Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats [1 ed.] 9783428533190, 9783428133192

Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ist ein Notbehelf, um für den Fall des unvorhergesehenen Ausscheidens eines

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Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats [1 ed.]
 9783428533190, 9783428133192

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 39

Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats Von

Sebastian Seidel

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN SE IDEL

Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 39

Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats

Von

Sebastian Seidel

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hat diese Arbeit im Jahre 2009 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2010 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-13319-2 (Print) ISBN 978-3-428-53319-0 (E-Book) ISBN 978-3-428-83319-1 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2009/2010 von der Juristischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen als Dissertation angenommen. Zunächst möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Heinz-Dieter Assmann, herzlich danken. Er hat die Bearbeitung des Themas angeregt und es mir ermöglicht, während meiner Zeit als wissenschaftlicher Angestellter in vielfältiger Weise im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht tätig zu sein. Mein Dank gilt ebenso Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Georg Sandberger, der mich durch seine konstruktive Kritik während der Bearbeitung des Themas und die rasche Erstellung des Zweitgutachtens unterstützt hat, sowie den Herren Prof. Dr. Gerald Spindler, Prof. Dr. Hanno Merkt und Prof. Dr. Holger Fleischer für die Aufnahme in die Schriftenreihe „Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschaftsund Kapitalmarktrecht“. Für zahlreiche gute Gespräche und Diskussionen bedanke ich mich bei meinen Freunden PD Dr. Christian Förster sowie Dr. Johannes Fridrich, maître en droit, mit dem mich nicht nur eine jahrelange und in jeder Hinsicht gewinnbringende Zusammenarbeit am Lehrstuhl verbindet. Besonderen Dank schulde ich meinen Eltern, die mir das Studium und die Promotion ermöglicht haben, sowie auch meinen Schwiegereltern für die vielfältige Unterstützung. Allen voran danke ich von Herzen meiner lieben Frau Alexandra für den Rückhalt und die Motivation. Ihr und unserem kleinen Yannick (für später) ist die Arbeit gewidmet. Rottweil, im Frühjahr 2010

Sebastian Seidel

Inhaltsübersicht A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Praktische Bedeutung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafvorschrift als ursprüngliches Regelungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtliche Ergänzung bei Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gerichtliche Ergänzung auch bei Unterbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Der Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags . . . . 1. Fehlen mindestens eines Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterbesetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhinderung und anderweitige Behebung von Vakanzen . . . . . . . . . . . . 5. Zeitpunkt der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorschlags- und Hinweisrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorschlags- und Hinweisrechte gegenüber dem Gericht . . . . . . . . . . . . . 2. Vorschlags- und Hinweisrechte gegenüber anderen Beteiligten . . . . . . . 3. Empfehlungen zur Vermeidung von Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflichten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten hinsichtlich der Ausgestaltung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragspflicht bei Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten hinsichtlich des Kandidatenvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Antragspflicht der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfahrensrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeit und Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsfürsorgeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswahl der zu bestellenden Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsübersicht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Schwierigkeiten der Kandidatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgehen bei der Kandidatensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorgaben der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Empfehlungen des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weitere Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen von Auswahlfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beginn der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einrücken in besondere Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitgliedschaft in Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsratsvorsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Beendigung der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Automatische Amtsbeendigung bei Behebung des Mangels . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Befristung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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F. Die Gesellschaft in verschiedenen Entwicklungsstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaft in Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaft nach Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschaft in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbleibende Kompetenzen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des § 104 AktG in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Praktische Bedeutung und Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Strafvorschrift als ursprüngliches Regelungsinstrument . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gerichtliche Ergänzung bei Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gerichtliche Ergänzung auch bei Unterbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. Der Antragsteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Personenkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags . . . . 1. Fehlen mindestens eines Aufsichtsratsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Dauernde Amtsverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dauernde Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Grad der Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Voraussichtliche Dauer der Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Besondere Rechtsfolgen bei Wegfall der Verhinderung . . . . . . . d) Dauerndes Stimmverbot im dreiköpfigen Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . (1) Stimmverbot bei der Beschlussfassung über den Abberufungsantrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Möglicher Anwendungsfall des § 104 AktG . . . . . . . . . . . . . (c) Teilnahme an der Beschlussfassung trotz Stimmverbots? . . (d) Wirksame Antragstellung durch die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Stimmverbot bei der Zustimmung zu Beraterverträgen . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Bestellung zum Stellvertreter eines Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . f) Anfechtung des Wahlbeschlusses der Hauptversammlung . . . . . . . . (1) Wirkung der Anfechtungsklage und zu berücksichtigende Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26 26 27 27 28 28 29 29 31 31 33 33 34 34 36 38 42 45 45 46 47 49

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Inhaltsverzeichnis (3) Aufschiebend bedingte und rückwirkende gerichtliche Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Keine unzulässige Umgehung von Interessen der Anfechtungskläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Prozessuale Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Vergleich mit anderen Bestellungsakten im Kapitalgesellschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (d) Weitere Voraussetzungen des § 104 AktG . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterbesetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Dreimonatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweck der Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Frühe Kritik der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verstärkte Kritik durch heutige Praxis der Hauptversammlung . . b) Dringender Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Untersuchung des Merkmals dringender Fall . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kategorisierung dringender Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Drohender dringender Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Beseitigung der Auslegungsschwierigkeiten durch Aufhebung der Dreimonatsfrist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhinderung und anderweitige Behebung von Vakanzen . . . . . . . . . . . . a) Bestellung von Ersatzmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Entsendungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unzulässigkeit der Bestellung zusätzlicher Aufsichtsratsmitglieder d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zeitpunkt der Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bevorstehende Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bevorstehende Unterbesetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vorschlags- und Hinweisrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorschlags- und Hinweisrechte gegenüber dem Gericht . . . . . . . . . . . . . a) Gesetzlich geregelte Vorschlagsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ungeschriebene Vorschlagsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Problematik des vom Vorstand ausgehenden Vorschlags . . . . . . (2) Für das Vorschlagsrecht sprechende Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Vergleich mit der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Folgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Mit dem Vorschlag einzureichende Angaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Hinweisrechte und Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hinweis des Vorstands auf Bedenken gegen den vom Aufsichtsrat ausgehenden Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 51 52 53 55 56 57 57 57 58 58 62 63 67 68 68 69 69 71 72 73 73 74 74 75 75 75 77 77 79 80 84 85 85 85

Inhaltsverzeichnis (2) Hinweis des Vorstands auf Bedenken gegen den Vorschlag eines Großaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorschlags- und Hinweisrechte gegenüber anderen Beteiligten . . . . . . . 3. Empfehlungen zur Vermeidung von Konflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einbeziehung anderer Antragsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterbreiten von Alternativvorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ordentliche Aufsichtsratswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Gerichtliche Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erstellen eines Anforderungsprofils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Pflichten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zeitlicher Rahmen der Antragspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Folgen unterlassener Antragstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unterbesetzung des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten hinsichtlich der Ausgestaltung des Antrags . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorschlagspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kandidatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Empfehlungen des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Wirkung einer uneingeschränkten Entsprechenserklärung . . . . . (2) Befristung der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zulässigkeit der Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sinn und Umsetzung der Befristung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Ermessenskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Publizitätspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Registerpublizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ad-hoc-Publizität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Antragspflicht bei Beschlussunfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Folgerungen aus § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG, der Entstehungsgeschichte und den Sanktionsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Allgemeine Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Pflichten hinsichtlich des Kandidatenvorschlags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorschlagspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflicht zur Mitwirkung bei der Kandidatensuche . . . . . . . . . . . . . . . . c) Inhalt der Mitwirkungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Antragspflicht der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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88 91 92 92 93 93 95 97 98 98 98 99 100 104 105 105 106 106 107 108 109 109 111 112 112 113 114 114 115 116 118 118 119 120 122

D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 I. Verfahrensrechtliche Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Zuständigkeit und Verfahrensart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123

12

Inhaltsverzeichnis 2. Rechtsfürsorgeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswahl der zu bestellenden Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schwierigkeiten der Kandidatenauswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorgehen bei der Kandidatensuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kandidatenvorschlag liegt dem Gericht vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kandidatenvorschlag liegt nicht vor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mindestqualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zahlenmäßiges Verhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorgaben der Satzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Empfehlungen des DCGK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Weitere Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlagen und Gewichtung der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pflichtgemäßes Ermessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unmittelbar kandidatenbezogene Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Fähigkeiten, persönliche Eigenschaften und zeitliche Verfügbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geschlecht des Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) § 4 Abs. 4 DrittelbG und rechtspolitische Diskussion . . . . . (b) Einfluss des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes . . . . (c) Auswirkungen eines Verstoßes gegen das AGG auf die Wirksamkeit der gerichtlichen Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . (d) Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche . . . . . . . . . . (3) Alter des Kandidaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Internationalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Weitere persönliche Eigenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aktienrechtliche Organisationsverfassung und hypothetisches Wahlergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Interessenkonflikte und Konkurrenzsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Keine ungeschriebene Inkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Besonderheiten bei der gerichtlichen Bestellung . . . . . . . . . . . . . (a) Konflikt mit der Entsprechenserklärung zum DCGK . . . . . (b) Ersatzfunktion der gerichtlichen Bestellung . . . . . . . . . . . . . f) Schwebendes Anfechtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestellung des betroffenen Mitglieds als Regelfall . . . . . . . . . . . (2) Ausnahme bei personenbezogenen Anfechtungsgründen . . . . . . g) Rangfolge der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Folgen von Auswahlfehlern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtskraft versus Inkompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung des Konflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124 125 125 127 127 128 130 130 131 135 136 137 141 141 142 143 143 144 144 146 147 147 150 151 152 152 154 156 159 159 160 162 162 163 165 165 165 167

Inhaltsverzeichnis

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(1) Gesetzliche Bestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Allgemeine Unwirksamkeitsgründe im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Aktienrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Erforderliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Haftungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

167 168 170 171 172

E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Grundsatz der Gleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beginn der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Einrücken in besondere Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Mitgliedschaft in Ausschüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufsichtsratsvorsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kein automatisches Einrücken des gerichtlich Bestellten . . . . . . . . . b) Gescheiterte Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden . . . . . . . . . . . . . . (1) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Vergleichbare Interessenlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Weitere Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 AktG . . . . . . . . . . . . V. Beendigung der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Automatische Amtsbeendigung bei Behebung des Mangels . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Befristung durch das Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Abberufung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Abberufungskompetenz der Hauptversammlung . . . . . . . . . . . b) Gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine gerichtliche Abberufung ohne wichtigen Grund . . . . . . . . . . . 5. Amtsniederlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

175 175 176 177 177 177 178 178 179 179 180 183 184 184 184 185 185 186 186 187 188

F. Die Gesellschaft in verschiedenen Entwicklungsstadien . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesellschaft in Gründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesellschaft nach Umwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gesellschaft in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verbleibende Kompetenzen des Aufsichtsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des § 104 AktG in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

190 190 192 193 194 195

G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218

A. Einleitung Die zwingend vorgeschriebene Verteilung der Kompetenzen auf die Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung ist integraler Bestandteil des deutschen Aktienrechts. Das aktiengesetzliche System der „checks and balances“ baut darauf auf, dass bereits die Kompetenzen zur Bestellung der Organmitglieder aufgeteilt sind: Die Hauptversammlung wählt nach den §§ 101 Abs. 1 Satz 1, 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG die Mitglieder des Aufsichtsrats, der seinerseits für die Bestellung der Vorstandsmitglieder zuständig ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Zusammen mit dem Recht zur Abberufung1 bilden die Bestellungsbefugnisse gleichsam das Fundament des Prinzips der Gewaltenteilung und der Machtbalance, das die Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft prägt. Eine Störung der Bestellkompetenzen kann eintreten, wenn ein oder mehrere Organmitglieder außerplanmäßig wegfallen und eine ordentliche Neubestellung nicht zeitnah vorgenommen werden kann. Wegen des erheblichen zeitlichen, logistischen und finanziellen Aufwands, den die Durchführung einer außerordentlichen Hauptversammlung mit sich bringt2, bedarf es gerade für die Notbestellung von Aufsichtsratsmitgliedern eines effizienten Behelfsinstruments. Das Gesetz ermächtigt nicht etwa ein bestimmtes Gesellschaftsorgan oder einzelne Organmitglieder zur Ersatzbestellung, es sieht vielmehr für diese Fälle das gerichtliche Bestellungsverfahren nach § 104 AktG vor.

I. Praktische Bedeutung und Problemstellung Nach Angaben von in deutschen Großstädten tätigen Registerrichtern gehört die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 AktG zwar nicht zum Tagesgeschäft, jedoch kommen solche Verfahren mit bemerkenswerter Regelmäßigkeit vor. Abhängig von der Größe der Städte und der Anzahl dort ansässiger Unternehmen hat ein Registerrichter teilweise nur etwa drei, andernorts aber rund fünfzig Aufsichtsratsmitglieder pro Jahr zu bestellen3. Auch ein Blick in die veröffentlichten Geschäftsberichte börsennotierter Aktiengesellschaften der 1

§ 103 Abs. 1 AktG bzw. § 84 Abs. 3 AktG. Bereits Ende der neunziger Jahre betrugen die Kosten für die Hauptversammlung einer Publikums-AG im Durchschnitt rund 2 Mio. DM, Singhof, in: AG 1998, 318; nach Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 53 können die Kosten einer außerordentlichen Hauptversammlung einer börsennotierten AG „in die Hunderttausende gehen“. 3 Die Angaben aus der Praxis beruhen auf einer Umfrage unter Registerrichtern in zwanzig deutschen Großstädten, die der Verfasser im Zuge der Untersuchungen für die 2

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A. Einleitung

vergangenen Jahre zeigt eine nicht unerhebliche Zahl von gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitgliedern. So wurden beispielsweise bei der Daimler AG im Februar 2008 zwei neue Aufsichtsratsmitglieder der Anteilseignerseite gerichtlich bestellt, nachdem die jeweiligen Vorgänger ihr Amt niedergelegt hatten4; im Aufsichtsrat der Metro AG wurden im Jahre 2007 ebenfalls zwei Vakanzen durch gerichtliche Bestellung behoben5. Im Anschluss an die vieldiskutierte Übernahme durch die Schaeffler Gruppe wurde auch der Aufsichtsrat der Continental AG Anfang des Jahres 2009 gerichtlich ergänzt. Dabei bestellte das AG Hannover gleich vier der Schaeffler Gruppe zugehörige Personen in den Aufsichtsrat der Continental AG 6. Diese Angaben machen deutlich, dass die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats von erheblicher praktischer Bedeutung ist und weitaus häufiger vorgenommen wird, als es die ursprüngliche Konzeption als Notbehelf erwarten ließe. Dennoch fand sich in der Vergangenheit nur eine relativ geringe Zahl von Gerichtsentscheidungen, die sich mit der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern befasste. Das mag nicht zuletzt auch den Umständen geschuldet sein, dass zum einen das Verfahren häufig unproblematisch abläuft, und zum anderen der Zusammensetzung des Aufsichtsrats früher nicht die Bedeutung beigemessen wurde, wie es heute der Fall ist. In den letzten Jahren werden indes zunehmend Gerichtsentscheidungen veröffentlicht, in denen die gerichtliche Ergänzung relevant wird. Neben Problemen, die direkt in § 104 AktG angelegt sind – etwa ob auch eine vorübergehende Amtsverhinderung eines Aufsichtsratsmitglieds eine ergänzungsbedürftige Vakanz darstellen kann, oder wann ein „dringender Fall“ im Sinne des § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG gegeben ist –, spielen auch Rechtsfragen eine Rolle, die allgemein die Besetzung des Aufsichtsrats betreffen und bei der gerichtlichen Ergänzung des Gremiums in einem besonderen Licht erscheinen. Dies gilt beispielsweise für die Frage, ob und inwieweit das Gericht bei seiner Ermessensentscheidung über die Auswahl der zu bestellenden Person den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) berücksichtigen muss, wenn die betroffene Aktiengesellschaft börsennotiert7 ist und eine uneingeschränkte Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgegeben hat8. vorliegende Arbeit durchgeführt hat. Die Ergebnisse der Befragung sind im Anhang zusammengefasst. 4 Interaktiver Geschäftsbericht 2008 der Daimler AG, Bericht des Aufsichtsrats, abrufbar unter http://gb2008.daimler.com/reports/daimler/annual/2008/gb/German/606040/ personalia.html (Stand: 17.6.2009). 5 Eine weitere gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats stand zudem noch unmittelbar bevor, vgl. Geschäftsbericht 2007 der Metro AG, Bericht des Aufsichtsrats, abrufbar unter http://www.metrogroup.de/multimedia/microsite/Geschaeftsbericht-2007/pdf/GB 2007-de.pdf (Stand: 26.5.2009). 6 Vgl. LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341. 7 Mit der Neufassung des § 161 AktG durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I,

I. Praktische Bedeutung und Problemstellung

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Hier deutet sich bereits an, dass die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats in Konflikt mit der Corporate Governance geraten kann, insbesondere hinsichtlich der in diesem Kontext immer nachdrücklicher geforderten Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Da meist der Vorstand den Antrag stellt und er dem Gericht zugleich einen konkreten Kandidatenvorschlag unterbreitet, beeinflusst er entgegen der aktienrechtlich vorgeschriebenen Kompetenzverteilung die Zusammensetzung des Gremiums, das ihn kontrollieren soll. Ebenfalls klärungsbedürftig sind die Fälle, in denen ein Großaktionär, der in der Hauptversammlung jedoch nicht über eine gesicherte Mehrheit der Stimmen verfügt, die gerichtliche Ergänzung dazu nutzen will, „seinen“ Kandidaten in den Aufsichtsrat zu schleusen. Des Weiteren erscheint § 104 AktG immer wieder als Behelfsinstrument in verschiedenen Konstellationen. Beispiele für die zahlreichen Fallgestaltungen, in denen Rechtsprechung und Literatur die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats als Lösungsmöglichkeit in Betracht ziehen, sind die Beschlussunfähigkeit des dreiköpfigen Aufsichtsrats wegen eines Stimmverbots9, die anhängige Anfechtungsklage gegen den von der Hauptversammlung gefassten Beschluss zur Wahl des Aufsichtsrats10, die Umsetzung einer Investorenvereinbarung bezüglich der Gremienbesetzung11 und die Bildung des Aufsichtsrats nach einer formwechselnden Umwandlung der Gesellschaft12. Das zunächst als Notbehelf konzipierte und angesichts des mit der Durchführung einer außerordentlichen Hauptversammlung verbundenen Aufwands auch notwendig erscheinende Instrumentarium des § 104 AktG wird mithin in der Praxis extensiv angewandt. So stellt sich die Frage, ob auch andere, die aktienrechtliche Organisationsverfassung weniger beeinträchtigende Lösungsmöglichkeiten existieren. Ebenso ist zu klären, inwieweit bei Vor1102 ff., wurde der sachliche Anwendungsbereich auf Gesellschaften erweitert, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden (§ 161 Abs. 1 Satz 2 AktG). 8 Vgl. etwa die Entscheidungen des OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 ff. sowie des LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341 ff. 9 BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427 ff.; OLG Frankfurt a. M. v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, NZG 2006, 29 ff.; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 13; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 58; Priester, in: AG 2007, 190 ff.; Bosse, in: NZG 2007, 172 ff.; v. Schenck, in: DStR 2007, 395 ff.; Vetter, in: AG 2006, 173 ff.; Stadler/Berner, in: AG 2004, 27 ff.; dies., in: NZG 2003, 49 ff.; Keusch/Rotter, in: NZG 2003, 671 ff.; Leuering, in: EWIR 2003, 845 ff.; Kuthe, in: BB 2003, 2143 ff. 10 OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822 ff.; LG München I v. 22.12. 2005 – 5HK O 9885/05, AG 2006, 762 ff.; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806 ff.; Kocher, in: NZG 2007, 372 ff. 11 Dazu Kiem, in: AG 2009, 301, 309. 12 Vgl. Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 197 Rn. 73 ff.; Quass, in: Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, § 197 Rn. 39 ff.; Decher, in: Lutter/Winter, UmwG, § 197 Rn. 47 ff.; Joost, in: Festschrift für Claussen, S. 187, 194 ff.

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A. Einleitung

nahme einer gerichtlichen Ergänzung allgemeine aktienrechtliche Vorgaben zur Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern einzubeziehen sind, um den § 104 AktG nicht entgegen seiner Ersatzfunktion überzustrapazieren, ohne jedoch gleichzeitig die Effizienz des gerichtlichen Notbehelfs übermäßig zu beeinträchtigen. Ein Ansatzpunkt besteht darin, die Kandidatenauswahl im Rahmen des § 104 AktG in rechtliche Kategorien zu fassen. Sowohl die Kompetenzen und das Verfahren bei der Kandidatenauswahl, als auch die materiellen Auswahlkriterien sind dabei zu beleuchten, um den berechtigten Interessen der Beteiligten hinreichend Rechnung tragen zu können. Da die im Aufsichtsrat vertretenen Personen die Arbeit und Effizienz des Gremiums maßgeblich prägen, kommt der Zusammensetzung des Aufsichtsrats erhebliche Bedeutung zu. Infolge zahlreicher Unternehmenskrisen wird immer wieder Kritik an den Aufsichtsräten laut, was dazu führt, dass Gesetzgeber und Rechtsprechung die Verantwortung der Kontrollgremien weiter herausstellen13. Damit Kontrolle und Beratung des Vorstands ordnungsgemäß funktionieren, bedarf es daher – gerade bei der gerichtlichen Bestellung – einer sorgfältigen Auswahl der Aufsichtsratskandidaten.

II. Rechtsgrundlagen Bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats können zahlreiche Rechtsvorschriften eine Rolle spielen, die jeweils spezifische rechtliche Aspekte betreffen. In erster Linie ist freilich § 104 AktG heranzuziehen. Bereits nach dessen Absatz 1 Satz 1 ist jedoch zu prüfen, ob der Aufsichtsrat beschlussunfähig ist, so dass § 108 Abs. 2 AktG mit einbezogen werden muss. Da nach § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG die allgemeinen, personenbezogenen Voraussetzungen, die ein Aufsichtsratsmitglied nach Gesetz oder Satzung erfüllen muss, auch bei der gerichtlichen Bestellung gelten, werden die §§ 100, 105 AktG ebenso relevant wie, sofern es um die Bestellung von Arbeitnehmervertretern geht, Vorschriften des Mitbestimmungsrechts. Zu diesen materiellrechtlichen Normen kommt die verfahrensrechtliche Komponente hinzu. Da es sich bei der gerichtlichen Ergänzung um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, gilt seit September 2009 das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)14, welches das bisherige Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) ablöst und das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf eine neue Grundlage stellt. Als unternehmensrechtliches Verfahren wird für die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats innerhalb des 13

Vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV m.w. N. Eingeführt durch das Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG) vom 17.12.2008, BGBl. I, 2586 ff. 14

III. Gang der Darstellung

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FamFG das Buch 5 (Verfahren in Registersachen und unternehmensrechtliche Verfahren) sowie das allgemeine Verfahrensfragen betreffende Buch 1 (Allgemeiner Teil) relevant. Weiteres Element im Kontext des § 104 AktG ist der Deutsche Corporate Governance Kodex. Die Empfehlung der Ziffer 5.4.3 Satz 2 des DCGK in der Fassung vom 6. Juni 2008 betrifft unmittelbar die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern: Die Amtszeit des gerichtlich Bestellten soll danach bis zur nächsten Hauptversammlung befristet werden. Zum anderen ist der Kodex insofern indirekt einschlägig, als er Empfehlungen hinsichtlich des Profils der Aufsichtsratsmitglieder enthält (Ziff. 5.4.1 und 5.4.2), wobei die Auswirkungen dieser Empfehlungen auf die Kandidatenauswahl bei der gerichtlichen Ergänzung klärungsbedürftig sind. Entferntere Bezüge bestehen schließlich zum Umwandlungs- sowie zum Insolvenzrecht. Während die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nach einer formwechselnden Umwandlung in eine Aktiengesellschaft ein adäquates Instrument sein könnte, um möglichst rasch einen Aufsichtsrat bilden zu können, stellt sich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft die Frage, ob in diesem Stadium die Behebung von Vakanzen im Aufsichtsrat nicht generell obsolet ist.

III. Gang der Darstellung Im Zentrum der Untersuchung stehen die Voraussetzungen, die eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats möglich und erforderlich machen, sowie die im Zusammenhang mit dem Verfahren bestehenden Rechte und Pflichten der Beteiligten, mithin des Antragstellers, des Gerichts und des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds. Dabei steht der nach den Bestimmungen des Aktiengesetzes zusammengesetzte Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft im Mittelpunkt, aber auch auf mitbestimmungsrechtliche Besonderheiten wird eingegangen. Zunächst werden die historischen Entwicklungslinien der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats nachgezeichnet (nachfolgend B.). Der weitere Gang der Untersuchung orientiert sich an den im Verfahren des § 104 AktG maßgeblich Beteiligten: Den ersten Schwerpunkt bilden die Rechtsfragen, die sich für die potenziellen Antragsteller ergeben (C.), wie etwa die im Vorfeld des Verfahrens notwendige Prüfung, ob ein Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds gestellt werden kann oder gar muss, sowie die Ermittlung des richtigen Zeitpunkts für die Antragstellung. Zudem sind die Vorschlags- und Hinweisrechte sowie die möglichen Mitwirkungspflichten des Antragstellers zu beleuchten, die sich sowohl aus verfahrensrechtlichen als auch aus aktienrechtlichen Bestimmungen ergeben können.

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A. Einleitung

Danach konzentriert sich die Untersuchung auf die Perspektive des Gerichts (D.). Hier werden insbesondere die für die Kandidatenauswahl maßgeblichen gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben erläutert. Hinzu kommen die in die Auswahlentscheidung einzubeziehenden Ermessenserwägungen, die dazu beitragen sollen, dass möglichst keine Angriffspunkte für Rechtsmittel entstehen, sondern eine tragfähige Entscheidung ergeht. Im Anschluss daran wird die Rechtsposition des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds nach Abschluss des Bestellungsverfahrens behandelt (E.). Hier ist insbesondere zu klären, ob das gerichtlich bestellte Mitglied, das für den zuvor ausgeschiedenen Aufsichtsratsvorsitzenden bestellt wird, dessen Vorsitzposition einnimmt, und welche Besonderheiten hinsichtlich der Amtsbeendigung des gerichtlich Bestellten gelten. Zuletzt wird die Aktiengesellschaft, deren Aufsichtsrat ergänzt wird, insofern in den Fokus gerückt, als bei ihr im Verlauf verschiedener Entwicklungsstadien in unterschiedlicher Weise eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats in Betracht kommt (F.).

B. Historische Entwicklung Die folgende Darstellung der historischen Entwicklungslinien des § 104 AktG und seiner Vorläufer1 zeigt, wie sich die gesetzlichen Instrumentarien zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats im Laufe der Zeit wandelten. Die für die Auslegung der geltenden Bestimmungen heranzuziehende Genese der Vorschriften über die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats führt bis in das 19. Jahrhundert zurück und lässt sich in drei wesentliche Etappen unterteilen, an deren Ende sich die heutige Fassung des § 104 AktG findet.

I. Strafvorschrift als ursprüngliches Regelungsinstrument Dem Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuch (ADHGB) aus dem Jahre 1870, das erstmals einen obligatorischen Aufsichtsrat für die Aktiengesellschaft vorsah2, war die Ergänzung des neu eingeführten Pflichtorgans durch das Gericht noch nicht bekannt. Der damalige Gesetzgeber war aber bestrebt, die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats in den Gesellschaften kontinuierlich aufrecht zu erhalten. Hintergrund war der mit der ersten Aktienrechtsnovelle von 1870 vollzogene Übergang vom Konzessions- zum Normativsystem und die damalige Intention des Gesetzgebers, dem Aufsichtsrat als Kontrollorgan eine Ersatzfunktion für die bisherige Staatsaufsicht beizumessen3. Führte der Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds zur Beschlussunfähigkeit, sollten die Mitglieder der Gesellschaftsorgane veranlasst werden, die mangelhafte Besetzung möglichst schnell zu kompensieren. Hierauf wirkte Art. 249 Nr. 2 ADHGB mit Nachdruck hin: Vorstands- und Aufsichtsratsmitgliedern wurde eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Monaten angedroht, wenn sie eine länger als drei Monate währende Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats verschuldet hatten. Die genannte Strafvorschrift kann als Ursprung der heute vorgesehenen gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats bezeichnet werden. So unterschiedlich die beiden Regelungsinstrumente ausgestaltet sind, gibt es doch Parallelen in ih-

1 Zur Gesetzesgeschichte des § 104 AktG vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 1 ff.; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 5 ff. 2 Art. 209 Nr. 6 ADHGB 1870, abgedruckt in Schröder, Corpus Iuris Civilis, Erster Theil, Die handelsrechtlichen Gesetze. Allgemein zur geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts Assmann, in: Großkommentar, AktG, Einl. Rn. 79 ff. m.w. N. 3 Vgl. Assmann, in: Großkommentar, AktG, Einl. Rn. 80, 86.

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B. Historische Entwicklung

rer Funktion, denn letztlich sollen hoheitliche Maßnahmen die Beschlussfähigkeit und Effektivität der Aufsichtsräte wahren. Die zweite Aktienrechtsnovelle von 18844, die maßgeblich von vorausgegangenen Krisen des Aktienwesens geprägt war, führte insbesondere zu strengeren Regelungen hinsichtlich der aktienrechtlichen Organisation5. So lässt sich erklären, dass die nunmehr in Art. 249 c Satz 1 Nr. 1 ADHGB verortete Strafnorm in doppelter Hinsicht verschärft wurde: Zum einen sah sie kumulativ6 zur Gefängnisstrafe eine Geldstrafe vor. Zum anderen wurde den Verwaltungsmitgliedern aufgebürdet, hinsichtlich des Verschuldens eine Art Exkulpationsbeweis zu führen7. Wenn man bedenkt, dass es sich um ein echtes Unterlassungsdelikt handelte, das die Vollendung der Tat und damit die Strafbarkeit früh eingreifen ließ, stellte dies im Hinblick auf den Grundsatz in dubio pro reo eine für das Strafrecht bedenkliche Beweislastverteilung dar. Die Verwaltungsmitglieder mussten beweisen, dass sie zumindest geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit eingeleitet hatten.

II. Gerichtliche Ergänzung bei Beschlussunfähigkeit Wie sich in den nachfolgenden Jahren zeigte, reichte die Strafvorschrift trotz ihrer Strenge nicht aus, stets für beschlussfähige Aufsichtsräte in den Aktiengesellschaften zu sorgen. Deshalb entwickelten sich in Teilen der Rechtsprechung und der Literatur Tendenzen, § 29 BGB analog anzuwenden, der schon damals die gerichtliche Bestellung eines Notvorstands beim rechtsfähigen Verein vorsah. Als Argument für diese umstrittene Analogie wurde angeführt, bei der Aktiengesellschaft nähmen Vorstand und Aufsichtsrat die Funktionen des Vereinsvorstandes wahr8. Um die dadurch hervorgerufene unsichere Rechtslage in den Fällen beschlussunfähiger Aufsichtsräte zu regeln, wurde mit dem Aktiengesetz 19379 eine an 4 Gesetz, betreffend die Kommanditgesellschaften auf Aktien und die Aktiengesellschaften vom 18.7.1884, RGBl. S. 123 ff. 5 Assmann, in: Großkommentar, AktG, Einl. Rn. 89 ff., insbesondere Rn. 92, m.w. N. 6 Staub, ADHGB, Art. 249 c Rn. 5. 7 Nach Satz 3 der Vorschrift trat die Strafe „nicht gegen denjenigen ein, welcher nachweist, dass die [. . .] Ergänzung des Aufsichtsraths [. . .] ohne sein Verschulden unterblieben ist.“ Zum damals umstrittenen Verständnis dieser Bestimmung als „echte Beweislastumkehr“ Staub, ADHGB, Art. 249 c Rn. 4. Zum Streitstand hinsichtlich der ähnlich, aber etwas abgeschwächt formulierten Fassung der Strafnorm in § 315 Satz 1 Nr. 1 HGB 1897 Brodmann, Gewerbe- und Industriekommentar, § 315 Anm. 5 und Goldschmit, Die Aktiengesellschaft, § 315 Anm. 4 m.w. N. 8 Vgl. Ritter, AktG 1937, § 89 Anm. 2 in Bezug auf die Jahre vor 1937 m.w. N. auch zur Gegenansicht. 9 Gesetz über die Aktiengesellschaften und die Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 30.1.1937, RGBl. I, 107 ff.

II. Gerichtliche Ergänzung bei Beschlussunfähigkeit

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§ 29 BGB angelehnte Vorschrift zur gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats eingeführt10. Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 hatte das Gericht auf Antrag des Vorstands, eines Aufsichtsratsmitglieds oder eines Aktionärs den Aufsichtsrat auf die zur Beschlussfähigkeit notwendige Zahl zu ergänzen, wenn diese länger als drei Monate unterschritten worden war. Ausdrücklich wurde in Satz 2 die Antragspflicht des Vorstands festgelegt. Die Norm ist dem heutigen § 104 AktG also bereits ähnlich. Jedoch besteht ein wesentlicher Unterschied darin, dass damals noch keine Ergänzung des lediglich unterbesetzten, aber nicht beschlussunfähigen Aufsichtsrats vorgesehen war. Überdies war das Gericht nach Absatz 2 verpflichtet, das von ihm bestellte Mitglied von Amts wegen wieder abzuberufen, wenn die Voraussetzungen für die gerichtliche Ergänzung weggefallen waren. Ein solcher Wegfall war gegeben, wenn die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats unabhängig von dem gerichtlich bestellten Mitglied wieder hergestellt war, etwa durch ordentliche Wahl eines neuen Mitglieds11. Dagegen sieht der heutige § 104 Abs. 5 AktG für diese Fälle das automatische Erlöschen des Amts des gerichtlich bestellten Mitglieds vor, ohne dass es weiterer gerichtlicher Maßnahmen bedürfte. Obwohl nun das Gesetz ausdrücklich die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern regelte, vertraten Teile des Schrifttums, daneben weiterhin § 29 BGB analog anzuwenden12. Als Begründung wurde angeführt, dass die beiden Vorschriften verschiedene Tatbestandsvoraussetzungen hätten und in gewissen „dringenden Fällen“ ein gerichtlicher Eingriff notwendig sei, den § 89 AktG 1937 nicht ermögliche. Die Norm deckte mithin nicht alle Bedürfnisse der damaligen Praxis ab. Die neu eingeführte Befugnis des Gerichts, den Aufsichtsrat auf Antrag zu ergänzen, veranlasste den Gesetzgeber indes nicht, die oben genannte Strafvorschrift zu streichen. Diese bestand vielmehr in modifizierter Form13 in § 297 Nr. 1 AktG 1937 fort und wurde von der Androhung einer Ordnungsstrafe nach § 303 Abs. 1 AktG 1937 flankiert. Nach dieser Regelung hatte das Gericht den Vorstand zur Stellung eines Antrags auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats anzuhalten. Dies korrespondiert mit dem heutigen § 407 Abs. 1 AktG, der bei unterlassener Antragstellung die Festsetzung eines Zwangsgeldes als Beugemaßnahme gegen den Vorstand vorsieht.

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Von § 29 BGB als „Vorbild“ spricht Schmatz, in: WM 1955, 642, 643. Vgl. W. Schmidt, in: Großkommentar, AktG 1937, § 89 Anm. 5. 12 Ritter, AktG 1937, § 89 Anm. 5. 13 Die Strafdrohung sah keine Geldstrafe mehr vor und die fragwürdige „Beweislastumkehr“ entfiel. 11

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B. Historische Entwicklung

III. Gerichtliche Ergänzung auch bei Unterbesetzung Im Zuge der Einführung der Unternehmensmitbestimmung entwickelte sich Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts ein intensiv geführter Meinungsstreit über die Frage, welche Folgen eine Störung des zahlenmäßigen Verhältnisses zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern für die Beschluss- bzw. die damals diskutierte „Handlungsfähigkeit“ des Aufsichtsrats haben sollte14. Damit einher ging die weitere Frage, ob ein solchermaßen gestörtes Machtverhältnis im Aufsichtsrat dessen gerichtliche Ergänzung rechtfertigen konnte. Die daraus resultierenden Unklarheiten nahm der Gesetzgeber im Jahre 1957 zum Anlass, sowohl die Voraussetzungen der Beschlussfähigkeit als auch die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern neu zu regeln und § 89 AktG 1937 den mitbestimmungsrechtlichen Besonderheiten anzupassen15. Die neue Bestimmung war erheblich umfangreicher als ihre Vorgängernorm und legte die bis heute geltende Unterscheidung zwischen der gerichtlichen Ergänzung des beschlussunfähigen Aufsichtsrats einerseits und des lediglich unterbesetzten Aufsichtsrats andererseits fest. Neben dieser grundlegenden Änderung fand sich in § 89 AktG 1937 i. d. F. von 1957 ein weiteres Charakteristikum, das bis heute in § 104 AktG Bestand hat: Bei Beschlussunfähigkeit konnte das Gericht nunmehr auf Antrag sofort eingreifen und nicht erst nach Ablauf von drei Monaten. Zudem wurde der Vorstand verpflichtet, den Antrag bei Gericht unverzüglich zu stellen. Demgegenüber musste bei bloßer Unterbesetzung grundsätzlich die Dreimonatsfrist abgewartet werden. Ausnahmsweise war nach § 89 Abs. 3, Abs. 4 Ziff. 2 AktG 1937 i. d. F. von 1957 die sofortige gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats auch bei bloßer Unterbesetzung in „dringenden Fällen“ zulässig, insbesondere bei Störung des zahlenmäßigen Verhältnisses in paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten16. Diese frühzeitige Eingriffsmöglichkeit des Gerichts ist in Zusammenhang mit dem damaligen § 89 Abs. 1 Satz 4 AktG 1937 i. d. F. von 1957 zu sehen, der ausdrücklich regelte, dass – entgegen zuvor teilweise vertretener Ansicht – auch bei paritätischer Mitbestimmung die bloße Unterbesetzung nicht zu Beschlussunfähigkeit oder Handlungsunfähigkeit führte. Als „Ausgleich“ sollte aber für diese Fälle ein gerichtlicher Notbehelf eingeführt werden, um die Parität zeitnah wieder herzustellen17. Da nun allgemein festgelegt war, dass dringende Fälle eine Ergänzung

14 Vgl. zu den damals vertretenen Ansichten Schmidt/Meyer-Landrut, in: Großkommentar, AktG, 2. Aufl. 1961, § 89 Anm. 2; Auffarth, in: NJW 1957, 1702 f.; Wagner, in: BB 1957, 713, jeweils m.w. N. 15 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Aktienrechts und des Mitbestimmungsrechts vom 15.7.1957, BGBl. I, 714 ff. 16 Heute § 104 Abs. 2, Abs. 3 Ziff. 2 AktG. 17 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 11.

III. Gerichtliche Ergänzung auch bei Unterbesetzung

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des unterbesetzten Aufsichtsrats rechtfertigten, erübrigte sich der Rückgriff auf § 29 BGB analog endgültig. Ebenfalls im Kontext mit den Mitbestimmungsgesetzen steht die im Jahre 1957 eingeführte Berechtigung bestimmter Arbeitnehmergremien, den Antrag auf Ergänzung eines mitbestimmten Aufsichtsrats zu stellen (§ 89 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG 1937). Auch diese Bestimmung lässt eine enge Verwandtschaft mit dem heutigen, freilich erheblich erweiterten Katalog der Antragsberechtigten in § 104 Abs. 1 Satz 3 AktG erkennen. Im Übrigen hatte sich die Einsicht durchgesetzt, dass es unangemessen ist, die Verwaltungsmitglieder wegen dauernder Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats mit strafrechtlichen Sanktionen zu belegen; deshalb wurde die Strafvorschrift in § 297 Nr. 1 AktG 1937 ersatzlos gestrichen18. Die große Aktienrechtsreform 196519 brachte keine konzeptionelle Änderung im Hinblick auf die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats. Der bisherige § 89 AktG 1937 wurde inhaltlich weitest gehend im neuen § 104 AktG 1965 übernommen20, wobei jedoch die Bestimmungen über die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats mit Blick auf die Gesetzessystematik konsequenterweise in § 108 AktG 1965 verortet wurden, der bis heute die „Beschlussfassung des Aufsichtsrats“ regelt. In der Folgezeit blieb § 104 AktG, mit Ausnahme mitbestimmungsrechtlich bedingter Anpassungen21, im Wesentlichen unverändert22. Zuletzt wurden im Jahre 2009 die in § 104 Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 4 und Abs. 6 Satz 3 AktG enthaltenen Bestimmungen über Rechtsmittel gegen die gerichtliche Entscheidung an das neue Beschwerderecht des FamFG angepasst23. Statthaft ist nunmehr die „Beschwerde“, nicht mehr die „sofortige Beschwerde“.

18 Vgl. Klug, in: Großkommentar, AktG, 2. Auflage 1961, § 297 Anm. 5; Auffarth, in: NJW 1957, 1702, 1704. 19 Gesetz über Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien vom 6.9.1965, BGBl. I, 1089 ff. 20 Vgl. zu den weiteren, geringfügigen Änderungen der ansonsten eng an den bisherigen § 89 AktG 1937 angelehnten Vorschrift die Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 144 f. 21 Dazu im Einzelnen Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 7. 22 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 7. 23 Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 353.

C. Der Antragsteller Wegen der Möglichkeit, das Bestellungsverfahren in Gang zu setzen1 und zugleich dem Gericht Kandidatenvorschläge zu unterbreiten, hat der Antragsteller Befugnisse, die sich prägend auf das weitere Verfahren auswirken.

I. Personenkreis Das Aktiengesetz ermächtigt nicht allein den Vorstand, bei Gericht einen Antrag auf Ergänzung des Aufsichtsrats zu stellen. Zur Antragstellung berechtigt ist nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG neben dem Vorstand auch jedes Aufsichtsratsmitglied sowie jeder Aktionär. Letzterer ist auch dann antragsberechtigt, wenn er nur über eine Aktie verfügt2. In mitbestimmten Aktiengesellschaften sind darüber hinaus nach § 104 Abs. 1 Satz 3, 4 AktG diverse Gremien und Repräsentanten der Arbeitnehmerseite antragsberechtigt. Es sind also die „unmittelbar an der Willensbildung im Aufsichtsrat interessierten Personen, Gruppen und Organisationen“3 antragsberechtigt. Demgegenüber haben sonstige Dritte kein Antragsrecht; sie können allenfalls bei Gericht anregen, den Vorstand zur Antragstellung zu veranlassen4. In der Praxis stellt meist der Vorstand, gelegentlich ein (Groß-)Aktionär den Antrag; nur selten wird ein Aufsichtsratsmitglied gegenüber dem Gericht tätig5. Bemerkenswert ist, dass der Vorstand auch bei Unterbesetzung der Arbeitnehmerbank einer mitbestimmten Aktiengesellschaft in der weit überwiegenden Zahl der Fälle den Antrag stellt, meist jedoch zweckmäßigerweise in vorheriger Abstimmung mit der Arbeitnehmerseite, deren Einverständniserklärungen hinsichtlich des benannten Kandidaten dem Antrag beigefügt werden6. Die Antragstellung durch den Vorstand liegt nahe, da die Unterbesetzung des Aufsichtsrats eine Angelegenheit der Gesellschaft ist und der Vorstand deren Lei1 Das Gericht wird nicht von Amts wegen tätig, Geßler, in: Geßler/Hefermehl/ Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 11 f. 2 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 18. 3 Rittner, in: Festschrift für Fischer, S. 627, 634 4 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 12; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 22. 5 So die Angaben der befragten Registerrichter, siehe Anhang. 6 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 36.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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tungsorgan ist. Der Vorstand handelt dabei jedoch nicht als Vertretungsorgan im Namen der Gesellschaft, denn diese ist gerade nicht antragsberechtigt; er handelt vielmehr in eigenem Namen7. Der Vorstand hat gleichwohl einen entsprechenden Beschluss zu fassen und sodann in der nach § 78 AktG zur wirksamen Vertretung erforderlichen Zahl an Mitgliedern zu handeln8, weil § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht den einzelnen Vorstandsmitgliedern, sondern dem Organ das Antragsrecht zubilligt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut, nach dem neben dem „Vorstand“ ausdrücklich die „Aufsichtsratsmitglieder“ antragsberechtigt sind. Das Gesetz differenziert somit deutlich zwischen dem Organ und den einzelnen Mitgliedern.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags Die Voraussetzungen der Antragstellung ergeben sich aus § 104 Abs. 1 und 2 AktG. In diesen beiden Absätzen wird zwischen der Beschlussunfähigkeit und der Unterbesetzung des Aufsichtsrats unterschieden. Im ersten Fall kann der Aufsichtsrat keine wirksamen Beschlüsse fassen und somit seine Funktionen nicht wahrnehmen. Demgegenüber ist der lediglich unterbesetzte Aufsichtsrat nach wie vor beschluss- und weitgehend funktionsfähig. Durch den Mangel an Mitgliedern wird die Arbeitsfähigkeit des Gremiums zwar zumindest potenziell geschwächt und soll daher nicht dauerhaft eintreten, aber das Gesetz nimmt die Unterbesetzung für einen vorübergehenden Zeitraum hin. Dies folgt aus Absatz 2, wonach grundsätzlich erst nach drei Monaten der Unterbesetzung ein Antrag bei Gericht möglich ist, es sei denn, es handelt sich um einen dringenden Fall im Sinne des § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG. 1. Fehlen mindestens eines Aufsichtsratsmitglieds Sowohl § 104 Abs. 1 AktG als auch dessen Absatz 2 setzen das Fehlen mindestens eines Aufsichtsratsmitglieds voraus. Dabei fehlt ein Aufsichtsratsmitglied freilich nicht schon dann im Sinne des § 104 AktG, wenn es an einer Sitzung nicht teilnimmt. Vielmehr setzt die Norm voraus, dass die erforderliche Zahl an 7 Ganz h. M., vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 4; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 16; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 29 m.w. N. Wenn teilweise die Gesellschaft als Antragstellerin bezeichnet wird – vgl. etwa AG Detmold v. 11.11.1981 – 17 HRB 0013, AG 1983, 24 – widerspricht dies dem eindeutigen Wortlaut des § 104 Abs. 1 AktG. Richtigerweise ist der Antrag, den der Vorstand als Vertreter für die Gesellschaft stellt, als eigener Antrag des Vorstands auszulegen oder entsprechend nach § 140 BGB analog umzudeuten, Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 4; Paefgen, in: AG 1983, 25. 8 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 16; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 7; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 3; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 28; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 5; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1703.

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C. Der Antragsteller

Mitgliedern nicht mehr vorhanden ist9, diese also grundsätzlich dem Gremium nicht oder nicht mehr zugehören. Mit anderen Worten: Es muss mindestens ein Aufsichtsratsmitglied tatsächlich oder rechtlich und auf Dauer nicht in der Lage sein, für den Aufsichtsrat bei dessen Funktionswahrnehmung tätig zu sein10. Es gibt verschiedene Gründe, die zum außerplanmäßigen Fehlen eines Aufsichtsratsmitglieds und damit zu einer ergänzungsbedürftigen Vakanz im Aufsichtsrat führen können. Eindeutige Beispiele sind der Tod eines Aufsichtsratsmitglieds, die Abberufung, die Nichtigkeit der Bestellung oder der Wegfall persönlicher, durch Gesetz oder Satzung vorgegebener Bestellungsvoraussetzungen. a) Amtsniederlegung Die Amtsniederlegung durch ein Aufsichtsratsmitglied ist zwar nicht gesetzlich geregelt, nach heute ganz herrschender Ansicht aber ohne Angabe von Gründen möglich. Voraussetzung ist lediglich, dass sie nicht zur Unzeit erfolgt11. In der Praxis ist die Amtsniederlegung einer der häufigsten Gründe für die Beendigung des Aufsichtsratsmandats12 und führt zu einer ergänzungsbedürftigen Vakanz im Aufsichtsrat. b) Dauernde Amtsverweigerung Es stellt sich die Frage, ob die dauernde Amtsverweigerung zu einem Fehlen des Aufsichtsratsmitglieds führt13. Gemeint sind damit Fälle, in denen sich ein 9

Godin/Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 2. Vgl. die ähnlichen Definitionen im Zusammenhang mit dem Fehlen gesetzlicher Vertretungsorgane bei Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, S. 48, 60; Brenner, Vorläufige gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des gesetzlichen Vertretungsorgans, S. 180. Die dort enthaltenen weiteren Ausführungen sind wegen der weiter reichenden und teilweise für die juristische Person existenziellen Bedeutung der gesetzlichen Vertretungsorgane nur eingeschränkt auf die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats übertragbar. 11 Vgl., auch zu den Rechtsfolgen einer Amtsniederlegung zur Unzeit (nach h. M. lediglich Pflichtwidrigkeit des jeweiligen Aufsichtsratsmitglieds, keine Unwirksamkeit der Amtsniederlegung), Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 59 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 103 Rn. 56; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 17; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 103 Rn. 17; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 51; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C Rn. 88. 12 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 60. Nach HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 51 ist die Amtsniederlegung neben dem Tod der häufigste Fall vorzeitigen Ausscheidens von Aufsichtsratsmitgliedern. 13 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 62, spricht diese Fallgruppe ebenfalls an, vermengt sie jedoch mit der sogleich zu behandelnden dauernden Amtsverhinderung. 10

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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Aufsichtsratsmitglied dauerhaft weigert, auch nur das Mindestmaß der erforderlichen Tätigkeiten auszuüben, oder querulatorisch sämtliche Aufsichtsratsbeschlüsse torpediert. In solchen Fällen, die durch ein bewusstes und absichtliches Unterlassen der adäquaten Amtswahrnehmung charakterisiert sind, ist richtigerweise zunächst eine gerichtliche Abberufung wegen schwerwiegender Pflichtverletzung nach § 103 Abs. 3 AktG zu beantragen, die erst im Erfolgsfall zu einem Fehlen des Aufsichtsratsmitglieds führt und damit den Anwendungsbereich der gerichtlichen Ergänzung eröffnet14. Denn das Instrumentarium des § 104 AktG dient nicht dazu, missliebige Aufsichtsratsmitglieder aus dem Gremium zu entfernen15. Insoweit ist die gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund spezieller und damit vorrangig. c) Dauernde Verhinderung Problematisch sind im Gegensatz dazu die Fälle der rein tatsächlichen, unbeabsichtigten und dauerhaften Verhinderung eines Aufsichtsratsmitglieds, insbesondere wegen langwieriger Erkrankung16. Der Wortlaut des § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG („Gehört [. . .] nicht an“) spricht eher gegen ein Fehlen des Aufsichtsratsmitglieds, da es dem Gremium noch formal angehört und lediglich nicht in der Lage ist, an Sitzungen teilzunehmen17. Diese Argumentation anhand des Wortlauts kann jedoch nur Ausgangspunkt der Überlegungen sein. (1) Grad der Verhinderung Zunächst deutet auch die Systematik des Gesetzes darauf hin, dass ein erkranktes Aufsichtsratsmitglied nicht per se als fehlend anzusehen ist: Zum einen lässt das Aktiengesetz in § 105 Abs. 2 Satz 1 erkennen, dass zwischen Fehlen und Verhinderung zu unterscheiden ist. Dieser Vorschrift zufolge können Aufsichtsratsmitglieder vorübergehend zu Stellvertretern von „fehlenden oder verhinderten“ Vorstandsmitgliedern bestellt werden. Zum anderen können nach § 108 Abs. 3 AktG abwesende Aufsichtsratsmitglieder dadurch an der Beschlussfas14 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 21; i. E. auch Baumbach/ Hueck, AktG, § 104 Rn. 7. 15 Diese Argumentation findet sich auch hinsichtlich der insoweit vergleichbaren Notgeschäftsführerbestellung in der GmbH bei OLG Franfurt v. 22.11.1965 – 6 W 363/ 65, NJW 1966, 504, 505. 16 Auch die Haft kommt als Grund für eine dauerhafte Verhinderung in Betracht, vgl. Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1702. 17 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 4; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 18; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 62. Nach Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 26, besagt der Wortlaut der Norm nichts darüber, ob die dauernde Amtsverhinderung zu einer gerichtlichen Ergänzung führen kann.

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C. Der Antragsteller

sung des Aufsichtsrats und seiner Ausschüsse teilnehmen, dass sie schriftliche Stimmabgaben durch einen sogenannten Stimmboten18 überreichen lassen. Nunmehr lässt § 108 Abs. 4 AktG darüber hinaus „schriftliche, fernmündliche oder andere vergleichbare Formen der Beschlussfassung“ zu. Das Aufsichtsratsmitglied kann also seine Stimme auch mittels Telefax oder E-Mail, gegebenenfalls mit elektronischer Signatur, abgeben19. Solange das Aufsichtsratsmitglied in der Lage ist, seinen Willen auf diese Weise in die Beschlüsse einfließen zu lassen, liegt somit noch kein Fehlen des Aufsichtsratsmitglieds vor, das den Anwendungsbereich des § 104 AktG eröffnet20. Die Aufsichtsratstätigkeit erschöpft sich freilich nicht in der Stimmabgabe bei Beschlussfassungen. Die Hauptaufgabe des Aufsichtsrats besteht vielmehr darin, die Geschäftsführung zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG). Daher muss das verhinderte Aufsichtsratsmitglied in der Lage sein, jedenfalls die Mindestanforderungen an die Überwachungspflicht zu erfüllen. In erster Linie ist die Überwachung zwar Aufgabe des gesamten Organs und erst in zweiter Linie Angelegenheit der einzelnen Organmitglieder, jedoch schulden die einzelnen Mitglieder eine ordentliche und gewissenhafte Mitwirkung21. Somit muss sich das Aufsichtsratsmitglied die notwendigen Informationen beschaffen und diese auch in angemessener Weise würdigen können. Ist das Aufsichtsratsmitglied so schwer erkrankt, dass es seinen Willen nicht im Wege der Stimmbotenschaft ausüben kann und auch seine Mitwirkungspflichten nicht erfüllen kann, so ist diese vollständige Amtsverhinderung, wenn zudem das Kriterium der erheblichen Dauer erfüllt ist, dem Fehlen im Sinne des § 104 Abs. 1 AktG gleichzustellen22. Denn die Möglichkeit, den Aufsichtsrat bei einer solchen Verhinderung eines Mitglieds gerichtlich zu ergänzen, entspricht dem Zweck des § 104 AktG, die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats 18 Vgl. dazu Hüffer, AktG, § 108 Rn. 14; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 108 Rn. 54 ff.; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 27 Rn. 69 ff.; Mertens, in: AG 1977, 210 ff. 19 Vgl. Hüffer, AktG, § 108 Rn. 16; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 108 Rn. 13; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 726. 20 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 9; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 19; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 4; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1702; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 62. 21 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 116 Rn. 10; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 111 Rn. 135; ausführlich dazu Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 184 ff.; vgl. auch Vetter, in: ZIP 2008, 1. 22 Ganz herrschende Ansicht, vgl. BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 429; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 12; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 2; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 19; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 56; zweifelnd noch Godin/ Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 2.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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aufrechtzuerhalten 23. Die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats ist bei dauernder, schwerer Krankheit eines Mitglieds ebenso beeinträchtigt wie bei einem formalrechtlich nicht mehr zugehörigen Mitglied. (2) Voraussichtliche Dauer der Verhinderung Damit die Fallgruppe der dauerhaften Amtsverhinderung eingrenzbar wird und nicht jedes erkrankte Aufsichtsratsmitglied als fehlend gilt, kommt es zusätzlich darauf an, dass es sein Amt voraussichtlich über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht ausüben können wird24. Dabei ist zu unterscheiden, ob das Fehlen des Mitglieds zur Beschlussunfähigkeit oder lediglich zur Unterbesetzung des Aufsichtsrats führt: In ersterem Fall ist eine gerichtliche Ergänzung möglichst zeitnah herbei zu führen, wohingegen die Ergänzung wegen bloßer Unterbesetzung grundsätzlich weniger eilbedürftig ist25. Absolut lässt sich der Zeitpunkt, in dem die Ergänzung wegen Unterbesetzung zu beantragen ist, nicht festlegen. Ein unangemessen frühzeitiges Eingreifen des Gerichts ist zwar zu verhindern; wenn aber besonders bedeutsame Entscheidungen im Aufsichtsrat anstehen, die eine Beschlussfassung im vollbesetzten Aufsichtsrat notwendig erscheinen lassen, sollte das Gremium möglichst bald ergänzt werden26. Letztlich entscheiden die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Anzahl der Aufsichtsratssitzungen und gegebenenfalls der Ausschusssitzungen in der jeweiligen Gesellschaft: Je häufiger das Gremium zusammentritt und das betroffene Mitglied voraussichtlich nicht teilnehmen können wird, desto eher kann von einer dauernden Amtsverhinderung gesprochen werden27. (3) Besondere Rechtsfolgen bei Wegfall der Verhinderung Bei der Ersetzung eines dauerhaft verhinderten Aufsichtsratsmitglieds werden dessen Interessen dadurch gewahrt, dass das Amt nicht vollständig erlischt, sondern lediglich ruht28. Sobald das verhinderte Aufsichtsratsmitglied wieder amts23 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 3; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 19. 24 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 12. Von einer Verhinderung auf „unabsehbare Zeit“ spricht Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 9; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 2 verlangen, dass eine „längerfristig[e]“ Verhinderung zu erwarten ist. 25 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 62 f. 26 Wenn besonders bedeutsame Beschlüsse anstehen, kommt auch ein dringender Fall nach § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG in Betracht, dazu unten 3. b). 27 Nach § 110 Abs. 3 AktG müssen zwei Aufsichtsratssitzungen im Halbjahr abgehalten werden; in nicht börsennotierten Aktiengesellschaften kann der Aufsichtsrat beschließen, dass eine Sitzung im Halbjahr abzuhalten ist. 28 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 12; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 20.

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C. Der Antragsteller

fähig ist, kann es seine Tätigkeit wieder aufnehmen. Doch es ist fraglich, ob bei Rückkehr des verhinderten Mitglieds in den Aufsichtsrat das automatische Erlöschen des Amts des gerichtlich Bestellten gemäß § 104 Abs. 5 AktG passt. Eine Ansicht bringt vor, dass sich der genaue Zeitpunkt, in dem die Verhinderung wegfällt und damit der Mangel in der Besetzung des Aufsichtsrats behoben ist, nicht eindeutig bestimmen lasse29. Dementsprechend könne die Amtszeit des gerichtlich bestellten Mitglieds in solchen Fällen grundsätzlich nur im Wege der gerichtlichen Abberufung enden. Das Gericht müsse das von ihm bestellte Aufsichtsratsmitglied stets unverzüglich abberufen, sobald das verhinderte Mitglied wieder amtsfähig sei30. Legt man diese Ansicht zu Grunde, stellen sich weitere Fragen: Die Unklarheit über den Zeitpunkt, an dem die Verhinderung wegfällt, verschiebt sich lediglich auf den Zeitpunkt, an dem das Gericht abberufen muss. Darüber hinaus erscheint es unangemessen, dass das Gericht entgegen dem sonst im Rahmen des § 104 AktG und des die Abberufung regelnden § 103 Abs. 3 AktG geltenden Antragserfordernisses von Amts wegen tätig werden kann und muss31. Für eine Abberufung von Amts wegen gibt es keinen Anhaltspunkt im Gesetz und weder dogmatische noch praktische Erwägungen erfordern solche weitgehenden Befugnisse und Pflichten des Gerichts. Daher ist diese Ansicht abzulehnen. Dem automatischen Erlöschen nach § 104 Abs. 5 AktG kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Zeitpunkt, ab dem das verhinderte Mitglied sein Amt wieder ausüben kann, von diesem selbst festgelegt wird, indem es den Wegfall der Verhinderung darlegt und sich wieder amtsfähig meldet. Mit Zugang dieser formlosen Erklärung gegenüber der Gesellschaft, vertreten durch den Vorstand, und gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden ist der Mangel gemäß § 104 Abs. 5 AktG behoben32. Diese Erklärung ist notwendig, damit die wesentlichen Beteiligten über die gegenwärtige Besetzung des Aufsichtsrats nicht im Unklaren sind. Das verhinderte Aufsichtsratsmitglied hat möglichst frühzeitig seine Rückkehr in die Amtsfunktionen anzukündigen, damit ein reibungsloser Wechsel stattfinden kann. Auf diese Weise werden die berechtigten Interessen aller Beteiligter hinreichend berücksichtigt. Sollte es dennoch zu Streitigkeiten in Bezug auf den Zeitpunkt der Wiederaufnahme der Aufsichtsratstätigkeit kommen, kann gegebenenfalls Feststellungsklage erhoben werden33. 29 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 4. Zur Amtsbeendigung des vom Gericht bestellten Aufsichtsratsmitglieds siehe ausführlich unter E. V. 30 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 27. 31 So aber Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 27, 29. 32 Im Ergebnis ebenso, aber ohne das Erfordernis einer Erklärung Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 116; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 119; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 43. Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 111 lässt schon eine Mitteilung an den Aufsichtsratsvorsitzenden genügen.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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Eine weitere praktikable Lösung besteht darin, bereits mit dem Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats eine Befristung der Amtszeit des zu bestellenden Mitglieds anzuregen. Dies setzt allerdings voraus, dass der Wegfall der Verhinderung zum Zeitpunkt der Antragstellung prognostizierbar ist34. d) Dauerndes Stimmverbot im dreiköpfigen Aufsichtsrat Von vergleichbarer Struktur wie die Fälle der dauernden Amtsverhinderung sind die Konstellationen, in denen ein Mitglied eines dreiköpfigen Aufsichtsrats35 über einen längeren Zeitraum hinweg einem Stimmverbot wegen Interessenkollision unterliegt. Es stellt sich die Frage, ob ein dauerndes Stimmverbot der dauerhaften tatsächlichen Amtsverhinderung und damit dem Fehlen im Aufsichtsrat gleichgestellt werden kann. Wegen des Stimmverbots können nur zwei statt der nach § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG zur Beschlussfähigkeit mindestens erforderlichen drei Aufsichtsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen, so dass eine gerichtliche Ergänzung wegen Beschlussunfähigkeit nach § 104 Abs. 1 AktG notwendig werden könnte. Relevant wird diese Frage insbesondere bei der gerichtlichen Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds aus wichtigem Grund gemäß § 103 Abs. 3 AktG: Um das Abberufungsverfahren bei Gericht einzuleiten, bedarf es nach § 103 Abs. 3 Satz 1 und 2 AktG eines Antrags des Aufsichtsrats und eines vorausgehenden Mehrheitsbeschlusses. Dass das abzuberufende Aufsichtsratsmitglied bei dieser Beschlussfassung einem Interessenkonflikt unterliegt, liegt auf der Hand. Unklar sind jedoch die Auswirkungen der Interessenkollision und deren Bewältigung mit Hilfe des rechtlichen Instrumentariums. (1) Stimmverbot bei der Beschlussfassung über den Abberufungsantrag Vorab ist zu klären, ob ein Aufsichtsratsmitglied überhaupt einem Stimmverbot unterliegen kann. Da es im Aktiengesetz hierzu keine ausdrückliche Regelung gibt, ist diese Frage umstritten. Die überzeugende und hier zugrunde gelegte herrschende Meinung vertritt die analoge Anwendung des § 34 BGB, wonach ein Vereinsmitglied nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft, bzw. entnimmt dieser Vorschrift sowie § 47 Abs. 4 GmbHG einen allgemeinen Rechtsgedanken36. Der Grundgedanke, nie33

Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 43. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 48. 35 Die Zahl dreiköpfiger Aufsichtsräte ist in der Praxis seit dem Gesetz für kleine Aktiengesellschaften und zur Deregulierung des Aktienrechts vom 9.8.1994, BGBl. I, 1961 ff. erheblich angestiegen, Priester, in: AG 2007, 190, 191. 36 Für das Stimmverbot in den Fällen der Beschlussfassung über einen Abberufungsantrag: BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 428; Mertens, in: Köl34

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C. Der Antragsteller

mand könne Richter in eigener Sache sein, tritt gerade bei der Abberufung aus wichtigem Grund deutlich hervor, da von niemandem zu erwarten ist, dass er in Ausführung seines Amtes „an seinem eigenen Stuhl sägt“. Dass der Beschluss nur den Beginn des gerichtlichen Abberufungsverfahrens darstellt und sich damit nicht unmittelbar auf die rechtliche Stellung des Betroffenen auswirkt, ist insoweit unerheblich, da der Beschluss notwendige Voraussetzung für das Abberufungsverfahren ist37. Es liegt also trotz dieser Mittelbarkeit des Beschlusses bereits ein Richten in eigener Sache und damit ein Stimmverbot vor. (a) Beschlussunfähigkeit Während in einem Aufsichtsrat, der aus mehr als drei Mitgliedern besteht, das Stimmverbot des betroffenen Mitglieds keine Auswirkung auf die Beschlussfähigkeit hat, könnte wegen § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG in einem dreiköpfigen Gremium Beschlussunfähigkeit eintreten. Nach dieser Norm müssen „in jedem Fall“ mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen. Wenn nun aber das Stimmverbot dazu führt, dass das betroffene Mitglied nicht teilnehmen kann, ist der nur aus zwei stimmberechtigten Mitgliedern bestehende Aufsichtsrat nach dem Wortlaut der Bestimmung beschlussunfähig. Demzufolge könnte ein dreiköpfiger Aufsichtsrat niemals einen wirksamen Beschluss über den Antrag auf gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 Satz 2 AktG fassen. (b) Möglicher Anwendungsfall des § 104 AktG An dieser Stelle kommt das BayObLG in einer Entscheidung aus dem Jahre 200338 auf den § 104 Abs. 1 AktG zu sprechen. Es beruft sich auf eine Parallele zur dauernden Amtsverhinderung und weist auf die Möglichkeit hin, dass der Aufsichtsrat im Hinblick auf die Beschlussfassung über einen Antrag auf gerichtliche Abberufung „zum Zwecke der Abstimmung über einen solchen Tagesordnungspunkt im Wege des § 104 Abs. 1 AktG ergänzt werden“ könne, und betont

ner Kommentar, AktG, § 103 Rn. 29; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 12; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.232; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 728; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1605. Im Ergebnis ebenso Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 50, die allerdings die Analogie zu § 34 BGB ablehnen und auf einen übergesetzlichen Grundsatz abstellen, wonach es keinen Insichprozess gebe. Gegen ein Stimmverbot Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 103 Rn. 34; zur dogmatischen Begründung allgemein vgl. Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 11 ff.; Mense, Interessenkonflikte, S. 107 ff. 37 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 35 m.w. N. auch zur Gegenansicht. 38 BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427 ff.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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„den Vorteil, dass an der Entscheidung darüber, ob ein Abberufungsantrag gestellt werden soll, eine dritte Person beteiligt“ werde39. Diese Gedankenführung erscheint auf den ersten Blick plausibel: Wie bereits dargestellt40, besteht kein wesentlicher Unterschied zwischen dem Fall, dass ein Aufsichtsratsmitglied dem Gremium rechtlich nicht mehr angehört, und demjenigen Fall, dass es lediglich über einen erheblichen Zeitraum rein tatsächlich an der Amtsausübung gehindert ist, mag es auch formal-rechtlich noch Mitglied sein. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass das Stimmverbot bei der Beschlussfassung über den Abberufungsantrag zwar dauerhaft besteht, sich aber lediglich auf einen einzelnen Beschluss bezieht. Es besteht also eine lediglich partielle Amtsverhinderung41. Im Übrigen ist das betroffene Mitglied bis zur rechtswirksamen Abberufung durch das Gericht voll amtsfähig. Dieser Unterschied soll nach Auffassung im Schrifttum die Parallele zum dauerhaft verhinderten Mitglied verbieten, so dass § 104 AktG nicht eingreifen könne42. Die teilweise vorgebrachte Praktikabilität, dass bereits ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied die gerichtliche Ergänzung beantragen könne43, weitet überdies den bei dem Abberufungsverfahren ohnehin bestehenden Konflikt zwischen dem betroffenen Mitglied und den übrigen Mitgliedern noch aus. Denn das abzuberufende, aber zu diesem Zeitpunkt noch vollwertige Aufsichtsratsmitglied hat nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG ebenfalls ein Antragsrecht und damit einhergehend das Recht, dem Gericht eine bestimmte zu bestellende Person vorzuschlagen. In der Praxis der Registerrichter sind Streitigkeiten unter mehreren Antragstellern über die zu bestellende Person oftmals das Hauptproblem im Rahmen des Bestellungsverfahrens44. Macht das abzuberufende Mitglied von seiner Antrags- und Vorschlagsbefugnis Gebrauch, wird der Konflikt, der das eigentliche Abberufungsverfahren betrifft, gleichsam eine Stufe vorverlagert und bereits in dem Verfahren über die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ausgetragen. Denn es liegt auf der Hand, dass die vorgeschlagenen Personen tendenziell die unterschiedlichen Interessen der jeweiligen Antragsteller repräsentieren und der Bestellungsbeschluss des Gerichts von der benachteiligten Partei im Wege der Beschwerde nach § 104 Abs. 1 Satz 5 AktG angefochten wird. Zwar hat dieses Rechtsmittel

39 BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 429; dem BayObLG folgend: Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 13; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 58. 40 Siehe oben C. II. 1. c). 41 Priester, in: AG 2007, 190, 193. 42 Stadler/Berner, in: AG 2004, 27, 28; Leuering, in: EWIR 2003, 845, 846 hält eine Analogie für möglich; zweifelnd Kuthe, in: BB 2003, 2143. 43 Vgl. Keusch/Rotter, in: NZG 2003, 671, 673. 44 So das Ergebnis der vom Verfasser durchgeführten Befragung der Registerrichter, siehe Anhang.

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keine aufschiebende Wirkung45, doch kann von einer raschen Durchführung des gerichtlichen Bestellungsverfahrens46 in diesem Fall nicht mehr die Rede sein. Zudem ist fraglich, ob der Eingriff in die aktienrechtliche Organisationsverfassung, den die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats stets mit sich bringt, sachlich gerechtfertigt ist. Grundsätzlich bestellt nach dem Zuständigkeitssystem des Aktiengesetzes die Hauptversammlung die Aufsichtsratsmitglieder (§§ 101 Abs. 1, 119 Abs. 1 Nr. 1 AktG). Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ist nach § 104 Abs. 1 und 2 AktG auf die Fälle der Beschlussunfähigkeit und der nicht nur kurzfristigen Unterbesetzung beschränkt. Nach der die Entscheidung des BayObLG kritisierenden Auffassung handelt es sich um eine eng auszulegende und lediglich Notsituationen erfassende Ausnahmevorschrift, die mit den Fällen der dauernden Amtsverhinderung bereits an die Grenze ihres Anwendungsbereichs stoße47. Das Stimmverbot in Bezug auf einen einzelnen Tagesordnungspunkt genüge nicht, um von einer Notsituation oder einer die Handlungsfähigkeit des Organs gefährdenden Situation sprechen zu können. (c) Teilnahme an der Beschlussfassung trotz Stimmverbots? Um dennoch dem praktischen Bedürfnis nach einer gerichtlichen Abberufung aus wichtigem Grund auch im dreiköpfigen Aufsichtsrat zu genügen, setzt diese Auffassung an dem Begriff des „Teilnehmens“ an der Beschlussfassung im Sinne des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG an. Die Teilnahme des dem Stimmverbot unterliegenden Mitglieds an den Beratungen über den zu fassenden Beschluss und die bloße Anwesenheit an der Beschlussfassung sollen genügen, um von einem beschlussfähigen Aufsichtsrat ausgehen zu können48. Ein Großteil der Literatur und nunmehr auch der BGH erachten das dem Stimmverbot unterliegende Mitglied als verpflichtet, an der Aufsichtsratssitzung teilzunehmen und durch Stimmenthaltung einen Beschluss zu ermöglichen49. Somit bestehe kein Bedürfnis für eine gerichtliche Ergänzung.

45 Vgl. den früheren § 24 Abs. 1 Satz 1 FGG; dazu Bumiller/Winkler, FGG, § 24 Rn. 1. Diese Vorschrift konnte wegen des in § 35 Abs. 5 FamFG enthaltenen Verweises auf die Beschwerdevorschriften der ZPO – insbesondere § 570 ZPO, der die ausnahmsweise geltende aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln vorsieht – ersatzlos gestrichen werden, vgl. Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BTDrucks. 16/6308, S. 193. 46 So das BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 429. Dass es durch das Bestellungsverfahren zu unzumutbaren Verzögerungen kommen kann, betonen auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 103 Rn. 50 und § 108 Rn. 63. 47 Vgl. Stadler/Berner, in: AG 2004, 27, 28. 48 Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 51, die sich auf Duden, in: BB 1950, 803 beziehen.

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Diese extensive Auslegung des Begriffs der „Teilnahme“ befremdet, da nach dem Wortlaut des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG weder die bloße Teilnahme an der Beratung noch die bloße Anwesenheit an der Beschlussfassung ausreicht, sondern ausdrücklich die Teilnahme an der Beschlussfassung erforderlich ist50. Unter einem Beschluss ist die Bildung des Organwillens durch Abstimmung über einen Antrag zu verstehen; er ist ein mehrseitiges Rechtsgeschäft eigener Art51. Wenngleich Beschlussvorschläge und vorangehende Beratungen ebenfalls Bestandteile eines Beschlusses sind52, ist doch die eigentliche Abstimmung dessen Kernelement, also die Stimmabgabe durch die anwesenden Mitglieder. Dass die Stimmabgabe konstitutives Merkmal der Beschlussfassung ist, zeigt auch § 108 Abs. 3 Satz 1 AktG, wonach abwesende Mitglieder an der „Beschlussfassung [. . .] teilnehmen“ können, indem sie schriftliche „Stimmabgaben“ überreichen lassen. Auf schriftliche Anregungen oder Argumente, die die vorausgehenden Beratungen beeinflussen können, stellt das Gesetz demgegenüber nicht ab. Die bloße Anwesenheit ohne jegliche Stellungnahme bei der Abstimmung kann aus diesen Gründen nur als Teilnahme an der Sitzung, nicht aber, wie es § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG voraussetzt, als Teilnahme an der Beschlussfassung qualifiziert werden53. Ein schwerlich begründbarer Kunstgriff stellt auch die Teilnahme durch Stimmenthaltung dar. Zum einen würde das dem Stimmverbot unterliegende Mitglied durch seine Stimmenthaltung an der Abstimmung teilnehmen, an der es wegen des Stimmverbots gerade nicht teilnehmen kann54. Dass trotz des Stimm-

49 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2007, 484, 485; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 108 Rn. 57 und 49; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 159; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 108 Rn. 63; Siebel/von Schenck, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 5 Rn. 94; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 27 Rn. 66; Mense, Interessenkonflikte, S. 115 f.; Vetter, in: AG 2006, 173, 179; Krüger/Thonfeld, in: EWIR 2006, 385, 386; Bosse, in: NZG 2007, 172, 175; v. Schenck, in: DStR 2007, 395, 401. 50 Bloße physische Anwesenheit genügt nicht, vgl. Hüffer, AktG, § 108 Rn. 10 f.; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 35; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 108 Rn. 57; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 714. 51 Hüffer, AktG, § 108 Rn. 3; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 108 Rn. 6; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 108 Rn. 11. 52 Ausführlich Priester, in: AG 2007, 190, 192; dagegen Geßler, AktG, § 108 Rn. 4. 53 Vgl. OLG Karlsruhe v. 20.6.1980 – 15 U 171/79, NJW 1980, 2137 und insoweit auch Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 108 Rn. 33, wonach nur drei Möglichkeiten der Beteiligung an einer Beschlussfassung bestehen: Ja-Stimme, NeinStimme oder Stimmenthaltung. 54 Vgl. BayObLG v. 28.3.2003 – 3Z BR 199/02, AG 2003, 427, 429; OLG Frankfurt a. M. v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, NZG 2006, 29, 31; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 108 Rn. 33, 44; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 108 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 11; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.228; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4,

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verbots eine Stimmenthaltung möglich sein soll, mag zwar wegen der Problematik im dreiköpfigen Aufsichtsrat wünschenswert sein, lässt sich aber kaum dogmatisch begründen und widerspricht der Natur des Stimmverbots. Im direkten Anwendungsbereich des § 34 BGB entspricht es folgerichtig der h. M., dass das betroffene Mitglied nicht abstimmen darf, die gleichwohl abgegebene Stimme nichtig ist und auch nicht mitgezählt werden darf; allein die Teilnahme an der Sitzung und die Beteiligung an der Aussprache sind gestattet55. Zum anderen liegt es für dieses Mitglied nahe, der Beschlussfassung über den Abberufungsantrag fern zu bleiben und so die Beschlussunfähigkeit erneut herbeizuführen56. Um diese Konsequenz zu vermeiden, wird teilweise vorgeschlagen, über die weitere Konstruktion eines venire contra factum proprium ein solches Fernbleiben als Stimmenthaltung zu fingieren57 oder das fernbleibende Mitglied zum Schadensersatz zu verpflichten58. Es bestehen also erhebliche Folgeprobleme in der praktischen Umsetzung und in der dogmatischen Begründung, wenn man diese Ansicht zugrunde legt. (d) Wirksame Antragstellung durch die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder Teilweise wird in Erwägung gezogen, im Wege lückenfüllender Rechtsfortbildung den Antrag durch die beiden verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder zuzulassen59. Jedoch wird dieser Lösungsansatz sogleich mit dem Hinweis verworfen, dass wegen der Möglichkeit der Abberufung durch die Hauptversammlung nach § 103 Abs. 1 AktG kein zwingender Grund bestehe. Dies erscheint indes fraglich60, denn in Anbetracht der üblicherweise zeitlich großen Abstände zwischen den Hauptversammlungen und des hohen Kosten- und Zeitaufwands, den das Vorbereiten und Durchführen einer außerordentlichen Hauptversammlung verursacht, besteht in den Fällen der Unzumutbarkeit auch in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat das dringende Bedürfnis, ein Mitglied effizient und auf Initiative der übrigen Aufsichtsratsmitglieder abberufen zu können. Als dogmatisch tragfähige Begründung für eine wirksame Beschlussfassung durch die beiden stimmberechtigten Aufsichtsratsmitglieder, die eine gerichtliche § 31 Rn. 58; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 833; Keusch/ Rotter, in: NZG 2003, 671, 672 f. 55 Vgl. Schwarz/Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 34 Rn. 11 und § 32 Rn. 26 m.w. N. 56 Knapp, in: DStR 2008, 1045, 1047. 57 Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 52 f. 58 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 108 Rn. 49. 59 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 103 Rn. 29. 60 Vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 103 Rn. 50, die den Hinweis auf die Möglichkeit der Abberufung durch die Hauptversammlung für „nicht generell hilfreich“ halten.

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Ergänzung des Aufsichtsrats erübrigte, kommt eine teleologische Reduktion des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG in Betracht61. Voraussetzung für eine teleologische Reduktion ist allgemein, dass der Zweck des Gesetzes bezüglich einzelner Sachverhaltsgruppen, die vom Wortlaut des Gesetzes mit umfasst sind, nicht mehr erreicht wird und deshalb eine den Anwendungsbereich der Norm einschränkende Interpretation geboten ist62. Der Grund für eine solche Restriktion kann zum einen in Sinn und Zweck der fraglichen Norm selbst, in dem vorrangigen Zweck einer anderen Norm oder aber in einem dem Gesamtzusammenhang eines Normgefüges immanenten Prinzip liegen63. Um den Wortlaut des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG überschreiten zu können, müsste also der Zweck des Dreistimmenerfordernisses wegen eines gewichtigen Grundes hintan zu stellen sein. Dies ist sorgfältig zu prüfen, denn grundsätzlich ist im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit der eindeutige Wortlaut einer Norm maßgebend. Bei der Untersuchung der Ursprünge und der Teleologie des Dreistimmenerfordernisses rückt zunächst eine Entscheidung des Reichsgerichts aus dem Jahre 1913 in den Blickpunkt. Das Reichsgericht relativiert das Dreistimmenerfordernis bei einem Aufsichtsrat einer GmbH und lässt sogar den Beschluss eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds genügen64. Wenngleich diese Entscheidung nicht direkt auf die hier behandelte Konstellation übertragbar ist, da nach damaligem Recht nur erforderlich war, dass sich der Aufsichtsrat aus drei Mitgliedern zusammensetzt und nicht ausdrücklich auch deren Teilnahme an der Beschlussfassung verlangt wurde, weckt die Entscheidung doch erste Zweifel daran, strikt und ausnahmslos drei Mitglieder für eine wirksame Beschlussfassung vorauszusetzen. Auch in den zwanziger und dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts ließ eine weit verbreitete Ansicht die Beschlussfassung durch ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied zu65. Sinn und Zweck des Erfordernisses, dass mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen, ist es, dem römischen Rechtssatz tres faciunt collegium folgend, sowie im Interesse einer gewissen Gewähr für die Ausgewogenheit der Entscheidung, eine Mindeststärke des Gremiums festzulegen66. Die Ausgewogenheit der Entscheidung und der Vorteil einer weiter reichenden Kontrolle bei der Beteiligung mehrerer Personen betreffen allerdings in erster Linie kom61 In diese Richtung argumentiert nunmehr auch Hüffer, AktG, § 108 Rn. 11, der die Klärung der Streitfrage allerdings als Angelegenheit des Gesetzgebers ansieht. 62 Säcker, in: Münchener Kommentar, BGB, Einl. Rn. 135. 63 Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 211. 64 RGZ 82, 386, 388 f. 65 Goldschmit, Die Aktiengesellschaft, § 246 Anm. 28; Brodmann, Gewerbe- und Industriekommentar, Bd. 4, § 246 Anm. 3b; Ritter, AktG 1937, § 92 Anm. 5 m.w. N. Zur Geschichte des Dreistimmenerfordernisses in diesem Zusammenhang siehe auch Priester, in: AG 2007, 190, 191 f. 66 Vgl. Priester, in: AG 2007, 190, 192; Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 51.

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plexe und besonders bedeutsame Sachthemen67 wie etwa die zukünftige Unternehmensstrategie. Mag es bei der Abberufung aus wichtigem Grund meist um sensible Fragen gehen, so sind diese doch regelmäßig von geringerer Komplexität. Der Schwerpunkt liegt nicht in der Erfassung des Sachverhalts oder in der Erörterung schwieriger fachlicher Fragen, sondern in der Würdigung, ob tatsächlich ein wichtiger Grund gegeben ist. Da das Gericht im Abberufungsverfahren die Voraussetzungen des wichtigen Grundes in jedem Fall prüft, ist gewährleistet, dass das betroffene Mitglied nicht willkürlich, sondern nur bei erwiesener Unzumutbarkeit abberufen wird68. Zudem steht das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 103 Abs. 3 Satz 4 AktG i.V. m. §§ 58 ff. FamFG offen. Im Gegensatz zu sonstigen Aufsichtsratsbeschlüssen, die unmittelbar Wirkungen entfalten, hat der auf das Einleiten des gerichtlichen Abberufungsverfahrens gerichtete Beschluss rein vorbereitenden Charakter. Das grundsätzlich zu respektierende Dreistimmenerfordernis ist hinsichtlich des Beschlusses nach § 103 Abs. 3 Satz 2 AktG, durch den das gerichtliche Abberufungsverfahren lediglich eingeleitet werden soll, aus diesen Gründen erheblich relativiert. Es besteht mithin kein Verbot der teleologischen Reduktion wegen vorrangiger anderer Interessen, die die strikte Einhaltung des Wortlauts der fraglichen Norm verlangen würden69. Ein solches Verbot besteht auch nicht wegen eines eindeutigen Willens des Gesetzgebers. Dass das Dreistimmenerfordernis nach dem Wortlaut des Gesetzes dazu führt, dass keine Abberufung aus wichtigem Grund möglich ist, wurde bei den Beratungen des Rechtsausschusses vor Erlass des § 103 Abs. 3 AktG wohl nicht wahrgenommen und jedenfalls nicht erörtert70. Dem steht das Bedürfnis gegenüber, in Fällen der Unzumutbarkeit ein Aufsichtsratsmitglied in effizienter Weise abberufen zu können. Diesem Bedürfnis trägt § 103 Abs. 3 AktG Rechnung und stellt eine Parallele insbesondere zum Widerruf der Vorstandsbestellung aus wichtigem Grund nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG her. Den allgemeinen Rechtsgrundsatz der Beendigung von Dauerrechtsbeziehungen aus wichtigem Grund71 enthalten überdies zahlreiche weitere Vorschriften des Gesellschaftsrechts und des allgemeinen Zivilrechts72, was die Be67

Vgl. Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 53. Stadler/Berner, in: NZG 2003, 49, 53. 69 Vgl. zu dieser Voraussetzung Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 211. 70 Weder die Begründung des Regierungsentwurfes noch der Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, jeweils abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 142 f., enthalten dazu Ausführungen. 71 Vgl. Hohloch, in: Erman, BGB, § 314 Rn. 1; Gaier, in: Münchener Kommentar, BGB, § 314 Rn. 1 m.w. N. 72 Vgl. die Kodifizierung dieses allgemeinen Grundsatzes durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I, 3138 ff., in § 314 BGB und 68

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deutung der Abberufung aus wichtigem Grund unterstreicht. Es geht dabei in besonderem Maße um die im Interesse der Gesellschaft zu gewährleistende Funktionsfähigkeit des Organs, die bei einem nur schwerfällig durchführbaren Abberufungsverfahren gefährdet wäre. Als plastisches Beispiel sei das Aufsichtsratsmitglied angeführt, das mutwillig Beschlussfassungen des Gremiums torpediert, indem es etwa bei zahlreichen Sitzungen nicht erscheint. Bereits bei Einführung des § 103 Abs. 3 AktG wurde betont, dass eine Abberufung auch ohne Entscheidung des zuständigen Bestellungsorgans bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich sein muss73. Die einfache Mehrheit solle für den notwendigen Beschluss des Aufsichtsrats genügen. Dem lässt sich zwar nicht unmittelbar entnehmen, dass auch zwei Mitglieder für die Beschlussfähigkeit ausreichen, aber es zeigt, dass die Möglichkeit zur Abberufung das Erfordernis dreier abstimmender Mitglieder überwiegt. Diese Gründe rechtfertigen es somit, § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass ein dreiköpfiger Aufsichtsrat bei der Beschlussfassung über ein Abberufungsverfahren durch die beiden stimmberechtigten Mitglieder hinreichend repräsentiert wird. Auch die Rechtsklarheit spricht gegen das Erfordernis einer gerichtlichen Ergänzung: Der Entscheidung des BayObLG lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied vollumfänglich an die Stelle des dem Stimmverbot unterliegenden Mitglieds treten soll, oder ob es ausschließlich bei der Beschlussfassung über den Abberufungsantrag tätig werden soll74. Die erste Variante würde die vollständige Ersetzung des abzuberufenden Mitglieds durch das neu bestellte Mitglied bedeuten und damit die faktische Vorwegnahme der Abberufung durch das Gericht, die erst durch den Aufsichtsratsbeschluss eingeleitet werden soll75. Gegen die zweite Variante spricht, dass die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds für eine einzelne Beschlussfassung der gesetzlichen Grundkonzeption des § 104 AktG widerspricht. Ein „Aufsichtsratsmitglied für bestimmte Tagesordnungspunkte“ ist dem geltenden Aktienrecht grundsätzlich fremd. Wenngleich Ausnahmen von dieser Grundkonzeption denkbar sind, überwiegen die Gründe, die für eine Beschlussfassung durch die beiden verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder sprechen.

die spezielleren Bestimmungen der §§ 723 Abs. 1 Satz 2, 737 Abs. 1 BGB, § 626 Abs. 1 BGB und § 140 HGB. Im Recht der GmbH entspricht die Möglichkeit des Ausschlusses von Gesellschaftern aus wichtigem Grund allgemeiner Meinung, vgl. Hueck/Fastrich, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, Anh. § 34 Rn. 1 m.w. N. 73 Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 142 f. 74 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 23; Kuthe, in: BB 2003, 2143. Wohl überwiegend wird die Entscheidung des BayObLG in letzterem Sinne interpretiert, vgl. Henze, in: BB 2005, 165, 173. 75 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 108 Rn. 63.

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Schließlich wird die hier vertretene Auffassung auch von praktischen Erwägungen gestützt. Die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG dient nicht zuletzt dazu, unsachgemäßer Aufsichtsratstätigkeit präventiv entgegenzuwirken. Die drohende Sanktion der Abberufung begründet einen Anreiz für jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied, sachlich und gewissenhaft die zu erledigenden Aufgaben zu erfüllen. Diese Wirkung würde durch das Erfordernis eines vorgeschalteten weiteren gerichtlichen Verfahrens gemindert. (2) Stimmverbot bei der Zustimmung zu Beraterverträgen Anders zu beurteilen könnten dagegen die Fälle sein, in denen der dreiköpfige Aufsichtsrat wegen eines Zustimmungserfordernisses einen Beschluss zu fassen hat, bei dem ein Mitglied einem Stimmverbot unterliegt. Praktisches Beispiel ist der nach § 114 Abs. 1 AktG zustimmungspflichtige Beratungsvertrag zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Aufsichtsratsmitglieder. Das Mitglied, mit dem der Vertrag abgeschlossen werden soll, ist nach ganz herrschender Meinung bei dem erforderlichen Beschluss über die Zustimmung nicht stimmberechtigt76. Demzufolge ist im dreiköpfigen Aufsichtsrat nach einer Auffassung, die dem Wortlaut des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG folgt, Beschlussunfähigkeit gegeben77 und eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats kommt in Betracht. Dagegen vertreten der BGH und ein Großteil der Literatur die bereits dargestellte Ansicht, dass das dem Stimmverbot unterliegende Aufsichtsratsmitglied zur Teilnahme und zur Stimmenthaltung verpflichtet sei, um eine wirksame Beschlussfassung zu ermöglichen78. Zwar mag die nach der soeben behandelten Entscheidung des BayObLG erforderliche und zumindest bis zu der genannten Entscheidung des BGH gerade in Bezug auf § 114 AktG in der Praxis häufige79 Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht auch in diesen Fällen zunächst als unnötiger Formalismus erscheinen. Es bestehen jedoch wesentliche Unterschiede zur Konstellation des Abberufungsantrags: Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses bei Beraterverträgen ist es zum einen, die sachwidrige Beeinflussung des Aufsichts76 BGH v. 2.4.2007 – II ZR 325/05, AG 2007, 484, 485; OLG Frankfurt v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, NZG 2006, 29, 31; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 114 Rn. 12; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 114 Rn. 30; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.232; Werner, in: DB 2006, 935, 937; Vetter, in: AG 2006, 173, 179 m.w. N. auch zur Gegenansicht. 77 Vgl. OLG Frankfurt v. 21.9.2005 – 1 U 14/05, NZG 2006, 29, 31; Hüffer, AktG, § 108 Rn. 11; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 58; Werner, in: DB 2006, 935, 937; Keusch/Rotter, in: NZG 2003, 671, 672 f. 78 Siehe oben (1) (c). 79 So die Angaben der befragten Registerrichter, siehe Anhang.

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ratsmitglieds durch willkürliche Sonderzuwendungen des Vorstands zu verhindern. Der Vorstand soll nicht über die Vergütung seiner Kontrolleure entscheiden können und damit deren Unabhängigkeit in Frage stellen80. Zum anderen soll verhindert werden, dass unter Umgehung des § 113 Abs. 1 AktG die in der Satzung festgelegte oder von der Hauptversammlung bestimmte Vergütung einzelner Aufsichtsratsmitglieder durch den Abschluss von Beraterverträgen „durch die Hintertür“, an Hauptversammlung und Aufsichtsrat vorbei, erhöht wird81. Ein Beratervertrag kann nur dann rechtmäßig geschlossen werden, wenn die Beratungstätigkeit nicht von den ohnehin zu erbringenden Organpflichten des Aufsichtsratsmitglieds erfasst ist; anderenfalls ist er als unzulässige Vergütungsvereinbarung nach § 113 AktG i.V. m. § 134 BGB nichtig82. Das Zustimmungserfordernis betrifft also den sensiblen Bereich der Interdependenzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand sowie der Gewaltenteilung im dualistischen System der aktienrechtlichen Organisationsverfassung. Dies verdeutlicht auch Ziff. 5.4.6 Abs. 3 Satz 2 des DCGK, wonach insbesondere an die Aufsichtsratsmitglieder gezahlte Vergütungen für Beratungsleistungen individualisiert im Corporate Governance Bericht gesondert angegeben werden sollen, um Missbrauch von Beraterverträgen präventiv vorzubeugen83. Dementsprechend bedarf es in besonderem Maße einer ausgewogenen Entscheidung des Aufsichtsrats über die Zustimmung zu einem Beratervertrag, für die wiederum das Erfordernis der Beschlussfassung durch mindestens drei Mitglieder eine gewisse Gewähr bieten soll. Dass eine solche Kontrolle der Beraterverträge angemessen ist, zeigen die veröffentlichten Streitfälle, die meist die Rückforderung der Vergütung nach § 114 Abs. 2 AktG betreffen: In nahezu allen Fällen obsiegte die Gesellschaft84. Demzufolge sind die Beraterverträge häufig nicht genehmigungsfähig und damit nichtig – erst recht, wenn man die strengen Anforderungen der jüngeren Rechtsprechung berücksichtigt85. Wenn nicht die nächste Hauptversammlung kurz bevor steht und damit die ordnungsgemäße Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds 80 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 114 Rn. 1 f.; Lutter, in: Festschrift für H. P. Westermann, S. 1171, 1172 f.; Benecke, in: WM 2007, 717; Vetter, in: ZIP 2008, 1, 6 jeweils m.w. N. 81 Vgl. dazu BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, AG 2007, 80, 81, wonach auch Verträge mit Beratungsgesellschaften, an denen das betroffene Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, erfasst werden. Vgl. des Weiteren die Besprechungen dieser BGH-Entscheidung von Peltzer, in: ZIP 2007, 305 ff., v. Schenck, in: DStR 2007, 395 ff. und Drygala, in: EWIR 2007, 99 f.. Allgemein dazu Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 114 Rn. 3 m.w. N. 82 BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129; BGH v. 4.7.1994 – II ZR 197/93, BGHZ 126, 340, 344 ff.; BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, AG 2007, 80, 81; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 114 Rn. 37, 22 ff. m.w. N. 83 Vgl. Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1106. 84 Peltzer, in: ZIP 2007, 305, 306, Fn. 10. 85 Vgl. insbesondere BGH v. 20.11.2006 – II ZR 279/05, AG 2007, 80 ff. Allgemein ist beim Abschluss von Beraterverträgen zwischen der Gesellschaft und ihren Aufsichts-

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möglich ist, erscheint die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats als adäquates Mittel. Die Überprüfung der Zustimmungsfähigkeit des Beratervertrages durch ein weiteres Aufsichtsratsmitglied ist angemessen, weil im Gegensatz zu der Situation des Abberufungsantrags nach § 103 Abs. 3 AktG kein gerichtliches Verfahren folgt, das eine Kontrolle der Entscheidung gewährleistet. Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats kann im Zusammenhang mit der Zustimmung zu Beraterverträgen regelmäßig rasch erfolgen, weil zwischen dem Aufsichtsratsmitglied, das dem Stimmverbot unterliegt, und den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern typischerweise kein Konflikt besteht, der das Ergänzungsverfahren durch abweichende Anträge verzögern könnte. Im Gegensatz zu den Fällen, in denen die Abberufung angestrebt wird, ist die Konstellation der Zustimmung zu einem Beratervertrag vielmehr im Normalfall von einem Interessengleichlauf der direkt Beteiligten, also der gegenwärtigen Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, geprägt. Praktisch manifestiert sich dieser Interessengleichlauf darin, dass der Anspruch auf Rückgewähr der Vergütung gegen das Aufsichtsratsmitglied nach § 114 Abs. 2 AktG, wenn überhaupt, erst in der Insolvenz der Gesellschaft von dem Insolvenzverwalter oder nach einer Unternehmensübernahme durch das neu zusammengesetzte Management geltend gemacht wird, und das, wie soeben dargelegt, meist mit Erfolg. Davon abgesehen sind Beraterverträge eher selten Gegenstand von Streitigkeiten, die in Gerichtsverfahren enden86. Selbst wenn im Einzelfall das gerichtliche Ergänzungsverfahren verzögert werden sollte, wäre dies hier weit weniger gravierend als im Fall des Abberufungsantrags. Denn der Abschluss eines Beratervertrags ist keine eilige, die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats oder gar der Gesellschaft betreffende Angelegenheit. Diese Gründe rechtfertigen damit die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds87 und verbieten umgekehrt die teleologische Reduktion des § 108 Abs. 2 Satz 3 AktG, wie sie im Zusammenhang mit der gerichtlichen Abberufung angezeigt ist. Das Amt des gerichtlich bestellten Mitglieds endet mit Wegfall der Verhinderung durch das Stimmverbot und ist auf den Aufsichtsratsbeschluss über die Zustimmung zum Beratervertrag beschränkt88. ratsmitgliedern bzw. Beratungsgesellschaften, an denen ihre Aufsichtsratsmitglieder beteiligt sind, Vorsicht geboten, vgl. Bosse, in: NZG 2007, 172 ff. 86 Peltzer, in: ZIP 2007, 305, 306. Das darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass Rechtsprechung und Literatur in verstärkt um Konkretisierung der Anforderungen für Beraterverträge bemüht sind und die Problematik intensiv diskutiert wird, vgl. Vetter, in: ZIP 2008, 1. 87 Vgl. ausdrücklich zur hier behandelten Konstellation der Zustimmung zu einem Beratervertrag Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 58; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.83; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 833; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1702. 88 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 23; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1702.

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(3) Zwischenergebnis Die vorstehend erörterten Probleme zeigen, dass lediglich aus drei Mitgliedern bestehende Aufsichtsräte in Fällen von Interessenkonflikten zu Schwierigkeiten führen. Ob dabei § 104 AktG anwendbar ist, muss differenziert beurteilt werden: Das Dreistimmenerfordernis führt nicht zur Beschlussunfähigkeit, wenn der Aufsichtsrat über einen Antrag auf gerichtliche Abberufung eines Mitglieds beschließt, so dass kein Raum für eine gerichtliche Ergänzung des Gremiums bleibt. Es genügen hier ausnahmsweise die Stimmen der beiden verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder. Demgegenüber ist der dreiköpfige Aufsichtsrat gerichtlich zu ergänzen, wenn es um die Zustimmung zu einem Beratervertrag zwischen der Gesellschaft und einem ihrer Aufsichtsratsmitglieder geht. Um diese rechtlichen Schwierigkeiten von vornherein auszuschließen, kann es sich empfehlen, in der Satzung von der Möglichkeit des § 95 Satz 2 AktG Gebrauch zu machen, und eine höhere Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern festzusetzen89. Wegen § 95 Satz 3 AktG, wonach die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsrats durch drei teilbar sein muss, sind dann allerdings sechs Mitglieder erforderlich, was einen erhöhten finanziellen Aufwand für die Gesellschaft mit sich bringt90. e) Bestellung zum Stellvertreter eines Vorstandsmitglieds Eine weitere Fallgruppe, die zum Fehlen eines Aufsichtsratsmitglieds führen könnte, stellt die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zum Stellvertreter von fehlenden oder verhinderten Vorstandsmitgliedern nach § 105 Abs. 2 Satz 1 AktG dar. Teilweise wird angenommen, dass das zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds bestellte Aufsichtsratsmitglied nicht gerichtlich zu ersetzen sei91. Denn es könne zwar seine Tätigkeit im Aufsichtsrat nicht ausüben, sei aber dennoch nach wie vor Mitglied des Aufsichtsrats, so dass keine Vakanz entstehe. Selbst bei dadurch eintretender Beschlussunfähigkeit komme die gerichtliche Bestellung eines neuen Mitglieds nicht in Betracht92. Diese Auffassung wird von der überwiegenden Meinung zu Recht abgelehnt und eine gerichtliche Ergänzung befürwortet93. Ähnlich wie in den Konstellatio89 Vgl. Stadler/Berner, in: AG 2004, 27, 29; v. Schenck, in: DStR 2007, 395, 401; Henze, in: BB 2005, 165, 174. 90 Stadler/Berner, in: AG 2004, 27, 29. 91 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 8; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Aufl., Bd. 4, § 30 Rn. 32 und § 29 Rn. 13; Heidbüchel, in: WM 2004, 1317, 1322. 92 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 8. 93 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 4; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 22; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 13;

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nen der dauernden Amtsverhinderung kann die rein formale Mitgliedschaft nicht allein maßgeblich sein. Da nach § 105 Abs. 2 Satz 3 AktG das zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds bestellte Aufsichtsratsmitglied wegen der aktienrechtlichen Trennung zwischen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan während der Tätigkeit im Vorstand keine Mitwirkungsbefugnisse im Aufsichtsrat hat, ist dieser Fall demjenigen der dauernden Verhinderung gleichzustellen. Der Unterschied, dass hier eine Verhinderung aus rechtlichen und nicht rein tatsächlichen Gründen besteht94, ist unerheblich. Entscheidend ist vielmehr, dass dem Aufsichtsrat dauerhaft ein Mitglied nicht zur Verfügung steht und dadurch die Aufgaben nicht in der vom Gesetz vorgesehenen Weise wahrgenommen werden können. Führt die Bestellung zum Vertreter eines Vorstandsmitglieds – etwa in einem paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat – zur Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse oder – etwa in einem dreiköpfigen Gremium – sogar zur Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats, erscheint eine gerichtliche Ergänzung im Interesse der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats und damit auch der Gesellschaft geradezu zwingend. Ähnlich wie in den Fällen dauernder Amtsverhinderung ist auch hier erforderlich, dass die Bestellung zum Stellvertreter eines Vorstandsmitglieds für eine erhebliche Dauer erfolgt. Nur dann kann von einer ergänzungsbedürftigen Vakanz im Aufsichtsrat gesprochen werden. Gesetzliche Höchstdauer für die Delegation eines Aufsichtsratsmitglieds in den Vorstand ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 AktG ein Jahr. Dies stellt in jedem Fall eine hinreichend dauerhafte Vakanz dar, die den Anwendungsbereich des § 104 AktG eröffnet. Bei kürzeren Zeiträumen sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich. f) Anfechtung des Wahlbeschlusses der Hauptversammlung Eine insbesondere für den Vorstand als potenziellen Antragsteller missliche Situation entsteht, wenn gegen den von der Hauptversammlung gefassten Beschluss zur Aufsichtsratswahl Anfechtungsklage erhoben wird. Diese Konstellation beschäftigte in jüngerer Zeit vermehrt die Gerichte und ist mit diversen rechtlichen Streitfragen verbunden95. Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats spielt dabei eine maßgebliche Rolle, weil es für die Gesellschaft ein praktikabler Weg sein könnte, die durch die Anfechtungsklage hervorgerufene, mitSpindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 11; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 2; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 3. Für eine analoge Anwendung des § 104 AktG in diesen Fällen nunmehr auch Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 29 Rn. 13 und § 30 Rn. 35. 94 Vgl. Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 63, dort Fn. 96. 95 Vgl. den Beschluss des OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822 ff.; ähnlich LG München I v. 22.12.2005 – 5HK O 9885/05, AG 2006, 762 ff.; dazu Vetter/ van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1807; Kocher, in: NZG 2007, 372 ff.

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unter mehrjährige Schwebelage bis zum rechtskräftigen Urteil dadurch zu beheben, dass die betroffenen Aufsichtsratsmandate durch gerichtliche Bestellung besetzt werden. Im Kontext des § 104 AktG stellen sich dann im Wesentlichen zwei Fragen: Zunächst ist unklar, ob bereits bei schwebender Anfechtungsklage gegen die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds von dessen Fehlen im Gremium gesprochen werden kann und damit eine gerichtliche Bestellung überhaupt in Betracht kommt. Sofern man den Anwendungsbereich des § 104 AktG als eröffnet ansieht, schließt sich die weitere Frage an, ob gerade der Kandidat, dessen Wahl angefochten wird, gerichtlich bestellt werden kann oder gar sollte. Der Vorstand sieht sich in diesen Fällen mit der Schwierigkeit konfrontiert, einerseits für einen ordnungsgemäß besetzten Aufsichtsrat Sorge tragen zu müssen96 und unter Umständen zur Antragstellung verpflichtet zu sein, andererseits aber Gefahr zu laufen, dass dieser Antrag abgelehnt wird, wenn das Gericht die schwebende Anfechtungsklage gegen den Wahlbeschluss nicht als Grund für eine gerichtliche Bestellung nach § 104 AktG ansieht. (1) Wirkung der Anfechtungsklage und zu berücksichtigende Interessen Führte die Anfechtungsklage dazu, dass die von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder bereits während des laufenden gerichtlichen Verfahrens an der Amtsausübung gehindert sind, läge der Schluss nahe, von einer ergänzungsbedürftigen Vakanz zu sprechen. Jedoch wirkt sich nach wohl einhelliger Ansicht die bloße Anfechtbarkeit der Aufsichtsratswahl bis zur Rechtskraft des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils nicht auf die Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds aus; ungeachtet eines laufenden Anfechtungsprozesses hat das von der Hauptversammlung gewählte Mitglied mithin sämtliche Rechte und Pflichten97. Damit ist die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats insoweit zunächst nicht beeinträchtigt, so dass § 104 AktG nach seinem Wortlaut und nach Sinn und Zweck mangels Bestellkompetenz des Gerichts nicht eingreifen kann98. Die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern dient nicht dazu, prophylaktisch ein nur möglicherweise zukünftig eintretendes Fehlen im Gremium schon vorab zu beheben. Dies bedeutete eine zu weit reichende Eingriffsmöglichkeit in das Bestellungsrecht der Hauptversammlung. Daher kann § 104 AktG, mangels vergleichbarer Interessenlage, auch nicht analog angewen96 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 95; Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 108. 97 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 97; Drygala, in: K. Schmidt/ Lutter, AktG, § 101 Rn. 32; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 68; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 101 Rn. 227; Baumbach/Hueck, AktG, § 252 Rn. 3. So auch bereits die Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 144. 98 OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 823; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1807.

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det werden. Zudem fehlte es hierfür an der Planwidrigkeit der Regelungslücke, weil dem Gesetzgeber die Problematik rückwirkender Nichtigkeit infolge von Anfechtungsklagen nicht unbekannt ist, wie schon die Einführung des Freigabeverfahrens nach § 246a AktG zeigt99. Endet das Anfechtungsverfahren indes mit einem stattgebenden Urteil, so vernichtet dieses den Wahlbeschluss der Hauptversammlung und damit auch das Aufsichtsratsmandat. Der Anwendungsbereich des § 104 AktG ist somit eröffnet. Sollte dem Urteil dabei ex tunc-Wirkung zukommen, so könnten die bis dahin gefassten Beschlüsse des Aufsichtsrats, bei denen das weggefallene Mitglied beteiligt war, unwirksam sein. Entsprechend den allgemeinen Regeln der Anfechtung und der rückwirkenden Nichtigkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen sowie mangels anderer Anhaltspunkte im Gesetz nimmt die heute herrschende Ansicht zu Recht eine solche Rückwirkung des Anfechtungsurteils trotz der gegebenenfalls einschneidenden Wirkungen an100. Hinsichtlich der im Einzelnen umstrittenen Folgen für die bis dahin gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse ist zu differenzieren, ob die Anfechtung sämtliche oder nur einzelne Aufsichtsratsmitglieder betrifft, und ob im letzteren Fall nachträglich Beschlussunfähigkeit des Gremiums gegeben ist oder die Stimme für die Beschlussmehrheit erforderlich war. Bei Wegfall sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder, bei Beschlussunfähigkeit nach § 108 Abs. 2 AktG und in den Fällen, in denen die Stimme des rückwirkend weggefallenen Aufsichtsratsmitglieds für die Beschlussmehrheit erforderlich war, sind die in der Zwischenzeit gefassten Beschlüsse nach h. M. als nichtig anzusehen101. Vor allem in dreiköpfigen Aufsichtsräten, bei der Anfechtung der Wahl von mehreren Aufsichtsratsmitgliedern und bei knappen Mehrheitsstrukturen insbesondere mitbestimmter Gremien ist die Nichtigkeitsgefahr mithin am größten102. Eine solche rückwirkende Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen kann gravierende Folgen haben, wenn sie etwa die Bestellung von Vorstandsmitgliedern nach § 84 Abs. 1 AktG, eine Zustimmung nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG 99 OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 823; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1810; vgl. auch; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 12, Fn. 26; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 7; a. A. LG München I v. 22.12.2005 – 5HK O 9885/05, AG 2006, 762, 766; Kocher, in: NZG 2007, 372, 373, der darauf abstellt, dass dem Gesetzgeber das Problem wohl nicht bekannt gewesen sei. 100 OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 823; Hüffer, AktG, § 252 Rn. 8; ders., in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 252 Rn. 10; K. Schmidt, in: Großkommentar, AktG, § 252 Rn. 12; Schwab, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 252 Rn. 3; Zöllner, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Aufl., § 252 Rn. 10 f.; a. A. noch Baumbach/Hueck, AktG, § 252 Rn. 3; Godin/Wilhelmi, AktG, § 248 Anm. 3. 101 Vgl. BGH v. 16.12.1953 – II ZR 167/52, NJW 1954, 385, 387 (hinsichtlich einer GmbH), bestätigt durch BGH v. 3.7.2006 – II ZR 151/04, NZG 2006, 712, 713, 716; Hüffer, AktG, § 101 Rn. 17; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 76; a. A. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 70; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 101 Rn. 228. 102 Kocher, in: NZG 2007, 372, 373.

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oder die Billigung des Jahresabschlusses nach § 172 Satz 1 AktG betrifft103. Dies verdeutlicht das dringende Bedürfnis der Gesellschaft, den unter Umständen mehrjährigen Zeitraum zwischen Erhebung der Anfechtungsklage und rechtskräftigem, stattgebendem Urteil möglichst schon vorsorglich abzusichern104, um die potenziellen Folgen der ex tunc-Nichtigkeit rechtzeitig aufzufangen. Auf der anderen Seite darf nicht außer Acht gelassen werden, dass hinter einer Anfechtungsklage auch schützenswerte Belange der klagenden Aktionäre stehen. Wenngleich die Anfechtungsklage teilweise von sog. „räuberischen Aktionären“105 instrumentalisiert wird, kommt ihr im geltenden Aktienrecht nach wie vor eine Kontrollfunktion zu. (2) Lösungsmöglichkeiten Da nun, wie dargestellt, eine gerichtliche Bestellung nicht sogleich nach Erhebung der Anfechtungsklage gegen den Wahlbeschluss in Betracht kommt, muss zunächst nach anderen Lösungsmöglichkeiten Ausschau gehalten werden, welche die Interessen der Beteiligten hinreichend berücksichtigen. Nicht zielführend ist die auf den ersten Blick nahe liegend erscheinende Bestellung eines Ersatzmitglieds nach § 101 Abs. 3 AktG. Denn zum einen wird der mit der Anfechtungsklage gerügte Mangel häufig auch das zwingend gleichzeitig106 bestellte Ersatzmitglied betreffen, und zum anderen kann das Ersatzmitglied nur bei endgültigem Wegfall des Aufsichtsratsmitglieds in das Gremium einrücken, also erst mit Rechtskraft des Anfechtungsurteils107. Ein theoretisch gangbarer Weg ist es demgegenüber, dass die Hauptversammlung den angefochtenen Wahlbeschluss gemäß § 244 AktG bestätigt und damit der Anfechtungsklage gleichsam den Boden entzieht108. Allerdings setzt diese Variante die Durchführung einer weiteren Hauptversammlung voraus, was gerade 103 Vgl. Kocher, in: NZG 2007, 372, 373. Welche weiteren Auswirkungen die Beschlussnichtigkeit im Einzelnen hat, ist umstritten, vgl. Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1808 m.w. N. 104 Vgl. Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1808, die von „Absicherungsmaßnahmen“ sprechen. 105 Aktionäre, die durch missbräuchliche Anfechtungsklagen die Eintragung von Hauptversammlungsbeschlüssen blockieren, um die AG zum „Abkauf des Anfechtungsrechts“ zu veranlassen, vgl. statt vieler Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 V 6. c); Assmann, in: AG 2008, 208 ff.; Poelzig, in: DStR 2008, 1538 ff.; Vetter, in: AG 2008, 177 ff., jeweils m.w. N.; F.A.Z. v. 30.7.2007, S. 9, „Zahl der Anfechtungsklagen auf neuem Höchststand“. 106 § 101 Abs. 3 Satz 3 AktG. 107 Kocher, in: NZG 2007, 372, 373; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1809. 108 Nach h. M. tritt materiell-rechtliche Heilungswirkung ein, Hüffer, AktG, § 244 Rn. 5; ders., in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 244 Rn. 11; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, § 244 Rn. 4; K. Schmidt, in: Großkommentar, AktG, § 244 Rn. 12 f.

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in Publikumsgesellschaften mit hohem Aufwand verbunden ist und nicht zuletzt aufgrund der erforderlichen Vorlaufzeit sowie der dreißigtägigen Einberufungsfrist nach § 123 Abs. 1 AktG einen nicht unerheblichen Zeitraum in Anspruch nimmt. Da die Heilung durch den Bestätigungsbeschluss nur ex nunc eintritt109, bleibt immer ein Zeitraum der Rechtsunsicherheit bestehen. Hinzu kommen einige rechtliche Hürden, die mit einem Bestätigungsbeschluss einhergehen können110, sowie das Risiko, dass dieser seinerseits im Wege einer weiteren Anfechtungsklage angegriffen werden kann111. Daher kann ein Bestätigungsbeschluss nach § 244 AktG nur bedingt für hinreichende Rechtssicherheit sorgen112. (3) Aufschiebend bedingte und rückwirkende gerichtliche Bestellung Als effektive Lösung kann letztlich allein die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 AktG dienen. Da diese jedoch einerseits nicht schon nach bloßer Erhebung der Anfechtungsklage beantragt werden kann, andererseits aber eine Antragstellung erst nach Eintritt der Rechtskraft des Anfechtungsurteils zu spät käme, wird erwogen, einen Antrag auf aufschiebend bedingte und rückwirkende Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zuzulassen113. Der Antragsteller soll also die Möglichkeit haben, einen Antrag auf gerichtliche Ergänzung für den Fall des Erfolgs der Anfechtungsklage sogleich nach deren Erhebung stellen zu können. Mit Rechtskraft des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils rückte das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied in das Gremium, und zwar – parallel zur ex tunc-Wirkung des Anfechtungsurteils – rückwirkend. Damit würde die Bestandskraft der in der Zwischenzeit gefassten Aufsichtsratsbeschlüsse gewahrt114.

109 BGH v. 8.5.1972 – II ZR 96/70, NJW 1972, 1320 (für einen GmbH-Gesellschafterbeschluss); BGH v. 15.12.2003 – II ZR 194/01, NJW 2004, 1165, 1166; Hüffer, AktG, § 244 Rn. 6; ders., in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 244 Rn. 12; Zöllner, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Aufl., § 244 Rn. 8; Würthwein, in: Spindler/ Stilz, AktG, § 244 Rn. 6 f.; K. Schmidt, in: Großkommentar, AktG, § 244 Rn. 16; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 V 6. b) cc); Kiethe, in: NZG 1999, 1086, 1092; a. A. Baumbach/Hueck, AktG, § 244 Rn. 2. 110 Vgl. dazu statt vieler die Kommentierung von Hüffer, AktG, § 244 Rn. 1 ff. Kiethe, in: NZG 1999, 1086, 1092 betont, dass § 244 AktG „keineswegs als ein Allheilmittel zur Heilung von anfechtbaren Beschlüssen der Hauptversammlung zu qualifizieren“ sei. Für eine Aufhebung des § 244 AktG de lege ferenda plädiert Zöllner, in: AG 2004, 397, 402 ff. 111 Dann kann der Bestätigungsbeschluss sein Ziel nicht erreichen, Hüffer, AktG, § 244 Rn. 3; ders., in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 244 Rn. 7; K. Schmidt, in: Großkommentar, AktG, § 244 Rn. 10. 112 Optimistischer Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1808. 113 Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1809; in Erwägung gezogen von OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 824. 114 Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1809.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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In verschiedener Hinsicht stößt diese kühn anmutende Konstruktion zunächst auf Bedenken. So drängt sich die Frage auf, ob auf diese Weise nicht das Anfechtungsrecht der Aktionäre beeinträchtigt115 wird. Zudem könnten allgemeine Grundsätze des Prozessrechts sowie der Bestellung von Organmitgliedern im Kapitalgesellschaftsrecht entgegen stehen. (a) Keine unzulässige Umgehung von Interessen der Anfechtungskläger Hinsichtlich der möglicherweise verletzten Interessen der anfechtenden Aktionäre muss zunächst geklärt werden, inwieweit diese nach geltendem Aktienrecht geschützt sind. Nach den §§ 251 Abs. 1, 243 Abs. 1 AktG kommt als Anfechtungsgrund die „Verletzung des Gesetzes oder der Satzung“ in Betracht. Ungeachtet der weiteren, spezielle Fälle betreffenden Anfechtungsgründe macht schon der Wortlaut dieser Normen deutlich, dass gerade die klageweise Beseitigung eines bestimmten Verstoßes gegen das Gesetz oder die Satzung ermöglicht werden soll. Auch ist es nicht Sinn und Zweck des Anfechtungsverfahrens, zu verhindern, dass eine erfolgreich angefochtene Entscheidung später in ähnlicher, aber nun korrekter Weise erneut gefasst wird. Für die hier relevante Konstellation bedeutet dies folglich, dass nur der betreffende Gesetzes- oder Satzungsverstoß, der für die Anfechtung des Wahlbeschlusses in substantiierter Weise angeführt wird, nicht durch die gerichtliche Bestellung aufrecht erhalten werden darf. Beruht also – wie in der Praxis häufig – die Anfechtungsklage etwa darauf, dass allein formelle Fehler in Zusammenhang mit der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung geltend gemacht werden, kommt eine Missachtung berechtigter Interessen des Anfechtenden durch eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nicht in Betracht116. Das Anfechtungsrecht wird mithin nicht konterkariert. Anders stellt sich die Sachlage hingegen dar, wenn die Anfechtungsklage gerade auf in der Person des gewählten Aufsichtsratsmitglieds liegende Gründe gestützt wird und das Gericht nach § 104 AktG daraufhin genau diese Person wieder bestellt. Denn in diesem Fall könnte die gerichtliche Bestellung ihrerseits angreifbar sein, wenn die Kandidatenauswahl aus den selben Gründen wie die ursprüngliche Wahl rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft ist. Darauf wird noch näher einzugehen sein117. Hier kann aber bereits festgehalten werden, dass die gerichtliche Bestellung nicht per se berechtigte Interessen der anfechtenden Ak115 Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1812 sprechen in diesem Zusammenhang von einem möglichen „Institutionenmissbrauch“. 116 Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1812 f.; vgl. auch Kocher, in: NZG 2007, 372, 374 sowie, zur vergleichbaren Situation, dass die Bestellung des Abschlussprüfers angefochten wird und eine gerichtliche Bestellung erfolgt, von Falkenhausen/Kocher, in: ZIP 2005, 602, 603. 117 Siehe unten D. II. 6. f).

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C. Der Antragsteller

tionäre beeinträchtigt, sondern allenfalls in dem Sonderfall, dass das Gericht die Person erneut bestellt, deren Wahl aufgrund personenbezogener Gründe angefochten wird. (b) Prozessuale Zulässigkeit Kaum erörtert sind bislang die Fragen, ob es im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit überhaupt möglich ist, im Sinne des § 158 BGB aufschiebend bedingte und rückwirkende Entscheidungen vorzunehmen, sowie, ob dies im Speziellen bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern möglich ist. Als Anhaltspunkt für die generelle prozessuale Zulässigkeit bedingter Entscheidungen wird in der Literatur die – freilich zwangsvollstreckungsrechtliche – Vorschrift des § 726 Abs. 1 ZPO angeführt118. Die Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass Tenorierungen von Urteilen eine Bedingung enthalten können („Von Urteilen, deren Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem [. . .] Eintritt einer anderen Tatsache [. . .] abhängt [. . .]“). Zudem wird auf die Vorschriften der §§ 751, 756 ZPO sowie auf die Möglichkeit rekurriert, gerichtliche Vergleiche abzuschließen, deren Vollstreckbarkeit vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig gemacht werden kann119. All dies zeigt, dass bedingte Entscheidungen nach geltendem Recht zumindest zivilprozessual nicht kategorisch unzulässig sind. In dem für die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats maßgeblichen Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit finden sich keine prinzipiellen Einwände gegen eine bedingte Entscheidung. Eine gesetzliche Bestimmung existiert dazu nicht, dem § 40 Abs. 1 FamFG (früher: § 16 Abs. 1 FGG) ist lediglich zu entnehmen, dass gerichtliche Entscheidungen grundsätzlich mit ihrer Bekanntgabe wirksam werden. Gesetzlich sind einzelne Ausnahmen bestimmt, in denen Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erst mit Eintritt der formellen Rechtskraft wirksam werden. In diesen Fällen wird das Gericht meist gesetzlich ermächtigt, die sofortige Wirksamkeit anzuordnen120. Auch dem FamFG bzw. FGG ist also eine Gestaltungsbefugnis des Gerichts im Zusammenhang mit dem Wirksamwerden von Entscheidungen nicht fremd. Nicht erörtert wurde bislang die Frage, ob eine darüber hinaus gehende Gestaltungsbefugnis besteht. In der Literatur wird aber „jedenfalls“ die Anordnung des Gerichts für zulässig erachtet, dass eine Entscheidung, die der Beschwerde unterliegt, erst mit formeller Rechtskraft wirksam wird121. 118

Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1810. Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1810. 120 Vgl. etwa §§ 198 Abs. 1, 209 Abs. 2, 324 Abs. 2 FamFG, sowie zum FGG die Beispiele bei Bassenge/Roth, FGG, § 16 Rn. 6, 8. 121 Bassenge/Roth, FGG, § 16 Rn. 4. 119

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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Nur scheinbar problematisch ist die Rückwirkung der Bestellung. Grundsätzlich steht es nicht in der Macht des Gerichts, im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit Entscheidungen mit Wirkung für die Vergangenheit zu treffen122. Im Übrigen entscheiden die Vorgaben des materiellen Rechts, ob einer Entscheidung rückwirkende Kraft beizumessen ist123. In der hier relevanten Konstellation wird es regelmäßig ausreichen, wenn die aufschiebend bedingte Bestellung nur bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zurückwirkt. Insofern handelt es sich um keine Rückwirkung im eigentlichen Sinne, weil sich die Entscheidung nicht auf den vor ihr liegenden Zeitraum auswirkt124. Mithin werden Aspekte des Vertrauensschutzes nicht tangiert, die Ausgangspunkt und Grundlage dafür sind, dass Rechtsakten nur eingeschränkt rückwirkende Kraft beigemessen werden kann. (c) Vergleich mit anderen Bestellungsakten im Kapitalgesellschaftsrecht Auch der Vergleich mit sonstigen Bestellungsakten von Organmitgliedern im Kapitalgesellschaftsrecht bestätigt, dass eine aufschiebend bedingte, rückwirkende Bestellung zulässig ist. Was die aufschiebende Bedingung betrifft, so bestehen keine grundsätzlichen Bedenken. Ausdrücklich erachtet es das Schrifttum für zulässig, ein Vorstandsmitglied aufschiebend bedingt zu bestellen125 sowie ein Aufsichtsratsmitglied für einen späteren Zeitpunkt zu bestellen126. Auch der BGH hat sich in diese Richtung geäußert, als er die auflösend bedingte Bestellung eines GmbH-Geschäftsführers anerkannt hat127. Dabei stellt der BGH die praktische Bedeutung der auflösenden und der aufschiebenden Bedingung heraus. Des Weiteren stellt er zutreffend klar, dass eine „Bedingungsfeindlichkeit“ nur für bestimmte Rechtsgeschäfte in Betracht komme, in denen Schwebezustände die Rechtssicherheit in besonderem Maße beeinträchtigten, wie dies etwa bei der Auflassung eines Grundstücks nach § 925 Abs. 2 BGB oder der Ausübung von Gestaltungsrechten, z. B. gemäß § 388 Satz 2 BGB, der Fall sei. Sonstige Belange, insbesondere

122 Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 18 Rn. 376; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit, Rn. 376. 123 Bassenge/Roth, FGG, § 16 Rn. 2. 124 Vgl. Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1810 mit der zutreffenden weiteren Erwägung, dass daher auch kein Widerspruch zu dem Grundsatz besteht, dass Aufsichtsratsmitglieder nicht mit Wirkung für die Vergangenheit bestellt werden können. 125 Thüsing, in: Fleischer, Handbuch des Vorstandsrechts, § 4 Rn. 40. 126 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 32. 127 BGH v. 24.10.2005 – II ZR 55/04, DStR 2005, 2195 ff.; zustimmend H. P. Westermann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 158 Rn. 33 m.w. N. auch zu abweichenden Auffassungen.

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die Rechtssicherheit, stünden einer auflösend bedingten Bestellung eines GmbHGeschäftsführers nicht entgegen128. Speziell auf die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bezogen kann auch der Rechtsgedanke des § 104 Abs. 5 AktG angeführt werden, wonach mit Behebung des Mangels – mithin bei ordentlicher Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch die Hauptversammlung – das Amt des gerichtlich Bestellten in jedem Fall erlischt. Das Gesetz geht also von einer Position des gerichtlich Bestellten aus, die stets, einer auflösenden Bedingung ähnlich, unter dem Vorbehalt steht, dass zu einem beliebigen Zeitpunkt ein ordentliches Wahlverfahren die Grundlage der Ersatzbestellung entziehen und unmittelbar zum Ausscheiden des gerichtlich Bestellten führen kann. Der „Rückwirkung“ der gerichtlichen Entscheidung könnte § 159 BGB entgegen stehen. Demnach bewirkt eine zwischen den Beteiligten vereinbarte Rückbeziehung der Folgen des Bedingungseintritts allein obligatorische Ansprüche; eine absolut, also gegenüber jedermann wirkende Rückbeziehung der mit dem Bedingungseintritt verbundenen Folgen steht außerhalb der Dispositionsbefugnis der Beteiligten129. Dies kann indes für eine gerichtliche Entscheidung keine Geltung beanspruchen. Die §§ 158 ff. BGB regeln unmittelbar nur Bedingungen und Zeitbestimmungen im Rahmen von Rechtsgeschäften. So lassen sich etwa auch Bedingungen im Rahmen von Verwaltungsakten letztlich nicht mit den §§ 158 ff. BGB bewältigen130. Dem Gericht kommt eine weiter reichende Gestaltungsbefugnis zu, als dem vom Anwendungsbereich der §§ 158 ff. BGB erfassten Personenkreis. Da zudem, wie dargestellt, keine Rückwirkung im eigentlichen Sinn gegeben ist, berührt auch die allgemeine Unzulässigkeit rückwirkender Aufsichtsratsbestellungen durch die Hauptversammlung131 nicht die hier behandelte gerichtliche Bestellung. Es kann damit festgehalten werden, dass eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats nach § 104 AktG unter einer aufschiebenden Bedingung und mit „Rückwirkung“ auf den Zeitpunkt der Entscheidung grundsätzlich möglich ist132.

128

BGH v. 24.10.2005 – II ZR 55/04, DStR 2005, 2195, 2196 f. Rövekamp, in: Bamberger/Roth, BGB, § 159 Rn. 6; H. P. Westermann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 159 Rn. 1 f. 130 H. P. Westermann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 158 Rn. 36. 131 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 32; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 61; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 101 Rn. 90. 132 Nach OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 824 ist eine Bestellung unter der aufschiebenden Bedingung der erfolgreichen Anfechtung „theoretisch denkbar“. Wie hier Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 38; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1810. Von der Zulässigkeit jedenfalls einer Zeitbestimmung i. R. d. § 104 AktG gehen Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 26 aus. 129

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(d) Weitere Voraussetzungen des § 104 AktG Es stellt sich nun die Frage, ob eine aufschiebend bedingte, „rückwirkende“ Bestellung durch das Gericht gerade in den Fällen der schwebenden Anfechtungsklage beantragt werden kann. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung liegt ein Fehlen eines Aufsichtsratsmitglieds nicht vor, wie es § 104 Abs. 1 und 2 AktG verlangen („Gehört dem Aufsichtsrat die zur Beschlußfähigkeit nötige Zahl von Mitgliedern nicht an [. . .]“ bzw. „Gehören dem Aufsichtsrat [. . .] weniger Mitglieder [. . .] an“). Der Wortlaut spricht somit gegen die Möglichkeit einer gerichtlichen Ergänzung133. Diese formale Sichtweise kann allerdings nicht überzeugen. Denn schon die historische Entwicklung der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats134 zeigt, dass der Gesetzgeber bestrebt war, ein effektives Instrumentarium zu schaffen, das insbesondere die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats verhindert. Wenngleich nicht vorschnell auf § 104 AktG zurückgegriffen werden darf, stellt eine schwebende Anfechtungsklage eine Situation dar, welche aufgrund der rückwirkenden Kraft eines Anfechtungsurteils und dem damit einhergehenden Risiko unwirksamer Aufsichtsratsbeschlüsse erhebliche Nachteile für die Gesellschaft birgt. Es ist gerade Sinn und Zweck der gerichtlichen Bestellung, die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats aufrecht zu erhalten135. Dem Risiko unwirksamer Beschlüsse kann weder durch andere Vorkehrungen noch durch ein Abwarten bis zur Verkündung des Anfechtungsurteils begegnet werden. Auch der Wortlaut des § 104 AktG, der zunächst ein anderes Ergebnis nahe legt, steht einem solchen frühzeitigen Eingreifen bei näherer Betrachtung nicht entgegen. Denn danach hat das Gericht eine Ergänzung vorzunehmen, wenn dem Aufsichtsrat nicht genügend Mitglieder angehören. Es wird also nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgestellt, sondern auf den eigentlichen gerichtlichen Bestellungsakt. Durch die parallelen Rückwirkungen des der Anfechtungsklage stattgebenden Urteils und der gerichtlichen Bestellung wirkt Letztere zu keinem Zeitpunkt, in dem nicht ein Aufsichtsratsmitglied tatsächlich fehlt. Damit ist die Wortlautgrenze des § 104 AktG nicht überschritten, es bedarf mithin keines Analogieschlusses136. Freilich bleiben, wenn nur Unterbesetzung des Aufsichtsrats und keine Beschlussunfähigkeit nach §§ 104 Abs. 1, 108 Abs. 2 AktG gegeben ist, die weite133

Kocher, in: NZG 2007, 372, 373. Siehe oben B. 135 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676, 677; OLG Hamm v. 23.2.2000 – 15 W 46/00, AG 2001, 145, 146; OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 823; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 3; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 1; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 1; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 1; Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217. 136 So auch Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1810. 134

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ren Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 AktG, also insbesondere die Dreimonatsfrist bzw. der dringende Fall zu prüfen137. Zudem sollte die Bestellung nicht nur aufschiebend bedingt und „rückwirkend“, sondern zudem – wie es generell von Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK empfohlen wird – befristet bis zum Ablauf der nächsten Hauptversammlung erfolgen. Somit bleibt klärungsbedürftig, ob das Aufsichtsratsmitglied zu bestellen ist, dessen Wahl mit der Anfechtungsklage angegriffen wird, oder ob ein anderer Kandidat bestellt werden muss. Das ist auf Grundlage der vom Gericht heranzuziehenden Ermessenserwägungen zu beurteilen und soll dementsprechend später in diesem Zusammenhang dargestellt werden138. 2. Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats Das vorstehend untersuchte Merkmal des Fehlens eines Aufsichtsratsmitglieds ist notwendige, nicht aber hinreichende Bedingung für die gerichtliche Ergänzung nach § 104 Abs. 1 AktG. Weitere Voraussetzung ist, dass das Fehlen des Mitglieds die Beschlussunfähigkeit des Gremiums zur Folge hat. Nach § 108 Abs. 2 Satz 1 AktG kann die Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats durch die Satzung bestimmt werden, soweit sie nicht gesetzlich geregelt ist. Die insoweit statuierte Satzungsautonomie wird durch die zwingenden Regelungen des Mitbestimmungsrechts sowie durch § 108 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG eingeschränkt: Letztere Bestimmungen sehen vor, dass in jedem Fall mindestens drei Mitglieder an der Beschlussfassung teilnehmen müssen und dass die Störung der Gruppenparität nach mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften die Beschlussfähigkeit nicht tangiert. Als mitbestimmungsrechtliche Sonderregelungen bestimmen § 10 Satz 1 MontanMitbestG und § 11 Satz 1 MitbestErgG, dass der Aufsichtsrat beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder, aus denen er zu bestehen hat, an der Beschlussfassung teilnimmt. Durch die jeweils in Satz 2 enthaltenen Verweise auf § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG wird klargestellt, dass die eintretende Störung der Gruppenparität für die Beschlussfähigkeit keine Rolle spielt. Entsprechendes bestimmt auch § 28 MitbestG, wobei der Aufsichtsrat „nur“ beschlussfähig ist, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt. Das „nur“ hat lediglich zur Folge, dass nach überwiegender Auffassung die Satzung jedenfalls nicht nach unten abweichen kann139. 137 Nach Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1811 soll allein aufgrund des schwebenden Anfechtungsverfahrens das Merkmal des dringenden Falls erfüllt sein. Die dem Beschluss des OLG Köln zugrunde liegende Entscheidung des AG Köln vom 16.8.2006 ging ebenfalls von Dringlichkeit aus, vgl. OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 823. 138 Siehe unten D. II. 6. f). 139 Hüffer, AktG, § 108 Rn. 13 m.w. N., auch zu der umstrittenen Frage, ob die Satzung die Anforderungen an die Beschlussfähigkeit verschärfen kann.

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3. Unterbesetzung des Aufsichtsrats Neben der Beschlussunfähigkeit stellt die dauernde Unterbesetzung des Aufsichtsrats eine alternative Fallkonstellation dar, in der nach § 104 Abs. 2 AktG die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats in Betracht kommt. Da das nicht zur Beschlussunfähigkeit führende Unterschreiten der gesetzlich oder durch Satzung festgelegten Zahl an Aufsichtsratsmitgliedern das Gremium nicht völlig funktionsunfähig macht, nimmt das Gesetz die Unterbesetzung zunächst hin und ermöglicht den Antrag auf Ergänzung durch das Gericht erst drei Monate nach Wegfall des Aufsichtsratsmitglieds, es sei denn, es liegt ein dringender Fall vor (§ 104 Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG). a) Dreimonatsfrist Grundsätzlich kann der Antrag auf Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds erst gestellt werden, wenn der Aufsichtsrat länger als drei Monate unterbesetzt ist. Daraufhin muss das Gericht den Aufsichtsrat ergänzen; es hat also keinen Ermessensspielraum, ob dem Antrag stattzugeben ist140, sondern nur hinsichtlich der Auswahl der zu bestellenden Person141. (1) Zweck der Frist Die Dreimonatsfrist soll gewährleisten, dass der Aufsichtsrat nicht vorschnell durch das Gericht ergänzt wird, sondern primär eine ordentliche Bestellung durch die Hauptversammlung, den Entsendungsberechtigten oder die wahlberechtigten Arbeitnehmer erfolgt142. Das Gesetz bringt hier also zum Ausdruck, dass die gerichtliche Ergänzung ein Notbehelf ist und nicht der Regelfall sein soll. Insbesondere sollen die Aktionäre ausreichend Zeit haben, die Einberufung einer Hauptversammlung zu veranlassen und so ihre Rechte auszuüben143. Ein vor Ablauf der Dreimonatsfrist gestellter Antrag ist daher, wenn der Antragsteller nicht einen dringenden Fall schlüssig darlegt, vom Gericht zurückzuweisen144. Erst wenn diese Frist verstrichen und der Aufsichtsrat noch immer unterbesetzt ist, soll die gerichtliche Ergänzung verhindern, dass der Aufsichtsrat dauerhaft unvollständig bleibt. Da bei paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten wegen der 140

Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 54. Zur gerichtlichen Auswahlentscheidung siehe ausführlich unten D. II. 142 So schon zur Vorgängernorm Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 3. Zum aktuellen Recht Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 51; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 25; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 19; Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 218. 143 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 51. 144 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 53. 141

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bei jedem Wegfall eines Mitglieds eintretenden Störung der Parität ein besonderes Bedürfnis an vollständiger Besetzung besteht, ist es nach § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG stets als dringender Fall anzusehen, wenn einem solchen Aufsichtsrat, abgesehen von dem sogenannten weiteren Mitglied, nicht alle Mitglieder angehören. Nach der gesetzlichen Konzeption soll also ein ausgewogener Ausgleich geschaffen werden zwischen dem Interesse der Bestellungsorgane, ihre Rechte ausüben zu können, und dem Grundsatz der Vollständigkeit des Aufsichtsrats im Interesse uneingeschränkter Funktionsfähigkeit. Durch das eindeutige Festlegen einer Frist scheint auch ein praktikabler und sachlich angemessener Weg gefunden worden zu sein. (2) Frühe Kritik der Literatur Dennoch wird die Dreimonatsfrist in der Literatur kritisiert und eine Änderung des § 104 Abs. 2 AktG durch den Gesetzgeber gefordert: Erste Kritik erfuhr die Norm bereits unmittelbar nach ihrer Einführung145. Die Dreimonatsfrist sei zu kurz bemessen, um eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen, insbesondere wenn man die Ladungsfrist146 und den organisatorischen Aufwand gerade bei Aktiengesellschaften mit Aktienstreubesitz berücksichtige. Auch das Wahlverfahren der Arbeitnehmervertreter lasse sich binnen drei Monaten nicht durchführen. Allein für die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds aufgrund eines Entsendungsrechts nach § 101 Abs. 2 AktG sei die Dreimonatsfrist ausreichend und angemessen. Aus diesen Gründen wird dafür plädiert, die Dreimonatsfrist ersatzlos zu streichen147. (3) Verstärkte Kritik durch heutige Praxis der Hauptversammlung Wird die Dreimonatsfrist somit schon seit geraumer Zeit für gesetzgeberisch missglückt gehalten, so reicht sie in der heutigen Praxis erst recht nicht aus, um eine außerordentliche Hauptversammlung einzuberufen. Vor allem die Satzungen von Aktiengesellschaften mit großem Aktionärskreis verlangen häufig eine Anmeldung der teilnahmewilligen Aktionäre sowie einen Berechtigungsnachweis für Anteilseigner mit Inhaberaktien. Dies führt nach § 123 Abs. 2 Satz 1 und 2, 145

Schmatz, in: WM 1955, 642, 645; Wagner, in: BB 1957, 713, 714. Diese betrug nach dem damaligen § 107 Abs. 1 AktG zwei Wochen. Heute beträgt sie dreißig Tage, § 123 Abs. 1 AktG, zuletzt geändert durch das UMAG (Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22.9.2005, BGBl. I, 2802 ff.), das die bis dahin geltende einmonatige Frist modifiziert hat. 147 Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 228 f.; Schmatz, in: WM 1955, 642, 645; kritisch auch Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 74. 146

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Abs. 3 Satz 1 AktG zu einer weiteren Verlängerung der Einberufungsfrist148. Neben die organisatorischen Anforderungen an das Abhalten einer Hauptversammlung, die trotz der zunehmenden Einbeziehung moderner Kommunikationstechnik noch immer erheblich sind, tritt eine in den letzten Jahren immer intensiver werdende Planung und Vorbereitung, insbesondere da für sogenannte „räuberische Aktionäre“ möglichst wenig Angriffsfläche geboten werden soll. Um keine formalen Fehler zu begehen, die gleichsam eine Einladung für „erpresserische“ Anfechtungsklagen darstellen, nehmen sich die mit der Durchführung der Hauptversammlung betrauten Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder und ihre Berater im Vorfeld einer Hauptversammlung berechtigterweise viel Zeit. Jüngste Gesetzesänderungen wie der durch das MoMiG149 eingefügte neue § 76 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 lit. d AktG, der falsche Auskünfte gegenüber der Hauptversammlung mit einem Berufsverbot sanktioniert, dürften zu noch weiter reichenden und damit zeitaufwändigeren Vorbereitungsmaßnahmen führen150. Somit reicht die Dreimonatsfrist kaum aus, eine ordentliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung vorzunehmen. Zwar wird bei der Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses, der die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds betrifft, regelmäßig ein geringeres Anfechtungsrisiko für die Aktiengesellschaft bestehen als bei der Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen, die etwa weit reichende Strukturentscheidungen betreffen. Dementsprechend könnte auch eine weniger akribische Vorbereitung ausreichen. Wenn der Aufsichtsrat jedoch in der Folgezeit seinerseits bedeutsame Beschlüsse unter Beteiligung des neuen Mitglieds zu fassen hat, entsteht durch die Anfechtungsklage gegen die Aufsichtsratswahl erheblicher Druck auf die Gesellschaft. Denn bei gegebenenfalls fehlerhafter Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds kommt die Ungültigkeit des Beschlusses in Betracht, wenn sich herausstellt, dass der Aufsichtsrat nach Abzug des unwirksam bestellten Mitglieds beschlussunfähig war oder die erforderliche Mehrheit nicht erreicht wurde151. Was die Wahl der Arbeitnehmervertreter anbelangt, so ist der Zeitaufwand auch nach dem Gesetz zur Vereinfachung der Wahl der Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat aus dem Jahre 2002152 noch immer erheblich. Trotz der Straffung des Verfahrens ist die Neuwahl innerhalb der Dreimonatsfrist auch hier kaum zu bewerkstelligen.

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Vgl. Hüffer, AktG, § 123 Rn. 7; Priester, in: DNotZ 2006, 403, 408. Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23.10.2008, BGBl. I, 2026 ff. 150 Mutter, in: AG 2007, R 323, 324. 151 Vgl. Hüffer, AktG, § 101 Rn. 17; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 69 ff. m.w. N. 152 Gesetz vom 23.3.2002, BGBl. I, 1129 ff. 149

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De lege ferenda bleiben demzufolge für eine praxisgerechte Neuregelung nur zwei Alternativen: Die Frist zu verlängern, damit eine ordentliche Bestellung ermöglicht wird, oder sie ersatzlos zu streichen, wie es in der Literatur153 bereits teilweise gefordert wurde. Ersteres erscheint nicht wünschenswert, da etwa eine Frist von einem halben Jahr den Aufsichtsrat für eine erhebliche Dauer unterbesetzt ließe und dessen Funktionsfähigkeit somit dauerhaft schwächte, wenn sich die ordentliche Neubestellung verzögert. Fraglich ist, ob auf die Frist vollständig verzichtet werden kann. Betrachtet man zunächst die Entstehungsgeschichte der Dreimonatsfrist, so stößt man auf Art. 249 Abs. 2 ADHGB 1870. Mit dieser Vorschrift wurde die dreimonatige Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats mit Gefängnisstrafe für die Mitglieder des Aufsichtsrats und des Vorstandes sanktioniert. Die Frist diente also ursprünglich dazu, die Schwelle zu strafbarem Verhalten festzulegenden. Da eine vergleichbare Strafvorschrift heute nicht mehr existiert, ist dieser ursprüngliche Zweck obsolet geworden. Zudem hat der Gesetzgeber bereits im Jahre 1957 die Dreimonatsfrist teilweise gestrichen154: Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats, die zuvor nur bei Beschlussunfähigkeit des Gremiums möglich war, wurde auf die Fälle der bloßen Unterbesetzung erweitert. Gleichzeitig wurde die bis dahin geltende Dreimonatsfrist bei Beschlussunfähigkeit gestrichen und lediglich für die Fälle der Unterbesetzung beibehalten. Nach wie vor lässt sich gegen die Streichung der Dreimonatsfrist vorbringen, dass dann ohne weitere Hindernisse das Gericht angerufen werden könnte und damit in die aktienrechtliche Organisationsverfassung eingegriffen würde. Im Besonderen sind die Rechte der Hauptversammlung beeinträchtigt, da der Antragsteller – also meist der Vorstand – die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ohne Absprache mit den Anteilseignern veranlasst und überdies dem Gericht einen Vorschlag über die zu bestellende Person unterbreitet. So hoch das Bestellungsrecht der Hauptversammlung einzustufen ist, darf nicht übersehen werden, dass die Funktionsfähigkeit und Effizienz des Aufsichtsrats als zentraler Bestandteil des Systems der Unternehmensüberwachung auch und gerade im Interesse der Aktionäre liegt. Der Aufsichtsrat hat den Vorstand in unabhängiger Weise zu kontrollieren. Eine effektive Kontrolle des Vorstands ist den Aktionären jedenfalls bei Publikumsaktiengesellschaften regelmäßig nicht möglich, weil die alljährliche Hauptversammlung hierfür keine ausreichende Plattform darstellt. Daher entspricht es dem Interesse der Aktionäre an einem voll funktionsfähigen Aufsichtsrat, dass dieser nicht über einen erheblichen Zeitraum hinweg unterbesetzt bleibt. Denn die Kontrolltätigkeit gerade kleinerer Auf153 Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 228 f.; Schmatz, in: WM 1955, 642, 645. 154 Gesetz zur Änderung von Vorschriften des Aktienrechts und des Mitbestimmungsrechts vom 15.7.1957, BGBl. I, 714 ff.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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sichtsräte wird bei Wegfall eines oder gar mehrerer Mitglieder in Mitleidenschaft gezogen, erst recht, wenn aus dem Aufsichtsrat ein Experte für ein besonders kontrollintensives Gebiet wegfällt. Dass die Hauptversammlung das zuständige Wahlorgan für die AnteilseignerBank ist, stellt keinen Selbstzweck dar, sondern soll gewährleisten, dass der Aufsichtsrat seine Kontrollaufgaben möglichst unabhängig vom Vorstand wahrnimmt und von den Anteilseignern legitimiert ist. Die Unabhängigkeit des Aufsichtsrats entscheidet sich aber nicht danach, zu welchem Zeitpunkt dessen Mitglieder bestellt werden. Auch die Frage, welches Organ das Mitglied bestellt, ist nur insofern bedeutsam, als das Organ auf die Personenauswahl für das zu besetzende Mandat Einfluss nehmen kann. Die zentrale Problematik liegt demnach nicht im „ob“ und „wann“ der Ergänzung des Aufsichtsrats durch das Gericht. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen Prüfung der Frage, „wer“ in das Gremium bestellt wird155. Die Persönlichkeiten der einzelnen Aufsichtsratsmitglieder entscheiden, ob der Aufsichtsrat lediglich ein zahmes Beratergremium des Vorstands ist, oder ob der Vorstand im Interesse des Unternehmens effizient überwacht wird, also ein „Aufsichts“-Rat im wörtlichen Sinn besteht156. Der Eingriff in die aktienrechtliche Organisationsverfassung, den die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats mit sich bringt, wird durch eine sorgfältige Auswahl der zu bestellenden Person, die anhand der maßgeblichen Auswahlkriterien157 zu erfolgen hat, erheblich abgeschwächt. Eine weitere Abmilderung des Eingriffs lässt sich dadurch erreichen, dass die Amtszeit des bestellten Aufsichtsratsmitglieds bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung befristet wird158, um dem Bestellungsorgan alsbald die Wieder- oder Abwahl dieses Mitglieds zu ermöglichen. Zwar sieht § 104 Abs. 5 AktG ohnehin vor, dass das Amt des gerichtlich bestellten Mitglieds erlischt, sobald das zuständige Organ eine anderweitige Bestellung vorgenommen hat. Die Befristung der Amtszeit bewirkt aber, dass die entsprechende Neuwahl zwingend auf die Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung gelangen muss und das gerichtlich bestellte Mitglied nicht ohne weiteres sein Mandat behält159. Als interessengerechte Lösung bietet es sich daher an, de lege ferenda die gerichtliche Ergänzung frühzeitig und ohne weitere Voraussetzungen zu ermöglichen, dabei jedoch den Charakter als Substitut für die kurzfristig nicht durchführbare ordentliche Bestellung heraus zu stellen: Bei der Auswahl der zu bestellenden Person müssen in besonderer Weise die Interessen des eigentlichen 155 Die Bedeutung der Kandidatenauswahl im Rahmen des § 104 AktG betont auch das LG Berlin in seinem Beschluss v. 16.9.1985 – 98 T 10/85, AG 1986, 52, 53. 156 Allgemein zur Bedeutung der faktischen Zusammensetzung des Aufsichtsrats Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 1; Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 561. 157 Siehe dazu ausführlich unter D. II. 158 So auch die Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 2 des DCGK. 159 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 82.

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Bestellungsorgans berücksichtigt werden160. Neben der sorgfältigen Auswahl der vorzuschlagenden Person durch den Antragsteller liegt ebenso bei dem Gericht die Verantwortung, eine adäquate Person in den Aufsichtsrat zu bestellen. Die vorstehenden Ausführungen sollen indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch im Zuge einer Anpassung des § 104 Abs. 2 AktG stets das Primat der Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder durch das zuständige Bestellungsorgan zu wahren ist. Es darf nicht ohne Not vorschnell die Möglichkeit eines gerichtlichen Bestellungsverfahrens ermöglicht werden, so etwa dann, wenn die nächste Hauptversammlung bei Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds der Anteilseigner-Bank bevor steht und somit eine Neuwahl umgehend vorbereitet werden kann, oder wenn der Aufsichtsrat aufgrund eines Entsendungsrechts rasch ergänzt werden kann. Nur in den Fällen, in denen keine zeitnahe Ergänzung des Aufsichtsrats durch das zuständige Wahlorgan möglich ist, soll das Verfahren nach § 104 AktG durchgeführt werden können. b) Dringender Fall Alternativ zum Ablauf der Dreimonatsfrist kann bei einem unterbesetzten Aufsichtsrat der Antrag auch dann gestellt werden, wenn ein dringender Fall vorliegt (§ 104 Abs. 2 Satz 2 AktG). Trägt der Antragsteller Tatsachen vor, die die Voraussetzungen des dringenden Falles erfüllen, so hat das Gericht den unvollständig besetzten Aufsichtsrat zu ergänzen, es besteht insoweit kein Ermessen161. Unstreitig ist auch, dass das pauschale Vorbringen, die Gesellschaft sei auf den Aufsichtsrat angewiesen, nicht ausreicht. Der Antragsteller muss vielmehr konkret begründen162, weshalb die Vervollständigung des Gremiums dringend geboten ist. Im Übrigen bestehen für das Tatbestandsmerkmal des dringenden Falles keine festen Konturen. Rechtsprechung und Literatur versuchen seit geraumer Zeit, griffige Kriterien oder handhabbare Fallgruppen zu entwickeln163. Dies gelingt nur teilweise, indem der dringende Fall mit weiteren abstrakten, für den Rechtsanwender schwer handhabbaren Begriffen umschrieben wird und auf „die Umstände des Einzelfalls“ verwiesen wird164, oder indem konkrete Beispielsfälle be160

Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 81. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 55. 162 AG Detmold v. 11.11.1981 – 17 HRB 0013, AG 1983, 24, 25; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 35; vgl. auch Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 26. 163 Vgl. etwa Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 74 ff. 164 Vgl. AG Wuppertal v. 23.11.1970 – 54 HRB 2057, AG 1971, 302, 303; AG Detmold v. 11.11.1981 – 17 HRB 0013, AG 1983, 24; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 56; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.84. 161

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nannt werden165. Der Versuch, Kriterien aus vergleichbaren Tatbeständen wie etwa der Bestellung eines Notgeschäftsführers in der GmbH zu übertragen, führt hier nicht weiter, da zum einen dort ebenfalls Auslegungsschwierigkeiten bestehen166 und zum anderen die gerichtliche Bestellung von Vertretungsorganen einer Gesellschaft anderen Maßstäben unterliegt167. Im Folgenden sollen mit Hilfe einer näheren Untersuchung des Merkmals des dringenden Falles Kategorien entwickelt werden, die bei der Prüfung eine Orientierungshilfe bieten. (1) Untersuchung des Merkmals dringender Fall Ein erster gesetzlicher Anhaltspunkt zur Auslegung ist in § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG enthalten: Bei paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten ist das Fehlen auch nur eines Mitglieds – mit Ausnahme des weiteren Mitglieds – als dringender Fall anzusehen. Das Gesetz legt also bei der Mitbestimmung im engeren Sinne unterliegenden Gesellschaften besonderen Wert auf die Wahrung der Gruppenparität168. Gleichzeitig folgt hieraus im Umkehrschluss, dass bei einem nicht mitbestimmten oder einem nach dem Drittelbeteiligungsgesetz besetzten Aufsichtsrat das Fehlen lediglich eines Mitglieds für sich genommen für die Annahme eines dringenden Falles nicht ausreicht169. Zu Recht wird § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG als reine gesetzliche Klarstellung angesehen170, denn die Störung der Parität führt gerade beim Wegfall von Anteilseignervertretern zu abweichenden Mehrheitsverhältnissen und damit drohen Beschlussfassungen, die bei ordnungsgemäßer Besetzung so nicht erfolgen würden. Fraglich ist aber, inwieweit das Verhindern von Zufallsmehrheiten bei anderen als paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten zur Annahme eines dringenden Falles führt, inwieweit also dem in § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG ausdrücklich festgelegten Beispiel eines dringenden Falles ein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz für die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats immanent ist. Überwiegend wird die Umkehr des Kräfteverhältnisses der im Aufsichtsrat vertretenen Gruppen als 165 Vgl. Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 24 ff.; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 26 f. 166 Vgl. etwa die ausführliche Darstellung bei Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, S. 138 ff. 167 Vgl. Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 224 und Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 76, die jeweils die (analoge) Anwendung des § 29 BGB ablehnen. 168 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 35; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 1, 29; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 1. 169 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 56. Zur entsprechenden Rechtslage nach dem damaligen § 76 BetrVG 1952 Godin/Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 4; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 22, wonach dabei „jedenfalls nicht ohne weiteres“ ein dringender Fall vorliege. 170 Godin/Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 4.

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dringender Fall angesehen, wobei teilweise zusätzlich auf die Wichtigkeit des zu fassenden Beschlusses abgestellt wird171. Nach einer Ansicht sollen zu befürchtende Mehrheitsverschiebungen sogar das ausschließliche Kriterium für einen dringenden Fall sein172. Am anderen Ende des Meinungsspektrums findet sich dagegen die Auffassung, dass die Umkehr der Stimmenmehrheit wegen Wegfalls bestimmter Aufsichtsratsmitglieder nicht als dringender Fall zu qualifizieren sei173. Ist die Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse offensichtlich, weil beispielsweise in einem dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegenden Aufsichtsrat gleich mehrere Anteilseignervertreter fehlen und so entgegen der gesetzlichen Konzeption die Arbeitnehmervertreter die Mehrheit inne haben, so ist dies als dringender Fall anzusehen174. Denn es liegt nahe, dass ein in einem dergestalt unterbesetzten Gremium gefasster Beschluss später revidiert wird oder zumindest bei mit diesem Beschluss zusammenhängenden Fragen abweichend entschieden wird. Eine somit provozierte Inkontinuität in der Arbeit des Aufsichtsrats widerspricht dem Gesellschaftsinteresse. Das Argument, das zahlenmäßige Verhältnis sei nach dem Rechtsgedanken des § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG nicht besonders gesetzlich geschützt175, vermag nicht zu überzeugen, da die Frage der Beschlussfähigkeit von derjenigen der ordnungsgemäßen Zusammensetzung des Aufsichtsrats nach geltendem Aktienrecht strikt zu unterscheiden ist. Dies zeigt schon die Differenzierung zwischen § 104 Abs. 1 AktG einerseits und Absatz 2 andererseits. Überdies hebt auch § 104 Abs. 4 Satz 1 AktG die Bedeutung des zahlenmäßigen Verhältnisses hervor176, indem das bestellende Gericht verpflichtet wird, einen mitbestimmten Aufsichtsrat „so zu ergänzen, dass das für seine Zusammensetzung maßgebende zahlenmäßige Verhältnis hergestellt wird.“ Wenn demgegenüber keine unmittelbar erkennbaren Anhaltspunkte für eine Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse vorhanden sind – etwa bei dem Auf171 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 13; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 27; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 7. Abweichend Niewiarra/ Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 225, die auch in diesen Fällen besondere Umstände voraussetzen. 172 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 77, dazu näher sogleich. 173 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 30. 174 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 59 mit dem konkreten Beispiel, dass in einem sechsköpfigen, dem DrittelbG unterliegenden Aufsichtsrat drei Anteilseignervertreter weggefallen sind. Es verbleiben dann zwei Arbeitnehmervertreter und ein Anteilseignervertreter; die zur Beschlussfähigkeit notwendige Anzahl von drei Aufsichtsratsmitgliedern ist gewahrt. 175 So Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 225. Nach § 108 Abs. 2 Satz 4 AktG steht die Störung des zahlenmäßigen Verhältnisses der Aufsichtsratsmitglieder der Beschlussfähigkeit nicht entgegen. 176 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 78.

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sichtsrat einer AG, die faktisch von zwei Großaktionären dominiert wird –, muss der Antragsteller konkrete Anhaltspunkte darlegen, die eine solche Verschiebung deutlich machen. Insoweit ist die Realstruktur der Gesellschaft zu berücksichtigen, die sich regelmäßig in der Besetzung des Aufsichtsrats widerspiegelt. Ist die Repräsentation einer einflussreichen Aktionärsgruppe im Aufsichtsrat gestört, so kann dies zur Annahme eines dringenden Falles führen. Denn auch hier sind von der ansonsten eingeschlagenen Linie des Aufsichtsrats abweichende Entscheidungen konkret zu befürchten und es droht die Inkontinuität der Aufsichtsratsentscheidungen. Nach herrschender Ansicht stellt die Störung des zahlenmäßigen Verhältnisses indes nicht den einzigen Anwendungsbereich des dringenden Falles dar. Vielmehr liegt ein solcher auch dann vor, wenn Beschlussfassungen des Aufsichtsrats anstehen, die für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind, weil sie den Bestand oder die Struktur der Gesellschaft oder zentrale personelle Entscheidungen wie die Besetzung des Vorstands zum Gegenstand haben177. Auch außergewöhnliche (Krisen-)Situationen der Gesellschaft oder ein bevorstehendes Übernahmeangebot können die Dringlichkeit begründen178. Ein anderer Ansatzpunkt besteht darin, nicht die Wichtigkeit der anstehenden Entscheidungen als maßgebliches Kriterium anzusehen, sondern ausschließlich die Frage, ob die Unterbesetzung zu Zufallsmehrheiten führt179. Als Begründung hierfür wird angeführt, dass gerade § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG, aber auch dessen Absatz 4 Satz 1, ausdrücklich das zahlenmäßige Verhältnis als Kriterium für die gerichtliche Ergänzung mitbestimmter Aufsichtsräte nenne. Zudem sei es auch bei einem besonders bedeutsamen Aufsichtsratsbeschluss unerheblich, in welcher Stärke das Gremium bei der Beschlussfassung besetzt sei, solange nur die Beschlussfähigkeit und das zahlenmäßige Verhältnis der unterschiedlichen Interessengruppen gewahrt seien. Nach dem Zweck des § 104 Abs. 2 AktG sollten die Mehrheitsverhältnisse innerhalb des Aufsichtsrats gewährleistet werden180. Dem kann in dieser Konsequenz nicht gefolgt werden. Zwar ist insoweit beizupflichten, als zu befürchtende Zufallsmehrheiten durch die Ergänzung des Auf177 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 27; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 30; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 3; Breuer/ Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 7 spricht von „wesentlichen Entscheidungen“; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 13 von „außergewöhnlicher Bedeutung“. 178 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 58; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 27; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 14; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1811. 179 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 77 f.; indes wird auf S. 78 am Ende angedeutet, dass dennoch Fälle gegeben sei könnten, „die eine andere Entscheidung rechtfertigen“. 180 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht S. 77 f.

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sichtsrats zu verhindern sind und somit als hinreichende Bedingung für einen dringenden Fall anzusehen sind. Jedoch handelt es sich dabei nicht um das alleinige Kriterium oder eine notwendige Bedingung. Vielmehr besteht auch ein Interesse der Gesellschaft, dass Aufsichtsratsbeschlüsse, die prägend für die Zukunft des Unternehmens sind, von einem möglichst vollständig besetzten Gremium legitimiert sind. Das wird besonders deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die Aufsichtsratsmitglieder üblicherweise über verschiedene Sonderqualifikationen verfügen181 und so Expertise und Erfahrung in ihren jeweiligen Fachgebieten in den Aufsichtsrat einbringen. Wenn wegen des Wegfalls eines oder mehrerer Aufsichtsratsmitglieder insbesondere in kleineren Aufsichtsratsgremien kein Fachmann für bestimmte, weitreichende Fragen mehr vertreten ist, sollten entsprechende Entscheidungen nach Möglichkeit vertagt werden. Denn nicht nur die fehlende Stimme, sondern auch die mit dem Fehlen dieses Mitglieds einhergehende weniger intensive fachliche Beratung unter den verbliebenen Mitgliedern182 birgt die Gefahr von Fehlentscheidungen und damit einen Nachteil für die Gesellschaft in sich. Einen solchen zu verhindern ist Regelungszweck des § 104 Abs. 2 AktG183, so dass die gerichtliche Bestellung eines adäquaten neuen Mitglieds umgehend einzuleiten ist184. Der Wegfall auch nur eines Mitglieds kann gerade dann zu erheblichen Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit und Effizienz eines Ausschusses führen, wenn das ausgefallene Mitglied eine maßgebliche Funktion in dem Ausschuss inne hatte185. Schließlich stellt das Gesetz abstrakt auf einen dringenden Fall ab und nicht konkret auf die Wahrung des Stimmenverhältnisses, wie die lediglich beispielhafte Sonderregelung des § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Das Gesetz bringt auf diese Weise zum Ausdruck, dass es auch andere Konstellationen, unabhängig von gestörten Mehrheitsverhältnissen erfassen will.

181 Vgl. Semler/Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 81 ff.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 24; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 279; Vetter, in: ZIP 2008, 1, 2. 182 Dass der Aufsichtsrat im Sinne effektiver Kontrolle und Beratung des Vorstands stets auch mit Branchenkennern und Fachleuten unterschiedlicher Gebiete zu besetzen ist, betont – in anderem Zusammenhang – auch Säcker, in: AG 2004, 180, 182. 183 Vgl. bereits LG Wuppertal v. 24.6.1969, AG 1979, 174, 175. 184 Entsprechend zum Wegfall des Finanzexperten im Aufsichtsrat bei bevorstehender Beschlussfassung über die Billigung des Jahresabschlusses Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 27 und Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 58. 185 Ausschüsse nach § 107 Abs. 3 AktG werden vor allem in großen Aufsichtsräten gebildet. In den Ziff. 5.3.1 bis 5.3.5 DCGK finden sich mehrere Empfehlungen und Anregungen in Bezug auf Bildung und Arbeitsweise der Ausschüsse, was deren praktische Bedeutung unterstreicht.

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(2) Kategorisierung dringender Fälle Lässt sich das Tatbestandsmerkmal des dringenden Falles nicht griffig definieren186, so können zumindest drei Kategorien unterschieden werden, die die rechtliche Prüfung des Merkmals erleichtern: Zunächst sind die Konstellationen auszuscheiden, die jedenfalls keinen dringenden Fall begründen. Hierunter fällt etwa die bloße Beschlussunfähigkeit. Dabei soll freilich nicht jede gerichtliche Ergänzung ausgeschlossen sein, sondern nur die Vollergänzung nach § 104 Abs. 2 AktG, also bis die gesetzliche bzw. satzungsmäßige Anzahl an Aufsichtsratsmitgliedern erreicht ist. Denn eine Ergänzung des Aufsichtsrats bis zu dessen Beschlussfähigkeit ist nach Absatz 1 stets möglich187. Diese gesetzlich vorgegebene Differenzierung verdeutlicht im Übrigen, dass das Gericht nur insoweit in die Geschicke der Gesellschaft eingreifen soll, als es unbedingt erforderlich und verhältnismäßig ist. Der „Notfall“ Beschlussunfähigkeit kann zwar gerichtlich behoben und die Handlungsfähigkeit des Aufsichtsrats so wieder hergestellt werden, jedoch verbleibt die Kompetenz zur Komplettierung des Gremiums grundsätzlich bei den zuständigen Bestellungsorganen. In die zweite Kategorie sind die Fälle einzuordnen, die – vergleichbar mit dem gesetzlich festgelegten Beispiel des § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG – ohne weiteres als dringende Fälle anzusehen sind. Dies sind besonders bedeutsame, alsbald zu fassende Aufsichtsratsbeschlüsse, die insbesondere den Bestand oder die Struktur der Gesellschaft oder die Besetzung des Vorstands zum Gegenstand haben. Auch die erkennbare Umkehr des Kräfteverhältnisses innerhalb des Gremiums gehört hier her. Schließlich kommen Situationen in Betracht, die ein Indiz für das Vorliegen eines dringenden Falles darstellen, aber noch weitere Anhaltspunkte voraussetzen. Namentlich sind die sich abzeichnende Unternehmenskrise und bevorstehende Übernahmeversuche zu nennen. Hier sind die weiteren Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Gegebenheiten entscheidend188 und es bleiben Schwierigkeiten bei der Qualifikation der Dringlichkeit.

186

Vgl. Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 76. AG Detmold v. 11.11.1981 – 17 HRB 0013, AG 1983, 24, 25; Geßler, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 23; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 57. 188 Allgemein auf den Einzelfall abstellend AG Wuppertal v. 23.11.1970 – 54 HRB 2057, AG 1971, 302; AG Detmold v. 11.11.1981 – 17 HRB 0013, AG 1983, 24; Hopt/ Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 56; Geßler, AktG, § 104 Rn. 10. 187

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(3) Drohender dringender Fall Fraglich ist, ob eine als dringender Fall zu qualifizierende Situation der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vorliegen muss, oder ob es ausreicht, wenn eine solche sich abzeichnet, also lediglich ein drohender dringender Fall vorliegt. Das LG Wuppertal hat entschieden, dass „ein lediglich gedachter, in Wirklichkeit aber noch gar nicht eingetretener Verhinderungsfall“ nicht ausreiche189. Dem ist insoweit zuzustimmen, als die lediglich vage Gefahr eines zukünftig eintretenden dringenden Falles nach geltendem Recht nicht genügt, um vor Ablauf von drei Monaten den unterbesetzten Aufsichtsrat gerichtlich ergänzen zu können. In Abgrenzung dazu erfüllt ein auf konkrete Tatsachen gestützter Vortrag des Antragstellers, der eine alsbald eintretende Beschlussunfähigkeit darlegt, das Merkmal des dringenden Falles und eine Ergänzung bis auf die zur Beschlussfähigkeit notwendige Zahl ist dann zulässig190. So etwa dann, wenn ein Aufsichtsratsmitglied die Absicht bekundet hat, das Mandat zu einem bestimmten Zeitpunkt in naher Zukunft niederzulegen. Es entspricht nicht dem Gesellschaftsinteresse, wenn der potenzielle Antragsteller in einem solchen Fall blauäugig auf das Ausbleiben der Beschlussunfähigkeit hofft und erst nach deren tatsächlichem Eintritt tätig wird. Praktikabel ist es für den Antragsteller – wie stets bei Zweifeln über das Vorliegen eines dringenden Falles – vorab Kontakt mit dem Registerrichter aufzunehmen und abzuklären, ob dieser den Sachverhalt als dringenden Fall einstuft. Dies ist nach Auskunft einiger Registerrichter bereits eine übliche Vorgehensweise191 und empfehlenswert, um die Zurückweisung des Antrags zu verhindern. Gleichzeitig bietet es sich für den Antragsteller an, gerade in solchen Konstellationen frühzeitig nach möglichen Kandidaten für das Aufsichtsratsmandat Ausschau zu halten, um gegebenenfalls eine zügige Bestellung zu ermöglichen. Schließlich ist es auch zulässig, dass das Gericht die Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds davon abhängig macht, ob die Beschlussunfähigkeit tatsächlich eintritt192. (4) Beseitigung der Auslegungsschwierigkeiten durch Aufhebung der Dreimonatsfrist Die oben vorgeschlagene Aufhebung der Dreimonatsfrist würde die Auslegungsschwierigkeiten des Tatbestandsmerkmals „dringender Fall“ beseitigen193. 189

LG Wuppertal v. 24.6.1969, AG 1979, 174, 175. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 60; a. A. wohl Hüffer, AktG, § 104 Rn. 7; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 8. 191 So das Ergebnis der Befragung der Registerrichter, siehe Anhang. 192 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 60. 190

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Dieser Ausnahmeregelung bedürfte es nicht mehr, wenn der Aufsichtsrat – sofern keine ordnungsgemäße Bestellung möglich ist – sogleich ergänzt werden könnte. Gerade für den Antragsteller wäre dies eine erhebliche Erleichterung, da sich so die Prüfung und gegebenenfalls Darlegung des dringenden Falles erübrigte. 4. Verhinderung und anderweitige Behebung von Vakanzen Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ist ein probates Mittel zur Behebung von Vakanzen. Die Gesellschaft hat ein Interesse daran, dass der Aufsichtsrat möglichst immer vollständig besetzt ist, damit er gegebenenfalls auch ad hoc über eilbedürftige Gegenstände beschließen kann. Lässt sich ein außerplanmäßiger Wegfall eines Mitglieds nicht verhindern, sollte möglichst schnell adäquater Ersatz gefunden werden. Das Verfahren des § 104 AktG bietet hierfür zwar eine Lösungsmöglichkeit an, doch kann die gerichtliche Ergänzung auch einige Schwierigkeiten in sich bergen. So kann sich das grundsätzlich zügig durchführbare Verfahren verzögern, etwa wenn zwischen den Gesellschaftsorganen oder deren Mitglieder Unstimmigkeiten bestehen und diese im Zusammenhang mit der Frage, welche Person in das Gremium bestellt werden soll, ausgetragen werden. Nicht zu beeinflussen sind auch Kapazitäten und Schnelligkeit des zuständigen Gerichts, so dass die Dauer des Bestellungsverfahrens offen ist194. Auch die Frage, ob tatsächlich ein dringender Fall vorliegt oder nicht kann den Antragsteller vor Schwierigkeiten stellen. Aus diesen Gründen sollen hier verschiedene Alternativen aufgezeigt werden, die den Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds auf andere Weise kompensieren können. Der Antrag auf gerichtliche Bestellung wird dabei entbehrlich, so dass bei den folgenden Alternativen auch von negativen Voraussetzungen für die Antragstellung nach § 104 AktG gesprochen werden kann. a) Bestellung von Ersatzmitgliedern Zwar können nach § 101 Abs. 3 Satz 1 AktG keine Stellvertreter von Aufsichtsratsmitgliedern bestellt werden, doch hat nach Absatz 3 Satz 2 dieser Vorschrift das jeweils zuständige Wahlorgan die Möglichkeit, für jedes Aufsichtsratsmitglied – mit Ausnahme des sogenannten „weiteren Mitglieds“ – ein Ersatzmitglied zu bestellen. Dieses rückt grundsätzlich automatisch mit dem Wegfall des bisherigen Aufsichtsratsmitglieds in das Gremium ein, da der Annahme der Wahl zum Ersatzmitglied die Annahme des Aufsichtsratsmandats immanent ist195. So193

Vgl. Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 228 f. Vgl. Lehmann, in: DB 1983, 485. 195 So die überwiegende Auffassung, Hüffer, AktG, § 101 Rn. 13; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 85; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 30; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch bör194

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mit entsteht von vornherein keine Unterbesetzung des Aufsichtsrats. Zeit und Kosten für das gerichtliche Ergänzungsverfahren werden eingespart. Die Bestellung eines Ersatzmitglieds muss nicht in der Satzung vorgesehen sein; das zuständige Bestellungsorgan hat es vielmehr in der Hand, von einer Ersatzbestellung nach eigenem Ermessen Gebrauch zu machen196. Das Ersatzmitglied kann auch für mehrere Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden, d.h. es kann für verschiedene, der selben Gruppe zugehörige Mitglieder nachrücken und ist nicht als Ersatz für lediglich ein bestimmtes Mitglied festgelegt197. Demzufolge handelt es sich bei der Bestellung eines Ersatzmitglieds um eine unkomplizierte und effiziente Maßnahme, welche die kontinuierliche Vollständigkeit des Gremiums gewährleistet und darüber hinaus auch das Stimmenverhältnis insbesondere zwischen Arbeitnehmer- und Anteilseignervertreter in paritätisch mitbestimmten Gesellschaften sichert198. Auch der Konflikt mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung, der mit dem Verfahren nach § 104 AktG verbunden ist, wird auf diese Weise vermieden, weil die Entscheidung, welche Person zum Ersatzmitglied bestellt wird, allein das jeweils zuständige Bestellungsorgan trifft. Fällt ein Aufsichtsratsmitglied unvermittelt weg, so erübrigt sich überdies die eilige Suche nach einem potenziellen Kandidaten. In der Praxis ist jedoch auch diese Vorgehensweise nicht frei von Schwierigkeiten. Stellt sich die Suche nach geeigneten Aufsichtsratsmitgliedern generell nicht einfach dar, so erweist sich die Suche nach einem Ersatzmitglied, das ja nur aufschiebend bedingt in das Gremium einrückt, als noch schwieriger199. Auch aus aktienrechtlichen Gründen ergeben sich Hemmnisse, wie etwa die Vorgabe des § 101 Abs. 3 Satz 3 AktG, wonach das Ersatzmitglied nur gleichzeitig mit dem Aufsichtsratsmitglied bestellt werden kann. Dieses Erfordernis ist zwar schon früh kritisiert worden200, gilt aber nach wie vor201. Diese tatsächlichen und sennotierte AG, § 25 Rn. 29; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.78; a. A. Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 101 Rn. 177; Lehmann, in: DB 1983, 485, 487, wonach zumindest eine konkludente Annahmeerklärung des Ersatzmitglieds erforderlich sei; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1032. 196 BayObLG v. 29.3.2000 – 3Z BR 11/00, AG 2001, 50, 51; Hüffer, AktG, § 101 Rn. 11; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 75. 197 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, BGHZ 99, 211 = NJW 1987, 902; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 28; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.80; Hüffer, AktG, § 101 Rn. 14 m.w. N. 198 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 29. 199 Heinsius, in: ZGR 1982, 232, 233 spricht von einem „Schattendasein auf der Ersatzbank“, das man qualifizierten Persönlichkeiten nicht zumuten wolle, Lehmann, in: DB 1983, 485, 486 gar von einem Abstempeln zu „Personen zweiter Wahl“. 200 v. Gleichenstein, in: AG 1970, 1 f.; vgl. auch Heinsius, in: ZGR 1982, 232, 234 f. 201 Vgl. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 1030; ausführlich zu den Details des Gleichzeitigkeitserfordernisses Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 101 Rn. 186 m.w. N.

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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rechtlichen Hürden führen dazu, dass spiegelbildlich zur hier vorgeschlagenen Alternative der Bestellung von Ersatzmitgliedern, um die gerichtliche Ergänzung zu vermeiden, umgekehrt Letztere als Alternative zur mitunter mühsamen Bestellung von Ersatzmitgliedern genannt wird202. Es ist weder dem Aufsichtsrat noch der Gesellschaft gedient, wenn nur bedingt geeignete Ersatzmitglieder bestellt werden. Dass in zahlreichen Gesellschaften Ersatzmitglieder sowohl der Anteilseigner- als auch der Arbeitnehmervertreter bestellt werden203, zeigt dennoch, dass sich die genannten Vorteile der Bestellung von Ersatzmitgliedern in der Praxis bestätigen. Wenn sich also adäquate Ersatzmitglieder finden lassen, sollte das jeweilige Bestellungsorgan von dieser Vermeidungsstrategie gegen Unterbesetzungen des Aufsichtsrats Gebrauch machen. b) Entsendungsrechte Eine weitere Alternative stellt ein durch Satzungsbestimmung eingeräumtes Entsendungsrecht nach § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG dar. Dadurch rückt zwar bei Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds nicht sogleich ein neues Mitglied in das Gremium nach, doch ermöglicht ein Entsendungsrecht die zeitnahe Vervollständigung. Die Ausübung des Entsendungsrechts ist lediglich durch den entsendungsberechtigten Aktionär dem Vorstand gegenüber mitzuteilen204. Auch zeichnet sich das Entsendungsrecht dadurch aus, dass es gegenüber sonstigen, dem Grundsatz der Satzungsstrenge nach § 23 Abs. 5 AktG unterliegenden Regelungskomplexen flexibel handhabbar ist: Da ein Entsendungsrecht ohnehin nur durch die Satzung begründet werden kann, lässt es sich weitgehend frei ausgestalten und den Bedürfnissen der jeweiligen Gesellschaft anpassen205. Die auf einem Entsendungsrecht beruhenden Aufsichtsratsmandate sind allerdings gemäß § 101 Abs. 2 Satz 4 AktG auf die Höchstzahl von einem Drittel der Gesamtzahl der nach Gesetz oder Satzung zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre beschränkt. Somit kann nur ein Teil des Aufsichtsrats mittels Entsendungs202

Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 10. Nach Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 30 wird die Wahl von Ersatzmitgliedern „vielfach genutzt“; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 29 spricht in Bezug auf mitbestimmte Publikumsgesellschaften von einer „verbreiteten Übung, für alle Aufsichtsratsmitglieder der Aktionäre Ersatzmitglieder zu bestellen“, um die Parität zu sichern; ähnlich bereits Heinsius, in: ZGR 1982, 232, 233 und Lehmann, in: DB 1983, 485. 204 H.M., vgl. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 28; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 52; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 44 m.w. N. auch zur Gegenansicht, die eine Mitteilung gegenüber dem Aufsichtsrat genügen lässt und somit ebenfalls die zügige Ausübung des Entsendungsrechts ermöglicht. 205 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 101 Rn. 122 ff. mit einer Vielzahl von Beispielen. 203

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C. Der Antragsteller

rechten besetzt werden. Deren Praktikabilität ist dadurch kaum eingeschränkt, da der außerplanmäßige Wegfall gleich mehrerer Aufsichtsratsmitglieder eher selten vorkommt. Auch in mitbestimmten Gesellschaften können Entsendungsrechte der Anteilseigner in der Satzung verankert werden206. Ein Nachteil dieser Alternative ist hingegen, dass auf diese Weise nur der Wegfall von Anteilseignervertretern kompensiert werden kann. Auch durch Satzungsbestimmung kann für Nicht-Aktionäre kein Entsendungsrecht begründet werden207. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut des § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG, der auf „Aktionäre“ bzw. „Inhaber bestimmter Aktien“ als Entsendungsberechtigte abstellt. Darüber hinaus wird diskutiert, ob Entsenderechte wegen ihrer abschreckenden Wirkung auf Investoren als europarechtswidrig anzusehen sind208. Zu Recht lehnt die überwiegende Ansicht dies jedenfalls insoweit ab, als Entsendungsrechte generell die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 56 Abs. 1 EG verletzen sollen. Denn zum einen sind grundsätzlich die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Grundfreiheiten zu gewährleisten, nicht aber privatrechtlich organisierte Unternehmen. Zum anderen steht den Mitgliedstaaten ein breiter Beurteilungsspielraum zu bei der Frage, inwieweit sie Beeinträchtigungen von Grundfreiheiten entgegenwirken209. Das Entsendungsrecht kann innerhalb der Dreimonatsfrist des § 104 Abs. 2 AktG ausgeübt werden, da es keiner zeitaufwändigen Vorbereitungen bedarf. Daher wird es die gerichtliche Ergänzung bei bloßer Unterbesetzung des Aufsichtsrats regelmäßig entbehrlich machen. Auch in Fällen der Beschlussunfähigkeit nach § 104 Abs. 1 AktG, die dem Antragsteller den Weg zum Gericht sofort eröffnen, kommt die Entsendung eines neuen Mitglieds in Betracht, so dass das gerichtliche Verfahren obsolet wird. c) Unzulässigkeit der Bestellung zusätzlicher Aufsichtsratsmitglieder Auf den ersten Blick erscheint eine Satzungsbestimmung, die hinsichtlich der Anzahl der Aufsichtsratsmitglieder einen Spielraum eröffnet, praktikabel: So könnten etwa mindestens drei und höchstens sechs Mitglieder, bzw. bei mitbestimmten Gesellschaften entsprechend höhere Zahlen vorgesehen werden. Entsprechende Satzungsklauseln wurden im Geltungszeitraum des AktG 1937 in der

206

Siehe insbesondere § 8 Abs. 2 MitbestG. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 32; Gündel, Interessenwahrung bei der Besetzung des Aufsichtsrates, S. 181. 208 Vgl. dazu Neumann/Ogorek, in: NZG 2008, 892 ff.; Möslein, in: AG 2007, 770, 772; Seeling/Zwickel, in: BB 2008, 622 m.w. N. 209 OLG Hamm v. 31.3.2008 – 8 U 222/07, AG 2008, 552, 555 f.; dazu Neumann/ Ogorek, in: NZG 2008, 892, 896 f.; Möslein, in: AG 2007, 770, 774 f. mit Verweis auf EuGH v. 9.12.1997 – Rs. C-265/95, Slg. 1997, I 6959, Rn. 34. 207

II. Ausgangssituation und Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags

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Tat empfohlen210, sind inzwischen aber nicht mehr zulässig. Denn § 95 Satz 2 AktG erlaubt zwar eine in der Satzung festgelegte höhere Zahl an Aufsichtsratsmitgliedern, aber diese muss schon nach dem Wortlaut der Norm bestimmt sein. Das bedeutet, dass die Satzung gerade keine variable Zahl vorsehen darf211. Ein solcher Spielraum hätte zur Folge, dass die Hauptversammlung weit reichenden Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats nehmen könnte, beispielsweise hätte sie es in der Hand, die Zahl der Arbeitnehmervertreter in einem mitbestimmten Aufsichtsrat geringer zu halten212. Rechtlich zulässig ist es hingegen, nach § 95 Satz 2 AktG in der Satzung eine höhere Zahl von Aufsichtsratsmitgliedern als die gesetzlich Vorgesehene festzusetzen und die Zahl bei außerplanmäßigem Wegfall eines Mitglieds herabzusetzen. Für diese Herabsetzung ist jedoch ein satzungsändernder Hauptversammlungsbeschluss erforderlich, was die Durchführbarkeit und Praktikabilität dieser Variante erheblich mindert. Überdies muss auch die neue Zahl gemäß § 95 Satz 3 AktG durch drei teilbar sein, so dass neben dem Mandat des weggefallenen Mitglieds noch zwei weitere entfielen. Somit scheidet auch diese Alternative für die meisten Gesellschaften aus. d) Zwischenergebnis Sowohl die Begründung von Entsendungsrechten in der Satzung als auch die Bestellung von Ersatzmitgliedern durch das jeweils zuständige Bestellungsorgan dienen dazu, den Aufsichtsrat ohne wesentliche Unterbrechungen beschluss- und voll funktionsfähig zu halten. Beide Instrumente bieten sich an, sofern es die Aktionärsstruktur der jeweiligen Gesellschaft zulässt und geeignete Kandidaten zur Verfügung stehen. Andere effektive Vermeidungsstrategien sind nicht ersichtlich. Es bleibt demzufolge weiterhin das Bedürfnis nach einem gerichtlichen Verfahren zur Ergänzung des Aufsichtsrats. 5. Zeitpunkt der Antragstellung Bei der Frage, ob auch ein lediglich drohender dringender Fall die Möglichkeit eröffnet, einen Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats zu stellen, wurde der Zeitpunkt der Antragstellung bereits angesprochen213. Demnach genügt ein sich konkret abzeichnender dringender Fall. Allgemein stellt sich die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Antragsteller gegenüber dem Gericht tätig wer210

Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 2. Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 125; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 95 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 95 Rn. 3. 212 Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 125. 213 Siehe oben 3. b) (3). 211

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C. Der Antragsteller

den kann. Dabei ist zwischen Beschlussunfähigkeit und Unterbesetzung des Aufsichtsrats zu unterscheiden. a) Bevorstehende Beschlussunfähigkeit Bei Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats hat der Vorstand den Antrag unverzüglich – also gemäß der Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern – zu stellen, wenn nicht die rechtzeitige Ergänzung durch das zuständige Bestellungsorgan zu erwarten ist (§ 104 Abs. 1 Satz 2 AktG). Dieser ausdrücklich geregelten Pflicht zur Antragstellung lässt sich der Rechtsgedanke entnehmen, dass das Gesetz der Wahrung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats besondere Bedeutung beimisst. Demzufolge ist es auch Aufgabe des Antragsberechtigten, die Beschlussunfähigkeit nicht nur bei deren Eintreten wieder zu beheben, sondern auch und gerade die Beschlussunfähigkeit nach Möglichkeit von vornherein zu verhindern. Daher kann der Antrag bei konkret bevorstehender Beschlussunfähigkeit vorab gestellt werden214 und insbesondere ein geeigneter Kandidat benannt werden. Die Bestellung durch das Gericht ist dann vom tatsächlichen Wegfall des Aufsichtsratsmitglieds abhängig. b) Bevorstehende Unterbesetzung Fraglich ist, ob eine solche frühzeitige Antragstellung auch bei Eingreifen der Dreimonatsfrist in den Fällen bloßer Unterbesetzung nach § 104 Abs. 2 AktG möglich ist. Die Ausnahmeregelung, wonach nur in dringenden Fällen eine Ergänzung vor Ablauf der Frist möglich ist, scheint zunächst gegen die Zulässigkeit einer vorgezogenen Antragstellung zu sprechen. Der Wortlaut stellt indes primär auf die Ergänzung selbst ab und nicht auf die Antragstellung. Er verbietet insoweit jedenfalls nicht eindeutig eine vorgezogene Antragstellung in Konstellationen, in denen voraussehbar ist, dass die Unterbesetzung auch nach Ablauf der Dreimonatsfrist fortbestehen wird. Sinn und Zweck der Dreimonatsfrist ist es, dem zuständigen Bestellungsorgan zu ermöglichen, den Aufsichtsrat selbst zu vervollständigen215. Dieser Zweck wird durch eine frühzeitige Antragstellung noch nicht beeinträchtigt, denn es bleibt dem Bestellungsorgan unbenommen, eine ordnungsgemäße Bestellung vorzunehmen, auch nachdem das Verfahren eingeleitet wurde. Selbst eine verfrühte Bestellung führte rechtlich nicht zu vollendeten Tatsachen, da nach § 104 Abs. 5 AktG stets der Vorrang der ordentlichen Bestellung gilt und durch diese das Amt des gerichtlich bestellten Mitglieds auto214 So auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 26; Geßler, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 13. 215 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 51; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 25; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 19; Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 218.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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matisch erlischt. Allerdings verbietet die Dreimonatsfrist eindeutig eine solche vorzeitige Bestellung. Demgegenüber ist die frühzeitige Antragstellung zulässig, wenn sie unter der Maßgabe erfolgt, dass vor Fristablauf keine anderweitige Ergänzung des Gremiums in Aussicht steht und das Gericht erst nach Fristablauf ein Aufsichtsratsmitglied bestellen soll. Dadurch werden die berechtigten Interessen des im ordentlichen Bestellungsverfahren zuständigen Organs nicht verletzt. Es liegt auch in dessen Interesse, dass zumindest nach Fristablauf möglichst rasch ein Aufsichtsratsmitglied bestellt und so die volle Funktionsfähigkeit des Gremiums wieder hergestellt wird, wenn es nicht selbst in der Lage ist, die Bestellung zeitnah vorzunehmen. Gerade in den Fällen, in denen sich die Suche nach einem neuen Mitglied als schwierig erweist, kann durch frühzeitiges Einleiten des gerichtlichen Verfahrens der Zeitraum der Unterbesetzung minimiert werden.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte Der Antragsteller hat nicht nur das Recht, das gerichtliche Verfahren in Gang zu bringen, sondern darüber hinaus die Möglichkeit, durch Vorschläge Einfluss auf die Entscheidung zu nehmen, welche Person in den Aufsichtsrat bestellt wird. Dabei sind nicht nur die in der Praxis üblichen Personenvorschläge gegenüber dem Gericht relevant. Es soll im Folgenden vielmehr auch beleuchtet werden, welche weiteren Hinweisrechte des Antragstellers gegenüber dem Gericht bestehen (dazu unter 1.), sowie welche Vorschlags- und Hinweisrechte zwischen den Organen der Aktiengesellschaft und den sonstigen Beteiligten untereinander bestehen (2.). 1. Vorschlags- und Hinweisrechte gegenüber dem Gericht Der Antragsteller ist befugt, dem Gericht Kandidatenvorschläge zu unterbreiten. Während bei mitbestimmten Gesellschaften dieses Vorschlagsrecht für die Bestellung von Arbeitnehmervertretern im Aktiengesetz kodifiziert ist, beruht das Vorschlagsrecht der sonstigen Antragsteller auf ungeschriebenen Grundsätzen. a) Gesetzlich geregelte Vorschlagsrechte Nach § 104 Abs. 4 Satz 4 HS 1 AktG soll das Gericht Vorschläge von Gewerkschaften, deren Spitzenorganisationen sowie von Betriebsräten grundsätzlich berücksichtigen, wenn sie auch bei der ordentlichen Bestellung ein Vorschlagsrecht hätten. Ein solches Vorschlagsrecht ergibt sich für die Gewerkschaften aus § 16 Abs. 2 Satz 1 MitbestG, § 10 d Abs. 2 Satz 1 MitbestErgG, für die Spitzenorganisationen von Gewerkschaften aus § 6 Abs. 3 und 4 MontanMitbestG, gegebenen-

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C. Der Antragsteller

falls i.V. m. § 9 MontanMitbestG und für Betriebsräte aus § 6 Abs. 1 Satz 2 MontanMitbestG216. Das Gesetz greift also im ordentlichen Bestellungsverfahren angeordnete Vorschlagsrechte auf und überträgt sie in das gerichtliche Ergänzungsverfahren. Folglich ist die Ergänzung durch das Gericht nicht völlig losgelöst vom ordentlichen Bestellungsverfahren zu sehen und die Funktion des § 104 AktG als Substitut für die grundsätzlich vorrangige Bestellung durch das zuständige Organ tritt auch an dieser Stelle im Gesetz zu Tage. Zwar ließe sich auch argumentieren, der Bezug lediglich auf konkret bestimmte Vorschlagsrechte führe im Umkehrschluss dazu, dass sonstige Bestimmungen, die die ordentliche Bestellung betreffen, das gerichtliche Verfahren gerade nicht maßgeblich beeinflussen könnten. So bleibt etwa das Vorschlagsrecht der Arbeitnehmer und leitenden Angestellten nach § 15 Abs. 2 MitbestG wegen der ausdrücklichen Begrenzung auf Vorschlagsrechte einer Spitzenorganisation einer Gewerkschaft, einer Gewerkschaft oder der Betriebsräte außen vor. Dieser Argumentation ist aber entgegenzuhalten, dass die Konzeption als Not- bzw. Behelfslösung überdies in der Dreimonatsfrist bei Unterbesetzung und vor allem in § 104 Abs. 5 AktG zum Ausdruck kommt, wonach das zuständige Bestellungsorgan stets die Kompetenz hat, selbst ein das gerichtlich bestellte Mitglied verdrängendes neues Mitglied zu bestellen. Konsequenterweise sprechen auch Rechtsprechung und Literatur im Zusammenhang mit § 104 AktG von einer vorläufigen217 oder auch subsidiären218 Überbrückung durch die gerichtliche Ergänzung219, der „Ersatzfunktion“220 und dem Ausnahmecharakter221, teilweise auch von „Notbestellung“222, „Notfällen“223 oder „wichtigen Gründen“224, die allein zum Eingreifen der Norm führen. 216 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 34; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 76, dort auch ausführlich und m.w. N. zur von der h. M. bejahten Frage, ob das in § 6 DrittelbG geregelte Vorschlagsrecht der Betriebsräte ebenfalls unter § 104 Abs. 4 Satz 4 HS 1 AktG zu subsumieren ist. 217 AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133; so auch bereits Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 5. 218 Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1702. 219 BGH v. 15.12.1986 – II ZR 18/86, NJW 1987, 902, 903; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 19; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.87; so bereits zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937 Schmatz, in: WM 1955, 642, 648. 220 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 2; ähnlich Spindler/ Stilz, AktG, § 104 Rn. 1 („Ersatz für die Wahl- bzw. Entsendungsberechtigten“). 221 So schon zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937 Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 3; zu § 104 Abs. 2 AktG Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217, 218 und ihnen folgend BayObLG v. 29.3.2000 – 3Z BR 11/00, AG 2001, 50. Die bloße „Ersatzfunktion“ ablehnend hingegen Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 10. 222 So zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937 i. d. F. von 1957 Spieker, in: Mitbestimmungsgespräch 1962, 10. Ähnlich auch Munzig, in: FGPrax 2006, 94, 96, der von der „Bestellung eines ,Notaufsichtsratsmitglieds‘ “ spricht. 223 Obermüller, in: DB 1971, 2049.

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b) Ungeschriebene Vorschlagsrechte Üblich und zweckmäßig ist es, dass auch der nicht auf Grund ausdrücklicher Rechtsvorschrift vorschlagsberechtigte Antragsteller dem Gericht einen Vorschlag unterbreitet, welcher Kandidat in den Aufsichtsrat bestellt werden soll225. Ein solcher Vorschlag ist für das Gericht unverbindlich, gleichwohl wird ihm in der Praxis häufig gefolgt226. Das ist unbedenklich, solange es um die Bestellung von Mitgliedern der Anteilseigner-Bank geht und ein Großaktionär einen Vorschlag macht, schließlich hätte der Großaktionär bei der ordentlichen Bestellung durch die Hauptversammlung ebenfalls maßgebliche Einflussmöglichkeiten. Auch der Vorschlag des Aufsichtsrats gegenüber dem Gericht ist mit der Konzeption des Aktiengesetzes vereinbar, denn auch bei der ordentlichen Wahl der Aufsichtsratsmitglieder hat der Aufsichtsrat nach § 124 Abs. 3 Satz 1 Akt ein Vorschlagsrecht, genauer: ausschließlich der Aufsichtsrat hat das Recht und zugleich die Pflicht, „zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern [. . .] in der Bekanntmachung der Tagesordnung Vorschläge zur Beschlussfassung zu machen“. Dieses Vorschlagsrecht ist mit Blick auf den gesellschaftsrechtlichen Grundsatz der Verbandsautonomie227 ein adäquates Mittel, den hoheitlichen Eingriff durch das Gericht in die Geschicke der Aktiengesellschaft abzumildern. Der Vorschlag durch die Organmitglieder dient zumindest als Grundlage für die Entscheidung des Gerichts, so dass die Entscheidung letztlich – wenn auch bei einer abweichenden Entscheidung nur mittelbar – auf den Willen der Mitglieder der Gesellschaftsorgane zurückgeführt werden kann. (1) Problematik des vom Vorstand ausgehenden Vorschlags Es überrascht, dass dem Antragsteller – in der Praxis also regelmäßig dem Vorstand – zugebilligt wird, einen Kandidaten vorzuschlagen228, obwohl Vor224

Geßler, AktG, § 104 Rn. 1. Vgl. bereits Spieker, in: Mitbestimmungsgespräch 1962, 10; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 13; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 31; Bezzenberger, in: Festschrift für Priester, S. 23, 34; entsprechend sieht auch das Formulierungsbeispiel von Hölters, in: Münchener Vertragshandbuch, Bd. 1, Gesellschaftsrecht, S. 868 einen konkreten Kandidatenvorschlag vor. 226 Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 42. Es bedarf jedoch stets einer Prüfung, das Gericht darf den Vorschlag also nicht ohne weiteres übernehmen, LG Hannover v. 5.3.2009 – 21 T 2/09, ZIP 2009, 760, 761; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 16; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5. Die Praxis zeigt indes, dass die Gerichte gerade beim Vorhandensein von Minderheitsgesellschaftern ihren Ermessensspielraum nutzen, Vossius, in: ZGR 2009, 366, 401. 227 Vgl. dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 83 ff. m.w. N. 228 Vgl. von Wietzlow/Gemmecke, in: AG-Report 2003, R302, die im Hinblick auf die Corporate Governance kritisieren, dass „Antragsteller [. . .] regelmäßig der Vorstand [ist], der einen Kandidaten seiner Wahl für die verbleibende Amtszeit des ausgeschiedenen Aufsichtsratsmitglieds vorschlägt.“ Zur Üblichkeit eines solchen Vorschlags in der 225

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C. Der Antragsteller

schläge des Vorstands im Rahmen der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung gerade nicht vorgesehen sind (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG). Letzteres ist vom Gesetzgeber so beabsichtigt, da der Vorstand auf die Wahl der ihn nach § 111 Abs. 1 AktG überwachenden Aufsichtsratsmitglieder keinen Einfluss haben soll und Interessenkollisionen von vornherein vermieden werden sollen229. Vereinzelt wurde im älteren Schrifttum vertreten, dass mangels gesetzlicher Regelung dennoch ein Vorschlagsrecht des Vorstandes und auch der einzelnen Vorstandsmitglieder bei der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bestehe230. Der Wortlaut des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG regelt in der Tat allein die Vorschlagspflicht („haben [. . .] Vorschläge [. . .] zu machen.“). Der gesetzgeberische Zweck, Interessenkollisionen vorzubeugen, würde jedoch vereitelt, wenn man dem Vorstand ein Recht zubilligte, gleichwohl Vorschläge zu unterbreiten231. Der Vorstand soll nach der Konzeption der aktienrechtlichen Organisationsverfassung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nehmen können. Insoweit gibt es daher keinen Unterschied zwischen der Vorschlagspflicht und dem Vorschlagsrecht des Vorstands, das mithin abzulehnen ist232. In diesem Sinne betonen zahlreiche Vorschriften die notwendige Unabhängigkeit zwischen dem geschäftsführenden Organ und dessen Kontrolleuren. Wie bereits erläutert, darf die Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder nicht durch den Vorstand festgesetzt werden, weshalb auch Verträge zwischen Gesellschaft und einzelnen Aufsichtsratsmitgliedern zustimmungspflichtig sind (§§ 113, 114 AktG). Als weiteres Beispiel für eine Bestimmung im Aktiengesetz, die die notwendige Unabhängigkeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat herausstellt, dient § 103 AktG, der die Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds regelt: Der Vorstand ist weder berechtigt, Aufsichtsratsmitglieder nach Absatz 1 der Norm abzuberufen, noch gemäß Absatz 3 bei Gericht einen Antrag auf Abberufung aus Praxis vgl. des Weiteren OLG München v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, juris Rn. 1, 15; BayObLG v. 9.7.2004 – 3Z BR 99/04, juris Rn. 1; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 31; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 81, 83; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 36 f.; Spieker, in: Mitbestimmungsgespräch 1962, 10, 11. 229 Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 174. 230 Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 252 f., die diese Auffassung nicht näher begründen. 231 Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 124. 232 Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 124 Rn. 39; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 18; Willamowski, in: Spindler/Stilz, AktG, § 124 Rn. 11; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 15; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.72; Semler, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 23, wonach der Aufsichtsrat allenfalls vor seiner Beschlussfassung über den Vorschlag die Meinung des Vorstands einholen könne; Gündel, Interessenwahrung bei der Besetzung des Aufsichtsrats, S. 37 f.; Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 568 f.

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wichtigem Grund zu stellen, da er sonst die Besetzung des Kontrollorgans beeinflussen könnte233. Diese Rechte sind vielmehr der Hauptversammlung und dem Aufsichtsrat vorbehalten. Umgekehrt ist der Aufsichtsrat nach § 84 AktG zuständig für die Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder und zudem für deren Vergütung. So erscheint es besonders zweifelhaft, wenn der Vorstand Einfluss auf die Besetzung des Aufsichtsrats nimmt, da sich auf diese Weise letztlich die Mitglieder der beiden Organe gegenseitig einsetzen könnten – ein eklatanter Widerspruch zu jeglicher Organisationsstruktur. Allgemein ist es ein Charakteristikum des dualistischen Systems des deutschen Aktienrechts, dass zwischen Geschäftsführungs- und Kontrollorgan – zwar nicht ohne Ausnahme, aber doch im Grundsatz – Unabhängigkeit besteht. Vorstand und Aufsichtsrat sollen zwar eng zusammenarbeiten234, jedoch ist kein Raum für gegenseitige Abhängigkeit oder „Kumpanei“235. Vor diesem Hintergrund ist zu klären, wie weit der Einfluss des Vorstands bei der Kandidatenauswahl im Rahmen einer gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats reichen darf. (2) Für das Vorschlagsrecht sprechende Gründe Für die Befugnis des antragstellenden Vorstandes, dem Gericht einen Kandidatenvorschlag zu unterbreiten, sprechen zunächst vor allem praktische Gründe: Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats dient in erster Linie dazu, kurzfristig eine Vakanz in dem Gremium beheben zu können. Der Vorstand als mit dem Alltagsgeschäft betrautes Organ ist im Gegensatz zu anderen Organen der Aktiengesellschaft in der Lage, schnell zu handeln und einen entsprechenden Antrag bei Gericht einzureichen. Es dient ebenfalls der Vereinfachung und damit der Beschleunigung des Verfahrens, wenn der Vorstand das Gericht bei der Suche nach einem adäquaten Aufsichtsratsmitglied unterstützt, indem er eine bestimmte Person benennt236. Denn die Vorstandsmitglieder kennen die Branche, in der die Gesellschaft unternehmerisch tätig ist, und sind daher in der Lage, Persönlichkeiten zu benennen, die den Aufsichtsrat sinnvoll ergänzen können. Zumindest kann der Vorstand die Kandidatensuche erleichtern, indem er ein Kandidatenprofil mitteilt237. 233

Vgl. u. a. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 103 Rn. 51. So ausdrücklich Ziff. 3.1 DCGK. 235 Semler/Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 97; vgl. auch v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 299 f. 236 Das Problem der Registerrichter, adäquate Kandidaten für den vakanten Aufsichtsratssitz zu finden, wurde auch in der vom Verfasser durchgeführten Befragung bestätigt. Dass ein Kandidatenvorschlag des Vorstands aufgrund dessen Sachnähe hilfreich ist, betont auch das LG Hannover in seinem Beschluss v. 5.3.2009 – 21 T 2/09, ZIP 2009, 760, 761. 237 Vgl. Vetter, in: DB 2005, 875 f.; zur allgemeinen Frage, inwieweit der Vorstand bei der Kandidatensuche mitwirken soll, Meder, in: DStR 2008, 1242, 1243. 234

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C. Der Antragsteller

(3) Vergleich mit der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern Aber auch die Praxis der ordentlichen Bestellung von Anteilseignervertretern durch die Hauptversammlung auf Vorschlag des Aufsichtsrats vollzieht sich oft nicht außerhalb des Einflussbereichs des Vorstands, wie es das aktiengesetzliche Ideal zum Ausdruck bringt und es im Sinne der Unabhängigkeit zwischen den beiden Organen angestrebt wird238. In Publikumsgesellschaften, die realtypisch von weitgehender Entscheidungsfreiheit des Vorstandes und insbesondere des Vorstandsvorsitzenden geprägt sind, und in denen der Aufsichtsrat mehr als Beratungs- denn als Kontrollinstanz fungiert, hat der Vorstand faktisch die Auswahl der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat weitgehend in der Hand239. Diese häufig als „eine Art Kooptation“ bezeichneten Vorgänge sind vor allem hinsichtlich der Nachfolge ausscheidender Vorstandsmitglieder in Publikumsgesellschaften keine neue Erscheinung und prägen auch die Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder240. Unter dem Begriff „Kooptation“ ist allgemein die Ergänzung einer Körperschaft oder eines Organs durch Zuwahl neuer Mitglieder seitens der alten Mitglieder zu verstehen241. Der Begriff trifft daher nur dann direkt zu, wenn man 238 Vgl. die Forderung von Säcker, in: AG 2004, 180, 182, wonach der Aufsichtsrat unter Abwesenheit des Vorstands über den Wahlvorschlag beraten und entscheiden soll. 239 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 14 III 3. b) bb); Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 13 Rn. 13; Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 729. Nach Werner, in: Großkommentar, AktG, § 124 Rn. 73 ist in Publikumsgesellschaften „der Einfluß des Vorstands auf den Vorschlag zur Wahl neuer Aufsichtsratsmitglieder nicht zu unterschätzen“; Zöllner, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Aufl., § 124 Rn. 29 spricht von „erheblichem Einfluss“, der den Vorstandsmitgliedern für die Ergänzung des Aufsichtsrats meist zukomme; vgl. auch Lutter, in: ZHR 1995, 287, 301; Peltzer, in: NZG 2002, 10, 12; Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 578 ff.; Wirth, in: ZGR 2005, 327, 343; Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung, in: DB 2006, 1625, 1627; Meder, in: DStR 2008, 1242 f. 240 Vgl. bereits aus dem Jahre 1958 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 91 m.w. N. und aus dem Jahre 1961 Wiethölter, Interessen und Organisation der Aktiengesellschaft, S. 294; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604; ausführlich Semler, in: Festschrift für Lutter, S. 721 ff. Dass Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam für die langfristige Nachfolgeplanung bei der Besetzung des Vorstands sorgen sollen, empfiehlt Ziff. 5.1.2 Satz 2 DCGK. Mangels funktionsbezogener Interessenkonflikte spricht nichts dagegen, dass der Vorstand die eigene Nachfolge maßgeblich beeinflusst. Demgegenüber betont Ziff. 5.4.2 DCGK die Unabhängigkeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat im Zusammenhang mit der Besetzung des Aufsichtsrats, schließt jedoch in seiner weichen Empfehlung nicht aus, dass der Vorstand gewissen Einfluss nehmen kann. Auch die – freilich unverbindliche – „Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“ der EU-Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG), abrufbar unter: http:// eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:052:0051:0063:DE:PDF (Stand: 8.7.2009), fordert eine entsprechende Unabhängigkeit zwischen Geschäftsführungs- und Aufsichtsorgan. Vgl. dazu auch Kort, in: AG 2008, 137, 142. 241 Lexikon des Rechts, Bd. 1, Teil I, S. 224; ähnlich Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 578.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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Vorstand und Aufsichtsrat in diesem Zusammenhang als Einheit ansieht, wie es etwa der Begriff „Verwaltung“ der Gesellschaft tut. Genau genommen gehen die Vorgänge indes über die reine Kooptation noch hinaus, da grundsätzlich zwischen den Verwaltungsorganen Vorstand und Aufsichtsrat zu trennen ist und somit eine Ergänzung nicht allein durch Altmitglieder, sondern durch (eigentlich unzuständige) Mitglieder eines anderen Organs erfolgt. Ungeachtet dieser begrifflichen Einordnung steht dem Vorteil für die Gesellschaft, dass der Aufsichtsrat so zu einem „Spiegelbild der verschlungenen Geschäftsbeziehungen des Unternehmens wird“ und diese Geschäftsbeziehungen auf diese Weise gepflegt werden können242, der augenscheinliche Nachteil gegenüber, dass Zweifel an der notwendigen Unabhängigkeit zwischen Geschäftsführungs- und Kontrollorgan bestehen. Von Ulmer auf den Punkt gebracht: „[Es] liegt auch der Gedanke nicht fern, dass Kontrolleure, die ihr Mandat den zu Kontrollierenden verdanken, im Regelfall ihre Hauptaufgabe nicht gerade darin sehen werden, diesen besonders scharf auf die Finger zu blicken243.“ Mag das Vorschlagsrecht des Aufsichtsrats demnach rechtstatsächlich nicht unbeeinflusst vom Vorstand ausgeübt werden und mag dem Vorstand auch das Recht zugebilligt werden, den Aufsichtsrat auf geeignet erscheinende Personen hinzuweisen244, betont die h. M. dennoch zu Recht, dass das ausschließliche Vorschlagsrecht des Aufsichtsrats245 nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG ernst zu nehmen ist: Die Gesetzeswidrigkeit der Bekanntmachung einer Tagesordnung, in der sowohl der Aufsichtsrat als auch der Vorstand einen Vorschlag zur Wahl des Abschlussprüfers machten, ist nach Ansicht des BGH „nicht etwa so marginal, dass ihm ausnahmsweise die erforderliche Relevanz für eine sachgerechte Meinungs242 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 91; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604; kritisch v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 302: „Die Zusammensetzung des Aufsichtsrats darf [. . .] nicht primär durch die Zufälligkeiten eines traditionellen oder spontan entstandenen Kontaktgeflechts bestimmt werden.“ 243 Ulmer, in: AcP 2002, 143, 161. 244 Semler, in: Festschrift für Lutter, S. 721, 725, der jedoch auch deutlich macht, dass jede über einen Hinweis des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat hinaus gehende Einflussnahme eine Sorgfaltspflichtverletzung darstellt. Ähnlich bereits Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 569. Vgl. auch Anhang I, Ziff. 2.3.1. der „Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“ der EU-Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG), im Internet abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:052: 0051:0063:DE:PDF (Stand: 8.7.2009), wonach der Nominierungsausschuss „Vorschläge berechtigter Parteien einschließlich der Geschäftsführung und der Aktionäre prüfen“ sollte. 245 Nach den §§ 127, 137 AktG können auch Aktionäre Wahlvorschläge unterbreiten, was indes in der Praxis nicht oft geschieht, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 731; Semler, in: Festschrift für Lutter, S. 721, 725; Meder, in: DStR 2008, 1242; einschränkend Wirth, in: ZGR 2005, 327, 342. Vom Vorstand ausgehende Vorschläge zur Aufsichtsratswahl sind dem Aktiengesetz dagegen grundsätzlich fremd.

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C. Der Antragsteller

bildung der Aktionäre abzusprechen wäre“, und führt dementsprechend zur Anfechtbarkeit des daraufhin gefassten Beschlusses246. Wie bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern hat auch bei der Wahl von Prüfern ausschließlich der Aufsichtsrat das Vorschlagsrecht (§ 124 Abs. 3 Satz 1 AktG), so dass die vom BGH genannten Erwägungen bei der Aufsichtsratswahl entsprechend gelten. Mag zeitgemäße Aufsichtsratstätigkeit zu einem Großteil von Beratung geprägt sein, so liegt der Aufgabenschwerpunkt doch nach wie vor in der unabhängigen und effektiven Kontrolle des Vorstands, die zwingend eine gewisse Distanz zwischen den in den Organen vertretenen Personen voraussetzt. Auch die im Jahre 2007 eingefügte Empfehlung in Ziff. 5.3.3 des DCGK, wonach der Aufsichtsrat entsprechend internationaler Praxis247 einen ausschließlich mit Anteilseignervertretern besetzten Nominierungsausschuss bilden soll, der dem Gesamtgremium Kandidaten für dessen Wahlvorschläge gegenüber der Hauptversammlung vorschlägt, unterstreicht die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats und zielt darauf ab, dessen Rolle bei der Kandidatenauswahl gegenüber dem Vorstand zu stärken248. Ein gewichtiger Unterschied besteht zwischen diesen faktischen Kooptationsvorgängen249 durch den gesetzlich gerade nicht vorschlagsberechtigten Vorstand im Rahmen der ordentlichen Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder durch die Hauptversammlung einerseits und der Bestellung durch das Gericht andererseits250: Bei Ersterer liegt die Rechtsmacht zur freien Entscheidung, ob der vorgeschlagene Kandidat gewählt wird, in den Händen der Aktionäre. Diese sind „Herr des Besetzungsverfahrens“251. Der unverbindliche Vorschlag des Aufsichtsrats, der 246 BGH v. 25.11.2002 – II ZR 49/01, AG 2003, 319, 320; vgl. auch OLG Hamm v. 7.1.1985 – 8 U 47/84, AG 1986, 260 ff.; Kubis, in: Münchener Kommentar, AktG, § 124 Rn. 46; Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, § 124 Rn. 18; Vetter, in: Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 20; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.72; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 129 m.w. N. 247 Vgl. die Ausführungen des damaligen Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Cromme anlässlich der 6. Konferenz DCGK am 6.7.2007, abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/ Rede_Cromme_deu_6.pdf (Stand: 17.12.2008), S. 5. 248 Meder, in: ZIP 2007, 1538, 1540; Schiessl, in: AG 2002, 593, 599. Empfohlen wird die Einsetzung eines Nominierungsausschusses überdies in den Erwägungsgründen 9 ff. sowie in Ziff. 5 der „Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“ der EU-Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:052:0051:0063:DE:PDF (Stand: 8.7.2009). 249 Begriff nach Lutter, in: ZIP 2003, 417, 419. 250 Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 569, vergleicht die gerichtliche Bestellung mit der ordentlichen Aufsichtsratswahl insoweit, als er Erstere als „Ausnahme“ für den Grundsatz nennt, dass der Vorstand keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrats nehmen dürfe.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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seinerseits aus einer Anregung des Vorstands resultieren kann, dient allein als Grundlage für die Meinungsbildung der Aktionäre252, die aber auch einen anderen Kandidaten wählen können. Dass die Aktionäre, insbesondere die „rational apathisch“ handelnden Kleinaktionäre von Publikumsgesellschaften, dem Vorschlag in der Praxis meist folgen253, steht auf einem anderen Blatt, denn die Legitimation durch die Anteilseigner ist mit der Wahl des Aufsichtsratsmitglieds jedenfalls erteilt. Durch die Pflicht des Vorstands, die Hauptversammlung frühzeitig einzuberufen und gleichzeitig die Tagesordnung samt den Vorschlägen bekannt zu machen254, haben die Aktionäre die Möglichkeit, sich über die vorgeschlagene Person zu informieren. Da nach den §§ 124 Abs. 3 Satz 3, 125 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 AktG Name, ausgeübter Beruf und Wohnort des Kandidaten und darüber hinaus bei börsennotierten Gesellschaften Angaben zu dessen Mitgliedschaft in anderen Aufsichtsgremien mitzuteilen sind, können sich die Aktionäre eine fundierte Meinung bilden. Bevor nun die Aktionäre ein Aufsichtsratsmitglied wählen, haben sie das Recht, nach § 131 AktG weitere, unter Umständen detaillierte Auskünfte über die vorgeschlagene Person zu verlangen255. Wählt die Hauptversammlung daraufhin bestimmte Mitglieder in den Aufsichtsrat, so wird nicht nur der Wille der Aktionäre angemessen berücksichtigt, sondern durch die Legitimationswirkung der Wahl auch die Position des Aufsichtsrats gegenüber dem Vorstand gestärkt. Demgegenüber bleiben die Aktionäre einer Publikumsgesellschaft bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern regelmäßig unberücksichtigt. Dass auch sie nach § 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AktG ein Antrags- und dementsprechend auch ein Vorschlagsrecht haben, ändert daran nichts, da regelmäßig der Vorstand den Antrag stellt und nicht verpflichtet ist, das Einverständnis der Aktionäre einzuholen. Die Aktionäre erfahren von einem Wechsel in der Besetzung des Aufsichtsrats erst durch die Hinweisbekanntmachung des Registergerichts nach § 106 AktG i.V. m. § 10 HGB und können sich dann über die im elektronischen Unternehmensregister einsehbare Liste der Mitglieder des Aufsichtsrats informieren256. Nicht selten werden gerade Kleinaktionäre erst mit der 251

Sünner, in: ZIP 2003, 834. So bereits die Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 174. 253 Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 730; Lutter, in: ZHR 1995, 287, 301; Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 577; Meder, in: DStR 2008, 1242. 254 Vgl. §§ 124 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 1; 123 Abs. 1 AktG. 255 Vgl. ausführlich Kubis, in: Münchener Kommentar, AktG, § 131 Rn. 54 ff. und Rn. 171 m.w. N. 256 Zu diesen neuen Publizitätsbestimmungen, die durch das EHUG (Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister vom 10.11.2006, BGBl. I, 2553 ff.) eingeführt wurden, Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 106 Rn. 1 ff. Ebenfalls kritisch zur Rechtslage vor dem EHUG von Wietzlow/Gemmecke, in: AG-Report 2003, R302 f. 252

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C. Der Antragsteller

Einladung zur nächsten Hauptversammlung von der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats erfahren. Es fehlt also an der Legitimation durch die Aktionäre257, die den mit dem Vorschlag einhergehenden Makel jedenfalls potenziell mangelnder Unabhängigkeit auffinge. Bereits der faktische Einfluss des Vorstands bei der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in von Streubesitz geprägten Aktiengesellschaften, der darauf fußt, dass der Vorstand tatsächlich weitgehende Entscheidungsfreiheit besitzt und die Aktionäre häufig dem Wahlvorschlag entsprechend abstimmen, ist überaus kritikwürdig. Bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats handelt es sich um einen Vorgang, der zusätzlich an erheblicher Intransparenz leidet258, da erst das Ergebnis, nicht aber der Entscheidungsprozess sichtbar wird. (4) Folgerung Bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern besteht die Rolle des Vorstands in erster Linie darin, im Interesse der Gesellschaft die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats durch das Einleiten des gerichtlichen Verfahrens zu gewährleisten, nicht aber maßgeblichen Einfluss auf die personelle Neubesetzung des Kontrollorgans zu nehmen259. Sowohl der antragstellende Vorstand als auch das Gericht haben die fehlende Legitimation durch die Hauptversammlung zu kompensieren: Der Vorstand muss die Befugnis zur Unterbreitung eines Kandidatenvorschlags pflichtgemäß und unter maßgeblicher Einbeziehung des Aufsichtsrats260 wahrnehmen, wobei allenfalls in besonders eilbedürftigen Fällen eine Absprache mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden ausreichend sein kann261. Gegebenenfalls ist auch eine Stellungnahme des Hauptaktionärs einzuholen262. Zudem muss das an den Vorschlag nicht gebundene Gericht sein Auswahlermessen 257 Die Bedeutung des Unterschiedes zwischen ordentlicher Bestellung und gerichtlicher Bestellung ohne Einbeziehung der Hauptversammlung – allerdings in Bezug auf die Problematik der Bestellung von Wettbewerbern der Gesellschaft – betonen auch Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 105. 258 Demgegenüber besteht bei der ordentlichen Wahl die Möglichkeit, die erforderliche Transparenz herzustellen, welche eine gewisse Mitwirkung des Vorstands bei der Kandidatensuche rechtfertigen könnte, vgl. Meder, in: DStR 2008, 1242, 1243 f. 259 Vgl. auch, zur Konstellation verschiedener Vorschläge konkurrierender Gewerkschaften, Rittner, in: Festschrift für Fischer, S. 627, 634, wonach sich der Vorstand „zurückhalten“ und die Entscheidung letztlich dem Gericht überlassen sollte. 260 Jüngeren Gerichtsentscheidungen ist zu entnehmen, dass dem Kandidatenvorschlag inzwischen häufiger eine Zustimmungserklärung der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder beigefügt wird, vgl. etwa OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454, wonach der Vorstand vom Aufsichtsrat „ermächtigt“ wurde, eine bestimmte Person vorzuschlagen. 261 Vgl. den der Entscheidung des AG Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133 zugrunde liegenden Sachverhalt („Antrag des Vorstands und des Aufsichtsratsvorsitzenden“). 262 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 81.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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pflichtgemäß ausüben. Darüber hinaus ist das Legitimationsdefizit dadurch zu entschärfen, dass der Antrag eine Befristung der Amtszeit des neuen Mitglieds bis zur nächsten Hauptversammlung vorsieht263. Auch in diesem Zusammenhang ist also der Charakter der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats als Behelfslösung zu berücksichtigen. c) Mit dem Vorschlag einzureichende Angaben Ebenso wie bei einem Wahlvorschlag gegenüber der Hauptversammlung nach § 125 Abs. 1 Satz 3 AktG ist mit dem Vorschlagsrecht gegenüber dem Gericht die Pflicht verbunden, zumindest die wichtigsten Informationen über den Kandidaten zu benennen. Nur auf diese Weise wird eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Gerichts ermöglicht. d) Hinweisrechte und Mitwirkungspflichten Eine andere und bislang kaum diskutierte Frage ist, ob und gegebenenfalls inwieweit der Antragsteller das Gericht auf Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Person hinweisen darf oder gegebenenfalls auch muss. Das kommt insbesondere dann in Betracht, wenn etwa, wie in der Praxis häufig und nach der Organisationsverfassung erforderlich, der Vorstand den Antrag bei Gericht stellt und dabei nur auf Veranlassung des Aufsichtsrats eine bestimmte Person vorschlägt264, gegenüber welcher er jedoch tatsächlich Vorbehalte hat (dazu unter (1)). In diesem Kontext relevant ist auch die Konstellation, dass ein Aktionär den Antrag nach § 104 AktG gestellt hat, verbunden mit einem eigenen Vorschlag über die zu bestellende Person, und der Vorstand daraufhin beabsichtigt, gegenüber dem Gericht Bedenken zu äußern (dazu unter (2)). (1) Hinweis des Vorstands auf Bedenken gegen den vom Aufsichtsrat ausgehenden Vorschlag Aufgrund der dargestellten Kompetenzverteilung bei der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern kommt dem Vorschlag des Aufsichtsrats gegenüber Einwänden des Vorstands größeres Gewicht zu. Der antragstellende Vorstand hat daher nicht das Recht, den mit dem Antrag vorgebrachten Willen des Aufsichtsrats hinsichtlich des zu bestellenden Kandidaten durch einen Hinweis gegenüber dem Gericht beliebig zu konterkarieren.

263 264

454.

So nunmehr auch die Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK. Vgl. beispielsweise OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453,

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C. Der Antragsteller

Dieses Verbot kann jedoch nicht uneingeschränkt gelten: Zum einen hat auch der Aufsichtsrat – wenngleich in Publikumsgesellschaften seinem Kandidatenvorschlag vorentscheidende Bedeutung zukommt265 – nicht die Rechtsmacht, im ordentlichen Bestellungsverfahren die Nachfolge seiner Mitglieder frei zu gestalten, weil dies Aufgabe und zentrales Recht der Hauptversammlung ist. Dementsprechend kommt auch im gerichtlichen Bestellungsverfahren seinem ohnehin unverbindlichen Vorschlag nur eingeschränkte Bedeutung zu. Zum anderen ist der Vorstand dem Unternehmensinteresse verpflichtet und hat demzufolge das Recht, gegebenenfalls dem Gericht konkrete Gründe darzulegen, die gegen die Bestellung eines bestimmten Kandidaten sprechen. Auch der BGH sieht es allgemein als „Aufgabe der Vorstandsmitglieder“ an, „vorhandene Bedenken zu äußern“, und zwar sowohl gegenüber Maßnahmen des gesamten Vorstands als auch des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung266. Diese Pflicht bestehe insbesondere bei den Wahlen zum Aufsichtsrat, wenn Zweifel an den fachlichen Voraussetzungen oder den persönlichen Eigenschaften des Kandidaten bestünden. Wenngleich diese Entscheidung des BGH kein Verfahren der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern betrifft, sind die Erwägungen auf die hier behandelten Fragen übertragbar. Mit der Stellung als Leitungsorgan und der Treubindung des Vorstands gegenüber der Gesellschaft wäre es unvereinbar, wenn er sehenden Auges etwa einen potenziell ungeeigneten oder mit Interessenkonflikten belasteten Kandidaten vorschlagen müsste bzw. einen entsprechenden Vorschlag des Aufsichtsrats hinnehmen müsste, ohne gegenüber dem Gericht sachliche Bedenken äußern zu dürfen267. Die Bedenken müssen sich nicht unmittelbar auf den vorgeschlagenen Kandidaten beziehen. Vielmehr kann der Vorstand auch anregen, etwa eine andere Person zu bestellen, die Fachwissen auf einem für den Aufsichtsrat und die Gesellschaft bedeutsamen Gebiet vorweisen kann. Sind die vorgebrachten Einwände sachlich begründet, stellen sie auch keinen Verstoß gegen organschaftliche Treubindungen268 der Vorstandsmitglieder gegenüber dem Aufsichtsrat dar. Allerdings ist zu fordern, dass die Einwände möglichst frühzeitig und zunächst direkt gegenüber dem Aufsichtsrat geäußert werden. Die notwendige vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Vorstand und Aufsichtsrat wird so nicht beeinträchtigt 265

Meder, in: DStR 2008, 1242. BGH v. 20. Oktober 1954 – II ZR 280/53, BGHZ 15, 71, 78. 267 Der Gedanke, dass das vorschlagende Organ auf Bedenken hinsichtlich des Kandidaten hinweisen sollte, findet sich auch in Ziff. 13.3.1 der „Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“ der EUKommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:052:0051:0063:DE: PDF (Stand: 8.7.2009), wonach bei einem Vorschlag hinsichtlich der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds offen zu legen ist, ob der Kandidat als unabhängig anzusehen ist. 268 Dazu allgemein Hüffer, AktG, § 84 Rn. 9 m.w. N. 266

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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und der erforderlichen „unbedingten Offenheit“269 der Vorstandsmitglieder gegenüber dem Aufsichtsrat entsprochen. Abhängig vom Grad der gegenüber dem vorgeschlagenen Kandidaten bestehenden Bedenken kann sich das Hinweisrecht zu einer Hinweispflicht verdichten, insbesondere wenn es konkrete Anhaltspunkte gibt, dass der Kandidat die gesetzlichen oder satzungsmäßigen Bestellungsvoraussetzungen nicht erfüllt, die nach § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG auch für die gerichtliche Bestellung gelten. Hier folgt die Hinweispflicht bereits aus dem an die eigenverantwortliche Leitungsmacht nach § 76 Abs. 1 AktG anknüpfenden Verhaltensstandard des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG, wonach der Vorstand dafür Sorge zu tragen hat, dass die Gesellschaft nicht gegen Recht oder Gesetz verstößt270. Eine Hinweispflicht des antragstellenden Vorstands besteht daneben auch aus verfahrensrechtlichen Gründen: Als Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats zwar der Amtsermittlungsgrundsatz (§§ 375 Nr. 3, 26 FamFG, früher: §§ 145 Abs. 1, 12 FGG)271. Dieser enthebt die Verfahrensbeteiligten allerdings nicht von ihrer Pflicht, entscheidungserhebliche Tatsachen darzulegen und so an der Aufklärung des Sachverhalts aktiv mitzuwirken272. Diese allgemeine Mitwirkungspflicht, die nunmehr in § 27 Abs. 1 FamFG gesetzlich verankert ist273, wird vor allem in Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit relevant, in denen die Beteiligten ihre gegensätzlichen Standpunkte ausführlich darzulegen haben. Aber auch ein Rechtsfürsorgeverfahren274 wie die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern erfordert die Mitwirkung der Beteiligten. Dies erst recht, wenn mehrere Beteiligte unterschiedliche Interessen verfolgen und sich dadurch eine Konstellation ergibt, die einem Streitverfahren nahe kommt. Erst die Hinweise und Anregungen der 269 BGH v. 26.3.1956 – II ZR 57/55, BGHZ 20, 239 = WM 1956, 631; Hefermehl/ Spindler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 76 Rn. 14. 270 Vgl. Ziff. 4.1.3 DCGK; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 93 Rn. 31 und 34; Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 III 4. c); Fleischer, in: ZIP 2005, 141 („Legalitätspflicht“ der Vorstandsmitglieder), jeweils m.w. N. 271 Der Amtsermittlungsgrundsatz wurde durch die Einführung des FamFG nicht verändert, Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 186; Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 26 FamFG Rn. 1. 272 Vgl. BayObLG v. 14.12.2004 – 3Z BR 134/04, AG 2005, 350, 351; Bumiller/ Winkler, FGG, § 12 Rn. 3; Bassenge/Roth, FGG, § 12 Rn. 14; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 51. 273 Es handelt sich um eine gesetzliche Fixierung der Grundsätze, die bereits hinsichtlich des FGG galten, vgl. Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 186. 274 Näher zur verfahrensrechtlichen Einordnung der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch das Gericht unter IV. A.

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C. Der Antragsteller

Beteiligten versetzen das Gericht überhaupt in die Lage, dem Amtsermittlungsgrundsatz sinnvoll entsprechen zu können und im Raum stehende Fragen aufzuklären275. So wird das Gericht veranlasst, den Sachverhalt in eine bestimmte Richtung näher zu ermitteln276. Der für eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung des Gerichts zugrunde zu legende Sachverhalt hat auch und gerade die in Betracht kommenden Tatsachen zu umfassen, die gegen die Bestellung eines vorgeschlagenen Kandidaten sprechen. Ob die vom Vorstand vorgetragenen Bedenken letztlich durchgreifen, hat daraufhin das Gericht zu prüfen277. (2) Hinweis des Vorstands auf Bedenken gegen den Vorschlag eines Großaktionärs Von der soeben behandelten Konstellation zu unterscheiden ist der Fall, dass ein Aktionär den Antrag stellt und dem Gericht einen Vorschlag bezüglich der zu bestellenden Person unterbreitet, mit dem der Vorstand nicht einverstanden ist. Ein Beispiel für einen solchen Fall war die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats der Mobilcom AG im November 2006: Der Aktionär Drillisch AG, der rund 10% der Mobilcom-Aktien hielt und einen tiefgreifenden Strategiewechsel durchzusetzen suchte, beanspruchte für sich einen Aufsichtsratsposten und schlug dementsprechend einen eigenen Kandidaten vor. Das Amtsgericht Kiel folgte diesem Vorschlag jedoch nicht, sondern bestellte den von der Verwaltung der Mobilcom AG favorisierten Kandidaten278. Zunächst stellt sich hier die verfahrensrechtliche Frage, ob und inwieweit ein nicht unmittelbar am Verfahren Beteiligter, aber potenziell Antragsberechtigter, Anspruch auf rechtliches Gehör hat, bzw. ob das Gericht veranlasst ist, seine Stellungnahme einzubeziehen. Nur dann, wenn der nicht antragstellende Vorstand überhaupt das Recht hat, im gerichtlichen Verfahren Stellung zu nehmen, kommt die Äußerung von Bedenken hinsichtlich des vorgeschlagenen Kandidaten in Betracht. Im Rahmen des für die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes gemäß §§ 375 Nr. 3, 26 FamFG (früher: §§ 145 Abs. 1, 12 FGG) bestimmt das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen den Umfang der anzustellenden Ermittlungen279. Diese sind so 275 Vgl. OLG Köln v. 7.8.1997 – 14 WF 95/97, NJWE-FER 1998, 20; Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rn. 121. 276 BGH v. 5.7.1963 – V ZB 7/63, BGHZ 40, 54, 57 = NJW 1963, 1972, 1973; BayObLG v. 22.7.1996 – 1Z BR 76/96, NJW-RR 1997, 7, 8; Schmidt, in: Keidel/ Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rn. 121 m.w. N. 277 Vgl. OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97, AG 1998, 427, 428. 278 Vgl. die Meldung der Wirtschaftswoche vom 23.11.2006, abrufbar unter http:// www.wiwo.de/technik/gericht-verwehrt-drillisch-sitz-in-mobilcom-aufsichtsrat-161171 / (Stand: 12.6.2008). 279 Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reform-

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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weit auszudehnen, wie es die Sachlage des konkreten Einzelfalles erfordert, und richten sich in Umfang und Richtung nach den Tatbestandsmerkmalen der materiellrechtlich einschlägigen Vorschrift280, hier also § 104 AktG. Gerade bei Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats spricht viel für eine weniger weit reichende Ermittlungspflicht, weil insbesondere in § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG die gesetzgeberische Intention zum Ausdruck kommt, eine rasche Vervollständigung des Gremiums zu gewährleisten. Sonst wäre es nicht notwendig, den Vorstand ausdrücklich zu „unverzüglicher“ Antragstellung zu verpflichten. Aus der letztlich erforderlichen Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, der für weit reichende Anhörungspflichten des Gerichts spricht, und der Eilbedürftigkeit des gerichtlichen Bestellungsverfahrens, die umfangreiche Ermittlungen nicht zulässt, leitet die wohl h. M. ab, dass in der Regel zumindest der Vorstand und die amtierenden Aufsichtsratsmitglieder anzuhören sind281. Eine persönliche Anhörung nach § 34 Abs. 1 FamFG wird hingegen regelmäßig nicht erforderlich sein, weil weder eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung existiert, die eine persönliche Anhörung vorsieht, noch eine solche in Anbetracht des Art. 103 Abs. 1 GG erforderlich erscheint282. Eine Anhörung der Vorstands- und Aufsichtsratsmitgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 186. Noch zum FGG Bumiller/Winkler, FGG, § 12 Rn. 42 und 55; Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rn. 118, jeweils m.w. N. Da es im Verfahren nach § 104 AktG keinen Antragsgegner gibt, war § 146 Abs. 1 FGG, der ausdrücklich die Anhörung des Antragsgegners vorsah, nicht unmittelbar einschlägig, vgl. Bumiller/Winkler, FGG, § 146 Rn. 2; Schmatz, in: WM 1955, 642, 646; Kocher, in: NZG 2007, 372, 374; anders wohl LG Hannover v. 5.3.2009 – 21 T 2/09, ZIP 2009, 760; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 22. Dem Rechtsgedanken des § 146 FGG konnte indes bereits entnommen werden, dass alle diejenigen anzuhören sind, deren Rechte durch die erstrebte Regelung beeinträchtigt werden können, Bassenge/Roth, FGG, § 146 Rn. 2, so dass im Ergebnis weit gehende Übereinstimmung herrschte. Im Ergebnis ebenso bei der parallelen Frage hinsichtlich der gerichtlichen Bestellung von Vorstandsmitgliedern OLG Frankfurt v. 28.1.2008 – 20 W 399/07, AG 2008, 419, 420. 280 OLG Hamm v. 4.12.1995 – 15 W 399/95, NJW-RR 1996, 996; BayObLG v. 14.12.2004 – 3Z BR 134/04, AG 2005, 350, 351. 281 OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97, AG 1998, 427, 428; LG Hannover v. 5.3.2009 – 21 T 2/09, ZIP 2009, 760; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 89; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 38; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 6; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 37, dort Fn. 68. Im Ergebnis wohl ähnlich Krafka/ Willer, Registerrecht, Rn. 1704, wonach „alle erkennbar Beteiligten zu hören“ sind. Demgegenüber kann bei Eilbedürftigkeit aus praktischen Gründen von einer Beteiligung der Aktionäre abgesehen werden, vgl. BayVerfGH v. 24.8.2005 – Vf. 80-VI-04, AG 2006, 209, 210. 282 Vgl. dazu Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 45 FamFG Rn. 3. Im Übrigen bezieht sich die Regelung der persönlichen Anhörung nach § 34 FamFG in erster Linie auf Eingriffe in Persönlichkeitsrechte, etwa bei familienrechtlichen Angelegenheiten, vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 192.

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C. Der Antragsteller

glieder, die also nicht mündlich erfolgen muss, ist sachgerecht, da sie regelmäßig unkompliziert und schnell zu bewerkstelligen ist und die so gewonnenen Informationen für die Ermessensausübung des Gerichts hinsichtlich der Kandidatenauswahl relevant sind. Daher hat der Vorstand regelmäßig verfahrensrechtlich die Möglichkeit, seine Bedenken dem Gericht gegenüber zu äußern, auch wenn er nicht selbst als Antragsteller auftritt. Sollte im Einzelfall keine vom Gericht ausgehende Anhörung erfolgen, kann der Vorstand aus eigener Initiative mit dem Gericht Kontakt aufnehmen. Auch auf diese Weise zugetragene Informationen hat das Gericht in seine Ermessensausübung bei der Auswahl der zu bestellenden Person einzubeziehen. Was die aktienrechtliche Beurteilung dieser Fälle betrifft, so ist zu berücksichtigen, dass der Aktionär Teil des eigentlichen Bestellungsorgans Hauptversammlung ist. Freilich kommt einem einzelnen Aktionär nur dann die Rechtsmacht zur Bestellung eines bestimmten Kandidaten in den Aufsichtsrat zu, wenn er über die erforderliche Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung verfügt. Hierfür genügt in Publikumsgesellschaften regelmäßig bereits ein Stimmrechtsanteil von ca. 30% oder weniger, da sich die übliche Präsenz der Aktionäre in den Hauptversammlungen unter 60% bewegt283. Der Wille eines Großaktionärs, der auf diese Weise faktisch über die Mehrheit der Stimmen in der Hauptversammlung verfügt, ist vom Vorstand grundsätzlich zu respektieren, da dieser Wille auch im Rahmen einer ordentlichen Wahl der Aufsichtsratsmitglieder durchgesetzt würde. Ausnahmen sind denkbar, wenn eine gesetzes- oder satzungswidrige Bestellung droht oder andere besonders schwer wiegende Bedenken bestehen. Verfügt der Großaktionär demgegenüber nicht über ein solches Stimmgewicht, gelten die Grundsätze, die soeben hinsichtlich des vom Aufsichtsrat ausgehenden und vom Vorstand beanstandeten Vorschlags dargelegt wurden: Der Großaktionär als Teil der Hauptversammlung ist grundsätzlich eher legitimiert, einen vakanten Aufsichtsratsposten neu zu besetzen als der Vorstand, der nach dem aktienrechtlichen Konzept keinen maßgeblichen Einfluss auf die Besetzung des ihn kontrollierenden Aufsichtsrats nehmen soll. Mit abnehmendem Stimmgewicht des Aktionärs steigt jedoch das Erfordernis, weitere berechtigte Interessen, insbesondere diejenigen der anderen Aktionäre, mit einzubeziehen, so dass der Vorstand berechtigt und in gravierenden Fällen verpflichtet ist, seine Bedenken auch gegenüber dem Gericht zu äußern284. Anderenfalls könnte die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats von nicht mit der Stimmenmehrheit ausgestatteten Großaktio283 Vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 V 2., dort Fn. 84 m.w. N.; Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf, Rn. 280. 284 Entsprechend der sich so ergebenden „Rangfolge“ für die Maßgeblichkeit der Kandidatenvorschläge (Großaktionär – Aufsichtsratsmitglieder – Vorstand; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 81) sind demzufolge erst recht die Aufsichtsratsmitglieder berechtigt und gegebenenfalls verpflichtet, das Gericht auf Bedenken gegen einen vom Vorstand ausgehenden Kandidatenvorschlag hinzuweisen.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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nären dazu genutzt werden, entgegen der Hauptversammlungsmehrheit eigene Interessenvertreter in den Aufsichtsrat zu schleusen. Das Gericht hat sodann nach Maßgabe dieser Gewichtung die jeweiligen Interessen abzuwägen. 2. Vorschlags- und Hinweisrechte gegenüber anderen Beteiligten Neben der soeben behandelten Frage, ob und wann der (potenzielle) Antragsteller das Gericht auf mögliche Bedenken hinsichtlich des von einem anderen Organ vorgeschlagenen Kandidaten hinweisen kann, stellt sich im Vorfeld der Antragstellung die weitere Frage, inwieweit gegenüber einem anderen Organ, das einen bestimmten Kandidaten favorisiert, direkt auf einen abweichenden Vorschlag hingewirkt werden kann oder gar muss. Darf also etwa der Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat gegen einen von diesem ausgehenden Vorschlag vorgehen, und, wenn dies zu bejahen ist, welche Konsequenzen hat dies für den Aufsichtsrat? Im Ausgangspunkt können, was das Gewicht und die Maßgeblichkeit der Vorschläge anbelangt, die genannten Kriterien übertragen werden, die bei Vorschlägen und Hinweisen gegenüber dem Gericht gelten: Für die Bestellung der Mitglieder der Anteilseigner-Bank ist also dem Vorschlag eines Großaktionärs grundsätzlich mehr Bedeutung beizumessen als demjenigen des Aufsichtsrats. Dessen Vorschlag wiederum ist höher zu gewichten als derjenige des Vorstands. Dementsprechend handelt der Vorstand außerhalb seiner Kompetenzen, wenn er ohne relevanten Grund, rein aus eigenen Interessen heraus gegen einen Kandidatenvorschlag des Aufsichtsrats vorgeht. Demgegenüber ändert sich die rechtliche Beurteilung, wenn sachliche Bedenken bestehen. Wie oben dargestellt, darf der Vorstand das Gericht auf solche Bedenken hinweisen, so dass es dem Vorstand auch unbenommen ist, einen entsprechenden kritischen Hinweis schon vor der Antragstellung gegenüber dem Aufsichtsrat zu äußern. Ob und inwieweit ein solcher Hinweis am Ende den Kandidatenvorschlag des Aufsichtsrats beeinflusst, liegt in dessen Verantwortungsbereich. Bestehen erhebliche Zweifel an den Eignungs- und Bestellungsvoraussetzungen des vorgeschlagenen Kandidaten, kann sich auch hier das Recht des Vorstands, Bedenken zu äußern, zu der Pflicht verdichten, gegenüber dem Aufsichtsrat auf einen abweichenden Vorschlag hinzuwirken. Auch wenn der Vorstand nicht das Überwachungsorgan des Aufsichtsrats ist, sondern genau umgekehrt der Aufsichtsrat den Vorstand nach § 111 Abs. 1 AktG zu kontrollieren hat, gibt es Ausnahmefälle, in denen der Vorstand gegenüber dem Aufsichtsrat wegen rechtswidriger Verhaltensweisen einschreiten kann oder unter Umständen sogar muss285. Bestandteil der Sorgfaltspflicht des Vorstands ist es auch, für die kor285

Spindler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 93 Rn. 83.

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C. Der Antragsteller

rekte Organisation und ordnungsgemäße personelle Zusammensetzung der Gesellschaftsorgane zu sorgen, wie sich insbesondere der Antragspflicht nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG bei Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats entnehmen lässt286. Damit sind in erster Linie Pflichten angesprochen wie die Klärung der Frage, nach welchen mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften sich der Aufsichtsrat zusammensetzen muss, oder die Pflicht, gegebenenfalls das Statusverfahren nach den §§ 97 ff. AktG einzuleiten. Diese ausdrücklich im Gesetz geregelten Pflichten des Vorstands hinsichtlich der Organisation des Aufsichtsrats zeigen, dass der Vorstand für ein Mindestmaß an Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats mitverantwortlich ist. Dementsprechend muss er gravierenden Fehlbesetzungen entgegenwirken. Der Aufsichtsrat hat die vorgebrachten Bedenken daraufhin zu prüfen und, wenn sich die Bedenken als zutreffend erweisen, seinen Vorschlag zu revidieren. Beharrt der Aufsichtsrat dennoch auf seinem Vorschlag und stellt sich dieser als rechts- oder satzungswidrig heraus, so verstößt der Aufsichtsrat gegen seine Sorgfaltspflicht und es kommen Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen die Aufsichtsratsmitglieder in Betracht (§§ 116 Satz 1, 93 Abs. 1, 2 AktG). Allerdings dürfte der Gesellschaft in der Praxis regelmäßig kein Schaden entstehen, da das Gericht einem rechts- oder satzungswidrigen Vorschlag nicht folgen wird, jedenfalls aber die Rechtsmittelinstanz eine rechtmäßige Entscheidung herbeiführen wird. 3. Empfehlungen zur Vermeidung von Konflikten a) Einbeziehung anderer Antragsberechtigter Der Antragsteller – regelmäßig also der Vorstand – sollte das Gericht nicht „im Alleingang“ anrufen, sondern sich mit den anderen Antragsberechtigten abstimmen. Idealerweise stimmen alle potenziellen Verfahrensbeteiligten – also Vorstand, Aufsichtsrat und (Groß-)Aktionäre bzw. bei der Bestellung von Arbeitnehmervertretern deren Gremien – dem Antrag und insbesondere dem Kandidatenvorschlag zu287. Da praktisch nur in Gesellschaften mit kleinem Aktionärskreis alle Anteilseigner einbezogen werden können, bietet es sich an, gegebenenfalls Erklärungen der Großaktionäre einzuholen. Auf diese Weise wird die Entscheidung des Gerichts vereinfacht, denn wenn dem Antrag Erklärungen der anderen 286 Vgl. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 23 Rn. 12; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 25 Rn. 5 m.w. N. 287 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 19; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 8; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 36; vgl. auch LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341, 343.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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Beteiligten zu dem vorgeschlagenen Kandidaten beigefügt sind, ist lediglich die grundsätzliche Bestellbarkeit des Kandidaten nach § 100 AktG und gegebenenfalls nach besonderen Satzungsbestimmungen im Sinne des § 100 Abs. 4 AktG zu prüfen. Sollten etwa einzelne Aufsichtsratsmitglieder Bedenken äußern, werden sich diese in einem frühen Verfahrensstadium eher ausräumen lassen, als wenn sie erst spät oder gar im Beschwerdeverfahren vorgebracht werden. Die Entscheidung des Gerichts kann daher bei frühzeitiger Einbeziehung anderer Beteiligter zugunsten der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats zeitnah erfolgen, was gerade bei dringend anstehenden Aufsichtsratsbeschlüssen einen nicht zu unterschätzenden Vorteil für die Gesellschaft darstellt. b) Unterbreiten von Alternativvorschlägen Angesichts der unterschiedlichen Interessen der Antragsberechtigten kann es vorkommen, dass kein gemeinsamer Kandidatenvorschlag gefunden wird. Benennt der Antragsteller dann ausschließlich den von ihm favorisierten Kandidaten, besteht die Gefahr, dass entweder ein anderer Antragsteller einen abweichenden Antrag stellt oder Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung eingelegt wird. Um diese Risiken gering zu halten, kann es sinnvoll sein, die verschiedenen Kandidaten selbst zu benennen und die Aspekte, die für und gegen den jeweiligen Kandidaten sprechen, dem Gericht darzulegen. Wie bei der ordentlichen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung stellt sich die Frage, ob es zulässig ist, dem Gericht solche Alternativvorschläge zu unterbreiten. Über die Zulässigkeit von Alternativvorschlägen bei der ordentlichen Wahl zum Aufsichtsrat und über die Frage, ob sogar eine Pflicht zur Unterbreitung von Alternativvorschlägen bestehen kann, wurde in der Literatur bereits diskutiert. Die dabei vorgebrachten Argumente sollen im Folgenden untersucht und auf ihre Übertragbarkeit auf die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern geprüft werden. (1) Ordentliche Aufsichtsratswahl Das Aktiengesetz schweigt zu der Frage, ob der Hauptversammlung eine größere Zahl von Kandidaten vorgeschlagen werden darf als Nachfolger zu wählen sind. Dass § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG den Plural („Vorschläge“) verwendet, kann allenfalls als Indiz für die Zulässigkeit mehrerer Wahlvorschläge gewertet werden, insbesondere da in Satz 3 vom „Vorschlag zur Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern“ die Rede ist, das Gesetz also auch den Singular verwendet288. Auch lässt sich nicht argumentieren, eine „Wahl“ setze per definitionem eine Auswahl zwischen mehreren Möglichkeiten voraus, zumal die Hauptversammlung auch 288

Vgl. Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 125 m.w. N.

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C. Der Antragsteller

einem einzelnen Kandidatenvorschlag zustimmen oder diesen ablehnen kann, so dass stets alternative Entscheidungsmöglichkeiten bestehen289. Gegen die Zulässigkeit von Alternativvorschlägen wurde im älteren Schrifttum vereinzelt angeführt, nur ein einheitlicher Vorschlag entspreche dem Sinn der gesetzlichen Bestimmungen, weil der Aufsichtsrat durch Alternativvorschläge seine eigene Unsicherheit zu erkennen gebe und dem Aktionär auf diese Weise keine sachkundige Hilfe zuteil werde290. Der Zweck, den Aktionären eine eigene Meinungsbildung zu ermöglichen, wird jedoch in erster Linie dadurch verwirklicht, dass grundlegende Informationen über den Kandidaten mitgeteilt werden. Werden mehrere Kandidaten vorgeschlagen, ist dies keinesfalls zwingend Ausdruck von Unsicherheit, sondern bietet einen zusätzlichen Anreiz für die Aktionäre, sich mit den Kandidatenvorschlägen zu befassen und sich so eine fundierte Meinung zu bilden. Da gerade in größeren Aktiengesellschaften regelmäßig renommierte Persönlichkeiten als Kandidaten vorgeschlagen werden, lassen sich mit Hilfe der neuen Medien weitere Informationen auffinden. Wenn der Aufsichtsrat tatsächlich insofern unsicher ist, als kein Kandidat eine breite Zustimmung in dem Gremium findet, so entspricht es dem aktienrechtlichen Konzept, wenn der Aufsichtsrat die möglichen Kandidaten benennt. Positiver Nebeneffekt ist dabei die gesteigerte Transparenz der Entscheidungsfindung291, denn wenn lediglich ein umstrittener Kandidat vorgeschlagen wird, ohne auf die zuvor geführte umfangreiche Diskussion im Aufsichtsrat hinzuweisen, mangelt es den Aktionären an Information und die Entscheidung über die Besetzung des frei gewordenen Aufsichtsratsmandates ist in erster Linie im Aufsichtsrat gefallen. Nach der aktienrechtlichen Organisationsverfassung und unter Corporate Governance-Gesichtspunkten sollte es jedoch Sache der Aktionäre sein, sich für den einen und gegen die anderen Kandidaten zu entscheiden. Denn die Hauptversammlung ist das zuständige Bestellungsorgan, während dem Aufsichtsrat eine unterstützende und vorbereitende Funktion obliegt, indem er unverbindliche Vorschläge zu erarbeiten hat.

289

Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 125. Laabs, in: DB 1968, 1014; jedenfalls gegen eine Pflicht, Alternativvorschläge zu unterbreiten, tendenziell aber auch gegen ein entsprechendes Recht, Obermüller/Werner/Winden, Die Hauptversammlung der Aktiengesellschaft, S. 253. 291 Für eine Steigerung der Transparenz bei der Kandidatenauswahl plädieren zahlreiche Stimmen in der Literatur, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 732 m.w. N. Auch die im Jahre 2007 in den DCGK aufgenommene Empfehlung in Ziff. 5.3.3, wonach der Aufsichtsrat einen Nominierungsausschuss zur Auswahl künftiger Aufsichtsratsmitglieder bilden soll, dient nicht zuletzt der Transparenz des Entscheidungsprozesses, vgl. Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1005b sowie die Ausführungen des damaligen Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Cromme anlässlich der 6. Konferenz DCGK am 6.7.2007, abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/Rede_Cromme_deu_6. pdf (Stand: 17.12.2008) S. 5. 290

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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Gerade bei umstrittenen Kandidatenvorschlägen sind Alternativvorschläge mithin sinnvoll. Auch wenn bei einem Kandidaten noch nicht feststeht, ob er die Wahl annehmen würde, können Alternativvorschläge angebracht sein292. Deshalb erachtet sie die weit überwiegende Meinung zu Recht für zulässig, teilweise auch für zweckdienlich und erwünscht293. Untermauert wird die Recht- und Zweckmäßigkeit von Alternativvorschlägen bei den Wahlen zum Aufsichtsrat durch die Einführung des Nominierungsausschusses nach Ziff. 5.3.3 DCGK. Zum einen soll dieser „dem Aufsichtsrat für dessen Wahlvorschläge an die Hauptversammlung geeignete Kandidaten“ 294 vorschlagen. Zum anderen stellt die kontinuierliche Aktualisierung der Liste potenzieller Kandidaten sicher, dass überhaupt mehrere grundsätzlich geeignete Persönlichkeiten für das Aufsichtsgremium bekannt sind295. Somit dürften sich in Gesellschaften, die einen Nominierungsausschuss eingesetzt haben296, die praktischen Schwierigkeiten bei der Benennung mehrerer adäquater Kandidaten reduzieren. (2) Gerichtliche Bestellung Die Benennung mehrerer Kandidaten, unter denen die Hauptversammlung auswählen kann, hat sich als rechtmäßig und sinnvoll erwiesen. Nunmehr ist zu prüfen, ob dies auch bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern gilt.

292

Werner, in: Großkommentar, AktG, § 124 Rn. 77. Zöllner, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Aufl., § 124 Rn. 30; Hüffer, AktG, § 124 Rn. 16; Werner, in: Großkommentar, AktG, § 124 Rn. 77; Kubis, in: Münchener Kommentar, AktG, § 124 Rn. 51; Eckardt, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 124 Rn. 41; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 15; ders., in: Festschrift für Havermann, S. 229, 235; Gündel, Interessenwahrung bei der Besetzung des Aufsichtsrates, S. 143; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 127; Einmahl, in: DB 1968, 1936 ff. Nicht wenige Stimmen in der Literatur erachten Alternativvorschläge hingegen als „wirkungslos“, so etwa Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 731; vgl. auch Lutter, in: ZHR 1995, 287, 302 („dann würden halt Sparringspartner vorgeschlagen“); Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 576. 294 Hervorhebung durch den Verfasser. 295 Vgl. die Ausführungen des damaligen Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Cromme anlässlich der 6. Konferenz DCGK am 6.7.2007, abrufbar unter http://www.corporate-governance-code.de/ger/download/ Rede_Cromme_deu_6.pdf (Stand: 17.12.2008), S. 5. 296 Unter den DAX-Unternehmen hatte diese Kodexempfehlung bereits kurz nach ihrer Einführung eine Befolgungsquote von 96,3%, unter den MDAX-Unternehmen von 66,7% und unter den SDAX-Unternehmen von 50%, vgl. den Kodex Report 2008 des Berlin Center of Corporate Governance, dazu v. Werder/Talaulicar, in: DB 2008, 825, 828. 293

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C. Der Antragsteller

Zunächst steht bei dem gerichtlichen Verfahren nicht die Wahl im Sinne einer Auswahl eines Aufsichtsratsmitglieds im Vordergrund, sondern es gilt in erster Linie, eine aufgetretene Vakanz rasch zu beheben. Dennoch liegt es im Unternehmensinteresse, dass auch aufgrund gerichtlicher Bestellung nur solche Personen Aufsichtsratsmandate bekleiden, die eine effiziente Beratungs- und Kontrolltätigkeit gewährleisten. Da die Aktionäre bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats praktisch kaum Einfluss auf die Kandidatenauswahl haben und der Vorstand jedenfalls im Falle mehrerer in Betracht kommender Kandidaten nicht ausschlaggebend sein darf, kommt für diese Entscheidung nur der Aufsichtsrat oder aber das Gericht in Frage. Gegen eine Kompetenz des Aufsichtsrats spricht, wie auch bei der ordentlichen Wahl, dessen vorbereitende Funktion. Auch bei der gerichtlichen Bestellung soll er Vorschläge unterbreiten und nicht die Entscheidung gleichsam vorwegnehmen. Allerdings kann das Gericht nicht mit letzter Sicherheit gewährleisten, genau den Kandidaten zu bestellen, den auch die Hauptversammlung gewählt hätte. Das Gericht ist zudem kein Organ der Gesellschaft, so dass das Argument nahe liegt, das Gericht als außerhalb der Aktiengesellschaft stehendes staatliches Organ habe möglichst zurückhaltend und distanziert in die Geschicke der Gesellschaft einzugreifen. Dennoch ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 104 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 2 Satz 1 AktG, dass das Gericht den Aufsichtsrat zu ergänzen hat, es also das letztlich zuständige Organ ist. Die „Ersatzbestellung“ eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht soll nicht nur im Ergebnis einen Ersatz für das fehlende Mitglied bieten, sondern auch ein Ersatz für das im Normalfall durchzuführende reguläre Bestellungsverfahren durch das eigentlich zuständige Organ sein297. Daher bleibt die letzte Verantwortung für die Kandidatenauswahl bei dem Gericht, das nach pflichtgemäßem Ermessen einen Kandidaten auswählt. Daraus folgt, dass insbesondere in den Fällen, in denen mehrere mögliche Kandidaten diskutiert wurden, diese auch gegenüber dem Gericht alternativ vorgeschlagen werden und die für und gegen den jeweiligen Kandidaten vorgebrachten Argumente mitgeteilt werden sollten. Überlässt man dem Gericht die Auswahl unter den vorgeschlagenen Kandidaten, so kann eine unabhängige Instanz insbesondere unter Einbeziehung der Aktionärsinteressen entscheiden. Was die Transparenz der gerichtlichen Auswahlentscheidung anbelangt, so musste diese bislang nach der Ausgangslage des FGG nicht mit einer Begründung versehen sein, da nur in § 25 FGG für die Entscheidung des Beschwerdegerichts ein Begründungszwang bestand. Jedoch wurde aus allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsätzen gefolgert, dass insbesondere bei Maßnahmen, die in Rechte eines Beteiligten eingreifen, ein Begründungserfordernis bestehe298. Zumindest in dem genannten Fall, dass das Gericht eine Auswahl unter mehreren vorge297 298

Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 1. Bassenge/Roth, FGG, Einl. Rn. 105.

III. Vorschlags- und Hinweisrechte

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schlagenen Kandidaten getroffen hat, war die Entscheidung zumindest mit einer kurzen Begründung zu versehen299, so dass das Gericht seine Erwägungen kundgeben musste. Das FamFG geht in § 38 Abs. 3 Satz 1 von dem Grundsatz aus, dass jeder Beschluss zu begründen ist, wenngleich nicht selten die teilweise sehr weit gehenden300 Ausnahmen des Absatzes 4 in Betracht kommen werden. So bedarf es etwa keiner Begründung, soweit gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht (§ 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG). Da die Entscheidung zudem nicht den Aktionären zuzustellen ist und die vom Vorstand zu veranlassende Bekanntmachung der Änderungen im Aufsichtsrat nach § 106 AktG keine Begründung enthält, bleibt den Aktionären nur die Möglichkeit, bei der nächsten Hauptversammlung die Gründe für die Bestellung eines bestimmten Mitglieds zu erfragen. Sieht die Satzung der Aktiengesellschaft vor, dass der Hauptversammlung bei der ordentlichen Aufsichtsratswahl zwingend Alternativvorschläge zu unterbreiten sind301, so wird man diese Pflicht auch auf das Verfahren nach § 104 AktG übertragen müssen. Eine solche Satzungsbestimmung bringt zum Ausdruck, dass der Aufsichtsrat zwar vorschlägt, aber nur eingeschränkt bestimmen darf, wer in das Gremium bestellt werden soll. c) Erstellen eines Anforderungsprofils Gestaltet sich die Suche nach geeigneten Kandidaten schwierig, sollte der Antragsteller dem Gericht zumindest ein grobes Anforderungsprofil zukommen lassen. Jedenfalls in Gesellschaften, die einen Nominierungsausschuss eingesetzt haben, wird dies keine besonderen Schwierigkeiten bereiten302. Im Übrigen wird man sich an den Tätigkeitsbereichen der Gesellschaft orientieren müssen und ins299 Vgl. schon Schmatz, in: WM 1955, 642, 647, wonach eine Begründung insbesondere bei der Auswahl zwischen mehreren vorgeschlagenen Personen „dringend zu empfehlen“ ist. Überwiegend wird heute zu Recht von einem grundsätzlichen Begründungserfordernis ausgegangen, vgl. Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 104 Rn. 6; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 8; Breuer/ Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 104 Rn. 14; Jaeger, in: Handbuch der AG, Teil I, Rn. 9.86. 300 Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach, ZPO, § 38 FamFG Rn. 3. 301 Die h. M. erachtet dies als zulässig, vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 16; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 15 m.w. N. Den von Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 128, geäußerten Bedenken, der Aufsichtsrat könnte so zum Vorschlag von Kandidaten gezwungen sein, die er für weniger geeignet hält, lässt sich entgegen halten, dass es dem Aufsichtsrat unbenommen bleibt, seine Präferenzen in die Begründung zu den Wahlvorschlägen einfließen zu lassen. 302 Das Erstellen eines Anforderungsprofils ist Hauptaufgabe des Nominierungsausschusses, vgl. Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1005b.

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C. Der Antragsteller

besondere zu klären haben, auf welches Fachgebiet das neu zu bestellende Aufsichtsratsmitglied spezialisiert sein oder zumindest vertiefte Erfahrungen haben sollte303.

IV. Pflichten des Vorstands Der Vorstand, der regelmäßig als Antragsteller auftritt, hat nicht nur das Recht, einen Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats zu stellen, sondern er unterliegt dabei auch verschiedenen Pflichten. Die Pflichten, die sich im Zusammenhang mit dem gerichtlichen Verfahren ergeben, sollen im Folgenden beleuchtet werden. 1. Pflicht zur Antragstellung Bei der Frage, ob und wann der Vorstand verpflichtet ist, einen Antrag nach § 104 AktG zu stellen, muss zwischen Beschlussunfähigkeit und bloßer Unterbesetzung des Aufsichtsrats unterschieden werden. a) Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats Nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG muss der Vorstand im Falle der Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats den Antrag unverzüglich stellen. Die Vorschrift selbst nennt als Ausnahme von dieser Pflicht den Fall, dass die Beseitigung der Vakanz noch vor der nächsten Aufsichtsratssitzung zu erwarten ist. Entsprechend der Ersatzfunktion, die der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats beizumessen ist, entfällt in diesem Fall somit die Antragspflicht. Die Antragspflicht nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG lässt sich charakterisieren als ausdrücklich kodifizierter Ausfluss der allgemeinen, aus der Leitungsfunktion nach den §§ 76 Abs. 1, 93 Abs. 1 Satz 1 AktG abzuleitenden Pflicht304 des Vorstands, die adäquate Organisation der Gesellschaft zu gewährleisten und zu überwachen. Dazu gehört neben weiteren Organisationspflichten – wie beispielsweise nach § 91 Abs. 1 AktG dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Handelsbücher geführt werden – auch die Sorge für die ordnungsgemäße personelle Besetzung der Gesellschaftsorgane. Dies beinhaltet auch die Pflicht des Vorstands, zu veranlassen, dass ein den gesetzlichen Anforderungen entsprechender Aufsichtsrat 303 Vgl. Lutter, in: ZIP 2003, 417, 418 f.; dazu kritisch, aber hinsichtlich eines allgemeinen Anforderungsprofils noch zustimmend, Sünner, in: ZIP 2003, 834, 836. 304 Vgl. Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 23 Rn. 12; Wiesner, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 25 Rn. 5. Ähnlich bereits zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937 Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 4: „[Der Vorstand] hat dafür zu sorgen, dass die Aktiengesellschaft die notwendigen Verwaltungsträger hat.“

IV. Pflichten des Vorstands

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besteht305. Dementsprechend haben die Vorstandsmitglieder auch das Recht, die gerichtliche Bestellung fehlender Mitglieder des Vorstands nach § 85 Abs. 1 Satz 1 AktG zu beantragen, wobei in diesen Fällen ebenfalls eine Antragspflicht möglich ist306. (1) Zeitlicher Rahmen der Antragspflicht Schwierigkeiten bestehen bei der Bestimmung des Zeitpunkts, in dem der Vorstand den Antrag zu stellen hat. Ist die Beschlussunfähigkeit bereits eingetreten, muss der Vorstand sogleich handeln und es stellt sich allein die Frage, wann noch von einer „unverzüglichen“ Antragstellung im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG gesprochen werden kann. Der Terminus bedeutet nach der für das gesamte Privatrecht geltenden Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass Handeln ohne schuldhaftes Zögern erforderlich ist, also innerhalb einer einzelfallabhängigen Prüfungs- und Überlegungsfrist307. In der Regel ist diese knapp bemessen, da der Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds, etwa durch sofortige Amtsniederlegung, und eine dadurch verursachte Beschlussunfähigkeit ohne weiteres erkennbar ist und sich das Erfordernis schnellen Handelns geradezu aufdrängt. Nur in Konstellationen, die schwieriger einzuordnen sind und gegebenenfalls Rechtsberatung erfordern, ist eine mehrwöchige Frist denkbar, beispielsweise wenn ein Aufsichtsratsmitglied zum Stellvertreter eines Vorstandsmitglieds bestellt wird und wegen der umstrittenen Rechtslage308 unklar ist, ob ein Antrag nach § 104 AktG gestellt werden soll. Demgegenüber schließt das Vorbringen, es lasse sich kein geeigneter Kandidat finden, eine schuldhafte Verzögerung der Antragstellung grundsätzlich nicht aus, weil ein Kandidatenvorschlag keine zwingende Voraussetzung ist. Fraglich ist das Vorliegen einer Antragspflicht des Vorstands, wenn der Aufsichtsrat noch beschlussfähig ist, sich aber der baldige Wegfall eines für die Beschlussfähigkeit notwendigen Aufsichtsratsmitglieds prognostizieren lässt. Im Zusammenhang mit dem „drohenden dringenden Fall“ wurde bereits festgestellt309, dass es grundsätzlich nicht dem Gesellschaftsinteresse entspricht, wenn der Antragsberechtigte bis zum Eintritt einer Notsituation zuwartet. Deshalb entsteht das Antragsrecht frühzeitig. Entsprechendes gilt mit Blick auf die Verantwortlichkeit des Vorstands für die Organisation der Gesellschaft hinsichtlich des Zeitpunkts, in dem die Pflicht zur Antragstellung entsteht. Um indes ein Aus305 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 95; Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 108; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1807. 306 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 85 Rn. 8. 307 Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 121 Rn. 3; Palm, in: Erman, BGB, § 121 Rn. 3 m.w. N. 308 Siehe dazu oben II. 1. e). 309 Siehe oben II. 3. b) (3).

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C. Der Antragsteller

ufern derselben zu verhindern, ist sie auf Fälle sicher vorhersehbarer Beschlussunfähigkeit zu begrenzen310. Teilweise wird vorgebracht, aus § 104 AktG lasse sich ein solch frühzeitiges Entstehen der Antragspflicht nicht herleiten, vielmehr resultiere dies aus dem die Leitungsmacht des Vorstands regelnden § 76 AktG311. Liest man § 104 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AktG, so könnte man das Gesetz zunächst so verstehen, dass es von bereits eingetretener Beschlussunfähigkeit ausgeht, bevor es die Antragspflicht des Vorstands statuiert. Zwingend ist diese Sichtweise jedoch nicht, gerade wenn man das Telos der Norm, wonach die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats aufrechterhalten werden soll, in die Auslegung einfließen lässt. Um die Beschlussfähigkeit möglichst zeitnah wieder herzustellen oder im Idealfall erst gar nicht eintreten zu lassen, bedarf es einer entsprechend frühzeitigen Antragstellung. Da nur schuldhaft verspätete Antragstellung einen Verstoß gegen § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG darstellt, wird die Pflicht auch nicht unangemessen überspannt. Letztlich werden sich freilich kaum inhaltliche Abweichungen ergeben, ob man die Pflicht aus dem allgemeinen § 76 AktG oder aus § 104 AktG herleitet. (2) Folgen unterlassener Antragstellung Was die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Antragspflicht anbelangt, so war das AktG 1937 ausgesprochen streng: Nach dessen § 297 Nr. 1 machten sich Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder bei schuldhaft unterlassener Antragstellung strafbar312. Nach geltendem Recht droht zwar keine Strafbarkeit, doch kann das Registergericht gegen Vorstandsmitglieder, die ihre Pflicht zur Antragstellung missachten, gemäß § 407 Abs. 1 Satz 1 AktG als Beugemaßnahme ein Zwangsgeld festsetzen. In Ausnahmefällen kann darüber hinaus ein wichtiger Grund gegeben sein, der die Abberufung nach § 84 Abs. 3 AktG rechtfertigt. Überdies droht den Vorstandsmitgliedern eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Dass eine solche Schadensersatzpflicht wegen unterlassener Antragstellung grundsätzlich in Betracht kommt, wird allgemein anerkannt313, doch finden sich hierzu bislang weder in der Recht310 So bereits Baumbach/Hueck, AktG, § 104 Rn. 4; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 57. 311 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 30. 312 Auch in Art. 249 ADHGB 1870 wurde länger als drei Monate währende Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats mit Gefängnisstrafe von bis zu drei Monaten sanktioniert; die Strafvorschrift wurde erst im Jahre 1957 gestrichen. 313 Baumbach/Hueck, AktG, § 104 Rn. 4; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 32; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 15; Geßler, AktG, § 104 Rn. 3; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 5; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 4.

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sprechung noch in der Literatur konkrete Fälle oder beispielhafte Fallkonstellationen. Wenn der Vorstand bei Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nicht handelt und dadurch „die Tätigkeit der Gesellschaft lahmlegt“314, wird man die Schadensersatzpflicht kaum bestreiten können – allerdings stellt sich die Frage, ob und wie das bloße Unterlassen der Stellung eines Antrags nach § 104 AktG tatsächlich solch weitreichende Konsequenzen für die Tätigkeit der Gesellschaft haben kann. Teilweise wird das Risiko einer Schadensersatzpflicht in diesem Zusammenhang ausdrücklich als sehr gering eingeschätzt, weil § 104 AktG eine große Zahl an Antragsberechtigten vorsehe und darüber hinaus der Gesellschaft kaum ein Vermögensschaden durch einen beschlussunfähigen Aufsichtsrat entstehen könne315. Gleichwohl ist eine Schadensersatzhaftung der Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG im Zusammenhang mit der Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nicht ausgeschlossen. Das Tatbestandsmerkmal der Pflichtverletzung ist aufgrund der in § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG ausdrücklich normierten Pflicht zur Antragstellung erfüllt, wenn die Vorstandsmitglieder nicht kurze Zeit nach Eintritt der Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats tätig werden. Ein Ausschluss der Pflichtverletzung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt nicht in Betracht, da es sich bei der Frage der Antragstellung wegen Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nicht um eine unternehmerische Entscheidung mit Leitungsermessen316 im Sinne der Business Judgement Rule handelt, sondern um eine gesetzliche Pflicht ohne Entscheidungsspielraum. Auf Grund der Beweislastumkehr nach § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG dürfte auch das Verschulden nicht selten zu bejahen sein, zumal der Wegfall eines Aufsichtsratsmitglieds kaum unbemerkt geschehen kann. Problematisch ist dagegen die weitere Voraussetzung des ersatzfähigen Schadens der Gesellschaft. Dieser ist nach den §§ 249 ff. BGB im Wege der Differenzhypothese zu ermitteln317, es ist also die tatsächliche Vermögenslage mit der hypothetischen Vermögenslage, die ohne das schädigende Ereignis bestünde, zu vergleichen318. Da die Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats für sich genommen keine Vermögenseinbuße zur Folge haben kann, kommt allein in Betracht, dass in Folge der Beschlussunfähigkeit eine für die Gesellschaft vermögensrelevante Entscheidung des Aufsichtsrats nicht rechtzeitig erfolgt. Im Rahmen der 314

So Geßler, AktG, § 104 Rn. 3. Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 61. 316 Zu dieser Voraussetzung der Business Judgement Rule vgl. Hüffer, AktG, § 93 Rn. 4 f. 317 Hefermehl/Spindler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 93 Rn. 79; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 93 Rn. 22 m.w. N. 318 Dazu allgemein Schubert, in: Bamberger/Roth, BGB, § 249 Rn. 11; Ebert, in: Erman, BGB, Vor §§ 249–253, Rn. 24 ff.; Oetker, in: Münchener Kommentar, BGB, § 249 Rn. 18 ff., jeweils m.w. N. 315

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vergangenheitsbezogenen Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat dürften solche Entscheidungen ausgeschlossen sein. Demgegenüber sind sie im zunehmend relevanten Bereich der präventiv-zukunftsbezogenen, indes ebenfalls als Bestandteil der Überwachung zu begreifenden Beratungsfunktion des Aufsichtsrats319 möglich. Insbesondere die obligatorischen Zustimmungsvorbehalte nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, die unternehmerische Entscheidungsbefugnisse des Aufsichtsrats begründen320, betreffen gerade besonders bedeutsame Geschäfte, die erhebliche Vermögensinteressen der Gesellschaft berühren. Zu denken ist beispielsweise an eine nach der Satzung zustimmungsbedürftige Aufnahme eines umfangreichen Darlehens, das für eine Transaktion benötigt wird. Der Aufsichtsrat muss nach h. M. grundsätzlich zustimmen, bevor das Geschäft getätigt wird, eine nachträgliche Genehmigung genügt nicht321. Der Zustimmungsvorbehalt betrifft dabei zwar nur das Innenverhältnis, doch handelt der Vorstand pflichtwidrig, wenn er den Zustimmungsvorbehalt missachtet, daher droht dem Vorstand eine Schadensersatzhaftung, wenn er die erforderliche Zustimmung nicht einholt und das Geschäft gleichwohl tätigt322. Zwar kann nach einer Ansicht entsprechend dem Rechtsgedanken des § 115 Abs. 2 HGB a. E. bei besonders eilbedürftigen Geschäften das Zustimmungserfordernis ausnahmsweise suspendiert oder abgeschwächt sein; allerdings ist dies umstritten323, und darüber hinaus kann etwa im genannten Beispiel hinsichtlich der Darlehensaufnahme kaum von einer „Notsituation“ gesprochen werden. Schließlich erscheint es unwahrscheinlich, dass der nach § 84 Abs. 1, 3 AktG weitgehend vom Vertrauen des Aufsichtsrats abhängige Vorstand324 von einer solchen Befugnis, ungeachtet ihrer rechtlichen Legitimation, im Einzelfall tatsächlich Gebrauch machen wür319 Vgl. BGH v. 25.3.1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 130 = NJW 1991, 1830, 1831; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 111 Rn. 26; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 94; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 26 Rn. 15; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 6.; Dreher, in: JZ 1990, 896, 899; Lutter, in: ZHR 1995, 287, 289; Hüffer, in: NZG 2007, 47 m.w. N. Auch der DCGK stellt in Ziff. 5.1.1 Satz 1 die Beratung des Vorstands durch den Aufsichtsrat in den Kontext der Überwachung. 320 Vgl. Vetter, in: ZIP 2008, 1 m.w. N. 321 Hüffer, AktG, § 111 Rn. 19 m.w. N. auch zur Gegenansicht. Zudem verlangen die Satzungsbestimmungen teilweise ausdrücklich das Einholen der Zustimmung „vor“ der Vornahme des Geschäfts, vgl. beispielhaft § 11 Ziff. 1 der Satzung der BASF AG in der Fassung vom Dezember 2006, abrufbar unter: http://www.corporate.basf.com/basfcorp/ img/investor/cg/Satzung_BASF_AG_d.pdf?MTITEL=Satzung+der+BASF+Aktiengesell schaft&suffix=.pdf (Stand: 6.4.2009). 322 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 111 Rn. 129; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 111 Rn. 86. 323 Dafür etwa Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 433 f.; zumindest zweifelnd Hüffer, AktG, § 111 Rn. 19 m.w. N., mit dem Argument, dass eine nachträgliche Zustimmung dem präventiven Charakter des Zustimmungsvorbehalts widerspräche. 324 Vgl. Semler/Spindler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., Vorb. zu Bd. 3, Rn. 241.

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de. Stellt sich das daraufhin aus diesen Gründen nicht durchgeführte Geschäft als entgangener Gewinn heraus, ist das Gesellschaftsvermögen im Vergleich zur hypothetischen Situation der rechtzeitigen Zustimmung des Aufsichtsrats vermindert. Demzufolge ist nach den §§ 249, 252 BGB ein ersatzfähiger Schaden der Gesellschaft gegeben. Es stellt sich dann die weitere Frage, ob der eingetretene Schaden adäquat kausal325 auf der Pflichtverletzung, mithin auf der unterlassenen Antragstellung nach § 104 AktG beruht. So wäre im genannten Beispiel zu beweisen326, dass das Scheitern des Geschäfts und der deshalb entstandene Schaden der Gesellschaft auf die fehlende Zustimmung des Aufsichtsrats zurückzuführen sind und bei rechtzeitiger Antragstellung durch den Vorstand nach § 104 AktG eine wirksame Zustimmung erteilt worden wäre. Dieser Beweis wird allerdings in der Mehrzahl der Fälle schwer zu führen sein. Er kann aber insbesondere bei einem dreiköpfigen Aufsichtsrat geführt werden, wenn etwa die beiden verbliebenen, aber zur Beschlussfähigkeit grundsätzlich nicht ausreichenden Mitglieder die Zustimmung erteilt hätten und die Satzung hinsichtlich des Zustimmungsvorbehalts einfache Mehrheit ausreichen lässt, so dass die fehlende dritte Stimme keinen Einfluss auf das Beschlussergebnis gehabt hätte. Auch der naheliegende Einwand der Vorstandsmitglieder, das Einholen der Zustimmung des Aufsichtsrats sei wegen dessen Beschlussunfähigkeit unmöglich gewesen und könne nicht als für den Schaden ursächliche Pflichtverletzung angesehen werden, schließt keinesfalls die vorgelagerte Pflichtverletzung hinsichtlich des unterbliebenen Ergänzungsantrags nach § 104 Abs. 1 AktG und deren adäquate Kausalität für den Schaden aus. Dass das Gesetz neben dem Vorstand noch andere Antragsberechtigte benennt, mag zwar rein tatsächlich dazu führen, dass der Aufsichtsrat in der Mehrzahl der Fälle rechtzeitig ergänzt wird. Zu einem Abbruch der Kausalkette oder einer Haftungsbefreiung der Vorstandsmitglieder führt das jedoch nicht, weil – unabhängig von der Frage, ob und inwieweit die anderen Antragsberechtigten überhaupt zur Antragstellung verpflichtet sind – allenfalls deren Mithaftung neben den Vorstandsmitgliedern möglich ist. Es bleibt daher festzuhalten, dass eine Schadensersatzhaftung der Vorstandsmitglieder wegen unterlassener Antragstellung nach §§ 93 Abs. 2 Satz 1, 104 Abs. 1 Satz 2 AktG rechtlich möglich ist, das Risiko hierfür indes als gering eingestuft werden kann.

325 Hüffer, AktG, § 93 Rn. 15 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 93 Rn. 23 m.w. N. 326 Grundsätzlich obliegt es dem Anspruchsteller, die adäquate Kausalität zwischen Handlung bzw. Unterlassung und Schaden darzulegen und zu beweisen, Hüffer, AktG, § 93 Rn. 16 m.w. N.

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b) Unterbesetzung des Aufsichtsrats Das Gesetz schweigt zu der Frage, ob der Vorstand auch bei bloßer Unterbesetzung des Aufsichtsrats verpflichtet ist, den Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds zu stellen. In § 104 Abs. 2 Satz 3 AktG wird lediglich in Bezug auf das Antragsrecht auf Absatz 1 der Vorschrift verwiesen. Die h. M. folgert aus diesem Schweigen des Gesetzes und im Umkehrschluss zur ausdrücklich statuierten Pflicht zur Antragstellung bei Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG, dass bei bloßer Unterbesetzung keine Pflicht zur Antragstellung bestehe327. Denkbar ist die Antragspflicht allein auf Grundlage der bereits angesprochenen allgemeinen Pflicht des Vorstands, für die adäquate Organisation der Gesellschaft Sorge zu tragen. Bei der Leitung und damit auch der Organisation der Gesellschaft steht dem Vorstand allerdings ein gewisser Entscheidungsspielraum zu, so dass eine Antragspflicht nur gegeben sein kann, wenn das Ermessen auf Null reduziert ist. Ein Teil der jüngeren Literatur erkennt die Möglichkeit einer solchen Antragspflicht grundsätzlich an, begrenzt sie aber auf besonders gelagerte Einzelfälle, wobei insbesondere ein dringender Fall im Sinne des § 104 Abs. 2 Satz 2 AktG alleine nicht ausreiche328. Dem ist zuzustimmen, da dem Schweigen des Gesetzes in diesem Zusammenhang kein abschließender Erklärungswert beigemessen werden kann und daher die allgemeine Vorstandspflicht zur Mindestorganisation der Gesellschaft in besonderen Fällen eingreifen kann. Fraglich ist, welche Fallkonstellationen hier zur Antragspflicht führen können. Da der unterbesetzte, aber beschlussfähige Aufsichtsrat wirksame Entscheidungen treffen kann, ist die Gesellschaft handlungsfähig. Auch zukunftsbezogene Tätigkeiten des Aufsichtsrats sind nicht gefährdet, wie etwa das Erteilen von Zustimmungen bei umfangreichen oder besonders bedeutsamen Geschäften, die unter Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG stehen. Daher wird regelmäßig kein Raum für eine aus dem allgemeinen Pflichtenkreis des Vorstands abzuleitende Antragspflicht sein. Für die Gesellschaft erheblich beeinträchtigend kann ein unterbesetzter Aufsichtsrat allenfalls dann werden, wenn er ohnehin aus wenigen Mitgliedern besteht, gleich mehrere Mitglieder fehlen und besonders schwierige und akute Kontrollaufgaben anstehen. Beispielhaft sei der konstruierte Fall genannt, dass ein aus sechs Mitgliedern bestehender Aufsichts327 BayObLG v. 29.3.2000 – 3Z BR 11/00, AG 2001, 50 f.; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 14, 30; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 12; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 13, 35; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 12; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 27; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1705; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 36. Zur Vorgängernorm des § 89 Abs. 3 AktG 1937 i. d. F. von 1957 Wagner, in: BB 1957, 713, 714 und Auffarth, in: NJW 1957, 1702, 1703. 328 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 54.

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rat, bei dem zwei Mitglieder kurzfristig ihr Amt niedergelegt haben und keine anderweitige Ergänzung des Gremiums in Aussicht steht, mögliche Schadensersatzansprüche der Gesellschaft gegen ein ehemaliges Vorstandsmitglied nach § 112 AktG geltend zu machen hat und bereits Verjährung dieser Ansprüche droht. Dann lässt sich hinsichtlich des aktuellen Vorstands von einer Ermessensreduzierung auf Null sprechen, mit der Folge, dass er nur pflichtgemäß handelt, wenn er den Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats stellt und so ein effizientes Vorgehen des Aufsichtsrats nach § 112 AktG für die Gesellschaft ermöglicht. 2. Pflichten hinsichtlich der Ausgestaltung des Antrags a) Vorschlagspflicht Ob im Rahmen des § 104 AktG parallel zu dem allgemein anerkannten Recht, einen bestimmten Kandidaten vorzuschlagen, eine entsprechende Vorschlagspflicht bestehen kann, wurde bisher, soweit ersichtlich, im Schrifttum nicht diskutiert329. Allerdings wird vorgebracht, dass für das Gericht die Auswahl geeigneter Kandidaten für vakante Aufsichtsratsposten ohne Kandidatenvorschlag nur schwer zu bewerkstelligen sei330. Auch die vom Verfasser befragten Registerrichter bestätigen diese Schwierigkeiten. Da die regelmäßig als Antragsteller fungierenden Vorstandsmitglieder Kenner der Branche sind, in der die Gesellschaft unternehmerisch tätig ist, dürfte es ihnen leichter fallen, eine geeignete Person zu finden. Daher erscheint eine Vorschlagspflicht des Antragstellers auf den ersten Blick sinnvoll. Rechtlicher Anknüpfungspunkt für eine solche Vorschlagspflicht könnte die mit dem Amtsermittlungsgrundsatz einhergehende und nunmehr in § 27 FamFG geregelte Mitwirkungspflicht des Antragstellers sein. Bei der gerichtlichen Bestellung von Vertretungsorganen in Kapitalgesellschaften, also GmbH-Geschäftsführern und Vorstandsmitgliedern von Aktiengesellschaften, folgert eine Ansicht aus der Mitwirkungspflicht des sachnäheren Antragstellers, dass dieser jedenfalls dann einen oder mehrere potenzielle Kandidaten benennen müsse, wenn sich die Kandidatensuche schon zuvor als schwierig erwiesen hat331. Geht man in den Fällen unzureichend besetzter Vertretungsorgane davon aus, dass die Kandidatenauswahl zum einen besonders dringlich ist – die Gesellschaft kann ohne Vertretungsorgan im Rechtsverkehr nicht wirksam handeln – 329 Lediglich Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1703 sowie Oechsler, in: AG 2006, 606, 612 erwähnen, dass der Antragsteller keine konkrete Person vorschlagen müsse, sondern allein das Einleiten des Verfahrens verlangt werde. 330 Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1703. 331 Brenner, Vorläufige gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des gesetzlichen Vertretungsorgans, S. 69. Dagegen die wohl h. M., vgl. OLG Hamm v. 4.12.1995 – 15 W 399/95, NJW-RR 1996, 996, 997; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1713; Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, S. 160 m.w. N.

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und zum anderen die Auswahl häufig erhebliche Schwierigkeiten mit sich bringen wird, da Geschäftsführer- bzw. Vorstandsposten mit hauptberuflich auszuübender Tätigkeit verbunden sind, mag dort eine Vorschlagspflicht als Ausfluss der allgemeinen Mitwirkungspflicht diskutabel sein. Demgegenüber ist eine Vorschlagspflicht im Rahmen des § 104 AktG abzulehnen, weil zum einen aufgrund des Charakters des Aufsichtsratsmandats als Nebenamt332 die Kandidatensuche zumindest leichter fällt als die Suche nach einem Notvorstand bzw. Notgeschäftsführer; zum anderen kann jedenfalls der Vorstand nicht als verpflichtet angesehen werden, einen Kandidaten vorzuschlagen, da Vorschläge des Vorstands wegen der zu wahrenden Unabhängigkeit und wegen des Konflikts mit der aktienrechtlichen Organisationsverfassung generell kritisch zu betrachten sind. b) Kandidatenauswahl Zu Recht wird verlangt, dass der Antrag nach § 104 AktG schlüssig erkennen lassen muss, dass der vorgeschlagene Kandidat einem Mindeststandard hinsichtlich seiner Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen genügt333. Es bietet sich an, dem Antrag die Erklärung des vorgeschlagenen Kandidaten beizufügen, dass dieser zur Amtsübernahme bereit ist und die gesetzlichen sowie satzungsmäßigen Voraussetzungen zur Übernahme des Mandats erfüllt, insbesondere die Kriterien des § 100 AktG334. Im Übrigen ist die Kandidatenauswahl primär dem hierfür zuständigen Organ zu überlassen und bei der Bestellung von Anteilseignervertretern, insbesondere in Publikumsgesellschaften, den Vorschlägen des Aufsichtsrats Rechnung tragen335. Nur wenn gewichtige Bedenken gegen einen Kandidatenvorschlag bestehen, hat der Vorstand auf diese hinzuweisen und auf einen adäquaten Vorschlag hinzuwirken. c) Empfehlungen des DCGK Auch der DCGK enthält Empfehlungen, die direkt oder indirekt die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in börsennotierten Gesellschaften betreffen und bereits im Stadium der Antragstellung relevant werden können. Fraglich ist, inwieweit diese im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags nach § 104 AktG zu berücksichtigen sind. 332 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 14; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 111 Rn. 125 und 132; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604; Dreher, in: JZ 1990, 896, 897; Bernhardt, in: ZHR 1995, 310, 316; Herkenroth, in: AG 2001, 33, 34. 333 OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1705. 334 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 6; vgl. auch Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1704. 335 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 81.

IV. Pflichten des Vorstands

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(1) Wirkung einer uneingeschränkten Entsprechenserklärung Grundsätzlich sind Kodexempfehlungen unverbindlich. Wenngleich die Rechtsnatur des Kodex nach wie vor ungeklärt ist, kommt ihm schon mangels parlamentarischer Legitimation weder unmittelbare noch mittelbare Gesetzeskraft zu336. Haben jedoch Vorstand und Aufsichtsrat der börsennotierten Gesellschaft eine Erklärung zum Corporate Governance Kodex nach § 161 AktG abgegeben, wonach dessen Empfehlungen vollumfänglich entsprochen wurde und wird, so folgt aus dieser zukunftsgerichteten „Selbstbindung auf Widerruf“ 337 die Pflicht, die Kodexempfehlungen einzuhalten, bis auf Grundlage eines – freilich jederzeit und ohne besondere Gründe möglichen – Organbeschlusses eine Gegenerklärung veröffentlicht wird338. Dabei ist umstritten, ob eine Abweichung von Kodexempfehlungen vor Abgabe der Berichtigungserklärung bereits als Pflichtverletzung anzusehen ist339, oder ob es auseicht, wenn nachträglich, aber auch unverzüglich auf die Abweichung folgend, die Entsprechenserklärung angepasst wird340. Weit gehender Konsens besteht allerdings darin, dass nach Sinn und Zweck der Publizitätsvorschrift des § 161 AktG im Falle einer Abweichung von der aktuellen Entsprechenserklärung diese jedenfalls unterjährig angepasst werden muss341, indem veröffentlicht wird, von welchen Kodexempfehlungen abgewichen wurde. 336 H.M., vgl. KG Berlin v. 26.5.2008 – 23 U 88/07, AG 2009, 118, 119; LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341, 342; LG München I v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 161 Rn. 29; Sester, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 25; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 29 Rn. 59; Ringleb, in: KodexKommentar, Rn. 51 ff.; Seibt, in: AG 2002, 249, 250; Ulmer, in: ZHR 2002, 150, 158 f.; Kirschbaum, in: ZIP 2007, 2362, 2363; insbesondere zur verfassungsrechtlichen Kritik vgl. Seidel, in: NZG 2004, 1095 f. 337 So Vetter, in: NZG 2008, 121, 123. 338 Kirschbaum, in: Heidel, Aktienrecht, § 161 Rn. 73; Lutter, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1630; Spindler in: K. Schmidt/Lutter , AktG, § 161 Rn. 43; Buchta, in: DStR 2003, 740, 742; Vetter, in: DNotZ 2003, 748, 758; kritisch Hüffer, AktG, § 161 Rn. 27; Seibt, in: AG 2002, 249, 254. 339 Lutter, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1627 ff.; ders., in: ZHR 2002, 523, 534; Kirschbaum, in: Heidel, Aktienrecht, § 161 Rn. 65; ders., in: ZIP 2007, 2362, 2363. 340 So Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, § 161 Rn. 117, 120 f.; ähnlich Hüffer, AktG, § 161 Rn. 20; Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 13 Rn. 80; Ihrig/Wagner, in: BB 2002, 2509; Seibert, in: BB 2002, 581, 583; Schiessl, in: AG 2002, 593, 594; nach Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 29 Rn. 66 ff., kann eine Pflichtverletzung in der mangelnden Aktualisierung gesehen werden. 341 Vgl. die Nachweise in den beiden vorstehenden Fußnoten sowie OLG München v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, AG 2009, 294, 295; Sester, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 37; Spindler, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 161 Rn. 43; Semler, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 85; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 492; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 2 Rn. 68. A.A. hingegen Seibt, in: AG 2002, 249, 253 f.; Fischer, in: BB 2006,

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C. Der Antragsteller

Dies hat nunmehr auch der BGH bestätigt, der ohne weitere Begründung davon ausgeht, dass die Entsprechenserklärung als „Dauererklärung“ umgehend zu berichtigen sei, sobald von ihr abgewichen wird342. Dafür spricht, dass andernfalls einer Verschleierung Tür und Tor geöffnet wäre, was die Befolgung der Absichtserklärung anbelangt. Die Pflicht nach § 161 Satz 2 AktG, wonach die Entsprechenserklärung den Aktionären dauerhaft zugänglich gemacht werden muss, würde ihre Informationsfunktion für Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen der Anleger weit gehend einbüßen. Der Vorstand muss mithin Empfehlungen des DCGK, die bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats relevant werden, und denen nach der bisherigen Entsprechenserklärung gefolgt wird, in seine Überlegungen mit einbeziehen. Er hat dabei abzuwägen, ob die Empfehlungen weiterhin befolgt werden sollen, oder ob trotz der Pflicht zur unterjährigen Anpassung der Entsprechenserklärung von ihnen abgewichen werden soll. Sofern das Merkmal der Kursrelevanz erfüllt ist, kann zu der Pflicht, die Entsprechenserklärung anzupassen, die weitere Pflicht der Gesellschaft hinzu treten, eine entsprechende Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG zu veröffentlichen343. Der Vorstand der Aktiengesellschaft kann also in doppelter Hinsicht in Rechtfertigungsdruck344 und Haftungsrisiken geraten, wenn entgegen der bisher veröffentlichten, vollumfänglichen Entsprechenserklärung von Kodexempfehlungen abgewichen wird. (2) Befristung der Amtszeit Unmittelbar die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats betrifft die Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK: „Ein Antrag auf gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds soll bis zur nächsten Hauptversammlung befristet sein.“

337, 339; Ogorek/v. den Steinen, in: EWiR 2008, 65, 66; diesen Aspekt vernachlässigend LG München v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91. 342 BGH v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, NZG 2009, 342, 345 mit Anmerkung von Mutter, in: ZIP 2009, 470 f. und Marhewka, in: BB 2009, 800. Der BGH lässt offen, welche rechtlichen Folgen ein Verstoß gegen die Anpassungspflicht nach sich zieht. 343 Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität (Transparenz- und Publizitätsgesetz), BT-Drucks. 14/8769, S. 22; Kiem, in: Habersack/Mülbert/Schlitt, Handbuch der Kapitalmarktinformation, § 13 Rn. 95; Semler, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 1 Rn. 85; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 2 Rn. 68; Ihrig/Wagner, in: BB 2002, 789, 791; Lutter, in: ZHR 2002, 523, 534 f.; Schiessl, in: AG 2002, 593, 594. Zur Ad-hoc-Publizität im Zusammenhang mit der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats siehe sogleich. 344 Berg/Stöcker, in: WM 2002, 1569, 1572.

IV. Pflichten des Vorstands

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(a) Zulässigkeit der Befristung Überwog zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937 noch die Ansicht, dass das Gericht keine befristete Bestellung vornehmen dürfe345, so wird eine solche Befristung heute als zulässig angesehen346. Die Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK legt bereits nahe, dass die Amtszeit eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds nach geltendem Aktienrecht befristet werden kann. Bedenken könnte allenfalls eine vom Gericht aus eigenem Antrieb heraus vorgenommene Befristung begegnen347. Wenn aber eine Befristung beantragt wird, stehen dem keine aktienrechtlichen Bestimmungen entgegen. (b) Sinn und Umsetzung der Befristung Zwar sieht bereits das Gesetz in § 104 Abs. 5 AktG vor, dass das Amt des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds in jedem Fall erlischt, sobald der Mangel behoben ist. Wenn also die Hauptversammlung einen anderen Kandidaten wählt, gehört das gerichtlich bestellte Mitglied ohnehin nicht mehr dem Aufsichtsrat an. Hintergrund der Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK ist indes, dass die Wahl zum Aufsichtsrat überhaupt auf die Tagesordnung der folgenden Hauptversammlung gelangen muss, damit gegebenenfalls das gerichtlich bestellte Mitglied bestätigt oder ein anderer Kandidat gewählt werden kann. Um also zu gewährleisten dass die Neuwahl im Rahmen der nächsten Hauptversammlung stattfindet, soll bereits der Antragsteller darauf hinwirken, dass das Gericht die Amtszeit des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds von vornherein zum Ablauf der nächsten Hauptversammlung befristet. Nur dann wird der Bestellkompetenz der Aktionäre hinreichend Rechnung getragen348. Es soll der verbreiteten und den Geboten der Transparenz widersprechenden Praxis entgegengewirkt werden, dass gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglieder dauerhaft in 345 W. Schmidt, in: Großkommentar, AktG 1937, § 89 Anm. 5; Schmatz, in: WM 1955, 642, 648. 346 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 46; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 12; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 46; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 44; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 38; vgl. auch Wulff/ Buchner, in: ZIP 2007, 314, 315. 347 Nach von Wietzlow/Gemmecke, in: AG-Report 2003, R302, R303, hat das Gericht „auf entsprechenden Antrag [. . .] ohne Grund jedoch keine Möglichkeit, das Ersatzmitglied lediglich befristet bis zur nächsten Hauptversammlung zu bestellen“. Nach vorzugswürdiger Ansicht steht es dem Gericht indes frei, im Bestellungsbeschluss eine bestimmte Amtszeit festzulegen oder aber davon abzusehen, Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 38. 348 Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1058; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 8; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 82; Vetter, in: BB 2005, 1689, 1692; unberücksichtigt bleibt dies bei Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1708.

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C. Der Antragsteller

dem Gremium bleiben, ohne von der Hauptversammlung legitimiert zu sein349. Die rechtlich nach § 104 Abs. 5 AktG abgesicherte Bestellkompetenz der Hauptversammlung kann auf diese Weise faktisch ausgehebelt werden. Solche Vorgänge widersprechen jedoch der Konzeption des § 104 AktG, nach der die gerichtliche Ergänzung als vorläufige Maßnahme allein dazu dient, die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats in bestimmten Fällen aufrecht zu erhalten, nicht aber Rechte der Hauptversammlung einzuschränken350. Was als Behelfslösung zur vorübergehenden Überbrückung vorgesehen ist351, soll nicht zur Dauerlösung werden. Wesentliche Nachteile für die Gesellschaft ruft die Befristung der Amtszeit nicht hervor. Insbesondere erhöht die Befristung das Risiko einer erneuten Beschlussunfähigkeit bzw. Unterbesetzung des Aufsichtsrats kaum, weil mit Fristablauf, also mit dem Ende der nächsten Hauptversammlung, bei gewöhnlichem Lauf der Dinge eine ordentliche Wahl stattgefunden haben wird. Sollte dies ausnahmsweise nicht der Fall sein, kann nötigenfalls erneut eine gerichtliche Bestellung beantragt werden. Das etwaige Bestreben der Verwaltung, eine Personaldiskussion zu vermeiden, indem die Aufsichtsratswahl nicht auf die Tagesordnung gesetzt wird352, oder die Vermeidung einer etwaigen, schon mit dem Ansetzen einer Neuwahl verbundenen Misstrauenskundgebung gegenüber dem gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglied353 stellen keine hinreichend anerkennenswerten Interessen dar. Was die anzustrebende Kontinuität der Aufsichtsratstätigkeit und damit zusammenhängend auch der personellen Besetzung des Gremiums anbelangt, so steht es der Hauptversammlung frei, das zuvor gerichtlich bestellte Mitglied zu bestätigen, so dass es im Amt bleibt. Im Falle einer Abwahl ist das Interesse an Kontinuität der Aufsichtsratsbesetzung gegenüber dem geäußerten Willen der Hauptversammlung nachrangig. Die Befristung der Amtszeit ist somit ein Bestandteil guter Corporate Governance, der ohne wesentliche Schwierigkeiten oder Unannehmlichkeiten für die Gesellschaft und ihre Organe befolgt werden kann, so dass die ansonsten erforderliche unterjährige Anpassung der Entsprechenserklärung nach § 161 AktG nicht notwendig wird. In den veröffentlichten Corporate-Governance-Berichten großer Aktiengesellschaften finden sich dementsprechend häufig Angaben über gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglieder, deren Amtszeit mit Ablauf der 349 Vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 13, 129; von Wietzlow/Gemmecke, in: AG-Report 2003, R302 f.; Wulff/Buchner, in: ZIP 2007, 314, 316. 350 Vetter, in: BB 2005, 1689, 1692. 351 Vgl. hierzu bereits Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 5, zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937. 352 So die Vermutung von Vetter, in: BB 2005, 1689, 1692, Fn. 35 hinsichtlich der Ursache für die häufig unterbleibende Ansetzung einer Aufsichtsratswahl. 353 So Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 82.

IV. Pflichten des Vorstands

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nächsten Hauptversammlung endet354. Auch nicht börsennotierte Gesellschaften sollten der Kodexempfehlung entsprechen355, da die Gründe, die für eine Befristung sprechen, ebenso gelten. Die Angaben der vom Verfasser im Jahre 2007 befragten Registerrichter zeigen, dass auf die Befristung bis dahin oft verzichtet wurde356. Hier besteht in der Praxis also noch Nachholbedarf, wobei aber auch zu berücksichtigen ist, dass Ziff. 5.4.3 des DCGK erst am 2. Juni 2005 eingefügt wurde. Es zeichnet sich bereits ab, dass die Amtszeiten in Zukunft häufiger befristet werden dürften357. Die Befristung kann allerdings nicht dazu dienen, eine problematische Kandidatenauswahl gleichsam zu rechtfertigen. So werden Ermessensfehler bei der gerichtlichen Auswahlentscheidung auch durch eine Befristung der Amtszeit nicht geheilt358. Überflüssig erscheint eine Befristung, wenn etwa der Mehrheitsaktionär einer kleinen Aktiengesellschaft den gerichtlich Bestellten selbst vorgeschlagen hat und es somit keiner weiteren Bestätigung dieses Kandidaten durch ordentliche Wahl bedarf. (3) Ermessenskriterien In Ziff. 5.4.1 und indirekt auch in Ziff. 5.4.2 des DCGK finden sich Ermessenskriterien, die bei der Ermittlung eines Kandidatenvorschlags berücksichtigt werden sollen, insbesondere was Qualifikation (Kenntnisse, Fähigkeiten und fachliche Erfahrungen) und Unabhängigkeit des Kandidaten betrifft. Nach ihrem Wortlaut zielt die erstgenannte Empfehlung nur auf Vorschläge ab, die der „Wahl“ von Aufsichtsratsmitgliedern dienen sollen, und scheint somit wegen § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG nur Vorschläge des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung zu erfassen. Sinn und Zweck der Kodexempfehlung ist es aber, den Aufsichtsrat mit qualifizierten Mitgliedern zu besetzen, um die Kontrollfunktion effizient wahrnehmen zu können. Dabei kommt es nicht auf die Art und Weise 354 Vgl. etwa die Ausführungen zur Zusammensetzung und Tätigkeit des Aufsichtsrats im Corporate-Governance-Bericht 2007 der Deutsche Bank AG, abrufbar unter http://geschaeftsbericht.deutsche-bank.de/2007/gb/weitereinformationen /corporate-gov ernance-bericht/aufsichtsrat.html (Stand: 10.7.2009). 355 Nach der Präambel zum DCGK wird die Beachtung des Kodex allgemein auch nicht börsennotierten Gesellschaften empfohlen. 356 Siehe Anhang. Auch nach Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1708 soll eine zeitliche Begrenzung der Amtsdauer durch das Gericht „nicht erforderlich“ sein. Dagegen zeigen jüngere Gerichtsentscheidungen, dass sich Anträge, nach denen die gerichtliche Bestellung bis zur Beendigung der nächsten ordentlichen Hauptversammlung befristet sein soll, allmählich durchsetzen, vgl. etwa den dem Beschluss des LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341 zugrunde liegenden Sachverhalt. 357 Nach dem Kodex Report 2008 des Berlin Center of Corporate Governance befolgen 86,8% der börsennotierten Gesellschaften die Empfehlung in Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK, v. Werder/Talaulicar, in: DB 2008, 825, 828. 358 Vgl. Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 105, Fn. 21.

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C. Der Antragsteller

der Bestellung und die den Vorschlag unterbreitenden Personen an. Überdies folgt aus der Ersatzfunktion der gerichtlichen Bestellung, dass vorgegebene Auswahlkriterien auch in diesem Verfahren entsprechend zu berücksichtigen sind359. Demzufolge soll auch der Kandidatenvorschlag, der zusammen mit dem Antrag nach § 104 AktG eingereicht wird, die Kodexempfehlungen befolgen360. Andernfalls muss die Entsprechenserklärung, sofern sie uneingeschränkt ist oder zumindest die betroffene Empfehlung umfasst, unverzüglich angepasst werden. 3. Publizitätspflichten Während des Bestellungsverfahrens treffen den Vorstand als Antragsteller die bereits erläuterten Mitwirkungspflichten, wonach er zur Sachverhaltsaufklärung nötigenfalls durch Hinweise und Anregungen beizutragen hat. Darüber hinaus kommen Veröffentlichungspflichten in Betracht, die der Vorstand als geschäftsführendes Organ der Gesellschaft wahrzunehmen hat. Betroffen ist sowohl die Registerpublizität als auch die kapitalmarktrechtliche Ad-hoc-Publizität. a) Registerpublizität Ist das Bestellungsverfahren abgeschlossen, so hat der Vorstand nach § 106 AktG unverzüglich, also gemäß § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ohne schuldhaftes Zögern, beim Registergericht eine Liste einzureichen, in der Name, Vorname, ausgeübter Beruf und Wohnort sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder aufgeführt sind. Unterlässt dies der Vorstand, riskiert er die Festsetzung von Zwangsgeld gemäß § 14 HGB361. Wenn die Liste mit den Angaben zu den Aufsichtsratsmitgliedern eingereicht ist, veröffentlicht das Registergericht eine Hinweisbekanntmachung nach § 10 HGB362, die allerdings nur öffentlich bekannt gibt, dass überhaupt eine neue Liste vorliegt. Inhaltliche Informationen zur Neubesetzung des Aufsichtsrats sind aber gemäß § 8b Abs. 2 Nr. 1 i.V. m. § 9 Abs. 6 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 HGB über die Internetseite des elektronischen Unternehmensregisters für jedermann einsehbar, so dass die Unternehmenspublizität sicher gestellt ist363.

359 Zur Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit das Gericht Empfehlungen des DCGK bei der Auswahlentscheidung zu berücksichtigen hat, siehe unten D. II. 5. 360 So auch ausdrücklich zu Ziff. 5.4.1 Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1028, wonach die Empfehlungen für die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern „sinngemäß“ gelten. 361 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 64 (noch zu § 106 AktG a. F.); Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 2. 362 Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1707. 363 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 106 Rn. 3; Hüffer, AktG, § 106 Rn. 3; dazu allgemein Kort, in: AG 2007, 801, 803 f.

IV. Pflichten des Vorstands

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Das Bedürfnis nach Publizität hat bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern besondere Bedeutung, da gegenüber der ordentlichen Wahl der Anteilseigner-Bank durch die Hauptversammlung keine Information der Aktionäre stattfindet. Im Normalfall erfolgt die gerichtliche Bestellung darüber hinaus kurzfristig, wenn etwa ein Aufsichtsratsmitglied verstorben ist oder unerwartet und mit sofortiger Wirkung sein Amt niedergelegt hat. Dann ist ein zügiges Bestellungsverfahren geboten, bei dem aus Gründen der Praktikabilität nur Vorstand, Aufsichtsrat und gegebenenfalls Großaktionäre angehört werden können. Dieser Mangel an Transparenz ist zumindest durch die alsbaldige Veröffentlichung der neuen Liste von Aufsichtsratsmitgliedern aufzufangen. b) Ad-hoc-Publizität Nicht pauschal zu beantworten ist die Frage, ob darüber hinaus eine Ad-hocMitteilung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG erforderlich ist, welche die Kapitalmarktteilnehmer über die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds informiert. Ist die Gesellschaft als Inlandsemittent von Finanzinstrumenten im Sinne des § 2 Abs. 2b, 7 WpHG zu qualifizieren, so konzentriert sich die Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Insiderinformation (§ 13 Abs. 1 WpHG) auf das maßgebliche Kriterium der Kurserheblichkeit364. Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG müsste dafür ein verständiger Anleger die Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen. Im Zusammenhang mit § 104 AktG kommt Kursrelevanz nicht nur für die gerichtliche Bestellung selbst, sondern schon zuvor beim Wegfall des Aufsichtsratsmitglieds in Betracht. Insbesondere wenn der Aufsichtsratsvorsitzende unerwartet ausscheidet, kann dies, wie sich auch dem Emittentenleitfaden der BaFin entnehmen lässt, aufgrund dessen herausgehobener Stellung den Börsenpreis erheblich beeinflussen und damit zu einer Ad-hocPublizitätspflicht der Gesellschaft führen365. Auch die Amtsniederlegung gleich mehrerer Aufsichtsratsmitglieder kommt als ad-hoc-publizitätspflichtiger Akt in Betracht.

364 So generell hinsichtlich des Wechsels von Organmitgliedern Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 15 Rn. 89; Möllers, in: NZG 2005, 459, 460; vgl. auch Zimmer, in: Schwark, KMRK, § 15 WpHG Rn. 73 f. m.w. N. auch zu abweichenden Auffassungen, denen allerdings durch die Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 15 WpHG nach dem AnSVG (Gesetz zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.10. 2004, BGBl. I, 2630 ff.) weitgehend der Boden entzogen ist. 365 Vgl. die beispielhafte Aufzählung im Emittentenleitfaden der BaFin (Stand: 28. April 2009), S. 57, wonach „überraschende Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens“, zu denen ausdrücklich auch die Position des Aufsichtsratsvorsitzenden zu zählen ist, ad-hoc-mitteilungspflichtig sein kann; vgl. auch Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 106 Rn. 4; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 106 Rn. 4; kritisch Möllers, in: NZG 2005, 459, 461.

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C. Der Antragsteller

Was die gerichtliche Bestellung selbst betrifft, so wird diese etwa in einem 21köpfigen Aufsichtsratsgremium bei der Anlageentscheidung eines verständigen Anlegers regelmäßig keine Rolle spielen und daher keine Ad-hoc-Mitteilung erfordern. Nur in besonders gelagerten Einzelfällen kommt ein erhebliches Kursbeeinflussungspotenzial in Betracht. Befindet sich die Gesellschaft in einer Konfliktsituation, kann ein Wechsel in der Besetzung des Aufsichtsrats weit reichende Folgen haben, die sich durch das gerichtliche Eingreifen noch verstärken. So beispielsweise, wenn eine Konstellation wie im oben dargestellten Fall der Mobilcom AG gegeben ist366 und sich einer der zerstrittenen Großaktionäre mit seinem Kandidatenvorschlag durchsetzt. Solchermaßen brisante Bestellungen von Aufsichtsratsmitgliedern wirken sich unmittelbar auf grundsätzliche Entscheidungen und die strategische Ausrichtung der Gesellschaft aus und können sich somit im Börsenpreis nicht nur unwesentlich niederschlagen. Daher sind sie nach § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG zu veröffentlichen und dem Unternehmensregister zu übermitteln.

V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder Nicht nur für den Vorstand, sondern auch für die Aufsichtsratsmitglieder können sich Pflichten im Zusammenhang mit dem Verfahren nach § 104 AktG ergeben. 1. Antragspflicht bei Beschlussunfähigkeit Fraglich ist, ob der Gesamtaufsichtsrat oder die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder im Fall der Beschlussunfähigkeit verpflichtet sind, die gerichtliche Ergänzung zu beantragen oder sonstige Maßnahmen zu ergreifen, welche die Vakanz in dem Gremium beseitigen. Aufgrund der Überwachungs- und Beratungsfunktion des Aufsichtsrats im Organisationsgefüge der Aktiengesellschaft scheint für die Aufsichtsratsmitglieder zunächst keine solche Pflicht in Betracht zu kommen. Insbesondere kann der Aufsichtsrat als Gesamtorgan schon deshalb nicht verpflichtet sein, den Antrag nach § 104 Abs. 1 AktG zu stellen, weil er bei Beschlussunfähigkeit nicht wirksam nach außen handeln kann367. Demgegenüber liegt es auf der Hand, dass der für die Leitung der Gesellschaft verantwortliche Vorstand auch allgemein für deren Funktionsfähigkeit Sorge zu tragen hat und dementsprechend ausdrücklich nach § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG zur unverzüglichen Antragstellung verpflichtet ist.

366 367

Siehe oben III. 1. d) (2). Vgl. Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 17.

V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

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a) Folgerungen aus § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG, der Entstehungsgeschichte und den Sanktionsmöglichkeiten Im Hinblick auf den Aufsichtsrat und seine Mitglieder könnte dem § 104 Abs. 1 Satz 2 AktG e contrario entnommen werden, dass eine Antragspflicht für sie gerade nicht bestehe368. Die Auslegung der Vorschrift könnte jedoch auch zu einem anderen Gegenschluss führen: Legt man die Betonung auf den Begriff „unverzüglich“, so ließe sich folgern, nur der Vorstand sei zu besonders zeitnaher Antragstellung verpflichtet. Dabei bliebe offen, ob auch die Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls verpflichtet sind, wenn auch in zeitlicher Hinsicht nur sekundär369. Gestützt wird die zuletzt genannte Sichtweise, wenn man die historische Entwicklung der rechtlichen Bestimmungen einbezieht, welche die Behebung von Vakanzen im Aufsichtsrat regeln. Denn die ursprünglichen Strafvorschriften370 sanktionierten bei fortwährender Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nicht nur die Untätigkeit der Vorstandsmitglieder, sondern auch die Untätigkeit der Aufsichtsratsmitglieder. Das legt nahe, dass auch sie zur Antragstellung verpflichtet sind. Doch dieses Argument ist ebenfalls schillernd, denn dem heutigen § 407 AktG – der zwar keine Strafe mehr, aber als Beugemaßnahme die Anordnung von Zwangsgeld bei unterlassener Antragstellung vorsieht – lässt sich entnehmen, dass nur Vorstandsmitglieder oder Abwickler durch Zwangsgeld anzuhalten sind, den Antrag einzureichen. Vergleichbare Ermächtigungen, Zwangsmittel gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern anzuordnen, bestehen nicht. Aus der mithin fehlenden staatlichen Durchsetzungsmöglichkeit könnte gefolgert werden, dass somit auch keine Antragspflicht für Aufsichtsratsmitglieder bestehen kann, weil eine solche ansonsten „ins Leere liefe“371. Diese Folgerung hält einer kritischen Prüfung indes nicht stand. Die Anordnung von Zwangsgeld durch das Registergericht ist in den Fällen möglich, die der Katalog in § 407 Abs. 1 AktG enumerativ und für aktiengesetzliche Pflichten abschließend aufzählt372. Die aufgeführten Fälle zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie besonders wichtige Pflichten der Vorstandsmitglieder und Abwickler betreffen, die insbesondere öffentliche Interessen373 schützen sollen. Es sollen also nur solche Pflichten mit Zwangsgeld durchsetzbar sein, deren Verletzung besonders schwer wiegt. Der Verstoß gegen zahlreiche andere Pflichten ist dagegen 368

So i. E. Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 833. In diese Richtung bereits Godin/Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 5. 370 Art. 249 Nr. 2 ADHGB des Jahres 1870, ab dem Jahr 1884 Art. 249 c Satz 1 Nr. 1 ADHGB, und daraufhin § 297 Nr. 1 AktG 1937. 371 So Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 58. 372 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 509; Otto, in: Großkommentar, AktG, § 407 Rn. 3; Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 407 Rn. 2. 373 Hüffer, AktG, § 407 Rn. 1. 369

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C. Der Antragsteller

nicht zwangsgeldbewehrt. Als ausreichende Folgen kommen jedoch insbesondere Schadensersatzansprüche, Abberufung oder Verweigerung der Entlastung in Betracht. Nicht jede Pflicht, schon gar nicht im Bereich des Zivilrechts, bedarf einer unmittelbaren Durchsetzungsmöglichkeit mit Beugemaßnahmen. Überdies findet gegenüber Aufsichtsratsmitgliedern generell kein Zwangsgeldverfahren statt374, so dass aus dem Fehlen einer das Registergericht zur Festsetzung von Zwangsgeld ermächtigenden Norm keine Rückschlüsse auf das Bestehen oder Nichtbestehen materiellrechtlicher Pflichten von Aufsichtsratsmitgliedern gezogen werden können. b) Allgemeine Sorgfaltspflicht Dennoch bleibt die Frage, ob den verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern eine Antragspflicht obliegt. Mangels ausdrücklicher Normierung könnte sie sich allein aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht nach den §§ 116, 93 AktG ergeben. Ganz überwiegend wird angenommen, dass die Aufsichtsratsmitglieder dafür zu sorgen hätten, dass die Beschlussfähigkeit des Gremiums wieder hergestellt werde375. Sie müssten daher entweder den Vorstand entsprechend veranlassen oder nötigenfalls selbst den Antrag bei Gericht einreichen, andernfalls könne eine Schadensersatzpflicht entstehen376. Eine etwaige Verzögerung wegen vorheriger Veranlassung des Vorstands stelle dabei keinen Sorgfaltspflichtverstoß dar377. Dagegen soll nach der bereits dargelegten anderen Ansicht lediglich die in der Überwachungsfunktion wurzelnde Pflicht bestehen, den Vorstand zu informieren und gegebenenfalls zur Antragstellung zu veranlassen, nicht aber selbst den Antrag einzureichen378. 374 Zöllner, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Aufl., § 407 Rn. 6 f.; Otto, in: Großkommentar, AktG, § 407 Rn. 6; Pelz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 407 Rn. 2; Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 407 Rn. 10; vgl. auch Bumiller/Winkler, FGG, § 132 Rn. 31. 375 So bereits das Reichsgericht in zwei Entscheidungen, RGZ 146, 145, 152 f. und RGZ 161, 129, 136, wonach für ein Aufsichtsratsmitglied einer GmbH die Pflicht bestehe, „für eine baldige Wiederherstellung der verloren gegangenen Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats Sorge zu tragen“. 376 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 9; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 33, § 108 Rn. 96 und § 111 Rn. 145; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 18; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 6; Geßler, AktG, § 104 Rn. 3; Semler/Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 42; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 17, der auf die „allgemeine Treue- und Fürsorgepflicht zur Sicherstellung eines funktionsfähigen Aufsichtsrats“ abstellt; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 5, nehmen hingegen eine „faktische Antragspflicht“ an. Auch Schmatz, in: WM 1955, 642, 645, ging von einer Antragspflicht der Aufsichtsratsmitglieder aus, stellte aber zur Begründung auf die inzwischen aufgehobene Strafvorschrift in § 297 Nr. 1 AktG 1937 ab. 377 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 33; Godin/Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 5. 378 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 59.

V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

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Letzterer Ansicht ist insoweit beizupflichten, als sie zwischen den in Betracht kommenden Pflichten differenziert379: Bloßes Veranlassen des Vorstands zur Antragstellung auf der einen Seite, selbständige Antragstellung auf der anderen. Erstere Maßnahme lässt sich dem allgemeinen Aufgabenspektrum des Aufsichtsrats zuordnen, wenn man die Veranlassung als Ausfluss der zukunftsbezogen-präventiven Kontrolle380 sieht, die Auswirkung auf künftiges Handeln des Vorstands hat. Dagegen erscheint letztere Maßnahme als eine Art „Ersatzvornahme“ der originär dem Vorstand obliegenden Pflicht, was zunächst als aktienrechtlicher Fremdkörper anmutet. Denn regelmäßig sind die Aufsichtsratsmitglieder nicht gehalten, Versäumnisse des Vorstands dadurch zu beheben, dass sie die erforderlichen Handlungen selbst durchführen. Eine entfernte Parallele lässt sich zu § 112 AktG erkennen. Dort „ersetzt“ der Aufsichtsrat den Vorstand als alleiniges Vertretungsorgan der Aktiengesellschaft, um die unbefangene Geltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder sicherzustellen381. Strukturell näher verwandt mit der etwaigen eigenen Antragspflicht ist die Pflicht des Aufsichtsrats, nach § 111 Abs. 3 AktG die Hauptversammlung einzuberufen, wenn es das Wohl der Gesellschaft erfordert. Hier tritt die Kompetenz und die Pflicht des Aufsichtsrats – freilich nicht der einzelnen Mitglieder – neben die Regel des § 121 Abs. 2 Satz 1 AktG, der die Einberufung durch den Vorstand vorsieht. Rückt man die Mitverantwortung der Aufsichtsratsmitglieder am Funktionieren des Gesamtorgans ins Blickfeld, lässt sich aus dieser eine Pflicht zur Antragstellung bei Beschlussunfähigkeit ableiten: Aufsichtsratsmitglieder haben allgemein darauf hinzuwirken, dass das Gesamtgremium seinen Aufgaben nachkommt382. Dann entspricht ein Unterlassen der Antragstellung, obwohl nach § 104 Abs. 1 Satz 1 AktG ausdrücklich das Recht dazu besteht, nicht dem Verhaltensstandard eines ordentlichen Aufsichtsratsmitglieds. Somit besteht für die einzelnen verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder nach erfolgloser Veranlassung des Vorstands die Pflicht, selbst den Antrag nach § 104 Abs. 1 AktG zu stellen. Andernfalls kommt ein Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen die Aufsichtsratsmitglieder nach den §§ 116, 93 Abs. 2 AktG in Betracht, wobei jedoch im Rahmen des Verschuldens zugunsten der Aufsichtsratsmitglieder zu berück379

Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 58 f. Vgl. Hüffer, AktG, § 111 Rn. 5; Spindler/Stilz, AktG, § 111 Rn. 10 f.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 1., jeweils m.w. N. 381 Dazu u. a. Hüffer, AktG, § 112 Rn. 1 m.w. N. 382 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 116 Rn. 11; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 111 Rn. 58; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 111 Rn. 141, vgl. dort auch Rn. 145, wonach das einzelne Aufsichtsratsmitglied auch verpflichtet ist, bei Zweifeln über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats den Antrag nach § 98 AktG zu stellen (str.). Auch dies legt nahe, i. R. d. § 104 Abs. 1 AktG eine entsprechende Verpflichtung anzunehmen. 380

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C. Der Antragsteller

sichtigen ist, dass sie die Beschlussfähigkeit nicht ohne besonderen Anlass prüfen müssen383. Auch sind hinsichtlich der Wahrung des Pflichtenmaßstabs die zeitlichen Vorgaben weniger streng, da gerade keine unverzügliche Antragstellung verlangt wird. 2. Pflichten hinsichtlich des Kandidatenvorschlags a) Vorschlagspflicht Während der Vorstand nicht verpflichtet ist, einen Kandidaten vorzuschlagen, könnte dies hinsichtlich der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder anders sein. Denn bei der ordentlichen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern steht dem Aufsichtsrat nicht nur das Recht zu, Kandidaten zu benennen, sondern er ist nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG auch dazu verpflichtet. Unterbleibt der Vorschlag des Aufsichtsrats, kann mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe der Tagesordnung nach § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG keine wirksame Wahl durch die Hauptversammlung stattfinden; wird sie gleichwohl durchgeführt, ist sie anfechtbar384. Berücksichtigt man die Funktion der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern als Ersatz für die nicht durchführbare ordentliche Wahl, so könnte eine entsprechende Vorschlagspflicht auch gegenüber dem Gericht gegeben sein. Allerdings enthält § 104 AktG keinen Anhaltspunkt für eine solche Vorschlagspflicht. Sie könnte sich allein aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nach den §§ 116, 93 AktG ergeben. In jüngerer Zeit wird in diesem Kontext zunehmend die Verantwortlichkeit des Aufsichtsrats für die eigene Nachfolge im Mitgliederbestand herausgestellt. Dabei wird die Pflicht des Aufsichtsrats, „an seiner optimalen Zusammensetzung selbst mitzuwirken“, auf eine Ebene mit der allgemeinen Überwachungs- und Kontrollfunktion des Aufsichtsrats gestellt und von einer haftungsbewehrten Pflicht zur sorgfältigen Erfüllung einer „nicht förmlichen, aber faktischen [. . .] Kooptation“ gesprochen385. Zwar wird diese Ansicht als letztlich zu weit gehend und als zum Teil dem geltenden Aktienrecht und auch der Rechtswirklichkeit widersprechend kritisiert386, 383 Baumbach/Hueck, AktG, § 104 Rn. 4; vgl. auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 33. 384 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 16; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 15. 385 So Lutter, in: ZIP 2003, 417 und 419. Vgl. dazu auch Hommelhoff, in: ZHR 1979, 288, 298 ff. und Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 728 und 730 ff. („Selbstorganisationspflicht des Aufsichtsrats“); Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 280 ff.; Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 578 („es ist der bisherige Aufsichtsrat, der seine Nachfolger bestimmt.“); Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 569; Peltzer, in: NZG 2002, 10, 12. Bezüglich der Unterbereitung von Vorschlägen und des Auswahlverfahrens spricht Sünner, in: ZIP 2003, 834, 837 ebenfalls von „wichtige[n] Aufgaben des Aufsichtsrats“. 386 So Wirth, in: ZGR 2005, 327, 342.

V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

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jedoch lässt sich jedenfalls die Bedeutung der Kandidatenauswahl für die Effizienz der Aufsichtsratstätigkeit und die damit verbundene, in § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG zum Ausdruck kommende Mitverantwortung des Aufsichtsrats nicht leugnen387. Bezugspunkt der genannten Auffassungen ist freilich der „Normalfall“ der ordentlichen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung, nicht die gerichtliche Bestellung. Dementsprechend ist zu klären, ob und gegebenenfalls inwieweit die kooptationsähnlichen Aufgaben und Verantwortlichkeiten auch im Zusammenhang mit der Ergänzung des Aufsichtsrats durch das Gericht gelten. b) Pflicht zur Mitwirkung bei der Kandidatensuche Im Fall des beschlussunfähigen Aufsichtsrats ergibt sich bereits das Problem, dass von vornherein kein gültiger Beschluss über den Kandidatenvorschlag gefasst werden kann. Eine Beschlussfassung nach § 108 Abs. 1 AktG darüber, wie das Vorschlagsrecht ausgeübt werden soll, ist aber grundsätzlich für einen gültigen Kandidatenvorschlag erforderlich388. Allerdings bezieht sich diese Anforderung auf den förmlichen Wahlvorschlag für die Hauptversammlung, nicht auf den eher als Anregung zu begreifenden Kandidatenvorschlag gegenüber dem Gericht. Das ohnehin unabhängig vom verbliebenen Gesamtgremium antragsberechtigte einzelne Aufsichtsratsmitglied könnte zwar möglicherweise nicht einer strikten Vorschlagspflicht unterliegen, wohl aber der Pflicht, bei der Kandidatensuche jedenfalls mitzuwirken und zumindest auf einen auch von den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern getragenen Vorschlag hinzuarbeiten389. Dafür spricht auf der einen Seite, dass der Aufsichtsrat das weitgehend zur Besetzung der Organe berufene und hierfür verantwortliche Organ ist, denn neben der Zuständigkeit für den obligatorischen Vorschlag für die ordentliche Aufsichtsratswahl bestellt das Gremium auch die Vorstandsmitglieder und ist für deren Abberufung zuständig (§ 84 Abs. 1, 3 AktG). Zudem ist der Aufsichtsrat ge387 Vgl. bereits Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 568 f.; sowie Lange, in: NZG 2004, 265, 270; Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 575; Lutter, in: ZIP 2003, 417, 418; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 17; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 20. Die Bedeutung des Kandidatenvorschlags spiegelt sich auch in § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG wider, wonach die Hauptversammlung ohne Vorschlag grundsätzlich keinen wirksamen bzw. unanfechtbaren Wahlbeschluss fassen kann. 388 Hüffer, AktG, § 124 Rn. 13; vgl. auch Peltzer, in: NZG 2002, 10, 12, der allerdings auch darauf hinweist, dass in der Praxis die nach dem Gesetz erforderliche Beschlussfassung des Aufsichtsrats über den Kandidatenvorschlag häufig nicht stattfinde. 389 Ein ähnlicher Gedanke findet sich bei Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 281, wonach dem Aufsichtsrat nicht die Rechtsmacht zukommt, verbindlich die künftigen Mitglieder zu bestimmen, so dass nur eine Verpflichtung bestehen kann, durch entsprechende Vorschläge die Grundlage für eine möglichst optimale Besetzung zu schaffen.

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C. Der Antragsteller

mäß § 103 Abs. 3 AktG berechtigt, das gerichtliche Abberufungsverfahren gegen einzelne Aufsichtsratsmitglieder zu beantragen. Mithin entspricht es der aktiengesetzlichen Konzeption, dass der Aufsichtsrat die personelle Besetzung der Verwaltung maßgeblich mitgestaltet. Darüber hinaus fällt es dem Gericht regelmäßig nicht wesentlich leichter, einen adäquaten Kandidaten zu finden, als den Aktionären, so dass der Vorschlag nicht zuletzt auch das Verfahren vereinfachen und beschleunigen kann. Das kommt wiederum der Gesellschaft zugute, insbesondere wenn es darum geht, die Beschlussfähigkeit und damit – entsprechend dem Zweck des § 104 AktG – die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats wiederherzustellen. Auf der anderen Seite würde eine zwingende Vorschlagspflicht für jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied dem Charakter des Aufsichtsratsmandats als Nebenamt390 nicht gerecht. Regelmäßig wird es überhaupt nicht möglich sein, unmittelbar nach dem Wegfall eines Mitglieds einen passenden Ersatz zu benennen. Des Weiteren erfordert ein verantwortungsvoller Kandidatenvorschlag regelmäßig die Absprache mit den übrigen Aufsichtsratsmitgliedern. Mithin besteht für die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder zwar keine Vorschlagspflicht, wohl aber die Pflicht, bei der Kandidatensuche mitzuwirken. Diese Pflicht resultiert auch aus der prozessualen Mitwirkungspflicht nach § 27 Abs. 1 FamFG. Jedenfalls wenn ein Aufsichtsratsmitglied selbst den Antrag gestellt hat und somit am Verfahren unmittelbar beteiligt ist, muss es die gerichtlichen Ermittlungen auch in diese Richtung unterstützen391. c) Inhalt der Mitwirkungspflicht Umfang und Intensität der erforderlichen Mitwirkung sind von verschiedenen Faktoren abhängig: Bei Beschlussunfähigkeit eines kleinen Aufsichtsratsgremiums und gegebenenfalls anstehenden wichtigen Entscheidungen oder gar einer krisenähnlichen Situation der Gesellschaft werden mehr Anstrengungen zu verlangen sein, als bei bloßer Unterbesetzung eines großen Aufsichtsrats und einem gewöhnlichen Geschäftsverlauf der Gesellschaft. Bei sich besonders schwierig gestaltender Suche ist zumindest ein grobes Anforderungsprofil392 zu erstellen, 390 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 14; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 111 Rn. 125 und 132; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604; Dreher, in: JZ 1990, 896, 897; Herkenroth, in: AG 2001, 33, 34. 391 Dass aus der Mitwirkungspflicht eine Vorschlagspflicht resultieren kann, bejaht – freilich im Rahmen der Notbestellung des Vorstands – auch Brenner, Vorläufige gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des gesetzlichen Vertretungsorgans, S. 68 f. 392 Vgl. dazu im Hinblick auf Ziff. 5.3.3 DCGK, der die Einrichtung eines Nominierungsausschusses empfiehlt, Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1005b; allgemein Feddersen, in: AG 2000, 385, 389; Lutter, in: ZIP 2003, 417, 418 f.; v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 302.

V. Pflichten der Aufsichtsratsmitglieder

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um eine zielgerichtete, systematische Suche zu ermöglichen und eventuell ein Personalberatungsunternehmen einschalten zu können393. Dabei muss bei Erstellung dieses Anforderungsprofils insbesondere berücksichtigt werden, dass dem Aufsichtsrat Experten verschiedener Fachgebiete zugehören sollten394. Sind potenzielle Kandidaten schon bekannt oder hat etwa der Nominierungsausschuss schon Kontakt zu möglichen Kandidaten aufgenommen, verringert sich der zu erwartende Einsatz entsprechend. Sinn und Zweck des Nominierungsausschusses ist es, jede Vakanz im Aufsichtsrat beheben zu können und die Nachfolge sicherzustellen395. Die Art des Bestellungsverfahrens spielt dabei keine Rolle, jedenfalls hindert die Ersatzbestellung durch das Gericht nicht die Inanspruchnahme der Ergebnisse des Nominierungsausschusses. Zulässigerweise können – wenn nicht ohnehin ein Nominierungsausschuss existiert – bestimmte Aufsichtsratsmitglieder mit der Kandidatensuche betraut werden, um daraufhin einen Vorschlag zu erarbeiten, den möglichst alle tragen, zumindest aber die Mehrheit der Mitglieder396. Wie im Rahmen des § 124 Abs. 3 AktG stellt indes das bloße Abnicken eines intern benannten Kandidaten ein pflichtwidriges Verhalten dar397. Ebenso ist darauf zu achten, dass der Kandidat die notwendigen Kriterien erfüllt, d.h. die gesetzlichen Anforderungen insbesondere des § 100 AktG und die etwaigen Anforderungen der Satzung, aber auch die sonstigen Auswahlkriterien wie etwa ein Mindestmaß an Unabhängigkeit398. Erst 393 Auf diese Möglichkeit der Kandidatensuche für den Wahlvorschlag weisen auch hin: Peltzer, in: NZG 2002, 10, 12; Lutter, in: ZIP 2003, 417, 419; Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung, in: DB 2006, 1625, 1627; v. Werder/ Wieczorek, in: DB 2007, 297, 303. 394 Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 573. 395 Vgl. Anhang I, Ziff. 2.2.1 der „Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats“ der EU-Kommission vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUri Serv/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:052:0051:0063:DE:PDF (Stand: 9.7.2009), wonach der Nominierungsausschuss dem Gesamtgremium einen Vorschlag „für die Besetzung frei werdender Mandate im Verwaltungsrat bzw. in Aufsichtsrat und Vorstand“ unterbreitet. Es wird mithin nicht nach der Art des Bestellungsverfahrens unterschieden. 396 v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 303 befürworten weitergehend, dass nur der Nominierungsausschuss die personellen Alternativen im Einzelnen prüft und das Aufsichtsratsplenum lediglich mit dem endgültigen Wahlvorschlag befasst wird. 397 Vgl. Peltzer, in: NZG 2002, 10, 12; Semler, in: Festschrift für Lutter, S. 726; ders./Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 16. Dies gilt erst recht, wenn der Großteil der Aufsichtsratsmitglieder von dem Vorschlag erst im Nachhinein erfährt, wie es in der Praxis gelegentlich geschehen soll, vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 729 f.; Arbeitskreis Externe und Interne Überwachung der Unternehmung, in: DB 2006, 1625, 1627. Zum sozialpsychologischen Phänomen des Gruppendenkens im Aufsichtsrat, das ebenfalls zu einem vorschnellen „Abnicken“ eines Vorschlags führen kann, vgl. Watzka, in: F.A.Z. v. 6.6.2009, S. 17: „Aufsichtsräte beugen sich zu schnell dem Gruppendruck“. 398 Vgl. Habersack, in: AG 2008, 98, 104 f.; v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 302 f.

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C. Der Antragsteller

recht erfordert die gewissenhafte und sorgfältige Wahrnehmung des Aufsichtsratsamts, dass vom Vorstand angeregte Kandidatenvorschläge bezüglich hinreichender Qualifikation und vor allem Unabhängigkeit gewürdigt werden.

VI. Antragspflicht der Aktionäre Ebenso wie im Hinblick auf die Aufsichtsratsmitglieder, statuiert § 104 AktG keine ausdrückliche Antragspflicht der einzelnen Aktionäre, sondern sieht allein deren Antragsberechtigung vor. Dementsprechend besteht regelmäßig keine Antragspflicht der Aktionäre399. Teilweise wird vertreten, dass kontrollierende Aktionäre und gegebenenfalls auch Großaktionäre in „besonderen Fällen“ aufgrund ihrer Treuepflicht den Antrag stellen müssten, so etwa, wenn sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand komplett wegfallen400. Dem ist beizupflichten, denn Anteilseigner, die aufgrund ihrer Stimmenmacht die Kontrolle über die Gesellschaft ausüben können, trifft als Korrelat zu ihren weitreichenden Einflussmöglichkeiten eine gesteigerte Treuepflicht gegenüber den Mitaktionären und gegenüber der Gesellschaft401. Die Treuepflicht verlangt, dass bei Eintritt einer Notsituation, wie etwa der vollständigen Handlungsunfähigkeit der Verwaltung, zumindest die unbedingt erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden, um einen dauerhaften Stillstand der Gesellschaft zu verhindern und die damit drohenden weiteren Schäden abzuwenden. Abgesehen von solchen Sonderfällen sind die Aktionäre nicht zur Antragstellung verpflichtet.

399 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 9; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 59. 400 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 34; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 18; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 6. 401 Vgl. allgemein zur umstrittenen Treuepflicht der Aktionäre Bungeroth, in: Münchener Kommentar, AktG, Vorb. zu §§ 53a ff. Rn. 18 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 799 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 II 3. c), jeweils m.w. N.

D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan Hält der Antragsteller die Voraussetzungen des § 104 AktG für gegeben, so wird er den Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats stellen. Für das zuständige Gericht stellen sich neben den zu prüfenden Vorgaben des § 104 AktG – etwa Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats nach Absatz 1 Satz 1 oder das Vorliegen eines dringenden Falls nach Absatz 2 Satz 2 – allgemeine Verfahrensfragen des FamFG (früher FGG) und vor allem die Frage, welcher Kandidat bestellt werden soll.

I. Verfahrensrechtliche Einordnung 1. Zuständigkeit und Verfahrensart Erstinstanzlich zuständig für die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern war unter dem Regelungsregime des FGG das zur Führung des Handelsregisters zuständige Amtsgericht des Gesellschaftssitzes (§ 14 AktG i.V. m. §§ 145 Abs. 1 und 2, 125 Abs. 1 FGG). Dabei handelte das Gericht indes nicht in der Funktion als Registergericht, denn die Ergänzung des Aufsichtsrats war zwar als Handelssache im Sinne des Siebenten Abschnitts des FGG zu qualifizieren, nicht aber als Handelsregistersache1. Diese Unterscheidung war nicht nur dogmatisch relevant, sondern hatte zur Folge, dass grundsätzlich die „Allgemeinen Vorschriften“ des Ersten Abschnitts des FGG anzuwenden waren2, wohingegen einige Bestimmungen, die allein für echte Registersachen gelten, unanwendbar waren. So bestand etwa kein Antrags- und Beschwerderecht der Organe des Handelsstandes (Industrie- und Handelskammern), da § 126 FGG allein Handelsregistersachen betraf3. 1 OLG Hamm v. 23.2.2000 – 15 W 46/00, AG 2001, 145; OLG Frankfurt v. 25.2.1993 – 20 W 50/93, NJW-RR 1993, 932; Bumiller/Winkler, FGG, § 145 Rn. 2; vgl. auch Bassenge/Roth, FGG, § 145 Rn. 5; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 88 f.; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 42; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 34; vom „Registergericht“ sprechen hingegen Bürgers/ Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 6; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 8; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 833 („Amtsgericht/Registergericht“). 2 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 20; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 89. 3 Vgl. Bassenge/Roth, FGG, § 145 Rn. 5; Bumiller/Winkler, FGG, § 145 Rn. 2.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

Die Neuregelungen des FamFG bringen in diesem Zusammenhang im Ergebnis keine nennenswerten Änderungen mit sich. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts ergibt sich nunmehr aus § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 4 GVG, der unternehmensrechtliche Verfahren nach § 375 FamFG, zu denen nach dessen Nr. 3 auch die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats gehört, den Amtsgerichten zuweist. Ergänzend gilt § 376 Abs. 1 FamFG, der das Verfahren bei dem Amtsgericht konzentriert, an dem ein Landgericht seinen Sitz hat4, und damit den bisherigen § 125 FGG ersetzt. Örtlich ausschließlich zuständig ist nach der im Hinblick auf den unveränderten § 14 AktG lediglich klarstellend wirkenden Regelung des § 377 Abs. 1 FamFG das Amtsgericht am Gesellschaftssitz5. Die Aufteilung zwischen unternehmensrechtlichen Verfahren und Registersachen ist im FamFG nun dadurch übersichtlicher gestaltet und deutlicher herausgestellt als im früheren FGG6, dass sich Abschnitt 3 mit den „Registersachen“ befasst und in Abschnitt 4 die „unternehmensrechtlichen Verfahren“ separat geregelt sind. Faktisch werden freilich im Rahmen des § 104 AktG nach wie vor die Richter am Amtsgericht tätig, welche dort als Registerrichter fungieren. Sie sind funktionell zuständig, weil auch nach den neu gefassten §§ 3 Nr. 2 lit. d, 17 Nr. 2 lit. a RPflG der Richtervorbehalt gilt7, so dass Rechtspfleger bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats gemäß § 104 AktG ausgeschlossen sind. Wird allerdings wegen unterbliebener Antragstellung die Festsetzung von Zwangsgeld als Beugemaßnahme gegenüber dem Vorstand erforderlich, so ist hierfür nach § 407 AktG i.V. m. § 388 Abs. 1 FamFG (früher: § 132 Abs. 1 Satz 1 FGG) das Amtsgericht in seiner Eigenschaft als Registergericht und funktionell nach § 3 Nr. 2 lit. d RPflG der Rechtspfleger zuständig. 2. Rechtsfürsorgeverfahren Bei der Auslegung insbesondere das gerichtliche Verfahren betreffender Normen ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats um ein sog. Rechtsfürsorgeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 4 Nach wie vor können nach § 376 Abs. 2 FamFG die Landesregierungen – oder bei Delegation die Landesjustizverwaltungen – durch Rechtsverordnung Abweichendes bestimmen. 5 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 285. 6 Ries, in: NZG 2009, 654, 655; Heinemann, in: FGPrax 2009, 1 spricht in diesem Zusammenhang zu Recht von einer „begrüßenswerten terminologischen Klarstellung“. 7 Die Aufgabenabgrenzung zwischen Richter und Rechtspfleger bei den unternehmensrechtlichen Verfahren des FamFG wurde beibehalten, vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BTDrucks. 16/6308, S. 322.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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handelt. Das heißt, das Gericht wirkt rechtsfürsorgend, mithin im Interesse der Gesellschaft an deren rechtlicher Ordnung mit8. Im Gegensatz dazu stehen die Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit – wie beispielsweise die gerichtliche Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG –, die sich dadurch auszeichnen, dass sich Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen wie in einem Zivilprozess gegenüber stehen und das Gericht über das Bestehen behaupteter subjektiver Rechte zu entscheiden hat9. Allerdings kann die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats auch typische Merkmale einer Streitsache annehmen, wenn sich etwa zwei Großaktionäre über den vom Gericht zu bestellenden Kandidaten streiten. Zudem wird das Gericht nach § 104 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 AktG nur auf Antrag tätig. Dies ist eher ein Charakteristikum der auf weiter gehender Dispositionsbefugnis der Parteien beruhenden Streitsachen10. Mag man in Einzelfällen diese Besonderheiten verfahrensrechtlich nicht außer Betracht lassen können, so ist dennoch im Grundsatz von einem Rechtsfürsorgeverfahren auszugehen.

II. Auswahl der zu bestellenden Person 1. Schwierigkeiten der Kandidatenauswahl Kern des Verfahrens nach § 104 AktG ist die Auswahl des neuen Aufsichtsratsmitglieds. Für das Gericht ergeben sich hier zum einen die Schwierigkeiten, die ebenso bei der Kandidatenauswahl zur ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern bestehen, und damit nicht das Gericht im Besonderen treffen. Zum anderen ergeben sich jedoch gerade aus der Auswahlpflicht des Gerichts weitere Probleme. Es ist keine neue Erscheinung, dass sich sowohl für kleinere Gesellschaften als auch für im DAX notierte Gesellschaften die Suche nach künftigen Aufsichtsratsmitgliedern – die immer weiter reichenden Anforderungen entsprechen müssen und damit zugleich steigenden Haftungsrisiken ausgesetzt sind11 – generell alles andere als einfach gestaltet12. So war bereits im Jahre 1927 von der Schwierig8

Vgl. Bezzenberger, in: Festschrift für Priester, S. 34 m.w. N. OLG Hamm v. 4.3.1991 – 4 UF 350/90, NJW-RR 1991, 1092, 1093; Bumiller/ Winkler, FGG, § 1 Rn. 4; Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 12 Rn. 196; Bezzenberger, in: Festschrift für Priester, S. 37. 10 Vgl. Bumiller/Winkler, FGG, § 1 Rn. 5. 11 Vgl. nur F.A.Z. v. 6.1.2009, „Das Haftungsrisiko von Aufsichtsräten steigt und steigt“. 12 Meder, in: DStR 2008, 1242, 1243; vgl. auch die Ausführungen des damaligen Vorsitzenden der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Cromme anlässlich der 6. Konferenz DCGK am 6.7.2007, abrufbar unter http://www. corporate-governance-code.de/ger/download/Rede_Cromme_deu_6.pdf (Stand: 17.12. 2008), S. 5: „Der Markt für geeignete Kandidaten für die Kontrolle großer, internatio9

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

keit die Rede, adäquate Aufsichtsratsmitglieder zu finden, wobei damals allerdings die „Geldkalamität“ als Hauptgrund hierfür angeführt wurde13. Dass sich das Gericht als Ersatzbestellungsorgan zusätzlichen Unwägbarkeiten gegenüber sieht, ist dem Umstand geschuldet, dass es sich bei der personellen Besetzung eines Gesellschaftsorgans schon im Ausgangspunkt um eine für ein Gericht atypische Aufgabe handelt. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Klärung rechtlicher Auseinandersetzungen und der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten. Zwar finden sich im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit und insbesondere auch unter den unternehmensrechtlichen Verfahren auch andere rechtsfürsorgerische Bereiche, in denen das Gericht Personen für bestimmte Positionen bestellt. Jedoch haben die vom Gericht bestellten Figuren spezielle Aufgaben, die sich sowohl nach ihrem Inhalt als auch in zeitlicher Hinsicht auf punktuelle, jedenfalls aber näher konkretisierte Komplexe beschränken. So ist etwa der im Falle des § 33 Abs. 3 Satz 2 AktG vom Gericht zu bestellende Gründungsprüfer ausschließlich zur Gründungsprüfung in dem in § 34 AktG vorgegebenen Umfang verpflichtet. In ähnlicher Weise eingeschränkte Aufgabenbereiche haben gerichtlich bestellte Sonderprüfer nach den §§ 142 Abs. 2, 258 Abs. 1 AktG ebenso wie vom Gericht bestellte besondere Vertreter nach § 147 Abs. 2 Satz 2 AktG oder Abwickler gemäß den §§ 264 Abs. 2 Satz 2, 265 Abs. 3 AktG. Demgegenüber ist das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied den ordentlich gewählten Mitgliedern grundsätzlich gleich gestellt, ihm stehen somit die gleichen Rechte zu und vor allem hat es ebenfalls an der Erfüllung der vielfältigen Pflichten mitzuwirken, die die Kontroll- und Beratungsfunktion des Aufsichtsrats mit sich bringen. Daher fällt die Auswahl von Aufsichtsratsmitgliedern regelmäßig schwerer als die Kandidatenauswahl für die anderen genannten Positionen. Zudem lässt sich auch kein allgemeingültiges Anforderungsprofil ausmachen, wie etwa bei Sonderprüfern, die gemäß § 258 Abs. 4 Satz 1 AktG zwingend Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sein müssen. Für vakante Aufsichtsratsposten können ganz unterschiedliche Personenkreise in Frage kommen. Das hängt unter anderem davon ab, welche Funktion das weggefallene Mitglied ausgeübt hat und vor allem in welchem Geschäftsbereich die Gesellschaft unternehmerisch tätig ist. Einfluss auf die an den Kandidaten zu stellenden Anforderungen hat des Weiteren die Realstruktur der betroffenen Gesellschaft. Wird die Amtszeit nicht durch das Gericht befristet und findet auch keine ordentliche Neuwahl bei der nächsten Hauptversammlung statt, so bleibt das

nal operierender Unternehmen ist recht klein.“ Demgegenüber betont Claussen, in: Festschrift für Priester, S. 41, 51, die Schwierigkeit der Kandidatensuche vor allem für kleinere Gesellschaften. 13 Vgl. Goldschmit, Die Aktiengesellschaft, § 315 Anm. 4.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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gerichtlich bestellte Mitglied unter Umständen bis zu fünf Jahre im Amt14. Die gerichtliche Bestellung kann sich mithin für längere Zeit auswirken, als es bei den sonstigen vom Gericht bestellten Personen der Fall ist. Hinzu tritt schließlich die erhebliche Bedeutung, welche die Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder für die Gesellschaft hat. Zu Recht wird die Aufsichtsratswahl wegen ihrer maßgeblichen Beeinflussung der Unternehmensausrichtung als eine der wichtigsten Entscheidungen in der Aktiengesellschaft bezeichnet15. Freilich ist die Bedeutung der Bestellung eines einzelnen Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht geringer einzuschätzen, jedoch spielt gerade in kleineren Aufsichtsräten und in den einzelnen Ausschüssen jede einzelne Persönlichkeit eine tragende Rolle und kann die Effizienz der Kontrolle erheblich beeinflussen. Um der Verantwortung gerecht werden zu können, welche die Auswahl und Bestellung eines Aufsichtsratskandidaten mit sich bringt, werden im Folgenden zunächst Möglichkeiten vorgestellt, wie in der Praxis auf effiziente Weise potenzielle Kandidaten gefunden werden können. Daraufhin werden sowohl die von diesen zwingend zu erfüllenden Voraussetzungen als auch die weiteren Kriterien des gerichtlichen Auswahlermessens dargestellt. 2. Vorgehen bei der Kandidatensuche Für die Praxis gibt es verschiedene Wege, Kandidaten für den vakanten Aufsichtsratsposten zu ermitteln. a) Kandidatenvorschlag liegt dem Gericht vor Wenn der Antragsteller dem Gericht bereits einen konkreten Kandidatenvorschlag unterbreitet hat, kann dieser auf die maßgeblichen Kriterien hin geprüft und ihm gegebenenfalls entsprochen werden. Die Kandidatenauswahl wird erleichtert und damit auch beschleunigt16. Dabei ist fraglich, wie weit gehend der Kandidatenvorschlag vom Gericht zu prüfen ist, insbesondere ob der Kandidat vor der Auswahlentscheidung zwingend anzuhören ist. Völlig unbesehen darf das Gericht einem Kandidatenvorschlag des Antragstellers nicht folgen, es muss zu14 Nach dem auch für gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglieder anzuwendenden § 102 AktG endet die Amtszeit spätestens mit Beendigung der Hauptversammlung, die über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit beschließt; das erste Geschäftsjahr wird dabei nicht mitgerechnet. Näher zur Beendigung der Amtszeit des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds unter V. E. 15 Möslein, in: AG 2007, 770, mit Verweis auf BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532/77, BVerfGE 50, 290, 323, das ebenfalls den Einfluss des Aufsichtsrats auf die Unternehmensentscheidungen betont. 16 Vetter, in: DB 2005, 875.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

mindest eine Schlüssigkeitsprüfung17 vornehmen, die auf Grundlage einer Anhörung des Vorstands und der amtierenden Aufsichtsratsmitglieder erfolgt. Eine Anhörung des Kandidaten verschafft dem Gericht den besten Eindruck darüber, ob er geeignet ist, und ist somit im Regelfall ebenfalls erforderlich18. Nach dem neuen § 34 Abs. 1 FamFG ist ein Beteiligter zwingend persönlich anzuhören, wenn dies entweder zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs des Beteiligten erforderlich ist oder wenn eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung eine persönliche Anhörung vorschreibt. Die Rechte des Kandidaten sind von dem Verfahren der gerichtlichen Ergänzung unmittelbar betroffen, so dass er als Beteiligter nach § 7 Abs. 2 FamFG hinzuzuziehen ist. Indes wird zur Wahrung des rechtlichen Gehörs nicht stets eine persönliche Anhörung erforderlich sein und eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung, die eine persönliche Anhörung vorschreibt, existiert nicht. Auch was die im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nach §§ 375 Nr. 3, 26 FamFG (früher: §§ 145 Abs. 1, 12 FGG) zu ermittelnde Entscheidungsgrundlage anbelangt, stehen dem Gericht andere Wege offen, um die nötigen Details über den Kandidaten zu erfahren. Daher besteht keine ausnahmslos zwingende Pflicht zur persönlichen Anhörung19. Wenn alle Beteiligten – gegebenenfalls einschließlich der Großaktionäre – mit dem Kandidatenvorschlag einverstanden sind, umfangreiche Informationen über den Werdegang und die zeitliche Verfügbarkeit des Kandidaten vorliegen und dieser die Bereitschaft zur Amtsübernahme signalisiert hat, kann das Gericht von einer persönlichen Anhörung absehen. Hat in einem mitbestimmten Aufsichtsrat ein nach § 104 Abs. 4 Satz 4 AktG ausdrücklich vorschlagsberechtigtes Gremium einen Kandidaten benannt, kann und muss sich das Gericht noch enger an dem Vorschlag orientieren. Nur wenn überwiegende Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit entgegen stehen, ist nach dieser Vorschrift von dem Vorschlag abzuweichen. Überwiegen die Belange der Gesellschaft oder der Allgemeinheit das Vorschlagsinteresse, so muss ein anderer Kandidat bestellt werden. Sind jedoch keine entgegen stehenden Belange ersichtlich, ist die Auswahlfreiheit des Gerichts insofern eingeschränkt20, als es entsprechende Vorschläge berücksichtigen „soll“. b) Kandidatenvorschlag liegt nicht vor Falls indes weder der Antragsteller noch sonstige Antragsberechtigte einen möglichen Kandidaten für den vakanten Aufsichtsratsposten vorschlagen, hat das 17 Vgl. LG Hannover v. 5.3.2009 – 21 T 2/09, ZIP 2009, 760, 761; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 84; Schmatz, in: WM 1955, 642, 646. 18 Aus diesem Grund für eine obligatorische Anhörung Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 22; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 103. 19 So auch Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 89. 20 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 34.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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Gericht im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes und unter Mitwirkung der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder die Suche selbst vorzunehmen. Dabei kann es potenzielle Kandidaten befragen oder sich nötigenfalls der Unterstützung Dritter bedienen. Hier bietet sich beispielsweise eine Anfrage bei den Industrie- und Handelskammern (IHK) an21, wie es bereits Mitte der 1950er Jahre im Zusammenhang mit der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats empfohlen wurde22. Schon die bei den IHK inzwischen online verfügbaren Datenbanken23 werden jedenfalls für die gezielte Suche nach erfahrenen Unternehmerpersönlichkeiten oder Managern in bestimmten Branchen förderlich sein und erste Kontaktdaten möglicher Kandidaten ermitteln lassen. Zu begrüßen wären, nach dem Vorbild anderer Länder24, weitere elektronische Datenbanken, die schnell und gezielt nach bestimmten, dort freiwillig registrierten Branchenkennern sowie sonstigen Personen mit bestimmten Qualifikationen und Erfahrungen durchsucht werden können. In diese Richtung weist auch die neue Zertifizierung des TÜV Rheinland, der das an bestimmte Voraussetzungen gebundene Zertifikat „qualifizierter Aufsichtsrat/Beirat für den Mittelstand“ vergibt25. Inwieweit damit ein Beitrag zur Professionalisierung der Aufsichtsräte geleistet werden kann, wird die Zukunft zeigen; für die hier interessierende Auswahlentscheidung des Gerichts kann die Zertifizierung jedenfalls hilfreich sein. Gestaltet sich die Kandidatensuche im Einzelfall besonders schwierig, so können auch Personalberatungsfirmen (sog. „Headhunter“) eingeschaltet werden, wie es bei der Kandidatensuche für vakante Vorstandsposten in Aktiengesellschaften schon länger praktiziert wird26. Ein solches Vorgehen hat den Vorteil, dass auch bislang weniger vertrautes, insbesondere internationales Umfeld der Gesellschaft in die Suche mit einbezogen werden kann27. Auf diese Weise können nicht nur neue Ideen und Impulse in den Aufsichtsrat gelangen, sondern es wird zudem ein höheres Maß an Unabhängigkeit des Kandidaten gegeben sein. So erhält das unter Corporate Governance-Gesichtspunkten – insbesondere we21 Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1703. Auch bei der insoweit vergleichbaren Suche nach GmbH-Notgeschäftsführern finden solche Anfragen statt, vgl. OLG Hamm v. 4.12.1995 – 15 W 399/95, NJW-RR 1996, 996. 22 Schmatz, in: WM 1955, 642, 646. 23 Vgl. etwa die Datenbank von Unternehmen in Baden-Württemberg, abrufbar unter www.firmen-bw.ihk.de, sowie entsprechende Datenbanken in anderen Bundesländern. 24 Solche Ansätze finden sich beispielsweise in Norwegen, wo Absolventen bestimmter Management-Trainingsprogramme in Datenbanken aufgelistet sind, vgl. Frost/Linnainmaa, in: AG 2008, 601, 605. 25 Vgl. http://www.tuv.com/de/pruefung_zum_tuev_rheinland_zertifizierten_auf sichtsrat.html sowie den Beitrag unter www.handelsblatt.com/News/Karriere/Manage ment-Strategie/_pv/_p/200812/_t/ft/_b/1360019/default.aspx/aufsichtsrat-mit-tuev-pla kette.html (Stand: jeweils 27.3.2009). 26 Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 202; v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 303. 27 Vgl. v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 302.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

gen der möglichen Umgehung von Hauptversammlungskompetenzen – kritisch anzusehende Verfahren nach § 104 AktG eine die Corporate Governance fördernde Komponente. Sind mögliche Kandidaten gefunden, wird das Gericht die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder zu der vorläufigen Kandidatenauswahl anhören und gegebenenfalls eine Stellungnahme des Großaktionärs einholen. Auf diese Weise lassen sich weitere, sonst unerkannt bleibende Gründe ermitteln, die für und gegen die Kandidaten sprechen. Insbesondere können so etwa drohende Interessenkonflikte frühzeitig erkannt und sonstige in der Vergangenheit liegende Konflikte offen gelegt werden, welche die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat erschweren und damit die Effektivität der Überwachung beeinträchtigen könnten. Gegebenenfalls ist dann ein anderer Kandidat vorzuziehen. Sodann ist zu klären, an welchen weiteren Entscheidungsgrundlagen sich das Gericht bei der Auswahl orientieren sollte. Wurde zu Zeiten des AktG 1937, geprägt vom damaligen obrigkeitlichen Denken, im Zusammenhang mit der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern noch die dem Gericht beigemessene „Freiheit der Auswahl“28 betont, so sind heute die allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder, die besonderen weiteren Voraussetzungen des § 104 AktG, etwaige Voraussetzungen der Satzung der Gesellschaft und schließlich eine Reihe von Ermessenskriterien zu berücksichtigen. 3. Gesetzliche Vorgaben Schon aus § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG folgt, dass das vom Gericht bestellte Aufsichtsratsmitglied zwingend den gleichen Voraussetzungen entsprechen muss, die auch sonst für das betreffende Aufsichtsratsmandat gelten. Dazu gehören zuvörderst die Grundvoraussetzungen, die in den §§ 100, 105 AktG bestimmt sind29. Relevant werden dabei vor allem die zulässige Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate, die eine einzelne Person ausüben darf, sowie die Frage der an den Kandidaten zu stellenden Mindestanforderungen. a) Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate Bei Kandidaten, die bereits andere Aufsichtsratsposten inne haben, ist vor allem § 100 Abs. 2 Satz 1 AktG im Blick zu behalten, wonach die Mitgliedschaft in zehn anderen obligatorischen Aufsichtsräten von Handelsgesellschaften ein weiteres Mandat ausschließt. Die Höchstzahl von zehn Mandaten ist besonders 28

W. Schmidt, in: Gadow, Großkommentar, AktG 1937, § 89 Anm. 3. Hinzu kommen weitere, spezialgesetzliche Voraussetzungen, insbesondere nach den Mitbestimmungsgesetzen hinsichtlich der Arbeitnehmervertreter, vgl. dazu Hopt/ Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 68 m.w. N. 29

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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schnell erreicht, wenn der Kandidat zugleich Vorsitzender von Aufsichtsratsgremien ist, da solche Mandate nach Absatz 2 Satz 3 doppelt anzurechnen sind. Zweck der Vorschrift ist es zum einen, die Effektivität der Überwachung zu gewährleisten, indem eine zeitliche Überlastung wegen zahlreicher Verpflichtungen in verschiedenen Aufsichtsgremien verhindert wird, und zum anderen, der Konzentration der Aufsichtsratsmandate auf einen engen Personenkreis (Stichwort: „Deutschland AG“) entgegenzuwirken30. Die zulässige Höchstzahl von Aufsichtsratsmandaten ist Gegenstand reger rechtspolitischer Diskussion. Immer wieder werden im Rahmen der Corporate Governance-Debatte Bestrebungen laut, die maximal zulässige Zahl an Aufsichtsratsmandaten, die eine einzelne Person in sich vereinigen darf, zu verringern31. Für das Gericht ist freilich die aktuelle Fassung der Norm entscheidend; dabei sind die rechtspolitische Diskussion und auch wünschenswerte Entwicklungen von der Gesetzesauslegung abzugrenzen32. Jedoch kann eine Vielzahl an Aufsichtsratsmandaten, welche die gesetzliche Höchstzahl nur knapp unterschreitet, im Rahmen des Ermessenskriteriums der zeitlichen Verfügbarkeit und der zu befürchtenden Interessenkonflikte herangezogen werden. Das Gericht kann also aktuell in der rechtspolöitischen Diskussion stehende, zusätzliche Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder jedenfalls teilweise in seine Entscheidung mit einfließen lassen, auch wenn sie (noch) nicht gesetzlich verankert sind. Die Bestellung durch das Gericht bietet somit auch an dieser Stelle die Gelegenheit, hinsichtlich der Zusammensetzung des Aufsichtsrats gute Corporate Governance in die Praxis umzusetzen. b) Mindestqualifikation Ebenfalls in Zusammenhang mit der anhaltenden Diskussion über die Steigerung der Effizienz der Aufsichtsratstätigkeit steht die Frage, welche Mindestan30 Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 136; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 13; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 10; Hüffer, AktG, § 100 Rn. 1; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 3; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 1, 14; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 7a. 31 Vgl. etwa aus dem Jahre 1997 Baums, in: AG-Sonderheft 1997, 26 f.; Hopt, ebenda, 42 f.; Mertens, ebenda, 70, 71. Aus dem Jahre 2007 stammt die Forderung der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, dass maximal fünf Aufsichtsratsmandate durch eine Person übernommen werden dürften, ZIP 2007, A 48. Ziff. 5.4.5 Satz 2 des DCGK empfiehlt, dass ein Vorstandsmitglied einer börsennotierten Gesellschaft insgesamt nicht mehr als drei Aufsichtsratsmandate in konzernexternen börsennotierten Gesellschaften wahrnehmen soll. 32 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 4; ähnlich Hopt/ Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 22 im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Mindestqualifikation zwingende Bestellungsvoraussetzung ist.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

forderungen an Aufsichtsratsmitglieder als Bestellungsvoraussetzung zu stellen sind und damit auch vom Gericht bei der Kandidatenauswahl zu beachten sind. Das Gesetz nennt außer den in § 100 Abs. 1, 2 AktG aufgeführten Grundvoraussetzungen keine weiteren Mindestanforderungen für Aufsichtsratsmitglieder, etwa im Hinblick auf deren fachliche Qualifikation, Sachkunde oder bestimmte Erfahrungen. Aus Sondervorschriften wie beispielsweise § 6 Abs. 3 Satz 1 InvG, wonach Aufsichtsratsmitglieder einer Kapitalanlagegesellschaft ihrer Persönlichkeit und ihrer Sachkunde nach die Wahrung der Interessen der Anleger gewährleisten sollen, oder dem mit dem BilMoG33 eingeführten § 100 Abs. 5 AktG, wonach bei kapitalmarktorientierten Aktiengesellschaften mindestens ein unabhängiges Aufsichtsratsmitglied über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen muss34, könnte im Gegenschluss gefolgert werden, dass außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Normen gerade keine bestimmte Sachkunde verlangt wird. Dafür spricht des Weiteren, dass Ziff. 5.4.1 DCGK die Empfehlung ausspricht, bei dem Kandidatenvorschlag auf die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen des Kandidaten zu achten. Einer solchen Empfehlung bedürfte es nicht, wenn bereits das Gesetz Entsprechendes verpflichtend vorsähe. Eine Mindestqualifikation für Aufsichtsratsmitglieder wird vom Gesetz also nicht expressis verbis verlangt, nach einer Ansicht soll jedoch gleichwohl eine solche Mindestqualifikation gesetzlich vorausgesetzt sein. Dies ergebe sich daraus, dass mit der Mandatsübernahme zwangsläufig an den gesetzlichen Aufgaben des Aufsichtsrats mitzuwirken sei und damit auch die damit korrelierende Haftungsdrohung verbunden sei35. So müsse das Aufsichtsratsmitglied zumindest die Vorgänge, die im Rahmen der Geschäftstätigkeit der Gesellschaft anfallen, verstehen und beurteilen können36. Die Ansicht beruft sich zudem auf die sog. „Hertie-Entscheidung“ des BGH aus dem Jahre 1982, wonach das „Gebot persönlicher und eigenverantwortlicher Amtsausübung [voraussetze], daß ein Aufsichtsratsmitglied diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen oder sich aneignen muß, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäfts33 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I, 1102 ff. 34 Dies setzt nach der Begründung der Bundesregierung voraus, dass das Mitglied beruflich mit Rechnungslegung und/oder Abschlussprüfung befasst ist oder war, jedoch muss es sich nicht zwingend um einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer handeln, vgl. Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BT-Drucks. 16/10067, S. 102. 35 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 2; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 75 ff.; ders./Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 76 ff.; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 111 ff.; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 262 ff. 36 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 2.

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vorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können37.“ Es ist allerdings bereits fraglich, ob das Erfordernis einer Mindestqualifikation praktisch umsetzbar ist. Wie soll – zumal zeitlich der Bestellung vorgelagert – beurteilt werden, ob der Kandidat tatsächlich die relevanten geschäftlichen Vorgänge versteht und würdigen kann? Es liegt fern, eine Art „Eingangsprüfung“ für Aufsichtsratsmitglieder oder gar allgemein eine richterliche Überprüfung zu initiieren38. Es bleibt keine andere Möglichkeit, als auf Grundlage des Werdegangs des Kandidaten auf seine Geeignetheit zu schließen. Dies ist allerdings ein anderes Kriterium als eine „Mindest-Sachkunde“. Für eine wirksame Bestellung vorauszusetzen ist damit allein ein allgemeines Grundwissen39. Dementsprechend sind fachliche Befähigung oder besondere Sachkunde nicht als zwingende Bestellungsvoraussetzungen anzusehen40. Allein die rechtspolitische Diskussion vermag daran nichts zu ändern, zumal auch der DCGK davon ausgeht, dass nicht jedes einzelne Aufsichtsratsmitglied eine Mindestqualifikation aufweisen muss. Entscheidend und vor diesem Hintergrund in Ziff. 5.4.1 empfohlen ist vielmehr, dass der Aufsichtsrat in seiner Gesamtheit über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Kontroll- und Beratungsaufgaben erforderliche Fachkompetenz verfügt41. Es widerspricht auch nicht der Ansicht des BGH in der sog. „Hertie-Entscheidung“, wenn man keine Mindestqualifikation verlangt: Zum einen steht nicht die Frage etwaiger Mindestanforderungen für Aufsichtsratsmitglieder im Zentrum dieser Entscheidung, sondern die ganz andere Frage, inwieweit Aufsichtsratsmitglieder bei der Einsichtnahme in Abschlussprüfungsberichte Sachverständige hinzuziehen dürfen. Es werden mithin nicht explizit Bestellungsvoraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder herausgearbeitet, lediglich in dem oben zitierten Nebensatz der Entscheidung beziehen sich die Ausführungen auf „Mindestkenntnisse und -fähigkeiten“42. Zum anderen ist der relevanten Textpassage des Ur37

BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, NJW 1983, 991. Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 25; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 2a; Bihr/Blättchen, in: BB 2007, 1285, 1289 halten es für denkbar, die BaFin zu einer Stellungnahme hinsichtlich etwaiger Hinderungsgründe zu verpflichten. 39 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 26. 40 So die überwiegende Auffassung in der Literatur, vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 20 ff.; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 9; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 33, § 100 Rn. 4, 11; Hüffer, AktG, § 100 Rn. 2; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 2a; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 2; Wirth, in: ZGR 2005, 327, 336 ff. 41 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 23; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 116 Rn. 24; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 118; Feddersen, in: AG 2000, 385, 393. 42 BGH v. 15.11.1982 – II ZR 27/82, NJW 1983, 991. 38

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teils zu entnehmen, dass sich das Aufsichtsratsmitglied die notwendigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten erforderlichenfalls nach und nach aneignen muss, sie also nicht unbedingt schon zum Zeitpunkt der Bestellung vorhanden sein müssen43. Darüber hinaus sind die Ausführungen des BGH in erster Linie als Maßstab hinsichtlich der gebotenen Sorgfalt bei Übernahme und Ausübung des Aufsichtsratsamtes zu verstehen, nicht als zwingende Bestellungsvoraussetzung44. Der Qualifikationsgrad stellt daher keine gesetzliche Bestellungsvoraussetzung, sondern im Kontext des § 104 AktG allein ein – wenngleich wesentliches – Kriterium des gerichtlichen Auswahlermessens dar. Gerade bei größeren Gremien kann ein Kandidat, der zwar über keine breiten Kenntnisse etwa im Bereich der Rechnungslegung verfügt, durchaus ein adäquates Aufsichtsratsmitglied sein, wenn sein Werdegang darauf schließen lässt, dass er in dem konkreten Geschäftsbereich der Gesellschaft herausragende Spezialkenntnisse hat. So können neue Ideen und Initiativen über den Aufsichtsrat in das Unternehmen gelangen, die für die strategische Entwicklung der Gesellschaft wertvoll sind und damit dem Unternehmensinteresse dienen45. Auch hinsichtlich der vergangenheitsbezogenen Kontrolle können Spezialisten im Aufsichtsrat sinnvoll sein. Demgegenüber wäre ein solcher Kandidat nicht in die engere Auswahl zu nehmen, wenn etwa in einem dreiköpfigen Aufsichtsrat der einzige Experte auf dem Gebiet der Rechnungslegung weggefallen ist. Das Gericht hat demzufolge nicht nur das Profil des potenziellen Kandidaten in seine Entscheidung einfließen zu lassen, sondern auch und gerade die Unternehmensausrichtung, die Unternehmensgröße und die sonstigen Verhältnisse der Gesellschaft46 sowie das Profil der übrigen Aufsichtsratsmitglieder47, um gegebenenfalls vorhandene Lücken in bestimmten Fachgebieten schließen zu können. Ziel und Idealbild der Aufsichtsratsbesetzung muss,

43 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 25, 109; einschränkend Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 574 f. 44 Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 2; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 2; die Einstandspflicht von der Bestellungsvoraussetzung deutlich abgrenzend auch Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 9; a. A. Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 111 f.; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 262 ff. 45 Dies lässt sich auch als weiteres Argument gegen das Erfordernis einer allgemeinen Mindestqualifikation begreifen, vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 24. 46 Vgl. zu den Auswirkungen der Realstruktur der Gesellschaft auf die Anforderungen an die Aufsichtsratsmitglieder Hüffer, AktG § 116 Rn 3; Spindler/Stilz, AktG, § 116 Rn. 16; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 25 MitbestG Rn. 118; v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 298. 47 In diesem Sinne treffend Hommelhoff, in: ZGR 1983, 551, 571: „Die Leistungsfähigkeit des Aufsichtsrats beruht auf den gesammelten Qualifikationen seiner sämtlichen Mitglieder.“

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auch im Rahmen der gerichtlichen Ergänzung, ein ausgewogener „Mix an Talenten“48 sein. c) Zahlenmäßiges Verhältnis Speziell für die Bestellung von Mitgliedern mitbestimmter Aufsichtsräte schreibt § 104 Abs. 4 Satz 1 AktG vor, dass das Gericht das gesetzlich bestimmte zahlenmäßige Verhältnis zwischen Anteilseigner- und Arbeitnehmervertretern herzustellen hat. Das Gericht muss also eine Person bestellen, die derjenigen Gruppe angehört, welche infolge der Vakanz unterrepräsentiert ist. Relevant wird diese gesetzliche Einschränkung der gerichtlichen Auswahlfreiheit49 bei paritätisch mitbestimmten Aufsichtsräten (insbesondere § 7 Abs. 1 MitbestG) sowie bei Drittelmitbestimmung (§ 4 Abs. 1 DrittelbG). Gilt das Gebot der Herstellung des gesetzlich vorgesehenen zahlenmäßigen Verhältnisses bei der gerichtlichen Bestellung wegen Unterbesetzung des Aufsichtsrats uneingeschränkt, so schränkt es § 104 Abs. 4 Satz 2 AktG hinsichtlich der Bestellung wegen Beschlussunfähigkeit ein: Nur soweit die zur Beschlussfähigkeit nötige Zahl der Aufsichtsratsmitglieder die Wahrung des zahlenmäßigen Verhältnisses möglich macht, ist dieses vom Gericht auch wieder herzustellen. Wenn also mehrere Aufsichtsratsmitglieder fehlen, die Beschlussfähigkeit aber bereits durch die Bestellung eines Mitglieds wieder hergestellt werden kann, dann muss dieses zu bestellende Mitglied der unterrepräsentierten Gruppe angehören. Ist das zahlenmäßige Verhältnis indes trotz Unterbesetzung gegeben – das ist der Fall, wenn gleich viele Anteilseigner- wie Arbeitnehmervertreter weggefallen sind –, hat das Gericht keine andere Möglichkeit, als eine möglichst neutrale Person zu bestellen50. Auf diese Weise wird dem durch das Wort „soweit“ in § 104 Abs. 4 Satz 2 AktG statuierten Besserungsgebot Folge geleistet51, wonach das gesetzlich vorgegebene Kräfteverhältnis so weit wie möglich wieder herzustellen ist. Eine vollständige Wiederherstellung des zahlenmäßigen Verhältnisses ist in diesen Fällen nicht möglich, weil hierfür mehr Aufsichtsratsmitglieder bestellt werden müssten als zur Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit notwendig. Die Bestellung weiterer Aufsichtsratsmitglieder erfordert indes, dass die zusätzlichen 48 Peltzer, in: NZG 2002, 10, 12; zu den unterschiedlichen Fachgebieten, die regelmäßig abgedeckt sein sollten, vgl. auch Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 25; Lutter, in: ZHR 1981, 224, 227 f.; Schiessl, in: AG 2002, 593, 598. 49 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 9. 50 Vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 17; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 32; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 38. Anders noch Baumbach/Hueck, AktG, § 104 Rn. 13, der in beiden Konstellationen für die Bestellung einer neutralen Person plädiert. 51 Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 32.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

Voraussetzungen des Absatzes 2 (Bestellung wegen Unterbesetzung) gegeben sind, mithin muss die Dreimonatsfrist abgewartet werden oder ein dringender Fall vorliegen. Allerdings legt § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG fest, dass bei Aufsichtsräten, die dem Mitbestimmungsgesetz, dem Montan-Mitbestimmungsgesetz oder dem Mitbestimmungsergänzungsgesetz unterliegen, ein dringender Fall stets schon dann vorliegt, wenn auch nur ein Anteilseigner- oder Arbeitnehmervertreter fehlt. Der Aufsichtsrat ist also auf Antrag vollständig zu ergänzen, so dass das gesetzlich vorgesehene zahlenmäßige Verhältnis ohne weiteres wieder herstellbar ist. Folglich dürfte sich die praktische Bedeutung des § 104 Abs. 4 Satz 2 AktG auf Aufsichtsräte beschränken, die dem Drittelbeteiligungsgesetz unterliegen52. 4. Vorgaben der Satzung Neben den genannten gesetzlichen Vorgaben muss das Gericht auch satzungsmäßige Bestimmungen der Gesellschaft bei der Kandidatenauswahl mit einbeziehen. So nennt § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG hinsichtlich der persönlichen Voraussetzungen, die der Kandidat zu erfüllen hat, nicht nur das Gesetz, sondern auch die Satzung als maßgebliche Grundlage. Freilich gilt auch bei der gerichtlichen Ergänzung, dass Satzungsvorgaben nur Anteilseignervertreter und die von der Hauptversammlung frei gewählten weiteren Mitglieder erfassen können (§ 100 Abs. 4 AktG)53. Auch die Satzung hat demzufolge weit reichenden Einfluss auf die Kandidatenauswahl und kann damit die unter Corporate Governance-Gesichtspunkten bestehenden Defizite der gerichtlichen Ergänzung von Aufsichtsratsmitgliedern schon im Vorhinein kompensieren. So können etwa unverbindliche Empfehlungen des DCGK in die Satzung als verpflichtende Bestimmungen übertragen werden, um insbesondere interessenkonfliktträchtige Konstellationen auszuschließen oder zumindest zu reduzieren54. Im Interesse effektiver Kontrolle durch den Aufsichtsrat mag es beispielweise empfehlenswert sein, durch Satzungsbestimmungen die Bestellung ehemaliger Vorstandsmitglieder oder in Konkurrenzunternehmen tätiger Organmitglieder einzuschränken. Überdies steigern Satzungsvorgaben die Legitimation der Aufsichtsratsmitglieder, da die Hauptversammlung im Rahmen ihrer Grundlagenzuständigkeit55 auch und gerade über Satzungsänderungen entscheidet (§§ 119 Abs. 1 Nr. 5, 179 AktG) und so zumindest das Anfor52 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 32; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 67. 53 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 33, § 100 Rn. 38; Hopt/ Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 68, § 100 Rn. 100 f. 54 Zu den möglichen Regelungsfeldern, die durch Satzungsbestimmungen abgedeckt werden können, vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 41 m.w. N. 55 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 V 1. a).

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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derungsprofil der Aufsichtsratsmitglieder mitgestalten kann. Zugleich erleichtern das Profil von Aufsichtsratskandidaten konkretisierende Satzungsbestimmungen die gerichtliche Auswahlentscheidung, wenngleich der Kreis potenzieller Kandidaten nicht zu eng gezogen werden darf. Bislang sind derartige Satzungsbestimmungen in der Praxis selten anzutreffen56, könnten aber zukünftig im Zuge der Corporate Governance-Diskussion an Bedeutung gewinnen. 5. Empfehlungen des DCGK Fraglich ist, inwieweit das Gericht bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften die grundsätzlich unverbindlichen Empfehlungen des DCGK zu berücksichtigen hat. Nach der Präambel zum DCGK und entsprechend international verbreiteter Übung sind börsennotierte Gesellschaften im Sinne des § 3 Abs. 2 AktG Adressaten der Kodexempfehlungen, wohingegen nicht börsennotierten Gesellschaften die Beachtung des Kodex lediglich nahe gelegt wird57. Die Empfehlungen betreffen dabei die Führung des Unternehmens, mithin sind Vorstand und Aufsichtsrat sowie die jeweiligen Organmitglieder aufgerufen, die Kodexempfehlungen zu befolgen. Diese Verantwortlichkeit kommt auch in § 161 AktG, der die gesetzliche Verankerung des Kodex bildet, zum Ausdruck, indem dort Vorstand und Aufsichtsrat zur jährlichen Erklärung verpflichtet werden, inwieweit den Kodexempfehlungen entsprochen wurde und wird. Mit Ausnahme der Einbeziehung der Abschlussprüfer im Abschnitt „Abschlussprüfung“ (Ziff. 7.2 DCGK) sind sonstige Entscheidungsträger von den Empfehlungen nicht betroffen, erst recht findet sich keine Empfehlung, die sich direkt an Gerichte wendet. Es ist zu klären, inwieweit das Gericht infolge der rechtsfürsorgerischen Ersatzfunktion, die es im Rahmen des § 104 AktG wahrnimmt, gleichsam in die Adressatenrolle schlüpft oder zumindest die Kodexempfehlungen als verbindliche Entscheidungsgrundlage berücksichtigen muss. Denn die Kompetenz des Gerichts, die Geschicke der Gesellschaftsorganisation mit zu gestalten, kann nicht ohne eine gleichzeitige Mitverpflichtung hinsichtlich der die Gesellschaftsverhältnisse bestimmenden Regelungen bestehen. Das gerichtliche Handeln wirkt 56 Vgl. Marsch-Barner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 148; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 12a. 57 Näher zum Adressatenkreis des DCGK v. Werder, in: Kodex-Kommentar, Rn. 128 ff. Zudem ergeben sich durch die Neufassung des § 161 AktG nach dem BilMoG (Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts vom 25.5.2009, BGBl. I, 1102 ff.) insofern Erweiterungen des sachlichen Anwendungsbereichs, als nach dem neuen § 161 Abs. 1 Satz 2 AktG auch solche Gesellschaften eine Entsprechenserklärung abgeben müssen, die ausschließlich andere Wertpapiere als Aktien zum Handel an einem organisierten Markt im Sinn des § 2 Abs. 5 WpHG ausgegeben haben und deren ausgegebene Aktien auf eigene Veranlassung über ein multilaterales Handelssystem im Sinn des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 8 WpHG gehandelt werden.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

im Verfahren des § 104 AktG wie das Handeln eines Gesellschaftsorgans, indem das Gericht als „Ersatzbestellungsorgan“ die Funktion eines für die Aufsichtsratsbesetzung zuständigen Organs wahrnimmt. Dementsprechend hat es auch Kodexempfehlungen ebenso wie die eigentliche Unternehmensführung in die Entscheidung zumindest mit einzubeziehen58. Insoweit ist der Umgang mit den Empfehlungen des Kodex nicht allein Sache der Gesellschaft59. Da die Kodexempfehlungen dazu dienen, Grundregeln für eine erfolgreiche Unternehmensführung zu statuieren60, wird es in der Regel auch dem Gesellschaftsinteresse entsprechen, die Kandidatenauswahl an ihnen auszurichten. Demgegenüber folgt aus der verfassungsrechtlichen Bindung der Gerichte an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG keine weiter reichende oder zwingende Bindung an den DCGK. Ungeachtet der nach wie vor nicht geklärten Rechtsnatur des Kodex, kommt ihm nach h. M. jedenfalls schon mangels parlamentarischer Legitimation weder unmittelbare noch mittelbare Gesetzeskraft zu61. Daher folgt auch aus § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG, wonach gesetzlich angeordnete Anforderungen an den Kandidaten auch bei der gerichtlichen Bestellung vorliegen müssen, keine unmittelbare Bindungswirkung. Alleinige gesetzliche Ausprägung des DCGK ist § 161 AktG62, der sich indes bei der Frage der Bindung des Gerichts an Kodexempfehlungen nicht unmittelbar auswirkt. Wie bereits erläutert63, gerät die Verwaltung der Gesellschaft jedoch in erheblichen Rechtfertigungsdruck, wenn von einer uneingeschränkten Entsprechenserklärung nach § 161 AktG abgewichen wird und dadurch die Pflicht entsteht, diese unterjährig anzupassen. Der mit dem BilMoG64 in § 161 Abs. 1 Satz 1 AktG eingeführten Begründungspflicht65 bei Abweichungen von Kodexempfeh58 Im Zusammenhang mit den erforderlichen persönlichen Voraussetzungen des zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieds plädiert auch die Kommentarliteratur dafür, dass bei börsennotierten Gesellschaften die Empfehlungen des DCGK bei der gerichtlichen Ergänzung „zu berücksichtigen“ sind, so Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 68. 59 So aber Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5. 60 Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 161 Rn. 38. 61 Vgl. KG Berlin v. 26.5.2008 – 23 U 88/07, AG 2009, 118, 119; LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341, 342; LG München I v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 161 Rn. 29; Sester, in: Spindler/Stilz, AktG, § 161 Rn. 25; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 29 Rn. 59; Ringleb, in: Kodex-Kommentar, Rn. 51 ff.; Seibt, in: AG 2002, 249, 250; Ulmer, in: ZHR 2002, 150, 158 f.; Kirschbaum, in: ZIP 2007, 2362, 2363; Seidel, in: NZG 2004, 1095 f. 62 Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 161 Rn. 30. 63 Siehe oben C. IV. 2. c). 64 Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 25.5.2009, BGBl. I, 1102 ff. 65 Nach der Neufassung durch das BilMoG sind Abweichungen vom Kodex nunmehr zu begründen, so dass das Konzept des „comply or explain“ im wörtlichen Sinne umge-

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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lungen könnte die Verwaltung der Gesellschaft in der Konstellation des § 104 AktG zwar genügen, indem sie darlegt, dass die Abweichung aus einer gerichtlichen Entscheidung resultiert und folglich nicht – oder wegen des weit reichenden Einflusses des Kandidatenvorschlags nur eingeschränkt – in ihren eigenen Verantwortungskreis fällt. Dies ändert indes nichts daran, dass ein objektiver Verstoß gegen eine Kodexempfehlung vorliegt, den Vorstand und Aufsichtsrat zumindest nachträglich umgehend offen zu legen und zu begründen haben. Denn sowohl Vorstand als auch Aufsichtsrat sind hinsichtlich des vergangenheitsbezogenen Teils der Entsprechenserklärung verpflichtet, sich nach bestem Wissen über die Einhaltung der Kodexempfehlungen zu erklären, und zwar auch in Bezug auf die Kompetenzbereiche anderer Organe66. So wird nur eine unterjährige Anpassung der Entsprechenserklärung dem durch diese geschaffenen Vertrauenstatbestand67 gerecht, den Kodexempfehlungen weiterhin zu entsprechen. Hinzu kommen mögliche wirtschaftliche und kapitalmarktbezogene Auswirkungen, insbesondere auf den Börsenkurs des Unternehmens, die eine Erklärung über die Abweichung von Kodexempfehlungen zur Folge haben kann68. Auch insoweit spricht das Gesellschaftsinteresse im Rahmen der gerichtlichen Auswahl eines Aufsichtsratskandidaten dafür, dass das Gericht Empfehlungen des DCGK nicht unberücksichtigt lassen kann69. Eine Abweichung von Kodexempfehlungen wird aus diesen Gründen regelmäßig nicht dem Gesellschaftsinteresse entsprechen, das als Richtschnur der Auswahlentscheidung dient (vgl. § 104 Abs. 4 Satz 4 AktG). Diese Gründe verkennt auch das OLG Schleswig in der bereits angesprochenen Entscheidung aus dem Jahre 2004, wenn es lediglich auf die fehlende Gesetzeskraft des Kodex und auf die allgemeine Zulässigkeit der Abweichung von der Entsprechenserklärung hinweist70. Es liegt mithin außerhalb des pflichtgemäßen gerichtlichen Ermessens, wenn das Gericht der Gesellschaft eine Ab-

setzt ist, vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG), BT-Drucks. 16/ 10076, S. 104. Zuvor existierte lediglich die Empfehlung in Ziff. 3.10 DCGK, wonach Abweichungen von Kodexempfehlungen erläutert werden sollten. 66 Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 493; Vetter, in: DNotZ 2003, 748, 756; Ihrig/Wagner, in: BB 2002, 2509, 2510 f.; vgl. auch Kirschbaum, in: ZIP 2007, 2362, 2363. 67 OLG München v. 6.8.2008 – 7 U 5628/07, AG 2009, 294, 295; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 161 Rn. 38. 68 Vgl. Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 161 Rn. 38, 10, 28; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 29 Rn. 59; Vetter, in: NZG 2008, 121; ders., in: DNotZ 2003, 748, 754 f.; Buchta, in: DStR 2003, 740, 741. 69 Vgl. LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341, 342, wonach Empfehlungen des DCGK auch im Verfahren der gerichtlichen Bestellung zu beachten seien; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1812. 70 OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

weichung von Kodexempfehlungen gleichsam aufzwingt; das gerichtliche „Ermessen ist insofern reduziert“71. Die Entscheidung, ob und inwieweit von Empfehlungen des DCGK abgewichen wird, muss von den zuständigen Gesellschaftsorganen eigenverantwortlich getroffen werden. Daraus folgt, dass eine Abweichung auch dann nicht möglich ist, wenn sie allein dem Kandidatenvorschlag des Vorstands entspricht. Insoweit kann allenfalls der Kandidatenvorschlag der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder eine Abweichung rechtfertigen, weil der Aufsichtsrat auch im Rahmen der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern nach § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG Vorschläge unterbreiten kann und muss. Wenn also das Gericht beispielsweise dem Kandidatenvorschlag der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder entsprechend, jedoch entgegen der Empfehlung in Ziff. 5.4.2 Satz 3 DCGK ein ehemaliges Vorstandsmitglied bestellt, obwohl bereits zwei ehemalige Vorstandsmitglieder im Aufsichtsrat vertreten sind, so ist unmittelbar darin noch kein Ermessensfehler des Gerichts zu sehen. Es ist die freie Entscheidung der Vorschlagenden, die gegebenenfalls die Entsprechenserklärung nach § 161 AktG unterjährig anpassen und veröffentlichen müssen. Dass das Gericht im Sinne einer idealen Ermessensausübung und einer Förderung der Corporate Governance dabei nach Möglichkeit andere Kandidaten in Betracht ziehen sollte, steht freilich außer Frage. Das Gericht muss also in jedem Falle die Vorgaben des DCGK bei der Kandidatenauswahl in die Ermessensentscheidung einfließen lassen72. Abweichungen sind auf Ausnahmefälle begrenzt – wenn etwa bei eiligen Entscheidungen tatsächlich kein Alternativkandidat zur Verfügung steht –, und insbesondere mit den verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern abzustimmen. Diese müssen wiederum unverzüglich die Entsprechenserklärung anpassen und die Abweichung begründen, soweit aus der bisherigen Entsprechenserklärung hervorgeht, die betreffende Kodexempfehlung werde eingehalten.

71 Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 105, in Bezug auf die Entscheidung des OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453 ff. 72 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 68. Hinsichtlich der Besetzung des Aufsichtsrats sind insbesondere Ziff. 5.4.1 und 5.4.2 DCGK zu berücksichtigen. Danach ist darauf zu achten, „dass dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen“ und dass die Internationalität des Unternehmens ebenso berücksichtigt wird wie potenzielle Interessenkonflikte, eine festzulegende Altersgrenze und die „Diversity“; zudem stellt die Unabhängigkeit des Kandidaten, insbesondere bei Tätigkeit in Konkurrenzunternehmen, ein weiteres Kriterium dar.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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6. Weitere Kriterien a) Grundlagen und Gewichtung der Kriterien Über die zuvor behandelten geschriebenen Auswahlkriterien aus Gesetz, Satzung und Corporate Governance Kodex hinaus existieren eine Reihe von großteils ungeschriebenen und nicht zwingenden Kriterien, die das Gericht in seine Kandidatenauswahlentscheidung einfließen lassen kann. Die Kriterien dienen dazu, dass die Kandidaten nicht willkürlich ausgewählt werden, sondern entsprechend der Vorgabe, die Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen und im Interesse der Gesellschaft zu treffen, eine nachvollziehbare und transparente Entscheidung zu ermöglichen. Denn eine Auswahlentscheidung, die Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderläuft oder aufgrund sachfremder Erwägungen getroffen wird, kann mit dem Rechtsmittel der Beschwerde angegriffen werden73. Zudem stellen die Ermessenskriterien eine Hilfestellung für das Gericht dar, wenn entweder keine Vorschläge im Raum stehen und somit aufgrund eines aus den Kriterien zu ermittelnden Profils Kandidaten zu suchen sind, oder wenn der passende Kandidat aus mehreren Vorgeschlagenen zu ermitteln ist. Aus dem Charakter der folgenden Ermessenskriterien als „weiche“ Kriterien ergibt sich, dass sie nicht stets allesamt befolgt werden müssen, damit die Auswahl ermessensfehlerfrei und somit auch rechtsmittelfest ist. Des Weiteren werden sie unterschiedlich zu gewichten sein, je nachdem ob sie sich mittelbar aus dem Gesetz entnehmen lassen, in Kodexempfehlungen zum Ausdruck gebracht werden oder ob sie auf allgemeinen Erwägungen beruhen. Unmittelbar das Unternehmensinteresse als wichtigste Richtschnur betreffende Kriterien werden weiter gehend zu berücksichtigen sein, als etwa der rechtspolitischen Diskussion entnommene Kriterien. Auch in diesem Kontext wirken sich zudem Geschäftsfeld, Struktur und die sonstigen tatsächlichen Verhältnisse der Aktiengesellschaft auf die Gewichtung der Kriterien aus. Dabei kann sich im Einzelfall auch ein „weiches“ Kriterium so weit verdichten, dass sich das gerichtliche Ermessen auf Null reduziert und nur eine bestimmte Auswahlentscheidung frei von Ermessensfehlern ist und Bestand haben kann. Im Übrigen dienen die Kriterien als Grundlage für eine „ideale“ Auswahlentscheidung.

73 Unter dem Regelungsregime des FGG noch „sofortige Beschwerde“, vgl. OLG München v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, juris Rn. 15; OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; LG Wuppertal v. 22.8.1978 – 11 T 5/78, BB 1978, 1380; AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 31; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 15; Meyer-Holz, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 27 Rn. 23; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 37.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

b) Pflichtgemäßes Ermessen Zunächst ist zu klären, ob es zutrifft, dass das Gericht den Kandidaten nach „pflichtgemäßem Ermessen“ auswählen muss. Denn teilweise wird in Rechtsprechung und Literatur in Zusammenhang mit der Kandidatenauswahl von „freiem Ermessen“ des Gerichts gesprochen74. Und auch das Gesetz nennt – von den oben behandelten zwingenden Vorgaben in § 104 Abs. 4 AktG abgesehen – keine genauen Anforderungen für die gerichtliche Auswahlentscheidung. Sollte das Gericht demzufolge im wörtlichen Sinne eine völlig „freie“ Auswahl treffen und damit etwa nach freiem Belieben im Sinne des § 319 Abs. 2 BGB oder gar willkürlich entscheiden können, widerspräche dies dem Rechtsstaatsprinzip und dürfte auch in den genannten Fundstellen aus Rechtsprechung und Literatur nicht in diesem Sinne zu verstehen sein. Vielmehr ist dort von der „freien“ Entscheidung nur in engem Zusammenhang mit der Feststellung die Rede, dass Kandidatenvorschläge des Antragstellers grundsätzlich nicht für das Gericht bindend sind75. „Frei“ ist also richtigerweise als „frei von Vorgaben anderer Beteiligter“, insbesondere des Antragstellers, zu verstehen. Treffender ist es deshalb, auf der einen Seite von der Unabhängigkeit der gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf unterbreitete Kandidatenvorschläge zu sprechen, und auf der anderen Seite in Abgrenzung dazu von teilweise gesetzlich festgelegten Auswahlvorgaben und dem im Übrigen bestehenden „pflichtgemäßen Ermessen“76 des Gerichts bei der Auswahl. 74 BayObLG v. 20.8.1997 – 3 Z BR 193/97, NZG 1998, 69, 70; BayObLG v. 14.12. 2004 – 3Z BR 134/04, AG 2005, 350, 351; AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5; Jäger, in: NZG 1998, 71; Junker/Schnelle, in: EWiR 1998, 97, 98; Oechsler, in: AG 2006, 612; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 52. 75 Vgl. etwa BayObLG v. 20.8.1997 – 3 Z BR 193/97, NZG 1998, 69, 70 („Über die Person des zu bestellenden Aufsichtsratsmitglieds entscheidet das Gericht grundsätzlich nach freiem Ermessen, ohne an die Vorschläge der Antragsteller gebunden zu sein“); BayObLG v. 14.12.2004 – 3Z BR 134/04, AG 2005, 350, 351 („Das Gericht entscheidet bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern grundsätzlich nach freiem Ermessen ohne Bindung an Anträge.“); ähnlich AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133 („[. . .] entscheidet das Gericht über die Auswahl der als Aufsichtsratsmitglied zu bestellenden Person ohne Bindung an die Personalvorschläge des Antragstellers grundsätzlich frei.“); Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5 („Über Person des AR-Mitglieds entscheidet das Gericht grdsl frei [. . .], also ohne Bindung an Vorschlag des Antragstellers.“). 76 So auch OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97, AG 1998, 427, 428; OLG München v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, juris Rn. 15; OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341, 342; LG Frankfurt v. 16.5.2006 – 3-16 T 12/06, AG 2006, 593, 594; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 15; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 31; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 84; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 7; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 8, 16; Geßler, AktG, § 104 Rn. 6; Semler/Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 37; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG,

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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Dieses pflichtgemäße Ermessen richtet sich nach Kriterien, die unmittelbar kandidatenbezogen sind [nachfolgend c)] und nach solchen, die dem aktienrechtlichen Organisationskonzept entspringen [d)]. Hinzu kommen weitere Aspekte, die sich insbesondere in der Praxis und im Zusammenhang mit der Corporate Governance-Debatte herauskristallisiert haben [e) und f)]. c) Unmittelbar kandidatenbezogene Kriterien (1) Fähigkeiten, persönliche Eigenschaften und zeitliche Verfügbarkeit Eine Mindestsachkunde ist, wie dargelegt77, nach vorzugswürdiger Ansicht keine Wirksamkeitsvoraussetzung für die gerichtliche Bestellung. Dennoch sind die insbesondere aus dem Werdegang des Kandidaten zu schließenden Kenntnisse und Fähigkeiten, soweit sie eine ordnungsgemäße Erfüllung der einem Aufsichtsratsmitglied obliegenden Pflichten erwarten lassen, wesentliches Auswahlkriterium78. Dies entspricht auch der gerichtlichen Praxis, wie die vom Verfasser durchgeführte Befragung von Registerrichtern zeigt: Demnach sind neben dem Vorschlag des Antragstellers und den gesetzlich vorgegebenen Bestellungsvoraussetzungen vor allem Fähigkeiten und sonstige ausgeübte Tätigkeiten des Kandidaten in besonderem Maße entscheidungsrelevant79. Es liegt dabei auf der Hand, dass es nicht dem Sinn des eingeräumten Ermessensspielraums entspricht und damit ermessensfehlerhaft ist, einen von vornherein ungeeigneten Kandidaten zu bestellen, da ein solcher Kandidat erheblichen Haftungsrisiken wegen Übernahmeverschuldens ausgesetzt wäre und zudem sogleich nach § 103 Abs. 3 AktG abzuberufen wäre80. Aus beruflich oder nebenamtlich ausgeübten Tätigkeiten des Kandidaten – etwa als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied in anderen Gesellschaften – kann in gewissem Maße auf die für die Mandatsausübung erforderliche Sachkompetenz und besondere Eignung geschlossen werden.

§ 25 Rn. 42; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 37; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1705; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1811; bereits zu § 89 Abs. 5 AktG 1937 i. d. F. von 1957 Spieker, in: Mitbestimmungsgespräch 1962, 10. 77 Siehe oben 3. b). 78 Vgl. LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341, 342; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 84; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1811; ausführlich Säcker, in: AG 2004, 180, 181 f. Dem entspricht auch Ziff. 5.4.1 Satz 1 DCGK, der für Vorschläge zur Aufsichtsratswahl empfiehlt, dass „dem Aufsichtsrat jederzeit Mitglieder angehören, die über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen.“ 79 Siehe Anhang. 80 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 11; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 9; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 29.

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Indes darf nicht übersehen werden, dass auch die zeitliche Verfügbarkeit des Kandidaten gewährleistet sein muss, so dass eine große Zahl an Nebenämtern auch negative Aspekte birgt. Es können also Ermessenskriterien, die zunächst für einen Kandidaten sprechen (etwa erfolgreiche Tätigkeit als Unternehmer, damit einhergehend unternehmerische Erfahrung, Renommee und persönliches Netzwerk), zugleich nachteilige Gesichtspunkte aufweisen (z. B. eingeschränkte zeitliche Kapazitäten). So kann von einem zunächst weniger profiliert erscheinenden anderen Kandidaten möglicherweise mehr Engagement zu erwarten sein, womit gegebenenfalls eine Steigerung der Kontrolleffizienz des Aufsichtsrats verbunden sein könnte. In solchen Fällen müssen die zu prognostizierenden Vor- und Nachteile, welche die Kandidaten hinsichtlich der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats mit sich bringen werden, abgewogen werden und letztlich, auch auf Grundlage weiterer Kriterien, eine adäquate Auswahl getroffen werden. (2) Geschlecht des Kandidaten Als weiteres unmittelbar personenbezogenes Ermessenskriterium kommt das Geschlecht des Kandidaten in Betracht. Dabei kann es sich freilich nur um ein ergänzend heranzuziehendes Kriterium handeln. Dennoch zeigen insbesondere gesetzliche Vorschriften, dass es bei der Kandidatenauswahl nicht vollständig unberücksichtigt bleibt. Zudem können – wenngleich in begrenztem Umfang – Vorgaben hinsichtlich des Geschlechts in die Satzung aufgenommen werden81 und dadurch größeres Gewicht im Rahmen der gerichtlichen Auswahlentscheidung erlangen. (a) § 4 Abs. 4 DrittelbG und rechtspolitische Diskussion In § 4 Abs. 4 DrittelbG findet sich ein erster Anhaltspunkt, dass es sich um ein beachtliches Auswahlkriterium handeln könnte. Diese Norm bestimmt indes lediglich, dass sich unter den Arbeitnehmervertretern in einem drittelbeteiligten Aufsichtsrat Frauen und Männer entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Unternehmen befinden sollen. Mithin handelt es sich um eine bloße Soll-Vorschrift82, die zudem nur im Anwendungsbereich des DrittelbG und dort auch ausschließlich für die Arbeitnehmerbank gilt. Die Vorschrift zeigt aber, dass die Rechtsordnung im Zusammenhang mit Vorgaben zur Besetzung von Aufsichtsräten Regelungen kennt, die das zahlenmäßige Verhältnis der dort vertretenen Männer und Frauen als maßgebliches Kriterium bestimmen. 81 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 41; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 104. 82 Oetker, in: Erfurter Kommentar, Arbeitsrecht, § 4 DrittelbG Rn. 11; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 4 DrittelbG Rn. 17; Seibt, in: NZA 2004, 767, 772.

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Vereinzelt nannten die vom Verfasser befragten Registerrichter das Geschlecht der Kandidaten aufgrund der Unterrepräsentierung von Frauen in den Aufsichtsräten deutscher Aktiengesellschaften als mit zu berücksichtigendes Auswahlkriterium83. In der Tat beträgt in den Aufsichtsräten der dreißig DAX-Gesellschaften der Frauenanteil nur 12% – lässt man dabei die Arbeitnehmerbank außer Betracht, so liegt der Anteil bei nur 3%84. Zudem ergaben Studien, dass bei kleineren Gesellschaften der Frauenanteil noch geringer ist. Damit nimmt Deutschland bei der Gleichstellung im Rahmen der Besetzung von Aufsichtsräten im europäischen Vergleich eine hintere Position ein85. Demgegenüber ist beispielsweise in Norwegen der Gesetzgeber aktiv geworden: Seit dem Jahr 2006 müssen die Boards norwegischer börsennotierter Gesellschaften über eine Frauenquote von 40% verfügen, wird diese nicht erfüllt, droht seit Anfang des Jahres 2008 die zwangsweise Auflösung der Gesellschaft. Naheliegenderweise erfüllen die betroffenen Gesellschaften diese Pflicht, oder sie versuchen, die Quotenregel etwa durch Umwandlung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu umgehen86. Ob solche Bestimmungen für das deutsche Aktiengesetz oder den DCGK wünschenswert sind87, oder ob die Erhöhung des Frauenanteils in den Aufsichtsräten jenseits rechtlicher Normen stattfinden sollte, sei an dieser Stelle dahingestellt. Jedenfalls kann das Gericht im Verfahren nach § 104 AktG – auch mit Blick auf den in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten Auftrag zur Förderung der Gleichberechtigung – Erwägungen hinsichtlich des Frauenanteils in seine Kandidatenauswahl mit einbeziehen und bei gleicher Qualifikation einer Frau den Vorzug geben88. 83

Vgl. Anhang. Strüwing, in: AG 2008, R214; ähnliche Angaben finden sich, in: F.A.Z. v. 2.10. 2007, „Was die deutschen Aufsichtsräte verdienen“ (Frauenanteil von 11% insgesamt bzw. von 4% auf Seiten der Anteilseignervertreter). 85 Strüwing, in: AG 2008, R214; ausführlich, insbesondere auch zur Situation in den skandinavischen Ländern, Frost/Linnainmaa, in: AG 2008, 601 ff. 86 Vgl. Strüwing, in: AG 2008, R214 ff.; Frost/Linnainmaa, in: AG 2008, 601, 603 ff. 87 Entsprechende Bestrebungen, das Aktiengesetz anzupassen, hat es auch in der Vergangenheit bereits gegeben. So beantragte etwa im Jahre 2007 die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (Antrag v. 9.5.2007, BT-Drucks. 16/5279), dass eine Regelung im Aktiengesetz verankert werden soll „mit dem Ziel, dass die Aufsichtsräte deutscher Aktiengesellschaften bis 2012 mindestens zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein müssen“. Vgl. dazu die kritische Stellungnahme der Bayer AG (abrufbar unter: http://www.bundestag.de/ausschuesse/a06/anhoerungen/35_quote/04_Stellungnahmen/ Stellungnahme_Solaro.pdf, Stand: 16.4.2009), wonach das Ziel, nicht aber die vorgeschlagenen gesetzgeberischen Maßnahmen zu begrüßen seien. Ebenfalls eine verbindliche Frauenquote von 40% in den Aufsichtsgremien sieht der Entwurf des Regierungsprogramms der SPD vom Frühjahr 2009 vor. Vgl. auch Kort, in: AG 2008, 137, 148; Frost/Linnainmaa, in: AG 2008, 601, 603 sowie zur Diskussion, eine entsprechende Empfehlung in den DCGK aufzunehmen, F.A.Z. v. 27.5.2009, S. 14: „Mehr Frauen und mehr Ausländer sollen in die Aufsichtsräte“. 88 BayObLG v. 14.12.2004 – 3Z BR 134/04, AG 2005, 350, 351. 84

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(b) Einfluss des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes Fraglich ist, ob und inwieweit bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zu berücksichtigen ist. Der persönliche Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Abschnitts 2 erfasst nach § 6 Abs. 3 AGG auch „Organmitglieder, insbesondere Geschäftsführer und Geschäftsführerinnen und Vorstände [. . .]“, so dass der Eindruck entstehen könnte, der Anwendungsbereich erstrecke sich nur auf Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans, nicht aber des Überwachungsorgans. Jedoch zeigt – neben teleologischen Gründen – der Begriff „insbesondere“, dass gerade nicht ausschließlich Mitglieder des Geschäftsleitungsorgans einbezogen sind. Dass die Bestimmungen des AGG somit grundsätzlich auch die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern erfassen, wird im Schrifttum demzufolge zu Recht überwiegend bejaht89. Da Diskriminierungen gerade beim „Zugang“ zur Erwerbstätigkeit verhindert werden und deshalb vom Benachteiligungsverbot mit erfasst sein sollen, sind des Weiteren auch Bewerber für eine Organmitgliedschaft vom Anwendungsbereich erfasst90. Diesen Gedanken bringt § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zum Ausdruck, der Bewerberinnen und Bewerber in den Schutzbereich mit einbezieht. Darüber hinaus setzt die Anwendbarkeit des AGG nach § 6 Abs. 3 AGG voraus, dass der Zugang „zur Erwerbstätigkeit“ betroffen ist. Dies wird bei der großen Mehrzahl der Aufsichtsratsposten gegeben sein, weil die Aufsichtsratstätigkeit regelmäßig gemäß § 113 AktG vergütet wird91. Das Benachteiligungsverbot des AGG ist folglich auch bei der Aufsichtsratsbestellung zu berücksichtigen und führt insbesondere dazu, dass Kandidaten nicht wegen ihres Geschlechts benachteiligt werden dürfen. Mithin würde beispielsweise die Ablehnung einer Kandidatin gegenüber einem Konkurrenzkandidaten allein wegen ihres Geschlechts einen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot der §§ 7 Abs. 1, 3 Abs. 1 AGG darstellen. Insoweit kann für die gerichtliche Bestellung nichts anderes gelten als für die ordentliche Bestellung, auf die sich das Schrifttum zu diesem Komplex bezieht. Konsequenterweise werden aber bereits neben der ordentlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung auch die Bestellung von Arbeitnehmervertretern nach dem Mitbestimmungsgesetz, Mitbestimmungsergänzungsgesetz oder Drittelbeteiligungsgesetz sowie die Entsendung nach § 101 Abs. 2 AktG ausdrücklich einbezogen92. Zweck des Benachteiligungsverbots ist 89 Krause, in: AG 2007, 392, 393; Lutter, in: BB 2007, 725, 730; Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 322; vgl. auch Thüsing, in: Münchener Kommentar, BGB, § 6 AGG Rn. 11, § 2 AGG Rn. 3 ff. 90 Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 322. 91 Vgl. Lutter, in: BB 2007, 725, 730; Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 328 f.. Zum Kriterium der Erwerbstätigkeit auch Schlachter, in: Erfurter Kommentar, Arbeitsrecht, § 2 AGG Rn. 4.

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es, den Zugang zu den Organmitgliedschaften generell diskriminierungsfrei zu halten. Es kann grundsätzlich nicht nach unterschiedlichen Bestellungsorganen oder bestimmten Bestellungsverfahren differenziert werden. Das AGG trifft seine Regelungen insoweit aus der Perspektive des potenziell Benachteiligten und stellt nicht auf denjenigen ab, von dem die Benachteiligung ausgeht. Daher ist auch das Gericht gehalten, die Kandidatenauswahl gleichbehandlungskonform zu treffen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach § 5 AGG Maßnahmen zur Frauenförderung zulässig sind, soweit sie dazu dienen, tatsächlich bestehende Defizite zu beseitigen93. (c) Auswirkungen eines Verstoßes gegen das AGG auf die Wirksamkeit der gerichtlichen Bestellung Auf denjenigen, der die diskriminierende Benachteiligung vorgenommen hat, kommt es allerdings unmittelbar an, wenn man sich die Frage der Folgen eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot stellt. Im Zusammenhang mit der ordentlichen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern durch die Hauptversammlung wird dabei die Frage diskutiert, ob der Bestellungsbeschluss anfechtbar ist. Da indes etwa im oben genannten Beispiel nicht die Bestellung des konkurrierenden Kandidaten, sondern die Nicht-Berücksichtigung der Kandidatin Schwerpunkt des Verstoßes ist und zudem nach § 15 Abs. 6 AGG im Falle einer unzulässigen Benachteiligung gerade kein Anspruch des Benachteiligten auf Begründung eines Beschäftigungs- bzw. Organverhältnisses begründet wird, ist der Bestellungsbeschluss nicht anfechtbar94. Was demgegenüber die gerichtliche Entscheidung im Rahmen des § 104 AktG anbelangt, so wird man bei Nichtberücksichtigung einer Kandidatin allein wegen ihres Geschlechts davon auszugehen haben, dass die Entscheidung aufgrund sachwidriger Erwägungen ermessensfehlerhaft ist. Das zuständige Beschwerdegericht wird also eine andere, zumindest aber auf anderen Gründen beruhende Entscheidung treffen. Sind die Rechtsmittelfristen allerdings verstrichen, so überwiegt das berechtigte Vertrauen in die Rechtskraft der Entscheidung, die damit wirksam bleibt95. (d) Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche Hat eine Benachteiligung im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes somit keine unmittelbare Auswirkung auf die Wirksamkeit des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses, so stellt sich dennoch die Frage, welche anderen, speziell 92

Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 322. Thüsing, in: Münchener Kommentar, BGB, § 5 AGG Rn. 17 f. m.w. N. 94 Bauer/Arnold, in: AG 2007, 807 ff.; a. A. Krause, in: AG 2007, 392, 395. 95 Zu den Ausnahmefällen, in denen eine Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit unwirksam sein kann, siehe unten 7. b) (2). 93

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im AGG angelegten Rechtsfolgen eintreten. Von den in den §§ 13 ff. AGG bestimmten Rechtsfolgen werden in erster Linie Schadensersatz- (§ 15 Abs. 1 AGG) und hinsichtlich immaterieller Schäden Entschädigungsansprüche (§ 15 Abs. 2 AGG) des Benachteiligten relevant. Da das AGG in seinem arbeitsrechtlichen Teil der §§ 6 bis 18 primär das Verhältnis zwischen „Beschäftigten“ und „Arbeitgeber“ betrifft, wird als Anspruchsgegner der „Arbeitgeber“ genannt. Hinsichtlich der ebenfalls in den persönlichen Anwendungsbereich einbezogenen Organmitglieder und damit auch der Aufsichtsratsmitglieder und -kandidaten ist dementsprechend die Gesellschaft als Verpflichtete anzusehen, weil sie insoweit die dem Arbeitgeber entsprechende Funktion wahrnimmt96. Dabei hat die Gesellschaft nach allgemeinen Grundsätzen für das Handeln ihrer Organe und verfassungsmäßig berufenen Vertreter sowie ihrer Erfüllungsgehilfen einzustehen, wenn die Voraussetzungen der Zurechnungsnormen des § 31 BGB analog bzw. des § 278 Satz 1 BGB vorliegen97. Daher ist die Gesellschaft insbesondere für Benachteiligungen durch die von den Gesellschaftsorganen und ihren Mitgliedern ausgehenden Kandidatenvorschläge verantwortlich. Fraglich ist dagegen, ob der Gesellschaft darüber hinaus eine benachteiligende Auswahlentscheidung des Gerichts zuzurechnen ist. Auch wenn der Begriff des verfassungsmäßigen Vertreters weit auszulegen ist98, kann jedenfalls eine Zurechnung nach § 31 BGB analog von vornherein ausgeschlossen werden. So wird etwa auch die Zurechnung des Handelns eines satzungsmäßigen Schiedsgerichts zu Recht abgelehnt, weil es nicht als Repräsentant der Gesellschaft angesehen werden kann99. Das Gericht nimmt im Rechtsfürsorgeverfahren des § 104 AktG zwar die Aufgabe eines Gesellschaftsorgans wahr, jedoch handelt es sich nicht um Aufgaben, die ihm durch die „allgemeine Betriebsregelung und Handhabung [. . .] zugewiesen wurden“, so dass keine Repräsentanteneigenschaft 100 gegeben ist. Vielmehr ist das Gericht ein Organ außerhalb der Gesellschaftssphäre. Nicht per se ausgeschlossen ist dagegen eine Zurechnung des gerichtlichen Handelns nach § 278 Satz 1 BGB. Denn der Erfüllungsgehilfe braucht gerade nicht in die Organisation des Schuldners eingegliedert sein. Es ist zudem anerkannt, dass öffentliche Amtsträger im Einzelfall auch im Rahmen ihres öffentlich-rechtlichen Handelns Erfüllungsgehilfen im Sinne des § 278 BGB sein kön96

Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 329 f. Vgl. Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 330; Bauer/Evers, in: NZA 2008, 893, 894 ff. 98 Schwarz/Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rn. 7; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 6; vgl. BGH v. 30.10.1967 – VII ZR 82/65, BGHZ 49, 19 f. = NJW 1968, 391 f. 99 Reuter, in: Münchener Kommentar, BGB, § 31 Rn. 24. 100 Vgl. BGH v. 12.7.1977 – VI ZR 159/75, NJW 1977, 2259 f.; BAG v. 5.5.1997 – 5 AZB 35/96, NJW 1997, 3261, 3262; Schwarz/Schöpflin, in: Bamberger/Roth, BGB, § 31 Rn. 7; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 31 Rn. 6. 97

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nen, so etwa Notare oder auch Gerichte, wobei aber die von ihnen vorgenommene Tätigkeit zum Pflichtenkreis des Schuldners gehören muss und nicht nur die entsprechende Beauftragung101. Mehrere Gründe sprechen indes gegen eine Zurechnung des gerichtlichen Handelns im Zusammenhang mit § 104 AktG: Zunächst ist schon fraglich, ob die für die Anwendbarkeit des § 278 BGB erforderliche rechtliche Sonderverbindung102 zwischen Gläubiger – also vorliegend der Kandidatin – und der Gesellschaft als Schuldner besteht. Hierfür genügt zwar bereits ein geschäftlicher Kontakt im Sinne der Regelungen über die culpa in contrahendo (§ 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB)103, für den aber eine bloße Kontaktaufnahme nicht ausreicht104. Der Aspekt des in Anspruch genommenen Vertrauens, der maßgeblicher Grund der c.i.c. ist105, tritt bei bloßer Kontaktaufnahme noch nicht hinreichend hervor. Von einem geschäftlichen Kontakt kann nur gesprochen werden, wenn etwa auch von Seiten der Gesellschaft Interesse an der Kandidatin bekundet wurde und die Situation mit einer Vertragsverhandlung vergleichbar ist. Hier entscheiden letztlich die Umstände des Einzelfalls. Vor allem aber wird man das Gericht im Verfahren nach § 104 AktG schwerlich als Erfüllungsgehilfe ansehen können, mithin als Hilfsperson, deren sich die Gesellschaft bzw. ihre Organe zur Erfüllung einer Verbindlichkeit dem Kandidaten gegenüber bedienen106. Soweit eine rechtliche Antragspflicht besteht, wird das Gericht allein aus diesem Grund sowie zur Wiederherstellung der Beschlussbzw. Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats eingeschaltet, nicht aber zu dem Zweck, den Antragsteller in dessen Pflichtenkreis als Hilfsperson bei der Erfüllung einer dem Kandidaten gegenüber obliegenden Verbindlichkeit zu unterstützen. Es kann nicht von einer vom Schuldner aus eigenen Interessen heraus eingeschalteten Hilfsperson und damit einer veranlassten Erweiterung seines Geschäfts- und Risikobereichs durch Arbeitsteilung gesprochen werden, die Grund 101 H.M., vgl. BGH v. 8.2.1974 – V ZR 21/72, NJW 1974, 692 f.; BGH v. 28.5.1957 – VI ZR 136/56, NJW 1957, 1187; Grundmann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 278 Rn. 29; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 278 Rn. 37; Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 278 Rn. 25. Anders noch das Reichsgericht, das die Zurechnung des Handelns eines Gerichtsvollziehers ablehnte, weil dieser „als Beamter und nicht als bürgerlichrechtlicher Beauftragter“ handle, RG v.10.4.1922 – VI 661/21, RGZ 104, 283, 285. 102 BGH v. 8.3.1951 – III ZR 65/50, NJW 1951, 477 f.; BGH v. 9.2.1955 – IV ZR 188/54, NJW 1955, 866; BGH v. 7.3.1972 – VI ZR 158/70, NJW 1972, 1048, 1049; Grundmann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 278 Rn. 15. 103 Unberath, in: Bamberger/Roth, BGB, § 278 Rn. 2; vgl. BGH v. 29.4.1953 – VI ZR 63/52, NJW 1953, 977. 104 Vgl. Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311 Rn. 24. 105 BGH v. 22.2.1973 – VII ZR 119/71, NJW 1973,752, 753; BGH v. 12.12.1980 – V ZR 168/78, NJW 1981, 1035 f.; Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 311 Rn. 10. 106 Vgl. zur allgemeinen Definition des Erfüllungsgehilfen BGH v. 21.4.1954 – VI ZR 55/53, BGHZ 13, 113; BGH v. 9.10.1986 – I ZR 138/84, BGHZ 98, 330, 334; Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 278 Rn. 7; Löwisch, in: Staudinger, BGB, § 278 Rn. 17.

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für seine Einstandspflicht nach § 278 BGB ist107. Der Antragsteller ist nicht in der Lage, selbst die Beschlussunfähigkeit oder Unterbesetzung des Aufsichtsrats zu beheben, da hierfür eine Hauptversammlung durchgeführt werden müsste. Somit nimmt das Gericht keine Hilfsfunktion wahr, sondern es muss zwingend angerufen werden und daraufhin aufgrund gesetzlicher Verpflichtung nach § 104 AktG ein Aufsichtsratsmitglied bestellen. Zudem ist aufgrund der Zuständigkeitsbestimmungen ein bestimmtes Gericht vorgegeben, an das der Antrag zu richten ist. Mithin kann der Antragsteller nicht aussuchen, wen er als Bestellungsorgan einschaltet und kann daher nicht für dessen Fehler verantwortlich sein. Insofern sind allenfalls Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Gericht bzw. dem Staat nach Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB denkbar108. (3) Alter des Kandidaten Ähnlich wie die Berücksichtigung des Geschlechts ist auch der Einfluss des Alters der Kandidaten ein nachrangiges Auswahlkriterium. Es gibt de lege lata keine starren Vorgaben. Selbst die Empfehlung in Ziff. 5.4.1 Satz 2 DCGK, die Vorschläge zur Aufsichtsratswahl betrifft, besagt lediglich, dass eine festzulegende Altersgrenze für Aufsichtsratsmitglieder berücksichtigt werden soll. Diese in mehrfacher Hinsicht eingeschränkte Empfehlung bestimmt also keine konkreten Altersgrenzen, sondern betrifft nur die Konstellationen, in denen Altersgrenzen – etwa in der Geschäftsordnung für den Aufsichtsrat oder durch einfachen Aufsichtsratsbeschluss – festgelegt sind, die zudem ihrerseits flexibel gestaltet sein können109 und dann auch nur berücksichtigt werden sollen, also nicht unbedingt strikt einzuhalten sind. Dagegen kommt dem Alter des Kandidaten im Rahmen der Auswahlentscheidung höheres Gewicht zu, wenn die Satzung der Gesellschaft etwa zulässigerweise110 Mindest- oder Höchstaltersgrenzen für Aufsichtsratsmitglieder vorsieht. Abgesehen von festgelegten Altersgrenzen wird das gerichtliche Ermessen allenfalls bei besonders jungen oder bei betagten Kandidaten von deren Alter beeinflusst werden und auch dann wird nicht unmittelbar das Alter, sondern vor 107 Vgl. BGH v. 8.2.1974 – V ZR 21/72, NJW 1974, 692, 693; BGH v. 28.5.1957 – VI ZR 136/56, BGHZ 24, 325, 329; BGH v. 13.1.1984 – V ZR 205/82, NJW 1984, 1748, 1749. Demgegenüber kommt es nicht darauf an, inwieweit der Schuldner Einfluss auf das Handeln des Erfüllungsgehilfen nehmen kann; mithin spielt es keine Rolle, dass der Kandidatenvorschlag unverbindlich ist. 108 Amtshaftungsansprüche werden jedoch nur in eng begrenzten und seltenen Ausnahmefällen gegeben sein, vgl. unten 7. c). 109 Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1023 ff., auch zu möglichen Gestaltungen der Altersgrenze. Vgl. auch LG München I v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90 f.; Kirschbaum, in: ZIP 2007, 2362, 2363. 110 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 41; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 187.

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allem die damit einhergehende, zu erwartende Qualifikation und Leistungsfähigkeit des Kandidaten eine Rolle spielen. Praktisch wird es für die Auswahl eines jüngeren Kandidaten sprechen, wenn das Durchschnittsalter der übrigen Aufsichtsratsmitglieder bereits hoch ist. Selbst wenn es dem Gesellschaftsinteresse dient, dass dem Aufsichtsrat in erster Linie gestandene Unternehmerpersönlichkeiten angehören111, kann bei der Kandidatenauswahl auch in gewissem Maß dem bisher geltenden, unausgesprochenen Leitbild entgegengewirkt werden, wonach im Aufsichtsrat typischerweise erfahrene Generalisten vertreten sind, die „von fast allem fast nichts mehr versteh[en]“112. Wünschenswert ist damit – ähnlich wie im Zusammenhang mit der fachlichen Ausrichtung – eine Mischung aus Mitgliedern verschiedenen Alters. Da das Alter ebenfalls ein Kriterium ist, das in den Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes fällt, ist auch insoweit auf eine nicht diskriminierende Auswahl zu achten113. Erleichterungen ergeben sich dabei aus der besonderen Rechtfertigungsnorm des § 10 AGG, wonach bestimmte Differenzierungen aufgrund des Alters ausdrücklich zulässig sind114. (4) Internationalisierung Im Zuge der Internationalisierung und Globalisierung wirtschaftlicher Vorgänge und der damit verbundenen zunehmenden internationalen Ausrichtung der unternehmerischen Tätigkeit werden vermehrt Ausländer in die Aufsichtsräte deutscher Großunternehmen bestellt115. Diese zu begrüßende Entwicklung greift Ziff. 5.4.1 Satz 2 DCGK auf und empfiehlt, bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats die internationale Tätigkeit des Unternehmens zu berücksichtigen116. Auch das Gericht sollte – unabhängig von dieser Empfehlung – diesem Aspekt Rechnung tragen und ausländische Kandidaten oder Deutsche mit internationaler Erfahrung117, zumindest bei gleicher oder vergleichbarer Qualifikation, bevorzugt berücksichtigen, insbesondere wenn sich der Auslandsbezug der Biographie 111 Vgl. Lieder, Der Aufsichtsrat im Wandel der Zeit, S. 727 f., der sich entschieden gegen die Empfehlung in Ziff. 5.4.1 Satz 2 DCGK und gegen die Festsetzung von Altersgrenzen ausspricht, ähnlich bereits Fey, in: DStR 1995, 1320, 1324. Für eine strikte Altersgrenze hingegen Scheffler, in: DB 2000, 433. 112 So Säcker, in: AG 2004, 180, 181 f. 113 Zur Relevanz des AGG im Hinblick auf Altersgrenzen eingehend Lutter, in: BB 2007, 725 ff. 114 Eßer/Baluch, in: NZG 2007, 321, 329. 115 Vgl. Kort, in: AG 2008, 137, 148; Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1021; Handelsblatt v. 7. Mai 2007: „Harte Kritik an Aufsichtsräten“. 116 Vgl. auch F.A.Z. v. 27.5.2009, S. 14: „Mehr Frauen und mehr Ausländer sollen in die Aufsichtsräte“. 117 Auch dies erfüllt die Kodexempfehlung, vgl. Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1021.

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des Kandidaten mit demjenigen des Tätigkeitsbereichs der Gesellschaft überschneidet. Das Gericht kann damit zudem, vor allem bei fehlenden Kandidatenvorschlägen seitens der Gesellschaftsorgane, den Suchbereich ausweiten. Wünschenswert wäre es, diese Entwicklung auch bei kleineren Aktiengesellschaften zu fördern. (5) Weitere persönliche Eigenschaften Zu dem schon aus dem Werdegang des Kandidaten ermittelbaren Profil kommen, soweit erkennbar, als weitere allgemeine Auswahlkriterien persönliche Eigenschaften und Charakterzüge wie Zuverlässigkeit, Durchsetzungsvermögen, charismatische Ausstrahlung, Kommunikations- und Dialogfähigkeit118. Diese und andere soft skills lassen sich freilich kaum vom Gericht feststellen, jedoch kann indirekt aus anderen Tätigkeiten des Kandidaten auf sie geschlossen werden. Aus vergangenen Verhaltensweisen kann unter Umständen auf weitere Eigenschaften geschlossen werden, etwa wenn bekannt ist, dass der Kandidat im Rahmen einer anderweitigen Aufsichtsratstätigkeit mehrfach Sitzungen versäumt hat oder sonst pflichtwidrig gehandelt hat119, was für mangelnde Zuverlässigkeit sprechen kann. Werden solche Bedenken an das Gericht herangetragen, muss es diesen im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 375 Nr. 3, 26 FamFG, früher: §§ 145 Abs. 1, 12 FGG) nachgehen und ihre Relevanz für die Auswahlentscheidung würdigen120. d) Aktienrechtliche Organisationsverfassung und hypothetisches Wahlergebnis Neben den unmittelbar kandidatenbezogenen Ermessenskriterien ist die Organisationsstruktur der Gesellschaft ein wesentlicher Faktor für die gerichtliche Kandidatenauswahl. Zentrales Kriterium ist dabei das hypothetische Wahlergebnis: Nach Möglichkeit ist zu ermitteln, ob ein bestimmter Kandidat auch von der Hauptversammlung – bzw. bei Arbeitnehmervertretern von dem entsprechend zuständigen Gremium – gewählt worden wäre oder zumindest konkrete Chancen gehabt hätte, bestellt zu werden121.

118 Vgl. Mense, Interessenkonflikte, S. 69; v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 298; Bihr/Blättchen, in: BB 2007, 1285, 1290. 119 OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97, AG 1998, 427, 428; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 84, 87; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1811. 120 OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97, AG 1998, 427, 428. 121 Vgl. AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133; LG Wuppertal v. 22.8.1978 – 11 T 5/78, BB 1978, 1380; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 78, 85; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 19; Heinsius, in: ZGR 1982, 232, 236. Kritisch dagegen Vetter, in: DB 2005, 875, 876.

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Hintergrund dieses Kriteriums, das zu einer Reduzierung122 des gerichtlichen Auswahlermessens führen kann, ist zweierlei: Zum einen trägt das Gericht seiner Ersatzfunktion Rechnung, indem es sich an der hypothetischen Entscheidung des aktienrechtlich eigentlich zuständigen Wahlorgans orientiert. Dessen Willen dient als Richtschnur für das pflichtgemäße, am Gesellschaftsinteresse ausgerichtete Ermessen des Gerichts. Die gerichtliche Bestellung ist die einzige Konstellation im Aktienrecht, in der Anteilseignervertreter nicht von den Aktionären bestellt werden. Denn auch Ersatzmitglieder nach § 101 Abs. 3 Satz 2 AktG und entsandte Aufsichtsratsmitglieder nach § 101 Abs. 2 Satz 1 AktG sind durch Aktionärsentscheidungen legitimiert. Wenn das Gesetz in § 104 AktG also ausnahmsweise ein anderes Bestellungsorgan vorsieht, muss der Wille des grundsätzlich zuständigen Organs maßgeblich berücksichtigt werden, zumal der Aufsichtsrat gerade auch im Interesse der Aktionäre den Vorstand kontrollieren soll. Zum anderen widerspräche es dem Gesellschaftsinteresse, wenn das Gericht einen Kandidaten bestellte, der voraussichtlich nicht von der nächsten Hauptversammlung bestätigt würde. Unabhängig davon, ob die Amtszeit des gerichtlich bestellten Mitglieds befristet wird oder nicht, kann die Hauptversammlung nach § 104 Abs. 5 AktG jederzeit einen anderen Kandidaten bestellen mit der Folge, dass das Amt des gerichtlich Bestellten erlischt. Eine solche Beeinträchtigung der Kontinuität in der Besetzung des Aufsichtsrats ist im Interesse seiner Funktionsfähigkeit und damit effektiver Kontrolle zu vermeiden. Die Mehrzahl der vom Verfasser befragten Registerrichter123 gab an, eine grobe Einschätzung der Aussichten des Kandidaten vorzunehmen, zukünftig von der Hauptversammlung im Amt bestätigt zu werden. Dabei stellt sich freilich die Frage, wie das hypothetische Wahlergebnis ermittelt werden soll. Gerade in Publikumsgesellschaften wird der Wille der Aktionäre nicht ermittelbar sein. Allerdings folgt die Hauptversammlung in Gesellschaften mit breit gefächerter Aktionärsstruktur bei der ordentlichen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern in der Regel dem Kandidatenvorschlag des Aufsichtsrats124. Demzufolge kann einem adäquaten, von den verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern ausgehenden Vorschlag in der Regel vom Gericht gefolgt werden. Soweit nicht aus dem Werdegang des Kandidaten oder etwa aus öffentlich bekannt gewordenen Vorkommnissen Bedenken gegen den Kandidaten hervorgerufen werden, kann davon ausge122 Das AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133 spricht von einer „Ermessensbegrenzung“. 123 Siehe Anhang. 124 Nach Auffassung des LG Berlin kommt es auch in Betracht, „einen Vertreter einer Vereinigung zu bestellen, die sich die Wahrnehmung der Rechte von Kleinaktionären zur Aufgabe gemacht hat oder ein von den zuständigen Organen des Handelsstandes benanntes sachverständiges Mitglied“, LG Berlin v. 16.9.1985 – 98 T 10/85, AG 1986, 52, 53.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

gangen werden, dass der Kandidatenvorschlag dem Willen der überwiegenden Mehrheit der Aktionäre entspricht. Dagegen kann und sollte das Gericht, wenn die Realstruktur der Gesellschaft von der Beteiligung eines Groß- oder Mehrheitsaktionärs geprägt ist, diesen anhören und so primär dessen Willen bei der Auswahlentscheidung berücksichtigen125. Im Übrigen sind die oben126 herausgearbeiteten Grundsätze zu berücksichtigen, insbesondere was Vorschläge des Vorstands und die Äußerung von konkreten Bedenken gegenüber einem Kandidaten anbelangt. e) Interessenkonflikte und Konkurrenzsituationen Eine allgemein im Zusammenhang mit der Besetzung des Aufsichtsrats diskutierte Frage ist, ob und inwieweit Aufsichtsratsposten mit Organmitgliedern oder sonstigen in einem Näheverhältnis zu Konkurrenzunternehmen stehenden Personen besetzt werden dürfen. Die rechtlichen Folgen solcher Konstellationen werden schon seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert127. Sie sind indes nach wie vor aktuell: Zum einen durch immer wieder zu beobachtende Vorgänge in der Praxis, die aber auch stets neue Facetten aufweisen, sowie zum anderen durch jüngere Empfehlungen des DCGK128 und der EU-Kommission129 im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Organmitglieder. Dass Aufsichtsratsposten nicht selten mit Organmitgliedern oder sonstigen Zugehörigen konkurrierender Unternehmen besetzt werden130, ist den Umständen geschuldet, dass ohnehin nur eine geringe Zahl adäquater Aufsichtsratskandida125 In diesem Sinne auch AG Berlin-Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133; Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1704. 126 Vgl. oben III. C. 1. b) und d). 127 Vgl. etwa aus dem Jahre 1958 Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Rechte der Aktionäre, S. 241; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604; Lutter, in: ZHR 1981, 224, 231 ff. 128 Zur Auswirkung der Ziff. 5.4.1 Satz 2 und 5.4.2 DCGK auf die Aufsichtsratswahl durch die Hauptversammlung LG München v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91; Kirschbaum, in: ZIP 2007, 2362, 2363 f.; allgemein dazu Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 100 Rn. 18; Habersack, in: AG 2008, 98, 104. 129 Empfehlung zu den Aufgaben von nicht geschäftsführenden Direktoren/Aufsichtsratsmitgliedern börsennotierter Gesellschaften sowie zu den Ausschüssen des Verwaltungs-/Aufsichtsrats vom 15.2.2005, ABl. EU Nr. L 52/51 (2005/162/EG), abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2005:052:0051: 0063:DE:PDF (Stand: 9.7.2009), dort insbesondere Ziff. 4 und 13 sowie Anhang II. Vgl. zum vorausgegangenen Aktionsplan „Modernisierung des Gesellschaftsrechts und Verbesserung der Corporate Governance in der Europäischen Union“ Habersack, in: NZG 2004, 1, 5; Ausführlich zum Einfluss der Kommissionsempfehlung auf die Frage der „Wettbewerbsverbote“ für Aufsichtsratsmitglieder Langenbucher ZGR 2007, 571, 589 ff. 130 Vgl. bereits Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604 („nicht ganz selten“); Mense, Interessenkonflikte, S. 49 ff. m.w. N.

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ten vorhanden ist und des Weiteren in den Gesellschaften – gerade, aber nicht nur in Krisensituationen – die Fachkompetenz von Branchenkennern im Aufsichtsrat geschätzt wird131. Da die Mitgliedschaft im Aufsichtsrat nach wie vor grundsätzlich als Nebenamt132 ausgestaltet ist, sind Kenner der Branche in erster Linie in Konkurrenzunternehmen vertreten133. Zudem sollen solche Vorgänge einer Art „diplomatischen Beziehungspflege“ zwischen den Unternehmen dienen, indem etwa Kooperationsbereitschaft oder ein gewisses Maß an Rücksichtnahme signalisiert werden134. Vor allem die in der Regel bestehende Eilbedürftigkeit der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht bedingt, dass zunächst im Branchenumfeld nach Kandidaten Ausschau gehalten wird. Dies umso mehr, wenn das bisherige Aufsichtsratsmitglied plötzlich oder unerwartet weggefallen ist und/oder durch den Wegfall Beschlussunfähigkeit des Gremiums eingetreten ist. Dann gilt es, wenn nicht ein Nominierungsausschuss bereits tätig geworden ist, ohne größere Vorbereitungsmaßnahmen möglichst rasch die Vakanz im Aufsichtsrat zu beheben, was sich am ehesten durch Kandidatensuche im näheren Branchenumfeld bewerkstelligen lässt. Schon die bereits angesprochene Entscheidung des OLG Schleswig aus dem Jahre 2004135 und die dazu veröffentlichten kritischen Stellungnahmen in der Literatur136 sowie die ebenfalls diesen Kontext betreffende, im Frühjahr 2009 ergangene Entscheidung des LG Hannover137 zeigen, dass die schon als „klassisch“138 titulierbaren Fragen hinsichtlich der Auswirkungen von Interessenkonflikten auf die Wählbarkeit im Allgemeinen und hinsichtlich der Bestellung von Wettbewerbern im Besonderen bei der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats besonders zu würdigen sind. Im Folgenden soll zunächst in der gebotenen Kürze auf die allgemeine Diskussion über die Aufsichtsratsbesetzung mit Mitgliedern von Konkurrenzunternehmen eingegangen werden, um daraufhin die Auswirkungen im Kontext des § 104 AktG und hinsichtlich des gerichtlichen Auswahlermessens herauszuarbeiten. 131

Mense, Interessenkonflikte, S. 69 und 73. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 14; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 111 Rn. 125 und 132; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1604; Dreher, in: JZ 1990, 896, 897; Herkenroth, in: AG 2001, 33, 34. 133 Vgl. etwa die Erwiderung der Mobilcom AG im Beschwerdeverfahren vor dem OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454. 134 Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 609. 135 OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; vgl. des Weiteren LG München v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90. 136 Vgl. insbesondere Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 31 und § 100 Rn. 59; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 2. b); Wirth, in: ZGR 2005, 327, 346; Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 104 f. 137 LG Hannover v. 12.3.2009 – 21 T 2/09, AG 2009, 341 ff. 138 Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 104; Kirschbaum, in: ZIP 2007, 2362, 2363. 132

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(1) Keine ungeschriebene Inkompatibilität Kern des klassischen Meinungsstreits ist die Frage, ob die in §§ 100 Abs. 1 und 2, 105 AktG bestimmten Inkompatibilitätsgründe abschließend sind oder ob es weitere, sog. „ungeschriebene Inkompatibilitäten“ gibt. Nach einer von Lutter begründeten Auffassung sollen bestimmte Interessenkonflikte und insbesondere die Unabhängigkeit eines Aufsichtsratskandidaten beeinträchtigende Umstände dazu führen können, dass er von der Amtsausführung per se ausgeschlossen ist139. Insoweit seien die §§ 100, 105, 250 AktG analog anzuwenden, weil auf Grund des dauerhaften Interessenkonflikts die ordnungsgemäße Wahrnehmung mehrerer Mandate unmöglich sei140. Als besonders anschauliches, aber keineswegs einziges Beispiel für unauflösbare Interessenkonflikte dient die Wahl des ehemaligen Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Metall Franz Steinkühler in den Aufsichtsrat der Volkswagen AG, obwohl er bereits Aufsichtsratsmitglied bei der Daimler-Benz AG war141. Vor dem Hintergrund der gegenüber beiden Gesellschaften bestehenden Treue- und Förderpflicht erscheint es problematisch, wenn nun etwa im Aufsichtsrat der Daimler-Benz AG über die Zustimmung zur Einführung eines neuen Kleinwagens beschlossen werden soll, um damit in den Kernmarkt der Volkswagen AG einzudringen. Neben der augenscheinlichen Schwierigkeit für das Aufsichtsratsmitglied, die Interessen beider Unternehmen hinreichend zu berücksichtigen, führt das Mehrfachmandat zu einer Akkumulation sensibler Informationen bei einer Person, mit der Folge potenzieller Anreize, diese Informationen missbräuchlich zugunsten des jeweiligen Wettbewerbers zu nutzen142. Zudem wird eine unvoreingenommene und offene Diskussion im vollständig besetzten Aufsichtsrat erschwert143. Um derlei Situationen möglichst zu verhindern, soll nach der genannten Auffassung eine ungeschriebene Inkompatibilität analog den §§ 100, 105, 250 AktG bestehen mit der 139 Lutter, in: ZHR 1981, 224, 234 ff., insbesondere S. 236, wonach das betroffene Aufsichtsratsmitglied „sozusagen ständig krank“ ist; ders., in: ZHR 1995, 287, 302 f.; ders., in: Festschrift für Beusch, S. 509, 511 ff.; ders./Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 21 ff.; Bollweg, Wahl des Aufsichtsrats in der Hauptversammlung, S. 109 f.; ausführlich Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 62 ff.; Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 104 f.; Scheffler, in: DB 1994, 793, 795; ähnlich Reichert/Schlitt, in: AG 1995, 241, 244 ff. Für ein gesetzlich zu verankerndes Verbot von Mehrfachmandaten in Konkurrenzunternehmen plädiert Berrar, in: NZG 2001, 1113, 1117 f. 140 Lutter, in: Festschrift für Beusch, S. 509, 515 ff. 141 Vgl. Lutter, in: Festschrift für Beusch, S. 509 f. 142 Näher Langenbucher ZGR 2007, 571, 574 f. 143 Lutter, in: Festschrift für Beusch, S. 509, 510; ders., in: ZHR 1981, 224, 236; vgl. aber auch Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 202; ebenfalls stark relativierend OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454: „Bekanntlich gehörte ein früherer Vorsitzender der IG Metall den Aufsichtsräten von VW und Daimler an, ohne dass [. . .] eines der konkurrierenden Unternehmen dadurch Schaden genommen hätte.“

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Folge, dass sowohl die Wahl als auch die Annahme der Wahl durch den Kandidaten nichtig sei144. Demgegenüber verneint die h. M. bereits das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Analogie zu den §§ 100, 105, 250 AktG145: Es ist zwar anzuerkennen, dass die Bestellung eines Organmitglieds der Konkurrenz dauerhafte Interessenkonflikte hervorruft und gerade bei sensiblen Tagesordnungspunkten, über die der Aufsichtsrat zu befinden hat, zu problematischen Konstellationen führen kann. Auch unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten sind enge personelle Verbindungen zwischen Konkurrenzunternehmen grundsätzlich kritisch zu sehen146. Indes begründet dies noch keine Analogie, da es schon an einer Regelungslücke fehlt. Denn neben der strafbewehrten Pflicht zur Vertraulichkeit (§§ 116 Abs. 1 Satz 2, 404 Abs. 1 Nr. 1 AktG) trägt das geltende Aktienrecht mit mehreren flexiblen Instrumenten bestehenden Interessenkonflikten im Aufsichtsrat bereits hinreichend Rechnung. So kann ein Stimm- und gegebenenfalls Teilnahmeverbot eingreifen, in gravierenden Fällen kommt die aus der Treubindung abzuleitende Pflicht zur Amtsniederlegung sowie die Abberufung aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG in Betracht147. Auch Konstellationen wie im oben genannten Fall Steinkühler lassen sich mit diesem Instrumentarium angemessen lösen. Jedenfalls aber kann nicht von einer Planwidrigkeit der Regelungslücke gesprochen werden, da der Gesetzgeber im Rahmen von Reformdiskussionen der jüngeren Vergangenheit eine spezielle aktien- oder kartellrechtliche Sonderregelung für Interessenkonflikte, und dabei insbesondere eine Einschränkung der Bestellbarkeit von Wettbewerbern, erwogen, sich aber letztlich eindeutig dagegen entschieden hat148. 144 Lutter, in: Festschrift für Beusch, S. 509, 517 ff.; ders., in: ZHR 1981, 224, 234 ff.; ders., in: ZHR 1995, 287, 303; Scheffler, in: DB 1994, 793, 795; Reichert/ Schlitt, in: AG 1995, 241, 247; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 62 ff. 145 OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; LG München v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91; detailliert dazu Mense, Interessenkonflikte, S. 99 ff. 146 Roth/Wörle, in: ZGR 2004, 565, 609. 147 Vgl. Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 2. b) und 3. b); ausführlich Dreher, in: JZ 1990, 896, 900 ff.; Wardenbach, in: AG 1999, 74, 76; Herkenroth, in: AG 2001, 33, 37 f.; Semler/Stengel, in: NZG 2003, 1, 2 ff.; Kort, in: ZIP 2008, 717, 722; Wirth, in: ZGR 2005, 327, 345, mit dem zutreffenden Hinweis, dass auch der DCGK in Ziff. 5.4.2 davon ausgeht, dass keine ungeschriebene Inkompatibilitätsregel existiert; Vielmehr konkretisiert Ziff. 5.5.3 Satz 2 DCGK die mögliche Pflicht zur Beendigung des Mandats wegen wesentlicher und nicht nur vorübergehender Interessenkonflikte. 148 Vgl. etwa den im Rahmen der Diskussionen zum KonTraG (Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich vom 27.4.1998, BGBl. I, 786 ff.) eingereichten Entwurf der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 20.5.1997, BTDrucks. 13/7737, S. 5, 18; dazu auch Raiser, in: NJW 1996, 2257, 2260; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 74 m.w. N. Durchgesetzt haben sich lediglich die im Interesse einer autonomen Entscheidung der Hauptversammlung erweiterten Publizitäts-

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

Ein weiteres, aus der Systematik des Aktiengesetzes abzuleitendes Argument gegen ungeschriebene Inkompatibilitäten ergibt sich aus den §§ 105 Abs. 2 Satz 4, 88 Abs. 1 AktG, die sogar vorübergehend in den Vorstand eingerückte Aufsichtsratsmitglieder vom Wettbewerbsverbot ausdrücklich ausnehmen. Folglich geht das Aktiengesetz davon aus, dass gerade kein Wettbewerbsverbot für Aufsichtsratsmitglieder besteht149. Im Übrigen ist es Sache der Hauptversammlung, über die Aufsichtsratsbesetzung zu bestimmen und die Vor- und Nachteile abzuwägen, die aus der Wahl eines Branchenkenners aus einem Konkurrenzunternehmen resultieren150. Dies entspricht der aktienrechtlichen Konzeption, nach der die Aktionäre bei der Besetzung der Anteilseignerbank im Aufsichtsrat weit reichenden Spielraum haben. Dabei darf auch nicht außer Betracht bleiben, dass Wettbewerber zugleich Aktionäre der Gesellschaft sein können, die wie alle Aktionäre die Möglichkeit haben müssen, über den Aufsichtsrat an der Unternehmensleitung teilzuhaben151. Nicht zuletzt zeigen die mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften, dass Interessenkonflikte im Aufsichtsrat in nicht unerheblichem Maße systemimmanent sind152. Damit ist die Frage, ob über die §§ 100, 105, 250 AktG hinausgehende ungeschriebene Inkompatibilitäten existieren, de lege lata zu verneinen. Auch Organmitglieder von Konkurrenzunternehmen können somit grundsätzlich in den Aufsichtsrat bestellt werden153. bestimmungen der §§ 125 Abs. 1 Satz 3, 128 Abs. 2 Satz 6, vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum KonTraG, BT-Drucks. 13/9712, S. 17; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 58; Langenbucher ZGR 2007, 571, 587 f. Dieses Transparenzmodell greift auch der DCGK in Ziff. 5.5.2 und 5.5.3 auf. 149 LG München v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91; Kübler, in: Festschrift für Claussen, S. 239, 242; Uwe H. Schneider, in: BB 1995, 365, 367; Wirth, in: ZGR 2005, 327, 345. 150 Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 2. b); Dreher, in: JZ 1990, 896, 899; Langenbucher ZGR 2007, 571, 585 f. 151 Hüffer, AktG, § 103 Rn. 13b; Mense, Interessenkonflikte, S. 102. 152 Vgl. Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 90, 194; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 55; ders., in: ZHR 2004, 373, 376; Lieder, in: NZG 2005, 569, 571; Gruson/Kubicek, in: AG 2003, 337, 351; Schiessl, in: AG 2002, 593, 601; Bernhardt, in: ZHR 1995, 310, 316; Zöllner, in: AG 1994, 336, 338. 153 Vgl. bereits das Urteil des RG v. 12.10.1940 – II 33/40, RGZ 165, 68, 80 ff. (zum Aufsichtsrat einer GmbH); OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; tendenziell ebenso, wenngleich im Ergebnis offen LG München v. 22.11.2007 – 5HK O 10614/07, AG 2008, 90, 91; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 11 und § 116 Rn. 29, 32; Spindler/Stilz, AktG, § 100 Rn. 30 f.; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 73 ff.; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 59; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 100 Rn. 12a; Vetter, in: MarschBarner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 17; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 3; Marsch-Barner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 139 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 2. b); Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C Rn. 67; Raiser/Veil, Recht der Kapitalgesellschaften, § 15 Rn. 122; Mense, Interessenkonflikte, S. 99 ff.; Krebs, Interessenkonflikte bei Aufsichtsratsmandaten, S. 280 ff.; Kübler, in: Festschrift für Claussen, S. 239, 241 ff.; Ulmer, in: NJW 1980, 1603, 1606 f.; Dreher, in: JZ 1990,

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(2) Besonderheiten bei der gerichtlichen Bestellung Nach Auffassung des OLG Schleswig gelten bei der Bestellung durch das Gericht keine anderen Grundsätze als bei der ordentlichen Wahl durch die Hauptversammlung154. Die allgemeinen Anforderungen an Aufsichtsratsmitglieder und auch die Hinderungsgründe seien vielmehr identisch, mithin seien allein die in den §§ 100, 105 AktG genannten Interessenkonflikte beachtlich155. Eine allein an diesen Kriterien ausgerichtete Auswahlentscheidung stößt allerdings auf Bedenken, weil sie außerhalb des am Unternehmensinteresse ausgerichteten pflichtgemäßen Ermessens des Gerichts liegen könnte: Sofern es um die Ergänzung des Aufsichtsrats einer börsennotierten Gesellschaft geht, die eine vollumfängliche Entsprechenserklärung zum DCGK nach § 161 AktG abgegeben hat, könnte deren Bedeutung in unzulässiger Weise vernachlässigt werden. Im Übrigen wird die Auswahlentscheidung möglicherweise der Maßgeblichkeit der Hauptversammlung und damit der Ersatzfunktion der gerichtlichen Ergänzung nicht gerecht. (a) Konflikt mit der Entsprechenserklärung zum DCGK Zu Recht stellt das OLG Schleswig die grundsätzliche Unverbindlichkeit des nicht mit Gesetzeskraft wirkenden DCGK fest156. Wie jedoch bereits oben ausgeführt157, greift dieser Gedanke zu kurz. Denn wenn eine börsennotierte Gesellschaft eine uneingeschränkte Entsprechenserklärug zum DCGK nach § 161 AktG abgegeben hat, muss sie diese im Falle unterjähriger Abweichungen von Kodexempfehlungen anpassen und erklären, von welcher Empfehlung abgewichen wurde. Diese Folge für die Gesellschaft darf das Gericht bei seiner Ermessensausübung nicht völlig ausblenden158. Wurde ein Organmitglied eines Konkurrenzunternehmens in den Aufsichtsrat bestellt, so kommt eine zu veröffentlichende Abweichung von der Empfehlung in 896, 898 ff.; Heuking/Jasper, in: DStR 1992, 1438, 1440; Uwe H. Schneider, in: BB 1995, 365, 366 ff.; Herkenroth, in: AG 2001, 33, 37 ff.; Hopt, in: ZGR 2002, 333, 368 f.; ders., in: ZGR 2004, 1, 34; Semler/Stengel, in: NZG 2003, 1, 5; Wirth, in: ZGR 2005, 327, 343 ff.; Möllers, in: ZIP 2006, 1615, 1616; Langenbucher, in: ZGR 2007, 571, 583 ff. 154 OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454. 155 Vgl. OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454, wonach es aber auch „sinnwidrig“ wäre, einen aufgrund dauerhafter Interessenkollision an der Mandatsausübung gehinderten Kandidaten zu bestellen; vgl. dazu Munzig, in: FGPrax 2006, 94, 97. 156 OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454 f. 157 Siehe oben D. II. 5. 158 So auch, ausdrücklich zur Entscheidung des OLG Schleswig, Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 105.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

Ziff. 5.4.2 Satz 4 DCGK in Betracht, wonach Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktion oder Beratungsaufgaben bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben sollen. Diese Empfehlung ist insofern weit reichend, als nicht etwa eine zahlenmäßige Begrenzung von in Konkurrenzunternehmen tätigen Personen im Aufsichtsrat besteht, sondern überhaupt kein Mitglied solche Mehrfachmandate wahrnehmen soll – so empfiehlt demgegenüber etwa Ziff. 5.4.2 Satz 1 DCGK lediglich, dass dem Aufsichtsrat eine ausreichende Anzahl unabhängiger Mitglieder angehören soll. Jedoch ist ein einschränkendes Merkmal darin zu sehen, dass nur Mandate bei wesentlichen Wettbewerbern, die etwa im gleichen Kerngeschäftsfeld tätig sind159, erfasst werden. Andernfalls würde die Kandidatensuche unnötig erschwert werden160. Nur wenn eine weit reichende Konkurrenzsituation zwischen den Unternehmen besteht, verstößt somit die Bestellung eines Organmitglieds der einen Gesellschaft in den Aufsichtsrat der anderen gegen die Empfehlung in Ziff. 5.4.2 Satz 4 DCGK. (b) Ersatzfunktion der gerichtlichen Bestellung Unabhängig von den Empfehlungen des DCGK ist im Rahmen der gerichtlichen Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, dass die Hauptversammlung das grundsätzlich für die Besetzung des Aufsichtsrats zuständige Organ ist. Dieser Aspekt spielt gerade bei den Konstellationen der Interessenkonflikte infolge von Wettbewerbssituationen eine besondere Rolle: So liegt nach geltendem Aktienrecht zwar keine Inkompatibilität vor, jedoch hat der Gesetzgeber stattdessen Transparenzvorschriften eingeführt, die der Hauptversammlung Informationen über die vom Aufsichtsrat zur Wahl vorgeschlagenen Kandidaten geben161. Insbesondere der Beruf und bei börsennotierten Gesellschaften auch anderweitig ausgeübte Aufsichtsratsmandate der Kandidaten sind nach den §§ 124 Abs. 3 Satz 3, 125 Abs. 1 Satz 3 AktG bekannt zu machen. Damit wird vor allem bezweckt, dass die Aktionäre autonom entscheiden können, ob der Kandidat etwa aufgrund seiner im Konkurrenzunternehmen gesammelten Branchenerfahrung und seiner für die Gesellschaft nützlichen Spezialkenntnisse gewählt werden soll, oder ob er wegen zu befürchtender Interessenkonflikte letztlich abgelehnt werden soll162. Eine entsprechende Abwägungsentscheidung hat auch das Gericht im 159 So Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 107 Rn. 181. Nach Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1052 muss etwa 1/4 des Konzernumsatzes betroffen sein; vgl. auch Seibt, in: AG 2003, 465, 475. 160 Kremer, in: Kodex-Kommentar, Rn. 1052. 161 Eingehend zu den Transparenzpflichten im Zusammenhang mit Interessenkonflikten bei Aufsichtsratsmitgliedern Kort, in: ZIP 2008, 717, 720 ff. 162 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfes zum KonTraG, BT-Drucks. 13/ 9712, S. 17; Marsch-Barner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 12 Rn. 141; Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 105; Mense, Interessenkonflikte, S. 98 sowie S. 104 zur im Ergebnis zu Recht verneinten Frage, ob darüber hinaus schon vor

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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Verfahren nach § 104 AktG zu treffen, wobei nicht unerhebliche163 Interessenkollisionen nicht vorschnell als nachrangig eingestuft werden dürfen. Das Gericht überschreitet seinen Ermessensspielraum, wenn es sehenden Auges eine problematische Situation hervorruft164. Es wird daher im Regelfall eher pflichtgemäßer Ermessensausübung auf Grundlage des Unternehmensinteresses entsprechen, wenn einem anderen Kandidaten der Vorzug gegeben wird165, weil vernünftigerweise nicht von der Wahl eines mit erheblichen Interessenkonflikten belasteten Kandidaten auszugehen ist. Dies ist auch mit Blick auf eine zukünftige Bestätigung des Kandidaten durch erneute Wahl der Hauptversammlung zu berücksichtigen, um die Kontinuität im Aufsichtsrat nicht unnötig zu gefährden. Nur wenn die Interessenkonflikte vernachlässigbar gering oder auf Randbereiche beschränkt sind, oder aber besondere Gründe für die Bestellung des Kandidaten sprechen – etwa bei Zustimmung der Großaktionäre –, kommt dessen Bestellung in Betracht166. Auf diese Weise wird das Transparenzdefizit der gerichtlichen Ergänzung kompensiert. Zum Unternehmensinteresse gehört zudem die Schaffung von Rechtssicherheit in der Besetzung des Aufsichtsrats. Da nach h. M. insbesondere jeder Aktionär beschwerdebefugt ist167, ist auch aus diesem Grunde eine möglichst unabhängige Person zu bestellen, um nicht die Einlegung von Rechtsmitteln und die damit einhergehenden Unsicherheiten zu provozieren.

der Wahl auf Grundlage einer „vorvertraglichen Treuepflicht“ eine allgemeine Pflicht des Kandidaten zur Offenlegung von Interessenkonflikten besteht; dazu Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 202 f. 163 Der Grad des Interessenkonflikts kann auch teilweise mit Hilfe kartellrechtlicher Wertungen als Richtschnur ermittelt werden, vgl. Langenbucher ZGR 2007, 571, 572 ff. 164 Lutter/Kirschbaum, in: ZIP 2005, 103, 105. 165 Ähnlich Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 2. b); vgl. auch Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 59 und § 104 Rn. 31, wonach die gerichtliche Bestellung eines Organmitglieds eines Wettbewerbers zwar „nicht von vornherein ausgeschlossen“ ist, aber jedenfalls bei dauerhafter Konkurrenzsituation im Kernbereich der unternehmerischen Tätigkeit regelmäßig ein Ermessensfehler vorliegt. 166 Zu weiteren Differenzierungskriterien, die bei der Ermessensentscheidung herangezogen werden können, vgl. Wirth, in: ZGR 2005, 327, 344 f. 167 KG Berlin v. 4.8.05 – 1 W 397/03, ZIP 2005, 1553, 1554; OLG Dresden v. 30.9.1997 – 15 W 1236/97; AG 1998, 427; OLG Schleswig v. 26.4.2004 – 2 W 46/04, AG 2004, 453, 454; OLG Frankfurt a. M. v. 11.10.1955 – W 210/55, NJW 1955, 1929 (zur Vorgängernorm des § 89 AktG 1937); LG Wuppertal v. 24.6.1969 – 11 T 47/69, AG 1970, 174; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 21; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 41; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 95 f.; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 26; offen hingegen OLG München v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, AG 2006, 590, 592; a. A. und zwischen § 104 Abs. 1 und Abs. 2 AktG differenzierend Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5 f.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

f) Schwebendes Anfechtungsverfahren Der Aspekt, dass durch die gerichtliche Ergänzung keine für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats ungünstige Situation geschaffen oder intensiviert werden soll, sondern im Gegenteil die Voraussetzungen für eine effektive Aufsichtsratstätigkeit ohne „Nebenkriegsschauplätze“ geschaffen werden sollen, spielt auch in den Fällen schwebender Anfechtungsklagen gegen Aufsichtsratswahlen eine maßgebliche Rolle. Wie bereits festgestellt168, kann eine für den Fall des Erfolgs der Anfechtungsklage aufschiebend bedingte und zugleich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nach § 104 AktG zurück wirkende Bestellung gewährleisten, dass der Aufsichtsrat lückenlos besetzt bleibt, auch wenn die Anfechtungsklage Erfolg hat. Insbesondere haben in der Zwischenzeit gefasste Aufsichtsratsbeschlüsse damit Bestand. Fraglich ist, ob das Gericht das Aufsichtsratsmitglied bestellen soll, dessen Wahl mit der Anfechtungsklage angegriffen wird, oder aber einen anderen Kandidaten. (1) Bestellung des betroffenen Mitglieds als Regelfall Zunächst scheint es im Interesse der Gesellschaft angezeigt, einen anderen Kandidaten zu bestellen, um nicht Gefahr zu laufen, dass sich bei Erfolg der Anfechtungsklage die gerichtliche Bestellung als fehlerhaft erweist. Zudem werden sonst möglicherweise Rechte der anfechtenden Aktionäre unzulässigerweise untergraben. Tatsächlich wird sich jedoch in den meisten Fällen ein anderes Bild ergeben: Häufig wird die Anfechtungsklage auf formelle Fehler im Zusammenhang mit der Beschlussfassung durch die Hauptversammlung gestützt. Diese wirken sich nicht auf die Befähigung und Geeignetheit des Aufsichtsratsmitglieds aus. Umgekehrt hat die Hauptversammlung ihren Willen dahin gehend bekundet, dass die gewählte Person das Aufsichtsratsmandat ausüben soll169. Berechtigte Interessen des Anfechtungsklägers werden durch die Bestellung des selben Mitglieds nicht beeinträchtigt, da Gegenstand der Anfechtungsklage allein der geltend gemachte Gesetzes- oder Satzungsverstoß ist. Dieser steht einer nur im Ergebnis gleich lautenden Entscheidung, die fehlerfrei zustande kommt, nicht entgegen170. Tatsächlich wird das pflichtgemäß im Gesellschaftsinteresse auszuübende Ermessen des Gerichts sogar erfordern, dass das Mitglied erneut bestellt wird, dessen Wahl angefochten wird. Dafür spricht vor allem, dass dies die sicherste Variante ist, die Bestandskraft kommender Aufsichtsratsbeschlüsse zu schützen. Denn das Mitglied ist dann entweder – aufgrund rechtskräftiger Abweisung der Anfechtungsklage – durch Hauptversammlungswahl oder „hilfsweise“ durch ge168 169 170

Siehe oben C. II. 1. f) (3). Kocher, in: NZG 2007, 372, 374; Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1812. Vgl. Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1812.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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richtlichen Bestellungsakt legitimiert171. Des Weiteren entspricht die „erneute“ Bestellung des Mitglieds dem geäußerten Willen des nach der aktienrechtlichen Organisationsverfassung zur Besetzung des Aufsichtsrats berufenen Gesellschaftsorgans und das Gericht kommt seiner Funktion als Ersatzbestellungsorgan nach172. Auch die Kontinuität in der Aufsichtsratsbesetzung wird auf diese Weise gewahrt. Erst recht gelten diese, das gerichtliche Ermessen reduzierende Gesichtspunkte, wenn die Anfechtungsklage, gleich auf welche Gründe sie gestützt wird, offensichtlich unbegründet ist. (2) Ausnahme bei personenbezogenen Anfechtungsgründen Anderes gilt, wenn mit der Anfechtungsklage in substantiierter Weise in der Person des gewählten Mitglieds liegende Hinderungsgründe angeführt werden. Da im Rahmen der gerichtlichen Bestellung grundsätzlich kein Präjudiz für das schwebende Anfechtungsverfahren geschaffen werden soll173, ist im Zweifel ein anderer Kandidat zu suchen, wenn sich die vorgebrachten Bedenken nicht ausräumen lassen. Andernfalls käme der gerichtlichen Bestellung entgegen ihrem eigentlichen Zweck die Wirkung eines „verkappten Freigabeverfahrens“ zu. Letztlich muss das Gericht also, wie in gewöhnlichen Fällen des § 104 AktG, von Amts wegen den Sachverhalt ermitteln, die genannten Ermessenskriterien anwenden und nach entsprechender Abwägung ein Mitglied bestellen, das über die erforderliche Befähigung und Eignung verfügt und den Belangen der Gesellschaft entspricht174. Dafür spricht auch, dass auf diese Weise keine Ansatzpunkte für Rechtsmittel gegen die gerichtliche Bestellung geschaffen werden, die erneut dem Gesellschaftsinteresse zuwiderlaufende Unsicherheiten mit sich brächten. Indes stellt sich das Problem, dass ein Dritter nicht „zusätzlich“ zu dem während des schwebenden Anfechtungsverfahrens im Amt befindlichen Mitglied bestellt werden kann. Auch die aufschiebende Bedingung und die Rückwirkung der Bestellung helfen insoweit nicht, da das „zusätzliche“ Mitglied an den Beschlüssen teilnehmen müsste, um deren Bestandskraft im Falle des Erfolgs der Anfechtungsklage aufrecht zu erhalten. Das liefe auf eine unzulässige Überbesetzung des Aufsichtsrats hinaus175, weil zum einen die Zahl der Mitglieder nicht mehr

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Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1809. Kocher, in: NZG 2007, 372, 374. 173 Vgl. zu diesem Gedanken im Fall der gerichtlichen Bestellung eines Notvorstands nach § 85 AktG: OLG Frankfurt v. 28.1.2008 – 20 W 399/07, AG 2008, 419, 421, wonach es „nicht Aufgabe des Registergerichts [ist], vorgreiflich über eine [. . .] schwebende Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage gegen Hauptversammlungsbeschlüsse zu befinden“. 174 Vgl. Vetter/van Laak, in: ZIP 2008, 1806, 1812. 175 Kocher, in: NZG 2007, 372, 373. Hier liegt ein maßgeblicher Unterschied zur ansonsten vergleichbaren Situation der angefochtenen Bestellung eines Abschlussprüfers, 172

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

durch drei teilbar wäre (§ 95 Abs. 1 Satz 3 AktG) und zum anderen gegen gesetzliche oder satzungsmäßige Regelungen verstoßen würde, die stets eine genau bestimmte Zahl vorsehen176. Da das Mitglied, dessen Wahl angefochten wird, in der Schwebezeit uneingeschränkt dem Gremium zugehört und seine Rechte und Pflichten ausüben kann, kommt auch kein Ruhen seiner Mitgliedschaft – wie etwa im Fall der dauerhaften Verhinderung – in Betracht. Hier ergibt sich daher eine Lücke, die auch mit § 104 AktG nicht vollständig geschlossen werden kann. Bei erheblichen Gründen, die gegen das gewählte Aufsichtsratsmitglied sprechen, kann allenfalls geprüft werden, ob es auf Antrag des Aufsichtsrats aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG abberufen werden kann177. Allerdings muss der wichtige Grund in der Person des betroffenen Mitglieds liegen, so dass die drohende rückwirkende Nichtigkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen alleine nicht ausreicht. Im Rahmen der für das Vorliegen eines wichtigen Grundes entscheidenden Frage, ob ein Verbleib des betroffenen Mitglieds für die Gesellschaft unzumutbar ist, sowie der erforderlichen Interessenabwägung178 können die Gefahr rückwirkender Vernichtung der Aufsichtsratsbeschlüsse und die damit verbundenen Konsequenzen jedoch als Argument angeführt werden. Sachgerechter dürfte es in solchen Konstellationen sein, dass das betroffene Mitglied sein Aufsichtsratsamt niederlegt. Dies ist grundsätzlich jederzeit und ohne Angabe von Gründen möglich179, bleibt aber freilich eine freiverantwortliche Entscheidung des Mitglieds. Die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern kann also zwar weit reichend, aber nicht vollständig dafür sorgen, dass Aufsichtsratsbeschlüsse nicht durch erfolgreiche Anfechtungsklagen rückwirkend unwirksam werden. Die Möglichkeit der Absicherung stößt an Grenzen, wenn in der Person des gewählten Mitglieds liegende Gründe auch die gerichtliche Bestellung verhindern. Wenn dann weder Abberufung noch Amtsniederlegung in Betracht kommen, bleibt allein die Möglichkeit, erneut die Hauptversammlung einzuberufen. All dies zeigt auch, wie bedeutsam die dem Aufsichtsrat obliegende sorgfältige Auswahl von Kandidaten ist, um schon im Vorfeld der Wahl durch die Hauptversammlung keine Anfechtungsgründe entstehen zu lassen. in der die gerichtliche Bestellung eines weiteren Abschlussprüfers möglich ist, vgl. dazu von Falkenhausen/Kocher, in: ZIP 2005, 602 ff. 176 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 95 Rn. 9; Hüffer, AktG, § 95 Rn. 3. 177 Vgl. Kocher, in: NZG 2007, 372, 374. 178 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 39 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 103 Rn. 32, wonach sich der wichtige Grund „jedenfalls überwiegend auf die Person des Antragsgegners zurückführen lassen“ muss. 179 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 59 f.; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 17; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 103 Rn. 56; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 103 Rn. 17; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 51; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C Rn. 88.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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g) Rangfolge der Kriterien Die Vielzahl der genannten Auswahlkriterien bringt es mit sich, dass nicht in jeder Entscheidung sämtliche Kriterien gleichermaßen berücksichtigt werden können. In einem ersten Schritt sind die zwingenden gesetzlichen und satzungsmäßigen Voraussetzungen, denen der Kandidat entsprechen muss, zu prüfen. Hier besteht kein Ermessensspielraum. Sodann bietet es sich an, den Geschäftsbereich und die Realstruktur der Gesellschaft, ihr Umfeld und insbesondere die Struktur der bisherigen Aufsichtsratsbesetzung zu analysieren. Auf diese Weise lassen sich die wesentlichen, für den jeweiligen Einzelfall relevanten „weichen“ Ermessenskriterien herausarbeiten. Schließlich sind die verbleibenden Kriterien als ergänzende Auswahlhilfe heranzuziehen. Stehen mehrere Kandidatenvorschläge im Raum, ist abzuwägen, welchen Kriterien im Interesse effektiver Aufsichtsratstätigkeit besonderes Gewicht beizumessen ist, und wessen Profil dieser Zielvorgabe näher kommt. 7. Folgen von Auswahlfehlern Bestellt das Gericht einen Kandidaten, der den gesetzlich zwingend vorgegebenen Bestellungsvoraussetzungen nicht genügt – beispielsweise weil er nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AktG bereits zehn Aufsichtsratsmandate inne hat oder nach § 100 Abs. 1 Satz 1 AktG unerkannt geisteskrank ist –, so stellt sich die Frage, ob der ausgewählte Kandidat auf Grundlage des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses und damit eines staatlichen Hoheitsaktes das Amt dennoch wirksam wahrnehmen kann, oder ob die Bestellung nichtig ist. a) Rechtskraft versus Inkompatibilität Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass die gerichtliche Entscheidung nach § 104 Abs. 1 Satz 5 bzw. Abs. 2 Satz 4 AktG mit der Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG angegriffen werden kann. Sind die Rechtsmittel erschöpft, oder ist die Monatsfrist für die Beschwerde nach § 63 Abs. 1 FamFG (früher: zweiwöchige Frist für die sofortige Beschwerde nach § 22 Abs. 1 Satz 1 FGG) verstrichen, erwächst die Entscheidung in Rechtskraft180. Ob dabei wegen des Charakters der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern als Rechtsfürsorgeverfahren mit Gestaltungswirkung nur von formeller Rechtskraft nach § 45 FamFG181, 180 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 43; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 103. 181 Bei dieser Vorschrift handelt es sich lediglich um eine gesetzgeberische Klarstellung, Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 198.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

nicht aber von materieller Rechtskraft zu sprechen ist182, kann hier offen bleiben, da jedenfalls eine Bindungswirkung gegenüber den Beteiligten eintritt. Denn grundsätzlich sind auch fehlerhafte Gerichtsentscheidungen nach Eintritt der Rechtskraft verbindlich und auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit gilt, dass ein Verstoß gegen materielles Recht im Regelfall nicht zur Unwirksamkeit der Entscheidung führt183. Die Rechtskraft bezweckt gerade, im Interesse der Rechtssicherheit und des Vertrauens in gerichtliche Entscheidungen ein bestimmtes Ergebnis verbindlich festzulegen184, das gegebenenfalls trotz materiellrechtlicher Fehler grundsätzlich bestehen bleibt und nur in eng begrenzten Ausnahmefällen abgeändert werden kann oder nichtig ist. Somit kann für die Fälle lediglich fehlerhaft ausgeübten Ermessens schon an dieser Stelle festgestellt werden, dass keine Nichtigkeit in Betracht kommt185. Auch sprechen diese Grundsätze dafür, dass die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, das die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt, mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung als wirksam zu betrachten ist. Die überwiegende Meinung in der Literatur geht überdies davon aus, dass ein rechtskräftiger Bestellungsbeschluss auch dann wirksam ist, wenn hinsichtlich des Kandidaten gesetzliche Hinderungsgründe bestehen186. Letzterem könnte indes der Wortlaut des § 100 AktG entgegen stehen, dessen Anforderungen an die einzelnen Aufsichtsratsmitglieder gemäß § 104 Abs. 4 Satz 3 AktG auch für die gerichtliche Bestellung gelten187. Nach § 100 Absatz 1 Satz 1 AktG „kann nur“ eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Person Aufsichtsratsmitglied sein; überdies darf keine rechtliche Betreuung mit Einwilli-

182 Kritisch gegenüber einer materiellen Rechtskraftwirkung von fürsorgerischen Entscheidungen rechtsgestaltender Art Bumiller/Winkler, FGG, § 31 Rn. 15, da solche Entscheidungen unmittelbar eine gegenüber jedermann geltende Änderung der materiellen Rechtslage herbeiführten, die aber keine materielle Rechtskraft bedeute; ähnlich Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 37 m.w. N. Das zivilprozessuale Schrifttum bezieht ausdrücklich auch Gestaltungsurteile in den Bereich der materiellen Rechtskraftwirkungen mit ein, unterscheidet jedoch dabei zwischen der Gestaltungswirkung und der materiellen Rechtskraft, vgl. Musielak, ZPO, § 322 Rn. 6 ff. 183 Vgl. Bassenge/Roth, FGG, § 7 Rn. 6; Bumiller/Winkler, FGG, § 7 Rn. 15; Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 31; Habscheid, in: NJW 1966, 1787, 1791; auch zu sonstigen Beschlussmängeln Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 93 m.w. N. 184 Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 31; Musielak, ZPO, § 322 Rn. 1. 185 Vgl. Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 32; Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 7 Rn. 41. 186 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 22 und § 100 Rn. 16; Hopt/ Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 103 und § 100 Rn. 111; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 24; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 43, § 100 Rn. 17; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 107; demgegenüber ist nach dems., in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 26, im Falle des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Nichtigkeit der Entscheidung anzunehmen. 187 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 68; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 37; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 18.

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gungsvorbehalt angeordnet sein (§ 100 Abs. 1 Satz 2 AktG i.V. m. § 1903 BGB). Ähnlich deutlich formuliert die Vorschrift in ihrem Absatz 2: Aufsichtsratsmitglied „kann nicht sein“, in dessen Person einer der dort näher bezeichneten Hinderungsgründe vorliegt, wie insbesondere die Mitgliedschaft in zehn obligatorischen Aufsichtsräten anderer Handelsgesellschaften. Es liegt also nahe zu argumentieren, dass die Vorschrift persönliche Voraussetzungen und Hinderungsgründe statuiert, die jeweils absolut und unabhängig von der Art und Weise der Bestellung gelten, so dass auch ein rechtskräftiger gerichtlicher Bestellungsbeschluss als unwirksam zu betrachten wäre188. An dieser Stelle stehen sich somit Grundsätze des prozessualen Rechts der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf der einen Seite und des Aktienrechts auf der anderen Seite gegenüber, die isoliert betrachtet zu diametral unterschiedlichen Ergebnissen gelangen: Wirksamkeit der Aufsichtsratsbestellung wegen rechtskräftiger Entscheidung hier, Unwirksamkeit derselben wegen aktiengesetzlichen Verbotstatbestands dort. So führt die Stellung des Verfahrens nach § 104 AktG im Schnittfeld zwischen Aktienrecht und dem Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit vorliegend zu Unstimmigkeiten, wohingegen sich bei den bislang erörterten Fragestellungen die sich aus den jeweiligen Regelungskomplexen ableitbaren Argumente gegenseitig bekräftigten. b) Lösung des Konflikts (1) Gesetzliche Bestimmungen Die Suche nach gesetzlichen Vorschriften, welche die konfligierenden Bestimmungen in Einklang bringen oder zumindest einer vermittelnden Lösung zuführen können, ist vergeblich189. So finden sich im FamFG lediglich spezielle Vorschriften über Handlungen eines unzuständigen Richters (§ 2 Abs. 3 FamFG, der insoweit dem bisherigen § 7 FGG entspricht190) oder etwa in § 47 FamFG (früher: § 32 FGG) die Regel, dass sich die Aufhebung einer zu Rechtsgeschäften ermächtigenden Verfügung nicht auf Rechtsgeschäfte auswirkt, die auf deren Grundlage abgeschlossen wurden. Auch der neue § 48 Abs. 1 Satz 1 FamFG hilft nicht weiter, da eine Abänderung oder Aufhebung der Entscheidung voraussetzt, dass sich die zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich – also nach Erlass des Beschlusses191 – und wesentlich geändert hat. 188 Nach Bassenge/Roth, FGG, § 7 Rn. 11 sind Entscheidungen grundsätzlich unwirksam, wenn das Gesetz bestimmte Vorgänge ausschließt („kann nicht“), es sei denn, das Gesetz nennt selbst andere Verstoßfolgen. 189 Vgl. Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 90 f. 190 Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 175.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

Was das Aktiengesetz betrifft, so könnte man wegen der Vorbildfunktion der ordentlichen Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern für die gerichtliche Bestellung an einen Analogieschluss zu § 250 Abs. 1 Nr. 4 i.V. m. § 100 Abs. 1, 2 AktG denken, wonach die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern nichtig ist, wenn ein Inkompatibilitätsgrund vorliegt. Jedoch ist § 250 AktG systematisch in dem Abschnitt über nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse verortet, so dass seine Wertungen nicht ohne weiteres auf gerichtliche Akte übertragbar sind. Mag man von einer planwidrigen Regelungslücke als Voraussetzung für eine Analogie noch sprechen können, so sind jedenfalls die Interessenlagen nicht hinreichend vergleichbar, weil das berechtigte Vertrauen in die Bestandskraft des rechtskräftigen gerichtlichen Bestellungsbeschlusses das Vertrauen in den Bestand eines Hauptversammlungsbeschlusses deutlich überwiegt. Dem entspricht die h. M., nach der die Nichtigkeitsgründe des § 250 AktG ausschließlich für Aufsichtsratswahlen durch die Hauptversammlung gemäß § 101 Abs. 1 AktG gelten192. Schließlich kann auch die allgemeine Vorschrift des § 134 BGB (Nichtigkeit von Rechtsgeschäften bei Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot) nicht herangezogen werden, weil diese sich allein auf Rechtsgeschäfte bezieht und somit nicht einen gerichtlichen Bestellungsakt erfassen kann193. Zwar ließe sich auch hier argumentieren, der gerichtliche Bestellungsakt wirke letztlich wie ein privatrechtlicher Wahlbeschluss der Hauptversammlung. Gleichwohl kann ein gerichtlicher Bestellungsakt insoweit nicht mit privatrechtlichem Handeln gleichgesetzt werden. (2) Allgemeine Unwirksamkeitsgründe im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit Im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind bestimmte Fallgruppen anerkannt, in denen Gerichtsentscheidungen unwirksam sind. Insbesondere das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage für die Entscheidung und die Anordnung einer 191 Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-Reformgesetz – FGG-RG), BT-Drucks. 16/6308, S. 198. 192 BGH v. 5.12.2005 – II ZR 291/03, NZG 2006, 138, 139; K. Schmidt, in: Großkommentar, AktG, § 250 Rn. 5 ff.; Hüffer, AktG, § 250 Rn. 2; ders., in: Münchener Kommentar, AktG, § 250 Rn. 3; Göz, in: Bürgers/Körber, AktG, § 250 Rn. 2. Danach gilt die Vorschrift selbst für die mit der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern enger verwandte Entsendung nicht. Anders, allerdings nur hinsichtlich der Entsendung und der Wahl von Arbeitnehmern eine Analogie befürwortend, Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 305 ff. 193 Schon bei öffentlich-rechtlichen Verträgen ist die Reichweite der entsprechenden Anwendbarkeit des § 134 BGB umstritten, sonstige Hoheitsakte werden nicht von § 134 BGB erfasst, vgl. Sack, in: Staudinger, BGB, § 134 Rn. 10 ff.; Armbrüster, in: Münchener Kommentar, BGB, § 134 Rn. 23 ff.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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der Rechtsordnung unbekannten Rechtsfolge sind hier in Betracht kommende Fallgruppen194. Da es jedoch streng genommen bei jeder materiell unrichtigen Entscheidung keine gesetzliche Grundlage gibt, sind damit nur Entscheidungen gemeint, für die es allgemein an einer gesetzlichen Grundlage fehlt oder die ihrer Art nach dem Gesetz unbekannt sind195. So wäre etwa die gerichtliche Bestellung eines Beiratsmitglieds nach diesen Kriterien nichtig, da das Gesetz an keiner Stelle die Ergänzung eines Beirats durch das Gericht vorsieht. Darüber hinaus besteht auch kein besonderes Bedürfnis für ein hoheitliches Eingreifen, weil ein Beirat nur fakultativ eingerichtet und nur eingeschränkt mit Kompetenzen ausgestattet werden kann. Dagegen liegt bei der gerichtlichen Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds, das den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt, regelmäßig kein Akt vor, der in diesem Sinne völlig ohne gesetzliche Grundlage ergeht oder gar als der Rechtsordnung unbekannt zu qualifizieren wäre. Daher scheiden diese Fallgruppen vorliegend aus. Eine weitere Fallgruppe der Nichtigkeit von Entscheidungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit betrifft Fälle, für die die Nichtigkeitsfolge gesetzlich angeordnet ist196. Teilweise finden sich Vorschriften zu anderen Regelungskomplexen, die ausdrücklich anordnen, dass eine Entscheidung der freiwilligen Gerichtsbarkeit unwirksam ist. So ist nach § 2201 BGB die Ernennung des Testamentsvollstreckers und ebenso nach § 1780 BGB die Bestellung eines Vormundes unwirksam, wenn die jeweils bestimmte Person geschäftsunfähig ist197. Diese Fälle aus dem Erb- und Familienrecht sind freilich nicht unbesehen auf die gesellschaftsrechtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern übertragbar. Jedoch zeigt das Gesetz, dass auch Bestellungsakte der freiwilligen Gerichtsbarkeit unwirksam sein können. Im Unterschied zu § 100 AktG, der allgemein, und nicht auf die gerichtliche Bestellung bezogen, die Inkompatibilität von Aufsichtsratsmitgliedern regelt, hat § 1780 BGB indes gerade die Bestellung durch das Vormundschaftsgericht im Blick. Das Gesetz erklärt also an anderer Stelle Entscheidungen, die ihrer Art nach mit der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern vergleichbar sind, in bestimmten Fällen für unwirksam. Somit sind auch im Rahmen des § 104 AktG unwirksame Entscheidungen zumindest denkbar. Allerdings ist dieses Argument umkehrbar: Das Fehlen einer gesetzlich ausdrücklich angeord-

194 Vgl. zu diesen Fallgruppen BayObLG v. 23.8.1984 – BReg 1 Z 5/84, BayObLGZ 1984, 230, 235 f.; LG München v. 9.6.2005 – 5 HK O 10154/04, DB 2005, 1617, 1618; LG München v. 22.12.2005 – 5HK O 9885/05, AG 2006, 762, 765; Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 7 Rn. 42b; Bumiller/Winkler, FGG, § 7 Rn. 17; Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 34 f.; Habscheid, in: NJW 1966, 1787, 1793. 195 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 94. 196 Vgl. Habscheid, in: NJW 1966, 1787, 1793 f. 197 Zur Nichtigkeit der Bestellung eines Geschäftsunfähigen zum Vormund Diederichsen, in: Palandt, BGB, § 1780 Rn. 1; Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 7 Rn. 40; Habscheid, in: NJW 1966, 1787, 1794 m.w. N.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

neten Nichtigkeitsfolge lässt sich auch dahin gehend werten, dass gerade keine Nichtigkeit eintreten soll. Der Grundgedanke, dass auch materiell fehlerhafte Entscheidungen nach Eintritt der Rechtskraft im Interesse der Rechtssicherheit fest stehen und nicht abgeändert werden können, erfährt hier dadurch eine Modifikation, dass nicht über geltend gemachte Ansprüche zwischen verschiedenen Prozessparteien fehlerhaft entschieden wird, sondern das Gericht im Rechtsfürsorgeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit unmittelbar gestaltend in die Organisation der Gesellschaft eingreift. Der Rechtsfriede ist in solchen Rechtsfürsorgeverfahren mangels streitbeendenden Elements naturgemäß nicht in dem Maße betroffen wie in einer Streitsache. Da überdies in der Regel nicht verschiedene Beteiligte ihren jeweiligen Kandidatenvorschlag verteidigen oder gegen einen konkurrierenden Vorschlag argumentieren und so dem Gericht auch nicht die maßgeblichen Gründe für eine Entscheidung ausführlich dargelegt werden, sind Rechtsfürsorgeverfahren fehleranfälliger als die mit den Zivilurteilen verwandten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Das spricht dafür, weniger enge und strenge Voraussetzungen für die Durchbrechung der Rechtskraft und somit die Nichtigkeit der Entscheidung anzunehmen198. Eine Entscheidung in einer Streitsache ist, wie ein Zivilurteil, nur dann als nichtig anzusehen, wenn ihr ein derart schwerer und offen zu Tage tretender Mangel anhaftet, dass es bei Berücksichtigung der Belange der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens „schlechthin unerträglich“ wäre, den Richterspruch anzuerkennen und aufrecht zu erhalten199. Der Bestellung eines untauglichen Aufsichtsratsmitglieds müssen keine derart schwerwiegenden Gründe entgegen stehen, um Nichtigkeit anzunehmen. (3) Aktienrechtliche Aspekte Bei der Frage der Nichtigkeit der Bestellung ist überdies zu berücksichtigen, dass nach Sinn und Zweck des § 104 AktG gerade die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats sicher gestellt werden soll200. Dem kommt der Normzweck des

198 So Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 37 m.w. N. Insoweit ohne Differenzierung zwischen Rechtsfürsorge- und Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit hingegen Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 92 ff. 199 BayObLG v. 13.11.1986 – BReg 3 Z 137/86, juris Rn. 50 mit Verweis auf die zur Unwirksamkeit von Strafurteilen ergangenen Entscheidungen des BVerfG v. 12.11.1984 – 2 BvR 1350/84, NJW 1985, 125 f. und des BGH v. 16.1.1985 – 2 StR 717/84, NJW 1985, 926. 200 BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676, 677; OLG Hamm v. 23.2.2000 – 15 W 46/00, AG 2001, 145, 146; OLG Köln v. 29.3.2007 – 2 Wx 4/07, AG 2007, 822, 823; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 3; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 1; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 1; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 1; Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 217.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

171

§ 100 AktG nahe, der die Effektivität der Aufsichtsratstätigkeit schützt201. Diese teleologischen Gesichtspunkte können bei der Frage der Nichtigkeit der Bestellung nicht unberücksichtigt bleiben. Vielmehr sind solche wertenden Kriterien allgemein bei der Nichtigkeit von Staatsakten und so auch bei Akten der freiwilligen Gerichtsbarkeit maßgeblich zu beachten202. Dies gilt umso mehr, wenn man bedenkt, dass die Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern eine eher atypische Aufgabe des Gerichts darstellt. Um dem Erfordernis der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats gerecht zu werden, darf einerseits nicht vorschnell die Nichtigkeit der Ersatzbestellung angenommen werden, weil ansonsten die Beschlussunfähigkeit bzw. Unterbesetzung fortbesteht. Andererseits gilt es aber ebenso zu verhindern, dass generell ausgeschlossene Kandidaten in das Gremium gelangen, denn damit ist der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Aufsichtsratstätigkeit ebenfalls nicht gedient. (4) Erforderliche Differenzierung Die genannten Wertungen geben die Lösung der Diskrepanz zwischen Rechtskraftwirkung und materiellrechtlichem Hinderungsgrund vor: Es muss differenziert werden zwischen Bestellungshindernissen, welche den Kandidaten kategorisch von der Amtsausübung ausschließen, und solchen, die grundsätzlich von dem Kandidaten selbst behoben werden können. So müssen die Voraussetzungen des § 100 Abs. 1 AktG – also eine natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige und nicht unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt stehende Person – immer zwingend vorliegen, andernfalls ist die Bestellung nichtig. Dafür spricht neben Zweckmäßigkeitserwägungen auch, dass diese Voraussetzungen im öffentlichen Interesse festgelegt sind203 und bei allen obligatorischen Geschäftsführungs- und Überwachungsorganen des Kapitalgesellschaftsrechts vorliegen müssen204. Überdies führt im Allgemeinen ein nachträglicher Wegfall der Voraussetzungen zum automatischen und sofortigen Ausscheiden aus dem Gremium205, so dass die pa201 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 1; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 9 m.w. N. 202 Müther, in: Jansen, FGG, § 7 Rn. 33; vgl. auch von Hippel, Untersuchungen zum Problem des fehlerhaften Staatsakts, S. 42 ff., 143 ff. 203 Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 100 Rn. 14. 204 Vgl. §§ 76 Abs. 3 Satz 1, 2; 100 Abs. 1 AktG; §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 2; 52 Abs. 1 GmbHG. Eine Ausnahme bildet die KGaA, was sich indes auf deren Charakter als Mischform mit dominierenden personengesellschaftsrechtlichen Elementen zurückführen lässt, vgl. allgemein Assmann/Sethe, in: Großkommentar, AktG, Vor § 278 Rn. 142, § 278 Rn. 3; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 17 I 1. 205 Ganz h. M., Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 32; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 100 Rn. 50 f.; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 47; Hüffer, AktG, § 100 Rn. 11; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 12; a. A. Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 318 ff.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

rallele Rechtsfolge der Unwirksamkeit angemessen ist. Dieses Ergebnis wird auch dadurch gestützt, dass neben dem gerichtlichen Bestellungsbeschluss die Annahme des Amtes durch den Bestellten, mithin eine wirksame einseitige rechtsgestaltende Willenserklärung erforderlich ist206, was bei Geschäftsunfähigen, beschränkt Geschäftsfähigen und unter Betreuung mit Einwilligungsvorbehalt stehenden Personen nicht möglich wäre, bzw. weitere Probleme hervorrufen würde. Schließlich ist die Bestellung nicht voll Geschäftsfähiger weder mit der Bedeutung der dem Aufsichtsrat obliegenden Aufgaben vereinbar207, noch mit dem Schutzbedürfnis solcher Personen hinsichtlich der mit dem Aufsichtsratsmandat einhergehenden Haftungsrisiken. Demgegenüber beruhen die Hinderungsgründe des Absatzes 2 auf anderweitigen Tätigkeiten des – im Übrigen als geeignet anzusehenden – Kandidaten in Organen anderer Gesellschaften. Es besteht daher zumindest die Möglichkeit, dass der Kandidat den Hinderungsgrund bis zum Amtsantritt208 beseitigt, indem er etwa ein anderes Amt niederlegt. Zudem sind die Gründe des § 100 Abs. 2 AktG gerade bei der als Übergangslösung fungierenden gerichtlichen Ersatzbestellung von geringerer Tragweite, weil diese Gründe insbesondere darauf abzielen, dass der Kandidat über genügend zeitliche Ressourcen verfügt und keine dem Organisationsgefälle der Gesellschaft widersprechenden Konstellationen entstehen209. c) Haftungsfragen Für die Aufsichtsratsmitglieder ist aufgrund ihrer „Vorschlagsverantwortung“ bei der ordentlichen Wahl von Anteilseignervertretern anerkannt, dass ein Auswahlverschulden in Betracht kommt und damit auch eine Haftung gegenüber der Gesellschaft nach den §§ 116, 93 Abs. 2 AktG möglich ist210. Der Einwand, nur 206 Vgl. BayObLG v. 9.7.2004 – 3 Z BR 99/04, juris Rn. 6; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 20; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 90; Wardenbach, Interessenkonflikte und mangelnde Sachkunde als Bestellungshindernisse zum Aufsichtsrat der AG, S. 312; Lutter, in: Festschrift für Beusch, S 518 f. 207 So bereits die Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 135. 208 Grundsätzlich ist der Zeitpunkt des Amtsantritts maßgeblich, es sei denn, es handelt sich um absolut feststehende Eigenschaften, wie etwa bei Bestellung einer juristischen Person, vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 29; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 12; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 42; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 100 Rn. 108. 209 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 100 Rn. 13, 19; § 100 Rn. 22, 33; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 100 Rn. 3, 6. 210 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 100 Rn. 4 und 11, § 101 Rn. 17; Spindler/Stilz, AktG, § 101 Rn. 39; Götz, in: AG 1995, 337, 345 f.; Lutter, in: ZIP 2003, 417 f.; v. Werder/Wieczorek, in: DB 2007, 297, 302 f. kritisch demgegenüber Sünner, in: ZIP 2003, 834.

II. Auswahl der zu bestellenden Person

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das Bestellungsorgan sei verantwortlich für die Wahl, nicht auch das lediglich die Kandidaten vorschlagende Organ, ist unbeachtlich211. Bei der gerichtlichen Bestellung sprechen insoweit keine Gründe für eine andere Beurteilung, weil der Kandidatenvorschlag auch hier die Auswahlentscheidung maßgeblich beeinflussen kann. Was ein etwaiges Auswahlverschulden des Gerichts anbelangt, so gab es, soweit ersichtlich, bislang noch keine Fälle, in denen Gesellschaften ein Auswahlverschulden des Gerichts etwa im Wege eines Amtshaftungsanspruchs nach Art. 34 GG i.V. m. § 839 BGB geltend gemacht haben. Indes gibt die mögliche Amtshaftung bei Bestellung eines ungeeigneten Testamentsvollstreckers oder Vormundes212, welche in den Fällen der §§ 1779, 2200 BGB ebenfalls durch das Gericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erfolgen kann, einen Hinweis darauf, dass auch bei der gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern solche Ansprüche nicht von vornherein ausgeschlossen sind. Allerdings bestehen erhebliche Hürden, die zur Begründung eines solchen Amtshaftungsanspruchs überwunden werden müssten. Wesentlich sind dabei folgende Gesichtspunkte: Anders als die bei der Aufsichtsratswahl durch die Hauptversammlung handelnden Aktionäre, die ihre Wahlentscheidung als mitgliedschaftliches Teilhaberecht völlig frei und ohne Haftungsfolgen treffen dürfen213, ist das Gericht zur sorgfältigen Kandidatenauswahl gegenüber der Gesellschaft verpflichtet, in deren Interesse das Rechtsfürsorgeverfahren der Ersatzbestellung durchzuführen ist. Daher kann von einer drittbezogenen214 Amtspflicht im Sinne des § 839 BGB gesprochen werden. Dass im Regelfall ein Vorschlag seitens des Aufsichtsrats oder des Vorstands unterbreitet wird, entbindet das Gericht nicht von der erforderlichen Vergewisserung darüber, ob der Kandidat tatsächlich zur Ausübung des Aufsichtsratsmandats geeignet ist. Der Amtsermittlungsgrundsatz nach §§ 375 Nr. 3, 26 FamFG (früher: §§ 145 Abs. 1, 12 FGG) setzt jedenfalls eine Mindestprüfung der Qualifikation des Kandidaten voraus. Kann die Gesellschaft von denjenigen, die den Vorschlag unterbreitet haben, Schadensersatz verlangen, so wird der Ausschlussgrund des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB eingreifen, wonach bei bloßer Fahrlässigkeit kein Amtshaftungsanspruch besteht, wenn der Geschädigte auf andere Weise Ersatz erlangen kann. Voraus211 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 116 Rn. 22, wonach sich das Aufsichtsratsmitglied nicht auf ein „Mitverschulden“ der Wähler berufen kann. 212 Engler, in: Staudinger, BGB, § 1781 Rn. 6; Zimmermann, in: Münchener Kommentar, BGB, § 2200 Rn. 7; Mayer, in: Bamberger/Roth, BGB, § 839 Rn. 6. 213 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 101 Rn. 18. Dies gilt auch für Wahlvorschläge, die Aktionäre nach § 127 Satz 1 AktG unterbreiten, Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 101 Rn. 8. 214 Dazu allgemein Papier, in: Münchener Kommentar, BGB, § 839 Rn. 227 ff.; Wurm, in: Staudinger, BGB, § 839 Rn. 168 ff. m.w. N.

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D. Das Gericht als Ersatzbestellungsorgan

setzung für diesen Ausschlussgrund ist aber, dass die Durchsetzung des anderen Anspruchs rechtlich und wirtschaftlich begründete Aussicht auf Erfolg bietet und zumutbar ist215. Andernfalls steht der Auswahlfehler des Gerichts neben dem Vorschlagsfehler und kann zu einer gesamtschuldnerischen Haftung führen. Der weitere Ausschlussgrund des sog. „Spruchrichterprivilegs“ nach § 839 Abs. 2 BGB gilt nach überwiegender Auffassung nicht für nicht-streitentscheidende Beschlüsse der freiwilligen Gerichtsbarkeit216. Insoweit hat somit auch hier der Rechtsfürsorgecharakter des Verfahrens nach § 104 AktG Auswirkungen. Allerdings ist stets die richterliche Unabhängigkeit im Rahmen des Verschuldens zu berücksichtigen, was darauf hinausläuft, dass nur vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln zur Amtshaftung führen kann217. Beides wird kaum jemals gegeben und beweisbar sein. Für den Amtshaftungsanspruch ist außerdem erforderlich, dass der Vorrang des Primärrechtsschutzes nach § 839 Abs. 3 BGB beachtet wurde, Rechtsmittel also unverschuldet nicht eingelegt wurden. Regelmäßig wird ein Amtshaftungsanspruch des Weiteren bereits daran scheitern, dass der Gesellschaft kein kausaler Schaden entstanden ist. Insgesamt kommt somit ein Amtshaftungsanspruch wegen eines Auswahlfehlers des Gerichts kaum in Betracht.

215 BGH v. 11.11.2004 – III ZR 101/03, NJW-RR 2005, 284, 285; BGH v. 6.10.1994 – III ZR 134/93, NJW-RR 1994, 248, 250; Sprau, in: Palandt, BGB, § 839 Rn. 58; Papier, in: Münchener Kommentar, BGB, § 839 Rn. 318. 216 Sprau, in: Palandt, BGB, § 839 Rn. 65; Papier, in: Münchener Kommentar, BGB, § 839 Rn. 326; vgl. auch BGH v. 19.2.1962 – III ZR 23/60, NJW 1962, 1500, 1502; BGH v. 3.7.2003 – III ZR 326/02, NJW 2003, 3052, 3053; Klärungsbedarf in dieser Frage sieht Wurm, in: Staudinger, BGB, § 839 Rn. 326. 217 BGH v. 3.7.2003 – III ZR 326/02, NJW 2003, 3052, 3053; OLG Frankfurt a. M. v. 29.3.2001 – 1 U 25/00, NJW 2000, 3270, 3271; Sprau, in: Palandt, BGB, § 839 Rn. 53; ausführlich Wurm, in: Staudinger, BGB, § 839 Rn. 209, 313 und 655.

E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied Neben den Antragsberechtigten und dem Gericht kann das zu bestellende Aufsichtsratsmitglied als dritte Hauptfigur im Verfahren nach § 104 AktG angesehen werden. Allerdings kommt ihm dabei schon nach der gesetzlichen Konzeption eine vorwiegend passive Rolle zu; insbesondere hat es keinen maßgeblichen Einfluss auf den Verfahrensgang. Entsprechend knapp sind die gesetzlichen Regelungen, die seine rechtliche Stellung sowohl im Verlauf des gerichtlichen Bestellungsverfahrens, als auch in der Folgezeit als Mitglied des Aufsichtsrats betreffen.

I. Gesetzliche Vorgaben In § 104 AktG wird das neu zu bestellende Mitglied zunächst gleichsam ausgeblendet, indem die Vorschrift lediglich das Gericht ermächtigt und verpflichtet, den Aufsichtsrat auf Antrag „zu ergänzen“, wenn Beschlussunfähigkeit (Absatz 1) bzw. Unterbesetzung über drei Monate oder Dringlichkeit (Absatz 2) gegeben ist. Die Bestimmung bezieht sich also allein auf das Ziel, das Gesamtgremium wieder beschlussfähig zu machen bzw. es zu vervollständigen. Erst in den Absätzen 4 bis 6 wird der zu bestellende Kandidat erwähnt. Zunächst allerdings nur insofern, als die an ihn zu stellenden gesetzlichen oder satzungsmäßigen besonderen Voraussetzungen vorliegen müssen, und er bei mitbestimmten Aufsichtsräten zur Wahrung des zahlenmäßigen Verhältnisses einer bestimmten Gruppe zugehören muss (§ 104 Abs. 4 Sätze 3 und 1 AktG). Diese Vorgaben beziehen sich somit zwar auf den Kandidaten, jedoch ist es Aufgabe des Gerichts sowie des Antragstellers, sofern dieser einen Kandidatenvorschlag unterbreitet, die Auswahlentscheidung daran auszurichten. Die Rechtsposition des gerichtlich bestellten Mitglieds wird vom Gesetz dagegen nur rudimentär umrissen. So findet sich in Absatz 5 eine – freilich nicht abschließende – Regelung über das Ende der Amtszeit. In Absatz 6 werden der Ersatz barer Auslagen und die Vergütung geregelt. Das in § 104 Abs. 6 Sätze 2 bis 5 AktG relativ ausführlich bestimmte Recht des gerichtlich Bestellten, die Auslagen und die Vergütung vom Gericht festsetzen zu lassen, ist in der Praxis nahezu bedeutungslos, wie die vom Verfasser befragten Registerrichter bestätigten1. 1 Keiner der Befragten hatte jemals über einen Antrag nach § 104 Abs. 6 Satz 2 AktG zu entscheiden, so dass zwangsläufig auch die sich anschließenden Rechtsmittelund Vollstreckungsvorschriften kaum Anwendung finden. Vgl. auch Krafka/Willer, Registerrecht, Rn. 1708, die diesen Befund ebenfalls bestätigen.

176

E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

II. Grundsatz der Gleichbehandlung Schon die spärlichen Regelungen, die das Aktiengesetz hinsichtlich des gerichtlich bestellten Mitglieds trifft, legen den Schluss nahe, dass grundsätzlich nicht zwischen den Rechten und Pflichten des gerichtlich Bestellten und der anderen Aufsichtsratsmitglieder zu differenzieren ist. Käme dem gerichtlich Bestellten ein Sonderstatus zu, widerspräche dies zudem der Ersatzfunktion der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats. Deren Ziel liegt darin, möglichst die Situation herzustellen, die nach Durchführung einer ordentlichen Bestellung bestünde. So ändert auch der hoheitliche Bestellungsakt nichts daran, dass zwischen der Gesellschaft und dem Bestellten, sobald dieser die Annahme des Mandats erklärt hat, ebenfalls ein korporationsrechtliches Rechtsverhältnis entsteht, aus dem die Rechte und Pflichten resultieren, die auch für die ordentlich bestellten Aufsichtsratsmitglieder der jeweiligen Gesellschaft gelten2. Das Mitglied erhält mithin genau das Mandat, das eigentlich bei Anteilseignervertretern im Wege der Hauptversammlungswahl bzw. bei Arbeitnehmervertretern durch einen entsprechenden Bestellungsakt des zuständigen Arbeitnehmergremiums zu besetzen war. Abweichende Satzungsbestimmungen, die Einschränkungen oder Erweiterungen der Rechte und Pflichten des gerichtlich Bestellten vorsehen, sind nicht zulässig3. Die grundsätzliche Gleichbehandlung zeigt sich darüber hinaus bei der Frage der Vergütung: Wenn, wie in der Praxis üblich, die Satzung eine bestimmte Vergütung vorsieht oder eine solche von der Hauptversammlung bewilligt ist, dann hat auch der gerichtlich Bestellte einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Vergütung in selber Höhe, es sei denn, diese ist nicht „angemessen“ im Sinne der allgemeinen Bestimmung des § 113 Abs. 1 Satz 3 AktG4. Vom Grundsatz der Gleichbehandlung ausgehend, soll im Folgenden auf verbleibende Zweifelsfragen und Besonderheiten hinsichtlich der Rechtsposition des gerichtlich bestellten Mitglieds eingegangen werden. 2 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 53; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 120; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 38a; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 44. 3 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 33; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 11; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 103. 4 Vgl. bereits die Begründung des Regierungsentwurfes, abgedruckt bei Kropff, AktG 1965, S. 145, wonach jedenfalls eine Besserstellung des gerichtlich Bestellten zu verhindern ist; anders noch Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 54, wonach das Mitglied „in der Höhe seiner Vergütung besser oder schlechter gestellt werden“ kann; wie hier spricht sich die heute ganz h. M. für den Gleichbehandlungsgrundsatz aus, vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 26; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 55; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 124; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 14; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 51.

IV. Einrücken in besondere Positionen

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III. Beginn der Amtszeit Ebenso wie bei der ordentlichen Wahl gibt es auch bei der gerichtlichen Bestellung keine Pflicht des Kandidaten, das Amt anzutreten. Es ist seine freie Entscheidung, ob er das Aufsichtsratsmandat annimmt oder nicht5. Daran ändert der hoheitliche Charakter des gerichtlichen Bestellungsbeschlusses nichts. Anders ist dies etwa bei der gerichtlichen Auswahl eines Vormundes nach § 1779 BGB, bei der gemäß § 1785 BGB grundsätzlich eine Übernahmepflicht besteht. In dem eher vergleichbaren Fall der gerichtlichen Bestellung eines Notgeschäftsführers in der GmbH ist die Frage der Übernahmepflicht umstritten, jedoch geht die ganz h. M. davon aus, dass keine Pflicht zur Übernahme besteht6. Es bedürfte einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung, um jemanden zwangsweise zum Aufsichtsratsmitglied zu bestellen. In der Praxis wird regelmäßig schon im Vorfeld der Bestellung mit dem Kandidaten Kontakt aufgenommen, so dass er nur dann bestellt wird, wenn er seine Bereitschaft zur Annahme des Mandats signalisiert hat7. Möglich ist es auch, dass der Kandidat die Annahme schon vorab verbindlich erklärt und somit bereits mit Wirksamwerden des Bestellungsbeschlusses – also nach § 16 Abs. 1 FGG bzw. §§ 40, 41 FamFG mit dessen Bekanntgabe – Aufsichtsratsmitglied wird8.

IV. Einrücken in besondere Positionen Wurde der Kandidat wirksam vom Gericht bestellt und hat er das Amt angenommen, schließt sich die Frage an, ob er damit auch in die Positionen, die das weggefallene Aufsichtsratsmitglied innerhalb des Gremiums inne hatte, einrückt. In Betracht kommen dabei die Mitgliedschaft in Ausschüssen sowie der Aufsichtsratsvorsitz. 1. Mitgliedschaft in Ausschüssen Das Profil des gerichtlich Bestellten wird demjenigen des ausgeschiedenen Mitglieds häufig ähnlich sein und damit nahe legen, dass das neue Mitglied auch 5 Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 39; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 91; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 5; Vetter, in: Marsch-Barner/ Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 25 Rn. 43. 6 Dazu ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, S. 173 ff. 7 Winkler, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 146 Rn. 4, Fn. 5; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 91. 8 BayObLG v. 9.7.2004 – 3 Z BR 99/04, juris Rn. 6; LG München v. 9.6.2005 – 5 HK O 10154/04, DB 2005, 1617, 1619; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 6; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 39; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 100.

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

in den entsprechenden Ausschüssen nach § 107 Abs. 3 AktG tätig wird. Wurde etwa ein Experte für Finanzen ersetzt, das Mitglied im Prüfungsausschuss war, so bietet es sich an, dass ein entsprechend qualifiziertes neues Mitglied ebenfalls im Prüfungsausschuss tätig wird. Dies entspräche auch dem Sinn und Zweck der Bildung von Ausschüssen, wonach die Arbeit den unterschiedlichen Kompetenzen der Mitglieder folgend aufgeteilt und somit die Kontroll- und Beratungseffizienz des Aufsichtsrats gesteigert werden soll 9. Fraglich ist aber, ob es einen Automatismus geben kann, wonach das gerichtlich bestellte Mitglied ohne weiteres Ausschussmitglied wird, bzw. ob es zumindest vom Gericht durch ausdrückliche Entscheidung in den Ausschuss bestellt werden kann. Dagegen sprechen gewichtige Gründe: Schon der Wortlaut des § 104 Abs. 1, 2 AktG sieht nur die Ergänzung des Aufsichtsrats als Gesamtgremium vor, nicht auch die Ergänzung einzelner Ausschüsse. Nach Sinn und Zweck der Norm soll die Handlungs- und Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats wieder hergestellt werden. Mit der einfachen Bestellung eines neuen Mitglieds ist dieser Zielsetzung allerdings genüge getan; eines darüber hinaus gehenden hoheitlichen Eingriffs in die gesellschafts- und aufsichtsratsinterne Organisationssphäre bedarf es nicht. Es kann vielmehr dem Aufsichtsratsgremium selbst überlassen werden, im Rahmen seines Rechts auf autonome Selbstorganisation10 den Ausschuss neu zu besetzen, wie es § 107 Abs. 3 Satz 1 AktG allgemein vorsieht. Auch Ausschüsse mit Beschlusskompetenz kann der Aufsichtsrat zeitnah vervollständigen. Es gibt gerade kein aufwändiges Wahlverfahren wie bei der ordentlichen Bestellung, das ein Hilfsinstrumentarium wie die gerichtliche Bestellung erforderlich machte. Somit reicht die Kompetenz des Gerichts nicht so weit, dass sich seine Entscheidung auch auf die Besetzung der Ausschüsse auswirkt; weder rückt das bestellte Mitglied in Ausschüsse automatisch ein, noch kann das Gericht eine solche Entscheidung treffen11. 2. Aufsichtsratsvorsitz a) Kein automatisches Einrücken des gerichtlich Bestellten Auf Grund der soeben genannten Erwägungen – Wortlaut, Sinn und Zweck des § 104 AktG sowie Selbstorganisationsrecht des Aufsichtsrats – rückt derjenige, der nach Wegfall des Vorsitzenden des Aufsichtsrats gerichtlich bestellt wurde, 9

Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 110. Vgl. BGH v. 17.5.1993 – II ZR 89/92, BGHZ 122, 342, 355, NJW 1993, 2307, 2310; BGH v. 25.2.1982 – II ZR 123/81, BGHZ 83, 106, 114 f. = NJW 1982, 1525, 1527; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 11; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 93; Hüffer, AktG, § 107 Rn. 16. 11 Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 11; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 53; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 104 Rn. 53. 10

IV. Einrücken in besondere Positionen

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nicht in dessen Position12. Es ist auch hier das Recht und zudem nach § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG die Pflicht des Aufsichtsrats, einen neuen Vorsitzenden zu wählen („Der Aufsichtsrat hat [. . .] aus seiner Mitte einen Vorsitzenden [. . .] zu wählen“). Dabei kann selbstverständlich auch der gerichtlich Bestellte als gleichberechtigtes Mitglied des Aufsichtsrats zum Vorsitzenden oder zum Stellvertreter gewählt werden13. Für ein gerichtliches Eingreifen besteht auch hier regelmäßig schon deshalb kein Bedürfnis, weil der Vorsitzende – vorbehaltlich besonderer Satzungsbestimmungen – durch schlichten Beschluss des Aufsichtsrats mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen14 gewählt werden kann. b) Gescheiterte Wahl eines Aufsichtsratsvorsitzenden Anderes könnte jedoch gelten, wenn die Wahl des Vorsitzenden durch den Aufsichtsrat im Einzelfall scheitert, etwa weil das Gremium schlicht untätig bleibt, oder die erforderliche, insbesondere satzungsmäßig oder mitbestimmungsrechtlich15 bestimmte Beschlussmehrheit nicht zustande kommt. Im Gegensatz zur Bildung von Ausschüssen ist die Wahl eines Vorsitzenden nicht nur nach § 107 Abs. 1 Satz 1 AktG zwingend, sondern auch für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats von besonderer Bedeutung. Dem Vorsitzenden kommen nach dem Aktiengesetz zahlreiche Aufgaben und Befugnisse zu, die seine hervorgehobene Stellung begründen. Ohne Vorsitzenden ist die Arbeit des Aufsichtsrats, insbesondere in großen Gremien, nicht unerheblich beeinträchtigt16. Dies wirft die Frage auf, ob § 104 Abs. 2 AktG bei Scheitern der Wahl zum Vorsitzenden analog anzuwenden ist und damit auf Antrag durch gerichtliche Entscheidung ein Aufsichtsratsvorsitzender aus dem Gremium heraus bestimmt werden kann. (1) Planwidrige Regelungslücke Erste Voraussetzung für eine Analogie ist eine planwidrige Regelungslücke. Die gerichtliche Bestellung eines Aufsichtsratsvorsitzenden sieht das Aktiengesetz nicht vor und auch sonstige Behelfslösungen sind nicht ersichtlich. Der nach § 107 Abs. 1 AktG ebenfalls zwingend zu wählende Stellvertreter des Vorsitzenden könnte die Lücke zwar schließen, er wird jedoch sowohl bei unterbliebener 12

Nachweise wie vorstehend. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 19 14 Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 9; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 660. 15 So verlangt etwa § 27 Abs. 1 MitbestG für den ersten Wahlgang die Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder, aus denen der Aufsichtsrat insgesamt zu bestehen hat. Im gegebenenfalls erforderlichen zweiten Wahlgang wählen die Anteilseignervertreter den Vorsitzenden, die Arbeitnehmervertreter den Stellvertreter, und zwar jeweils mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, § 27 Abs. 2 MitbestG. 16 Näher dazu sogleich. 13

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

als auch bei gescheiterter Wahl des Vorsitzenden ebenfalls nicht vorhanden sein. Nach § 107 Abs. 1 Satz 3 AktG ist das Amt des Stellvertreters zudem nicht als Dauerlösung konzipiert, sondern dient in erster Linie dazu, eine vorübergehende Verhinderung des Vorsitzenden zu überbrücken. Wegen im Vergleich zum Vorsitzenden erheblich eingeschränkter Befugnisse ist auch ein sogenannter „Interimsvorsitzender“ keine adäquate und dauerhaft tragfähige Lösung. Die Satzung oder die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats können zwar bestimmen, dass beispielsweise das (dienst-)älteste Aufsichtsratsmitglied bei Fehlen eines Vorsitzenden als Interimsvorsitzender fungiert, es ist aber unzulässig, diesem die besonderen, gesetzlich geregelten Befugnisse eines gewählten Vorsitzenden zukommen zu lassen17. Im früheren Schrifttum wurde vorgeschlagen, die Hauptversammlung könne bei unterbliebener oder gescheiterter Wahl den Vorsitzenden ersatzweise wählen18. Allerdings kommt dies schon aus Praktikabilitätsgründen nicht in Betracht, denn das Durchführen einer (außerordentlichen) Hauptversammlung ist wegen des damit verbundenen Aufwands nicht als effektives Notbestellungsverfahren geeignet. Vor allem aber widerspricht es der festgelegten aktienrechtlichen Organisationsverfassung, eine Hilfs- oder Ersatzkompetenz eines anderen Gesellschaftsorgans anzunehmen. Ein solches Eingreifen eines Gesellschaftsorgans wegen Verhinderung des eigentlich zuständigen Organs ist dem geltenden Aktienrecht fremd19. Trotz der Bedeutung des Vorsitzenden für die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats findet sich im Gesetz mithin kein angemessenes Instrumentarium zur Abhilfe, so dass eine planwidrige Regelungslücke gegeben ist. (2) Vergleichbare Interessenlage Des Weiteren müsste für einen Analogieschluss eine vergleichbare Interessenlage gegeben sein. In der vom Wortlaut des § 104 Abs. 2 AktG erfassten Konstellation ist der Aufsichtsrat zwar beschlussfähig, aber wegen Unterbesetzung in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Daher wird das Gericht ermächtigt und verpflichtet, den Aufsichtsrat nach Ablauf von drei Monaten oder bei Vorliegen eines dringenden Falls auf Antrag zu vervollständigen. Für die Frage, ob eine

17 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 107 Rn. 12, 69; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 23; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 107 Rn. 23 ff. 18 So etwa Baumbach/Hueck, AktG, § 107 Rn. 7; dagegen Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 92 Anm. 3; Ritter, Aktiengesetz 1937, § 92 Rn. 3a. 19 Vgl. Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 107 Rn. 18, der des Weiteren zu Recht darauf hinweist, dass eine Ersatzbestellung durch die Hauptversammlung bei mitbestimmten Aufsichtsräten von vornherein nicht in Betracht kommt; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 107 Rn. 16; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 8.

IV. Einrücken in besondere Positionen

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vergleichbare Interessenlage vorliegt, ist mithin entscheidend, ob das bloße Fehlen des Aufsichtsratsvorsitzenden die Funktionsfähigkeit des ansonsten vollständig besetzten Aufsichtsrats in vergleichbarer Weise beeinträchtigt wie eine Unterbesetzung. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass das Aktienrecht generell – also selbst für größere Aufsichtsratsgremien – beim Fehlen auch nur eines Mitglieds vorsieht, dass zumindest nach Ablauf der Dreimonatsfrist eine gerichtliche Bestellung erfolgen kann (§ 104 Abs. 2 AktG). Das Gesetz verlangt mithin keine schwerwiegende Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats, um den gerichtlichen Eingriff zu rechtfertigen. Vielmehr wird dem Ziel, die vollständige und ordnungsgemäße Besetzung des Aufsichtsrats aufrecht zu erhalten, insoweit Priorität beigemessen. Zur ordnungsgemäßen Besetzung gehört die vorgegebene Anzahl an Mitgliedern ebenso wie das Vorhandensein eines Vorsitzenden aus der Mitte des Aufsichtsrats. Hierbei handelt es sich nicht um eine bloße Formalie oder eine rein innerorganisatorische Position. Dem Vorsitzenden kommen vielmehr zahlreiche Aufgaben zu, die vom Gesamtgremium oder einem beliebigen anderen Mitglied so nicht erfüllt werden können20: Er wirkt, wie es auch Ziff. 5.2 des DCGK zum Ausdruck bringt, als direktes Bindeglied zum Vorstand und koordiniert gerade in großen Gremien die Beratungs- und Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats. Nach § 90 Abs. 1 Satz 3 AktG muss der Vorstand dem „Vorsitzenden des Aufsichtsrats“ bei wichtigen Anlässen berichten und ist damit erste Ansprechperson des Vorstands bei der Kommunikation mit dem Aufsichtsrat. Diese Repräsentationsfunktion21 des Vorsitzenden lässt sich auch daran erkennen, dass er neben dem Vorstand für die Anmeldung zur Eintragung von Kapitalmaßnahmen ins Handelsregister mitverantwortlich ist22. Darüber hinaus bringt die nach § 80 Abs. 1 AktG zwingende Angabe des Namens des Aufsichtsratsvorsitzenden auf allen Geschäftsbriefen der Aktiengesellschaft die herausgehobene Stellung des Vorsitzenden, die auch im Außenverhältnis besteht, zum Ausdruck. Hinzu kommt als zentrales Charakteristikum der Position des Aufsichtsratsvorsitzenden in nach dem Mitbestimmungsgesetz paritätisch zusammengesetzten Aufsichts20 Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 107 Rn. 18; anders hingegen Baumbach/ Hueck, AktG, § 107 Rn. 7; Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 226. Zur Rechtsstellung des Aufsichtsratsvorsitzenden vgl. Hüffer, AktG, § 107 Rn. 4 f.; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 43 ff.; Semler/Wagner, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 2 Rn. 95 und § 4 Rn. 38 ff.; HoffmannBecking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 19 ff.; Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 15 IV 5. a). 21 Dazu Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 57 ff.; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 107 Rn. 143 f.; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 675 ff. 22 Siehe §§ 184 Abs. 1, 188 Abs. 1, 195 Abs. 1, 207 Abs. 2, 223, 229 Abs. 3, 237 Abs. 4 Satz 5 AktG.

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

räten, dass sein Votum durch das Zweitstimmrecht nach den §§ 29 Abs. 2, 31 Abs. 4 MitbestG den entscheidenden Ausschlag für umstrittene Beschlussfassungen im Aufsichtsrat gibt (sogenannter Stichentscheid)23. Dass die Anzahl der zu erledigenden Aufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden und die an ihn gestellten Anforderungen deutlich über die der sonstigen Mitglieder hinaus gehen, spiegelt sich des Weiteren in der deutlich höheren Vergütung, die Aufsichtsratsvorsitzende in der Praxis erhalten24. Wenn man bedenkt, dass über diese gesetzlichen Befugnisse hinaus regelmäßig noch weitere Zuständigkeiten kraft Satzung oder Geschäftsordnung hinzu treten25, lässt sich feststellen, dass das Fehlen eines Vorsitzenden in der Regel sogar zu schwerer wiegenden Einschränkungen der Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats führen wird, als das Fehlen eines sonstigen Mitglieds. Die gerichtliche Ergänzung von Organmitgliedern in Körperschaften kann als allgemeiner Rechtsgedanke26 angesehen werden, der auch bei Fehlen des Aufsichtsratsvorsitzenden eine adäquate Lösungsmöglichkeit bietet. Ausgehend von der vereinsrechtlichen Grundnorm des § 29 BGB, die nach einhelliger Ansicht auch auf die Notbestellung des GmbH-Geschäftsführers anzuwenden ist27, finden sich im Aktiengesetz die spezielleren, auf dem selben Gedanken beruhenden Vorschriften des § 85 AktG (gerichtliche Bestellung eines Vorstandsmitglieds) und des § 104 AktG. Die gerichtliche Ersatzbestellung ist also gerade im Kapitalgesellschaftsrecht ein probates Instrument, wenn das eigentlich zuständige Gesellschaftsorgan seinen Wahl- oder Bestellungspflichten nicht nachkommt und an der vollständigen Besetzung des Organs ein wesentliches Interesse besteht. Es sind keine Gründe ersichtlich, weshalb die genannten Normen abschließend und keiner Analogie zugänglich sein sollten28. Da sich § 104 AktG speziell an den Belangen des Organs Aufsichtsrat orientiert, ist diese Norm – und nicht etwa der allgemeine § 29 BGB – heranzuziehen. Somit kann nach § 104 Abs. 2 AktG analog auch der Aufsichtsratsvorsitzende gerichtlich bestellt werden29. 23

Kübler/Assmann, Gesellschaftsrecht, § 33 III 3. Gerade börsennotierte Gesellschaften zahlen den Aufsichtsratsvorsitzenden meist das Doppelte, teilweise sogar das Vierfache der Vergütung sonstiger Aufsichtsratsmitglieder, vgl. Vetter, in: ZIP 2008, 1, 6. 25 Typischerweise obliegt dem Aufsichtsratsvorsitzenden nach der Satzung etwa die Leitung der Hauptversammlung, vgl. Hüffer, AktG, § 107 Rn. 5; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 27 Rn. 11. 26 So Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 107 Rn. 18; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 107 Rn. 21; vgl. auch Rittner, in: Festschrift für Fischer, S. 627, 632. 27 Dazu eingehend Bauer, Der Notgeschäftsführer in der GmbH, S. 21 mit zahlreichen Nachweisen. 28 In diese Richtung argumentierend jedoch Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, § 107 Rn. 8; Niewiarra/Servatius, in: Festschrift für J. Semler, S. 225 f.; die Analogie ablehnend Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Aufl., Bd. 4, § 31 Rn. 7; Lutter/Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rn. 535. 24

IV. Einrücken in besondere Positionen

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(3) Weitere Voraussetzungen des § 104 Abs. 2 AktG Fraglich ist, wann bei Fehlen des Aufsichtsratsvorsitzenden von einem dringenden Fall gemäß § 104 Abs. 2 AktG gesprochen werden kann30. Nur wenn diese Dringlichkeit gegeben ist, kann schon vor Ablauf der Dreimonatsfrist ein Vorsitzender gerichtlich bestellt werden. Auf Grundlage des in § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG verankerten Gedankens, dass der vollständigen Besetzung paritätisch mitbestimmter Aufsichtsräte besondere Bedeutung beizumessen ist, wird man auch bei der gerichtlichen Bestellung des Vorsitzenden regelmäßig einen dringenden Fall annehmen können. Schon wegen der Größe dieser Gremien wird eine sachgerechte und koordinierte Aufsichtsratstätigkeit ohne Vorsitzenden nicht unerheblich erschwert. Dies gilt in besonderem Maße für nach dem Mitbestimmungsgesetz besetzte Aufsichtsräte, da der Vorsitzende hier wegen seines Zweitstimmrechts erforderlich ist, um Pattsituationen und Zufallsmehrheiten zu verhindern, was gerade auch ratio legis des § 104 Abs. 2, 3 Nr. 2 AktG ist31. In kleineren und nicht mitbestimmten Aufsichtsräten entscheiden die Umstände des Einzelfalls, ob Dringlichkeit gegeben ist, oder ob erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist eine gerichtliche Bestellung in Betracht kommt. Dabei sind insbesondere die bisherige und gegenwärtige Aufsichtsratsbesetzung sowie Realstruktur und Lage der Gesellschaft zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Frage, welches Mitglied als Vorsitzender bestimmt werden soll: Neben den von den Aufsichtsratsmitgliedern unterbreiteten und in den relevanten Fällen divergierenden Vorschlägen, wird für den Vorsitzposten in erster Linie die Erfahrung des Kandidaten eine maßgebliche Rolle spielen. Im Übrigen trifft das Gericht die Auswahlentscheidung, wie bei der gewöhnlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, nach pflichtgemäßem Ermessen.

29 So auch die inzwischen überwiegende Auffassung, Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 107 Rn. 5; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 25; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 107 Rn. 21; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 36 und § 107 Rn. 26; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 3, § 107 Rn. 18; Semler, in: Arbeitshandbuch für Aufsichtsratsmitglieder, § 4 Rn. 31; Vetter, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch börsennotierte AG, § 27 Rn. 21; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 31 Rn. 7; a. A. noch ders., in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, 2. Aufl., Bd. 4, § 31 Rn. 7; Lutter/ Krieger, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 4. Aufl., Rn. 535 und wohl auch Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, AktG, § 107 Rn. 8. Die Analogie gilt dabei auch und gerade in dem MitbestG unterliegenden Gesellschaften, vgl. Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 27 MitbestG Rn. 4; Rittner, in: Festschrift für Fischer, S. 627, 632. 30 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 36 plädiert dafür, in der Regel von einem dringenden Fall auszugehen. 31 Vgl. Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 107 Rn. 25.

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

V. Beendigung der Amtszeit 1. Automatische Amtsbeendigung bei Behebung des Mangels Zeigten sich hinsichtlich der Rechtsposition des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds aufgrund des Grundsatzes der Gleichberechtigung bislang keine wesentlichen Abweichungen zu ordentlich bestellten Mitgliedern, so tritt bei der Beendigung der Amtszeit der wohl markanteste Unterschied zu Tage: In § 104 Abs. 5 AktG macht das Gesetz deutlich, dass die Hauptversammlung das eigentlich zuständige Wahlorgan ist, und damit auch von ihr die dauerhafte Legitimation des Aufsichtsrats ausgeht. Denn der „Mangel“ – also das Fehlen eines Aufsichtsratsmitglieds – ist „behoben“, wenn durch ordentliche Wahl die zuvor eingetretene und durch das Gericht behobene Vakanz nicht mehr gegeben ist. Die gerichtliche Bestellung wirkt somit nur vorläufig32 und besteht nur vorbehaltlich eines Hauptversammlungsbeschlusses, der freilich durch Wahl des selben Mitglieds die gerichtliche Bestellung auch bestätigen kann. Wird ein anderer Kandidat gewählt, so scheidet damit das gerichtlich bestellte Mitglied automatisch, mithin ohne dass es eines besonderen Abberufungsaktes bedürfte, aus dem Aufsichtsrat aus, sofern der Gewählte die Wahl angenommen hat33. Dagegen gibt es bei einem durch ordentliche Wahl bestellten Mitglied eine solche vorzeitige und automatische Amtsbeendigung nicht. Vielmehr wäre eine Abberufung nach § 103 Abs. 1 AktG erforderlich, die – vorbehaltlich abweichender Satzungsbestimmungen – einen Hauptversammlungsbeschluss mit Dreiviertel-Mehrheit voraussetzt. Dass die den gerichtlichen Bestellungsakt gleichsam verdrängende ordentliche Wahl nicht der einzige Grund ist, der zur Beendigung der Amtszeit führt, lässt sich aus § 104 Abs. 5 AktG ableiten, wonach bei Behebung des Mangels das Amt des gerichtlich Bestellten „in jedem Fall“ erlischt. Es gibt also auch andere Beendigungsgründe, bei denen wiederum nur zum Teil ein Gleichlauf im Vergleich zu denjenigen ordentlich bestellter Mitglieder besteht. 2. Allgemeine Amtszeit von Aufsichtsratsmitgliedern Zunächst kann, sofern die Hauptversammlung keinen abweichenden Wahlbeschluss fasst, die Amtszeit des gerichtlich bestellten Mitglieds ebenso lange fort32 Vgl. Winkler, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 145 Rn. 19; Obermüller, in: DB 1971, 2049, 2050. 33 OLG München v. 12.7.2006 – 31 Wx 47/06, ZIP 2006, 1770, 1771; BayObLG v. 9.7.2004 – 3Z BR 99/04, juris Rn. 6; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 12; Hüffer, AktG, § 104 Rn. 13. Anders noch die Rechtslage bis zum Jahre 1957, wonach stets eine Abberufung durch das Gericht erforderlich war, vgl. zu § 89 Abs. 2 AktG 1937 Schlegelberger/Quassowski, AktG 1937, § 89 Anm. 5; W. Schmidt, in: Großkommentar, AktG 1937, § 89 Anm. 5.

V. Beendigung der Amtszeit

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bestehen wie bei einem ordentlich Gewählten. Die maximale Amtszeit richtet sich bei Letzteren nach § 102 Abs. 1 AktG, wonach sie nicht länger bestellt werden können als bis zum Beschluss über die Entlastung für das vierte Geschäftsjahr nach dem Beginn der Amtszeit, wobei das erste Jahr im Amt nicht mitzählt (§ 102 Abs. 1 Satz 2 AktG). Somit ergibt sich eine maximale Amtszeit von rund fünf Jahren34. Dass diese auch für gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglieder gilt, ist heute zu Recht ganz herrschende Ansicht35, weil mit der Überbrückungsfunktion der gerichtlichen Bestellung jedenfalls eine unbegrenzte Amtszeit unvereinbar wäre und kein Grund für eine abweichende Höchstdauer ersichtlich ist. 3. Befristung durch das Gericht Auch wenn es keine zwingende Pflicht gibt, die Amtszeit schon mit der gerichtlichen Entscheidung bis zum Ablauf der nächsten Hauptversammlung zu befristen, sollten Antragsteller und Gericht gleichwohl in Übereinstimung mit Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK von einer unbefristeten Bestellung absehen. Jedenfalls aber sollte die – gegebenenfalls bestätigende – Wahl des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds auf die Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung gerückt werden36. 4. Abberufung Es stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen besonderen Voraussetzungen die vorzeitige Abberufung eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds möglich ist. In Betracht kommt zum einen die für ordentlich bestellte Mitglieder geregelte Abberufung durch Hauptversammlungsbeschluss nach § 103 Abs. 1 AktG, zum anderen die gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund gemäß § 103 Abs. 3 AktG.

34 Vgl. zu Details der Berechnung der maximalen Amtszeit und dem Meinungsstreit, wie diese bei unterbleibendem Entlastungsbeschluss zu berechnen ist, Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 102 Rn. 6 f., 18; Hüffer, AktG, § 102 Rn. 2; Spindler/ Stilz, AktG, § 102 Rn. 7; Breuer/Fraune, in: Heidel, Aktienrecht, § 102 Rn. 7; siehe auch BGH v. 24.6.2002 – II ZR 296/01, AG 2002, 676, 677 mit Anmerkung Pötter, in: EWiR 2003, 45 f. 35 Vgl. Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 46; Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 23; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 13; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 111; Obermüller, in: DB 1971, 2049, 2050. Das OLG Hamburg hat diese Frage in seinem Beschluss vom 6.11.2002 – 11 W 91/01, AG 2003, 643, 644 offen gelassen. 36 Vgl. auch Wietzlow/Gemmecke, in: AG-Report 2003, R302 f.

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

a) Keine Abberufungskompetenz der Hauptversammlung Nach § 103 Abs. 1 AktG können Aufsichtsratsmitglieder durch Hauptversammlungsbeschluss mit Dreiviertel-Mehrheit abberufen werden. Schon der Wortlaut der Norm zeigt jedoch, dass dies für gerichtlich bestellte Mitglieder nicht gilt37 („Aufsichtsratsmitglieder, die von der Hauptversammlung [. . .] gewählt worden sind, können von ihr vor Ablauf der Amtszeit abberufen werden“). Die Bestellung nach § 104 AktG als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit steht zudem außerhalb der Dispositionsbefugnis der Hauptversammlung. Es wäre mithin dogmatisch kaum begründbar, dass ein Hauptversammlungsbeschluss eine gerichtliche Entscheidung aufheben kann. Darüber hinaus besteht für eine solche Abberufungsbefugnis kein Bedürfnis, weil die Hauptversammlung durch schlichte Neuwahl, die keine Dreiviertel-Mehrheit voraussetzt, die Amtsbeendigung des gerichtlich Bestellten herbeiführen kann (§ 104 Abs. 5 AktG)38. Ließe man eine isolierte Abberufung zu, führte dies zudem zur erneuten Beschlussunfähigkeit bzw. Unterbesetzung des Aufsichtsrats, was Sinn und Zweck des § 104 AktG widerspräche39. Nur über die „konstruktive“ Neuwahl kann die Hauptversammlung somit auf die Amtsstellung des gerichtlich Bestellten unmittelbar einwirken, eine rein „destruktive“ Abberufung kommt nicht in Betracht. b) Gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund Bietet das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied Anlass, die Amtszeit vorzeitig zu beenden, könnte eine gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund nach § 103 Abs. 3 AktG in Erwägung gezogen werden. Insbesondere, wenn schon im Vorfeld der Kandidatenauswahl im Rahmen der gerichtlichen Bestellung Bedenken bestanden, werden gerade die Aufsichtsratsmitglieder oder Aktionäre, die gegen den Kandidaten Vorbehalte hatten, ein Bedürfnis für eine vorzeitige Abberufung sehen. Der Wortlaut des § 103 Abs. 3 AktG schließt – anders als Absatz 1 – gerade nicht aus, dass auch gerichtlich bestellte Mitglieder aus wichtigem Grund abberufen werden können. Auch entspricht es Sinn und Zweck des Abberufungsrechts aus wichtigem Grund, dass unabhängig von der Art und Weise der Bestellung bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen eine vorzeitige Amtsbeendigung herbeigeführt werden kann. Hier überwiegt das Interesse an der Wiederherstellung vertrauensvoller Arbeit im Aufsichtsrat gegenüber den Interessen des abzuberufenden Mitglieds, die durch die Erfordernisse einer gerichtlichen Entscheidung und des wichtigen Grundes hinreichend geschützt werden. Dabei handelt es sich bei 37 Vgl. Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 24; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 38a. 38 Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 113. 39 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 115.

V. Beendigung der Amtszeit

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dem Merkmal des wichtigen Grundes um einen unbestimmten Rechtsbegriff; dem Gericht steht insoweit kein Ermessensspielraum zu40. c) Keine gerichtliche Abberufung ohne wichtigen Grund Da die Abberufung eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds allein in der Macht des Gerichts steht, wird vertreten, dass dies auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich sei41: Ebenso wie ein von der Hauptversammlung gewähltes Aufsichtsratsmitglied von derselben ohne weitere materielle Voraussetzungen42 nach § 103 Abs. 1 Satz 1 AktG vorzeitig abberufen werden kann und auch ein entsandtes Mitglied vom jeweiligen Entsendungsberechtigten nach § 103 Abs. 2 Satz 1 AktG jederzeit abberufen werden kann43, müsse Entsprechendes im Sinne des Gleichbehandlungsgebots auch für das gerichtlich bestellte Mitglied gelten. Demnach könnte das Gericht die Amtszeit durch gegenläufige Entscheidung – als actus contrarius44 zur vorangegangenen Bestellung – nach eigenem Ermessen beenden. Hierfür spreche auch der Charakter der gerichtlichen Bestellung als vorläufige Behelfslösung. Zu klären wäre, wenn man dieser Ansicht folgt, ob die Abberufung auch ohne Antrag des Aufsichtsrats nach § 103 Abs. 3 AktG, also von Amts wegen möglich ist45. Dem Verzicht auf das Erfordernis eines wichtigen Grundes stehen schon im Ansatz gewichtige Bedenken entgegen: Zunächst darf nicht übersehen werden, dass § 103 AktG in allen fünf Absätzen sorgfältig differenziert und die Abberufungsmodalitäten insbesondere von der Art der Bestellung des Aufsichtsratsmitglieds abhängig macht. Absatz 3 setzt dabei keine bestimmte Art der Bestellung voraus, so dass diese Vorschrift zwanglos unmittelbar auch auf die Abberufung eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds anwendbar ist und somit keine „Abberufung in entsprechender Anwendung des § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG“46 in Rede steht. Es besteht mithin keine Veranlassung, das Gesetz etwa durch ein-

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Vetter, in: DB 2005, 875, 876. AG Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133, Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 104 Rn. 29; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 46; Ulmer/Habersack/Henssler, Mitbestimmungsrecht, § 6 MitbestG Rn. 63; Keusch/Rotter, in: NZG 2003, 671, 674. 42 Es bedarf dafür einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen, § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG, wenn nicht die Satzung eine abweichende Regelung enthält (§ 103 Abs. 1 Satz 3). 43 Zu entsprechenden Abberufungsrechten von Arbeitnehmergremien in mitbestimmten Aufsichtsräten vgl. Vetter, in: DB 2005, 875, 877. 44 Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 119. 45 So etwa Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 118 f., wonach für die gerichtliche Abberufung zwar ein wichtiger Grund, aber kein Antrag erforderlich sein soll. 46 So AG Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133. 41

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E. Das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied

schränkende Auslegung47 zu korrigieren. Vielmehr bedürfte es umgekehrt besonderer Gründe, um eine korrigierende Interpretation zu rechtfertigen, wonach ausnahmsweise kein besonderer Grund zu Abberufung erforderlich sein soll. Zwar wird angeführt, wegen der Vorläufigkeit der gerichtlichen Entscheidung nach § 104 AktG und wegen des Erfordernisses, den gegebenenfalls wechselnden Mehrheiten in der Hauptversammlung Rechnung tragen zu müssen, sei eine „Erschwerung der Korrektur [der Entscheidung] nicht zu rechtfertigen“48. Allerdings hat es die Aktionärsmehrheit stets in der Hand, durch Bestellung eines anderen Mitglieds die Amtszeit des gerichtlich Bestellten nach § 104 Abs. 5 AktG zu beenden. Hinzu kommt die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen die gerichtliche Bestellung einzulegen. Bestehen im Einzelfall Anhaltspunkte, dass das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied wegen mangelnder Unabhängigkeit seine Kontroll- und Überwachungsaufgaben nicht pflichtgemäß erfüllt, so stellt das Aktiengesetz mit den genannten Möglichkeiten, Rechtsmittel einzulegen, eine Neuwahl durchzuführen oder eine gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund zu beantragen, insgesamt ausreichende rechtliche Instrumentarien zur Verfügung. Das Gericht ist jedenfalls nicht mehr als „Herr des Verfahrens“49 anzusehen, sondern seine Eingriffsbefugnisse als Ersatzbestellungsorgan enden, sobald das Verfahren nach § 104 AktG abgeschlossen ist. Eine Ermächtigung, die Entscheidung nachträglich beliebig zu ändern, ist weder speziell in dieser Vorschrift, noch allgemein im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthalten50. Sonstige Gründe, die eine Einschränkung des § 103 Abs. 3 AktG rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Damit bedarf es zur Abberufung eines gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds sowohl eines Antrags des Aufsichtsrats als auch eines wichtigen Grundes51. 5. Amtsniederlegung Ungeachtet des hoheitlichen Bestellungsakts hat das gerichtlich bestellte Aufsichtsratsmitglied das Recht, grundsätzlich jederzeit52 und ohne Angabe von 47 Vetter, in: DB 2005, 875, 877 spricht treffend von einer „selektiven Teilanalogie“, die abzulehnen ist. 48 AG Charlottenburg v. 5.11.2004 – HRB 93752, AG 2005, 133. 49 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 47. 50 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 47; Vetter, in: DB 2005, 875, 877. 51 Hüffer, AktG, § 104 Rn. 12; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber, AktG, § 104 Rn. 12; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 47; Geßler, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/ Kropff, AktG, § 104 Rn. 50; Godin/Wilhelmi, AktG, § 104 Anm. 10; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 38a; Vetter, in: DB 2005, 875, 877; Schmatz, in: WM 1955, 642, 648. Für das Erfordernis eines wichtigen Grundes, aber gegen das Antragserfordernis: Drygala, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 104 Rn. 24; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 114; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 117 ff.; wohl auch Winkler, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, § 145 Rn. 21.

V. Beendigung der Amtszeit

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Gründen sein Amt niederzulegen, was ohne weitere Erfordernisse zur Beendigung der Amtszeit führt. Dieses Recht entspringt zum einen dem Gebot der Gleichbehandlung des gerichtlich bestellten Mitglieds im Vergleich zu den anderen Aufsichtsratsmitgliedern und zum anderen korreliert es mit der freien Entscheidung des Kandidaten über die Annahme des Mandats.

52 Zu den umstrittenen Rechtsfolgen einer Amtsniederlegung zur Unzeit siehe Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 59 f.; Mertens, in: Kölner Kommentar, AktG, § 103 Rn. 56; Hüffer, AktG, § 103 Rn. 17; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber, AktG, § 103 Rn. 17; Hoffmann-Becking, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 4, § 30 Rn. 51; Grunewald, Gesellschaftsrecht, 2.C Rn. 88.

F. Die Gesellschaft in verschiedenen Entwicklungsstadien In den vorstehenden Kapiteln wurde der Blick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen gerichtet, die den Antragsteller, das zuständige Gericht und das bestellte Aufsichtsratsmitglied im Zusammenhang mit dem Verfahren nach § 104 AktG betreffen. Hintergrund der Rechte und Pflichten der Beteiligten ist es vor allem, die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats auf effektive und zugleich die Organisationsstruktur der Gesellschaft möglichst wenig beeinträchtigende Weise wieder herzustellen. Hierbei handelt es sich indes nicht um einen Selbstzweck, vielmehr gilt es, die Kontrollinstanz aufrecht zu erhalten, die für das Funktionieren der Aktiengesellschaft nach der gesetzlichen Konzeption erforderlich ist. Dass dabei die tatsächlichen Verhältnisse der Gesellschaft sowohl im Vorfeld der gerichtlichen Bestellung als auch insbesondere bei der Kandidatenauswahl besonders zu berücksichtigen sind, wurde bereits erläutert. Im Folgenden soll behandelt werden, ob und wie die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats als Behelfsinstrument fungieren kann, wenn sich hinsichtlich der Verhältnisse der Gesellschaft Besonderheiten ergeben, namentlich wenn sich die Gesellschaft noch im Gründungsstadium befindet (I.), sie unmittelbar aus einer Umwandlung hervorgegangen ist (II.) oder über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (III.).

I. Gesellschaft in Gründung Der späteren aktienrechtlichen Kompetenzordnung entsprechend1 wird bereits der erste Aufsichtsrat der Vor-AG von den Gründern, also den ersten Gesellschaftern gewählt (§ 30 Abs. 1 Satz 1 AktG). Sodann bestellt nach § 30 Abs. 4 AktG der so ins Leben gerufene erste Aufsichtsrat den ersten Vorstand, wie es in entsprechender Weise die Organisationsverfassung der werbend tätigen Aktiengesellschaft in § 84 Abs. 1 AktG vorschreibt. Da zudem insbesondere die persönlichen Voraussetzungen an die Aufsichtsratsmitglieder nach §§ 100, 105 AktG auch schon für den ersten Aufsichtsrat gelten, scheint auch eine gerichtliche Ersatzbestellung nach § 104 AktG als Behelfsinstrument im Gründungsstadium nicht ausgeschlossen, wenn Vakanzen im Aufsichtsrat bestehen. Dennoch kommt nach zustimmungswürdiger herrschender Ansicht die gerichtliche Bestellung von Mitgliedern des ersten Aufsichtsrats nach § 30 AktG vor Eintragung der Gesell1

Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, § 30 Rn. 2.

I. Gesellschaft in Gründung

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schaft ins Handelsregister nicht in Betracht2. Wenngleich der Wortlaut des § 104 AktG eine Anwendung auch auf den ersten Aufsichtsrat vor Eintragung zuließe, sprechen überwiegende Gründe dagegen: Konzeptionell betrifft § 104 AktG die „Ergänzung“ eines existenten Aufsichtsrats, nicht dessen erstmalige Besetzung. Vor allem aber ist die Bestellung des ersten Aufsichtsrats keine Rechtspflicht, sondern lediglich eine Obliegenheit der Gründer3. Kommen die Gründer dieser Obliegenheit nicht nach, kann auch kein Zwangsgeld gegen sie festgesetzt werden, denn § 407 AktG führt den § 30 AktG in seinem abschließenden Katalog zwangsgeldbewehrter Pflichten der Vorstandsmitglieder gerade nicht auf. Die einzige Sanktion besteht darin, dass ohne ordnungsgemäß besetzten Aufsichtsrat keine Eintragung ins Handelsregister erfolgen wird und damit die Gesellschaft im Stadium der Vor-AG stecken bleibt (§ 38 Abs. 1 i.V. m. § 37 Abs. 4 Nr. 3 AktG). Das ist indes allein das Risiko der Gründer, die dafür verantwortlich sind, das Stadium der Vor-AG zu überwinden, indem alle Eintragungsvoraussetzungen erfüllt werden. Darüber hinaus gehende Interessen, die eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats schon vor Eintragung der Gesellschaft rechtfertigten, sind nicht ersichtlich. Ebenso ist es gegebenenfalls alleinige Aufgabe der Gründer, beim nachträglichen Wegfall von Aufsichtsrasmitgliedern noch vor Eintragung der Gesellschaft eine Neubestellung vorzunehmen. Ist die Gesellschaft dagegen bereits im Handelsregister eingetragen und fällt daraufhin ein Mitglied des ersten Aufsichtsrats weg, so kommt die gerichtliche Ergänzung nach § 104 AktG in Betracht, wenn – wie es stets Voraussetzung ist – eine ordentliche Bestellung durch die nunmehr zuständige Hauptversammlung nicht rechtzeitig möglich ist4. Aufgrund der kurzen Amtszeit des ersten Aufsichtsrats nach § 30 Abs. 3 Satz 1 AktG wird dies allerdings eine seltene Ausnahme bleiben. Ebenfalls in Betracht kommt die gerichtliche Bestellung von Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat auch schon vor Eintragung in den Fällen der Einbringung eines Unternehmens in die Aktiengesellschaft nach § 31 AktG, um den Zeitraum des langwierigen Wahlverfahrens zu überbrücken5. In diesen Fällen wird der 2 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 30 Rn. 3; Hüffer, AktG, § 30 Rn. 2; Lohse, in: Bürgers/Körber, AktG, § 30 Rn. 2; Röhricht, in: Großkommentar, AktG, § 30 Rn. 3; Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 18 ff.; anders wohl Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 33. 3 Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 30 Rn. 3; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, § 30 Rn. 9. 4 Näher Röhricht, in: Großkommentar, AktG, § 30 Rn. 17 f.; ausführlich Flege, Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds durch das Gericht, S. 19 ff. 5 H.M., vgl. LG Hof v. 17.11.1992 – 1 HT 3/92, AG 1993, 434; Hopt/Roth, in: Großkommentar, AktG, § 104 Rn. 45 f.; Hüffer, AktG, § 31 Rn. 10; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, § 31 Rn. 30; Bayer, in: K. Schmidt/Lutter, AktG, § 31 Rn. 21; Lohse, in: Bürgers/Körber, AktG, § 31 Rn. 7; kritisch jedoch Theisen, in: AG 1998, 153, 160 f. sowie Oetker, in: ZGR 2000, 19, 40 ff.

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F. Die Gesellschaft in verschiedenen Entwicklungsstadien

Charakter der gerichtlichen Ergänzung als nur vorläufige Maßnahme besonders deutlich, denn das ordentliche Verfahren zur Wahl der Arbeitnehmervertreter kann hierdurch nicht ersetzt werden. Vielmehr ist dieses Wahlverfahren in jedem Fall einzuleiten und nur bis zu dessen Abschluss greift die gerichtliche Bestellung der Aufsichtsratsmitglieder ein.

II. Gesellschaft nach Umwandlung Bis in die jüngere Vergangenheit war es umstritten, nach welchen Bestimmungen der Aufsichtsrat im Anschluss an eine formwechselnde Umwandlung in eine mitbestimmungsrechtlichen Vorschriften unterliegende Aktiengesellschaft zu bilden war6. Das rechtliche Problem war in der allgemein den Formwechsel betreffenden Vorschrift des § 197 UmwG angelegt: Danach sind grundsätzlich die Gründungsvorschriften, die für die neu entstandene Rechtsform gelten, auch beim Formwechsel anzuwenden. Einer Anwendung der systematisch als Gründungsvorschriften zu qualifizierenden §§ 30, 31 AktG stand jedoch § 197 Satz 2 UmwG entgegen, der „die Vorschriften über die Bildung und Zusammensetzung des ersten Aufsichtsrats“ ausdrücklich ausschloss. Daher war ungeklärt, welche Vorschriften im Hinblick auf die Bestellung des Aufsichtsrats nach formwechselnder Umwandlung anzuwenden waren. Zudem konnte die Durchführung des Formwechsels insbesondere wegen des langwierigen Verfahrens der Wahl der Arbeitnehmervertreter erheblich verzögert werden7. Ein gangbarer Weg wurde darin gesehen, ein Statusverfahren nach den §§ 97 AktG durchzuführen und gemäß § 104 AktG die Arbeitnehmervertreter durch das Gericht bestellen zu lassen8. Einem anderen Ansatz zufolge sollte eine teleologische Reduktion über den Wortlaut des § 197 Satz 2 UmwG hinweghelfen, um doch die Vorschriften über den ersten Aufsichtsrat der Aktiengesellschaft anwenden zu können und damit zumindest teilweise auch die praktikable Lösungsmöglichkeit über § 104 AktG zu eröffnen9. Es war allerdings zweifelhaft, ob die dem eindeutigen Wortlaut des § 197 Satz 2 UmwG entgegenstehenden Belange eine solche teleologische Reduktion dogmatisch rechtfertigen konnten.

6 Vgl. Quass, in: Maulbetsch/Klumpp/Rose, UmwG, § 197 Rn. 39 ff.; Decher, in: Lutter/Winter, UmwG, § 197 Rn. 47 ff.; Bärwaldt, in: Semler/Stengel, UmwG, § 197 Rn. 69; Semler, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 104 Rn. 71. 7 Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 34. 8 Vgl. Meister/Klöcker, in: Kallmeyer, UmwG, § 197 Rn. 73 ff.; dazu kritisch Hergeth/Mingau, in: DStR 1999, 1948, 1949. 9 Joost, in: Festschrift für Claussen, S. 187, 194 ff., der allein in einer „etwas kühn“ erscheinenden teleologischen Reduktion den Ausweg aus der vom Gesetzgeber geschaffenen „umwandlungsrechtlichen Sackgasse“ sah.

III. Gesellschaft in der Insolvenz

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Den berechtigten Forderungen, dieser misslichen Gesetzeslage abzuhelfen10, kam der Gesetzgeber nach, indem er im Jahre 200711 dem § 197 UmwG einen „klarstellenden“12 Satz 3 hinzufügte, der nunmehr § 31 AktG beim Formwechsel in eine Aktiengesellschaft ausdrücklich für anwendbar erklärt. Somit ist zunächst nach § 31 Abs. 3 AktG das Statusverfahren durchzuführen und bis zum Abschluss der Wahl der Arbeitnehmervertreter kann eine Bestellung durch das Gericht vorgenommen werden13. Für die Fälle der formwechselnden Umwandlung hat der Gesetzgeber also das Statusverfahren als adäquate Lösung angesehen, ergänzt durch die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern, um den Zeitraum bis zum Abschluss des Wahlverfahrens vorläufig überbrücken zu können. So wird einerseits das Interesse gewahrt, möglichst ununterbrochen einen funktionsfähigen Aufsichtsrat zu haben, und andererseits auch den Interessen der unternehmerischen Mitbestimmung Genüge getan.

III. Gesellschaft in der Insolvenz Wurde über das Vermögen einer zahlungsunfähigen oder überschuldeten Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet, so muss vorgelagert zu der Frage, ob auch dann im Falle von Vakanzen im Aufsichtsrat eine gerichtliche Ergänzung in Betracht kommt, geklärt werden, welche Funktion dem Aufsichtsrat in der Insolvenz der Gesellschaft zukommt. Denn sobald ein Insolvenzverwalter bestellt ist, gehen auf diesen die Verwaltungs- und Verfügungsrechte hinsichtlich des Gesellschaftsvermögens über (§ 80 Abs. 1 InsO). Er wird damit zum allein zuständigen Amtstreuhänder über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen der Gesellschaft, handelt grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich und führt das von der Gesellschaft betriebene Unternehmen einstweilig fort14.

10 Vgl. die Vorschläge des Handelsrechtsausschusses des Deutschen Anwaltvereins e. V. zur Änderung des UmwG, abgedruckt in NZG 2000, 802, 807. 11 Zweites Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes vom 19.4.2007, BGBl. I, 542 ff. 12 So die Begründung des Regierungsentwurfes des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Umwandlungsgesetzes, BT-Drucks. 16/2919, S. 19. Von einer reinen Klarstellung kann indes angesichts der erläuterten unklaren Rechtslage, die bis zur Gesetzesänderung bestand, nicht gesprochen werden. 13 Vgl. zur gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit einem Statusverfahren Schnitker/Grau, in: NZG 2007, 486, 489 ff. 14 Klopp/Kluth, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 22 Rn. 1 f.; vgl. dazu allgemein die schon zur früheren Konkursordnung ergangene ständige Rechtsprechung, BGH v. 27.10.1983 – I ARZ 334/83, NJW 1984, 739; BVerwG v. 13.4.2005 – 6 C 4/04, BB 2005, 1586, 1589; Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 264 Rn. 42 m.w. N.

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F. Die Gesellschaft in verschiedenen Entwicklungsstadien

1. Verbleibende Kompetenzen des Aufsichtsrats Wie sich das Verhältnis zwischen Gesellschaftsorganen und Insolvenzverwalter sowie deren Kompetenzen im Einzelnen darstellen, ist umstritten15. Indes stimmen die Rechtsprechung und die überwiegende Ansicht in der Literatur darin überein, dass Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung als Organe der Gesellschaft bestehen bleiben, weil andernfalls kein Gesellschaftswillen mehr gebildet werden könnte und Handlungsunfähigkeit einträte16. Gleichwohl sind die verbleibenden Befugnisse der Gesellschaftsorgane angesichts des umfassenden Verwaltungs- und Verwertungsrechts des Insolvenzverwalters gering und betreffen nur gesellschaftsinterne, nicht unmittelbar die Insolvenzmasse berührende Angelegenheiten17. Was den Aufsichtsrat anbelangt, so kommt diesem nicht etwa die Aufgabe zu, den Insolvenzverwalter zu überwachen18. Nach den §§ 58 Abs. 1, 69 Satz 1 InsO wird dieser vielmehr allein vom Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss überwacht. Dagegen verbleibt jedoch die Kompetenz, Vorstandsmitglieder zu bestellen und abzuberufen, ebenso beim Aufsichtsrat wie die Mitwirkung bei der Vertretung der Gesellschaft in nicht die Insolvenzmasse beeinträchtigenden Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen gemäß den §§ 246 Abs. 2 Satz 2, 249 Abs. 1 Satz 1 AktG19. Hinzu kommt die ausdrücklich in § 101 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 97 InsO bestimmte Pflicht des „Aufsichtsorgans“ einer juristischen Person, insbesondere dem Insolvenzverwalter Auskunft zu geben und diesen bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen. Somit geht das Gesetz selbst davon aus, dass der Aufsichtsrat auch in der Insolvenz bestehen bleibt20.

15 Vgl. Haas, in: Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, § 91 Rn. 29; Hüffer, AktG, § 264 Rn. 8; Hauptmann/Müller-Dott, in: BB 2003, 2521, 2525. 16 OLG München v. 10.11.1994 – 24 U 1036/93, AG 1995, 232; KG Berlin v. 4.8.2005 – 1 W 397/03, DZWIR 2005, 477; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 103 Rn. 57; Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 264 Rn. 40; vgl. bereits das Urteil des Reichsgerichts vom 14.2.1913 – Rep. II. 449/12, RGZ 81, 332, 337. A.A. Schulz, in: KTS 1986, 389, 412, wonach „die Organstellung des Aufsichtsrats im Insolvenzverfahren mit Zerschlagungsziel ganz beseitigt werden“ soll. 17 Zu dieser Kompetenzaufteilung grundlegend Weber, in: KTS 1970, 73 ff. 18 Wiedemann, in: Großkommentar, AktG, § 262 Rn. 22; Kraft, in: Kölner Kommentar, AktG, 1. Aufl., § 262 Rn. 41; Hauptmann/Müller-Dott, in: BB 2003, 2521, 2525. 19 Vgl. OLG Nürnberg v. 20.3.1990 – 1 U 2275/89, BB 1991, 1512, 1513; Hauptmann/Müller-Dott, in: BB 2003, 2521, 2525; Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, 2. Aufl., § 264 Rn. 71, wonach zudem satzungsmäßige Aufgaben des Aufsichtsratsvorsitzenden, wie etwa die Leitung der Hauptversammlung, vom Insolvenzverfahren unberührt bleiben. 20 KG Berlin v. 4.8.2005 – 1 W 397/03, DZWIR 2005, 477, 478.

III. Gesellschaft in der Insolvenz

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2. Anwendung des § 104 AktG in der Insolvenz Da der Aufsichtsrat also nicht vollständig obsolet wird, besteht kein Grund, den Notbehelf des § 104 AktG in der Insolvenz auszuschließen, so dass auch dann Vakanzen durch eine gerichtliche Bestellung behoben werden können. Da es gerade in der Insolvenz der Gesellschaft – nicht zuletzt wegen der damit einhergehenden Einbußen hinsichtlich der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder – nicht selten zu Amtsniederlegungen und damit zur Unterbesetzung oder gar Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats kommt, besteht auch ein erhebliches praktisches Bedürfnis für einen Notbehelf 21. Besondere Gründe, die gegen die Möglichkeit einer gerichtlichen Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern in der Insolvenz sprechen könnten, bestehen nicht, weil weder die Tätigkeit des Insolvenzverwalters dadurch beeinträchtigt wird noch sonstige besondere Belange im Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren entgegen stehen22. Angesichts des eng begrenzten Aufgabenspektrums des Aufsichtsrats in der Insolvenz ist allerdings eine eher restriktive Auslegung des § 104 AktG geboten, insbesondere was das Merkmal des dringenden Falles nach Absatz 2 Satz 2 anbelangt. Da die Aufgaben des Vorstands nunmehr im Wesentlichen vom Insolvenzverwalter wahrgenommen werden, entfällt insoweit auch die entsprechende Pflicht des Aufsichtsrats, die Leitung der Geschäfte zu überwachen23, und damit der größte Teil der zu erledigenden Aufsichtsratsarbeit. Fällt also etwa in einem großen Gremium ein Mitglied weg, so wirkt sich die in der werbenden Gesellschaft regelmäßig nur vorübergehend hinzunehmende Unterbesetzung des Gremiums in der Insolvenz weniger aus. Dabei ist es irrelevant, ob die Gesellschaft insolvenzrechtlich abgewickelt wird oder ob es zu einer Reorganisation und Fortführung des Unternehmens kommt, weil in beiden Fällen der weit überwiegende Teil der Kompetenzen beim Insolvenzverwalter liegt. Jedenfalls dürfte – abgesehen von dem gesetzlich bestimmten Fall des § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG beim paritätisch mitbestimmten Aufsichtsrat – nur in Ausnahmefällen Dringlichkeit gegeben sein, so dass grundsätzlich der Ablauf der Dreimonatsfrist abzuwarten ist. Eine weitere Besonderheit betrifft die Kandidatenauswahl. Schon wegen des eingeleiteten Insolvenzverfahrens wird es schwierig sein, adäquate Personen zu finden, die sich zur Mandatsübernahme bereit erklären. Erschwerend kommt hinzu, dass wegen der Insolvenz häufig keine oder nur eine geringe Aufsichts21 Vgl. KG Berlin v. 4.8.2005 – 1 W 397/03, DZWIR 2005, 477; OLG Dresden v. 10.8.2005 – 2 U 290/05, AG 2005, 812, 813; Habersack, in: Münchener Kommentar, AktG, § 104 Rn. 3; Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 1; Flitsch, in: DZWIR 2005, 478. Zu den Fragen der Vergütung und des Aufwendungsersatzes von Aufsichtsratsmitgliedern einer insolventen Gesellschaft und den damit zusammenhängenden Problemen der Kandidatensuche vgl. Oechsler, in: AG 2006, 606, 607 ff., 612 f. 22 Vgl. KG Berlin v. 4.8.2005 – 1 W 397/03, DZWIR 2005, 477, 478. 23 Oechsler, in: AG 2006, 606.

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F. Die Gesellschaft in verschiedenen Entwicklungsstadien

ratsvergütung gezahlt wird. Dies bringt die Gefahr mit sich, dass nur ungeeignete Kandidaten verfügbar sind oder dass sich Kandidaten „mit undurchsichtiger Motivation“ selbst aufdrängen, etwa um medienwirksame Entscheidungen wie die Abberufung von Vorstandsmitgliedern zu treffen24. Es bedarf mithin einer besonders sorgfältigen Kandidatenauswahl durch den Vorschlagsberechtigten 25 und das zuständige Gericht. Um das Risiko einer ungünstigen Auswahl zu begrenzen, wird in der Literatur vorgeschlagen, dem Gericht in den Fällen insolventer Gesellschaften ausnahmsweise die Befugnis zuzuerkennen, das Bestellungsverfahren einstweilig auszusetzen26. Dieser Vorschlag verdient Zustimmung. Schon wegen der regelmäßig fehlenden Dringlichkeit ist es dem Gesellschaftsinteresse eher dienlich, die gerichtliche Bestellung aufzuschieben, als das Risiko einer ungünstigen Auswahlentscheidung einzugehen. Zur Begründung der Aussetzungsbefugnis soll der Wortlaut des § 104 Abs. 1 und 2 AktG, der dem Gericht keine solche Befugnis einräumt und auch keine sonstigen Ausnahmetatbestände nennt, sondern vielmehr allein die Bestellungspflicht vorsieht, teleologisch reduziert werden27. Durch den neu geschaffenen § 21 FamFG, der aufgrund seiner systematischen Stellung im Allgemeinen Teil auf das Verfahren der gerichtlichen Ergänzung von Aufsichtsratsmitgliedern anwendbar ist, existiert seit September 2009 eine gesetzliche Bestimmung im Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit, die die Befugnis des Gerichts zur Verfahrensaussetzung allgemein regelt und damit die genannte teleologische Reduktion überflüssig macht. Der nach § 21 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche wichtige Grund zur Aussetzung wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und wegen des damit verbundenen Fehlens adäquater Kandidaten zu bejahen sein, zumal auch der Zweck des § 104 AktG, den Aufsichtsrat im Interesse der Gesellschaft funktionsfähig zu halten, für eine Verfahrensaussetzung spricht. Jedoch werden an die Aussetzungsgründe in den Fällen der Ergänzung des beschlussunfähigen Aufsichtsrats nach § 104 Abs. 1 AktG höhere Anforderungen zu stellen sein als in den Fällen bloßer Unterbesetzung nach Absatz 2, weil auch in der Insolvenz der Gesellschaft das Interesse an der Wiederherstellung der Beschlussfähigkeit des Aufsichtsrats schwerer wiegt als das Interesse an dessen Vollergänzung.

24

So Oechsler, in: AG 2006, 606, 612. Was das Vorschlagsrecht anbelangt, gelten in der Insolvenz keine Besonderheiten. 26 Ausführlich Oechsler, in: AG 2006, 606, 612 f.; auf die Möglichkeit einer Aussetzung des Bestellungsverfahrens verweist auch Spindler/Stilz, AktG, § 104 Rn. 1, dort Fn. 4. 27 Oechsler, in: AG 2006, 606, 613. 25

G. Zusammenfassung 1. Die erste Vorschrift, die der zeitnahen Behebung von Vakanzen im Aufsichtsrat diente, war die Strafnorm des Art. 249 Nr. 2 ADHGB, die bei dauernder Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats sowohl den Vorstands- als auch den verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern Gefängnisstrafen androhte. Die gerichtliche Ergänzung des beschlussunfähigen Aufsichtsrats war erstmals in § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 vorgesehen, die Möglichkeit der Ergänzung des nur unterbesetzten Aufsichtsrats stammt aus dem Jahre 1957. 2. Zur Antragstellung berechtigt sind der Vorstand als Gesamtorgan, die einzelnen Mitglieder des Aufsichtsrats, jeder Aktionär, sowie in mitbestimmten Gesellschaften die in § 104 Abs. 1 Satz 3, 4 AktG genannten Gremien und Repräsentanten der Arbeitnehmerseite. In der Praxis stellt regelmäßig der Vorstand den Antrag. 3. Sowohl die Ergänzung des beschlussunfähigen Aufsichtsrats nach § 104 Abs. 1 AktG als auch die Ergänzung des unterbesetzten Aufsichtsrats nach Absatz 2 setzt das Fehlen mindestens eines Aufsichtsratsmitglieds voraus. Neben zahlreichen anderen Gründen kann zwar nicht die dauernde Amtsverweigerung, wohl aber die dauernde Amtsverhinderung eine ergänzungsbedürftige Vakanz begründen. Voraussetzung hierfür ist, dass das Mitglied zu einem nicht unerheblichen Grad und für eine voraussichtlich nicht unerhebliche Dauer an der ordnungsgemäßen Amtsausübung gehindert ist. Das Amt des verhinderten Mitglieds ruht, sobald ein anderes Mitglied gerichtlich bestellt wurde, und lebt nach der allgemeinen Norm des § 104 Abs. 5 AktG wieder auf, sobald das verhinderte Mitglied erklärt, wieder zur ordnungsgemäßen Amtsausübung in der Lage zu sein. 4. Im dreiköpfigen Aufsichtsrat reicht es aus, wenn zwei Aufsichtsratsmitglieder den Beschluss über einen Antrag auf gerichtliche Abberufung aus wichtigem Grund des dritten, einem Stimmverbot unterliegenden Mitglieds nach § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG stellen. Dagegen ist nach hier vertretener Auffassung im dreiköpfigen Aufsichtsrat eine gerichtliche Ergänzung notwendig, wenn über die Zustimmung zu einem Beratervertrag zwischen der Gesellschaft und einem der Aufsichtsratsmitglieder nach § 114 Abs. 1 AktG zu beschließen ist. 5. Um die Funktionsfähigkeit des Aufsichtsrats sicher zu stellen, ist bei schwebender Anfechtungsklage gegen die Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern eine gerichtliche Ergänzung möglich, die unter der aufschiebenden Bedingung des Erfolgs der Anfechtungsklage vorgenommen wird und auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Bestellungsentscheidung zurückwirkt.

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G. Zusammenfassung

6. Ist eine Vakanz im Aufsichtsrat gegeben, so kommt als weitere Voraussetzung für die gerichtliche Ergänzung hinzu, dass entweder Beschlussunfähigkeit vorliegt (§ 104 Abs. 1 AktG), oder dass eine bloße Unterbesetzung länger als drei Monate besteht bzw. ein dringender Fall vorliegt (§ 104 Abs. 2 AktG). Die geltende Dreimonatsfrist sollte vom Gesetzgeber gestrichen werden, um eine zeitnahe Bestellung zu ermöglichen. Dadurch würde auch das unbestimmte Merkmal des „dringenden Falles“ entbehrlich, was einen Gewinn an Rechtssicherheit mit sich brächte. Dringlichkeit kann über den in § 104 Abs. 3 Nr. 2 AktG bestimmten Beispielsfall hinaus in verschiedenen Fallgestaltungen gegeben sein, insbesondere wenn eine der gesetzlichen Konzeption widersprechende Störung der Kräfteverhältnisse im Aufsichtsrat droht, wenn besonders bedeutsame Aufsichtsratsbeschlüsse anstehen oder wenn sich die Gesellschaft in einer Krisensituation befindet. 7. Um die Notwendigkeit einer gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats von vornherein zu vermeiden, können Ersatzmitglieder bestellt oder Entsendungsrechte in die Satzung aufgenommen werden. Unzulässig ist es hingegen, zusätzliche Aufsichtsratsmitglieder zu bestellen, es sei denn, die Satzung wird entsprechend geändert. 8. Der Antrag auf gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ist bereits bei sich konkret abzeichnender Beschlussunfähigkeit zu stellen. Sofern bei Unterbesetzung des Aufsichtsrats die Dreimonatsfrist gilt, ist eine Antragstellung vor Fristablauf zulässig, sofern eine anderweitige Ergänzung des Aufsichtsrats nicht durchführbar erscheint und der Antrag darauf gerichtet ist, die Bestellung erst nach Fristablauf vorzunehmen. 9. Während die mitbestimmungsrechtlich begründeten Rechte, dem Gericht einen Kandidaten vorzuschlagen, ausdrücklich gesetzlich verankert sind, beruhen die Kandidatenvorschläge von Vorstand, verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern und Aktionären auf ungeschriebenen Grundsätzen. Die für das Gericht unverbindlichen Vorschläge dienen dazu, der Verbandsautonomie im Rahmen der gerichtlichen Ergänzung Rechnung zu tragen. Problematisch sind Vorschläge des Vorstands, da dieser nach der aktienrechtlichen Konzeption nicht die Personen aussuchen darf, die ihn zu kontrollieren haben. Dem Vorteil, dass der Vorstand regelmäßig schnell handeln kann und geeignete Kandidaten im Branchenumfeld benennen kann, stehen schwer wiegende Bedenken gegenüber. Zu der Gefahr mangelnder Unabhängigkeit der Aufsichtsratsmitglieder kommt hinzu, dass das gerichtliche Bestellungsverfahren intransparent ist. Erforderlich ist die maßgebliche Einbeziehung des Aufsichtsrats und gegebenenfalls des Großaktionärs sowie die Befristung der Amtszeit des gerichtlich Bestellten bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung. 10. Der Vorstand kann das Gericht auf sachliche Bedenken hinweisen, die gegen einen vom Aufsichtsrat oder einem Aktionär ausgehenden Kandidatenvor-

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schlag sprechen. Bei gravierenden Bedenken kann sich dieses Recht im Einzelfall zu einer Hinweispflicht verdichten. Geht der Vorschlag vom Mehrheitsaktionär aus, rechtfertigen nur besonders schwer wiegende Bedenken einen Hinweis des Vorstands gegenüber dem Gericht. Entsprechendes gilt für die Äußerung von Bedenken des Vorstands direkt gegenüber dem Aufsichtsrat oder einem Aktionär. 11. Stehen mehrere geeignete Kandidaten zur Auswahl, sollten diese dem Gericht als Alternativvorschläge benannt werden. 12. Bei Beschlussunfähigkeit des Aufsichtsrats muss der Vorstand den Antrag auf gerichtliche Ergänzung unverzüglich, also innerhalb einer knapp bemessenen Prüfungs- und Überlegungsfrist stellen. Ein Verstoß gegen die Antragspflicht kann Schadensersatzansprüche der Gesellschaft begründen. Regelmäßig werden diese jedoch mangels kausalen Schadens ausscheiden. In den Fällen der bloßen Unterbesetzung des Aufsichtsrats besteht dagegen in der Regel keine Antragspflicht des Vorstands. 13. Der Vorstand ist nicht verpflichtet, dem Gericht einen Kandidatenvorschlag zu unterbreiten. Wenn er einen Kandidaten benennt, sollte dem Antrag die Erklärung des Kandidaten beigefügt werden, dass er das Amt übernehme, und es sollte dargelegt werden, dass keine Hinderungsgründe bestehen. 14. Wegen der Pflicht des Vorstands und des Aufsichtsrats, eine zuvor abgegebene uneingeschränkte Entsprechenserklärung zum DCGK im Falle eines Abweichens von Empfehlungen unterjährig anzupassen, müssen die Kodexempfehlungen, welche die gerichtliche Ergänzung unmittelbar oder mittelbar betreffen, jedenfalls mit berücksichtigt werden. Die in Ziff. 5.4.3 Satz 2 DCGK empfohlene Befristung der Amtszeit des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds betrifft unmittelbar die gerichtliche Ergänzung und ist ungeachtet des automatischen Erlöschens der Amtszeit nach § 104 Abs. 5 AktG unter Corporate Governance-Gesichtspunkten und vor dem Hintergrund der Bestellkompetenz der Aktionäre erforderlich. Die in den Empfehlungen der Ziff. 5.4.1 und 5.4.2 DCGK enthaltenen Kriterien hinsichtlich der Kandidatenauswahl bei der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern gelten auch für die gerichtliche Ergänzung. 15. Die gerichtliche Ergänzung ist mit der Pflicht des Vorstands verbunden, beim Registergericht eine Liste der Aufsichtsratsmitglieder einzureichen, um der Registerpublizität zu genügen. Dagegen kommen Ad-hoc-Publizitätspflichten im Zusammenhang mit der gerichtlichen Ergänzung nur in besonderen, die Kursrelevanz begründenden Fällen in Betracht, etwa wenn der Aufsichtsratsvorsitzende unerwartet ausscheidet oder gleich mehrere Aufsichtsratsmitglieder zu ersetzen sind. 16. Aus der allgemeinen Sorgfaltspflicht kann auch für die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder die Pflicht zur Antragstellung nach § 104 AktG resultieren, wobei es genügt, wenn sie zunächst den Vorstand zur Antragstellung veranlassen.

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G. Zusammenfassung

17. Die verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder sind zwar nicht verpflichtet, einen Kandidaten vorzuschlagen, aber sie haben bei der Kandidatensuche mitzuwirken. Umfang und Inhalt dieser Mitwirkungspflicht sind von der gegenwärtigen Situation im Aufsichtsrat und in der Gesellschaft abhängig, bei sich schwierig gestaltender Kandidatensuche ist ein Anforderungsprofil zu erarbeiten. 18. Die Aktionäre sind grundsätzlich nicht zur Stellung des Antrags nach § 104 AktG verpflichtet. Nur in ganz außergewöhnlichen Fällen kann die Treuepflicht eines Großaktionärs eine Antragspflicht begründen. 19. Die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats ist ein unternehmensrechtliches Verfahren nach § 375 Nr. 3 FamFG (nach früherer Terminologie des FGG eine Handelssache), das den Rechtsfürsorgeverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuzuordnen ist. 20. Wenn ein adäquater Kandidat vorgeschlagen wurde, gegen den auch keine wesentlichen Einwände erhoben wurden, kann eine gerichtliche Prüfung der zwingenden Voraussetzungen für Aufsichtsratsmitglieder ausreichen. Andernfalls ist eine Kandidatensuche unter Einbeziehung der Beteiligten und unter Umständen auch Dritter erforderlich. 21. In jedem Fall muss der Kandidat den allgemeinen gesetzlichen Voraussetzungen entsprechen, insbesondere darf die Höchstzahl von zehn Aufsichtsratsmandaten nicht überschritten werden. Eine bestimmte Mindestqualifikation des Kandidaten ist zwar keine zwingende Voraussetzung für eine wirksame Bestellung, jedoch sind die Fähigkeiten und Erfahrungen des Kandidaten maßgebliches Auswahlkriterium. Anteilseignervertreter müssen etwaige satzungsmäßige Voraussetzungen erfüllen. 22. Empfehlungen des DCGK stellen keine zwingenden Bestellungsvoraussetzungen dar, jedoch muss sie das Gericht bei börsennotierten Gesellschaften, die eine uneingeschränkte Entsprechenserklärung abgegeben haben, insofern berücksichtigen, als sie das gerichtliche Auswahlermessen reduzieren. Abweichungen sind daher nur ausnahmsweise und wegen der erforderlichen, umgehenden Anpassung der Entsprechenserklärung nur nach Abstimmung mit den verbliebenen Aufsichtsratsmitgliedern zulässig. 23. Ergänzend kann das Gericht weitere Kriterien bei der Kandidatenauswahl heranziehen, um die pflichtgemäße Ermessensentscheidung zu treffen. Neben den Hauptkriterien der Fähigkeiten und persönlichen Eigenschaften des Kandidaten können insbesondere das Alter, das Geschlecht und die internationale Erfahrung des Kandidaten einbezogen werden. Zu diesen unmittelbar kandidatenbezogenen Kriterien kommen hinzu die Berücksichtigung der aktienrechtlichen Organisationsverfassung – mithin der Wille des Mehrheitsaktionärs oder der verbliebenen Aufsichtsratsmitglieder – sowie die Vermeidung erheblicher Interessenkonflikte.

G. Zusammenfassung

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24. Im Falle der gerichtlichen Ergänzung bei einem schwebenden Anfechtungsverfahren gegen die Wahl des Aufsichtsrats ist das Mitglied, dessen Wahl angefochten wird, aufschiebend bedingt und rückwirkend zu bestellen, sofern keine personenbezogenen Anfechtungsgründe geltend gemacht werden. Bezieht sich die Anfechtungsklage indes auf in der Person des umstrittenen Aufsichtsratsmitglieds liegende Gründe, so ergibt sich das Problem, dass ein anderer Kandidat auszuwählen wäre, der jedoch nicht als zusätzliches Mitglied in den Aufsichtsrat gelangen kann. Es bleibt dann allein die Abberufung oder die Amtsniederlegung des Mitglieds, dessen Wahl angefochten wird, um eine gerichtliche Ergänzung zu ermöglichen. 25. Die Unwirksamkeit einer gerichtlichen Bestellung wegen gesetzeswidriger Kandidatenauswahl kommt nur in Betracht, wenn schwer wiegende, vom Kandidaten unbeeinflussbare Bestellhindernisse, wie diejenigen des § 100 Abs. 1 AktG, bestehen. Dagegen führen behebbare Hinderungsgründe, wie diejenigen des § 100 Abs. 2 AktG, nicht zur Unwirksamkeit der Bestellung. Amtshaftungsansprüche wegen fehlerhafter Auswahlentscheidung sind regelmäßig ausgeschlossen. 26. Die Rechtsposition des gerichtlich bestellten Aufsichtsratsmitglieds entspricht derjenigen der ordentlich bestellen Mitglieder. Es nimmt nicht automatisch die Positionen des Vorgängers ein, wie etwa Mitgliedschaften in Ausschüssen des Aufsichtsrats oder den Vorsitz im Aufsichtsrat. Bei Wegfall oder Fehlen des Aufsichtsratsvorsitzenden ist § 104 Abs. 2 AktG analog anzuwenden. 27. Die Amtszeit des gerichtlich Bestellten endet, sobald die Hauptversammlung als zuständiges Bestellungsorgan ein anderes Mitglied wählt. Zudem soll, entsprechend der Empfehlung des DCGK, die Amtszeit bis zum Ablauf der nächsten Hauptversammlung durch das Gericht befristet werden. Eine Abberufung ist nur auf Antrag durch das Gericht möglich und setzt einen wichtigen Grund voraus. 28. Im Stadium der Gründung der Gesellschaft ist eine gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats erst nach Eintragung der Gesellschaft ins Handelsregister zulässig. Eine Ausnahme hiervon stellt die schon vor Eintragung mögliche Bestellung von Arbeitnehmervertretern bei Einbringung eines Unternehmens dar. 29. Nach einer formwechselnden Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit mitbestimmtem Aufsichtsrat ist eine gerichtliche Ergänzung möglich, um den Zeitraum bis zum Abschluss des Wahlverfahrens der Arbeitnehmervertreter zu überbrücken. 30. Auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft ist die gerichtliche Ergänzung des Aufsichtsrats möglich, wenngleich die Voraussetzungen des § 104 AktG restriktiver auszulegen sind. Das Gericht ist außerdem befugt, das Bestellungsverfahren vorläufig auszusetzen.

Anhang Ergebnisse der Befragung der Registerrichter Um einen Einblick in die Praxis der gerichtlichen Ergänzung des Aufsichtsrats zu erhalten, führte der Verfasser im Jahre 2007 eine Befragung der Registerrichter in zwanzig Großstädten des gesamten Bundesgebiets durch. Auf die Ergebnisse der Umfrage wird an den maßgeblichen Stellen der Arbeit Bezug genommen. Die zwanzig versandten Fragebögen bestanden aus je zehn praxisbezogenen Fragen rund um das Verfahren des § 104 AktG. Der Verfasser hat 13 beantwortete Bögen zurückerhalten. Dabei wurde teilweise ausdrücklich unter Bezugnahme auf weitere in der jeweiligen Stadt tätige Registerrichter geantwortet. Die wesentlichen Ergebnisse der Umfrage lassen sich auf Grundlage der Angaben der Registerrichter wie folgt zusammenfassen: 1. Die Häufigkeit der Anträge auf gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern hängt von der Anzahl großer (Aktien-)Gesellschaften ab, die in der jeweiligen Stadt ansässig sind. Ist diese Zahl eher gering (z. B. in den Städten Ulm, Freiburg, Kiel), gehen bei einem Registerrichter durchschnittlich zwei bis vier Anträge pro Jahr ein. Demgegenüber beläuft sich die Zahl der Anträge etwa in München, Essen und Dortmund auf bis zu 50 im Jahr. 2. Überwiegend werden die Registerrichter nicht schon im Vorfeld der Antragstellung einbezogen; gelegentlich werden Verfahrensfragen vorab telefonisch angesprochen. 3. Einhellig wird der Vorstand als üblicherweise den Antrag stellendes Organ genannt. Teilweise fügt er dem Antrag eine ausdrückliche Zustimmung des Aufsichtsrats bei. Dass der Aufsichtsrat bzw. eines seiner Mitglieder den Antrag selbst stellt, ist ebenso selten wie ein Antrag einer Gewerkschaft. Es kommt ebenfalls eher selten vor, wird aber zumindest von acht Registerrichtern aus eigener Erfahrung berichtet, dass ein (Groß-)Aktionär den Antrag stellt. 4. Was die Auswahl der zu bestellenden Person betrifft, so wird in der weit überwiegenden Zahl der Fälle dem vom Antragsteller eingereichten Vorschlag gefolgt. Da in der Regel keine Alternativvorschläge im Raum stehen und sich weitere Kandidaten nicht ohne weiteres ermitteln lassen, beschränkt sich die gerichtliche Prüfung meist auf die wenigen gesetzlich bestimmten Bestellungsvoraussetzungen. Dies gilt insbesondere, wenn andere Gesellschaftsgremien dem Vorschlag zugestimmt haben und keine Anhaltspunkte für Bedenken gegen den

Anhang

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Kandidaten vorliegen. Im Übrigen spielen nach Angaben einiger Registerrichter weitere Kriterien eine Rolle wie Beruf, besondere Fähigkeiten, zeitliche Auslastung und – soweit bekannt – der Werdegang des Kandidaten sowie die Aussicht, dass der Kandidat den Unternehmensfrieden nicht gefährdet; vereinzelt wird als weiteres Kriterium genannt, den Frauenanteil in den Aufsichtsräten zu erhöhen. Eine grobe Einschätzung der Aussichten des Kandidaten, zukünftig von der Hauptversammlung im Amt bestätigt zu werden, findet wegen der Prognoseschwierigkeiten nur bei etwas mehr als der Hälfte der Registerrichter statt. 5. Der DCGK findet im Rahmen der gerichtlichen Auswahlentscheidung bislang überwiegend keine Berücksichtigung; Vereinzelt wird dem Kodex aber zunehmende Relevanz für die Kandidatenauswahl beigemessen. Die Unabhängigkeit des Kandidaten kann nach Auskunft mancher Registerrichter maßgebliches Kriterium sein, jedoch sind die persönlichen Verflechtungen in der Regel nicht bekannt. 6. Der Antrag auf Festsetzung der Vergütung nach § 104 Abs. 6 Satz 2 AktG ist in der Praxis irrelevant. 7. Die überwiegende Zahl der Registerrichter gibt an, von einer Befristung der Amtszeit des neu bestellten Mitglieds im Beschluss regelmäßig abzusehen. Demgegenüber befristen nur wenige Registerrichter die Amtszeit immer zum Ablauf der nächsten Hauptversammlung. 8. Einige Registerrichter befürchten eine gewisse Instrumentalisierung oder Überbeanspruchung des eher als Notbehelf konzipierten § 104 AktG. 9. Die gerichtliche Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern läuft in der Mehrzahl der Fälle reibungslos ab. Jedoch gibt es immer wieder gerade im Hinblick auf die Kandidatenauswahl Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten, die teilweise massiv sind, da insbesondere andere Streitpunkte zwischen den Beteiligten in das Verfahren nach § 104 AktG hineingetragen werden. Diese Fälle beschäftigen dann regelmäßig die Beschwerdegerichte.

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Sachregister Abberufung 15, 28–29, 32–36, 38, 40– 42, 44–45, 78, 100, 116, 119, 125, 157, 164, 184–187, 196–197, 201, 215–216 ADHGB 21–22, 60, 100, 115, 197 Ad-hoc-Publizität 108, 112–113, 212 AGG 146–148, 151, 205, 211, 214 Aktienrechtliche Organisationsverfassung 17, 22, 36, 60–61, 152 Aktionärsgruppe 65 Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch 21, 215 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz siehe AGG Alter 150–151, 200 Alternativvorschläge 93–95, 97, 199, 202, 205, 210 Amtsbeendigung 20, 32, 184, 186 Amtsermittlungsgrundsatz 87, 105, 173 Amtsniederlegung 28, 99, 113, 157, 164, 188–189, 201, 215 Amtsübernahme 106, 128 Amtsverhinderung 16, 28–31, 33–36, 46, 197 Amtsverweigerung siehe Dauernde Amtsverweigerung Amtszeit 19, 32–33, 61, 77, 85, 108– 111, 126–127, 153, 175, 177, 184–189, 191, 198–199, 201, 203, 213 Analogie 22, 34–35, 157, 168, 179, 182– 183 Anfechtungsklage 17, 46–47, 49–51, 55– 56, 59, 162–163, 197, 201, 216 Anforderungsprofil 97, 120, 126, 137, 200, 217 Anteilseignervertreter 64, 70, 80, 136, 145, 153, 179, 200 Antragspflicht 23, 92, 98–100, 104, 114– 117, 122, 149, 199–200

Antragsrecht 26–27, 35, 99, 104 Antragsteller 19, 26, 35, 46, 50, 57, 60, 62, 65, 68–69, 72–73, 75, 77, 85, 90– 93, 97–98, 105, 109, 112, 123, 127– 128, 142, 149, 185, 190, 202 Arbeitnehmer 57, 70, 76 Arbeitnehmervertreter 58–59, 64, 71, 73, 130, 135–136, 179, 192–193, 201, 213 Aufschiebend bedingte und rückwirkende gerichtliche Bestellung 50 Aufsichtsratsvorsitz 177–178 Ausgestaltung des Antrags 105 Ausschüsse 30, 66, 178 Auswahl 16, 18, 57, 61, 80, 90, 93–94, 96–97, 105, 125–127, 130, 134, 139, 141–142, 144, 151, 164, 177, 196, 199, 202 Auswahlfehler 174 Auswahlkriterien 18, 61, 112, 121, 141, 152, 165 Befristung 33, 61, 85, 108–111, 185, 198–199, 203 Beratervertrag 42–44 Beratungsfunktion 102, 114, 126 Beratungsvertrag siehe Beratervertrag Beschlussfähigkeit 21–25, 33–34, 41, 56, 64–65, 67–68, 74, 99–100, 103, 116, 118, 120, 135, 196, 216 Beschlussunfähigkeit 17, 21–22, 24–25, 27, 31, 33–34, 36, 38, 42, 45–46, 48, 55–57, 60, 67–68, 72, 74, 89, 92, 98– 101, 103–104, 110, 114–115, 117, 120, 123, 135, 150, 155, 171, 175, 186, 195, 197–199, 210 Beschwerde 25, 35–36, 40, 52, 93, 141, 165

Sachregister Bestellungsverfahren 15, 26, 36, 75–76, 86, 96, 112–113, 147, 196, 198, 201 BilMoG 16, 132, 137–138, 207 Business Judgement Rule 101 Corporate Governance Kodex siehe DCGK Dauernde Amtsverweigerung 28 Dauernde Verhinderung 29 DCGK 16, 19, 43, 56, 61, 66, 79–80, 82, 85, 87, 94–95, 102, 106, 108–109, 111–112, 120, 125, 131–133, 136–140, 143, 145, 150–151, 154, 157–160, 181, 185, 199–201, 203 Dreiköpfiger Aufsichtsrat 17, 33–34, 41, 210, 215 Dreimonatsfrist 24, 56–60, 62, 68, 72, 74, 76, 136, 181, 183, 195, 198 Dreistimmenerfordernis 39–40, 45 Dringender Fall 16, 27, 31, 57–58, 62– 64, 66–69, 73, 99, 104, 136, 183, 198 Effizienz 18, 60, 66, 119, 127, 131, 204 Eingriff 23, 31, 36, 55, 61, 74, 76–77, 114, 169, 179–181 Empfehlungen siehe DCGK Entsendungsrecht 71–72 Entsprechenserklärung 16, 107–108, 110, 112, 137–138, 140, 159, 199–200, 206 Entstehungsgeschichte 60, 115 Erkrankung 29 Ermessen 62, 70, 88, 96, 104, 140–143, 150, 153, 162, 183, 187 Ermessensentscheidung 16, 85, 88, 140, 160–161, 200 Ermessenskriterien 111, 130, 141, 144, 152, 163, 165 Ermessensspielraum 57, 77, 161, 165, 187 Ersatzbestellung 15, 54, 70, 96, 121, 171–173, 180, 182, 190, 212, 214

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Ersatzbestellungsorgan 123, 126, 138, 163, 188 Ersatzfunktion 18, 21, 76, 98, 112, 137, 153, 159–160, 176 Ersatzmitglied 49, 69–70, 109 FamFG 18, 25, 36, 40, 52, 87–89, 97, 105, 120, 123–124, 128, 152, 165, 167, 173, 177, 196, 200, 204, 207 Frauenquote 145 Freiwillige Gerichtsbarkeit 18, 25, 36, 52–53, 87–89, 124–126, 147, 165, 167–171, 173–174, 186, 188, 196, 200, 204–205, 213 Funktionsfähigkeit 21, 27, 31, 41, 44, 46–47, 55, 58, 60, 73, 75, 84, 92–93, 100, 110, 114, 120, 144, 149, 153, 162, 170, 178–182, 190, 196–197 Geschlecht 144–145, 200 Gewaltenteilung 15, 43 Gleichbehandlung 176, 189 Großaktionär 17, 77, 90 Gründung 190, 201 Gruppenparität 56, 63 Haftung 145, 172, 174, 205 Handlungsfähigkeit 24, 30, 36, 67 Hinweisrecht 87 Historische Entwicklung 21, 55, 115 Höchstzahl der Aufsichtsratsmandate 130 Hypothetisches Wahlergebnis 152 Inkompatibilität 156, 160, 165, 169 Insolvenz 44, 193–196, 207, 213 Interessenkollision 33–34, 156, 159, 161, 211, 216 Interessenkonflikt 33 Internationalisierung 151 Kandidatenauswahl 18–20, 51, 61, 79, 82, 90, 94, 96, 105–106, 111, 119, 125–127, 130, 132, 136, 138, 140, 142,

220

Sachregister

144–145, 147, 151–152, 173, 186, 190, 195, 199–201, 203 Kandidatenprofil 79 Kandidatensuche 79, 84, 105, 119–121, 126–127, 129, 155, 160, 195, 200 Kandidatenvorschlag 17, 26, 75, 77, 79, 84, 86, 90–94, 99, 105–106, 112, 114, 119–120, 122, 127–128, 132, 140, 142, 148, 150, 153, 165, 170, 173, 175, 198–199 Kodexempfehlungen siehe DCGK Konkurrenzsituation 160–161 Kontrollfunktion 49, 111, 118 Kooptation 80, 118 Kräfteverhältnis 135 Kriterien 62, 91, 106, 121, 127, 141, 143–144, 159, 165, 169, 171, 199–200, 203 Mehrheitsverschiebungen 64 Mindestqualifikation 131–134, 200 Mitbestimmte Gesellschaft 70, 72, 75, 197 Mitbestimmung 24, 63, 193, 207 Mitwirkungspflicht 87, 105, 120, 200 MoMiG 59, 213 Nebenamt 106, 120, 155 Nominierungsausschuss 81–82, 94–95, 97, 121, 155, 211 Notbehelf 16–17, 24, 57, 195, 203 Notbestellung 15, 76, 120, 182, 215 Notgeschäftsführer 28, 63, 105–106, 177, 182, 204 Notvorstand 22, 163 Organisationsverfassung siehe Aktienrechtliche Organisationsverfassung Parität 24, 58, 63, 71 Personenauswahl 61 Personenvorschläge 75 Pflicht zur Antragstellung 74, 98–101, 104, 117, 199 Pflichtverletzung 29, 101, 103, 107

Publikumsgesellschaft 83 Publizitätspflichten 112, 199 Räuberische Aktionäre 49 Rechtsfürsorgeverfahren 87, 124, 148, 165, 170, 173, 200 Rechtskraft 47, 49–50, 52, 147, 165– 166, 170 Rechtsmittel 20, 25, 35, 40, 141, 163, 165, 174–175, 188 Registergericht 100, 112, 115, 123–124, 199, 206, 209 Registerrichter 15, 26, 35, 42, 68, 79, 105, 111, 124, 145, 153, 175, 202–203 Registersachen 19, 123–124, 207 Rückwirkung 48, 53–54, 163 Schadensersatz 38, 147–148, 173, 204 Schadensersatzhaftung 101–103 Schadensersatzpflicht 100, 116 Schwebendes Anfechtungsverfahren 162 sofortige Beschwerde 25, 165 Sorgfaltspflicht 91–92, 116, 118, 199 Stellvertreter 45–46, 69, 99, 179 Stimmenthaltung 36–37, 42 Stimmverbot 33–37, 41–42, 44, 197, 213 Störung des zahlenmäßigen Verhältnisses 24, 64–65 Strafvorschrift 21–23, 25, 60, 100, 116 Suche 70, 75, 79, 97, 106, 120, 125, 129, 167 Teilnahme 36–37, 39, 42 Teilnahme an der Beschlussfassung 36– 37, 39 Teleologische Reduktion 39, 44, 192, 196 Transparenz 84, 94, 96, 108–109, 113, 157, 209 Übernahme des Mandats siehe Amtsübernahme Überwachung 30, 80, 102, 121, 130– 131, 204, 207

Sachregister Umwandlung 17, 19, 145, 190, 192–193, 201, 207 Unabhängigkeit 17, 43, 61, 78–80, 84, 106, 111, 121, 129, 140, 142, 154, 156, 174, 188, 198, 203, 210, 214 Unterbesetzung 24, 26–27, 31, 36, 55, 57, 60, 65, 70, 72, 74–76, 98, 104, 110, 120, 135–136, 150, 171, 175, 180, 186, 195–196, 198–199 Unternehmensrechtliche Verfahren 19, 124, 207 Vergütung 43–44, 78, 175–176, 182, 195, 203 Verhinderung siehe Dauernde Verhinderung Vorschlags- und Hinweisrechte 19, 75, 91 Vorschlagspflicht 78, 105, 118–120 Vorschlagsrecht 75–79, 81, 83, 85, 119, 196, 215 Vorsitzender siehe Aufsichtsratsvorsitz

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Wahlbeschluss 47–49, 119, 168, 184 Wegfall sämtlicher Aufsichtsratsmitglieder 48 Weiteres Mitglied 58 Wichtiger Grund 29, 33–34, 36, 40–42, 79, 100, 125, 157, 164, 185–188, 197 Zahlenmäßiges Verhältnis 135 Zeitpunkt 31–33, 35, 53–55, 61, 68, 73, 134, 162, 172, 197 Zeitpunkt der Antragstellung 33, 55, 68, 73 Zufallsmehrheiten 63, 65, 183 Zusammensetzung des Aufsichtsrats 16, 18, 61, 64, 78, 81–82, 117, 131, 151, 209 Zuständigkeit 82, 119, 123–124 Zustimmungsvorbehalt 102, 104 Zwangsgeld 100, 112, 115, 124, 191