Sachsens Heiland bezeichnet hatte. D e r Autor geht so weit, den Tod des Prinzen als Gottesgericht über den Abfall des Hauses Wettin vom reinen Glauben zu deuten. Im übrigen lebt das alte Feindbild der katholischen Kirche als widerchristliche Macht ungebrochen fort: Wollt ihr uns, Baals Volck! zum Götzen Dienste verleiten/ Wir werden wieder Euch mit Gut und Blute streiten,/ Der rechte Heyland lebt der unser Kirche stützt/ Wenn Baals Feuer gleich auf unser Haufflein blitzt [...] Es solte dieser Stamm nicht länger bey uns wachsen,/ das zeigt euch Gott der Herr, und auch dem gantzen Sachsen,/ Er reißt das Unkraut, als wie ein Gärtner thut/ Ist dieses ausgejäht, so wächst der Garten gut./ Das kleine Lutherthum wird sich durch Gott vermehren,/ Denn es hat Gottes Wort, die allereinste Lehren,/ Ihr aber habt nichts mehr als bloßen Menschen-Satz [...]. Andererseits gibt der Verfasser die Hoffnung auf eine Wende der Geschicke noch nicht auf; deutlich spielt er auf August des Starken Zwangslage an, als katholischer Herrscher gleichwohl die konfessionellen Interessen seiner protestantischen Untertanen berücksichtigen zu müssen: » D u bist in unsrer N o t h ein rechter Luther Freund/ U n d sorgst vor Kirch und Schul ob man es gleich nicht meint,/ O! Vater unsers Lands! wie gehts bey solchen Sachen?/ Wilstu es also nicht nach ihren Kopffe machen?« A m Schluß ergeht die Bitte an Gott: » U n d laße stets das Haus der Sachsen Lutherisch seyn./ Erhöre Zebaoth den Wunsch getreuer Seelen, U n d schließ uns nicht vor in finster Marter Höhlen/ So bleibt das Lutherthum in starken Wachßthum stehn./ N U N W A H R L I C H D I E ß GESCHLECHT SOLL N I M M E R M E H R VERGEHN!«123

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»als dieser an der Universität über das Jus Canonicum lesen will«: »Ihr könnet nichts bey uns mit eurem Thun verrichten/ Der Höchste will euch selbst mit euren Tand vernichten,/ Drum weg mit eurem Krahm? geht packet auch nur fort?/ Der Himmel bleibet doch in allem unser Hort./ Denckt ihr mit eurer List uns endlich zu verführen; So wird euch Gottes Hand wie Baals-Kinder rühren,/ Und gehts dem Pabste gleich nach seinem Fleische wohl,/ So ist der Lohn bestimmt, den er einst haben soll.« (Gedichtbände III, Bl. 462 v -463 v , von F. Karg). Gedichtbände VI, Bl. 218 r -227 v , von F. Karg. Wie noch zu den Zeiten des Höhepunktes der konfessionellen Auseinandersetzungen im 17. Jh. gibt eine Konversion zum Luthertum, vor allem wenn es sich um eine Persönlichkeit vornehmen Standes handelt, Anlaß zu triumphalen Äußerungen der Freude und zu Bekenntniserklärungen zugunsten des Reformators: »LUTHERUS war der theure Held,/ den Gott zum Lehrer dargestelt;/ durch ihn ward alles frey entdeckt/ Und selbst des Pabstes Ruhm befleckt.« (Als eine hohe Standes-Person, so zuvor in dem finstern Pabsthume erzogen worden [...] zu der reinen, u. alleinseeligmachenden Lutherischen Religion [...] sich bekennet, Gedichtbände IV, Bl. 46 r -47 r , von F. Karg). Luther und sein Werk bildet überhaupt den Inhalt vieler, oft sehr überschwenglicher Gedichte: Auf das Heilwurdige Reformations-Fest Lutheri; D. Martini Lutheri Erzehlung Anno 1546 zu Eisleben über Tische, wie es ihm Anno 1518 auf dem Reichstage zu Augsburg ergangen; Aufs Luther Fest; Der stets lebende Lutherus.

7. Johann August Egenolff und die Idee zur Gründung einer Sozietät zur Pflege der deutschen Sprache Bis Mitte des zweiten Jahrzehnts des 18. Jh.s scheint sich grundsätzlich nichts an dem bisher geschilderten Charakter der Gesellschaft geändert zu haben, d.h. sie bleibt ein der Übung im Versesetzen und der Unterhaltung gewidmeter studentischer Verein. Wir erkennen dies an der Tatsache, daß das Görlitzer Poetische Kollegium keinerlei Erwähnung findet als 1717 in Sachsen die Gründung einer Sozietät zur wirklichen Pflege der deutschen Sprache, eine Societas Philoteutonum, in die Diskussion gebracht wird. Unterbreitet wird dieser Vorschlag in einer kleinen Schrift, in einer Dissertation von Johann August Egenolff 1 mit dem Titel De constituenda Societate, quae babariem in 1

Johann August Egenolff (1683-1729), der in Leipzig studiert hatte, wirkte ab 1711 als Lehrer an der Grimmaer Fürstenschule. Zu seinen Schriften vgl. Karl Heinrich Jördens (Lexikon deutscher Dichter) 6. Bd. (1811), S. 57-60. Zu Egenolff vgl. Monika Rössing-Hagen: Ansätze zu einer deutschen Sprachgeschichtsschreibung vom Humanismus bis ins 18. Jahrhundert. In: Sprachgeschichte: Ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. 2. Halbbd. Berlin, New York 1985, S. 1595-1602. Lexicon Grammaticorum. Who's Who in the History of World Linguistics. Tübingen 1996, S. 265f. Vor allem heranzuziehen ist der Egenolff-Artikel in: Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenschaft des 18. Jahrhunderts. Die Grammatiker, Lexikographen und Sprachtheoretiker des deutschsprachigen Raums mit Beschreibung ihrer Werke. Hg. von E. Brekle. 2. Band. Tübingen 1993, S. 326-332 (hier auch eine ausgezeichnete Bibliographie der Veröffentlichungen Egenolffs, sehr unvollständig die Sekundärliteratur, z.B. ohne die Arbeit von Rössing-Hagen). Eine gewisse Bekanntheit besitzt Egenolff heute allein durch sein zweibändiges Werk Historie der Teutschen Sprache (2 Bde. Leipzig 1716 und 1720, Nachdruck Leipzig 1978, leider ohne Begleittext). In der Literatur zur Geschichte der Sprachwissenschaft findet es gleichwohl kaum Berücksichtigung. Vgl. jedoch: Sprachwissenschaftliche Germanistik. Ihre Herausbildung und Begründung. Hg. von W. Bahner und W. Neumann. Berlin 1985, S. 51-53; Bio-bibliographisches Handbuch, S. 326f. (ausführliche Wiedergabe des Inhaltes). Egenolff Thema konnte mit dem Interesse der Zeitgenossen rechnen. Die Leipziger Neue Zeitung von gelehrten Sachen meint, das Buch werde unter den »Liebhabern unserer Deutschen Sprache [...] kein geringes Vergnügen erwecken, weßwegen man denselben billig ersuchet, seinen gelehrten Fleis noch ferner der Untersuchung unserer Sprache und Alterthümer zu widmen.« (Jg. 1720, S. 375£). In den Miscellanea Lipsiensia (Tom. II, S. 541-549) veröffentlichte der Helmstedter Professor Polycarp Lyser, berühmt durch seine später veröffentlichte Geschichte der deutschen Literatur im Mittelalter, eine Kritik des Buches (De Cautionibus circa linguarum historiam scribendam observandis) auf die Egenolff im nächsten Band (Tom. III, S. 232-246) der Zeitschrift antwortete (Responsio ad dubia Dn. M. Polycarpi Lyseri). Er habe sein Werk mit der Zielrichtung geschrieben, »in rei veritatem inquirere, aliosque ad idem, cui

Ill lingua vernacula nostra in dies crescentem coercere studeat.2 Die dort entwikkelten Vorstellungen und Pläne, die teilweise an Vorstellungen früherer Autoren anknüpfen können, sind für die Entwicklung der späteren Deutdediti sunt, studiorum genus excitare [...]« (S. 233). Er danke daher jedem, der seine Zweifel an dem Buch ihm in Briefen mitteile oder auch im Druck veröffentliche. Auch in Menckes Deutsche Acta Eruditorum erfährt das Werk eine ausführliche Besprechung. Es habe bisher als gemein und verächtlich gegolten, sich mit der deutschen Sprache zu beschäftigen; trotz gewisser Bemühungen habe »zeithero keiner an ein vollständiges Werck die Hand anlegen wollen.« Darauf folgt eine genaue Angabe des Inhaltes des Buches von Egenolff, der »seine meisten NebenStunden dieser Sache nachzudencken angewendet« (Jg. 1716, S. 329-343). Die Wöchentliche Post-Zeitungen von Gelehrten Neuigkeiten (publiziert von der Leipziger Königlichen und Churfürstlichen Sächsischen Zeitungs-Expedition) geben einen Überblick über den Inhalt des Bandes und teilen dann mit, der Autor habe »den rühmlichen Entschluß gefast, seine Neben-Stunden auf die teutsche Sprache zu wenden, und die Historie derselben genauer zu untersuchen.« Dem vorliegenden Teil sollen noch weitere drei Teile folgen. Daraus ist nichts geworden. Der erste Band erfährt jedoch 1735 eine Neuauflage, die damit begründet wird, daß unter den Gelehrten eine »sonderbare Begierde« nach jenem «kleinen iedoch angenehmen Werckgen« herrsche (S. 43 des Vorwortes zur neuen Auflage). Egenolff habe mit seinem Buch »dieses Stücke der Teutschen Wißenschaften (Geschichte der deutschen Sprache, D. D.) zuerst ex professo vor die Hand genommen« und damit die Ehre der deutschen Sprache gerettet (S. 25). Der ungenannte Verfasser des Vorwortes weiß ebenfalls, daß Egenolff sein Werk noch fortsetzen wollte, spricht jedoch nur von zwei weiteren Teilen seiner Historie, deren Veröffentlichung durch den Tod Egenolffs unterblieben sei. Gottsched, der die Erforschung der deutschen Sprachgeschichte breiter und tiefer betreiben wird, wendet sich in seiner Deutschen Sprachkunst (1. Auflage 1748) kritisch gegen Egenolff. Dieser scheint im übrigen überhaupt stark an der Geschichte der Sprachen interessiert gewesen zu sein. Schon 1704 wirkte er in Leipzig als Präses bei einer Disputatio de tribus Latinae Linguae filiabus [...] (gemeint sind damit Spanisch, Französisch und Italienisch). 1723 berichtet die Leipziger Neue Zeitung, er arbeite an einer Untersuchung zur keltischen Sprache (S. 224), der damals ein besonders hohes Alter zugemessen wurde und aus der sich nach einer verbreiteten Auffassung die deutsche Sprache entwickelt hatte. In die Bibliothek der Deutschen Gesellschaft ist Egenolffs Historie 1723 als Geschenk gelangt. Der Text des Consilium scheint sich nur in wenigen Bibliotheken zu befinden. Ich benutze im folgenden ein Exemplar der UB Halle (Signatur: n d 324). 2

Sie bildet die dritte Abhandlung in einer kleinen Sammlung von Dissertationen Egenolffs: Trias dissertationum, continens 1. Responsionem modestam, ad impudentem libellum J. C. Wackii [...] 2. Brevem linguae Germanicae apologiam, Petri Burmanni... duro de ea iudicio oppositam. 3. Consilium [...] Leipzig 1717. Die bisherige Forschung hat sich mit dieser Schrift nicht beschäftigt. Eine Ausnahme bildet ein knapper Hinweis von Witkowski (S. 365), der allerdings irrtümlich Johann Georg v. Eckhart, Leibniz' Sekretär und Herausgeber der Unvorgreiflichen Gedanken (s. Kap. 7, Anm. 17), als Verfasser nennt. In seinem Aufsatz von 1927 (Deutsche Gesellschaft) stellt er die Vermutung an, die Hamburger Gesellschaft habe Eckhart dazu gebracht, jene Dissertation zu verfassen (S. 166). Sigmund von Lempicki (Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Göttingen 1920, S. 249) folgt Witkowski in dessen Behauptung und meint, die Reform der Gesellschaft im Jahr 1717 sei auf der Grundlage jener Schrift erfolgt. Auch St. Benz (Johann Georg Eckhart) scheint Eckhart als Verfasser jener Schrift zu vermuten. Jedenfalls berichtet er, Eckhart habe 1717 eine Publikation zur Reform des Görlitzer Collegium Poeticum (!) veröffentlicht.

112 sehen Gesellschaft von erheblicher Bedeutung; es lohnt sich daher eine eingehende Beschäftigung mit jenem Text. Die Dissertation steht in Verbindung zu einer vorangegangenen Abhandlung Egenolffs, in der er die deutsche Sprache gegen die Behauptungen des Holländers Peter Burmann verteidigt, diese sei nicht in der Lage, wissenschaftliche Themen darzustellen (Vorlesung aus dem Jahre 1715). Dagegen preist Egenolff die Überlegenheit des Deutschen über alle andere Sprachen der Welt. Mit seiner Argumentation steht er ganz innerhalb einer weit in das 17. Jh. zurückreichenden Tradition, die die deutsche Sprache und Sitte gegen die als fremd und gefährlich empfundenen Einflüsse des Auslandes bewahrt sehen möchte: Die den Deutschen eigene Vorstellung von der angeblichen Minderwertigkeit und Unvollkommenheit ihrer Sprache öffne jenen Einflüssen Tür und Tor, so daß es von besonderer Notwendigkeit sei, Schönheit, Altertum und Überlegenheit des Deutschen herauszustellen. 3 Angesichts dieser Vorzüge sei es um so merkwürdiger, so wieder das Consilium, daß man in Deutschland die eigene Sprache nicht pflege, sondern vernachlässige und stattdessen alles Fremde anhimmele. 4 3

Es sei notwendig, die »Vortreflichkeit« der deutschen Sprache zu beweisen, schreibt Morhof, »weilen sich auch unter gelehrten Leuten/ und die von Teutscher Herkunfft seyn/ einige finden/ die ihre Mutter-Sprache lästern/ und deren Grobheit und Ungeschicklichkeit zu guten Erfindungen/ und zierlicher Ausbildung der Gedancken vorzugeben sich nicht scheuen. Damit nun hievon ordentlich geredet werde/ so wollen wir erstlich von derselben Althertumb/ als worinnen nicht der geringste Theil ihrer Vortrefflichkeit bestehet/ handeln/ und dann folgends von derselben Geschicklichkeit zur Poeterey mit mehrern erwehnen.« (Daniel Georg Morhof: Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie. Hg. von Henning Boetius. Bad Homburg, Berlin, Zürich 1969 [Nachdruck der Ausgabe Lübeck u. Frankfurt/M. 1700], S. 22). Wenige Jahre später erklärt Johann Bödiker (Grund-Sätze der Deutschen Sprache. Cölln an der Spree 1690 [Nachdruck Leipzig 1977]) die deutsche Sprache zur ältesten Tochter des Hebräischen und zur Mutter der griechischen, lateinischen und aller anderen europäischen Sprachen. Als ungerechtfertigt erschien vielen Beobachtern vor allem die Bevorzugung des Französischen, auch und besonders auf dem Gebiet der Dichtung. Die Behauptung Fontenelles in seiner bekannten Eloge auf Leibniz, dieser habe bessere Gedichte in Französisch anfertigen können als in Deutsch, da die erstere die überlegenere Sprache sei, ruft den energischen Widerspruch des Leibniz-Sekretärs Eckhart hervor: Fontenelle irre hier sehr; das Deutsche besitze vielmehr »einen grossen Vorzug« vor dem Französischen: Es sei im Wortschatz reicher, besitze mehr »Geist und Feuer«, eine »Accurate Construction«, eine größere Reinlichkeit der Reime usw. Als Zeugin für die Überlegenheit des Deutschen nennt Eckhart interessanterweise Louise Henriette von Orleans (vgl. Lebens-Beschreibung des Herrn von Leibnitz verfaßt von dem Herrn Fontenelle [...] und in gegenwärtiger Teutschen Ubersetzung mit einigen Anmerckungen vermehret. Abgedruckt im Anhang zur dt. Übersetzung der Theodicee. Amsterdam 1726, hier S. 846£).

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Der Vorwurf, die geringe internationale Beachtung der deutschen Sprache hätten sich die Deutschen aufgrund ihrer Verehrung alles Fremden selbst zuzuschreiben, ist damals weit verbreitet. So heißt es in der 46. Expedition der Zeitschrift Des mit allerhand Staats- Friedens- [...] Affairen beschäftigten Secretarli, daß das Deutsche als allgemeine Verkehrssprache in Europa sehr geeignet wäre, »die in dem Hertzen

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Egenolff gibt dann einen ganz knappen Überblick über die Sprachgeschichte seit der Zeit der Reformation, der Luther und Opitz als Spracherneuerer feiert. Anschließend finden die Sprachgesellschaften des 17. Jh.s Erwähnung, deren Wirken, mit Ausnahme der Fruchtbringenden Gesellschaft, er jedoch wenig Erfolg zumißt.5 Gegenwärtig existiere, trotz aller bestehenden gelehrten Sozietäten, keine Vereinigung, die sich der deutschen Sprache annähme, und dies in einer Zeit, in der die Sprache immer mehr Verderbnis leide und mit Barbarismen angefüllt werde. Um so mehr erfreut sei er über die Kunde, es lebten in Wien, Berlin, Leipzig, Hamburg und anderen Orten Personen, die ihre bisher allein auf privater Basis betriebene Beschäftigung mit dem Deutschen nun auch der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen und den Wunsch hegen, eine Sozietät zum Studium der Muttersprache zu gründen.6 Auf bestimmte Bitten hin wolle er, Egenolff, ein »Schediasma« einer solchen Gesellschaft entwerfen. Zu meiden sei, so seine erste Orientierung, die Verquickung der Tätigkeit der Gesellschaft mit pekuniären Vorteilen. Die Stipendien der französischen Könige zur Förderung der französischen Sprache werden ausdrücklich als abschreckendes Beispiel genannt. Die Zahl der Mitglieder solle nicht begrenzt werden, auch solle die Gesellschaft jedem »Philoteutonus« gleich welcher geographischen Gegend offenstehen. Allerdings müsse er in der deutschen Literatur gut bewandert sein und keine

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und größten Theile von Europa ohnedem floriret und der höchsten Monarchie eigen ist [...]. Nur Schade ist es, daß wir Teutschen mehr auf die Erlernung ausländischer Sprachen, als auf Excolirung und Hochachtung unserer Mutter-Sprache wenden, und uns mehr nach denen frembden accommodiren, als daß Frembde sich nach uns richten und zur Affection gegen unsere Sprache gewöhnen müssen.« (4. Bd. [18. 3.1721], S. 921). Auf die Untersuchung der Gründe für das Scheitern jener Sozietäten verzichtet Egenolff ausdrücklich. Es sei nicht gerecht, solche um das Vaterland verdiente Männer im Nachhinein zu kritisieren. Immerhin verweist er dann auf den Dreißigjährigen Krieg als eine erhebliche Ursache für die Erfolglosigkeit jener Bemühungen (S. 29f.). Die kritische Einschätzung der Tätigkeit der Sprachgesellschaften ist zu Beginn des 18. Jh.s verbreitet. Morhof lobt zwar ebenfalls die Fruchtbringende Gesellschaft, meint dann aber, die späteren Gesellschaften hätten »zu vielen thörichten Wesen Anlaß gegeben« (Unterricht, S. 222). In Tentzels Monatlichen Unterredungen wird kritisiert, daß die Fruchtbringende Gesellschaft »nach der Zeit von dem ersten Zweck etwas abgewichen/ indem sie die Teutsche Sprache mit vielen neuen terminis überhäufft/ und dieselbe damit mehr verdunckelt/ als erläutert.« (Jg. 1692, S. 185). In seiner gegen Burmann gerichteten Dissertation rühmt Egenolff jedoch die Sprachgesellschaften; sie hätten nichts unterlassen, »quod in enarrandis Germanicae linguae meritis encomiis addi potuisset« (S. 25). Als Quelle gibt Egenolff Zeitschriften und Briefe an. Diese hätten ihn informiert, »esse [...] nobilioribus, qui velini, dari occasionem sibi, qua diligentiam, quam in cultura linguae Germanicae inter privatos tantum parietes adhibuerunt hactenus, etiam aliis declarare, suasque meditationes aliorum judicio et limae subjicere possint; unde a multo jam tempore optaverint, ut denuo fundamenta ponantur ejusmodi societatis, cujus membra hora succisivas, suaque otia, aut, si fieri possit, studia omnia culturae sermonis nostri consecrent.« (S. 30).

114 Vorurteile (praejudicia) hegen. Die zentrale Aufgabe der Gesellschaft besteht in der Reinigung und Verbesserung der deutschen Sprache. Jedes einzelne Vorhaben ist diesem großen Ziel zugeordnet. Im einzelnen nennt dann Egenolff etymologische Forschungen und Untersuchungen des Ursprungs und der Entwicklung der deutschen Sprache in den einzelnen Zeitaltern. Dabei sollten bisher unveröffentlichten Schriften zu diesem Thema Beachtung finden. Weitere Aufgaben bilden die Dialektforschung7 und der Vergleich des Deutschen mit den ihm verwandten nordischen Sprachen. Unter den Mitgliedern aufzuteilen wären die Beschäftigung mit der deutschen Grammatik, der Rhetorik, der Orthographie, der Syntax u.a. 8 Dabei warnt Egenolff mit Nachdruck vor allen eifernden Sprachverbesserern, die die nun einmal in der deutschen Sprache rezipierten Worte (ζ. B. Fenster, Katze, Kloster) eliminieren wollen.9 Dennoch besteht eine Hauptaufgabe der Gesellschaft darin, wie schon ihre Bezeichnung demonstriert, alle Worte zu erfassen, die ohne Notwendigkeit, ohne Verstand und nur aus Neuerungssucht aus anderen Sprachen ins Deutsche eingeführt worden sind. Die Kunst besteht darin, zwischen den notwendigen und eingebürgerten Wortentlehnungen und den überflüssigen, von der Mode diktierten Nachäffereien zu unterscheiden.10 Skeptikern, die meinen, kein Autor werde sich an die Vorschriften einer solchen Sozietät halten, setzt Egenolff entgegen, daß er fest daran glaube, es werde bald die Zeit vorbei sein, wo man ohne Bedenken gegen die Prinzi7

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»Variis iisque maxime discrepantibus dialectis nostrani scatere linguam nemo ignorât; operae igitur pretium foret, ut dictarum quaevis dialectorum a vins quibusdam eruditis illustretur, qui ostenderet, quae causa et quae natura ejusdem sit, qua in re maxime a ceteris différât, et qua cum una alterave conveniat.« (S. 32) Die Erforschung der Mundarten ist nachdrücklich bereits bei Justus Georg Schottel gefordert worden. Leibniz folgt hierin Schottel (vgl. Erika Ising: Zur Entwicklung der Sprachauffassung in der Frühzeit der deutschen Grammatik. In: Forschungen und Fortschritte 34 [1960], S. 367-374 [S. 374]). Egenolff schlägt methodisch vor, den einzelnen Mitglieder bestimmte Buchstaben des Alphabets zur Bearbeitung zuzuweisen. Jeder habe anzugeben, was er von früheren Autoren übernimmt, wo er aus welchen Gründen abweicht usw. Besonderen Wert legt Egenolff auf die Auseinandersetzung mit den »Hassern unserer Sprache« (S· 34). Die Kritik an den Auswüchsen der Vorstellungen der Sprachverbesserer ist freilich schon lange vor Egenolffs Auftreten thematisiert worden. So verspottet Christian Weise die Puristen als »Lesebengel und Papierverderber«: »Das Hochdeutsche muß auch verständlich seyn, und muß nicht wieder die Natur der Sprache selbst lauffen [...] Ein Wort ist ein Wort, das ist, ein blosser Schall, der vor sich nichts heist, und nach dem der Gebrauch und die Gewohnheit solches bestätigen. Und also muß man den Gebrauch am meisten herrschen lassen« (Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Abdruck der Ausgabe von 1673. Halle 1878, S. 67). »Inquirendum itaque et demonstrandum foret, quae voces peregrinae, jam Teutonica civitate per necessitatis et usus imperium ita donatae sint, ut ex ilia nunc ejici amplius nequeant, et quae quotidie a fatuis quibusdam hominibus, se alias caliere linguas demonstraturis, admodum absurde et ridicule adhibeantur [...]« (S. 34).

115 píen der Muttersprache verstieß. Dann schlägt die Stunde der geschilderten Sozietät: »Quae quidem res, si ab hac societate clarius demonstretur, nullum est dubium plures excitatum iri, qui in sermone et scriptis suis vitium hoc sua natione indignum evitare studeant.«11 Interessanterweise wendet sich dann Egenolff gegen das (ihm nahegelegte) Vorhaben, ein deutsches Wörterbuch und eine Grammatik zu verfassen. Die Voraussetzung für den Erfolg solcher Unternehmen wäre die Existenz allgemein anerkannter Prinzipien, was sich nach der Auffassung Egenolffs nur über eine Diktatur innerhalb der Gesellschaft durchsetzen ließe. Notwendig wäre jedoch der freie Austausch der Meinungen der Mitglieder untereinander. Nur dann, d.h. bei Vermeidung einer Meinungsdikatur innerhalb der zukünftigen Gesellschaft, könnten möglichst alle Kräfte dem großen Ziel der Reinigung der Sprache zugeführt werden.12 Unwillkürlich tritt dem Betrachter hier Rolle und Charakter der Deutschen Gesellschaft unter Gottscheds Regiment vor Augen: Genau dieser von Egenolff abgelehnte verbindliche Gültigkeitsanspruch eines einzelnen Mitglieds ist dann erhoben worden. Weiterhin sei, so wieder der Verfasser des Consiliums, jetzt nicht die Zeit der Abfassung dickleibiger Werke, vielmehr dominiere die Notwendigkeit, die Leser allmählich (successive) zu unterrichten, wozu eine Zeitschrift am besten diene.13 Ausdrücklich nennt Egenolff die Miscellanea Lipsiensia als Vorbild. Veröffentlicht werden könnte eine solche Zeitschrift in Latein und in Deutsch. Da die »philoteutonum observationes« gegenwärtig in Leipzig und Berlin betrieben werden, sollte an dem einen Ort die erste, am anderen Ort die andere Sprache Verwendung finden. Eine Führungsrolle bei der Gründung der Gesellschaft will Egenolff selbst jedoch nicht übernehmen; dazu bedürfe es stärkerer Naturen; auch belasteten ihn die Amtspflichten als Lehrer zu stark; schließlich läge sein Wohnort (Grimma) zu weit ab vom literarischen und wissenschaftlichen Leben. Daher habe er zwei andere Persönlichkeiten gebeten, die Angelegenheit

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Consilium, S. 35. »Primo, quamvis in eo tota erit, ut ante omnia in generalioribus conveniat principiis; attamen nullam sibi dictaturam attribuet futura, si Deo placet, societas, sed quilibet suas meditationes tanquam Consilia, cum philoteutonibus communicabit, qua ratione plures forte excitabuntur ad fugiendas ante narratas nostrae linguae pestes, quam si sub anathematis Grammaticalis fulmine cives nostri admonerentur, ut pedibus eant in sententiam jam saepius dictae societatis.« (S. 36) Später urteilt Egenolff, daß es »kaum eines Mannes Arbeit sey«, ein Wörterbuch zu schreiben, lobt dann aber Wächters Glossarium von 1727 (s. S. 253) und hofft auf das baldige Erscheinen der angekündigten erweiterten Fassung (Eginhard, S. 12). »Mavult enim nostra aetas brevioribus ejusmodi scriptis delectari, quam prolixioribus instruí: et praeterea hic modus sua sensa sibi invicem declarandi, videtur ideo commendandus, quod eo aliis asserendi, aliis modeste et pacifice opponendi, donec Veritas eruatur, praebetur occasio.«

116 in die Hände zu nehmen. Es sind dies Friedrich Pezold 14 in Leipzig und Johann Leonhard Frisch15 in Berlin. Schließlich endet der Verfasser seine Ausführungen mit dem Appell, trotz aller bestehenden und noch zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Realisierung des vorgeschlagenen Projekts den Mut nicht sinken zu lassen. Egenolffs eben skizzierter Plan steht genau in der Mitte zwischen den Sprachgesellschaften alter Prägung und Gottscheds späterer Sozietät. 16 Den Ausgangspunkt des Grimmaer Lehrers bildet noch die Verteidigung der deutschen Sprache gegen ihre westeuropäischen Kritiker, die ihr eine literari14

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Der an der Leipziger Thomasschule wirkende Gymnasiallehrer Karl Friedrich Petzold (1678-1731) war Herausgeber der Miscellanea Lipsiensia, in der auch Egenolffs Historie diskutiert wurde (s. S. llOf.). Petzold führte eine ausgedehnte Korrespondenz und verfügte als Mitglied verschiedener Leipziger Gesellschaften über breite Erfahrungen zur Arbeit gelehrter Gesellschaften. Hier ist vor allem das Collegium Anthologicum zu nennen, dem er vier Jahre als Senior vorstand (vgl. Georg Christian Gebauer: Collegiorum Lipsiensium Gelliani et Anthologici historia. In: ders.: Anthologicarum Dissertationum liber. Leipzig 1733, S. Cllf., mit Bibliographie der Schriften Petzolds). Nach Petzolds eigener Mitteilung ist die Gründung der Miscellanea innerhalb des Collegium Anthologicum angeregt worden; auch seien viele Mitglieder der Gesellschaft Autoren der Zeitschrift. Man habe jedoch aus bestimmten Gründen darauf verzichtet, die Miscellanea im Namen des Collegium Anthologicum herauszugeben (Petzold in der Vorrede zum 1. Band der Miscellanea). Vgl. Hirsching (Historisch-litterarisches Handbuch), 7. Bd. Leipzig 1805, S. 61f. Der Polyhistor Johann Leonhard Frisch (1666-1743) wirkte zu dieser Zeit als Konrektor am Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin und stand mit Leibniz in enger Verbindung. Auf dem Gebiet der Linguistik hat er sich neben der Erforschung slawischer Sprachen vor allem durch die Edition verschiedener Grammatiken und Wörterbücher zur deutschen Sprache verdient gemacht. Vgl. ADB 8, S. 93ff.; NDB 5, S. 616; Lexicon Grammaticorum, S. 312-314; Bio-bibliographisches Handbuch, Bd. 3 (1994), S. 142-151; Lothar Noack/Jürgen Splett: Bio-Bibliographien. Brandenburgische Gelehrte der Frühen Neuzeit. Berlin-Cölln 1688-1713. Berlin 2000, S. 145-159. Zu seiner Bedeutung für die sprachwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Deutschen vgl. Hermann Paul: Geschichte der germanischen Philologie. In: ders. (Hg.): Grundriss der germanischen Philologie. I. Bd. Straßburg 1891, S. 35. Frisch stand später Gottsched und der Deutschen Gesellschaft ausgesprochen kritisch gegenüber, vgl. S. 297 der vorliegenden Untersuchung. Egenolffs Pläne folgen einem weit zurückreichenden Bestreben zur Schaffung von Akademien zwecks der Pflege der deutschen Sprache, das (mit Ausnahme der Ausführungen von Leibniz) in der Forschung nur unzureichende Beachtung gefunden hat. So plante z. B. der Augsburger Hieronymus Ambrosius Langenmantel, Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft, »zu Ehren unsers teutschen Vaterlandes eine Academie auffzurichten/ deren Zweck bestehen solle in Colligirung eines perfecten Dictionarii unserer Teutschen Sprache/ welches von vielen Gelehrten bißher verlanget worden [...]« (Monatliche Unterredungen Einiger Guten Freunde Von Allerhand Büchern und andern annehmlichen Geschichten. Jg. 1695, S. 93). Zu Langenmantel vgl. Die Fruchtbringende Gesellschaft unter Herzog August von SachsenWeißenfels. Süddeutsche und österreichische Mitglieder. Hg. von Martin Bircher und Andreas Herz. Tübingen 1997 (Die Deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts Fruchtbringende Gesellschaft. Reihe II, 2), S. 143-175 (sehr gründlich, jedoch kein Hinweis auf Langenmantels Projekt einer Sprachakademie).

117 sehe Bedeutung aberkennen wollen. Die Reinigung des Deutschen von fremden Einflüssen bleibt das höchste Ziel; selbst die durchaus als Aufgabe anerkannte Ausarbeitung von Wörterbüchern und Grammatiken wird zugunsten der Sprachreinigung zurückgestellt. Auf der anderen Seite sind verschiedene Forderungen und Vorstellungen Egenolffs wegweisend für die spätere Deutsche Gesellschaft geworden: die prinzipielle Öffnung der Sprachgesellschaft für Mitglieder gleich welcher regionalen (und damit mundartlichen) Herkunft bei gleichzeitig erhöhten Ansprüchen an deren literarischen und wissenschaftlichen Fähigkeiten, die Aufnahme sprach- und literaturwissenschaftlicher Vorhaben in das Programm der Gesellschaft, die Herausgabe einer Fachzeitschrift. Es stellt sich natürlich die Frage, ob Egenolffs Schrift von Leibniz' berühmter Arbeit Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache beeinflußt ist.17 Tatsächlich liegen manche Parallelen auf der Hand: die enge Verquickung der Sorge um die Sprachverbesserung mit dem Patriotismus, die Kritik am übertriebenen Sprachpurismus der Sprachgesellschaften, die Forderung nach Erforschung der Dialekte und der verwandten Idiome sowie nach sprachgeschichtlichen Studien, die Erklärung des Deutschen zur Mutter aller europäischen Sprachen, die Unterscheidung zwischen den zu billigenden und den zu verwerfenden Übernahmen von Wörtern anderer Sprachen, das Hinzuziehen früherer Literatur, die Edition eines Periodikums, die Suche nach hochgestellten Mäzene der zu gründenden Gesellschaft. Entgegen der Auffassung Egenolffs ist Leibniz jedoch ein Befürworter der Erarbeitung eines Wörterbuches und einer Grammatik Es sind dies Aufgaben, die er einem zu gründenden »deutschgesinnten Orden« übertragen möchte. Dennoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Beeinflussung Egenolffs durch die Schrift des großen Philosophen eher als gering einzuschätzen. Leibniz' Gedancken erschienen 1717, also im gleichen Jahr wie das Consilium. Welcher der beiden Texte zuerst vorlag, läßt sich nicht sagen.18 Einen Hinweis auf die notwendige Gründung einer Gesellschaft zur Reinigung der deutschen Sprache gibt schon eine Publikation 17

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Als beste Ausgabe gilt die von Paul Pietsch in: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 29 (1908), S. 290-312. Die verbreitete (sprachlich bearbeitete) Ausgabe von Leibniz' Deutschen Schriften in Meiners Philosophischen Bibliothek (Bde. 161 u. 162) enthält den Text im 1. Band, S. 25-54 (Leipzig 1916). Entstanden ist die Schrift zwischen 1697 und 1709. Vgl. zu Leibniz als Sprachforscher Theodor Benfey: Geschichte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie in Deutschland seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts mit einem Rückblick auf die früheren Zeiten. München 1869 (Geschichte der Wissenschaften in Deutschland 8), Nachdruck New York u. London 1965, S. 243254. Karl-Heinz Weimann: Leibniz als Sprachforscher. In: Leibniz. Sein Leben, sein Wirken, seine Welt. Hg. von Wilhelm Totok und Carl Haase. Hannover 1966, S. 535-552. Lexicon Grammaticorum, S. 557£ Egenolffs Arbeit muß vor dem 28. 7.1717 erschienen sein, da an diesem Tag der Text in den Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen als erschienen vermerkt wird.

118 Egenolffs aus dem Jahre 1716 (Historie der Teutschen Sprache, vgl. die folgenden Ausführungen). Manche der parallel laufenden Vorschläge lagen wohl gleichsam in der Luft und finden sich daher unabhängig voneinander bei verschiedenen Autoren. Einer weiteren Öffentlichkeit bekannt wird Egenolffs Vorschlag durch einen Artikel von Christoph Ernst Sicul in dessen Leipziger Jahrbüchern (Jg. 1718). Sicul erwähnt Egenolffs Dissertation und berichtet, daß dieser sich schon lange mit der deutschen Sprache beschäftige und verweist auf den ersten Teil der Sprachhistorie. Es hätten sich bereits mehrere Personen gefunden, die konkret die Gründung einer solchen Sozietät anstrebten und die hinter Egenolffs Dissertatio stünden.19 Nun seien zwar Schwierigkeiten aufgetreten, aber es sei doch Hoffnung, daß jenes Projekt zustande kommt, »zumal ein anderer hoher Patron zum Praesidio nicht ungeneigt«.20 Leipzig sei »zu allerst zum Sammlungs- und Publications-Ort« vorgeschlagen worden.21 In einer Nachschrift wird dann noch mitgeteilt, daß zur nächsten Neujahrmesse (1719) ein erstes Zusammentreffen (consessus) »hiesiger Interessenten zu endlicher Einrichtung dieses Instituti« stattfinden werde.22 Dies bildet wohl auch die Begründung für die Aufnahme des Beitrages in den Abschnitt über die Leipziger gelehrten Sozietäten, obwohl es die vorgeschlagene Gesellschaft noch gar nicht gibt. Mit keiner Silbe wird bei Sicul die Görlitzische Poetische Gesellschaft in diesem Zusammenhang auch nur erwähnt. Auch im nächsten Jahr geht Sicul auf die geplante Societas Philoteutonum ein: Sie sei noch nicht in Schwung gekommen »doch will versichert werden, daß bey denen Interessenten die Begierde zum vorgesezten Zweck zu gelangen, oder ihr Vorhaben zu Stande zu bringen, noch nicht verloschen sey. Stehet also der Erfolg zu erwarten.« Im Anschluß, jedoch ohne Verknüp19

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»So haben sich doch noch mehrere gefunden, die sich seine Arbeit Wohlgefallen lassen, und nebst ihm eine Societät zu gemeinsamer Handanlegung an die Teutsche Sprache vor was Löbl. und Heilsames angesehen haben. Von denselben hat er sich dann bewegen lassen, solch ihr Gutbefinden durch öffentl. Druck bekant zu machen, und hierzu mehrere Mitarbeiter einzuladen. Jenes ist demnach in gedachter Diss, geschehen [...]« (Sicul I, S. 735£). In den Neuen Zeitungen wird das Consilium zumindest angezeigt (Jg. 1717, S. 488). Egenolff hatte in seiner Dissertatio von einem »große Mäzenaten« berichtet, dem der Vorsitz über die geplante Gesellschaft angetragen worden ist (S. 35). Die Hindernisse hätten dem Autor »einen ziemlichen Strich durch seine Rechnung gemachet [...] Jedoch weil die Hand einmahl ans Werck geleget und bey einigen an dem gefaßten Entschluß fest haltenden, ja noch Hoffnung vorhanden, es werde ihnen die kiinfftige Zeit vorträglicher sen, zumal ein anderer hoher Patron zum Praesidio nicht ungeneigt, anbey unser Leipzig, das zu allererst zum Sammlungsund Publications-Ort in Vorschlag gekommen, sich hoffentlich einen andern Ort nicht vorgreiffen lassen wird, also daß der dießfalls ausgestreute Saame anderswo eher als hier Frucht bringen solle [...]« (S. 740). Das Schediasma erwähnt kurz Egenolffs Vorhaben, vermerkt dann aber lapidar über das Scheitern dieses Vorhabens: »Sed cum variae, quae negotium sufflaminabant, difficultates emergerent, ad maturitatem nullam adoleverunt.« (S. 43)

119 fung mit der eben zitierten Mitteilung, erwähnt Sicul erstmals in seinen Annalen das Collegium Poeticum Gorlicense: Nur Görlitzer könnten dort Mitglieder werden, jedoch geschähe jetzt einiges »zu mehreren Aufnahme« der Gesellschaft, so die Einrichtung einer »bibliothecgen von den auserlesensten Poeten«.23 Der vielversprechenden Ankündigung Egenolffs bleibt jedoch der Erfolg versagt. Immerhin erscheint neben dem Consilium der erste Band seiner Historie der Teutschen Sprache (schon 1716). Egenolff versteht das Buch als ersten Anfang zur Beschäftigung mit der Geschichte der deutschen Sprache. Deren Ergebnis soll dazu dienen, die Muttersprache von fremden Einflüssen zu reinigen und sie auszubessern. Dazu wären nach dem Vorbild der anderen europäischen Nationen eigentlich »gantze Academien und Gesellschafften« nötig, jedoch wolle er als Privatmann jetzt einen Anfang machen. Sein Vorhaben würde seinen Zweck erfüllen, wenn dadurch »ein geschickterer Geist aufgemuntert und erwecket würde, dieses Werck besser und vollkommener [...] auszuführen.«24 Noch im zweiten Band, der 1720 erscheint, gibt sich Egenolff in der Vorrede hoffnungsvoll: »Also wünsche ich von Hertzen, daß sich immer mehr und mehr gelehrte Teutsche finden mögen, welche nach dem Beyspiel unserer Nachtbaren eyffrig dahin bedacht seyn, wie unsere Mutter-Sprache in ihrer nunmehro erlangten Hoheit und Pracht nicht nur erhalten, sondern auch derselben Vortreflichkeit und Schimmer von Tage zu Tage könne vermehret werden.« Im Buch versteckt findet sich dann jedoch ein resignierendes Fazit aller seiner Bemühungen um die Gründung einer Sozietät zur Pflege der Sprache. Er verweist auf seine Dissertation und berichtet dann: Er habe auch weder Unkosten noch Mühe gespahret, eine solche Gesellschafft auffrichten zu helffen, die sich wenigstens dieses angelegen seyn liesse, daß sie die fremden Wörter, so täglich in Zeitungen u. d. Schrifften vorkommen, mit gleichkräfftigen und reinen Teutschen Worten auszudrücken sucheten, um die unbesonnenen Teutsch-Verderber dadurch zu beschämen. Allein ich habe so viel Hindernisse gefunden, daß ich an einem glücklichen Fortgange dieses Vorhabens nunmehro gäntzlich zweiffeie. Denn, daß ich noch mit wenigen hiervon meine Gedankken sage, so ist von einer Gesellschafft, so der Teutschen Sprache in der That Frucht und Nutzen brächte, wie auch von dem Vorhaben der üblen Gewohnheit unserer Landes-Leute abzuhelffen nichts zu gedencken, biß sich ein Ober-Haupt der Teutschen Nation den Vorsatz nimmt, zu befehlen, und darüber zu halten, daß die fremden Wörter in öffentlichen Schrifften müssen weggelassen werden. So bald ein solcher Mäcenas vor die Teutsche Sprache auffstehet, so bald wird sich auch mancher Maro finden, welcher zeigen wird, wie die bißher bey uns eingeschlichenen fremde Wörter mit guter Manier können abgeschafft, und reinere an ihre Stelle genommen werden.25

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Sicul I, S. 888t J. A. Egenolff: Historie der Teutschen Sprache. Leipzig 1716, Vorrede, S. 12f. Historie der Teutschen Sprache. 2. Band, S. 288f.

120 1728 hofft Egenolff immer noch vergeblich auf einen Mäzen, »der sich den höchstnöthigen Schutz unserer hoch-Teutschen Mutter-Sprache, die von vielen Beschwehrungen angefallen wird, möge recht angelegen seyn lassen.« Mit einem deutlichen Anflug der Resignation klagt Egenolff dann darüber, daß man sich nach wie vor an den Schulen einseitig um die Verbesserung der Beherrschung des Lateinischen kümmere und darüber das Deutsche vernachlässige, dessen Schönheit in den letzten Zügen liege und dem nur durch »mächtige Arztneyen« aufgeholfen werden könne. Überall herrsche die »erbärmlichste Schreib-Arth« und auch in den öffentlichen Verlautbarungen sei man weit davon entfernt, sich einzig und allein der »pur Teutschen Worten« zu bedienen. Alle Wissenschaften schließlich ließen sich auch mittels der deutschen Sprache darstellen, wenn nur die Gelehrten von ihrer Verachtung der Muttersprache ablassen würden. Leibniz und Wolff gelten demgegenüber als positive Beispiele. Weiterhin sollten den Ungelehrten Bücher über die deutsche Geschichte »und andere gelehrte Sachen« in Übersetzungen vorgelegt werden.26 Bemerkenswert ist abschließend die Tatsache, daß Egenolffs Bemühungen um die Etymologie wenigstens am Rand eine Rezeption innerhalb des Gottsched-Kreises fanden. 1726 gibt Egenolff Valentin Ernst Löschers Literator Celta heraus, an dessen Abfassung er nach eigener Mitteilung in der Praefatio Anteil genommen hatte.27 Die von dem Dresdner Superintendenten behauptete frühere Existenz einer keltischen Ursprache, aus der sich die anderen europäischen Sprachen entwickelt hätten, wird einige Jahre später im Publikationsorgan der Deutschen Gesellschaft durchaus positiv besprochen.28

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Kayser Carls des Grossen Lebens-Beschreibung, durch Eginharden [...] Nunmehro ins Teutsche gebracht [...] durch M. Johann Augustin Egenolfen. Leipzig 1728, Vorrede (datiert: 21. 8.1728). Der vollständige Titel lautet: Literator Celta, seu literatura Europaea, occidentali et septentrionali consilium et conatus. Leipzig 1726. Kritische Beiträge I. Bd., S. 218.

8. Die Wandlung von der Görlitzischen Poetengesellschaft zur Teutschübenden Poetischen Gesellschaft. Ihre Mitglieder in den Jahren um 1720 Die Görlitzische Poetische Gesellschaft konnte wohl um so weniger als >Hoffnungsträger< einer neuen Sprachgesellschaft, wie sie Egenolff anstrebte, in Frage kommen, als sie im zweiten Jahrzehnt ihres Bestehens mehrere Krisen durchlebte, die ihre Existenz fast beendeten. So kommt es 1711/12 zu einem anscheinend weitgehenden Erliegen der Tätigkeit des Kollegiums. Eine Supplie an den Apollinem, im Nahmen des Collegii wegen des lastjährigen Interstitu klagt in jener Zeit: Es ist fast Jahresfrist, daß unser Dichter-Orden/ Als eine Wüsteney von uns verlaßen worden./ Es hat kein einziger den Musen-Berg besucht,/ Ja viele haben ihn fast gantz und gar verflucht./ Ich weiß nicht, welcher fall uns dazumal berühret,/ Und was den grösten Theil aus unsrer Zahl entführet,/ Daß nur ein kleiner Rest den Musen treu verblieb,/ bis daß der Unglücks-Grim auch ihn vonsammen trieb [...].

Schließlich gelobt der Verfasser im Namen der ganzen Gesellschaft Besserung.1 Auch in den späteren Jahren dümpelt das Collegium eher vor sich hin.2 Die von Clodius verfaßte Vorrede zum IV. Band der Gedichte nimmt darauf, wenn auch in blumiger Rede, Bezug: Die in der Gesellschaft verfaßten Gedichte bildeten den Rückfluß, den die Schüler des Görlitzer Gymnasiums an ihre Heimatschule senden. Dieser sei aber »eine Zeit-Lang unter einen solchen Himmel hingestrichen, deßen ungezähmter Boreas dieselben offtermahls in kaltes Eiß verwandelt hat.« Zwar seien nun die Wasser der Poesie wieder aufgetaut worden, jedoch hätten sie auch jetzt noch mit starken Winden zu kämpfen, d. h. mit den Verpflichtungen des eigentlichen Studiums, »von welchen wir nächst Gott profession zu machen dencken«. Jedoch hofft man jetzt, in absehbarer Frist ein »neues Ströhmgen« an »noch reiner Poesie« vorlegen zu können und begründet diese Hoffnung mit dem Hinweis auf Johann Burkhard Mencke, seit 1717 Präses der Gesellschaft, der diese 1

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Gedichtbände III, Bl. 329 v -330 r , von Elias Eichler. Das Gedicht ist nicht datiert; auch bei den davor und danach stehenden Dichtungen fehlen Daten. Da jedoch wenige Seiten zuvor ein Gedicht auf die Konfirmation des Kronprinzen (1710) zu finden ist, ergibt sich eine ungefähre Datierung. So werden in den Jahren 1711 und 1714 gar keine neuen Mitglieder aufgenommen. 1710 erfolgen drei Aufnahmen, 1713 zwei und 1716 eine. Nur 1712 und 1715 stehen mit jeweils neun Aufnahmen besser da.

122 Dichtungen »aus seiner eigenen Quelle zu erläutern hochgeneigt versprochen hat.« Außerdem aber sei man dabei, als »Neben-Quelle« zu einer guten Poesie eine Sammlung an »gute Poetische Bücher« anzulegen, um den »bißhero noch gar seichten Bach durch ihren Zusatz stärcker« zu machen.3 Offenkundig handelt es sich dabei um die Einrichtung jenes bereits oben erwähnten »bibliothecgen«, die so den ersten wichtigen Schritt zur Überwindung der Krise der Gesellschaft bildet. Tatsächlich beginnt im Jahre 1717 die Umwandlung des Collegium Poeticum Gorlicense in die Deutsche Gesellschaft. Über die Gründe, die jenen Prozeß in Gang brachten, hat sich die Publizistik der Gesellschaft selbst ausgeschwiegen. Noch in der letzten, zumindest offiziösen Veröffentlichung heißt es lediglich, man habe nach zwanzig Jahren »Größeres« im Sinne gehabt.4 Mit der Wahl des bisher höchstens in einem losen Mäzenatenverhältnis zur Poetengesellschaft stehenden Mencke zu ihrem Präsidenten wird nicht nur ein neues Amt geschaffen, sondern die Sozietät erfährt dadurch der Öffentlichkeit gegenüber eine ungemeine Aufwertung, ist doch Mencke in jenen Jahren das wohl angesehenste Mitglied der Leipziger Respublica litteraria.5 Des weiteren wird die Beschränkung der Mitgliedschaft auf Görlitzer bzw. Oberlausitzer aufgehoben, der Beitritt steht jetzt prinzipiell jedermann, gleich welcher geographischen Herkunft, offen. Gleichwohl bleiben die Oberlausitzer und Schlesier noch längere Zeit in der Überzahl, wie man auch »unter sich« einig ist, das »Görlitzer Praedicat« weiterhin beizubehalten.6 Dennoch kommt der jetzt mögliche Eintritt »geschickter Köpffe, woher sie sich auch immer schreiben«, der Tätigkeit der Gesellschaft zugute. Die einseitige Festlegung auf die schlesische Dichtung als Vorbild, die jetzt auch offiziell aufgehoben wird, schwindet und schafft damit der Einflußnahme der verschiedensten literarischen Richtungen Raum; Gottscheds Auftreten ist so erst möglich geworden. Erweitert wird schließlich auch die bisherige Ausrichtung der literarischen Produktion: Neben der Poesie wird jetzt das Verfassen von Prosastücken zugelassen, um durch solche Übungen die Mitglieder, wie es ganz pragmatisch heißt, »viel mehr in Kirchen, Schulen und Regiment applicable« zu machen.7

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Gedichtbände IV, Bl. 3 r -4 v , Vorrede vom 13.1.1720. »Postea mairoa moliri in animis habentes sodales [...]« (Eck, Ad Renunciationem Magistrorum, S. VI). Indem »Herr Hof-Rath Mencke das Präsidium von dieser Societät übernommen« habe, sei »diese dadurch gar mercklich veransehnlichet« worden (Sicul III, S. 43). Gottsched betont einige Jahre später, daß der Hauptgrund für die Wahl Menckes in der Hoffnung bestand, durch sein Ansehen und Ruhm »sowohl bey Auswärtigen, als Einheimischen« der Gesellschaft »einigen Glantz« zu verschaffen (Nachricht, S. 6). Sicul III, S. 43. Dort auch das folgende Zitat. Sicul III, S. 45.

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Auch diese fast alle bisherigen Verhältnisse revolutionierende Maßnahme hat nicht sogleich und intensiv gegriffen; das lockere Poetisieren scheint in den nächsten Jahren weiterhin die Oberhand behalten zu haben. Aber auch an diese Übungen versucht man jetzt kritischere Maßstäbe anzulegen. So werden die eingereichten Gedichte Menckes Beurteilung übergeben, wie man wohl auch untereinander die Produkte der Reimkunst einer genaueren Prüfung unterzieht. Erst nach erfolgter positiver Beurteilung des Stückes kann dieses jetzt vom Autor »eigenhändig und reinlich« in den jeweils aktuellen Band der Gedichtsammlung eingeschrieben werden.8 Entscheidend ist jedoch, daß nun erst der Weg frei wird für die Umbildung aus einem >Kränzchen< (s. S. 50) zum Zwecke der Freundschaftspflege und dem Deklamieren von Versen zu einer Sozietät, die schließlich keinen geringeren Anspruch erheben wird, als ein Parallelunternehmen zur Académie Française zu bilden.9 Alle diese beschlossenen Veränderungen werden nach außen hin durch die Umbenennung der Sozietät kenntlich gemacht. Sie nennt sich nunmehr Teutschübende Poetische Gesellschaft.10 Kroker und Witkowski haben im 20. Jahrhundert die Vermutung geäußert, die Umwandlung des Collegium Poeticum in die Teutschübende Poetische Gesellschaft nach 1717 könne sich unter dem Einfluß der 1715 in Hamburg ins Leben gerufenen, aber 1718 bereits wieder eingegangenen, Teutschübenden Gesellschaft vollzogen haben.11 Im Gegensatz zur Leipziger Verbindung, die mindestens in den ersten anderthalb Jahrzehnten ihres Bestehens eine rein studentische Vereinigung darstellte, zählten die sechs Mitglieder der Hamburger Gesellschaft zur geistigen Elite der Stadt; manche Namen sind bis heute unvergessen.12 In der Tat ist nun die relativ ausführliche und in den höchsten Tönen lobende Darstellung der Hamburger Gründung in Clodius' Schediasma auffällig. Alle vorbildlichen Züge an den früheren Sprachgesellschaften seien hier zusammengeflossen. Clodius zählt dann die bemerkenswertesten Charakteristika der Hamburger Sozietät auf: die Mitgliedschaft verdienstvoller und zugleich tugendhafter Personen, die Pflege sowohl der gebundenen als auch der ungebundenen Dichtung, das Führen von Protokollbüchern zum eigenen Gebrauch, die Beschäftigung mit den verschiedensten Literaturen. Alle diese als positiv vermerkten Bestrebungen 8 9

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So Sicul II, S. 56. Es ist daher nicht richtig, wenn das Collegium Poeticum ungebrochen in die Tradition der Sprachgesellschaften gestellt wird (so ζ. B. Karl F. Otto: Die Sprachgesellschaften des 17. Jahrhunderts. Stuttgart 1972, S. 68f.). Sicul nennt als weiteren Grund für die Umbenennung noch folgendes Argument: Man habe die Namensänderung u. a. vorgenommen, um »das anscheinende Vorurtheil einiger Ausländer zu benehmen, als ob nemlich sothane Gesellschaft in Görlitz versammelt würde [...]« (Sicul III, S. 44). Kroker (Zweihundert Jahre), S. 9. Witkowski (Die Deutsche Gesellschaft), S. 166. Das gilt wohl für B. H. Brockes, J. U. König, Johannes Hübner, Michael Richey und Johann Albert Fabricius.

124 der Hamburger finden sich auch als Programmpunkte der reformierten Leipziger Gesellschaft: Verdienst und Charakter als Voraussetzung der Mitgliedschaft (statt einer bestimmten regionalen Herkunft), Zulassung der Prosa, die Archivierung der Protokollbände zum eigenen Gebrauch, die Erweiterung der literarischen Interessen. Clodius hatte sich vor Beginn seines Studiums in Leipzig (1717) zeitweilig in Hamburg aufgehalten und könnte bei dieser Gelegenheit durchaus Kenntnis von der Teutsch-übenden Gesellschaft erlangt haben. Auch bei seiner Bibliotheksreise durch Niedersachsen (s. S. 165) berührte er das Handelszentrum an der Elbe. 1 3 Es ist auch nicht undenkbar, daß J. U. König, der während seiner Hamburger Zeit der Teutschübenden Gesellschaft angehörte, in Leipzig Kenntnisse über jene Sozietät vermittelte. 1 4 Schließlich stand Fabricius, ein Mitglied der Hamburger Gesellschaft, über Jahrzehnte hin mit J. B. Mencke in Korrespondenz. 1 5 In mancher Hinsicht weist Tätigkeit der Hamburger Gesellschaft noch Züge auf, die eher an das alte Görlitzer Collegium erinnern, 1 6 vor allem eine hohe Produktion an Kasuallyrik, Kantaten, Epigramme und Satiren. In der

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In einem Brief an Bodmer erwähnt König einen Magister Clodius, der ihm mündlich übertragene Mitteilungen Brockes' überbracht habe. Es wäre denkbar, daß es sich hier um Christian Clodius handelt (Brief vom 1. 9.1727, in: Alois Brandl: Barthold Heinrich Brockes. Nebst darauf bezüglichen Briefen von J. U. König an J. J. Bodmer. Innsbruck 1878, S. 165). König verbrachte nach seiner Abreise aus Hamburg (1717) einige Zeit in Leipzig. Ob er damals Kontakte zum Görlitzer Collegium aufnahm, ist nicht bekannt. 1727 heißt es jedoch in einem Schreiben der Gesellschaft an König, man erinnere sich »mit vielem Vergnügen« an ihn (vgl. Des Herrn von Königs Gedichte, S. 629f.). Wenn es sich bei der von König in einem Brief an Bodmer erwähnten »gelehrten Gesellschaft« in Leipzig, in der er 1721 über die Discourse der Mahlern gesprochen haben will, um unsere Gesellschaft handelt, was jedoch sehr unsicher ist, wäre seine Beziehung zur Sozietät in deren Umbruchzeit belegt. In der Mitte der zwanziger Jahre ist König dann allerdings sehr schlecht auf die Hamburger Poeten um Brockes zu sprechen und geht im Verein mit Bodmer mit dem Plan um, eine Boberfeldische Gesellschaft gegen Brockes zu gründen (s. S. 91). Vgl. Chr. Petersen (Die Teutsch-übende Gesellschaft), S. 941. Vgl. Chr. Petersen: Die Teutsch-übende Gesellschaft in Hamburg. In: Zeitschrift des Vereins für hamburgische Geschichte 2 (1847), S. 533-564. Weithin abhängig von Petersen ist Rudolf A. Th. Krause: Die Teutsch-übende Gesellschaft in Hamburg. In: Niedersachsen. Illustrierte Halbmonatsschrift 12 (1906/07), S. 186-188. Auch Krause meint, die Leipziger Deutsche Gesellschaft habe »vielfach« auf das Vorbild der Hamburger Sozietät zurückgegriffen. Eigenständig, da auf die Akten der Gesellschaft beruhend, ist die Darstellung von M. Rosenmüller (König), S. 7 9 83. Die statuarischen Bestimmungen der Hamburger Sozietät (Petersen, S. 535539) entsprechen meist dem Leipziger Statut, das freilich wieder auf eine weit zurückrechnende Tradition rekrutiert. Eine sich auf die Quellen stützende Darstellung der Teutsch-übenden Gesellschaft gibt neuerdings Erik Petersen: Johann Albert Fabricius. En Humanist i Europa. Kopenhagen 1998 (Danish Humanist Texts and Studies 18), S. 483-514, auf S. 484ff. ein Überblick über die im Fabricius-Nachlaß (Königliche Bibliothek Kopenhagen) befindlichen Archivalien der Gesellschaft, S. 499ff. zur Tätigkeit der Sozietät.

125 Auseinandersetzung zwischen der >Schwulstdichtung< und der neuen natürlichem Dichtkunst (s. S. 89ff.) bezieht man eine vermittelnde Position.17 Übersetzungen scheinen eine etwas größere Rolle gespielt zu haben als bei den Leipzigern, sowohl quantitativ als auch in der Einbeziehung mehrerer Sprachen (Italienisch, Französisch und Englisch neben Latein, außerdem Althochdeutsch). Neu den Leipziger Verhältnissen gegenüber ist die eifrige Beschäftigung mit grammatikalischen und literaturgeschichtlichen Fragen.18 Dabei griff man auch auf eine kleine Sammlung von Fachliteratur zurück, die allerdings zu den jeweiligen Versammlungen von den einzelnen Mitgliedern erst zusammengetragen werden mußte. Schließlich wurde auch ein Verzeichnis der Literatur zur deutschen Sprache und Dichtung angelegt19 sowie eine Porträtstichsammlung berühmter deutscher Dichter eingerichtet.20 Bemerkenswert ist auch das vor allem von König vertretene Interesse an der Oper. Die von Petersen aufgeführten Diskussionsthemen der Gesellschaft ähneln nicht selten den knapp zwanzig Jahre später in Leipzig behandelten Fragen (z.B. der Gebrauch von Teutsch oder Deutsch, deutsche Literatur des Mittelalters, Kritik von literarischen Neuerscheinungen). Wichtig für die Erklärung des Wandels der Gesellschaft in den Jahren nach 1717 scheint mir jedoch weniger das Hamburger Vorbild zu sein, sondern vor allem die Beobachtung, daß der Sozietät jetzt nicht wenige Persönlichkeiten beitreten, deren späterer Lebensweg nicht in das oben geschilderte Honoratiorendasein innerhalb der engeren Heimat führt, sondern weitere Dimensionen eröffnet. 21 Es ist zu vermuten, daß sie bereits während ihrer Leipziger Studienzeit neuen Ideen durchaus aufgeschlossen gegenüberstanden. Im folgenden sollen diese Mitglieder etwas näher porträtiert werden, wobei freilich die Frage offen bleiben muß, inwieweit sie durch ihre Teilnahme am Leben der Poetengesellschaft in ihrer Biographie geprägt worden sind. Auch sind die von mir herangezogenen Texte (zwangsläufig) meist erst 17 18

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Vgl. Rosenmüller (König), S. 82t So hält Fabricius Vorträge über das Leben und Werk von Martin Opitz. Vgl. Chr. Petersen (Die Teutsch-übende Gesellschaft), S. 501. Vgl. Chr. Petersen (Die Teutsch-übende Gesellschaft), S. 497f£ Nach Petersen ist der Vorschlag zur Erarbeitung eines solchen Verzeichnisses von Fabricius eingebracht worden. Das Verzeichnis selbst befindet sich jetzt in Kopenhagen (48 Bll.). Vgl. Chr. Petersen (Die Teutsch-übende Gesellschaft), S. 500. Über die soziale Zusammensetzung der Deutschen Gesellschaften vgl. Zaunstöck (Sozietätslandschaft), S. 161ff. Der Verfasser stellt eine »prinzipielle Identität der Sozialstruktur zwischen Deutschen und Gelehrten Gesellschaften« fest (S. 173): 42 % Gebildete, 26 % Studenten, 17 % Beamte, 13 % Geistliche, 2 % Andere. Es fragt sich allerdings, worin der Unterschied zwischen Gebildeten und Beamten und Geistlichen besteht? Vgl. Zaunstöck, S. 170. Dort werden als Gebildete definiert: Professoren, Dozenten, Rektoren, Lehrer, Schulmeister, Advokaten, Apotheker, Ärzte, Architekten usw. Hier hätte, um der Analyse der sozialen Struktur mehr Erkenntniswert zu vermitteln, der Block »Gebildete« unbedingt differenzierter vor Augen geführt werden müssen.

126 nach der Studienzeit der betreffenden Personen, z.T. Jahrzehnte später, entstanden. Rückschlüsse auf die Interessen, Auffassungen und Betätigungen während der aktiven Mitgliedschaft in der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft sind also nur bedingt möglich. Wir wenden uns zuerst den Theologen zu. Die im Hinblick auf die geistige Situation der Zeit vielleicht interessanteste Frage, die wir an sie stellen können, ist die nach ihrer Stellung innerhalb der wachsenden Auseinandersetzungen um die Leibniz-Wölfische Philosophie bzw. innerhalb der brisanten Diskussion um das Verhältnis zwischen Vernunft und Offenbarung. Allerdings bin ich nur bei einem Geistlichen auf verwertbare Angaben gestoßen. Es ist der als produktiver Liederdichter hervorgetretene Gottfried Geyser (1699-1764, Mitglied 1720, später Pfarrer an der Görlitzer Dreifaltigkeitskirche),22 dessen Dichtungen Eingang in mehreren Gesangbüchern fanden. Im Ober-lausitzischen Beytrag zur Gelahrtheit (s. zu dieser Zeitschrift S. 138f.) findet sich eine Folge von Betrachtungen Geysers zu Brockes Irdisches Vergnügen in Gott,23 in denen es jedoch kaum um literarische Aspekte geht, sondern eben um das Verhältnis zwischen Vernunft und Offenbarung bzw. um die Berechtigung der Physikotheologie, als deren entschiedener Anhänger sich Geyser hier zeigt.24 Sein Anliegen bildet die Verteidigung Brockes gegen den Vorwurf der Theologen, er vernachlässige die seitens der Offenbarung vermittelten Glaubensartikel zugunsten der Erkenntnis Gottes über die Betrachtung der Natur. Geyser kann diese Theologen bis zu einem gewissen Grad auch verstehen: Die »Weltweisen« neigen oft dazu, unlegitimiert in die göttlichen Geheimnisse der Schöpfung einzudringen - als ob sie die Gehilfen 22

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Vgl. Otto 1, S. 479-482 (mit Schriftenverzeichnis); Dietmann, S. 283ff. Geyser ist im übrigen der Vater des bekannten Kupferstechers Christian Gottlieb Geyser in Leipzig. Von der Verknüpfung des Forschens in der Schrifft, mit dem Forschen in der Natur. 1. Jg. (1739), Sp. 19fñ; 2. Jg. (1740), Sp. 497ff. Vgl. im übrigen Ottos Verzeichnis von Geysers Beiträge zu jener Zeitschrift. Jahre später hat sich Geyser noch ausführlicher zu diesem Thema geäußert: Das Wichtigste aus dem Buch der Schrift und Natur, oder verknüpfte Wahrheiten des ersten und andern Glaubens-Artickels, aus den ordentlichen Sonn- und Festtags-Evangelien, mit physiko-theologischen Anmerkungen. 2 Bände. Leipzig u. Görlitz 1746 und 1747 (verwendetes Exemplar der UB Halle, Signatur: II 4860, insgesamt über 1700 Seiten!): Christus sei auch Herr der Natur; daher sei es völlig legitim, sich mit dieser auch in den Predigten zu beschäftigen: »Es ist aber das Recht der Kinder Gottes zum seligen Gebrauch der Creaturen eines von den vornehmsten Gütern, die uns Jesus verdienet hat. Wie kan aber von diesem Heils-Schatz beweglicher geprediget werden, als wenn wir des Apostels Worte: >Es ist alles euer, es sey das Gegenwärtige oder das Zukünfftige, alles ist euer.< auseinander legen [...]« (Vorrede zum 1. Band). »Wer den wunderlichen Irrgarten der Ohren, das künstliche Mühlwerck der Zähne, die wundernswürtige Küche des Magens, den Blasebalg der Lunge, die Blutspritze des Hertzens mit Verstände betrachtet, der kan nicht dazu sagen, als, das muß der allerweiseste Künstler seyn, der dieses alles gemacht hat.« (Das Wichtigste aus dem Buch [s. Anm. 23], S. 12f.).

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Gottes gewesen wären.25 Wenn man jedoch als eine undiskutierbare Offenbarungstatsache hinnehme, daß die Welt aus dem Nichts geschaffen wurde und so, wie wir sie sehen, fertig und unwandelbar ist, bleibt der Vernunft Raum, im Buch der Natur das Wirken Gottes zu erforschen. Dann könnten die Theologen erkennen, »daß die Aufklärung der Vernunfft, dem unschätzbaren Kleinod der Offenbarung keinen Eintrag thue f...].«26 Zwischen den Aussagen der Heiligen Schrift und den Erkenntnissen aus der Betrachtung der Natur besteht nach Geyser eine vollständige Harmonie, wobei immer das Bewußtsein lebendig bleiben muß, daß weder die Natur noch die Offenbarung völlig begreifbar sind; es bleibt jeweils ein Geheimnis.27 Diese Auffassung findet auch in Geysers Kirchenlieddichtung, darauf scheinen sich seine poetischen Übungen beschränkt zu haben, ihren Ausdruck: »Alle Weisheit, die ich suche, und doch nirgends finden kann, treff ich hier in diesem Buche von fünff rothen Blättern an. Denn ich hab' in Jesu Wunden alle Wissenschaft gefunden: Jesus der Gecreutzigte ist mein giildnes ABC. Was Vernunft und ihre Schule in der Mutter-Sprache spricht, taugt für Gottes Richter-Stuhle warlich nach dem Falle nicht [.. ,].«28 Auch in der Moraltheologie tendiert Geyser eher zu konservativen Positionen. Die Behauptung, die Morallehren Christi wirkten allein innerlich, die Religion leide keinen Zwang, sei falsch. Der verderbte Wille des Menschen müsse bezwungen werden. Dieses Ziel sei am wirkungsvollsten durch die jedermann sichtbare Bestrafung desjenigen zu erreichen, der einen Fehltritt begangen hat. Daher plädiert Geyser für die Aufwertung der nach seinem Eindruck innerhalb der sächsischen Landeskirche seit einiger Zeit arg vernachlässigten Kirchenzucht.29 Die Frage, inwieweit der Pietismus Einfluß innerhalb der Görlitzer Poetengesellschaft finden konnte, haben wir bereits an anderer Stelle gestreift. 25

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So wendet sich Geyser auch entschieden gegen verschiedene neuere Bibelübersetzungen, die nicht aus »reiner Quelle« stammen würden (z. B. Wertheimische Übersetzung), denn »durch neue Übertragungen sucht man vielmahl seine irrige Meynungen oder seine Philosophischen Hirn-Gespinst, mit unter die Leute zu bringen.« (Ober-lausitzischer Beytrag, 1. Jg., Sp. 315ff.) Ober-lausitzischer Beytrag, 1. Jg., Sp. 22. Ober-lausitzischer Beytrag, 2. Jg., Sp. 10. Das Literaturverzeichnis bei Otto schreibt Geyser noch einen Artikel über die Furcht bei Gewittern im 4. Band des Beytrages zu. Im Exemplar der UBL (handschriftliche Notiz, s. Anm. 69) wird jedoch ein anderer Name genannt. Der Autor steht der Physikotheologie nahe: Das Gewitter hat natürliche Ursachen, aber es ist nicht unangebracht, bei Blitz und Donner an den Tod und an die Strafgerechtigkeit Gottes zu denken. Vgl. Kittsteiner (Gewissen), S. 65ff. Görlitzer Gesangbuch. Görlitz 31740, Liednummer 114 (S. 96£). Die zweite Auflage (1733) des Gesangbuches ist von Geyser eingerichtet worden. In dem zitierten Lied (Meine Losung ist die Liebe) heißt es dann weiter, daß das Kreutz Christi der Maßstab aller weltlichen Meßkünste zu bilden habe. Historisch-Theologische Gedancken von der Kirchen-Zucht. In: Ober-lausitzischer Beytrag, 1. Jg., Sp. 209f£ und 305ff.

128 Schon durch Funcke, spätestens durch Grosser hatten Formen der pietistischen Frömmigkeitspraxis Eingang in das Görlitzer Gymnasium gefunden. Andererseits trat der theologisch sehr interessierte Grosser entschieden allen heterodoxen und separatistischen Tendenzen entgegen. Die Absolventen seiner Schule waren also weder nach der einen noch nach der anderen Seite (Pietismus und Antipietismus) eindeutig vorgeprägt. In Leipzig hatte in den neunziger Jahren die orthodoxe Partei zwar den Sieg davongetragen, jedoch blieben pietistische Strömungen latent bestehen.30 Professoren wie Adam Rechenberg, Johannes Olearius und Johann Gottlob Pfeiffer standen dem Pietismus bekanntermaßen positiv gegenüber. Die meisten Mitglieder der Gesellschaft sind nach ihrem Studium zurück in die Oberlausitz gegangen, oft als Geistliche. In diesem Zusammenhang wäre eine Untersuchung von Interesse, wie sie der aufkommenden Herrenhuter Bewegung unter Leitung des Grafen Zinzendorf gegenüberstanden.31 Es können im folgenden nur einige lose Beobachtungen wiedergegeben werden. Erkennbar werden recht unterschiedliche Positionen. In Görlitz selbst stand zumindest zeitweise weniger Zinzendorf als vielmehr der Pfarrer Melchior Schäffer im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen. Schäffer war, wie erwähnt, der für das Gymnasium Augustum zuständige Geistliche; von einer emotionalen Bindung an den Beichtvater der Schulzeit ist wohl bei manchen der früheren Alumni auszugehen. So ist Geyser in einem Nachruf auf Schäffer sichtlich hin und her gerissen. Seine Feder sei »unpartheyisch«, betont er, meint dann aber, daß Schäffers Gegner aus »gegründeten« Ursachen gehandelt hätten, denn die Reinheit der Lehre und die Hochachtung der Gnadenmittel sei bei Schäffer doch zu kurz gekommen; auch habe er zu manchen »bedencklichen Reden und Handlungen« seiner Zuhörer geschwiegen.32 30

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Vgl. Hans Leube: Die Geschichte der pietistischen Bewegung in Leipzig. Ein Beitrag zur Geschichte und Charakteristik des deutschen Pietismus. In: ders.: Orthodoxie und Pietismus. Gesammelte Studien. Hg. von Dietrich Blaufuß. Bielefeld 1975 (Arbeiten zur Geschichte des Pietismus 13), S. 153-267 (243f£). Leube läßt allerdings die pietistische Bewegung in Leipzig »ihren Ausgang im Separatismus« nehmen. Ich möchte vermuten, daß es vor allem zu einer Vermischung pietistischer und orthodoxer Positionen gekommen ist. Vgl. Dietrich Meyer: Zinzendorf und Herrnhut. In: Geschichte des Pietismus. Bd. 2. Hg. von M. Brecht und K. Deppermann. Göttingen 1995, S. 3-106 (weiterführende Literaturangaben), zu den Auseinandersetzungen der zwanziger und dreißiger Jahre um Herrnhut s. S. 30ff. Christian Gottlieb Marche (s. S. 129t), der ja auch Mitglied der Poetengesellschaft gewesen war, hat bemerkenswerterweise heftige Kritik an Geysers Biographie seines Schwiegervaters geübt. Rektor Baumeister mußte daher beim Rat der Stadt eine lange Rechtfertigungsschrift einreichen. Vgl. R. Jecht (Oberlausitzische Geschichtsforschung), S. 130. Übrigens sah auch Zinzendorf Schäffer eher kritisch. Zwar wird er als ein »grosser Genius« bezeichnet und sein Wirken in den Anfängen des Herrenhutertums als unentbehrlich gewürdigt, jedoch habe er auch viele Schwächen gezeigt. So habe sein »beständiger Kampf mit der Welt« und sein »Hass gegen den Clerum« den Herrenhutern unnötig Feinde verschafft. Dann spielt Zin-

129 Ein klarer Gegner der Herrenhuter ist der allerdings bereits 1712 der Gesellschaft beigetretene Pfarrer (in Deutschossig) Gotthold Heermann (1692-1732, Mitglied 1712). 33 In einer dem »jammervollen Görlitz« gehaltenen Bußpredigt klagt er bitterlich, daß es in der Stadt viele Menschen gäbe, deren Augen durch »die Strahlen ihrer vermeynten Erleuchtung« so verblendet seien, daß sie »ihren schwachen Bruder« nicht erkennen und dulden wollen. Unter dem »Deckel der Christlichen Freyheit« würden sie sich von allen Ordnungen und Verordnungen lossagen und »sich von ihren Glaubens-Brüdern auf alle Weise abzusondern suchen«, dagegen aber »irrgläubige Brüdern« in ihre Gemeinschaft aufnehmen. 34 Geradezu zum inneren Kern der Herrnhuter zählte dagegen der namhafte Buchhändler Christian Gottlieb Marche (1694-1768, Mitglied 1723). 35 Er stand der Familie Zinzendorf nahe, heiratete eine Tochter des mit Zinzendorf eng verbundenen Melchior Schäffer und nahm Anteil am Aufbau der Herrnhuter Gemeinde. 36 In Herrnhut wirkte er auch zeitweilig als Bibliothekar und als Verleger, der vor allem Literatur der Brüdergemeinde edierte, u.a. das sogenannte Marchesche Gesangbuch (1731). Diese Tätigkeit brachte ihn 1736, also zur Zeit des Höhepunktes der Untersuchungen des Dresdner Oberkonsistoriums gegen die Herrnhuter (und gleichzeitig gegen die Vertre-

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zendorf auf die auch von Geyser kritisierten dogmatischen Bedenklichkeiten bei Schäffer an: »Seine Neigung aber auf die Socianer Seite [...] war im verborgenen eine noch grössere Übung vor die Brüder, welche [...] die Gemüther der Brüder von Jahr zu Jahr mehr von ihm abwendete.« (J. Th. Müller: Die ältesten Berichte Zinzendorfs über sein Leben, seine Unternehmungen und Herrnhuts Entstehen. In: Zeitschrift für Brüdergeschichte VII. [1913], S. 171ff., zu Schäffer S. 176f.). Vgl. Otto 2, S. 59f. G. Heermann: Die mit ewiger Gnade verknüpffte Erbarmung Jesu Dem Jammervollen Görlitz [...] als einem besonderen Brand-Feste zu tröstlicher Aufrichtung [...] kürzlich gezeiget und gewiesen [...] Lauban 1726, S. 40. Vgl. ADB 20, S. 299f.; Otto 2, S. 5351 Nach seinem eigenen Bericht hat er die ersten mährischen Aussiedler, die dann Herrnhut begründeten, in Großhennersdorf der Großmutter Zinzendorfs vorgestellt. Den Ort für die Gründung Herrnhuts will er den Mähren vorgeschlagen haben, die sich an diesem »sehr wilden und morastigen Platz« jedoch zuerst nicht niederlassen wollten. Auf die Frage einer Frau, wo man an jener Stelle zu Wasser kommen solle, antwortet Marche: »Wenn ihr gläuben werdet, so sollt ihr die Herrlichkeit Gottes sehen an diesem wüsten Ort.« (vgl. David Crantz: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität. Barby 21772, S. 117f£). Vgl. auch die von Zinzendorf verfaßte »Kurze und authentique Erzehlung von dem ersten Ursprung und Wachsthum des Ortes Herrnhut« (in: Zeitschrift für Brüdergeschichte V[1911], S. 94 100 [97]), wonach Marche sogar den Namen Herrenhut vergeben haben soll.: »Ein Candidatus ministerii nahmens Marche, welcher damals in der Nähe [...] beredete sie im Glauben und Vertrauen auff Gott und, wie man nun siehet, aus heimlicher Überzeugung, auff einer ganz wüsten Höhe mitten im Walde an der öffentlichen Landstrasse ein Häusgen zu bauen mit dem Versprechen, neben ihnen ein Haus aufzurichten u. mit ihnen sich zu erbauen. Und gab diese Einöde samt dem nahegelegen Hutberge anlass, dieses Häusgen die Herr Hut zu nennen.«

130 ter der Leibnizisch-Wolffischen Philosophie), in einige Schwierigkeiten bei der Zensur. 37 Ein Mitglied der Deutschen Gesellschaft wiederum ist einer der Hauptgegner dieses Gesangbuches: der Zittauer Prediger Johann Gottfried Häntzschel. 38 Seine Buch Nöthige Anmerkungen über die in dem Hermhutischen Gesangbuche befindlichen Irrthümer [.. .].39 führt zu einem Streitschriftenkrieg mit keinem Geringeren als Friedrich Christoph Oetinger. Geradezu als Ritter Schäffers geriert sich dagegen Johann Erasmus Petermann, dessen religiösen Dichtungen, die er als Mitglied der Gesellschaft verfaßte, wir schon begegnet sind. Die Widersacher Schäffers sind ihm nichts als üble Ketzermacher: Als der Wahrheit arge Feinde steckt ihr voller Haß und Neid./ Ihr erbaut ein Christentum, welches nur von aussen gleisset./ Weil euch nun der Gottes-Mann eure Stützen nieder reisset,/ Und den Grund von innen suchet, den ein Frommer finden kan/ Darum seyd ihr Bösen böse, darum thut ihr ihn in Bann [...] Einer, der es redlich meynet, ernstlich vor die Seele sorget,/ Und die Weisheit nicht allein aus gelehrten Schrifften borget/ Sondern um Erleuchtung seufzet, daß ihn Gottes Geist entflammt,/ Wird durch Zeloten stracks verketzert und verdammt. Im folgenden wird der Görlitzer Pfarrer dann in eine mit Johann Arnd einsetzende Reihe der Zeugen eines lebendigen Christentums eingeordnet, seine Lehre stimme mit der Bibel überein, seine Gegner seien Diener des Teufels, zum wahren Christentum führten allein Bußkampf und Heiligung. Dann erklärt sich Petermann zur Schar der wahren Christen zugehörig und als treuer Anhänger Schäffers.40 Ein Vertreter des Pietismus außerhalb der Oberlausitz war Traugott Immanuel Jerichow (1696-1734, Mitglied 1717),41 der in die Reihe der bedeutenden Verfasser geistlicher Lieder im 18. Jh. zu rechnen ist. Später wurde er Schulrektor in Teschen (Oberschlesien); im Zuge der in Schlesien von den Habsburgern betriebenen antiprotestantischen Maßnahmen mußte er von 37

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Vgl. Agatha Kobuch: Zensur und Aufklärung in Kursachsen. Ideologische Strömungen und politische Meinungen zur Zeit der sächsisch-polnischen Union (16971763). Weimar 1988 (Schriftenreihe des Staatsarchivs Dresden 12), S. 106f. (mit Nachweis der Akten über das gegen Marche geführte Verfahren). Vgl. Otto 2. Bd., S. 13f. Am ausführlichsten Dietmann, S. 387-391. Dietmann befindet, daß Häntzschel einer der ersten Prediger gewesen sei, der »sehr unterrichtend und zurechtweisend« über das Herrenhuter Gesangbuch geschrieben habe. Zusammenfassend urteilt Häntzschel dort: »Der barmherzige Gott sehe drein, und reinige seine Kirche von den Kindern, die die Hälfte Asdodisch reden; (Neh. 13, 24) daß nicht, wie die Schlange Evam verführte mit ihrer Schalkheit, die Sinne der evangelischen Christen verrückt werden von der Einfältigkeit in Christo.« (zitiert nach Dietmann, S. 390). Als der Unerschrockene Zeuge Der Evangelischen Wahrheit, Herr M. Melchior Scheffer unter dem guten Seegen Gottes in Görlitz den 28. Octobr. 1730. Seinen XLIXsten Geburths-Tag erlebte; So bezeugte demselben Seine gegen Ihm tragende Veneration Durch gegenwärtige Zeilen in aller Wahrheit Johann Erasmus Petermann. Gedruckt in Philadelphia o. J. (BOGW, L IX, 459. 9, Nr. 20). Vgl. ADB, Bd. 13, S. 778. Otto 2, S. 231-233 (mit Schriftenverzeichnis).

131 dort wieder fliehen (1730). 42 Die unmittelbare Veranlassung zu diesem Schritt lieferte allerdings die Beschwerde der lutherischen orthodoxen Geistlichen der Stadt über die daraufhin Vertriebenen, da sie dem Pietismus nahestehen würden. Daß Jerichow Pietist war und wohl mit den Herrenhuter sympathisierte, zeigen auch seine Beziehungen zu Zinzendorf. 43 Nach einem erneuten Aufenthalt in Leipzig ist er über verschiedene Zwischenstationen als Prediger nach Oldenburg gelangt. Seine Erlebnisse in der Diaspora scheinen ihn nachhaltig zum militanten Antikatholiken geprägt zu haben. In einer Rede zum Reformationstag 1719, die er während einer Universitätsveranstaltung hält, feiert er von massiven antikatholischen Ausfällen begleitet Luther als wahren Evangelisten. Jedoch sähe er die Gefahr, daß die Gegenwart Luthers Person und seine Tat verachte (contemnimus et fastidimus); später werde man wie die törichten Jungfrauen schreien und klagen. Welche Gefahr Jerichow konkret zu sehen glaubt, wird sogleich deutlich: Gott möge es besser kommen lassen, heißt es, und von der evangelischen Kirche »sub Ruta Saxonica florentissima« die Pestilenz der Irrlehre (Doctrina Diabolica) abwenden und der Universität das wahre Evangelium auf ewig erhalten. 44 Ein durchaus typischer Vertreter der sich im 18. Jh. verbreitenden Verbindung aus Orthodoxie und Pietismus ist dagegen Heinrich Cornelius Hecker (1699-1743, Mitglied 1722), 45 dessen Mitgliedschaft in der Gesellschaft zugleich die anhaltende Bedeutung des geistlichen Elements noch kurz vor dem Auftreten Gottscheds belegt. Vom Vater wird er bereits vor seiner Geburt dem geistlichen Amt geweiht und entsprechend erzogen. Von besonderer Bedeutung ist ihm die »väterliche Liebe« seines »werthesten Gönners«, Erdmann Neumeisters, dem er nächst Gott einen großen Teil seiner »zeitli42

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In Teschen existierte die einzige evangelische Kirchgemeinde ganz Oberschlesiens (Gnadenkirche). Dort besaß der Pietismus starke Positionen. Vgl. Martin Brecht: Der Hallische Pietismus in der Mitte des 18. Jahrhunderts. In: ders.: Geschichte des Pietismus, 2. Bd., S. 351, in Anm. 90 weiterführende Literaturhinweise zum Pietismus in Teschen. Vgl. Erich Beyreuther: Zinzendorf und die sich affiner beisammen finden. Marburg 1959, S. 157ff. (Beschreibung einer Reise von Zinzendorf in Begleitung von Jerichow nach Mähren, um vom Bischof von Olmütz die Freilassung mährischer Exulanten zu erwirken). T. I. Jerichov: De Luthero vere evangelista in sensu tum Biblico, tum etiam ecclesiastico ipsique proprio. Leipzig 1719, S. 19. Vgl. Hans Schröder: Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart. 3. Bd. (1857), S. 136-138 (mit weiteren Literaturangaben). G. Engert: Biographien Altenburger Liederdichter. In: Mitteilungen des Geschichts- und Altertumsvereins zu Eisenberg 28 (1912), S. 3ff., zu Hecker S. 3 0 - 3 2 . Relativ ausführlich auch: Lobe, J. u. E. Lobe (Bearb.): Geschichte der Kirchen und Schulen des Herzogthums Sachsen-Altenburg. 1. Band. Altenburg 1886, S. 358 (mit Schriftenverzeichnis). Einige autobiographische Mitteilungen finden sich in Heckers Antrittspredigt, die er in Meuselwitz hielt: Zwo Anzugs-Predigten. Leipzig 1728, S. 1 4 - 1 6 und 22. Vgl. auch Heinrich Meyer: Aus der Geschichte von Meuselwitz. Meuselwitz 1924, S. 2771 (vor allem zu Heckers Wirken als Ortshistoriker).

132 chen Glückseligkeit zu dancken« hätte. 46 Nach eigener Angabe lebte Hecker während seiner Leipziger Zeit in Menckes Haus und hielt Nachmittagsandachten in der Paulinerkirche. Ganz im Sinne des Pietismus betont Hecker die göttliche Führung, die er in seinem Leben erfahren habe, aber auch die Notwendigkeit, »zu Kindern Gottes wiedergebohren zu werden«. Der Mensch müsse erst »zerbrochenen Geistes und zerschlagenen Hertzens seyn«, bevor er die Wiedergeburt erfahren könne. Aufgabe des Geistlichen sei es, als »Gottes Mit-Mutter« die neue Geburt der »geistlich-todten Kinder« seiner Gemeinde zu unterstützen und dann gegen den Teufel zu kämpfen, der »seine Kinder fressen will«. Der Teufel wirkt in der »im Argen liegenden Welt«, die die Wiedergeborenen »durch Bezauberung falscher Lehren« und durch Verführung auf den Weg der Verdammnis leiten will. Überhaupt sei es »in diesen letzten greulichen Zeiten« die Pflicht, gegen die »innerlichen Syncretisten, Werckheiligen, Verächter der geschriebenen Offenbarung, und Feinde des Lehr- und Straf-Amtes« zu predigen. Die Feststellung, daß in seinem Pfarrort, Meuselwitz,47 keiner seiner Vorgänger irrige Lehren vertreten habe, erfüllt Hecker mit Befriedigung: Nie habe es hier einen Calvinisten, oder auch nur einen Kryptokalvinisten gegeben. 48 Die in den ersten Jahrzehnten des 18. Jh.s in Sachsen sehr lebendige Furcht vor allen Rekatholisierungstendenzen und die damit verbundene heftige Aversion gegen die Römische Kirche finden in Heckers Dichtungen ihren Ausdruck.49 Auch in seinen Predigten gibt sich Hecker als Liederdichter, 46

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So berichtet Hecker in seiner Antrittspredigt (Zwo Anzugs-Predigten) und noch Jahre später in: Zu der gedoppelten Jubel-Freude des Gottes-Hauses in Meuselwitz und eines alten Ehe-Paares daselbst d. 31. Oct. 1737. wollte gebührend ermuntern und einladen M. H. C. Hecker. Altenburg o. J., S. 26. An einem Mann wie Neumeister schieden sich die Geister. Für Gottsched und seine Anhänger war das Werk des Hamburger Geistlichen völlig obsolet. Bezeichnenderweise lehnt ein Pfarrer Gottscheds Grundriß einer Lehrart ordentlich und erbaulich zu predigen deshalb ab, weil dort Neumeister nicht erwähnt wird. (Manteuffel an Reinbeck, 10.12.1740 [UBL, Ms 0344, Bl. 129v]. Die Szene spielt in dem Ort Görsdorf bei Dresden). Meuselwitz gehörte dem berühmten Feldmarschall Friedrich Heinrich von Seckendorf, der im übrigen mit Gottsched in regem Briefwechsel stand (insgesamt ca. 250 Briefe Gottscheds und Seckendorfs überliefert). Hecker diente dem Marschall schon in Leipzig, Seckendorf war Anfang der zwanziger Jahre dort Gouverneur, als Privatsekretär. Unter dem Pseudonym Bellamintes veröffentlicht Hecker: Leben des Kayserlichen General-Feldmarschalls Herrn Friedrich Heinrichs Reichs-Grafen von Seckendorf! Amsterdam 1738 (auch in französischer Übersetzung). Daß Hekker sogleich für die Intensivierung des religiösen Lebens in seiner zukünftigen Gemeinde sorgen will, zeigt ein Brief an seinen Patronatsherrn: Er wolle am Anfang nicht »allzu hitzig seyn«, aber wenn es »den Leuten nicht verdrießlich« sei, »nach einer Betstunde von dreiviertel Stunden noch eine Catechismus-Übung abzuwarten, so können sie auch gar wohl nach einer Predigt von einer halben Stunde [...] sich dergleichen gefallen lassen.« (Brief vom 11.12.1725, Staatsarchiv Altenburg, Seckendorf-Archiv, Nr. 1117, Bl. l r - 2 v ) . H. C. Hecker: Zu der gedoppelten Jubel-Freude, S. 22 u. 28. Vgl. Das über den blutigen Tod, Seines von einem Papisten ermordeten Lehrers,

133 wie auch verschiedene seiner Texte Eingang in die Gesangbücher der Zeit fanden. Fast ist man dann überrascht, ihn Anfang der vierziger Jahre als Anhänger der Gesellschaft der Alethophilen wiederzufinden. 5 0 In der auf sein Betreiben hin in Meuselwitz errichteten Ritterakademie 51 dienen Gottscheds Weltweisheit

und Redekunst

als Lehrbücher; daß der von ihm ge-

schätzte anonym erschienene Grundriß erbaulich zu predigen Gottsched zum Verfasser hat, wird von Hecker erkannt. 52 Was sein privates Glaubensbekenntnis angeht, so betont er, trotz aller Predigten über die Wiedergeburt, die Rolle der Vernunft: »Und Gottlob! ich erfahre, daß ich dem Worte Gottes und der gesunden Vernunft gemäß bisher geglaubet.« 53 Ob sich Heckers Auffassungen im Laufe der Jahre verändert haben, oder ob sein Oszillieren zwischen Pietismus, Orthodoxie und Aufklärung einen Ausdruck jener Übergangsepoche darstellt, läßt sich gegenwärtig nicht entscheiden. Noch Anfang der vierziger Jahre fühlt sich Hecker übrigens der Deutschen Gesellschaft nahe, wie ein Brief an Gottsched belegt, der zugleich zeigt, daß die Verbindung zumindest einiger der früheren Gesellschaftsmit-

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S. T. Herrn M. Joachim Hermann Hahns/ In blutigen Thränen schwimmende Dreßden wird vermittelst einer Klag- und Trost-Ode [...] mitleidend angeredet von Bellamintes. o. O. 1726. In diesem unter Pseudonym veröffentlichten Gedicht schildert Hecker die Ermordung des Pfarrers Hahn als Ergebnis einer Verschwörung »Babels«, die aber scheitern werde: »Es lebt der gerechte GOTT/ Er lebt und schauet Deine Plagen,/ Er siehet Babels wüste Rott'/ An deiner Brust und Hertze nagen./ Nur still! Er wetzet schon das Schwerdt,/ Er wetzet es für deine Sache,/ Auf daß er die zu nichte mache,/ Die auf dem GOTT-geweyhten Heerd/ Ein Opfer ihrer Lust verzehret.« Konkrete Rettung erwartet Hecker dann ausgerechnet von August dem Starken, Dresdens »grosser und gerechter König [...] Der lebt und weiß dir Recht zu sprechen,/ Das Unrecht aber scharff zu rächen [...]«. Graf Manteuffel kommt bei einem Besuch in Meuselwitz in ein längeres Gespräch mit Hecker und urteilt anschließend Gottsched gegenüber, der Pfarrer sei ein »homme savant et tout imbu de principes-Alethophiles« 1. 2.1741, UBL, Ms 0344, Bl. 135v). Die Alethophilen sind erklärte Anhänger der sogenannten Leibniz-Wölfischen Philosophie, die sie zu propagieren und gegen deren Gegner zu verteidigen suchen. Gegründet wurde die Societas Alethophilorum 1736 in Berlin. An ihrer Spitze standen Manteuffel, der Verleger Ambrosius Haude und der Theologe Johann Gustav Reinbeck. Nach Manteuffels Übersiedlung in die Nähe von Leipzig (1740) verlagerte sich der Mittelpunkt der Gesellschaft hierher. Vgl. Detlef Döring: Beiträge zur Geschichte der Gesellschaft der Alethophilen in Leipzig. In: Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschen Raum (1650-1820). Teil I. Hg. von Detlef Döring und Kurt Nowak. Stuttgart/Leipzig 2000 (Abhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Phil.-hist. Klasse, Bd. 76, Heft 2), S. 95-150. Die Ritterakademie kann nur von sehr kurzer Existenz gewesen sein; ich habe nirgends in der Literatur eine Nachricht über diese Schule finden können. Allerdings sollen sich am Hof des Reichsgrafen oft Prinzen und Söhne aus adligen Häusern aufgehalten haben, um hier für ihren Eintritt in das höfische Leben unterrichtet zu werden. Vgl. J. u. E. Löbe (Geschichte), S. 345. Hecker an Gottsched, 13.4.1741 (UBL, Ms 0342, VIb, Bl. 86r). J. Hecker an Seckendorf, 10. 5.1740 (Staatsarchiv Altenburg, Seckendorf-Archiv, Nr. 1118, Bl. 19r). Den Hintergrund des Schreibens bildet ein Todesfall in Heckers Familie.

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glieder weit über die gemeinsame Leipziger Zeit hinausreicht: Bitter klagt Hecker hier darüber, daß er in einer Jenaer Zeitschrift angegriffen worden ist: Er »agire« deshalb »einmahl unsern freund in Zwickau. Kann das die vertraute Redner-Gesellschafft; die deutsche Gesellschafft in Leipzig; kann es mein freund Gottsched leiden«, daß man so über ihn schreibe. Die Angesprochenen sollten ihre Ehre retten und gegen den Angreifer einen Sturm entfachen »wie ihn Swifft beschrieben!« - »Lasset euren freund nicht bey der Nachwelt in der Schande stecken!«54 Ein typischer Vertreter der immer sichtbarer in Erscheinung tretenden Verbindung zwischen Positionen der Orthodoxie, des Pietismus und der Aufklärung (Übergangstheologie) ist Johann George Knoblauch (1697-1753).55 Charakteristisch ist dementsprechend auch seine Auffassung über das Herrenhutertum. 56 Kritisiert wird an den Herrnhutern, daß sie sich zu sehr mit »asketischen Büchern« beschäftigen und sich einer schweren und dunklen »mystischen Sprache« bedienen. Dagegen sei es, nach Knoblauchs Auffassung, mit der Bibel allein viel leichter, »die ersten Wahrheiten des vernünfftigen Christentums zu erweisen und in Übung zu bringen.«57 Andererseits kann der Autor bei den Herrenhutern auch keine der Orthodoxie direkt widersprechenden Lehrsätze ausmachen. Es gäbe wohl einige abweichende »Nebensätze«, die jedoch »dem Fundamento fidei et salutis« keinen Eintrag tun würden, wobei man wiederum nicht ausschließen könne, daß diese »nicht endlich zu einer schädlichen Folge dienen?« Diese Frage solle der Briefempfänger für sich beantworten. Im übrigen wird gelobt, daß die Herrnhuter sich ganz der »scholastischen Terminologie« entraten, gute Moralsätze verfechten und vor allem einem praktischen Christentum verpflichtet sind.58 Die Herrnhuter erscheinen so als fromme, nach moralischen Grundsätzen handelnde gute Christen, die als »einfache Gemüter« jedoch zugleich einer weltfremden geistigen Enge verhaftet sind und daher nicht zu den Vertretern eines vernünftigen Christentums gerechnet werden können.

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Brief an Gottsched, 3.10.1741 (UBL, Ms 0342, VIb, Bl. 244r). Mit dem Zwickauer Freund ist natürlich Christian Clodius gemeint. Mit dem von Swift beschriebenen Sturm ist vielleicht das im ersten Kapitel der »Reise nach Brobdingnag« (zweite Reise Gullivers) geschilderte Unwetter auf hoher See gemeint. Zu Swifts Beliebtheit innerhalb des Gottsched-Kreises vgl. die Ausführungen zu Wolf, S. 242f. Vgl. Otto 2, S. 3081 (mit Schriftenverzeichnis). Zur Lyrik Knoblauchs vgl. Heidt (Der vollkommene Regent), passim. Eine Anzahl gedruckter Gedichte Knoblauchs befindet sich in der UB Halle, z.B.: Die natürliche Glückseeligkeit Dresdens an Ihro Hoheit Maria Anna Königl. Princessin in Pohlen und Sachsen Nahmensfest d. 26, Juli 1743 nebst Glückwunsch (Signatur: Pon. Vd 307). Vgl. J. G. Knoblauch: Unpartheyische Nachricht von der Gemeine zu Herrn-Hut in Ober-Lausitz. Schleßwig 1737. Der Text ist in Briefform verfaßt worden und ist an einen »Herrn Hochwürden« gerichtet. Unpartheyische Nachricht, S. 12. Unpartheyische Nachricht, S. 44f.

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In der Zeit der Vorherrschaft Gottscheds erscheint die Deutsche Gesellschaft als entschiedene Gegnerin des Pietismus und Herrenhutertums. Diese werden als Feinde der gesunden Vernunft und der Philosophie Wolffs erkannt und mit den schärfsten Mitteln der Satire bekämpft. Nichts zeigt deutlicher, daß zwischen Pietismus und Aufklärung bei allen durchaus vorhandenen Gemeinsamkeiten letztendlich eine tiefe Kluft bestand. 1731 veröffentlicht Johann Simon Buchka59 unter ausdrücklichem Hinweis auf seine Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft das Spottgedicht Muffel, der neue Heilige, oder die entlarvte Scheinheiligkeit, nach dem Leben geschildert bey einer Magister-Promotion offenbaret von einem Mitgliede der deutschen Gesellschaft in Leipzig-60 Die Pietisten werden hier als dümmliche und unwissende, dafür aber macht- und geldgierige, unverschämte, wollüstige Dunkelmänner geschildert, die unter der Larve der Frömmigkeit ihre verworfenen Ziele verfolgen. Besonderer Spott ergießt sich über Sprache61 und Gebahren62 der Pietisten und über deren Konventikelwesen.63 Ihr Hauptfeind ist die Philosophie, gemeint ist natürlich die Wolffs, die »alles nur mit eignen Augen schauen« will, allein der Vernunft traut und daher den Glauben an Geister und Gespenster bekämpft. Zur Rettung des Geisterreiches und des Aberglaubens wappnen sich die Pietisten zum Kampf »mit Schwerdt und Galgen« und suchen die Unterstützung weltlicher Mächte, um diejenigen aus 59

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Vgl. Jördens (Lexikon deutscher Dichter) 5. Bd., S. 789ff. Vgl. Meusel 1, S. 6381; Kosch 2, Sp. 227f.; ausführlichster Artikel bei Georg Wolfgang Augustin Fikenscher: Gelehrtes Fürstentum Baireut. 1. Bd. 21801 (hier benutzt nach der Veröffentlichung im Deutschen Biographischen Archiv). Der Text erschien in vier Auflagen, was darauf schließen läßt, daß Buchkas Schrift in pietismuskritischen Kreisen der Aufklärer Zustimmung fand. Buchka selbst schreibt, daß das Gedicht mehrfach gedruckt wurde und »allenthalben ausgebreitet« worden ist (Buß-Thränen, S. 108). Noch Jördens urteilt zu Beginn des 19. Jh.s, Buchka habe sich besonders durch seine Satiren über die Pietisten »einen nicht unrühmlichen Nahmen« erworben. Ich benutze im folgenden die vierte Auflage (1750). Nach Buchkas eigener Mitteilung ist das Gedicht »geraume Zeit« vor dessen Veröffentlichung geschrieben worden (Buß-Thränen, S. 108). »Ja sprich: Ich habe nun nach Angstbeseelten Stunden/ den Ausfluß, so aus Gott, in meiner Brust gefunden,/ Das äußre Wort taug nichts: Das Wort, so in uns macht,/ Hat mich zu Gottes Sohn und einem Christ gemacht./ Der Christus, so in uns in Ungrunds-Wesen stecket,/ Hat in der Ichheit sich von Todten auferwecket./ Der starke Wesens-Grund dringt durch des Fleisches Dampf,/ Und kämpft mit voller Kraft den heilsam innern Kampf [...]« (S. 7). »Hast du die Brüderschaft durch solches Zeug begeistert/ So thu, als hätt ein Geist sich deiner Brust bemeistert/ Erst strampfle mit dem Fuß und brumme wie ein Bär;/ Ein Auge zugedrückt, das andre bald die Quehr,/ Bald tief, bald himmelwärts, bald in sich selbst gezogen;/ So hast du meisterlich zum Heuchler dich gelogen.« (S. 8) »Doch willst du deinen Ruff auf sichre Stützen gründen;/ So laß dich allzeit in Conventickeln finden,/ Die ein begeistert Weib und kluger Schuhknecht stift,/ Und wo der dünste Kopf den klärsten Spruch der Schrift/ Geschickt verdunkeln kann; wo Mägde, Jungfern, Frauen/ Sich mit den Männervolk in Liebeswerk erbauen;/ Wo jeder, was er will, handgreiflich proponirt,/ Und oft der Mann die Frau, die Frau den Mann verliehrt.« (S. 9)

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den Kirchen, den Schulen und den Städten zu schaffen, die »nach Wissenschaft und Menschen-Klugheit gaffen«. Gegen die Hinwendung zu Philosophie und Wissenschaft stellt nach Buchkas Formulierung der Pietismus die Forderung »Ach! Werde doch ein Narr; sonst ists um dich gethan!« Es fehlt dann auch nicht der Hinweis, daß die Pietisten die Autorität der Obrigkeit und der Amtskirche untergraben und sich allenthalben die lukrativen Ämter erschleichen. Buchkas Darstellung vom Leben und Treiben der Pietisten nimmt deutlich inhaltlich schon manche der Szenen vorweg, wie wir sie in dem wenige Jahre später erscheinenden Stück Die Pietisterey im Fischbeinrock von Gottscheds Frau finden werden. Frau Glaubeleichtin, Magister Scheinfromm, Frau Seuffzerin und Herr von Muckersdorff illustrieren in ihrem Auftreten anschaulich die Lebens- und Gedankenwelt Muffels, des neuen Heiligen. Buchka hat im übrigen Jahre später diesen Text als Jugendsünde bereut und in Form eines Gedichtes widerrufen.64 In diesen Versen (über 100 Seiten) schildert er Veranlassung und Hintergrund des Entstehens des Muffels. Ein mehrfach wiederkehrendes Thema ist hier der Mißbrauch der Poesie durch gewisse Dichterkreise, zu denen wir vielleicht auch die Deutsche Gesellschaft zählen können; erwähnt wird immerhin ein »betrogener SpötterChor«, der »am Strand der ... lehret«. In diesen Kreisen habe er, zu diesem Zeitpunkt fast ein Atheist, den Entschluß gefaßt jenes »Schandgedicht« zu verfassen. Der Hauptvorwurf richtet sich dann gegen die in jenem Kreis angeblich grassierende Religionslosigkeit und Unmoral: Ihr, die ihr den Dichter-Kiel in den Läster-Speichel tauchet,/ Und die edle Poesie zu des Teufels-Dienst gebrauchet./ Die ihr mit den frechen Heyden geilen FalbelPossen fröhnt,/ Wilden Lüsten Opfer bringet, lügend mit Verachtung krönt [...] Möget noch so künstlich spielen, einst wird euer Musen-Hayn/ Ein entlaubtes Angst-Gefilde, und ein Jammer-Kercker seyn [...] Darum legt die Lauten nieder, nehmt Manassens Harpffen-Spiel,/ Weyht dem Himmel eure Flöthen, und der Busse Herz und Kiel.65

Buchka erkennt jetzt die Pietisten, zumindest in ihrer Mehrheit, als die wahren Christen, denen er sich inzwischen angeschlossen hat. Als merkwürdig erscheint gleichwohl, daß er sich nicht gegen eine weitere Verbreitung des Muffels erklärt. Bei einer neuen Auflage, so sein bescheidenerer Wunsch, möge man die vorliegende Widerrufung in die Veröffentlichung aufneh-

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Evangelische Buß-Thränen über die Sünden seiner Jugend, und insbesondere über eine Schrifft, die man Muffel der Neue Heilige betitult. Leipzig und Bayreuth 1737. Buß-Thränen, S. 128f. An anderer Stelle kritisiert Buchka seine frühere dichterischen Arbeiten: Auch hier könnte man an seine Mitgliedschaft in der Deutschen Gesellschaft denken: »Pallas und das Musen-Chor wurde mehr von mir gepriesen,/ Als der HERR, der mich geformt, und mir so viel Wohl erwiesen./ Und ich streckte mehr die Hände nach der Römer Götzen-Haus/ Um des Phöbus Gunst und Beystand, als nach Zions Bergen aus.« (S. 86)

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men.66 Diese Vorgänge um Buchkas Muffel, über die wir leider sonst nichts wissen, deuten auf Spannungen innerhalb der Deutschen Gesellschaft, auf die wir noch zurückkommen werden. Deutlich wird, daß die Rolle der religiösen Dichtung, der im Görlitzer Kollegium ein so hoher Stellenwert zukam, noch in der Deutschen Gesellschaft Gottscheds ein kontrovers diskutiertes Thema bilden konnte. Schließlich stand dahinter die Auseinandersetzung zwischen Aufklärung und Pietismus, die bei allen auch bestehenden Gemeinsamkeiten letztendlich gegensätzliche Orientierungen verfolgten. Die Position des engeren Gottsched-Kreises innerhalb dieser Kämpfe ist eindeutig. Der Spott über den Pietismus bildet hier überhaupt eines der Hauptthemen. So verbreiten die Νeu fränkischen Zeitungen, sozusagen das spezielle Publikationsorgan der Gottschedianer, voller Hohn folgende »Mitteilung«: In Herrenhut sei eine Schrift erschienen, die den Titel trage: »Allerley nützlicher Vorrath der Weisheit, wodurch einige Wahrheit-forschende Herzen zum rechten Aufschlüsse der tieffsten Geheimnisse der Weisheit gelanget sind [...].« Die Verfasser hätten sich vorgenommen, »diejenigen zur Erkenntniß ihrer Abwege zu bringen, welche sich durch die schädliche Philosophie der neuern, darinn der Verstand durch nichts als Regeln, und, wie ihre Anbeter vorgeben, ordentlich zusammenhangende Sätze, zur Erforschung der Wahrheit angeleitet wird, haben verführen lassen, von dieser falschberühmten Kunst den Durchbruch zu verhoffen.« Stattdessen wird in dem Werk der Glaube an die Existenz von Gespenstern, Kobolden, Wassernixen u.ä. gelehrt.67 Auch scheut man ebensowenig wie die Pietisten nicht davor zurück, dem Gegner durch Beeinflussung der kirchlichen und weltlichen Gewalten Schwierigkeiten zu bereiten. Jedenfalls beklagt Gottsched dem Feldmarschall von Seckendorf gegenüber, der allerdings mit den Herrenhutern durchaus sympathisierte, daß allenthalben die der lutherischen Kirche Sachsens nachteilige Rede verbreitet werde, »daß unsere Theologen an dem Herrnhutischen Wesen nichts auszusetzen gefunden, und sie für augspurgische Glaubensbrüder, und Confessionsverwandte erkannt hätte. Gleich wohl wiederspricht man von unserer Seite solchen Gerüchten gar nicht welches unser Akademien sehr nachtheilig ist.« Vor allem aus Schlesien seien an ihn, Gottsched, die bittersten Klagen über die Herrnhuter gelangt. Er habe diese Briefe an den Grafen Manteuffel weitergegeben, der sie wiederum an den Leipziger Theologieprofessor Romanus Teller weitergereicht hätte.68 Nicht gering ist die Zahl der Mitglieder, die sich später mit Forschungen zu den Geisteswissenschaften, zur Medizin und zu den Naturwissenschaften 66 67 68

Buß-Thränen, S. 108. Neufränkische Zeitungen, 7. Stück (1734), S. 106ff. Brief an Seckendorf, 12.11.1748 (Staatsarchiv Altenburg, Seckendorf-Archiv, Nr. 1113, Bl. 65 r -66 v ).

138 befaßt haben. Hier sind zuerst einige Mitarbeiter der ersten wissenschaftlichen Zeitschrift der Oberlausitz zu nennen. Der Ober-lausitzische Beytrag zur Gelahrtheit und deren Historie erschien von 1739 bis 1743 und bot der Behandlungen von Themen aus dem Bereich der Theologie bis hin zur Medizin Raum. 69 Als frühere Mitglieder der Poetischen Gesellschaft lassen sich folgende Personen ausmachen: George Rothe, Gottfried Geyser, Johann George Knoblauch. Der führende Kopf des Autorenkollegiums ist Friedrich Christian Baumeister (1709-1785), Nachfolger Grossers als Rektor in Görlitz und einer der wichtigsten Propagandisten des Wolffianismus an den Schulen inner- und außerhalb der Oberlausitz. Daß Geyser in den Blättern des Beytrags die Physikotheologie propagiert und für die >Aufklärung der Vernunft< eintritt, haben wir bereits gehört. Auch George Rothe 70 zeigt in seinen Aufsätzen eine ähnliche Orientierung. Neben seinen Artikeln im Beytrag hat er eine für die Schuljugend bestimmte Naturlehre herausgebracht, die mehrere Auflagen erlebte. 71 Die Naturlehre, erklärt der Autor in seiner Vorrede, überzeugt den Menschen »so wohl durch die geringsten Würmgen und Stäubgen als durch die grossesten Weltcörper, daß ein Gott sey. Sie ermuntert ihn, dessen einiges Wesen, Weisheit, Majestät, Unendlichkeit und Güte zu erkennen,« denn Gott hat die Welt in jeder Hinsicht so eingerichtet, daß sie dem Menschen zum Zwecke diene. Wie sein Lehrer Grosser sieht Rothe die Wissenschaften in der Gegenwart im steten Fortschreiten begriffen; Vorurteil und Aberglauben 72 befinden sich allenthal69

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Vgl. zu dieser Zeitschrift R. Jecht (Die Oberlausitzische Geschichtsforschung), S. 126-130. Jecht stützt sich in seiner Darstellung auf handschriftliche Quellen (u. a. Protokolle der Sitzungen der Herausgeber) aus der Milichschen Bibliothek. Jecht berücksichtigt jedoch, seinem Thema gemäß, allein die historischen Abhandlungen im Beytrag. Die UBL besitzt ein Exemplar des Beytrags (Signatur: Dt. Zs. 134) mit handschriftlichen Einträgen der Verfassernamen der Artikel des ersten Bandes. Die späteren Bände enthalten nur noch vereinzelt solche Marginalien. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte dieser interessanten Zeitschrift ließe sich wahrscheinlich auf Grundlage der jetzt in Breslau befindlichen Archivalien schreiben. Die Deutsche Gesellschaft war im Besitz des 1. Bandes des Beytrags. Ob der im Erscheinungsjahr (1739) erworbene Band von einem der Herausgeber bzw. Autoren in Erinnerung an ihre Mitgliedschaft in der Gesellschaft nach Leipzig geschickt wurde, kann nur vermutet werden. Vgl. Otto 3, S. 96f. J. C. Poggendorff: Biographisch-literarisches Handwörterbuch zur Geschichte der exacten Wissenschaften. I. Bd. Leipzig 1863, S. 702. George Rothe: Kurtzer Begriff der Naturlehre zum Gebrauch der Anfänger aus den neuesten Entdeckungen der Naturforscher zusammen getragen. Görlitz 1753. Eine sechste Auflage erschien noch 1785. Dazu zählen u. a. die »unnütze(n) und höchst sündliche(n) Grillen von den himmlischen Cörpern und ihrer Stellung gegen einander« (Naturlehre, Vorrede). Daß selbst in der Mitte des 18. Jh.s die Anerkennung des kopernikanischen Weltsystems noch nicht selbstverständlich war, belegt eine Anzeige Rothes im Ober-lausitzischen Beytrag, in dem er eine Maschine schildert, die das System des T^cho Brahe zur Darstellung bringt und von einem Ungenannten aus der Umgebung von Zittau verfertigt und zum Kauf angeboten wurde. Der Mann möge, so Rothe, seine Fähig-

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ben auf dem Rückzug;73 die »Glückseligkeit des gantzen menschlichen Geschlechts« wird damit gefördert. Gleichwohl ist für Rothe die Wissenschaft noch nicht in jeder Hinsicht von den Aussagen der Offenbarung abgekoppelt. So ist die Welt aus dem Nichts geschaffen worden, und sie hat einen konkreten Anfang, der für den »erlauchteten Christen« vor genau 5756 Jahren anzusetzen ist. Es ist auffällig, daß mehrere naturwissenschaftlich tätige Mitglieder der Gesellschaft ihr späteres Leben ganz oder teilweise in Rußland verbracht haben. Seit Beginn des 18. Jh.s wachsen die zuvor nur ganz sporadischen wissenschaftlichen Kontakte zwischen Deutschland und Rußland, wobei Leipzig eine wesentliche Rolle zukommt. Hier ist es nun gerade Johann Burkhard Mencke, der die intensivsten Verbindungen zum Zarenreich unterhält.74 Die Gründung der Petersburger Akademie (1725) fördert die Entwicklung der wissenschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland außerordentlich. Die engen Beziehungen zu Osteuropa, die die Messestadt seit je unterhielt, werden den einsetzenden Trend junger Wissenschaftler, eine Karriere in Rußland anzustreben, begünstigt haben. Mencke veröffentlicht in den von ihm herausgegebenen Zeitschriften Artikel über die geplante Akademiegründung und empfiehlt verschiedene Kandidaten als Mitglieder oder Mitarbeiter der neuen Sozietät. Wenn auch mit einer Ausnahme die von ihm genannten Personen nicht nach Rußland gelangten, so sind doch andere Leipziger Absolventen dorthin gekommen, u. a. Mitglieder der Poetischen Gesellschaft.75 Einer der ersten Absolventen der Leipziger Hochschule, der in den Osten ging war der mit balneologischen Schriften

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keiten für den Bau einer Anlage verwenden, die das heliozentrische System darbietet (1. Bd., Sp. 427-432). »Die Naturwissenschaft befreyet uns von mancher unnöthigen Furcht und Aberglauben, womit sich unwissende Leute plagen, wenn sie die Ursachen der natürlichen Begebenheiten nicht wissen; sie lehret uns auch unsern eigenen Cörper kennen, und mercken, was ihm nützet oder schadet.« (Naturlehre, S. 3) In einer Rezension von Rothes Buch wird dezidiert hervorgehoben, daß dieses Werk belege, wie sehr »in unsern Tagen« im Vergleich zu früher die Naturlehre »aufgeklärt« erscheine (Arbeiten einer vereinigten Gesellschaft, 3. Bd., S. 242). Vgl. Eduard Winter: Halle als Ausgangspunkt der deutschen Rußlandkunde im 18. Jahrhundert. Berlin 1953 (Veröffentlichungen des Instituts für Slawistik 2), bes. S. 161f£ Eine Untersuchung, die Leipzig hinsichtlich dieses Themas in den Mittelpunkt stellt, fehlt. Vgl. jedoch Günter Mühlpfordt: Rußlands Aufklärer und die Mitteldeutsche Aufklärung: Begegnungen, Zusammenwirken, Partnerschaft. In: Deutsch-Russische Beziehungen im 18. Jahrhundert. Wiesbaden 1997 (Wolfenbütteler Forschungen 74), S. 83-172, zu Leipzig vgl. u. a. S. 102f£ Wichtig zu den Beziehungen Menckes ist Conrad Grau: Johann Burkhard Menckes Rußlandkontakte. In: Studien zur Geschichte der russischen Literatur des 18. Jahrhunderts. Bd. 4. Berlin 1970, S. 245-261. Das verkennt Grau (Menckes Rußlandkontakte), wenn er auf Grund des Scheiterns von Menckes Vorschlägen urteilt, daß die Leipziger Rußlandverbindungen »nicht in dem Maße zum Tragen« kamen, »wie es wünschenswert gewesen wäre.«

140 hervorgetretene Johann Wilhelm Sparmann (gest. 1764, Mitglied 1712), 76 der als Arzt in Riga praktizierte. Mehr als über ihn wissen wir über Gottlob Friedrich Wilhelm Juncker (1702-1746, Mitglied 1724), 77 der als Professor der Politik und Moral an der Petersburger Akademie wirkte 78 und hier als Autor einer deutschen Grammatik (gedacht für das Petersburger Gymnasium) hervortrat. 79 Auch war er ein Teilnehmer am russischen Feldzug von 1736/37 gegen die Türken. Eine dabei entstandene Beschreibung der Ukraine ist später teilweise veröffentlicht worden. 80 Der russische Hof nutzte vor allem Junkers besondere Kenntnisse auf dem Gebiet der Salzgewinnung, deren Aufsicht im ganzen Land ihm oblag. Gleichwohl, meint der Nekrolog in der Sammlung Rußischer Geschichte, habe »die Dichtkunst sein Glück am meisten befördert«, wie er sich schon in Leipzig »vornehmlich« mit dem Dichten befaßt habe. Dieses Urteil scheint einige Berechtigung zu besitzen, ist doch Junker Herausgeber des siebten Bandes der Neukirchschen Sammlung gewesen, auf die wir an anderer Stelle eingehen werden. 81 Im Auftrag der Deutschen Gesellschaft hat er ein langes Gedicht auf August den Starken verfaßt. 82 Dominierend innerhalb der Gesellschaft waren allerdings nicht die Naturwissenschaftler, sondern die Vertreter geisteswissenschaftlicher Disziplinen. Als Historiker und Kenner des deutschen Staatsrechts ist Gottlieb Schumann (1700-1773, Mitglied 1721) 83 hervorgetreten. A n der Universität hat er sich

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Vgl. August Hirsch: Biographisches Lexikon der hervorragendsten Ärzte aller Zeiten und Völker. 5. Bd. S. 477; J. F. v. Recke/ K. E. Napiersky: Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexikon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. 4. Bd. Mitau 1832, S. 251. Vgl. Hirsching (Historisch-litterarisches Handbuch, 3. Bd., S. 153£; ADB 14, S. 691f. Einige weitere Nachrichten gibt ein Nekrolog, der Junckers Beschreibung der Ukraine (Von der natürlichen Beschaffenheit) vorangesellt ist. Juncker scheint es sehr schwer gefallen zu sein, sich in Rußland einzuleben. Davon zeugt ein an seinen langjährigen Mentor Johann Ulrich König (zu den Beziehungen zwischen beiden s. S. 216f.) gerichtetes schwermütiges Gedicht voller Todesahnungen (J. U. König [Gedichte], S. 613-617). Vgl. Elias Caspar Reichard: Versuch einer Historie der deutschen Sprachkunst. Hamburg 1747, S. 491. Die Grammatik sei 1734 in 2. Auflage erschienen und solle ein »ganz brauchbares Buch seyn«. Von der natürlichen Beschaffenheit der Gegenden zwischen den Flüßen Don und Dnepr. In: Sammlung Rußischer Geschichte. 9. Bd., 1. Stück. St. Petersburg 1764, 5. 1-84. Die Ausführungen Junkers zur »politischen Verfassung« des Landes werden bezeichnenderweise nicht veröffentlicht, da »man sich nicht getrauet, solche der Welt vor Augen zu legen«; sie müßten erst ergänzt und verbessert werden. Zu einer Publikation des Textes ist es nie gekommen. Vgl. Franz Heiduk: Die Dichter der galanten Lyrik. Studien zur Neukirchschen Sammlung. Bern u. München 1971, S. 132ff. Vgl. Hans Carl von Kirchbach: Rede vom Unterschiede der Bewunderung. Leipzig 1729, S. 37-47. Vgl. Hirsching (Historisch-litterarisches Handbuch), 1. Bd., S. 357; Otto 3, S. 238240 (mit Schriftenverzeichnis); Meusel 12, S. 556f.

141 insbesondere für die Pflege der Politikwissenschaft (prudentia civilis) eingesetzt. 8 4 Über mehrere Jahrzehnte ( 1 7 3 5 - 1 7 5 6 ) ist Schumann Herausgeber der wichtigen Zeitschrift Neue europäische Zustand der vornehmen

Höfe entdeckt?5

Fama welche den

gegenwärtigen

A n der Universität hält er Vorlesun-

gen zur Zeitungswissenschaft: D i e Jugend müsse in die Lage versetzt werden, sich in anderen Ländern zu b e w e g e n und dort mit gelehrten Leuten sprechen zu können. D a z u sei ein entsprechendes Wissen notwendig, das insbesondere aus der Lektüre von Zeitungen gewonnen werden kann. 8 6 Schon als Tatsache interessant ist seine 1745 angekündigte Vorlesung über die Geschichte des Deutschen Reiches nach dem Tode Karls VI., also der vorangegangenen fünf Jahre. Im Aufbau seiner Vorlesung, berichtet Schumann, folge er seinem Gönner, d e m Leipziger Historiker Johann Jacob Mascov; 8 7 seine Quellen bildeten gute Bücher sowie die Korrespondenz und das Gespräch mit erfahrenen Männern; seine Darstellungsweise sei die pragmatische, d.h. man sähe jederzeit »auf den Zusammenhang der vorigen mit den itzigen Zeiten« und beachte »die Gründe der Anforderungen, die Bewegungs-Ursachen des vorgefallenen [.. .].« 88 Schließlich leiht Schumann seine Feder auch den tagespo-

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Vgl. Nützliche Nachrichten von den Bemühungen derer gelehrten und andern Begebenheiten in Leipzig, 2. Bd. Leipzig 1750, S. 705 und 3. Bd. Leipzig 1756, S. 697£ Vgl. G. Burkhard Struve: Bibliotheca historiae litterariae selecta. Ed.J. F. Jugler. Jena 1754, S. 1009. Schumann ist außerdem über zwanzig Jahre hinweg Herausgeber des Jährlichen genealogischen Handbuches (1729-1749), das Informationen über die einzelnen deutschen Herrscherhäuser vermittelt. Ad praelectiones académicas in relationes publicas peramanter invitât M. Gottlieb Schumann. Leipzig 1740. Die Beschäftigung mit den Zeitungen steht unter der Grundforderung, an den Universitäten sollten nur solche Stoffe vermittelt werden, die für das spätere Leben Nutzen versprechen. Schumanns wohl wichtigste Veröffentlichung zu diesem Thema ist: Abriß eines Collegii über die politischen Zeitungen. Leipzig 1738. Gottsched empfiehlt dem Grafen Seckendorf, der einen Verwandten in Leipzig studieren läßt, sehr nachdrücklich die Vorlesungen Schumanns über die Zeitungen. Es sei gut, gerade für zukünftige Politiker, die neuere Geschichte im Zusammenhang zu behandeln: »Dieses nun kann durch ein Collegium über die Zeitungen am besten geschehen; darinnen fast jeder Artikel zu historischen, geographischen und politischen Anmerckungen, von Bündnissen, Friedensschlüssen, und dem Interesse der hohen Häupter und Staaten Anlaß giebt. Dergleichen Lectiones hält nun H. M. Schumann, ein guter Historicus und Publicist, seit vielen Jahren allhier [...]« (Brief vom 12. 5.1752, Staatsarchiv Altenburg, Seckendorf-Archiv, Nr. 1113, Bl. 162v). Die Geschichte der Mascov-Schule ist noch nicht geschrieben worden. Vgl. W. Goerlitz: Die historische Forschungsmethode J. J. Maskows. Leipziger Studien aus dem Gebiet der Geschichte 7 (1901). Friedrich Gundolf: Anfänge deutscher Geschichtsschreibung von Tschudi bis Winckelmann. Amsterdam o.J., S. 130ff. Heinrich Ritter von Srbik: Geist und Geschichte vom deutschen Humanismus bis zur Gegenwart. I. Bd. München u. Salzburg 1950, S. 98f. Gottheb Schumann: Versuch einer Pragmatischen Historie des Römisch-Teutschen Reichs von dem Tode Kayser Caroli VI. bis auf die Wahl Kaysers Francisci zum Gebrauch Academischer Vorlesungen. Leipzig 1745. Als Grundsätze der Verfassung Europas nennt Schumann an anderer Stelle die christliche Religion, das

142 litischen Auseinandersetzungen der Zeit; z.B. im Kampf zwischen Sachsen und Preußen.89 Bemerkenswert ist eine Publikation Schumanns zum Tode Gellerts.90 Sie zeigt uns den Autor als Anwalt der strengen Gelehrsamkeit und damit als Kritiker oberflächlichen literarisch orientierter Wissenschaft. Bei aller Anerkennung der Verdienste des Verstorbenen wendet sich Schumann doch deutlich gegen den Kult um Gellerts Person, wie er sich vor allem nach dessen Ende entfaltete. Es sei dies ein Vorgang, der inzwischen »zum Eckel« geworden sei. Sei denn mit Geliert »die ganze Gelehrsamkeit und alle Weißheit« gestorben? Hätte es nicht neben ihn an der Leipziger Universität noch viele andere gegeben, die gleichermaßen ihrer Pflicht nachgekommen sind? Indirekt wird Gellerts Unterricht in seinem Wert herabgesetzt: Man möge der unerfahrenen akademischen Jugend kein »Flitter-Gold« vor Augen halten. Die »sogenannten schönen Wissenschaften, und auch das Theater sind nicht allemal, wie auch Geliert nie glaubend machen wollen, die Schule der Tugend und des guten Geschmacks.« Es komme auch bei den schönen Wissenschaften auf deren Nutzbarkeit an, und daher sei der Weg zu ihnen hart und schwierig. Die Zeit benötige Männer, die das Theater als ergötzende Abwechslung betrachten, ansonsten aber »gar zeitig und gründlich die Manoeuvres und Scenen der Staats-Comoedien und Tragödien, die sich unter Hohen und Niedrigen, und in allen Ständen ereignen, kennen lernen.« So sehr die Wissenschaften in den vergangenen Jahrzehnten aufgeblüht seien, so drohe jetzt doch eine »Abnahme der gründlichen Gelehrsamkeit«, an deren Stelle eine literarisch-gelehrte Schwätzerei trete. Wenn Schumann in der Relativierung der Bedeutung Gellerts im Sinne des verstorbenen Gottsched gesprochen haben dürfte, so rückt ihn die Kritik an der »literarischen Schwätzerei« zumindest partiell in die Nähe derjenigen Kräfte, die im Namen der strengen Wissenschaft Bedenken gegen eine Literarisierung der Gelehrsamkeit einlegten und damit durchaus gegen die Bestrebungen der Deutschen Gesellschaft unter Gottscheds Leitung polemisierten (s. S. 4f.).

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Gleichgewicht der politischen Mächte und den Handel (Nützliche Nachrichten, 3. Bd., S. 697t). (Gottlieb Schumann): Beantwortung eines Königlichen Preußischen Impressi wider den Chur-Sachßischen Hof. Anno 1745. Hier findet sich folgende bemerkenswerte Äußerung über Friedrich den Großen: »Hat iemand Ursache zu wünschen, keinen solchen Printzen zum Nachbar zu haben, welcher über die Exempel der Französischen Könige, allein die Ehre, Macht und die Erweiterung seiner Gräntzen mit noch unerhörter Remuence sich zum Gegenstand gesetzt, so ist es Sachsen.« Auch zu Beginn des Siebenjährigen Krieges verteidigt Schumann in verschiedenen Flugschriften die Position Sachsens (z.B.: Die gerechte Sache Chur-Sachsens. Erfurt 1756). Gottlieb Schumann: Noch ein Wort! Zu den Schriften bey dem Tode des Herrn Prof. Gellerts. Leipzig 1770.

143 Daß Gottsched nicht das erste Mitglied der Deutschen Gesellschaft war, das eine Zeitschrift herausgab, belegt das Beispiel Justus Israel Beyers,91 der von 1723 bis 1724 an der Herausgabe der Acta Lipsiensium académica beteiligt war.92 Ebenfalls im Blick auf Gottsched ist bemerkenswert, daß sich die Acta eindeutig gegen die damals aufkommenden moralischen Wochenschriften wenden: »Will aber jemand raisonniren oder moralisieren lernen, darff er sich nur die soliden Principia aus der gesunden Vernunfft bekandt machen, die ihm ein Journaliste in seinem moralischen Mischmasche gewiß nicht beybringen wird [...].« Legitim seien überhaupt nur drei Arten von Zeitschriften: Rezensionsorgane, Blätter mit Berichterstattung über Hofangelegenheiten, Journale über das Geschehen an den Universitäten. Die Acta werden dem letzteren Typus zugeordnet.93 Sechzehn Teile der Zeitschrift sind insgesamt erschienen. Der Kritik ist das Blatt nicht entgehen können, wie die mehrfachen Rechtfertigungsversuche der Herausgeber belegen; vielleicht mögen diese Angriffe zum relativ plötzlichen Einstellen der Herausgabe der Zeitschrift beigetragen haben.94 Trotz ihres lateinischen Titels sind die Acta deutschsprachig; in der Hauptsache beschäftigt sie sich mit der Rezension bzw. Inhaltswiedergabe akademischer Schriften; im Anhang zu jeder Nummer werden Neuigkeiten aus dem akademischen, aber auch aus dem allgemeinen städtischen Leben Leipzigs mitgeteilt. Bei den rezensierten Schriften handelt es meist um Texte mehr oder minder offiziellen Charakters: Festreden, Disputationen, Funeralreden auf verstorbene Professoren (oder deren Frauen), Reden anläßlich der Ernennung von Baccalaurei und Magistern. Dabei meiden der oder die Verfasser keineswegs eigene Urteile über

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Vgl. Meusel 1, S. 386. Vgl. J. J. Beyer: Alte und neue Geschichte der Hallischen Gelehrten. 1 . - 5 . Beitrag 1739-1741. Danach will Beyer die Acta zusammen »mit einigen guten freunden« herausgegeben haben. In der einschlägigen Literatur (z.B. Meusel 11, S. 35) wird Michael Ranfft als Herausgeber der Acta genannt. Zwei der drei Vorreden zu den drei erschienenen Bänden der Zeitschrift sind mit »die unbekandten Verfasser« unterzeichnet worden. Man wird daher davon ausgehen dürfen, daß sich mehrere Personen an der Edition der Acta beteiligten, wobei Ranfft durchaus eine leitende Position besessen haben kann. Beyer hat dann im Rückblick seinen Anteil als größer angesehen, als er vielleicht war. Vgl. Geschichte der Familie Ranft. Hg. von Michael Albrecht Ranft. Leipzig 1911, S. 90f£ Dort findet sich eine Darstellung des Studiums Ranffts in Leipzig. Danach hat Ranfft die Acta »mit Unterstützung einiger jugendlicher Juristen und Mediziner« herausgegeben. Vgl. Vorrede zum ersten Band der Acta. Die letzte erschienene Nummer ist Teil 1 des 3. Bandes, der dem damals allmächtigen Jakob Heinrich von Flemming, von dem man sich einen Schutz gegen alle Widersacher erhoffte, gewidmet wurde: »Haß und Mißgunst sind bißher die Feinde gewesen, so diese an sich selbst unschuldige Schrifft aufs äuserste verfolget haben. Wer sollte sie also darum verdencken, wenn sie sich aufs künfftige um einen hohen Protector bewirbt, unter dessen hohen Schutze sie sich vor fernem Verfolgungen gantz sicher zu seyn getrauen darff?«

144 das Gelesene, wenn es auch gelegentlich heißt, man vermittele den Inhalt der Schriften »nach unserer Gewohnheit [...] kurtz und unpartheyisch.«95 Der in den Stellungnahmen (meist in der Form von Fußnoten) zum Ausdruck kommende Standpunkt ist in der Nähe des Leipziger orthodoxen Luthertums anzusiedeln, nicht zuletzt werden des öfteren Schriften von Deyling und Klausing, den führenden Vertretern der Orthodoxie in Leipzig, besprochen. Ein »rechtschaffener Religions-Eyfer« sei angesichts der zunehmenden irrigen Lehren »löblich und nützlich«, auch wenn hin und wieder hier »zu viel« geschähe. 96 Es gehe nicht an, die Theologen ob ihres Eifers als KetzerMacher zu schelten, denn »in der Theologie geht es nicht so an, wie in der Philosophie«, da man hier nicht (wie in der Philosophie) verschiedene Standpunkte gelten lassen könnte, »weil sie die Vernunfft, als ein unvollkommenes und verderbtes principium zum Grund haben, ein anders aber ist es mit der Theologie, wo das principium aller Lehren und Sätze der heil. Schrifft seyn muß, welche vollkommen und göttlich ist«. Bei einem Widerspruch zwischen Vernunft und Glaube muß erstere zurückstecken. Die antitheologische Polemik gewisser Philosophen ist zu mißachten: »Unterdessen ist es besser ein orthodoxer Ketzer-Macher zu heissen, als ein heterodoxer Lehrer und ketzerischer Syncretist, Heuchler und Fanaticus zu seyn.« 97 Dabei wird jedoch die Philosophie, insbesondere aber die »neue Philosophie« keineswegs verworfen; mit ihrer Hilfe könnten neue Wahrheiten gefunden werden und auch ein zukünftiger Theologe sollte sich mit ihr beschäftigen, nur müsse man eben die gefährlichen Hypothesen der »neuen Philosophi« meiden, denn in der »Theologie taugen die neuen Wahrheiten nichts, in der Philosophie aber können sie gar wohl ihre Richtigkeit haben.« 98 Schließlich stoßen wir auch auf Mitglieder, die sich stärker dem Einfluß der modernen Philosophie öffnen. Erkennbar wird uns dies allerdings erst in der Mitte der zwanziger Jahre, dann jedoch nicht allein bei Gottsched, sondern auch bei anderen neuen Mitgliedern. Die mit Abstand wichtigste Persönlichkeit in dieser Beziehung ist Johann Friedrich May (1697-1762, Mitglied 1723). 99 An der Umgestaltung der Teutschübenden in die Deutsche

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Acta, 16. Teil, S. 38. Acta, 16. Teil, S. 37f. Acta, 2. Teil, S. 181ff. (Anmerkung b). Es handelt sich um die Besprechung einer Anzeige Andreas Rüdigers über seine Absicht, ein »Collegium utriusque Philosophiae« zu lesen. Dort betont er die Notwendigkeit des Studiums der Philosophie für die höheren Fakultäten. Ohne eine solche Beschäftigung würden z.B. die Theologen zu »Ketzer-Machern«. Gegen diesen Begriff legen die Acta Verwahrung ein. Acta, 2. Teil, S. 184fñ (Anmerkung c). Die Verfolgung der neuen Philosophie gründe in dem Vorurteil, es könnten keine neuen Wahrheiten gefunden werden. Vgl. Meusel 8, S. 555-558; Otto 2, S. 551f£ (beide Artikel mit Schriftenverzeichnis Mays). May ist heute so vergessen, daß keines der großen Lexika der letzten 100 Jahre (von der ADB bis zu Saurs Enzyklopädie) ihn erwähnt. Eine Ausnahme bildet Kosch 10, Sp. 613f.

145 Gesellschaft hat er neben Gottsched einen maßgeblichen Anteil geleistet. Wir müssen ihm daher eine etwas nähere Aufmerksamkeit widmen. May ist von Johann Heinrich Winkler abgesehen das letzte bedeutende Mitglied der Gesellschaft, das aus der Oberlausitz stammt. 1 0 0 Nach d e m Besuch des Zittauer Gymnasiums studiert er in Leipzig und wird 1723 Magister. 1 0 1 Bis zu seiner Ernennung zum außerordentlichen Professor (1741) scheint er sich all die Jahre als Hauslehrer seinen Lebensunterhalt verdient zu haben. Sicher ist jedenfalls, daß er Mitte der dreißiger Jahre im Haus der angesehenen, spätestens seit Beginn des 18. Jh.s in Leipzig lebenden Hugenottenfamilie Dufour 1 0 2 Lehrer ist. 103 Auch die Betreuung adliger Studenten in der Funktion eines Hofmeisters wird May einige Einnahmen verschafft haben. 1 0 4 D i e überlieferten Briefe Mays an Gottsched erlauben uns einen näheren Blick 100

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Sein Vater war dort Pfarrer. Vgl. J. Chr. Gottsched: Elegie An seinen betrübten Herzensfreund Hrn. M. Joh. Friedrich Mayen, über den Verlust seines ehrwürdigen Vaters (Eigene Schriften II, S. 345-349). Danach wurde seitens des Elternhauses May in seiner geistigen und beruflichen Entwicklung völlig freie Hand gelassen. Über seine Studien in Leipzig könnten einige Manuskripte seiner Bibliothek (s. Anm. 135 dieses Kapitels) Aufschluß geben. Dort befanden sich eine Vorlesungsnachschrift von Gottfried Polycarp Müllers Collegium Philosophicum (Nr. 5757 des 2. Bandes des Katalogs) und von Jöchers Collegium Philosophicum in Institutiones Wolfianas per Thümmigium adornatas (datiert: Leipzig 1731, Nr. 5758 des Katalogs). Müller ist Thomasius-Schüler und gilt als einer der ersten nicht theologisch motivierten Gegner Wolffs. Jöcher ist vielleicht der erste entschiedene Vertreter des Wolffianismus in Leipzig. Ansonsten besaß May eine wohl weitgehend vollständige Sammlung der Schriften für und wider Wolff. Das Geschäftshaus Dufour wurde damals von den Brüdern Marc Antoine und Jacques Dufour gemeinschaftlich betrieben. May könnte bei deren Söhnen Pierre Daniel (geb. 1720) und Jacques (geb. 1728) Lehrer gewesen sein. Vgl. Katharina Middell: Hugenotten in Leipzig. Streifzüge durch Alltag und Kultur. Leipzig 1998, S. 45, S. 68f. Erwähnung weiterer, namentlich nicht genannter Kinder, die hier in Frage kommen könnten; S. 69ff. über die Hauslehrer in der Familie Dufour in der zweiten Hälfte des 18. Jh.s. 1734 weilt May in Familienangelegenheiten in Zittau. An Gottsched schreibt er, man vermute sicher sein baldiges Zurückkommen nach Leipzig, obwohl Herr Dufour ihn freundlichst beurlaubt habe, und meint dann: »Wer weiß, wie ungezogen sich die Kinder aufführen werden. Machen Sie doch an den Herrn, welcher die Mühe über sich genommen hat, sie in meiner Abwesenheit zu unterrichten, mein Compliment und bitten ihn, daß er nicht ungeduldig über meinen langen Verzug werden möchte. [...] Wollten Sie sich etwan gar einmahl die Mühe geben, und die Kinder besuchen, Sie auch in meinem Nahmen zu allen guten Ermahnen, so würde ich dadurch unendlich verbunden.« (Zittau, 9.10.1734, UBL, Ms 0342, III, Bl. 153 r -154 v ). In seinem Bewerbungsschreiben für die freigewordene Professur für Ethik weist May ausdrücklich auf seine großen Erfahrungen im Erteilen von Privatunterricht hin (Brief vom 20. 6.1742, UBL, Ms 0342, VII, Bl. 203). Außerdem stammen mehrere pädagogische Schriften aus seiner Feder, z.B.: Die Kunst der vernünftigen Kinderzucht. Helmstedt 1752. In dem Schreiben, in dem das Dresdner Oberkonsistorium zu Mays Bewerbung um die Professur für Moral Stellung nimmt, wird ausdrücklich hervorgehoben, »daß Verschiedene Vornehme von Adel ihre Söhne zu Direction ihrer Studien an ihn addressiret« (Schreiben vom 30. 7.1742, Sächsisches Hauptstaatsarchiv, Loc. 10538/

146 auf seinen Charakter, wie er uns sonst bei nur wenigen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft möglich ist. Ein Kind der Traurigkeit scheint May jedenfalls nicht gewesen zu sein; in vergnügter Geselligkeit fühlt er sich bestens aufgehoben: »Wir haben schon brav gelacht, und werden es, wo Gott will, auch noch weiter thun. Denn was ist das menschliche Leben ohne Lachen.« 105 Obwohl May zeitlebens unverheiratet blieb, war er ganz sicher kein Misogyn. Neben Gottsched ist er vielmehr ein Hauptvertreter des aufklärerischen Programms einer allerdings mannigfach begrenzten Emanzipation der Frau. 106 In weiblicher Gesellschaft, vor der er als schöngeistiger Philosoph brillieren kann, fühlt er sich ausgesprochen wohl. Diese Gespräche sollen zur Bildung »vernünftiger Frauenzimmer« führen, die die »leichtesten Sätze der Vernunftlehre, die nöthigsten Begriffe von der Welt und der natürlichen Gottesgelahrheit, die nützlichsten Regeln der Moral« usw. beherrschen. 107 So reist May in Damenbegleitung nach Dresden und schwärmt im Rückblick über die angenehme Geselligkeit, in der die Fahrt verlaufen ist: »[...] und ich möchte bald sagen, wo es nicht zu prächtig klingt, wer weis ob in 10 Jahren von Leipzig bis Dresden die 13 Meilen über in Frauen Zimmer Gesellschaft so viel philosophiert worden ist, als diesmal. Die Wolfische Philosophie oder ich will lieber sagen, die vernünftige Art eine Sache gründlich nachzudencken, hat einen großen Beyfall gefunden. Zum wenigsten schien es als ob ich mich getrauen dürfte, mir dieses sicher einzubilden.« 108 In reger Diskussion muß May auch mit Marianne von Ziegler, dem einzigen weiblichen Mitglied der Deutschen Gesellschaft (s. zu ihrer Aufnahme S. 245ff.), gestanden haben: »Wie befindet sich Madame von Ziegler? philosophiert Sie noch mit dem Herrn Mag. May? ich gestehe es: ein Cursus philosophicus von einer Dame würde was recht besonders seyn, und zweifle ich gantz, daß er starck abgehen würde.« 109 Auch Mays Mitgliedschaft in der Leipziger Verbindung der Alethophilen, im »Regiment de sans Façon« ist in diesem Zu-

17 [Acta die Professions-Ersetzungen bey der Philosophischen Facultät zu Leipzig betr., Bl. 167]). 1 0 5 May an Gottsched, 7. 9.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 114). In einem anderen Schreiben heißt es: »Wir befinden uns in gantz vergnügten Umständen. Wir lachen, wir singen, wir schmaußen, wir scherzen, alles so viel wir können und dürfen.« Dann läßt May Grüße von »meiner Liebhaberin«, d.h. von der Gottschedin ausrichten (Anspielung auf die Verbindung zwischen May und Gottscheds Frau als Hauptmann und Kompagnon in der Gesellschaft der Alethophilen, Leipzig, 9.1.1734, Ms 0342, III, Bl. 8). IM Ygj Richard van Dülmen: Kultur und Alltag in der Frühen Neuzeit. 3. Band. München 1994, S. 259ff. 1 0 7 J. F. May: Philosophisches Schreiben, In wie weit eine Frau gelehrt seyn könne? Bey dem Gudisch- und Hoffmannischen Hochzeitfeste an die Jungfer Braut 1728. abgelassen. In: Eigene Schriften III, S. 179-191. 1 0 8 May an Gottsched, 7. 9.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 114). 1 0 9 Stolle an Gottsched, 16. 4.1736 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 385).

147 sammenhang zu sehen. Die vom Grafen Manteuffel geprägten Leipziger Alethophilen zeigen in ihrem Auftreten den Einfluß zeitgenössischer adlighöfischer Ritterorden, die sich der Unterhaltung und Zerstreuung widmeten und durchaus Frauen in ihre Reihen aufnahmen, ja ohne weibliche Beteiligung gar nicht denkbar waren.110 Oft wurden je ein Mann und eine Frau unter unterschiedlichen Bezeichnungen zur Gesellschaft einander zugeordnet. Auch bei den Alethophilen in Leipzig ist dies der Fall und so erscheint May dort als der »Hauptmann« der Frau Gottsched, der »Allerliebsten Compagnie«, wie es mitunter in seinen an sie gerichteten Briefen heißt. Bei allen diesen Bemühungen um die Verbreitung der Aufklärung unter den Frauen bleibt deren Unterordnung dem männlichen Geschlecht gegenüber eine conditio sine qua non schlechthin. May und mit ihm so ziemlich alle Aufklärer wollen eine vernünftige Frau als Gehilfin ihres Mannes - aber keine gelehrte Frau. Im Gegensatz zu einer vernünftigen Frau würde nämlich eine gelehrte Frau dem Hauswesen schlecht bekommen - eine gängige Befürchtung der Aufklärer. Auch Mays Freund Gottsched meint zu wissen, daß »gelehrte Frauenspersonen nicht allemal die besten Haushälterinnen« seien. Wissenschaften, die »in blosser Betrachtung« bestehen, sollten daher nicht den Gegenstand weiblicher Bemühungen bilden. Das Bestreben der »vernünnftigen Frau« sollte darauf gerichtet sein, die »Gemütsbeschaffenheit« ihres Mannes zu erfassen und »ihre Aufführung« entsprechend einzurichten.111 Aber auch auf amourösen Pfaden sehen wir unseren Philosophen wandeln. Diese gestalten sich jedoch als recht dornicht, denn die Dame, der sich Mays Herz zuwendet, ist verheiratet, war aber wohl schon vor ihrer

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Vgl. zu diesem Thema die ausführlichere Darstellung bei D. Döring (Beiträge zur Geschichte), S. 113f£ Vernünftige Tadlerinnen, I. Teil, 6. Stück, S. 241 -248. Frau Gottsched dürfte in dieser Hinsicht wohl den Vorstellungen ihres Mannes entsprochen haben. Vgl. dagegen Helga Brandes: Der Wandel des Frauenbildes in den deutschen Moralischen Wochenschriften. Vom ausgeklärten Frauenzimmer zur schönen Weiblichkeit. In: Zwischen Aufklärung und Restauration. Festschrift für W. Martens zum 65. Geburtstag. Tübingen 1989, S. 49-64. Die hier vertretene Auffassung, in den frühen Wochenschriften sei es um eine weitgehend echte, d. h. konsequente Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau gegangen, geht m. E. in die Irre. Die Darstellung des Amazonenstaates in den Vernünftigen Tadlerinnen (I, 7. Stück), auf die sich die Autorin bei ihrer Beweisführung u. a. stützt (S. 54f.), ist nicht im Sinne einer wünschbaren Vision zu sehen, die in der Form eines Wunschtraumes geboten wird (»weiter wagen sich die >Tadlerinnen< noch nicht vor«), sondern beinhaltet neben der Kritik an der ganz von den Männern bestimmten Gesellschaft eine Satire, die gegen eine Aufgabe der »schönen Weiblichkeit« zielt, deren Propagierung nach Brandes erst das Thema der späten Wochenschriften bildet. Insofern besteht kein grundsätzlicher Unterschied zu dem Bild eines Amazonenstaates, wie es der Nordische Aufseher 1758 entwirft (Brandes, S. 58).

148 Vermählung Mays große Liebe. 112 Er habe, »dem Himmel sey danck«, die »Margaris« vor der Kirche getroffen, schreibt er aus Dresden an Gottsched. Sie habe ihn nach Hause eingeladen; ihr Mann werde aber wohl dabei sein, dennoch: »Ich will es ihm schon sagen, daß ich sie recht lieb gehabt.« 113 Jedoch ist May ein Verfechter der innerhalb der Aufklärung vertretenen Unterordnung alles Sinnlichen unter der Herrschaft der Vernunft, und so versucht er sich philosophisch mit seinem Schicksal auszusöhnen: »ich werde allemahl zufrieden seyn.« 114 Denn sinnvoll ist allein die »vernünftige Liebe«, die die »wilde Lust bezwinget« und keine Glut erregt, »die Kraft und Mark verzehret«. Die »vernünftige Liebe« schämt sich dagegen aller Lust und nähert sich dem »edlen Gegenstand« mit »reiner Neigung«, die sich auf dessen Tugend richtet.115 Mays Verhältnis zu Gottsched ist sehr eng gewesen; letzterer hat diese Beziehung in den Worten der Poesie geschildert: »Wer hinfort will Freunde nennen, / Soll und wird dabey bekennen,/ Daß sie May und Gottsched seyn.« 116 In der gleichen Dichtung erinnert Gottsched an zahlreiche, oft bis in die Nacht währenden Gesprächen in ihren Zimmern, auf den Straßen, in den Wäldern und Auen über antike und moderne Dichter und Philosophen,

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In seinem Gedicht auf May aus dem Jahre 1729 finden sich folgende Verse: »Sey beglückter in den Trieben,/ Die ich längst an dir gespürt./ Margaris, die dich gerührt, Müsse dich beständig lieben [...]« (s. Anm. 116 in diesem Kapitel). Auch auf jene Margaris selbst hat Gottsched ein Gedicht verfaßt: Ode auf die tugendhafte Margaris, an ihrem Geburtstage. In: J. Chr. Gottsched: Gedichte. Leipzig 1736, S. 319f. Das Gedicht ist in der zweibändigen Ausgabe von Gottscheds Gedichten aus dem Jahr 1751 merkwürdigerweise nicht mehr enthalten, obwohl J. J. Schwabe als Herausgeber versichert, daß »alle die Stücke geblieben« sind, die in der früheren Ausgabe zu finden waren (Nachricht wegen der neuen Auflage). Brief an Gottsched, 13.11.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 163). In einem Schreiben aus Leipzig vom 13. 9.1734 hatte er noch von einem fehlgeschlagenen Versuch berichtet, die »Margaris« in der Kirche zu treffen; er hätte sich sogar den Platz neben ihrem Kirchenstuhl verschaffen können. Er habe aber nur ihren Mann gesehen. Er vermute, daß einige französische Kaufleute aus Leipzig ihr von seiner Anwesenheit in Dresden berichtet hätten, »und sie ist deswegen gewiß aus der Kirche geblieben. So leichtfertig ist sie schon.« (Ms 0342, III, Bl. 116). Mehr läßt sich über diese Angelegenheit den Briefen Mays nicht entnehmen. May an Gottsched, 25. 9.1734 (Ms 0342, III, Bl. 443). Der Character einer vernünftigen liebe zwischen Personen beyderley Geschlechts. An dem Kletschk- und Schwarzkopfischen Hochzeitfeste im Namen der deutschen Gesellschaft entworfen von J. F. May. In: Eigene Schriften II, S. 192-195. Ode an Hern. Prof. Joh. Friedrich Mayen den 23ten März 1729. In: Gottsched, Gedichte, 1. Bd., S. 204-210 (210). Das frühere Paradebeispiel der Freundschaft sei die Verbindung zwischen Pythias und Damon gewesen. Dem gleichen Gedicht ist zu entnehmen, daß sich Gottsched und May anscheinend in der Teutschübenden Gesellschaft kennengelernt haben: »Sey gesegnet, deutscher Orden!/ Wo du mir das erstemal/ In der andern Glieder Zahl,/ Edles Herz, bekannt geworden./ Da zog uns ein gleicher Zug;/ Weisheit, Witz und Deutschland lieben,/ Tugend, Dichtkunst, Sprachen üben,/ Das war uns zur Freundschaft gnug.«

149 z.B. Locke, Leibniz, Shaftesbury und insbesondere Wolff. 117 Die Umgestaltung der Gesellschaft ist, wie wir noch sehen werden, das gemeinsame Werk von Gottsched und May gewesen, 118 und diese Freundschaft hat auch noch Gottscheds Austritt aus der Gesellschaft (1738), May ist sein Nachfolger als deren Senior, überlebt. So ist Gottsched neben dem Grafen Manteuffel wesentlich daran beteiligt, daß May 1742, dieser hat immerhin bereits das 45. Lebensjahr erreicht, die erledigte Professor für Ethik und Politik erhält. 119 Auch in mehr alltäglichen Angelegenheiten stehen sich beide nahe. 117

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»Freund! das sind die grossen Geister,/ Deren Einsicht und Verstand/ Dir und mir das Herz entwandt./ Diese waren unsre Meister./ Zucker, Honig und Confect [...]« (Gottsched, Gedichte, S. 207). Das hat nicht verhindert, daß die Zeitgenossen fast allein Gottsched mit der Gesellschaft identifizierten; eher noch fällt der Blick auf Mencke, nicht aber auf May. Dieser gilt als >zweite Wahk So schreibt Johann Konrad Hantelmann, Kandidat der Theologie in Striegau, an Gottsched, er habe die Gedichtbände von Hiob Gotthard Tschammer (schlesischer Dichter, vgl. ADB 39, S. 109f.) an die Gesellschaft zur Beurteilung geschickt. Nun habe ihm May die Bände zurückgesandt und geschrieben, daß nur er die Sachen gelesen habe. Darüber sei Thammer in Verwunderung und Sorge geraten: Warum äußere sich nicht er, Gottsched, zu den Gedichten, »dieweil er auf dero gelehrtes Urtheil und Einsehen die gröste Hoffnung gesetzet«? Seien denn die für die Bemühung beigegebenen 4 Dukaten zu wenig gewesen? (28. 5.1732, UBL, Ms 0342, II, Bl. 182r-183r). Tschammer wendet sich übrigens in der gleichen Angelegenheit zwei Jahre später selbst an Gottsched (29. 4.1734, Ms 0342, III, Bl. 35). A. B. Pantke fragt an, ob die Deutsche Gesellschaft nicht zu einer fürstlichen Hochzeit ein Gedicht beisteuern könne, betont dann aber, er müsse Gottsched vor May den Vorzug geben: »Sie sind in viel schönen Büchern genug gegenwärtig; der letzte aber ist, ich weiß nicht ob so saumseelig, oder so gleichgültig daß er die Leute nach seinem deutschen Seneca und den Zusätzen von seiner Hand vergebens seufzen läßet. So viel ich gehört habe wird sich dieser alte Philosophe öffentlich und nachdrücklich über ihn beschweren; sobald ihm etwan eine Entrevüe im Reich der Todten erlaubt seyn dürfte.« (2.1.1732, UBL, Ms 0342, II, Bl. 135£). Wenige Monate später klagt der gleiche Briefpartner: »Schläft denn unsers H. M. Mayes, dem ich mich mit einem redlichen deutschen Gruß empfehle, Übersetzung des Seneca?« (20. 9.1732, UBL, Ms 0342, II, Bl. 226f.). Man stößt aber auch auf andere Auffassungen: »Und wie glücklich würde nicht unser Vaterland seyn, wenn es bald hoffen dürfte, seine Sprache, entweder durch des H. M. Mayen, oder auch durch Ew. Hochedlen eigene Bemühung, in einer richtigem Ordnung, als bisher, zu erblicken.« (Georg Christian Ibbeken an Gottsched, 9.4.1736, UBL, Ms 0342, III, Bl. 375). May wendet sich an die einzelnen Professoren, um ihre Unterstützimg bei seiner Bewerbung zu erlangen und bittet auch Gottsched, der sich zu diesem Zeitpunkt in Dresden aufhält, »nach derjenigen Freundschaft, welche von uns so lange Zeit unterhalten worden«, ihn in dieser Angelegenheit zum Vorteil zu dienen. (30. 6.1742, Ms 0342, VII, Bl. 201). Bereits am 5. 7. dankt May Gottsched für dessen Unterstützung in Dresden. Auch in weiteren Briefen ist ausführlich vom Fortgang dieser Angelegenheit die Rede; besonders unterstützt Manteuffel May (Brief vom 14. 7.1742 an Gottsched, BU. 228ff.). Da das Oberkonsistorium den Kurfürsten bittet, zwischen May und Christoph Beyer, dem schon seit 1723 eine Professur versprochen sei (!), zu entscheiden, mag der Einfluß Manteuffels letztendlich entscheidend gewesen sein. Es ist bezeichnend, daß sich Gottsched wohl für May einsetzt, jedoch nicht für den um die Verbreitung des Wolffianismus verdienten Ludovici,

150 In Gottscheds Abwesenheit sorgt May für dessen Wohnung und achtet auf die eingehende Post. 120 Schließlich ist May mit Gottscheds eng befreundet, wir hörten schon von seiner Stellung als Hauptmann der Frau Gottsched, der »Allerliebsten Compagnie«, innerhalb der Gesellschaft der Alethophilen , 121 Mit May tritt uns ein Aufklärer par excellence der ganz praktisch gewendeten Leibniz-Wolffschen Philosophie vor Augen. Glückseligkeit als Ziel menschlichen Lebens, 122 Herrschaft der gesunden Vernunft, 123 Glaube an den Fortschritt, Nützlichkeit als Maßstab der Dinge - diese und andere Leitbilder tauchen in seinen Schriften ständig auf. Die Weisheit, und May definiert sich selbst zuerst als Lehrer der Weisheit, besteht in den Lehren, deren Anwendung die Erfüllung des angeborenen Triebes zur Glückseligkeit zu Folge hat; daher die große Bedeutung der Weltweisheit bzw. der Philosophie. 124 Dies ist ganz das Programm seines Freundes Gottsched, das dieser in seinem so erfolgreichen Werk Erste Gründe der Gesamten Weltweisheit in

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der gleichfalls um dessen Hilfe bittet (Brief vom 11.7.1742, UBL, Ms 0342, VII, Bl. 22£). Mays Tod (1762) wird von Gottsched als Verlust eines besonders engen Freundes bedauert: »Ein 36 oder 38 jähriger Freund und Collega, ein grundehrlicher Mann, und guter Weltbürger!« (Gottsched an Ledermüller, 5.1.1762, Vgl. Neues aus der Zopfzeit. Gottscheds Briefwechsel mit dem Nürnberger Naturforscher Martin Frobenius Ledermüller und dessen seltsame Lebensschicksale. Hg. von Emil Reicke. Leipzig 1923, S. 99). May an Gottsched, 8. 5.1735 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 248). In der Wohnung werden gerade Reparaturarbeiten durchgeführt und May berichtet über seine mit dem Schlosser geführten Verhandlungen. So die häufige Anrede der an die Gottschedin gerichteten Briefe Mays. Die enge Verbindung Mays zu dem Ehepaar bezeugt auch Gottsched selbst, wenn er im Lebensabriß seiner verstorbenen Frau berichtet, sie sei neben »unsers beyderseiten Freundes«, May, bestattet worden. Vgl. L. Α. V. Gottsched (Kleine Gedichte), S. 583. Die Glückseligkeit definiert May gelegentlich so: »Der ist glückseelig, welcher allenthalben so viel gutes findet, daß er sich vergnügen kan, ob ihm gleich etwas dabey begegnet, das ihm mißfällt.« (Gedanken von der Auferziehung. In: Eigene Schriften I, S. 121-132 [131]). Nach dem Bekanntwerden des Todes von Richter bemüht sich May sofort um die Nachfolge. Ein Schreiben an die Philosophische Fakultät verweist auf seine erwiesene Fähigkeit, »publice docendi humaniores literas et philosophiam« Besonderen Wert habe er von jeher auf das Studium der Doctrina morum gelegt, da die Felicitas der menschlichen Natur hier ihr Fundament besitze usw. (Schreiben vom 20. 6.1742) Ein vernünftiger Mensch ist in der Lage, wahr und falsch, richtig und unrichtig zu unterscheiden und seine Handlungen entsprechend einzurichten (vgl. Eigene Schriften I, S. 129). Johann Friedrich May: Die Weisheit der Menschen nach der Vernunft. Leipzig 1754, Einleitung (»Kurze Anzeige der Einrichtung gegenwärtiger Schrift«). Ähnlichen Inhalt verspricht eine sechs Jahre zuvor erschienene Schrift Mays: Der Mensch, wie er sich nach dem Licht der Vernunft zur Glückseligkeit geschickt machen kann; in kurzen Sätzen entworfen. Leipzig 1748.

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die Tat umgesetzt hatte: Ein jeder sei begierig, »die Weltweisheit zu fassen, wenn er höret: daß dieselbe die Mittel sich glücklich zu machen, anweist.«125 Mays Buch Weisheit der Menschen entspricht denn auch im Inhalt und in der Aussage weithin dem Gottschedschen Vorbild. Der Mensch sei dazu bestimmt, heißt es, die Natur zu beherrschen, sie zu seinem Wohle zu gestalten. Die Menschheit hat in diesem Bestreben in den letzten Jahrhunderten beeindruckende Ergebnisse erzielt. Das Leben ist dank der menschlichen Erfindungen und Entdeckungen weit glückseliger geworden, als es die vorangegangenen Generationen erfahren mußten. Eine große Rolle haben dabei die gelehrten Sozietäten gespielt, deren Bedeutung May nicht genug betonen kann: »[...] man hat ganze Gesellschaften von den verständigsten und geschicktesten Männern aufgerichtet, welche gleichsam zu Aufsehern bestellet worden, die Erfindungen der Kunst zu prüfen, die Geheimnisse der Natur aufzuschließen, und sie der Kunst zu unterwerfen. Dadurch haben unsere Zeiten die vorhergehenden übertroffen, und die Kunst ist unter der Vorsicht der Gelehrsamkeit gestiegen. Glückselige Länder, welche den Nutzen davon empfinden.«126 Auch für May ist es Wolff, der Entscheidendes dazu beigetragen hat, daß die Kunst jetzt solche Fortschritte leisten kann. Er habe »die Gewißheit aus den mathematischen Wissenschaften, so viel es sich thun läßt, in alle Erkenntniß zu bringen« gesucht.127 In der Haltung zu bestimmten zentralen, aber sehr umstrittenen Inhalten der Leibniz-Wolffischen Philosophie (das betrifft vor allem die prästabilierte Harmonie) teilt May jedoch die Einstellung der meisten Leipziger Wolffianer: Sie werden abgelehnt oder als im Grunde unwichtig erklärt.128 Ansonsten gefällt sich May als Vertreter eines die innere Unabhängigkeit suchenden Stoizismus nach dem Vorbild Senecas;129 wir hörten bereits von seinem betonten (aber vielleicht auch nicht ganz echten) Abstandnehmen zu seiner früheren Liebe. In seinem Gedicht von 1729 (s. Anm. 118) bezeichnet Gottsched May geradezu als den deutschen Seneca, was sich aber auch auf die von dem Freund intendierten Pläne zur Übersetzung des antiken Philosophen bezieht. Zwar hat May einige Übersetzungsproben vorgelegt, jedoch war wohl ursprünglich an mehr gedacht. 125

Vorrede, S. 284. J. F. May: Daß der Staat größere Vorteile durch die Kunst, als durch die Natur erhalte. In: ders.: Der Redner, wie er auf die natürliche und leichteste Weise zu bilden sey. Leipzig 1748, Anhang. Es handelt sich um eine in Anwesenheit des Kurprinzen und seines Bruders gehaltene Rede in der Leipziger Universitätsbibliothek. 127 Rede auf das Absterben M. Fried. Wilh. Stiibners in der Gesellschaft abgelesen von M. J. F. May. In: Eigene Schriften III, S. 157-174, hier S. 165. 128 Vgl. J. F. May (Weisheit der Menschen), S. 32: Keine der bestehenden Lehren über das Verhältnis von Leib und Seele zueinander habe bisher eine »vollkommene und überzeugende Deutlichkeit« erlangt, um sich ihr anschließen zu können. 129 Zur Seneca-Rezeption vgl. Michael von Albrecht: Geschichte der römischen Literatur. Band 2. München 1994, S. 947ff. (mit weiterführenden Literaturangaben). 126

152 Auch für May bildet, wie für den ganzen Gottsched-Kreis, das Verhältnis zwischen Vernunft und Offenbarung ein Hauptthema. Was die Kritik an der Kirche und an ihren Theologen angeht, so bezieht er neben der Gottschedin die wohl radikalste kritische Position innerhalb der Leipziger Wolffianer. Eine früher anscheinend in Erwägung gezogene theologische Laufbahn hat er ausgeschlagen: »Ich dancke den Himmel, daß ich mich nicht unter das Theologische Joch gesteckt habe. Hier bekomme ich nunmehro Gelegenheit einen Eckel davor zuhaben. Die meisten Theologi wollen herrschen, da müßen die andern unterdrückt werden.«130 Als positives Gegenbild erscheint bei May der Prediger als Philosoph, der seine Zuhörer zur Vernunft anhält, denn »ein vernünftiger Mensch kan am leichtesten ein Christ werden«.131 Den Weg zur Glückseligkeit, für May das wichtigste Ziel der menschlichen Suche, weist zuerst die Vernunft; erst sie zeigt dann, daß auch die Heilige Schrift in die wahre Richtung führt; erst die »gründlichen Beweise« können die Aussagen der Schrift »fest und unbeweglich machen«, freilich nur denen, »welche darauf gehen.«132 Der Wolffianer May ist nämlich ein Anhänger der in den Kreisen der Aufklärung verbreiteten Überzeugung, daß »die Religion dem Volk erhalten bleiben möge«. Diese Auffassung stößt auf nachhaltige Kritik. So wendet sich A. B. Pantke, einer der eifrigsten Korrespondenzpartner Gottscheds und Mitglied der Deutschen Gesellschaft, in einem Schreiben gegen Einwände Mays, die eine von ihm, Pantke, ausgearbeitete Schrift betreffen: May sei der Meinung, man solle die Leute bei dem einfachen Glauben lassen, die Bibel sei Gottes Wort, außerdem sei jenes (Pantkes) Werk doch nur für gemeine Landleute gedacht und sei daher viel zu tiefsinnig. Die einfachen Leute sollten allein aus »Vorurtheil des Ansehens« glauben. Dies sei, so Pantke, eine ganz und gar katholische Einstellung; man müsse aber auch den einfachen Leuten eine Erkenntnis von der Schrift beibringen, die nicht auf das Vorurteil des Ansehens beruht, sondern aus Kräften der inneren Versicherung den Glaube an die Göttlichkeit der Schrift (vernünftige Bewegungsgründe) vermittelt.133 Daß May innerhalb der Leipziger Wolffianer doch eine relativ radikale Position einnimmt, zeigt seine Unterstützung des >WertheimersMahlerAusländereiKlassiker< der letzten hundert Jahre deutscher Literaturgeschichte, was die seit einigen Jahren zu beobachtende Beschäftigung der Teutschübenden mit der Literatur dokumentiert (Bibliothek!). Zu dem seit Aristoteles bekannten Argument, die Poesie vermöge vor allem das Gemüt der Menschen zu rühren, tritt der Hinweis auf ihre sprachgeschichtliche und sprachschöpferische Bedeutung. Auch an dieser Argumentation läßt sich das wachsende Interesse der Gesellschaft an wissenschaftlichen Fragestellungen ablesen. Hamanns Kritik des Mißbrauchs der Poesie folgt der zeitgenössischen Diskussion in der Ablehnung der Massenproduktion von Gelegenheitsdichtungen, deren Unwahrhaftigkeit, Sittenlosigkeit und Käuflichkeit gegeißelt werden, denen jedes dichterische Ingenium abgesprochen wird. Die Teutschübende Gesellschaft wird als Bollwerk des >rechten Brauchs< der Dichtkunst wider deren Mißbrauch

194 angerufen. D i e Teutschiibende Gesellschaft befindet sich, das zeigt Hamanns Jubiläumsgedicht, auf dem Weg von der poetisierenden Studentengesellschaft zu einer Sozietät, die bereits deutlich auf die spätere Deutsche Gesellschaft unter Gottscheds Ägide hinweist. Clodius' Schediasma

hatte die Gesellschaft zumindest innerhalb der ge-

lehrten Kreise bekannt gemacht; die im N a m e n der Sozietät veröffentlichten Gedichte konnten auf die Dauer nicht unbeachtet bleiben. Einiges Interesse mußte schließlich die mit so viel Eifer zusammengetragene Bibliothek finden, vor allem nachdem ihr Bestand durch einen gedruckten Katalog weiteren Literaturbeflissenen zur näheren Kenntnis gelangt war 1 1 und Kenner der Sammlung die »unglaubliche Anzahl« der hier zu findenden Bücher rühmten (s. S. 179). Wie weit bereits die Kunde von der Existenz der Leipziger Gesellschaft und ihrer Bibliothek in jenen Jahren gedrungen war, zeigt ein Brief keiner geringeren Persönlichkeit als des Paters Bernhard Pez 1 2 ( 1 6 8 3 - 1 7 3 5 ) , des im Kloster Melk lebenden bedeutendsten Gelehrten des Benediktinerordens jener Zeit. A m 1. Februar 1725 dankt er der Gesellschaft für die Zusendung des Katalogs der Bibliothek und rühmt die Büchersammlung (»eines der curieusesten Piécen in der Historia Litteraria Germaniae«), um dann zum D a n k ausführliche Mitteilungen über Lesefrüchte aus Handschriften mit mittelalterlichen deutschen Texten zu übermitteln. 1 3 Alle diese von ihm an11

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So dankt Friedrich Christian Neubur, Mitglied der Leipziger Deutschen Gesellschaft und später Senior der Göttinger Tochtergesellschaft, Gottsched für das übersandte Verzeichnis der Bücher und bittet ihn darum, Mitteilungen zu den im gedruckten Katalog nicht erfaßten, da später erworbenen Bücher zu senden und zwar »einen Auszug derjenigen deutschen Grammatiken, Ortographien, Etymologien, Syntaxen und überhaupt aller zur Sprachkunst gehörige deutschen Bücher, welche die Gesellschafft seit A 1723 bis hieher gesammelt, und diesem Catalogo noch nicht einverleibet sind nebst Beyfügung des Verfaßers, formats, orts und Jahres [...]« (F. Chr. Neubur an Gottsched, Göttingen, 1.5. 1729, UBL, Ms 0342,1, Bl. 126 r - v ). Vgl. Eduard Ernst Katschthaler: Über Bernhard Pez und dessen Briefnachlass. In: 39. Jahresbericht des k.k. Obergymnasiums der Benediktiner zu Melk. Melk 1889, auf S. 103-106 ein Verzeichnis aller Briefpartner Pez' auf Grundlage der in Melk überlieferten Schreiben an den Pater. Bernhard Pezens [...] an dem Wohl-Edlen und Hochgelahrten Herrn *** Erster Brief von einigen alten Poëten, welche in Teutscher Sprach etwas geschrieben. In: Historie der Gelehrsamkeit Unserer Zeiten, 11. Stück (1725), S. 983-1003. Ein weiterer Brief ist nicht erschienen; allerdings ist die Zeitschrift nach dem Erscheinen des 12. Stücks eingegangen. Zur Beantwortung der Frage, wie der Brief des Paters in jene Zeitschrift gelangt ist, s. S. 254. Pez hatte schon Jahre zuvor in Menckes Acta Eruditorum publiziert und war mit den Leipziger Verhältnissen bekannt. Vgl. ADB, 25, S. 569ff. Mit J. G. Krause, J. Mascov, J. B. Mencke und J. Chr. Lünig in Leipzig stand der Pater schon seit Jahren in einer zumindest sporadischen brieflichen Verbindung. So sendet er z.B. an Krause Handschriftenkataloge österreichischer Bibliotheken. Krause teilt daraufhin mit, daß sich schon viele Gelehrte (darunter der junge Mosheim, später Präsident der Deutschen Gesellschaft), die jene Handschriften einsehen wollen, an ihn gewandt haben, um an Pez vermittelt zu werden. Mascov wiederum schickt Pez Abschriften aus Manuskripten der Leipziger Bibliotheken zu. Vgl. Katschthaler (Über Bernhard Pez), S. 73f. Es handelt sich um Briefe

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gefertigten Abschriften wolle er der Leipziger Gesellschaft überlassen. Ausdrücklich betont der Pater, daß er einen etwaigen Vorwurf, er gäbe damit »denen Herren Protestanten nur ein Schwerdt in die Hand [...] wider ihre Widersacher«, gelassen hinnehme. Diese Bemerkung zeigt, wie wenig selbstverständlich noch in dieser Zeit Kontakte zwischen Protestanten und Katholiken im wissenschaftlichen Bereich waren. Zugleich deutet diese Verbindung zu dem österreichischen Pater bereits auf die späteren engen Beziehungen Gottscheds zu Gelehrten im katholischen Raum, insbesondere zu Ordensgeistlichen, hin.14 Von einiger Bedeutung für den Erfolg der Gesellschaft war die Frage, ob es ihr gelingen würde, über die Zeitschriftenpresse die Aufmerksamkeit breiterer Kreise zu erreichen. Da das Zentrum der Herausgabe der periodischen Presse bereits damals unumstritten in Leipzig lag, waren die entsprechenden Voraussetzungen nicht ungünstig, zumal Mencke, der Präsident der Gesellschaft, im Pressewesen jener Zeit eine sehr starke Stellung innehatte. Das Flaggschiff seines Zeitschriftenimperiums bildeten immer noch die schon alt-ehrwürdigen Acta Eruditorum\ größerer Verbreitung erfreuten sich jedoch vielleicht die Neuen Zeitungen von gelehrten Sachen, die seit 1715 erschienen und von Johann Gottlieb Krause redigiert wurden.15 Von dessen Engagement für die Förderung der deutschen Sprache und Dichtung haben wir bereits mehrfach erfahren. Auch die Neuen Zeitungen sollen durchaus der Pflege und Verbesserung der deutschen Sprache dienen: »Bey der Ausarbeitung solcher Nachrichten hatte man auf einen deutlichen und ungezwungenen Vortrag der Sachen zu sehen, auch dabey die Reinigkeit der Deutschen Sprache, so viel möglich, zu beobachten.« Dieses Bestreben be-

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aus den Jahren 1715-1721. Ob mit dem »Hochgelahrten Herrn« Clodius gemeint ist, läßt sich nicht sagen. Vielleicht ist auch an Krause, der der Gesellschaft ja nahestand und andererseits seit Jahren Pez kannte, zu denken. In den Kolumnenüberschriften der Zeitschrift wird als Adressat des Schreibens die »Poetische Gesellschaft in Leipzig« angegeben. Der Einfluß der protestantischen Aufklärung auf die katholischen Gebiete Deutschlands ist noch kaum untersucht worden. Noch in einer der neuesten Darstellungen, die übrigens auch B. Pez berücksichtigt, werden (von einer Erwähnung Wolffs abgesehen) für die Frühzeit der katholischen Aufklärung (bis Mitte des 18. Jh.s) ausschließlich Einflüsse aus den romanischen Gebieten Europas genannt (Ludwig Hammermayer: Zur Genese und Entfaltung von Aufklärung und Akademiebewegung im katholischen Oberdeutschland und zum Anteil des bayerischen Augustinerchorherrn-Stifts Polling (ca. 1717-1787). In: Festschrift für Günter Mühlpfordt, Bd. 2 (1997), S. 481-507. Die Edition dieser Zeitschrift besorgte Krause im Auftrag Menckes. Der Literatur zufolge soll er das Blatt bis 1733 oder 1734 herausgegeben haben. Am 30. 8.1730 berichtet er jedoch an Gottsched, daß Mencke ihm die »gel. Zeitungen aufgesagt« habe: »[...] und möchte ich wohl wissen wer in Zukunfft dieselben verfertigen werde« (UBL, Ms 0342,1, Bl. 284). Krause war auch an der Herausgabe des Neuen Büchersaal der gelehrten Welt und der Nova litteraria beteiligt und vereinigte damit gleich drei anerkannte und viel gelesene Zeitschriften in seiner Hand.

196 reite jedoch nicht selten Schwierigkeiten, da das Deutsche oft noch der entsprechenden wissenschaftlichen Terminologie entbehre, so daß Fremd- oder Kunstwörter verwendet werden müßten. Allerdings würden letztere nicht selten so klingen, »daß man im Zweifel stehen muß, ob sie das Bürger-Recht schon gewonnen, oder solches iemahls erlangen werden.«16 Aber nicht nur die Tatsache ist von Bedeutung, daß Krause wissenschaftliche Publikationen aus aller Welt in deutscher Sprache anzeigt bzw. rezensiert, sondern es finden sich in seiner Zeitschrift auch Beiträge zur Sprachwissenschaft, zu Übersetzungen schöngeistiger Literatur ins Deutsche, zu Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Belletristik. So erwähnt Krause in den Neuen Zeitungen lobend die Schriften Egenolffs (s. Kap. 7, Anm. 1), veröffentlicht mehrfach Gedichte17 (ζ. B. von Pietsch und Mencke) und zeigt auch, was in solchen Blättern sonst durchaus nicht gebräuchlich ist, Romane an.18 Sein Eifer für die Verbesserung der deutschen Sprache zeigt u. a. auch die Rezension eines Lustspieles (Der geduldige Socrates) von König, die Krause zugleich als Fürsprecher des Dresdner Hofpoeten zeigt, mit dem zusammen er wenig später in der Boberfeldischen Gesellschaft zu wirken versuchen wird. Das Stück habe diejenigen auf andere Gedanken gebracht, die meinen, die deutsche Sprache sei zu ungeschickt für das Abfassen von Schauspielen, »da doch ein Verfasser und sein elender Geschmack daran Schuld ist, wenn die Deutschen Schertz- und Lustspiele nicht gerathen, nicht aber die Sprache, welche nur einen Mann erfordert, der die Politesse, die Sitten und Manieren des Hofes, der feinen Welt und den Umgang vornehmer Leute kennt.«19 Schließlich finden auch die ersten Publikationen der Teutschübenden Gesellschaft Erwähnung, so Clodius' Schediasma20 und das Bücherverzeichnis.21 16

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Vorrede Krauses zum Jg. 1724 der Neuen Zeitungen, dort generelle Ausführungen über das Zustandekommen und die Absichten der Zeitschrift. Im Jg. 1722 (S. 568) werden die Leser sogar aufgefordert, an den Verleger Chr. G. Stockmann Gedichte einzuschicken; dieser werde sie veröffentlichen. So die deutsche Übersetzung des Robinson Crusoe (Neue Zeitungen, Jg. 1720, S. 576 und 655). Hamanns Fortsetzung von Zieglers Asiatischen Banise (s. S. 156) findet ebenfalls Erwähnung: »[...] man will behaupten, daß er seinem Vorgänger nicht unglücklich gefolget sey.« (Neue Zeitungen, Jg. 1724, S. 63). Neue Zeitungen, Jg. 1724, S. 623. Dort erwähnt Krause auch eine Schauspielerin, die so hervorragend gespielt habe, »Daß sie sich vor allen Italienerinnen und Französinnen zuvorgethan.« Nach Waniek (S. 106) sei damit Caroline Neuber gemeint gewesen, die über diesen Artikel Gottsched bekannt geworden sei. Vom Gebrauch der deutschen Sprache auf dem Gebiet der Philosophie war Krause jedoch von einer eher zurückhaltenden Auffassung. So lehnt er 1712 die Übersetzung einer lateinischen Rezension von Leibniz' Theodicee ab. Manche Stellen könnten nur dunkel und unverständlich übertragen werden, »weil unsere Sprache noch nicht genug ausgearbeitet ist, die Metaphysischen Gedancken kurtz und deutlich auszudrucken [...]« (Neuer Büchersaal, XIIX. Öffnung [1712], S. 378). Neue Zeitungen, Jg. 1722, S. 799f. Neue Zeitungen, Jg. 1724, S. 296. In dem gleichfalls von ihm herausgegebenen

197 Auch in den ebenfalls unter Menckes Leitung stehenden Deutschen Acta Eruditorum nimmt man sich jetzt der deutschen Dichtung an. In den gelehrten Zeitschriften hätte die deutsche Poesie bisher nur wenig Beachtung gefunden, vor allem wegen der »grosse[n] Menge abgeschmackter Reimschmiede«. In »unsrer Zeit« würde die Poesie jedoch ständig an Vollkommenheit gewinnen. Erst seit ca. einhundert Jahren versuche man in Deutschland, eine eigenständige Dichtung zu entwickeln. Lange habe man sich am Gängelband »der Alten« bewegt, dann sei man einer hochtrabenden Schwulstdichtung verfallen usw. Nun jedoch sei die Poesie auf ihren »höchsten Gipffei« gelangt und werde den Nachkommen als »Muster einer wahren und wohlgerathenen Poesie« dienen.22 In diese Phase des stetigen Aufstiegs der Teutschübenden Gesellschaft fällt ein Ereignis, das für ihre weitere Geschichte von schicksalsträchtiger Bedeutung sein sollte - die Ankunft Johann Christoph Gottscheds in Leipzig im Februar des Jahres 1724. Die Gründe für Gottscheds Flucht aus Königsberg nach Leipzig sind hinlänglich bekannt und müssen daher hier nicht erneut geschildert werden. In Leipzig tritt Gottsched alsbald in enge Verbindungen zu Johann Burkhard Mencke, in dessen Haus er einige Monate später Quartier nimmt.23 Schon wenige Wochen nach seiner Ankunft, am 1.3.1724, 24 wird Gottsched, vielleicht auf Menckes Empfehlung, Mitglied der Gesellschaft. Über die Eindrücke, die Gottsched von den wöchentlichen Zusammenkünften der Gesellschaft gewann, berichtet er, sonst ein Kritiker der angeblichen Inaktivität der Gesellschaft vor seinem Aufstieg zu ihrem Leiter, sechs Jahre später eher positiv; er habe dort entscheidende Anregungen empfangen: Er wurde gewahr, daß man dort bey Verlesung eines Gedichtes unzehliche Anmerckungen machte, und solche Sachen, Gedancken und Ausdrückungen in Zweifel zog, die ich allezeit vor gut gehalten hatte. Ich fand selber wohl, daß die meisten so ungegründet nicht waren: und ob ich wohl in einigen Stücken auf mener Meynung blieb, und die Einwürfe so man

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Neuen Büchersaal veröffentlicht Krause einen Brief von Leibniz' Sekretär Eckard an Dietrich von Stade über dessen Buch Kurze richtige Erläuter- und Erklärung deutscher Wörter [...] deren sich Martin Luther in Übersetzung der Bibel gebrauchet (XXII. Öffnung [1713], S. 706-720). Deutsche Acta Eruditorum, 106. Teil, S. 728ff. (Besprechung von J. U. Königs Ode auf die Geburt des sächsischen Kurprinzen). Zu Gottscheds Ankunft in Leipzig vgl. Waniek, S. 19ff. Gottsched, in dessen Begleitung sich übrigens einer seiner Brüder befindet, tritt zuerst mit dem aus Danzig stammenden Mascov in Kontakt. Im Juni 1724 zieht er in das Haus Menckes. Wichtig wären Kenntnisse über die Tischgäste, die Gottsched zu jener Zeit bei Mencke treffen konnte. Einer von ihnen erinnert sich Jahre später. Alle Liebhaber der deutschen Sprache würden Gottsched verehren: »Ich habe solche zwar stillschweigend in meinem Herzen geheget, seitdem ich im Jahre 1724 des seel. Herrn HofRath Menckens Haus und Tisch, ja Leipzig selber nach einem 3jährigen Aufenthalt verlassen [.. .]«(& Behrndt an Gottsched, Eichenbarleben, 27.9.1733, UBL, Ms 0342, II, Bl. 395 r -396 r ). Vgl. Mitgliederverzeichnis im Anhang zu Kroker, Austritt S. 53.

198 mir machte, vor ungegründet hielte; so war ich doch nicht im Stande dieselben zu heben, und meine Gewohnheit auf eine überzeugende Axt zu vertheidigen.»25

Auch in einer bereits erwähnten 1732 gehaltenen Ansprache urteilt Gottsched im Rückblick, die Gesellschaft habe zum Zeitpunkt seines Eintritts »in schönster Blüte« gestanden.26 Bald zählt Gottsched innerhalb der Deutschen Gesellschaft zu den aktivsten Mitgliedern; das belegen schon die letzten Seiten des siebten Gedichtbandes der Gesellschaft. Das obligatorische Gedicht zum Eintritt in die Gesellschaft betitelt er bezeichnenderweise im Gegensatz zu dem bisher üblichen lateinischen »Accessorium« mit der deutschen Bezeichnung »AnzugsGedichte« (s. Quellentexte, Nr. 5); dessen Thema bildet Die vergebens unternommene Dämpfung unüberwindlicher Poetischer Triebe:27 Ausführlich wird geschildert, um eine welch brotlose Kunst es sich beim Dichten handelt: »Wer Schuh und Strümpfe flickt verdienet doch sein Brodt,/ wer nichts als Verße macht geräth in Hungers-Noth«. Daher habe er beschlossen, das Poetisieren nun endgültig zu lassen und sich in dieser Beziehung zur Ruhe zu setzen. Aber kaum ist dieser Entschluß gefaßt, so fühlt er sich von den Musen erfaßt und »mit gewalt auf Pindus« hingerissen: »Ein ungewohnter Brand durchsticht Marek und Bein/ ich wolle; oder nicht, es muß gereimet seyn.« Die Suche nach der Ursache für dieses erneute Drängen zur Dichtkunst ergibt, daß es der Eintritt in den Görlitzer Poetenverein ist, der ihm, Gottsched, die Lippen wieder öffnet: »Mein Phöbus fordert nur ein kurtzes Danck Gedicht/ er will mich vor ein Glied in seinem Chor erkennen/ Drumb soll, drumb muß mein Blut mit neuen Flammen brennen.« Dem Antrittsgedicht folgen noch mehrere andere längere Versübungen bis der Sammelband im Juli 1724 wohl im Zusammenhang mit der tiefen Krise der Gesellschaft in der Mitte der zwanziger Jahre abbricht. Bemerkenswert erscheint in diesem Zusammenhang ein zu Beginn des Winters 1724 von Gottsched im Namen der Teutschübenden Gesellschaft verfaßtes Gedicht zur Promotion des Mitgliedes Johann Jacob Dornfeld, in dem der Niedergang der Dichtkunst beklagt wird: Es fällt uns ohnedem ein guter Einfall schwer:/ Wo nimmt man allezeit was Ungemeines her?/ Was Altes klingt zu matt, man soll was Neues sagen,/ Was noch kein Bauchpoet für Geld herum getragen./ Das ekle Leipzig lacht, wenn mancher raast und lärmt,/ Und doch nur sauren Kohl zum zehntenmale wärmt/ Nichts anders reimt und schreibt, als was vor hundert Jahren/ Da Kunst und Sprache noch in ihrer Wiege waren [.. ,].28 25 26 27

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Gottsched: Versuch einer kritischen Dichtkunst. Leipzig 1730, Vorrede. Gesammlete Reden, S. 373. Abgedruckt in Quellentexte Nr. 4. Das gleiche Thema, der Trieb zum Dichten bei gleichzeitigem Gefühl des Unvermögens dazu, ist auch Thema eines aus dem gleichen Jahr stammendes Gedicht Gottscheds: Schreiben auf eines werthen Freundes Magisterpromotion in Halle. In: Gottsched, Gedichte, 1. Bd., S. 416ff. Gottsched, Gedichte, 1. Bd., S. 403-405 (404).

199 Daß sich Gottsched rasch eine feste Position innerhalb der Gesellschaft verschaffen konnte, mag auch in seinen besonderen Verbindungen zu dem unter den Zeitgenossen hoch geachteten Königsberger Poeten Johann Valentin Pietsch29 begründet sein. Noch 15 Jahre nach Gottscheds Ankunft betont ja Clodius gerade die Tatsache, daß der Ankömmling ein »genuinus Discipulus« Pietschs gewesen sei (s. Kap. 11 Anm. 26). Schon in der Juninummer der Gelehrten Zeitungen wird der Anfang eines Poems Pietschs über Carls des Sechsten Sieg über die Türcken abgedruckt.30 In einer Fußnote bekennt der Herausgeber, daß diese Publikation ohne Wissen des Autors erfolgt; man hoffe aber, dieser »werde uns eine kleine Verwegenheit zu gute halten«. Das Manuskript sei »uns ohngefähr in die Hände gerathen« und da man wisse, wie sehr die »Liebhaber einer reinen und männlichen Poesie« nach diesem Text Verlangen tragen, habe man sich zu diesen Schritt entschlossen. Die Annahme, daß Gottsched derjenige gewesen ist, der das Manuskript aus seiner Heimat mitgebracht hat, ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Diese Vermutung wird noch erhärtet, wenn man berücksichtigt, daß es sich bei einer der ersten monographischen Publikation, die Gottsched in Leipzig besorgte, um eine Edition der Gedichte seines Königsberger Lehrer handelt, die im übrigen ebenfalls ohne Approbation des Autors erfolgt und bei diesem daher Mißstimmung erzeugte. Das erste große, eigene literarische Vorhaben, daß Gottsched in Leipzig umsetzt, ist jedoch die Herausgabe der berühmt gewordenen moralischen Wochenschrift Die verniinfftigen Tadlerinnen.31 Die Idee zur Edition dieses Blattes ist nach Gottscheds eigener Mitteilung allerdings nicht von ihm gekommen, sondern von Johann Georg Hamann. Dessen Vorbild sei wiederum der in Hamburg erscheinende Patriot gewesen. Hamann bittet Gottsched um Unterstützung und dieser stimmt nach einigen Bedenken zu, falls man einen dritten im Bunde gewinne. Gottsched schlägt diesen selbst vor, nämlich May, und »die Sache ward beschlossen«.32 Nach Gottscheds Darstellung kommt es jedoch alsbald zum Zerfall des Herausgebertriumvirats; Hamann und May treten aus und Gottsched bleibt allein zurück und besorgt fortan die Edition der Zeitschrift als Einmannunternehmen. 33 Von May ist lediglich des 3. Stück 29 30 31

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Vgl. Killy 9, S. 163. Gottsched war ein Schüler Pietschs. Vgl. Waniek, S. 14£ Neue Zeitungen von gelehrten Sachen, Jg. 1724, S. 521-527. Zu den im Text differierenden Ausgaben und Auflagen der Tadlerinnen vgl. die Mitteilungen von Helga Brandes im Nachwort zu dem Reprint der Erstausgabe der Zeitschrift (Hildesheim, Zürich, New York 1993), S. 4*ff. Vgl. Vorrede, S. 257. Mays Namen nennt Gottsched hier nicht. Aus Hamann, dem Initator des Vorhabens, wird in Gottscheds Darstellung sogleich sein »Gehülfe«. Der Hintergrund dieser Mißstimmung wird nicht deutlich. Gottsched mutmaßt wenig glaubwürdig, daß seine beiden Mitstreiter verschnupft gewesen wären, da zuerst nur seine Beiträge veröffentlicht wurden (Vorrede, S. 258). In den Neuen Zeitungen findet sich eine Erklärung der »ehemaligen Verfasser« der Tadlerinnen, in der es heißt, man sei schon vor Monaten mit dem Verleger zerfallen. Nun habe man in den letzten Stücken des Blattes Texte gefunden, die »ihnen bey denen, die etwan

200 des ersten Bandes und von Hamann die Stücke 4, 6, 20 und 28 des gleichen Bandes verfaßt worden. Alle drei Herausgeber waren Mitglieder der Teutschiibenden Gesellschaft und mögen sich dort kennengelernt haben. Es läßt sich jedoch nicht ausmachen, daß die Tadlerinnen in irgendeiner direkten Beziehung zu den Tätigkeiten der Leipziger Sozietät standen; 34 auch finden sich für May und Hamann keine Nachfolger aus den Reihen der Gesellschaft. Allerdings entsprechen insbesondere die von den Tadlerinnen formulierten Ansichten zur Sprache und Literatur späteren Intentionen der von Gottsched geleiteten Gesellschaft: 35 Ablehnung der Dialekte, Vermeiden von Fremdwörtern, Kampf allen Formen der Schwulstdichtung u. a. durch Muthmassungen auf sie gefallen, unverdienter Weise Verdruß und Ungelegenheit verursachen könte.« Diese Beiträge stünden der »im ersten Stücke von ihnen gemachten Verfassung zuwieder« (Dort hatte man sich vom spöttischen Tadeln distanziert und »ein wohlgemeintes und liebreiches Tadeln« versprochen) und daher lehne man alle Verantwortung für sie ab (Neue Zeitungen, Jg. 1725, S. 439f.). Da auch später von Dritten angedeutet wird, daß man immer wieder die Satiren der >Tadlerinnen< auf bestimmte Personen bezieht, was dann Unmut schafft, könnten solche Querelen als Grund für das Ausscheiden Hamanns und Mays vermutet werden. Vgl. z.B. Deutsche Acta Eruditorum (124. Teil [1727], S. 301 (Besprechung des 2. Teils der Tadlerinnen): Die Zeitschrift hätte »in gewissen Häusern grosses Mißvergnügen erwecket; indem man sich eingebildet, der Verfasser habe nicht nur Fehler und Schwachheiten, sondern gar Personen abgebildet, und etliche darunter allzudeutlich gemacht.« Vielleicht läßt sich hier an den Streit mit Johann Andreas Fabricius (Mitglied der Gesellschaft!) denken (s. S. 206ff.), der im Mai 1725 in den Tadlerinnen als philosophischer Schriftsteller scharf angegriffen worden war. Im 1. Stück der Vernünfftigen Tadlerinnen hatte man dagegen versprochen, Dinge der Gelehrsamkeit von der Kritik auszuschließen. Vgl. auch Witkowski, S. 244f. Daß der Streit um Fabricius den Grund für die Trennung des Herausgeberkollegiums bildete, ist die Überzeugung von E. Giihne (Gottscheds Literaturkritik), S. 36£ 34

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H. Brandes läßt die Tadlerinnen aus der Teutschübenden Poetischen Gesellschaft heraus entstehen (s. Anm. 31, S. 3* u. die dazugehörige Anm. 13). Dies läßt sich jedoch nicht beweisen. Erst die 2. Auflage von 1738 verrät eine Nähe zur Deutschen Gesellschaft, besonders sichtbar in der Aufnahme zahlreicher ihrer Publikationen bzw. der von ihren Mitgliedern veröffentlichten Schriften. Vgl. dazu auch H. Brandes, S. 5*. Vgl. Ekkehard Gühne: Gottscheds Literaturkritik in den >Vernünfftigen Tadlerinn e n (1725/26). Stuttgart 1978 (Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik 48). Bemerkenswert ist, daß die Tadlerinnen auf die heftige Ablehnung Bodmers, des späteren großen Gegners Gottscheds, traf, wohl schon aufgrund einer in den Tadlerinnen enthaltenen Kritik der Mahlern (vgl. zu diesen Vorgängen auch Waniek, S. 71ff.). Der Hofpoet König berichtet, er habe bei einem Besuch bei einem Leipziger »vornehmen Professor« (der als Zensor wirken sollte) ein gegen den Hamburgischen Patrioten und gegen die Tadlerinnen gerichtete Manuskript gesehen, das von Bodmers Hand stammt. König ist verstimmt, da sein Briefpartner ihm nichts über diese Schrift berichtet hatte. Auch kann er der Kritik an den Tadlerinnen nur bedingt folgen; so sei es besonders bedenklich, daß er gegen die Tadlerinnen die Partei Brockes' ergreife, dem man doch mittels der Boberfeldischen Gesellschaft zu Leibe rücken wollte (König an Bodmer, 15. 6.1725, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer, 3.12). Später muß König selbst die Suche nach einem Verleger für Bodmers Streitschriften übernommen haben. Jedenfalls verteidigt er sich gegen Bodmers Vorwurf, er hätte aus »blinder Liebe gegen die Tadlerinnen« den Druck des Textes

201 Auch das Thema der Notwendigkeit einer Sozietät zur Pflege der deutschen Sprache findet in der Zeitschrift Berücksichtigung. Bereits im 2. Stück des ersten Jahrganges der Tadlerinnen wird von einer »Gesellschaft der teutschen Musen« berichtet, die von einigen Damen gegründet wurde, um sich »in der Reinigkeit unserer Mutter-Sprache zu üben, und eine Vernunfftmäßige Art des Ausdrucks der Gedanken einzuführen.« Unschwer werden einige Parallelen zur Teutschübenden Gesellschaft erkennbar: Voraussetzung für den Erwerb der Mitgliedschaft in dieser Gesellschaft bildet die Vorlage eines »reinen teutschen« Briefes, der die Bitte um Aufnahme formuliert. Jedes neues Mitglied wird mit einen »reinen teutschen Bewillkommung« empfangen. Bei den Versammlungen, die zweimal pro Woche stattfinden, werden die Schriften vorbildlicher deutscher Autoren gelesen und besprochen; der Gebrauch von Fremdwörtern oder der französischen Sprache ist streng verpönt.36 In noch deutlicherer Nähe zur Leipziger Sozietät führt das zweite Stück des zweiten Jahrganges: In einem Leserbrief berichtet »Marilis« aus Jena über den von ihrem Vater erhaltenen Unterricht im rechten Gebrauch der deutschen Sprache. In den dabei geführten Gesprächen habe sich ihr Vater sehr gewundert, warum man in Deutschland nicht nach dem Vorbild der Franzosen eine Gesellschaft gründe, die sich der Verbesserung der deutschen Sprache widme und »dasjenige was noch unrichtig und zweifelhaft ist, zur Richtigkeit und Gewißheit bringen« möchte. Eine solche Sozietät könne freilich nur unter dem Schutz »grosser Herren« gedeihen. Phyllis, eine der Tadlerinnen, antwortet der »Marilis«, ist aber, was die angeregte Gründung jener Gesellschaft angeht, skeptisch: »[...] so wird es wohl allem Absehen nach bey lauter Vorschlagen bleiben.«37 Es mag sein, daß hinter dieser resignierenden Bemerkung das Erlebnis des Niedergangs der Teutschübenden Gesellschaft stand, die 1726 ihren Tiefpunkt erreichte. Gottsched und den sich ihm anschließenden Mitgliedern der Teutschübenden Gesellschaft ist es wohl auch zuzuschreiben, daß man auf eine ganz neue Form der Öffentlichkeit zuging - den Salon. Spätestens durch diesen Schritt beginnt man, über den engeren universitären Bereich hinaus Einfluß zu gewinnen. Hier ist vor allem auf die Rolle des musikalisch-literarischen Salons (in dem heute als Romanushaus bekannten Gebäude am Brühl) der Christiane Mariane von Ziegler38 zu verweisen, einer Tochter des früheren

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verhindert. Vielmehr, so König, sei es ihm trotz intensiver Bemühungen nicht gelungen, einen Verleger zu finden (König an Bodmer, 1. 9.1727, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer. 3. 12). Der Text erscheint schließlich in Zürich selbst. Die Vernünftigen Tadlerinnen, I, 2, S. 15£ Der Text stammt von Gottsched selbst. Die Vernünfftigen Tadlerinnen, II, 2, S. 10f£ Vgl. zu Chr. M. Ziegler und ihren Salon E. Wolff, II, S. 116ff. (S. 156f£. über Gottscheds Verbindungen zur Ziegler) und Waniek, S. 235ff. Theodor Distel: Zur Biographie der Dichterin Marianne von Ziegler. In: Archiv für Litteraturgeschichte. Jg. 1886, S. 103-105. Ausführliche Darstellung bei: Ludwig Adalbert von Hanstein: Die Frauen in der Geschichte des deutschen Geistesleben des 18. und 19. Jahrhun-

202 Leipziger Bürgermeisters Romanus, der, nachdem er in königliche Ungnade gefallen war, sein Leben in den Kerkern der Festung Königstein fristen mußte. Frau Zieglers Salon scheint die erste Einrichtung in Leipzig (und wohl eine der ersten in Deutschland) gewesen zu sein, in der sich, vergleichbar den von Frauen betriebenen Pariser Salons, Literaten, Wissenschaftler und Künstler in zwangloser Weise zusammenfanden. Die schon lange Zeit zuvor in der Messestadt vorhandenen Kränzchen (s. S. 50) sind doch anderen Charakters gewesen und waren überdies allein Männern zugänglich. Damit soll nicht behauptet werden, daß vor dem Auftreten der Frau Ziegler das weibliche Geschlecht im kulturell-künstlerischen Leben der Stadt keine Be-

derts. 1. Bd. Leipzig 1899, S. 91fñ und 129ff. Gisela Brinker-Gabler (Hg.): Deutsche Literatur von Frauen. 1. Bd. München 1988, S. 295-302 (Verfasserin: Magdalene Heuser). Vgl. außerdem Killy 12, S. 487f. Barbara Becker-Cantarino: Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur (1500-1800). Stuttgart 1987, S. 263-266 (mit einer Reihe von Sachfehlern), hier auch Ausführungen zu den gegen Frau Ziegler gerichteten Angriffe; A. Herzog (Hg., Das literarische Leipzig), S. 82f. (Essay von Ulla Heise). Irrigerweise betrachtet Peter Seibert die Aufnahme der Zieglerin in die Deutsche Gesellschaft als »Prämisse« für die angeblich erst dann vollzogene Gründung des Salons. Dieser sei nie mehr als eine »Dependence« der Deutschen Gesellschaft gewesen., aber kein Zirkel »sui generis«. Daher sei der Kreis um die Zieglerin nicht mit den französischen Salons vergleichbar (Peter Seibert: Der literarische Salon. Literatur und Geselligkeit zwischen Aufklärung und Vormärz. Stuttgart/ Weimar 1993, S. 951). Es ist nicht erkennbar, wie Seibert seine Thesen quellenmäßig belegen kann. Auf die musikgeschichtliche Bedeutung des Salons der Zieglerin kann hier nicht eingegangen werden. A. Schering (Leipziger Musikgeschichte) nennt merkwürdigerweise nicht einmal ihren Namen. Zu den von Bach vertonten Kantatentexten der Ziegler vgl. Kreutzer (Johann Sebastian Bach), S. 15ff. Eine sehr plastische Schilderung des Aussehens und des Auftretens der Frau Ziegler gibt Fischer in seinem sogleich zu erwähnenden Reisejournal. Zur Salonkultur in Leipzig vgl. folgende, allerdings sich einige dichterische Freiheiten erlaubende Darstellung: Valerian Tornius: Salons. Bilder gesellschaftlicher Kultur aus fünf Jahrhunderten. Berlin 1925, S. 292-308, zum Salon der Zieglerin S. 297ff Die ausführlichste Darstellung zur Ziegler und ihrem Salon gibt jetzt Katherine R. Goodman: Amazons and Apprentices. Women and the German Parnassus in the Early Enlightenment. Camden House 1999, zu Chr. M. von Ziegler S. 94-195. Nach Auffassung der Autorin bestand das Vorbild der Frau Ziegler in der französischen Salon-Kultur, die sie in Leipzig nachzuahmen strebte (»She advocated French virtues of decorum, gallantry, and the importance of contributions by women to culture and literature«, S. 5). Dieses Programm, für das (doch wohl eher unpassend) der Begriff der Amazonen steht, hätte jedoch unter den deutschen Verhältnissen keine Chance der Verwirklichung besessen: »Zieglers's efforts were doomes to failure because she ignored these [gemeint sind die »traditional social patterns for women in Germany«] and sought to emulate French aristocratic models for which there was no context in Germany« (S. 293). Aussicht auf Erfolg hatten allein die »Apprentices«, d. h. die willigen intellektuellen Helferinnen (»working women intellectuals«) ihrer Väter oder Ehemänner. Das Beispiel der Ausübung einer solchen Rolle bot Frau Gottsched, und dieses Beispiel machte Schule: »The compromises Gottsched fashioned largely characterize the accepted role for learned women in the modern era« (S. 293f). Die Stichhaltigkeit dieser zweifellos interessanten These kann hier nicht diskutiert werden.

203 deutung besaß; ich verweise nur auf die gebildeten Töchter des Bürgermeisters Christian Lorenz von Adlershelm (1608-1684), die im Haus ihres Vaters des öfteren Gäste empfingen, auch Ausländer, wobei es dann zu regen Diskussionen kam.39 So mag es in Leipzig durchaus auch noch weitere Beispiele von Ansätzen zur Bildung von Salons gegeben haben; jedoch fehlt es hier noch ganz und gar an entsprechenden Untersuchungen. Im Salon der Frau von Ziegler trafen sich nun Gottsched und manche andere Mitglieder der Deutschen Gesellschaft. Wir verfügen über eine, in der Forschung übersehene, ausführliche und lebendige Schilderung einer solchen Zusammenkunft (im Jahre 1731). Sie stammt aus der Feder des Königsberger Gottsched-Freundes Christian Gabriel Fischer.40 Dort wird u.a. folgendes berichtet: Da der Wein zu Tische kam, ließen sich die poetischen Gesundheiten hören, da ein jeder mit Inventionibus certirete. Mad. Baudissen fiihrete das Protokoll. Nach diesem beym Dessert, gaben Madames v. Zieglerin und Gleditschen, Herr Prof. Gottsched, Hr. Mag. May und Hr. Welck jeder zweymahl 8 Reime zu Bourimees auff und verfertigte dieselben ex tempore [...] Ich bewunderte die Fertigkeit und Einfalle dieser poetischen Gesellschaft, besonders an den Frauenzimmern, maßen beyde [Frau Ziegler und Frau Gleditsch, D. D.] so artig ihre Gedancken zu rangiren und zu verknüpfen wußten, daß ein Mann nichts daran auszusetzen finden möchte. Mir konnte kein größeres Vergnügen begegnen als solche muntere Köpffe zu sehen, wie sie sich untereinander raillireten und zu allerhand Einfallen ermunterten.

Wenn wir den allerdings sehr boshaften Unterstellungen in den Spottgedichten auf die Krönung der Zieglerin zum kaiserlichen Poeten (s. S. 246£) glauben wollen, hat man sich in ihrem Salon nicht nur im Reimeschmieden geübt, sondern auch Glücksspiele betrieben. Nach der Aussage eines dieser Schmähgedichte hat Frau Ziegler damit sogar einen Teil ihres Lebensunterhalts bestritten: »Kanst Du im l'ombre Geld gewinnen,/ Hälst Du dis Spiel der Mühe werth/ Daß es Dich halb und halb ernehret.« Zu den Verspottungen über die Ehrung der Dichterin zählte auch eine in größerer Anzahl verbreitete Zeichnung, die den Buchstaben Ζ zeigt, auf dem der Kopf der Zieglerin, ein Tintenfaß und eine Spielkarte zu sehen sind.41 Daß die lebenslustige Frau, die uns als offenherzig (im »Reden frey«), schertzhaft, ungezwungen und couragiert geschildert wird (vgl. die in Anm. 40 erwähnte Schilderung Fischers), eine unmoralische, vor allem die Männer gefährdende Le39 40

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Vgl. D. Döring (Der junge Leibniz), S. 35f£ (dort auch weitere Literaturangaben). Vgl. Albert Predeek: Ein vergessener Freund Gottscheds. In: Beiträge zur Deutschen Bildungsgeschichte, S. 109-123. Predeek veröffentlichte hier Auszüge aus Fischers umfangreiches (12 Bände!) Reisejournal, das sich damals (1927) in der Bibliothek der Danziger Naturforschenden Gesellschaft befand. Es ist von mir bisher nicht ermittelt worden, ob diese Handschriften den Zweiten Weltkrieg überdauert haben. Die Schilderung des Zusammentreffens im Hause der Ziegler findet sich auf den S. 121-123. Zwei Exemplare dieser Zeichnung finden sich in der in Kap. 12, Anm. 79 erwähnten Akte.

204 bensführung nachgesagt wurde, nimmt nach dem bisher Mitgeteilten nicht Wunder: »So wirst Du Dich ja leicht besinnen,/ Wodurch ein Weib von Deiner Art/ Ein Liebling junger Stuzer ward.«42 In der Nähe zur Deutschen Gesellschaft befinden wir uns auch bei der sogenannten Scherzhaften Gesellschaft, die allerdings erst in den dreißiger Jahren existierte und uns daher nur am Rande interessieren kann. Faßbar wird dieser Kreis eigentlich allein über das von ihm herausgegebene Publikationsorgan Neufränkische Zeitungen (vollständiger Titel im Abkürzungsverzeichnis). Das Blatt erschien unregelmäßig und lediglich in zwölf Ausgaben.43 Jede Nummer ist einer bestimmten Person gewidmet, die wir uns wohl als Mitglied der Gesellschaft vorzustellen haben: Lotter, Steinwehr, Lamprecht, J. G. Krause, Winkler, May, Frau Ziegler, Chr. D. von Böhlau, Gottsched und seine Frau. Die Zeitung diente mit ihren sehr sarkastischen Artikeln der Bekämpfung der dem Gottsched-Kreis auch sonst verhaßten Gegner und deren Auffassungen: Frömmler, Kritiker der Leibniz-Wolffschen Philosophie, Vertreter des Gelehrtendünkels, Verfasser unnützer Bücher, weltfremde >GelehrsamkeitScherzenden< erforderte. Genauere Kenntnisse über das Leben und Treiben dieser sicher interessanten Gesellschaft liegen uns gegenwärtig nicht vor. Zwischen dem Erscheinen des 11. Stückes (April 1735) und der Auslieferung des 12. Stückes (Oktober 1736) liegen auffälligerweise immerhin anderthalb Jahre. Über die Gründe dieser Verzögerung in der Edition des Blattes und über die Ursachen seines Endes kann nur spekuliert werden.

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Im Zusammenhang mit den Salons wäre unbedingt auch die Gesellschaft der Alethophilen zu erwähnen. Sie verlagert jedoch erst 1740 ihren Sitz aus Berlin nach Leipzig, ist also außerhalb der uns interessierenden Zeit angesiedelt. Mit Gottsched, May und Winkler gehörten jener Sozietät drei der aktivsten Mitglieder der Deutschen Gesellschaft an, wobei Gottsched dieser zu jenem Zeitpunkt bekanntlich bereits den Rücken gekehrt hatte. Am Leben dieser Sozietät nahmen Frauen lebhaften Anteil (die Gottschedin, Frau und Töchter des Grafen Manteuffel). Die Zeitung erschien im Verlag von Breitkopf. Die Auflage muß wohl gering gewesen sein; jedenfalls sind in Deutschland m.W. nur noch zwei Exemplare nachweisbar (UB Göttingen, Landesbibliothek Hannover). Ich benutze das Exemplar der Niedersächsischen Landesbibliothek Hannover. In der Literatur ist das Blatt m.E. allein von Waniek benutzt worden (S. 239f. und einige andere Stellen). Das von ihm herangezogene Exemplar der damaligen Dresdner Hofbibliothek zählt zu den Verlusten des Zweiten Weltkriegs.

11. Die Krise der Teutschiibenden Poetischen Gesellschaft. Ihre Umwandlung zur Deutschen Gesellschaft Um so auffälliger bei allen diesen Erfolgen der >Teutschübenden Poeten< ist das scheinbare Verstummen jeglicher Tätigkeit der Gesellschaft in den Jahren 1725/26. Weder werden neue Mitglieder aufgenommen noch erfährt die schriftliche Gedichtsammlung eine Fortsetzung. Die angekündigten Publikationen erscheinen nicht. Über den wenig erfreulichen Zustand, in dem sich die Gesellschaft befindet, berichtet ihr Präsident, also Mencke, an seinen Briefpartner Heumann: »De societate nostra Teutonica non est ut magnifice sentías, cum id institutum me inscio, fuerit a quibusdam collegii membris intempestive divulgatum, quasi perpetuo hic haeserisi, qui tarnen nunc plerique alio discessere.«1 Die Mitteilung bezieht sich vielleicht bereits auf die jetzt einsetzende entscheidende Wende in der Entwicklung der Gesellschaft, die vor allem durch Gottsched und May herbeigeführt wird. Vielleicht ist schon im >Anzugsgedicht< Gottscheds, das er zu seinem Eintritt in die Gesellschaft vorlegt, ein Hinweis auf das Nachlassen in den dichterischen Bemühungen der Mitglieder enthalten. Geklagt wird dort über den Niedergang der Poesie, über ihre geringe ideelle und materielle Anerkennung, die jedoch vom Mißbrauch der Poesie abgeleitet wird, wie sie knapp zwei Jahre zuvor schon von Hamann beklagt worden war: falsches Lob, Heuchelei, Stümperei. Das treibt die wenigen wahren Dichter in die Resignation: »Das wahre Dichter-Volck, wird solches gleich gewahr,/ es seuffzet, es verbirgt die kleingewordne Schaar,/und läßt, weil niemand sie nach Würden weis zu ehren,/ die undanckbare Welt gar selten lieder hören [...] Es dichte fernerhin wer dichten will und kann/ Wir setzen nicht so leicht die kluge Feder an7 Wir bleiben lieber still, und üben uns im schweigen,/ biß wieder ein August uns seine Huld wird zeigen.«2 In späteren Jahren datiert Gottsched den Beginn eines »starcken Verfalls« der Gesellschaft auf das Jahr 1725 (ein Jahr nach seinem Eintritt). Viele Monate sei es zu keinen Versammlungen gekommen. Der »Eyfer ward matt, die meisten Mitglieder zerstreueten sich, und die Büchersammlung selbst war in Gefahr«. Irgendwelche Gründe für diesen plötzli-

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Brief vom 3.1.1726, zitiert nach Hermes (Johann Burkhard Mencke), S. 83. Vgl. Quellentexte, Nr. 5.

206 chen Niedergang nennt Gottsched nicht; es bestehe »keine Noth«, die »traurigen Umstände« zu beschreiben, in die sich damals die Gesellschaft befand. 3 May dagegen nimmt in seiner >Strafpredigt< kein Blatt vor dem Mund, um die Ursachen zu benennen, die seiner Auffassung nach zu jener Krisensituation führten. Es handelt sich im Grunde genommen um das gleiche Problem mit dem Clodius schon einige Jahre zuvor zu ringen hatte. Das Bestreben eines Großteils der Mitglieder richtete sich eben nicht auf das Ziel, »die Vollkommenheit unserer Muttersprache auf einen höhern Grad zubringen als sie itzund stehet«, sondern auf ein eher lockeres, entspannendes Zusammensein, bei dem das Vortragen von Gedichten nicht dem hohen akademischen Vorhaben der Sprachverbesserung dienen sollte, sondern der Unterhaltung. Die Gesellschaft benötige aber, so May an anderer Stelle, Mitglieder, »welche mehr als einen Reim tadeln, oder ein ausländisches Wort verweisen, die wunderliche Wortfügung in Ordnung bringen, eine Buchstabenmusterung anstellen und mit vielen Worten wenig sagen können.«4 Das gleiche kritische Bild vermittelt Gottsched in seinem hart urteilenden Rückblick auf die literarische Tätigkeit der Sozietät: Nur wenige der Mitglieder hätten sich zu der »großen Absicht« berufen gefühlt, »ganz Deutschland zu einer Besserung seiner Sprache zu bereden, und ihm das Exempel zu geben«; schon die »vermischte Schreibart« der damaligen Gesetze der Gesellschaft hätten eher den Eindruck erweckt, man wolle »das Deutsche nicht reinigen und erhalten, sondern mit Fleiß verderben.«5 Wir verfügen über keine unmittelbaren Aussagen der zu Gottsched, May und deren Anhänger in Opposition stehenden Mitgliedern zu jenen Vorgängen des Jahres 1727. Dennoch kann man, glaube ich, die oder wenigstens einen der Standpunkte jener Männer rekonstruieren. Es dürften, wie wir sehen werden, wahrscheinlich nicht allein die unterschiedlichen Vorstellungen über den Charakter der Gesellschaft gewesen sein, die zu jenen Zwistigkeiten führten, in denen dann die Gottsched-Fraktion letztendlich obsiegte. Dahinter stand auch die Frage nach der Notwendigkeit einer deutschen Sprachwissenschaft, und nicht zuletzt waren es auch in diesem Falle persönliche Animositäten, die die Atmosphäre innerhalb der Sozietät belasteten. Die Schlüsselrolle in diesen Auseinandersetzungen spielte Johann Andreas Fabricius, dessen Person wir uns jetzt zuwenden. Fabricius, einer der wichtigsten >Köpfe< der Gesellschaft, ist ihr erst 1724 beigetreten, zählt aber nicht zu denjenigen Mitgliedern, die 1727 der erneuerten Sozietät angehören, und das wohl nicht nur aus dem Grund, daß er Leipzig inzwischen verlassen hatte. Fabricius ist als Philosoph ein Vertreter 3 4

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Gesammlete Reden, S. 375. J. F. May: Von dem Einflüsse der Gemüthsbewegungen in die Sprache an Herrn Wolf Balthasar Adolph von Steinwehr [...] bey Dessen erhaltenem Berufe zur Prof. Extr. nach Göttingen. In: Eigene Schriften III, S. 224-235 (228). Vorrede, S. 262.

207 der Thomasius-Schule: Descartes, Leibniz, Wolff, Thomasius und Andreas Rüdiger sind ihm die größten Weltweisen, ja an anderer Stelle erscheinen Wolff, Newton und Rüdiger (!) als Bahnbrecher der neuen Weltweisheit.6 In Leipzig entfaltet er eine breite Tätigkeit, wird Mitglied einer ganzen Reihe von gelehrten Gesellschaften und gründet 1723 eine eigene Vertraute Redner-Gesellschaft.7 Im folgenden Jahr erschien eine von ihm verfaßte Philosophische Oratorie, Das ist: Verniinfftige Anleitung zur gelehrten und galanten Beredsamkeit, die er im übrigen auch der Teutschübenden Gesellschaft schenkt.8 In Halle legt Justus Israel Beyer, also ein Mitglied der Gesellschaft, diese Publikation seiner Vorlesung über die Wichtigkeit der Kunst vernünftig zu dencken und klüglich zu reden zugrunde.9 Das stößt auf die Kritik Gottscheds. In den Vernünfftigen Tadlerinnen, die eigentlich jede Beschäftigung »mit Schriften der Gelehrten« abgelehnt hatten, wird Beyers Vorlesungsankündigung näher besprochen.10 Zwar findet dessen Intention anfangs Anerkennung, dann aber geht >Calliste< auf die »bedencklichen Puncte« ein: Zuerst wird Beyers Bekenntnis zu Rüdiger und Budde kritisiert. Gottsched hatte sich in dieser Zeit in Leipzig offen als Anhänger von Leibniz und Wolff erklärt; Budde und in besonderem Maße Rüdiger sind als Thomasiusschüler Kritiker der Leibniz-Wolffischen Philosophie. Von Rüdiger geht eine ganze philosophische Schule aus, die in Leipzig im Auftreten von Christian August Crusius gipfeln wird. Beide, Crusius und Gottsched, werden dann die entschiedensten Gegner sein. Zweitens werfen die Tadlerinnen, bezeichnenderweise unter Berufung auf das Urteil eines »hochgelehrten Mannes«, Beyer den Gebrauch der Philosophischen Oratorie von Fabricius vor, wodurch »die teutsche Sprache so gräulich verstellet« werde. Es sei unverständlich, wieso man als »Liebhaber seiner Muttersprache« ein solches Buch seinem Unterricht zugrunde legen könne; auch habe es mit der Philosophie nicht viel zu tun. Schließlich zielt die gegen den Vorlesungsanschlag gerichtete Kritik noch auf die Rechtschreibung und den Stil des Buches: Er sei oft undeutsch, unrein, anstößig und gekünstelt. Dem Beitrag in den Tadlerinnen folgt die Edition einer ganzen Reihe von Schriften Pro und Contra Gottsched, ohne diesen direkt zu nennen. Erwähnt 6

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Johann Andreas Fabricius: Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit. 3 Bde. Leipzig 1752-1754 (Nachdruck Hildeshein 1978), S. 663 und S. 1005. Angabe nach der Darstellung von F. Marwinski (Johann Andreas Fabricius), dort auch Mitteilungen zu den Quellen zur Geschichte dieser Gesellschaft. Heutige Signatur: BST 8°. 195. Die Widmung lautet: »Societati Philo-Teutonicae Poeticae ut sui aliquando constet memoria D. D. D. auctor.« Ich folge hier der Darstellung von Gühne (Gottscheds Literaturkritik), S. 33ff. Nach Gühne ist Beyer der Verfasser der Vorlesungsankündigung, die ein >Oroander< den >Tadlerinnen< zusendet (wobei hier jedoch der von Gühne angegebene Ort Halle nicht genannt wird). Vernünfftige Tadlerinnen I, 22. Stück, S. 169-176. Gottsched hat später diesen Text Lucas Geiger zugeschrieben

208 sei nur Zweyer guter Freunde Gespräch von 1726, in dem Gottsched (»vagina Dei«!) als »vir quadratus« geschildert wird, der »in der Ochsen-Philosophie trefflich bewandert« sei und mit den Tadlerinnen den »Näther-Mädgens« in der Petersstrasse gefallen wolle. 11 Die Reaktion Gottscheds auf alle diese Angriffe erfolgt im 11. Stück des 2. Bandes der Tadlerinnen. Hier findet sich ein Brief eines Leipziger »Vernunfft- und Tugendliebenden Freund G.« an die Tadlerinnen (datiert auf den 2.3.1726); 1 2 der Herr G. ist niemand anders als Gottsched selbst. Wortreich lehnt er eingangs die von »verschiedenen Leuten« erhobene Behauptung ab, er sei der Verfasser »eurer wöchentlichen Schrifften«. Dann berichtet er über die verschiedenen Angriffe, die »Mr. F.«, dem er sich doch »allezeit« als Freund erwiesen habe, gegen ihn gerichtet habe, u. a. auch in einem Brief an die Vertraute Rednergesellschaft, der Gottsched wie Fabricius angehörten. Einem klärenden Gespräch sei Fabricius ausgewichen und schließlich habe er Leipzig »allerhand Wiederwärtigkeiten« wegen verlassen müssen. Inzwischen sei es zwar zu einer Versöhnung mit »Mr. F« gekommen, so daß jetzt zwischen ihnen »eine genauere Freundschafft« herrsche als früher, aber es wäre ihm doch sehr angenehm, wenn die Tadlerinnen öffentlich erklären würden, sie seien die Autoren jener umstrittenen Besprechung von Fabricius' Buch. Dies geschieht dann auch, denn die angeblichen Herausgeberinnen können es nicht dulden, daß »fremde und unschuldige Leute« ins Spiel gezogen werden. Der sehr empfindliche und zugleich streitsüchtige, auch keineswegs Gottsched in neuer Freundschaft verbundene Fabricius selbst reagiert auf diesen Beitrag mit einer neuen Streitschrift.13 Hier greift er Gottsched persönlich 11

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Zitiert nach Gühne (Gottscheds Literaturkritik), S. 42, bei ihm auch eine ausführlichere Darstellung des Inhaltes der einzelnen Streitschriften und Angaben zu den mutmaßlichen Verfassern. Gottsched vermutete zuerst Fabricius als Autor (Verniinfftige Tadlerinnen II, 11. Stück, S. 84). In diesem Zusammenhang sei auf die Beobachtimg verwiesen, daß gegen Gottscheds Charakter bereits in seinen ersten Leipziger Jahren eine Kritik gerichtet wird, die wir sonst aus einer wesentlich späteren Zeit kennen. Im Frühjahr 1728 veröffentlichen Bodmer und Breitinger ihre Schrift Vernünftige Gedanken und Urteile von der Beredsamkeit, gegen die Gottsched im 56. Stück des Biedermanns seine Kritik einlegt. Der Leipziger Verleger Jacob Schuster sendet diese Nummer an Bodmer und kommentiert: »... so wird es Ihnen vielleicht lieb seyn daß solchen bald zu sehen bekommen. Magister Gottsched ist autor davon. Der Autor von den urtheilen wird sehr wohl thun wenn er diesen Magisteilum abfertiget, wie es sich gehört, den dieser arrogante Mensch bildet sich ohne dem ein er hat nicht seines gleichen, und alles was er redet oder schreibet müßen als Oracula angenommen werden.« Da Schuster bislang Verleger des Biedermanns war folgt im Postskriptum die Mitteilung: »Ich bin nicht mehr Verleger vom Biedermann sondern habe mit dem 53 stück alles an H Deer verhandelt.« (Jakob Schuster an Bodmer, Leipzig, 1. 6.1728, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer 4c. 22). Vernünfftige Tadlerinnen II., 11. Stück, S. 81-88, der Brief auf S. 83-86. Nötige Anmerkungen zu dem Urteil der Vernünfftigen Tadlerinnen, von dem bisher in Jena geführten kleinen Feder-Kriege. Mitgeteilt von M. J. A. F. 1726. Zum folgenden vgl. Felicitas Marwinski: Johann Andreas Fabricius und die Jenaer gelehr-

209 an: Er sei niemals dessen guter Freund gewesen, vielmehr hätten sie sich nur in den Kollegien getroffen, und dort sei Gottsched immer gegen ihn »aufsässig« gewesen. Leipzig habe er nicht gezwungenermaßen verlassen, sondern aus freien Stücken, da er kein »Kinder-Präzeptor« mehr sein wolle - im Gegensatz zum »Pauker« Gottsched.14 Schließlich könnte auch die Tatsache eine Rolle gespielt haben, daß Gottsched und Fabricius als >Weltweise< miteinander konkurrierten. Gottsched nahm noch Jahrzehnte später das Verdienst in Anspruch, er sei der erste gewesen zu sein, der in Leipzig die Leibniz· Wolffische Philosophie gelehrt habe. Fabricius dagegen verfaßte für seine Vorlesungshörer 1725 ein Buch, das die »ganze Weltweisheit« darlegt. Zum Druck kommt es nicht, da der Buchführer Fabricius um das Manuskript bringt. Welche >Weltweisheit< Fabricius hier favorisierte, wissen wir nicht. Immerhin hat er, wie wir hörten, Rüdiger hoch geschätzt, andererseits ist auch Wolff ihm wichtig; die zweite Auflage seiner Philosophischen Oratorie will er ganz auf den Satz vom zureichenden Grund basieren lassen, es soll eine »philosophische Dichtkunst« entstehen.15 Der eigentlichen Grund für die Querelen zwischen den beiden Mitgliedern der Teutschübenden Gesellschaft ist vielleicht in dem Jahrzehnte später veröffentlichten Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit von Fabricius zu erkennen. Es sei zwar sehr nützlich und nötig, heißt es dort, sich der deutschen Sprache zu bedienen, aber man muß darin keine Gelehrsamkeit sich einbilden, die Art der Erkenntniß nicht zum Hauptwerke machen, und wozu sollen die Pedantereyen, daß alle Hörsäle immer von dem Lobe der Teutschen Sprache erschallen, und so viel Schriften damit beständig angefiillet werden, daß man sich wegen der Rechtschreibung zanket, darüber doch niemand zu befehlen hat, wegen der Schreibart, des Reims und Sylbenmasses in Versen und dergleichen nichtswürdigen Kleinigkeiten, andere herunter macht, daß man die Welt mit Comödien, Satyren, Tragödien, Romanen, Gesängen, Liedergen [...] alle Messen überhäufet. Man kan ein grundgelehrter Mann seyn, ohne dergleichen Zeug [...].

Ein wilder Parteienhader sei entbrannt, Fabricius nennt hier ausdrücklich die »Gottschedianer«, was alles zeige, daß es mit der »Teutschen Philologie« auf »das unsinnige und wurmstichige« gekommen wäre.16 Unverkennbar nimmt Fabricius hier das Programm Gottscheds und der erneuerten Deutschen Gesellschaft aufs Korn. Die Beschäftigung mit der deutschen Sprache kann nicht den Anspruch erheben, eine echte Wissenschaft darzustellen; das fälschlicherweise ein höheres Interesse beanspruchende Verfassen von Lyrik

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ten Gesellschaften des 18. Jahrhunderts. Jena 1989 (Jenaer Reden und Schriften), S. 20. Bei der Wiedergabe des Inhaltes der Schrift von Fabricius stütze ich mich auf die Mitteilungen von Frau Marwinski. Gemeint ist damit die Hauslehrertätigkeit im Hause Mencke. Fabricius war der Vorgänger Gottscheds als Erzieher von Friedrich Otto Mencke. Vgl. Thüringische Nachrichten von Gelehrten Sachen. Jg. 1734, S. 167. J. A. Fabricius (Abriß), 3. Bd., S. 940f.

210 und Prosadichtung ist eines Gelehrten nicht würdig. Die deutsche Sprache kann nur in Einbindung mit den Wissenschaften, in Verknüpfung mit der Weltweisheit der sinnvollen Hinwendung würdig sein, so z.B. in der deutschen Beredsamkeits die Fabricius als erster mit Philosophischen Gr-ünde< untermauert haben will;17 eine Behauptung, die Gottsched mit Sicherheit voller Entrüstung zurückgewiesen haben dürfte. Überhaupt fällt auf, daß Fabricius Gottsched selbst nur ein einziges Mal erwähnt, nämlich innerhalb einer lediglich aufzählenden Namenkolonne.18 Die Deutsche Gesellschaft wird zwar auf einer Seite des Buches dargestellt, der Name Gottscheds findet hier jedoch keine Erwähnung, lediglich Menkkes Name fällt, und zwar als des Gründers der Sozietät.19 Wenn auch Vorsicht bei dem Versuch anzuwenden ist, die Situation innerhalb der Leipziger Poetengesellschaft in der Mitte der zwanziger Jahre unter Hinzuziehung einer wesentlich später erschienenen Publikation zu rekonstruieren, so scheint mir doch die These vertretbar zu sein, daß es in der Sozietät auf der einen Seite eine Gruppierung gab, die an einem überkommenen elitär ausgerichteten Wissenschaftsverständnis festhielt, das der Beschäftigung mit deutscher Sprache und Literatur einen nur minderen Status einräumte. Auf der anderen Seite standen die >GottschedianerPlatzhirschGehabeNeuerer< entschieden wird. Das eben gezeichnete Bild gewinnt eine gewisse Bestätigung, wenn wir uns die 1730 von Johann Simon Buchka gehaltene Antrittsrede vor Augen halten.20 Der sehr programmatisch gehaltene Text wendet sich gegen die »Verächter der Deutschen Sprache«, d.h. gegen diejenigen, die es für abwegig halten, Regeln der deutschen Sprache aufzustellen, die eine Vereinheitlichung der Rechtschreibung als unmöglich und überflüssig ablehnen, die es überhaupt für unnötig ansehen, Zeit an der Verbesserung der Muttersprache zu setzen, seien doch das Lateinische oder andere fremde Sprachen dem deutschen Idiom weit überlegen. Für solche Zeitgenossen kennt Buchka nur Worte der Abscheu: »Lachet nur ihr Römischen Deutschen! Geifert nur ihr Undankbaren, die wie eine unvernünftige Natterbrut, ihre eigene Mutter anspeyen! Man weis eure Ausflucht, man weis eure Entschuldigung, man weis aber auch, daß beyde ungegründet sind.«21 Die Ausbildung des Verstandes 17 18

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Fabricius meint damit sein umstrittenes Werk von 1724. Es handelt sich um eine Aufzählung von Personen, die sich mit der deutschen Sprache beschäftigten (Abriß, S. 951). J. A. Fabricius (Abriß), 3. Bd., S. 776. Gesammlete Reden, S. 203-246. Gesammlete Reden, S. 231.

211 und die Höhe der Wissenschaften, ja die Glückseligkeit eines Gemeinwesens überhaupt sei unmittelbar abhängig vom Entwicklungsstand der Sprache; Unwissenheit und Torheit haben dort keinen Platz, wo die Sprache mit Hilfe der Vernunft ausgearbeitet worden ist. Vor allem gilt es nicht nur den Gelehrten zu erreichen, sondern auch »Unstudierte«: »Wie kann aber dieses ohne eine deutliche, zierliche, Wortreiche, ordentliche; kurz: eine vollkommene Sprache geschehen?«22 Dazu kommt die Abhängigkeit der Ehre eines Landes vom Ansehen, das die dort gebrauchte Sprache im Ausland genießt. Auch diese Beobachtung zwinge dazu, alle Kräfte zur Verbesserung der deutschen Sprache zu mobilisieren. Hier schlägt nun die Stunde des Gelehrten, hier steht er in der Verantwortung vor seinen Mitbürgern: »Heisst das nicht, sie sollen ihren Verstand und ihre Geschicklichkeit anwenden, dasjenige zu bessern, was einer Besserung nöthig, ja unentbehrlich ist. Die Einrichtung unserer Sprache ist von solcher Beschaffenheit. Ich glaube also sattsam gezeiget zu haben, daß dieses ein Mittel sey, Deutschland glückseeliger, beruffener, ansehnlicher und Ruhmwürdiger zu machen.«23 Daß mit dieser Forderung zuerst die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft angesprochen sind, daß darin deren Existenzberechtigung liegt, dürfte offenkundig sein. Die per Statut vorgeschriebene Antwort auf Buchkas Rede gibt kein geringerer als der Senior der Gesellschaft selbst und zwar in der Form eines Gedichtes.24 Ein Bund der Federn »zum Schutz des Deutschen Ruhms« habe sich gebildet, gemeint ist natürlich die Deutsche Gesellschaft (»Auch bey Vernünftigen vorlängst ihr Lob' gefunden«), gegen das ein »Barbar-Heer steht Tag vor Tag bereit«; der Endkampf zwischen beiden Kräften steht bevor: »Du fragst, wer reizt euch denn? Ach gieb nur etwas acht,/ Was mancher hier und dort vor spröde Minen macht;/ Wie Mops die Nase rümpft, wenn er ein Blatt erblicket,/ Das unsrer Musenzunft durch Phöbus Huld geglükket.« Es sei Curius, der »alte Sprachenheld«, gegen den man kämpfe, der die »Muttersprache schilt, und sich in lauter Griechen,/ In lauter Römer-Witz bemüht ist zu verkriechen.« Doch der Sieg über Curius und seinesgleichen ist unaufhaltsam, denn »Du siehst hier ein Zahl, an Gaben des Verstandes,/ An Geist, Gelehrsamkeit und Adel ungemein [...] Die mit Athen und Rom um Rang und Vorzug streiten.«25 22 23 24 25

Gesammlete Reden, S. 236. Gesammlete Reden, S. 240. Gesammlete Reden, S. 247 -251. Vgl. auch Gottscheds kritische Äußerungen über die Beschäftigung mit den toten Sprachen in einem 1724 verfaßten Gedicht anläßlich der Promotion eines Mediziners, dem man eine mangelnde Beherrschung des Lateinischen und Griechischen vorgeworfen hatte. Ein Arzt, so Gottsched, müsse seine Patienten heilen können und daher über ein dementsprechendes Wissen verfügen. Dazu zähle nicht das Zitieren der Schriften antiker Autoren (s. Quellentexte, Nr. 8). Ob sich eine an die Deutsche Gesellschaft adressierte Bemerkung J. J. Schwabes aus dem Jahr 1734 auf die eben angedeuteten Auseinandersetzungen bezieht, kann nur vermutet werden:

212 Unsere Einschätzung der Situation innerhalb der Gesellschaft in der Mitte der zwanziger Jahre erhält eine weitere Bestätigung, wenn wir das Verhältnis zwischen dem noch als Hospes amtierenden Clodius und Gottsched, dem alsbald eifrigsten Mitglied, betrachten. Leider sind über ihre Beziehung zueinander keine unmittelbaren, d.h. aus jenen Jahren stammende Mitteilungen erhalten. Jahrzehnte später standen beide in enger Korrespondenz, und in seiner Annaberger Abschiedsrede rühmt Clodius Gottsched als großen Poeten, dem mit Recht die Leitung der Gesellschaft übertragen wurde.26 Andererseits ist aus seinem an die Deutsche Gesellschaft gerichteten Brief von 1736 (s. Kap. 9, Anm. 74) doch herauszulesen, daß Clodius fürchtete, man werde seine Verdienste um die Sozietät in Vergessenheit geraten lassen. Andererseits trifft Gottscheds erwähnte scharfe Kritik an den Zuständen innerhalb der Gesellschaft zur Zeit seiner Ankunft in Leipzig doch nicht zuletzt den amtierenden Hospes, dem er auch (ohne Erwähnung des Namens) vorwirft, die Geschichte der Sozietät (das Schediasma) in lateinischer Sprache abgefaßt zu haben. In der Nachricht von der Verfassung aus dem Jahre 1727, also höchstens zwei Jahre nach Clodius' Weggang aus Leipzig, wird der frühere faktische Leiter der Gesellschaft gerade ein einziges Mal in einem eher unterkühlten Ton am Rande erwähnt: Das verdiente Mitglied (also nicht Hospes!) Clodius habe sich um Erhalt und Ausbau der Bibliothek verdient gemacht.27 Es mag also schon 1724/25 zu Spannungen zwischen Gottsched und dem sich ihm anschließenden Mitgliedern und Clodius gekommen sein, trotz der offenkundigen Tatsache, daß Gottsched in seinen alsbald deutlich werdenden Plänen zur Umgestaltung der Gesellschaft durchaus an manchen Intentionen Clodius' anknüpft: Ausbau der Bibliothek, Edition der Gedichte der Gesellschaft, das Bestreben zur Verbesserung der deutschen Sprache und

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»Ganz Deutschland erkennet ihre Verdienste, und wird sie erst noch mehr erkennen, wenn man die listigen Ränke, womit Neid und Scheelsucht ihre Bemühungen zu verkleinern suchen, vollends auseinander gewickelt und offenbaret haben wird.« (J. Schwabe: Anti-Longin, Oder die Kunst in der Poesie zu kriechen, anfänglich von dem Herrn D. Swift den Engelländern zum besten geschrieben, itzo zur Verbesserung des Geschmacks bey uns Deutschen übersetzt [...] Leipzig 1734, Zuschrift). Auch die Neufränkischen Zeitungen greifen das Thema der Verachtung der Muttersprache durch die »Sprachenhelden« auf. Es sei ein Buch im Erscheinen, wird berichtet, daß sich gegen Autoren wende, die glauben, man könne in der Muttersprache gelehrte Bücher schreiben. Dem werde entgegengehalten, daß gelehrt nur dasjenige sei, »was nicht ein jeder versteht.« Auch könne die Gelehrsamkeit nur dann Bewunderung ernten, wenn sie dem »unstudirten Pöbel« unverständlich bleibe usw. (7. Stück [1734], S. 99ff.). »Commodum ad nos venit e Borussia Gottschedius. Hic, ut erat Pitschii Regiomontani genuinus Discipulus, a natura et arte formatus ad omne excellens opus et sublime futurum: ita elegantissima poesi sua, toti poetarum consortio lucem dedit et calcaría, cujus demum fidei, duobus videlicet annis post, totius instituti cura relicta est.« (Chr. Clodius, Sub discessum suum [...]). Nachricht, S. 8.

213 Dichtung, entschiedene Öffnung der Sozietät für Mitglieder aus allen deutschen Landschaften. Gleichwohl lassen sich auch wesentliche Unterschiede in den Bestrebungen beider Repräsentanten der Gesellschaft erkennen: Clodius ist viel stärker als Gottsched noch der früheren an den klassischen Sprachen orientierten Gelehrtenkultur verpflichtet: Seine Dichtungen sind zu einem erheblichen Teil in Latein abgefaßt, die Geschichte der sich immerhin Teutschübend bezeichnenden Gesellschaft wird in Latein veröffentlicht, noch in seiner späteren Schulzeit bringt er in der Hauptsache antike Stücke zur Aufführung. Andererseits ist Clodius im Vergleich zu Gottsched der Musik gegenüber aufgeschlossener. Clodius sah, wie unsere Darstellung des Inhaltes des Schediasma gezeigt hat, die Görlitzer bzw. Teutschübende Gesellschaft in einer festen Tradition der Sprachgesellschaften des 17. Jh.s; Gottsched dagegen doch nur sehr bedingt: »Doch kann ich es nicht leugnen, daß ich nicht gern, bey meinem Eifer für die Reinigkeit der deutschen Sprache, so weit gehen wollte, das die Glieder der Fruchtbringenden Gesellschaft, die Pegnitzschäfer und Zäsianer gegangen sind, die sich dadurch lächerlich gemacht, und die Liebe zum Ausländischen, die eine rechte Sucht bey den Deutschen geworden, dennoch nicht gesteuert haben.« Viele Fremdwörter seien längst fester Bestandteil der deutschen Sprache geworden und könnten nicht ohne »Vorwurf einer Ungerechtigkeit und sträflichen Neugierigkeit vom Deutschen Boden« verbannt werden.28 Vielleicht jedoch besitzt die Krise der Teutschübenden Gesellschaft noch eine weitere Dimension. Indem sie endgültig aus dem Stadium einer lockeren Schar von poetisierenden Studenten heraustritt und höhere Ansprüche an sich selbst richtet, wird sie in die literarischen Kämpfe der Zeit einbezogen. Gottsched selbst hat diese Folgen der Umwandlung der Görlitzischen in die Teutschübende Gesellschaft einmal mit folgendem Gleichnis charakterisiert: »Dieses ist das gemeine Schicksal aller im Wachsthum stehenden Dinge. Schmale Bäche, niedrige Stauden, und kleine Dörfer nimmt niemand groß wahr: Wenn aber jene Schifbahr zu werden beginnen, diese Früchte zu tragen anfangen, die letztern aber sich mit Mauern umgeben, und also zu Städten werden: Alsdenn erwecken sie schon mehr Aufmercksamkeit denen, so ihrer gewahr werden.«29 Wir werfen einen raschen Blick auf die Auseinandersetzungen der Zeit, an die unsere Leipziger Gesellschaft Anteil genommen hat. Die literarische Produktion ihrer Mitglieder konzentrierte sich immer noch, trotz der jetzt zugelassenen Prosatexte, in der Hauptsache auf das Anfertigen von Gedichten, wobei wiederum die Gelegenheitsgedichte eindeutig 28

29

Brief Gottscheds an den Feldmarschall v. Seckendorf, 7.10.1740 (Staatsarchiv Altenburg, Seckendorf-Archiv, Nr. 1113, Bl. 5 r - 8 r ) . Gottscheds Antwortrede auf Lotters Antrittsrede (Gesammlete Reden, S. 372).

214 dominierten. Die seit mehr als einhundert Jahren geübte geradezu massenhafte, handwerksmäßige Erzeugung von Kasuallyrik war jedoch in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts allmählich, aber immer nachhaltiger in die Kritik geraten, ohne freilich damit die Produktion dieser Dichtung entscheidend zurückzudrängen.30 Ein jeder Stümper, so der Hauptvorwurf, dürfe nach Beheben Verse zusammenzimmern, ohne jede Rücksicht auf deren Qualität: Zum wenigsten ist dieses gewiß/ daß die edle Poesie niemals mehr genothzüchtiget worden und grössere Gewalt von unverschämten Syllben Henckern erlitten. Gar selten wird eine Hochzeit celebriret/ daß sich nicht alsbald dienstbare Geister finden selten/ welche ihren Poetischen Gaul anspornen und dem neuverlobten Paar ein brüh heisses/ doch gezwungenes Carmen überreichen. Ist eine Leiche/ so muß sich der Tod bald als einen unbarmhertzigen Menschen Fresser/ bald als einen abscheulichen Knochen Mann u.s.£ abmahlen lassen/ daß es kein Wunder wäre/ wenn er sich an solchen Stümpern mit seiner Sichel zuerst revangirete [.. .]31 Zum Dichten gehöre jedoch als Voraussetzung ein gewisses Maß an Ingenium, wie kein geringerer als Mencke schon 1710 fordert: Sonst aber bin ich auch der Meinung, daß wer von Natur arm an Invention ist, der möchte sich immer die Lust zur Poesie vergehen lassen; denn er wird dennoch nichts gutes zu Marckte bringen, wenn er gleich noch so sehr künsteln will. Vormals da die schlechten Gedichte noch Mode waren, konte ein armer Teufel noch mit durchlauffen, wenn er nur aus der Pimpla einmal geleckt hatte; aber die jetzige Welt ist so eckel geworden, daß auch ein guter Poete, der das volle Wasser aus der Hippocrene selbst hat, zu thun bekömmt, wenn er seine Arbeit vor allen Leuten legitimiren will.32 Menckes Mahnung an die »armen Teufel« sollte, möchte man meinen, zuerst die Mitglieder der unter seinem Patronat zustande gekommenen Poetischen Gesellschaft treffen. Jedoch bestanden, wie wir bereits vermuteten, damals keine näheren Kontakte zwischen den >Görlitzern< und dem Universitätsprofessor, und so dürften sich die Poetenschar von den strengen Anforderungen Philanders von der Linde wohl kaum beeindruckt lassen haben. Im Laufe der zwanziger Jahre verschärfte sich nun die Diskussion um das Gelegenheitsgedicht. Als einen besonders schweren Angriff gegen dessen Existenzberechtigung empfand man die Einleitung des schlesischen, in Dresden lebenden Dichters Gottfried Benjamin Hancke 33 zu einer Sammlung seiner Gedichte (Weltliche Gedichte, 1727), in der die Kasuallyrik als »eckelhaffte Reimerey« abgekanzelt wurde. 34 Diese Offensive stieß vor allem auf 30

31 32 33 34

Vgl. zur Diskussion um die Kasualpoesie Uwe-K. Ketelsen: Poesie und bürgerlicher Kulturanspruch. Die Kritik an der rhetorischen Gelegenheitspoesie in der frühbürgerlichen Literaturdiskussion. In: Lessing Yearbook VIII (1976), S. 89-107. W. Segebrecht (Gelegenheitsgedicht), S. 252ff. Kemper (Deutsche Lyrik), Bd. 5/II, S. 24ff. Johann Gottfried Krause: Poetische Blumen. Langensalza 1716, Vorrede. Mencke (Unterredung Von der Deutschen Poesie), S. 273. Vgl. Dünnhaupt III, S. 1946-1951; Killy 4, S. 501f. Quellenlexikon 10, S. 250f. Seine Kritik am Gelegenheitsgedicht hatte Hancke schon Jahre zuvor geübt: »Es ist nichts abgeschmacktere, als wenn uns einige Autores ihre Leichen- und HochzeitGedichte obtrudiren; Denn aus beyden wird wohl niemand, ausgenommen die Ver-

215 das Mißfallen des Dresdner Hofpoeten Johann Ulrich König. Dieser unterhielt gute Beziehungen zu bestimmten Intellektuellenkreisen in Leipzig; im Zusammenhang mit der Diskussion um die Schwulstdichtung und die Notwendigkeit des Reimes haben wir diese Verbindungen bereits gestreift (vgl. die Ausführungen zur Boberfeldschen Gesellschaft, S. 91). War bei diesen Auseinandersetzungen die Teutschübende Poetische Gesellschaft vielleicht noch nicht unmittelbar beteiligt gewesen, so wurde sie in den nun entbrennenden Streit mit Hancke direkt einbezogen. Inzwischen war Gottsched nämlich mit König bekannt geworden. Alsbald nach seiner Ankunft in Leipzig hatte der noch unbekannte preußische Flüchtling versucht, mit dem am Dresdner Hof rasch Ansehen und Einfluß gewinnenden Hofpoeten in Verbindung zu kommen. Schon im Frühjahr 1725 berichtet König im Zusammenhang mit dem Streit um den Reim bzw. die Schwulstdichtung an Bodmer, in Leipzig hätten sich alle Gelehrte über den Kreis um den Hamburgischen Patrioten (vor allem Brockes und Weichmann) und über Triller »moquirt« und das Verlangen geäußert, »diese Leuthe [...] ridicul zu machen.« Es hätten auch schon »vile junge Leuthe die Augen aufgethan« und den »üblen Geschmack« der genannten Autoren erkannt. Zum Beleg überschicke er die Vorrede zur Edition von Pietschs Gedichten und zum »poetischen Lexicon«.35 Bei dem ersten Titel handelt es sich um Gottscheds Veröffentlichung der Gedichte seines Lehrers, beim zweiten Titel um Hamanns Poetisches Lexikon. Man möchte also vermuten, daß König bei seinen häufigen Aufenthalten in Leipzig den bereits vielversprechenden Gottsched spätestens 1725 kennenlernte. 1726, beim Erscheinen seiner Übersetzung von Fontenelles Gesprächen, rühmt Gottsched König in einem langen Schwulstgedicht als sächsischen Horaz, der die Dichtkunst am Dresdner Hof erst recht heimisch gemacht hat: Die Elbe schoß noch schnell durch ihrer Brücken Bogen,/ Warum? Sie wurde noch durch nichts zurück gezogen,/ Durch keinen Ton entzückt. Izt hemmt sich ihre Flut,/ Izt brennt der Ströme Fürst von einer edlen Glut,/ Du König hast ihn oft in seinem Lauf bezwungen,/ Seit dem dein Heldenlob sein feuchtes Schilf durchdrungen.36

35

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wandten und das Braut-Paar einige Vergnügung spüren, wofern nicht ein besonders Thema abgehandelt worden.« (G. B. Hancke: Geistliche und Moralische Gedichte. Leipzig u. Breslau 21723, Vorrede) König an Bodmer, 15. 5.1725, vgl. Brandl (Barthold Heinrich Brockes), S. 139f£ (141). Herrn Professor Gottscheds Lobgedicht auf den Herrn Hofrath von König. In: Des Herrn von Königs Gedichte. Hg. von Johann Christoph Rost. Dresden 1745, S. 617f£ Die Verse laufen auf die Frage hinaus, welche vornehme Persönlichkeit König empfehlen könne, der er, Gottsched, seine Übersetzung des Fontenelles widmen solle. Daß in den Band eine ganze Reihe von Gedichten und Briefen aus dem Gottsched-Kreis, die an König gerichtet sind, Aufnahme gefunden haben, ist wohl vor dem Hintergrund des späteren schweren Zerwürfnisses zwischen Gottsched und König zu sehen: Die Texte sollen Gottscheds frühere Abhängigkeit und Unterwürfigkeit dem von ihm später so geschmähten König gegenüber beweisen.

216 Der angeschwärmte Dichter scheint gleichwohl noch nicht in einem dem Barden erhofften Sinne reagiert zu haben. Gottsched benötigt die Vermittlung eines anderen. Es ist Johann Gottlieb Krause, der zu jener Zeit der geplanten Boberfeldschen Gesellschaft wegen mit König in engem Kontakt steht (s. S. 91), der seinem Briefpartner »allen Argwohn« gegen Gottsched ausredet. 37 Der Hofpoet, so Gottscheds Intention, soll ihn in seiner beruflichen Karriere fördern, 38 und er soll gleichzeitig bei der Realisierung der ehrgeizigen Akademiepläne helfend tätig werden (s. Kap. 15). Nach dem Brauch der Zeit widmet Gottsched eines seiner nächsten Werke, den ersten Teil des Biedermanns, seinem neuen Protektor. In dessen Gedichten und Schriften meint er einen entscheidenden Fortschritt in der Entwicklung der deutschen Sprache und Dichtung erkennen zu können: Soviel Ruhm verdienen gewiß Eure Hochedelgeb., da Sie durch Dero vernünfftige und männliche Poesie, an einem großen und erleuchteten Hofe, die deutsche Sprache und Dichtkunst nicht nur in ein ganz anderes Ansehen gesetzt, als sie vor der Zeit gewesen; sondern auch durch andere Schnitten dem verderbten Geschmacke vieler Deutscher zu Steuern suchen, der durch den gemeinen Haufen der elendsten Versemacher sonst noch viel ärger einreissen würde.39 König wird auch mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft näher bekannt, 40 jedoch scheint sich der bereits an anderer Stelle erwähnte Gottlob Friedrich Wilhelm Juncker der besonderen Förderung Königs erfreut zu haben. Er ist Tischgast des Dichters und erhält durch dessen Hilfe eine Stelle (Hofmeister?) bei dem Generalmajor Fizner. Überhaupt weilt Juncker häufig bei König, »weil ich ihn, indem er näher und öfter um mich ist, alsdann, was die conduite betrifft, besser formiren kan, worann mehr als an allem Wissen liegt.« 41 Dabei ist Juncker in dieser Beziehung keineswegs der allein nur Nehmende. König benötigt ihn dringend für seine zahlreichen literarischen Fehden, so auch in dem jetzt geplanten Feldzug gegen Hancke. Die Antwort 37

38

39 40

41

Vgl. Danzel, S. 70 (Zitat aus einem Briefes Krauses an Gottsched, 27. 5.1727). In einem undatierten Schreiben (ca. Juni 1727) erwähnt Gottsched, Krause habe ihm mündlich über die »sehr vortheilhafte Art« berichtet, in der sich König über ihn geäußert habe (Gottsched an König, o.D., in: Des Herrn von Königs Gedichte, S. 638). Die jene Frage betreffenden Passagen im Briefwechsel zwischen Gottsched und König sind z.T. von Danzel veröffentlicht worden (S. 70ff.). Der Biedermann, Widmung des 1. Teils. So sucht May die Protektion Königs. Er schickt eine seiner Seneca-Übersetzungen des Jahres 1729 an den Hofdichter. »Euer Hochedelgebornen«, heißt es im Begleitbrief, besitze nicht nur »eine vortreffliche Gelehrsamkeit«, sondern auch die Fähigkeit, den »Grösten des Hofes [...] höhere Gedanken von der Gelehrsamkeit« zu vermitteln, woraus deren »Begierde« hervorgehe, die Wissenschaften zu fördern. Brief o.D. In: Des Herrn von Königs Gedichte, S. 630f.). König reagiert wahrscheinlich auf Mays Zuschrift mit einem Briet Jedenfalls bittet er am 19. 8.1729 Gottsched, ein Schreiben an May, dessen Anschrift er nicht kenne, weiterzuleiten (UBL, Ms 0342,1, Bl. 135r-136v)König an Gottsched, 1. 8.1728 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 69f.).

217 auf die Verwerfung des Kasualgedichtes bildet der wohl in einem erheblichen Maße auf Betreiben Königs, aber sicher auch Gottscheds, 4 2 von Juncker herausgegebene siebte Band von Hofmannswaldaus Gedichte tersuchung

und andrer Deutschen

[...]

mit der beigegebenen ebenfalls von Juncker verfaßten Schrift Under Hanckeschen

weltlichen

Gedichte.43

D a s Schreiben von Ka-

sualgedichten bildete die Tätigkeit der Görlitzer Poetischen Gesellschaft schlechthin; und auch die neue Deutsche Gesellschaft stand weiterhin in dieser Tradition. Andererseits empfand Gottsched, der führende Kopf der erneuerten Gesellschaft, die massenhafte Produktion der Kasualcarmina als eine der Hauptursachen für das im Vergleich zu anderen Nationalliteraturen unbefriedigende Niveau der deutschen Dichtkunst. In seinem 1727/28 erscheinenden Biedermann

ist die Gelegenheitsdichtung daher immer wieder

ein Gegenstand des Spottes. D e r Verleger des Blattes, heißt es beispielsweise in der Ausgabe vom 29. 9.1727, wolle eine Sammelausgabe aller nach 1700 in Leipzig geschriebenen Kasualgedichte veranstalten. Er veranschlage 25 bis 30 Folianten. Jeder Poet könne sein Bildnis einreichen, »damit dieselben mit hübschen Lorbeer-Zweigen umflochten, beyzeiten in Kupfer gestochen werden.« 4 4 Statt eines hemmungslosen flüchtigen Versesetzens solle man, heißt es an einer anderen Stelle der gleichen Ausgabe, nur das schreiben, was man versteht; dann werde »weder Kunst noch Licht und Ordnung fehlen.« 4 5 42

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Gottsched ist angesichts seiner späteren Feindseligkeiten mit König diese Beteiligung an dem Junckerschen Unternehmen unangenehm gewesen. König habe, schreibt Gottsched, »seinen Clienten« Juncker »aufgehetzt«, eine Schmähschrift gegen Hancke zu veröffentlichen (»bitter und boßhaft«). Die dazu gehörige Gedichtanthologie hätte jene Kritik mit einem dicken Buch unter einem bekannten Namen verbinden sollen, das so eher auf Beachtung der Öffentlichkeit hoffen durfte. Ihm, Gottsched, habe dieser »ganze Anschlag« mißfallen, aus Rücksicht auf das hohe Ansehen Königs am Hofe habe er jedoch eine Beteiligung an jenem Vorhaben nicht ganz und gar abschlagen können; daher habe er einige seiner Boileau-Übersetzungen Juncker überlassen (Vorrede, S. 258£). Hier benutzt nach folgender Ausgabe: Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckte Gedichte. Siebender Theil. Hg. von Erika A. Metzger und Michael M. Metzger. Tübingen 1991 (Neudrucke deutscher Literaturwerke. N. F. 43). Die Annahme, König habe bei der Edition dieser Anthologie eine wesentliche Rolle gespielt, stützt sich vor allem auf die Mitteilungen der gegen Juncker gerichteten Schrift Poetischer Staar-Stecher (Breslau und Leipzig 1730). Vgl. die Ausführungen der Herausgeber im oben erwähnten Neudrucks des Bandes (dort im Anhang auch der Abdruck des Staar-Stechers. Verfasser ist nach Vermutung der Herausgeber ein unbekannter Breslauer). Biedermann, S. 88. Im 34. Blatt (22.12.1727, S. 136) wird dann folgende Veröffentlichung angekündigt: »Quodlibet aller Quodlibete, oder Meisterstücke einer wohleingerichten poetischen Einbildungs-Krafft, daraus man augenscheinlich sehen kann, wie hoch heut zu Tage die edle Poesie bey uns gestiegen, und wie rein und zart der Geschmack unsers Pöbels sey: der gesunden Vernunfft und dem Altwethume zu Trotze heraus gegeben.« Horatius von der Dicht-Kunst. In dieser Übersetzung (in der gleichen Nummer des Biedermanns wie die zitierte Ankündigung) versucht Gottsched seine Maßstäbe einer guten Dichtung zu umreißen.

218 Gottscheds Stellung zu Hanckes Äußerungen dürfte also ambivalent gewesen sein. Die Deutsche Gesellschaft lebte seit Jahrzehnten vom Verfassen von Gelegenheitsgedichten, und Gottsched selbst griff durchaus bei entsprechenden Anlässen zur Feder. Andererseits ging es darum, die deutsche Dichtung zu verbessern, sie in die Schule der Vernunft zu nehmen, sie sozusagen hoffähig zu machen. Das aber erschien nur über die Abschaffung der so verbreiteten, als ungezügelt sowie Vernunft- und geschmacklos angesehenen Reimereien zu erreichen zu sein. Gleichwohl entschied man sich zur Verteidigung gegen Hanckes Attacken. Wieweit dabei die bloße Rücksicht auf den erhofften Schutzpatron König eine Rolle gespielt hat, wie Gottsched in seiner späteren Darstellung zu behaupten sucht, ist schwer festzustellen. Jedenfalls vertritt Junker als Herausgeber vehement die Legitimität der Kasualdichtung: »Allein, wer wollte, um eines oder des andern Reim-Klemperes willen, alle Leichen- und Hochzeit-Gedichte verwerffen? wie viel vortreffliche Stücke würden wir [...] entbehren müssen? wir halten vielmehr dafür, daß was ausnehmendes auf gemeine Zufälle nicht weniger hoch zu schätzen, als dasjenige, wovon ich zu dencken das Auslesen gehabt.«46 So enthält denn in Reaktion auf Hanckes Verdikt der VII. Band der Gedichtsammlung in einem überwiegenden Maße Gelegenheitsgedichte zu den üblichen Anlässen. Weiterhin wird Hancke angekreidet, daß er reichlich von Anagrammata, Buchstaben- und Zahlenspielen Gebrauch macht, also von Formen der Dichtung, die von der Deutschen Gesellschaft gerade scharfe Ablehnung erfahren hatten. Auch das Schwelgen in hochtrabenden Ausdrücken (Galimatias) findet die Kritik Junckers, ebenso widervernünftige Redewendungen und unsinnige Vergleiche. Daß Hanckes Verse oft unmoralischen und »niederträchtigen« Inhaltes seien, wird immer wieder moniert. Schließlich werden auch die von Hancke aus anderen Sprachen übersetzten Gedichte untersucht und verworfen: Die Übertragungen seien ausschweifend, hätten mit den Originalen kaum etwas gemein, zeugten vom Unwissen des Übersetzers. Eine Rolle spielt auch Hanckes Insistieren auf den Vorrang der schlesischen Dichter, vor allem Lohensteins und der »Schlesischen Reinigkeit« im Dichten. Dieses Argumentieren sei überflüssig und unerträglich; was Lohenstein angehe, so möge man über ihn die Kritik in den Discoursen der Mahlern nachlesen. Die Stellung zur schlesischen Dichtung bzw. die Frage nach dem Vorrang der schlesischen oder der sächsischen Literatur und Mundart ist innerhalb der Deutschen Gesellschaft sehr umstritten und wird noch in den dreißiger Jahren belastend wirken. Auffällig am Band VII. der Anthologie ist der sichtbare Anteil von Gedichten aus der Feder von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft: Daniel Heinrich Arnold (erst 1729 Mitglied), Christian Clodius, J. Chr. Gottsched, J. G. Hamann, Balthasar Hoffmann, Samuel Seidel und G. F. W. Juncker 46

Herrn von Hoffmannswaldau Gedichte, S. 17.

219 selbst. Außerdem finden sich Gedichte Menckes, der Neuberin und einiger anderen Personen, die man in die Nähe zur Deutschen Gesellschaft wird ansiedeln können. In Gottscheds Beiträgen (meist Nachahmungen der Satiren von Boileau) wird das Thema der rechten Dichtkunst wiederholt behandelt. Wenigstens in einem Fall greift er auf ein bereits in der Teutschiibenden Poetischen Gesellschaft vorgetragenes Gedicht (Nachahmung der zweyten Satire des Boileau) zurück, das sich ursprünglich an Neukirch richtete; im Druck jetzt aber bemerkenswerterweise dem neuen Schutzherrn König gewidmet ist.47 Inhaltlich geht es um die aktuelle Frage nach der Notwendigkeit des Reimes. Lang und breit beschreibt Gottsched die Nöte, die ihm der Zwang zum Reimen bereitet, und richtet dann an den als Kritiker des Reims bekannten Hofpoeten 48 den Wunsch: »Darum erbarme dich, hilff meine triebe zäumen,/ Und lehre mich hinfort die kunst nicht mehr zu reimen!« Als Kontrastfigur wird der Kirchenlieddichter Daniel Schönemann als belachenswerter hurtiger Reimeschmied vorgestellt:49 »Und ist das magre zeug schon krafftloß, kalt und matt,/ Daran ein witziger verdruß und eckel hat,/ So wird es ihm doch nie an tummen Lesern fehlen, [...] Sie sind mit ihm vergnügt, wenn nur das reim-wort klingt/ Und fragen nicht darnach, wie sich das andre zwingt.«50 In einem anderen Text ist es dann »Schmierander« (vielleicht Henrici mit seinem Pseudonym Picander?), dessen Verse aufs Korn genommen werden: lahm, rauh, mit Fremdwörtern gespickt und unrein; schließlich zielt es dann wieder gegen den Reim, den »wir verlachen«.51 Als Hancke auf diesen vehementen Angriff hin nicht die Segel streicht, sondern sich zu verteidigen sucht, nämlich durch ein an den Kurfürsten und 47

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50 51

Herrn von Hoffmannswaldau Gedichte, S. 127ff. Die handschriftlich überlieferte Erstfassung ist im Anhang des vorliegenden Werkes abgedruckt (Quellentexte, Nr. 7). In seiner Gedichtausgabe von 1736, also lange nach dem Bruch mit König, ersetzt Gottsched bemerkenswerterweise wieder König durch Neukirchs Namen. Königs Stellung zum Reim war ambivalent; zugleich sprach er sich für dessen Beibehaltung aus. Vgl. Waniek, S. 75f. In der handschriftlichen Fassung wird Schönemanns Name voll ausgeschrieben; im Druck ist nur von »S« die Rede. Der zeitgenössische Leser wird aber wohl gewußt haben, wer gemeint ist. Vgl. zu Schönemann Killy 10, S. 356ñ Schönemann war zu seiner Zeit ob seiner Fähigkeiten im Reimen weithin bekannt. Steinwehr, eines der bekanntesten Mitglieder der Gesellschaft, lernt Schönemann in Berlin kennen und berichtet: »Von der Deutschen Gesellschaft ist er ein Verehrer, bezeugte auch, wie er gäntzlich entschlossen gewesen wäre, derselben den letzten Theil seiner Zehenden zuzuschreiben: Er würde sich aber mit dem nächsten so er herausgäbe an Dieselbe wenden. Er suchte auch um unsere Reden u. andere Schriften.« Dann heißt es kritisch, Schönemanns Poesie sei »eine Krankheit« (Steinwehr an Gottsched, Berlin, 14. 8.1733, UBL, Ms 0342, II, Bl. 367 r -370 v , zu Schönemann Bl. 370r). Mit den »Zehenden« sind poetische Betrachtungen Schönemanns gemeint, die in fünf Teilen 1721/22 erschienen und Betrachtungen über den Tod und die Leiden Christi zum Inhalt hatten. Herrn von Hoffmannswaldau Gedichte, S. 131. Herrn von Hoffmannswaldau Gedichte, S. 150ff.

220 König gerichtetes Gedicht, kann sich König vor Wut kaum fassen. Dieser »spanische Prahler«, schreibt er an Gottsched, müsse jetzt endgültig öffentlich widerlegt werden. Es sei bedauerlich, daß Gottscheds Biedermann nicht mehr erscheine; hier hätte man Hancke entsprechend »zwagen« können. Jetzt wäre es wohl am besten, auf die Leipziger Zeitung von gelehrten Sachen zurückzugreifen. Gottsched möge in dieser Angelegenheit Rat schaffen und ihm seine Meinung übermitteln.52 1730 erfolgt gar die Publikation einer ganzen gegen Juncker gerichteten Schrift unter dem Titel Poetischer Staar-Stecher, der sich der Verteidigung der schlesischen Poesie zu eigen macht. Der unbekannte Verfasser (s. Anm. 43) erklärt, das »leere Gebelle« Junckers allein hätte ihn nicht veranlassen können, Hanckes Verteidigung zu ergreifen. Nun habe jedoch der »Hoff-Poete König« in der Vorrede zu seiner Canitz-Ausgabe behauptet, »daß Juncker, als ein würdiges Mit-Glied der deutsch-übenden Gesellschafft, quasi Re bene gesta, noch grosse Ehre eingelegt hätte.« Da habe er sich »länger nicht halten können, sondern einige ohnedem langwierige Winter-Stunden zu Widerlegung der Junckerischen Untersuchung verschwenden und ob man sowohl diesen, als auch die hinter ihm steckende heimliche Jünger bekehren, und zur Selbst-Erkenntniß ihrer eigenen poetischen Schwachheit bringen könne, versuchen wollen«53 Das literarische Vorgehen gegen Hancke hatte nicht nur die neue Freundschaft mit König zum Hintergrund, sondern entsprach in seiner inhaltlichen Ausrichtung durchaus den Zielen, wie sie der Kreis um Gottsched und May verfolgte: Kampf der Schwulstdichtung, Propagierung der vernünftigen, tugendhaften, ungezwungenen Dichtung. Worum es geht, das ist das erneute Beschreiten eines Weges, den die deutsche Literatur bereits einmal eingeschlagen hatte, den sie dann aber zu ihrem Schaden wieder verlassen hat. In seiner berühmten, 1739 gehaltenen Rede auf Opitz deutet Gottsched die Literaturgeschichte nach dessen Tod als negative Entwicklung, auf der »die gute Bahn, die Opitz gewiesen«, wieder verlassen wurde - durch »ungeschickte Nachfolger«, die Deutschland «durch ihre regellose Einbildungskraft, durch ihren geilen Witz und ungesalzenen Scherz mehr Schande gemacht« haben. Schon Opitz jedoch hatte die deutsche Sprache und Dichtkunst »fast auf einmal sehr nahe an den Gipfel ihrer jetzigen Vollkommenheit erhöht«: durch den Gebrauch einer von Fremdwörtern befreiten Schreibart, durch eine »natürliche und vernünftige Art zu denken«, durch »lehrreiche Sprüche«, »erhabene Gedanken« u.a.m. Diese Dienste habe Opitz nicht allein auf dem Gebiet der gebundenen Dichtung geleistet, sondern auch im Bereich der ungebundenen Schreibart - als Redner, als Wortforscher, als Kunstrichter. Schließlich beschwört Gottsched die Stadt Bunz52 53

König an Gottsched, 9.1.1730 (UBL Ms 0342,1. Bl. 172 r -173 v ). Herrn von Hoffmannswaldau Gedichte, S. 447.

221 lau, Opitz' Geburtsort, daß sie nicht zusammen mit ihren »übrigen Landsleuten«, also den Schlesiern, die »schwülstigen und hochtrabenden Geister« rühmen mögen, die von Opitz' Vorbild abgewichen waren. Sollte dies doch geschehen, so würden sich andere Verehrer des vorbildlichen Dichters finden, »weit von seinem Vaterlande«.54 Daß Gottsched mit diesen Verehrern die sächsischen Schriftsteller meint, wenn auch vielleicht nicht mehr unmittelbar die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft, von der er sich im Jahr zuvor (1738) getrennt hatte, dürfte auf der Hand liegen. Das Programm jedoch, auf das gut zehn Jahre zuvor die gerade reformierte Deutsche Gesellschaft eingeschworen worden war, besaß schon die gleiche Orientierung, wie sie Gottsched später in seiner Opitz-Rede skizziert hat. Im Laufe des Jahres 1727 wird die große Reform in Gang gesetzt, die die Teutschübende Poetische Gesellschaft in die Deutsche Gesellschaft transformieren sollte. Nach Gottscheds Darstellung vollzog sich diese Umwandlung ganz auf Grund seiner Initiative. Auf dem Tiefpunkt der Krise ergreift er das Steuer. In einer bei Gottsched nicht selten zu findenden gespielten Bescheidenheit erinnert er sich später: Ich weis es noch bis diese Stunde nicht, wodurch ich bey den meisten damahls noch vorhandenen Mitgliedern mir das Vertrauen erworben hatte, welches mir in einer ausdrücklich dazu angestellten Versammlung durch ordentliche Stimmen erkläret wurde: 55 Indem man mir künftig die Sorgfalt vor die Fortsetzung der Gesellschaft, und Erhaltung des ziemlich geschwächten Bücher-Vorraths auftrug. 56

So übernimmt Gottsched die »Sorgfalt für die Aufnahme dieser Gesellschaft« und veranlaßt die Schaffung einer Kommission zur Verbesserung der Gesetze der Sozietät: »Dieß geschah nun in vielen besondern Zusammen54

J. Chr. Gottsched: Lob- und Gedächtnisrede auf Martin Opitz (AW IX/1, S. 156211). In seiner Kritik an den Abweichungen vom »opitzischem Geschmacke« beruft sich Gottsched auf keinen geringeren als Leibniz. Dieser habe Opitz als besten deutschen Dichter betrachtet und »die Abweichungen der Neuern [...] gar nicht gebilliget.« (G. W. Leibniz: Theodicee. Nach der 1744 erschienenen, mit Zusätzen und Anmerkungen von Johann Christoph Gottsched ergänzten, vierten Ausgabe hg. [...] von Hubert Horstmann. Berlin 1996, S. 14). Gottscheds Stellung zur Dichtung der Zeit nach Opitz ist jedoch durchaus nicht nur ablehnend. Vgl. Felix Leibrock (Das Interesse an der Barockliteratur), S. 327ff. Selbst Lohenstein konnte als Dramatiker Gottscheds Anerkennung finden. Vgl. auch Uwe K. Ketelsen: Auf den Flügeln des patriotischen Eifers über das Gestrüpp der Sätze: Gottsched rühmt Opitz. In: Opitz und seine Welt: Festschrift für George Schulze-Behrend zum 12. Februar 1988. Hg. von B. Becker-Cantarino u. J.-U. Fechner. Amsterdam 1990 (Chloe 10), S. 267-286. Über die Kanonisierung Opitz' und seines Werkes als Vermächtnis, Schutz und Symbol der Dichtkunst zu Beginn des 18. Jh.s vgl. den im gleichen Band enthaltenen Beitrag von Erika A. Metzger u. Michael M. Metzger: Opitz und seine Zeitgenossen in der siebenbändigen Anthologie Herrn von Hofmannswaldau und anderer Deutschen [...] Gedichte (S. 367-381).

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Nach einer Mitteilung Lotters nahmen an dieser Sonderversammlung 14 Mitglieder teil (Gesammlete Reden, S. 365). Gesammlete Reden, S. 374.

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222 künften: und als der Entwurf dieser neuen Einrichtungen, den ich aufsetzte, fertig war, trug ich ihn der ganzen Versammlung vor.« Es folgt die schon erwähnte Klage über den Widerstand der meisten Mitglieder gegen das neue Statut der Gesellschaft.57 Dann teilt Gottsched überraschend mit, das neue Statut sei »endlich« von allen unterschrieben worden.58 Aus Mays Rede, die er nach Annahme des Statuts hielt, erfahren wir jedoch, daß es einen »Verlust so vieler Mitglieder« gegeben habe, die der Gesellschaft den Rücken kehrten. Auch Mencke deutet in seinem Schreiben an Heumann ähnliches an (s. S. 205). Wir wenden uns jetzt den wichtigsten Veränderungen des Charakters und der Arbeitsweise der Sozietät zu, die die neuen Statuten mit sich brachten. Dabei werden die Festlegungen zur Wahl neuer Mitglieder hier nicht berücksichtigt, sondern am Beginn des nächsten Kapitels, in dem es um die neue Mitgliederstruktur geht, behandelt. Was die äußere Struktur der Gesellschaft angeht, so werden jetzt die Rechte und Pflichten des Präsidenten und des Seniors genau beschrieben sowie das Amt eines (wohl vorher nicht vorhandenen) Sekretärs eingerichtet. Der Präsident übt nunmehr eine reine Ehrenfunktion aus. Davon, daß er die literarischen Produkte der Mitglieder beurteilt oder verbessert, ist nirgends mehr die Rede. Sein Auftreten beschränkt sich im Grunde auf die Vergabe der Preise der Sozietät, auf die wir noch kommen werden, wobei er auch das Thema der alljährlichen Preisfrage stellen darf. Ansonsten heißt es höchst schwammig nur, daß er bei »Zweifel und Schwierigkeiten« als Berater hinzugezogen werden kann. Der Senior dagegen ist derjenigen, in dessen Wohnung die Versammlungen stattfinden, der die Bibliothek in seiner Verfügung hat, der die Kasse verwaltet, der zusammen mit dem Sekretär die Korrespondenz führt, der die wöchentlichen Sitzungen vorbereiten läßt, der bei Streitigkeiten vermittelt, der das Publikationswesen der Gesellschaft unter sich hat; dazu kommen schließlich noch einige pekuniäre Vorteile. Der Sekretär als drittes Leitungsmitglied verwaltet die Korrespondenz und führt während der Sitzungen das Protokoll. Wie Mencke auf seine >Entmachtung< reagiert hat, wissen wir nicht. Der spätere Präsident, Johann Lorenz Mosheim,59 hat zumindest in den Jahren von Gott-

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Vorrede, S. 262. Gleiches berichtet Gottsched schon in der Nachricht, S. 11: Alle in Leipzig anwesenden Mitglieder hätten unterschrieben. Vgl. Karl Heussi: Johann Lorenz Mosheim. Ein Beitrag zur Kirchengeschichte des achtzehnten Jahrhunderts. Tübingen 1906, S. 142-145 über seine Verbindung zu Gottsched und zur Deutschen Gesellschaft. Johann Lorenz Mosheim (1693-1755). Theologie im Spannungsfeld von Philosophie, Philologie und Geschichte. Hg. von Martin Mulsow, Ralph Häfner, Florian Neumann und Helmut Zedelmaier. Wiesbaden 1997 (Wolfenbtitteler Forschungen 77). Gottsched und die Deutsche Gesellschaft wird hier jedoch allein im Zusammenhang mit der Beschreibung von Mosheims Bibliothek erwähnt (im Beitrag von R. Häfner und M. Mulsow: Mosheims Bibliothek, S. 373-399 [374£]).

223 scheds Seniorat einen gewissen Einfluß auf das Leben der Gesellschaft nehmen können, wie seine Korrespondenz belegt. Beibehalten wird die einmal wöchentlich stattfindende Versammlung der Mitglieder, auf der »ungedruckte und neu verfertigte Sachen« vorgelesen (»laut, deutlich und langsam«) und anschließend reihum diskutiert werden sollen. Wie in den Leipziger Sozietäten allgemein üblich wird verboten, anderen Rednern in das Wort zu fallen, mit »anzüglichen Worten« anzugreifen usw. Auf die konkrete literarische Produktion der erneuerten Gesellschaft werden wir in einem späteren Kapitel noch näher eingehen. Entscheidend ist, daß laut der neuen Festlegung bei der gebundenen Dichtung das bisher dominierende Gelegenheitsgedicht zwar nicht untersagt wird, aber doch nur noch in sozusagen höherer literarischer Form zugelassen ist. Überhaupt soll die Poesie in ihrem Gewicht hinter den prosaischen Texten zurücktreten: Ein Land benötige weniger der Poeten als vielmehr der »guten Prosaischen Scribenten«; daher nenne man sich jetzt nicht mehr eine poetische Gesellschaft, sondern einfach Deutsche Gesellschaft, um so das Verlassen der bisherigen einseitigen Orientierung auf die Poesie öffentlich zu dokumentieren. Als Vorbild für die Wahl der neuen Bezeichnung wird ausdrücklich die Französische Akademie genannt. Man verfolge die gleichen Absichten wie jene berühmte Sozietät, wenn auch die eigenen Kräfte als noch unzureichend erkannt werden.60 Der Anspruch, eine Akademie zur wissenschaftlichen Beschäftigung mit der deutschen Sprache zu sein, wird wenige Jahre später dadurch bekräftigt, daß man sich auf Leibniz und dessen Schrift Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache beruft: »Dieses ist eine unserm Gutachten nach so wichtige Schrift, daß wir uns nicht enthalten können, dieselbe unsern Lesern von Wort zu Wort mitzutheilen. Sie hält ohnedem solche Vorschläge und Anmerkungen in sich, die man sich bey unserer Gesellschaft längst zur Regel dienen lassen.«61 Dasjenige also, was in den ersten zwanzig Jahre der Existenz der Gesellschaft den alleinigen Inhalt ihrer Tätigkeit gebildet hatte und danach zumindest dominierend blieb, das Schreiben von Gedichten, soll jetzt in den Hintergrund treten. Hier gelangt offenkundig Gottscheds eigene Einstellung zur poetischen Dichtkunst zum Tragen. Diese solle weniger um ihrer selbst willen betrieben werden, sondern müsse durchaus nützlichen Zwecken dienen. Er verstehe zwar, schreibt Gottsched Jahre später an den Grafen Seckendorf, 60

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»Unsre Absichten aber sind zum wenigsten mit den ihrigen einerley. Denn alle unsre Bemühungen sind auf unsre Muttersprache gerichtet.« (Nachricht, S. 24). »Wir wissen es gar zu wohl, daß wir uns weder im Absehen auf unsre Stiffter, noch im Absehen auf unsre Anzahl und Geschicklichkeit gegen sie rühmen dürfen. Nur die Regeln der gesunden Vernunfft sind allgemein, und müssen so wohl in Deutschland, als in Franckreich herrschen; so wohl im kleinen, als im großen angehen.« (ebd., S. 31). Beyträge I. Bd. S. 368.

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daß er seinen Neffen in Leipzig zum alleinigen Betreiben ernsthafter Studien anhalte, aber junge Leute könne man nicht unausgesetzt derartig beschäftigen. Man sollte sie vielmehr mit »angenehmen Studien« zum »Ausarbeiten und Nachlesen, folglich zum stillsitzen und zuhause bleiben antreiben«. Der Onkel möge also seinem Neffen wieder das Schreiben von Gedichten gestatten, sonst sei die Gefahr geben, daß dieser »in Gesellschaft geht«, d.h. raucht und spielt.62 Denjenigen Formen des Dichtens, die man längst als Schwulst empfand, wurde jetzt der Kampf angesagt: Anagramme, Quodlibete, Ringelreime, Bilderreime »und andere dergleichen Poetische Mißgeburten«. An deren Stelle tritt die Forderung nach Klarheit und Deutlichkeit in den inhaltlichen Aussagen eines Gedichtes. Einige Jahre später wird Johann Joachim Schwabe, ein Gottsched im besonderen Maße ergebenes Mitglied, das Verdienst der Deutschen Gesellschaft darin erklären, daß deren Mitglieder angefangen haben, »unsern Deutschen die falschen Begriffe von der poetischen Schönheit der Gedanken aus dem Kopfe zu bringen [...] Sie wiesen, daß dasjenige, was man bisher für erhaben, edel, feurig, lebhaft und nachdrücklich gehalten hatte, schwülstig, niedrig, pöbelhaft, kriechend, matt und kalt gewesen sey. Die Natur der Sachen war aus unsern Gedichten verbannet: Sie stellten sie wieder her.« An die Stelle des Wunderbaren und Unverständlichen sei jetzt die Nachahmung der Natur getreten: »Dadurch verloren viele tausend poetische Stellen ihre bisherige Schönheit und wurden unscheinbar.«63 Abgelehnt wird jetzt auch der Gebrauch jeglicher Mundart, allein das Hochdeutsche ist erwünscht.64 Im Reimen wird allerdings die Freiheit eingeräumt, sich an bestimmte regionale »Klassiker« zu orientieren (z.B. in Sachsen an Mencke und Besser). Die folgenden Bestimmungen über die Art und Weise der Diskussion der von den Mitgliedern vorgelegten Stücke orientieren sich dann ganz an den herkömmlichen Festsetzungen Leipziger Sozietäten. Ein für die europäischen Akademien des 18. Jh.s besonders typisches Ausdrucksmittel ihres wissenschaftlichen Lebens war das Stellen von Preisfragen. Indem die reorganisierte Deutsche Gesellschaft in ihren Statuten die jährliche Vergabe eines Preises für die Behandlung eines bestimmten Themas stiftete,65 ist sie wenigstens in Deutschland eine der ersten Sozietäten,

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Gottsched an Seckendorf, 6.1.1753 (Altenburger Staatsarchiv, Seckendorf-Archiv, Nr. 1113, Bl. 221v). J. Schwabe (Anti-Longin), S. XI. Vgl. zum Verbot des Gebrauchs der Mundarten die Antwortrede Winklers auf Johann Ludwig Langguths Antrittsrede. Es ginge darum, heißt es, daß die Texte der Deutschen Gesellschaft in ganz Deutschland verstanden würden (Gesammlete Reden, S. 101-107). »An dem hohen Geburts-Tage unsers allergnädigsten Landes-Herrn, haben alle Glieder der Gesellschafft jährlich die Freyheit, in gebundener oder ungebundener Rede, die dazu vorgegebenen Materien auszuarbeiten, und dadurch nach einem

225 die auf diesem Wege vorangehen. 6 6 Als Vorbild dieser Einrichtung könnten die Wettkämpfe der Gelehrten im Museion des antiken Alexandria gedient haben 6 7 oder auch die schon seit Ende des 17. Jh.s in der Académie Française praktizierte Vergabe von Preisen für eingereichte Texte. 68 Dabei sind es zwei Preise, die ins Leben gerufen werden, jeweils für einen Prosatext und für ein poetisches Werk. Das Thema der Preisstellung, das auch in der Presse bekanntgegeben wurde, mußte vom Präsidenten der Gesellschaft vorgegeben werden. Über zehn Jahre hinweg scheint es auch regelmäßig zur Vergabe der Preise gekommen zu sein, darauf deuten jedenfalls die im Druck überlieferten Schriften, welche in der Deutschen

Gesellschaft

Poesie und Beredsamkeit

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erhalten haben.

zu Leipzig

die Preise der

D e r Preis bestand in Gedenkmün-

zen: D i e Medaille für den Prosa-Preis trug auf dem Avers einen Merkurstab

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von den Preisen zu streben, die auf die besten Schrifften in ieder Gattung gesetzet werden sollen.« (3. Abteilung, § XXXI; vgl. Nachricht, S. 17). Die Berliner Akademie beginnt erst 1744 mit dem Stellen von Preisfragen, die dann allerdings auch in die Geschichte eingegangen sind. Damit ist die Auffassung von Cornelia Buschmann zu korrigieren, die der Berliner Akademie eine Vorreiterrolle in der Einrichtung von Preisfragen zuschreibt (C. Buschmann: Die philosophischen Preisfragen und Preisschriften der Berliner Akademie der Wissenschaften im 18. Jahrhundert. In: Aufklärung in Berlin. Hg. von Wolfgang Förster. Berlin 1989, S. 165-228, (171). Vgl. Zedier, 55. Bd., Sp. 1098f. (Schlagwort Wettstreit). Danach wurden die zu einem gewissen Thema eingereichten Schriften öffentlich verlesen und von sieben Richtern beurteilt. Es ist bezeichnend, daß »Zedier« keinen Hinweis auf die »gelehrten Spiele« innerhalb der neuzeitlichen Akademien gibt; das Schlagwort Preisaufgabe gibt es noch nicht. An die Preisvergaben der Académie Française erinnert Gottsched selbst, betont aber die Singularität der Leipziger Preisverleihung: »In Wahrheit hierinn Übertrift diese Gesellschaft die Parisische, welche nicht eher an dergleichen öffentliche Aufmunterung gedacht, als bis ein sterbender Balzak ein ansehnliches Vermächtniß dazu bestimmt hatte.« Auch würden die Leipziger ihren Preis jährlich vergeben, die Pariser dagegen nur aller zwei Jahre (Gesammlete Reden, S. 379). Gegenwärtig lassen sich entsprechende Publikationen aus den Jahren 1728-1738 nachweisen. Zu den vergebenen Themen gehörten z.B. (in der Klammer die Angabe der mit Preisen ausgezeichneten Autoren): Ausführung der Wahrheit, daß kein Land glücklich seyn könne, darinn der Aberglaube herrschet (Lorenz H. Suke). Daß die Welt einer Schaubühne nicht bloß ähnlich, sondern selbst eine Schaubühne sey (W. Β. A. von Steinwehr). Daß die Poesie am geschicktesten sey, die Weisheit unter den rohen Menschen fortzupflanzen (Gottsched). Abhandlung von der Beschwerlichkeit eines großen Ansehens in der Welt (G. F. Bärmann). Was für Vortheile sich die Kirche aus den großen Veränderungen zu versprechen habe, die in unserm Jahrhunderte in der geistlichen und weltlichen Gelehrsankeit vorgegangen sind? (W. Β. A. von Steinwehr). Die ausgezeichneten Gedichte haben oft Ereignisse aus dem Leben fürstlicher Persönlichkeiten zum Gegenstand. Vgl. zu den zu Lebzeiten Augusts des Starken erschienenen Preisgedichten K. Heidt (Der vollkommene Regent), S. 256ff., ausführlich zu Gottscheds 1728 gekrönten Gedicht auf den König und Kurfürsten als »vollkommenen Regenten« S. 267ff. Markant an den Versen ist vor allem das ausführliche Lob der Kulturpolitik des Herrschers, was letztendlich natürlich auf die erhoffte Förderung der Deutschen Gesellschaft durch Friedrich August zielt.

226 mit der Umschrift »Dem Würdigsten«, die Medaille für den poetischen Preis dagegen zeigte einen Lorbeerkranz. Auf dem Revers beider Medaillen fand sich die Angabe »Die Deutsche Gesellschaft in Leipzig«. 70 Nach den Gepflogenheiten der Zeit stellte die Medaille somit auch ein Mittel der Werbung für die Gesellschaft dar. In späteren Jahren wurden noch weitere Vorschläge unterbreitet, der Gesellschaft durch die Stiftung von Preisen Anerkennung zu verschaffen. 71 Wir können dieses Thema, das den uns hier beschäftigenden Zeitraum überschreitet, nur streifen. Besonders ist es der nach Menckes Tod (1732) gewählte Präsident der Gesellschaft, Johann Lorenz von Mosheim, der in dieser Frage sehr aktiv wird; sein bevorzugter Ansprechpartner ist der Braunschweiger Hof. An Gottsched ergeht nach jahrelangen Mühen die Mitteilung: Endlich habe ich vor wenig Tagen vorgeschlagen: wie es I. Durchl. zu einem unsterblichen Ruhme gereichen würde, wenn sie bey der Gesellschafft einen Preiß stifften und jährlich eine güldene Münze mit einer geschickten Aufschrifft und ihrem Brust:Bilde an I. Kayserl. Maj. oder an ihrem eigenen Nahmens oder GeburtsTage demjenigen von der Gesellschafft, der das beste Stück machen würde, austeilen Hessen [.. .].72 Tatsächlich gibt nach Mosheims Mitteilung der Herzog ihm die Anweisung, »eine Münze zu ersinnen, die jährlich an dem GeburtsTage I. Maj. des Kaysers dem, den der Preiß der Beredsamkeit erhalten, ausgetheilet werden solte.« Da der Herrscher kurz darauf stirbt, wird auch aus diesem Vorhaben nichts. Jetzt würden, so Mosheim, die Militärs am Hof das Sagen haben und nicht die Gelehrten. 73 Abgelöst wird Mosheim in den Bestrebungen um die Verbesserung der Attraktivität der Preise durch den Hof- und Justizrat Johann Christian Benemann. 74 Nach seinem Tod, schreibt Benemann an Gottsched, wolle er der Deutschen Gesellschaft ein »klein Capital« zuwenden, um daraus einen jähr-

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Vgl. Nachricht, S. 31ff. Die Anfertigung der Medaillen mußte finanziell von der Gesellschaft selbst bestritten werden. Auf die Preisvergaben der dreißiger Jahre beruhte noch gut sieben Jahrzehnte später ein gutes Stück des Selbstbewußtseins der Gesellschaft: »Praemia, a Societate ipsa optimis commentationibus, super argumentis, Consilio accommodatis, iisque tum soluto, tum ligato, sermone elaboratis, per singulos annos proposita, atque decreta, inter plures tum temporis boni ingenii viros praeclarissimum excitabant certamen [...]« (Eck, Ad Renunciationem, S. VII). Mosheim an Gottsched, 18.12.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 181). Mosheim an Gottsched, 9. 3.1735 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 218). In der Literatur wird er oft mit einem Johann Gottlieb Benemann (vielleicht ein Verwandter) verwechselt. Präsident Mosheim erhofft sich viel von den Einflußmöglichkeiten des Hofrates: »Es ist mir sehr angenehm, daß H. Benemann das Gedichte der Gesellschafft auf das Ableben seines Sohnes so wohl aufgenommen. Viel lieber würde es mir zu hören seyn, wenn man mir meldete, daß er die Gesellschafft anstat des Sohnes zur Tochter angenommen. Doch wenn er ihr nur etwas gönnet, so ist es auch schon gut.« (Mosheim an Gottsched, 26. 8.1733, vgl. Danzel, S. 92).

227 lichen Preis zu stiften (20, 30 oder 40 Taler).75 Daß mit dem Preis eine »Gedächtnus Müntze« gemeint ist, geht aus einem weiteren Brief hervor, in dem der Gesellschaft die Entscheidung über den Text der Inschrift überlassen wird: »Ich hoffe aber es soll eine gute Wirkung haben.« 76 Bald darauf muß schon eine erste Preisfrage gestellt worden sein, wahrscheinlich zum Thema der Pflichten des Menschen dem Schöpfer gegenüber: »Ich vernehme mit Vergnügen, daß in unserer Sache schon einige Aufsätze eingelauffen, und werde dadurch bekräftiget, daß dieselbe und der dabey aufgegebene Satz hier und da viel Redens und Eindrucks gemacht.« 77 Ob es je zu einer Auszeichnung gekommen ist, ob die Preisstellung eine Fortsetzung erfahren hat, läßt sich nach der gegenwärtigen Quellenkenntnis nicht sagen.

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Benemann an Gottsched, Dresden, 1. 3.1736 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 343r-344v). Benemann an Gottsched, Lungwitz, 1/2. 5.1736 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 397r-398r). Benemann an Gottsched, 12. 9.1736 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 459-460. Benemann muß es übernommen haben, selbst über die einlaufenden Beiträge zu urteilen. Jedenfalls äußert er in einem vorangegangenen Brief Bedenken, ob der dieser Aufgabe gewachsen sei.: »Ich spüre nur über die Wahl, die ich auf mich genommen, allmählich einige Bangigkeit. Und behalte mir vor, daß wenn derenthalben Scrupel entstehet, ich die Stücke deren ich eins dem andern gleich halte, an die Gesellschafft schicken und die Zutheilung des Preyßes deroselben reiffern Einsicht über laßen dürffe.« Nach seiner Rückkehr nach Dresden werde er über das Gepräge der zu stiftenden Münze nachdenken (Benemann an Gottsched, Lungwitz, 3.8.1736 [UBL, Ms 0342, III, Bl. 437]).

12. Die neuen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft Erst 1727 werden wieder neue Mitglieder in die Gesellschaft aufgenommen. Nicht mehr »ein jeder« soll jetzt gemäß des neuen Statutes Zutritt zu ihr erlangen, sondern nur noch »geschickten Leuten« wird ein Platz zugebilligt. Es bleibt das eher formale »Anzugsgedicht«, das weiterhin bei der Aufnahme in die Gesellschaft vorzutragen war, wobei jetzt auch Prosatexte zugelassen wurden. Viel wichtiger ist nunmehr ein »Probestück« in gebundener oder ungebundener Schreibart, das ein jeder Kandidat einzureichen hat, bevor er sich der Wahl zum Mitglied stellt.1 Das weitere Verfahren können wir uns in etwa vorstellen, wenn wir einen Blick auf das umfangreiche Archiv der Jenaer Deutschen Gesellschaft werfen. Den dortigen Unterlagen läßt sich entnehmen, daß der Älteste der Gesellschaft das Probestück samt seiner eigenen Beurteilung unter den Mitgliedern in Umlauf gab; diese notierten dann jeweils ihr Urteil. Zumindest in Jena bedeutete das Einreichen des Probestückes keineswegs eine bloße Formalität. Man legte auf Qualität Wert und war sich des eigenen Anspruches gewiß: »Es kommt nicht darauf an daß man sagen kan, er sey ein Mitglied der teutschen Gesellschaft in Jena, sondern ob andere und zwar eifersüchtige Richter gestehen müssen er sey ein würdiges Mitglied und besitze die Eigenschaften, die man bey denselbigen suchen kan.«2 In Leipzig steht uns ein solches Material nicht zur Verfügung. Dem Briefwechsel Gottscheds lassen sich jedoch diese und jene Hinweise entnehmen. Dort finden sich sowohl Beispiele dafür, daß Personen mit der Bitte um Aufnahme an die Leitung der Gesellschaft, also in der Regel an Gottsched, herantraten, 3 als auch Fälle, in denen die Sozietät selbst aktiv wurde. Letzteres wird vor allem bei prominenten Persönlichkeiten der Fall gewesen sein, 1

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»Wer eine Stelle in der Gesellschafft verlanget, soll derselben, entweder in gebundener oder ungebundener Schreibart, eine Probe von seiner Geschicklichkeit geben.« (Grund-Regeln, 1, II; vgl. Nachricht, S. 13). Johann Michael Keck (Ältester der Jenaer Deutschen Gesellschaft) an die Mitglieder, 16. 9.1737 (UB Jena, Ms Prov. f. 132 (10), unpaginiert). Da der hier abgewiesene Kandidat die Absicht hegte, nach Leipzig zu gehen, könnte man vermuten, daß mit den »eifersüchtigen Richtern« die Leipziger Gottschedianer gemeint waren, was auf eine unterschwellige Konkurrenz zwischen der Jenaer und der Leipziger Gesellschaft hindeuten würde. So z. B. Daniel Stoppe, der Gottsched in einem Schreiben vom 27.3. 1728 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 53 r -54 v ) darum bittet, Mitglied werden zu können.

229 deren Beitritt Gottsched und den Seinen wünschenswert erschien. Nicht immer freilich stieß man mit dieser Aufforderung auf eine positive Erwiderung.4 So lehnt Friedrich von Hagedorn das Anerbieten ab, Mitglied zu werden. Er wolle bis zu seiner Rückkehr nach Deutschland warten, wo er seinen Texten nicht mehr englische Redensarten beimischen werde, auch fehle es ihm jetzt an Zeit und Muße: »[...] und ich würde itzt ein sehr unfleißiges und faules Mitglied in einer so rühmlich bemühten Gesellschaft seyn: welches eine Schande ist, die mir gerne ersparen möchte.« 5 Es läßt sich leicht denken (und auch belegen), daß der eigentliche Grund für Hagedorns Ablehnung an anderer Stelle zu suchen ist.6 Im allgemeinen gilt es jedoch bereits nach wenigen Jahren der Existenz der erneuerten Gesellschaft als Ehre, in ihr Aufnahme zu finden. Man äußert die Bitte, sich um die Mitgliedschaft bewerben zu dürfen. So handelt Johann Georg Sachse aus Erfurt erst weitschweifig von seiner seit jeher großen Ehrerbietung, die er der Gesellschaft entgegenbringe: »Die Betrachtung, daß sich soviel gelehrte und erfahrne Männer in Ihrer Gesellschafft befänden, welche durch anderwärtige schöne Proben der gelehrten Welt ihre sonderbare Geschicklichkeit zuerkennen gegeben, ließ mich an einer sehr gründlichen Ausarbeitung ihrer Deutschen Schrifften nicht zweifeln.« Diese Meinung habe sich bestätigt, er wolle daher höchst gerne ein Mitglied der Sozietät werden und sich ihr ganz und gar unterordnen:

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Mit kaum überzeugenden Argumenten weigert sich Joachim Friedrich Liscow, der auch für seinen Bruder spricht, Mitglied der Gesellschaft zu werden: »[...] diese berühmte Gesellschaft« könne sich von ihnen nur »wenig Vorteil« versprechen; sie »laufe Gefahr sich mit ein Paar unnützen Gliedern beschwert zu sehen.« (J. F. Liscow an Gottsched, 13. 11. 1733 [UBL, Ms 0342, II, Bl. 405f.]). Hagedorn an Gottsched, London, 19.11.1730 (UBL, Ms 0342, I, Bl. 321v. Abgedruckt in: Friedrich von Hagedorn: Briefe. 1. Band. Hg. von Horst Gronemeyer. Berlin, New York 1997, S. 18). Andere wiederum scheinen darauf gewartet zu haben, daß man sie darum ersucht, Mitglied zu werden. Da dies nicht erfolgt, läßt man dann über Dritte sondieren. So rühmt Pantke einen Mag. Riborv [?] (ein Mann, »der vielleicht in kurtzen etwas großes werden dürfte«), Die Gesellschaft sollte ihn aufnehmen; Mosheim habe schon einigemal zu erkennen gegeben, »daß man sich wundere warumb die Gesellschaft sich nicht dieses Rechts bediene [...]« (Pantke an Gottsched, Helmstedt, 28.11.1730 [UBL, Ms 0342, I, Bl. 328r-329v). Lamprecht wiederum empfiehlt die Aufnahme eines Hamburger Kaufmannes in die Gesellschaft, da er sich sehr um die Muttersprache bemühe und eine Tragödie (Timoleon) geschrieben habe, »die gewiß gut ist«. Es wäre der Gesellschaft »zuträglich ihn und mehr dergleichen Leute zu berufen« (Lamprecht an Gottsched, 25. 9.1736 [UBL, Ms 0342, III, Bl. 462r"v]). Vgl. Waniek, S. 311. Christian Ludwig Liscow gegenüber äußert sich Hagedorn Jahre später eher spöttisch über die Deutsche Gesellschaft. Im Hinblick auf einen bevorstehenden Besuch Liscows in Leipzig schreibt er: »Vous y trouverez les Dépositaires de tout l'esprit et de tout le goût des anciens et des modernes, qui, par une modestie sans exemple, se bornent au simple nom de soçieté allemande.« (Brief vom 28.12.1739, in: Friedrich von Hagedorn [Briefe], S. 59).

230 Dero gelehrte Schrifften werde zur Richtschnur meiner künftigen Schreib-Art erwehlen, dero gegebene Regeln bestmöglichst in Übung zubringen suchen, und dero Gesetze unverbrüchlich zuhalten bemüht seyn. Auf diese Weise glaube ich zu einer gründlichen Erkänntiß wohl und zierlich zuschreiben, mit der Zeit zu gelangen, besonders wenn sich meine Hochgeehrteste Herren inskünftige die Mühe nehmen sollten, mir meine Fehler bey vorkommender Gelegenheit schriftlich zu zeigen. Ich inzwischen werde nicht unterlassen, alles was mir möglich ist, zur Aufnahme der deutschen Sprache und zur Verherrlichung der Deutschen Gesellschafft beyzutragen.7 Andere Kandidaten verweisen auf mögliche Probestücke, die sie der Gesellschaft unterbreiten möchten. So erwähnt Heinrich Richard Maertens, Konventual des Klosters Michaelstein, das baldige Erscheinen einer Gedichtsammlung, die er zusammen mit anderen beigegebenen Texten als Probestücke anerkannt wissen möchte. Im Namen von Gabriel Wilhelm Gotten bittet er darum, daß dieser zu einem Thema, das die Gesellschaft formulieren möge, eine Rede halten könne. Goetten selbst biete an, über die Verdienste soeben gestorbener Gelehrter zu sprechen. Es folgen die uns schon von der Poetischen Gesellschaft her bekannten Erklärungen der eigenen noch großen Unvollkommenheit im Dichten und Schreiben.8 Es finden sich aber auch Stimmen, die die von der Gesellschaft ausgesprochene Beurteilung der Probestücke nicht akzeptieren wollen und auf ihrer Meinung beharren. Er habe, schreibt Ludwig Friedrich Hudemann, 9 sein Heldengedicht übersandt 10 und darüber die Bewertung (Versicherungs7

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J. G. Sachse an Gottsched, Erfurt, 11.12.1732 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 265r"v). Sachses Aufnahme in die Gesellschaft erfolgte 1733. Auch Christian Andreas Teuber unterwirft sich von vornherein der Entscheidung der Gesellschaft. Er übersendet seine Eintrittsrede und schreibt: »Sollte ich, woran kein Zweifel, hin und wieder in meinen Urtheilen oder Redensarten gefehlet haben, unterwerfe ich mich gänzlich ihrer Entscheidung und Ausbeßerung.« (Teuber an Gottsched, Dedeleben, 5.11.1732 [UBL, Ms 0342, II, Bl. 253r-254r]). Maertens bekennt, daß sie beide dennoch noch nicht eigentlich würdig sind der »auserlesenen Versammlung« anzugehören, aber in einem großen Hause müßten neben silbernen u. goldenen Gefäßen auch hölzerne sein (Paulus) »Insonderheit hoffet man, durch Erlangung dieser Ehre, und die von der Gesellschaft zu erwartenden Anleitung und Ausbeßerung eingesandter Arbeit dergestalt ermundert und in seinem Lauff gestärket zu werden, daß man von Zeit zu Zeit dem Gipfel, wornach man trachtet, näher komme, und endlich die Fertigkeit erlange, in der angebohrenen Sprache sich deutlich, rein und kräftig auszudrücken.« (Brief vom 15.4.1730 [UBL, Ms 0342,1, 224£]). Vgl. Kosch 8, Sp. 207f. Einige weiterführende Mitteilungen finden sich bei Carl Roos: Breve til Johann Christoph Gottsched fra Personer i det Danske Monarki. In: Danske Magazin, 6. Roekke, 3. Bind. Kopenhagen 1918, S. 47 -97, zu Hudemann s. S. 64f. Bereits Anfang April hatte Hudemann angekündigt, im Sommer sein Heldengedicht zuzusenden. Die Gesellschaft solle es mit »äußerster Strenge« zensieren (Hudemann an Gottsched, Schleswig, 9. 4.1736 [UBL, Ms 0342, III, Bl. 367r-368r]). Ein zeitgenössischer Bericht deutet die intensive Kritik an, die seitens der Leipziger Gesellschaft an Hudemanns Gedicht geäußert wurde: »Er [Hudemann] ist dabei von aller Eigenliebe so sehr entfernet, daß er vielmehr, in seinem an uns geneigt

231 schrift) der Gesellschaft empfangen: »Es ist mir gewiß so angenehm als vorteilhaft, daß eine so kluge Versammlung meine Arbeit nach der Vernunft, und den aus deroselben fliessenden Regeln zu prüfen würdiget.« Dennoch stellt er sein Urteil gegen das der Gesellschaft und verteidigt sein Gedicht gegen die uns nicht überlieferte Kritik: Ein zweiter Alexander als Held des Gedichtes hätte durch »seine Scheingröße die wahre Größe meines Friedrichs verdunckelt«, würde »aber auch um desto weniger die Hochachtung und Liebe seiner Leser verdienet haben«. Es folgt eine ausführliche Erläuterung der Intentionen seines Gedichtes. Abschließend hofft Hudemann, daß die Gesellschaft noch zu einer günstigeren Beurteilung seines Gedichtes gelangen möge: »Daher stehe ich noch in der Hoffnung, daß wenn die verehrteste Gesellschaft Friedrich den Dritten in seiner ganzen Gestalt, und nicht nach dem schlechthin gemachten Entwurf der bloßen Verrichtungen desselben ansehen wird, er Ihr vielleicht nicht mißfallen werde.« 11 Blickt man nun auf die Liste der in den ersten vier Jahren der erneuerten Sozietät beigetretenen Personen, fällt eine Beobachtung sofort ins Auge der hohe Anteil von Adligen. 12 Von 38 aufgenommenen Mitglieder sind 17, also fast die Hälfte, Vertreter des ersten Standes. Diese Dominanz des Adels

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abgelassenen, frei gesteht, es müsten allerdings noch einige Aenderungen in diesem Gedichte gemacht werden, fais es den Beifal dieser Geselschaft erlangen sollte. Er wolle zu eben dem ende mit der Herausgabe noch ein Jahr zurück halten, und indessen sich bemühen, sein schärfster Richter zu seyn, um es in den Stand zu setzen, daß es die scharfen Blicke der Kunstrichter ertragen könnte.« (Hamburgische Berichte von neuen Gelehrten Sachen Auf das Jahr 1736. Hamburg 1736, S. 653). Hudemann an Gottsched, 1. 9.1736. Es scheint sich bei dem Text um eine erst 1750 in den Druck gegebene Arbeit gehandelt zu haben: Der großmüthige Friedrich der dritte, König zu Dänemark, in einem Heldengedichte entworfen von Ludwig Friedrich Hudemann. Altona und Flensburg 1750. Nach Angabe der ADB war Hudemann Mitglied der Leipziger Deutschen Gesellschaft (13. Bd., S, 279); in Krokers Mitgliederliste taucht er nicht auf. Eine andere Publikation Hudemanns (Probe einiger Gedichte und Poetischen Ubersetzungen [...] Hamburg 1732) fand die ausführliche Kritik Gottscheds, da sich Hudemann, der Sinnlichkeit und Phantasie als notwendige Eigenschaften für das Dichten hervorhebt, positiv über die Gottsched verhaßte Oper aussprach (Beyträge III, S. 268-316). Vgl. auch Waniek S, 298f£ Wie Mitchell zu der Feststellung gelangen kann, daß die Gesellschaft nach Übernahme ihrer Leitung durch Gottsched »was essentially bourgeois rather than a society dominated by members of the nobility« (Johann Christoph Gottsched, S. 8), ist mir unerklärlich. Die starke Präsenz des Adels in der Leipziger Deutschen Gesellschaft ist schon den Zeitgenossen aufgefallen. So schreibt Johann Michael Keck, Mitglied der Jenaer Deutschen Gesellschaft: »Es ist sich indessen zu verwundern, daß da zu Leipzig so viele Adliche sich in dieser Art von Gelehrsamkeit hervorthun, hier so wenige gefunden werden welche sich darauf legen [...]« (Jena, 8. 3.1731 [UBL, Ms 0342, II, Bl. 13t]). Zum Adel aus der Oberlausitz vgl. Walter von Boetticher: Geschichte des Oberlausitzischen Adels und seiner Güter 1635-1815, im 1. Band (Görlitz 1912), S. 64-110 zum Adel unter kulturgeschichtlichen Aspekten, S. 85ft zu Erziehung und Studium. Nach Boettichers Feststellung waren die geistigen Ansprüche und Bedürfnisse des Adels sehr gering.

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unter den neuen Mitgliedern kommt natürlich nicht aus dem Ungefähren; sie bedeutet ein Programm: Die von Gottsched, May und den anderen führenden Köpfen der Gesellschaft angestrebte Aufwertung der Sozietät zu einer Akademie nationaler Bedeutung erforderte, den Zeitumständen entsprechend, die Protektion dieses Vorhabens durch Vertreter der gesellschaftlichen Elite des Landes. May spricht dies ganz offen aus, indem er an die adligen Mitglieder appelliert, durch ihre Vermittlung solle die Gesellschaft «den großen des Landes bekant werden, ja nicht nur bekant, sondern angenehm werden; ja nicht nur angenehm werden, sondern sie bewegen, unsere Bemühungen ihres Beystandes, Rathes, Schutzes und Gnade zu würdigen.«13 In dem Bestreben, das Interesse der adligen Studenten zu gewinnen, geht der sonst so geldbedürftige Gottsched sogar so weit, seine Vorlesungen für diese sozusagen kostenfrei anzubieten; er nimmt das, was jene ihm geben: »Denn die Wahrheit zu sagen, von Cavallieren pflege ich nicht gern was zu fordern: sondern alles was ich am Ende, oder in der Hälfte der Lectionen bekomme, ist mir recht, und angenehm.«14 Dennoch trifft man auch unter den beitrittswilligen Adligen eine gewisse Auswahl, d.h. auch sie müssen ein Probestück vorlegen. Dieses muß nicht immer Zustimmung finden, wie der Fall des Barons von Räcknitz beweist, der am 1. März 1730 sein Interesse bekundet, Mitglied der Gesellschaft zu werden. Er könne, so sein Vorschlag, als Probe in der Wittenberger Schloßkirche eine Oratio in deutscher Sprache halten. Er wisse jedoch noch nicht so recht zu welchem Thema? Prof. Krause habe ihm geraten über »De jure reformandi principum« zu sprechen. Dieser Vorschlag erscheine ihm jedoch zu »bedenklich« zu sein, er bitte daher um Gottscheds Rat, dem er »gewiß schuldigen Gehorsam leisten« wolle.15 Weitere Schreiben des Barons sind uns nicht überliefert; Mitglied der Deutschen Gesellschaft ist er jedenfalls nicht geworden. Bei allem Pochen auf die »Geschicklichkeit« der Kandidaten sieht man sich andererseits dem Druck ausgesetzt, den Bekanntheitsgrad der Gesellschaft und ihr Ansehen zu steigern, also möglichst vielen und möglichst vornehmen Personen Einlaß zu gewähren. Vor allem Mosheim weist immer wieder auf diese Zwänge hin: »Sind die Leute nur einigermassen geschickt, so ists besser, daß man sie aufnehme, als abweise. Je stärcker die Anzahl der äusserlichen Mittglieder, je mehr wird sich, meines wenigen Erachtens, die Ehre und der Ruhm der Gesellschafft ausbreiten und fester setzen.«16 13 14

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Zweite Rede Mays, s. Quellentexte, Nr. 2. Gottsched an Friedrich Heinrich von Seckendorf, 6. 6.1752 (Altenburger Staatsarchiv, Seckendorf-Archiv, Nr. 1113, Bl. 172v). Dieser Beleg stammt zwar aus einem späteren Zeitraum, man wird jedoch annehmen dürfen, daß Gottsched auch schon eher diese Gepflogenheit verfolgte. Baron von Räcknitz an Gottsched, Wittenberg, 1. 3.1730 (UBL, Ms 0342, I, Bl. 200 r -201 v ). Mosheim an Gottsched, Helmstedt, 22. 4.1733 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 328 r -329 r ).

233 Bemerkenswert ist weiterhin, daß die Oberlausitz als Einzugsgebiet der Mitgliederschaft nun ganz in den Hintergrund tritt; in den Jahren zwischen 1727 und 1730 kommen nur noch zwei der neuen Mitglieder aus jener Region (Lauban und Zittau). Mehrere stammen aus Schlesien (meist Breslau), einige aus Leipzig selbst, andere aus Thüringen und dem anhaltinischen Raum. Auch die der Stadt Görlitz und insbesondere die dem Schulrektor Grosser entgegengebrachten Huldigungen finden ihr Ende. Keines der jetzt einflußreichen Mitgliedern kommt mehr aus Görlitz; Gottsched hat, soweit wir sehen, keine besondere Verbindung zu den Lausitzen unterhalten. Daß man nicht einmal mehr die aus der Görlitzer Schulbibliothek entliehenen Gedichtbände der Gesellschaft zurückgibt, haben wir bereits gehört (s. Kap. 2, Anm. 17). Das vielleicht bedeutendste neue Mitglied ist Johann Heinrich Winkler (1703-1770, Mitglied am 1. 3.1727). Nach seinem Studium in Leipzig wirkt er lange Jahre als Lehrer an der dortigen Thomasschule und erlangt erst 1739 eine außerordentliche Professur. 1742 erhält er den Lehrstuhl der Griechischen und Lateinischen Sprache, 1750 den der Physik. Der aus Lauban kommende Winkler17 wandelte sich in einem langwierigen Prozeß aus einen Anhänger Andreas Rüdigers in einen (bedingten) Vertreter der Philosophie Wolffs; sein philosophisches Hauptwerk Institutiones philosophiae Wolfianae erlebt immerhin drei Auflagen.18 Auf dieser Ebene trifft er sich mit Gottsched; folgerichtig ist er eines der Mitglieder der Societas Conferentium, die Gottsched in Erinnerung an eine Gelehrtengesellschaft aus Leibniz' Jugendzeit in Leipzig gründet.19 Später gehört Winkler auch der Societas Alethophilorum an, in der sich in Leipzig um den Grafen Manteuffel und Gottsched die Verfechter der Leibniz-Wolffischen Philosophie sammeln. Den Fortschrittsoptimismus der Zeit teilt Winkler voll und ganz: Die Zeit, in der man

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Gottsched, heißt es in einem anderen Schreiben, stehe am Hof in gutem Ansehen; er möge den zweiten Band der Reden der Gesellschaft an den Herzog schicken, denn man »muß alles thun, was man kan, in der Gnade derjenigen sich zu erhalten, die den Wissenschafften durch ihre Macht und Ansehen eine Stütze geben können.« (Mosheim an Gottsched, Helmstedt, 15. 9.1734 [UBL, Ms 0342, III, 118 r 119v]). Die ausführlichste Darstellung des Lebens Winklers bietet Zedier, Bd. 57, Sp. 557576. Der umfangreiche Artikel beruht z.T. auf mündliche Mitteilungen Winklers. Vgl. ansonsten Meusel 15, S. 219-222 und Otto 3, S. 529-532 (beide Artikel mit Schriftenverzeichnis Winklers). Zu Winkler als Naturwissenschaftler vgl. J. C. Poggendorff: Biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften. Bd. Vila. Supplement. Hg. von Rudolph Zaunick. Berlin 1971, S. 775f. In der Praefatio zu diesem Werk schildert er kurz seinen Weg zu Wolff (ausführlicher in dem schon erwähnten autobiographischen Artikel im Zedier): »Philosophie Ridigeri seposita, Wolfianam profiteri coepi. Neque defuit auditorum numerus: quamvis, neque libris Wolfii adhibitis, neque doctrinis ipsius dictatis, praelectiones instituerim.« Vgl. D. Döring (Die Philosophie Gottfried Wilhelm Leibniz'), S. 67f.

234 Grillen jagte oder taube Wörter drosch, sei vorüber. Jetzt achte man auf die Sprache, drücke sich verständlich aus, denke mit dem Verstand, orientierte sich am Nützlichkeitsprinzip.20 Bald gerät der junge Winkler in Konflikt mit der Universitätsleitung, die ihm Nähe zur Leibnizisch-Wolf fischen Philosophie, ja zum Spinozismus vorwirft. In einem Schreiben der Philosophischen Fakultät an den Rektor wird geklagt: In einer Disputation De generis humani Redemtore, die Winkler »unser Facultät zur Censur überreichet hat«,21 verteidige der Autor zahlreiche schwerwiegende Irrtümer. Denn gleichwie in denjenigen Schulen, welche er frequentiret hat, gelehret wird, daß man auch mysteria fidei insonderheit das Geheimniß der Heiligen Dreieinigkeit auß dem Lichte der Natur demonstriren könne, wie denn auch gelehret wird, quod sola philosophia sit eruditio, daher denn folget, daß man weder Theologie, noch Jurisprudenz noch medicin nöthig habe: also hat nun auch gedachter M. Winckler die Lehre de generis humani redemtore auß der Vernunft erweisen wollen.22

Diese gegen ihn gerichtete Klage wird Winkler noch zehn Jahre später beinahe zum Verhängnis, da die Universität unter Hinweis auf diesen Vorgang abrät, Winkler zum außerordentlichen Professor zu ernennen: Winkler vertrete immer noch die Wölfische Philosophie, die bekanntlich für die jungen Leute nicht die beste wäre. Auch das Oberkonsistorium sieht Gefahren, denn die Philosophie Wolffs sei »in der Theologie böse und schädlich, in der Morale ungeräumet«, ja sie würde »selbsten denen Principiis physicis zuwiederlauffen, mithin aus solcher Erudition dem Publico mehr Schaden als Nuzen zuwachsen kann.« Im übrigen sei Winkler ein ganz untergeordneter Lehrer, der daher gar nicht würdig wäre, zu einem Professor an einer königlichen Universität berufen zu werden.23 Auffällig ist, daß Winklers heterodoxen Ansichten nach der im Gutachten von 1729 formulierten Auffassung der Fakultät ein Ergebnis seines Schulbesuches in der Oberlausitz seien. Vielleicht ist auch seine intensive Beschäftigung mit der Elektrizität, die Winkler später weit über Leipzigs Grenzen hinaus Ruhm verschafft,24 bereits in seiner Heimat angeregt worden. Seit den dreißiger Jahren gilt er jedenfalls in der Oberlausitz als ein »wahrer 20

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So Winkler in einem Gedicht auf die Ernennung Gottscheds zum Professor für Logik und Metaphysik (Eigene Schriften II, S. 2 0 0 - 2 0 5 [203]). Eine solche Disputation habe ich bibliographisch nicht ermitteln können. Schreiben der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig an den Rektor, Mai 1729, Universitätsarchiv Leipzig, Phil. Fak. Β 14, S. 172-192, teilweise veröffentlicht bei D. Döring (Die Philosophie Gottfried Wilhelm Leibniz'), S. 129fñ Schreiben des Oberkonsistoriums an den König und Kurfürsten, 27.1.1738 (SHA, Loc. 6111, Ersetzung derer Professoren-Stellen in der Phil. Fac. zu Leipzig. Vol. II., Bl. 174-179). Vom Kurprinzen erfährt er daher ausdrückliche Protektion; 1747 wird er sogar Mitglied der Londoner Akademie. Vgl. Das geheime Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian 1751 bis 1757. Hg. von Horst Schlechte. Weimar 1992 (Schriftenreihe des Staatsarchivs Dresden 13), S. 230f.

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Menschenfreund«,25 als einer der großen Söhne des Landes, als Glanzlicht der Wissenschaft.26 Über den Weg, der ihn in die Deutsche Gesellschaft führte, berichtet Winkler selbst: Durch den Besuch der damals äußerst beliebten Predigten des Oberkatecheten Adam Bernd in der Petrikirche sei er und sein Landsmann und Freund Gottfried Förster dazu angehalten worden, das Predigen mit der »Wohlredenheit« zu verbinden; beide strebten zu diesem Zeitpunkt ein geistliches Amt an. Um ihre Rednergaben zu verbessern, hätten sie Gottscheds Rhetorikvorlesungen besucht, im Anschluß daran wäre ihnen die Aufnahme in die Deutsche Gesellschaft gewährt worden. Winkler ist fortan eines der tätigsten Mitglieder der Gesellschaft, wenn auch seine hauptsächliche Beschäftigung immer das Gebiet der Physik bleibt. So gehört er 1732 zu einer Gruppe von fünf Personen, die unter der Leitung von May im Auftrag der Gesellschaft einen von Gottsched aus Dresden zugesandten schriftlichen Entwurf über die Umwandlung der Sozietät in eine königlich-kurfürstliche Akademie überarbeiten. 27 Im Rahmen der Gesellschaft ist Winkler vor allem mit einigen Beiträgen zur deutschen Sprache hervorgetreten,28 so mit einer Ansprache Rede von der Schönheit der Sprachen überhaupt, die sich im handschriftlichen Prosaband (s. Quellentexte, Nr. 10) befindet und später auch im ersten Band der Eigenen Schriften veröffentlicht wird (S. 32ff.), oder mit der Abhandlung Von der Schönheit der Deutschen Sprache in Absicht auf ihre Bedeutung. In der Bedeutung der Wörter bestünde die ganze Absicht einer Sprache: »Je klärer also die Wörter sind, je besser wird die Absicht der Sprache erreicht.« Es gilt, um die Klarheit der Sprache zu erreichen, Fremdwörter und veraltete Ausdrücke zu meiden, auf die Verwendung von Mundarten zu verzichten, Dunkelheit und Unverstand aus den Redewendungen zu verbannen, jedem Schwulst den Kampf anzusagen.29 Bemerkenswert ist auch, daß Winkler den Text einer von Bach vertonten Kantate zur Eröffnung der umgebauten Tho25 26

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So Otto 3, S. 529. Vgl. Ober-Lausitzischer Beytrag, 1. Jg. (1739) S. 777f£ (Winkler wird hier vor allem als Mathematiker gelobt. Er zeige, »wie weit ein Natur-Lehrer kommen könne, wenn er die Mathematick gründlich inne hat.«). Vgl. auch Arbeiten einer vereinigten Gesellschaft, 2. Bd., 3. Stück, S. 335f£ (über Wincklers Experimente mit der Elektrizität). 1748 kommt es in Zittau gar zur Gründung eines Elektrizitäts-Collegium, das mit Winkler Verbindung aufnimmt und dem mit Knoblauch auch ein früheres Mitglied der Deutschen Gesellschaft angehört. May an Gottsched, Leipzig, 17.2.1732 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 149 r -150 r ). Außerdem läßt sich wenigstens eine Übersetzung nachweisen: Des römischen Consuls M. T. Cicero drey Bücher von dem Wesen und den Eigenschaften der Götter, an den Marcus Brutus/ aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzt. Leipzig 1739. Beyträge I, S. 55-69. Jahre später har Winkler im Namen der Deutschen Gesellschaft noch folgende kleine Schrift veröffentlicht: Der deutschen Gesellschaft in Leipzig Sendschreiben von dem Wachsthume deutscher Sprache durch Hülfe der lateinischen [...]. Leipzig 1740.

236 masschule verfaßte: »Froher Tag, verlangte Stunden/ Nun hat unsre Lust gefunden,/ Was sie fest und ruhig macht./ Hier steht unser Schul-Gebäude,/ Hier erblicket Aug und Freude/ Kunst und Ordnung Zier und Pracht [.. .].«30 Wir werden darin jedoch keinen Beleg für eine Verbindung Bachs mit der Deutschen Gesellschaft sehen können, da Winkler diesen Text in seiner Eigenschaft als Lehrer an der Thomasschule verfaßt haben wird. Bestand die überwiegende Zahl der Mitglieder der Görlitzer Poetischen Gesellschaft aus Theologen, so ist zwar in der erneuerten Sozietät diese Dominanz nicht mehr zu spüren, dennoch kommt es auch weiterhin zum Eintritt mehrerer Theologen bzw. späterer Geistlicher. Sie gehören, soweit es sich feststellen läßt, allesamt jener Richtung innerhalb der Theologie an, die eine Verbindung zwischen dem Christentum und der Aufklärung anstrebt. Es ist genau das Programm, das auch Gottsched, May und andere führende Köpfe der Gesellschaft verfolgen, und so dürfte die Wahl jener neuen Mitglieder von ihnen betrieben worden sein. Eher noch innerhalb der früheren Traditionen der geistlichen Dichtungen der Gesellschaft scheint Karl Heinrich Lange (1703-1753)31 zu stehen, der allerdings kein geistliches Amt ergriff, sondern nach seinem Studium in Jena, wo er auch Vorlesungen zur Poetik hielt, in Lübeck Rektor wurde. 1728 wird er zum Mitglied gewählt, wofür er sich bei Gottsched überschwenglich bedankt. Daß er ein Anhänger des Wolffianismus ist, zeigt die Tatsache, daß er Gottscheds Weltweisheit seinem Philosophieunterricht zugrunde legt.32 Das Ziel der Gesellschaft sieht er durchaus in weiten Dimensionen: Die deutsche Sprache solle so unentbehrlich werden wie das Französische. Dieser »kühne Vorsatz« könne nicht von einem einzelnen verfolgt werden, sondern bedürfe die »Kräffte einer gantzen Gesellschaft.«33 Besondere Hinneigung 30

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Als die von E. Hoch-Edlen ... Rathe der Stadt Leipzig neugebauete und eingerichtete Schule zu St. Thomä den 5. Jun. Durch etliche Reden eingeweyhet wurde, ward folgende Cantata dabey verfertiget und aufgeführet von Joh. Sebastian Bach [...] und M. Johann H. Winckler. Leipzig o. J. Der Text der Kantate ist abgedruckt bei Spitta (Johann Sebastian Bach), 2. Bd., S. 889f£ Spitta meint, es handele sich hier um eine »herzlich schlechte Dichtung« (2. Bd., S. 93). Bachs Musik ist nicht überliefert. Vgl. ADB, 17, S. 646; Meusel 8, S. 53-56 (mit Bibliographie). G. W. Goetten: Das jetztlebende gelehrte Europa. 2. Auflage. 2. Bd. Braunschweig 1736. Vgl. auch Waniek, S. 261f. (über Langes Stellung zum Verhältnis Deutsch und Latein). Karl Heinrich Lange an Gottsched, Lübeck, 16.4.1738 (UBL, Ms 0342, IV, Bl. 301 r -302 r ). Gottscheds Buch würde die Gedanken Wolffs in einer angenehmeren Sprache wiedergeben. Lange an Gottsched, Jena, 2.6.1728 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 61 r -62 v ). Weiter heißt es: »[...] und verspreche wenn meine Fliegel etwas heran gewachsen, nicht eher zu ruhen, biß wir unsere Deutsche Sprache eben so unentbehrlich gemacht haben, als die Frantzosen die ihrige. Mein Vorsatz ist kühne, doch was thut nicht eine rühmliche Ehrbegierde, und eifrige Vorgänger, meine Kräffte reichen zwar nicht zu, doch was einzeln Personen unmöglich, können die Kräffte gantzer Gesellschafften aus richten. Ich hoffe unter so edler Anführung eine zeitlang zu lernen, und als den

237 bringe er der Odendichtung zu, und hier seien ihm Gottsched und Seidel die unübertreffbaren Meister. 34 Drei Jahre später veröffentlichtet Lange Hundert Geistliche Oden, die noch ganz den Geist der religiösen Verse atmen, wie wir sie zuhauf in den Gedichtbänden der Gesellschaft finden, ζ. B. die Mahnung an die Vergänglichkeit allen Seins (»Tod und Bahre warten mein/ Wenn ich noch so lange lebe/ Und mich diesem eitlen Schein/ Auf viel Jahre noch ergebe;/ Denn der Schatten letzter Nacht/ Wird auf alles Fleisch gebracht./ Meine Gruft ist schon bereit/ Als ich kaum noch schien gebohren [.. .]«);35 Verachtung der Welt und Sehnsucht nach dem Jenseits (»Wer dieses Leben lieb gewinnt/ Und an der Wollust-Garne spinnt/ Der wird es gar verliehren;/ Wer aber alle Güter haßt/ Und keine Lust zum Leben faßt/ Den wird die Krone zieren«; 36 oder: »Entweiche schnödes Welt-Getümmel!/ Mein Lauf ist nach der Höh' gericht./ Ich wehle mir den süssen Himmel/ D e n Gottes Gnaden-Wort verspricht«). 37 In seiner ausführlichen Vorrede (datiert auf den 30.3.1731) betont Lange den höheren Wert geistlicher Dichtung im Vergleich zur weltlichen. Gleichwohl habe auch letztere ihren berechtigten Platz, sofern sie eine »vernünftige Moral« lehrt und niemanden schadet. Die vorliegenden Oden seien aus seinem Poetikunterricht hervorgegangen und sollten die Jugend »bey Zeiten dazu gewöhnen/ daß sie ihre Gedancken zu Gott richten«; das Verfassen weltlicher Gedichte übe er in einem »privatCollegio«.

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durch Ubersetzung einiger lateinischen Rednern ein Versuch zu thun, ob denn unser Deutschland sich nicht eben so männlich, kurtz und eigentlich ausdrücken könne, als die alten Römer und andere Völker gethan haben. » »Es ist eine Art des Vergnügens die ich nicht zu beschreiben weiß, wenn ich den deutschredenden Fontenelle durchblättere [...] Die gantze Beschaffenheit der Schreibart hat so was eigenes, daß ich muthmaße, die deutsche Gesellschafft, habe ihnen deswegen den Entwurf ihrer erneuerten Grundregeln aufgetragen, weil sie nur von einem Fontenelle solten geschrieben werden. Wenigstens finde ich unter der Schreibart Ew. HochEdlem und des Verfassers dieses Entwurfs eine große Gleichheit. Ich gestehe meine Freyheit im Schreiben, es geschieht aber nicht unüberlegt. Die besondern Verdienste der übrigen Mittglieder dieser glücklichen Gesellschafft sind mir nicht unbekant. Ich bewundere die wohlgesetzten Rede des H von Kirchbach auf den Tod der grossen Königin. Mich vergnügt die critische Untersuchung der Ehrfurcht, welche den H von Heinitz zum glücklichen Vater erkennet. Die lebhafte und bewegliche Ode des H M. Seidels ist unvergleichlich. Ich bezeuge, daß meine Wenigkeit an dieser Verdienste nicht reichet, ich weiß aber auch, daß sie dennoch Gottsched nicht geschrieben. Das Hirten Gedicht Endimion ist ausnehmend, und wenn ich die Ode auf den Tod des großen Petri darzu sehe kan ich ohne Verletzung der Wahrheit sagen: Gottsched sey ein würdiger Senior der Deutschen Gesellschaft« (Lange an Gottsched, Jena, 9.2.1728 [UBL, Ms 0342, I, Bl. 471]). Carl Heinrich Lange: Hundert Geistliche Oden über alle Sonn- und Fest-TagsEvangelia als das zweyte Jahr Lübeckischer Schul-Arbeit öffentlich heraus gegeben. Lübeck 1731 (Das mir vorliegende Exemplar aus der Bibliothek der Deutschen Gesellschaft trägt auf dem Titelblatt die Notiz »H Profess. Gottsched«.), S. 178f. Hundert Geistliche Oden, S. 133. Hundert Geistliche Oden, S. 98t

238 Lange publizierte auch eine Sammlung Geistlicher Reden (Lübeck 1732), die von einer Vorrede Mosheims begleitet ist. Nach einem zeitgenössischen Urteil sei der Autor des Bandes bemüht, »gründlich zu überzeugen/ nachdrücklich zu bewegen«, die Andacht durch »muntern Vortrag« zu wecken und durch »wohlgesetzte Worte« zu unterhalten. 38 Die intensive Beschäftigung mit geistlichen Texten muß bei Gottsched sogar den Eindruck erweckt haben, Lange strebe ein Predigeramt an. Er sei viel zu gerne Lehrer, antwortet der Befragte, um einen solchen Schritt zu gehen. Er wolle jedoch mit seinen Predigten zeigen, daß »man nicht lauter elende Predigten« halten müsse. 39 Andere Betätigungen Langes entsprechen durchaus den Bestrebungen der Deutschen Gesellschaft: Er beschäftigt sich mit der deutschen Literaturgeschichte,40 fertigt Übersetzungen an,41 sendet der Bibliothek der Gesellschaft zahlreiche Bücher zu (s. S. 182) und arbeitet an der Festlegung der deutschen Rechtschreibung. 42 In besonderem Maße ist Lange wohl sein Einsatz für die Pflege der deutschen Sprache an den Schulen anzurechnen. Dabei hat er es in diesem Bestreben keineswegs einfach: Er werde, so sein eigener Bericht, in Lübeck als »deutscher Michel« ausgescholten. Der Superintendent Carpzov sei gar sein Feind, weil er, Lange, »die deutsche Sprache liebe, und die Kühnheit gehabt, bey gewissen Umständen zu zeigen, daß die deutsche Sprache wohl so nöthig sey, als die Lateinische.« 43 Zu Gottscheds Freunden aus seiner Königsberger Jugendzeit gehört Daniel Heinrich Arnold (1706-1775, Mitglied 1729), 44 der in den zwanziger Jahren in Halle studierte und zu den Anhängern der Philosophie Wolffs zu 38

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Auserlesene theologische Bibliothek, oder Gründliche Nachrichten von denen neuesten und besten theologischen Büchern und Schrifften. 69. Teil, S. 831. Lange an Gottsched, Lübeck, 6.12.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 176r-177r). Nicolaus Frischlinus, vita, fama, et scriptis memorabilis. Jena 1725 und erweiterte Auflage 1727. Z. B.: Horatii Gedanken von der Dicht-Kunst in deutsche Verse übertragen. Lübeck 1730. Vgl. Jenaer Monatliche Nachrichten.. 1727. Brief vom 6.12.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 176r-177r). Vgl. Kosch, Ergänzungsband 1, Sp. 273, NDB, I, S. 392; Meusel 1, S. 109-112 (mit Bibliographie). Vgl. auch den 1. Supplementband von Zedlers Lexikon (Leipzig 1751), Sp. 371-74 (mit ausführlichem Schriftenverzeichnis einschließlich der Angabe von Rezensionen zu Arnolds Veröffentlichungen). Ein Verzeichnis seiner Werke (mit Angabe der sie besitzenden Bibliotheken nach dem Vorkriegsstand) bietet auch der Deutsche Gesamtkatalog, Bd. 13, S. 200f£ Einige Informationen zu Arnolds Wirken in Königsberg finden sich auch in: Benno Erdmann: Martin Knutzen und seine Zeit. Ein Beitrag zur Geschichte der Wolfischen Schule und insbesondere zur Entwicklungsgeschichte Kant's. Leipzig 1876 (Nachdruck Hildesheim 1973). S. llff. (Die geistige Entwicklung Königsbergs von 1700 bis 1750). Vgl. zu diesem Thema jedoch vor allem Gerhard Kessler: D. Daniel Heinrich Arnoldt und der Pietistenkreis in Königsberg. In: Altpreußische Geschlechterkunde 8 (1934), S. 9-24. Zu Arnolds Briefwechsel mit Gottsched vgl. Gerhard Kessler: Altpreußische Briefe an Johannn Christoph Gottsched. In: Altpreußische Geschlechterkunde 11 (1937), S. 1-44. Im VII. Band der Gedichte von Hoffmannswaldau findet sich

239 rechnen ist, sich zugleich aber auch stark pietistisch beeinflußt zeigt. Nach seiner Rückkehr nach Ostpreußen durchläuft er dort eine Karriere als Theologieprofessor und Geistlicher, die ihn schließlich bis zur Stelle eines Oberhofpredigers führt. In den dreißiger Jahren ist er allerdings in die schweren Auseinandersetzungen um den Pietismus, die damals Königsberg erschütterten, und in deren Zusammenhang ζ. B. Die Pietisterey im Fischbeinrock der Gottschedin zu sehen ist, hineingezogen worden, was uns hier jedoch nicht beschäftigen kann.45 Arnold hat seine Auffassungen zur Dichtkunst in einem Buch niedergelegt, das zwei Auflagen erlebte.46 Grundlage alles Dichtens bildet das Vermögen, »durch eine gesunde Vernunfft-Lehre ordentlich und gründlich dencken« zu können. Der Dichter muß weiter »von allen Wissenschafften zulängliche Nachricht besitzen«, über eine »gesunde Philosophie« verfügen und »zur Ruhe der Seelen in GOTT gelanget« sein. Er darf nichts schreiben, das unnütz oder unanständig ist oder Ärgernis erregen könnte. Sein Bestreben soll in der Belehrung und Besserung des Lesers bestehen.47 Damit befindet sich der Poet ganz in der Nähe des Redners - beide wollen den Leser oder Hörer bereden und sein Gemüt bewegen. Als Beispiele der Poesie dienen Arnold in der Hauptsache geistliche Gedichte. Bei ihnen sei, heißt es in der Vorrede zur zweiten Auflage, kein Schade für den Leser zu befürchten, und sie würden außerdem »noch einen guten Eindruck den zarten Gemüthern geben können«; gemeint ist die Schuljugend, der, so Arnold, das Buch als Lektüre dienen möge. Zu den jetzt eintretenden Theologen gehört auch Johann Friedrich Christoph Ernesti,48 ein Bruder des berühmteren Johann August Ernesti. Wenn

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ein Gedicht Arnolds: Letzte Gedancken Herrn J. G. Gottscheds bey seinem Abschied aus dieser Zeitlichkeit entworffen (S. 418f£). Vgl. Theodor Wotschke: Der Pietismus in Königsberg nach Rogalls Tode in Briefen. Königsberg 1929/30 (Schriften der Synodalkommission für ostpreußische Kirchengeschichte 28), S. 88ff. (Auszüge aus Briefen Arnolds an Gotthilf August Francke in Halle). Daniel Heinrich Arnoldt: Versuch einer Systematischen Anleitung zur Deutschen Poesie überhaupt. Königsberg 1732. Im Titel der 2. Auflage (Königsberg 1741) wird »systematisch« durch »nach demonstrativischer Lehrart« ersetzt. Die folgenden Ausführungen stützen sich auf das Anfangskapitel »Vorbericht von der Natur der Poesie« (S. 1-13) und das Schlußkapitel »Von der Poetischen Schreib-Art« (S. 183206). »Dem Leser kan ein Gedicht nicht nur zu einem grossen Hülffs-Mittel des Gedächtnisses gereichen/ sondern auch zu Bewegung und Besserung des Willens beförderlich seyn/ weil die gebundene Rede grosse Vortheile des Leser das Herz zu stehlen mit sich führet.« (S. llf.) Zu den Aufgaben der Dichtkunst rechnet Arnold u.a. auch die Ausbreitung der Religion und die Vermittlung ganzer Wissenschaften »auf eine angenehme Art«. In der zweiten Auflage ist die Aussage über die Bedeutung der Poesie für die Ausbreitung der Religion und die Erkenntnis Gottes gestrichen worden. Vgl. Ludwig Friedrich Hesse: Verzeichnis Schwarzburgischer Gelehrten und Künstler aus dem Auslande. 2. Stück. Rudolstadt 1832, benutzt nach dem Deutschen biographischen Archiv.

240 Gottsched fordert, die »heiligen Wahrheiten unsers Glaubens [...] nach einer natürlichen, vernünftigen und ungezwungenen Lehrart« vorzutragen,49 so entspricht dies ganz den Vorstellungen Ernestis über eine Reform der Homiletik. Die Erklärung für die Verderbnis des Willens sieht er in der Verfinsterung des Verstandes begründet. Die »Lust zur Tugend« entbrennt dann, wenn der Verstand aufgeklärt wird. Hier schlägt nun die Stunde der Theologen, deren »Wissenschaft« den Weg zur Glückseligkeit weist: »Ist nun die Gottesgelahrtheit eine Wissenschaft solcher Wahrheiten, auf deren Erkenntniß und Ausübung das Heil aller Menschen beruht: So ist die Pflicht eines Gottesgelehrten, andern deutliche Begriffe von himmlischen Dingen durch einen geschickten Vortrag beyzubringen.«50 Bemerkenswert ist Ernestis Tätigkeit als Übersetzer von Jacques Lenfants Le Ν. Testament de notre Seigneur J. C. traduit en françois sur l'original grec, avec des notes Hiérales pour éclairer le texte (Amsterdam 1718).51 Dennoch wäre es nicht richtig, die unter Gottscheds Führung stehende Deutsche Gesellschaft als eine Organisation zu betrachten, die nunmehr ganz auf die Leibniz-Wolffische Philosophie eingeschworen ist. Wir finden auch Vertreter anderer Positionen, so z. B. Johann Heinrich Liebers, der 1727 der Gesellschaft beitritt und durchaus eines ihrer tätigsten Mitglieder wird. Er scheint vor allem als Übersetzer gewirkt zu haben. Zu seinen Übertragungen gehört kein geringeres Werk als Swifts Gulliver,52 eine von ihm angefertigte Übersetzung von Ciceros Traum des Scipio erscheint innerhalb der Schriften der Sozietät;53 Liebers übersetzt schließlich auch eine Abhandlung des englischen Theologen Christian Jacob Swinden (aus dem Jahre 1714) über den Ort der Hölle.54 In einem programmatischen Vorwort erläutert der 49 so

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Rede wider die sogenannte Homiletik, zitiert nach AW VII/3, S. 131-138 (138). Johann Friedrich Christoph Ernesti: Rede von der nötigen Verbindung der Beredsamkeit mit der Gottesgelahrtheit. In: Eigene Schriften II, S. 180-192 (184). Von der Gründlichen Vorbereitung, die Bücher des Neuen Testaments niizlich zu lesen. Leipzig 1728. Vgl. Theologische Realencyclopädie, 11. Bd., S. 366t Zu Lenfants Wirken in Berlin vgl. Rolf Geißler: Die Hugenotten im literarischen Leben Berlins. In: Hugenotten in Berlin. Hg. von Gottfried Bregulla. Berlin 1988, S. 363391, (369ff). Vgl. auch L. Noack/J. Splett (Bio-Bibliographien), S. 237-244. Wichtig war u. a. Lenfants Tätigkeit als Herausgeber der »Bibliothèque germanique«. Des Capitain Lemuel Gullivers Reisen in Neu entlegene Länder: Erster und Anderer Theil [...] aus dem Frantzösischen ins Teutsche übersetzt. Leipzig 1728. Liebers Übersetzung wird im Verzeichnis der Veröffentlichungen der Mitglieder der Deutschen Gesellschaft angeführt (s. Eigene Schriften I, S. 531f.). Eigene Schriften I, S. 495ff. Herrn Swindens [...] Theologische und Historische Betrachtung von der Hölle und Teufel, Darinnen die Beschaffenheit des höllischen Feuers, und der Ort, da die Hölle gelegen [...] erwiesen und gezeigt werden. Leipzig 1728, weitere Auflagen 1731 und 1738. Swindens Versuch, die Hölle innerhalb der Sonne zu lokalisieren, ist im übrigen bereits als Versuch zu sehen, christliche Glaubensartikel mit dem modernen Weltbild zu harmonisieren. Liebers scheint sich überhaupt mit dem in Deutschland wachsendes Interesse findenden Schrifttum englischer Theologen beschäftigt zu haben. Am 22. 3.1730 teilt er Gottsched mit, daß sich ein »gelehrter

241 Übersetzer seine Auffassung über Berechtigung und Grenzen der Untersuchung von Glaubensfragen mittels der Vernunft. Letztere besitze durchaus eine Berechtigung, im Bereich der Religion zu wirken - aber keineswegs in Form einer vernünftelnden Kritik an den Aussagen der Schrift: »Was ich in den heiligen Büchern finde, das mus ich glauben; weil es die Wahrheit selbst gesagt hat.« Hier muß sich die Vernunft »gefangen nehmen« lassen. Nur an Fragen, über die keine göttliche Offenbarung vorliegt, kann sich die Ratio »schärfen«, ansonsten verfällt man hoffnungslos dem Atheismus. Die Existenz der Hölle zählt nun zu den unanzweifelbaren Glaubensartikeln; gleiches gilt für deren Ewigkeit; es sind Artikel, die die Frage der ewigen Seligkeit betreffen. Diskutieren könne man jedoch über den Ort des ewigen Höllenfeuers, hier gibt es keine Aussage der Heiligen Schrift. So verteidigt Liebers die Behauptung Swindens, die Hölle befände sich in der Sonne, als legitime These. Dabei wendet er sich sowohl gegen die Theologen, die eine solche Diskussion unter Hinweis auf fehlende Schriftaussagen verwerfen, als auch gegen die »metaphysischen Gelehrten«, die »nichts vor wahr halten, als was sie von ihren grossen Anführern gelernet«, und daher das Buch Swindens verächtlich beiseite schieben. Was die engere Frage, Ort und Ewigkeit der Hölle, angeht, befindet sich Liebers im Abseits zur Stellung der Aufklärung,55 deren Optimismus den Glauben an die Ewigkeit der Höllenstrafen ablehnt und deren Ort im jeweiligen Gewissen des Menschen festmacht.56 Noch deutlicher wird Liebers Abstand zu der nun in Leipzig, vor allem auch dank des Wirkens Gottscheds, um sich greifenden modernen Philosophie von Leibniz und Wolff in Hinsicht auf das Verhältnis von Glaube und Vernunft. Vergleichen wir seine Position mit der fast gleichzeitig publizierten Auffassung des ebenfalls in Leipzig lebenden berühmten Christian Gottlieb Jöcher,57 werden die gravierenden Unterschiede offenbar. Auch Jöcher spricht von der Harmonie zwischen Glauben und Vernunft, vom Dienst der Ratio an der Offenbarung, aber doch in einem gänzlich anderen Sinn. Die ideale Verbindung beider Größen habe, meint Jöcher, Leibniz gefunden. Zu dessen Auffassung über die Stellung der Vernunft zu den Artikeln des Glaubens können wir in der Theodizee jedoch folgende, konträr zu Liebers Über-

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und erfahrner Mann« in Meißen gerade mit der »Medicinischen Religion« beschäftige. Er, Liebers, wolle mit der Übersetzung des Textes noch warten. Den »Englischen Landsleuten« jener »Religion« solle Gottsched mitteilen, daß »sie sich ihrentwegen nichts böses zu befahren hätten.« (UBL, Ms 0342,1, Bl. 209v). Liebers Übersetzung ist auch in das Verzeichnis der Publikationen der Gesellschaft aufgenommen worden. Die ewige Existenz der Hölle wird allerdings auch von Leibniz verfochten. Vgl. Georges Minois: Die Hölle. Zur Geschichte einer Fiktion. München 1996 (frz. 1991), S. 353ff. Vgl. Heinz D. Kittsteiner: Die Entstehung des modernen Gewissens. Frankfurt/M. u. Leipzig 1991, S. 144ff. (zu Swinden S. 148). Christian Gottlieb Jöcher: Philosophia haeresium obex. Leipzig 1732, S. 62£

242 zeugung stehende Definition lesen: »[...] si les objections de la raison contre quelque article de foi sont insolubles, il faudra dire que ce prétendu article sera faux et non révélé: ce sera une chimère de l'esprit humain [,..].« 58 Ein weiteres Beispiel für das zunehmende Interesse an der englischen Literatur bietet das Übersetzungswerk 59 des Georg Christian Wolf (Mitglied 1727), 60 in dessen Mittelpunkt Schriften von Jonathan Swift stehen; so ist Wolf der Erstübersetzer des Märchens von der Tonne.61 Im Biedermann druckt Gottsched einen Ausschnitt aus dieser Übersetzung ab, was darauf hindeuten mag, daß Wolf in Absprache mit der Deutschen Gesellschaft die Übersetzung jenes Textes in Angriff nahm. 62 Was Swifts Texte für Wolf so interessant macht, das ist die angestrebte Verbreitung »vernünftiger Lehren« durch »anständigen Schertz«: »Es ist gewiß, [...] daß so gute Maximen, so 58 59

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G. W. Leibniz: Theodizee, Discours, § 39. Es drängt sich der Eindruck auf, daß diese Übertragungen, gleiches gilt für die Übersetzungen anderer Mitglieder des Gottsched-Kreises, nicht nach Gutdünken erfolgten. Die in der zweiten Auflage der Vernünfftigen Tadlerinnen gebotene Liste einer »deutschen Frauenzimmer-Bibliothek« (I, 23. Stück) beinhaltet zu einem guten Teil Übersetzungen, die von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft angefertigt wurden, so einige Bücher von Swift und den Don Quixote (vermutlich die Übertragung von Wolf), Anne-Thérèse Lamberts Gedancken von der Aufferziehung (Leipzig 1729, ebenfalls von Wolf übersetzt, interessant der auf dem Titelblatt zu findende ausdrückliche Hinweis auf die Mitgliedschaft des Übersetzers in der Deutschen Gesellschaft), die Betrachtungen über Frauenzimmer der gleichen Autorin (übersetzt von L. Α. V. Gottsched), Senecas Schrift von der Vorsehung (Von der Göttlichen Vorsorge oder warum es rechtschaffnen Leuten übel gehe? Leipzig 1729, Übersetzung von J. F. May), Fontenelles Kleine Schriften (übersetzt von Gottsched). Vgl. Meusel 15, S. 292-294. Christoph Weidlich: Geschichte der jetztlebenden Rechts-Gelehrten in Teutschland. 2. Teil. Merseburg 1749, S. 658-662. Beide Artikel enthalten Bibliographien zu Wolfs Veröffentlichungen. Bei Weidlich finden sich Angaben zu Wolfs Studiengang in Leipzig. Weidlich vermutet, daß Wolf »noch mehrere Schriften in die Teutsche Sprache übersetzet« habe, jedoch könne er dies nicht mit Gewißheit behaupten. Wolf, der anfangs Theologie studierte, wirkt bis in die vierziger Jahre vor allem als Hofmeister vornehmer Studenten in Leipzig. Mit diesen zusammen unternimmt er auch Bildungsreisen nach Westeuropa. 1741 wird er als Hofrat nach Gera berufen. J. Chr. Clauderer (s. Kap. 15, Anm. 55) stellt seinem Briefpartner Bodmer gegenüber Wolf als seinen Freund vor, der lange Zeit in England gelebt habe. Seine Übersetzungen aus der englischen Sprache seien daher ausgezeichnet. Dennoch wolle Gottsched eine neue Übersetzung des Märchens von der Tonne vorlegen. Da diese aus dem Französischen angefertigt werden solle, könne sie niemals so gut wie die Übertragung Wolffs ausfallen. (Clauderer an Bodmer, 8.10.1733, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer, la. 4). Mährgen von der Tonne, zum allgemeinen Nutzen des menschlichen Geschlechts abgefasset. Altona 1729. Der Biedermann, 40. und 41. Blatt. Vgl. dazu auch Waniek, S. 64. Im Anhang zum 1. Teil der Eigenen Schriften der Deutschen Gesellschaft findet sich ein »Verzeichniß derjenigen Schriften, so von den Mitgliedern der Gesellschaft ans Licht getreten sind«. Man darf vermuten, daß die dort aufgeführten Texte sozusagen als inoffizielle Publikationen der Gesellschaft zu verstehen sind. Dort findet sich auch die erwähnte Swift-Übersetzung Wolfs.

243 heilsame Lebens- und Sitten-Regeln, eine so eifrige Bestreitung der Laster [...] eine ungemeine Liebe zur Tugend voraussetzen.« Swift ironische Schreibart verfolge die »Aushöhnung der Lasterhaften, und das wohleingerichtete Lob der lügend.« 63 Swifts abgründiges Werk ist dem GottschedKreis also ein Moraltraktat zur Anmahnung eines tugendhaften und vernünftigen Lebens.64 Ähnlich ergeht es auch Cervantes berühmten Don Quixote, der ebenfalls von Wolf übersetzt wird, allerdings aus dem Französischen. Im Vorwort zu seiner Übersetzung gibt Wolf seine Auffassungen zur Theorie des Romans wieder; sie entspricht ganz dem Gottschedschen Romanverständnis, das wiederum Pierre-Daniel Huet verpflichtet ist.65 Nach Wolfs Darstellung verfolgte Cervantes die Absicht, dem spanischen Adel eine »gute erbauliche Lection zu geben«, um sie von der Lektüre der »wieder alle Regeln der Wahrscheinlichkeit« abgefaßten Ritterromane abzuhalten. Aber auch die »Pedanterey« der anderen Stände werde hier angeprangert. Cervantes Werk treffe daher nicht das von manchen »Allzuscharffe Moralisten« vertretene Urteil, Romane würden »vielerley unordentliche Paßionen« erregen und seien daher gefährlich. Der Don Quixote jedoch sei »nach den Regeln und nach dem Wohlstande« verfaßt worden; das Laster werde hier bestraft, die Tugend belohnt. Das Buch entspräche daher ganz den Forderungen, die Huet für gute Romane aufgestellt habe:66 Sie sollen »stumme Lehrer« sein, »welche den Schul-Lehrern nachfolgen, den Schul-Staub abkehren« und der heranwachsenden Jugend die rechten Sitten lehren, sie vor schädlichen Leidenschaften warnen und ihr beibringen, »weder unglücklich noch lächerlich«

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Capitain Samuel Brunts Reise nach Cacklogallinien, und weiter in den Mond [...] und einigen andern Moralischen und Satyrischen Schriften Herrn D. Swiffts. Leipzig 1735, Vorrede. In einer der Deutschen Gesellschaft gewidmeten Übersetzung einer anderen Schrift Swifts wird vom Übersetzer (dem Mitglied J. J. Schwabe) der Engländer als Kämpfer gegen Schwulst und Unvernunft in der Dichtung gezeigt: »Herr D. Swift ist einer von denen, welche die Fehler in der Dichtkunst auf eine lächerliche Weise dargestellet haben.« Ist Swift eine Art englischer Gottsched, so paßt es gut, daß Schwabe eine Abhandlung Gottscheds über den Bathos in den Opern findet, die sich zu Swifts Schrift »nicht uneben schickte« (Anti-Longin, S. XVIII und XXI). Vgl. ζ. B. Gottscheds Rezension der Asiatischen Banise von Heinrich Anshelm von Ziegler und Kliphausen. Danach besteht der Hauptzweck des Romans darin, die Belohnung der Tilgend und die Bestrafung der Laster vorzustellen: »Alle diejenigen, welche hierwieder anstossen, entfernen sich von einem Ziele, welches dergleichen Schriften allein leidlich macht.« (Beyträge III, S. 276-292 [276]). Im übrigen hält auch Gottsched nach dem Vorbild von Huet daran fest, daß das »HeldenGedicht« im Vergleich zum Roman weitaus höher zu bewerten ist. Zu Huets Romantheorie (Traité de l'origine des romans, erstmals 1670 erschienen), die bis weit in das 18. Jh. hinein großen Einfluß besaß, vgl. Rolf Geißler: Romantheorie in der Aufklärung. Thesen und Texte zum Roman des 18. Jahrhunderts in Frankreich. Berlin 1984, S. 15ff.

244 zu werden. 67 Bei dieser Beurteilung durch den Übersetzer nimmt es nicht Wunder, daß der Don Quixote Aufnahme in Gottscheds FrauenzimmerBibliothek findet. Daß man jetzt nicht nur die frühere Beschränkung der Mitgliederwahl auf Oberlausitzer und Schlesier endgültig beseitigt hat, sondern auch Studenten aufnimmt, die aus Gebieten außerhalb des Reiches stammen, zeigt der Eintritt mehrerer Siebenbürgener, was zugleich auf die späteren engen Kontakte Gottscheds zu jenem dem Königreich Ungarn zugehörenden Territorium vorausweist. Größere Bedeutung erlangte später der Baron Martin Wankel von Seeberg, den Maria Theresia 1753 zum Regierungskommissar von Siebenbürgen ernannte.68 Wankel von Seeberg hatte zuvor in Jena studiert und verteidigte dort die Dissertatio Exercitationis academicae Specimen de natura humana morali, wobei der als Herausgeber und Übersetzer der Monadologie Leibniz' bekannt gewordene Heinrich Köhler als Präses wirkte. Mit Gottsched steht er bis in die fünfziger Jahre in brieflicher Verbindung (allerdings in größeren zeitlichen Abständen). 69 Der Baron beschwört hier die »holde Freundschaft« zu dem »bis an das Grab zu verehrenden Gottsched« 70 und bekundet seine bleibende Verbundenheit zur Deutschen Gesellschaft, der er verschiedentlich Texte zum Zwecke der Veröffentlichung zuzusenden verspricht. Bemerkenswert ist ein Brief aus dem Jahre 1729, in dem er die Über-

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Des berühmten Ritters, Don Quixote von Mancha, Lustige und sinnreiche Geschichte, abgefasset von Miguel Cervantes Saavedra. Erster Theil. Leipzig 1735, Vorrede des Ubersetzers. Wolfs Einschätzung des Don Quixote entspricht ganz der Einschätzung innerhalb der Frühaufklärung, die diesen Roman »als amüsante Lektüre und ganz allgemein gegen ideologische Verblendung, Fanatismus und Wahn« versteht. Vgl. Jürgen Jacobs: Don Quijote in der Aufklärung. Bielefeld 1992, S. 15. Auch für Gottsched ist Cervantes ein Vorkämpfer gegen den Gebrauch des Wunderbaren in der Philosophie: »Ich gedenke dieses trefflichen Buches mit Fleiß allhier; weil dessen Verfasser Cervantes sehr viel dazu beygetragen hat, daß die abentheuerlichen Fabeln aus Ritterbüchern und Romanen allmählich abgeschaffet, oder doch weit behutsamer, als vormals geschehen, eingerichtet worden.« (AW VI/1, S. 239). Vgl. Joseph Trausch: Schriftsteller-Lexikon oder biographisch-literarische Denkblätter der Siebenbürger Deutschen. 4. Bd. Kronstadt 1902, S. 281-284. Alle überlieferten Briefe Seebergs an Gottsched sind veröffentlicht in: O. Wittstock: Zur Kulturgeschichte des 18. Jahrhunderts. In: Korrespondenzblatt für siebenbürgische Landeskunde 30 (1907), S. 12-19. Eine nochmalige Publikation findet sich in: Bleyer Jakab: Gottsched Hazánkban. Irodalomtorténeti tanulmány. Budapest 1909, S. 112-119. Noch 1751 bittet ν. Seeberg merkwürdigerweise Gottsched, den er als Zierde der Deutschen Gesellschaft bezeichnet, bei jener Sozietät, deren »unwürdiges Mittglied« er sei, zu bewirken, ein Gedicht zu Ehren seiner Berufung zum Wirklichen Kaiserlichen Hofrat zu verfassen. Von Seeberg muß also der 13 Jahre zuvor erfolgte Austritt Gottscheds aus der Gesellschaft unbekannt geblieben sein. Wankel von Seeberg an Gottsched, Hermannstadt, 24.12.1732 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 259r-261r)· Daß Gottsched und den Baron eine engere Freundschaft verband, belegt auch die Tatsache, daß von Gottsched das auf von Seebergs Abschied aus Leipzig verfaßte obligatorische Gedicht stammt (Eigene Schriften II, S. 120-122).

245 sendung einer »ziemliche(n) Menge Poesien« ankündigt, von denen »etliche« in seiner Muttersprache verfaßt worden seien. Wäre es möglich, so die an Gottsched gerichtete Frage, diese Texte zu veröffentlichen?71 Ein besonderes Ereignis bedeutet die Aufnahme einer Frau als Mitglied in die Gesellschaft.72 Dieser Schritt hat in Leipzig keine Nachfolge gefunden, und auch in anderen gelehrten Sozietäten der Zeit dürfte sich kaum ein Parallelfall nachweisen lassen.73 Dennoch bildet dieser Entschluß der Gesellschaft keine isolierte Aktion. Schon Lehms hatte sich viele Jahre zuvor zugunsten der Schaffung von Bildungschancen für die Frauen ausgesprochen; im Kreis um Gottsched und May ist die Aufklärung nach den Prinzipien der Vernunft ein beständiges Thema, die Vernünftigen Tadlerinnen stehen damit in engsten Zusammenhang; mit dem musikalisch-literarischen Salon der Frau Ziegler bietet Leipzig ein für Deutschland frühes Beispiel eines für die Aufklärung typischen gesellschaftlichen Kreises, dem im Blick auf die (vielfach eingeschränkte) Emanzipation der Frau erhebliche Bedeutung zukommt. So können die Vernünftigen Tadlerinnen befriedigt feststellen: »Es gereichet diesem berühmten Orte sowohl, als der dem daselbst befindlichen Frauenzimmer, zu keiner geringen Ehre, daß sie nicht nur die ersten, sondern bishero noch die einzigen sind, die sich des sämmtlichen weiblichen Geschlechts annehmen, und dasselbe wider seine Verächter vertheidigen wollen.«74 Den konkreten Hintergrund dieses Lobes bildet der in einer früheren Nummer der Zeitschrift publizierte Aufruf, die Frauen gegenüber den Männern zu verteidigen, vor allem in Hinsicht auf ihre Fähigkeit zur Abfassung poetischer Texte.75 Die erwähnte einzige bisher eingegangene Antwort stammt aus der Feder der Ziegler, die auch sonst hin und wieder zu den Texten der Zeitschrift beisteuert. Ende der zwanziger Jahre veröffentlicht sie mehrere eigenständige Publikationen, und so liegt es nicht außerhalb aller Konsequenz, daß man innerhalb der Deutschen Gesellschaft den Beschluß faßte, 71

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Wankel von Seeberg an Gottsched, Hermannstadt, 17. 5.1729 (UBL, Ms 0342, II [irrtümlich hier eingeheftet, gehört in Bd. I], Bl. 337 r -338 r ). Zur Stellung des Gottsched-Kreises zur Frau als Literatin s. auch S. 250. Zur Aufforderung, Frauen sollten sich als Poetinnen betätigen vgl. das 27. Stück im 1. Band der Vernünftigen Tadlerinnen. In dem von Juncker, Mitglied der Deutschen Gesellschaft, herausgegebenen 7. Band der Neukirch-Anthologie sind Gedichte mehrerer Frauen aufgenommen worden. Auch der 5. Band, dessen Herausgeber Gottlieb Stolle später die Jenaer Deutsche Gesellschaft gründen wird, enthält einen umfangreichen »Poetischen briefwechsel« einer »Florette«. Vgl. Erika A. Metzger/ Michael M. Metzger: Mündigkeit, subversiver Realismus: Frauen veröffentlichen in der Neukirch-Anthologie. In: Hardin, James und Jörg Jungmayr (Hg.), Der Buchstab tödt, II. Bd., S. 937-950. Allerdings sind in den Sprachgesellschaften des 17. Jh.s vereinzelt auch Frauen Mitglieder gewesen (am bekanntesten Catharina Regina von Greiffenberg in der Deutschgesinnten Genossenschaft). Vernünftige Tadlerinnen, I, 52. Stück, S. 41 lf. Vernünftige Tadlerinnen, 1,12. Stück, S. 89f£

246 durch die Aufnahme der Frau Ziegler der Überzeugung demonstrativen Ausdruck zu geben, Frauen seien gleichermaßen befähigt, zur Hebung der deutschen Sprache und Literatur beizutragen. Einschränkend ist jedoch zu sehen, was den Ausnahmecharakter jenes Entschlusses belegt, daß der Öffentlichkeit gegenüber die Wahl der Zieglerin mit der Feststellung begründet wird, sie unterscheide sich vorteilhaft durch ihren >männlichen Geist< von der üblichen Flatterhaftigkeit ihrer Geschlechtsgenossinnen: »Es war billig, eine Dame in die Gesellschaft vernünftiger Männer zu ziehen, welche in allen Ihren Unternehmungen, so viel männliches merken ließ.«76 Daß die erwählte Kandidatin überdies noch dem von der Gesellschaft umworbenen Adel angehörte, mag am Rande ebenfalls eine Rolle gespielt haben. Am 15.11.1730 erfolgt in feierlicher Form der Eintritt der Frau Ziegler in die Deutsche Gesellschaft - »durch einhellige Wahl und aus eigener Bewegung«.77 Dieser aufsehenerregende Akt ist offensichtlich in erster Linie von Gottsched und May intendiert worden. Daß beide schon lange im Salon der Frau Ziegler verkehrten und es sich dort und anderenorts zur Aufgabe machten, die Philosophie Wolffs gerade auch in Damenkreisen zu propagieren, ist schon berichtet worden. Weder die Wahl der Zieglerin in die Deutsche Gesellschaft noch ihre zwei Jahre später erfolgte Krönung zur kaiserlichen Poetin durch die Universität Wittenberg78 ist ohne Kritik, ja Spott verschiedener Zeitgenossen geblieben. So beschäftigte das Leipziger Universitätsgericht lange Monate eine gegen vier Studenten (darunter zwei Adlige) gerichtete Untersuchung, die zwei diffamierende Spottgedichte auf die Krönung der Frau Ziegler verfaßt hatten.79 Das eine dieser eher armseligen Ela76

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Sammlung der Schriften und Gedichte, welche auf die Poetische Krönung der [...] Christianen Marianen von Ziegler [...] verfertiget worden. Mit einer Vorrede zum Druck befördert von Jacob Friedrich Lamprecht. Mitgliede der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Leipzig 1734, Vorrede. Lamprechts Begründung der Aufnahme der Frau Ziegler muß nicht der Meinung aller anderen Mitglieder der Gesellschaft entsprechen. Indem er sich jedoch auf dem Titelblatt als Mitglied der Leipziger Sozietät ausgibt und in deren Namen spricht, besitzt die Publikation zumindest einen offiziösen Charakter. Vgl. Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen, Jg. 1730, S. 816. Vgl. auch Hanstein (Die Frauen), S. 93ff, hier auch ausführlich über Frau Zieglers Antrittsrede und ihre weiteren Publikationen im Rahmen der Gesellschaft. Vgl. den Bericht über diese Ehrung in den Neuen Zeitungen von Gelehrten Sachen, Jg. 1733, S. 789f£ (mit Gedicht Gottscheds zu Ehren der Ziegler), auf S. 830f. der Text des Diploms vom 17.10.1733 zur Verleihung des Ehrentitels. Es ist im übrigen auffällig, daß in den Neuen Zeitungen immer wieder auf Texte der Ziegler hingewiesen wird oder von ihr verfaßte Gedichte abgedruckt werden (ζ. B. ein Gedicht zum Tod August des Starken, Jg. 1733, S. 261ff.). Vgl. zu dem Verfahren gegen jene Studenten eine Miszelle im Neuen Archiv für Sächsische Geschichte, 5 (1884), S. 430-432. Die folgenden Ausführungen basieren auf einen umfangreichen Aktenkonvolut im Leipziger Universitätsarchiv (UAL, Rep. AA, Sect. I, Nr. 40. Acta die Untersuchung einiger wieder die Frau von Ziegler ausgestreuten Schmähschrifften betr.). Das Verfahren endete damit, daß den Universitäten in Leipzig und Wittenberg durch eine Anordnung des Geheimen

247 borate hebt folgendermaßen an: »Nun werff ich meine Flöte hin,/ So weit als ich kann immer reichen/ denn eine alte Dichterin/ Prangt mit ganz unverdienten Zeichen [,..].« 80 Mit ziemlich eindeutigen Formulierungen wird der Dichterin ein unmoralischer Lebenswandel vorgeworfen, vor allem aber das Dichten als Tätigkeit gesehen, die nicht für die Frauen bestimmt ist.81 Krause und Gottsched trifft der Vorwurf, durch ihre Ehrung der Zieglerin die Dichtkunst herabgewürdigt zu haben: »O glaubt nicht, daß ein eitler Wahn/ Allein Professor Kraußen blendet,/ Daß er der Teutschen Muse Bahn/ Durch seinen Einfall hat geschändet,/ Statt aller Teutschen großen Zungen/ Sang ihm ja Gottsched glücklich nach [...].« Die »teutschen großen Zungen« wurden vom Gericht als Anspielung auf die Deutsche Gesellschaft interpretiert, und so wurde allen Verdächtigen die Frage gestellt, ob sie nicht »die allhier florirende teutsche Gesellschaft höhnisch durchgezogen« hätten. Tatsächlich regt sich auch innerhalb der Deutschen Gesellschaft selbst, die wohl so »einhellig« doch nicht für die Wahl der Ziegler gewesen ist, der Unmut, zumindest bei einigen außerhalb des Leipziger Gottsched-Kreises lebenden Mitgliedern. So bemerkt der neben Gottsched und May wesentlich an der Umgestaltung der Gesellschaft beteiligt gewesene Johann Georg Hamann Gott-

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Consilums geboten wurde, »in solcherlei außerordentlichen Fällen [die Krönung einer Frau zum Poeta laureatus] zuvörderst auch gebührliche Anzeige« zu machen. Die Studenten kamen mit einer Verwarnung und der Bezahlung der entstandenen Unkosten davon. Die Deutsche Gesellschaft dürfte mit diesem Urteil kaum zufrieden gewesen sein, hatte man sich doch von der Verfolgung der Angelegenheit durch das Universitätsgericht eine spürbare Bestrafung der Übeltäter versprochen (so Lamprecht in seiner Vorrede zur Sammlung der Schriften auf die Krönung der Zieglerin). Das Gedicht trägt den Titel »Parodie auf das Carmen der Teutschen Gesellschaft in Leipzig, so durch J C. Gottsched P. P. gemacht worden, auf die Crönung der Zieglerin.« (Bl. 7 r -8 v ). Das zweite Gedicht lief unter der Bezeichnung »Parodie auf Gottscheds Gedicht auf die Zieglerische Crönung« um und beginnt mit folgenden Versen: »Poeten! Werfft die Feder hin,/ Und laßt euch Stricke-Nadeln reichen./ Denn eine tolle Dichterin/ Mißbraucht iezt eurer Mannheit Zeichen [...]« (Bl. 5 r 6V). Beide Gedichte persiflieren Gottscheds Dichtung auf die Krönung der Zieglerin, die mit folgenden Versen anhebt: »So nimm denn Ring und Lorber hin/ Den Dir Verdienst und Gaben reichen/ Du hoch berühmte Dichterin,/ Als Deiner neuen Würde Zeichen.« Die Resonanz auf die Spottgedichte scheint sehr unterschiedlich gewesen zu sein. So schreibt ein »D. H. M. Hag« an den Baron Fabian Adam von Stackelberg, er hätte mit »wahrer Begierde« zu der Parodie gegriffen, da es von vielen Leipzigern bewundert werde. Die Enttäuschung sei jedoch groß, denn der Text sei nichts anderes als ein »vernunfftloses Schand-Pasquill«: »Ist es möglich, daß Leipzig wo der gute Geschmack seinen Uhrsprung und löbliche Sitten ihre beständige Wohnung gehabt haben, nunmehr ein [...?] Pasquill vor eine sinnreiche Satyre und ein bäuerisches Schimpften vor scharfsinniges Tadeln ansehen kann.« (Acta die Untersuchung [...], Bl. 42 r -47 r . Der Empfänger des Briefes, der Baron Stackelberg, bestritt im übrigen, den Absender zu kennen, Bl. 59r). Die anderen Frauen fanden »nicht so gute Kenner,/ Verbrachten häuslich ihre Zeit,/ Empfanden nichts von Dichter Neid/ Und liebten einzig ihre Männer/ Man schätzte sie genug beglückt,/ Wenn Zucht und Keuschheit sie geschmückt.«

248 sched gegenüber etwas süffisant: »Die Fr. von Zieglern haben sie einmahl in die Gesellschafft aufgenommen. Ja! Ja! doch man muß das beste den82 ken. Sie wird sich vielleicht bessern sollen.« Man erkennt an diesem Vorgang unschwer einen der Risse, die die Deutsche Gesellschaft bei aller nach außen hin bezeugten Einhelligkeit durchzogen. 83 Besonders tut sich der bereits erwähnte Georg Christian Wolf in der Kritik an der Zieglerin hervor. Als Träger des von der Gesellschaft vergebenen Preises der Beredsamkeit 84 und als Übersetzer ist er durchaus zu den besonders angesehenen Mitgliedern der Sozietät zu rechnen: Die Aufnahme der Frau Ziegler ist ihm ein Zeichen des Verfalls der Zeit: »O Tempora O Mores! Wahrhafftig der jüngste Tag muß nun bald kommen.« 85 Dabei wird jedoch nicht deutlich, ob Wolf die generelle Frage der weiblichen Mitgliedschaft in der Gesellschaft meint. 86 Was er bemängelt, das sind die Dichtungen und Briefe der Frau Ziegler - diese seien »doch nicht schön«, auch wenn 82

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J. G. Hamann an Gottsched, Hamburg, 20. 9.1731 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 97 r -98 r ). Auch der gleichfalls in Hamburg lebende Friedrich von Hagedorn äußert sich, allerdings Jahre später, eher belustigend über die Frau Ziegler. In einem bereits zitierten Brief an Liscow (s. Anm. 6 in diesem Kapitel) meint er: »Vous y trouverés Mad.e de Ziegler, qui des âges des Graçes et des Muses, dont elle etoit la quatrième et la dixieme il y a quelques lustres, a passe à l'âge de Minerve.« Langwieriger und verwickelter sind die Streitereien zwischen der Ziegler und dem als eine Art von Enfant terrible auftretenden Phiüppi; beide waren zuerst freundschaftlich verbunden. Auch Philippi hofft, mit der eher plumpen Parole >Männer müssen gegen Frauen zusammenhalten Gottsched für sich gewinnen zu können: »Weil aber werthgedachte Frau von Zieglern in der jüngsten gethanen Ehre ihrer Aufmerksamkeit gantz offenbahr sagt, sie wolle [... Papierschaden] mit mir Händel behalten: So sehen Sie zum voraus, daß was Sie Ihnen nächstens sagen wird, oder vielleicht schon gesagt hat, nur darum geschehe, damit Sie Händel mit mir, und ich mit Selbiger bekomme. Weil mich aber gar nicht der Proceße darum begeben, um mich mit vornehmen und höchstvernünftigen Damen in einigen Proceß einzulaßen: So wollen wir bede vor einen Mann stehen, und [... Papierschaden] will vor dieselben reden, wenns etwa über Ihnen hergeht, bitte mir aber ein gleiches aus, wenn etwan auf mich solte was gemünzet werden [...]« (Halle, 23.10.1731). Zum Verhältnis zwischen Philippi und der Frau Ziegler vgl. jetzt folgenden auf bisher übersehene Quellenmaterialien beruhenden Aufsatz von Katharine R. Goodman: >Ich bin die deutsche Redlichkeit^ Letters of Christiane Mariane Ziegler to Johann Ernst Philippi. In: Daphnis 29 (2000), S. 307-354. Wolf erhielt den ersten, 1728 von der Gesellschaft vergebenen Preis der Beredsamkeit zum Thema »Worinnen die größte Glückseligkeit eines hohen Regenten bestehe?« Träger des Preises für Poesie war Gottsched. G. Chr. Wolf an Gottsched, Straßburg, 29.12.1730 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 342r v). Die Frage, ob Frauen sich an Sozietäten beteiligen können, die von Männern betrieben werden, bildete nach damaligen Vorstellungen auch ein sittliches Problem. So mißfällt z.B. der Gottschedin der Ausschluß der Frauen von den Zusammenkünften der ohnehin mit dem Nimbus des Geheimnisvollen umgebenen Freimaurer, was diese u. a. mit der Gefahr rechtfertigen, durch die Zulassung von Frauen in einen moralisch zweifelhaften Ruf zu geraten (Briefwechsel mit Hallenser Freimaurern im IV. Band der Leipziger Gottsched-Sammlung [Ms 0342]. Die Tatsache, daß es sich hier wahrscheinlich um fiktive Freimaurer handelt, spielt im vorliegenden Themenzusammenhang keine Rolle.).

249 sie in den Zeitungen gelobt werden. Wolf bezieht sich dabei auf Artikel der Leipziger Gelehrten Zeitung,87 in denen die schriftstellerischen Arbeiten der Ziegler positiv beurteilt werden und die offenbar aus den Reihen der Gesellschaft selbst stammen. Einer dieser Aufsätze sei in Straßburg, wo sich Wolf gerade aufhält, so »belachet und geridicult worden«, daß er, Wolf, die Furcht gehegt habe, man werde entdecken, daß auch er »ein membrum von der Deutschen Gesellschaft« sei. Wolf muß zuvor einen gegen die Ziegler gerichteten Artikel veröffentlicht haben, über den Gottsched seine Verärgerung bezeigt hatte.88 Zur Rechtfertigung verweist Wolf auf Gottscheds Streit mit König (s. S. 286ff.) und schreibt dann: »Ich habe H. M. Mayen mein dessin entdeckt, und er hat mir es aufrichtig zugegeben, daß ich Ursache hätte mich zu regen, ob er mich gleich bat, ich sollte es nicht thun. Wäre die Fr. von Ziglerin noch eher ein Mitglied der Deutschen Gesellschafft worden, ich hätte vielleicht nicht wider Sie geschrieben, denn als denn wären wir Glieder eines Leibes gewesen. Aber nunmehr ist es wohl um mein Glück in Leipzig geschehen, denn wie ich höre, so drohet man mir auf das allerschröcklichste. Ich zittere und bebe, ja das Hertz möchte mir vor Angst in den Reiffen-Rock fallen. Nunmehro bin ich persona miserabilis geworden, daher werden Sie doch wieder Mitleyden mit mir haben.«89 Der ironische Stil soll wohl dazu beitragen, die Angelegenheit als Quisquillienkram herunterzuspielen, wie Wolf dann einen Monat später auch feststellt, er habe nur aus Zeitvertreib den Streit um die Ziegler begonnen, denn der Zank mit einer Frau bringe keine Ehre. 87

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Ζ. B. Jg. 1730, S. 712. Im Laufe der dreißiger Jahre erscheinen eine ganze Reihe lobender Rezensionen der Schriften der Ziegler. Über die ihr zugekommenen Ehrungen wird ausführlich berichtet, mehrere ihrer Dichtungen (z.B. auf den Tod Augusts des Starken, Jg. 1733, S. 262ff.) werden hier veröffentlicht, für ein Rezensionsorgan eher ungewöhnlich. Dazu kommen verschiedene Huldigungsgedichte, so ζ. B. von einem »Metrophilus«, wo es heißt: »Wem ist die Feder unbekannt/ Die dir so grossen Vorzug bringet?/ Wenn an der schlancken Pleisse Strand/ Die Flöte, wie du spielst, erklinget,/ Stehen alle Musen wundertvoll./ Ja, wenn auch ihre Zahl auf Erden/ Noch über neun steigen soll,/ So wirstu gantz gewiß die zehnde müssen werden.« In diesen Zusammenhang steht wohl eine Mitteilung Mays an Gottsched vom 14. 6.1730 (aus Zittau). May weilt zu diesem Zeitpunkt in der Oberlausitz und wirbt hier für die Deutsche Gesellschaft, nach seiner Darstellung mit Erfolg: »Es finden sich sehr viel Freunde vor uns. Einige davon lachen auch über denjenigen, welcher etwas in die Gelehrten Zeitungen einrücken laßen, das ihm mehr als unserer Gesellschafft zum Nachtheile geräth. Was nicht bleiben will, das mag hingehen. Will der Wolff nicht bey uns halten laßt ihn reisen.« (UBL, Ms 0342, I, Bl. 1 S T 258v). Wenn mit den »Gelehrten Zeitungen« die in Leipzig erscheinenden Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen gemeint ist, so konnte ich hier bei der Durchsicht des Jahrganges 1730 nichts finden, worauf sich Mays Anspielung richten könnte. In Fischers Tagebuch (s. Kap. 10 Anm. 40, dort S. 123) findet sich die Notiz, Wolf hätte die Zieglerin »öffentlich in notis zum Mährchen von der Tonne gestichelt.« Gemeint ist die Übersetzung des bekannten Textes von Swift. Wolf an Gottsched, Straßburg, 29.11.1730 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 330r v ).

250 Mangels Quellenüberlieferung läßt sich gegenwärtig nicht sagen, ob Wolf mit dieser Strategie Erfolg hatte; die Ziegler ist jedenfalls auch in den kommenden Jahren von der Gesellschaft in jeder Hinsicht geehrt und gefördert worden. 90 In einem ihr gewidmeten Heft der Neufränkischen Zeitungen wird mit beißender Ironie über die Gegner der Frauenbildung hergezogen. In einer »Treuherzigen Warnung an alle Christlichen Eltern die Töchter haben« klage der Autor (Herr Gynaecomorus), daß die Frauenzimmer nicht mehr damit zufrieden wären, Katechismus und Gesangbuch zu lesen, sondern »in andere Bücher die Nase stecken« wollen und gar Verse schreiben und ihre »Grillen« zu Papier bringen wollten. Dagegen werde bewiesen, daß nach Absicht des Schöpfers die Frauen nicht »mehr als Nähen und Stricken und Knötchen machen« sollten: »Folglich macht er denn zum Beschluß an alle Eltern eine sehr bewegliche Anrede, ihre Töchter vor dem verführenden Umgange aller Mannspersonen, die sie gelehrt machen wollen, zu bewahren, und ihnen alle Bücher, Verse, Historien, Moralisten usw. aus den Händen zu nehmen und zu verbrennen.« 91 Auch nach außen hin tritt Frau Ziegler jetzt selbstbewußt in Erscheinung. So sendet sie ihre »schlechten und rohen Schrifften« an die Jenaer Deutsche Gesellschaft: Nicht daß ich Ihren bereits angeschafften Bücherschatz einigen Glantz und Ansehen dadurch geben wolte, sondern daß die Anzahl solcher Schrifften durch meine eingesandten Blätter dennoch zu vermehren. Doch ist dieses nicht der eintzige BewegungsGrund, denn ich schmeichle mir auch zugleich mit der Hoffnung Sie werden mir allenfalls meine darinnen begangenen Fehler auf eine Wohlgemeinte Art darstellen, auch zu meiner Verbesserung ein nicht geringes beytragen. Stolle, der Vorsitzende der Gesellschaft, schätzt in seiner Antwort die Jenaer Sozietät für ungemein glücklich, daß sie von einer Person welche die zu Leipzig vor eine ihrer großen Zierden hält nicht nur mit einer sehr gnädigen Zuschrift beehret, sondern noch darzu mit ihren berühmten Schriften beschencket worden. Ich nehme mir daher die Ehre Ewr. Wohlgebohrenen darvor im Nahmen derselben und meiner gehorsamsten Dank abzustatten, auch zugleich zu versichern, daß wir die Gelegen90

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Auch außerhalb der Sozietät ist die Ziegler von manchen Zeitgenossen als besonders hervorzuhebendes Mitglied der Deutschen Gesellschaft betrachtet worden. So urteilt Johann Gottfried von Meiern 1734 (1736 wurde er Mitglied der Gesellschaft) im Zusammenhang mit seinem allgemeinen Lob der Deutschen Gesellschaft: »Es werden auch die trefflichen Proben, welche die berühmte Frau von Ziegler, zu ihrer und des gantzen schönen Geschlechts gantz besonderen Ehre, darinnen [in der Übung der deutschen Sprache, D. D.] abgelegt hat, auch bey denen Männern eine rühmliche Eyfersucht und Lobens-würdige Begierde der Nachahmung erwekken.« (Acta Pacis Westphalicae Publica, S. 25). Neufränkische Zeitungen, 10. Stück (1734), S. 150ff. Die gleiche Nummer der Zeitschrift enthält noch weitere Beiträge, die sich über die Gegner der Frauenbildung lustig machen. Auch die folgende Ausgabe (11. Stück), die der Gottschedin gewidmet ist, behandelt das gleiche Thema.

251 heit, sowohl unsere Hochachtung gegen Dero Person, als unsre Verbindlichkeit vor Dero höchst werthes Geschencke öffentlich zu bezeugen nicht verabsäumen werden.92

Auch in den Folgejahren hat sich die Deutsche Gesellschaft durchaus um die Förderung dichtender Frauen bemüht, wobei der Widerstand vor allem der auswärtigen Mitglieder gegen diesen Kurs anhält. 93 Das zeigt das Beispiel des mißglückten Versuchs, zu der in Erfurt lebenden Dichterin Sidonia Hedwig Zäunemann (1714-1740) Kontakt aufzunehmen,94 und zwar bereits kurz nach dem Bekanntwerden ihrer ersten poetischen Versuche. Anfang 1733 sendet Gottsched im Namen der Gesellschaft ein für Frau Zäunemann gedachtes Packet an Johann Georg Sachse in Erfurt, verbunden mit der Bitte, er möge die Adresse der Dichterin ermitteln, deren Namen man jedoch nicht richtig kennt, denn im Schreiben ist von einer »Mademoselle Zimmermann« die Rede. Sachse antwortet, er habe nur eine Sidonia Hedwig Zäunemann ausmachen können, »welche eine Tochter eines hiesigen geringen und schlecht geachteten Procuratoren ist und beygehendes Hochzeit Carmen, worüber sich fast jederman geärgert, ausgestreuet hat. Dahero ich auch bey Eurer Hochedlen selbe mit Grund der Wahrheit eben nicht rühmen kann [...].« Der Buchhändler Crusius werde beim Besuch der Ostermesse Gottsched »auf mein Ansuchen in Vertrauen eine von dieser Person umbständliche Nachricht mündlich hinterbringen.« Crusius könne auch das Packet zurückbringen, «welches ich aus Hochachtung der berühmten Deutschen Gesellschaft zurückbehalten.« 95 Von einer Fortsetzung dieser Bestrebungen, weiter Dichterinnen eventuell in den Kreis der Deutschen Gesellschaft einzubeziehen, ist nichts bekannt.

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Frau Ziegler an Stolle 14. 6.1731 und Stolles Antwort vom 15. (also am Tag darauf!) 1731 (UB Jena, Ms Prov. 79, Bl. 28 r " v ). Ein weiteres Leipziger Beispiel ist die Barettkramerstochter Anna Helena Volckmann, die sich 1725 nach Schlesien verheiratete und hier mehrere Gedichtbände veröffentlichte. Mit Gottsched, der sie in einem Gedicht als »deutsche Sappho« feiert (Gottsched, Gedichte, 1. Bd. S. 453-456, im gleichen Band weitere an die Volckmann gerichtete Texte), stand sie spätestens seit dem Zeitpunkt ihrer Hochzeit in Verbindung (Austausch von Gedichten und gereimten Briefen). Auch mit Frau Ziegler suchte sie mehrfach Kontakt aufzunehmen. Vgl. Gustav Wustmann: Eine Leipzigerin unter den schlesischen Dichtern. In: ders.: Aus Leipzigs Vergangenheit. Gesammelte Aufsätze. Neue Folge. Leipzig 1898, S. 157-176. Zu S. H. Zäunemann vgl. Killy 12, S. 464; Becker-Cantarino (Der lange Weg), S. 270ft J. G. Sachse an Gottsched, Erfurt, 6. 2.1733 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 289£).

13. Die zeitgenössische Resonanz auf die erneuerte Deutschen Gesellschaft Von entscheidender Bedeutung für die weitere Entwicklung der reformierten Deutschen Gesellschaft mußte die Antwort auf die Frage bilden, ob es ihr gelingen würde, den Rahmen einer im wesentlichen doch lokal beschränkten Sozietät zu sprengen. Von Vorteil konnte für sie dabei die Tatsache sein, daß das Interesse an der Förderung der deutschen Sprache laufend an Intensität gewann, gerade auch im mitteldeutschen Raum und hier wieder insbesondere in Leipzig, wo die traditionell intensiv gepflegten schönen Künste allgemeines Interesse fanden. Von den Zeitgenossen wurde dieser Charakter des geistigen Lebens freilich nicht nur positiv bewertet: »Man docirt hier lange so solide und fidel nicht, als in Tübingen. Es wird alles nur auf eine übereilte Art über Kosten- und Brodlose so genante belles lettres aller Gründlichkeit vorgezogen.«1 Ungeachtet solcher Stimmen wächst doch unverkennbar das selbstbewußte Bekenntnis zum Deutschen als einem allen anderen Sprachen völlig gleichberechtigt zur Seite stehendes Idiom. Gleiches gilt für die deutsche Dichtung. So formulieren Menckes Deutsche Acta Eruditorum voller Stolz: Die Deutsche Poesie ist bißher so wohl was die Artigkeit der Erfindung, was die Schärffe und den Nachdruck der Gedancken, als die Krafft und Zierligkeit des Ausdrückung anbelangt, so hoch getrieben worden, daß wir uns in diesem Stücke für denen Ausländern gar nicht mehr zu schämen, sondern solche Meister-Stücke aufzuweisen haben, welche den grösten Dichtern von Rom und Griechen-Land den Preiß streitig machen können. 2

1

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Steck an Friedrich Heinrich von Seckendorf, 19. 8.1753 (Staatsarchiv Altenburg, Seckendorf-Archiv, Nr. 1249, Bl. 69£). Steck war Hofmeister eines in Leipzig studierenden Verwandten des Feldmarschalls Seckendorf und berichtet in zahlreichen Briefen über die Vorgänge in Leipzig. Vermutlich hätte er so bereits zwanzig Jahre zuvor urteilen können. Deutsche Acta Eruditorum, 107. Teil (1725), S. 892 (Beginn einer Rezension von Pietschs Gedichten in der von Gottsched besorgten Ausgabe). Schon sieben Jahre zuvor heißt es im gleichen Blatt: »[...] wer sich einbildet das alte Lateinische oder Griechische Erdreich sey allein tauglich gewesen, süsse und schmackhaffte poetische Früchte herfür zu bringen, dem klebet ein grosser Irrthum an.« Das gegenwärtige Deutschland würde die »geschicktesten Poeten« aufweisen usw. (58. Teil [1718], S. 755f. (Rezension von C. H. Amthor: Poetischer Versuch einiger Deutscher Gedichte [...] Flensburg 1717).

253 Neben der Abfassung eigener deutscher Texte gewinnt das Übersetzungswesen immer stärkere Verbreitung. D i e spätere >Übersetzungsfabrik< Gottscheds ist nur das bekannteste Beispiel der Erschließung fremdsprachiger Literatur für diejenigen Kreise, die dieser Sprachen unkundig waren. 3 Schließlich entscheiden sich immer mehr gelehrte Zeitschriften für den Gebrauch der deutschen Sprache; wissenschaftliche, auch philosophische Werke erscheinen jetzt in Deutsch. Bekanntlich haben hier die deutschsprachigen Werke Christian Wolffs bahnbrechend gewirkt. Zugleich entwickeln sich erste Ansätze einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit der deutschen Sprache. Wir hörten bereits von Egenolff, seiner Historie der Teutschen Sprache und von der Rezeption seiner Vorschläge zur Gründung einer »Societas, quae babariem in lingua vernacula nostra in dies crescentem coercere studeat«. Der Grimmaer Lehrer ist jedoch nicht der einzige, der hier zu nennen wäre. Seit Mitte der zwanziger Jahre lebt in den Mauern der Stadt Leipzig Johann Georg Wächter, der 1727 mit einem durchaus Beachtung findenden Glossarium

Etymolgicum

zur deutschen Sprache

an die Öffentlichkeit trat. 4 Auch der Kreis um Gottsched beschäftigt sich mit

3

Ich verweise lediglich auf zwei (kaum bekannte) Beispiele Leipziger Übersetzer. Der Ratsherr Gottfried Wagner habe, heißt es in einem Nachruf, von seiner Muttersprache »mehr als gemeine Kenntniß gehabt« und sei ein »guter Poet« gewesen. Auch habe Wagner »des Englischen Faitfall Teate Gedichte, Ter tria genannt, in solche schöne teutsche Verse gebracht, daß sie B. Neukirch in seiner darzu gemachten Vorrede als ein Meister-Stück rühmet. Hat im MSct. mehrentheils fertig liegen: Eine Ubersetzung von des Barclaji Euphormione, nebst einem gelehrten Commentario darüber. Von Kunst-Sachen, als Schildereyen, Kupfferstichen und Zeichnungen, ist er ein großer Liebhaber gewesen, und hat einen ansehnlichen Vorrath von denen besten Künstlern gesammlet.« (Sicul III, S. 868ff.). Auch König lobt Wagner: Dieser stand mit Besser in brieflicher Verbindung und habe sich in einem an den Dresdner Hofdichter gerichteten Schreiben sehr rühmend über dessen Gedichte geäußert, was also für Wagners guten Geschmack zeugen soll. Weiter wird dann wieder Wagners Übersetzung des englischen Dichters Faithfull Teate (Ter Tria oder die Lehre von denen drey Hoch-heiligen Personen [...] in Teutsche Verse übersetzt und in beyden Sprachen heraus gegeben von Gottfried Wagnern. Leipzig 1698) gerühmt. Vgl. Des Herrn von Besser Schrifften. Erster Theil [...] ausgefertiget von Johann Ulrich König. Leipzig 1732, Vorrede, S. XXIII-XXIV u. XXXI. Ein späteres, schon eher außerhalb unseres Zeitraums liegendes Beispiel, das aber der speziellen fachlichen Orientierung willen besonderes Interesse verdient, bietet der Jurist Karl Ferdinand Hommel, der 1763 eine Anleitung zum Abfassen von Urteilssprüchen veröffentlicht (Teutscher Flavius). Dort wird auch ausführlich auf die Sprache eingegangen, die beim Formulieren dieser Texte Anwendung finden sollte. Gefordert wird vor allem eine deutliche, von Fremdwörtern gereinigte Darlegung der Sachverhalte; in einer Liste werden für 1100 Begriffe der juristischen Terminologie deutsche Übersetzungen vorgeschlagen. Vgl. Ernst Gehmlich: Ein Sprachreiniger des 18. Jahrhunderts. In: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung. Jg. 1892, S. 593-595.

4

Vgl. Detlef Döring: Johann Georg Wächter in Leipzig und die Entstehung seines >Glossarium EtymologicumCritischer Dichtkunst^ In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Pädagogischen Hochschule Potsdam 12 (1968), S. 711-722. Vgl. P. M. Mitchell: Die Aufnahme von Gottscheds >Critischer Dichtkunst^ In: Daphnis 16 (1987), S. 457-484. Mitchell verweist vor allem auf die durchweg zustimmenden Rezensionen in der zeitgenössischen Zeitschriftenpresse. Erst in den vierziger Jahren kommen allmählich kritische Stimmen zum Zuge. Reisetagebuch von 1798 von Johann Friedrich Abegg. Hg. von Walter und Jolanda Abegg in Zusammenarbeit mit Zwi Batscha. Frankfurt/M. 1987 [Erstausgabe 1976], S. 3061 »Man gab uns Gottscheds >Kritische Dichtkunst in die Hände; sie war brauchbar und belehrend genug: denn sie überlieferte von allen Dichtungsarten eine historische Kenntnis sowie vom Rhythmus und den verschiedenen Bewegungen desselben; das poetische Genie ward vorausgesetzt! Übrigens aber sollte der Dichter Kenntnisse haben, ja gelehrt sein, er sollte Geschmack besitzen, und was dergleichen mehr war. Man wies und zuletzt auf Horazens >DichtkunstBeyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit 1732-1744. Ein Beitrag zur Würdigung seiner Verdienste um die Geschichte der deutschen Philologie. Diss. Marburg 1947 (Maschinenschrift). Der Titel der Arbeit gibt schon Antwort auf unsere Frage. Zwar erwähnt Struth gelegentlich einen Einfluß der Gesellschaft auf den jungen Gottsched (S. 6), dann erscheint die Zeitschrift doch ganz als Gottscheds Werk, der nur das »Gewicht der Autorität« der Deutschen Gesellschaft in Anspruch genommen hätte (S. 12). Der Versuch, Gottsched nach seinem Austritt (1738) die Beyträge wegzunehmen sei völlig unberechtigt gewesen (S. 17). Auch die neuste Veröffentlichung zu Gottsched als Zeitschriftenherausgeber meint im Anschluß an Rauter (Deutsche Gesellschaft, S. 72), daß die Beyträge keine Gesellschaftsschrift gewesen sei, sondern ganz in den Händen Gottscheds lag. Vgl. Gabriele Ball: Moralische Küsse. Gottsched als Zeitschriftenherausgeber und literarischer Vermittler. Göttingen 2000 (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa 7), S. 108, zu den Beyträgen insgesamt s. S. 100-121. Vorrede, S. 2781 Gottsched bittet die Berliner Akademie in einem Schreiben um die Erlaubnis, auf den Titel der Beyträge die Mitteilung »zu setzen: Von einigen Mit-Gliedern der Königl. Preußischen Societät der Wissenschaften in Berlin«. In Berlin befindet man, daß die Beyträge »mit allgemeinen Beyfall aufgenommen« worden seien und es der Preußischen Akademie gut anstehen würde, die Herausgabe des Blattes zu übernehmen. In diesem Sinne wolle man Gottsched antworten. Warum dennoch nichts aus diesem Beschluß wurde, läßt sich nach der jetzigen Quellenkenntnis nicht

275 Dieser Darstellung sind folgende Tatsachen entgegenzuhalten: Die erste Ankündigung über die geplante Edition einer Fachzeitschrift findet sich in der 1732 seitens der Gesellschaft vorgelegten Ausführlichen Erläuterung ihrer bisherigen Absichten, Anstalten und der davon zu verhoffenden Vortheile. Wir werden über diesen Text, der im Zusammenhang mit den Bemühungen steht, die Deutsche Gesellschaft in den Rang einer Akademie zu erheben, noch an anderer Stelle berichten. Wichtig für die gegenwärtige Fragestellung ist ein Passus im § 10 der Erläuterung: Man sei gesonnen, »eine gewisse Monatschrift durch den freywilligen Beytrag gewisser Mitglieder der Deutschen Gesellschaft, drucken zu lassen, die nebst allerhand zur Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit abzielenden Sachen, auch mit solchen versehen seyn soll, welche in Untersuchung der alten Deutschen Sprache bestehen werden.«56 Der Entwurf des Textes ist zwar von Gottsched, der sich zu diesem Zeitpunkt in Dresden aufhielt, angefertigt worden, anschließend jedoch wurde er in Leipzig ausführlich beraten, verändert und von der Gesellschaft offiziell beschlossen. Das geht aus einem Brief Mays an Gottsched hervor (s. Quellentexte Nr. 11), in dem er berichtet, es sei eine Kommission gebildet worden, die den überschickten Text »Stück zu Stück« durchgehen würde, um ihn dann so einzurichten, daß er, May, ihn »hernach abfaßen und der Gesellschafft zu ihrem Beyfall vorleßen könnte.« Es war also durchaus so, daß die Begründung der Zeitschrift innerhalb der Gesellschaft in Erwägung gezogen und gebilligt worden ist. Mag auch Gottsched oder Lotter oder einer anderen Person zuerst die Idee aufgestiegen sein, ein solches Publikationsorgan zu begründen, so erfolgte die Diskussion darüber im Rahmen der Gesellschaft. Daß Gottsched mit seiner Behauptung, die Beyträge bildeten ein Privatunternehmen, eine nicht den Tatsachen entsprechende Konstruktion vertrat, beweist seine eigene Korrespondenz mit großer Eindeutigkeit. Wären die Beyträge wirklich nur ganz lose mit der Deutschen Gesellschaft verknüpft gewesen, so würden sie z.B. nicht eines der ständigen Themen im Briefwechsel mit Mosheim, dem Präsidenten der Gesellschaft, bilden. Für Mosheim sind die Beyträge ohne jeden Zweifel ein Unternehmen der ganzen Deutschen Gesellschaft: Ich begreiffe gar wohl, daß man nicht von allen Gliedern der Gesellschafft eine gleiche Stärke im Schreiben fordern könne. Sölten keine in den Beyträgen die Feder ansetzen, als die aller güldesten, so möchte selten ein Stücke fertig werden. Man muß mit dem willen zufrieden seyn, und wenn die worte so gleich sich nicht schicken wollen, mit den Sachen indeß vorlieb nehmen. Die meisten Stücke lassen sich schon lesen. Und wenn hie und da in einigen etwas Härte und Dunckelheit ist, so bedeuten diese bösen Stellen wenig gegen die Menge der Guten. Vielleicht wer-

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sagen (Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV: 9, Bl. 83-85). Gesammlete Reden, unpaginiert.

276 den die auswärtigen Mitglieder hinführ an diesem werke arbeiten. Diese können sich am besten dadurch ümb die Gesellschafft verdient machen.57

1735 scheint es zu einer Krise in der Herausgabe der Beyträge gekommen zu sein, die vielleicht mit allgemeinen Schwierigkeiten in Verbindung zu bringen ist, in der sich zu diesem Zeitpunkt die Deutsche Gesellschaft befand. Das veranlaßte Mosheim zur Überlegung, die Sozietät sozusagen nach Göttingen zu verlegen.58 Es ist nun auffällig und bezeichnend, daß nach Mosheims Vorstellung diese neue Gesellschaft die Edition der Beyträge übernehmen soll: »Ich höre ungern, daß die Beyträge mit dem 12. Stück aufhören sollen. Ich bitte, wo es immer möglich, zu sorgen, daß nur noch ein Band allgemach fertig wird. Ich will in Göttingen durch die neue Gesellschafft dieselbe fortsetzen lassen.«59 Die Zeitschrift und die Deutsche Gesellschaft, wenn auch in erneuerter Form, werden hier also ganz selbstverständlich miteinander in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht. Auch andere Mitglieder betrachten die Beyträge als ein Publikationsorgan der Gesellschaft. Goetten meint nach dem Erscheinen des ersten Stückes, die Beyträge würden »die löblichen Absichten der Gesellschafft zu befördern ungemein geschickt seyn.« Zugleich weiß Gottscheds Korrespondenzpartner mit einem Vorschlag aufzuwarten, wie die neue Zeitschrift in der Öffentlichkeit Wirksamkeit entfalten könnte: Die Verbesserung des deutschen Briefstils wäre eine der dringlichsten Aufgaben, auch und gerade für das gerade ins Leben gerufene Blatt: »Durch treffliche Exempel wird diese Lust nicht allein gewitzt, sondern auch der Geschmack gehörig eingerichtet, und der Verstand auf eine leichte Art unterrichtet. Doch gestehe ich gerne, daß die neue monathliche Schrift hiezu die besten Dienste thun wird. Darinn werden deutliche Regeln und Exempel verbunden.«60 Bezeichnenderweise verstehen Autoren, die in den Beyträgen kritisiert worden sind, ihre Erwiderungen als Rechtfertigungen vor dem Gremium der 57

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Mosheim an Gottsched, Helmstedt, 24.12.1732 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 272 r -273 v ). In einem anderen Schreiben geht Mosheim von der Wahl neuer Mitglieder unvermittelt zu den Beyträgen über: Die vorgeschlagene neue Mitglieder seien würdig; es sei nicht mehr nötig, wegen neuer Mitgliedschaften bei ihm anzufragen: »Habe ich denn jemahls geglaubet, daß E. HochEdelgeb. in der Wahl sich irren und untüchtige Leute sich zugesellen würden? Die Letzten Stücke der Beyträge sind behutsamer und verständiger abgefasset, als die vorhergehenden. Wenn man so damit fortfahren wird, kan sich dieses Vorhaben vielen Beytrag und Gewogenheit versprechen.« Eindeutig ist auch ein Brief von G. Ventzky: »H. Breitkopf schreibt, daß er vielleicht mit dem 3 Bande die Beyträge schließen möchte. Das wäre aber nicht gut. Sintemahl dadurch der Nutzen bey Auswärtigen, welche nicht wissen können, was in den Versammlungen der Gesellschaft vorgehet, hauptsächlich befördert wird.« (Ventzky an Gottsched, Halberstadt, 26.12.1734, UBL, Ms 0342, III, Bl. 187 r -188 r ). Vgl. dazu Danzel, S. 95f. Mosheim an Gottsched, 9. 3.1735 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 218 r -219 v ). Goetten an Gottsched, 1. 5.1732 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 176 r -178 v ).

277 Deutschen Gesellschaft. So schreibt der gerade erwähnte Ventzky an Gottsched: »Auf die scharfe Nacherinnerung im 8 Beytrage folget hiebey meine Antwort, die in der Eil entworffen ist, hauptsächlich zu meiner Vertheidigung gegen die Gesellschaft. Wird es beliebet, dieselbige mit drucken zu laßen, soll es mir lieb seyn. Wo aber nicht, so bitte doch dem H. Gegner dieselbige zuhinterbringen.« Weiter heißt es: »Wieder die Beantwortung meines Versuchs von den Zwillingsbuchstaben, hätte ich noch eines und das andere zuerinnern. Ich habe aber jetzo noch nicht Zeit, und sehe ich wohl, daß die Gesellschaft gerne bey ihrer Gewohnheit bleiben will, darinnen ich mich gerne gebe, sonsten würde die Antwort an vielen Orten anders gerathen seyn [...].«« Vor allem bringen sich die Beytrage in den Zuschriften zu den einzelnen Bänden selbst immer wieder mit der Deutschen Gesellschaft in Verbindung. Nach der Zueignung des zweiten Bandes (20. 5.1734), die dem Dresdner Hofprediger Marperger gilt, sollen die Beytrage von »den Bemühungen unsrer Gesellschaft« Auskunft geben. In der Zuschrift im dritten Band (2.5.1735), die sich an den Dresdner Superintendenten Löscher richtet, wird es zur »Absicht unsrer ganzen Gesellschaft« erklärt, sich durch die Beytrage Beachtung zu erwirken; auch Löscher möge der Deutschen Gesellschaft Aufmerksamkeit entgegenbringen. In der Widmung des vierten Bandes (22.5.1737) werden die Beytrage geradezu »als ein Theil derjenigen Bemühungen« erklärt, »womit die hiesige Deutsche Gesellschaft, bisher zur Ehre ihres Vaterlandes beschäfftiget gewesen.« Gottsched selbst schließlich hat in seinem Brief an die Berliner Akademie, in dem er dieser die Übernahme der Beytrage anbietet, davon gesprochen, daß die Zeitschrift »im Nahmen der gantzen Gesellschaft« herausgegeben wurde; jedenfalls lautet so die Formulierung in der Zusammenfassung des uns im Original nicht überlieferten Briefes. Es dürfte nach dem Gesagten deutlich sein, daß Gottscheds Behauptung, die Beytrage seien ein Werk weniger einzelner, die sozusagen nur zufällig auch Mitglieder der Deutschen Gesellschaft waren, als interessenorientiert einzuschätzen ist. Die Tatsache, daß er nach 1738 fortfuhr die Zeitschrift mit unverändertem Titel62 herauszugeben, sollte damit gerechtfertigt werden; die Bedeutung der von ihm verlassenen Deutschen Gesellschaft mußte daher nach Gottscheds Willen als möglichst herabgesetzt erscheinen. Auch bei dieser Frage kann nur wieder auf die Grundtatsache verwiesen werden, daß Gottsched und die Deutsche Gesellschaft zueinander in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis standen. Ob es auch ohne Gottsched zur Edition der Beytrage gekommen wäre, wissen wir nicht. Auf alle Fälle hat die Zeit61 62

Ventzky an Gottsched, Halberstadt, 22. 7.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 96 r -96 v ). Aus »einigen Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft« wurden jetzt jedoch »einige Liebhaber der deutschen Litteratur«.

278 schrift durch das Organisationstalent, die weitreichenden Verbindungen, den großen Ehrgeiz des Seniors der Gesellschaft die Bedeutung erlangt, die ihr die Mit- und Nachwelt zubilligte. Diese Bedeutung Gottscheds bezeugt allein schon der rasche Niedergang des von der Deutschen Gesellschaft herausgegebenen Nachfolgeorgans der Beyträge, der Nachrichten [...] welche die Sprache, Beredsamkeit und Dichtkunst der Deutschen betreffen: 1744 erscheint das vierte und letzte Stück. Andererseits ist die Teutschübende Poetische Gesellschaft mit vielen der Themen, die in den Beyträgen zur Sprache kommen werden, bereits vor der Ankunft Gottscheds beschäftigt gewesen: Geschichte der Sprache und Literatur, Verbesserung der Beredsamkeit und der poetischen Dichtkunst, Übersetzungsfragen, Buchgeschichte. Erst in dieser Atmosphäre, zu der auch die Existenz der großen Leipziger Privatbibliotheken (Mencke!) beigetragen hat (insbesondere natürlich auch die eigene Büchersammlung der Gesellschaft), konnte die Idee geboren werden, ein Periodikum zu begründen, dem bahnbrechende Bedeutung auf dem Gebiet der deutschen Philologie zukommen sollte.

15. Erste Versuche zur Umwandlung der Deutschen Gesellschaft zu einer Akademie der deutschen Sprache und Dichtung. Die Normierung der Rechtschreibung und das Scheitern der Arbeitsgemeinschaft zwischen Berlin, Jena und Leipzig Zu Beginn der dreißiger Jahre ist die Deutsche Gesellschaft eine anerkannte, fest etablierte Einrichtung. Stolz berichtet Gottsched dem Kurfürsten und König: Uberdem habe ich durch unabläßige Bemühungen die hiesige deutsche Gesellschafft, die doch der ganzen Universitaet noch allezeit bey auswärtigen Ehre gemachet, und sich täglich mehr Ruhm erwirbet in Stande erhalten, und so viel möglich gewesen, durch allerley gute Anstalten noch mehr ins auffnehmen zu bringen gesucht.1

Für die Zukunft der Deutschen Gesellschaft mußte es jedoch entscheidend sein, ob es ihr gelingen würde, aus der Ebene eines im wesentlichen noch lokalen Vereins in den Rang einer staatlich sanktionierten Akademie aufzusteigen. Bereits in der Nachricht von der Verfassung der Deutschen Gesellschaft von 1727 findet sich eine Andeutung, daß man jetzt größere Ziele verfolge: Die gegenwärtige Einrichtung der Gesellschaft werde man vorerst beibehalten, »es wäre denn, daß sie mit der Zeit, irgend von einem großmüthigen Printzen, eines höhern Beystandes gewürdiget werden sollte.«2 Die Voraussetzung für die Realisierung aller ehrgeizigen Pläne bildete also der Zugang zum Dresdner Hof, bzw. zu den auch in Sachsen die Politik beherrschenden adligen Kreisen. Dem dient die forcierte Gewinnung von Adligen als Mitglieder der Gesellschaft, aber auch das sichtbare Auftreten der Sozietät bei hohen und höchsten offiziellen Anlässen. Letztendlich ist es immer der »großmüthige Printz«, der »mächtige Schutz-Gott«,3 den man so zu finden und zu gewinnen trachtet; mit ihm steht und fällt jedes Projekt der Schaffung einer Akademie.

1

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Gottsched an den Kurfürsten, 8. 5.1733 (UAL, PA 514, Gottsched, Joh. Chr.). Gottsched bittet in diesem Schreiben um Gewährung einer Besoldung seiner bisher nicht bezahlten außerordentlichen Professur. Nachricht, S. 3. So die Formulierung von Lotter in seiner Antrittsrede (Gesammlete Reden, S. 366).

280 Alles kam darauf an, die Gesellschaft innerhalb breiterer Kreise bekannt zu machen. Dem dienten die bereits erwähnten Publikationen und andere Formen der Öffentlichkeitsarbeit. Seit Mitte der zwanziger Jahre tritt die Gesellschaft nämlich nicht mehr allein bei privaten Anlässen in Erscheinung, sondern auch bei offiziellen Veranstaltungen. So trägt Gottsched im Namen der Deutschen Gesellschaft im Oktober 1724 ein Gedicht zur Hundertjahrfeier der angesehenen Leipziger Montäglichen Predigergesellschaft vor, der er übrigens selbst angehörte. 4 Auch bei größeren >Staatsaktionen< ist die Gesellschaft präsent. 1726 stirbt die im Volk ihrer treuen Anhänglichkeit zum Luthertum wegen sehr beliebte Kurfürstin Christiane Eberhardine. Leipzig ehrt die Verstorbene am 17. Oktober mit einer Trauerfeier. Die dabei zu Gehör gebrachte Trauerode verfaßte Gottsched in seiner Eigenschaft als Senior der Deutschen Gesellschaft; vertont wurde sie von keinem geringeren als Johann Sebastian Bach. 5 Die Trauerrede hielt Hans Karl von Kirchbach, 4 5

Gottsched, Gedichte, 1. Bd., S. 599-601. Vgl. Bach-Dokumente. Band II. Vorgelegt und erläutert von W. Neumann und H.J. Schulze. Kassel u.a. 1969, S. 173ff. Philipp Spitta: Johann Sebastian Bach. 2. Band. Leipzig "1930, S. 446f£; Bach-Handbuch, S. 423ff., über Bachs Verbindungen zu Gottsched vgl. S. 731t Arnold Schering: Johann Sebastian Bach und das Musikleben Leipzigs im 18. Jahrhundert. Leipzig 1941 (Musikgeschichte Leipzigs 3), S. 118f£; generell über die Beziehungen zwischen Bach und Gottsched äußert sich Schering auf S. 3181: Beide hätten sich gegenseitig geschätzt, der Komponist habe Gottsched als »ebenbürtigen Partner auf literarischem Gebiete« anerkannt. Da der Verfasser keine konkreten Belege bringt, kommt seiner Äußerung jedoch nur der Charakter einer Vermutung zu. Bach und Gottsched könnten sich im Salon der Frau Ziegler getroffen haben. Vgl. Schering, S. 321ft; Kreutzer (Johann Sebastian Bach), S. 23ff. A. Schneiderheinze: Über Bachs Umgang mit Gottscheds Versen. In: Bericht über die Wiss. Konferenz zum III. Internationalen Bach-Fest der DDR, Leipzig, 18./19. September 1975. Leipzig 1977, S. 91-99. Einige weitere Mitteilungen finden sich in dem oben erwähnten Band der Bach-Dokumente. Vgl. auch Günther Stiller: Johann Sebastian Bach und das Leipziger gottesdienstliche Leben seiner Zeit. Berlin 1970, S. 196ff. Nach Stillers Auffassung trennte eine »grundverschiedene Geisteshaltung« Bach und Gottsched. Während Bach in seinem Schaffen noch ganz der Welt der lutherischen Orthodoxie verhaftet war, d.h. seine Musik allein der Ehre Gottes dienen sollte, habe Gottsched in seinen poetischen Arbeiten das Publikum im Auge gehabt. Bach habe höchsten Wert auf die dogmatische Korrektheit der von ihm zu vertonenden Texte gelegt; der Gottsched-Kreis war allein der »Aufklärungsästhetik« verpflichtet, in deren Ergebnis eine völlig unverbindliche Poesie entstand, der nur am Wohlklang der Verse gelegen war. Durch diesen Gegensatz sei das kühle Verhältnis zwischen Bach und Gottsched begründet, außerdem habe er zur Trennung zwischen Bach und der Frau Ziegler als Verfasserin verschiedener Kantaten geführt. Letztere Auffassung ist rein spekulativ. Über Bachs Stellung zur lutherischen Orthodoxie kann hier nicht befunden werden. Tatsache ist, daß die geistliche Dichtung innerhalb der Deutschen Gesellschaft erheblich an Bedeutung verlor; darauf wurde schon hingewiesen. Andererseits ist Stillers Behauptung, die Lyrik der Aufklärung sei allein formal-ästhetisch orientiert gewesen, d. h. ohne Interesse am Inhalt der Dichtung, nicht haltbar. Im übrigen muß das distanzierte Verhältnis zwischen Bach und Gottsched nicht unbedingt aus großen weltanschaulichen Gegensätzen erklärt werden. Beide bewegten sich innerhalb verschiedener Lebensbereiche, die unterschiedliche Anerkennung genossen. Ein Uni-

281 eines der adligen Mitglieder der Deutschen Gesellschaft,6 der auch bei der Organisation der Trauerfeier maßgeblich beteiligt war. Zur Feier des Geburtstages Augusts des Starken erklingt gar am 12. Mai 1730 in der Universitätskirche ein »Singgedicht« Gottscheds, das er »im Namen der deutschen Gesellschaft« getextet hatte. Auch in diesen Versen wird der Topos von der gegenseitigen Abhängigkeit der Herrscher und der Dichter strapaziert. Der Fürst schützt die Musenjünger, diese verkünden dafür seinen Ruhm in aller Welt. So singen am Schluß »Apollo, das Musenchor, und die andern alle«: »Bestrale noch länger, du Schutzgott der Musen!/ Du Pfleger der Künste, dein deutsches Athen;/ Wo wir dich erhöhn,/ Mit jährlichen Opfern, mit täglichen Triebe./ So mehrt sich der Wissenschaft edelste Liebe/ So hoffet sie ferner im Wachsthum zu stehn.«7 Erwähnt wurde schließlich bereits die Praxis der Gesellschaft, durch die Widmungen ihrer Publikationen an hochgestellte Persönlichkeiten Aufmerksamkeit und Förderung zu erlangen. Die Frage war, ob mit allen diese Bemühungen, d.h. über Veröffentlichungen, Widmungen und Dichtungen, das erstrebte Ziel zu erreichen war, einen »Prinzen« oder einen »sächsischen Richelieu« zu finden, durch dessen Hilfe die Gesellschaft den ersehnten Charakter einer Sprache und Dichtung maßgeblich bestimmenden Akademie erlangen konnte. Nun lag der Gedanke der Gründung einer über den lokalen Rahmen hinausgehenden, Sachsen und andere deutsche Territorien umfassenden gelehrten Gesellschaft bzw. Akademie schon des längeren gleichsam in der Luft. Zu Beginn des 18. Jh.s hatte Leibniz in Verbindung mit Ehrenfried Walther von Tschirnhaus8 einen detaillierten Plan zur Errichtung einer Sozietät der Wissenschaften in Dresden entwickelt und dem Hof unterbreitet.9 An der Ungunst der

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versitätsprofessor und ein Schulkantor gehörten unterschiedlichen sozialen Schichten an. Bezeichnenderweise versucht das Dresdner Oberkonsistorium Johann Heinrich Winkler die Würde abzusprechen, ein Professor der »königlichen Universität« zu werden, da er ein Schullehrer sei (an der Thomasschule), wo er die »allerkleinsten Knaben« unterrichte und bei Prozessionen anführe (vgl. Detlef Döring [Johann Christoph Gottsched in Leipzig], S. 63). Lob- und Trauer-Rede, Der allerdurchlauchtigsten, Grossmaechtigsten Fuerstin [...] Christianen Eberhardinen, Koenigin in Pohlen und Churfuerstin zu Sachsen [...] Als Ihro Koenigl. Maj. Den 5. Sept. [...] 1727 [...] aus dieser Zeitlichkeit entrissen worden. Gottsched, Gedichte, 1. Bd., S. 307-311 (311). Zu Tschirnhaus' Anteil an diesen Plänen vgl. Carl Immanuel Gerhardt: Schreiben über Tschirnhaus's Betheiligung an dem Plane, eine Akademie in Sachsen zu begründen. In: Berichte über die Verhandlungen der Königl. Sächsischen Gesell, der Wiss. zu Leipzig. Phil.-hist. Classe. 1858, S. 88-93 (Auszüge aus dem Briefwechsel Leibniz-Tschirnhaus zu diesem Thema). Vgl. Eduard Bodemann: Leibnizens Plan einer Societät der Wissenschaften in Sachsen. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Althertumskunde 4 (1883), S. 177-214. Entwurf der Akademie bei Foucher de Careil (Hg.): Œuvres de Leibniz. VII. Bd. Paris 1875, S. 218ft E. Lea/ G. Wiemers (Planung und Entstehung),

282 Zeit (Nordischer Krieg), aber auch an der Rivalität Leibniz' Tschirnhaus gegenüber ist das Unternehmen letztendlich gescheitert. Nach einer Mitteilung von Johann Ulrich König soll 1715 in Leipzig der Vorschlag unterbreitet worden sein, eine »Academia Augustea der Wissenschafften« zu gründen. Deren »erste Eintheilung« sei »alsofort der Mutter-Sprache gewiedmet« gewesen; die Erarbeitung eines deutschen Wörterbuches sei eines der wichtigsten Ziele der Sozietät gewesen.10 Welchen Plan König damit meint, läßt sich nicht sagen. Der von Leibniz unterbreitete Vorschlag liegt zehn Jahre weiter zurück und hatte mit Leipzig nichts zu tun; die Pflege der deutschen Sprache spielte dort eine eher untergeordnete Rolle, wenn auch die Erarbeitung eines deutschen Wörterbuches vorgesehen war. Auf Egenolffs Sozietätspläne, die ebenfalls über das Stadium der Diskussion nicht hinausgelangten, wurde schon ausführlich hingewiesen. Auch wenn daraus nichts wurde, so blieb die Idee der Gründung einer Gesellschaft zur Pflege der deutschen Sprache in Sachsen auch weiterhin lebendig. In den zwanziger Jahre scheint in dieser Hinsicht der schon eben erwähnte Hofpoet Johann Ulrich König in Dresden die treibende Kraft gewesen zu sein. Bald nach seiner Berufung nach Dresden (1719) will er die Konzeption für die Gründung einer Akademie zur Pflege der deutschen Sprache entwickelt haben, die in Leipzig ihren Sitz nehmen sollte. 1724 schreibt er an Bodmer, daß er bereits öfters seinen Herrscher zur Gründung einer »Academie für die Teutsche Sprache« aufgefordert habe. »Aufgemuntert« worden sei er zu diesem Schritt durch die Tatsache, daß in Leipzig »einige so aufgeweckte Köpfe und zugleich grundgelehrte Leuthe« leben würden. Die im gleichen Brief getroffene Mitteilung über die positive Resonanz der Discourse der Mahlern in »einer gelehrten Gesellschaft« in Leipzig könnte nahelegen, daß es sich um die Teutschübende Gesellschaft handelt, was aber nicht sein muß (s. dazu S. 90).11 Den einzigen der »aufgeweckten Köpfe«, den König zumin-

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S. 14ft Jetzt ausführlich Rüdiger Otto: Leibniz' Projekt einer Sächsischen Akademie im Kontext seiner Bemühungen um die Gründung gelehrter Gesellschaften. In: Gelehrte Gesellschaften im mitteldeutschen Raum, S. 53-94. Otto hat hier erstmals und überzeugend das Konkurrenzverhältnis zwischen Leibniz und Tschirnhaus als wesentliche Ursache des Scheiterns der sächsischen Akademiepläne nachgewiesen. Vgl. die Vorrede Königs zu: Christoph Ernst Steinbach: Vollständiges Deutsches Wörter-Buch. Breslau 1734. Die Datierung um 1715 ergibt sich aus der Bemerkung Königs, das Leipziger Projekt sei »fast zu gleicher Zeit« zum Vorschlag gebracht worden als die Deutschübende Gesellschaft in Hamburg bestand. Ob König Egenolffs Vorschläge zur Gründung einer Societas Philoteutonum im Auge hatte, läßt sich schwer sagen. Für E. Wolff ist die Identifikation der Teutschübenden Gesellschaft mit Königs gelehrten Gesellschaft zwingend (Wolff, II, S. 41). Die Mitteilung Königs über seine Akademiepläne findet sich in einer Nachschrift zu seinem Brief vom 28. 3.1724 an Bodmer. Ich zitiere den Text nach dem Original (Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer 3.12), da in Bodmers eigener Publikation dieses Briefes (Litterarische Pamphlete) jene Nachschrift weggelassen worden ist. Nach Königs weiterer Darstellung habe Friedrich August dem Vorschlag sein »gnädigstes Ohr« geliehen, da

283 dest indirekt nennt,12 ist Johann Gottlieb Krause, der aber erst Jahre später der Deutschen Gesellschaft beitreten wird. Ob die Deutsche Gesellschaft mit weiteren, in späteren Jahren auf eine Akademiegründung hinauslaufenden Initiativen Königs zu tun hatte, ist ebenfalls sehr ungewiß. Jedenfalls berichtet König, August der Starke habe sich durch ihn dazu bewegen lassen, »eine eigene Academie für die teutsche Sprache, nach Art der Frantzösischen« einzurichten. Ihre Mitglieder sollten aus ganz Deutschland kommen. Er habe einen schriftlichen Entwurf eingereicht und diesen mit dem Kabinettsminister Manteuffel besprochen. Dieser sollte Kanzler der Akademie werden, während der König und Kurfürst das Oberhaupt der Sozietät abgeben sollte. Die Ziele der Tätigkeit der Akademie hätten in der Verbesserung der Schaubühne, in der Abfassung einer Sprachlehre und in der Erarbeitung eines Wörterbuches bestanden. Leider hätten »so viel wichtigere und sich immer häuffende Staats-Beschäfftigungen« die Realisierung des Vorhabens immer weiter verzögert, bis schließlich der Tod des Herrschers erfolgte (1733), der vollends einen Strich durch Königs Absichten zog.13 Wann der Hofpoet dieses Projekt unterbreitet haben will, läßt sich schwer sagen. Jedenfalls muß dies vor 1730 geschehen sein, da in diesem Jahr Manteuffel sich aus dem Staatsdienst zurückzog. Die von König erwähnte Denkschrift zu dem gesamten Vorhaben hat sich bisher nicht finden lassen. Ohne tatkräftige Unterstützung durch einen möglichst angesehenen Vertreters des Hofadels war unter den gegebenen Verhältnissen an eine Realisierung all der schönen Ideen zur Pflege der deutschen Sprache und Dichtung gar nicht zu denken. Wir hörten schon von den Bemühungen Gottscheds, vor allem Adlige als Mitglieder der erneuerten Deutschen Gesellschaft zu gewinnen. König war nun die Rolle zugedacht, den notwendigen

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er »ein ungemeiner Kenner und Liebhaber ihrer [der königlichen Majestät] Muttersprache« sei. Weiter meint König, die geplante Akademie würde es sich zur Ehre anrechnen, auch »auswärtige Teutsche Gelehrte von gutem Geschmack« als Mitglieder zu gewinnen, was natürlich auf seinen Briefpartner, Bodmer, zielt. In einem anderen an Bodmer gerichtet Brief erwähnt König eine »Gesellschafft gelehrter Leuthe«, die »hier« zur Zeit eine deutsche Übersetzung des Telemachs von Fénelon prüfe. Da der Brief in Dresden geschrieben worden ist, wird nicht deutlich, ob König mit »hier« im engeren Sinn Dresden meint oder darunter Sachsen versteht, was dann auf Leipzig hinauslaufen könnte (König an Bodmer, 15. 6.1726, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer 3. 12). »Einer von diesen gelehrten Kennern in Leipzig hat mir die Ehre gethan, mein in Prag auf die Keyserl. Krönung verfertigtes Gedicht, seinen gelehrten Zeitungen einzurücken, welches hier beygelegt habe, um ihnen aus seiner Beurtheilung darüber zu zeigen, wie wenig sein Geschmack von dem ihren unterschieden.« In den von Krause redigierten Neue Zeitungen von Gelehrten Sachen findet sich ein langes Gedicht Königs auf die Krönung der Kaiserin Elisabeth Christina (Jg. 1723, S. 812-816). Vgl. die Vorrede Königs zu Christoph Ernst Steinbach: Vollständiges Deutsches Wörter-Buch. Breslau 1734.

284 Vermittler zwischen den Leipziger Projektemachern und dem ersehnten großen Mäzen am Hofe zu spielen. Als möglichen Protektor seiner Gesellschaft hatte Gottsched den einflußreichen, dem kulturellen und wissenschaftlichen Leben aufgeschlossenen Grafen Ernst von Manteuffel ausgemacht.14 Mit der Berufung zum Minister für die auswärtigen Angelegenheiten hatte Manteuffel 1728 den Zenit seiner Karriere erlangt, seiner Fürsprache kam entscheidendes Gewicht zu. König selbst hatte ja dem Grafen eine repräsentative Stellung innerhalb seines eigenen Akademienvorhabens eingeräumt (s. S. 283). Schon 1727 hatte die Gesellschaft dem für Schmeicheleien durchaus zugänglichen Grafen ihre Nachricht von der erneuerten Deutschen Gesellschaft gewidmet. Manteuffel, der »Deutsche Scipio«, wird hier unumwunden aufgefordert, »diejenige Stelle« zu vertreten, »die ein berühmter Cardinal und Premier-Minister in Franckreich, bey der bekannten Französischen Academie vertreten hat.« Die Nachwelt könne dann verkünden, daß die Lorbeeren der »Deutschen Musen« sich unter Manteuffels Schutz ausbreiten konnten. Man bittet König um die Übermittlung dieser Texte: Er möge »durch einen nachdrücklichen Vorspruch bey Sr. Hochgräflichen Excellenz« das Bestreben der Gesellschaft fördern, denn bisher sei man allein nur stark »in der Begierde uns gemeinschaftlich zu erbauen«; es mangele aber noch sehr »an vielen äusserlichen Umständen, unsere Absicht vollkommen auszuführen.«15 Ein Jahr später widmet die Gesellschaft den ersten Band ihrer Oden dem Grafen; wieder ersucht man König um die Übergabe der Texte. Im Druck liegt jetzt auch Gottscheds von der Deutschen Gesellschaft preisgekröntes Gedicht auf August den Starken als »volkommener Regent« vor. Diese Publikation wird ebenfalls dem Hofpoeten überlassen, der mit diesen Texten in Dresden die Deutsche Gesellschaft bekannt machen soll. In seinem ersten an Gottsched gerichteten Schreiben berichtet König jedenfalls, er habe die beiden Stücke »hohen Orts übergeben und aufs nachdrücklichste recommendiret«; auch habe er »Sr. Exc. dem Grafen von Manteuffel expressè die Stelle gewisen, da Sie seiner in ihrer gebundenen Rede gedacht haben.16 Welches er mit nicht weniger Satisfaction als die Dedication von den Oden der teutschen

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Die einzige ausführlichere Biographie des Grafen bietet Thea von Seydewitz: Ernst Christoph Graf Manteuffel. Kabinettsminister Augusts des Starken. Persönlichkeit und Wirken. Dresden 1926 (Aus Sachsens Vergangenheit 5), zu Gottsched vgl. bes. S. 147-158. Die Verfasserin benutzte die im Sächsischen Hauptstaatsarchiv befindlichen Korrespondenzen Manteuffels, deren großen quantitativen Umfang sie freilich bei weitem nicht für ihre Biographie ausschöpfen konnte. Dedikation zu: Nachricht von der erneuerten Deutschen Gesellschafft in Leipzig und ihrer ietzigen Verfassung. Herausgegeben durch die Mitglieder derselben. Leipzig 1727. König meint eine Stelle in Gottscheds Lobgedicht auf den König und Kurfürsten, wo es in Bezug auf Manteuffel heißt: »Da, spricht sie [die Muse Kalliope], wohnt der Graf, der Sächsische Mäcen [...) Er selber ist gelehrt und liebt Gelehrsamkeit,/ Und ist im Cabinet ein Nestor Seiner Zeit [...].«

285 Gesellschafft angenommen, die ich ihm, nebst dem Schreiben, überliefert.« Der Graf hätte selbst schriftlich geantwortet, wenn er nicht durch Amtsgeschäfte abgehalten worden wäre. Die zwei Reden habe er schließlich auch an den König durch den Kammerjunker Brühl, Gottscheds späteren erbitterten Feind, übermittelt.17 Überschwenglich bedankt sich Gottsched bei seinem Gönner für dessen Eintreten vor dem Grafen zugunsten der Gesellschaft. Aus dem gleichen Schreiben erfahren wir, daß Gottscheds Leipziger Widersacher im vorangegangenen Jahr versucht hätten, ihn bei Manteuffel anzuschwärzen. Er wäre daher schon froh, wenn durch Königs Vermittlung der Reichsgraf ihn in seiner Karriere zumindest nicht mehr hindern werde. Dagegen hoffe er jetzt auf die Unterstützung der Gesellschaft durch den mächtigen Minister.18 Schließlich reist Gottsched nach Dresden, um bei König seine Aufwartung machen zu können. Nach seiner Rückkehr kann er seinen Gastgeber gar nicht genug loben und preisen: Alle Tugenden der Römer und Griechen fänden sich bei ihm vereint; vor allem aber habe er, Gottsched, jetzt »Einsicht in die tieffsten Geheimnisse der Poesie und Redekunst« gewonnen.19 Was das persönliche Fortkommen angeht, so kann Gottsched tatsächlich von Königs Hilfe profitieren: 1729 wird er zum außerordentlichen Professor der Poesie ernannt. Nach außen hin ist der selbstbewußte Hofpoet allerdings darum bemüht, sich mit seinem Leipziger Schützling nicht sozusagen gemein zu machen. Etwas indigniert weist er Bodmers Vermutung zurück, er arbeite an den Tadlerinnen mit: »Der einzige rechte autor ist Magister Gottsched, ein Mensch, der sein ganzes Glück durch mich zu machen sucht, was hätte ich dann für menagement für einen solchen jungen Menschen nöthig?«20 17

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König an Gottsched, Dresden, 14.7.1728 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 65). In einem späteren Schreiben bestätigt König, er habe zwei Exemplare von der Teutschen Gesellschafft erhalten. Bei dem Grafen Manteuffel habe er bei einer Unterredung »wegen der ihm dedicirten neuen Einrichtung ihrer Gesellschafft, dero Person sonderlich recommendirt, und Sr. Excell. versichert, daß E: HochEdl. einer der gelehrtesten und zu dieser Absicht geschicktesten Mitglieder wäre; welches zu seiner Zeit seine gute Würckung haben wird.« (König an Gottsched, o. O. und o. D. [UBL, Ms 0342, I, Bl. 122]. Da Grußformel, Datum und Unterschrift fehlen, ist das Schreiben vielleicht nur unvollständig überliefert). Gottsched an König, o.D. In: Des Herrn von Königs Gedichte. Brief o.D. In: Des Herrn von Königs Gedichte, S. 641ff. Anschließend dankt Gottsched dafür, daß König bei dem Oberhofprediger Marperger gegen »die bösen Absichten« eines Verstorbenen für ihn eingetreten sei. Mit dem Verstorbenen ist wohl ein zuvor erwähnter Großvater gemeint, der aus Eifersucht »wegen seiner Enkelin« gehandelt habe. Die Zusammenhänge sind mir nicht klar geworden. Brief an Bodmer, 1. 9.1727. In: Brandl (Barthold Heinrich Brockes), S. 159f£ (164). Auch durch die Vermittlung des Adligen Hans Karl von Kirchbach, Ende der zwanziger Jahre eines der rührigsten Mitglieder der Gesellschaft, kann Gottsched in Königs Gunst steigen: »Der Herr von Kirchbach ist fast täglich bey mir oder mit mir in Gesellschafft, er ist ein Cavalier, den man so man sowohl wegen seiner Gemüthsgaben als wegen seiner Wissenschafften hochschätzen muß. Er ist ihr sonderbahrer Freund, und hat sich wegen der piece des Picanders wieder Sie sehr geärgert.

286 Dennoch schlagen alle Bemühungen fehl, über König den Grafen Manteuffel für die ehrgeizigen Pläne Gottscheds und der Deutschen Gesellschaft zu gewinnen. Schon das anfangs schwelende, zu Beginn des Jahres 1730 offen zutage tretende Zerwürfnis zwischen Gottsched und König mußte bei der einflußreichen Position des letzteren am Dresdner Hofe von verheerender Wirkung auf alle jene Bestrebungen sein. 21 Es war Gottscheds entschiedene Ablehnung der Oper, als deren Hauptvertreter in Deutschland sich König verstand; es waren kritische Äußerungen über Besser, dem König sehr nahe stand; es war aber wohl auch einfach der Anspruch beider Kontrahenten, die maßgebliche Autorität in allen Fragen des Dichtens abzugeben, die zu jenem Bruch führten. 22 Noch wichtiger ist die Feststellung, daß sich König nicht nur durch Gottsched, sondern veranlaßt durch dessen Betreiben auch von der ganzen Deutschen Gesellschaft attackiert bzw. in seinem Ruhm herabgesetzt sah. In der Vorrede zu der von ihm besorgten Edition der Gedichte des als Hofdichter geltenden F. Rudolf Ludwig von Canitz (1727) scheint König erstmals, und zwar ziemlich vehement, auf eine aus dem Gottsched-Umkreis kommende Kritik an der Gruppe der Hofpoeten zu reagieren. 23 Es gäbe

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Man sagt hier daß die Studenten denselben wegen seiner Verse auf einer neulichen Schlittenfahrt, wacker ausgeprügelt hätten, berichten Sie mir etwas gewisses davon. (König an Gottsched, Dresden, 28. 2.1729, UBL, Ms 0342,1, Bl. 105r-106v)· Die folgenden Ausführungen stützen sich quellenmäßig auf ein langes Schreibens eines Bruders von König, Jacob Bernhard König, an Gottsched (Dresden, 21. 4.1730, UBL, Ms 0342,1, Bl. 233r-234v, Folioformat und engzeilig). In diesem Brief, den er ohne Wissen seines Bruders geschrieben haben will, greift König Gottsched schärfstens an und hält ihm eine langes Verzeichnis an Undankbarkeiten und Bösartigkeiten vor. Vgl. zum Bruch zwischen Gottsched und König auch Rosenmüller (König), S. 51ff. Einige aufschlußrfeiche Mitteilungen über den Gegensatz zwischen Gottsched und König zu Beginn der dreißiger Jahre gibt der gut informierte Clauderer in seinen Briefen an Bodmer: »H. König ist sein Freund nicht, gleichwie viel ander Leute mehr; welches verursachet, daß H. Gottsched sein Glück etwas langsam erwarten muß.« (Clauderer an Bodmer, Leipzig, 10. 5.1733, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer, la. 4). Nach Bekanntwerden von Bodmers Schrift »Charakter der deutschen Poeten« berichtet Clauderer über die Reaktion Gottscheds: »J. R Gottsched billigt es in allem, außer daß er glaubet, H. Brockes sey fast allzusehr gelobet worde. Vielleicht würde er dies pardonniren, wenn er sich darinnen gefunden hätte. Ich habe ihm aber die Verse, darinnen Ew. HochEdl. sein Portrait machen, nicht vorlesen dürften, weil er darinnen mit Königen verglichen wird, von dem er doch ein bitterer Feind ist. Diese Feindschafft ist aus Privat-Absichten entstanden, und wird ietzo dadurch unterhalten, daß H. Gottsched die Opern wegen ihrer ungereimten Natur tadelt, die hingegen H. König ehemahls gebilligt, und künfftig in einer besonders Schrifft vertheidigen wül... (Leipzig, 8.10.1734, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer, la. 4). Ich stütze mich hier auf eine Bemerkung von Königs Bruder: Die Angriffe der Deutschen Gesellschaft auf seinen Bruder (s. die weiteren Ausführungen im Text) seien wohl eine »revange für die vermeintliche Beleidigung« der Gesellschaft, die Gottsched in »der Vorrede der Canitzischen Gedichte wolle gefunden haben, und davon E. G. mir jüngst Meldung gethan«. Diese Feststellung kann sich m.E. nur auf die im folgenden teilweise zitierte Passage aus Königs Vorrede beziehen. Auf

287 »gantze Schaaren mittelmäßiger Buchladen-Poeten«, die durch »eine alberne Rang-Ordnung auf dem Parnaß, durch eine hämische Herabsetzung aller Dichter, die jemahls an Höfen gelebt; oder gar durch eine lächerliche Vergötterung ihres Helden« den Ruhm Canitz' herabmindern wollten, damit aber nur »ihre Boßheit oder Einfalt« an den Tag legten. Sollte der Dresdner Hofpoet hier tatsächlich die sich gerade neugründende Deutsche Gesellschaft meinen, so wäre unter dem »Helden« wohl eher Mencke als Gottsched zu verstehen. Am Schluß seiner Philippika bringt König dann pikanterweise gerade die »Teutschübende Poetische Gesellschaft in Leipzig« ins Spiel, denn »ein jeder Anfänger« aus dieser Sozietät wäre »mehr als zu fähig, den Muthwillen solcher Leute zu wiederlegen.«24 Damit ist das Geplänkel zwischen Dresden und Leipzig um die Beurteilung der jüngeren deutschen Literaturgeschichte noch nicht beendet. Aufs neue fühlt sich König durch einige im Namen der Gesellschaft verfaßte Kasualgedichte angegriffen. In keinem der Verse wird sein Name genannt, dennoch sieht er sich hier angesprochen - in der karikierenden Darstellung von Dichtern, die durch das Auftreten neuer Poeten, gemeint sind damit natürlich die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft, sozusagen in die Vergangenheit verabschiedet werden.25 Königs Bruder tobt: Alle diese Schriften seien, »wie der Augenschein aufweist, und aus Leipzig so vielerley schrifftliche Nachrichten bezeugen, alle auf ihr Anstifften geschehen«. Dieses Vorgehen sei sicher als Revanche für die angebliche Beleidigung der Deutschen Gesellschaft zu verstehen (s. Anm. 23). Sein Bruder könne sich jedoch nicht entsinnen, »daß er diesen Leuthen jemahls etwas zuwieder gethan, oder thun wollen«. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall. Damit meint Jacob Bernhard König jedoch nicht das von seinem Bruder Gottsched gegenüber geschilderte erfolgreiche Eintreten beim Grafen Manteuffel zugunsten der Belange der Gesellschaft, sondern die Beschwichtigung des allmächtigen Ministers, der,

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welchen Text (wohl ein Gedicht) sich König in seinen Ausfällen bezieht, habe ich nicht ermitteln können. Des Freyherrn v. Canitz Gedichte [...] Leipzig und Berlin 1727, Neuer Vorbericht, S. LXVIf. Nachdruck Tübingen 1982. Hg. von Jürgen Stenzel. Der Hg. hat nichts über »Canitz-Kritiker« ausfindig machen können (S. 466). Das eine Gedicht ist an Mencke gerichtet. Dort wird der erneute Verfall der Dichtkunst nach Opitz' Zeiten beklagt. Dies habe solange gewährt »Bis Neukirch, und auch Du, o Mencke! sich gewagt./ Und diesen leeren Dunst von uns aufs neu verjaget.« (Eigene Schriften I, S. 155-162. Das Gedicht ist von Adam Bernhard Pantke, einem Mitglied der Gesellschaft, verfaßt worden.) In dem im Namen der Deutschen Gesellschaft von Gottsched selbst verfaßten »Schreiben bey der Hochadlichen Kirchbach-Vitzhumischen Beylager 1729« wird Kirchbach im Vergleich zu ungenannt bleibenden Schwulstdichtern als großer Kenner der deutschen Sprache gerühmt: »[...] wenn andre trotzig pochen,/ Die weder welsch, latein, noch recht französisch sind,/ Wenn andre diesen Wust, aus Wahn und Einfalt blind,/ Als Lehrer in der Kunst den Deutschen angepriesen:/ Hast du, bereder Freund! das Gegentheil gewiesen.« (Gottsched, Gedichte, S. 383-385 [385]).

288 nach dieser neuen Darstellung, ganz und gar nicht von dem Ansinnen der Leipziger Gesellschaft angetan gewesen sein soll. Das Ersuchen, Vorsteher der Gesellschaft zu werden, habe Manteuffel »dermaßen übel aufgenommen, daß mein Bruder genug zu thun gehabt, Sr. Excell. anders zu disponiren, wiewohl Sr. Excell. sich ausdrücklich dabey bedungen, daß mein Bruder der Gesellschaft unter der Hand von solchen Vorsatz abrathen sollte.« Es läßt sich heute, zumindest nach den gegenwärtigen Quellenkenntnissen, nicht mehr sagen, welche Mitteilung über die Reaktion des Grafen auf die Versuche der Deutschen Gesellschaft, seine Gönnerschaft zu erlangen, den Tatsachen entspricht. Genug, daß Manteuffel die ersehnte Protektion der Gesellschaft nicht übernahm. Im übrigen verlor er durch den 1730 erfolgten erzwungenen Rücktritt vom Amt des Außenministers und durch die Verlagerung seines Wohnsitzes nach Pommern die Bedeutung, die ihm die Gesellschaft als möglichen Förderer ihrer Ambitionen zugemessen hatte.26 Einen sehr konkreten Vorstoß, den Status einer staatlich anerkannten Akademie zu erringen, ist seitens der Deutschen Gesellschaft knapp zwei Jahre später unternommen worden. Auf diese Vorgänge sei hier abschließend wenigstens hingewiesen. Der Dresdner Verbindungsmann ist diesmal der Konsistorialrat Johann Christian Benemann, der später mit Gedichtsammlungen zum Lobpreis der Blumen an die Öffentlichkeit treten wird.27 Wohl auf dessen Anraten reicht man einen Antrag auf Ernennung zur königlichen oder kurfürstlichen Gesellschaft ein, verbunden mit der Bitte, einen jährlich zu vergebenden Preis zu finanzieren. Das Ersuchen wird von Gottlob Friedrich von Gersdorf, dem Direktor des Geheimen Konsiliums, am 21. Januar 1732 mit folgender Anweisung an die Landesregierung und an das Oberkonsistorium weitergegeben: 26

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Später hat man sich angesichts der gänzlichen Erfolglosigkeit aller Bemühungen in Dresden doch wieder an den Grafen gewandt. Dazu kommt, daß Gottsched über den Bund der Alethophilen inzwischen in eine nähere persönliche Beziehung zu Manteuffel getreten war. »Unsere Deutsche Gesellschaft, ja viel mehr unser ganzes Vaterland wird es demjenigen Mäcenas einmal ewig verdanken, der ein solches Werk, als die Errichtung einer solchen Gesellschaft der Deutschen Sprache und freyen Künste seyn würde, glücklich ausführen wird. Hier ist noch ein Ruhm für einen deutschen Richelieu übrig; Der aber gewiß soviel Einsicht, Geschmack, und Eifer für das gemeine Beste und für die Ehre seines Vaterlandes haben müßte, als E. Hochreichsgräfliche Excellence besitzen. Mit einem Worte, es wäre Schade, wenn die Ehre einer solchen Stiftung einmal jemanden anders zu theil würde.« (Manteuffel an Gottsched, 31. 3.1738, UBL, IV, Bl. 358). Am umfangreichsten: Gedancken über das Reich derer Blumen/ bey müssigen Stunden gesammlet, von einem Liebhaber solcher schöner Geschöpfte. Dresden 1740. Benemann hatte in Halle Recht studiert (Respondent bei Johann Samuel Stryk zum Thema »De natura matrimonii«, 1708). In den zwanziger Jahren war er in eine Auseinandersetzung mit Christian Thomasius verwickelt (z. B.: Unvorgreiffliche Gedancken über die von [...] Christian Thomaßen geh. Disputation von Verzögerung der Justiz durch den richterlichen Versuch der Güte unter den streitenden Partheien. O. O. 1724).

289 Demnach Uns die Mitglieder der Teutschen Gesellschafft zu Leipzig, in der Beyfuge unterthänigst angelangt, daß Wir sie mit dem Beynahmen einer Königl. oder Churfürstl. Gesellschafft, nebst einer beliebigen Stifftung zu den jährlichen Preißen der Poesie und Beredsamkeit, zu begnadigen geruhen möchten: Alß begehren wir gnädigst Uns wollet Ihr zu Faßung desto zuverläßiger Entschließung, euer ohnmaßgebliches Gutachten, ob oder wiefern dem Suchen zu deferiren, mittelst unterthänigsten Berichts eröfnen. Hieran p. Und p. 28

In Reaktion auf dieses Schreiben fordert das Oberkonsistorium über Gottscheds Vermittlung, der gerade die Universität auf dem Landtag vertritt, von der Gesellschaft eine genauere Darstellung ihrer Absichten und Ziele ein. Gottsched macht einen Entwurf und schickt ihn zur Beratung nach Leipzig.29 In den Reihen der Gesellschaft äußert sich Unmut, da viele der Mitglieder erst jetzt, nachdem bereits viele Außenstehende informiert worden sind, von diesen Vorgängen Kunde erhalten. May berichtet in einem bereits in anderen Zusammenhängen erwähnten Brief über die nun angestrengten Beratungen: Allein es war nicht möglich, daß man bey so viel Köpfen auf einen gewißen Schluß kommen konnte. Dahero wurden Ihrer vier erwehlet, welche diese Abschrifften durchgehen und sie untersuchen, was noch darzuzusetzen wäre darzuzusetzen und so einrichten sollten, daß ich es hernach abfaßen und der Gesellschafft zu ihrem Beyfall vorleßen könnte. Diese Vier sind: H. M. Seidel, H. M. Lotter, H. M. Schellhafer und zu welchen wir aber noch H. M. Wincklern genommen haben.

Außerdem habe man beschlossen, sich an Benemann, der der Gesellschaft wohlgesonnen sei, mit der Bitte um Hilfe wenden (s. Quellentexte Nr. 11). Benemann erhält die schriftliche Ausarbeitung der Gesellschaft und bekundet sein ausdrückliches Interesse an der Förderung ihrer Belange. Dringend rät er jedoch ab, die Geldforderungen aufrechtzuerhalten. Man solle sich zuerst auf die Erlangung des königlichen Schutzes der Gesellschaft konzentrieren. Aber auch in dieser Frage gelte es Geduld aufzubringen: »Aber die Menge und Wichtigkeit so vieler andrer Sachen pflegen, wie zu jeder, also besonders zu der iezigen Zeit, da alles zu der Pohlnischen Reise veranstaltet wird, große Verhindernüße zuverursachen.« (s. Quellentexte Nr. 12). Die Ausarbeitung der Deutschen Gesellschaft über ihre Absichten wird bei der Landesregierung eingereicht, jedoch kann Benemann ausgerechnet an derjenigen Sitzung nicht teilnehmen, auf der diese Angelegenheit erörtert wird. Da nun »die übrigen MitGlieder, so gedachter Landes-Regierung aber nicht gleiche Neigung für das Werck, oder vielleicht nicht gleichen Unterricht darvon gehabt, so ist der Schluß auch nirgend anders als dahin ausgefallen, daß, weil von Ihro Königlichen Majestaet auch von dem Ober-Consistorio Bericht erfordert worden, man zuförderst Erkundigung einziehen solle, wie das Vorhaben etwa daselbst angesehen werden möchte.« (s. Quellentexte 28 29

SHA. Loc. 4558. Die teutsche Gesellschafft zu Leipzig betr. 1732. Dieser Entwurf bildet die Grundlage für den noch im gleichen Jahr veröffentlichten Text Der Deutschen Gesellschaft Ausführlichen Erläuterung ihrer bisherigen Absichten, Anstalten und der davon zu verhoffenden Vortheile (Gesammlete Reden).

290 Nr. 12) Weder der Bericht des Oberkonsistoriums ist uns bekannt noch der weitere Fortgang der Verhandlungen um den Antrag der Deutschen Gesellschaft. Offenkundig ist nur, daß auch dieser Vorstoß keinen Erfolg erbrachte; die Sozietät konnte die ersehnte kurfürstlich-königliche Privilegierung nicht erlangen. 30 Welche geringen Ergebnisse alle Versuche zeitigten, durch die erwähnten Widmungen, Zueignungen und sonstigen Schmeicheleien, wirklich aktive und engagierte Gönner zu finden, zeigt das Beispiel des umworbenen Hofpredigers Bernhard Walther Marperger, dem man den zweiten Band der Beyträge gewidmet hatte. Sein Dankschreiben (s. Quellentexte Nr. 13) ist von höflicher Unbestimmtheit, im Grunde nichtssagend. Zum Anliegen, die Deutsche Gesellschaft unter den Schutz des Herrschers zu nehmen, kann er nur antworten: »Die bisherigen Umstände des Hofes, haben noch nicht verstattet, für dieselbe eine Bestättigung unter hohem Königl. und Churfürstl. Nahmen zu erhalten.« In einem weiteren Brief fällt ihm lediglich der anscheinend durch einen Blick auf die Preußische Akademie inspirierte Vorschlag ein, die Gesellschaft durch den Erwerb eines Kalendermonopols zu finanzieren. Hatte diese Konstruktion bei der stark naturwissenschaftlich orientierten Berliner Akademie noch einen gewissen Sinn, so mußte sie in den Ohren der Leipziger Dichter und Sprachforscher recht seltsam klingen. Neben der Darstellung der vergeblichen Versuche, die Deutsche Gesellschaft zum Rang einer Akademie zu erheben, ist noch von den Kontakten der Leipziger Sozietät zu anderen Gesellschaften ähnlicher Orientierung zu berichten. Diese Verbindungen sollten ebenfalls dem Ziel dienen, den eigenen Bestrebungen nationale Bedeutung zu verleihen. Im Mittelpunkt jener auf ein gemeinschaftliches Handeln zielenden Bemühungen stand zu Beginn der dreißiger Jahre die Frage der Normierung der deutschen Rechtschreibung. 31 Dabei wurde die heutzutage dem Verantwortungsbereich ganzer Ex30

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Daß der Akademiegedanke innerhalb der Gesellschaft dennoch weiterhin in der Diskussion blieb, belegt die von Friedrich Wilhelm Stübner gehaltene Abschiedsrede auf Johann Georg Lotter, der an die Petersburger Akademie berufen wurde. Nach einem Blick auf die Geschichte der Akademien beschäftigt den Redner vor allem der Gedanke einer engeren Zusammenarbeit der verschiedenen europäischen Akademien. Dann verwahrt sich Stübner gegen den Eindruck, er denke im Blick auf die Petersburger Sozietät vielleicht daran, daß die Deutsche Gesellschaft mit dieser zusammenarbeiten solle. Auch genieße die Petersburger Akademie den »Großmuth und Freygebigkeit einer allerdurchlauchtigsten Kaiserinn«. An diese Vorzüge würde die Deutsche Gesellschaft nicht heranreichen, heißt es dann mit versteckter Kritik. Aber man sei stolz, über Lotter nun doch mit der russischen Akademie in Verbindung zu kommen. (Von der Gemeinschaft gelehrter Gesellschaften, an Herrn M. Johann Georg Lottern, als er Profess, der Beredsamkeit in Petersburg wurde im Namen der deutschen Gesellschaft zu Leipzig abgelassen von M. Fried. Wilh. Stübner. In: Eigene Schriften III, S. 80-93). Vgl. Fritz Tschirch: Geschichte der deutschen Sprache. 2. Teil. Berlin 31989 (Grundlagen der Germanistik 9), S. 173f£ zur Geschichte der Rechtschreibung (mit Literaturhinweisen).

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pertengruppen anvertraute ständige Reglung der Schreibweise der Muttersprache im 18. Jh. noch keineswegs als ernsthafte Beschäftigung eines Gelehrten anerkannt. Gegen eine elitäre Wissenschaftsauffassung, wie wir ihr schon bei J. A. Fabricius begegneten, mußte immer wieder der Sinn einer solchen Sprachpflege verteidigt werden. So sieht sich Carl Siegmund Machnitzky am Beginn einer vor der Jenaer Deutschen Gesellschaft gehaltenen programmatischen Rede zum Thema Rechtschreibereform genötigt, sein Vorhaben zuerst umständlich zu rechtfertigen, denn: [...] so höre ich einen ganzen Haufen solcher Leute, die sich einbilden, in dem Reiche der Gelehrten nicht die geringsten zu seyn, mir entgegen raffen: schäme dich, du minderträchtiger Redner, daß du einen solchen verächtlichen und abgeschmackten Gegenstand deines Nachdenkens erwählet. Es sind dieses Sachen, die [...] man billig denen überläßet, die den Kindern die ersten Züge der Buchstaben beybringen müßen.

Gegenstand der Wissenschaft könne einzig und allein die gelehrte, d. h. lateinische Sprache bilden. Dagegen setzt Machnitzky den Entschluß, daß er mit »teutscher Herzhaftigkeit« sich gegen den »lateinischen Tyrannen« wenden und die deutsche Rechtschreibung untersuchen werde, denn auch das Deutsche sei »eine Sprache der Gelehrten« und daher der entsprechenden Beachtung wert.32 Initiator der zu Beginn der dreißiger Jahre unternommenen Versuche zur Normierung der Rechtschreibung ist jedoch nicht Gottsched und seine Gesellschaft, sondern die zu jenem Zeitpunkt immer noch einzige wissenschaftliche Akademie in Deutschland, die sich wenigstens in ihrem Ansatz mit entsprechenden Einrichtungen in Frankreich, England und nun auch Rußland vergleichen ließ, die Preußische Sozietät der Wissenschaften mit ihrem Sitz in Berlin. Zu ihr gehörte von Beginn an eine Klasse zur deutschen Sprache und Geschichtsforschung, die sich damit der reorganisierten Leipziger Gesellschaft zuerst und vor allem als Ansprechpartner anbieten mußte. Aufgenommen wird jedoch der Kontakt, wie schon erwähnt, nicht von den Leipzigern, sondern von den Berlinern, konkret von Daniel Ernst Jablonski, der nach Leibniz den wichtigsten Anteil an der Gründung der Sozietät genommen hatte. Am 5.2.1728 berichtet er der eben erwähnten Klasse, daß er die gerade erst erschienene Nachricht der erneuerten Deutschen Gesellschaft zur Kenntnis genommen hätte und daraufhin zur Auffassung gelangt sei, man solle mit dieser Gesellschaft »in Gemeinschaft« treten und mit ihr entweder im Namen der ganzen Klasse oder durch ein einzelnes Mitglied eine Korrespondenz anknüpfen. Was dann Jablonski als Programm entwirft, ist von wahrhaft kühnem Zuschnitt: »Er verhoffe daß aus dieser Gemeinschaft ein

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Rede von dem Nutzen der teutschen Rechtschreibung, und deren Gründen überhaupt, gehalten den 22 Augustus 1733 von Carl Siegmund Machnitzky von Breslau aus Schlesien (UB Jena, Prov. q 77a, Nr. 37).

292 großer Vorteil zu beforderung des vorhabenden Zweckes erwachsen, und das Ansehen beider Vereinigten Societaeten das übrige Teutschland nach sich ziehen werde.« Erstes Ziel dieser Zusammenarbeit müsse die Festsetzung verbindlicher Regeln der Rechtschreibung bilden, »denn so lange solches nicht geschiehet, und ein Gesez, wodurch was wahr oder falsch ist, entschieden werde, vorhanden ist, werde nichts helfen, wenn noch so viel Orthographien und Rechtschreibungen heraus gegeben würden, als derer schon vorhanden sind.« Habe man zusammen mit der Leipziger Gesellschaft dieses Werk vollbracht, sollten andere Fragen in Angriff genommen werden, so zur Etymologie, Syntax und Phraseologie, denn hier würden überall noch Fehler und Ungereimtheiten begangen. Jablonskis Zuhörer spenden Beifall, und man beschließt die Nachricht der Deutschen Gesellschaft, die erst »den wenigsten« bekannt war, umlaufen zu lassen. Bei der nächsten Sitzung wolle man wieder über diese Angelegenheit sprechen.33 Dies scheint nicht geschehen zu sein, oder uns ist darüber keine Nachricht überliefert worden; jedenfalls ist erst im Dezember 1729 wieder von der Deutschen Gesellschaft die Rede, und zwar in einer Sitzung des Konzils der Akademie. »Herr Gotsched« heißt es, der durch seine vielen Schriften recht bekannt geworden sei, habe sich »unter der Hand beworben in die Societaet aufgenommen zu werden.« Da Gottsched der »Deutschgesinnten Gesellschaft zu Leipzig« (sie!) angehöre, »diesen ort aber vorhin gewünschet worden, mit dieser Gesellschaft, welche bisher nur partem Rhetoricam und Poeticam der Deutschen Sprache getrieben, in eine nähere gemeinschaft zu treten, um zu versuchen, ob sie auch partem Grammaticam, und also den Grund der Sprache anzugreifen belieben wolle, und die aufnehmung des H. Gotsched hiezu statlichen anlaß geben könne«, erfolgt Gottscheds Wahl zum Mitglied der Akademie.34 Nach einigen Monaten geht Gottscheds Dankschreiben für die Aufnahme in die Akademie ein, »samt der proben einiger seiner dabei gesandten Schriften«. Das Konzil beschließt, darauf »geziemend« zu antworten,35 was dann über ein an Gottsched gerichtetes Schreiben Jablonskis auch geschieht: So bald die sobetitelte Nachricht von der erneuerten Deutschen Gesellschaft ans Licht getreten, hat man mit derselben nähere Gemeinschaft zusuchen, und in genaueres Vernehmen zu gerahten den Vorsaz gefaßet, und nur einer bequemen Gelegenheit solches zu bewerkstelligen erwartet, daher diejenige, welche der Herr 33

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Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV, 38: Protokolle der deutschen Sprach und Geschichtsforschungs-Classe 1711-1742, Abschrift S. 106f£ Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV, 8: Protocolium Concilii Regiae Societatis ab Anno MDCCXXVIII, S. 88 (Sitzung vom 8.12.1729). Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV, 8: Protocolium Concilii Regiae Societatis ab Anno MDCCXXVIII, S. 100 (Sitzung vom 1.3.1730).

293 Hofraht Gruber hiezu an die Hand gegeben, mit allem Willen ergriffen worden. Zur Befolgung dieses Vorhabens werde mit ehesten einen ausführlichen Vortrag zu tuhn mir die Freiheit vorbehalten, weil vorizo einige anderweit angelegene arbeit mir solches nicht verstattet.

Er wolle mit Gottsched jedoch weiter in Verbindung bleiben.»36 Anderthalb Monate später geht ein neuer Brief an Gottsched ab. Er enthält einen Bericht über das seitens der Akademie verfolgte Vorhaben einer Festlegung allgemeiner Rechtschreibregeln. Diese könnten nicht auf dem Wege diktatorischer Bestimmungen gewonnen werden, sondern müßten sich auf »vernünftige Überzeugung und freiwillige Zustimmung« gründen. Ziel sei es, »einige allgemeine Regeln und Grundsäze« zu entwickeln. Dem diene ein seinem Schreiben beigelegter »Versuch«, über den die Leipziger Gesellschaft ihr Urteil bilden solle: Da aber der rühmliche fleiß der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig sich öffentlich zu erkennen gegeben, hat man alsobald geurteilet, wenn diese löbliche Gesellschaft solchem Vorhaben beizufallen bewogen werden könnte, und daßelbe mit zusammengeseztem recht zu [...?, Papierschaden] deren sich gefallen laßen wollte, daß durch derselben schon erworbenen und immer mehr anwachsenden Ruhm und Ansehen der sachen ein starkes Gewicht zufallen würde.

Zum Schluß wird auf die Wahl Gottscheds in die Berliner Akademie hingewiesen und die sich daraus ergebende verbesserte Möglichkeit betont, mit der »löblichen Gesellschaft« in Leipzig »in ein näheres Vernehmen zu gerathen«.37 Interessanterweise bringt sich zu diesem Zeitpunkt der schon erwähnte in Leipzig lebende Johann Georg Wächter als Mitglied der Preußischen Akademie ins Spiel. In einem Schreiben vom 14. 4.1730 schlägt er Johann Georg Lotter, Assessor an der Leipziger Philosophischen Fakultät, als Mitglied der Akademie vor.38 Lotter wird zwar erst 1731 in die Leipziger Deutsche Gesellschaft aufgenommen, dürfte aber bereits in den Jahren zuvor mit ihr bzw. mit dem Gottsched-Kreis in Kontakt gestanden haben. Während der wenigen Jahre seiner Mitgliedschaft zählt er zu den aktivsten Köpfen innerhalb der Sozietät. Man scheint sich in Berlin nicht sonderlich für Wächters Vorschlag interessiert zu haben. Zwar gibt man einige »Proben« von Lotters Schriften in Umlauf (konkret genannt wird die Vita Peutingeri), aber dann versandet die Angelegenheit. Jedenfalls sieht sich Wächter gegen Ende des Jahres 1730 genötigt, eine Mahnung ausgehen zu lassen, worauf man in Berlin jetzt feststellt: »Weil nun H. Wächter seine recommendation wiederholet, werde es nötig sein, einer Beantwortung schlüßig zu werden.« Es solle ermit-

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Jablonski an Gottsched, Berlin, 7. 3.1730 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 202 r -203 r ). Jablonski an Gottsched, Berlin, 24.4.1730 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 235 r -237 r ). Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV, 38: Protokolle der deutschen Sprach und Geschichtsforschungs-Classe 1711-1742, Abschrift, S. 113 (Protokoll vom 14. 4.1730).

294 telt werden, wieweit die »Proben« die Runde gemacht haben, um dann einen Beschluß zu fassen.39 Tatsächlich ist Lotter dann auch Mitglied der Preußischen Akademie geworden. Gottsched seinerseits gewinnt inzwischen an der von den Berlinern angeregten Vereinheitlichung der Rechtschreibung wachsendes Interesse, eröffnete sich doch hier die einmalige Möglichkeit, den eigenen noch engen Wirkungskreis auf weite Teile Deutschlands auszudehnen. Abgesehen von der Preußischen Akademie bot sich jetzt noch ein weiterer Bündnispartner dar. Vor kurzem erst (1728) war es nämlich in Jena zur Gründung einer weiteren Deutschen Gesellschaft gekommen, zum Teil auf Anregung von Gottscheds alten Feind J. A. Fabricáis.40 In der äußeren Struktur wies sie der Leipziger Gesellschaft gegenüber zwar eine Reihe von Unterschieden auf, in der inhaltlichen Orientierung ihrer Ziele folgte sie doch weitgehend dem kursächsischen Beispiel. Auch suchte man bald den Kontakt mit Leipzig; vor allem Gottlieb Stolle (>Aufseher< der Gesellschaft) stand alsbald (ab Februar 1730) mit Gottsched in Korrespondenz.41 Das Verhältnis der Leipziger Gesellschaft zu den zahlreichen nach ihrem Vorbild ins Leben gerufenen Deutschen Gesellschaften bildet ein ungeschriebenes Kapitel der Sozietäts- und Literaturgeschichte, das auch hier nicht geliefert werden kann oder soll. Das Jenaer Beispiel zeigt jedoch, daß diese Beziehungen nicht konfliktfrei waren. Das belegen schon Stolles Schreiben, in denen er immer wieder die friedliche Gesinnung der Jenaer beteuert und Gottsched als Vorbild rühmt: »Unser Gesellschafft wird weder die Ihrige, noch auch dero hochwerthe Person insonderheit iemahlen angreiften, so lange ich was bey derselben zu sprechen habe.«42 Überhaupt seien Einigkeit und gegenseitiger Respekt Vorausset39

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Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV, 8: Protocolium Condili Regiae Societatis scientiarum ab Anno MDCCXXVIII, S. 135f. (Sitzung vom 13.12.1730). Zur komplizierten Gründungsgeschichte der Jenaer Gesellschaft und zu deren Organisation, Mitgliederschaft usw. vgl. Marwinski (Johann Andreas Fabricius), S. 21fñ Ergänzend: Jens Riederer: Aufgeklärte Sozietäten und gesellige Vereine in Jena und Weimar zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit 1730-1830. Sozialstrukturelle Untersuchungen und ein Beitrag zur politischen Kultur eines Kleinstaates. Diss. Jena 1995 (Masch.), zur Deutschen Gesellschaft S. 139-158. Ein erster an Gottsched gerichteter Bericht über die Tätigkeit der Gesellschaft stammt jedoch von J. M. Keck: »Unsere hiesige Gesellschaft betreffend; so sind wir gegenwärtig mit einer Sammlung in voller Arbeit, und hoffen selbige längstens auf Michael fertig zuhaben. Die Anzahl unserer gegenwärtigen ordentlichen Mitglieder ist jetzt auf neunen, und haben wir Hoffnung daß sich noch einige geschickte Leute zu und zu gesellen werden angetrieben werden.« (J. M. Keck, Jena, 8. 3.1731, UBL, Ms 0342, II, Bl. 13-14) Stolle an Gottsched, Jena, 13. 3.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 32 r -34 v ). Hintergrund dieser Versicherung bildet die von einem Mitglied der Jenaer Gesellschaft vorgetragene Kritik an Gottscheds Cato, die wohl den Zorn des Allgewaltigen hervorgerufen hatte. Der Kritiker, so Stolle, habe ohne Legitimation der Gesellschaft gehandelt.

295 zung für die weitere Existenz und für ein erfolgreiches Wirken der verschiedenen Deutschen Gesellschaften. 43 Stolle trägt diese versteckte Mahnung nicht für umsonst vor. Daß Gottsched ein streitbarer Geist ist, der literarische Fehden nicht scheut und dabei fleißig die »satyrische Schreibart« benutzte, hatte er bereits genugsam bewiesen. Als daher die Nachricht vom bald bevorstehenden Erscheinen des ersten Bandes der Bey träge in Jena eintrifft, baut Stolle sogleich vor: »Auf dero critische historische Monatschrifft freue ich mich; denn ich weiß, daß dero Gesellschafft viel zu galant und klug ist, daß sie ihre Urtheile nicht bedachtsam und bescheiden einrichten sollten.« 44 Wir kehren wieder in die Zeit der ersten Kontaktaufnahme zwischen den Gesellschaften zurück. Da laut Statuten der Jenaer Verbindung die Erarbeitung eines deutschen Wörterbuches zu ihren Zielen gehörte, 45 konnte Gottsched hoffen, an der Saale für die Mitteilung des Berliner Projektes Interesse zu finden. Am 14.5.1730 wendet er sich über den späteren Philologen Georg Litzel, der in dieser Zeit in Jena studiert, an Stolle und gibt zuerst seiner Freude Ausdruck, daß »die Liebe zu unserer Mutter Sprach auch in Jena sich öffentlich hervor zu thun angefangen.« Ziele und vorgesehene Mittel beider Gesellschaften, der Leipziger und der Jenaer, seien im wesentlich gleich; man solle sich doch daher enger aneinanderschließen. Dann geht Gottsched auf die Berliner Pläne hinsichtlich der Vereinheitüchung der Rechtschreibung ein und erwähnt die von Jablonski angeregte Mitarbeit der Leipziger an diesem Projekt: »Wie sich nun unsre Gesellschaft solchem wohlgemeyntem Ansinnen nicht entziehen wird, als bin ich auf die Gedanken gerathen, daß es dem Hrn Rath Jablonski nicht unangenehm fallen würde, wenn ich auch [...] der neuen Jenaischen Gesellschaft [...] Nachricht davon geben, und auch dieselbe zu einem Beytritt bewegen würde.« Sollten sich die Jenaer interessiert zeigen, würde er ihnen den Entwurf der Berliner Akademie zur Normierung der Rechtschreibung zusammen mit den »Anmerkungen« der Leipziger Gesellschaft zusenden. 46 43

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»[...] und bin ich der gäntzlichen Meinung, daß wenn die teutsche Gesellschafften tauren sollen keine von der andern in öffentlichen Schrifften schlimm sprechen müsse. Wollen wir einander ein und andern Mangel oder Fehler zuerkennen geben, so kan es in vertrauten Briefen geschehen.« (Stolle an Gottsched, Jena, 18.4.1733, UBL, Ms 0342, II, Bl. 316-319). Stolle an Gottsched, Jena, 13. 5.1732, (UBL, Ms 0342, II, Bl. 180 r -181 v ). Beachtenswert ist, daß auch Stolle die Beyträge als ein Unternehmen der Deutschen Gesellschaft betrachtet. Gesetze der Teutschen Gesellschaft in Jena. Nebst einem Vorbericht und Anhange von ihren ietzigen Umständen. Jena 1730,1. Artikel: Die Gesellschaft werde, »sobald es thunlich«, u.a. ein Wörterbuch veröffentlichen. Im Vorbericht wird ausdrücklich erwähnt, daß man keine »Grundregeln von der Rechtschreibung« festgelegt hätte. Dies würde viel Zeit und Arbeit erfordern. Man werde dieses Thema jedoch weiter im Auge behalten. UB Jena, Ms Prov. f. 132 (9), Bl. 91-95.

296 Tatsächlich hatte man in Jena schon 1729 über die Erstellung »eines teutschen Lexici« beraten;47 und so ist das Ergebnis einer zum 31.5.1730 anberaumten Sondersitzung wohl nicht überraschend: Stolle erklärt sich zugunsten des Angebotes Gottscheds, und alle Mitglieder schließen sich ihm an. Da Stolle mit Amtsgeschäften überhäuft ist, schreibt in seiner Vertretung Hermann A. le Fevre am 8. 6. nach Leipzig: Die Verbindungsaufnahme zwischen den beiden Gesellschaften wird ausdrücklich begrüßt, um die Zusendung von Jablonskis Entwurf und der dazugehörigen Leipziger Notizen wird gebeten. Die Jenaer Sozietät werde zu diesen Papieren einen Entschluß fassen und davon die »nöthige Meldung« geben, »wie sie denn überhaupt bey der gemeinschaftlichen Bemühung sich auch zu einem gemeinschaftlichen Vertrauen und immer genaueren Vereinigung alles ihrer Seite beyzutragen bereit und willig erkläret.«48 Die Versendung der Texte, oder zumindest der Leipziger »Anmerkungen« nimmt dann doch einige Zeit in Anspruch. Am 21.10.1730 schreibt Gottsched an Stolle: Die Anmerkungen wegen der Berlinischen Rechtschreibung, sollen sobald die Abschrift davon fertig seyn wird, an Eure Magnificentz überschicket werden. Wir haben gedacht, daß es von Seiten der lobi. Jenaischen Gesellschaft nicht übel würde genommen werden, was deswegen in unsre Vorrede eingeflossen, nachdem wir dasjenige gelesen was neulich bey Erwehnung ihres [...?] zum Jubelfeste in den Gelehrten Zeitungen gestanden.

Die hauptsächliche Änderung der Rechtschreibung werde wohl im Auslassen einiger Buchstaben, vor allem der Doppelbuchstaben, bestehen. Auch könne man in dieser Frage auf das Beispiel mancher Vorgänger zurückgreifen. Gottsched schließt dann seine Ausführungen mit der Feststellung: »Übrigens bleibt es dabey, daß keine Orthographische Regeln eher zum Drucke befördert werden sollen, als bis sowohl die Berlinische als Jenaische Gesellschaft ganz einstimmig seyn wird.«49 Stolle antwortet umgehend und konstatiert eine Übereinstimmung in der Auffassung beider Gesellschaften: »Wir freuen uns rechtschaffen, daß sich alles so harmonisch anläßt, und glaube ich gar nicht, daß über den Puncten der Rechtschreibung, so Sie gemeldet, eine Zwiespaltung entstehen werde, nachdem man darinn bereits geschickte Vorgänger gehabt. Ich bitte demnach Dero wohllöbl. Gesellschafft meiner schuldigsten Ergebenheit zuversichern, welche ich auch so bald meiner Hist, der Gel. wieder aufgeleget wird, öffentlich bezeugen werde.«50 Dennoch, alle Versicherungen und Absichtserklärungen bringen nichts; das gesamte Unternehmen >Rechtschreibereform< verläuft im Sande. Ent47 48 49

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UB Jena, Ms Prov. o. 9, Bl. 25r (Notiz zum 3. 9.1729). Le Fevre an Gottsched, Jena, 8. 6.1730 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 255-256). Gottsched an Stolle, 21.10.1730 (UB Tartu, Best. 3, Mrg CCCLIVa, Ep. phil. Bd. I, Bl. 123-124). Stolle an Gottsched, Jena, 25.10.1730 (UBL, Ms 0342,1, Bl. 317).

297 scheidend ist, daß es zu keiner wirklichen Zusammenarbeit zwischen den drei beteiligten Gesellschaften kommt. Trotz der hochfliegenden Pläne in Berlin, der Aufnahme Gottscheds in die Akademie und der sich anbahnenden Kontakte nach Leipzig scheint es keinerlei konkrete Schritte zu einer Zusammenarbeit beider Einrichtungen in der Reform der Rechtschreibung oder in anderen Fragen gekommen zu sein. Zu Beginn des Jahres 1733 steht man vielmehr als Konkurrenten einander gegenüber. Die Leipziger hatten einen Band ihrer Beyträge nach Berlin geschickt, wo er aber mißbilligend aufgenommen wird. Es sei dagegen »verschiedenes einzuwenden, indem sie als plagiarli und Satyrici anzusehen«, meint Frisch, der den Band der Klasse vorlegt. Er selbst habe sich vorgenommen, jährlich »dergl. Schrifft heraußzugeben auch andere so zur teutschen Sprache gehören mit darunter zu meloiren.«51 Noch deutlicher wird Frisch in einem Schreiben an die Jenaer Deutsche Gesellschaft, die er offensichtlich gegen Leipzig mobil machen möchte. Er sendet der Gesellschaft einen »ersten Auszug« der Verhandlungen der Berliner Akademie über die deutsche Sprache zu und fordert die Jenaer zur Mitarbeit auf: Der Briefwechsel unter dergleichen Gesellschafften ist sehr nöthig, damit wir in den wenigen puncten gar einig werden. Der Herrn Leipziger Satyrische Art in einem der ersten Beyträge, in ihrer Lucianischen Gerichts Anstallt, hat viel abgeschreckt ein rechtes Vertrauen zu ihnen zuhaben. Es ist γελωτορον. Es leidet diese Arbeit in der Teutschen Sprach in ihrer Freyheit so wenig einen Schöpfen-Stuhl als ein Schöpfen-Gericht und Urtheil. Es ist hier nicht wie bey den Münzen, da alles nach dem Leipziger Fuß seyn muß.

Ein jeder könne, meint Frisch, bei seiner Art der Rechtschreibung bleiben; schließlich fordert er die Jenaer Sozietät nochmals auf, sich mit den Berlinern »eifriger zusammen thun« zu sollen.52 Als sich Gottsched fünf Jahre später, nach seinem Austritt aus der Deutschen Gesellschaft, mit dem Anliegen an die Preußische Akademie wendet, unter ihrem Namen die Beyträge herausgeben zu können, wird seitens Frischs, der die Angelegenheit zum Vortrag bringt, der gleiche Vorwurf erneut erhoben. Gottsched »tadele« sehr »gerne anderer Arbeit« und habe ihn und den verstorbenen Johann Theodor Jablonski (älterer Bruder von D. Jablonski, erster Sekretär der Akademie) vor einigen Jahren mit einer Satire angegriffen. Daher sei zu besorgen, daß er »sich anmaßen möchte«, Aufsätze abzulehnen, die ihm aus Berlin für die Beyträge zugesandt werden »oder 51

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Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV, 38: Protokolle der deutschen Sprach und Geschichtsforschungs-Classe 1711-1742, Abschrift S. 125 (Sitzung vom 19.2.1733). Frisch an Stolle [?], 17.7.1734 (UB Jena, Prov. f. 132 [10], unpaginiert). Der »Schöpfen-Stuhl« ist natürlich eine Anspielung auf den sehr einflußreichen Leipziger Schöppen-Stuhl. Kursachsen, Braunschweig-Lüneburg und Brandenburg münzten seit 1690 nach dem sogenannten Leipziger Münzfuß, der 1738 sogar Reichsfuß wird.

298 aber davon verächtlich zu sprechen.« Frisch kann sich allerdings mit der von ihm intentierten Ablehung von Gottscheds Anerbieten nicht durchsetzen. Man ist einverstanden, daß auswärtige Mitglieder der Akademie die Beyträge herausbringen. Immerhin wird dem Sekretär, dem Hugenotten Philippe Joseph de Jarige, freigestellt, »Herrn Gottsched die Ursachen im Vertrauen zu eröfnen, warum der Herr Frisch Bedencken trage, seine zur teutschen Sprache gehörigen Anmerckungen demselben mitzuschicken.«53 Es mag also sein, daß auch hier Gottscheds selbstgewißes, wohl nicht immer diplomatisches Auftreten zum Scheitern der Zusammenarbeit mit Berlin beigetragen hat. Andererseits waren die wissenschaftlichen Potenzen der Preußischen Akademie auf dem Gebiet der Pflege der deutschen Sprache wohl auch nicht eben besonders hoch. Der Sekretär beklagt anläßlich der Diskussion von Gottscheds Vorschlag selbstkritisch, daß von Herrn Frisch abgesehen sich niemand mit der Beförderung der Vollkommenheit der deutschen Sprache beschäftigen würde. Frisch und Gottsched empfanden sich aber wohl zu sehr als Konkurrenten, um im Interesse der gemeinsamen Sache zusammenwirken zu können. Die Jenaer Deutsche Gesellschaft wiederum Schloß sich weder mit Berlin noch mit Leipzig zusammen. Im Oktober 1734 erreichte sie zwar ein Leipziger Memorandum zur Frage der Rechtschreibung und Stolle verspricht daraufhin Gottsched, »was E. HochEdl. von der Rechtschreibung melden, das will ich kiinfftig Sonnabend der Teutschen Gesellschaft zur Überlegung übergeben.« Dann erklärt der >Älteste< der Jenaer Gesellschaft allerdings sein letztendliches Desinteresse an dem gesamten Vorhaben: ich vor mich gestehe, daß ich die Zeit nicht habe die Regeln der Gesellschafft selbst recht zu beobachten, ich schreibe, wie ich gewohnt bin. ja ich stehe in der pervasion, daß ich wenigstens in ein und andern Punct mehr grand vor mir habe, als alle teutsche Gesellschafften, wenn ich zum Exempel schreibe: schlüsse und geniisse, weil es heißt Schluß, Genuß. Es kan aber doch wohl seyn, daß Sie mehr Grund haben, nur daß ich ihn noch nicht einsehe.54

Dabei scheint in den dreißiger Jahren innerhalb der Jenaer Gesellschaft durchaus ein gewisses Interesse an der Festlegung einer verbindlichen Orthographie bestanden zu haben. Ein undatiertes Papier gibt Meinungsäußerungen zur Wahl einer entsprechenden vorbildlichen Anleitung wieder. Die Positionen sind denkbar heterogen: Stolles Historie der Gelahrtheit, Walchs Philosophisches Lexikon, Wolffs Schriften, ja sogar Lohensteins Arminius (»gu-

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Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, I-IV: 9, Verwaltung und Geschäftsgang im Allgemeinen, Protocolle, Bl. 84 v -85 r . Aus dem Plan, die Beyträge im Namen der Preußischen Akademie herauszugeben, ist bekanntlich nichts geworden. Diese Vorgänge betreffen nicht den uns interessierenden Zeitraum und müssen hier nicht untersucht werden. Stolle an Gottsched, Jena, 23. 9.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 128-131).

299 tes orthographisches Teutsch«).55 Am 2. 8.1733 hält das Mitglied Machnitzky eine Rede (s. S. 291) Von dem Nutzen der teutschen Rechtschreibung und deren Gründe überhaupt.56 Auffällig ist, daß Gottscheds Name hier nirgends fällt; genannt werden dafür Wolff, Thomasius, Reinbeck und Stolle als Beispiele für Vertreter der Gelehrsamkeit, die ein gutes Deutsch schreiben. Der Jenaer Gesellschaft wird die wissenschaftliche Potenz zugesprochen, »die Rechtschreibung auf unumstößliche Grundsätze« festlegen zu können. Deutschland wäre der Sozietät schon dann zum Dank verpflichtet, wenn sie es nur vermöchte, »einigermaßen« eine bessere Ordnung einzuführen. Im übrigen setzt der Redner seine Hoffnung auf den »Arm eines unüberwindlichen teutschen Helden«, den er in Kaiser Karl VI. zu erblicken meint, denn nur ein »mächtiger Prinz« ist in der Lage, die Anwendung der »guten Gedanken« durchzusetzen. Auch in der späteren Entwicklungsphase beider Gesellschaften, die nicht unser Untersuchungsgegenstand ist, scheint es zu keinen engeren Beziehungen zwischen ihnen gekommen zu sein. Es ist doch bezeichnend, daß ein so wichtiges Mitglied der Leipziger Sozietät wie Winkler erst 1754 in die Jenaer Gesellschaft aufgenommen wurde, und auch das geschah anscheinend nur auf den Wink eines ungenannten Patrons der Jenaer hin. Winkler muß zudem erst noch um Übersendung der Statuten bitten.57 So ist es denn infolge der Zwistigkeiten und Alleinvertretungsansprüchen der am Vorhaben der Normierung der deutschen Rechtschreibung beteiligten Gesellschaften nicht einmal im Ansatz zu einem brauchbaren Entwurf gekommen. Neben diesen sozusagen subjektiven Gründen mögen aber auch objektive Ursachen für dieses Scheitern Verantwortung getragen haben. In den dreißiger Jahren des 18. Jh.s waren die Voraussetzungen für eine Vereinheitlichung der Orthographie in dem zersplitterten, einer politischen oder kulturellen Hauptstadt entbehrenden Deutschlands noch nicht gegeben; man denke nur an den gewaltigen Aufwand und die schweren Auseinandersetzungen, die die jüngsthin beschlossene bescheidene Rechtschreibereform in unseren Tagen erforderte und immer noch erfordert. Gleichwohl versuchte die 55

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UB Jena, Ms Prov. f. 132 (1) : 4, unpaginiert. Bezeichnenderweise kritisiert Stolle daher das natürlich negative Urteil der Leipziger Beyträge über Lohenstein als zu ungünstig (Stolle an Gottsched, 18.4.1733 [UBL, Ms 0342, II, Bl. 316 r -318 v , zu Lohenstein Bl. 318r~v]). Interesserant ist in diesem Zusammenhang auch ein Schreiben des Leipziger Hofmeisters Johann Christoph Clauderer an seinen Briefpartner J. J. Bodmer: »Die Jenaische Gesellschafft hat, in Betrachtung dieser Differenzen, denen in Berlin und hier sich befindenden Societaeten den sehr billigen Antrag gethan, Sie wollten alle 3. Conjunctis consiliis in allen streitigen Punckten, ubi magno se judice quisque tuetur, eine Art fest setzen, und solche beständig beybehalten. Noch zur Zeit aber ist dieser Weg nicht beliebet worden.« (19. 5.1732, Zentralbibliothek Zürich, Ms Bodmer, la. 4). Der Text findet sich in folgender Handschrift: UB Jena, Ms Prov. q. 77, Nr. 37. Winkler an die Jenaer Deutsche Gesellschaft, 4.1.1754 (UB Jena, Ms Prov. f 132 [9], unpaginiert).

300 Deutsche Gesellschaft unter der Leitung Gottscheds in den nächsten Jahren im Alleingang eine Art Festlegung der Rechtschreibung zu erzielen, die dann auswärts propagiert oder gar oktroyiert wird. Auch scheint die Kunde von der gemeinsam von Berlin und Leipzig geplanten Normierung der Rechtschreibung über den Kreis der unmittelbar Beteiligten hinausgedrungen zu sein. So erinnert sich 1733 der Schleizer Schulrektor Johann Christoph Haynisch, daß er vor drei Jahren als Fremder an einer Versammlung der Deutschen Gesellschaft teilnehmen durfte und fragt, ob inzwischen bereits die (anscheinend damals diskutierte) Reglung der deutschen Rechtschreibung in Zusammenarbeit mit der Berliner Akademie erstellt und publiziert worden sei? 58 Zustimmung findet das einseitige Vorgehen der Leipziger freilich nur in Gegenden, die abseits eigenständiger kultureller Zentren lagen oder, wie vor allem der katholische Raum, die Beschäftigung mit der deutschen Sprache als Gegenstand wissenschaftlicher Tätigkeit erkannten. So schickt aus Wien Johann Balthasar von Antesperg die von ihm erstellte Sprachtabelle »zu Dero [Gottsched, D. D.], und der ansehnlichen Deutschen Gesellschaft in Leipzig hoher Ermessung, Gutachten, und correction unterwürfig zu«. Man möge sie in der nächsten Versammlung besprechen. Dann solle man ihm die Tabelle zusammen mit den Verbesserungen zurücksenden: Und weil die deutsche Sprach (salvo tarnen meliori judicio) nicht leichter zur Vollkommenheit kan gebracht werden, als wann wir im Schreiben einerley Regel, und genugsam grammaticalische Wörterbücher brauchten, welches letztere man hiesiger Orten aus Leipzig täglich verhoffet, so wünschte herzlich, daß gegenwärtiges Werke also aussehen möchte, als wenn es der Deutschen ansehnlichen Gesellschaft in Leipzig eigenthümlich wäre.59 58

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Haynisch an Gottsched, Schleiz, 6. 6.1733 (UBL, Ms 0342, II, Bl. 345r"v). Vgl. auch einen Brief von Georg Christian Ibbeken an Gottsched, wo es heißt, man erwarte sehnlichst von Gottsched oder »von der Deutschen Gesellschafft unter Dero Aufsicht« eine deutsche Grammatik. (Oldenburg, 19.12.1735, UBL, Ms 0342, III, Bl. 308r-309v). Antesperg an Gottsched, Wien, 4. 8.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 147f.). Über seinen Wunsch, solche Tabellen nach Leipzig zu senden, berichtet Antesperg auch in einem Brief vom 3.10.1734. Auch hätte er sie gerne in Leipzig unter Aufsicht der Deutschen Gesellschaft drucken lassen; nun sei der Druck in Wien jedoch schon im Gange. Er ersuche die Gesellschaft aber, »nicht allein ihr gut Achtung, sondern auch zugleich die wirkliche correction, und Ausstellung der Sprach-Kunst-, oder Buchstaben Fehler ohne einzige Barmherzigkeit auf das schärfeste mitzutheilen, damit das Werk seinen zuverläßlichen Stand haben möge, solang Deutschland stehet.« Er werde die Tabellen noch einigemale an die Gesellschaft senden, »um zu sehen, ob auch alle angemerkte Fehler fleissig genug verbessert worden. Also würde mir hingegen eine grosse Freud, und Vergnügung widerfahren, wan eine Deutsche Gesellschaft in Leipzig die zu dieser Tabelle gehörige kurze Fragen auf sich nehmen, und unter dero Aufsicht rein ausarbeiten, und für meine Bezahlung daselbsten drucken lassen wolte.« (Antsperger an Gottsched, Wien, 3.10.1734, UBL, Ms 0342, III, Bl. 147r-149r). Drei Tage später folgt bereits der nächste Brief, in dem Antsperger ankündigt, er werde bei der geplanten Überreichung der Tabel-

301 Der in der tiefsten östlichen Provinz (Kreis Schwiebus) lebende Johann Christian Steinbart setzt seine ganze Hoffnung auf die Deutsche Gesellschaft Gottscheds, denn das Problem der Rechtschreibung werde bei dem wachsenden Gebrauch der deutschen Sprache immer brisanter: »Wem ist unbekant, wie viel man hierin der Hochlöbl. Deutschen Gesellschaft zu danken habe? Aller Augen sind auf dieselbe gerichtet.« Es wäre eines der edelsten Geschäfte, wenn die Gesellschaft in der Frage der einheitlichen Rechtschreibung die Initiative ergriffe. 60 Andererseits gelingt es nicht einmal, innerhalb der eigenen, der Leipziger Gesellschaft, die geforderte Rechtschreibenorm durchzusetzen. Beispielsweise begründet der schon als >widerspenstiges< Mitglied erwähnte Daniel Stoppe die Mißachtung der entsprechenden Regeln mit dem Unvermögen bzw. Unwillen des heimischen Druckers: Unser Buchdrucker hier ist zu ein wunderlicher Mann, ich würde zu viel zu zanken mit ihm haben, wenn ich alle Carmina laut den Orthographischen Regeln der Gesellschaft gedruckt haben wollte. Weil ich nun wieder der bey Ihnen eingeführte Rechtschreibung sündigen mußte; so habe mich auch deswegen enthalten, mich ein Mitglied einer Gesellschaft öffentlich zu nennen, von deren Grundsätzen meine Schreib-Art ganz und gar unterschieden war. Fortan jedoch wolle er aber nun seine Texte korrekt drucken lassen und zwar in Leipzig. Gottsched möge dort jemanden ausfindig machen, der die Schriften entsprechend verbessert.61 Daß sich übrigens Gottsched auch in der Frage der Festlegung der Rechtschreibung als maßgebliche Autorität be-

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lén an den Kaiser sich als Mitglied der Leipziger Deutschen Gesellschaft ausgeben: »Mithin der ansehnlichen Gesellschaft Ehre, und Vorzug, welche in Deutschland sich auch bereits ausgebreitet, und durch mich nicht solle geschmälert werden, erfordern, daß dieses Werke allerdings vollkommen, regelmässiger, und bis zu Ende der Welt beständig seye.« (Antsperger an Gottsched, 6.10.1734, UBL, Ms 0342, III, Bl. 151r-152v). Steinbart an Gottsched, ZüUichau, 30. 9.1735 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 290r-293r). H. C. Lemker aus Lüneburg schickt einen Text der Gesellschaft zur Beurteilung zu. In seiner Rechtschreibung würde er vielleicht etwas »von dem gebräuchlichen« abweichen. Daher wünsche er »nebst vielen dieses Orts, daß die Hochlöbl. Gesellschaft ihre längst versprochenen Gedanken von dieser Sache bald gemein machen mögen.« (Lemke an Gottsched, Lüneburg, 19.9.1736 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 462r" v ). Schon Jahre zuvor erklärt der Abt des Klosters Michelstein: »Was schließlich die von der Gesellschaft beliebte deutsche Rechtschreibung betritt, so werde nicht ermangeln, mich in Zukunft nach derselben zu richten.« (H. R. Martens an Gottsched, Kloster Michelstein, 28. 9.1730, UBL, Ms 0342, I, Bl. 308r-310v). Friedrich Christoph Neubour in Göttingen weiß zu berichten, daß ein »Bürger« darum bitte, daß seine Blätter von Gottsched der »hochlobl. Deutschen Gesellschafft [...] zur hochbeliebigen Prüfung in Ansehung der Sprache und Schreib-Art vorzulegen. Er unterwirfft sich gantz und gar dem Ausspruche dieser ansehnlichen Gesellschaft, ob er mit seinem Schreiben fortfahren, etwas daran ändern, oder gar damit einhalten solle? welchen er gehorsahmst nachzuleben entschloßen ist.« (F. Chr. Neubour an Gottsched, Göttingen, 27. 9.1732 [UBL, Ms 0342, II, Bl. 232r~v]). Stoppe an Gottsched, Hirschberg, 22. 9.1734 (UBL, Ms 0342, III, Bl. 124r-125r).

302 trachtete, zeigt die Tatsache, daß er noch lange nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft die dort verwendete Orthographie als die seinige und damit verbindliche propagierte: Darf ich wohl Ew. fragen: ob Dieseselben ihre Rechtschreibung aus besondern kritischen Gründen, so wie sie ist, erwählt haben? Der seelige Kanzler Mosheim ließ alles, was hier von ihm gedruckt wurde, nach der Art unserer deutschen Gesellschaft, die ich in meiner Sprachkunst durch Gründe festgesetzt habe, und jetzo allgemein zu werden scheint, absetzen. Herr Breitkopf und seine Correktoren sind sie auch gewohnt. Wie wäre es also, wenn auch Dero Recht der Vernunft in eben dieser Rechtschreibung erschiene?62

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Gottsched an Lichtwer (23.11.1757. In: F. W. Eichholz: Magnus G. Lichtwers [...] Leben und Verdienste. Halberstadt 1784, S. 1291)

Schlußbetrachtungen

Sind auch die ersten Versuche gescheitert, die Deutsche Gesellschaft in eine Akademie umzuwandeln, ist auch das Unternehmen mißlungen, über die Normierung der Rechtschreibung gesamtnationale Wirkungen erzielen zu können, so hat zu Beginn der dreißiger Jahre die seit wenigen Jahren unter Gottscheds Leitung stehende Sozietät doch deutlich an Gewicht, an Bekanntheit, an Einfluß gewonnen. Der Weg vom Görlitzer Poetischen Kollegium der vorangegangenen Jahrhundertwende zur Deutschen Gesellschaft war nicht nur zeitlich gesehen lang, sondern bedeutete auch in qualitativer Hinsicht einen enormen Schritt. Aus einem lockeren Zusammenschluß poetisierender Studenten mit geringem Anspruch auf literarische Bedeutung war eine Institution entstanden, die sich anschickte, quasi als eine Akademie bestimmenden und normierenden Einfluß auf die Entwicklung der deutschen Sprache und Literatur zu nehmen. Zur Verwirklichung dieses Zieles standen ihr eine Zeitschrift und andere, loser erscheinende Publikationsreihen zur Verfügung, vermochte sie auf eine im damaligen Deutschland konkurrenzlos dastehenden Bibliothek zurückgreifen, konnte sie sich auf Verbindungen zu einflußreichen Persönlichkeiten stützen, besaß sie mit der Jenaer Teutschen Gesellschaft eine erste ihrem Beispiel verpflichtete Tochtergründung. Bot also die Deutsche Gesellschaft ein Bild des blühenden Gedeihens, so war dies vor allem das Ergebnis der Tätigkeit ihrer Mitglieder, die sich in ihren Intentionen wesentlich von den Angehörigen der früheren Poetengesellschaft unterschieden. An die Stelle der Studenten waren in der Mehrheit Männer getreten, die ihre Ausbildung bereits beendet hatten, die das Schreiben von Gedichten nicht nur als einen wenig anspruchsvollen amüsanten Zeitvertreib betrachteten, die ihren höchsten Ehrgeiz nicht auf ein biederes Honoratiorendasein in ihrer Heimat richteten, die vielmehr nach außen wirken wollten, d. h. unter den Studenten, auf andere Gelehrte und Gelehrtenkreise, innerhalb der für die Literatur aufgeschlossenen bürgerlichen Kreise, auf die bisher vom Bildungswesen weithin ausgeschlossenen Frauen. Es ging jetzt nicht mehr um das Einüben im Versedrechseln, um mit dieser Fähigkeit im weiteren Leben bestehen zu können, sondern um eine exemplarische Beschäftigung sowohl mit der Dichtkunst als auch mit dem Verfassen von Prosatexten, die den Anspruch zu erheben versuchte, nationale Verbindlichkeit zu besitzen. Neben das Dichten und Texten tritt die wissenschaftliche Er-

304 Schließung der Geschichte der deutschen Sprache und der deutschen Literatur. Geändert haben sich auch ganz und gar der Geist und die Atmosphäre, die den Charakter der Gesellschaft bestimmten. Hatte einen der Gründer des Görlitzer Kollegiums Poëticum, den Theologen Johann Adam Schön, die Sorge umgetrieben, daß ein »überfliißiges Wissen« zum Naturalismus und Indifferentismus und damit schnurstracks zu dem »verdammlichen Atheismo« führen müsse (s. S. 65), richtete man jetzt sein Interesse nach allen Seiten, erblickte man in einem immer umfangreicheren Wissen die Möglichkeit, Vorurteile zu beseitigen und Aufklärung zu betreiben. Bittet Schön in seiner täglichen Andacht um einen baldigen Tod, der ihn von der »Sünden-Welt« befreien soll, sucht man jetzt die Welt, um in ihr zu wirken. Die religiöse, erbauliche Dichtung, lange Zeit das Hauptthema der literarischen Produktion der Gesellschaft, geht quantitativ stark zurück; andere Gegenstände treten in den Mittelpunkt. Gewichtig wird vor allem das zuvor nur am Rande berücksichtigte nationale, patriotische Element. Die Gleichberechtigung, wenn nicht gar Überlegenheit der deutschen Sprache, Literatur und Kultur gegenüber den anderen europäischen Nationen soll unwiderlegbar bewiesen, soll in der Tat demonstriert werden. Nicht über Nacht indes hat sich dieser Wandlungsprozeß vollzogen; vielmehr ist es ein allmählicher Übergang gewesen, der freilich mehrere konkrete Zäsuren kennt: 1717, 1719, 1722, 1724, 1726/27. Wenn auch am Ende des Weges ein Mann, Gottsched, unbedingt im Mittelpunkt des Geschehens steht, so sind es doch viele Persönlichkeiten gewesen, die ihm mit ihren Ideen, ihren Taten vorangegangen sind, die ihn begleitet haben: Lehms, Clodius, Mencke, Hamann, May, Winkler, um nur die wichtigsten Namen zu nennen. Andere Zeitgenossen, andere Gruppen suchen schon eher oder unabhängig nach Wegen, die in die Richtung führen, die die spätere Deutsche Gesellschaft einschlagen wird. Aus je verschiedenen Gründen jedoch bleibt bei ihnen alles das bloße Planung oder kommt über Ansätze nicht hinaus, was die Leipziger Sozietät später mit mehr Energie und mehr Glück wenigstens ein gutes Stück weit auszuführen vermag. Schließlich steht die Deutsche Gesellschaft der frühen dreißiger Jahre trotz aller großen Wandlungen doch in mancher Hinsicht auch in einer Kontinuität zum Görlitzer Collegium Poeticum. Das gemeinschaftliche Üben im Verfassen von Gedichten in der Absicht, möglichst >fehlerfreie< Verse zu produzieren, bleibt ein Anliegen aller Mitglieder. Daß bei aller Kritik an den Gelegenheitsgedichten die Kasuallyrik das bevorzugte Übungsfeld der Gesellschafter bleibt, zeigt der Blick in die Bände der Eigenen Schriften oder der Oden. Es ist auch davon auszugehen, daß für nicht wenige der Mitglieder die Tätigkeit des lockeren gemeinschaftlichen Poetisierens der Hauptinhalt des Gesellschaftslebens bleibt. Nicht alle sind auf die ehrgeizigen Ziele ihres Seniors eingeschworen; der allmähliche aber sichere Niedergang der Gesell-

305 schaft nach Gottscheds Austritt (1738) spricht hier eine deutliche Sprache. Weitere Spannungen bargen die langen Traditionen der oberlausitzisch und schlesisch geprägten Frühgeschichte der Gesellschaft. Der gesamtdeutsche Geltungsanspruch, den sie spätestens seit 1727 erhob, stand im Widerspruch zum eingewurzelten Zugehörigkeitsgefühl vieler Mitgüeder zu ihrer südostdeutschen Heimat und deren Literatur und Mundart. Gottsched, May, Winkler und andere führende Vertreter der Deutschen Gesellschaft waren Anhänger und Verfechter der Philosophie Christian Wolffs. Das läßt sich jedoch nicht von allen Mitgliedern sagen. Die Sozietät war in ihrer Frühzeit eher theologisch gefärbt, in orthodoxer Richtung, aber auch nicht ohne pietistische Einflüsse. Diese Einstellung hatte um 1730 noch nicht alle Vertreter verloren; auch hier bot sich also die Gefahr von Spannungen, zumal sich in Sachsen in den dreißiger Jahren die Opposition der lutherisch-orthodoxen Kreise innerhalb der Kirche und der Staatsbürokratie gegen moderne Tendenzen der Philosophie und Wissenschaften zunehmend verschärfte. Vom Wohlwollen dieser Kreise hing jedoch nicht zuletzt das Gelingen der großangelegten Pläne der Deutschen Gesellschaft ab, denn ohne Gönner und Förderer aus den Reihen des Establishments des sächsischen Staates mußten alle noch so hochfliegenden Vorhaben scheitern. Die Zukunft mußte zeigen, ob es Gottsched und den um ihn gruppierten Kern der Gesellschaft gelingen würde, diese sich ihren Bestrebungen in den Weg stellenden Widerstände zu überwinden und die bestehenden Spannungen auszugleichen. Ein Erfolg mußte allerdings angesichts der maßgeblichen Person der Gesellschaft, des Seniors Gottsched, durchaus fraglich erscheinen. Zu einem Mann des Ausgleichs fehlten ihm ziemlich alle Voraussetzungen, nämlich die Bereitschaft zum Abschluß von Kompromissen; die Fähigkeit, auch andere Auffassungen zu akzeptieren; die Bereitschaft, eigene Positionen in Frage stellen zu lassen. Die sich bald einstellenden Erfolge, die breite Resonanz auf seine Schriften, die rasche Anerkennung als Autorität auf dem Gebiet der Sprache und Dichtung mußten bei Gottsched die Überzeugung, er allein kenne den rechten zukünftigen Weg der Deutschen Gesellschaft, geradezu zementieren. Eine wachsende Spannung innerhalb der Deutschen Gesellschaft war damit vorprogrammiert.

Quellentexte

1. Gedicht zur Feier des 25. Jahrestages der Gründung Poetischen Gesellschaft (1722). Verfaßt von Johann Hamann

der Görlitzer Georg

Abdruck nach einem Exemplar der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (Aa 67 [4]) Als die unter dem Praesidio Ihr. Magnificenz Herrn Hn. D. Joh. Burchard Menckens, Königl. Pohln. Pubi. Der Königl. Engl. Societät Mitglieds und des grossen Fürsten-Collegii Collrgiati &c. in Leipzig florirende Teutsch-übende Poetische Gesellschafft im Jahr Christi 1722. Den 21. Sept. das Andencken ihrer ersten Stifftung, welche vor nunmehro Fünff und Zwantzig Jahren allhier mit GOTT geschehen, feyerlich begieng, wollte Sie über den Nutzen und Mißbrauch der Poesie folgende Gedancken an den Tag legen. Leipzig, Gedruckt bey Johann Andreas Zschau. Sprich, Welschland, wie du thust, den Liedern deiner Schwäne, Und ihrem süssen Thon des Vorrechts Palmen zu. Es trotz ihr fester Ruhm des schärften Moders Zähne, Es gläntz ein helles Licht um ihre dunckle Ruh. Hau deinen Ariost in herrlichsten Porphyr, Laß deines Tasso Preiß in Gold gezeichnet schauen, Bemüh dich dem Marin1 ein Ehren-Mahl zu bauen, Verewige die Drey, dis edle Drey bey dir. Der Schreib-Art Majestät, der schärften Sinnen Kräffte Erhalten ihren Ruhm als theure Ceder-Säffte. Sprich, kluges Gallien, zum Lobe deiner lichter, Sprich aus, was deine Schooß vor muntre Geister hegt, Und daß sich vor dem Glantz so ungemeiner Lichter Europens kluge Welt verwundernd beugt und legt. Sprich, daß dein Helicon dem Himmel ähnlich sey, An dem Malherbe2 Preiß als wie ein Phosphor gläntze, An dem Menage3 sich mit hellem Golde kräntze, Es komme de la Motte4 an Pracht Dianen bey: Des Geistes Artigkeit und Feuerreichen Gaben Sind längst, zu ihrem Ruhm, in Diamant gegraben. 1

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Giambattista Marino (1569-1625), italinischer Dichter, Begründer der literarischen Strömung des Marinismus Françoise Malherbe (1555-1628), frz. Lyriker, Hofpoet Heinrichs IV., Wegbereiter des französischen Klassizismus. Gilles de Ménage (1613-1692), frz. Sprachgelehrter Jeanne Marie von Guyon, geb. Bouvier de la Motte (1648-1717), frz. Mystikerin, die auch stark auf das Geistesleben in Deutschland einwirkte.

309 Ihr seyd es beyde werth daß euch der Lorber kröne, Es wächst der Ticht-Kunst Flor durch die, so ihr gezeugt; Doch wißt, das Teutschland euch durch seiner Helden Söhne Die Spitze biethen kann, und euern Hochmuth beugt. Bemerckt wie Opitz sang, des Bobers edler Schwan, Der Musen bester Schmuck, die Zier der teutschen Lande: Schallt Hoffmannwaldaus Thon nicht nah am Oder-Strande? Seht unsrer Gryphien bepalmte Schrifften an, Und wie durch Flemmings Lied die wilden Zyrcassen, Wenn seine Sayte klang, sich ehmals zähmen lassen. Schaut unsern Lohenstein, das Wunder teutscher Erden, Der Ruhm verklärt sein Grab, das würcket sein Armin; Kann Abschatz und sein Glantz durch Staub verfinstert werden? Lebt Guarini5 nicht in Teutscher Tracht durch ihn? Wie sang nicht Preußens Dach? Wie spielte Tscherning nicht? Wie geistreich war der Schall von Morhoffs heller Flöthe? Erthönt nicht Zieglers Lob aus Famens Ruhm-Trompete? Gefällt nicht iedem das, was Mühlpforts Muse spricht? Steht Canitz nicht gekrönt? Wer will nicht unsern Weisen, Sammt des Menantes Geist und Posteis Feuer preisen? Durchsucht, was Besser schrieb, (ach Besser, dem die Musen Izt auff sein dunckles Grab bethränte Rosen streun.)6 Wie? Zähmet Neukirch nicht der Tadelsucht Empusen7? Dringt nicht sein reger Geist durch Adern, Marek und Bein? Wer steht nicht als erstarrt, wenn Königs Thon erklingt? Wenn Pitschens Helden-Lied durch Phoebus-Hayne schallet? Wer ist? Dem nicht das Blut erhitzt in Adern wallet, Wenn Brocks, der grosse Brocks am Alster-Ufer singt? Und wer vergnügt sich nicht an Schmolckens reinen Flammen, Die, GOtt zum Wohlgeruch, aus frommen Weyrauch stammen? Heißt Wentzel nicht mit Recht ein Ausbund edler Geister? Was stimmt Haereus 8 nicht den Donau-Nymphen an? Was zeigt sich nicht vor Gluth bey Hamburgs Neuen Meister9? Nennt ihn Urania nicht unsern Buchanan? Ist nicht dein süsser Kiel, entflammter Amaranth,10 Ein ungefüllter Quell, der Milch und Honig schencket? Der Nachdrucksvolle Geist, der Richeys Feder lencket, Ist bey der klugen Welt so wohl, als Stieff,11 bekannt. Jedoch was nenn ich hier viel Tichter nach einander? Nur einer ist genung, und dieser ist Philander.

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Giovanni Battista Guarini (1538-1612), ital. Dichter, mit Tasso Schöpfer der Pastoraldichtung. Hans Aßmann von Abschatz (1646-1699) übersetzte Guarinis Hauptwerk »II Pastor Fido« ins Deutsche. Johann von Besser starb erst 1729. Schreckgestalt der griechischen Mythologie. Karl Gustav Heräus (1671-1730), Dichter, Numismatiker. Gemeint ist Erdmann Neumeister (1671-1756). Pseudonym für Gottlieb Siegmund Corvinus (1677-1746). Christian Stieff (1675-1751), Dichter, Publizist. Stieff studierte, lebte und publizierte von 1697 bis 1706 in Leipzig. Ob er in dieser Zeit Kontakte zur Görlitzer Poetengesellschaft unterhielt, ist nicht bekannt.

310 Nur einer ist genug dem Bouhours12 Trotz zu biethen, Der als ein Goliath den Zeug der Teutschen schimpfft. Er schwärme, daß vor uns, wie vor den Samogythen, Der Musen gantze Schaar die eckle Nase rümpfft. Wer lacht des Blinden nicht, wenn er die Farben höhnt? Wer lacht des Thoren nicht, den eigner Dünckel adelt, Der, was er nicht versteht, höchst überwitzig tadelt? Den Cramer vor die Müh mit Hasen-Pappeln13 krönt. Nur einer ist genung, von den, die wir genennet, Zu zeigen, was vor Gluth in teutschen Geistern brennet. Erkennt die Majestät von unsrer Helden Sprache, Erkennt, wie sich ihr Glantz von Tag zu Tage mehrt; Komm, edler Tacitus, aus deinem Ruh-Gemache, Der du von teutschen sonst manch rauhes Wort gehört, Wenn ihrer Barden Lied Tüiscons14 Lob besang, Und, (um durch wilden Klang die Thaten alter Helden, Die längst die Zeit verzehrt, der Nachwelt noch zu melden) Ein fürchterlicher Thon durch öde Wälder drang: Komm hör itzt Sprach und Thon in unsern teutschen Ländern, Was gilts, du raffst dabey: Was kann die Zeit nicht ändern! Ach freylich hat der Schatz der Sprache zugenommen, Seit dem Elisien die Ticht-Kunst neu gebahr. Durch Tichter ist ihr Glantz zu größrer Würde kommen; Denn deren ächter Fleiß reicht tausend Vortheil dar. Es faßt die Poesie der Wörter Kern und Safft, Was sonsten Nachdrucks-voll, was reich an Geist und Flammen, Bedachtsam, scharff an Witz, mit höchster Müh zusammen, Und sammlet, Bienen gleich, der Sprache beste Krafft. Die Ticht-Kunst ist ein Brunn, wo Marek der Sprachen quillet, Die Ticht-Kunst ist ein Nil, der Sprachen mehrt und füllet. Trit auff, begrabnes Rom, der Welt durch dich zu zeigen, Wie aus der Ticht-Kunst Flor der Sprache Zierde sprießt. Dein göttlicher Virgil heißt alle Zweiffler schweigen, Als dem der Sprache Schatz und Nachdruck eigen ist; Wem zittert nicht das Blut durch Polydorens15 Tod? Wie kann Aeneas nicht von Trojens Falle sprechen? Wemm will das Hertze nicht bey Dido Klagen brechen? Die Rachgier redet selbst, wenn Juno zürnt und droht: Er rühret und bewegt und reitzt an allen Orten, Es lebt der Sachen Kern in auserlesnen Worten. Auch Franckreich stimmet bey, wie sein Sorel16 bekennet. Man hat der Troubadours bekannten Tichter-Fleiß Der Sprache Säugerin, vor grauer Zeit, genennet. Denn durch derselben Müh wuchs ihrer Zunge Preiß.

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Dominique Bouhours (1628-1702), Theologe und Literaturkritiker Ein Kraut, Zeichen für einen Stümper in der Dichtkunst. Vgl. Grimms Wörterbuch, Bd. 10, Sp. 540. Nach Tacitus' Bericht (Germania, 2. Kapitel) Urvater der Germanen. Sohn des Priamos. Über seinen Tod gibt es verschiedene Berichte Charles Sorel (ca. 1600-1674), frz. Schriftsteller.

311 Ach hemmte nur die Zeit den Lauff der Feder nicht, So könnte Teutschland hier statt aller Zeugen dienen. Denn ihrer Tichter Lob wird Cedern ähnlich grünen, Durch sie vergrössert sich der Sprache Glantz und Licht. Die Nachwelt wird den Danck auff tausend Blättern weisen, Und den erwiesnen Fleiß bey ihren Grüfften preisen. Allein, wo stammt es her, daß vor so reiche Schätze, Die dieses Sternen-Kind den teutschen Zungen schenckt, Verachtung ihren Ruhm, als einer schlimmen Metze, Durch ungemeinen Spott beflecket, schimpfft, und kränckt? Der Mißbrauch, sonsten nichts, ist Mutter dieser Zucht: Vom Mißbrauch kommts allein, daß man die Pindus-Schwestem Samt ihrer Sayten Fleiß zu schwächen und zu lästern, Und ihren Lorbeer-Hayn gantz auszurotten sucht. Der Mißbrauch heckt die Schmach, der Stümper schnatternd Singen Ist fähig diese Kunst um allen Ruhm zu bringen. Des Pöbels dummer Schaum gebraucht die Pierinnen17 Als Mägde, die vor Geld zu iedes Diensten stehn. Man dencket ohne Witz, fech, blind, mit kalten Sinnen Bey ihrem Heiligthum nur grade zu zu gehen. Schreib, lehrender Horaz, uns keine Lehren für: Ach schade vor die Kunst, die so viel Müh erfordert! Man reimt, ob gleich kein Trieb in Bluth und Adern lodert, Was fragt ein Reimenschmidt zu unsrer Zeit nach dir? Es wird Apollo nicht Hanß Sachsen gleich zerschmettern, Er weiß auch ohne Dich auff den Parnaß zu klettern. Man dielt kein Garten-Hauß, die Ticht-Kunst wird gehudelt, Stax bringt ein hinckend Lied, und wünschet Glück dabey: Kaum daß die Dorff-Schalmey bey Bauer-Kirmsen dudelt, So treibt sein schnöder Reim die lähmste Betteley: Ach warlich, Staxens Schwärm plagt itzt die teutsche Welt! So wie Egypten dort das Quacken heischrer Frösche. Ihr lermendes Geplerr und bettelndes Gewäsche Macht daß der Ticht-Kunst Werth durch solchen Mißbrauch fällt. Und wer beseufftzet nicht die Boßheit dieser Erden? Itzt muß der Pegasus der Bettler Maulthier werden. Hat einem Cypripor18 die Leber angeschossen, Wie keicht, wie lechtzt er nicht wenn ihm die Wunde brennt? Da muß die Reimkunst her, wodurch er seine Possen Der Siris, die so kalt, als wie sein Vers, bekennt. Allein, welch Aergerniß! (Pfuy, daß ichs sagen soll!) Man schreibet, was den Dampff verbothner Brunst entdecket, Nach Geilheits-Blumen reucht, nach Sodoms-Trieben schmecket, Und zeigt sich, Böcken gleich, an Lüsten toll und voll. Ach dächte man doch stets an Pauli treue Lehren, Daß Narrentheidungen vor Christen nicht gehören!

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Die neun Töchter des Pieros (Stammheros Makedoniens), die in einem Wettkampf mit den neun Musen unterlagen und in Elstern verwandelt wurden. Andere Bezeichnung für Amor.

312 Ach daß die Rachgier doch in Menschen Hertzen rauchet! Ach daß man doch voll Lust bey fremden Thränen lacht! Ach daß die Mißgunst sich der Tlchtkunst auch gebrauchet! Ach daß sie offt der Groll zu seiner Sclavin macht! Allein so treibts die Welt. Man suchet Splitter auff, Spritzt in Paßquillen Gifft, schmiert liebloß böse Reime, Besudelt fremden Ruhm mit Geifer, Wust und Schleime. Beschimpffte Poesie! verderbter Zeiten Lauff! Was man zuerst erfand des Schöpffers Lob zu mehren, Dient, des Geschöpffes Ruhm verläumderisch zu versehren. Wie treibts im Gegentheil das Heer der tollen Schmeichler, Das iedem Hasenfuß bethört den Speichel leckt? Da kommt ein dürrer Reim, und nennt den schlimsten Heuchler Ein Bild der Frömmigkeit, das voller lügend steckt. Wer so wie Sganarell 19 den Doctor-Hut erlangt, Heißt gleich ein Trißmegist, 20 ja der Gelehrten Sonne, Und wer die Bauern plackt, des Volckes Trost und Wonne, Mit dem das gantze Land als einem Tlphys21 prangt; So wird der Ausspruch wahr, und scheint nicht zu betrügen, (Der Mißbrauch bringts dazu) daß lichter meistens lügen. So geht's der Poesie, so schwärtzt man ihre Lilgen, So wird der Castal-Fluß durch manchen Mops getrübt! Doch kann der Mißbrauch sonst den rechten Brauch nicht tilgen, So bleibt der Musen Fleiß der klugen Welt beliebt. Clerc sage, was er will, so steht doch Felsen-fest: Es heißt die Ticht-Kunst recht ein Inbegriff der Künste, Und ihr verklärter Schein durchdringt der Schmähsucht Dünste, Was jener Faber auch vor Grillen schwirren läßt. Ihr Beywort bleibt in Gold und Marmor eingeätzet, Wie schon Horaz gesagt: Sie nützet und ergötzet! Drum, Freunde, die ein Band vereinten Fleisses bindet, Übt, wo ihr Nutzen liebt, die edle Poesie, Ja glaubt, daß man in ihr erwünschten Vortheil findet, Der Sprache bester Kern belohnt die kluge Müh. Die Schmach ist warlich groß, die Thorheit und ungemein. Sich von Geblüth und Art zu Teutschlands Söhnen zählen, Ja den verwöhnten Kopff mit fremden Sprachen quälen, (Das zwar nicht tadelns werth) und gleichwohl unteutsch seyn. Das heisset einen Schatz aus fremden Aeckern graben, Den wir doch schon vorlängst in unsern eignen haben. Ihr Freunde, wünscht Euch Glück. Die Gunst des grossen Mencken, (Den Teutschlands Helicon als seinen Phöbus preißt, An dem Entfernte selbst mit tieffster Ehrfurcht dencken,) Verbessert unsern Fleiß, beflammet unsern geist. Ihr Freunde, wünschet Euch bey Seiner Güte Glück, Auff! Seuffzet vor sein Wohl: Ach! Daß Er lange lebe, Und unsre Niedrigkeit durch Seinen Glantz erhebe! 19 20 21

Titelfigur einer Komödie von Molière. Hermes Trismegistos. Steuermann der Argo.

313 So liefern wir dereinst, durch Ihn, ein Meister-Stück. Philandern, unsern Ruhm, der Musen Augen-Weide, Beströme stetes Glück, Philandern, unsre Freude! Laßt euch die Spötter nicht in Eurer Arbeit hindern, Kein Unfall trenne das, was Lehr-Begierde band. Die Mißgunst müsse nie der Freundschafft Wachsthum mindern; Es mehre Neid und Sturm der heissen Treue Brand. GOTT, der des Seegens Quell, befördre was wir thun, Und lasse, durch die Kraft erhabner Mecaenaten, Der teutschen Sprache Licht in grössern Glantz gerathen, Ja unser Vaterland in güldnem Friede ruhn. Auch unser Zweck wird stets, in allen, was wir schreiben, Des Vaterlandes Ruhm, nächst GOTTes Ehre bleiben.

2. Johann Friedrich May: Zwei Anreden an die Deutsche Gesellschaft (1726/27) Erste Rede UB Leipzig, Rep. VI, 16b, 8. Band, Bl. l r - 4 r

Meine Herrn! Man ist sonst gewohnt, Ihnen in dieser Versamlung etwas poetisches vorzulesen. Allein ich überschreite die Gesetze unsrer Gesellschafft nicht, wenn ich ihnen meine Gedancken in einer ungebundenen Schreibart offenbahre. Denn dieselben geben uns diese Freyheit, und ich halte es vor einen Fehler, daß wir uns derselben nicht eher bedienet haben. Ist denn nicht der Endzweck dieser löblichen Gesellschafft die Vollkommenheit unserer Muttersprache auf einen höhern Grad zubringen als sie itzund stehet? Ich zum wenigsten bin davon aus dem Titul, welchen sie führet, genugsam überzeuget. Die Ausübung der vernünftigen Poesie kan allerdings ungemein viel dazu beytragen: ich bin aber der Meynung, daß die ungezwungene Beredsamkeit dazu noch tüchtiger ist, und ich würde mich bemühen, diesen Satz aufs kräftigste zu unterstützen, wenn ich die Schrancken verlaßen wolte, die ich mir vorgesetzt habe. Ich sehe ein andres Ziel vor mir, nach welchem ich strebe. Glückseelig sey derjenige Augenblick, in welchen die edle Ehrbegierde eines redlich gesinnten Deutschen den ersten Vorsatz gefasset, sich die Verherrlichung seiner Nation in Verbeßerung der Sprache zu einer vergnügten Beschäftigung zuerwehlen! Gepriesen sey der Großmüthige Entschluß eines iedweden Mitgliedes dieser werthen Gesellschafft, zu welchem der Trieb einer vernünftigen nachahmung selbige bewogen hat. Ich gedenke mit der grösten Verehrung, an die Lobwürdigen Stiffter derselben, und jemehr ich ihre Unternehmung betrachte, iemehr werde ich gewahr, daß sie verdienet vielen andern Gesellschafften vorgezogen zu werden. Die so bekannte französische Academie hat bißhero nicht wenig Aufsehen in der gelehrten Welt gemacht, und ihre Verdienste sind auch in der That so groß, daß man der unbilligste Mensch von der Welt seyn müste, wenn man ihr den gebührenden Ruhm entziehen oder streitig machen wolte. Allein wenn ich sie nach gewissen Umständen ohne die geringste Partheylichkeit gegen unsere Gesellschaft betrachte, so werde ich an dieser etwas vortreffliches gewahr, daß ich ihr den Vorzug in gewisser Absicht vor jener bey weiten geben muß.

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Woher kam es, daß sich eine gewisse Anzahl verständiger und Sinnreicher Köpffe in Franckreich zusammenfand, vor die Ehre ihres Volcks zu arbeiten? Was brachte sie zu dem Eyfer, wodurch sich einer von den andern durch die Proben seines lebhafften Verstandes zu unterscheiden suchte? War es nicht das Ansehen eines großen Staats-Ministers, die Gnade eines mächtigen Königs und der Lohn eines eitlen Ruhmes? Sie suchten dem Cardinal zugefallen, dem Könige zugehorchen und durch den Vorzug ihren Ehrgeitz zusättigen. Hier fehlten alle diese in die Augenfallende Bewegungs Gründe und die Stiffter unserer Gesellschafft wurden allein durch die Reitzung, welche in der Vollkommenheit zufinden ist, aufgebracht die deutsche Sprache vollkommener zumachen. Der Glantz der äußerlichen Ehre und die Autorität eines großen Mannes können auch mittelmäßige Seelen bewegen; Einen hohen Geist aber rühret nichts so sehr als das Vergnügen, welches der Besitz der Vollkommenheit in ihnen würcken kan, und dieses allein ist fähig ihn zu Ausübung des guten anzutreiben. Ich überlasse es Ihnen zu beurtheilen, ob ich recht oder unrecht habe, wenn ich aus diesem Grunde den Vorzug unserer Gesellschafft vor der französischen Academie zubehaupten suche. Und was ist denn der Endzweck jener ausländischen Versammlung? Sie geben vor durch ihre Bemühung alles aus ihrer Sprache auszumustern, was noch rauh und unzierlich war und sie mit allem demjenigen zubereichern was ihr noch an Anmuth fehlte. Allein die Proben, welche sie bereits davon gegeben haben, scheinen uns vielmehr zu überführen, daß ihr Hauptzweck sey, aus ihrer Sprache eine vollkommne Sprache der Schmeichler zumachen. Sie wollen lernen die Fehler ihres Königes durch eine gelinde Vorstellung erträglicher, und die löblichen Thaten deßelben durch außerordentliche Vergrößerung bewundernswürdiger machen. Schlagen sie diejenigen Schrifften nach, worinnen sie nur ihren Fleiß gezeiget haben; diese werden meine Beschuldigung rechtfertigen. O wie weit sind sie dadurch von der wahren Absicht entfernt, und wie hoch schwingt sich hierinnen der Ruhm unserer Gesellschaftt, welche sich angelegen seyn läst, den vornehmsten Zweck niemahls zuverlassen. Sie ist beschäfftiget durch eine manichfaltige Vorstellung vielfältiger Dinge den Reichthum der Sprache zuzeigen. Sie suchet aus der u n e h lichen Menge der Worte und Redensarten diejenigen aus, mit welchen man am nachdrücklichsten redet. Sie will ihre Gedancken in natürliche deutliche und wolgeordnete Worte einkleiden. Sie erwehlet die schönsten Gelegenheiten Ihre Kräffte zuprüfen, und zu sehen, wie geschickt unsere Sprache sey, bey allen Fällen sich vollkommen auszudrücken. Sie bindet sich an keine gekünstelten Lobreden, weil sie niemanden dazu verpflichtet, sondern es stehet einem jedem frey, das beste zuwehlen, damit dadurch ein allgemeiner Nutzen entstehe. Es wäre kein Wunder, wenn ich durch diese Betrachtung verleitet würde, die Gräntzen der Freude zu überschreiten, und der hefftigen Bewegung, welche ich in mir empfinde, die Freyheit ließe sich vor Ihnen völlig zu entdecken. Ihr danckbaren Gemüther, die ihr vor wenig Jahren

316 nach den verfloßenen vierten Theile des seit ihrer Aufrichtung lauffenden Jahrhunderts das Andencken der Stiftung mit Frohlocken gefeyert habt! Eure That ist würdig, daß sie gerühmt werde. Ihr wäret noch mit dem Feuer erfüllt, welches in euren Vorgängern brannte. Ihr wieset durch euren Eyfer, daß ihr euch nach der Vollkommenheit bestrebetet. Ihr erklärtet euch, die Ehre eures Vaterlandes zubefördern. O ihr edlen Seelen! O wie gerne hätte ich mich dazumahl unter Eure Versammlung gemischet, wenn ich Hoffnung zu der Ehre gehabt hätte, ein Mitglied von Euch zu werden. Allein ich bin auf andre Zeiten aufgehoben worden. Ich habe nur die Spuren von Euren Fleiße sehen sollen, ich muß aber beklagen, daß wir sie leider verlaßen haben. Soll ich verschweigen, was der gantzen Welt mehr als zu deutlich vor Augen liegt? Soll ich einen Fehler entschuldigen, welcher mit Willen ist begangen worden? Wo sind die Zeugniße unseres Fleißes, unserer Ordnung, unsers Eyfers? Man gebe sie mir, so will ich öffentlich gestehen, daß ich geirret habe, so will ich denjenigen damit den Mund stopffen, welche unsere Gesellschafft durch ihre spöttische Nachrede stinkend machen, und so will ich mich selbst dadurch aufrichten, da mich der klägliche Anblick derselben höchst betrübt macht. Ich kan sehr viel Stunden zehlen, in welcher ich nur die Plätze angetroffen habe, worauf diejenigen sitzen Sölten, die vermittelst ihrer klugen und gründlichen Anmerckung die Mängel unserer Arbeit verbeßern könnten. Sind dieses die leblosen Stühle zuthun vermögend gewesen, was sie hätten thun wollen? Unsere Gesellschafft versamlet sich nicht deßwegen, daß sie ihr Vergnügen in der Betrachtung leerer Stühle suche. Sie will sich durch die vernünftigen Erinnerungen ihrer Mitglieder erbauen, wie kan dieses geschehen, wenn sie sich des vertrauten Umganges miteinander entziehen und also ist die vielfältige Abwesenheit derselben Schuld daran, daß sie in den grösten Verfall gerathen ist. Ich habe einmahl angefangen von dem verderbten Zustande unserer Gesellschafft zureden und ich scheue mich nicht, denselben noch weiter zubeschreiben, gesetzt, daß ich ein saures Gesichte deßwegen bekommen solte. Ein Artzt, welcher den Schaden bessern will, muß ihn an dem rechten Orte angreiften, wenn es auch den Patienten Schmertzen und ihn verdrüßlich machen solte. Ein vernünftiger Mann freuet sich, wenn er um der Wahrheit willen etwas leidet, insofern nur die Entdeckung der Wahrheit dem Andern zur Beförderung seiner Vollkommenheit dienen kan. Ich wage es also und gestehe gantz frey, das selbst Viele, welche den Schein hatten, durch ihre Arbeit dies Absehen unserer Gesellschafft zubefördern, eben dadurch am meisten hinderlich gewesen seyn. Ich rechne dahin alle diejenigen, welche sich nicht entblödet haben, ihre Verse in dieser Versamlung abzulesen, die von Ihnen, weder mit gnugsamer Überlegung, noch selbst eigner Prüfung verfertiget worden sind. Wieviel haben wir nicht Gedichte anhören müssen, welche selbst von ihren Verfaßern als schlecht und mangelhafft bereits sind getadelt worden, ehe sie uns dieselbe noch vorgelesen haben? Soll denn dieses die Absicht unserer Ge-

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seilschafft seyn, daß wir den andern durch unsern Beyfall überzeugen, Er habe darinnen in der That gefehlet, worinnen er gefehlt zu haben meynet? Entweder muß ich nicht verstehen, was wir durch unsere Gesellschafft zuerhalten suchen, oder ich glaube daß die Gegenparthey in einen Irrthum stehe, welcher der Aufnahme unserer Gesellschafft höchst schädlich ist. Dieses ist aber meine Meynung hievon. Wir suchen die Vollkommenheit unserer Sprache, das heist, wir wollen uns bemühen, durch alle Kräffte unseres Nachsinnens auszuforschen, wie man seine Gedancken in deutscher Sprache deutlich, regelmäßig, vollständig, mannigfaltig und lebhafft, nachdrücklich und angenehm vortragen könne. Ich halte diese Erklärung so lange vor untadelhafft, biß ich gründlich wiederlegt werde. Ist dieses aber gewiß, so können Sie, M. Herrn selbst leicht daraus ermeßen, daß derjenige seiner Pflicht kein Genügen gethan habe, welcher nicht alle Proben seines Fleißes, welche er in unsere Gesellschafft bringen will, nach dieser Regel einrichtet und die gemeinsten und unverantwortlichsten Fehler auf das sorgfältigste vermeidet. Es ist die Schuldigkeit eines rechtschaffenen Mitgliedes, nichts in dieser Gesellschafft zulesen, von welchen es nicht glaubt, daß es ohne Fehler und mit der grösten Aufmerksamkeit verfertiget sey. Thun wir demnach unrecht, wenn wir sie deswegen einer verwerflichen Nachläßigkeit beschuldigen und ihm den Verfall unserer Gesellschafft beymeßen? Wir können es nicht läugnen M. H., daß unsere Gesellschafft den ersten Ruhm verlohren hat. Wir sind alle daran schuld, nur dieser Unterschied ist dabey zumachen, einige haben es vorsetzlich gethan; einige aber sind durch die eingerißene Unordnung verdrüßlich gemacht worden, sich dem einbrechenden Verderben zuwiedersetzen. Ich würde diesen betrübten Gedancken länger nachhängen, wenn ich nicht durch die Hoffnung davon zurückgehalten würde; diese versichert mich, daß ein angenehmer Frühling auf diesen schweren Winter zuerwarten sey. Ich sehe daß sich die Begierde zur Vollkommenheit allgemach in unterschiedenen edlen Gemüthern wiederum reget, und warum solte ich nicht glauben, daß sie endlich in den ersten Eyfer ausbrechen werde, welcher dem Eyfer unserer Vorfahren gleichkommen, ja ich wolte fast sagen, übertreffen wird, nachdem wir die Vorsorge vor das Aufnehmen unserer Gesellschafft einer so geschickten Person durch einmüthige Wahl aufgetragen haben. Ich habe die Ehre seinen Verstand und Liebe gegen unsere Gesellschafft zu kennen, und ich würde suchen, M. H. davon zu überzeugen, wenn ich ihn nicht selbst in dieser Gesellschafft gegenwärtig sehen solte. Und was habe ich nöthig, Sie davon zuüberzeugen, da sie bereits durch ihre Wahl bewiesen, daß Sie die Eigenschafften bey ihm gefunden haben, welche zu seinem Amte erfordert werden. Wir wollen seine vernünfftigen Rathschläge mit Vergnügen anhören, und seinen Exempel eyfrigst nachfolgen. Last uns nur M. H. mit gleicher Bemühung arbeiten, es ist nicht unmöglich die Ehre unserer Gesellschafft zu retten, es ist leichte Ihren Ruhm noch höher zutreiben, als

318 er bißher gestiegen ist. Diese Beschäftigung, welche wir über uns nehmen, wird uns tausend Vergnügen bringen und warum solten wir es nicht thun, da es unsere Schuldigkeit ist?

Zweite Rede UB Leipzig, Rep. 16b, 8. Band, Bl. 8 r -10 r

Ich habe ehedem die Ehre genoßen in dieser Versamlung von Ihnen geneigt angehört zu werden, ob ich mir gleich die Freyheit nahm zu entdecken, wodurch das Auffnehmen unserer Gesellschafft bißher gehindert worden. Ich hoffe dieses Glück ebenfalls zugenießen, da ich gesonnen bin meine Freude zueröfnen, welche durch die Hoffnung unsere Gesellschaft bald im größeren Aufnehmen zusehen in mir erwecket worden. Es ist wahr, daß ich einigen vielleicht dazumahl zu nahe getreten bin, in dem ich nicht gescheuet u. kühne war, ihre Kaltsinnigkeit zutadtlen, womit sie die Verbesserung unserer Muttersprache versäumet. Sie haben uns verlaßen, wie glücklich sind wir, daß sie sich freywillig dazu verstanden! Der Ruhm unserer Gesellschafft entspringet nicht aus der Anzahl, sondern aus der Geschicklichkeit und dem Eyfer ihrer Mitglieder. Die Liebe zur Vollkommenheit unserer Muttersprache muß sie anfeuern und ihr Feuer sich durch ihre Geschicklichkeit zuerkennen geben. Unsere Gesellschafft hat das Glücke nicht durch einen mächtigen Arm unterstützt zu werden, eine edle Ehrbegierde ist der Grund, worauf sie ruhet, wo dieser sincket, so fällt auch ihr Ruhm dahin, und wir verlieren auf einmahl die Hoffnung dasjenige zuerlangen, wornach wir streben. Jetzt befinden wir uns in den Umständen, bey welchen wir diesen traurigen Zufall am wenigsten zubefürchten haben. Wir können gewiß hoffen, daß die Ehre unserer Gesellschafft weit mehr steigen werde, als sie bißher gefallen ist. Das wahre Leben einer Gesellschafft bestehet in ihrer guten Einrichtung, nach welcher sich ihre Mitglieder verpflichten, mit zusammengesetzten und ordentlichen Fleiße den allgemeinen Endzweck welchen sie sich vorsetzt, zubefördern. Ich vor meine Person will mir die Freyheit nicht nehmen die Gesetze unserer Vorgänger einiger Unvollkommenheit zubeschuldigen: Die gantze Gesellschafft hat die meisten vor untüchtig erkläret, ihre Absicht dadurch zuerhalten. Und sie sorget davor, daß sie durchgängig verbeßert werden möchte. Wie gerne wolte ich aber, daß mir die Ehre nicht wiederfahren wäre, unter der zahl derjenigen zuseyn, welche sie diese löbliche Arbeit aufzutragen einmüthig beliebet hat! Ich würde mit mehrerer Freyheit ihren Eyfer, ihre Klugheit und Einsicht meiner Gehülffen rühmen, womit sie allen unnützen Geschwätze vorgebeuget, und den scharfsinnigsten Köpfen die beste Gelegenheit gegeben haben etwas wichtiges zum Aufnehmen unserer Sprache beyzutragen. Sie haben sich nicht nur angelegen seyn lassen vor die

319 Reinlichkeit und Zierde unserer Sprache zusorgen, sondern auch in ihrer Anstalt mit besonderer Aufmerksamkeit dahingesehen, daß sie die Sprache unsers Vaterlandes durch den Heiß dieser werthen Gesellschafft eine Sprache vernünftiger Leute werden möge. Ich bin ein Zeuge von ihren heilsamen Bemühungen und die künftige Zeit wird erweisen daß ich hiervon mit Recht den ersten Grund zu meiner Hofnung genommen habe. Wir können freylich nicht läugnen, daß durch den Verlust so vieler Mitglieder die Anzahl unserer Gesellschafft ungemein geschwächt worden: Allein was fehlt uns, da wir dieselben so vortreflich ersetzet sehen! Und was können wir nicht vor herrliche Vortheile vor unsere Gesellschafft hoffen, da sich so gar diejenigen nunmehro großmüthig entschlüßen Ihre Geschicklichkeit zur Beförderung unserer Absicht zu widmen, die besonders dazu gebohren sind, daß sie das beste ihres Vaterlandes befördern sollen. Ihre tapferen Vorfahren haben Ihnen durch die heldenmüthige Beschützung des Vaterlandes Ihren Adel erworben und sie bemühen sich diesen ererbten Vorzuge selbst durch ihre eigene Verdienste einen herrlichen Glantz zugeben. Hat ihnen die Ruhe des Landes die Gelegenheit benommen, gegen deßen auswärtigen Feinde ihre Tapferkeit sehen zulaßen, und sind sie noch gefedert worden dem Staat durch ihre heilsame Rathschläge nützliche Dienste zuleisten, so wollen sie indeßen ihre Geschicklichkeit und Stärcke zur Bezwingung der deutschen Barbarey anwenden, und durch ihre Gelehrsamkeit und Fleiß in Verbeßerung der Sprache ihres Väterlandes den Ruhm deßelben eyfrigst suchen. Alle Bemühungen wodurch die Ehre des Vaterlandes gerettet und nachdrücklich ausgebreitet werde, ist eines unsterblichen Lobes werth, und man meyne ja nicht, daß diese That, zu welcher sie sich entschliessen, ohne Muth und Hertzhafftigkeit ausgeführet werden könte. Man weiß mit was vor Verachtung unvernünftige Spötter dieses herrliche Vornehmen zubeschimpfen suchen! Man weiß was vor Gedult, was vor Standhaftigkeit, was vor Klugheit, was vor Fleiß und Mühe dazu gehöret, eine Arbeit zu unternehmen, zu welcher der Anfang man so zu reden wiederum machen muß. Ist es aber etwas leichtes die Fehler und Mängel unserer Muttersprache abzuschaffen, welche sich bey unsern Landsleuten so angenehm gemacht haben, daß sie lieber vor lügenden als Fehler wollen angesehen werden. Nicht nur der Pöbel, sondern so gar der Kern unseres Volcks ist mit diesem tiefeingewurzelten Übel behaftet, und es thut ihm wehe, wenn man sich ihnen hierinnen wiedersetzen will. Wer sich ihm aber unerschrocken entgegen stellet, legt durch eine aufnehmende Probe an den Tag, daß Er die Ehre seines Vaterlandes höher als die Gewogenheit seiner verderbten Landsleute halte. Das verfloßene Jahrhundert hat uns bereits ein herrliches Verzeichniß der berühmtesten Männer hinterlaßen, aus welchen wir mit vielen Vergnügen ersehen können, wie schon damahls der Trieb in dem adelichen Geblüthe rege worden, den Ruhm unseres Vaterlandes in der Verbeßerung ihrer Sprache zubefördern. Jedoch der damahls noch allzuverwirrte Vortrag vernünftiger Wissen-

320 Schäften, die ungezähmte Liebe der Nation zu ausländischen Sprachen, der unvorsichtige Eifer alle frembden Wörter ihr Bürgerrecht zunehmen, und die Vortreflichkeit der Sprache durch überflüßige Neuerungen zu erhöhen, waren schuld daran, daß dieser edle Trieb, so geschwinde wieder ersticken muste, als er sich angefangen hatte. Wir sind auf die glückseeligen Zeiten vorbehalten worden, da die Wißenschaften deutlich und gründlich gelehret werden, da sich hin und wieder redliche Patrioten finden, welche sich des beschwerlichen Jochs der Sprachvermischung mit Gewalt entreißen und andere aufmuntern, ihren Fußstapfen herzhaft[?] zufolgen, da wir unsern Eyfer mit größerer Behutsamkeit gezeiget und 22 den zärtlichen Geschmack unserer Landsleute durch unnöthige Neuerungen Ekel erwecket. Wenn nur ihr edlen Söhne, dem ruhmwürdigen Exempel Ihrer geschickten Vorgänger in größerer Menge folgen und Ihren Fleiß mit den unsrigen vereinigen wolten. Ihre herrlichen Verdienste würden uns reißen und unser Fleiß würde durch ihre Vermittelung den großen des Landes bekant werden, ja nicht nur bekant, sondern angenehm werden; ja nicht nur angenehm werden, sondern sie bewegen, unsere Bemühungen ihres Beystandes, Rathes, Schutzes und Gnade zu würdigen. Sie vergönnen mir, daß ich mich hierdurch gantz aufrichtig erkläre. Ich brenne fast vor begierde unsere Sprache auf einer hohen Stuffe der Vollkommenheit zusehen, und ich glaube, daß dieses ein besonderer Weg sey, Sie biß dahin zubringen. Und o wenn doch mein Wunsch erfüllet würde! Ich finde noch etwas, welches mich hoffen läst, den Zustand unserer Gesellschafft verbeßert zu sehen. Biß hieher hat sie sich vergnügt, in der Arbeit ihrer Mitglieder eine stille und verborgene Lust zusuchen. Warum wollen wir uns nicht einmahl, wie wir es bereits beschlossen haben der gelehrten Welt öfentlich vorlegen, worinnen unsere Beschäftigungen bißher bestanden haben. Last uns versuchen, ob wir geschickt sind, den Beyfall der vernünftigen zuerwerben und uns diesen als denn einander zur beständigen Aufmunterung vorhalten. Sind unsere Schriften noch nicht gantz vollkommen; Genug daß wir einen Anfang gemacht, und in Ausarbeitung derselben nach der Vollkommenheit gestrebt haben. Können sie uns nicht die Gewogenheit der meisten unserer Landesleute erwerben: Wir wollen zufrieden seyn, wenn nur etliche Kenner dieser Arbeit ihr Gefallen darüber bezeugen. Last uns hochzuehrende Herren, die schönen Umstände, darinne wir stehen nicht versäumen. Unser Geist hat noch sein erstes Feuer, wir werden durch keine wichtigere Verrichtungen gehindert, dieser Übung einige Stunden zuwidmen. Wir leben an einem Orte, welcher nebst andern den Ruhm hat, daß unsere Muttersprache an demselben mit der grösten Zierlichkeit geredet werde. Wir behalten den Vorzug, daß wir am ersten mit zusammengesetzten Eyfer vor unsere Sprache gesorget haben. Wolan, wer sein Vaterland redlich liebet, der suche an diesem Stücke mit allem Ernst die Ehre desselben zubefördern. 22

Hier ist wohl ein nicht einzufügen, um den Sinn des Satze zu wahren.

3. Anmerckung Von einigen Vorzügen die die deutsche Poesie vor der Lateinischen hat. Von M. Johann Christoph Gottsched. UB Leipzig, Rep VI, 16b, 8. Band, Bl. 4 r -7 v

Perralt 23 hat in seiner Vergleichung der alten und heutigen Gelehrsamkeit behaupten wollen, daß die neuern Französischen Poeten allen Griechischen und Lateinischen vorzuziehen seyn. Ob er hierinnen Recht oder Unrecht habe, das will ich die Französischen Gelehrten ausmachen lassen. Wie wäre es aber wenn man diese Frage von der deutschen Poesie aufwerfen und untersuchen wollte: Ob nicht die deutsche Poesie bereits höher gebracht sey als die Dichtkunst der alten Lateiner? Ich würde mir gar zuviel unternehmen, wenn ich diese Frage schlechterdings mit ja beantworten wollte. Ich würde mich dadurch anheischig machen, zu zeigen, daß unsere Poeten bessere Heldengedichte als Maro, Naso und Lucanus, bessere Trauerspiele als Seneca, bessere Comödien als Terentius, bessere Hirtengedichte als Virgilius, bessere Oden und Satiren als Horatius, bessere Elegien und Heldenbriefe als Ovidius und s. w. geschrieben hätten. Dieses würde Materien genug geben ein großes Buch zuschreiben, wenn es sich nur so leicht ins Werck richten ließe. Wie ich aber hieran vielleicht nicht ohne Grund zweifele; also will ich in einigen kleinem Stücken die zur Reinigkeit und Lieblichkeit der Verse gehören, darthun, daß in der Lateinischen Poesie sehr viele Dinge erlaubet und geduldet werden, die bey uns Deutschen von allen Kennern vor offenbare Fehler und Schnitzer gehalten werden. Das erste mag die seltzame Versetzung der Wörter in der lateinischen Poesie an die Hand geben, welche offt wieder die natürliche Ordnung der Gedancken und selbst wieder die Art der lateinischen Sprache läufft. Ich darf hievon gar keinen Beweiß geben, weil die Sache allen bekannt ist, die jemahls einen Poeten gelesen haben. Wer weiß es nicht, was sich die guten Leute vor Freyheiten in diesem Stücke genommen haben? Sie binden sich an nichts. Was hinten stehen sollte, setzen sie offt in die Mitte, ja gar gantz von vorne. Sie fangen die Sätze oder Perioden mit allen Wörtern an, die 23

Charles Perrault (1628-1703), frz. Dichter, verfocht in seinem Werk Parallèles des anciens et des modernes die Überlegenheit der Moderne über das Altertum.

322 darinnen vorkommen, und kein Theil der Rede behält seinen eigentlichen Platz: Sie fangen einen Vers nicht nur mit Haupt Wörtern (Verbis) und Nahmen der Dinge (Nominibus); sondern mit Beywörtern (adjectivis) Vorwörtern (praepositionibus) Zwischenwörtern (inteijectionibus) Nebenwörtern (adverbiis) und Verbindungswörtern an. Ich sage nicht daß dieses durchgehende ein Fehler sey. Auch in ungebundener Rede kan man Sätze mit allerley Wörtern anfangen. Man nehme die Reden des Cicero zur Hand, so wird man Exempel genug davon finden. Ich will nur soviel sagen: In einem Satze, wo ein Redner der der Natur seiner Gedancken und Sprache folget, mit einem Substantivo, würde den Anfang gemachet haben, da nehmen sich die Poeten die Freyheit mit allerley andern Wörtern anzufragen24, und dasselbe Hauptwort wohl gar biß ans Ende zuwerffen. Gleich zu Anfange des lsten Buchs der Eneis steht dieser Vers von der Stadt Carthago. Urbs antiqua fuit lyrii tenuere Coloni Carthago Italiam contra Tiberinaque longe ostia, dives opum studiisque asperrima belli quam Juno fertur terris magis omnibus unam Posthabita coluisse Samo.

Wenn man diese Verse nach einer denen Rednern gewöhnlichen Ordnung einrichten will, so hören sie auf Verse zu seyn. Es wird ohngefehr heißen: Fuit urbs antiqua Carthago (coloni Tyrii tenuere) contra Italiam et longe Tiberina ostia, opum dives studiisque belli asperrima. Quam unam Juno, posthabita Samo, magis omnibus terris coluisse fertur. Hier ist es Augenscheinlich was vor eine unnatürliche Versetzung der Wörter von den Poeten gemachet werden. Dinge die nahe bey einander stehen sollten, stehen weit davon, und was hingegen getrennet seyn sollte, das ist genau mit einander verbunden. Und solche Stellen giebt es auf allen Blättern der Poeten unzehliche. Ich weiß wohl daß man hier einwenden wird, die lateinische Sprache habe die Eigenschafft, daß man die Wörter auf mancherley Weise versetzen könne, ohne dem Verstand eines Satzes den geringsten abbruch zu thun. Das ist gar nicht zuleugnen: Allein wer sich einbildet, daß es derowegen bey den Lateinern erlaubet gewesen alle Worte einer Rede wie Kraut und Rüben durch einander zumischen, der irret sehr. Auch in der deutschen Sprache kan man viele Veränderungen in einem Satze machen. Zum Exempel die Worte: Im Anfang schuf Gott Himmel und Erden: Kan ich auch so setzen: Gott schuf im Anfange Himmel und Erden, und es bleibet doch recht. Wer wolte aber daraus folgern, daß alle mögliche Versetzungen erlaubt wären. Zum Ex: Gott im Anfange schuf Erden und Himmel, oder: Erden und Him24

Muß sinngemäß heißen: anzufangen.

323 mei Gott schuf im Anfang, usw. Eben die Bewandnis hat es bey den Römern gehabt. Einige Versetzungen giengen an: andre nicht. Einige klangen wohl, andre schlechter und noch andre waren gar unerträglich. Der Vers Tityre tu patulae recubans sub tegmine fagi kan 12. auch wohl noch mehrmahl verändert werden, so daß es doch noch ein Hexameter bleibt. Ich glaube aber, daß unter allen diesen möglichen Versetzungen keine so lieblich in Römischen Ohren geklungen habe, auch keine der Natur ihrer Sprache so gemäß gewesen, als diese, so Virgilius sich belieben lassen. Einander Verß Tot tibi sunt dotes virgo quot sidera coeli. läßt sich etliche hundert mahl verkehren und bleibt doch ein Verß; wer sich aber einbildet, daß alle gleichgut seyn werden, der muß sich auch diesen gefallen lassen: Sidera tot dotes virgo sunt quot tibi coeli So ungereimt wird nicht leicht jemand seyn, daß Er nicht zugeben sollte, daß einige Versetzungen den Verstand einer Rede dunckel, andere gantz unverständlich machen und noch andre eine gantz wiederwärtige Meynung heraus bringen. Und hieraus erhellet ja augenscheinlich, daß etliche derselben erlaubt, etliche hingegen gantz und gar zu verwerffen sind. Hier fraget sich aber, woher man es den wissen könne, ob nicht die Versetzung in den oben angeführten Verßen des Virgilius eine von denen erlaubten sey? Hierauf dienet folgendes zur Antwort: Freylich können wir heutigs Tages von den todten Sprachen nicht mehr den vollkommenen Ausschlag geben, was wohl oder übel klinget. Bisweilen dünckt uns eine gewisse Ordnung der Wörter sehr angenehm zu klingen, die doch in recht römischen Ohren gantz und gar falsch und lächerlich seyn würde. Offt würden wir auch eine gewisse Versetzung vor sehr übelklingend ausrufen, wenn wir sie nicht in den besten Römischen Scribenten anträfen. Cicero gedenckt an einem orte seines Buchs von [sie!] Redner eines gewissen oratorischen Satzes, der seines ungemeinen Wohlklangs halber eine grosses Frohlocken und Händeklopffen des gantzen Volckes nach sich gezogen: Allein wenn wir ihn itzo lesen oder auch noch so künstlich aussprechen hören, so empfinden wir nichts außerordentliches darinnen; nichts was einer sonderbaren Bewunderung würdig wäre. So wenig können wir unseren Gutachten in Beurtheilung einer Sprache trauen, die wir zu einer Zeit erlernet, da sie nirgends mehr im Schwange geht. Nichts destoweniger hat man doch ein Mittel, zum wenigsten einigermaßen zu unterscheiden, welche Wortfügung im Lateinischen erlaubt sey oder nicht. Man muß diejenigen Scribenten zur Richtschnur nehmen, die in ungebundener Rede geschrieben haben. Eine Ordnung die in des Cicero, Livius, Nepos und Cäsars Schrifften gefunden wird, ist vor erlaubt zuhalten. So lange man mir nun in erwehnten oder andern guten prosaischen Büchern eine solche Versetzung und Vermischung der Wörter nicht zeiget als in den angeführten Versen des Virgilius angetroffen wird, so lange werde ich auch

324 nicht glauben, daß dergleichen unordentliche Verse vor Muster einer reinen Poesie können gehalten werden. Nachdem wir also einen Fehler der lateinischen Poesie gesehen, der aber gleichwohl von keinen Lateiner vor einen Fehler in Verßen gehalten worden: So müssen wir zeigen, daß die deutsche Dichtkunst uns denselben nicht verstatte. Es ist eine Grund Regel in unserer Poesie, daß man in Versen keine andre Wortfügungen brauchen müsse, als die in ungebundener Rede gewöhnlich sind. Christian Weise hat sie zwar zuerst vorgeschrieben, allein sie ist schon vor ihn von andern beobachtet worde. Opitz der Vater unserer Poesie hat solche Stellen in seinen Wercken die in diesen Stücke ohne Tadel seyn. An den Kayser Ferdinand schreibt er im Anfange seiner Poetischen Wälder also: Du Zier und Kraft der Zeit du edles Haupt der Erden, dem Himmel, Lufft und See und Land zudiensten werden, O großer Ferdinand, nechst allem was dich ehrt Und Deiner Macht Geboth mit treuen Hertzen hört, kommt auch die Musen-Schaar der deutschen Pierinnen kniet frölich für dir hin und sagt mit freyen Sinnen daß sie, o Lust der Welt, forthin bestehen kan p.p. Die Seine scheuet Dich, Du hast den Stoltz der Elbe den Rhein und Po geschreckt, das heilige Gewölbe der Sternen sieht bestürzt die Wunderthaten an, Du machst des Glückes Gunst Dir gleichsam unterthan.

Lohenstein so hart er sonst ist, hat doch recht unvergleichliche Stellen, z. e. in der Cleopatra p. 117. fragt August: Was macht sie? lebt sie noch? ach! ist sie schon erblichen? Ist ihr bestürzter Geist schon aus der Welt gewichen? Eilt, rettet, laufft und eilt; bringt Stärckungs-Säfft herbey Fühlt ob die Puls noch schlägt und wie die Wunde sey?

Hoffmannswaldau ist vor andern hierinnen zuloben. So fängt in seinen Helden Briefen Abelard sein Schreiben an Heloisen an. Mein Schreiben ist verderbt, die Feder ist verschnitten, die Tinte fleust nicht mehr wie sie zuvor gethan, Es wird ein kleiner Brief dich um Verzeihung bitten daß ich forthin als Mann dich nicht bedienen kan. Dein Abelard ist nicht, was er zuvor gewesen p.

Was vor herrliche Muster hat uns nicht der große Canitz hiervon gelassen p. 99. in seinen Nebenstunden heist es: Der Mensch, das kluge Thier, getraut ihm selber nicht Sein eigner Docht verglimmt, er folgt ein fremdes Licht, Greifft selbst kein Ruder an, pflegt furchtsam fortzuwallen. Und lebet, ja noch mehr, stirbt andern zugefallen,

325 Erfreue dich mein Sinn, daß dir ein guter Geist, den unbekannten Schatz der edlen Freyheit weist, Ich weiß du wirst die Schnur, sey nur bemühet finden dich aus den Labyrinth des Pöbels loßzuwinden.

Von dem Herrn von Besser darf ich nichts anführen, denn es ist ohne dem seine flüssige Schreibart bekannt. Was soll ich von Gryphio, Philandern, Neukirchen, Pietschen, Günthern und unzehlichen andern Poeten unsers Vaterlandes sagen? Diese alle, so sehr sie sonsten unterschieden sind, so genau stimmen sie darinnen überein, daß die Ordnung der Wörter in der Poesie, nicht anders als in ungebundener Rede seyn müsse. Denn wie hätte wohl ein Redner, der die in denen oben angeführten Verßen enthaltenen Sätze vortragen wollen, die Worte und Redensarten natürlicher und ordentlicher stellen wollen als es von diesen großen Männern in Reimen geschehen; vielmehr würde man durch die Versetzung eines einzigen Wortes den natürlichen Fluß der Rede gehemmet und unterbrochen haben. Ich sehe nichts was man dawieder einwenden könne, als dieses, daß gleichwohl, diese Reinigkeit in der Construction nicht durchgehende bey unsero Poeten herrschet, ja daß vielmehr unzehliche Gedichte der grösten Männer vorhanden sind, worinnen vieles auszumertzen wäre, wenn man es gantz genau untersuchen wollte. Dieser Einwurf hat in der That einigen Schein, und es sollte fast das Ansehen gewinnen, daß diejenige Regel keine Krafft hätte, die kein einziger Poet allenthalben inacht genommen. Kein eintziger sage ich, und das mit gutem Bedachte. Denn überhaupt haben wir keinen einzigen Poeten aufzuweisen, der von diesem Fehler gantz frey wäre. Weise selbst, der doch so rein geschrieben, als irgend ein anderer, stoßet bißweilen wieder die natürliche Ordnung an z. e. in seinen Reifen Gedancken p. 43b. schreibt er Ach ja wer dies bedenckt, der kan sich schlecht erfreuen Weil er die Wollust sieht beregnen und beschreyen Hir ist in dem andern Verße etwas wieder die art der deutschen Sprache. Es sollte heißen: Weil er die Wollust beregnen und beschreyen sieht. Herr Weise selber würde in ungebundener Rede so geschrieben haben. Er ist indeßen der reinste von allen unsern Poeten, den man billig der Jugend am allerersten in die Hände geben muß, damit sie einen Geschmack von der flüßigen Reinigkeit eines Verses kriegen möge, und daher kan man denken wie offt andere in diesem Stücke werden gefehlet haben. Allein alles dieses beweiset noch nicht, daß die deutsche Poesie es verstatte die natürliche Wortfügung in Verßen zu verlaßen. Die mit Übereinstimmung aller Richter angenommene Regel wird nicht umgestoßen, wenn gleich einer und der andere sie nicht allenthalben beobachtet. Wenn man die größesten Männer über solche Verwerfungen der Wörter in einigen Stellen schwerer Gedichte befragen sollte, sie würden sie selber nicht vor Schönheiten angeben, sondern frey gestehen, daß es Fehler seyn, die sie aus Zeit

326 Mangel oder anderen Ursachen nicht hätten verhüten können. Käme es weit, so würden sie sich mit der Licentia entschuldigen und verlangen, daß man ihnen um andrer schöner Gedancken halber solche Kleinigkeiten übersehen müsse. Was schliesset nun dieses wieder die Natur der deutschen Poesie? Nur da, wo man von ihren Regeln abweicht wird sie der lateinischen ähnlich. Wo man dieselben inacht nimmt, ist sie weit vollkommener. Zudem ist auch die Versetzung der Wörter nur bey den ältesten Dichtern so häuffig anzutreffen. Je neuer ein guter Poet ist, destoweniger wird er darwieder handeln. Opitz, Lohenstein, Abschatz, Postel und andere die noch im vorigen Jahrhundert gesungen sind nur so hart und gezwungen; Wiewohl auch damahls schon die Reinigkeit in den Schwang gebracht wurde. Die neuern, als Philander, Neukirch, Pietsch, Amthor und Günther sind fast ohne alle Fehler. Und soviel von diesem ersten Vorzuge der deutschen Poesie vor der Lateinischen.

4. Johann Christoph Gottsched: Gedancken und Muthmaßungen Ursprung und Wachsthum der Poesie.

vom

UB Leipzig, Rep. VI. 16b, 8. Band, Bl. 16 v -20 r

Wenn das Alterthum einer Sache ein Ansehen oder einen Werth beylegen kan; so ist gewiß die Poesie eins von den wichtigsten Stücken der Gelehrsamkeit. Sie ist so alt, daß sie auch mit der SternseherKunst um den Vorzug streitet; ja allem Vermuthen nach älter als die Kunst zuschreiben selbst. Vielleicht kommt dieses daher, weil sie eine Schwester der Musick ist. Von den ältesten Zeiten her sind die Menschen durch Freude, Liebe, Traurigkeit und andre Gemüths-Bewegungen mehr zu einer gewissen Erhebung der Stimme und Abwechselung der Thöne geneigt gewesen, dadurch sie Lust und Unlust, Verlangen und Schmertz usw. auf eine natürliche Art auszudrücken vermeynet. Dies ist ohne Zweifel der erste Ursprung der gantzen Thon oder Singekunst. Es war aber allen Ansehen nach den ersten Sängern zugleich in den Sinn gekommen, daß man sowohl verständliche Worte als nichts bedeutende Thöne singen könne. Ja die erst kürtzlich erdachten Gesangweisen waren ohne Zweifel so geschickt noch nicht einen Affeckt recht lebhafft auszudrücken, als heutiges Tages einige davon sind. Daher war es sehr natürlich ihre Stimme mit verständlichen Sylben und Worten hören zulaßen, und also dasjenige desto deutlicher an den Tag zugeben, was sie bey sich empfunden oder gedacht hatten. Und dergestalt fieng man an nicht nur Melodeyen, sondern auch Lieder zusingen. Man kan es leicht dencken, wie die ersten Gesänge mögen geklungen haben. Ich stelle mir dieselben nicht anders vor als das Absingen der Evangelien und Episteln so bey uns in Kirchen gebräuchlich ist. Sätze von ungleicher Größe ohne Abwechselung langer und kurtzer Sylben, ja so gar ohne Reime, waren bey den Alten schon eine Poesie. Die Psalmen der Hebräer und die alten Runischen Verße unserer eignen Vorfahren sind zulängliche Beweißthümer dieses Satzes. Mit der Zeit lehrte die Natur der Sprache und sonderlich das unentbehrliche Athemholen die Liebhaber des Singens, daß es beßer und geschickter klingen würde, wenn alle Sätze der Sprüche ihrer Lieder eine gewisse Gleichheit bekämen. Aber man nahm es gleichwohl so gargenau noch nicht: Auf ein paar Sylben kam es nicht eben an, wie abermahl unsre alte Verse zeigen» biß endlich die Griechen sogar die Sylben aufs genaueste abzuzehlen anfien-

328

gen, und also die Poesie zu einer größern Vollkommenheit brachten. Dieses witzige Volk hatte ein sehr zahrtes Gehör, und wie es also zur Musik sehr geneigt war, so merkte es bald, daß man auch in dem Texte ihrer Gesänge noch einen gewissen Wohlklang beobachten müße, der aus einer regelmäßigen Abwechselung langer und kurtzer Sylben entstünde. Daher führten sie nun verschiedene Gattungen des Sylbenmaßes ein, die sich zu verschiedenen Melodeyen schickten, welches ihnen auch desto leichter fiel, da sie fast durchgehende Music und Poesie zugleich liebten. Die Nordlichen, Scytischen, Celtischen und Deutschen Völcker waren der Music so sehr nicht zugethan, prachten es also auch in der Poesie so weit nicht: Sie dachten an kein Sylbenmaaß, sondern führten an dessen statt einen Gleichlaut der letzten Sylben an jeder Zeile ein, den wir den Reim nennen. Dieser Zierrath war so empfindlich daß er auch gröbere Ohren kützeln und dadurch die unförmlichsten Gesänge angenehm machen konte. Dem Exempel der Griechen sind die Römer in allen Stücken gefolget. Zu der alten Nordischen Art Gesänge zumachen haben die heutigen Italiäner, Spanier und Franzosen ungleichen die Pohlen nur eine genauere Abzehlung der Sylben und in langen Zeilen den Abschnit gesetzet. Die Deutschen aber haben nebst den Holl- und Engelländern auch Dänen und Schweden das Sylbenmaaß der Griechen und Römer mit ihren Reimen vereiniget, und also das äußerliche Wesen der Poesie auf den höchsten Grad der Kunst getrieben. Dacier25 in seiner weitl. Vorrede zur Poesie Aristotelis ist der Meynung, die Religion sey die Hebamme oder gar die Mutter der Poesie gewesen, und man habe zuallererst das Lob Gottes dadurch besungen. Allein er hat diesen Fehler mit andern Franzosen gemein, die aus Aberglauben den Wissenschafften gern einen heiligen Ursprung geben wollen. Und was ist nöthig durch Fabeln die Poesie in Ansehen zusetzen, da sie ohne dem ihre Liebhaber findet, wenn man gleich ihren Ursprung aus der Natur selbst herleitet. Zu allererst mögen die Poeten wohl bey Gastmahlen und bey einen guten Trunk vor großer Freude allerley lustige Lieder gesungen haben, darinnen etwas das Lob des Wein Gottes mit vorgekommen. Die verliebten Schäfer werden gleichfals die Hertzen ihrer Gebieterinnen durch Musiken und bewegl. Gesänge zurühren gesucht haben; dabei den irgend das Lob der Liebe oder der Göttin Venus und ihres Sohnes mit eingemischet worden. Mit der Zeit aber fieng man allererst an, allen Göttern Lobgesänge anzustimmen und sie dadurch zu verehren. Von Göttern kam man auf die Menschen. Die Stiffter der Republiken, die Erbauer der Städte und die Erfinder nützlicher Künste wurden gleichfals von den Poeten besungen und ihrer Thaten halber gelobet. Sonderlich schienen die Kriegs-Helden und tapfern Sieger es wehrt zu seyn, 25

André Dacier (1651-1722), frz. Philologe, seine Übersetzung der »Poetik« des Aristoteles erschien 1692.

329 daß man ihnen zu Ehren Lieder machte. In der heiligen Schrifft finden wir das Mirjam,26 Debora 27 und andre solche Lieder gesungen. Homerus schrieb in der Absicht seine Ilias, welche nach der alten Art in Griechenland dem Volke öffentlich vorgesungen worden. Die alten Deutschen haben gleichfalls nach dem Berichte Taciti die Helden Thaten ihrer Vorfahren in Liedern besungen,28 davon auch noch itzo verschiedene Proben vorhanden sind. Es ist leicht zu vermuthen, daß unter so vielen Liedern der Alten auch HirtenLieder gewesen seyn werden. Die ältesten Einwohner von dem Oriente, ingleichen von Arcadien und Sicilien waren Schäfer und lebten also bey ihren natürlichen Überflusse an Früchten und Heerden in einer glückseeligen Ruhe. Dieses war die bequemste Verfassung, darinnen ein junger Daphnis29 und Tityrus30 der Liebe pflegen und seinen Affekt in angenehmen Liedern besingen konnte. Will man also die Hirten-Lieder vor die ältesten ausgeben, so geht es an, wenn man nur die sogenannten Schäfer-Gedichte davon unterscheidet, die etwas später erfunden worden. Hierauf erfand man allmählich die Tragödie, die im Anfange nur aus etlichen Lieder oder Oden bestand, die nunmehro das Chor heißen und nur den Zwischenraum zweyer Handlungen auszufüllen dienen. Um die Sänger einwenig ruhen zulaßen, lies man erst eine hernach zwey, endüch auch mehr Personen auftreten, die Thaten desjenigen vorzutragen, dessen unglücklichen Schicksale man besingen wollte. Ohngeachtet nun diese Personen, weder spielten noch sungen, so redten sie doch in Versen, welche mit einem gewissen Wohlklange ausgesprochen wurden und also eine Art von Melotey ausmacheten. Nach dem Muster der Trauer-Spiele kamen die Lust-Spiele ans Licht. An Festtagen, wenn die Leute sich mit Essen und Trinken vergnügt hatten, stellten sich ihnen etliche vermumte Personen dar und suchten durch Worte und Geberden gewisse merkwürdige Leute ihres Ortes lächerlich zumachen. Dabey ward nun, wie aus den Uberschrifften, das singen nicht gantz vergessen, sondern auch die jambische Art von Verßen eingeführt, die der ungebundenen Rede am nächsten kommt, und deßwegen auch nicht gar zuviel musicalisches mehr an sich hatte. Die Schäfer Gedichte so wie sie Uns von Griechen und Römern hinterlassen worden, scheinen auch wohl mehr zum lesen als zum singen gemacht, auch dazu gebraucht worden zu seyn. Man sehe nur Virgili Eclogen und Theocriti Idillien an, so wird man solches leicht zugeben. Die Liebe war zwar der Haupt Affekt der in dieser Art herrschte und die Gesangweisen müssen 26 27 28 29

30

Vgl. Exodus 15, 21. Vgl. Richter 5 , 1 - 3 1 . Tacitus: Germania 3,1. Anspielung auf den im Hirtenmilieu spielenden antiken Roman von Longos (Daphnis und Chloë). Bukolischer Namen eines Ziegenhirtes.

330 also zärtlich und beweglich gewesen seyn. Allein wir finden nirgends daß diese allegorischen Schäfer, so wie vormahls die natürlichen gesungen hätten; vielmehr hat man diese Art von Gedichten nur des harmonischen Sylbenmaßes wegen unter die Lieder gezehlet. Endlich kam es so weit daß die Verße auch zu Satiren Briefen und Sinngedichten gebrauchet wurden. Dadurch wich freylich die Poesie von ihrer alten Art ziemlich ab: denn alle diese Dinge könnten nicht mehr Lieder heißen. Am weitesten aber entfernete man sich davon, wenn man gantze Philosophische Wissenschafften in Verßen vortrug, wie zum Exempel Aratus 31 und Lucretius32 gethan. Man muß aber billig das innere Wesen der Poesie von der äußerlichen Poetischen Schreib-Art unterscheiden. Diese letztere kan statt finden, wenn gleich sehr wenig von jenen in einem Werke zufinden ist. In neuern Zeiten hat man noch einige ander Gattungen der Poesie erdacht, die theils musicalisch sind, theils aber noch mehr als die letzterwehnten davon abweichen. Dorthin gehören die Opern, Pastorella, Serenaden, und Cantaten. Hieher aber die Sonette, Madrigale, Ringelgedichte und andre Kleinigkeiten, die nicht viel werth sind. Wir Deutschen haben zwar in allen Arten der alten Poesie etwas aufzuweisen; doch können wir nicht läugnen, daß in Helden Gedichten, Tragödien und Comödien und folglich in den hauptsächlichsten Stücken der Poesie noch nichts vorhanden ist, was dem alten an die Seite gesetzt werden könnte. Die Absichten so die Erfinder und Fortpflantzer der Poesie gehabt haben mögen sind zwar sehr unterschieden, doch leicht zuerrathen. Die ersten Sänger haben wohl nichts anders dabey im Sinne gehabt, als ihren Affect auf eine natürliche und rührende Art auszudrücken und ihre Zuhörer zu gleichen Leidenschafften zubewegen. Die Gemüthsbewegungen sind so beschaffen, daß sie sich leichtlich mittheilen, wenn sie nur lebhafft ausgedrücket werden: folglich konten die ersten Poeten Freude und Traurigkeit, Liebe und Haß, Zorn und Mitleiden durch ihre Lieder erregen; ja wie man von Orpheus und Apollo dichtet, Thiere Bäume und leblose Steine dadurch zwingen. Als man nun dieser mächtigen Kunst wegen die Poeten hochzuschätzen anfieng und sie gern hörete, befließ man sich auch durch seine Gedichte das einmahl erlangte Ansehn zuerhalten. Folglich lies man sich angelegen seyn nicht nur allerley annehmliche und reitzende Sachen in seine Lieder zubringen, dergleichen die kleinen Fabeln waren; sondern auch in dem Ausdrucke derselben auf edle und erhabene Redensarten zusinnen, die von der gemeinen Art des Pöbels zureden abgingen. Dadurch beredete man das Volk die Poeten wären nicht gewöhnliche Menschen, sondern von einer höhern Krafft beseelte, von den Musen selbst begeisterte, ja mit einem Wort, recht göttliche Männer. In diesen Ansehen bekräfftigte sich diejenigen Poeten desto leich31 32

Aratos aus Soloi (3. Jh. v. Chr.), Autor des Lehrgedichtes Phainomena. Das bekannte Lehrgedicht De rerum natura von Lukrez.

331 ter, die am Verstände und an Klugheit andern Leuten überlegen waren. Denn diese mischeten in ihre Lieder und Fabeln, schöne Moralische Regeln und hohe Lehren der Weisheit mit ein; daher es denn kam, daß man die Poeten vor Gottesgelehrte und Weltweise, ja vor die weisesten Leute und einzigen Lehrer des menschlichen Geschlechts hielte. Homerus hat alles was bißher gesagt worden in den Heldengedichten so er geschrieben, glücklich zuvereinigen gewust. Daher ist auch die große Hochachtung entstanden, die man zu allen Zeiten vor ihn gehabt. Er erzehlt, er ahmet nach, er dichtet er beweget, er lehret und belustiget seine Leser auf eine so künstliche und natürliche Art, daß man sich vergebens zuerrathen bemühet, welche von diesen allen seine Haupt Absicht gewesen. Er hat alles zugleich thun, und sich dadurch in Hochachtung setzen wollen. Eben dieses ist die Absicht der Tragödien Schreiber gewesen, welche das Mittel erfunden, dasjenige sichtbar vorzustellen, was Homerus nur beschreiben können. Die Geschichte oder Fabel so sie aufführten waren anziehend, die Art des Vortrags edel erhaben und lebhafft, und die eingestreuten Sprüche der Weisheit nachdrücklich lehrreich. Sie erregten allerley Affecten bey den Zuschauern und belustigten dadurch nicht nur ihre Zuhörer, sondern erwarben sich selbst dadurch ein großen Ansehen. Mit Comödien, Satiren und Briefen und andern dergleichen kleinen Gattungen verhält sichs nicht viel anders. Nirgends ist man mit einer einzigen Absicht zufrieden gewesen, sondern man hat viellerley zugleich zuerhalten gesucht, darum ist weder die Nachahmung, noch die Erdichtung der Fabeln, noch der Unterricht noch die Reinigung der Affecten, noch die Belustigung gantz allein bey den Poeten zusuchen. Aus den vorigen wird nunmehro leicht abzunehmen seyn, wie mann die Poesie recht beschreiben müsse. Sie ist meines Erachtens, theils eine Nachahmung wahrhaffter, theils eine Erdichtung wahrscheinlicher Dinge, die in einem edlen, anlockenden, lebhafften und lehrreichen Ausdrucke so künstlich vorgetragen wird, daß die Leser, Zuhörer oder Zuschauer dadurch belustiget, beweget und unterrichtet, die Poeten selbst aber in besondre Hochachtung gesetzt werden.

5. Johann Christoph Gottsched: Anzugs-Gedichte betitelt »Die vergebens unternommene Dämpfung unüberwindlicher Poetischer Triebe«.

UB Leipzig, Rep. VI. 16b, Bl. 72 v -73 r Was reißt, Ihr Musen! mir den kaum gestillten Sinn schon wieder mit gewalt auf Pindus Spitzen hin? was reitzet neue Krafft den rauhen Hals zum singen? was soll der matte Thon verstimmter Seyten klingen? vielleicht lebt anderwerts ein Dichter in der Welt, dem eurer Flammen Glut nicht so [?] verdrüßlich fält. Nur weg mit neurer Kunst verworfene Berg-Göttinnen! Die harte Zeit befiehlt was bessere zu beginnen, und räht, man soll ein Feind vergebner Arbeit seyn. Was trägt das eitle Werck bemiither Dichter ein? Kein reicher Tagus33 rinnt aus Hippocrenens34 Qwellen, Kein gelber GoldSand spielt durch die bewegten Wellen, der kahle Helicon ist kein bebautes Feld, und weil Apollo selbst soviel von Brunnen hält, läst Bachus, der doch sonst die Geister kan erwecken, uns Musen Freunde nichts von seinen Säfften schmecken. Ihr Dichter! preiset nur des Friedens Sicherheit beschreibt der Helden Lob, der Kriege Grausamkeit der muntre Kiel mag sich im Blut der Feinde färben und zeigen wie man soll in Sieges-Cräntzen sterben. Ja kehret das Gesicht von blassen Leichen weg, und setzt dem freyen Rohr ein Freudenlied zum Zweck, laß der beliebte Thon in Hochzeit-Sälen schallen, und endlich gar auf Schertz- und StrafGedichte fallen, dies alles ist umbsonst. Die schnöde DichterKunst verheißet Glantz und Licht und liefert Rauch und Dunst, kein Lust- kein Trauer-Spiel wird euren Wunsch erfüllen, kein LobGedichte wird die Noth der Armuth stillen, wer Schuh und Strümpfe flickt verdienet doch sein Brodt, wer nichts als Verße macht geräth in Hungers-Noth, und wenn gleich ein Poet von güldenen Bergen träumet, so hat er doch wohl offt sein bestes Glück versäumet. Man sage was man will, ein Dichter wird nicht reich.

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Der iberische Fluß Tajo bzw. Tejo, führte Gold in seinem Wasser (s. folgenden Vers). Hippokrene, ein Brunnen unterhalb des Gipfels des Helikons, galt als Quelle der dichterischen Begeisterung.

333 Man reime wie man kan, der lohn bleibt immer gleich, so das die Dürfftigkeit in dem Poeten-Orden vor alten Jahren schon zum Merckmahl ist geworden. Wie kam es, daß Homer kein Erb-Gut hinterließ? Daß man den Naso gar ins Elend wandern hieß? warumb muß Phöbus selbst ein Hirte stiller Herden, ein Mittglied in der Zahl verschmähter Hirten werden? Man sieht ja daß die Kunst dies Unheil angestifft. weil es den Meister so wie seinen Schüler trifft, ja selbst die Musen drückt, die sich wohl längst vermählet, wenn ihnen nur bißher der Braut-Schatz nicht gefehlet. Das wahre Dichter-Volck, wird solches gleich gewahr, es seuffzet, es verbirgt die kleingewordne Schaar, und läßt, weil niemand sie nach Würden weis zu ehren, die undanckbahre Welt gar selten lieder hören. Wie? rafft es, sollen wir der Ehrsucht Sclaven seyn? man hört ja ohne dem die Stümper insgemein ein unverdientes Lob mit ungestimmten Sayten und einen halben Held mit halber Kunst begleiten. Entweyhte Poesie! wer buhlet nicht mit dir? was hält uns dein Betrug vor falsche Bilder für? Was soll man doch mit dir die edle Zeit verschwenden, und auf ein eitles Werck so güldne Stunden wenden? Es dichte fernerhin wer dichten will und kan Wir setzen nicht so leicht die kluge Feder an Wir bleiben lieber still, und üben uns im schweigen, biß wieder ein August uns seine Huld wird zeigen. Dem allem hört mein Geist mit leisen Ohren zu, und freuet sich bereits auf die gewünschte Ruh. Jedoch es ist umbsonst; ich kan nicht wiederstreben, Apollo will mich nicht des singens überheben, ein ungewohnter Brand durchsticht Marek und Bein, ich wolle; oder nicht, es muß gereimet seyn. Was ist das vor ein Trieb? Was soll denn endlich werden? Was rührt mich vor ein Zug? Wer hebt mich von der Erden aus meiner Niedrigkeit in die erhöhte Lufft? Was ist es vor ein Thon der mich so kräfftig rufft? Die Sayten beben schon und heben an zu klingen, Die Lippen öffnen sich und fangen an zu singen, Wiewohl ich weiß noch nicht ob wo ein Feld-Geschrey, ob ein berühmter Held der Zweck der Reime sey? Ob es ein freyes Lied von keuscher liebe gelte ob mein gespitzter Schertz verkehrte Sitten schelte, und laster strafen soll? Ach nein! Das ist es nicht! Mein Phöbus fordert nur ein kurtzes Danck Gedicht er will mich vor ein Glied in seinem Chor erkennen Drumb soll, drumb muß mein Blut mit neuen Flammen brennen, 1724 den 15 Martii

M. Jo. Chr. Gottsched. Juditha Boruss.

6. Johann Christoph Gottsched: Schreiben an ein Frauenzimmer, unter die Classe der galanten Briefe gehörig. UB Leipzig, Rep. VI. 16b, Bl. 81r v.

Gütige Blondine! Gestern bedanckte ich mich vor die kaltsinnige Miene, die Sie mir neulich in der Kirche gemacht. Das that ich nun in rechtem Ernste. Selbst in diesem verdrüßlichen Anblicke fand ich was anmuthiges: Denn ich kan versichern, daß es Ihnen mitten in solcher Sprödigkeit, schöner last, als andere, wenn sie gleich noch so verliebt thun wollen. Doch anitzo dancke ich Ihnen weit hertzlicher vor die gestrige Erklärung, in welcher ich versichert wurde, daß Sie gar keinen Zorn auf mich gefasset hätten. Indessen kan ich die SonntagsGeberden mit denen Montags-Worten gar nicht zusammen reimen. Es kommt mir vor, als wenn entweder jene aus einer kleinen Verstellung, oder diese aus einer mercklichen Heucheley entstanden wären. Ist jenes? so habe ich einen unwiedersprechlichen Beweiß, daß sich ein Frauenzimmer bißweilen anders stellt, als es ihr umbs Hertz ist, welches ich zwar längst gemuthmaßet; aber niemahls aus ihrem eigenen Geständnis herauslocken können. Ist aber dieses getroffen? Daß sie nehmlich gestern anders geredet, als sie es gemeynet; So muß ich dero gantze Aufrichtigkeit in Zweifel ziehen; welches Sie mir doch öffters sehr scharff verboten. Ich habe auch noch niemahls eine Probe von dero Verstellungen bemercket. Darumb will ich auch diesmahl lieber glauben, daß Ihnen beydes, verdrüßliche Minen, und gütige Worte von Hertzen gegangen, als deroselben eine lügend strittig machen, die mir in diesem Falle so angenehm ist. Scheinet gleich was wiedersprechendes mit unter zu lauffen; so geht es, meines Erachtens, doch noch wohl an, beydes zu vereinigen, und dero gantze Aufführung vor ungekünstelt zu halten. Es kan leicht seyn, daß Ihnen mein neuliches Schreiben allzu vermessen, und folglich auch strafbar vorgekommen, weswegen ich denn einen ernstlich gemeyneten Zorn an Ihnen wahrgenommen. Am Montage aber werden Sie vielleicht den rechten Verstand, eines an sich selbst gantz unschuldigen Briefes, glücklich errathen haben: Daher es denn gekommen, daß Sie so gütig gegen mich gewesen. Wem ist nun dieses erstere Mißverständnis zuzuschreiben? Fürwahr dero durchdringendem Verstände im geringsten nicht. Darumb muß ohne Zweifel die dunckele Schreibart meiner ungeübten Feder Schuld haben. Das ist auch die Ursache, weswegen ich mich auch hinführo

335 ernstlich bemühen werde, mit vollkommener Deutlichkeit zu sagen und zu schreiben, daß ich mit aller Ergebenheit sey Der versöhnlichen Blondine ständiger Diener N.N. 1724 den 10 May. M. J. C. Gottsched

7. Johann Christoph Gottsched: Nachahmung der andern Satire des H. Boileau.

UB Leipzig, Rep. VI. 16b, Bl. 84 r -86 r . Die kursivierten Textstellen sind im Original unterstrichen worden. O Neukirch! großer Geist, du Dichter dessen Brust im Dichten niemahls was von meiner Pein gewust O Neukirch! dar Du nie die große Qwaal empfunden Dabey mir offtermahls Gedult und Lust verschwunden O Neukirch! Phöbus Freund! der Musen ächtes Kind, der Du allein verstehst was gute Verße sind, ich bitte, schaue doch wie sich mein Dichten säumet, und sage mir einmahl, wie macht mans wenn man reimet? Du sprichst: ich dencke dran, so fällt mir alles ein: gantz recht, die Poesie scheint Dir ein Spiel zu seyn, Die Zeilen scheinen Dir wie Ströme zuzufließen, man sieht Dich keinen Vers gezwungener Weise schließen, kein ausgedehntes Wort verstellet Dein Gedicht an Fehlern fehlt es offt an Reimen aber nicht. Weit anders geht es mir, den ein ergrimmt Geschicke zu dieser Schwachheit treibt daß ich an Liedern flicke Mir, dem der stille Zug der uns zu lencken pflegt zur Strafe diesen Trieb zur Dichtkunst auferlegt Ich weiß wie sehr ich offt bey dieser Arbeit schwitze wenn ich bey manchem Vers wohl halbe Stunden sitze, Ich weiß wie offt ich matt und überdrüssig bin wenn ich den Jammer seh, den mein bemüther Sinn in seinem Dichten fühlt, die Marter die mich kräncket eh mein verirrter Geist ein Wort zum Reime erdencket. Offt denck ich an ein Schaaf; allein der Vers spricht Ochs. begehr ich Pietist? so reimt sich Orthodox. Wenn ich bey Menschen bin, beschreibt die Feder Affen, ich reime vor Le Clerc35 wohl gar den Doctor Pfaffen,36 vor Cato past sich offt Horribricribrifax37, Ich dencke Lohenstein und schreibe doch Hans Sachs, Man fragt mich: wer ein Held im Teutschen sey gewesen?

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Johann Clericus (Le Clerc), 1657-1736, reformierter Theologe, betonte die Notwendigkeit der Anwendung der Vernunft bei der Auslegung der Bibel. Christoph Matthäus Pfaff (1686-1760), z. Zt. der Abfassung des Gedichtes Professor Prof der Theologie in Tübingen, Vertreter der Übergangstheologie. Gemeint ist wohl: Andreas Gryphius: Horribilicribrifax Teutsch (Erstausgabe 1663).

337 von Ziegler,38 rufft der Mund, Talander39 wird gelesen. Fällt mir die Sara bey, so reimt sich Hiobs Frau40, Anstatt des Donau-Stroms, verlanget der Vers die Sau, Ich lobe meinen Wolff,41 der Vers erhebt den Langen,42 zuletzt weis ich vor Zorn nichts weiters anzufangen ich sinne hin und her, allein es geht nicht an, die Reime stören mich daß ich nicht dichten kan. was ich bejahen will das wird der Vers verneinen und wenn ich lachen soll so reimt sich nur das Weinen. Drumb hat es auch mein Mund schon offtermahls versucht und meine Poesie verwünschet und verflucht, ich habe mich bemiith die Geister zu verbannen die mich durch ihre Macht ins Joch der Musen spannen. Ich schwere tausendmahl daß ich nicht dichten will jedoch der Mund ist kaum von solchen Eyden still kaum wird mein Geist gewahr daß ihn der Trieb verlassen so fangen unvermerckt die Sylben an zu passen, Mein Feuer zündet sich auch wieder Willen an so daß ich Blatt und Kiel nicht länger missen kan mein abgefaster Schwur komt gäntzlich ins vergessen und ich fang eilends an die Sylben abzumessen. Doch weistu, was mir sonst am hefftigsten verdrüst? daß mein verwehnter Kiel so eigensinnisch ist, daß er kein leeres Wort in seinen Verßen leidet, und den geringsten Zwang mit strengem Ernste meidet. Der kleinste Fehler macht die blöden Wangen roth, Geschähe dieses nicht, was hätt es dann vor Noth? Ich wolte wohl so gut als andre Pfuscher flicken, und manches Lumpenzeug in harte Verße rücken, die Wörter rum und raus, die Sylben rab und rein, die solten offt der Trost vor meinen Kummer seyn. Gebräche mir einmahl ein guter Reim auf Auge so schrieb ich unfehlbar die Seiffen-Sieder Lauge vor stellen schrieb ich stelle, und Brete vor ein Bret vor Narren hieß es Narre, und vor trete nehm ich tret'\ verlangt ich einen Reim auf gute Nachricht geben, so schrieb' ich ungescheut den Schimpf selbst mehr erheben: In die Erfüllung gehe, das wäre mir so lieb, als diese Redensart, ein ungewaschener Trieb ja fehlte mir einmahl ein Reim zum Wörtchen Tage ich tauffte wohl aus Noth den Hoff-Rath W43 - Mesage Dies alles und noch mehr hat mancher schon gethan gefiele nun auch mir die breite Dichter-Bahn

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Heinrich Anselm von Ziegler und Kliphausen (1663-1697), Dichter, vgl. Killy 12, 490f. August Bohse (Pseudonym: Talander, 1661-1742, Vertreter der von Gottsched abgelehnten galanten Poesie, vgl. Killy 2, 91f.). Vgl. Hiob 2, 9: Hiobs Frau gibt ihrem kranken Mann den Rat, Gott zu verfluchen. Gemeint ist der Philosoph Christian Wolff. Joachim Lange (1670-1744), Prof. der Theologie in Halle, Hauptgegner Christian Wolffs. Konnte nicht ermittelt werden.

338 und könte sich mein Geist bey abgeschmackten Sachen, nach anderer Stümper Art ein gut Gewissen machen? so wäre mir fürwahr ein kahler Vers so leicht, als ein geschickter Reim mir itzo mühsam deucht. Es solte sich kein Blitz so unverhofft entzünden, als ich auf jedes Wort zehn Reime wolte finden. Allein itzt qwält mich offt das allerschlechtste Wort, was nur ein wenig hinckt, das werf ich wieder fort, ich pflege wohl meinen Vers zehnmal durchzulesen, und fleißig nachzusehen ob alles recht gewesen? Das allerschönste Wort erwecket mir Verdruß, dafern es nur ein Loch im Verße füllen muß: ja wenn ich öffters schon zehn Zeilen aufgeschrieben, ist doch davon zuletzt kaum eine stehn geblieben. Verdammt sey jener Thor, der das was er gedacht, zum allererstenmahl in Reimen vorgebracht, Der, wenn er durch den Vers das arme Wort gezerret, zugleich Vernunfft und Witz in einen Stock gesperret. Verdammt sey jeder Tag der mich dahin gelenckt, daß ich der Sylben Zahl so künstlich eingeschrenckt. Ach hätte man mich nicht im Reimen unterwiesen! Ach hätte mir kein Mensch die Dicht-Kunst angepriesen! so könte ja mein Hertz, befreyt von aller Pein, sein lebenlang vergnügt, im Tode ruhig seyn. ich dürffte nur vor mich die gantze Welt belachen, und wie die Mahler-Zunfft den Reim zu Schellen machen, womit die Narren sonst an ihren Kappen gehn, ich hätte nicht so bald als itzo aufzustehn, und hätte meine Zeit mit tausend bessern Dingen, als dieser Marter-Kunst vergnüglich hinzubringen. Ich bin im übrigen von vielem Kummer frey, Fürwahr ich weiß noch nicht, was freche Wollust sey? ich weiß den kleinen Stoltz der in mir wohnt zu dämpfen, und werde nimmermehr umb hohe Titel kämpfen, ich bete nicht das Glück an Fürstenhöfen an, und da mich auch der Geiz nicht überwinden kan, so würd ich gantz gewiß ein Glücks-Kind seyn und bleiben, wenn Phöbus mich nur nicht zum Dichten wolte treiben. Allein sobald die Sucht die mir das Marek verzehrt, durch böser Dünste Gifft die Phantasie verkehrt, nachdem ein böser Geist mir durch ein tolles Rasen, die Lust zur Zierlichkeit im Schreiben eingeblasen, zermartert meine Brust ein täglicher Verdruß, indem ich allezeit an Reimen flicken muß, und endlich fang ich an aus Ungedult im Leiden, des Orfyreus Glück im Dichten zu beneiden. Beglückt ist Schönemann, 44 der große Schönemann! der gantze Predigten in Verßen halten kan. Der treffliche Poet wird endlich Marckt und Gassen des prächtigen Berlins, mit Reimen pflastern lassen.

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Daniel Schönemann (1695-1737), Prediger und Kirchenlieddichter.

339 Die Sprache fällt ihm schon in Prosa ziemlich schwer, Er stürtzt der Lieder Zahl als volle Ströme her, und weiß ein länger Werck im Husten vorzubringen, als man in Jahr und Tag vermögend ist zu singen. Und ist das magre Zeug schon krafftloß, kalt und matt, so daß ein Witziger nur Eckel drüber hat, so wird es ihm doch nicht an dummen Lesern fehlen, die des Verlegers Fleiß umb solche Schrifften qwälen. Man ist mit ihm vergnügt wenn nur das Reim-Wort klingt, und frägt nicht viel darnach wie sich das andre zwingt; denn hört man nur das paar der letzten Sylben passen, so ist es ihm erlaubt fünf andre wegzulassen. Hingegen ist ja der ein rechtes Unglücks-Kind, der leichter Worte Zahl in schwere Regeln bindt. Stümper Ein der da reimt kann mit Vergnügen dichten, und sein beliebtes Werck mit Hertzens-Lust verrichten, Warumb? Er qwält sich nicht, was sein geschwinder Sinn am ersten ausgedacht, das setzt er freudig hin, Er kann sich in sich selbst und seine Kunst verlieben, er wundert sich wohl offt wie herrlich er geschrieben Allein ein hoher Geist ist niemahls recht vergnügt, weil Pegasus ihm nie nach Wunsch und Willen fliegt. Er dünckt sich selbst zu schwach, vor andern seinesgleichen, den vorgesetzten Grad der Höhe zu erreichen. Er tadelt und verwirfft sein köstliches Gedicht, was alle Welt ergetzt ergetzt ihn selber nicht, und wenn die Klügsten sich an seinem Geist vergnügen, beklagt er tausendmahl daß er nicht still geschwiegen. O Neukirch! Großer Geist! Du siehest was mich qwält, wenn mir Geschick und Art im Verßemachen fehlt, drumb laß mein bitten nicht in trüber Lufft verschwinden, und lehre mich die Kunst das Reimwort leicht zu finden. Wiewohl ich mercke schon, es wird vergebens seyn, ich bin nicht lebhafft genug, mir fält sobald nichts ein, darumb erbarme dich, hilff alle Triebe zäumen, und lehre mich hinfort die Kunst nicht mehr zu reimen. A. 1724 M. May

M. Jo. Chr. Gottsched Boruss.

8. Johann Christoph Gottsched: Ob ein Medicus nothwendig die Sprachen der Gelehrten verstehen müsse? Ward bey der Promotion eines guten Freundes beantwortet und anstatt eines Glückwunsches überreichet.

UB Leipzig, Rep. VI. 16", Bl. 90 r -91 v . Du zweifelst, wehrter Freund! anitzo nicht daran, daß dich die Medicin recht glücklich machen kan, du denckst durch die Krafft der herrlichsten Artzeneyen, die du verstehst und kennst die Krancken zu erfreuen: du wirst, was sonsten gilt, das trifft bey dir auch ein, der Patienten Trost, ja Gott und Engel seyn, und das mit gutem Recht, da dir im Doctor-Orden, Buch, Titul, Hut und und [sie!] Ring zum Eigenthum geworden. Wer tadelt dein Bemühn? sonst niemand als der Neid, der sein vergälltes Gifft auf alle lügend speyt, und der im Geiste schon aus allen Zeichen siehet, daß abermahl ein Zweig von deinem Glücke blühet. Er sieht wohl, da man dir den Doctorhut gereicht, daß dein belebter Fuß auf neue Staffeln steigt, daß sich dein alter Ruhm durch neue Titel mehret, und daß ein jeder dich gedoppelt höher ehret. Er sieht wohl, blickt er nur ein altes Sprichwort an, daß auch der Reichthum selbst dir schwerlich fehlen kan, indem die Krancken ja vor ihr erhaltnes Leben, offt mehr als man gehofft mit vollen Händen geben. Dies sieht er und verzehrt sein mißvergnügtes Hertz, dein Glück ist seine Qwaal, dein Wohlstand ist sein Schmertz, drumb sucht er deinen Ruhm durch Tadelsucht zu schwächen, und will, wann man dich lobt, nichts gutes von dir sprechen. Ein Arzt ist zweifelsfrey gantz tüchtig und geschickt, wenn man ihn lange Zeit in strengem Fleiß erblickt, wenn er manch Buch durchforscht und jede Schrifft gelesen, die andern schon ein Trost in gleicher Noth gewesen, wenn er Natur und Art in unseren Cörpern kennt, und jedes Aderchen mit langem Nahmen nennt, wenn er die Dinge weiß so der Gesundheit schaden, und den verletzten Leib mit Schmertzen überladen, wenn er die Kräuter kennt und ihre Krafft versteht, ja selber offt zur Lust die Blumen sammeln geht, wenn er zum Uberfluß die Mittel selbst bereitet, und so mit aller Macht des Todes Wuth bestreitet.

Dies alles hastu auch geschickter gethan. Dein Fleiß erwählte sich die allerbeste Bahn, die den, der sie betritt, auf keinen Irrweg führet, du hast den muntren Geist mit Wissenschafft gezieret, Galen ist dein Patron, Hippocrates dein Freund, du bist den alten hold und keinem neuen feind, du weist was Hoffmann 45 lehrt der Celsus46 unsrer Zeiten, du weist wie Stahl47 sich wird ein ewig Lob bereiten, du hast so manchen Tag, so manche lange Nacht, mit ungemeinem Fleiß in Büchern zugebracht, du kennest unsern Leib, der kleinsten Glieder Stelle, du kennest die große Zahl der Schmerzerfüllten Fälle, die uns beschwerlich sind. Du weist auch was die Welt, was unser Erden Kreyß, vor Sachen in sich hält, die uns durch ihre Krafft zu Stärckungs-Mitteln dienen. Du kennest fast jeden Ort wo gute Kräuter grünen, du weist mit Glut und Heerd geschicklich umzugehn, und deinen Krancken selbst vernünfftig vorzustehn, ja wüste man noch sonst was gutes zu erzehlen, so wird es dir doch nicht im kleinsten Theile fehlen. Allein was sagt der Neid, der scheele Neid dazu? sein vorgefaster Groll vergönnt ihm keime Ruh, er will, er soll, er muß, wer kan den Trieb ergründen? an Dir mein auch was auszusetzen finden. Was? schreyt er: soll der Kerl ein rechter Doctor seyn? versteht er doch kein Griechisch, er kan ja kein Latein! das ist der gantze Schimpf, den er in tausend Stunden, dir hochgelehrter Mann! zum Vorwurff ausgefunden. Wiewohl er selbst gesteht, indem er solches spricht, daß dir sonst überall nichts nöthiges gebricht. Sobald er dieses merckt fängt er sich an zu kräncken, er martert sich, an dir Gebrechen zu erdencken, allein er findet nichts, biß ihn zuletzt sein Geist auf Griechisch und Latein, zwey alte Sprachen, weist, zwey Sprachen, die kein Mensch auf Erden recht verstehet, und die man gantz umbsonst mit solchem Ruhm erhöhet, denn sagt, was nüzet mir verlegner Worte Pracht, wenn mir die Colica gantz angst und bange macht? was hilfft mir Cicero mit den beliebten Schrifften, wenn Haupt-Weh, Stein und Gicht mir tausend Schmertzen stifften? was soll mir Julius der seinen Krieg erzehlt, wenn den erhizten Leib ein hefftig Fieber qwält? was dient mir Tacitus mit seinen Klugheits-Sätzen, wenn Brand, Stich, Fall und Schlag den Glieder Bau verletzen? der Krancke wird sehr schwach, sein Zufall ist zu schwer.

Friedrich Hoffmann (1660-1742), Prof. der Medizin in Halle, einer der angesehensten Ärzte seiner Zeit, begründete die Medizin auf mechanische Prinzipien. Aulus Cornelius Celsus (ca. 25 v. Chr.-50 n. Chr.). Von seinem Werk Artes sind allein acht Bücher über die Medizin erhalten geblieben. Georg Ernst Stahl (1659-1734), Leibarzt Friedrich Wilhelms I., Vertreter des Animismus in der Medizin, entschiedener Gegner Hoffmanns, Begründer der Phlogistontheorie.

342 Ach gebt mir den Donat, reicht die Grammatic her! Fiinff Regeln gebt ihn ein, und last ihn wacker schwitzen, zehn Phrases flößet ihm, mit dünnen Haber-Grützen, anstatt der Pillen ein. Ein Vers aus dem Homer gepülfert und verschluckt ergänzt die Kräffte sehr. O schönes Recipe! Wer ist so gar verblendet daß er im Ernste sich auf solche Grillen wendet? Zudem trifft dich Mein Freund der schwache Vorwurff nicht, da ihm die Wahrheit selbst mit Nachdruck wiederspricht, man hat dich ja gehört vom Cornu Cervi lesen, du hast ja disputiert, wir sind dabey gewesen, als die gelehrte Schlifft, die du ans Licht gebracht, den Gegnern größre Müh, als dir wohl selbst gemacht. Was man von dir [?...Textschaden] verlangt, das hast du auch gewehret, die Uberschrifft war Griechisch, du hast sie gut erkläret. Was lüget denn der Neid, wenn ihm die Wahrheit fehlt? warumb verräth er sich daß ihn dein Wohlstand qwält? warumb läst er sein Maul, sein freches Maul nicht schweigen? und warumb will er uns von seiner Kunst nichts zeigen? Weit anders hält sich hie ein wahrer Tügend-Freund, der es mit andern so als mit sich selbsten meynt. Er steht und wundert sich, wie wohl es dir gelungen, da du durch Glück und Witz dich so empor geschwungen. Auch mich geehrter Freund! vergnügt dein Ehren-Stand, dein tugendhafft Gemüth ist mir nicht unbekandt, ich weiß, es werden dir hinfort viel hundert Krancke, vor die durch deine Kunst erlangte Kräffte, dancken. Der Himmel gebe Glück, und mache dich beliebt! dein Schicksal, welches uns schon gute Hoffnung giebt, wird dich inskünfftige mit soviel Heyl begleiten, als schwache Medici auf Jacsons [?] Formeln reiten, als Waldschmidts48 Praxis sonst mit herzlichem Verdruß, wie ein Postillen-Buch die Stümper trösten muß; als schwere Mängel noch die Theorien drücken, als Curen jährlich sind die nicht nach Wunsche glücken; als in der Medicin auf Erden Pfuscher sind; und wenn nur dieser Wunsch nicht sonder Krafft verschwindt, so wirstu wehrter Freund! so manches Glück erlangen, als Narren überall mit Doctor-Hüten prangen. A. 1724 M. Jul.

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M. Joh. Chr. Gottsched aus Preussen.

Johann Jakob Waldschmidt (1644-1687), Arzt, verfaßte u.a.: Praxis medicinae rationalis succincte per casus tradita. Frankfurt/M. 1690.

9. Rede über den Stutzer (gehalten in der Deutschen Gesellschaft, anonym)

UB Leipzig, Rep. VI, 16b, 8. Band, Bl. l l r - 1 4 v

Niemand wird in Abrede seyn, daß ein jeder, der sein Glück bey Hoffe machen, oder überhaupt den Nahmen eines wohlgesitteten Welt-Mannes sich erwerben will, dem allgemeinen Eigensinn der Leute nachgeben, und sich in Gebährden, Reden, Kleidungen und Thaten nach der Mode richten müsse. Daß diejenigen so solches unterlaßen ihrem eigenen Vortheil zuwiederhandeln, bezeuget die aus solcher Aufführung entstehende allgemeine Verachtung; daß sich aber auch Leute finden, die hierinnen zuweitgehen, und deßhalben verlachet werden, lehret die tägliche Erfahrung. Neue Moden mitzumachen, angenehme und ungezwungene Gebährden zuhaben und sich der Wohlanständigkeit überall zubefleissigen, ist löblich und rühmenswürdig. Allein sein Dichten und Trachten auf nichts anders als den äußerlichen Putz richten; sich beständig um neue Moden bekümmern, die man nachäffen könne, und sich in allen Minen, Reden und Thaten einer so unnöthigen als unanständigen Freyheit gebrauchen, sind Dinge welche uns unter die Zahl Weibischer Leute setzen und bey verständigen zum Gelächter machen. Denn so sehr bey Hoffe und in Gesellschafft überhaupt auf vernünftige Nachahmung der eingeführten Moden, wie auch auf Freymüthigkeit und Wohlanständigkeit in Sitten gesehen wird, so verhaßt ist dennoch daselbst ein allzugezwungenes Wesen, eine unbescheidene Dreistigkeit und daher fließende abgeschmackte Aufführung. Ist derjenige nicht Auslachens würdig, der in seiner Kleidung den Verstand nicht zu Rathe ziehet, sondern blindlings seiner Lüsternheit nach neuen Moden folget? Hat vielleicht ein Französischer Schneider an eines andern Kleide etwas versehen, so machet er sogleich daraus den untrüglichen Schluß, es müsse solches eine neue Mode seyn, und stellet sich daher dieses als ein Muster seiner künfftigen Kleidung für. Trägt ein fremder eine Peruque, die etwa groß und von starcken Locken ist, so bemühet er sich eine von gleicher Arth zubekommen, und bedencket nicht, daß weil er hager von Gesichte, ihm eine so dicke Peruque eben so wenig stehe, als einem völligen Gesichte ein gantz dünnes Abbe-Perückgen und Preusischer Huth. Hat ein vornehmer Herr in Franckreich etwa aus eigenen Versehen oder aus Unachtsamkeit seines Bedienten zu einem mit Golde verbremden Kleide, einen mit Silber eingefaßten Huth getragen, so hält er sol-

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ches vor eine Regel, die allezeit in acht zunehmen sey. Wenn er an einen andern der lang vom Leibe und dabey breit und starck von Schultern gewesen, einen großen Haarbeutel gesehen, so schaffet er sich einen solchen also bald an, ohne zuerwägen, daß dergleichen Haarbeutel seine schmahle Schultern gantz und gar bedecket. Seinem Diener befiehlet er ausdrücklich das Kleid um die Schultern mit Puder zubestreuen, weil er nicht gern einem andern unähnlich seyn wollte, dem etwa von ungefähr dergleichen Überfluß auf die Kleider gefallen. Er ist aber nicht zufrieden, neue Moden von andern geborget zuhaben, sonder er wendet auch viele von seinen ohne dem müßigen Stunden darzu an, daß er selbst dergleichen aussinnen, sich damit zuerst zeigen, und, wie er glaubt, von iederman bewundern lassen könne. Bald sind ihm die schwartzen und gemeinen Schuh-Laschen nicht gut genug, daher er sich lieber rothe und zierlich ausgeschnittene verfertigen läßet. Bald trägt Er an Schuhen gantz andere Schnallen, als die welche gewöhnlich sind. Bald hat Er daran solche niedrige Absätze, daß man glauben sollte, er wolle sich mit iemand in einen Wettlauff einlaßen. Bald läßet er sich die Falten seines Kleides so starck machen, daß sie fast wie die Reiff-Röcke strotzen müssen. Bald kommen ihm die Knöpfe am Kleide zu klein vor; daher er ein anders zuverfertigen befiehlet, darauf größere gesetzet werden müßen. Bald sinnet er sich ein neues Muster der Kleider zu verbremen aus. Bald erdencket er eine neue Arth von Degen Bändern, bald läßet er sein Weißes-Zeug nach seinen seltzamen Einfällen zurecht machen. Hat er Muscheln aufzulegen nöthig, so sind die gewöhnlichen runden vor ihn zuschlecht; ein Sternchen, ein halber Mond und ander dergleichen Figuren schmücken das schön seyn sollende Gesicht beßer. Wenn er etwa an einem Frauen Zimmer eine Mine gesehen, die ihm gefällt, so übt er sich wohl zu gantzen Tagen vor dem Spiegel, biß er dieselbe meinet vollkommen getroffen zuhaben. Sein Gang ist so gezwungen als lächerlich, denn wenn er gesehen, daß ein andrer artig leicht und natürlich gegangen, so sucht er sich wieder seine Leibes-Beschaffenheit hierzu zuzwingen. Im währenden Gehen bückt er sich, um die Augen an den gestickten Strümpfen und rothen Absätzen zu weiden. Nachmahls richtet er den Kopf einmahl wieder in die Höhe, und zehlet die Leute, so ihn etwa aus den Fenstern bewundern. Zuweilen siehet er auf eine verstohlne Weise unter dem Arm hinweg, ob ihn sein Degen vollkommen ziere. Die Hände hat er beständig in den Bein-Kleidern verborgen, nicht anders, als wenn er auch bey warmen Wetter besorgete, daß solche erfrieren möchten. Wenn es regnet, setzet er nicht wie andere den Huth auf, sondern er hält denselben nur über seine Peruque, damit nur diese nicht aus ihrer Ordnung gebracht werde. Bey gutem Wetter aber gehet er gern auf derjenigen Seite der Gaße, wo die Sonne ihre Strahlen am meisten hinwirfft, nur seinen wohleingerichteten Gang und zierliche Tragung des Leibes in dem Schatten zusehen, und sich daran zu ergötzen. Kömmt er in ein Wirthshauß, so wirfft er Stock und Huth gantz leichtsinnig von sich, fänget an zu singen oder zu pfeiffen, siehet die Anwe-

345 senden mit gantz spröden Gebährten an, wirfft sich wohl gar in einen ArmSeßel, leget etwa zu mehrerer Bequemlichkeit ein Bein über dessen Lähne, siehet nach der Uhr, und läßet sie schlagen, nimmt den Zahnstocher, ob er gleich noch nüchtern ist, und die gesundesten Zähne hat, heraus und stochert mit denselben in den Zähnen, um den Glantz seiner Ringe und zierliche Bewegung seiner Finger desto beßer zeigen zu können; öffnet ein halbdutzend Tabacks-Dosen, schnupfet beständig aus denselben, und fordert gantz trotzig, daß man ihm solle das Eßen auftragen. Soll er nach geendigter Mahlzeit bezahlen, so prahlet er mit seinen bey sich habenden Gold-Beutel. Hat er aber am Gelde Mangel, so begegnet er dem Wirth darum nicht im geringsten freundlicher und daferne sich derselbe nicht so gleich fertig finden läßet, ihm zu borgen, stoßet er noch darzu eine Menge entweder französischer oder doch gantz neuer deutscher Flüche aus, daß allen Anwesenden die Ohren gällen möchten. Redet er mit iemand, so suchet er darinnen etwas besonderes, wenn er die Zähne kaum voneinander thut und den Kopff sonderlich bey Freundschaffts Versicherungen nicht genug zuschlängeln weiß. In der Außprache nimmt er einen solchen Thon an, der ihm an andern gefallen, ob er ihn gleich unanständig ist. La maniré de Paris, ist die Richtschnur aller seiner Handlungen, und in seinen Reden das dritte Wort; Obgleich seine Artigkeiten mehr nach der Fauxbourg de St. Germain schmecken. Die Großprahlerey und das Fluchen sind ihm gantz eigene Tilgenden, wie er denn überhauptkein Bedenken trägt, weder die niederträchtigsten noch die abgeschmacktesten Thaten zubegehen, wenn er nur hierdurch seinen Zweck erreichet, überall, wo er hinkömmt, lermen zu machen. Hat er eine Reise vor, so machet er sich eine besondere Ehre daraus, in kurtzer Zeit an demjenigen Ort zuseyn, wohin er zu kommen gedenket. Er nimmt deßhalben extra-Post, läßet brav blasen und klatschen, und befiehlet dem Post-Knechte so tapfer zuzujagen, daß der Wagen zutrimmern gehen, und die Pferde vor demselben umfallen möchten. Die Ursache deßen ist, an einen Ort zu kommen, wo ihn niemand verlanget, und wo an seinen Abwesen so viel gelegen, als an seiner Gegenwart. Besuchet er die Comoedie, so ist seine Gewohnheit sich auf dem Schauplatz vor aller Welt Augen hinzustellen, und nicht zu überlegen, daß er den Comoedianten den Platz und den Zuschauern das Gesichte vertrete. Hierbey will ich allen Moden verständigen zu überlegen geben, wieweit das Bezeigen derjenigen zu billigen sey, welche eine Menge Sinesischer Äpfel auf dem Schauplatz verzehren, und die nichtswürdigen Schalen mit einer gantz verächtlichen Mine auf die Plätze des Frauenzimmers werffen. Hat ihn etwas in dem Schauspiehle nicht angestanden, so trägt Er kein Bedencken, solches öffentlich auszupfeiffen. Sind aber diesesmahl die Spiehler so glücklich gewesen, ihm zugefallen, so klopfet er die Hände zusammen, und siehet die Anwesenden an, von denen er verlanget, daß sie ihren Geschmack nach dem seinigen richten, und dergleichen thun sollen. Dem Schauspiehle siehet er nicht mit bloßen Augen zu, denn ob ergleich mit denenselben gar wohl in

346 die Ferne sehen kan, so bedienet er sich dennoch eines Fernglaßes, weil ihm solches anständiger und artiger zu seyn vorkömmt. Er gedencket es durch seine seltzsame Aufführung dahin zubringen, daß die gantze Stadt von ihm reden und ihn bewundern soll, und er bringet es auch mit seiner Thorheit dahin; Jedoch mit dem Unterscheid, daß, an statt gelobet zu werden, er durchgängig getadelt und erbärmlich verlachet wird. In dem Umgange mit dem schönen Geschlechte soll bey ihm aus allen Reden und Unternehmungen eine besondere Freymüthigkeit hervorleuchten, die doch wenn man ihr den wahren Nahmen geben will, vielmehr ein tunckühnes [?] Wesen zunennen. Er giebt sich vor einen Eroberer vieler Hertzen aus, rühmet sich eines seltsamen Glücks in Liebes-Abentheuren, und bey derjenigen Schönen will er offters seinen Appetit völlig gestillet haben, bey der er nicht einmahl zum Tellerlecken gelaßen worden. Wo er einen Liebes Antrag thut, will er das Ansehen haben, als ob er seiner Geliebten zum wenigsten ein dutzend andre Hertzen opfere und auch der größten Damen angenehme Blicke mit einem schlimmen Maule zu belohnen gewohnt sey. Kömmt er auf die Religion, von der er doch wenig oder nichts versteht, mit iemand zu reden, so glaubt er einen besonderen Verstand und Freymüthigkeit gewiesen zu haben, wenn er genug sinnreiche und freche Ausdrückungen zu Marckte bringen können, welche dieselbe verächtlich und lächerlich machen sollen. Ich würde mir eine nicht geringe Arbeit aufbürden, wenn ich alle Eigenschafften und Ausschweifungen eines solchen Menschen anietzo nahmhafft machen und ausführen sollte. In dem der bloße Nähme eines Petit Maitre so viel in sich begreiffet, daß man davon ein gantzes Buch schreiben und doch wohl noch besorgen könnte, unterschiedenes vergeßen zu haben. Dahero ich, wenn ich ihn mit der Caffé-TaBe am Fenster, oder am Basset-Tische,49 wenn ich ihn mit dem Weinglaß in der Hand, wenn ich ihn nach der Mittags-Mahlzeit halb taumelnd, des Abends gantz besoffen und des Morgens tumm, wenn ich ihn unter den Händen seines sogenannten Cammerdieners und bey tausend anderen Gelegenheiten vorstellen soll, mit wenigen so viel sage, daß ein solcher einige gantz ungeziemende Dinge, vieles im Uberfluß, mit unanständigen Zwang und ohne Überlegung thue, was ein wahrhafftig und wohlgesitteter in gehöriger Maß, natürlich und mit Bedacht unternimmet.

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Bassette - französisches Hasardspiel, im 17. Jh. eingeführt.

10. Beschreibung der früher in der Leipziger Stadtbibliothek befindlichen Gedichtbände der Görlitzer Poetischen Gesellschaft (heute UB Leipzig) Rep. VI. 16b 1. Band: 350 Bit. mit Verzeichnis der Autoren, Vorrede unter dem Datum 25. 2.1702. 2. Band: 459 Bll., mit Verzeichnis der Autoren, Vorrede unter dem Datum 10. 2.1706. 3. Band: 464 Bll., weder Vorrede noch Autorenverzeichnis, letzte Gedichte aus dem Jahre 1713. 4. Band: 367 Bll., mit Verzeichnis der Autoren, Vorrede vom 13.1.1720 5. Band: 307 Bll. mit Verzeichnis der Autoren, Gedichte aus dem Zeitraum 1720/21. 6. Band: 323 Bll. mit Verzeichnis der Autoren, Gedichte aus dem Zeitraum 1721/22. 7. Band: 97 Bll., Gedichte aus dem Zeitraum 1723 bis Juli 1724. Die beschriebenen Seiten enden mit Bl. 91v (Gottscheds Gedicht, Quellentexte, Nr. 8). Dahinter sind drei Blätter, die beschrieben waren (vielleicht mit einem Register), herausgetrennt worden. 8. Band: Prosaische Schriften (234 Bll.), Bll. 64-234 leer. Bl. l r - 4 r : Anrede an die Deutsche Gesellschafft gehalten, von M. Johann Friedrich May Bl. 4 r -7 v : Anmerckung von einigen Vorzügen die die deutsche Poesie vor der Lateinischen hat. Bl. 8 r -10 r : Anrede an die deutsche Gesellschafft gehalten von M. Johann Friedrich May Bl. 1 0 r - l l v : Glück-Wunsch An einen guten Freund, welcher von der Reise wiederum zurücke kommen. 28.1.1728 Bl. ll v -14 v : Text ohne Titel (s. Quellentexte, Nr. 9) Bl. 15 r -16 v : Isocratis Vermahnung an Demonicum aus dem Griechischen übersetzet von Carl Ludwig Frh. von Seckendorff Bl. 16 v -20 r : Gedancken und Muthmaßungen vom Ursprung und Wachsthume der Poesie. Von J. Chr. Gottsched. Vgl. Versuch einer Critischen Dichtkunst vor die Deutschen. 1. Teil, 1. Kapitel. Bl. 20 v -28 v : Johann Heinrich Winklers Rede von der Schönheit. Vgl. Eigene Schriften I, S. 32ff. (veränderte Fassung).

348 Bl. 28 v -32 v : Text ohne Titel Inc.: Man beschuldiget mich mit Unrecht, daß ich allzuviel Gefälligkeit vor Madame Mazarin habe ... Bl. 33 r -43 r : Rede von der höchstnöthigen Verbindung der Beredesamkeit mit der Gottes Gelahrheit von Ernesti. Vgl. Der Deutschen Gesellschaft eigene Schriften, 2. Teil, S. 180-192. BL 43 v -49 v : Kurtze Abhandlung von dem Gebrauch zweyer Wörter, darüber man im schreiben streitig ist. Bl. 49 v -54 v : Antwort auf Herrn Johann Fr. Christoph Ernesti im Nahmen der Gesellschaft abgefaßt von Johann Simon Buckta Bl. 55 r -58 r : Luciano Gespräch der Todten und zwar des Charon und Mercurius übersetzt von D. Gottfried Thomas Ludewig Bl. 58 v -63 v : Herrn D. Samuel Werenfelses Gedancken von einem Weltweisen, übersetzet von Heinrich Alexander von Eickstädt

11. Brief von Johann Friedrich May an Johann Christoph 17. 2.1732 (Auszug)

Gottsched,

UB Leipzig, Ms 0342, II. Band, Bl. 149 r -150

Hochwohl Edler Insonders werthgeschäzter Herzens Freund Weil ich sehe, daß es Ihnen in Dreßden allzuwohl gefällt, so muß ich noch einmal an Sie schreiben. Was Sie mir überschickt haben, das ist in der Gesellschafft vorgelesen worden; nicht aber an der Mittwoche [!], wie Sie verlangt haben, weil es mir erst Mittwochs Abends um 7. Uhr eingeliefert worden, sondern Donnerstags Nachmittags um 4. Uhr, nachdem ich die Gesellschafft außerordentlich zusammen beruffen hatte. Die meisten, welche noch nichts davon wußten, wunderten sich, und es hätte Ihnen auch noch länger sollen verschwiegen bleiben, wenn man nicht schon in Leipzig zuviel davon geredet, und es viel Mitglieder ehernach von fremden Personen hätten erfahren müßen. Wir wollten die überschickten Abschrifften von Stück zu Stück durchgehen: Allein es war nicht möglich, daß man bey so viel Köpfen auf einen gewißen Schluß kommen konnte. Dahero wurden Ihrer vier erwehlet, welche diese Abschrifften durchgehen und sie untersuchen, was noch darzuzusetzen wäre darzuzusetzen und so einrichten sollten, daß ich es hernach abfaßen und der Gesellschafft zu ihrem Beyfall vorleßen könnte. Diese Vier sind: H. M. Seidel, H. M. Lotter, H. M. Schellhafer und zu welchen wir aber noch H. M. Wincklern genommen haben. Wir sind nun auch nunmehro bis auf die letzte Capitel von Anforderungen gekommen. Da haben wir nicht einig werden können, ob wir etwas gewißes fordern sollten, oder nicht, weil wir leicht verstoßen möchten. Endlich ist beschloßen worden, den H. Hoffrath Benemann deswegen zu Rathe zuziehen, nachdem er sich bereits vor die Gesellschafft so gütig erklärt hat. Ich habe dahero im Nahmen der Gesellschafft einen Brief verfertiget, welchen ich hiermit überschicke und Ihn zu bestellen bitte. Wollen Sie ihn lesen, so dürfen Sie nur einen neuen Umschlag darum machen. Nechst diesen hätte ich gerne noch mehr Historische Umstände wißen mögen, was der H. LehnsSecretar O Feral(?) zu Ihnen gesagt, und wie lange Sie die Frist genommen. Wo es möglich ist, so Schreiben Sie doch, oder vergeßen Sie denn Leipzig gantz? Ihre Herren Studenten haben groß Verlangen nach Sie. Bestellen Sie nur den Brief, und verschaffen Sie bald antwort, damit wir mit unsern Aufsatz zu stände kommen können [...].

12. Briefe von Johann Christian Benemann an Johann Gottsched

Christoph

Benemann an Gottsched, 22. 2.1732 UB Leipzig, Ms 0342, II. Band, Bl. 151 r -152

Hoch Edler Herr, Hochgeehrtester Herr Professor, Ich bin für einigen Tagen mit einem Schreiben von denen Mitgliedern der Deutschen Gesellschafft ihres Orts beehrt worden, und irren sich zwar selbige darunter nicht, daß ihre Absichten und Bemühungen bey meiner geringen Person viel Beyfall finden, und schon längst die Begierde in mir erwekket, daß ich dieser auf einige Art zuunterstützen und zu fördern im Stande seyn möchte. Aber wie mein Vermögen überhaupt schlecht ist, also sehe ich auch fast nicht, wie bey diesmahligen Anliegen was gewünschtes beytragen könte. Und muß ein Gegentheil nach Erwegung aller Umbstände aufrichtig eröffnen, daß ich vor beste hielte, wenn man iezo die Geld-Anforderung gar weg ließe, und sich zum Anfange damit vergnügte wenn Ihro Königl. Majestaet die Gesellschafft Dero Schutzes und Gewährung ihres übrigen Suchens zu würdigen geruhen wolten. Ich begreiffe leicht von selbst, daß das Geld wie überall in der Welt also auch bey der löblichen Deutschen Gesellschafft zu Leipzig nervus rerum gerendarum sey; Und wie sehr wünschte ich meines Orts, daß Ihro Königl. Majestaet die Ehre, und den Nutzen, welche von der vorseyenden Einrichtung erwehnter Gesellschafft Dero höchsten Person und Landen zuwachßen wird, recht lebendig vorgestellet, und Sie dadurch zu einem hinlänglichen Vorschub von selbst bewogen werden möchten. Aber die Menge und Wichtigkeit so vieler andrer Sachen pflegen, wie zu jeder, also besonders zu der iezigen Zeit, da alles zu der Pohlnischen Reise veranstaltet wird, große Verhindernüße zuverursachen. Und man wird mir zutrauen, daß ich zu dem, was ich hierunter schreibe, und unvorschreiblich anrathe, gegründete Ursachen habe. Wenn Ihro Königl. Majestaet das Werck erst Dero höchsten Beyfall und Schutzes gewürdiget, so werden Sie es auch sodann nicht wieder zerfallen laßen.

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Ein mehreres will und kan ich iezo nicht anfügen. Ew. HochEdl. aber wollen die Gutheit haben in ihrer werthen Gesellschafft für das Vertrauen, das selbige zu mir gefaßet, meines Danckes und Ergebenheit versichern, und übrigens glauben, daß ich mit vieler Hochachtung und Dienstbegierde beharre Ew. HochEdl. wahrer Freund und Diener Benemann Dreßden den am 22ten Febr. 1732

Benemann an Gottsched, 12. 4.1732 UB Leipzig, Ms 0342, II. Band, B1162 r -163 v .

HochEdler und Hochgelahrter Hochgeehrter Herr Professor Ich bin sonst nicht gewohnt, meinen guten Freunden die Antwortt auf ihre Zuschrifften so lange schuldig zu bleiben, als ich es Ihnen thun müßen. Soll ich aber die Ursach davon zeigen, so weiß ich doch fast selbst nicht, wie ich mich darunter raus laßen, und entschuldigen soll. Von meiner Begirde, ihrer Gesellschafft ersprießlich zu dienen, werden Sie hoffentlich schon gnüglich uberzeugt seyn. Ich richtete in solcher Absicht alles dahin ein, daß ich den Inhalt der mir zugeschickten recht gründlichen und wohlausgearbeiteten Vorstellung bey der Landes Regierung selbst vortragen, und dadurch einen gewünschten Entschluß desto eher erwürcken helffen wollte. Es mußte sich aber so unglücklich fügen, daß mir durch unvermuthet dazwischen gekommene und höchst eylfertige Herrschaftliche Verrichtungen die Gelegenheit angeregten Vorsatz ins Werck zusetzen, zu meinem empfindlichsten Verdruß entzogen ward. Und da der Gesellschafft bey der über die Sache gepflogenen Berathschlagung auf solche Art ein guter Freund und Gönner abgegangen, die übrigen MitGlieder, so gedachter Landes-Regierung aber nicht gleiche Neigung für das Werck, oder vielleicht nicht gleichen Unterricht darvon gehabt, so ist der Schluß auch nirgend anders als dahin ausgefallen, daß, weil von Ihro Königlichen Majestaet auch von dem Ober-Consistorio Bericht erfordert worden, man zuförderst Erkundigung einziehen solle, wie das Vorhaben etwa daselbst angesehen werden möchte. In solchen Umbständen befindet sich, so viel ich weiß, die Sache noch diese Stunde. Und würde daher nicht übel gethan seyn, wenn bey dem H. Ober Consistorial Praesidenten von Loos50 schrifftliche, oder mündliche An50

Christian von Loos, Präsident des Dresdner Oberkonsistoriums.

352 regung gethan würde. Hätte die Gesellschafft das Glück, gewierige Berichte zuerlangen, was würde leichter seyn, als bey Ihro Königlichen Majestaet diejenigen 200. Thaler zuüberkommen, welche bis daher der nunmehro verstorbene Herr HoffRath Mencke genoßen, da selbige doch einmahl zu Beförderung der Gelehrsamkeit, und Ehre unseres Vaterlandes gewidmet worden. Meines Orts bin zwar Ew. HochEdl. für das bezeigte Vertrauen so sie in meine Person zusetzen beliebet, sowohl auch insonderheit für das gesendete angenehme Buch aufs höchlichste verbunden. Ich bin aber auch zugleich beschämt, über den Ruhm, den Sie mir beylegen wollen. Und da ohne dies iezo nicht Zeit ist, auf die Neben-Umbstände zu dencken, so lange das Haupt Werck noch nicht klar ist, so kan ich mich auf den gethanen Antrag dermahlen umb so viel weniger zurverläßig entschließen. Vielleicht habe ich nächstinstehender Muße das Glück mich darüber, und sonst in mehreren zuerklären. Indeßen aber mögen Sie kühnlich glauben, daß ich wahrhafftig sey, wie ich die Ehre habe, mich zunennen Ew. Hoch. Edi. dienstergebenster Diener Benemann Dreßden am 12 Aprilis 1732.

13. Briefe von Bernhard Walther Marperger an Gottsched

Marperger an Gottsched, 17. 7.1734 UB Leipzig, Ms 0342, III. Band, Bl. 90

HochEdler Vest und Hochgelahrter Herr, Insonders hochgeehrter Herr Professor Sehr werthgeschäzter Freund und Gönner. Ew. HochEdlen angenehme Zuschrifft, und die sonderbare Ehre, welche Dieselbe nebst der Löbl. Deutschen Gesellschaft, mir in Zueignung und Übersendung des andern Bandes ihrer nüzlichen Anmerkungen über unsere Mutter-Sprache,51 erwiesen haben, erkenne mit ergebensten Gemiithe, und verbindlichstem Dank. Ich würde ehender solches bezeuget haben, wenn nicht die Umstände der gegenwärtigen Zeit, durch viele Arbeit, und andere Verhinderungen, im Wege gestanden. Inzwischen hat das Werk selber, mir vieles Vergnügen gebracht, und hoffe ich, daß es folgl. andern Liebhabern unserer Sprache, einen starken Trieb geben werde, deren Reinigkeit und Zierde zu befördern. Ew. HochEdlen haben die Gütigkeit, auch Dero werthe Gehülfen, dieser meiner Hochachtung, danknehmig(?) zu versichern. Wo Ihnen sämmtl. für die bezeugte Gewogenheit und Zuneigung, ich zu dienen tüchtig seyn solte, würde es mir für eine Freude schätzen. Nicht weniger werde, zur Aufnahme, Zierde und Befestigung, ihrer Löbl. Gesellschaft, alles mir mögliche von Herzen gerne beytragen. Die bisherigen Umstände des Hofes, haben noch nicht verstattet, für dieselbe eine Bestättigung unter hohem Königl. und Churfürstl. Nahmen zu erhalten. Ihro Königl. Majestät, pflegen gerne ihren allergnädigsten Schutz, mit einer höchsten Königlichen Milde und Unterstützung zu begleiten. Es würde auch sonsten, denen von andern Potentaten gestifteten Gesellschaften, nicht gleich sehen. Demnach ist wohl eine bequemere Gelegenheit annoch abzuwarten. Genug, daß inzwischen die Ehre unserer Deutschen Sprache, der um Sie so rühmlich bekümmerten Gesellschaft, bereits Ansehen und Ruhm, nicht nur im verborgenen, sondern auch öffentl. giebt. ich verharre, nebst nochmaliger Bezeugung vieler Dankbarkeit, mit beständiger Ergebenheit und Hochachtung, 51

Gemeint ist der zweite Band der Beyträge, der Marperger gewidmet ist.

354 Ew. HochEdlen Meines insonders hochgeehrten Herrn Professons Dreßden Dienstergebenster den 17 Julij A. 1734 D Β W Marperger

Marperger an Gottsched, 18. 8.1734 U B Leipzig, Ms 0342, III. Band, Bl. 110 r " v

HochEdler Vest und Hochgelahrter Herr, Insonders werthgeschäzter Gönner. Auf Ew. hochedlen sehr angenehme Zuschrifft, habe für dißmal vornehml., wegen gethanen Vorschlages, der Löbl. Teutschen Gesellschaft einigen Zugang zu verschaffen, meine wenige Gedanken zueröfnen. Diese giengen unmaßgebl. dahin, daß wolgedachte Gesellschaft, desfals vielleicht in ihrem Gesuch glückl. seyn würde, wenn Sie sich anheischig machte, für die gute Einrichtung der in hiesigen Landen gangbaren Calender, Sorge zu tragen, und zu dem Ende allezeit auf einige Mit-Glieder zu sehen, welche in dem Calculo Astronomico eine gnugsame Wissenschaft und Geschicklichkeit hätten. Auser diesem Anerbieten, wüßte ich nicht wie das Ansuchen, mit gegründeter Vorstellung recht nachdrückl. geschehen mögte. Doch überlasse alles, weiterem Nachdenken, und erinnere nur, daß sich auch bereits Andere, um den Calender-Zugang, mit melden und bemühen, ob wol die Zeit der Juniusischen Erben 5 2 erst A. 1736 um seyn mag. Ich verharre mit beständiger Hochachtung, Ew. Hoch.Edlen Liebe- und dienstergebenster Marperger Aus dem O. C. den 18 Augusti Α. 1734.

52

Der Leipziger Mathematikprofessor Ulrich Junius (1670-1726) war zu Beginn des 18. Jh.s zum Calendariographus Regius ernannt worden (im Zusammenhang mit der Erteilung des Kalendermonopols für Sachsen an den Leipziger Verleger Thomas Fritsch). Augenscheinlich konnten seine Erben noch zehn Jahre nach Junius' Tod finanziell von seinem früheren Amt profitieren.

Literatur- und Quellenverzeichnis 1. Quellen a) Handschriften und Archiv alien Thüringisches Hauptstaatsarchiv Weimar, Außenstelle Altenburg Seckendorf-Archiv, Nr. 1249 (Briefwechsel zwischen Friedrich Heinrich von Seckendorf und Dr. Steck) Seckendorf-Archiv, Nr. 1117 (Briefe von verschiedenen Mitgliedern der Familie Hekker in Meuselwitz an den Grafen Friedrich Heinrich von Seckendorf > 1725-1761) Seckendorf-Archiv, Nr. 1118 (Briefe von Jacob Hecker an Friedrich Heinrich von Sekkendorf) Seckendorf-Archiv, Nr. 1113 (Briefe des Feldmarschalls Friedrich Heinrich von Seckendorf zu Meuselwitz mit J. Chr. Gottsched, Professor der deutschen Sprache in Leipzig, 1740-1763) Staatsbibliothek Berlin, Preußischer Kulturbesitz Autographensammlung (Brief von Friedrich Christian Baumeister, 1.1.1778) Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften I-IV: 38 (Protokolle der deutschen Sprach und Geschichtsforschungs-Classe 17111742) I-IV: 8 (Protocolium Concilii Regiae Societatis ab Anno MDCCXXVIII) I-IV: 9 (Verwaltung und Geschäftsgang im Allgemeinen, Protocolle) Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden Nachlaß Johann von Besser, Briefe, Bd. 5 Loc. 4558 (Die teutsche Gesellschafft zu Leipzig betr. 1732) Loc. 6111 (Ersetzung derer Professoren-Stellen in der Phil. Fac. Zu Leipzig. Vol. II.) Loc. 10538/16 (Ersetzung der Professor-Stellen in der Phil. Fac. zu Leipzig 1668-1731) Loc. 10538/17 (Acta die Professions-Ersetzungen bey der Philosophischen Facultät zu Leipzig betr.) Ratsarchives Görlitz Materialsammlung von R. Jecht zur Görlitzer Geschichte Görlitzer Annalen von Chr. Schäffer, Bd. X Universitätsbibliothek Jena, Handschriftenabteilung Prov. f. 130-132 (10) Prov. q. 77-79 Prov. o. 9 u. 10

356 Universitätsarchiv Leipzig PA (Personalakte) 514, Gottsched, Joh. Chr. Rep. I, Kap. I, Nr. 67c: Acta die im Jahre 1808 zu Revision der Universität Leipzig Allerhöchstverordnete Commission betr. 1808 Rep. AA, Sect. I, Nr. 40. Acta die Untersuchung einiger wieder die Frau von Ziegler ausgestreuten Schmähschrifften betr. Phil. Fak. Β 14 Stadtgeschichtliches Museum Leipzig (Altes Rathaus) Autographensammlung (Christian August Clodius) Universitätsbibliothek Leipzig, Abteilung Ms Ms Ms Ms Ms Ms

Sondersammlungen

0241 0286 0307 (II u. III) 0342 (Gottscheds Korrespondenz) 0344 01308

Frühere Leipziger Stadtbibliothek (jetzt UBL) Autographensammlung Clodius Rep. VI, 16bb Rep. VI, 44 Rep. VI, 16b (7 Bände), nähere Angaben in Quellentexte, Nr. 10. BST 4°. 91a und b (Miscellanea Teutschlieder) Universitätsbibliothek Tartu (Dorpat) Best. 3, Mrg CCCLIVa, Ep. phil. Bd. I Christian-Weise-Bibliothek

Zittau

Ms A 70 Zentralbibliothek

Zürich

Ms Bodmer Iff (Nachlässe von Johann Jakob Bodmer und Johann Jakob Breitinger) Ratschulbibliothek

Zwickau

Familienbibel Clodius' (Signatur: 35. 4. 25) Materialien zur Tätigkeit von Christian Clodius als Rektor der Ratsschule von Zwickau (unsignierte Handschriftenbestände der Ratsschulbibliothek Zwickau).

b) Literatur des 18. Jahrhunderts Publikationen der Deutschen Gesellschaft in Leipzig (in chronologischer

Anordnung)

Müller, Franz: Bey dem in Leipzig/ Anno MDCCVIII. den 9. Febr. rühmlichst erlangten Magisterio, Herrn George Chiristian Lehms/ Ligio-Siles. wurden die Spötter der Philosophie im Nahmen des alldort florirenden Görlitzischen vertrauten Collegii Poetici verworffen von Francisco Müllern [...] Leipzig o.J. (1708). Clodius, Christian: Schediasma de instituto Societatis philoteutonico-poeticae, quae sub praesidio ... Johann, Burchardi Menckenii... Lipsiae congregatur, anno 1722. Leipzig 1722.

357 Verzeichniß Aller Teutschen Poetischen Schrifften, Welche die ... In Leipzig florirende Teutsch-übende Poetische Gesellschafft, vom Jahre 1719. biß 23 [...] gesammlet hat. Leipzig 1724. Nachricht von der itzigen Verfassung der erneuerten Deutschen Gesellschafft in Leipzig. Leipzig 1727. Gesetze der Teutschen Gesellschaft in Jena. Nebst einem Vorbericht und Anhange von ihren ietzigen Umständen. Jena 1730. Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Eigene Schriften und Übersetzungen, in gebundener und ungebundener Schreibart. 3 Bände. Leipzig 1730, 1734 und 1739. Bey dem Höchst-schmerzlichen Verluste des Wohledlen, Großachtbaren und Wohlgelarten Herrn M. Christian Jeremias Gott waits ... welcher den 18. Junii 1731. in Leipzig [...] erfolgte, Beklaget Ihr Hochgeschätztes Mitglied die Deutsche Gesellschaft in Leipzig. Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Gesammlete Reden und Gedichte, Welche bey dem Eintritte und Abschiede ihrer Mitglieder pflegen abgelesen zu werden. Leipzig 1732. Beyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit. Leipzig 1732-1744 (8 Bde.). Neufränkische Zeitungen von Gelehrten Sachen, Darinnen alle die sinnreichen Einfälle der heutigen Gelehrten, die in andern Zeitungen nicht Raum haben, Der galanten Welt zur Belustigung enthalten sind. Leipzig, auf Kosten der scherzhaften Gesellschaft (12 Stücke 1733-1736). Sammlung der Schriften und Gedichte, welche auf die Poetische Krönung der [...] Christianen Marianen von Ziegler ... verfertiget worden. Mit einer Vorrede zum Druck befördert von Jacob Friedrich Lamprecht. Mitgliede der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Leipzig 1734. Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Oden und Cantaten. Leipzig 1738. Unpartheyische Gedancken über die aus dem ehemahls in Leipzig florirenden Görlitzischen Collegio Poetico daselbst entstandene Deutsche Gesellschafft und von derselben herausgegebene Carmina, in: Singularia Historico-Literaria Lusatica, 2. Bd. (1740), S. 38-51. Winkler, Johann Heinrich: Der deutschen Gesellschaft in Leipzig Sendschreiben von dem Wachsthume deutscher Sprache durch Hülfe der lateinischen [...] Leipzig 1740. Zwo Schriften, welche in der deutschen Gesellschaft zu Leipzig ersten außerordentlichen Versammlung nach wiederhergestellten Frieden, den 15ten April 1763, öffentlich vorgelesen worden. Leipzig 1763. Eck, Johann Georg: De Societate Germanica. In: ders.: Ad Renunciationem Magistrorum L. L. A.A. Doctorumque Philosophiae D. III. Martii MDCCCVIII. Ab H. X Ritu solemni habendam [...] invitât loh. Georgius Eccius. Inest Symbolarum ad histor. Litt. Lipsiensem Pars V. Leipzig 1808. Erster Bericht an die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft zu Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer in Leipzig, Leipzig 1827. Bericht vom Jahre 1838 an die Mitglieder der Deutschen Gesellschaft [...] hg. von den Geschäftsführern der Gesellschaft Dr. Ämilius Ludwig Richter und Dr. Karl August Espe, Leipzig 1838. Katalog der Büchersammlung der Deutschen Gesellschaft in Leipzig. Nach dem von Ernst Kroker bearbeiteten handschriftlichen Bestandverzeichnis der Universitätsbibliothek Leipzig hg. vom Zentralantiquariat der DDR in Leipzig. 2 Bde. Leipzig 1971. Nachschlagewerke und Darstellungen zur Literatur- und

Wissenschaftsgeschichte

Dietmann, Carl Gottlob: Die gesamte der ungeänderten Augsp. Confession zugethane Priesterschaft in dem Churfürstenthum Sachsen und denen einverleibten auf einigen angrenzenden Landen. Bd. 5. Leipzig 1763.

358 -

Die gesamte der ungeänderten Augsp. Confeßion zugethane Priesterschaft in dem Marggrafenthum Oberlausitz. Lauban und Leipzig 1777. Fabricius, Johann Andreas: Abriß einer allgemeinen Historie der Gelehrsamkeit. 3 Bde. Leipzig 1752-1754 (Nachdruck Hildesheim 1978). Gebauer, Georg Christian: Collegiorum Lipsiensium Gelliani et Anthologici historia. In: ders.: Anthologicarum Dissertationum liber. Leipzig 1733. Goetten, Gabriel Wilhelm: Das jetztlebende gelehrte Europa. 2. Auflage. 2. Bd. Braunschweig 1736. Heumann, Christoph August: Conspectus Reipublicae Literariae, Hannover 71763. Huber, Michael: Kurze Geschichte der deutschen Dichtkunst. In: Hannoversches Magazin, Jg. 1767 und 1768. Jöcher, Christian Gottlieb: Allgemeines Gelehrten-Lexicon. Leipzig 1750ff. Fortsetzung und Ergänzungen von Johann Christoph Adelung. Leipzig 1784ff. - Philosophia haeresium obex. Leipzig 1732. Ludovici, Carl Günther: Ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der Wolffischen Philosophie. Leipzig 1735-1738 (3 Bde.). Nachdruck Hildesheim, Zürich, New York 1977. Nicolai, Fiedrich: Briefe über den itzigen Zustand der schönen Wissenschaften in Deutschland, zitiert nach dem von G. Ellinger besorgten Nachdruck (Berliner Neudrucke. 3. Serie. 2. Band). Berlin 1894. Nomina sociorum, qui Collegio Concionatorio maiori, atque antiquiori, quod Lipsiae, in templo académico, singulis hebdomadibus, convenire solet [...]. Leipzig 1725. Struve, G. Burkhard: Bibliotheca historiae litterariae selecta. Ed. J. F. Jugler. Jena 1754. Weidlich, Christoph: Geschichte der jetztlebenden Rechts-Gelehrten in Teutschland. 2. Teil. Merseburg 1749. Zedier, Johann Heinrich: Grosses vollständiges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. 164 Bde. und 4 Supplementbände. Halle/Leipzig 1733-1754. Zeitungen und Zeitschriften (chronologische

Anordnung)

Monatliche Unterredungen Einiger Guten Freunde Von Allerhand Büchern und andern annehmlichen Geschichten: allen Liebhabern der Curiositäten zur Ergetzlichkeit und Nachsinnen herausgegeben. Leipzig 1689-1698. Des mit allerhand Staats- Friedens-Kriegs-Hof-Literatur und Religions wie auch PrivatAffairen beschäfftigte Secretarius und dessen der heutigen curiosen Welt zur galanten Wissenschaft ertheilte 48 Expeditionen. Freyburg (Leipzig) 1710-1719. Neuer Bücher-Saal der gelehrten Welt oder Ausführliche Nachrichten von allerhand neuen Büchern und andern Sachen, so zur neuesten Historie der Gelehrsamkeit gehören. Leipzig 1710-1717. Deutsche Acta Eruditorum oder Geschichte der Gelehrten, welche den gegenwärtigen Zustand der Litteratur in Europa begreiffen. Leipzig 1712-1739. Neue Zeitungen von gelehrten Sachen (Leipziger gelehrte Zeitungen). Leipzig 17151784. Wöchentliche Post-Zeitungen von Gelehrten Neuigkeiten. Leipzig, In der Königlichen und Churfürstlichen Sächsischen Zeitungs-Expedition. Leipzig 1715-1720. Sicul, Christoph Ernst: Leipziger Jahr-Geschichte. Leipzig 1715f£. (vgl. Abkürzungsverzeichnis). Miscellanea Lipsiensia ad incrementum rei litterariae edita. Leipzig 1716-1723. Discourse der Mahlern. 4 Teile. Zürich 1721-1723. (Nachdruck Hildesheim 1969). Historie der Gelehrsamkeit Unserer Zeiten, darinn Nachrichten von neuen Büchern, Leben gelehrter Leute, und andern dergleichen Merckwürdigkeiten ertheilet werden. Leipzig 1721-1725. Acta Lipsiensium académica. Leipzig 1723-1724. Auserlesene theologische Bibüothek, oder Gründliche Nachrichten von denen neuesten und besten theologischen Büchern und Schiifften. Leipzig 1724-1736.

359 Der Alte Deutsche. Hamburg 1730. Thüringische Nachrichten von Gelehrten Sachen. Jena 1734-1736. Hamburgische Berichte von neuen Gelehrten Sachen Auf das Jahr 1736. Hamburg 1736. Nützliche Nachrichten von den Bemühungen derer gelehrten und andern Begebenheiten in Leipzig. Leipzig 1739-1756. Ober-lausitzischer Beytrag zur Gelahrtheit und deren Historie. Leipzig u. Görlitz 1739-1743. Neuer Büchersaal der schönen Wissenschaften und freyen Künste. Leipzig 1745-1750. Arbeiten einer vereinigten Gesellschaft in der Oberlausitz zu den Geschichten und der Gelahrheit überhaupt gehörende. Leipzig/Lauban 1749-1756. Briefe die neueste Litteratur betreffend. Berlin 1759-1766. Lausitzisches Magazin. Görlitz 1768-1792. Publikationen von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft in Leipzig und Veröffentlichungen zu ihrer Person Arnold, Daniel Heinrich: Versuch einer Systematischen Anleitung zur Deutschen Poesie überhaupt. Königsberg 1732 u. 21741. Beyer, Justus Israel: Alte und neue Geschichte der Hallischen Gelehrten. 1. - 5. Beitrag 1739-1741. Buchka, Johann Simon: Muffel, der neue Heilige, oder die entlarvte Scheinheiligkeit, nach dem Leben geschildert bey einer Magister-Promotion offenbaret von einem Mitgliede der deutschen Gesellschaft in Leipzig. Leipzig 41750. - Evangelische Buß-Thränen über die Sünden seiner Jugend, und insbesondere über eine Schrifft, die man Muffel der Neue Heilige betitult. Leipzig und Bayreuth 1737. Clodius, Christian: Vota propemtica, quibus [...] Dominum Christianum Clodium, ... Musis Nissiacis valedicentem, Plissiacas vero, Deo duce et comité Fortuna, propediem salutaturum prosequebatur Commilitonum et Amicorum conjunctissimorum Quadriga. Görlitz o. J. - Die ... Inspectores und alle andere Hoch- und werthgeschätzten Gönner der Lateinischen Stadt-Schule auf St. Annaberg werden hierdurch [...] zu zwey Theatralischen Schau-Spielen [...] deren Erstes Die Historie der siegreichen Auferstehung Jesu von den Todten, Das andere Den geduldigen Socratem vorstellen wird ... Annaberg 1732. - Elenchus Lectionum publicarum privatarumque Lycei Annae-Montani [...] Annaberg 1735 - Praemissa epistola ad florentissimam Societatem Teutonicam Lipsiensem cum versione Graeco-Germanica eclogae Virgilii II. loco praefaminis ad actim valedictionis [...] Annaberg 1736. - Ultima Fata, Morbum, Mortem et Sepulturam D. Christiani Krumbholzii [...] Zwikkau 1742. - Ad pacem religionis [...] Zwickau 1755. Aufrichtiges Kennzeichen gepflogener Amité, nebst hoch-erfreuten Glückwünschen/ mit welchen Herrn Christian Clodium, [...] als Derselbe nebst rühmlich gehaltener öffentlichen Dissertation, aus dem Görlitzischen Gymnasio am 2. Octob. im Jahr 1716. auf die Welt-berühmte Universität Leipzig reisete. Zu begleiten trachteten Nachgesetzte aufrichtige Schul-Freunde. Görlitz o.J. Richter, A. D.: Verzeichniß derer Spiele, welche die Schuljugend auf der Schule zu St. Annaberg vom ersten Anfange an ... bis itzo ... ans Licht gestellet. In: Beyträge zur Critischen Historie [...] 8. Bd., S. 465-487 (von Clodius aufgeführte Stücke). Geyser, Gottfried: Das Wichtigste aus dem Buch der Schrift und Natur, oder verknüpfte Wahrheiten des ersten und andern Glaubens-Artickels, aus den ordentlichen Sonn- und Festtags-Evangelien, mit physiko-theologischen Anmerkungen. 2 Bände. Leipzig u. Görlitz 1746 und 1747.

360 Hamann, Johann Georg: Nützlicher und brauchbarer Vorrath von allerhand Poetischen Redens-Arten/ Bey-Wörtern, Beschreibungen [...] der studirenden Jugend zum bequemen Gebrauch an statt eines Poetischen Lexici [...] Leipzig 1725. Hecker, Heinrich Cornelius: Zwo Anzugs-Predigten. Leipzig 1728. - Leben des Kayserlichen General-Feldmarschalls Herrn Friedrich Heinrichs ReichsGrafen von Seckendorff. Amsterdam 1738. - Zu der gedoppelten Jubel-Freude des Gottes-Hauses in Meuselwitz und eines alten Ehe-Paares daselbst d. 31. Oct. 1737. wollte gebührend ermuntern und einladen M. H. C. Hecker. Altenburg o. J. - Das über den blutigen Tod, Seines von einem Papisten ermordeten Lehrers, S. T. Herrn M. Joachim Hermann Hahns/ In blutigen Thränen schwimmende Dreßden wird vermittelst einer Klag- und Trost-Ode [...] mitleidend angeredet von Bellamintes. O.0.1726. Jerichow, Traugott Immanuel: De Luthero vere evangelista in sensu tum Biblico, tum etiam ecclesiastico ipsique proprio. Leipzig 1719. Juncker, Gottlob Friedrich Wilhelm: Von der natürlichen Beschaffenheit der Gegenden zwischen den Flüßen Don und Dnepr. In: Sammlung Rußischer Geschichte. 9. Bd., 1. Stück. St. Petersburg 1764, S. 1-84. Kästner, Abraham Gottheit: Betrachtungen über Gottscheds Charakter in der königl. Deutschen Gesellschaft zu Göttingen, den 12ten Sept. 1767 vorgelesen, in: Neue Bibliothek der schönen Wissenschaften und der freyen Künste 6 (1768), S. 208218. Kirchbach, Hans Karl von: Lob- und Trauer-Rede, Der allerdurchlauchtigsten, Grossmaechtigsten Fuerstin [...] Christianen Eberhardinen, Koenigin in Pohlen und Churfuerstin zu Sachsen ... Als Ihro Koenigl. Maj. Den 5. Sept. [...] 1727 [...] aus dieser Zeitlichkeit entrissen worden. - Rede vom Unterschiede der Bewunderung. Leipzig 1729. Knoblauch, Johann George: Die natürliche Glückseeligkeit Dresdens an Ihro Hoheit Maria Anna Königl. Princessin in Pohlen und Sachsen Nahmensfest d. 26, Juli 1743 nebst Glückwunsch. - Unpartheyische Nachricht von der Gemeine zu Herrn-Hut in Ober-Lausitz. Schleßwig 1737. Lange, Carl Heinrich: Hundert Geistliche Oden über alle Sonn- und Fest-Tags-Evangelia als das zweyte Jahr Lübeckischer Schul-Arbeit öffentlich heraus gegeben. Lübeck 1731. Lehms, Georg Christian: Den am 11. Februar, dieses 1706sten Jahres hoch-geschätzten [...] Nahmens-Tag [...] des [...] Herrn M. Gottfried Kretschmars/ der [...] Stadt Görlitz hoch-verdienten Pastoris Primarii, wollte [...] eine Marque seiner Ergebenheit ablegen [...] George Christian Lehms. Görlitz o. J. - Die fruchtbringende Gesellschaft der Todten/ Bestehend in unterschiedenen Lehrreichen Andachten und geistlichen Betrachtungen über die merckwürdigsten Todes-Fälle/ Derer in dem heiligen Bibel-Buch gedacht werden. Nürnberg 1711. - Teutschlands Galante Poetinnen mit ihren sinnreichen und netten Proben. Frankfurt/M. 1715 (Nachdruck Darmstadt 1966 und Leipzig 1973). - Die gestillten Schmertzen Der zeithero kranck gewesenen/ nunmehro aber zu ihrer vorigen Gesundheit gelangten Anxiosa Oder das zeithero gedrückte doch wieder erquickte Sachsen erwogen von der unterthänigsten Feder eines ergebensten Diener der Anxiosae. Leipzig 1707. - Historische Beschreibung der weltberühmten Universität Leipzig. Leipzig 1710. Zu dem wohlverdienten Magister-Hute/ Welcher Herrn George Christian Lehms/ Den 9. Febr. dieses 1708ten Jahres/ Bey Solenner Promotion Auff der Weltberühmten Universität Leipzig Auffgesetzet wurde/ gratulierten von Hertzen Einige vornehme Patroni, Gönner und Freunde. Leipzig o. J. Corvinus, Gottlieb Siegmund: An Herrn George Christian Lehms/ Bey der in Leipzig den 9. Febr. 1708 rühmlichst erhaltenen Magister-Würde Corvinus. Leipzig o.J.

361 - Reiffere Früchte der Poesie. Leipzig 1720. Liebers, Heinrich: Herrn Swindens [...] Theologische und Historische Betrachtung von der Hölle und Teufel, Darinnen die Beschaffenheit des höllischen Feuers, und der Ort, da die Hölle gelegen [...] erwiesen und gezeigt werden. Leipzig 1728. Lotter, Johann George: Abhandlung von dem heutigen Ansehen der Deutschen Sprache in dem Rußischen Reiche, bey seinem Abschiede aus der Deutschen Gesellschaft zu Leipzig am 16. Tage des Merz-Monats 1735. Öffentlich abgelesen. Leipzig o.J. May, Johann Friedrich: Des berühmten Französischen Paters Poree Rede von den Schauspielen. Ob sie eine Schule guter Sitten sind, oder seyn können? Übersetzt. Nebst einer Abhandlung von der Schaubühne. Leipzig 1734. - Der Redner, wie er auf die natürliche und leichteste Weise zu bilden sey. Leipzig 1748. - Die Weisheit der Menschen nach der Vernunft. Leipzig 1754. - Der Mensch, wie er sich nach dem Licht der Vernunft zur Glückseligkeit geschickt machen kann; in kurzen Sätzen entworfen. Leipzig 1748. Catalogue Bibliothecae Iohannis Friderici Maii. 2 Bde. Leipzig o.J. (1772). Meiern, Johann Gottfried von: Acta Pacis Westphalicae Publica oder Westphälische Friedenshandlungen und Geschichte. 1. Bd. Hannover 1734. Mencke, Johann Burkhard (Philander von der Linde): Vermischte Gedichte [...] Nebst einer ausführlichen Unterredung Von der Deutschen Poesie [...]. Leipzig 1727. - Orationes Academicae. Leipzig 1734. Lessus in funere Honorario Viri [...] M. Pauli Christiani Mitternachtii [...] ab scholae Cizensis Collegis. Zeitz o. J. (1735). Petermann, Johann Erasmus: Als der Unerschrockene Zeuge Der Evangelischen Wahrheit, Herr M. Melchior Scheffer unter dem guten Seegen Gottes in Görlitz den 28. Octobr. 1730. Seinen XLIXsten Geburths-Tag erlebte; So bezeugte demselben Seine gegen Ihm tragende Veneration Durch gegenwärtige Zeilen in aller Wahrheit Johann Erasmus Petermann. Gedruckt in Philadelphia o. J. Rothe, George: Kurtzer Begriff der Naturlehre zum Gebrauch der Anfänger aus den neuesten Entdeckungen der Naturforscher zusammen getragen. Leipzig und Görlitz 1753. Schön, Johann Adam: Schnöde Verachtung der göttlichen Gnaden-Mittel. Görlitz 1726. Schumann, Gottlieb: Ad praelectiones académicas in relationes publicas peramanter invitât M. Gottlieb Schumann. Leipzig 1740. - Beantwortung eines Königlichen Preußischen Impressi wider den Chur-Sachßischen Hof Anno 1745. - Versuch einer Pragmatischen Historie des Römisch-Teutschen Reichs von dem Tode Kayser Caroli VI. bis auf die Wahl Kaysers Francisci zum Gebrauch Academischer Vorlesungen. Leipzig 1745. - Noch ein Wort! Zu den Schriften bey dem Tode des Herrn Prof. Gellerts. Leipzig 1770. Schwabe, Johann Joachim: Anti-Longin, Oder die Kunst in der Poesie zu kriechen, anfänglich von dem Herrn D. Swift den Engelländern zum besten geschrieben, itzo zur Verbesserung des Geschmacks bey uns Deutschen übersetzt [...]. Leipzig 1734. Urban, Johann Christoph: Ich dencke und dancke. Dieses solte, nach d. III. Februar. Anno MDCCXV. mit Gott erhaltener ordentlicher Vocation zu dem Cantorate in ... Görlitz bey dem Abzüge aus der geliebten Stadt Torgau, allen studirenden Armen zum Tröste aufsetzen ... und zu lesen geben Johann Cristoph Urban. Leipzig o.J. Wolf, Georg Christian (als Übersetzer): Capitain Samuel Brunts Reise nach Cacklogallinien, und weiter in den Mond [...] und einigen andern Moralischen und Satyrischen Schriften Herrn D. Swiffts. Leipzig 1735. - Des berühmten Ritters, Don Quixote von Mancha, Lustige und sinnreiche Geschichte, abgefasset von Miguel Cervantes Saavedra. Erster Theil. Leipzig 1735.

362 Schriften und Briefe von Johann Christian Gottsched Gottsched, Johann Christoph: Ausgewählte Werke. Hrsg. von P. M. Mitchell. Berlin, New York 1968-1987, 12 Bde. (Ausgaben deutscher Literatur des XV. bis XVIII. Jahrhunderts. Hrsg. von Hans-Gert Roloff). - Gedichte. Gesammlet und herausgegen von Johann Joachim Schwabe. Leipzig 1736. - Gedichte. Bey der itzigen zweyten Auflage übersehen, und mit dem II. Theile vermehrt, nebst einer Vorrede ans Licht gestellet von M. Johann Joachim Schwaben. Leipzig 1751. - Historische Lobschrift des Freyherrn von Wolf. Halle 1755. - Nötiger Vorrat zur Geschichte der deutschen dramatischen Dichtkunst. Leipzig 1757-1765. Nachdruck Hildesheim 1970. Vernünftige Tadlerinnen. Benutzt nach dem Nachdruck der Erstausgabe (Hildesheim, Zürich, New York 1993) mit einem Nachwort von Helga Brandes. Der Biedermann. Leipzig 1727-1729. Benutzt nach dem Nachdruck der Erstausgabe (Stuttgart 1975, hg. von Wolfgang Martens). Leibniz, Gottfried W.: Theodicee. Nach der 1744 erschienenen, mit Zusätzen und Anmerkungen von Johann Christoph Gottsched ergänzten, vierten Ausgabe hg. [...] von Hubert Horstmann. Berlin 1996. Danzel, Theodor Wilhelm: Gottsched und seine Zeit. Auszüge aus seinem Briefwechsel. Leipzig 1848 (mehrere Reprints, zuletzt Frankfurt/M. 1998). Roos, Carl: Breve til Johann Christoph Gottsched fra Personer i det Danske Monarki. In: Danske Magazin, 6. Roekke, 3. Bind. Kopenhagen 1918. Reicke, Emil (Hg.): Neues aus der Zopfzeit. Gottscheds Briefwechsel mit dem Nürnberger Naturforscher Martin Frobenius Ledermüller und dessen seltsame Lebensschicksale. Leipzig 1923. Grimm, Friedrich Melchior: Briefe an Johann Christoph Gottsched. Hg. von Jochen Schlobach und Silvia Eichhorn-Jung. St. Ingbert 1998 (Kleines Archiv des achtzehnten Jahrhunderts, 18). Gottsched, Luise Adelgunde Victorie: Sämmtliche kleinere Gedichte nebst dem, von vielen vornehmen Standespersonen, Gönnern und Freunden beyderley Geschlechtes, Ihr gestiftetes Ehrenmaale, und Ihrem Leben, herausgegeben von Ihrem hinterbliebenen Ehegatten. Leipzig 1763. Veröffentlichungen zur Sprach- und Literaturgeschichte Bödiker, Johann: Grund-Sätze der Deutschen Sprache. Cölln an der Spree 1690, (Nachdruck Leipzig 1977). Bircher, Martin u. Andreas Herz (Hg.): Die Fruchtbringende Gesellschaft unter Herzog August von Sachsen-Weißenfels. Süddeutsche und österreichische Mitglieder. Tübingen 1997 (Die Deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts Fruchtbringende Gesellschaft. Reihe II, Bd. 2). Egenolff, Johann August,: Historie der Teutschen Sprache. 2 Bde. Leipzig 1716 und 1720 (Nachdruck Leipzig 1978). - Trias dissertationum, continens 1. Responsionem modestam, ad impudentem libellum J. C. Wackii [...] 2. Brevem linguae Germanicae apologiam, Petri Burmanni... duro de ea iudicio oppositam. 3. Consilium de constituenda societate, quae barbariem in lingua vernacula nostra in dies crescentem coercere studeat. Leipzig 1717. - Kayser Carls des Grossen Lebens-Beschreibung, durch Eginharden [...] Nunmehro ins Teutsche gebracht [...] durch M. Johann Augustin Egenolfen. Leipzig 1728. Herder, Johann Gottfried: Schriften zur Literatur. Hg. von Regine Otto. Berlin u. Weimar 1985. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache. Hg. von Paul Pietsch in: Wissenschaftliche Beihefte zur Zeitschrift des Allgemeinen Deutschen Sprachvereins 29 (1908), S. 290-312.

363 Löscher, Valentin Ernst: Literator Celta, seu literatura Europaea, occidentali et septentrionali consilium et conatus. Leipzig 1726. Morhof, Daniel Georg: Unterricht von der Teutschen Sprache und Poesie. Hg. von Henning Boetius. Bad Homburg, Berlin, Zürich 1969 (Nachdruck der Ausgabe Lübeck u. Frankfurt/M. 1700). Neumeister, Erdmann: De Poetis Germanicis. Hg. von Franz Heiduk in Zusammenarbeit mit Günter Merwald. Bern u. München 1978 (Erstausgabe Leipzig 1695). Opitz, Martin: Buch von der deutschen Poeterei. Breslau 1624 (Nachdruck Halle 1955). Prasch, Johann Ludwig: Gründliche Anzeige von Fürtrefflichkeit und Verbesserung teutscher Poesie. Regensburg 1680 (Nachdruck Stuttgart 1995). Reichard, Elias Caspar: Versuch einer Historie der deutschen Sprachkunst. Hamburg 1747. Rotth, Albrecht Christian: Vollständige Deutsche Poesie in drey Theilen. Leipzig 1688. Scaliger, Julius Caesar: Poetices libri Septem. Lyon 1561 (Nachdruck Stuttgart-Bad Cannstatt 1987). Steinbach, Christoph Ernst: Vollständiges Deutsches Wörter-Buch. Breslau 1734. Gedichte des 17. und 18. Jahrhunderts (nicht von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft) Anonym: Der Proceß, ein Scherzgedicht, im Jahre 1740. den Ilten April seiner t e u e r sten Freundin Louise Adelgunde Victoria Gottsched, gebohrnen Kulmus, gewidmet von Ihrem getreuen Johann Christian Gottsched. P. als ein Opus posthumum der Nachwelt geschenkt und mit kritischen Anmerkungen bereichert. Frankfurt u. Leipzig 1774. Besser, Johann von: Des Herrn von Bessers Schrifften. 2 Bde. Hg. von Johann Ulrich von König. Leipzig 1732. Canitz, Friedrich Rudolph Freiherr von: Des Freyherrn v. Canitz Gedichte [...] Leipzig und Berlin 1727. Nachdruck Tübingen 1982. Hg. von Jürgen Stenzel. Hancke, Gottfried Benjamin: Geistliche und Moralische Gedichte. Leipzig u. Breslau 2 1723. Herrn von Hofmannswaldau und andrer Deutschen auserlesener und bißher ungedruckte Gedichte. Siebender Theil. Hg. von Erika A. Metzger und Michael M. Metzger. Tübingen 1991 (Neudrucke deutscher Literaturwerke. N. F., 43). König, Johann Ulrich von: Des Herrn Königs Gedichte aus seinen von ihm selbst verbesserten Manuskripten gesammlet und herausgegeben. Dresden 1745. Krause, Johann Gottfried: Poetische Blumen. Langensalza 1716. Pietsch, Johann Valentin: Gesamiete Poetische Schrifften Bestehend aus Staats-Trauer und Hochzeit-Gedichten. Mit einer Vorrede [...] von Johann Christoph Gottsched. Leipzig 1725. Schmolck, Benjamin: Lieder und Gebete. Hg. von Ludwig Grote. Leipzig 1855. Triller, Daniel Wilhelm: Poetische Betrachtungen über verschiedene aus der Natur- und Sitten-Lehre hergenommene Materien zur Bewährung der Wahrheit Christlicher Religion, denen Atheisten und Naturalisten entgegen gesetzet. Hamburg 1725. Weise, Christian: Bellaria juventutis Scholasticae, sive Versiculi Memoriales. Zittau 1683. - Der grünenden Jugend überflüssige Gedanken. Abdruck der Ausgabe von 1678. Eingeleitet von Max Freiherr von Waldberg, Halle 1914. - Die drei ärgsten Erznarren in der ganzen Welt. Abdruck der Ausgabe von 1673. Halle 1878. Zachariä, Friedrich Wilhelm: Der Renommist. Ein scherzhaftes Heldengedicht. Hg. von Detlef Ignasiak. Leipzig 1989 (Erstveröffentlichung 1744). Literatur zu Kultur, Kirche, Literatur und Pädagogik in der Oberlausitz Crantz, David: Alte und Neue Brüder-Historie oder kurz gefaßte Geschichte der Evangelischen Brüder-Unität. Barby 21772.

364 Dietmann, Carl Gottlob: Die gesamte der ungeänderten Augsp. Confeßion zugethane Priesterschaft in dem Marggrafenthum Oberlausitz. Lauban und Leipzig 1777. Edelmann, Johann Christian: Selbstbiographie, hg. von Carl Rudolph Wilhelm Klose. Berlin 1849 (Neudruck Stuttgart-Bad Cannstatt 1976, hg. von Bernd Neumann). Geyser, Gottfried: (Leichenpredigt auf Samuel Grosser [BOGW, Th XVI, 309]) Görlitzer Gesangbuch. Görlitz 31740. Grosser, Samuel: Vita Chr. Weisii. Leipzig 1710. - Ausführlicher Entwurf der im Görlitzischen Gymnasio bey denen [...] beliebten Lectionibus der daselbst studirenden Jugend zum besten eingerichteten Methode. Görlitz o.J. - Betrübter und erfreuter Pleißen-Strand oder allerhand hiebevor in Leipzig und Altenburg gehaltene Leichen- und Hochzeit-Abdanckungen. Dresden 1699. - Den Sünden-Sold/ wird auf Hochgeneigte Genehmhaltung ihrer Hochzuehrenden Patronen, an statt eines gewöhnlichen Gregorii-Umbgangs/ wo Gott wiel/ Montag nach dem Sontage Exaudi dieses 1697sten Jahres/ in unterschiedenen Aufzügen vorstellen die auf dem Görlitzischen Gymnasio studierende Jugend/ unter der Anführung M. Samuel Grossers/ Rectoris, Görlitz o. J. - Die auf dem Görlitzischen Gymnasio studirende Jugend wird den XXV. Junii dieses 1710ten Jahres ... ein Gottgeweyhtes Denck- und Danck-Fest [...] celebriren: dabey aber auch einen Actum oratorium von Schul-Freunden und Schul-Feinden vorstellen. Görlitz 1710. - Erbauliche Welt-Beschreibung. Das ist: Kurtzgefaßte und sonderlich dem Gedächtnuß dienliche Tabellen, In denen sowohl Die Beschaffenheit des Erd-Kreises über haupt, Als auch eines ieden Theils desselben insonderheit [...] Geographice, Physice, Politice und Historice erklähret [...] wird. Leipzig und Görlitz 1718. - Fortgesetzte Prüfung Etlicher [...] der studirenden Jugend aber zu besorglichen Anstoß gereichenden Thesium. Leipzig 1726. - Inclytae Gorlicensis Reipublicae Patres Conscriptos [...] ad audiendam Orationem de Flore Scholarum [...] invitât M. Samuel Grosser, Görlitz o. J. (1695). Heermann, Gotthold: Die mit ewiger Gnade verknüpffte Erbarmung Jesu Dem Jammervollen Görlitz [...] als einem besonderen Brand-Feste zu tröstlicher Aufrichtung [...] kürzlich gezeiget und gewiesen [...] Lauban 1726. Hoffmann, Gottfried: Ausführlicher Bericht von der Methode oder Lehr-Art/ welche bey denen verordneten Lectionibus im Laubanischen Lyceo gehalten wird. Lauban o.J. Hortzschansky, Johann: Kurze Anzeige von den Oberlausitzischen gelehrten Gesellschaften. Görlitz o.J. Kästner, Gottlob: Das der Welt-berühmten Universität zu Leipzig beständigst liebreich zugethane Marg-Grafthum Ober-Lausitz erwog bey dem in währendem Jubilaeo auf dem Görlitzischen Gymnasio gehaltenen Actu Oratorio [...] Gottlob Kästner. Görlitz o. J. Knauthe, Christian: Das Gymnasium Augustum zu Görlitz; in seiner alten und neuen inner- und äuserlichen Gestalt der verflossenen 200 Jahren, bey desselben JubelFeyer den 25 und 26 Jun. 1765 [...] geschichtsmäßig entworffen. Görlitz o. J., S. 106116. - Annales Typographici Lusatiae Superioris oder Geschichte der Ober-Lausitzischen Buchdruckereyen. Lauban o. J. (1740), Nachdruck Köln, Wien 1980 (Slavistische Forschungen, 30), hg. von R. Olesch. - Historische Nachricht von den Bibliotheken in Görlitz, Görlitz o. J. Schael, Gottfried Benjamin: Pia Memoria. Haynau o.J. (1736). Schultes, George Bernhard: Rector Goerlicensis non moritur oder Gedächtniß-Schrifft so Herr George Bernhard Schultes [...] dem Wohl-Seeligen Rect. Grosser zu beständigen Andencken geschrieben. Görlitz 1736. Schultze, Johann G.: Von der durch Christum erworbenen herrlichen und ewigen Ruhe der Gläubigen, handelte [...] bey feyerücher Beerdigung [...] Herrn Daniel Riechs [...] in einer Trauerrede Joh. G. Schultze. Görlitz 1768.

365 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von: Kurze und authentique Erzehlung von dem ersten Ursprung und Wachsthum des Ortes Herrnhut. In: Zeitschrift für Brüdergeschichte V (1911), S. 94 100. Neue Lausitzer Monatsschrift. Jg. 1804, S. 281ff (Rede zum 25. Jahrestag der Gründung der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften). Briefe, Autobiographien,

Tagebücher,

Reisebeschreibungen

Ahegg, Johann Friedrich: Reisetagebuch von 1798. Hg. von Walter und Jolanda Abegg in Zusammenarbeit mit Zwi Batscha. Frankfurt/M. 1987 (Erstausgabe 1976). Eichholz, F. W.: Magnus G. Lichtwers [...] Leben und Verdienste. Halberstadt 1784. Das geheime Tagebuch des Kurprinzen Friedrich Christian 1751 bis 1757. Hg. von Horst Schlechte. Weimar 1992 (Schriftenreihe des Staatsarchivs Dresden 13). Geliert, Christian Fürchtegott: Gesammelte Schriften. Kritisch kommentierte Ausgabe. Hg. von Bernd Witte. V. Bd. Berlin, New York 1994. - Briefwechsel. Hg. von John F. Reynolds. Band I-IV. Berlin, New York 1983ff. Geliert, Johann Fürchtegott: Die Fahrt auf der Landkutsche. Dichtungen, Schriften, Lebenszeugnisse. Hg. von Karl Wolfgang Becker. Berlin 1985. Goethe, Johann Wolfgang: Werke. Berliner Ausgabe. 13. Bd. (Dichtung und Wahrheit). Berlin u. Weimar "1976. - Sämtliche Werke (Münchner Ausgabe). Bd. 20: Briefwechsel zwischen Goethe und Zelter in den Jahren 1799-1832. Hg. von Edith Zehm und Sabine Schäfer. München 1998. Hagedorn, Friedrich von: Briefe. 1. Band. Hg. von Horst Gronemeyer. Berlin, New York 1997. Fontenelle, Bernard Le Bovier: Lebens-Beschreibung des Herrn von Leibnitz verfaßt von dem Herrn Fontenelle ... und in gegenwärtiger Teutschen Ubersetzung mit einigen Anmerckungen vermehret. Abgedruckt im Anhang zur dt. Übersetzung der Theodicee, Amsterdam 1726. Leibniz, Gottfried Wilhelm: Sämtliche Schriften und Briefe. Reihe VI. Band 2. Berlin 1966. Œuvres de Leibniz. Hg. von Foucher de Careil. VII. Bd. Paris 1875. Lichtenberg, Georg Christian: Schriften und Briefe. Hg. von W. Promies. Frankfurt/M. 1994. Litterarische Pamphlete aus der Schweiz. Nebst Briefen an Bodmern. Zürich 1781. Rebmann, Georg Friedrich: Wanderungen und Kreuzzüge durch einen Teil Deutschlands von Anselmus Rabiosus dem Jüngeren. Hrg. von Heinz Wiese. Leipzig 1990. Sturz, Helfrich Peter: Die Reise nach dem Deister. Prosa und Briefe. Hg. von Karl Wolfgang Becker, Berlin 1976. Uhi, Johann Ludwig: Sylloge nova epistolarum varii argumenti. Vol. 1 - 5 . Nürnberg 1760-1769. Wielands Werke in vier Bänden. Hg. von Hans Böhm. Berlin und Weimar 1984.

2. Sekundärliteratur (19. und 20. Jahrhundert) Albrecht, Michael von: Geschichte der römischen Literatur. 2 Bände. München 1994. Albrecht, Michael: Eklektik. Eine Begriffsgeschichte mit Hinweisen auf die Philosophie· und Wissenschaftsgeschichte. Stuttgart/ Bad Cannstatt 1994. Bach-Dokumente, s. Neumann, W. Bach-Handbuch, s. Küster, Konrad Bader, Karl: Lexikon deutscher Bibliothekare im Haupt- und Nebenamt bei Fürsten, Staaten und Städten. Leipzig 1925 (Beiheft 55 zum Zentralblatt für Bibliothekswesen).

366 Baebler, Johann Jakob: Daniel Stoppe. In: Archiv für Literaturgeschichte IX (1878), S. 297f£ Bahner, W. u. W. Neumann (Hg.): Sprachwissenschaftliche Germanistik. Ihre Herausbildung und Begründung. Berlin 1985. Ball, Gabriele: Moralische Küsse. Gottsched als Zeitschriftenherausgeber und literarischer Vermittler. Göttingen 2000 (Das achtzehnte Jahrhundert. Supplementa 7). Baur, Rolf: Didaktik der Barockpoetik. Die deutschsprachigen Poetiken von Opitz bis Gottsched als Lehrbücher der »Poeterey«. Heidelberg 1982 (Mannheimer Beiträge zur Sprach- und Literaturwissenschaft 2). Becker, Felix: Die Deutsche Gesellschaft und ihre Sammlungen. In: Leipziger Kalender. Illustriertes Jahrbuch und Chronik 12 (1925), S. 117-121. Becker-Cantarino, Barbara: Der lange Weg zur Mündigkeit. Frau und Literatur (15001800). Stuttgart 1987. Beiträge zur Deutschen Bildungsgeschichte. Festschrift zur Zweihundertjahrfeier der Deutschen Gesellschaft in Leipzig 1727-1927 (Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung Vaterländischer Sprache und Altertümer in Leipzig 12). Benfey, Theodor: Geschichte der Sprachwissenschaft und orientalischen Philologie in Deutschland seit dem Anfange des 19. Jahrhunderts mit einem Rückblick auf die früheren Zeiten. München 1869 (Geschichte der Wissenschaften in Deutschland 8), Nachdruck New York, London 1965. Benz, Stefan: Johann Georg Eckhart. In: Fränkische Lebensbilder. 15. Bd. Neustadt/ Aisch 1993, S. 135-156. Beyreuther, Erich: Zinzendorf und die sich allhier beisammen finden. Marburg 1959. Bio-bibliographisches Handbuch zur Sprachwissenschaft, s. Brekle, E. Bircher, Martin unter Mitarbeit von G. Henkel und Andreas Herz (Hg.): Briefe der Fruchtbringenden Gesellschaft und Beilagen: Die Zeit Herzog Augusts von Sachsen-Weißenfels 1667-1680. Tübingen 1991 (Die Deutsche Akademie des 17. Jahrhunderts Fruchtbringende Gesellschaft. Reihe I, Abteilung C). Birke, Joachim: Gottscheds Neuorientierung der deutschen Poetik an der Philosophie Wolffs. In: Zeitschrift für deutsche Philologie 85 (1966), S. 560-575. Blanckmeister, Franz: Sächsische Kirchengeschichte. Dresden 1899. - Der Prophet von Kursachsen. Valentin Ernst Löscher. Dresden 1920. Blaschke, Karlheinz: Die landesgeschichtliche Arbeit in Sachsen. In: Annali dell'Istituto storico italo-germanico in Trento VII (1981), S. 155-197. Bleyer Jakab: Gottsched Hazánkban. Irodalomtôrténeti tanulmány. Budapest 1909. Blümml, Emil Karl (Hg.): Zwei Leipziger Liederhandschriften des 17. Jahrhunderts. Als Beitrag zur Kenntnis des deutschen Volks- und Studentenliedes. Leipzig 1910 (Teutonia. Arbeiten zur germanischen Philologie 10). Bodemann, Eduard: Leibnizens Plan einer Societät der Wissenschaften in Sachsen. In: Neues Archiv für Sächsische Geschichte und Althertumskunde 4 (1883), S. 177214. Böger, Ines: Ein seculum ... da man zu Societäten Lust hat: Darstellung und Analyse der Leibnizischen Sozietätspläne vor dem Hintergrund der europäischen Akademienbewegung im 17. und frühen 18. Jahrhundert. München 1997. Böning, Holger: Deutsche Presse. Biobibliographische Handbücher zur Geschichte der deutschsprachigen periodischen Presse von den Anfängen bis 1815. Band 1. Hamburg. Bearbeitet von Holger Böning und Emmy Moepps. Stuttgart-Bad Cannstatt 1996. Borell, Winfried von: Georg Christian Lehms. Ein vergessener Barockdichter und Vorkämpfer des Frauenstudiums. In: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelm Universität zu Breslau IX (1964), S. 50-105. Brandes, Helga: Der Wandel des Frauenbildes in den deutschen Moralischen Wochenschriften. Vom ausgeklärten Frauenzimmer zur schönen Weiblichkeit. In: Zwischen Aufklärung und Restauration. Festschrift für W. Martens zum 65. Geburtstag. Tübingen 1989, S. 49-64.

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Abkürzungsverzeichnis

ADB

Allgemeine deutsche Biographie.

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Beyträge

Beyträge zur critischen Historie der deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit. Leipzig 1732-1744 (8 Bde.).

BOGW

Bibliothek der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften (Görlitz)

Danzel

Th. W. Danzel: Gottsched und seine Zeit. Auszüge aus seinem Briefwechsel. Leipzig 1848 (mehrere Nachdrucke, zuletzt Frankfurt/M. 1998).

Dietmann

Carl Gottlob Dietmann: Die gesamte der ungeänderten Augsp. Confeßion zugethane Priesterschaft in dem Marggrafenthum Oberlausitz. Lauban und Leipzig 1777.

Dünnhaupt

Gerhard Dünnhaupt: Bibliographisches Handbuch der Barockliteratur. Stuttgart 21990ff.

Eigene Schriften

Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Eigene Schriften und Übersetzungen, in gebundener und ungebundener Schreibart. 3 Bände. Leipzig 1730, 1734 und 1739.

Gedichtbände

Handschriftlich überlieferte Sammlung der von den Mitgliedern der Görlitzischen Poetischen (bzw. der Teutschübenden Poetischen) Gesellschaft angefertigten Gedichte (insgesamt 7 Bände). Nähere Angaben zu diesen Texten vermittelt Quellentexte Nr. 10.

Gesammlete Reden

Der Deutschen Gesellschaft in Leipzig Gesammlete Reden und Gedichte, Welche bey dem Eintritte und Abschiede ihrer Mitglieder pflegen abgelesen zu werden. Leipzig 1732.

Gottsched, Gedichte

J. Chr. Gottsched: Gedichte. Bey der itzigen zweyten Auflage übersehen, und mit dem II. Hieile vermehrt, nebst einer Vorrede ans Licht gestellet von M. Johann Joachim Schwaben. Leipzig 1751.

Killy

Literaturlexikon. Autoren und Werke deutscher Sprache. 15 Bände. Hrg. von Walther Killy. Gütersloh/München 1988f£

380 Kosch

Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisch-Bibliographisches Handbuch. Begründet von Wilhelm Kosch. Dritte, völlig neu bearbeitete Auflage. Bern/München 1968ff.

Kroker, Austritt

Ernst Kroker: Gottscheds Austritt aus der Deutschen Gesellschaft. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft, Bd. 9 (1902), S. 3-57

Meusel

Johann G. Meusel: Lexicon der vom Jahr 1750-1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller. 15. Bde. Leipzig 18021816.

M G G \ MGG

2

Musik in Geschichte und Gegenwart: 1. Auflage. Kassel 1952-1986.2. Auflage. Kassel 1994ff.

Mitchell

Phillip Marshall Mitchell: Johann Christoph Gottsched (1700-1766). Harbinger of German Classicism. Drawer 1995.

Nachricht

Nachricht von der itzigen Verfassung der erneuerten Deutschen Gesellschafft in Leipzig. Leipzig 1727.

Neufränkische Zeitungen

Neufränkische Zeitungen von Gelehrten Sachen, Darinnen alle die sinnreichen Einfälle der heutigen Gelehrten, die in andern Zeitungen nicht Raum haben, Der galanten Welt zur Belustigung enthalten sind. Leipzig, auf Kosten der scherzhaften Gesellschaft (12 Stück 1733-1736).

Otto

Gottlieb Friedrich Otto: Lexikon der seit dem fünfzehenden Jahrhunderte verstorbenen und jetztlebenden Oberlausizischen Schriftsteller und Künstler, aus den glaubwürdigsten Quellen möglichst vollständig zusammengetragen. Bde. I - I I I , Görlitz 1800-1803. Heiner Schmidt: Quellenlexikon zur deutschen Literaturgeschichte. Duisburg 1994f£

Quellenlexikon Quellentexte

Im Anhang des vorliegenden Buches veröffentlichte Texte.

Reichel

Eugen Reichel: Gottsched. 2 Bände. Berlin 1908 und 1912

Schediasma

(Christian Clodius): Schediasma de instituto Societatis philoteutonico-poeticae, quae sub praesidio .. .Johann, Burchardi Menckenii... Lipsiae congregata, anno 1722. Leipzig 1722.

SHA

Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden

Sicul

Christoph Ernst Sicul: Leipziger Jahr-Geschichte. Dieses Jahrbuch, das insbesondere die Vorgänge an der Universität berücksichtigt, erschien unter wechselnden Titeln zwischen 1715 und 1731 (vgl. die genaueren bibliographischen Angaben in: Karl-Marx-Universität Leipzig. Bibliographie zur Universitätsgeschichte 1409-1959. Hrg. von der Historischen Kommission bei der Sächsischen Akademie der Wiss. Leipzig 1961 (Bibliographie zur Geschichte der Stadt Leipzig. Sonderband II), S. 15. Es handelt sich insgesamt um vier Bände. Zitiert wird nach Bandnummer und Seite.

381 UAL

Universitätsarchiv Leipzig

UBL

Universitätsbibliothek Leipzig

Vorrede

Johann Christoph Gottsched: Erste Gründe der Gesamten Weltweisheit. Praktischer Teil. Leipzig 61756. Darinn: Vorrede, darum eine Nachricht von des Verfassers ersten Schriften bis zum 1734sten Jahre enthalten ist. In der vorliegenden Publikation zitiert nach AW V/3, S. 247-286.

Waniek

Gustav Waniek: Gottsched und die deutsche Literatur seiner Zeit. Leipzig 1897 (Reprint Leipzig 1972).

Weimar

Weimar, Klaus: Geschichte der deutschen Literaturwissenschaft bis zum Ende des 19. Jahrhundersts. München 1989.

Witkowski

Georg Witkowski: Geschichte des literarischen Lebens in Leipzig. Leipzig und Berlin 1909 (Nachdruck München 1994).

Wolff

Eugen Wolff: Gottscheds Stellung im deutschen Bildungsleben. 2 Bände. Kiel und Leipzig 1895 und 1897.

Zedier

Johann Heinrich Zedier: Grosses vollständiges UniversalLexicon aller Wissenschaften und Künste. Bde. 1-64 und 4 Supplementbände. Halle/Leipzig 1733-1754.

Personenregister Erfaßt werden alle im Haupttext genannten Personen. In den Anmerkungen erwähnte Verfasser werden nur dann berücksichtigt, wenn ihre Darstellungen erläutert oder kritisch befragt werden. Abegg, Johann Friedrich 269 Abschatz, Hans Aßmann von 87, 309, 326 Adami, Christian 29 Adlershelm, Christian Lorenz von 203 Aesop 189 Albertinus, Aegidius 181 Albrecht, Johann 68 Altenberger, Christian 52, 62 Altmann, Caspar 41, 61 Ambrosius von Mailand 189 Amon, Placidus 254 Amthor, Christoph Heinrich 186, 252, 326 Angelus Silesius 186 Anna Sophie, Gemahlin Johann Georgs III. (Kurfürst von Sachsen) 108 Antesperg, Johann Balthasar von 300 Anton Ulrich, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 185 Anton, Paul 94 Aratus aus Soloi 330 Ariost 189, 308 Aristophanes 173 Aristoteles 75,193, 328 Arnd, Johann 130 Arnold, Daniel Heinrich 218, 238£, 263 Arnold, Gottfried 182 Augustin (Kirchenvater) 189 Ayn, Georg Heinrich 79 Bach, Johann Sebastian 12f£, 70, 236, 280 Barclay, John 253 Bärmann, G. F. 225 Baudiß, Frau (Gemahlin von Gottfried Leonhard Baudiß?) 203 Baumeister, Friedrich Christian 28, 128, 138 Bayle, Pierre 62, 95 Becker, Cornelius 186

Behrndt, Gottfried (Bernander) 197, 259 Bellmann, Gottfried Michael 62 Benemann, Johann Christian 226t, 288£, 349 Benemann, Johann Gottlieb 226 Benigeroth, Martin 183 Benz, Stefan 47,111 Bernd, Adam 235 Bernhardt, Johann Friedrich 80 Besser, Johann von 85, 871,162,182, 185, 224, 253, 262, 286, 309, 325 Beyer, Christoph 149 Beyer, Justus Israel 74, 143£, 207, 259 Bircken, Sigmund von 187 Blümel, Gottfried 62 Bödiker, Johann 112,188 Bodmer, Johann Jakob 4, 88f£, 124, 156, 186, 200, 208, 215, 242, 282, 285, 299 Boethius 189 Böger, Ines 29 Böhlau, Chr. D. von 204 Böhme, Jakob 182 Bohse, August (Talander) 337 Boileau, Pierre 336 Bouhours, Dominique 310 Boxberg, Christian Ludwig 41 Brahe, lycho 138 Brandes, Helga 147, 200 Brandes, Johann Christian 269 Brant, Sebastian 184 Brehme, Christian 185 Breitinger, Johann Jacob 4, 89,156,186, 270 Breitkopf, Bernhard Christoph 62, 204, 276, 302 Brockes, Barthold Hinrich 87, 103,123£, 126, 179, 182,185, 215, 286, 309 Brühl, Heinrich Graf von 285 Buchanan, George 85, 309 Buchholtz, A. H. 186 Buchka, Johann Simon 135f£, 210£, 348

384 Buchner, August 187 Buchwald, Christoph 62 Budde, Johann Franz 207 Bünau, Heinrich von 183 Burmann, Peter 112f. Buschmann, Cornelia 225 Calvisius, Sethus 186 Canitz, Friedrich Rudolph Ludwig von 185, 220, 262, 286, 309, 324 Carpzov, Johann Gottlob 238 Cäsar, Gajus Julius 323 Cato der Jüngere 336 Cats, Jacob 189 Celsus, Aulus Cornelius 341 Celtis, Konrad 46 Cervantes Saavedra, Miguel 189, 242fñ Christ, Johann Friedrich 23 Christiane Eberhardine, Gemahlin Friedrich Augusts I. (II.) 237, 280 Cicero, Marcus Tullius 95, 174,189, 235, 240, 322t, 341 Clauderer, Johann Christoph 242, 299 Clemens XI., Papst 105 Clericus, Johann (Le Clerc) 312, 336 Clodius, Christian 4,17f„ 21, 25, 45f£, 56, 59, 73, 751, 78f£, 83, 121,1231, 134,154, 156,161, 165f£, 191, 194, 196, 199, 206, 212, 218, 304 Clodius, Christian (Senior) 56 Clodius, Christian August 165, 170,172 Clodius, Eleonora Sophia (geb. Schumack) 165 Clodius, Friedrich Gottfried 165 Clodius, Heinrich Jonathan 165 Clodius, Johann Christian 254£ Clodius, Maria (geb. Krumbholtz) 165 Corneille, Pierre 188 Corvinus, Gottlieb Siegmund (Amaranth) 72,185, 309 Coste, Pierre 23f. Crusius, Siegfried L. 251 Crusius, Christian August 207 Dach, Simon 87,185, 309 Dacier, André 328 Danckelmann, Eberhard von 88 Danzel, Theodor Wilhelm 2, 21 Debora (Richterin im Alten Testament) 329 Deckart, Johann Heinrich 62 Dedekind, Constantin Christian 183ff. Defoe, Daniel 196 Descartes, René 207 Deyling, Salomon 144

Dietrich, J. G. 41 Dornfeld, Johann Dreßler, Gottlob Dufour (Familie) Dülmen, Richard Düren, Paul 87

Jacob 198 62 145 van 14

Ebeling, Christoph Daniel 71 Eck, Johann Georg 21, 24, 180 Eckhart, Johann Georg 471, Ulf., 165, 188 Edelmann, Johann Christian 31, 36, 38 Egenolfí, Johann August llOff., 188,196, 253, 282 Eggert (Pater) 1081 Eichler, Elias 62, 74, 82, 108, 121 Eickstädt, Heinrich Alexander von 348 Elisabeth Christina (Kaiserin, Gemahlin Karls VI.) 283 Erasmus von Rotterdam 174, 189 Ernesti, Johann August 239 Ernesti, Johann Friedrich Christoph 189, 2391, 348 Eugen von Savoyen, Prinz 104ff. Eusebius von Cäsarea 189 Fabricius, Johann Albert 123ft Fabricius, Johann Andreas 75, 200, 206ff., 291, 294 Faithfull Teate 253 Fasch, Johann Friedrich 57 Feind, Barthold 170,186 Feller, Joachim 94 Ferber, Friedrich Erdmann 62 Fevre, Hermann A. le 296 Finckelthaus, Gottfried 185 Fischart, Johann 184 Fischer, Christian Gabriel 22, 203, 249 Flavius Josephus 189 Fleming, Paul 87, 185, 309 Flemming, Jakob Heinrich von 143 Floras, P. Annius 188 Förster, Gottfried 42, 235 Fontenelle, Bernard Le Bouyer de 26, 112, 189, 242 Francke, August Hermann 37, 94 Franke, Christian 62 Friedrich III., König von Dänemark 231 Friedrich Wilhelm I., König in Preußen 341 Friedrich der Große, König von Preußen 142 Friedrich August I. (II.), Kurfürst von Sachsen, König von Polen 1, 711,

385 104t, 107fñ, 133, 140, 225, 246, 249, 281, 283f„ 289, 350ff. Friedrich August II. (III.), Kurfürst von Sachsen. König von Polen 104,107, 121,149, 234, 279 Friedrich Christian, Kurprinz, 1763 Kurfürst von Sachsen 197, 234 Friedrich, J.Chr. 97 Frietzsche, Karl Gottfried 66 Frisch, Leonhard 116,188, 297£ Frischlin, Nicodemus 184 Fritsch, T. E. 27 Fritsch, Thomas 354 Fritsche, Tobias Ehrenfried 158,160, 265 Fuchs, Johann Samuel 81, 841 Funcke, Christian 32, 39ff, 64,128 Funcke, Gabriel 39 Gajek, Konrad 39 Gehler, Friedrich Wilhelm 62 Gehler, Johann 83 Geißler, Georg 62,105 Geliert, Christian Fürchtegott 5,142, 269 Gerflinger, Georg 184 Gerhard, Johann 186 Gerhardt, Paul 186 Gersdorf, Gottlob Friedrich von 288f. Gervinus, Georg Gottfried 10 Geyer, Martin 184 Geyser, Albert Christian Gottlieb 126 Geyser, Gottfried 42, 92,126ff., 138 Gichtel, Johann Georg 182 Glafey, Adam Friedrich 183, 258£ Glaser, Michael Konrad 80f., 89 Gleditsch, Catharina Louise 183, 203 Gleditsch, Christian 80 Gleditsch, Johann Gottlieb 162,183 Glüsing, Johann Otto 182 Goethe, Johann Wolfgang von 5 , 1 7 , 161,165, 269f. Goetten, Gabriel Wilhelm 6, 256, 276 Golaw, Salomon von s. Logau, Friedrich von Gondolatsch, Max 65 Góngora y Argote, Luis de 188 Goodman, Katherine R. 202 Gotten, Gabriel Wilhelm VIII, 230 Gottschaidt, Johann Jakob 261 Gottsched, Johann Christoph VHIf., X I I , Iff., 6£, 9f£, 16f£, 21f£, 43f„ 51, 53, 56, 58, 60£, 62, 66, 73, 75, 78f„ 85, 87, 90f£, 97, 111,1151, 120, 131ff„ 144f£, 172-305, 321ff, 347, 349ff.

Gottsched, Luise Adelgunde Victorie 7, 62,136,146f„ 150,152,173,175,183, 204, 239, 242, 248 Gottschick, Samuel 59 Gottschling, Christian 62 Gottwalt, Jeremias 58, 260 Grau, Conrad 139 Greiffenberg, Katharina Regina von 185, 245 Grimm, Melchior 62 Grimmelshausen, Johann Christoph von 183, 185 Große, G. G. 41 Grosser, Johann Gottlob 42 Grosser, Samuel 25, 27, 32f£, 62, 64f., 68, 70, 128, 138, 166£, 173 Grotius, Hugo 85 Grüne, Christian 100 Gryphius, Andreas 85, 87,185, 263, 309, 325, 336 Gryphius, Christian 87,181, 185, 188 Guarini, Giovanni Battista 309 Gude, Gottlob Friedrich 5 Gueintz, Christian 188 Guevara, Fray Antonio de 189 Günther, Heinrich 41, 51, 54 Günther, Johann Christian 13, 43, 76, 93, 100, 104ff„ 158f£, 162, 176,185, 265f., 325f. Guyon, Jeanne Marie von (geb. Bouvier de la Motte) 308 Hadrian, römischer Kaiser 107 Hag, D. H. M. 247 Hagedorn, Friedrich von 186, 229, 248 Hahn, Joachim Hermann 133 Haidt, Anna Maria (verh. Werner) 183 Hallmann, Johann Christian 185 Hamann, Johann Georg (der Ältere) 61, 73, 77f„ 88, 90, 92,102,156ff„ 186, 192ff„ 196, 199f., 205, 215, 218, 248, 304 Hancke, Gottfried Benjamin 214f., 218ff. Hantelmann, Johann Konrad 149 Häntzschel, Johann Gottfried 130 Hardt, J. G. 85 Hardtwig, Wolfgang 15 Harper, Anthony J. 55 Harsdörffer, Georg Philipp 182, 185 Haßfurth, Johann Christoph 45, 48 Haugwitz, Friedrich Adolph von 33 Haynisch, Johann Christoph 300 Hebbel, Friedrich 268f. Hecker, Heinrich Cornelius 131ff, 159, 179

386 Hedió, Caspar 189 Hedluff, Gottfried 50, 62, 95 Heermann, Gotthold 62,129 Heermann, Johann 186 Heineccius, Gottlieb 174 Heidt, Kerstin 19, 25 Hennig, Gottfried 164 Henrici, Chr. Friedrich (Picander) 12, 185, 219 Hentzschel (Kantor in Schulpforte) 183 Heraeus, Karl Gustav 309 Herbst, Johann Baptist 183 Herder, Johann Gottfried 5£, 15 Herodianos 189 Herodot 189 Herzog, E. 175 Hesiod 95 Hettner, Hermann 10 Heumann, Christoph August 7, 205, 222 Hille, Karl Gustav von 188 Hiob 337 Hippokrates 341 Hoffmann, Balthasar 58, 88,181,190, 218 Hoffmann, Friedrich 341 Hoffmann, Georg Melchior 70 Hoffmann, Gottfried 31, 36 Hoffmann, Herbert 19 Hoffmannswaldau, Christian Hoffmann von 84, 87,184£, 192, 263f„ 273, 309, 324 Hofmann, H. 65 Homer 182, 189, 331, 333 Hommel, Karl Ferdinand 253 Horaz, Quintus Flaccus 78, 95, 174, 188, 193, 312, 321 Hövel, Konrad von 188 Huber, Michael 7f. Hübner, Johannes 123 Hudemann, Ludwig Friedrich 230f. Huet, Pierre-Daniel 243f. Hunold, Christian Friedrich (Menantes) 54, 87,184, 309 Ibbeken, Georg Christian 149, 300 Im Hof, Ulrich 14 Isaac, Johann Kaspar 40f., 62,166 Isokrates 347 Jablonski, Daniel Ernst 291f, 295, 297 Jablonski, Johann Theodor 297 Jakob II., König von England 105 Jakob (III.), Thronprätendent von England 105 Jarige, Philippe Joseph de 298

Jerichow, Traugott Immanuel 130£ Jesus Christus 35, 96f£, 126Í, 130,159, 171 Jöcher, Christian Gottlieb 145, 241£ Johann Georg III., Kurfürst von Sachsen 41 Jorcke, Gottfried 62 Juncker, Gottlob Friedrich Wilhelm 140, 216£, 218, 245 Junius, Ulrich 354 Juvenal, D. Junius 95 Kallmann, George 62 Karg, Friedrich 81,108£ Karl VI., römisch-deutscher Kaiser 141, 299 Karl von Anjou, König von Neapel und Sizilien 106 Karl XII., König von Schweden 71£, 105,107 Kästner, Abraham Gotthelf IX, 21, 24, 156 Kästner, Gottlob 62, 68, 87 Keck, Johann Michael 228, 231, 294 Kempe, Martin 185 Kempis, Thomas a 181 Kestner, J. Chr. 270 Ketelsen, Uwe-K. 11 Kiesewetter, Karl Gottlob von 167 Kirchbach, Hans Karl von 237, 280, 285, 287 Klaj, Johann 184 Klausing, Heinrich 144 Kletschke, David Gottfried 167 Klopstock, Friedrich Gottlieb 17 Knauthe, Christian 25 Knoblauch, Johann George 134, 138 Knöcher, J. G. 95 Knöcher, Johann Martin 177 Koberstein, August 9£ Köhler, Heinrich 244 Konhard, Johann Friedrich 168 König, Jacob Bernhard 286f£ König, Johann Ulrich von 88, 90£, 106, 123f£, 140,175, 196£, 200£, 215f£, 253, 282f£, 309 Könislöw, Paul Gottfried von 62, 99,104 Konradin 106 Köster, Albert 10 Krause, Johann Gottfried 186 Krause, Johann Gottlieb 91,194£, 197, 204, 216, 232, 257£, 282£ Krause, Johann Heinrich 48, 58£ Kretschmar, Gottfried 68 Kreutz, Adam 191

387 Kreutzer, Hans Joachim 12f. Kroker, Ernst 3,18, 23, 26, 48,123,177 Krug, Wilhelm Traugott 180 Krumbholtz, Christian 170 Kuhlmann, Quirinius 186 Kulmus, Johann Georg 182 Kunad, Friedrich Gottlieb 164,191 Küpper, Christian 94 La Croze, Maturin Veyssière 165 Lambert, Anne-Thérèse 242 Lamprecht, Jacob Friedrich 187, 204, 229, 246 Lange, Gottfried 14 Lange, Chr. Gottfried 183 Lange, Joachim 37, 337 Lange, Karl Heinrich 182, 2361, 262f. Lange, Samuel Gotthold 4 Langenmantel, Hieronymus Ambrosius 116 Langguth, Johann Ludwig 224 Laube, Heinrich 9 Lauer, Friedrich 51 Law, John 100 Lea, Elisabeth 3 Ledermüller, Martin Frobenius 150 Lehmann, J.B. 1051 Lehmann, Johann Christian 168 Lehms, Georg Christian 42, 62, 66ff., 78, 104,107, 185, 245, 304 Leibniz, Gottfried Wilhelm 50, 57, 86, 95, lllf., 114,117,120,126,130,133, 149,151,165,172,181,188,196, 204, 207, 221, 223, 233, 2401, 244, 254, 281ft, 291 Lemcke, Carl 10 Lemker, H. C. 301 Lenfant, Jacques 240 Lenglet du Fresnoy, Nicolas 162 Leszynski, Stanislaw, König von Polen 105 Leube, Hans 128 Lichtenberg, Georg Christoph 6, 270 Lichtwer, Magnus G. 302 Liebers, Johann Heinrich 240ft Linck, Christian Heinrich 168 Linck, Johann Heinrich 1681,177 Liscow, Christian Ludwig 229, 248 Liscow, Joachim Friedrich 229 Litzel, Georg 183, 295 Livius, Titus 323 Locke, John 149 Lohenstein, Daniel Casper von 87,185, 192, 221, 2631, 2981, 309, 324, 326, 336

Longos 329 Loos, Christian von 3511 Löscher, Valentin Ernst 120,184, 261, 277 Logau, Friedrich von 87 Lotter, Johann Georg 46,181,183, 204, 213, 221, 274, 289ft, 293, 349 Louise Henriette von Orleans 112 Lucanus 188, 321 Lucretius Carus 330 Ludwig Rudolph, Herzog von Braunschweig-Wolfenbüttel 233, 261 Ludwig von Anhalt, Fürst 188 Ludwig XIV, König von Frankreich 105, 107, 315 Ludwig, Christian Gottlieb 17, 211, 24, 47, 1551, 180, 267 Ludwig, Gottfried Thomas 348 Ludwig, Siegmund 84 Lukian von Samosata 188, 348 Lund, Zacharias 185 Lünig, Johann Christian 194 Luther, Andreas 41, 62 Luther, Martin 1081, 131,174, 184,197 Lyser, Polycarp 110 Machnitzky, Carl Siegmund 291, 299 Maertens, Heinrich Richard 230 Malherbe, Françoise 308 Manso, Kaspar Friedrich 8 Manteuffel, Ernst Christoph von 92, 133, 137,147, 149, 204, 233, 283ff. Marc Aurel, römischer Kaiser 189 Marche, Christian Gottlieb 1281 Maria Theresia, römisch-deutsche Kaiserin, Königin von Ungarn und Böhmen 244 Marino, Giambattista 308 Marperger, Bernhard Walther 261, 277, 285, 290, 3531 Märiens, Heinrich Richard 261, 301 Martens, Wolfgang 187 Mascov, Johann Jacob 141, 194, 197 May, Johann Friedrich 2,18, 21fi, 47, 53, 751, 144ft, 164,172, 178,1801, 1891,1991, 203ft, 216, 220, 222, 232, 2351, 242, 245ft, 262, 289, 3041, 314ff„ 347, 349fi Mayer, Johann Friedrich 170 Meiern, Johann Gottfried von 250, 256 Meisner, Daniel 189 Melanchthon, Philipp 182, 189 Ménage, Gilles de 308 Menander, Christoph 186 Menantes s. Hunold, Chr. F.

388 Mencke, Friedrich Otto 209 Mencke, Johann Burkhard (Philander von der Linde) 1, 7, 10,13,17, 27, 45, 47, 54, 75fñ, 80, 87ft, 93, 104, 111, 121ff„ 139, 149,159, 161ff„ 166, 168, 1771,180,1851,1911,194ft, 205, 2141, 219, 222, 224, 226, 252, 258, 262, 265, 2721, 278, 287, 304, 3081, 3121, 3251, 352 Mencke, Otto 161 Mentzel, Gottlob Friedrich 80 Meyer, Gottfried 82, 87, 94, 98,167,169 Meyfarth, Johann Matthäus 184 Michael, Melchior 52, 60,104 Milich, Johann Gottlieb 74 Milton, John 182,188 Minder, Robert VII Mirjam (Propehtin im Alten Testament) 329 Mitchell, Philipp Marshall 2, 231, 269 Mitternacht, Johann Sebastian 187 Mitternacht, Paul Christian 741 Mohammed 68 Molanus, Gerhard Wolter 165 Molière, Jean Baptiste Poquelin 173, 312 Moller, Christoph 166 Moller, Martin 64 Montreux, Nicolas de 181,189 Morgenstern, Mauritius 62, 96 Morhol Daniel Georg 1121,188, 309 Morus, Samuel Friedrich Nathanael 24 Mosheim, Johann Lorenz von 18, 22, 26, 171, 181, 194, 222, 226, 229, 232, 276, 302 Mühlpfordt, Günter 28 Mühlpfordt, Heinrich 87, 185, 309 Müller, Anna Rosine 931 Müller, August Friedrich 168 Müller, Franz 67 Müller, Gottfried Polycarp 145 Müller, Johann Immanuel 184 Murner, Thomas 182,184 Nadler, Joseph 10 Nepos, Cornelius 188, 323 Neuber, Caroline 153,183,185,196, 219 Neuber, Johann 153, 1571 Neubur, Friedrich Christian 194, 258, 301 Neukirch, Benjamin 54,157, 219, 253, 287, 309, 3251, 336 Neumann, Friedrich 18 Neumann, Johann George 62, 74 Neumarck, Georg 184,1871 Neumeister, Erdmann 48, 54, 1311,1911

Newald, Richard 11 Newton, Isaac 207 Nicolai, Friedrich 1, 5 Nitsche, Christian Gottlieb 62 Norton, Thomas 189 Oelinger, Albert 182 Oetinger, Friedrich Christoph 130 Olearius, Johannes 128 Opitz, Johannes 180 Opitz, Martin 85, 91, 125,182, 185ff., 2201, 287, 309, 324, 326 Otto, Rüdiger 282 Ovid Naso 78, 95, 183,188, 321, 333 Owen, John 78,189 Pantke, Adam Bernhard 149,152, 229, 256, 287 Paulinus von Nola 85 Paulus (Apostel) 193, 311 Paur, Theodor 27 Peisker, Johann 188 Perrault, Charles 321 Persius Aules, Flaccus 188 Peter I., der Große, Zar von Rußland 182 Petermann, Johann Erasmus 51, 87, 95f£, 130,160,167 Petersen, Chr. 123 Petrarca, Francesco 183 Pez, Bernhard 1941, 254, 256 Pezold, Friedrich 116 Pfaö, Christoph Matthäus 336 Pfeiffer, Johann Gottlob 128,168 Pfund, Martin Gottlob 80 Philipp V., König von Spanien 105 Philippi, Johann Ernst 1831, 248 Piccolomini, Enea Silvio (Papst Pius II.) 189 Pietsch, Johann Valentin 185,196, 199, 212, 215, 252, 255ff„ 262, 309, 325f. Pitschel (Magister) 23 Piaton 83,171 Plautus, T. Maccius 95 Plinius d. Jüngere 189 Plutarch 189 Polybius 189 Porée, Charles 153 Postel, Chr. Heinrich 186, 326 Präidt, Christian 62 Prasch, Johann Ludwig 46 Prudentius, Aurelius P. Clemens 85 Prützel, Elias 62 Pufendorf, Samuel von 77 Purché, Gottfried 62

389 Rabelais, François 189 Rabener, Gottlieb Wilhelm 173 Racine, Jean Baptiste 182 Räcknitz, Baron von 232 Ranfft, Michael 143 Rauter, Thomas Charles 15f. Rebmann, Georg Friedrich 53 Rechenberg, Adam 128 Rechenberg, Carl Otto 268 Reichel, Eugen 2, 78, 186f., 191 Reimann, Jakob Friedrich 165 Reinbeck, Johann Gustav 133, 299 Reinhardt, August Heinrich 77, 102 Reiske, Johann Jakob 254 Reuter, Christian 13, 56, 93 Richelieu, Armand Jean du Plessis, Herzog von 281, 284, 288, 315 Richey, Michael 123,182, 188, 309 Richter, Ä. L. 45 Richter, Adam Daniel 173 Richter, Adolph Gottlob 103 Richter, Georg Friedrich 150, 254£ Riech, Daniel 32, 42, 74 Rieck, Werner 2£, 60 Riemer, Johannes 263 Rist, Johann 85,184,186 Röber, J. Chr. 49 Rohr, Julius Bernhard von 67 Romanus, Franz Conrad 104, 202 Rosenmüller, Johann 57 Rothe, George 105f., 138 Rothe, Gottlob Wohlgemuth 62, 85f. Rotth, Albrecht Christian 182 Rüdiger, Andreas 144, 168, 207, 233 Rufus, Curtius 188 Saal, Obrist von 33 Sachs, Hans 184, 311, 336 Sachse, Johann Georg 229£, 251 Sallust 188 Salomon, König in Israel 104 Sappho 251 Sautel, Petrus Justus 78 Scaliger, Julius Caesar 81, 187 Schael, Gottfried Benjamin 33f., 38, 42, 167 Schäffer, Ehrenfried 41, 62, 78,129 Schäffer, Melchior 35, 66,128t Scharff, Gottlieb Balthasar 264 Scheibel, Gottfried Ephraim 84 Schelle, Johann 64 Schellhaffer, H. G. 166, 181, 289, 349 Scherer, Wilhelm 10 Scheuchzer, Johann Jakob 168 Schindel, J. Chr. 262

Schirmer, David 185 Schmid, (Magister) 23 Schmidt, Johann 168 Schmidt, Johann Lorenz 152f. Schmidt, Zacharias 42, 51, 62 Schmolck, Benjamin 541, 93, 309 Schoch, Johann Georg 87,185 Schön, Johann Adam 48, 54, 65ff., 93, 304 Schönemann, Daniel 219, 338 Schöps, Salomon 62 Schottel, Justus Georg 114,187 Schröder, Siegmund Gottlieb 76 Schulze, Friedrich 12 Schumann, Gottlieb 140ff. Schürer, Cornelius 62 Schuster, Jakob 90, 181, 208 Schwabe, Johann Joachim 23,148,180, 211, 224, 243 Schwartze, Christoph 62 Schweitzer, Albert 13 Scipio, P. Cornelius Aemillianus 240 Scudery, Madeleine de 189 Sebottendorff, Karl Heinrich von 61, 87 Seckendorf, Friedrich Heinrich von 132, 137, 213, 224, 232, 252, 268 Seckendorf, Veit Ludwig von 188 Seckendorf^ Carl Ludwig Frh. von 92 Seckendorff, Christian Ludwig von 347 Seibert, Peter 202 Seibt, Gottfried 49 Seidel, J. G. 41, 237 Seidel, Samuel 82, 97, 164, 218, 289, 349 Seligmann, Gottlob Friedrich 68 Seneca der Jüngere 78,149,151, 173, 182£, 189, 242, 258, 321 Senfftleben, Gotthardt 80 Seyfried, S. G. 88 Shaftesbury, Anthony Ashley Cooper Earl of 149 Shakespeare, William 188 Sibeth, Gottfried 62,107 Sibeth, Johann Gottlob 107 Sicul, Christoph Ernst 45, 118,123,165, 179, 181, 191£, 257 Siegele, Ulrich 13£ Sixtus V., Papst 105 Soner, Ernst 181 Sorel, Charles 310 Sparmann, Johann Wilhelm 55, 62,140 Spitta, Philipp 12 Stackelberg, Fabian Adam von 247 Stade, Dietrich von 197 Stahl, Georg Ernst 341

390 Steck (Doktor) 252 Steinbach, Christoph Ernst 264f. Steinbart, Johann Christian 301 Steinbrecher, Gottfried 63 Steinwehr, Wolf Balthasar Adolph von 22, 181, 204, 219, 225 Stieff, Christian 309 Stieler, Kaspar 185 Stiller, Günther 280 Stockmann, Chr. G. 196 Stolle, Gottlieb 186, 250f„ 294ff„ 298 Stolleis, Michael 106 Stolterfoht, Jakob 182 Stoppe, Daniel 228, 267, 301t Straphinus, Johann Andreas 62 Strungk, Nikolaus Adam 64 Struth, Fritz 274 Stryk, Johann Samuel 288 Stübel, Bruno 17f., 23 Stübner, Friedrich Wilhelm 151,155, 290 Sturz, Helfrich Peter 4 Suke, Lorenz H. 225 Swift, Jonathan 134, 240, 2421 Swinden, Christian Jacob 240£ Tacitus, Publius Cornelius 99, 189, 310, 329, 341 Tasso, Torquato 189, 308 Taubert, Otto 64 Taubmann, Friedrich 189 Telemann, Georg Philipp 13, 57, 70 Teller, Romanus 137,183 Tentzel, Wilhelm Ernst 113 Terentius (Terenz) 95,188, 321 Teuber, Christian Andreas 230, 256f. Theokrit 329 Thomasius, Christian 29, 33, 62,145, 207, 288, 299 Thukydides 189 Tize, Johann Peter 187 Trentsch, Christoph 78, 96 Triller, Daniel Wilhelm 159£, 185, 215 Tschammer, Hiob Gotthard 149 Tscherning, Andreas 87,184, 309 Tschirnhaus, Ehrenfried Walther von 29, 79, 281£ Türpe, Michael 181 Uffenbach, Zacharias Conrad von 181 Uhi, Johann Ludwig 255 Uhse, Erdmann 187 Ulrich, Andreas 41, 62 Ulrich, Bernhard Siegfried 81 Unwürde, Johann Abraham 62,107

Urban, Johann Christoph 45, 48, 63ff., 78 Urfé, Honoré de 189 Valerius Maximus 188 Ventzky, G. 276f. Vergil, Publius Vergilius Maro 119,174, 177, 182, 188, 310, 321f£, 329 Viebig, Valentin 59 Vives, Juan Luis 189 Vogel, Julius 17 Volckmann, Anna Helena 251 Wachler, Johann Friedrich Ludwig 8f. Wächter, Johann Georg 115, 253£, 293£ Wagner, Gottfried 253 Waldschmidt, Johann Jacob 342 Wankel, Martin von Seeberg 244 Weckherlin, Georg Rudolf 184 Wehr, Marianne 3 Weichmann, Christian Friedrich 90, 186, 215 Weimar, Klaus 11 Weise, Christian 31, 33, 37, 39£, 68, 87, 105, 114,173,184£, 187, 262£, 324 Weiße, Christian Felix 5,175 Welck, (Herr) 203 Wentzel, Johann Christoph 84£, 87, 309 Wentzel, Immanuel August 43 Werenfels, Samuel 348 Werner, Anna Maria (geb. Haidt) 183 Wickram, Jörg 183£ Wieland, Christoph Martin 269 Wiemers, Gerald 3 Wild, Reiner 11 Wilde, Andreas 62 Winkler, Johann Heinrich 29£, 36, 38, 145, 155, 204, 224, 233f£, 281, 289, 299, 304£, 348£ Winter, Eduard 29 Witkowski, Georg 12,19, 56, 61,111, 123, 186 Wol£ Georg Christian 183, 242f£, 248£ Wolff, Christian 11,19,120,126, 130, 133, 135, 145£, 149, 151, 204, 207, 233£, 238f£, 246, 253, 298£, 305, 337 Wolff, Christoph 13 Wolff, Eugen 4 Wundsch, Michael 52 Xenophon 189 Zachariä, Friedrich Wilhelm 51 Zachmann, Johannes 62 Zäunemann, Sidonia Hedwig 251

391 Zaunstöck, Holger 74f. Zeman, Herbert 159 Zesen, Philipp 184,186 Ziegler und Kliphausen, Heinrich Anselm von 73, 87,156,196, 243, 2631, 309, 337 Ziegler, Caspar 186f.

Ziegler, G. E. 103,106 Ziegler, Christiane Mariane von 12£, 22, 146,155,183, 201fñ, 245ft, 280 Zinzendorf, Nikolaus Ludwig Graf von 128f„ 131,186 Zippel, Christoph 59, 62£, 75, 78