Die Garantiewerbehaftung nach §443 Abs. 1 BGB als Institut des europäischen Marktordnungsrechts: Zum Schutz des Marktes vor adverser Selektion durch eine gesetzliche Marktinformationshaftung und die Inhaltskontrolle vorformulierter Garantiebedingungen. Dissertationsschrift 9783161567780, 9783161567834, 3161567781

Nach § 443 Abs. 1 BGB binden Werbeangaben über Garantien den Werbenden ebenso wie der eigentliche Garantievertrag. Als m

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Die Garantiewerbehaftung nach  §443 Abs. 1 BGB als Institut des europäischen Marktordnungsrechts: Zum Schutz des Marktes vor adverser Selektion durch eine gesetzliche Marktinformationshaftung und die Inhaltskontrolle vorformulierter Garantiebedingungen. Dissertationsschrift
 9783161567780, 9783161567834, 3161567781

Table of contents :
Cover
Titel
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
I. Marktordnungsrecht im BGB
II. Streitfragen der Garantiewerbehaftung nach § 443 Abs. 1 BGB
B. Werbehaftung im deutschen Zivilrecht: ein Überblick
C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen
I. Garantien und Akerlof-Markt
II. Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern
III. Signaling mittels Garantien
IV. Alternative Garantietheorien
1. Insurance Theory
2. Sorting Theory
V. Signaling als maßgebliches Konzept für kommerzielle Garantien im Binnenmarkt
VI. Einwände gegen die Signalingtheorie
1. Berücksichtigung von Garantien vor dem Kauf?
a) Signing-without-reading-Problem
b) Umfang der AGB-Kontrolle von Garantiebedingungen
c) Maßstab der Inhaltskontrolle
aa) Lehre von der Vertragsnatur
bb) Europäisches Verbraucherleitbild
cc) Konkretisierung der Verbrauchererwartungen anhand des Singnalingkonzepts
d) Ergebnis
2. Keine positive Korrelation zwischen Garantielänge und Produktqualität
a) Unterschiede zwischen etablierten Anbietern und Newcomern
b) Moral Hazard auf Käuferseite
aa) Schutz vor consumer moral hazard durch AGB-Gestaltung
bb) Fehlender Anreiz zur Signalisierung hoher Produktqualität?
cc) Ergebnis
3. Funktionsverlust von Garantien aufgrund der gesetzlichen Sachmängelhaftung?
4. Ergebnis
D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht
I. Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht im europäischen Recht
1. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Regulierungsrecht
a) Kein „Schutz des Schwächeren“ intendiert
b) Binnenmarktorientierung auf Verbraucher- und auf Unternehmerseite
2. Schutz des Binnenmarkts mit den Mitteln des Zivil- und des Wettbewerbsrechts
II. Auswirkungen auf die kaufrechtliche Garantie
1. Marktordnungszweck der Garantiewerbehaftung nach Art. 6 Abs. 1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie
2. Private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung
a) Private enforcement als europarechtliche Vorgabe
b) Effektivität von private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung
aa) Informationsvorsprung von Verbrauchern gegenüber institutionellen Akteuren
bb) Finanzielle Anreize für Verbraucher
cc) Erleichterte Rechtsdurchsetzung für Verbraucher
(1) Europäisches Kollisionsrecht
(2) Europäische Regelungen über die internationale Zuständigkeit
dd) Ergebnis
c) Art. 6 Abs. 1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als effiziente Sanktionsnorm
III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung im nationalen Recht
1. Festlegung der Vertragsnatur der Garantie durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie?
2. Die europarechtlichen Vorgaben im Einzelnen
a) Unabhängigkeit der Garantiewerbehaftung vom Vorliegen eines Garantievertrags
aa) Garantiewerbung und Garantieerklärung als gleichwertige Bindungsgründe
bb) Garantiewerbung als zentrale Informationsquelle vor dem Kauf
cc) Vorrang der Privatautonomie als Haftungsschranke?
dd) Haftung ex lege, nicht ex voluntate
ee) Werbung als „Garantie“ im Sinne von Art. 6 Abs 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie?
b) Kein Kausalitäts- oder Kenntnisnahmeerfordernis
c) Voraussetzungen an das Vorliegen von „Werbung“
aa) Kein Erfordernis einer öffentlichen Äußerung
bb) Absatzförderungsabsicht
cc) „Einschlägig“
(1) Bezug auf die erworbene Kaufsache
(2) Weitere inhaltliche Voraussetzungen
(3) Zeitlicher Geltungsbereich
(4) Räumlicher Geltungsbereich
(5) Zusammenfassung
d) Kein Irreführungserfordernis
e) Anbieter als Verpflichtungsadressat
f) Käufer als Anspruchsberechtigter
g) Rechtsfolge: Erfüllungshaftung
aa) Effektivität der Erfüllungshaftung zur Durchsetzung der Signalwirkung
bb) Bestimmung der Rechtsfolgen
(1) Käufer erhält keine vertraglichen Garantieunterlagen
(2) Garantievertrag steht im Widerspruch zur Werbung
IV. Umsetzung in § 443 BGB
1. Richtlinienkonforme Umsetzung
2. Änderung durch das Verbraucherrechterichtlinie-Umsetzungsgesetz im Jahr 2014
3. Weiterer Gang der Untersuchung
E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht: bisherige Lösungsansätze
I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag
1. Voraussetzungen an eine Willenserklärung
a) Rechtsbindungswille und essentialia negotii
b) Hohe Anforderungen an eine Offerte ad incertas personas
c) Rechtsprechung zur (fehlenden) Verbindlichkeit von Garantiewerbung
aa) Garantiewerbung im Internet
bb) Isolarglasfall
cc) Zahnersatzfall
dd) Mitsubishifall
d) Garantiewerbung als Auslobung nach § 657 BGB?
e) Zwischenergebnis
2. Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf
3. Konkludenter Auskunfts- und Beratungsvertrag
II. § 443 Abs. 1 Alt. 2 BGB als Auslegungsregel
1. Anwendung der §§ 133, 157 BGB
2. Gesetzliche Auslegungsregel
III. Sachmängelhaftung für Werbeangaben
IV. Zusammenfassung
F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung?
I. Vertrauensschutz als europarechtliche Vorgabe
II. Garantiewerbehaftung als besonderer Anwendungsfall der culpa in contrahendo?
1. Unterschiede zwischen culpa in contrahendo und Garantiewerbehaftung
a) Bloße Haftung auf das negative Interesse bei culpa in contrahendo
b) Culpa-Haftung nur für rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzungen
c) Erfordernis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden im Rahmen der culpa in contrahendo
2. Zwischenergebnis
III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB?
1. § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB als Tatbestand der Informationshaftung
2. Unterscheidung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen
3. Individualschutzrechtliche Prägung der Informationshaftung nach § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB
a) Erfordernis einer qualifizierten Vertrauenserwartung
b) Inanspruchnahmewillen des Vertrauensnehmers
c) Zusammenfassung
4. Keine Eignung des § 311 Abs. 3 Satz 2 BGB als dogmatische Grundlage für § 443 Abs. 1 BGB
IV. Werbehaftung als neuer Fall der gesetzlichen Vertrauenshaftung?
V. § 443 Abs. 1 BGB als gesetzliche Vertrauenshaftung in Anlehnung an die Prospekthaftung im engeren Sinne?
1. Kennzeichen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung
2. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung als marktordnungsrechtliche Haftung
3. Dogmatische Einordnung der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung
4. Ergebnis
VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung?
1. Persönliches Vertrauen und Systemvertrauen
2. Systemvertrauen als haftungsrechtliche Kategorie?
3. Mediatisierung des Marktschutzes im Wege des Individualschutzes
VII. Zusammenfassung
G. Keine deliktische Haftung
H. § 443 Abs. 1 Alt. 1 BGB als gesetzliche Marktinformationshaftung
I. Ein neuer Haftungsgrund
II. Garantie als Information
III. Allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung
1. Anwendungsbereich: Märkte mit erheblichen Informationsasymmetrien
2. Haftung für das Verbreiten wesentlicher Informationen
3. Kein Erfordernis eines kausalen Schadens
4. „Mehrspurigkeit“ im Bereich der Rechtsfolgen
IV. Ergebnis
I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der gesetzlichen Garantiewerbehaftung
I. Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung
1. Entstehungstatbestand
a) Abschluss eines Kaufvertrags
b) Einschlägige Werbung
c) Verfügbarkeit der Werbung
d) Aktivlegitimation
e) Passivlegitimation
f) Analoge Anwendung der Ausschlussgründe nach § 434 Abs. 1 Satz 3 Hs. 2 BGB?
aa) Keine Kenntnis und kein Kennenmüssen seitens des Werbenden
bb) Gleichwertige Berichtigung
cc) Keine Eignung zur Beeinflussung der Kaufentscheidung
g) Keine rechtshemmenden Einwendungen des Werbenden: Vorrang der Privatautonomie
aa) Vorrang der Privatautonomie
bb) Untergehen des Anspruchs bei nachträglichem Zustandekommen einer vertraglichen Garantie?
cc) Anspruch nur gehemmt, nicht untergegangen
dd) Beweislast
ee) Zusammenfassung
2. Umfang der gesetzlichen Haftung bei isolierter Garantiewerbung
a) Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit
b) Ausschluss bei unsachgemäßer Handhabung
c) Kein Wahlrecht zwischen Reparatur und Ersatzlieferung
d) Anspruch auf kostenlose Mangelbeseitigung
e) Möglichkeiten der Einschränkung des Anspruchs durch den Werbenden
f) Kein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Schadensersatz
3. Marktordnungsrechtliche Tendenzen bei der Auslegung von Garantieerklärungen in der Rechtsprechung des BGH
4. Marktordnungsrechtliche Tendenzen bei der Auslegung von Garantieerklärungen in der Literatur
5. Ergebnis
II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag
1. Voraussetzungen der Garantiewerbehaftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag
a) Zustandekommen eines Garantievertrages
b) Vorliegen eines relevanten Widerspruchs
aa) Inhaltliche Reichweite schlagwortartiger Werbeaussagen
bb) Parallelen zum AGB-Recht
cc) Konkretisierung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Entwertung der Garantiezusage
dd) Verhaltensobliegenheiten
ee) Zusammenfassung
2. Haftungsfolgen bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag
3. Ergebnis
J. Zusammenfassung in Thesen
Literaturverzeichnis
Register

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Studien zum Privatrecht Band 84

Elitza Mihaylova

Die Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs. 1 BGB als Institut des europäischen Marktordnungsrechts Zum Schutz des Marktes vor adverser Selektion durch eine gesetzliche Marktinformationshaftung und die Inhaltskontrolle vorformulierter Garantiebedingungen

Mohr Siebeck

Elitza Mihaylova, geboren 1986; Studium der Rechtswissenschaft an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; Referendariat im Bezirk des Oberlandesgerichts Koblenz; Master­ studium (LL.M.) an der Yale Law School; Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz; 2018 Promotion; seit 2018 Notarassessorin im Bezirk der Notarkammer Koblenz.

ISBN 978-3-16-156778-0 / eISBN 978-3-16-156783-4 DOI 10.1628/978-3-16-156783-4 ISSN 1867-4275 / eISSN 2568-728X (Studien zum Privatrecht) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohrsiebeck.com Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwer­tung außer­halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Verbreitung, Vervielfältigung, Übersetzung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen aus der Times New Roman gesetzt, auf alterungsbeständiges Werkdruck­papier gedruckt und gebunden. Printed in Germany.

Vorwort Diese Arbeit wurde im Sommersemester 2018 an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz als Dissertation angenommen. Besonders herzlich danke ich meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jürgen Oechsler. Er hat diese Arbeit mit großem Engagement begleitet und mir während meiner Zeit als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl stets viel Freiraum für die Arbeit an der Dissertation gegeben. Meinem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Curt W. Hergenröder, danke ich sehr für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Sehr herzlich danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. Claudius Geisler für seine langjährige, wohlwollende Förderung und Unterstützung meiner juristischen Laufbahn. Der Gutenberg-Akademie der Universität Mainz danke ich sehr für den großzügigen Druckkostenzuschuss. I am very grateful to Professor Amy Chua, whose amazing Contracts course encouraged me to choose a thesis topic centered on contract theory. Thank you! A special thank you goes to Professor Robert Harrison, who spent countless hours discussing the differences between American und German Legal thought with me during my LL.M. studies. The discussions with you inspired so many of my insights in this thesis! Meinen Eltern danke ich von ganzem Herzen für ihre bedingungslose Unterstützung. Mainz, im Dezember 2018

Elitza Mihaylova

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

V

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

I. Marktordnungsrecht im BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 II. Streitfragen der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB . . 4

B. Werbehaftung im deutschen Zivilrecht: ein Überblick . .

7

C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

I. Garantien und Akerlof-Markt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern . . . III. Signaling mittels Garantien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Alternative Garantietheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insurance Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sorting Theory . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Signaling als maßgebliches Konzept für kommerzielle Garantien im Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Einwände gegen die Signalingtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung von Garantien vor dem Kauf? . . . . . . . . . a) Signing-without-reading-Problem . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfang der AGB-Kontrolle von Garantiebedingungen . . . . c) Maßstab der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Lehre von der Vertragsnatur . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Europäisches Verbraucherleitbild . . . . . . . . . . . . . cc) Konkretisierung der Verbrauchererwartungen anhand des Singnalingkonzepts . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine positive Korrelation zwischen Garantielänge und Produktqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11 12 14 16 17 19 21 23 23 24 25 28 29 31 34 36 36

VIII

Inhaltsverzeichnis

a) Unterschiede zwischen etablierten Anbietern und Newcomern 37 b) Moral Hazard auf Käuferseite . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 aa) Schutz vor consumer moral hazard durch AGB-Gestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 bb) Fehlender Anreiz zur Signalisierung hoher Produktqualität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Funktionsverlust von Garantien aufgrund der gesetzlichen Sachmängelhaftung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht im europäischen Recht . . . . . . . . . . . . . 1. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Regulierungsrecht . . a) Kein „Schutz des Schwächeren“ intendiert . . . . . . . . . . b) Binnenmarktorientierung auf Verbraucher- und auf Unternehmerseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des Binnenmarkts mit den Mitteln des Zivil- und des Wettbewerbsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Auswirkungen auf die kaufrechtliche Garantie . . . . . . . . . . . 1. Marktordnungszweck der Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie . . . . . . . . . . . 2. Private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung . . . a) Private enforcement als europarechtliche Vorgabe . . . . . . b) Effektivität von private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Informationsvorsprung von Verbrauchern gegenüber institutionellen Akteuren . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Finanzielle Anreize für Verbraucher . . . . . . . . . . . . cc) Erleichterte Rechtsdurchsetzung für Verbraucher . . . . (1) Europäisches Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . (2) Europäische Regelungen über die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als effiziente Sanktionsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 53 54 55 56 59 60 60 63 65 66 66 68 68 68 71 71 72

Inhaltsverzeichnis

IX

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung im nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 1. Festlegung der Vertragsnatur der Garantie durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Die europarechtlichen Vorgaben im Einzelnen . . . . . . . . . . 74 a) Unabhängigkeit der Garantiewerbehaftung vom Vorliegen eines Garantievertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 aa) Garantiewerbung und Garantieerklärung als gleichwertige Bindungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 bb) Garantiewerbung als zentrale Informationsquelle vor dem Kauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 cc) Vorrang der Privatautonomie als Haftungsschranke? . . . 79 dd) Haftung ex lege, nicht ex voluntate . . . . . . . . . . . . 81 ee) Werbung als „Garantie“ im Sinne von Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie? . . . . . . . . . . . . . . 84 b) Kein Kausalitäts- oder Kenntnisnahmeerfordernis . . . . . . 87 c) Voraussetzungen an das Vorliegen von „Werbung“ . . . . . . 89 aa) Kein Erfordernis einer öffentlichen Äußerung . . . . . . 89 bb) Absatzförderungsabsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 cc) „Einschlägig“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 (1) Bezug auf die erworbene Kaufsache . . . . . . . . . 93 (2) Weitere inhaltliche Voraussetzungen . . . . . . . . . 95 (3) Zeitlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . 95 (4) Räumlicher Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . 97 (5) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Kein Irreführungserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 e) Anbieter als Verpflichtungsadressat . . . . . . . . . . . . . . 102 f) Käufer als Anspruchsberechtigter . . . . . . . . . . . . . . . 103 g) Rechtsfolge: Erfüllungshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Effektivität der Erfüllungshaftung zur Durchsetzung der Signalwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Bestimmung der Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Käufer erhält keine vertraglichen Garantieunterlagen . 105 (2) Garantievertrag steht im Widerspruch zur Werbung . 106 IV. Umsetzung in §  443 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 1. Richtlinienkonforme Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 2. Änderung durch das VerbraucherrechterichtlinieUmsetzungsgesetz im Jahr 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 3. Weiterer Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

X

Inhaltsverzeichnis

E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht: bisherige Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen an eine Willenserklärung . . . . . . . . . . . . a) Rechtsbindungswille und essentialia negotii . . . . . . . . . b) Hohe Anforderungen an eine Offerte ad incertas personas . . c) Rechtsprechung zur (fehlenden) Verbindlichkeit von Garantiewerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Garantiewerbung im Internet . . . . . . . . . . . . . . . bb) Isolarglasfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zahnersatzfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Mitsubishifall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Garantiewerbung als Auslobung nach §  657 BGB? . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf . . . . . . . 3. Konkludenter Auskunfts- und Beratungsvertrag . . . . . . . . . II. §  443 Abs.  1 Alt.  2 BGB als Auslegungsregel . . . . . . . . . . . . 1. Anwendung der §§  133, 157 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Auslegungsregel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sachmängelhaftung für Werbeangaben . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

114 115 115 118 119 119 120 124 124 126 126 127 132 135 135 136 137 138

F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? . . . . . . . . . . . . . 141 I. Vertrauensschutz als europarechtliche Vorgabe . . . . . . . . . . . II. Garantiewerbehaftung als besonderer Anwendungsfall der culpa in contrahendo? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unterschiede zwischen culpa in contrahendo und Garantiewerbehaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bloße Haftung auf das negative Interesse bei culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Culpa-Haftung nur für rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erfordernis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden im Rahmen der culpa in contrahendo . . . . . . 2. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

141 142 143 143 145 148 149 149

Inhaltsverzeichnis

1. §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB als Tatbestand der Informationshaftung 2. Unterscheidung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen 3. Individualschutzrechtliche Prägung der Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erfordernis einer qualifizierten Vertrauenserwartung . . . . . b) Inanspruchnahmewillen des Vertrauensnehmers . . . . . . . c) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Eignung des §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB als dogmatische Grundlage für §  443 Abs.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Werbehaftung als neuer Fall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? . V. §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliche Vertrauenshaftung in Anlehnung an die Prospekthaftung im engeren Sinne? . . . . . . 1. Kennzeichen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung . . . . 2. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung als marktordnungsrechtliche Haftung . . . . . . . . . . . . . . . 3. Dogmatische Einordnung der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung? . . . . . . . 1. Persönliches Vertrauen und Systemvertrauen . . . . . . . . . . 2. Systemvertrauen als haftungsrechtliche Kategorie? . . . . . . . 3. Mediatisierung des Marktschutzes im Wege des Individualschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XI 150 151 152 152 154 155 155 157 160 161 163 165 166 167 167 169 173 175

G. Keine deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 H. §  443 Abs.  1 Alt.  1 BGB als gesetzliche Marktinformationshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Ein neuer Haftungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Garantie als Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich: Märkte mit erheblichen Informationsasymmetrien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftung für das Verbreiten wesentlicher Informationen . . . . . 3. Kein Erfordernis eines kausalen Schadens . . . . . . . . . . . . 4. „Mehrspurigkeit“ im Bereich der Rechtsfolgen . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

179 180 182 183 183 184 185 188

XII

Inhaltsverzeichnis

I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der gesetzlichen Garantiewerbehaftung . . . . . . . . . . . 189 I. Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung . . . . . . . . . . . . 1. Entstehungstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Abschluss eines Kaufvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einschlägige Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfügbarkeit der Werbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Aktivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Analoge Anwendung der Ausschlussgründe nach §  434 Abs.  1 Satz  3 Hs.  2 BGB? . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Kenntnis und kein Kennenmüssen seitens des Werbenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gleichwertige Berichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Eignung zur Beeinflussung der Kaufentscheidung . g) Keine rechtshemmenden Einwendungen des Werbenden: Vorrang der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vorrang der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . bb) Untergehen des Anspruchs bei nachträglichem Zustandekommen einer vertraglichen Garantie? . . . . . cc) Anspruch nur gehemmt, nicht untergegangen . . . . . . . dd) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umfang der gesetzlichen Haftung bei isolierter Garantiewerbung a) Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit . . . . . . . . . b) Ausschluss bei unsachgemäßer Handhabung . . . . . . . . . c) Kein Wahlrecht zwischen Reparatur und Ersatzlieferung . . . d) Anspruch auf kostenlose Mangelbeseitigung . . . . . . . . . e) Möglichkeiten der Einschränkung des Anspruchs durch den Werbenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Kein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Schadensersatz 3. Marktordnungsrechtliche Tendenzen bei der Auslegung von Garantieerklärungen in der Rechtsprechung des BGH . . . . . . 4. Marktordnungsrechtliche Tendenzen bei der Auslegung von Garantieerklärungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

189 189 189 190 190 190 191 192 192 192 193 195 195 197 198 198 199 199 199 201 203 204 205 207 209 211 214 215

Inhaltsverzeichnis

1. Voraussetzungen der Garantiewerbehaftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag . . . . . . . . . . . . . a) Zustandekommen eines Garantievertrages . . . . . . . . . . b) Vorliegen eines relevanten Widerspruchs . . . . . . . . . . . aa) Inhaltliche Reichweite schlagwortartiger Werbeaussagen bb) Parallelen zum AGB-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Konkretisierung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Entwertung der Garantiezusage . . . . . dd) Verhaltensobliegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Haftungsfolgen bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII 215 215 216 217 219 220 221 221 222 224

J. Zusammenfassung in Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243

A. Einleitung I. Marktordnungsrecht im BGB Die kaufrechtliche Garantie ist an einer Schnittstelle zwischen Zivil- und Wettbewerbsrecht zu verorten. Die Kernregelung findet sich zunächst – klassischem Verständnis entsprechend – im bürgerlichen Recht, nämlich in §  443 BGB: Hiernach handelt es sich bei der Garantie um die Verpflichtung, den Kaufpreis zu erstatten, die Sache auszutauschen oder in ihrem Zusammenhang Dienstleistungen zu erbringen, falls die Sache bestimmten qualitativen Anforderungen nicht genügt. Die zentralen Impulse für die Regelung der Garantie stammen indes aus dem Europarecht. §  443 BGB soll vor diesem Hintergrund als Beispiel für einen Konflikt dienen, der sich auch in anderen Normen des BGB widerspiegelt: Unter dem Einfluss des Europarechts gewinnen zivilrechtliche Normen eine Teleologie, die mit dem traditionellen Verständnis von den Aufgaben des Zivilrechts nicht in Einklang steht. Nach traditionellem Verständnis soll das BGB die Parteien eines Vertrags dazu befähigen, privatautonome Vereinbarungen zu treffen. Im Vordergrund stehen der Schutz der Privatautonomie und des individuellen Willens.1 Das Europarecht interessiert sich für eine Transaktion hingegen nur, soweit diese als Mittel zur Integration des Binnenmarktes in Betracht kommt; die Privatautonomie hat nur „dienende Funktion“.2 Am Beispiel der Garantiewerbehaftung lassen sich die spezifischen Konflikte aufzeigen, die aus der Einbettung ordnungspolitischer Schutzzwecke in vertragsrechtliche Normen resultieren: Aus der tradierten Perspektive des nationalen Rechts handelt es sich bei der Garantie um einen „normalen“ Vertrag nach §  311 BGB. Das Europarecht hingegen nimmt die Funktionen der Garantie auf dem Markt in den Blick: Diese ist ein Marketinginstrument, 1  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 1, S.  22 f.; Larenz/Wolf, AT, §  1 Rn.  1 ff. vgl. auch ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  178 ff.; Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  17 ff. 2 Vgl. Micklitz, GPR 2010, 2, 3: „Privatautonomie […] im Dienste des Binnenmarktes“; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbraucherschutzrechts, S.  15, 325 ff., die von einer „Binnenmarktorientierung der Privatautonomie“ spricht; dies., Europäisches Privatrecht, Rn.  184.

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A. Einleitung

das vor dem Kauf zum Einsatz kommt, um den Verbraucher von der Qualität der Ware zu überzeugen. Diese Wirkungsrichtung erfordert eine Regulierung, um spezifischen Gefahren für den Binnenmarkt zu begegnen. Dieser Blickwinkel resultiert dabei aus der Rechtsgrundlage der Richtlinien, die den rechtlichen Rahmen für Garantien konstituieren: Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie3, die Verbraucherrechterichtlinie4 und die UGP-Richtlinie5 sind auf der Grundlage von Art.  114 AEUV ergangen, einer Kompetenznorm für den Erlass von Richtlinien, die der Verwirklichung des Binnenmarktes dienen.6 Gefahren für den Binnenmarkt können vor allem aus einer Irreführung des Verbrauchers entstehen, der beispielsweise über das Bestehen oder den Umfang einer Garantie getäuscht wird und dadurch falsche Vorstellungen über die Qualität einer Kaufsache entwickelt. Daraus folgt ein zentrales Regelungsziel des Europarechts: Wenn ein Anbieter mit Garantien wirbt, darf diese Werbung den Verbraucher nicht täuschen oder in die Irre führen. Das Europarecht knüpft damit an eine bestimmte Funktion von Garantiewerbung für den Binnenmarkt an und greift regulierend in ihre potentiell schädlichen Wirkungsweisen ein. Dieser regulierende Ansatz ist dem klassischen deutschen Zivilrecht fremd.7 Das deutsche Zivilrecht denkt traditionell im Zweipersonenverhältnis: Regelungsgegenstand sind die gegenseitigen Rechte und Pflichten im Verhältnis zwischen zwei privaten Individuen. Die Verbindlichkeit von Verträgen erklärt sich aus dem privatautonomen Willen der Parteien.8 Auch das deutsche Verbraucherschutzrecht verstand sich lange Zeit als Mittel zum Schutz einer – materiell begriffenen – Privat­auto­ nomie.9 Die Zuweisung von Rechten und Pflichten im Zweipersonenverhältnis hat aber auch Verteilungseffekte auf gesamtwirtschaftlicher Ebene. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive kommt dem Privatrecht daher (auch) eine Regulierungsfunktion zu.10 Diese Regulierungsfunktion liegt den europäischen Richtli3 

Richtlinie 1999/44/EG. Richtlinie 2011/83/EU. 5  Richtlinie 2005/29/EG. 6  Micklitz, GPR 2009, 254, 257; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn.  185. 7 Vgl. Möschel, FS Mestmäcker, S.  355, 359: „Menschen werden nicht als Instrumente der Wohlfahrt eines anderen betrachtet, sondern als Ziele in sich selbst.“; K. Schmidt, AcP 206 (2006), 169, 171: „Das BGB denkt in den Kategorien individueller Rechtszuweisung [...] und relativer Beziehungen [...]“; ähnlich Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  49 ff.; vgl. auch Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn.  184; dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  325; Micklitz, GPR 2009, 254 ff.; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  5; Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  17 ff. 8  Flume, FS Deutscher Juristentag, S.  135, 141. 9  Vgl. ausführlich Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  295 ff. 10  Ausführlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  98 ff.; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  17 f. 4 

I. Marktordnungsrecht im BGB

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nien in zentraler Weise zu Grunde.11 Diese Entwicklung zeigt sich besonders in der Konvergenz der Schutzzwecke von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht.12 Unter dem Einfluss des Europarechts gewinnt das Verbraucherschutzrecht des BGB auf diese Weise in immer stärkerem Umfang wettbewerbsrechtliche Relevanz und entwickelt sich so zum Regulierungsrecht. Regulierungsrecht zeichnet sich dabei durch die Verfolgung überindividueller Zwecke aus: Der Gesetzgeber setzt Recht zur Verhaltenssteuerung ein, um bestimmte politische Allgemeinwohlziele zu erreichen.13 Einen Unterfall des Regulierungsrechts bildet das Marktordnungsrecht, das in dieser Untersuchung den Hauptgegenstand des Interesses bildet: Erfasst werden hierdurch Normen, die marktbezogene Regelungszwecke verfolgen, vor allem also solche Normen, die das Marktverhalten von Unternehmen steuern sollen.14 Kennzeichen von Marktordnungsrecht ist wiederum der überindividuelle Zweck, das Verfolgen von Allgemeinwohlinteressen. Marktordnungsrechtliche Normen finden sich unter europäischem Einfluss vermehrt im BGB: Durch sie wird die individuelle Transaktion zum Mittel eines makroökonomischen Zwecks.15 Zu diesen marktordnungsrechtlichen Regelungen zählt auch die Garantiewerbehaftung nach §  443 BGB. Regulierungselemente sind zwar auch dem „klassischen“ deutschen Zivilrecht nicht von vornherein fremd; sie finden sich also nicht nur dort, wo es europarechtlich überformt ist.16 Im Bereich des Verbrauchervertragsrechts führt jedoch gerade das europäische Recht zu einem Paradigmenwechsel, der in seiner vollen Reichweite wissenschaftlich noch nicht erfasst wurde.17 Während überindividuelle Schutzzweckzwecke im UWG problemlos anerkannt werden – hier ist beispielsweise unbestritten, dass nur die Kollektivinteressen von Verbrauchern 11  Micklitz, GPR 2009, 254, 255; ders., The Visible Hand of European Regulatory Private Law – the Transformation of European Private Law from Autonomy to Functionalism in Competition and Regulation, 28 Yearbook of European Law (2009), 3, 6 ff.; ausführlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  176 ff., 189 ff.; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  223 ff. 12  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  254 ff.; Micklitz, GPR 2009, 254, 255; sehr kritisch Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  386, die als Beispiel gerade auf die Garantie nach §  443 Abs.  1 BGB verweist; vgl. auch K. Schmidt AcP 206 (2006), S.  170 ff. sowie Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  17 f. zur Konvergenz von Vertrags- und Kartellrecht. 13  Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  50, 52 ff. (zu weiteren Regulierungsbegriffen vgl. ausführlich ders. a. a. O. S.  13 ff.). 14 Ähnlich Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  4. 15 Ähnlich Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  11. 16  Ausführlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  98 ff. sowie insbesondere S.  120 ff. (zur Regulierungsfunktion des Sachenrechts). 17  Micklitz, GPR 2009, 254 ff.; ähnlich, aber allgemeiner Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  14.

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A. Einleitung

Schutzgegenstand sind18 – bestehen im Zivilrecht weitaus größere Vorbehalte gegenüber ihrer Anerkennung.19 Das europäische und das europäisierte nationale Recht müssen jedoch vor dem Hintergrund ihrer instrumentellen Funktion für den Binnenmarkt ausgelegt und angewendet werden: Dies bedingt, dass der Interpretation der Vorrang zu geben ist, die das übergreifende Ziel – Markt- und Wettbewerbsschutz – am besten verwirklicht. Diese Vorgabe gilt unabhängig davon, ob es sich um eine Verbraucherschutznorm im UWG oder im BGB handelt. Diese Erkenntnis hat große Auswirkungen auf die Anwendung und Auslegung des deutschen Zivilrechts,20 die am Beispiel der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB exemplifiziert werden sollen.

II. Streitfragen der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB Über den Haftungsgrund der Werbehaftung im deutschen Recht nach §  443 Abs.  1 BGB herrscht Streit. Das Verständnis des §  443 BGB wird dadurch erschwert, dass die Norm – was von der herrschenden Meinung verkannt wird – zwei sehr unterschiedliche Bindungsgründe statuiert: Die Haftung für garantiebezogene Werbeaussagen unterscheidet sich nach hiesiger Ansicht kategorisch von der Haftung für vertragliche Garantieerklärungen. Während letztere „klassisch“ vertragsrechtlich einzuordnen ist, lässt sich die Haftung für Werbeaussagen nur mit Blick auf ihre marktordnungsrechtlichen Schutzzwecke entschlüsseln. Es handelt sich um eine gesetzliche Marktinformationshaftung, die auf Europarecht beruht. Die vertragsrechtliche Einordnung der herrschenden Meinung erklärt sich vor allem aus der historischen Genese des Garantiebegriffs: Bevor §  443 BGB im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung in das BGB eingefügt wurde, um die Vorgaben der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie umzusetzen, gab es keine gesetzliche Regelung der Garantie im BGB. Ihr Verständnis wurde vor allem durch die Rechtsprechung geprägt. Dabei ging der BGH davon aus, dass eine Garantie nur durch Vertrag nach §  311 BGB zustande kommen kann.21 Als §  443 Eingang in das BGB fand, lag es nahe, das hergebrachte vertragsrechtliche Verständnis auf die neue Norm zu übertragen und die Garantie nach wie vor ausschließlich verBeater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  1097. auch der Befund bei Micklitz, GPR 2009, 254; vgl. wiederum Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  1088 ff., der von „prinzipiellen Unterschieden“ zwischen Wettbewerbsrecht und allgemeinem Privatrecht ausgeht. 20 Vgl. Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  646 ff. 21  BGH NJW 1988, 1726, 1727 m. w. N. 18 

19 So

II. Streitfragen der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB

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tragsrechtlich einzuordnen.22 Dieses Verständnis nivelliert jedoch in unzulässiger Weise die Unterschiede zwischen den Bindungsgründen „einschlägige Werbung“ und „Garantieerklärung“: Die „einschlägige Werbung“ soll nach herrschender Meinung lediglich als Auslegungstopos für eine rechtsgeschäftliche Garantieerklärung dienen, aber nicht aus sich heraus verbindliche Wirkung entfalten können.23 Verbindlich werden sollen nach diesem Verständnis nur Wil­lens­ erklä­rungen. Werbung, die – wie in den allermeisten Fällen – keine Willenserklärung darstellt (siehe dazu ausführlich unter E. I.), soll daher nur im Rahmen der Auslegung eines später zustande kommenden Garantievertrags Wirkung entfalten können (vgl. zu den „Auslegungslösungen“ unten unter E. II.).24 §  443 BGB hat nach dieser Ansicht im Wesentlichen deklaratorische Bedeutung: Die Norm bekräftige, dass vertragliche Garantien verbindlich seien; dieses Ergebnis sei für das deutsche – anders als beispielweise für das englische25 – Recht aber ohnehin selbstverständlich.26 Dieses Verständnis wird der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, deren Umsetzung §  443 BGB dient, nicht gerecht. §  443 BGB kann dogmatisch nur zutreffend erfasst werden, wenn „Garantieerklärung“ und „einschlägige Werbung“ als eigenständige, unterschiedliche Bindungsgründe mit jeweils eigenständiger Teleologie anerkannt werden. Nur dann ist es nämlich möglich, den ordnungspolitischen Zwecken, denen die Haftung für Werbeaussagen in spezifischer Weise dienen soll, Geltung zu verschaffen: Die Haftung für Werbeaussagen dient dem Schutz des Marktes vor Schäden durch irreführende Werbung. Sie dient nicht dem Schutz individueller, betroffener Verbraucher oder konkreter Garantienehmer; vielmehr bezweckt sie den Schutz der Verbraucher als Gruppe und verfolgt damit 22  BGH NJW 2011, 2653 Rn.  32 (in einem wettbewerbsrechtlichen Fall); Jorden, Verbrauchergarantien, S.  538 f.; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  44, 52 ff. (die von einem einseitig verpflichtenden Leistungsversprechen ausgeht); Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  26 ff. (allerdings zur Rechtsnatur der kaufrechtlichen Garantie vor der Schuldrechtsreform); Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  136 f., 139; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  121 ff.; BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  52; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  1, 6; MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  12; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  32; Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  6; PWW/Schmidt, §  443 Rn.  15; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  11, 25 ff.; Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 44. 23  BGH NJW 2011, 2653 Rn.  26; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  538 f.; BeckOK BGB/ Faust, §  443 Rn.  32; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  6. 24  BGH NJW 2011, 2656 Rn.  29. 25 Vgl. Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., Anhang V: Verträge sind nach englischem common law nur verbindlich, wenn eine „consideration“ vorliegt; dazu Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 33 ff. 26  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  104; Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 50; Staudenmayer, NJW 1999, 2393, 2396.

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A. Einleitung

aus deutscher Perspektive genuin wettbewerbsrechtliche Zwecke (dazu ausführlich unter D. II. 1., D. III.). Damit lässt sich die Haftung für „einschlägige Werbung“ auch nicht als Unterfall privatautonomer, rechtsgeschäftlicher Haftung verstehen, die auf den Willen der Parteien zurückgehen muss (siehe dazu ausführlich unter D. III. 2. a)).27 Erklärungsansätze, die an §  311 BGB anknüpfen, können die Verbindlichkeit von Werbeaussagen von vornherein nicht adäquat erfassen. Diese Besonderheiten wirken sich bei der Auslegung des §  443 BGB in vielfältiger Weise aus. Die Auswirkungen der oben beschriebenen Neuausrichtung des Zivilrechts sollen im Folgenden anhand der Garantie exemplifiziert werden. Das besondere Augenmerk liegt dabei auf der Entwicklung der Garantie weg von einem „normalen“ zivilrechtlichen Vertrag hin zu einem Bestandteil des europäischen Markt­ordnungsrechts. Kennzeichen dieser Entwicklung ist eine Änderung der Schutzzwecke: Ging es vor Umsetzung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie allein um einen Interessenausgleich im individuellen Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, verfolgt §  443 Abs.  1 BGB nun überindividuelle Zwecke. Er verleiht dem Käufer individuelle Rechte nicht um seiner selbst willen, sondern um im Interesse des Allgemeinwohls eine bestimmte Wirkung auf dem Markt zu erzielen (siehe dazu ausführlich unter D. II. 1.).28 Die erwünschte Wirkung liegt dabei in einer Verbesserung des Informationsflusses zwischen Verkäufer und Käufer durch Verbesserung der Signalwirkung von Garantien im Interesse des Binnenmarkts (dazu ausführlich unter C.). Die Werbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB soll die Funktionsfähigkeit des (Binnen-)Marktes durch den Abbau schädlicher Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer verbessern.

27  Dieses Erfordernis geht zurück auf von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 3, S.  258. 28  Zu den hier zu Grunde gelegten Kennzeichen von Regulierungsrecht vgl. ausführlich Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  53 ff. und 59 ff.

B. Werbehaftung im deutschen Zivilrecht: ein Überblick Im deutschen Recht ist eine Haftung für Werbeaussagen vor Einführung des §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB traditionell nur vereinzelt anerkannt worden.1 Die re­ striktive Behandlung der Garantiewerbehaftung ist nur ein Beispiel für diese generelle Zurückhaltung.2 Hintergrund dieser Zurückhaltung ist zum einen, dass Werbung häufig sehr allgemeine, kaum justiziable Begriffe verwendet, um ein Produkt in einem möglichst günstigen Licht erscheinen zu lassen („reklamehafte Anpreisungen“).3 Andererseits besteht aber auch die Tendenz, Werbung bewusst einen gewissen Spielraum zur Persuasion einzuräumen: Der Sinn und Zweck von Werbung wird gerade darin gesehen, die angesprochenen Verkehrskreise vom Kauf eines Produkts, dem Konsum eines Gutes oder der Investition in ein bestimmtes Anlageinstrument zu überzeugen. Daraus wird gefolgert, dass Werbung das beworbene Produkt in einem günstigen Licht darstellen darf, ohne dass Werbeadressaten hieraus Ansprüche ableiten können.4 So hat der BGH in der Vergangenheit auch bereits ausdrücklich eine Haftung für „reklamehafte Übertreibung“ in der Werbung abgelehnt.5 Diese Ansicht findet auch eine Stütze im Europarecht: Nach Art.  5 Abs.  3 Satz  2 UGP-Richtlinie erstreckt sich das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken nicht auf „die übliche und rechtmäßige Werbepraxis, übertriebene Behauptungen oder nicht wörtlich zu nehmende Behauptungen aufzustellen […].“ Diese Zurückhaltung ist allerdings nur dort geboten, wo Werbung sich tatsächlich in „reklamehaften Anpreisungen“ erschöpft, die keinen objektiv nachprüfbaren Aussagekern enthalten.6 Tatsächlich hat Werbung im absoluten Regelfall jedoch eine Doppelfunktion: Sie dient nicht nur der Überredung, sondern vor al1 Vgl. Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 131: „[F]ür die Haftung für Werbung [gibt es] im bundesdeutschen Recht keine allgemein anerkannten Grundsätze.“; ähnlich Menke, VuR 1994, 223, 225; Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 552. 2 Ähnlich Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  57. 3  Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 132 f. m. Fn.  15; vgl. auch Haas/Hanowski, NZG 2010, 254. 4  Haas/Hanowski, NZG 2010, 254. 5  BGH GRUR 1978, 380, 382. 6  Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 132 f.; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  346.

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B. Werbehaftung im deutschen Zivilrecht: ein Überblick

lem auch der Information und Unterrichtung des Verbrauchers.7 Der Verbraucher erfährt häufig erst aufgrund der Werbung vom Leistungsangebot des Produktanbieters.8 Werbung erhöht auf diese Weise die Markttransparenz9 und intensiviert den Wettbewerb zwischen Unternehmen. Diese Einsicht in die Doppelfunktion der Werbung legt eine Erweiterung der Haftung für Werbeaussagen nahe: Diese erscheint dort geboten, wo der Anbieter durch Information der Marktgegenseite auf die Nachfrage am Markt Einfluss nimmt und sich eine günstigere Position im Wettbewerb verschafft.10 Besonders relevant wird die Informationsfunktion von Werbung in Fällen, in denen die Marktgegenseite über keine oder nur wenige weitere Informationsquellen verfügt. Die Werbung wird dann zu einer wesentlichen Entscheidungsgrundlage für die Nachfrageseite.11 Dies ist nicht nur bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung der Fall (siehe dazu unter F. V.), die in diesem Kontext häufig als Beispiel angeführt wird,12 sondern auch bei der Werbung mit Garantien im grenzüberschreitenden Handel (siehe dazu ausführlich unter C. V., C. VI. 4.). Gerade aufgrund ihrer Informationsfunktion ist eine Haftung für garantiebezogene Werbeaussagen europarechtlich erforderlich. Werbung mit Garantien hat im Binnenmarkt aus Sicht der Verbraucher einen besonders hohen Informationswert: Die Garantie ist ein Signalinginstrument, das gerade auf Märkten mit erheblichen Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern seine Wirkung entfaltet (vgl. dazu ausführlich C. III., V.). Um einen solchen Markt handelt es sich bei dem Binnenmarkt (ausführlich dazu C. V., C. VI. 4.). Unter bestimmten Voraussetzungen ist es daher erforderlich, den Werbenden beim Wort zu nehmen – und dies bedeutet: ihn haften zu lassen –, um ein reibungsloses Funktionieren des Marktes zu ermöglichen.13 Die Werbehaftung soll vor diesem Hintergrund den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt fördern und die Integration des Binnenmarktes erleichtern.

7  Ausführlich Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  297 ff.; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  56 f., 344 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S.  195; Klöhn, WM 2012, 97. 98. 8  Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  298. 9  Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  298. 10 Ähnlich Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 131 ff.; Augenhofer, Gewährleistung und Werbung, S.  90. 11  Vgl. zu Werbung in Form von Anlageprospekten Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 132. 12 Vgl. Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 132 f. 13  Vgl. die ausführliche ökonomische Analyse der Werbehaftung bei Lehmann, Vertragsanbahnung durch Haftung, S.  227 ff., der allerdings nicht spezifisch die Funktion von Garantien in den Blick nimmt.

B. Werbehaftung im deutschen Zivilrecht: ein Überblick

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Vor der Überformung durch Richtlinienrecht gab es in Rechtsprechung14 und Literatur15 einige Versuche, allein auf der Grundlage des BGB eine Haftung für Werbeaussagen zu begründen. Im Vordergrund stand dabei nicht selten gerade die Haftung für Garantiewerbung, deren Sonderfunktion offenbar schon vor der europarechtlichen Überformung des BGB erahnt wurde;16 zusätzlich wurde eine Haftung für bestimmte Qualitätsversprechen diskutiert.17 Die frühen Versuche, eine Haftung für Werbeaussagen zu begründen, rücken allerdings die Marktfunktion der Werbung nicht explizit in den Vordergrund; vielmehr dienen wirtschaftliche Erwägungen als (häufig unausgesprochenes) Motiv für dogmatische Argumente, ohne selbst zum Gegenstand der Analyse zu werden.18 Dieses analytische Defizit möchte die vorliegende Arbeit für den Bereich der Garantiewerbung beheben. Die zentrale Frage lautet dabei, wie sich die wirtschaftlich gebotene und europarechtlich vorgeschriebene Haftung für Garantiewerbung dogmatisch richtig erfassen und umsetzen lässt. Der Blick soll dabei zunächst auf die wirtschaftliche Notwendigkeit einer Garantiewerbehaftung gelenkt werden (siehe dazu sogleich unter C.).

14 

BGH NJW 1979, 2036 – Isolarglas: Garantiewerbung als Vertrag zu Gunsten Dritter. Für eine Haftung aus culpa in contrahendo Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, 295 ff.; ders., NJW 1981, 1233 ff.; ähnlich Menke, VuR 1994, 223, 224; kritisch Stoll, NJW 1982, 152, 153. 16  Vgl. hier insbesondere BGH NJW 1979, 2036 – Isolarglas. 17  BGH NJW 1967, 1903 – Trevira. 18  So beispielsweise BGH NJW 1979, 2036 – Isolarglas (dazu ausführlich unter E. I. 1. c) bb)); vgl. aber auch Lehmann, Vertragsanbahnung durch Haftung, S.  227 ff., 295, der sich des Instrumentariums der ökonomischen Analyse des Rechts bedient. 15 

C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen Eine Haftung für Werbeaussagen ist unter bestimmten Voraussetzungen wirtschaftlich notwendig und geboten, um den (Binnen-)Markt zu schützen; dies gilt in besonderem Maße für eine Haftung für Garantiewerbung. Diese Erkenntnis liegt auch der Werbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie zu Grunde. Sie begründet ihren Charakter als Marktordnungsrecht (dazu ausführlich unter D. II. 1.). Außerdem erklärt sie, warum der europäische Gesetzgeber für Garantiewerbung eine spezifische Regelung geschaffen hat, die über den allgemeinen Schutz vor unlauterer Werbung hinausgeht. Im Folgenden soll erläutert werden, welche Bedeutung Garantien für den Markt, insbesondere für den Binnenmarkt, haben und welche Gefahren von irreführender Garantiewerbung ausgehen.

I. Garantien und Akerlof-Markt Für das Verständnis der Garantie von zentraler Bedeutung ist die Frage, warum Händler und Verkäufer überhaupt Garantien anbieten. Diese Frage wird in der Literatur erstaunlich selten gestellt.1 Wo sie gestellt wird, wird sie zumeist nur sehr unvollständig unter Hinweis auf die Werbefunktion von Garantien beantwortet.2 Hiernach signalisieren Garantien eine besonders hohe Produktqualität (dazu sogleich ausführlich unter C. III.). Der Hinweis auf die Werbefunktion ist zwar richtig, berücksichtigt aber nicht die Marktbedingungen, unter denen Garantien gewährt werden, d. h. unter denen eine Werbung mit Garantien erforderlich ist. Die eigentliche Frage lautet nämlich, warum Händler und Verkäufer darauf angewiesen sind, die Qualität ihrer Produkte durch Garantien zu kommunizieren. Tatsächlich ist die Garantie – neben anderen privatwirtschaftlichen 1  Keinerlei Ausführungen zu dieser Frage finden sich beispielsweise bei Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung. 2  Vgl. z. B. Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 550; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  531 ff.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

Mitteln, vor allem der Investition in eine gute Reputation3 – ein Instrument zur Behebung von Informationsasymmetrien auf dem Markt. Solche Informationsasymmetrien können andernfalls zu einem vollständigen Marktversagen auf Märkten für Konsumgüter führen.

II. Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern Auf Konsumgütermärkten sind die Informationen zwischen Käufern und Verkäufern häufig sehr ungleich verteilt: Die Käufer sind über die Qualität eines Produkts vor dem Kauf in aller Regel viel schlechter informiert als die Verkäufer (Qualitätsunsicherheit).4 Dies hat vor allem zwei Gründe: Zum einen sind zahlreiche Konsumgüter so genannte „Erfahrungsgüter“, das heißt Güter, deren Eigenschaften erst nach dem Kauf durch Konsum beurteilt werden können,5 da sie „verborgene Eigenschaften“ aufweisen.6 Hinzu kommt, dass moderne Märkte in aller Regel so genannte „Optionsmärkte“ sind: Die Produktanbieter legen ein „Paket von Angebotsbedingungen“ fest, das unter anderem aus Preis, Qualität und Quantität des Nachfrageguts besteht.7 Die Nachfrager können dann diese „Paketoption“ nachfragen, anders als auf Verhandlungsmärkten aber nicht über die Bestandteile des Pakets verhandeln.8 Kombiniert führen beide Umstände dazu, dass eine Transaktion auf dem Markt ohne persönliche Kommunikation zwischen den Vertragsparteien stattfindet. Aus diesem Grund zeichnen sich Optionsmärkte durch eine hohen Grad an Anonymität aus.9 Beide Phänomene – verborgene Eigenschaften und anonyme Formen des Warenabsatzes – führen dazu, dass Käufer ihre Nachfrageentscheidungen unter erheblichen Informationsdefiziten treffen müssen.10 Diese Informationsdefizite bedingen, dass die Käufer Durchschnittserwartungen an die Qualität von Ware bilden, da sie die Eigenschaften eines einzelnen, individuellen Produkts nicht beurteilen können.11 Sie werden aus diesem Grund nur bereit sein, einen Preis zu Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  263. Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  247. 5  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  542; Reisch, Verbraucherpolitik auf Vertrauensgütermärkten, S.  185, 191; Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  22. 6 Vgl. Reisch, Verbraucherpolitik auf Vertrauensgütermärkten, S.  185, 192; Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  246. 7  Reisch, Verbraucherpolitik auf Vertrauensgütermärkten, S.  185, 188. 8  Reisch, Verbraucherpolitik auf Vertrauensgütermärkten, S.  185, 188 f. 9  Reisch, Verbraucherpolitik auf Vertrauensgütermärkten, S.  185, 188 f. 10  Reisch, Verbraucherpolitik auf Vertrauensgütermärkten, S.  185, 189. 11 Grundlegend Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market 3  4 

II. Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern

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zahlen, der dieser erwarteten Durchschnittsqualität entspricht.12 Vor diesem Hintergrund lohnt es sich für Anbieter, ihre Qualität abzusenken, um mit einem möglichst günstigen Preis auf dem Markt konkurrieren zu können – denn der Preis ist als Wettbewerbsparameter für die Nachfrager unmittelbar beobachtbar.13 Umgekehrt können Anbieter hoher Qualität nicht auf einen hohen Absatz hoffen: Da die Käufer überdurchschnittliche Produktqualität nicht erkennen können, werden sie diese auch nicht honorieren, d. h. nicht bereit sein, einen höheren Preis zu zahlen.14 Auf diese Weise verdrängen (gemessen an der Durchschnittsqualität) qualitativ minderwertige Produkte nach und nach die qualitativ hochwertigen Produkte auf dem Markt (adverse Selektion).15 Als Folge nimmt die Qualität der Produkte auf dem Markt fortschreitend ab: Da zunehmend minderwertige Produkte angeboten werden, senken die Käufer ihre Durchschnittserwartungen und damit auch ihre Zahlungsbereitschaft.16 Für Anbieter besteht somit erneut ein Anreiz, den Preis auf Kosten der Qualität zu senken; es kommt zu einem Verschlechterungswettbewerb (race to the bottom).17 Schließlich sind auf dem Markt nur noch ganz schlechte Produkte verfügbar, obwohl es zahlreiche Käufer gibt, die bereit wären, für eine hohe Qualität einen höheren Preis zu zahlen.18 Der Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  488; vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 373, 375 ff.; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  370 ff.; Van den Bergh/Visscher, Consumer Sales from an Economic Perspective, S.  127. 12  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  373; Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S.  467 ff. 13 Vgl. Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 379. 14  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  372 ff.; ausführlich Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 375. Vgl. auch dies. a. a. O. auch zu einer weiteren Form von Marktversagen, die sich einstellt, wenn die „maximale Zahlungsbereitschaft für Durchschnittsqualität … über den Stückkosten der hohen Qualität“ liegt (Hervorhebungen nur hier): In diesem Fall bleiben die Anbieter guter Qualität (H-Anbieter) zwar dem Markt erhalten. Allerdings lohnt es sich für die Anbieter niedriger Qualität (N-Anbieter), ebenfalls einen höheren Preis zu verlangen, der den Stückkosten guter Qualität entspricht (Imitation); sonst würden sie sich als Anbieter niedriger Qualität zu erkennen geben. „Im Gleichgewicht werden die Konsumenten also gleichermaßen von H- und N-Anbietern versorgt, was ineffizient ist.“ Im Regelfall liegt die maximale Zahlungsbereitschaft für bloße Durchschnittsqualität aber unter den Stückkosten der H-Anbieter, sodass diese vom Markt verdrängt werden und sich ein Akerlof-Markt einstellt. 15  Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S.  469. 16  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  373. 17  Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  488, 490; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  373 f. 18  Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

Markt schrumpft; im schlimmsten Fall bricht er vollständig zusammen.19 Es kommt zu einem Marktversagen im ökonomischen Sinne.20

III. Signaling mittels Garantien Für die Funktionsweise von Garantien ist vor diesem Hintergrund die folgende Erkenntnis zentral: Der Verschlechterungsmechanismus beruht auf einem Signalisierungsproblem:21 Verkäufer haben im Akerlof-Markt keine Möglichkeit, den Käufern glaubhaft zu vermitteln, dass ihre Ware von überdurchschnittlicher Qualität ist. Auf realen Märkten bestehen hingegen zahlreiche Mechanismen, die die Qualitätsunsicherheit der Käufer verringern können. Besonders wichtig sind geschützte Marken und – damit eng verbunden – die Reputation eines Herstellers.22 Ein weiteres und erstmalig von den Nobelpreisträgern George Akerlof sowie Michael Spence beschriebenes Mittel sind freiwillig gewährte Garantien: Sie sind ein Instrument, um den Käufern zu signalisieren, dass das Produkt qualitativ hochwertig ist und damit einen höheren Preis rechtfertigt.23 Die Garantiedauer enthält wertvolle Informationen: Sie steht in einem direkten Zusammenhang mit der vom Unternehmer selbst zu Grunde gelegten Lebensdauer eines Produktes. Um die Kosten für die Garantieabwicklung zu steuern, muss der Unternehmer die Garantiezeit zu dem Zeitpunkt auslaufen lassen, zu dem es statistisch gesehen zu einem besonders hohen Anstieg an Produktdefekten kommt.24 Die GaranThe Quarterly Journal of Economics (1970), S.  488, 491; Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S.  469; Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 378. 19  Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  490; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  373; Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S.  465. 20  Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 375. 21  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  373 f.; Wehrt, Warranties, S.  259; Wiener, Are Warranties Accurate Signals of Product Reliability, 12 Journal of Consumer Research (1985), 245. 22  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  263; Van den Bergh/Visscher, Consumer Sales Law from an Economic Perspective, S.  128 f. 23  Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  499; Spence, Consumer Misperceptions, Product Failure and Producer Liability, 44 The Review of Economic Studies (1977), 561, 569 ff.; vgl. auch Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S.  446 f.; Fritsch S.  263; Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  2. 24  Huber/Meyer/Thelen, Garantiert zufrieden?!, CMPP 2014, 6 f.; Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  67 ff.

III. Signaling mittels Garantien

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tiedauer erlaubt den Kunden damit einen verlässlichen Rückschluss auf die Lebensdauer des Produktes. Außerdem bewirkt die Garantie aus Sicht der Kunden eine Risikoreduktion: Sie können erwarten, für eventuelle Mängel innerhalb der Garantiezeit entschädigt zu werden.25 Auf diese Weise erlaubt die Garantie den Kaufinteressenten eine bessere Einschätzung des mit dem Kauf verbundenen Risikos sowie des voraussichtlichen „Ertrags“, den sie durch die Nutzung des Produktes generieren können.26 Zusammenfassend führt die Garantie dem Kaufinteressenten die besondere Zuverlässigkeit des Produktes vor Augen,27 beeinflusst seine Qualitätserwartungen und suggeriert ihm, dass er mit dem Kauf des Produktes kein Risiko eingeht.28 Diese zusätzlichen Informationen ermöglichen erst individuelle Qualitätszuschreibungen und eine Bildung differenzierter Preise für die Produkte unterschiedlicher Qualität.29 Die Garantie wirkt damit auf zwei Ebenen: zum einen auf der Ebene der individuellen Transaktion, zum anderen auf der Ebene des Marktes. Auf der Ebene der individuellen Transaktion ist sie sowohl für den Verkäufer als auch für den Käufer individuell nützlich: Der Verkäufer kann einen Preis erzielen, der der höheren Qualität seiner Produkte entspricht. Der Käufer erhält wertvolle Informationen über die Ware; er kann auf diese Weise eine individuelle Qualitätsvorstellung entwickeln und ein Produkt auswählen, das seinen Präferenzen am besten entspricht. Auf der Ebene des Marktes überwindet die Garantie (im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten) Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern und verhindert so ein Marktversagen. Diese Funktion ist für den Binnenmarkt zentral (siehe unten unter C. V., C. VI. 4.). Die Wirkungsweise von Garantien als Signale an den Markt wird in den Wirtschaftswissenschaften vor allem mit dem Instrumentarium der Spieltheorie analysiert.30 Untersucht wird, unter welchen Voraussetzungen Anbieter hoher Qualität Signale setzen können, um sich von den Anbietern schlechter Qualität zu un-

Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  28 f. Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  29. 27  Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  2. 28  Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  7, 13 f.; Menke, VuR 1994, 223; BGH GRUR 2011, 638 Rn.  21; OLG Hamm GRUR-RR 2013, 293. Dieser Aspekt wird auch von den Unternehmern selbst hervorgehoben, vgl. z. B. die Werbung von Audi: „Leistungen mit Sicherheit – Audi Garantie“, abrufbar unter https://www.audi.de/de/brand/de/kundenbereich/garantie/audi-garantie.html, zuletzt abgerufen am 17.02.2018. 29  Ausführlich Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 380 ff.; Mankowski, Erzeugt das Verbrauchsgüterkaufrecht Marktversagen?, S.  406, 407. 30  Vgl. den Überblick bei Agrawal/Richardson/Grimm, The Relationship between Warranty and Product Reliability, 30 The Journal of Consumer Affairs (1996), 421, 425 ff. 25  26 

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

terscheiden.31 Eine wirksame Signalsetzung ist dabei nur möglich, wenn es für die Anbieter niedriger Produktqualität nicht lohnenswert ist, das Signal zu imitieren (kein Imitationspayoff).32 Auf Garantien trifft dies im absoluten Regelfall zu: Nur Verkäufer bzw. Hersteller von Produkten besserer Qualität können es sich im Regelfall leisten, zu einem bestimmten (gleichbleibenden) Preis eine Garantie bestimmten Umfangs zu gewähren.33 Theoretisch könnten zwar auch die Anbieter niedriger Produktqualität eine Garantie desselben Umfangs anbieten. Im absoluten Regelfall würden die Mehrkosten für diese Garantie aber die relativ niedrigeren Produktionskosten dermaßen übersteigen, dass die Anbieter der schlechten Qualität nicht mehr profitabel zu demselben Preis anbieten könnten wie die Anbieter hoher Qualität.34 Produkte niedriger Qualität würden also paradoxerweise teurer als Produkte höherer Qualität. Garantien sind vor diesem Hintergrund im absoluten Regelfall wirksame Signalinginstrumente. Im spieltheoretischen Sprachgebrauch stellt sich mithilfe von Garantien eine high-quality separating deviation ein: Im Gleichgewicht bieten nur die Anbieter höherer Qualität Garantien eines bestimmten Umfangs an.

IV. Alternative Garantietheorien Seit der Publikation des Aufsatzes von Akerlof wurden aber auch immer wieder Zweifel an der Signalwirkung von Garantien geäußert. Neben der Signaling­theo­ rie haben sich vor allem zwei weitere Theorien ausgebildet, die den Anspruch erheben, die ökonomische Funktion von Garantien zu erklären: nämlich a) die 31  Im spieltheoretischen Sinne lohnt sich die Setzung eines Qualitätssignals, wenn dieses ein so genanntes separating equilibrium herbeiführt, das heißt einen Zustand, bei dem Konsumenten die Anbieter hoher Qualität aufgrund des Signals zuverlässig von solchen niedriger Qualität unterscheiden können. Können die Anbieter niedriger Qualität das Signal hingegen erfolgreich kopieren, tritt ein pooling equilibrium ein, bei dem es für die Konsumenten nicht möglich ist, beide Anbieter vor dem Kauf zu differenzieren. Dies ist genau die Situation des von Akerlof beschriebenen market for lemons. Vgl. hierzu Agrawal/Richardson/Grimm, The Relationship between Warranty and Product Reliability, 30 The Journal of Consumer Affairs (1996), 421, 425 ff. 32  Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 78; Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 381 f. 33  Spence, Consumer Misperceptions, Product Failure and Producer Liability, 44 The Review of Economic Studies (1977), 561, 569. 34  Ausführlich hierzu Wehrt, Warranties, S.  260 f.; vgl. auch Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 380 f.; Parisi, The Harmonization of Legal Warranties in European Sales Law: an Economic Analysis, 52 The American Journal of Comparative Law (2004), 403, 411, 413.

IV. Alternative Garantietheorien

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Versicherungstheorie (Insurance Theory) und b) die Preisdiskriminierungstheorie (Sorting Theory).35 Diese weiteren Garantietheorien erfassen jeweils wichtige Teilaspekte der wirtschaftlichen Wirkungsweise von Garantien. Im europäischen Kontext relevant ist allerdings allein die Signalingtheorie (siehe unten unter C. V., C. VI. 4.).

1. Insurance Theory Nach der Insurance Theory haben Garantien in erster Linie eine Versicherungsfunktion. Sie bieten Verbrauchern eine Versicherung gegen das Risiko, dass das Produkt nicht wie erwartet funktioniert. Historisch gesehen wurde die insurance-Funktion als erste Wirkungsweise von Garantien identifiziert.36 Für Hersteller und Verkäufer lohnt es sich nach der Insurance Theory unter bestimmten Voraussetzungen, ihr Produkt mit einer Versicherung zu bündeln, nämlich dann, wenn Hersteller und/oder Verkäufer risikoneutral, Verbraucher hingegen risikoavers sind.37 In diesem Fall sind die Verbraucher bereit, für die Versicherung einen höheren Preisaufschlag in Kauf zu nehmen als den Differenzbetrag, um den man den Produktpreis aufgrund des Mängelrisikos diskontieren müsste.38 Dieses premium entspricht ihrer Risikoaversion; sie „kaufen“ sich hierdurch vom Risiko „frei“. An der Insurance Theory ist richtig, dass Garantien immer auch eine Versicherungsfunktion haben.39 Sie können nur deswegen Signalwirkung entfalten, weil der Verkäufer wie ein Versicherungsgeber die Risiken von Mängeln internalisiert: Die Glaubwürdigkeit von Garantien als Qualitätsindikatoren beruht ja gerade darauf, dass sie für den Verkäufer bzw. Hersteller hohe Kosten verursachen können. Bietet der Verkäufer bzw. Hersteller sie trotzdem an, zeigt er, dass er

35  Vgl. auch den Überblick bei Lázár, Quantifying the Economic Value of Warranties, 2 Acta Univ. Sapientiae, Economics and Business (2014), 75, 77 ff. 36  Heal, Guarantees and Risk-Sharing, 44 Review of Economic Studies (1977), 549. 37  Vgl. die Analyse bei Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 76. 38  Zur Illustration möge folgendes Beispiel dienen: Ein Konsumgut hat in einwandfreiem Zustand einen Wert von 100  €, in mangelhaftem (Totalausfall) hingegen von 0  €. Das Risiko eines Totalausfalls beträgt 20%. Ein risikoneutraler Käufer wäre bereit, für das Gut 80  € (Erwartungswert) zu bezahlen. Ein risikoaverser Käufer würde hingegen weit weniger als 80  € zahlen, weil er zusätzlich dafür kompensiert werden möchte, dass er das Risiko des Totalausfalls trägt. Vgl. hierzu Wehrt, Warranties, S.  257 ff. 39  Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 76; Wehrt, Warranties, S.  257.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

selbst von einer niedrigen Fehlerrate ausgeht.40 Die Versicherungsfunktion verstärkt auf diese Weise die Signalingfunktion. Sie bildet allerdings nicht den zentralen Wirkmechanismus von Garantien im Binnenmarkt. Zur zentralen Funktion von Garantien wird insurance nur auf Märkten, auf denen keine (wesentlichen) Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern bestehen.41 Auch auf solchen Märkten lässt sich nämlich beobachten, dass Hersteller und Verkäufer Garantien anbieten, obwohl Qualitätssignaling nicht erforderlich ist: Es handelt sich hierbei vor allem um Märkte mit expert buyers, die das Produkt häufig mehrfach erwerben und sich mit den von ihnen erworbenen Produkten genau auskennen.42 In der Regel handelt es sich bei solchen Käufern gerade nicht um Verbraucher, sondern um gewerbliche Nachfrager. Sie können aus diesem Grund abschätzen, wie hoch das Risiko eines Funktionsausfalls ist und welchen Wert die zusätzliche Versicherung für ihr Unternehmen hat. Für den Binnenmarkt spielen Versicherungsmotive hingegen nur eine untergeordnete Rolle. Im Fokus stehen hier grenzüberschreitende Transaktionen zwischen Unternehmern und Verbrauchern, die sowohl über das Produkt als auch über den Anbieter schlecht informiert sind. Gerade diese Informationsasymmetrien behindern die Entwicklung des Gemeinsamen Marktes. Für Verbraucher spielen „Versicherungsgarantien“ vor allem im Form kostenpflichtiger Anschlussgarantien bei Kfz eine Rolle; diese werden vom Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie allerdings nicht erfasst (siehe dazu sogleich unter C. IV. 2.).43 Dies hat auch einen plausiblen Grund: Aus europäischer Sicht besteht kein Anlass, die Vermarktung von Garantien in ihrer Funktion als Versicherungen zu fördern. Der Wert von Anschlussgarantien beispielsweise ist umstritten; Verbraucherschützer kritisieren, dass häufig irrationale Versicherungsbedürfnisse von Verbrauchern ausgenutzt werden.44 Für den Verbraucher (und für den Markt) empirisch belegt ist hingegen der Wert von Garantien als Mittel zur 40 Vgl. Spence, Consumer Misperceptions, Product Failure and Producer Liability, 44 The Review of Economic Studies (1977), 561, 569. 41  Wehrt, Warranties, S.  257. 42  Vgl. bspw. den U.S. business-to-business Servermarkt, untersucht von Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 82 ff., für den Garantien in ihrer Versicherungsfunktion bedeutsam sind. 43 Vgl. Twigg-Flesner, The EC-Directive on Certain Aspects of the Sale of Consumer Goods and Associated Guarantees, Consumer Law Journal 1999, 177, 185 f. 44  Vgl. den N-TV-Artikel über Anschlussgarantien vom 16.10.2012, abrufbar unter https:// www.n-tv.de/auto/Zahlen-oder-zittern-beim-Autokauf-article7482531.html: Anschlussversicherungen finden Absatz aufgrund „eine[s] eher psychologisch zu erklärenden Bedürfnis[es] vieler Autokäufer, sich für alle Lebenslagen abzusichern.“ Vgl. auch Twigg-Flesner, Consumer

IV. Alternative Garantietheorien

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Reduktion von Qualitätsunsicherheit. Die europäischen Rechtsregeln, vor allem auch die Garantiewerbehaftung, sind aus diesem Grund so zugeschnitten, dass sie die Garantie spezifisch in ihrer Funktion als Signalinginstrument fördern (siehe dazu unter D. III.).

2. Sorting Theory Nach der Sorting Theory ermöglichen Garantien aus Sicht von Unternehmen eine effiziente Preisstrategie: Sie können ihr Produkt mit Garantien unterschiedlicher Länge und unterschiedlichen Umfangs bündeln und das Bündel zu unterschiedlichen Preisen verkaufen. Garantien ermöglichen auf diese Weise eine so genannte Preisdifferenzierung zweiter Ordnung (second-degree price discrimination)45, das heißt, unterschiedliche Käufergruppen können mit unterschiedlichen Produkt-Preis-Garantie-Kombinationen angesprochen werden.46 Garantien werden auf diese Weise zu Mitteln der Produktdifferenzierung. Zu Grunde liegt die Überlegung, das Kaufinteressenten unterschiedliche Risikoneigungen haben und sich in ihren Präferenzen – vor allem im Hinblick auf ihren Wunsch nach Risikoabdeckung – unterscheiden.47 Die Sorting Theory ist damit eng mit der Insurance Theory verbunden.

Product Guarantees, S.  87 f., der fragwürdige Vermarktungsstrategien und zu hohe Preise von extended warranties kritisiert. 45  Der Begriff wird hier nicht im kartellrechtlichen Sinne gemäß Art.  102 lit.  c AEUV verwendet. Eine Preisdifferenzierung zweiter Ordnung liegt vor, wenn unterschiedliche Konsumentengruppen ihre Präferenzen durch die Wahl einer bestimmten Produktvariante erkennbar machen, sodass es möglich ist, von ihnen einen unterschiedlich hohen Preis zu verlangen. 46 Vgl. Kubo, Quality Uncertainty and Guarantee, 30 European Economic Review (1986), 1063 ff., der optionale Garantien als screening-Mechanismen modelliert; vgl. auch Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75 ff., die in ihrer Untersuchung insurance und sorting als maßgebliche Wirkungsweise von Garantien auf dem U.S.-Kfz- und Servermarkt identifizieren. Der Sorting Theory nicht unähnlich ist außerdem die von Priest, 90 The Yale Law Journal (1981), 1297, 1307 ff. entwickelte „investment theory“. 47  Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 76; vgl. aber auch das Modell von Kubo, Quality Uncertainty and Guarantee, 30 European Economic Review (1986), 1063, der von Käufergruppen mit unterschiedlichem Einkommensniveau ausgeht und modelliert, wie es dem Unternehmen mithilfe von optionalen Versicherungen – nichts anderes ist die Garantie bei Kubo – gelingen kann, gegenüber den zahlungskräftigeren Käufern einen höheren Preis durchzusetzen; dieses Modell funktioniert allerdings nur im Monopol (vgl. a. a. O. S.  1064). Es blendet zudem Informationsasymmetrien völlig aus (a. a. O. S.  1065).

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

Die Sorting Theory betrachtet Garantien anders als die Signaling Theory damit vor allem aus der Sicht von Unternehmen.48 Sie ist in der Lage, verschiedene Garantiephänomene zu erklären: Beispielsweise wird zu einem Produkt manchmal eine zusätzliche extended warranty (Anschlussgarantie) angeboten, für die der Käufer einen Aufpreis zahlen muss.49 In selteneren Fällen kann dasselbe (oder aber ein qualitativ ganz ähnliches Produkt) mit einer längeren bzw. kürzeren Garantie zu einem höheren bzw. niedrigeren Preis erworben werden.50 In beiden Fällen spielen Sorting-Motive eine zentrale Rolle. Die Sorting Theory ist als Erklärungsmodell für die besonders häufigen „Einheitsgarantien“ (base warranties) allerdings nicht geeignet. Hier wird nämlich ein Produkt mit nur einer bestimmten Garantie angeboten, sodass gerade nicht die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Produkt-Preis-Garantie-Kombinationen zu wählen. Es findet also gerade kein sorting statt. Solche base warranties stehen allerdings gerade im Fokus des Europarechts. Extended warranties, die gegen Aufpreis hinzugekauft werden können, werden vom Anwendungsbereich der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie schon nicht erfasst: Nach Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gelten als Garantien nur solche Verpflichtungen, die „ohne Aufpreis“ eingegangen werden.51 Grund hierfür ist, dass Signalingmotive für extended warranties kaum Bedeutung haben: Sie werden in der Regel erst einige Zeit nach dem Kauf abgeschlossen, wenn der Käufer bereits weiß, welche Qualität das Produkt hat (zum Beispiel Anschlussgarantien für Kfz). Sie haben damit im Wesentlichen die Funktion einer Reparaturkostenversicherung52 und werden auch als solche verChu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 76. 49  Ausführlich hierzu Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  83 ff.; Kelley/Conant, Extended Warranties: Consumer and Manufacturer Perceptions, 25 Journal of Consumer Affairs (1991), 68. Ein Beispiel bilden z. B. die Anschlussgarantien zahlreicher Kfz-Herstellern, die gegen Aufpreis erworben werden können und nach Ablauf der anfänglichen, kostenfreien Herstellergarantie eingreifen. 50 Vgl. Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 85. 51  Serrano, in: Grundmann/Bianca, EU-Kaufrechts-Richtlinie, Art.  1 Rn.  23 f.; Micklitz, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S.  650. Anders ist dies zwar nach Art.  2 Nr.  14 Verbraucherrechterichtlinie, wo die Einschränkung „ohne Aufpreis“ fehlt. Diese weitere Definition hat allerdings nur Bedeutung für bestimmte Informationspflichten über Garantien (Art.  5 Abs.  1 lit.  e) und 6 Abs.  1 lit.  m) Verbraucherrechterichtlinie). Für die Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist allein die Definition nach Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie von Bedeutung; vgl. hierzu noch ausführlich unter D. IV. 2. 52  Twigg-Flesner, The EC-Directive on Certain Aspects of the Sale of Consumer Goods and Associated Guarantees, Consumer Law Journal 1999, 177, 186; ders., Consumer Product Guarantees, S.  86. 48 

V. Signaling als maßgebliches Konzept für kommerzielle Garantien im Binnenmarkt 21

marktet53 (zur Kritik vgl. bereits oben unter C. IV. 1.). Damit soll nicht geleugnet werden, dass Garantien auch eine Sorting-Funktion für Unternehmen haben können. Sie spielt allerdings für das europäische Verbraucherschutzrecht keine Rolle, weil dieses auf die Behebung von Informationsasymmetrien abzielt (vgl. ausführlich unten unter C. V., C. VI. 4.). Das europäische Verbraucherschutzrecht will die Garantie gerade in ihrer Signalingfunktion fördern.

V. Signaling als maßgebliches Konzept für kommerzielle Garantien im Binnenmarkt Die Garantie soll die Markttransparenz im grenzüberschreitenden Handel verbessern und so die Anzahl grenzüberschreitender Transaktionen erhöhen. Gerade im Bereich des Onlinehandels zeigt sich die Disparität zwischen nationalen Märkten und Gemeinsamem Markt: Während 67  % der Europäer bereits im eigenen Mitgliedsland online eingekauft haben, haben nur 19  % schon einmal eine grenzüberschreitende Transaktion vorgenommen.54 Dabei soll nach den Vorstellungen der Kommission der Binnenmarkt gerade im Wege des Onlinehandels zu einem echten gemeinsamen Markt zusammenwachsen: Ziel ist die Schaffung eines digital single market.55 Im grenzüberschreitenden Verkehr existieren allerdings besonders viele Transaktionshindernisse. Informationsasymmetrien führen zu einem Nachteil ausländischer Produktanbieter: Auf nationalen Märkten bestehen in der Regel wirksame Reputationsmechanismen, die dafür sorgen, dass Käufer eine Vorstellung von der Qualität der Ware eines bestimmten inländischen Herstellers oder Verkäufers haben. Grenzüberschreitend begegnen ihnen hingegen neue Anbieter, über die sie sich kein verlässliches Urteil bilden können.56 Nur sehr große Unternehmen können in europaweite Werbekampagnen investieren, um auf diese Weise eine europaweite Reputation aufzubauen. Kleinen und mittelständischen Unternehmen fehlen dafür in der Regel die finanziel-

53  Vgl. beispielsweise die Werbung von Audi: „effektiver Schutz vor vielen unvorhersehbaren Reparaturkosten“, abrufbar unter https://www.audi.de/de/brand/de/gebrauchtwagen/garan tien/audi-anschlussgarantie.html. 54  Kommission, Consumers’ Attitudes towards Cross-Border Trade and Consumer Protection 2016, Final Report, S.  12, 15. 55  Kommission, Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa, COM(2015) 192 final. 56 Vgl. Parisi, The Harmonization of Legal Warranties in European Sales Law: an Economic Analysis, 52 The American Journal of Comparative Law (2004), 403, 417.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

len Ressourcen. Dem entspricht auch, dass besonders kleine und mittlere Unternehmen es scheuen, ihre Produkte grenzüberschreitend anzubieten.57 Neuere empirische Untersuchungen bestätigen die Bedeutung von Garantien auf Märkten mit erheblichen Informationsasymmetrien. Sie stützen so die Annahme, dass Garantien im Binnenmarkt vor allem als Signalinstrumente Einsatz finden. Nachdem sich die ökonomische Literatur lange Zeit auf die theoretische Modellierung der Wirkungsweise von Garantien fokussierte,58 finden sich jüngst vermehrt empirische Untersuchungen, die die Validität der verschiedenen Garantietheorien ökonometrisch untersuchen.59 Die hierdurch gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass Garantien als Signalinginstrumente dort Bedeutung haben, wo die Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern besonders groß sind: So sind Garantien am wertvollsten für Produktanbieter, die den Marktzutritt als Newcomer wagen.60 Sie verfügen noch nicht über eine brand reputation und ihre Produkte wurden auch noch nicht durch Produktteststellen bewertet. Unter diesen Umständen sind sie darauf angewiesen, die Qualität ihrer Produkte 57  Vgl. die Website der Kommission zum Themengebiet „Digitaler Binnenmarkt“, https:// ec.europa.eu/commission/priorities/digital-single-market_de, zuletzt abgerufen am 10.01.2018. 58  Vgl. vor allem die frühen, einflussreichen Modellierungen von Spence, Consumer Misperceptions, Product Failure and Producer Liability, 44 The Review of Economic Studies (1977), 561 (basierend auf der Signalingtheorie); Heal, Guarantees and Risk-Sharing, 44 The Review of Economic Studies (1977), 549 (basierend auf der Insurance-Theorie); Emons, The Theory of Warranty Contracts, 3 Journal of Economic Surveys (1989), 43 (basierend auf der Singalingtheorie). Empirische Untersuchungen bereiten vor allem deswegen Schwierigkeiten, weil für viele Märkte nur wenige Daten verfügbar sind, vgl. Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 76; Roberts, Can Warranties Substitute for Reputations?, 3 American Economic Journal: Microeconomics (2011), 69, 70. 59  Che/Katayama/Lee/Shi, Warranty, Seller Reputation, and Buyer Experience, 2018, abrufbar unter https://www.aeaweb.org/conference/2018/preliminary/paper/z8sNe23i; Chu/ Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75; Choi/Ishii, Consumer Perception of Warranty as Signal of Quality: An Empirical Study of Powertrain Warranties, 2009, abrufbar unter https://economics.yale.edu/sites/default/files/files/Workshops-Seminars/Industrial-Organiza tion/ishii-091001.pdf; vgl. auch die allgemeinen Marktstudien von Boulding/Kirmani, A Consumer-Side Experimental Examination of Signaling Theory: Do Consumers Perceive Warranties as Signals of Quality?, 20 Journal of Consumer Research (1993), 111; Lynch/Miller/ Plott/Porter, Product Quality, Consumer Information and “Lemons” in Experimental Markets, in: Empirical Approaches to Consumer Protection Economics, Federal Trade Commission (1986), S.  251. 60  Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 79, 85, 88 (“signaling is often used by firms whose product quality is not known to consumers”); so auch das Ergebnis der spieltheoretischen Modellierung von Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1288.

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durch besonders lange und/oder umfangreiche Garantien zu kommunizieren. Diese Erkenntnisse verdeutlichen die Bedeutung von Garantien für den Binnenmarkt, auf dem besonders große Informationsasymmetrien bestehen.

VI. Einwände gegen die Signalingtheorie Oben (C. IV.) wurde bereits darauf hingewiesen, dass die Signalingtheorie in der ökonomischen Literatur nicht unumstritten ist. Gegen die Signalingtheorie werden nicht nur alternative Garantietheorien in Stellung gebracht, sondern auch eine Reihe von Einzeleinwänden formuliert. Auf diese soll im Folgenden eingegangen. Dabei sollen die zentralen Gegenargumente vorgestellt und entkräftet werden. Vorgebracht werden vor allem drei Hauptargumente: Zum einen sei empirisch erwiesen, dass Käufer die Geschäftsbedingungen von Garantien vor dem Kauf nicht zur Kenntnis nähmen; unter diesen Umstände könne die Garantie keine Signalwirkung entfalten (dazu 1.). Weiterhin werde die Signalwirkung von Garantien dadurch in Frage gestellt, dass keine positive Korrelation zwischen Garantielänge und Produktqualität feststellbar sei (dazu 2.). Schließlich seien Garantien angesichts der zwingenden Sachmängelhaftung ohnehin überflüssig (dazu 3.).

1. Berücksichtigung von Garantien vor dem Kauf? Die Signalfunktion von Garantien wird häufig mit folgendem Argument angezweifelt: Käufer machten sich vor ihrer Kaufentscheidung ohnehin nicht die Mühe, die Garantiebedingungen durchzulesen oder sogar mit den Bedingungen anderer Anbieter zu vergleichen. Vor diesem Hintergrund könne die Garantie keine Informationen über die Qualität einer Sache in den Markt transportieren.61 Wenn Verkäufer dennoch Garantien anböten, müsse dies andere Gründe haben als die Behebung von Informationsasymmetrien auf dem Markt.

Crocker, A Reexamination of the “Lemons” Market When Warranties Are Not Prepurchase Signals, 2 Information Economics and Policy (1986), 147, 159; Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 26; Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  118; ähnlich Priest, A Theory of the Consumer Product Warranty, 90 Yale Law Journal (1981), 1297, 1303 f.: Für Käufer lohne es sich in der Regel nicht, die Garantiebedingungen einzelner Anbieter zu studieren. 61 

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

a) Signing-without-reading-Problem An diesem Argument ist zutreffend, dass die wenigsten Käufer die vollständigen Garantiebedingungen vor dem Kauf sorgsam studieren. Bei Garantiebedingungen handelt es sich um AGB, bei denen ganz generell das signing-without-reading-Problem besteht: Für Verbraucher lohnt es sich schlichtweg nicht, die AGB eines Anbieters genau zu prüfen und sie mit den Klauseln der Konkurrenzanbieter zu vergleichen (rational apathy).62 Der Aufwand (die Transaktionskosten) einer solchen Prüfung würde(n) für den einzelnen Verbraucher die damit verbundenen Vorteile schlicht überwiegen.63 Dadurch entsteht eine spezifische Form der Informationsasymmetrie, die auch den wahren Grund für die AGB-Kontrolle bildet: Der Verbraucher macht sich entweder keine, nur unvollständige oder aber falsche Vorstellungen von der Art und Weise, wie die AGB-Klauseln bestimmte Risiken zuordnen. Diese Informationsasymmetrie führt nach den oben (C. I.) beschriebenen Mechanismen zu einem Verschlechterungswettbewerb um die für den Käufer nachteiligsten AGB und so zu einem market for lemons.64 AGB sind damit Erfahrungsgütern vergleichbar, bei denen das oben dargestellte Problem der Qualitätsunsicherheit besteht: Der Vertragspartner kann die Qualität der AGB erst nach Vertragsschluss beurteilen, wenn sich der Verwender im Streitfall auf sie beruft.65 Damit stellt sich durchaus zu Recht die Frage, wie ein Verschlechterungswettbewerb bei Erfahrungsgütern ausgerechnet durch Garantie-AGB – einem seinerseits Informationsasymmetrien hervorrufenden Produkt – aufgehalten werden kann. Die Antwort ergibt sich aus folgender Erwägung: Die Signalwirkung von Garantien geht nicht von dem Vertragstext der Garantieurkunde aus, sondern von der Garantiewerbung. Sicherlich nehmen die meisten Käufer die Garantie-AGB vor dem Kauf nicht zur Kenntnis. Ihre Vorstellungen von dem Wert der Garantie entstehen vielmehr aufgrund der zentralen Leistungsparameter,66 die typischerweise in der Werbung hervorgehoben werden.67 Die Käufer bilden aufgrund die62  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  158; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor §  307 Rn.  33 ff. 63  Faure/Luth, Behavioral Economics in Unfair Contract Terms, 34 J Consum Policy (2011), 337, 340; Schäfer, Theorie der AGB-Kontrolle, in: FS Ott, 2002, S.  279, 296; MünchKomm/Basedow, Vor §§  305 ff., Rn.  5; ausführlich Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  154 ff. 64  Renner, AcP 213 (2013), 677, 687; Faure/Luth, Behavioral Economics in Unfair Contract Terms (2011), 34 J Consum Policy, 337, 342 mit Fn.  19; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  159 ff. 65  Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  159 ff. 66  Priest, A Theory of the Consumer Product Warranty, 90 Yale Law Journal (1981), 1297, 1305; allgemein Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  160. 67  MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  15, 90.

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ser zentralen Parameter bestimmte Erwartungen an den Leistungsumfang der Garantie. Diese Signalsetzung funktioniert allerdings nur, wenn die Erwartungen der Käufer, die sie aufgrund von Werbung bilden, durch die Rechtsordnung geschützt werden. Dass dies der Fall ist, soll im Folgenden gezeigt werden. Die Rechtsordnung schützt die Erwartungen der Käufer gleich auf zweifache Weise: zum einen mit den Mitteln der Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 Abs.  1 BGB), zum anderen im Wege der Klauselkontrolle nach Art.  3 Abs.  1 Klauselrichtlinie68 (umgesetzt in §  307 BGB). Auf Umfang und Reichweite des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie soll unter D. ausführlich eingegangen werden. An dieser Stelle soll der Blick auf den Beitrag der AGB-Kontrolle zum Schutz der Käufererwartungen gelenkt werden. Es wird sich zeigen, dass die Folgen der AGB-spezifischen Informationsasymmetrien durch die AGB-Kontrolle beseitigt bzw. zumindest in erheblichem Umfang gemindert werden. Bemerkenswert ist dabei vor allem die Wertungskongruenz zwischen AGB-rechtlicher Klauselkontrolle und Garantiewerbehaftung, die sich aus ihrer identischen Zwecksetzung ergibt: Bei beiden Rechtsinstituten handelt es sich aus Sicht des Europarechts um Mittel zur Behebung von Informationsasymmetrien im Binnenmarkt (siehe sogleich unter c)). Im Folgenden soll zunächst auf den Schutz der Käufererwartungen mit den Mitteln der AGB-Kontrolle eingegangen werden. b) Umfang der AGB-Kontrolle von Garantiebedingungen Garantiebedingungen unterliegen nach ständiger Rechtsprechung der AGB-Kontrolle.69 Dies ist nicht selbstverständlich, da nach §  307 Abs.  3 Satz  1 BGB an sich nur solche Klauseln kontrollfähig sind, die von Rechtsvorschriften abweichen. Die Garantie ist als Vertragstyp im BGB allerdings nicht geregelt. Es finden sich keine garantiebezogenen default rules, von denen die klauselmäßige Festlegung der gegenseitigen Rechte und Pflichten durch AGB abweichen könnte.70 Solche „Rechtsvorschriften“ finden sich insbesondere auch nicht in §  443

68 

EG-Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen 93/13/EWG. BGH NJW 2008, 214 Rn.  11 ff.; vgl. auch noch ausführlich unter I. II. 1. b.) bb). 70  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  37. Vgl. allerdings BGH NJW 1985, 3013, 3014: Zu den Rechtsvorschriften i. S. v. §  307 Abs.  3 BGB sollen auch solche Regelungen zählen, die sich nach §§  157, 242 BGB im Wege ergänzender Vertragsauslegung ergeben. Da die Rechtsprechung für inhaltlich unbestimmte Garantien eine ganze Reihe an lückenfüllenden Regelungen entwickelt hat (siehe dazu unten I. I. 3.), ließe sich hier wohl auch vertreten, dass Garantie-AGB sehr wohl von diesen „Rechtsvorschriften“ abweichen können. Die Rechtsprechung des BGH ablehnend Stoffels, JZ 2001, 843, 846. 69 

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BGB: §  443 Abs.  1 bestimmt zwar mögliche Garantieinhalte, legt aber nicht fest, welche Regelungen im Fall von Vertragslücken Anwendung finden sollen.71 Nach ständiger Rechtsprechung nimmt §  307 Abs.  3 Satz  1 BGB allerdings nur solche Vereinbarungen von der Inhaltskontrolle aus, die „Art und Umfang der vertraglichen Hauptleistung und den dafür zu zahlenden unmittelbar Preis regeln“;72 die Überprüfung von „Regelungen, die die Leistungspflicht des Verwenders einschränken“, ist nach der Rechtsprechung hingegen möglich.73 Nur eine solche Auslegung steht auch in Einklang mit Art.  4 Abs.  2 Klauselrichtlinie, wonach ausschließlich der „Hauptgegenstand des Vertrages“ sowie die „Angemessenheit zwischen dem Preis […] und […] den Gütern, die die Gegenleistung darstellen“, kontrollfrei sind. Die Ratio hinter dieser Einschränkung der Kon­ troll­freiheit wird häufig wie folgt erklärt: §  307 Abs.  3 Satz  1 BGB gehe es nicht darum, gesetzlich nicht geregelte Verträge von der AGB-Kontrolle auszunehmen.74 Der Ausschlussgrund diene vielmehr dem Schutz vor richterlichen Eingriffen in den Preisbildungsmechanismus: Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung müsse in einer Marktwirtschaft durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden, nicht hingegen im Wege richterlicher Preiskontrolle.75 Dieser Zweck liege auch §  307 Abs.  3 Satz  1 BGB zu Grunde, auch wenn er im Wortlaut der Norm nur unvollkommen zum Ausdruck komme.76 Aus diesem Grund dürfe der Richter nur die vertraglichen Hauptleistungspflichten nicht einer AGB-rechtlichen Angemessenheitskontrolle unterziehen, vertragliche Nebenpflichten hingegen schon.77 Gegen dieses Argument wird allerdings zutreffend eingewendet, dass auch solche Klauseln, die die Leistungspflicht des Garantiegebers einschränken, den Umfang seiner Hauptleistungspflicht konturieren – und damit das an sich kontrollfreie Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung betreffen.78 Der Grund für die Kontrollfreiheit solcher Klauseln, die „den unmittelbaren Leistungsgegenstand“ bestimmen, lässt sich mit der herrschenden Ansicht im neueren Schrifttum vielmehr wie folgt erklären: Der Zweck der AGB-Kontrolle 71 

BT-Drs. 14/6040, S.  239, 246; vgl. auch MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  15. BGH NJW 2008, 214 Rn.  12; NJW 2011, 3510 Rn.  10; NJW 2014, 209 Rn.  17; ganz ähnlich auch schon BGH NJW-RR 1993, 1049, 1050. 73  BGH NJW 2008, 214 Rn.  12; NJW 2011, 3510 Rn.  10; NJW 2014, 209 Rn.  17; ganz ähnlich auch schon BGH NJW-RR 1993, 1049, 1050. 74  BGH NJW 2011, 3510 Rn.  11; NJW-RR 1991, 1013, 1014; NJW 1985, 1013, 1014; Stoffels, JZ 2001, 843, 846 f. 75  Ausführlich Stoffels, JZ 2001, 843, 847 ff.; MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  1; insoweit zustimmend auch Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  197. 76  Stoffels, JZ 2001, 843 f.; MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  1. 77  BGH NJW 2011, 3510 Rn.  16. 78  OLG Nürnberg NJW 1997, 2186. 72 

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liegt – entgegen älterer Auffassungen, die vor allem den Schutz des wirtschaftlich (angeblich) unterlegenen Verbrauchers in den Fokus rückten79 – in der Korrektur eines Marktversagens, das unabhängig von der Marktmacht des Verwenders droht.80 Hintergrund ist die oben beschriebene Informationsasymmetrie, die durch die Verwendung von AGB entsteht und die ohne einen regulierenden Eingriff des Gesetzgebers zu einem Verschlechterungswettbewerb um die für den Vertragspartner ungünstigsten AGB führt: Der Verwender mit den schlechtesten AGB kann zum niedrigsten Preis anbieten und sich so einen Vorteil auf dem Markt sichern.81 Die von ihm angebotenen einseitigen AGB-Konditionen schaden ihm nicht, da sie anders als der Preis von der Marktgegenseite nicht zur Kenntnis genommen werden.82 Die Beschränkung der AGB-Kontrolle auf Klauseln, die nicht die vertraglichen essentialia negotii festlegen, passt zu diesem Schutzzweck: Kontrollfähig sind solche Bestimmungen, die von der Marktgegenseite typischerweise nicht zur Kenntnis genommen werden und im Hinblick auf die folglich eine Informationsasymmetrie droht.83 Eine solche Gefahr droht hingegen nicht bei den Hauptleistungspflichten, mit denen der Verwender „im Wettbewerb werbend auftritt“.84 Von der Kontrolle ausgenommen sind bei Garantien daher nur solche Klauseln, die die zentralen Parameter des Garantieversprechens enthalten, häufig in der Werbung hervorgehoben und deshalb von den Käufern sehr wohl wahrgenommen werden.85 Hierbei handelt es sich vor allem um die Garantiedauer, die von der Garantie erfassten Bestandteile der Kaufsache sowie die im Garantiefall versprochene Ersatzleistung.86 Dies sind zugleich Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  93 f.; Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, passim; Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, passim. 80  Renner, AcP 213 (2013), 677, 687; MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  40; MünchKommBGB/Basedow, Vor §§  305 ff., Rn.  5; ausführlich Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  73, 154 ff.; Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, §  10 Rn.  2; Köndgen, NJW 1989, 943, 946 f.; Stoffels, JZ 2001, 843, 844 f. 81  Pointiert Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  162: Die Lieferung schlechter Qualität wird paradoxerweise zum Wettbewerbsvorteil. 82  Faure/Luth, Behavioral Economics in Unfair Contract Terms, 34 J Consum Policy (2011), 337, 342 mit Fn.  19; vgl. auch Dauner-Lieb, Verbraucherschutzrecht, S.  72 f., die vor allem auf die intellektuelle Überforderung des Verbrauchers durch komplexe AGB abstellt. 83  Stoffels, JZ 2001, 843 ff., 848; MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  12; Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  155 f.; Fervers, EuZW 2014, 510, 511 (Anm. zu EuGH EuZW 2014, 506). 84  MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  15; vgl. auch Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, §  307 Rn.  21; Dauner-Lieb, Verbraucherschutz, S.  74.; ähnlich Stoffels, JZ 2001, 843, 848. 85  Vgl. allgemein (auf alle Verträge bezogen) Stoffels, JZ 2001, 843, 845 ff. 86  Ähnlich MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  15: Kontrollfrei sei die „eigentliche 79 

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auch die Garantieelemente, die in der Werbung am häufigsten herausgestellt werden: Schlagwortartig werden „5 Jahre Garantie“ oder „3 Jahre Durchrostungsgarantie auf die Karosserie“ beworben. Diese kurzen, prägnanten Werbebotschaften erreichen die Aufmerksamkeit der Verbraucher.87 Andere Garantieklauseln – insbesondere also solche, die die zentrale Garantiezusage wieder einschränken – unterliegen hingegen der Inhaltskontrolle nach §§  307 ff. BGB.88 c) Maßstab der Inhaltskontrolle Problematisch ist allerdings der Kontrollmaßstab für Garantieklauseln, die die zentrale Leistungszusage wieder einschränken. Da die Garantie als Vertragstyp im BGB nicht geregelt ist, kommt eine Kontrolle nach §  307 Abs.  2 Nr.  1 BGB von vornherein nicht in Betracht. Als Maßstab für die Inhaltskontrolle bietet sich allerdings die „Natur des Vertrages“ nach §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB an. Einschränkende Klauseln sind hiernach unwirksam, wenn sie den aus der Natur des Vertrages folgenden Vertragszweck gefährden.89 Problematisch ist allerdings, wie sich die „Natur“ des (Garantie-)Vertrages näher konkretisieren lässt. Die wohl herrschende Meinung erhebt im Bereich der Kontrolle von Garantieklauseln bestimmte, typisierte Käufererwartungen zum Maßstab der AGB-Kontrolle. Der Vertragszweck sei gefährdet, wenn die Garantie-AGB „die Garantiezusage über den verkehrstypischen und vom Kunden nach Treu und Glauben zu erwartenden Umfang hinaus [einschränken].“90 Auf diese Weise soll vor allem verhindert werden, dass der Garantiegeber seine werbemäßig herausgehobenen Leistungsversprechen nachträglich wieder durch AGB aushöhlt: „[D]er AGB-Verwender [soll] seine primäre Leistungszusage, mit der er im Wettbewerb werbend auftritt, Leistungszusage, die Garantiezeit und die Art der Garantieleistung“; Christensen, in: Ulmer/ Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  3; wohl auch BGH NJW 2011, 3510 Rn.  14 ff. 87  Hierzu passt auch der empirische Befund der US-amerikanischen Federal Trade Commission, der dem Aufsatz von Crocker (a. a. O. Fn.  107) zu Grunde liegt: Hiernach wussten 40% der Verbraucher vor dem Kauf von der Existenz einer Garantie; zumeist stammte diese Information aus der Werbung, vgl. die Nachweise bei Crocker, A Reexamination of the “Lemons” Market When Warranties Are Not Prepurchase Signals, 2 Information Economics and Policy (1986), 147, 153. 88  BGH NJW 2011, 3510 Rn.  11; zur AGB-Kontrolle von Garantieklauseln besteht eine umfangreiche Kasuistik, vgl. bspw. die Fälle BGH NJW 2008, 214; NJW 2014, 209; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  3. 89  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4. 90  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4; MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  90; ganz ähnlich Schünemann, NJW 1988, 1943, 1946; ähnlich auch LG München, Urteil v. 10.05.2012 – 12 O 18913/11, Rn.  78 ff. – Juris; LG Berlin, Urteil v. 28.11.2014 – 15 O 601/12 unter [1.6], [1.9] – Juris.

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[nicht] gefahrlos durch vorformulierte Zusatzvoraussetzungen, Einschränkungen und Ausschlüsse entwerten“ können.91 aa) Lehre von der Vertragsnatur Konzeptionell steht die herrschende Meinung damit auf dem Boden der von Oechsler entwickelten Lehre von der Vertragsnatur.92 Hiernach bilden die typisierten Erwartungen des Gläubigers den Maßstab für die AGB-Kontrolle nach §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB. Zu diesen typisierten Erwartungen zählen nur solche, die ein objektiver Beobachter in der Position des Gläubigers aufgrund des zentralen Leistungsversprechens des Schuldners typischerweise haben darf.93 Maßstabsbildend wirkt damit ein objektiviertes Gläubigervertrauen, das anhand der Perspektive eines objektiven Dritten in der Position des Gläubigers zu konkretisieren ist.94 Nach einem alternativen Vorschlag von Renner sollen indes nicht die typisierten, sondern vielmehr die tatsächlichen (empirisch feststellbaren) Erwartungen des Vertragspartners95 den Maßstab für die Inhaltskontrolle bei gesetzlich nicht geregelten Verträgen (wie z. B. auch bei dem Garantievertrag) bilden.96 Solche konkreten, tatsächlichen Erwartungen können nach Renner im Stadium der Vertragsverhandlungen entstehen, indem der Verwender seinem Vertragspartner einen bestimmten Leistungsumfang in Aussicht stellt.97 Aufgrund dieser „Selbstdarstellung“ binde der Verwender sich gegenüber seinem Vertragspartner.98 Der Vertragspartner könne das Entstehen bestimmter Verhaltenserwartungen vor Gericht beispielsweise durch Vorlage des E-Mail-Verkehrs darlegen.99 Diese Ansicht erscheint jedoch problematisch, da sie Anwendungsvoraussetzungen impliziert, die in der Praxis der AGB-Kontrolle nur selten vorliegen dürf91  MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  15; ähnlich Schünemann, NJW 1988, 1943, 1945 f.; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  214 f.; vgl. auch bereits Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78, wonach solche Garantiebedingungen nach der Klauselrichtlinie unwirksam sind, die „dem eigentlichen Prinzip der Garantie zuwiderlaufen würden“; vgl. auch die Darstellung des englischen case law bei Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  75 f. 92  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  297 ff., 315 ff. 93  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  320. 94  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  320. 95  Renner, AcP 213 (2013), 677, 685, spricht auch von „relationalen Erwartungen“. 96  Renner, AcP 213 (2013), 677 ff.; ähnlich Wolf, in: Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, §  307 Rn.  135. 97  Renner, AcP 213 (2013), 677, 685 ff. 98  Renner, AcP 213 (2013), 677, 686 im Anschluss an Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  165 ff. und 188 f. 99  Renner, AcP 213 (2013), 677, 686.

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ten. Sie erscheint nur dort von Bedeutung, wo die Parteien tatsächlich über den Vertragsinhalt verhandeln und sich der Vertragspartner nicht lediglich auf einem Optionsmarkt (zu diesem Begriff vgl. oben unter C. II.) für ein bestimmtes Produkt entscheidet. Solche Konstellationen bilden aber nicht die eigentliche Domäne des AGB-Rechts. AGB finden vor allem dort Verwendung, wo ein standardisiertes Rechtsprodukt zu Zwecken der Transaktionskostenersparnis geschaffen werden muss.100 In den typischen Verwendungssituationen bleibt damit kein Raum für die Entwicklung persönlicher, konkreter Verhaltenserwartungen. In Betracht kommt allerdings auch auf Optionsmärkten – und dies ist für die vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse – die Einbeziehung von Werbeaussagen und ihrer Wirkung auf den Erwartungshorizont des Vertragspartners. So weckt der Verwender durch seine Werbung bei den Vertragspartnern bestimmte Erwartungen im Hinblick auf den Leistungsumfang, die er im Nachhinein durch seine AGB möglicherweise enttäuscht. Nach Ansicht von Renner kommt es indes auf die individuellen Erwartungen des Vertragspartners an, die durch individuelles Verhalten des Verwenders hervorgerufen werden.101 In Konsequenz dieses Ansatzes könnten aber gerade bei Werbung dieselben Klauseln gegenüber dem einen Vertragspartner wirksam, gegenüber dem anderen unwirksam sein: Je nach individuellem Verständnishorizont des Vertragspartners könnten Werbeaussagen zu ganz unterschiedlichen Verhaltenserwartungen führen. Dies gilt gerade auch für den hier betrachteten Bereich der Garantiewerbung (siehe auch unten unter D. III. 2. a) dd)). Gegen das Abstellen auf individuell-konkrete Verhaltenserwartungen spricht daher vor allem, dass hierdurch die grundsätzlichen Standardisierungsvorteile von AGB102 in Frage gestellt würden. Würden im Prozess die konkret-individuellen Verhaltenserwartungen des Vertragspartners zum Kontrollmaßstab, müsste sich der Vertragsinhalt letztlich doch an den individuellen Gegebenheiten orientieren.103 Dies leitet zu über zu dem wohl gewichtigsten Einwand gegen die Konzeption von Renner: Dass ein Vertragspartner rein fak-

Leuschner, AcP 207 (2007), 503 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 7/3919, S.  9. Renner, AcP 213 (2013), 677, 689. 102  Hierzu Leuschner, AcP 207 (2007), 503 ff. 103  Dies bedeutet nicht, dass es dem Verwender erlaubt ist, den Vertragspartner über den Inhalt von AGB zu täuschen. Nach hiesiger Ansicht kommt in Fällen, in denen der Verwender in einem konkreten Einzelfall unzutreffende Erwartungen hinsichtlich des Inhalts von AGB weckt, ein Anspruch aus culpa in contrahendo in Betracht. Die culpa in contrahendo dient nämlich gerade dem Individualschutz und erlaubt die Berücksichtigung individueller Umstände (siehe noch ausführlich unten unter F. II., IV.). Die Wirksamkeit von AGB muss hingegen anhand eines typisierenden, überindividuellen Maßstabs bestimmt werden, um die Vorteile der Standardisierung nicht zu gefährden. 100  Ausführlich 101 

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tisch bestimmte Verhaltenserwartungen entwickelt hat, bedeutet nicht, dass sie von Rechts wegen geschützt werden müssen.104 Gerade das Beispiel der Garantiewerbung zeigt, dass AGB nicht an einem individuellen (subjektiven), sondern an einem generalisierenden (objektiven) Maßstab gemessen werden müssen.105 Notwendig ist damit die Bestimmung der Käufererwartungen anhand eines objektiven Kriteriums.106 Ein solches Kriterium wendet die herrschende Meinung – wohl intuitiv richtig – praktisch auch an, indem sie auf die typisierten Käufererwartungen abstellt. Nur bei einem solchen Maßstab bleiben auch die Vorteile der Standardisierung durch AGB erhalten: Verwender können ex ante prüfen, ob ihre AGB – gemessen an den typisierten Käufererwartungen – unzulässige Einschränkungen erhalten. Fraglich ist damit allerdings, wie sich die typisierten Käufererwartungen bei der Beurteilung von Garantie-AGB zu einem subsumtionsfähigen Maßstab verdichten lassen. Eine Antwort auf diese Frage lässt sich aus der Teleologie des europäischen Verbraucherschutzrechts entwickeln: Geboten ist ein Rückgriff auf den Horizont des verständigen Durchschnittsverbrauchers. Dies soll im Folgenden begründet werden. bb) Europäisches Verbraucherleitbild Das europäische Verbraucherschutzrecht geht von dem Leitbild des verständigen Durchschnittsverbrauchers aus.107 Auch im Recht der AGB-Kontrolle müssen die typisierten Käufererwartungen anhand der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers konkretisiert werden. Dieses Gebot folgt aus der Wertungskongruenz zwischen AGB-Recht, Wettbewerbsrecht und Verbrauchs104  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  321; a. A. Renner, AcP 213 (2013), 677, 687, der der Ansicht ist, dass die rechtliche Schutzwürdigkeit gerade aus §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB folge. Hiergegen spricht aber, dass das Recht nie „ungefiltert“ rein tatsächliche Verhaltenserwartungen schützt, sondern nur solche, die sich aus bestimmten Gründen als schutzwürdig erweisen. Dies gilt gerade auch für die von Renner als zusätzliches Argument herangezogene Vertrauenshaftung (a. a. O. S.  689). 105 Vgl. hierzu grundlegend Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  320 f.; MünchKommVVG/Bruns, §  307 BGB Rn.  120; Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, §  307 Rn.  239. 106  Einen solchen schlägt für den Fall, dass keine konkreten Erwartungen festgestellt werden können, auch Renner vor (AcP 213 [2013], 677, 695): Subsidiär soll die „Branchenüblichkeit“ als Maßstab der Kontrolle nach §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB dienen. Aus Sicht von Renner spricht die Tatsache, dass sich bestimmte Gestaltungen am Markt durchsetzen – und damit branchenüblich werden – dafür, dass sie marktkonform sind. Hiergegen spricht aber gerade das signing without reading-Problem im Bereich der b2c-Verträge. Garantieklauseln, die von Käufern nicht zur Kenntnis genommen werden, spiegeln gerade keinen angemessenen Interessenausgleich wieder. 107  Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie; Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  169 AEUV Rn.  21 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  466.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

güterkaufrecht, die sich unter europäischem Einfluss entwickelt hat und auf die im Folgenden näher eingegangen werden soll. Ein einheitlicher Beurteilungsmaßstab, der für alle drei Rechtsmaterien gilt, stellt sicher, dass bei der Beurteilung desselben Sachverhalts – im vorliegenden Fall: irreführende Garantiewerbung – nach den unterschiedlichen Richtlinien Wertungseinheit erzielt werden kann.108 Eine solche Wertungseinheit ist erforderlich, weil das AGB-Recht, das Wettbewerbsrecht und das Verbrauchsgüterkaufrecht (zu dem die Garantiewerbehaftung gehört) aus europäischer Sicht auf einen einheitlichen Grundgedanken zurückzuführen sind: nämlich den binnenmarktbezogenen Verbraucherschutz. Aus Sicht des Europarechts handelt es sich bei allen drei Materien um Verbraucherschutzrecht, das lediglich aus historischen Gründen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Geltung gesetzt wurde.109 Sie müssen aus diesem Grund kohärent ausgelegt werden.110 Auf die Schutzzweckkonvergenz von europäischem Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht soll unter D. I. ausführlich eingegangen werden; sie entspricht mittlerweile wohl der herrschenden Meinung. Die Wertungskongruenz von AGB-Recht und Verbrauchsgüterkaufrecht ergibt sich zwanglos aus der Entstehungsgeschichte der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: Diese geht historisch auf einen umfassenden Entwurf zur Klauselrichtlinie aus dem Jahr 1992 zurück.111 Art.  6 dieses Entwurfs112 enthielt Regelungen, die im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs an die Stelle unwirksamer, missbräuchlicher Klauseln treten sollten;113 Art.  6 Abs.  3 statuierte dabei bestimmte Mindestanforderungen an die Herstellergarantie.114 Der Entwurf Vgl. hierzu Generalanwältin Trstenjak, Rs. Pereničová, Schlussanträge v. 29.11.2011 – C-453/19, Rn.  88: „Die im Verbraucherschutzrecht der Union bis heute bestehende Rechtszersplitterung ist die Folge einer historischen Entwicklung, in deren Verlauf der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf die Verwirklichung eines echten Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern nach und nach und in Abstimmung mit dem erreichten Besitzstand einzelne Lebensbereiche geregelt hat.“ 109  Generalanwältin Trstenjak, Rs. Pereničová, Schlussanträge v. 29.11.2011 – C-453/19, Rn.  88. 110  Besonders deutlich Generalanwältin Trstenjak, Rs. Pereničová, Schlussanträge v. 29.11.2011 – C-453/19, Rn.  88: „Die Unionsrechtsakte auf dem Gebiet des Verbraucherschutzrechts müssen deshalb als Teil eines einheitlichen Gesamtregelungswerks aufgefasst werden, die einander ergänzen.“ 111  Ausführlich hierzu Micklitz, in: Micklitz/Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S.  647, 497 f. 112  Abl. C 73 vom 24.03.1992, S.  7; KOM(92) 66 final (englische Fassung). 113 Vgl. Micklitz, in: Micklitz/Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S.  647: Intendiert gewesen sei eine Harmonisierung des Gewährleistungsrechts „durch die Hintertür“. 114  Art.  6 Abs.  3 des Entwurfs der Klauselrichtlinie hatte dabei den folgenden Wortlaut: „In Fällen, in denen der Verkäufer dem Verbraucher einen Garantie des Herstellers aushändigt, treffen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen, um dem Verbraucher das Recht zu 108 

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konnte sich zwar im Zuge der politischen Beratungen nicht durchsetzen, bildete in der Folge aber den Ausgangspunkt für den Entwurf der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.115 Erst in jüngerer Zeit setzt sich die Erkenntnis durch, dass auch zwischen AGBund Wettbewerbsrecht Wertungskongruenz besteht. Auch die AGB-Kontrolle verfolgt wettbewerbsrechtliche Schutzzwecke. Sowohl das Wettbewerbs- als auch das AGB-Recht nehmen aus europäischer Sicht den informierten Verbraucher als Träger des grenzüberschreitenden Handels in den Blick.116 Nach Ansicht der Generalanwältin Trstenjak zeigt sich dies darin, „dass eine unzulässige Beeinflussung der Willensbildung des Verbrauchers seitens des Gewerbetreibenden infolge einer unlauteren Geschäftspraktik nicht selten in eine Unausgewogenheit in den vertraglichen Beziehungen zulasten des Verbrauchers münden wird.“117 Aus diesem Grund weisen die Klausel- und die UGP-Richtlinie „insofern eine Konvergenz in ihrer Schutzrichtung [auf], als beide darauf abzielen, die Beurteilungsfähigkeit und Entscheidungsfreiheit im Geschäftsverkehr zu schützen“.118 Diese Einsicht lag auch bereits dem Grünbuch der Kommission über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst aus dem Jahr 1993 zu Grunde, da die Kommission davon ausging, dass auch die AGB-Kontrolle einen Beitrag zum Schutz vor irreführenden Garantieklauseln leistet.119 Besondere Beachtung findet die Wertungskongruenz aber erst in jüngerer Zeit in Folge des EuGH-Urteil in der Rs. Pereničová aus dem Jahr 2012.120 Dieses hat nun auch in der Rechtsprechung des EuGH zu einer Verzahnung der Regelungsbereiche von UGP- und Klauselrichtlinie geführt: Stellt die Verwendung einer Klausel eine irreführende Geschäftsgewährleisten, die Herstellergarantie für zwölf Monate oder für die normale Lebensdauer der Waren, sofern diese weniger als zwölf Monate beträgt, in Anspruch zu nehmen und die Erstattung, entweder durch den Verkäufer oder durch den Hersteller, der dem Verbraucher bei der Inanspruchnahme der Garantie entstandenen Kosten zu verlangen.“ 115  Micklitz, in: Micklitz/Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S.  647. 116  Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  422 ff. 117  Trstenjak, Rs. Pereničová, Schlussanträge v. 29.11.2011 – C-453/19, Rn.  124. 118  Generalanwältin Trstenjak, Rs. Pereničová, Schlussanträge v. 29.11.2011 – C-453/19, Rn.  90; vgl. auch bereits Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78; zustimmend Janal, ZEuP 2014, 740, 741; Micklitz/Reich, EWS 2012, 257 ff.; Graf v. Westphalen, NJW 2012, 1770, 1773; ansatzweise auch Fuchs, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, Vor §  307 Rn.  77a (anders aber Rn.  89); bereits vor dem Urteil in der Rs. Pereničová von Wertungskongruenz ausgehend Reich, NJW 1999, 2397, 2400; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  422 ff.; vgl. auch bereits Leuschner, AcP 207 (2007), 491, 505 ff. 119  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78; ganz ähnlich auch Reich, NJW 1999, 2397, 2400. 120  EuGH NJW 2012, 1781.

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praxis nach Art.  6 Abs.  1 UGP-Richtlinie dar, indiziert dies zugleich ihre Missbräuchlichkeit im Sinne der Klauselrichtlinie.121 cc) Konkretisierung der Verbrauchererwartungen anhand des Singnalingkonzepts Die Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie dient dem Schutz der Signalwirkung von Garantien im Binnenmarkt (siehe dazu noch ausführlich unter D. II. 1.). Dieser Schutz wird auf wettbewerbsrechtlicher Ebene durch Art.  6 Abs.  1 lit.  g) UGP-Richtlinie (umgesetzt in §  5 Abs.  1 Satz  1 Nr.  7 UWG) ergänzt; auf Ebene der AGB-Kontrolle durch Art.  3 Abs.  1 Klauselrichtlinie (umgesetzt in §  307 BGB).122 Die Schutzzweckkonvergenz dieser drei Rechtsmaterien gebietet eine einheitliche Beurteilung von Garantiewerbung anhand eines identischen Maßstabs. Erster Bestandteil dieses Maßstabs ist der verständige Durchschnittsverbraucher, dessen Verständnishorizont für die Auslegung der Werbebotschaft maßgeblich ist. Zweiter Bestandteil dieses Maßstabs ist das Signalingkonzept: Es besagt, dass Garantiewerbung aus der Sicht von Kauf­ interes­senten ein Qualitätssignal darstellt. Dieses Qualitätssignal soll rechtlich geschützt werden.123 Das Signalingkonzept bietet damit auch im Bereich der AGB-Kontrolle den geeigneten Anknüpfungspunkt für die Konkretisierung der typisierten Käufererwartungen: Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, wenn die einschränkenden Klauseln sich aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers in Widerspruch zu dem aus der Werbung resultierenden Qualitätssignal setzen.124 Der Begriff der Werbung ist dabei weit zu verstehen und erfasst alle Formen der Ankündigung der zentralen Leistungsparameter der Garantie im 121  EuGH NJW 2012, 1781 Rn.  43; noch deutlicher Generalanwältin Trstenjak, Rs. Pereničová, Schlussanträge v. 29.11.2011 – C-453/19, Rn.  91, 124. 122  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78; Reich, NJW 1999, 2397, 2400. 123 Ähnlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  471. 124  Vgl. auch bereits Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78, wonach Garantiebedingungen nach der Klauselrichtlinie dann unwirksam sein sollen, „wenn sie geeignet wären, den Verbraucher hinsichtlich seiner Ansprüche irrezuführen“. Ähnlich Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  163 f. (mit Hinweis auf Willett, Good Faith and Consumer Contract Terms, in: Brownsword/Hird/ Howells: Good Faith in Contract: Concept and Context, S.  67 ff.), der ebenfalls davon ausgeht, dass die Klauselkontrolle dem Schutz berechtigter Kundenerwartungen dient, die insbesondere auch aus der Werbung resultieren können. Diese Erwartungen beziehen sich nach Twigg-Flesner allerdings nicht auf die Qualität der Ware – die Signalingtheorie lehnt der Autor ab –, sondern darauf, dass mit der Garantie ein informeller Abhilfemechanismus zur Verfügung steht (vgl. Twigg-Flesner a. a. O. S.  122 ff.).

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vorvertraglichen Stadium (ausführlich unten unter D. III. 2. c)). Für das Qualitätssignal maßgeblich sind die zu erwartenden Gebrauchsvorteile der Kaufsache, die den Kaufinteressenten durch die Garantiewerbung suggeriert werden. Die hieraus resultierenden Folgen sollen unter I. ausführlich dargestellt werden. Im Bereich der Garantiewerbehaftung verbinden sich auf diese Weise die Schutzinstrumente des Wettbewerbsrechts, des AGB-Rechts und des Verbrauchsgüterkaufrechts (in Form der Garantiewerbehaftung) zu einem gemeinsamen Ziel, nämlich dem Schutz der Signalwirkung von Garantiewerbung. Eine korrekte Signalsetzung durch plakative, notwendig verknappende Garantiewerbung ist nur möglich, wenn Einschränkungen in Garantie-AGB, mit denen der verständige Durchschnittsverbraucher nicht zu rechnen braucht, für unwirksam erklärt werden.125 Nur dieser Mechanismus erlaubt es Verbrauchern, solchen Werbeaussagen nicht (mehr) mit großem Misstrauen zu begegnen. Dies ist europarechtlich erwünscht, weil Garantiewerbung Informationsasymmetrien abbauen kann und Misstrauen das größte Hindernis für die Integration des Binnenmarktes darstellt (ausführlich dazu D. I. 1. b)). Aus ökonomischer Sicht reagieren alle drei Regelungsmaterien damit auf dasselbe Grundproblem, nämlich Informationsasymmetrien im Binnenmarkt. Die AGB-Kontrolle verhindert eine Verwässerung des Qualitätssignals, das durch Garantien gesetzt wird, indem sie dafür sorgt, dass bestimmte Leistungseinschränkungen in Garantie-AGB unwirksam sind. §  443 Abs.  1 BGB verhindert zum einen den noch schlimmeren Fall, dass mit einer Garantie geworben wird, die dann überhaupt nicht gewährt wird (siehe dazu unter I. I.). Zugleich überschneidet sich aber auch der Anwendungsbereich von Ga125  Die Unwirksamkeit irreführender Garantie-AGB wird in der Literatur allerdings zum Teil unter Hinweis auf Art.  6 Abs.  5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  479 Abs.  3 BGB) angezweifelt (so bei BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  13, 29). Art.  6 Abs.  5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ordne ausdrücklich an, dass die Gültigkeit der Garantie bei einem Verstoß gegen die Informationsgebote nach Art.  6 Abs.  2 bis 4 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  479 Abs.  1, 2 BGB) nicht berührt werde (BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  26). §  479 Abs.  3 BGB verdränge deswegen als lex posterior die Unwirksamkeitsanordnung gemäß §  307 Abs.  1 Satz  1 BGB (BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  29). Art.  6 Abs.  5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie will allerdings nur sicherstellen, dass der Käufer seine Garantierechte aufgrund des Verstoßes nicht vollständig verliert (Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM(95) 520 endg., S.  17). Der Käufer soll also nicht deswegen schlechter stehen, weil der Garantiegeber gegen seine gesetzlichen Pflichten verstoßen hat. Mit Art.  6 Abs.  5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie steht die Unwirksamkeit einschränkender Klauseln aber völlig in Einklang (so im Ergebnis wohl auch BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  29, jedenfalls für den Fall, dass sich die „benachteiligende Regelung […] klar von der Garantie abtrennen lässt“; ähnlich BeckOK BGB/Faust, §  479 Rn.  14). Denn dadurch verliert der Käufer schließlich nicht seine Garantie; sie steht ihm vielmehr sogar in weiterem Umfang zur Verfügung. Jede andere Sichtweise würde den Sinn und Zweck des Art.  6 Abs.  5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in sein Gegenteil verkehren.

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rantiewerbehaftung und AGB-Kontrolle: Soweit Garantie-AGB in Widerspruch zu Garantiewerbung stehen, ergibt sich die Unwirksamkeit widersprechender Klauseln sowohl aus §  443 Abs.  1 BGB als auch aus §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB (vgl. hierzu ausführlich unten unter I. II. 1. b) bb)). Auf diese Weise kann Garantiewerbung Informationen über die Produktqualität in den Markt transportieren und von den Käufern als glaubwürdiges Qualitätssignal wahrgenommen werden. d) Ergebnis Die Autoren, die die Signalwirkung von Garantien negieren, gehen von falschen Annahmen aus: Ein Käufer muss die Garantieunterlagen nicht im Detail studieren, um sich einen Eindruck von den zentralen Parametern des Garantieversprechens zu verschaffen. Vielmehr assoziiert er schon mit den in der Werbung hervorgehobenen Garantieelementen ein bestimmtes Qualitätsniveau des angebotenen Produkts. Aufgrund der AGB-Kontrolle und der Garantiewerbehaftung darf er dabei davon ausgehen, dass die beworbenen zentralen Parameter der Garantie nicht durch versteckte Klauseln wieder entwertet werden. Der Wettbewerb um die beste Garantieleistung kann sich damit auf die primäre Leistungszusage fokussieren, und dieser Wettbewerb wird vor allem auch mit Mitteln der Werbung ausgetragen. Das signing-without-reading-Problem stellt die Signalwirkung der Garantie daher nicht in Frage.

2. Keine positive Korrelation zwischen Garantielänge und Produktqualität Als weiteres Argument gegen die Signalingtheorie wird die angeblich fehlende positive Korrelation zwischen Garantielänge und Produktqualität angeführt.126 Umfassende Garantieversprechen, die den Käufer für die gesamte Lebensdauer des Produkts von allen Mängelrisiken freistellen, finden sich auf dem Markt in der Tat äußerst selten;127 dabei müssten solche Garantien eigentlich als besonders starkes Qualitätssignal fungieren und damit von den Anbietern besonders hoher Qualität bevorzugt werden.128 Auf manchen Märkten lassen sich zudem in der Tat scheinbar paradoxe Zusammenhänge beobachten: Etablierte Anbieter hoher Produktqualität bieten manchmal nicht längere, sondern sogar kürzere Garantien

Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  118. Wehrt, Warranties, S.  256, 265. 128  Parisi, The Harmonization of Legal Warranties in European Sales Law: an Economic Analysis, 52 The American Journal of Comparative Law (2004), 403, 411, 427; Cooper/Ross, Product Warranties and Double Moral Hazard, 16 Rand Journal of Economics (1985), 103. 126  127 

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an als Newcomer, deren Produktqualität zweifelhaft ist.129 Beide Phänomene haben rechtsökonomische Untersuchungen veranlasst, die Signalwirkung von Garantien insgesamt anzuzweifeln.130 Tatsächlich lassen sich beide Phänomen jedoch im Einklang mit der Signalingtheorie erklären.131 a) Unterschiede zwischen etablierten Anbietern und Newcomern Empirische Untersuchungen der Signalingtheorie kommen zu sehr uneinheitlichen Ergebnissen.132 Während manche Untersuchungen eine positive Korrela­ tion zwischen Garantieumfang und Qualität feststellen können,133 kommen andere zu dem Ergebnis, dass eine solche nicht besteht;134 manche finden schließlich sogar eine negative Korrelation.135 Diese Ergebnisse scheinen die Signaling­ 129  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282; Cooper/Ross, Product Warranties and Double Moral Hazard, 16 Rand Journal of Economics (1985), 103. 130  Priest, A Theory of the Consumer Product Warranty, 90 The Yale Law Journal (1981), 1297, 1326 ff.; Cooper/Ross, Product Warranties and Double Moral Hazard, 16 Rand Journal of Economics (1985), 103, 104. 131  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282 ff.; vgl. auch Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), 239, 240 („high quality can be signalled with a low warranty“), deren Modellierung allerdings von zahlreichen Annahmen abhängt, deren praktische Bedeutung bisher nicht empirisch überprüft worden ist. 132  Vgl. beispielsweise den Überblick bei Agrawal/Richardson/Grimm, The Relationship between Warranty and Product Reliability, 30 The Journal of Consumer Affairs (1996), 421, 427 ff. 133  Kelley, An Investigation of Consumer Product Warranties as Market Signals of Product Reliability, 16 Journal of the Academy of Marketing Science (1988), 72, 75 (für große Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen und Kühlschränke); Wiener, Are Warranties Accurate Signals of Product Reliability?, 12 Journal of Consumer Research (1985), 245, 249 (für große Haushaltsgeräte und Fahrzeuge). 134  Priest, A Theory of the Consumer Product Warranty, 90 The Yale Law Journal (1981), 1297, 1326 ff.; Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 85 f., 88 f. für den U.S. b2b-Servermarkt sowie den b2c-Neuwagenmarkt. Die Autoren schränken die Aussagekraft ihrer Ergebnisse allerdings selbst ein: So weisen sie ausdrücklich darauf hin, dass auf dem Servermarkt nur “well-established firms whose product quality and reputation are well known to buyers” untersucht wurden (bspw. Dell, HP, Toshiba) (a. a. O. S.  85). Ähnlich verhält sich auf dem Kfz-Neuwagenmarkt, wo nur Hersteller untersucht wurden, deren Modelle regelmäßig extensiv durch das Consumer Reports National Research Center – der amerikanischen Entsprechung zu Stiftung Warentest – getestet werden (a. a. O. S.  88). Wenn keine erheblichen Informationsasymmetrien bestehen, können Garantien natürlich auch kaum oder keine Signalwirkung entfalten (so auch Chu/Chintagunta a. a. O. S.  85, 88). 135 Vgl. Douglas/Glennon/Lane, Warranty, Quality and Price in the U.S. Automobile Market, 25 Applied Economics (1993), 135, 138 f. Die Autoren zeigen aber, dass die Unterschiede

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theorie insgesamt in Frage zu stellen.136 Tatsächlich beruhen sie aber vor allem auf methodischen Unvollkommenheiten der betreffenden Untersuchungen. Diese unterscheiden nicht hinreichend zwischen Produkten, die sich wesensmäßig unterscheiden, vor allem nicht zwischen den Produkten etablierter und neuer Anbieter.137 Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Anbietertypen beruht darauf, dass Verbraucher über die Qualität der Produkte etablierter Anbieter viel besser informiert sind als über die Qualität der Produkte von Newcomern. Garantien sind als Signalinginstrumente wiederum gerade dort von Bedeutung, wo Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern besonders groß sind (siehe oben unter C. V., C. VI. 4.). Etablierte Anbieter sind häufig gar nicht darauf angewiesen, ihre Produktqualität durch eine Garantie zu signalisieren. Käufer können die Zuverlässigkeit ihrer Produkte aufgrund eigener Erfahrungen und aufgrund der brand reputation gut beurteilen. Bieten etablierte Firmen eine Garantie an, hat diese häufig vor allem eine Versicherungsfunktion und ist in dieser Funktion nur lohnenswert, wenn die Käufer risikoavers sind,138 was aber häufig der Fall ist (vgl. die Ausführungen zur Insurance Theory unter C. IV. 1.). Setzen etablierte Anbieter aufgrund verbleibender Informationsasymmetrien eine Garantie auch als Signalinginstrument ein, nutzen sie sie als ein Element in einem ganzen Bündel verschiedener Qualitätssignale, zu denen vor allem auch Reputation und Markenname zählen;139 diese entfalten kumulativ ihre Wirkung. Die auf eine Besonderheit des U.S.-Automobilmarktes zurückzuführen sind: Hier räumen U.S.-Hersteller im Durchschnitt längere Garantien auf ihre Fahrzeuge ein als ausländische Hersteller, obwohl die U.S-Hersteller im Durchschnitt schlechtere Qualität anbieten. Dies beruht auf den unterschiedlichen Kosten für die Erfüllung von Garantieversprechen von U.S.-amerikanischen und ausländischen Herstellern: U.S.-Hersteller haben aufgrund ihres umfangreichen Werkstättennetzes in den USA viel niedrigere Garantiekosten als ausländische Hersteller (a. a. O. S.  140). Sie können es sich aus diesem Grund leisten, trotz schlechterer Qualität eine längere Garantie anzubieten. Da die schlechtere Qualität auf dem Markt allerdings bekannt ist, haben die Garantien der U.S.-Anbieter vor allem eine Versicherungsfunktion (vgl. a. a. O. S.  136). Rechnet man die unterschiedlichen Kostenstrukturen heraus, zeigt sich zudem eine positive Korrelation zwischen Qualität und Garantiedauer (vgl. a. a. O. S.  140). Vgl. hierzu auch Agrawal/Richardson/Grimm, The Relationship between Warranty and Product Reliability, 30 The Journal of Consumer Affairs (1996), 421, 428 f. 136  So im Ergebnis Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  113 f. 137 Kritisch Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1288. 138  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1281, 1288; Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), 239, 241, 243. 139  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  263; Choi/Ishii, Consumer Perception of Warranty as Signal of Quality: An Empirical Study of Powertrain Warranties, 2009, S.  26

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Informationen, die dem Käufer aufgrund sämtlicher Kommunikationskanäle zur Verfügung stehen, fügen sich aus Sicht des Käufers zu einem komplexen Ge­ samt­eindruck zusammen.140 Aus diesem Grund ist es für den etablierten Anbieter nicht erforderlich, die Aufmerksamkeit der Käufer mit einer besonders langen Garantie auf sich zu ziehen. Im Gegenteil: Haben Garantien hauptsächlich oder sogar nur eine Versicherungsfunktion, dann sind sie umso weniger lang und umfangreich, je verlässlicher das Produkt ist und je seltener Produktfehler sind.141 Vor diesem Hintergrund ist nun das eingangs erwähnte, scheinbar paradoxe Phänomen erklärbar: Etablierte Anbieter mit guter Reputation, die qualitativ hochwertige Produkte herstellen und/oder verkaufen, bieten auf manchen Märkten keine oder nur kürzere Garantien an als Newcomer.142 Diesen Anbietern stehen nämlich neben der Garantie noch weitere Signalinginstrumente zur Verfügung, insbesondere die als besonders starkes Qualitätsindiz wirkenden Marken (brand reputation).143 Newcomer sind hingegen in besonderem Maße darauf angewiesen, ihre Produktqualität durch – gegebenenfalls besonders lange – Garantien zu signalisieren.144 Sie können ihre Produkte (noch) nicht unter einer bekannten Marke vertreiben. Aus diesem Grund müssen Newcomer eine Garantie anbieten, um den Käufern die Qualität ihrer Produkte zu signalisieren. Dieser Zusammenhang erklärt auch, warum vor allem auf dem Gebrauchtwagenmarkt eine positive Korrelation zwischen Garantieumfang und Qualität festgestellt (abrufbar unter https://economics.yale.edu/sites/default/files/files/Workshops-Seminars/Indus trial-Organization/ishii-091001.pdf). 140  Purohit/Srivastava, Effect of Manufacturer Reputation, Retailer Reputation, and Product Warranty on Consumer Judgments of Product Quality: A Cue Diagnosticity Framework, 10 Journal of Consumer Psychology (2001), 123, 132. 141  Chu/Chintagunta, An Empirical Test of Warranty Theories in the U.S. Computer Server and Automobile Markets, 75 Journal of Marketing (2011), 75, 82. 142  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1284. Sind die Käufer risikoneutral und bestehen keinerlei Informationsasymmetrien, entspricht der Wert der Garantie aus Sicht der Käufer den voraussichtlichen Reparaturkosten. Dabei kennen die Käufer die genaue Wahrscheinlichkeit des Reparaturbedarfs (weil eben keine Informationsasymmetrien bestehen). Die Käufer sind also nur bereit, so viel für die Garantie zu bezahlen, wie sie an voraussichtlichen Reparaturkosten ersparen. Häufig wird der Hersteller bzw. Verkäufer unter diesen Voraussetzungen aber keine wirtschaftlich attraktive Garantie anbieten können: Die Reparaturkosten werden für den Garantiegeber häufig höher sein als für den Käufer, weil der Garantiegeber zusätzliche Verwaltungskosten für die Bearbeitung von Garantiefällen einpreisen muss, vgl. Balachander a. a. O. S.  1284. Er könnte die Garantie also nur zu einem Preis anbieten, der über den (aus Käufersicht) ersparten Reparaturkosten liegt. Vgl. auch Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), 239, 243. 143  Fritsch, Marktversagen und Wirtschaftspolitik, S.  263. 144  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1287.

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werden kann;145 der Gebrauchtwagenmarkt ist schließlich das klassische Beispiel für einen Markt mit erheblichen Informationsasymmetrien. Die Signalwirkung von Garantien stellt dieser Befund also gerade nicht in Frage. Während Garantien für Newcomer das zentrale Signalinginstrument darstellen, haben sie für etablierte Anbieter vor allem eine Versicherungsfunktion und nur eine untergeordnete Signalingfunktion. In dieser Funktion hängt die Garantiedauer vor allem von den Versicherungswünschen der Marktgegenseite ab. Berücksichtig man diesen Unterschied, zeigt sich, dass Garantielänge (bzw. -umfang) und Produktqualität bei Newcomern sehr wohl positiv korrelieren.146 Dies gilt sowohl für den Vergleich eines Newcomers mit einem anderen Newcomer als auch für den Vergleich eines Newcomers mit einem etablierten Anbieter. Es ist vor diesem Hintergrund möglich, dass das Produkt eines Newcomers trotz längerer Garantie qualitativ nicht höherwertiger ist als das Produkt des etablierten Anbieters. Der Newcomer muss allein schon deswegen eine längere Garantie anbieten als die meisten etablierten Anbieter, um sich vom ggf. schlechteren Qualitätsniveau anderer Newcomer abzuheben.147 Die längere Garantie führt aber in der Wahrnehmung der Käufer nicht dazu, dass der Newcomer im Vergleich mit dem etablierten Anbieter als qualitativ höherwertiger Anbieter empfunden wird. Um diesen Effekt herbeizuführen, muss der Newcomer eine erheblich längere bzw. umfassendere Garantie wählen. Käufer „diskontieren“ also die Garantieangebote von Newcomern im direkten Vergleich mit etablierten Anbietern.148 Für den grenzüberschreitenden Verkehr im Binnenmarkt hat dieser Zusammenhang folgende Bedeutung: Verbraucher, die sich für einen grenzüberschreitenden Kauf interessieren, begegnen Herstellern bzw. Verkäufern, über die sie keine oder nur sehr wenige Informationen haben. Aus Sicht der Käufer im Binnenmarkt sind so gut wie alle ausländischen Anbieter Newcomer. Dies gilt vor allem dann, wenn der Kauf nicht über eine Plattform mit Kundenrezensionen wie Amazon abgewickelt wird, sondern wenn beispielsweise ein deutscher Käufer ein technisches Gerät auf der Website eines polnischen Anbieters bestellen möchte. Zwar können Newcomer auf ihren Websites auch eigene Kundenrezensionssysteme einrichten. Positive Kundenrezensionen wirken dabei möglicherweise als Qualitätssignale, weil sie – ähnlich wie Garantien – in der Lage sind, Che/Katayama/Lee/Shi, Warranty, Seller Reputation, and Buyer Experience, 2018, S.  3, 25 (abrufbar unter https://www.aeaweb.org/conference/2018/preliminary/paper/z8sNe23i). 146  Vgl. die spieltheoretische Untersuchung von Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1287 (vor allem Figure 2). 147  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1288. 148  Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1287 f. (vor allem Figure 2). 145 

VI. Einwände gegen die Signalingtheorie

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Informationsasymmetrien bei Erfahrungsgütern abzubauen.149 Empirische Studien zeigen indes, dass aus Kundensicht weniger das aus den Rezensionen resultierende „Gesamtrating“ eines Produktes über den Absatzerfolg entscheidet als vielmehr die reine Anzahl der Rezensionen: Diese wirken als „signal of product popularity“, auf das sich vor allem unerfahrene Kunden gern verlassen.150 Kundenrezensionen haben allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen Signalwirkung: Zum einen muss eine bestimmte Anzahl an positiven Rezensionen vorliegen, um aus Sicht der Kaufinteressenten „repräsentativ“ zu wirken.151 Zum anderen müssen die Bewertungen aus Sicht der Kaufinteressenten glaubwürdig sein.152 Die zweite Voraussetzung ist für Newcomer (trotz ernstzunehmender Manipulationsproblematik153) dabei wohl leichter zu erfüllen als die erste: Um die Glaubwürdigkeit von Rezensionen sicherzustellen, können sie einen professionellen Anbieter mit dem Betrieb ihres Bewertungssystems beauftragen.154 Dieser gewährleistet – jedenfalls wenn er selbst über eine gewisse Marktakzeptanz verfügt – aus Sicht der Marktgegenseite die Authentizität der Rezensionen. Die erste Voraussetzung lässt sich hingegen nur erfüllen, wenn der Anbieter bereits einen gewissen Absatzerfolg erzielen konnte.155 Dies wiederum setzt voraus, dass es ihm gelingt, auch ohne positive Rezensionen eine genügende Anzahl 149  Friedlandt, Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit kundengenerierter Produktbewertungen im Internet, S.  9, 30 f. m. w. N.: Kundenrezensionen als „Mechanismus zur Kommunikation von Erfahrungseigenschaften“ bei Erfahrungsgütern. 150  Park/Kim, The effects of consumer knowledge on message processing of electronic word-of-mouth via online consumer reviews, 7 Electronic Commerce Research and Applications (2008), 399, 403, wonach eine große Anzahl von Rezensionen ein Signal für “product popularity” ist, die aus Sicht unerfahrener Käufer einen besonders hohen Überzeugungswert hat: “because they are persuaded by a simple rule, ‘lots of messages are good.’”; vgl. auch die Übersicht bei Cheung/Thadani, The impact of electronic word-of-mouth-communication: A literature analysis and integrative model, 54 Decision Support Systems (2012), 461, 464 f.; vgl. schließlich die Untersuchung von Berger/Sorensen/Rasmussen, Positive Effects of Negative Publicity: When Negative Reviews Increase Sales, 29 Marketing Science (2010), 815, 824, wonach vor allem bei unbekannten Produkten sogar schlechte Rezensionen den Absatzerfolg verbessern können, weil das Produkt bekannter wird. 151  Vgl. die Umfrage des Branchenverbandes „Bitkom“ aus dem Jahr 2015, Zusammenfassung abrufbar unter https://www.bitkom.org/Presse/Presseinformation/Drei-Viertel-der-On line-Shopper-lesen-Produktbewertungen.html (zuletzt abgerufen am 23.04.2018). 152  Friedlandt, Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit kundengenerierter Produktbewertungen im Internet, S.  28, 38 ff. 153  Hierzu Friedlandt, Glaubwürdigkeit und Nützlichkeit kundengenerierter Produktbewertungen im Internet, S.  46 f. 154  Ein Beispiel hierfür ist das Angebot der Trusted Shops GmbH, die damit wirbt, mithilfe ihres Bewertungssystems nur „echte Bewertungen“ zuzulassen: https://www.trustedshops.de/ bewertungen/ (zuletzt abgerufen am 23.04.2018). 155  Dies gilt erst recht für Kundenrezensionen in ihrer Funktion als Popularitätssignale.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

von Kaufinteressenten von der Qualität seiner Produkte zu überzeugen.156 Garantien stellen demgegenüber Qualitätssignale „der ersten Stunde“ dar. Kundenrezensionen, die in erster Linie wohl nicht als Qualitäts-, sondern eher als Popularitätssignale dienen, können Garantien aus diesem Grund nicht überflüssig machen. Um daher zu dem obigen Beispiel zurückzukommen: Will der polnische Anbieter sich im Vergleich mit anderen Anbietern auf dem Heimatmarkt des Käufers durchsetzen, muss er dem Informationsdefizit des Käufers durch besonders wirkungsvolles Signaling entgegenwirken können. Ein Mittel hierzu sind besonders lange oder umfassende Garantien.157 b) Moral Hazard auf Käuferseite Garantiegeber nehmen Käufern die Risiken einer Fehlfunktion praktisch nie vollständig ab. Dabei legt die Signalingtheorie folgenden Zusammenhang nahe: Je besser die Qualität, desto länger und umfangreicher müsste die angebotene Garantie eigentlich sein. Vor diesem Hintergrund erstaunt, dass Garantiegeber freiwillig darauf verzichten, eine vollständige Versicherung gegen alle Risiken von Produktmängeln anzubieten. Eine solche vollständige Garantie müsste ja eigentlich als besonders starkes Signal wirken. Der Verzicht hat denn auch in der Literatur Zweifel an der Signalingtheorie aufkommen lassen.158 Einschränkungen des Garantieumfangs lassen sich indes mit dem Problem des käuferseitigen moral hazard erklären, ohne die Signalfunktion der Garantie grundsätzlich in Frage zu stellen. (Dieses Problem wird auch für die gesetzliche Garantiewerbehaftung von großer Bedeutung sein, vgl. unten unter I. I. 2. b).) Der Käufer nimmt durch seinen Umgang mit dem Produkt in nicht unerheblicher Weise Einfluss darauf, ob ein Mangel in Erscheinung tritt oder nicht. Besonders umfassende Garantien nehmen dem Käufer allerdings den Anreiz, mit dem Produkt sorgsam umzugehen; dies gilt jedenfalls dann, wenn der Verkäufer das Verhalten des Käufers nicht beobachten und daher nur schwer steuern kann. Als Folge drohen ein sorgloser Umgang (eine Erscheinungsform von moral hazard) und damit besonders hohe Garantiekosten, die den Wert der Garantie als Signalinginstrument in Frage stellen: Die durch die verbesserte Qualitätswahrnehmung auf der Nachfrageseite erzielten Mehrerlöse werden unter Umständen 156  Erschwerend kommt hinzu, dass nur wenige Käufer im Anschluss an den Kauf auch tatsächlich eine Rezension verfassen. 157 Vgl. Balachander, Warranty Signalling and Reputation, 47 Management Science (2001), 1282, 1287: “[T]he entrant needs proportionately higher warranties to signal any given reliability when [entrant product reliability] begins to exceed [incumbent product reliability].” 158  Cooper/Ross, Product Warranties and Double Moral Hazard, 16 Rand Journal of Economics (1985), 103, 104.

VI. Einwände gegen die Signalingtheorie

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durch steigende Garantiekosten wieder zunichte gemacht, sodass sich der Einsatz von Garantien als Signalinginstrumente unter Umständen nicht mehr lohnt.159 Vor diesem Hintergrund müssen Garantiegeber Wege finden, dem Pro­ blem des käuferseitigen moral hazard zu begegnen, wenn sie Garantien weiterhin als Signalinstrumente einsetzen wollen. aa) Schutz vor consumer moral hazard durch AGB-Gestaltung Tatsächlich bestehen für den Garantiegeber zahlreiche Möglichkeiten, das Risiko von käuferseitigem moral hazard einzudämmen. In der rechtsökonomischen Literatur wird das Problem vor allem als Herausforderung bei der optimalen Garantiegestaltung begriffen („economic model of optimal warranties“).160 Üblich ist zunächst ein Ausschluss der Garantiehaftung für Mängel, die auf unsachgemäßer Handhabung beruhen (siehe ausführlich auch unten unter I. I. 2. b)). Kann die Ursache eines Mangels einwandfrei einer Risikosphäre – dem Käufer oder dem Verkäufer – zugeordnet werden, bereitet der Umgang mit consumer moral hazard also keine Schwierigkeiten: Der Verkäufer kann eine volle Garantie für die Mängelrisiken übernehmen, die ausschließlich er kontrolliert, und auf diese Weise dem Markt zu erkennen geben, dass er von einer sehr niedrigen Fehlerwahrscheinlichkeit – und also einer hohen Produktqualität – ausgeht.161 Häufig kann die Ursache eines Defekts ex post allerdings nicht eindeutig festgestellt werden: Viele Mängel können einerseits auf einen Material- oder Herstellungsfehler, andererseits aber auch auf einer unvorsichtigen Nutzung durch den Käufer zurückgehen.162 In diesem Kontext führt nun die folgende Erkenntnis zur Lösung des Problems: Moral hazard droht, wenn Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer bestehen; solche Informationsasymmetrien liegen vor, wenn das Verhalten des Käufers für den Garantiegeber nicht beobachthierzu Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), S.  239, 249 ff.; als Problem aufgeworfen bereits von Spence, Consumer Misperceptions, Product Failure and Producer Liability, 44 The Review of Economic Studies (1977), 561, 569 ff. mit Fn.  5 und 6. In spieltheoretischer Hinsicht droht also ein pooling equilibrium, bei dem Anbieter hoher und niedriger Qualität auf Garantien verzichten und aus Sicht der Kaufinteressenten nicht mehr unterscheidbar sind. Vgl. auch Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  118, der unter anderem aufgrund der moral-hazard-Problematik davon ausgeht, dass Anbieter Garantien gar nicht als Signalinginstrumente einsetzen wollen. Twigg-Flesner diskutiert allerdings nicht die Gestaltungsmöglichkeiten auf Ebene des AGB-Rechts, mit deren Hilfe Garantiegeber sich vor cosumer moral hazard schützen können. 160 Vgl. Parisi, The Harmonization of Legal Warranties in European Sales Law: an Economic Analysis, 52 The American Journal of Comparative Law (2004), 403, 411, 425. 161  Wehrt, Warranties, S.  266. 162  Wehrt, Warranties, S.  266. 159  Ausführlich

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

bar ist.163 Der Garantiegeber kann in diesem Fall nämlich nicht erkennen, wie sorgsam der Käufer mit der Kaufsache umgeht.164 Wenn ein Mangel auftritt, weiß er nicht, ob dieser auf Qualitätsmängeln des Produkts oder aber auf mangelnder Sorgfalt seitens des Käufers beruht. Vor diesem Hintergrund hat der Garantiegeber ein großes Interesse daran, die Sorgfalt des Käufers im Umgang mit der Kaufsache beobachtbar zu machen;165 gelingt ihm dies, reduziert sich das Risiko von moral hazard erheblich. Tatsächlich ist es in vielen Fällen möglich, das Risiko von moral hazard durch kluge AGB-Gestaltung zu verringern.166 Garantiegeber verfügen über zahlreiche vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten, um die unterschiedlichen Risiken – schlechte Qualität einerseits, unsachgemäße Handhabung andererseits – zu differenzieren und eine Haftung nur für die Risiken schlechter Qualität zu übernehmen. Dies geschieht, indem sie dem Käufer besondere Verhaltenspflichten im Umgang mit der Kaufsache auferlegen, deren Verletzung unabhängig von der Kausalität für den konkret eingetretenen Mangel zum Verlust der Garantieansprüche führt. In diesen Kontext einzuordnen sind vor allem Inspektions- und Wartungspflichten in Kfz-Garantien.167 Solche Pflichten sind branchenüblich und werden auch von der Rechtsprechung im Rahmen der AGB-Kontrolle als wirksam anerkannt: „[D]urch die regelmäßigen Wartungsdienste in Vertragswerkstätten [soll] das Risiko von Garantiefällen vermindert werden.“168 Als besonders problematisch wird allerdings die Frage beurteilt, ob der Haftungsausschluss auch dann eingreifen darf, wenn die Kausalität der

Wehrt, Warranties, S.  267 f. Coricelli/Luini, Double Moral Hazard: An Experiment on Warranties, Working Paper 2002, nicht publiziert, abrufbar unter https://dornsife.usc.edu/assets/sites/472/docs/Coricelli_ Luini_2002.pdf, S.  5: “All forms of moral hazard arise because of the nonobservability of actions and results.” 165 Vgl. Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), 239, 241, die als Beispiel Wartungsobliegenheiten in Kfz-Garantien heranzieht, für ihre weitere Modellierung aber annimmt, dass der Garantiegeber die Käufersorgfalt nicht beobachten kann. 166  In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird das Risiko von moral hazard hingegen häufig als unvermeidbar angenommen, vgl. das einflussreiche Modell von Cooper/Ross, Product Warranties and Double Moral Hazard, 16 Rand Journal of Economics (1985), 103, 104; Shapiro, Information, Product Quality, and Seller Reputation, 13 The Bell Journal of Economics (1982), 20, 22; Coricelli/Luini, Double Moral Hazard: An Experiment on Warranties, Working Paper 2002, nicht publiziert, abrufbar unter https://dornsife.usc.edu/assets/sites/472/ docs/Coricelli_Luini_2002.pdf, S.  5. 167 Vgl. Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), 239, 241 mit Fn.  1. 168  BGH NJW 2008, 843 Rn.  17; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4. 163  164 

VI. Einwände gegen die Signalingtheorie

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Pflichtverletzung für den Mangel nicht nachgewiesen werden kann.169 Diese Gestaltung muss aus folgenden Gründen als wirksam anerkannt werden: Häufig lässt sich nachträglich gar nicht klären, ob die Obliegenheitsverletzung für den Mangel kausal geworden ist. Hält der Käufer die vorgeschriebenen Inspektionsund Wartungsobliegenheiten ein, besteht aus Sicht des Herstellers allerdings eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Mangel seine Ursache in einer fehlerhaften Produktqualität hat.170 Hält sich der Käufer hingegen nicht an die ihm auferlegten Obliegenheiten, kann der Fehler auf einer wenig sorgsamen Behandlung durch den Käufer oder aber auf Qualitätsmängeln beruhen.171 Müsste der Garantiegeber auch in diesem Fall haften, würde die Garantie auch zahlreiche Fälle von consumer moral hazard abdecken. Als Folge würde die oben beschriebene Erhöhung der Garantiekosten eintreten, die den Wert von Garantien als Signalinginstrument in Frage stellt. Rechtsprechung, die einen Ausschluss der Haftung nur bei Kausalität der Obliegenheitsverletzung für wirksam hält,172 ist daher abzulehnen. Nicht überzeugen können außerdem die Gründe, die die Rechtsprechung häufig zur Rechtfertigung von Wartungs- und Inspektionsobliegenheiten anführt: Der Hersteller habe bei „unentgeltlichen“ Garantien ein Interesse daran, den Käufer an sein eigenes Werkstättennetz zu binden und auf diese Weise im Wege des cross selling doch noch ein Entgelt für seine Garantie zu erhalten.173 Die Differenzierung zwischen entgeltlichen und unentgeltlichen Garantien kann aus 169 

BGH NJW 2011, 3510; OLG München VersR 2017, 168. Hinzu kommt folgende Erwägung: Die Wartungs- und Inspektionsobliegenheiten könnten als eine Art „sorting mechanism“ wirken, der es ermöglicht, sorgfältige von unsorgfältigen Produktnutzern zu unterscheiden. Hält der Käufer die ihm auferlegten Obliegenheiten nicht ein, spricht dies generell für seinen unsorgfältigen Umgang mit der Kaufsache. Dieser Umstand lässt es als wahrscheinlich erscheinen, dass ein Mangel auf unsorgfältiger Benutzung durch den Käufer beruht, auch wenn die konkret nachweisbare Obliegenheitsverletzung für den Schaden möglicherweise nicht kausal geworden ist. Vor diesem Hintergrund wirkt die Einhaltung der Obliegenheiten möglicherweise als Proxy-Variable für die generelle Sorgfalt des Käufers im Umgang mit der Kaufsache. Auch diese Erwägung spricht gegen die Erforderlichkeit eines Kausalitätsnachweises. Eine empirische Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Obliegenheitserfüllung und genereller Sorgfalt im Umgang mit der Kaufsache erscheint wünschenswert. 171  Vgl. den Fall OLG München VersR 2017, 168, wo eine fehlerhafte Bedienung des Pkw zweifelsfrei feststand (Rn.  9), ihre Kausalität für den letztlich eingetretenen Mangel aber nicht geklärt werden konnte (Rn.  15); ähnlich LG München DAR 2013, 385, wo eine Falschbetankung durch den Kläger feststand, der Ursächlichkeit für den eingetretenen Motorschaden aber wiederum nicht nachgewiesen werden konnte. 172  LG München DAR 2013, 385 Rn.  50; auf dieses Urteil Bezug nehmend OLG München VersR 2017, 168 Rn.  10. 173  BGH NJW 2008, 843 Rn.  17; BGH, Beschluss v. 09.10.2012 – VIII ZR 349/11, Rn.  8 – Juris; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4. 170 

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht überzeugen: Es gibt keine unentgeltlichen Garantien.174 Der Unternehmer, der eine Garantie anbietet, erlangt stets einen monetären Vorteil, weil er Informationsasymmetrien auf dem Markt überwindet und dadurch einen Preis für seine Ware erzielen kann, der über dem Durchschnittspreis auf dem Markt liegt (siehe oben unter C. III.).175 Sein Interesse, darüber hinaus ein zusätzliches Entgelt zu erwirtschaften, kann rechtlich nicht anerkannt werden: Wartungs- und Inspektionsobliegenheiten dürfen nicht zu „versteckten“ Kaufpreiserhöhungen führen. Derartige Erhöhungen des Kaufpreises wären intransparent und würden durch den Wettbewerb nicht hinreichend kontrolliert (siehe ausführlich unten unter I. I. 2. d)). Wartungs- und Inspektionsobliegenheiten verstoßen aus diesem Grund gegen §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB, soweit sie sich nicht durch das Risiko des consumer moral hazard rechtfertigen lassen. Hier gilt: Eine Bindung an Fach- und Vertragswerkstätten ist zulässig, weil der Garantiegeber die Qualität von Inspektion und Wartung nur in diesen Werkstätten kontrollieren kann.176 Unwirksam sind hingegen Klauseln, die übermäßige Wartungsobliegenheiten statuieren; zu denken wäre beispielsweise an eine Pflicht zum Ölwechsel schon nach 5000 gefahrenen Kilometern. Dem Schutz vor consumer moral hazard dienen nicht nur Inspektions- und Wartungsobliegenheiten. Weitere typische Einschränkungen in Garantiebedingungen fallen in diese Kategorie: Bei elektronischen Geräten, vor allem bei Laptops,177 sind Garantieansprüche häufig ausgeschlossen, wenn der Käufer das Gehäuse des Gerätes öffnet (was sich in der Regel dadurch nachweisen lässt, dass ein entsprechend platziertes Garantiesiegel gebrochen ist). Diese Einschränkung dient ebenfalls dem Zweck, die Garantierisiken für den Garantiegeber kalkulierbar zu machen und ihn vor consumer moral hazard zu schützen.178 Sie muss in der AGB-Kontrolle aus denselben Gründen wie bei den Wartungs- und Inspekti-

Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  532; BeckOK BGB/Faust, Stand 01.02.2017, §  443 Rn.  23; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4. 175  So auch LG München, DAR 2013, 385 Rn.  55; Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4. 176  Vgl. beispielsweise die Garantiebedingungen der BMW AG bei LG München, DAR 2013, 385 Rn.  15; a. A. für den Fall einer Gebrauchtwagengarantie BGH NJW 2009, 3714 Rn.  13, wobei hier vor allem zum Tragen kam, dass der Verkäufer nur über eine einzige Werkstatt verfügte und nicht über ein deutschlandweites Netz an Werkstätten. 177  Vgl. beispielsweise die entsprechende Einschränkung der einjährigen Herstellergarantie von Apple, abrufbar unter https://www.apple.com/legal/warranty/products/germany-univer sal-warranty.html, zuletzt abgerufen am 25.02.2018. 178  Wehrt, Warranties, S.  265 ff. 174 

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onsobliegenheiten unabhängig von Kausalitätserfordernissen als wirksam anerkannt werden. Schließlich begründen Garantien in aller Regel „nur“ Ansprüche auf kostenlose Reparatur oder Ersatzlieferung, jedoch keine verschuldensunabhängigen Ansprüche auf Schadensersatz für eventuelle Folgeschäden (vgl. auch unten unter I. I. 2. f)). Schon diese Einschränkung mindert das Risiko von consumer moral hazard enorm: Folgeschäden durch den Ausfall der Sache können durchaus erheblich sein. Zusätzlich wird der Käufer in Rechnung stellen, dass die Geltendmachung von Garantieansprüchen einen nicht unerheblichen zeitlichen Aufwand verursachen kann. Außerdem steht die Sache für die Dauer der Reparatur nicht zur Verfügung, was – man denke an ein Auto, eine Waschmaschine oder einen Laptop – zu großen Unannehmlichkeiten führen kann. Schon diese Überlegungen zeigen, dass der Käufer ein Eigeninteresse daran hat, die Funktionsfähigkeit der Sache nicht durch nachlässiges Verhalten zu gefährden. Zusammenfassend bestehen also zahlreiche rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten, um die Gefahr von consumer moral hazard einzudämmen. bb) Fehlender Anreiz zur Signalisierung hoher Produktqualität? Eine weitere Dimension des moral-hazard-Problems hat Lutz in einem viel diskutierten Aufsatz beschrieben:179 Hiernach haben Unternehmen unter Umständen keinen Anreiz, ihre hohe Produktqualität kenntlich zu machen, weil Käufer dann gerade aufgrund der hohen wahrgenommenen Qualität sorglos mit dem Produkt umgehen – und entsprechend hohe Garantiekosten produzieren. Lutz geht dabei davon aus, dass die Garantiekosten von der Qualität des Produktes abhängen und bei hochqualitativen Produkten nur dann niedriger sind, wenn Qualität und Konsumentensorgfalt sich ergänzen (complements); umgekehrt steigen sie an, wenn Qualität und Konsumentensorgfalt in einem Substitutionsverhältnis stehen (substitutes). Sind Qualität und Konsumentensorgfalt complements, sinken die Garantiekosten also, je höher die Qualität nach Einschätzung der Konsumenten ist. In diesem Fall lohnt es sich für Hersteller bzw. Verkäufer, ein Qualitätssignal zu senden. Stehen Qualität und Konsumentensorgfalt hingegen in einem Substitutionsverhältnis (substitutes), so verringert eine höhere wahrgenommene Qualität die Sorgfalt, mit der Konsumenten das Produkt behandeln (z. B. weil sie glauben, dass das Produkt auch unsorgfältiger Behandlung standhält). Dann lohnt es sich für Unternehmen u.U. nicht mehr, ein Qualitätssignal zu senden, weil dadurch nur die Kosten steigen; diese höheren Kosten können die Mehreinnahmen wegen höherer Kaufpreise sogar übersteigen. Insgesamt 179  Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), S.  239.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

geht Lutz davon aus, dass Qualität und Konsumentensorgfalt häufig complements sind, sodass sich die Aussendung eines Qualitätssignals in aller Regel lohnt.180 In welchen Fällen Qualität und Sorgfalt complements, in welchen sie hingegen substitutes sind, ist empirisch allerdings nicht erforscht. Damit ist auch nicht klar, ob dieser Unterscheidung überhaupt eine praktische Bedeutung zukommt.181 Letztlich muss diese Frage hier nicht weiter interessieren, weil die Garantiewerbehaftung nur in Situationen greift, in denen ein Anbieter freiwillig mit Garantien wirbt. Es ist davon auszugehen, dass dies nur auf Märkten geschieht, in denen sich das Setzen eines Qualitätssignals für den Werbenden lohnt. Letztlich wird der Werbende, bei dem es sich im absoluten Regelfall um den Hersteller oder den Verkäufer handelt, den jeweiligen Markt am besten kennen. Hinzu kommt auch, dass der Garantiegeber die oben beschriebenen Möglichkeit hat, moral hazard auf der Käuferseite einzudämmen (siehe dazu soeben unter C. VI. 2. a)), die von Lutz in ihrem Aufsatz bewusst ausgeblendet werden.182 cc) Ergebnis Durch problemorientierte AGB-Gestaltung können Garantiegeber das Problem des käuferseitigen moral hazard in weitem Umfang entschärfen. Dieses Vorgehen erlaubt ihnen, Garantien als Signalinginstrument einsetzen, ohne in der Folge extrem hohe Garantiekosten in Rechnung stellen zu müssen, die die positiven Effekte des Signaling in Frage stellen könnten. Einschränkungen des Garan­tie­ umfangs zum Schutz vor moral hazard haben dabei keinen negativen Einfluss auf die Signalwirkung der Garantie. Alle Anbieter am Markt müssen diese Einschränkungen schließlich vorsehen;183 die Signalwirkung wird von Kaufinteressenten aber immer relativ zum Marktstandard beurteilt.

3. Funktionsverlust von Garantien aufgrund der gesetzlichen Sachmängelhaftung? Garantien können eine Signalwirkung nur dann entfalten, wenn sie freiwillig gewährt werden.184 Durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wurde indes eine 180  Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), S.  239, 244. 181  Vgl. auch Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), S.  239, 252, die von der Notwendigkeit weiterer Marktanalysen ausgeht. 182  Lutz, Warranties as Signals under Consumer Moral Hazard, 20 Rand Journal of Economics (1989), S.  239, 241 (“I assume that effort is both costly and unobservable.”). 183  Vgl. die Übersicht bei Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  161 ff. 184  Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 373 f.

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zwingende zweijährige Gewährleistung für Sachmängel eingeführt, die häufig als „gesetzliche Mindestgarantie“ bezeichnet wird.185 Dies entsprach auch dem Sprachgebrauch der Kommission im Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien: Hier wurde zwischen der gesetzlichen Gewährleistung als „gesetzlicher Garantie“ und der kaufrechtlichen Garantie als „kommerzieller Garantie“ unterschieden.186 In der Literatur wurde die Befürchtung geäußert, dass die gesetzliche Gewährleistung zu einem Informationsverlust für den Markt führen könnte:187 Alle Anbieter – ob sie nun gute oder schlechte Qualität produzieren – seien nun faktisch gezwungen, eine Garantie anzubieten, und zwar für einen gesetzlich festgelegten Zeitraum von zwei Jahren.188 Dadurch verliere die freiwillige Garantie bis zu der Schwelle von 2 Jahren ihren Informationswert.189 Diese Argumentation ist allerdings nur zutreffend, wenn die Anbieter schlechter Qualität trotz der Einführung der gesetzlichen Gewährleistung auf dem Markt verbleiben. Tatsächlich werden viele solcher Anbieter ihre Produkte aufgrund der hohen Nacherfüllungskosten nicht mehr gewinnbringend am Markt platzieren können.190 Soweit diese Anbieter ausscheiden, wirkt sich die gesetzliche Gewährleistung (ähnlich wie auch die Produkthaftung) aus wie ein qualitativer Mindeststandard: Die durchschnittliche Qualität der am Markt angebotenen Waren verbessert sich.191 Zu Problemen führt die gesetzliche Gewährleistung damit allerdings nicht im Bereich des Signaling: Soweit Anbieter sich nach Einführung Parisi, The Harmonization of Legal Warranties in European Sales Law: an Economic Analysis, 52 The American Journal of Comparative Law (2004), 403, 426: “mandatory minimum warranty protection scheme”. 186  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., passim. Diese Bezeichnungen wurden im späteren Richtlinienentwurf (KOM[95] 520, endgültig, S.  8) allerdings als Rechtstermini aufgegeben. Fortan wurde im Richtlinientext nur noch die kommerzielle Garantie als „Garantie“ bezeichnet; vgl. hierzu kritisch Micklitz, in: Micklitz/Reich, Europäisches Verbraucherrecht, S.  648. 187  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 222 ff. 188  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223. 189  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223; vgl. auch die ausführliche Darstellung bei Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 391 ff., die die Ansicht von Noll kritisieren. 190 Vgl. Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 392 ff., am Beispiel des Gebrauchtwagenmarkts; Noll, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 227 ff. mit mathematischer Modellierung der Bedingungen, unter denen sich Anbieter niedriger Qualität am Markt halten können oder nicht. 191  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223. 185 

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der gesetzlichen Gewährleistung auf diese beschränken, signalisieren sie, dass sie die gesetzliche Mindestqualität einhalten,192 sofern sie die schlechtere Qualität nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung nach §  434 Abs.  1 Satz  1 BGB machen. Geht die Qualität ihrer Produkte hingegen über den gesetzlichen Mindeststandard hinaus, steht ihnen als zusätzliches Signalinginstrument weiterhin die freiwillige, kaufrechtliche Garantie zur Verfügung. Zu befürchten ist somit keine adverse Selektion.193 Problematisch könnte allenfalls eine generelle Verteuerung der am Markt angebotenen Produkte sein, da Anbieter möglicherweise gezwungen werden, ihre Produktqualität verbessern, oder aber die höheren Folgekosten aufgrund der gesetzlichen Gewährleistung einzupreisen.194 Angebote schlechter Qualität ohne Gewährleistung zu einem besonders niedrigen Preis, so lautet die Befürchtung, fallen auf dem Markt ersatzlos weg.195 Die gesetzliche Gewährleistung führt damit allerdings, wenn die Kritik Recht hat, zwar zu einem deadweight loss, das heißt zu einem Verlust gesamtgesellschaftlicher Wohlfahrt.196 Sie begründet aber kein Signalisierungsproblem im Bereich freiwilliger Garantien. Die gesetzliche Gewährleistung kann den Anwendungsbereich freiwilliger Garantien überhaupt nur in einem kleinen Teilbereich des Marktes schmälern: nämlich dort, wo Produkte mit geringer durchschnittlicher Nutzungsdauer angeboten werden. So konnten Anbieter solcher Produkte vor Einführung der gesetzlichen Gewährleistung durch kürzere, freiwillige Garantien (beispielsweise einoder eineinhalb Jahre) ein schwaches, aber dennoch differenziertes Qualitätssig192 

392.

Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369,

193  Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 392 ff. am Beispiel des Gebrauchtwagenmarkts. 194  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 226. 195  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 226. 196 So Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 220, der allerdings zusätzlich von einer Schwächung der Signalwirkung freiwilliger Garantien ausgeht; ähnlich Parisi, The Harmonization of Legal Warranties in European Sales Law: an Economic Analysis, 52 The American Journal of Comparative Law (2004), 403, 425 ff. Ein Wohlfahrtsverlust entsteht allerdings nur in Bezug auf solche Käufer, die sich bewusst und in voller Kenntnis des Risikos für ein niedrigqualitatives Produkt ohne Gewährleistung entschieden hätten. Die Kaufrechtsrichtlinie will indes gerade die Übervorteilung von Käufern verhindern, die das Risiko nicht genau einschätzen können. Gegen die Entstehung eines deadweight loss sprechen daher die gesamtgesellschaftlichen Vorteile der Rechtsvereinheitlichung und Standardisierung, vgl. Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 402. Die Vor- und Nachteile dürften letztlich inkommensurabel sein.

VI. Einwände gegen die Signalingtheorie

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nal für ihre Produkte setzten.197 Anbieter besonders guter Qualität könnten zwar jetzt noch die gesetzliche Gewährleistung „überbieten“, um ein stärkeres Qualitätssignal zu senden.198 Unter Marketinggesichtspunkten, so die Kritik, sei dies aber nicht sinnvoll, wenn die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Produktes die gesetzliche Schwelle von 2 Jahre nicht überschreite. Eine längere Garantie stelle dann aus Sicht der Käufer schlichtweg keinen Vorteil dar.199 Bei genauer Betrachtung ist jedoch auch im Bereich kurzlebiger Produkte weiterhin ein Signaling durch freiwillige Garantien möglich: Diese können schließlich nicht nur in zeitlicher Hinsicht über die gesetzliche Gewährleistung hinausgehen, sondern auch umfangmäßig.200 Die gesetzliche Gewährleistung führt nicht zu einer vollständigen Kompensation der Einbußen, die durch einen Defekt des Produkts verursacht werden.201 Die wichtigste Einschränkung resultiert daraus, dass nur für Mängel gehaftet wird, die bereits bei Gefahrübergang vorlagen (§§  434 Abs.  1 Satz  1, 446 BGB). Diese Einschränkung geht einher mit einer Beweislast des Käufers dafür, dass das Produkt bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war; nur innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Kauf kommt er in den Vorteil der Beweislastumkehr nach §  477 BGB.202 Die gesetzliche Gewährleistung begründet damit keine Haltbarkeitsgarantie.203 Hinzu kommt, dass nach §  439 Abs.  1 BGB nur Nachbesserung oder Nachlieferung auf Kosten des Ver197 Zutreffend Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223. 198  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223. 199  Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223. 200 Ähnlich Mankowski, Erzeugt das Verbrauchsgüterkaufrecht Marktversagen?, S.  406, 413. 201  Dieser Aspekt ist ebenfalls angedeutet bei Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223, der ihn in seiner Argumentation aber nicht als eigenständigen Punkt aufgreift. Stattdessen rückt Noll allein die Garantiedauer in den Vordergrund. 202  Eine Änderung dieser Beurteilung wäre unter Umständen angebracht, wenn der geänderte Richtlinienvorschlag der Kommission über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels (COM(2017) 637 final) unverändert verabschiedet werden sollte: Nach Art.  8 Abs.  3 des Richtlinien-Entwurfs soll die Beweislastumkehr ab Gefahrübergang volle zwei Jahre lang eingreifen. Ein zentraler Vorteil zweijähriger Haltbarkeitsgarantien (vgl. die Vermutung nach §  443 Abs.  2 BGB) würde dann in der Tat entfallen. Der Richtlinienvorschlag ist aus diesem Grund unter Signalinggesichtspunkten zu kritisieren. 203  Vor allem diesen Punkt übersieht Noll, Does One Size Fit All? A Note on the Harmonization of National Warranty Law as a Tool of Consumer Protection, 16 European Journal of Law and Economics (2003), 219, 223.

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C. Ökonomische Analyse der Haftung für Werbeaussagen

käufers (§  439 Abs.  2 BGB) geschuldet werden. Einen Anspruch beispielsweise auf Ersatz des Nutzungsausfallschadens hat der Käufer nur bei Vertretenmüssen des Verkäufers, in der Regel also nur, wenn den Verkäufer ein Verschuldensvorwurf trifft (§§  434, 437 Nr.  3, 280 Abs.  1 BGB). Diese Beispiele genügen, um zu zeigen, dass auch im Anwendungsbereich der gesetzlichen Gewährleistung noch ausreichend Raum für zusätzliche, freiwillige Garantiezusagen besteht.204

4. Ergebnis Die Einwände gegen die Signalingtheorie können insgesamt nicht überzeugen. Sie resultieren vor allem aus empirischen Beobachtungen, beispielsweise der auf manchen Märkten fehlenden positiven Korrelation zwischen Garantielänge und Produktqualität, die mit dem Signalingkonzept für unvereinbar gehalten werden. Tatsächlich sind Garantien jedoch komplexe Signale, wie vor allem der Vergleich der Garantiestrategien von Newcomern und etablierten Anbietern zeigt. Kaufinteressenten sind in der Lage, diese komplexen Signale zu deuten und die Garantie auch in ihrem Verhältnis zu anderen Signalen zu gewichten. Auf diese Weise können Kaufinteressenten einen differenzierten Eindruck von der zu erwartenden Produktqualität eines Kaufgegenstandes gewinnen. Garantien sind damit wichtige Bestandteile des Signalingkonzepts von Unternehmen, das häufig auch weitere Signalinginstrumente umfasst. Besonders wichtig sind Garantien allerdings für ausländische Anbieter auf dem Binnenmarkt, denen zentrale alternative Signalinginstrumente – vor allem eine gute Reputation – (noch) nicht zur Verfügung stehen. Die Signalingtheorie wird aus diesem Grund den nachfolgenden Ausführungen als maßgebliches Konzept für die Wirkungsweise von Garantien im Binnenmarkt zu Grunde gelegt. Dadurch soll nicht negiert werden, dass Garantien neben ihrer Funktion als Signalinginstrumente weitere wichtige Funktionen für den Markt erfüllen können. Die Signalingfunktion tritt aber dort in den Vordergrund, wo besonders große Informationsasymmetrien zwischen Verkäufer und Käufer bestehen. Dies ist bei grenzüberschreitenden Transaktionen auf dem Binnenmarkt der Fall. Grenzüberschreitende Transaktionen stehen für den europäischen Gesetzgeber gerade im Fokus der Verbraucherschutzgesetzgebung, was im Folgenden näher ausgeführt werden soll. Aus diesem Grund ist Signaling für das europäische Verbraucherschutzrecht die maßgebliche Wirkungsdimension von Garantien.

204  Kirstein/Schäfer, Erzeugt der Europäische Verbraucherschutz Marktversagen?, S.  369, 392; Mankowski, Erzeugt das Verbrauchsgüterkaufrecht Marktversagen?, S.  406, 414.

D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht I. Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht im europäischen Recht Das Verbraucherschutzrecht des BGB und das Wettbewerbsrecht erscheinen in Rechtsprechung und Literatur häufig als unverbunden nebeneinander stehende Rechtsmaterien.1 Tatsächlich sind ihnen jedoch, soweit sie auf Europarecht beruhen, dieselben Schutzzwecke eigen.2 Beide Rechtsmaterien stehen nämlich aus europäischer Sicht unter dem Oberbegriff des Verbraucherschutzes. Art.  169 Abs.  1 AEUV (vormals Art.  153 Abs.  1 EGV) verpflichtet die Union zur „Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“; dieses Verbraucherschutzmotiv liegt wettbewerbsrechtlichen Richtlinien ebenso zu Grunde wie vertragsrechtlichen.3 So bezwecken sowohl die UGP-4 (Erwägungsgrund 1)5 als auch die Verbraucherrechte-6 (Erwägungsgrund 3) und die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie7 (Erwägungsgrund 1) jeweils die „Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“; auch der neue, geänderte Entwurf einer Warenhandelsrichtlinie rückt die „Wahrung eines hohen Verbraucherschutzniveaus“ (Erwägungsgrund 2) in den Vordergrund.

Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn.  186; Micklitz/Reich, EWS 2012, 257 f.; Micklitz, GPR 2009, 254, 260; Schmidt, JZ 2007, 78. 2  Ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  443 ff., 482 f.; ähnlich Schmidt, JZ 2007, 78, 79 f. 3  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  443 ff. 4  Richtlinie 2005/29/EG. 5  Vgl. auch Erwägungsgrund 8 der UGP-Richtlinie: „Diese Richtlinie schützt unmittelbar die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern.“ 6  Richtlinie 2011/83/EU. 7  Richtlinie 1999/44/EG. 1 Kritisch

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

1. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Regulierungsrecht Der europäische Verbraucherschutz versteht sich als Beitrag zur Verwirklichung des Binnenmarktes, Art.  169 Abs.  2 lit.  a) i. V. m. Art.  114 AEUV. Verbraucherschutznormen dienen im europäischen Recht der Beseitigung von Hindernissen für den Binnenmarkt.8 Sie bezwecken nicht den Schutz individueller Verbraucher, die durch eine bestimmte Transaktion möglicherweise übervorteilt wurden.9 Zwar wirken sich die einzelnen Regelungen im Ergebnis für individuelle Verbraucher günstig aus. Diese Begünstigung ist aus Sicht des Europarechts jedoch ein bloßer Schutzreflex bzw. nur ein notwendiges Mittel zur Integration des Binnenmarktes, auf die der europäische Verbraucherschutz telelogisch maßgeblich ausgerichtet ist.10 Die Binnenmarktorientierung zeigt sich dabei vor allem in zwei Besonderheiten der europäischen Verbraucherschutzrechts: zum einen in der Entwicklung des „verständigen Durchschnittsverbrauchers“ zum zentralen Begriff des europäischen Verbraucherschutzrechts, zum anderen im zunehmenden Rekurs auf vollharmonisierende Richtlinien. Den Maßstab für den gebotenen Schutzumfang bildet im europäischen Verbraucherschutzrecht – anders als lange Zeit im deutschen Wettbewerbsrecht11 – nicht ein besonders schutzbedürftiger Verbraucher, der möglicherweise ausgesprochen leichtgläubig oder unerfahren ist. Abzustellen ist vielmehr auf den „verständigen Durchschnittsverbraucher“, „der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist“, als „fiktive[r] typische[r] Verbraucher“.12 Auf diese Weise erfolgt eine Normativierung des Verständnishorizontes, vor dem Wettbewerbshandlungen rechtlich zu würdigen sind, die sich nur aus der institutionellen Dimension des Verbraucherschutzrechts erklären lässt.13 Ganz herrschende Meinung: Reich, NJW 1999, 2397; Micklitz, An Expanded and Systematized Community Consumer Law as Alternative or Complement?, 13 European Business Law Review (2002), 583, 588; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769 sowie dies., Grundstrukturen des und nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  15, 219 ff.; Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 203; Hellgardt, Regulierung und Privatrecht, S.  109, 188 f.; Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  285 ff., die dieser Indienstnahme allerdings kritisch gegenübersteht (vgl. a. a. O. S.  305 ff.); Schulze/Zoll, European Contract Law, Rn.  1.17. 9  Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 770 f.; dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, 290 f.; Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 203. 10  Micklitz, GPR 2009, 254, 259; zum Teil anders Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  433 ff., der im europäischen Verbraucherschutzrecht Individual- und Institutionenschutz gleichermaßen verwirklicht sieht. 11  Vgl. hierzu Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  1103 m. w. N. 12  Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie. 13  Ausführlich hierzu Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  482 f. mit Fn.  550; kritisch Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  158 f. 8 

I. Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht

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Die institutionelle Ausrichtung zeigt sich auch im Prinzip der Vollharmonisierung: Hierdurch wird der Verbraucherschutz im Interesse der am Markt anbietenden Unternehmen zwingend vereinheitlicht, ohne dass die einzelnen Mitgliedstaaten einen höheren Schutzstandard vorsehen können (siehe dazu noch ausführlich unter D. I. 1. b)). a) Kein „Schutz des Schwächeren“ intendiert Dem europäischen Verbraucherschutzrecht liegt damit insbesondere keine social policy zu Grunde, die den Schutz des Schwächeren und in Verhandlungssituationen Unterlegenen verwirklichen will.14 Beim Verbraucherschutz als social policy handelt es sich vielmehr um ein Konzept, das in vielen Mitgliedstaaten – vor allem in Deutschland – zur Legitimation von Verbraucherschutznormen herangezogen wird.15 Rechtfertigung findet der Schutz des Verbrauchers in Deutschland vor allem in Überlegungen zu einer gestörten Vertragsparität.16 Der Verbraucher befinde sich in einer unterlegenen Position und müsse gegen die Ausbeutung durch marktmächtige, gewerbliche Anbieter geschützt werden.17 Dieses Konzept steht allerdings vor der Schwierigkeit, dass es die Reichweite verbraucherschützender Regelungen nicht erklären kann: So findet beispielsweise die AGB-Kontrolle auch dann Anwendung, wenn auf dem Markt zahlreiche kleine Anbieter um die Marktgegenseite konkurrieren, obwohl hier typischerweise keine gestörte Vertragsparität gegeben ist.18 Das europäische Verbraucherschutzrecht steht demgegenüber in der Tradition der Neuen Institutionenökonomik und sieht Verbraucherschutznormen als Instrumente zur Behebung von Marktstörun-

14  Ausführlich Micklitz, GPR 2010, 2, 3; Reich, in: Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, S.  17; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbraucherschutzrechts, S.  15; kritisch Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  311 ff. 15  Simitis, Verbraucherschutz, S.  137 ff.; von Hippel, Verbraucherschutz, S.  3 ff.; Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  93 f.; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  93 ff.; Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  157 ff. (vor allem als Forderung de lege ferenda); kritisch Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 770 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S.  38 ff. 16 Vgl. Raiser, Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, S.  93 f.; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  97, S.  100; Pflug, Kontrakt und Status im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, passim (jeweils zur AGB-Kontrolle); Hönn, Kompensation gestörter Vertragsparität, passim; Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  157 ff. (vor allem auch de lege ferenda). 17  Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  93 ff., 97 ff. 18  Haupt, An Economic Analysis of Consumer Protection in Contract Law, 4 German L.J. (2003), 1137, 1151 f. m. w. N.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

gen.19 Es stellt den Verbraucherschutz in den Dienst des Wettbewerbs.20 Verbraucherschutz kommt auf diese Weise Unternehmen wie Verbrauchern gleichermaßen zugute, weil beide Gruppen – bei allen Gegensätzen – das Interesse an einem funktionierenden Markt und seinen zahlreichen Wohlfahrtseffekten teilen. b) Binnenmarktorientierung auf Verbraucher- und auf Unternehmerseite Der Regulierungszweck des europäischen Verbraucherschutzrechts zeigt sich gerade in seiner Binnenmarktorientierung: Ein „hohes Verbraucherschutzniveau“ soll das Verbrauchervertrauen in den Binnenmarkt fördern und Unsicherheiten von Verbrauchern beim grenzüberschreitenden Kauf verringern.21 Der europäische Gesetzgeber erkennt ein zentrales Hindernis für den Binnenmarkt darin, dass Verbraucher bei grenzüberschreitenden Transaktionen voller Misstrauen sind.22 Sie schrecken vor dem grenzüberschreitenden Kauf zurück, weil sie sich nicht sicher sind, ob ihre Rechte bei der Transaktion gewahrt werden;23 für sie sind cross-border-Geschäfte mit hohen Risiken behaftet. Hindernisse für den Binnenmarkt bestehen aber auch auf Unternehmerseite: Viele Unternehmen bieten ihre Produkte und Leistungen gar nicht erst außerhalb ihres Mitgliedstaats an, weil sie die fremden Rechtsordnungen nicht überblicken.24 So beurteilen Einzelhändler die Kosten der Einhaltung unterschiedlicher Verbraucherrechte in den einzelnen Mitgliedstaaten als besonders hoch;25 fast 40  % der Onlinehändler sehen Unterschiede im Verbraucherschutzniveau als ein Hindernis für den grenzüberschreitenden Handel an.26 Nur 28% aller Einzelhändler sind überhaupt grundsätzlich bereit, grenzüberschreitend online anzubie19  Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 772 f.; dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  224 ff.; Drexl, Die wirtschaftliche Selbstbestimmung des Verbrauchers, S.  63, 193 ff.; vgl. allgemein Fornasier, Freier Markt und zwingendes Vertragsrecht, S.  17 f.: Vertragsrecht diene generell der Beseitigung von Marktstörungen. 20  Micklitz, GPR 2010, 2, 3; ders., An Expanded and Systematized Community Consumer Law as Alternative or Complement?, 13 European Business Law Review (2002), 583, 588; Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 203; Heiderhoff, ZEuP 2003, 769 ff. 21  Vgl. nur Art.  1 UGP-Richtlinie 2005/29/EG mit Erwägungsgründen 3 und 13; Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  265 ff. 22  Vgl. nur Erwägungsgrund 4 UGP-Richtlinie 2005/29/EG. 23  EU-Kommission, Consumers’ Attitudes towards Cross-Border Trade and Consumer Protection 2016, Final Report, S.  47; Entwurf einer Richtlinie über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenhandels, COM(2017) 637 final, S.  3 f. 24  Vgl. Erwägungsgrund 5 des geänderten Entwurfs einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels, COM(2017) 637 final. 25  EU-Kommission, Factsheet Consumer Conditions Scoreboard 2017, S.  3. 26  Survey on retailers attitudes towards cross-border trade and consumer protection (2016), S.  123.

I. Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht

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ten.27 Am meisten scheuen kleine und mittlere Unternehmen den grenzüberschreitenden Handel: „Nur 7  % der europäischen KMU bieten ihre Waren und Dienstleistungen grenzüberschreitend an.“28 Die Vereinheitlichung der Verbraucherschutzregeln soll den Binnenmarkt vor diesem Hintergrund sowohl auf Verbraucher- als auch auf Unternehmerseite fördern: Verbraucher sollen auf ein hohes Verbraucherschutzniveau vertrauen können und so genug Zuversicht fassen, um – vor allem online29 – grenzüberschreitend einzukaufen.30 Der Begriff des Vertrauens ist dabei schillernd (vgl. ausführlich unter F.); für das europäische Recht ist allein von Bedeutung, welche Rolle Vertrauen für den grenzüberschreitenden Handel spielt. Nach dem Verständnis der EU-Kommission handelt es sich beim Verbrauchervertrauen um einen Maßstab dafür, ob Verbraucher auf einem Markt informierte Nachfrageentscheidungen treffen können.31 Verbrauchervertrauen beruht damit wesentlich auf Verbraucherinformation.32 Verbraucher werden im europäischen Recht aus diesem Grund vor allem auch durch Instrumente geschützt, die zu ihren Lasten bestehende Informationsasymmetrien abbauen. Hierzu zählen nicht nur zahlreiche Informationspflichten,33 wie sie zuletzt vor allem durch die Verbraucherrechterichtlinie eingeführt wurden, sondern auch Sanktionen für irreführende Werbung. Irreführende Werbung desinformiert Verbraucher und verhindert, dass sie eine effiziente Nachfrageentscheidung treffen können. Auch die Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie schützt vor diesem Hintergrund die informationellen Entscheidungsgrundlagen der Verbraucher (siehe noch ausführlich unter D. II. 1.). Dieser Schutz vermindert zugleich Spielräume, die Unternehmen für opportunistisches Verhalten auf Kosten der Verbraucher nutzen können. 27  Survey on retailers attitudes towards cross-border trade and consumer protection (2016), S.  120; vgl. auch Entwurf einer Richtlinie über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenhandels, COM(2017) 637 final, S.  3 f. 28  Vgl. die Website der Kommission zum Themengebiet „Digitaler Binnenmarkt“, https:// ec.europa.eu/commission/priorities/digital-single-market_de, zuletzt abgerufen am 04.04.2018. 29  Erwägungsgrund 1 des geänderten Entwurfs einer Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels, COM(2017) 637 final. 30  Entwurf einer Richtlinie über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenhandels, COM(2017) 637 final, S.  3 ff.; vgl. auch Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbraucherschutzrechts, S.  226 f. 31  EU-Kommission, Factsheet Consumer Conditions Scoreboard 2017, S.  3. 32  Ausführlich Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  266 ff. („Vertrauen durch Information“). 33  Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 773; dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  266 ff.; vgl. vor allem auch Art.  5 f. der Verbraucherrechterichtlinie.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

Auf Ebene der Unternehmen werden durch die Rechtsvereinheitlichung die Compliancekosten gesenkt (level playing field).34 Auf diese Weise können mehr Unternehmen ihre Produkte in rentabler Weise grenzüberschreitend anbieten:35 Sie können ihr Angebot grenzüberschreitend vermarkten, ohne in jedem Land einem unterschiedlichen Verbraucherschutzniveau Rechnung tragen zu müssen.36 So dient beispielsweise die „vollständige Harmonisierung der Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts“ durch die Verbraucherrechterichtlinie ausdrücklich der Verringerung „der Kosten für die Einhaltung der Rechtsvorschriften“ (Erwägungsgrund 6). Ganz ähnliche Erwägungen finden sich in Erwägungsgrund 6 des geänderten Entwurfs einer Warenhandelsrichtlinie.37 Die Problematik auf Unternehmerseite wird dabei vor allem durch Gesetzgebungsaktivitäten in den letzten Jahren adressiert. Dies geschieht durch die Regelungstechnik der Vollharmonisierung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt.38 So wirken sowohl die UGP-39 als auch die Verbraucherrechterichtlinie40 – anders als noch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie41 – vollharmonisierend.42 Auch der neue Vorschlag für eine Warenhandelsrichtlinie, mit dem die Kommission das Verbraucherkaufrecht in zentralen Punkten neu gestalten will, beruht auf dem Prinzip der Vollharmonisierung (Art.  3 Richtlinienentwurf). Vollharmonisierende Richtlinien setzen dem Verbraucherschutz eine Obergrenze:43 Mitgliedstaaten dürfen bei der Umsetzung den Verbrauchern in ihrem Hoheitsgebiet nicht mehr an Schutz gewähren, als in der Richtlinie vorgesehen ist.44 Die Vollharmonisierung liefert damit einen weiteren Nachweis für den marktordnenden Charakter des europäischen Verbraucherschutzrechts:45 Verbraucherschutz hat aus europarechtlicher Perspektive nur eine instrumentelle Funktion für den Binnenmarkt.46 Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  36a; Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 203. 35  Entwurf einer Richtlinie über bestimmte vertragliche Aspekte des Warenhandels, COM(2017) 637 final, S.  3 ff. 36 Vgl. Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn.  186. 37  COM(2017) 637 final. 38 Kritisch Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  161 f., 241 ff. 39  Richtlinie 2005/29/EG. 40  Richtlinie 2011/83/EU. 41  Richtlinie 1999/44/EG. 42  Vgl. Art.  4 UGP-Richtlinie, Art.  4 Verbraucherrechterichtlinie. 43  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  36a. 44  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  36a. 45  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  36a. 46  Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 203 f.; kritisch Tamm, Verbraucherschutzrecht, S.  157 ff., 312, die für die Anerkennung des Verbraucherschutzes als eigenständiges, soziales Ziel neben der Binnenmarktförderung plädiert. 34 

I. Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht

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Das europäische Verbraucherschutzrecht zeichnet sich im Ergebnis durch einen doppelten Regulierungszweck aus, der seine Marktorientierung verdeutlicht: Es zielt einerseits ab auf die Stärkung des Verbrauchervertrauens durch ein hohes Verbraucherschutzniveau und andererseits auf eine Absenkung der Kosten für grenzüberschreitend tätige Unternehmen im Wege der Rechtsvereinheitlichung.

2. Schutz des Binnenmarkts mit den Mitteln des Zivil- und des Wettbewerbsrechts Der Regulierungszweck des europäischen Verbraucherschutzrechts liefert die Erklärung für die Schutzzweckkonvergenz im Zivil- und Wettbewerbsrecht.47 Das europäische Recht betreibt Verbraucherschutz gleichermaßen mit den Mitteln des Zivil- wie des Wettbewerbsrechts: Die UGP-Richtlinie dient denselben Zwecken wie die Verbrauchsgüterkauf- und die Verbraucherrechterichtlinie (zur Schutzzweckkonvergenz von Wettbewerbs- und AGB-Recht vgl. bereits oben unter C. VI. 1. c)). So will die UGP-Richtlinie das Verbrauchervertrauen fördern, um Hemmnisse für den Binnenmarkt zu beseitigen (Erwägungsgründe 4, 13). Der Wettbewerb soll vom Verbraucherschutz profitieren, indem Verbraucher dazu befähigt werden, eine „informierte und … effektive Wahl zu treffen“ (Erwägungsgrund 14). Ähnlich wird der Zusammenhang zwischen Verbraucherschutz und Binnenmarkt in den Erwägungsgründen zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beschrieben: „Dem Verbraucher, der die Vorzüge des Binnenmarkts dadurch nutzen möchte, daß er sich Waren in einem anderen Mitgliedstaat als in seinem Wohnsitzland beschafft, fällt eine fundamentale Aufgabe bei der Vollendung des Binnenmarktes zu“ (Erwägungsgrund 4). Vor diesem Hintergrund soll die Verbraucherschutzgesetzgebung das „Vertrauen der Verbraucher“ in den Binnenmarkt stärken (Erwägungsgrund 5). Ganz ähnliche Argumente finden sich auch in der Verbraucherrechterichtlinie: Sie will ebenfalls „zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zum besseren Funktionieren des Binnenmarktes … beitragen“ (Erwägungsgrund 5). Als schädlich für den Binnenmarkt wird vor allem die „Rechtszersplitterung“ angesehen, denn diese „untergräbt … das Vertrauen der Verbraucher in den Binnenmarkt“ (Erwägungsgrund 6). Auch der geänderte Entwurf einer Warenhandelsrichtlinie betont den Zusammenhang zwischen Verbraucherschutz und Binnenmarkt: „Für das gute Funktionieren des Binnenmarktes müssen bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenhandels unter Wahrung eines hohen Verbraucherschutzniveaus harmonisiert werden“ (Erwägungsgrund 2). Das hohe Verbraucherschutzniveau werde das „Vertrauen [der Verbraucher] in den grenzüberschreitenden Handel stärken. Die Verbraucher dürften in dem 47 Ähnlich

Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  482 f. mit Fn.  550.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

Bewusstsein, dass sie überall in der Union dieselben Rechte genießen, den grenz­ über­schreitenden Handel unbeschwerter nutzen“ (Erwägungsgrund 10).

II. Auswirkungen auf die kaufrechtliche Garantie 1. Marktordnungszweck der Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie Auch die Garantiewerbehaftung verfolgt einen Regulierungszweck.48 Sie soll nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers dem Schutz der informationellen Entscheidungsgrundlagen der Verbraucher dienen, und zwar zum Wohle von Markt und Wettbewerb: „Die Haftbarmachung für die eigene Werbung würde zu saubereren Werbepraktiken beitragen und verhindern, daß die Verbraucher bezüglich der konkret anwendbaren Garantien irregeführt werden [...].“49 Durch den neuen Rechtsrahmen für kommerzielle Garantien soll „die nötige Markttransparenz gesichert werden, damit ein auf ehrlichen und fairen Handelspraktiken beruhender gesunder Wettbewerb gewährleistet werden kann“.50 Mit der Werbehaftung verfolgt die Kommission damit Zwecke, die nach deutschem Verständnis eigentlich dem Wettbewerbsrecht zuzuordnen sind, nämlich den Schutz der Entscheidungsgrundlagen der Verbraucher im Interesse des Wettbewerbs.51 Die Garantiewerbehaftung ist damit ein Beispiel für die oben (D. I.) beschriebene Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht: Die Richtlinie nimmt die „Schiedsrichterfunktion“52 der Verbraucher auf dem Markt in den Blick. Diese sollen als Gesamtheit ihre Nachfrageentscheidungen am Markt auf zutreffender informationeller Grundlage treffen. Zum einen können sich nur auf diese Weise im Wettbewerb die besten Produkte durch-

48  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  470 f.; Schmidt, JZ 2007, 78, 79; Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, §  9 Rn.  21. 49  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  123. Diese Textpassage fehlt in der englischen Version des Grünbuchs. Hierbei scheint es sich um ein Redaktionsversehen zu handeln, da sie in allen anderen Sprachfassungen vorhanden ist. 50  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  122. 51  Ähnlich BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  37, 42; vgl. auch bereits Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 556; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  534; zu dem hier angesprochenen wettbewerbsrechtlichen Schutzzweck ausführlich Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  1174 ff. 52  Vgl. zu diesem Begriff Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  112, 1093 ff., 1175 ff.

II. Auswirkungen auf die kaufrechtliche Garantie

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setzen.53 Zum anderen führt bestehende Qualitätsunsicherheit im schlimmsten Fall zum Zusammenbruch des Marktes (siehe oben C. I. zum market for lemons). Schutzgüter der Garantiewerbehaftung sind damit der Markt und der Wettbewerb. Es geht nicht darum, den einzelnen, individuellen Verbraucher vor nachteiligen Nachfrageentscheidungen zu bewahren.54 Individuelle Ansprüche, die das europäische Verbraucherschutzrecht einzelnen Verbrauchern einräumt, beruhen nicht auf einer Konzeption subjektiver Rechte.55 Der einzelne Verbraucher wird bei Geltendmachung seiner Ansprüche vielmehr als „Funktionsträger“ für den Binnenmarkt tätig und hilft bei der Sicherung der „effektive[n] Durchsetzung des zwingenden rechtlichen Rahmens des Verkehrssystems“ (siehe dazu auch sogleich unter D. II. 2.).56 Auch in der Struktur von Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie spiegelt sich deutlich die oben beschriebene Konvergenz der Schutzzwecke von allgemeinem Zivil- und Wettbewerbsrecht.57 So bestimmt Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, wie die Garantieerklärung verfasst sein muss (in einfacher Sprache), und ordnet an, dass sie einen klarstellenden Hinweis auf die gesetzlichen Gewährleistungsrechte des Verbrauchers enthalten muss. Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie wird ausschließlich im Wettbewerbsrecht relevant. Auf das rechtsgeschäftliche Verhältnis zwischen Garantiegeber und Garantienehmer haben die in Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie normierten Informationspflichten nämlich keinen Einfluss (vgl. auch Art.  6 Abs.  5 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie). Das BGB selbst enthält zudem keine eigenen Sanktionen für den Fall eines Verstoßes; dieser begründet vielmehr ein nach §§  3a, 5a Abs.  2, 3 UWG unlauteres Verhalten, weil §  479 BGB – die deutsche Umsetzungsnorm – eine Marktverhaltensregelung darstellt58 und zudem die nach §  479 BGB erforderli-

53  Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  1175; vgl. auch Erwägungsgrund 3 zur Werberichtlinie 2006/114/EG: „Irreführende … Werbung ist geeignet, zur Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt zu führen.“ 54  In diese Richtung wohl bereits Jorden, Verbrauchergarantien, S.  535 f. 55  Leistner, Richtiger Vertrag und lautere Wettbewerb, S.  459; vgl. allgemein Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S.  272 f., 289 ff.: „funktionale Subjektivierung“ von Ansprüchen nach europäischem Recht; ebenso Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  196, 200. 56  So prägnant Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  459, der diesem europarechtlichen Konzept allerdings kritisch gegenübersteht; Micklitz, GPR 2009, 254, 259. 57 Ähnlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  735, der die Garantiewerbehaftung allerdings in einem „Schnittfeld“ aus institutionellem und individualschützendem Verbraucherschutz verortet (S.  736). Nach hier vertretener Ansicht spielen individualschützende Motive für die europarechtlich angeordnete Garantiewerbehaftung indes keine Rolle; dies klingt an vielen Stellen auch bei Leistner an, vgl. vor allem a. a. O. S.  459. 58  BGH NJW 2011, 2653 Rn.  22; MMR 2013, 586; BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  46.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

chen Informationen nach zutreffender Ansicht „wesentlich“ im Sinne von §  5a Abs.  2, 3 UWG sind.59 Der Unterschied zwischen zivilrechtlichem und wettbewerbsrechtlichem Verbraucherschutz zeigt sich vor allem in der Rechtsfolge: Geschützt wird der Markt nach der Regelung des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 Abs.  1 BGB) nicht wie im Lauterkeitsrecht üblich durch ein Verbot irreführender Werbung.60 Die Richtlinie untersagt irreführende Garantiewerbung nicht (vgl. hingegen Art.  6 Abs.  1 lit.  g UGP-Richtlinie und §  5 Abs.  1 Satz  2 Nr.  7 UWG). Sie gewährt dem Käufer auch nicht bloß einen Schadensersatzanspruch für den Fall, dass Garantiewerbung irreführend ist (vgl. dazu ausführlich unter D.  III. 2. g)). Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gewährt dem Käufer vielmehr einen Anspruch auf Erfüllung (vgl. dazu noch ausführlich unter D. III. 2. g)): Garantiewerbung ist verbindlich und begründet Ansprüche des Käufers auf Gewährung der beworbenen Garantie in natura (vgl. zu den Rechtsfolgen ausführlich I.). Der Sinn und Zweck dieser Regelung erschließt sich vor dem Hintergrund der Wirkmechanismen des private enforcement, auf das sogleich (unter D. II. 2.) eingegangen werden soll. Eine ganz ähnliche Rechtsfolge sehen im deutschen Recht die §§  241a, 661a BGB vor, in denen sich ebenfalls die Schutzzweckkonvergenz von Zivil- und Lauterkeitsrecht spiegelt. Beide Normen sind nach herrschender Meinung dogmatisch als lauterkeitsrechtliche Regelungen im BGB einzuordnen.61 §  661a BGB verleiht dem Verbraucher, der eine Gewinnzusage erhalten hat, einen Anspruch auf den in Aussicht gestellten Gewinn; §  241a BGB verleiht ihm das Recht, unbestellt zugesendete Ware zu behalten – eine Rechtsfolge, die funktional einem Erfüllungsanspruch gleichsteht. §  661a BGB hat zwar keine Grundlage im europäischen Recht, fügt sich aber ohne weiteres in den europäischen verbraucherschutzrechtlichen Rahmen ein. §  241a BGB wiederum beruht auf Art.  27 Verbraucherrechterichtlinie (inertia selling),62 der den Bezug zwischen Verbraucherschutz- und Lauterkeitsrecht besonders deutlich herausstellt: Der Verbraucher soll von der „Pflicht zur Erbringung der Gegenleistung befreit“ sein, gerade um einen „Verstoß gegen Artikel 5 Absatz 5 und Anhang I Nummer 29 der Richtlinie 2005/29/EG“ zu sanktionieren. 59 

So zutreffend BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  44; a. A. BGH NJW 2011, 2653 Rn.  34. Vgl. hierzu auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  534 f. 61  Bülow/Artz, Verbraucherprivatrecht, Rn.  629; Wagner, AcP 206 (2006), 358, 389; BeckOGK/Fritzsche, §  241a Rn.  2; zu unbestellten Waren: MünchKommBGB/Finkenauer, §  241a Rn.  3; Schmidt, JZ 2007, 78, 81; Schulze/Zoll, European Contract Law, Rn.  3.46; einschränkend MünchKommBGB/Schäfer, §  661a Rn.  1. 62  Zuvor Art.  9 der (mit Einführung der Verbraucherrechterichtlinie außer Kraft getretenen) Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG. 60 

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2. Private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 Abs.  1 BGB) verleiht dem einzelnen Käufer einen individuellen Garantieanspruch aufgrund einschlägiger Werbeaussagen, obwohl die Norm rein marktordnungsrechtliche Zwecke verfolgt.63 Fraglich ist damit vor allem, warum eine marktordnende Norm wie Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie einzelnen, individuellen Verbrauchern Klagerechte einräumt. Marktverhaltensregeln dienen dem öffentlichen Interesse an der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs und der Lauterkeit des Marktes; näher läge damit an sich eine institutionelle Rechtsdurchsetzung durch Einrichtungen, Behörden oder Verbände, die im öffentlichen Interesse handeln.64 Diesen Ansatz verfolgt – jedenfalls im Grunde65 – das deutsche UWG:66 Gemäß §  8 Abs.  3 UWG können lauterkeitsrechtliche Verstöße nur von Mitbewerbern (Nr.  1), Unternehmer- (Nr.  2) und Verbraucherverbände (Nr.  3) sowie von den Industrie- und Handelskammern (Nr.  4) geltend gemacht werden. Betroffenen Verbrauchern stehen bei Verstößen gegen die Marktverhaltensregeln des UWG hingegen lauterkeitsrechtlich keine Ansprüche zu; der deutsche Gesetzgeber hat sie bei der UWG-Reform im Jahr 2004 bewusst aus dem Kreis der Anspruchsberechtigten ausgeschlossen.67 Für den Ausschluss der Aktivlegitimation individueller Verbraucher nach §  8 Abs.  3 UWG wurden vor allem zwei Gründe genannt: Zum einen seien Verbraucher durch die Vorschriften des BGB hinreichend vor individuellen Schäden durch unlauteres Wettbewerbsverhalten geschützt.68 Zum anderen – und dies war das wohl ausschlaggebende Argument – fürchtete der Gesetzgeber eine zu große Belastung für Unternehmer durch Popularklagen.69 Gegen das erste Argu63 

Der Verbraucher kann Ansprüche aus der nationalen Umsetzungsnorm im Falle einer grenzüberschreitenden Transaktion auch gegen einen Unternehmer, der in einem anderen Staat ansässig ist, geltend machen; vgl. zur kollisionsrechtlichen Beurteilung sogleich unter D. II. 2. b) cc) (1). 64 So Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  711 ff., 736. 65  Einen Sonderfall bildet die Aktivlegitimation der Mitbewerber nach §  8 Abs.  3 Nr.  1 UWG. Sie lässt sich historisch dadurch erklären, dass das UWG ursprünglich ein Sonderdeliktsrecht zum Schutz der Interessen von Mitbewerbern bildete; dazu ausführlich Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  2617 ff. 66  Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  2594 ff. 67  BT-Drs. 15/1487, S.  22; der Gesetzgeber schloss sich damit der bekannten Prüfzeichenentscheidung des BGH (NJW 1974, 1503) an, in der das Gericht den Schutzgesetzcharakter von UWG-Normen verneint hatte. 68  Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  8 Rn.  3.4; MünchKomm­ UWG/Sosnitza, §  1 Rn.  14; ausführlich Köhler, GRUR 2003, 265, 268 ff. 69  BT-Drs. 15/1487, S.  22: „Der Unternehmer müsste bei Beibehaltung des materiellen Schutzniveaus jederzeit mit einer Vielzahl von Klagen von Verbrauchern wegen eines (angeb-

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

ment spricht indes, dass die Zulassung individueller Verbraucherklagen gegen unlauteres Wettbewerbsverhalten gerade nicht ihrem Individualschutz dienen würde; vielmehr würde der einzelne Verbraucher einen Beitrag zur Durchsetzung von Marktordnungsrecht leisten (siehe sogleich unter D. II. 2. a)). Maßgeblich kann damit nur sein, ob die Verbraucherklage im Bereich des Wettbewerbsrechts ein geeignetes Rechtsdurchsetzungsinstrument darstellt. Dies ist sie nur, wenn durch sie weder ein over- noch ein underenforcement der Wettbewerbsregeln droht, d. h. wenn sie weder übermäßige Anreize zu Popularklagen setzt, noch umgekehrt völlig unzureichende Anreize zur Klageerhebung begründet.70 Der Gesetzgeber sah offenbar vor allem das Risiko von overenforcement.71 Diese Einschätzung ist in rechtstatsächlicher Hinsicht indes zweifelhaft: Der finanzielle und zeitliche Aufwand, den Verbraucher in die Vorbereitung einer Klage investieren müssten, ist durchaus erheblich.72 Sie müssten mögliche Verstöße zuerst aufspüren, was ohne vertiefte Kenntnisse im Bereich des Wettbewerbsrechts bereits erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte. Zudem müssten sie zumindest vorläufig die Kosten des Gerichtsverfahrens tragen. Die finanzielle Renumeration im Falle eines Obsiegens wäre wiederum gering: Verbrauchern stünden nur Ansprüche auf Unterlassung (§  8 Abs.  1 UWG) sowie auf Aufwendungsersatz (§  12 Abs.  1 Satz  2 UWG) zu. Vor diesem Hintergrund dürfte der Anreiz zur Klageerhebung nicht ausgeprägt sein. Befürchtet wird im rechtsökonomischen Schrifttum dementsprechend auch eher ein underenforcement durch Verbraucherklagen.73 Solche Klagen können aufgrund der Anreizstruktur von Verbrauchern nur unter bestimmten, engen Voraussetzungen einen Beitrag zur Rechtsdurchsetzung im Allgemeininteresse leisten (näher sogleich unter D. II. 2. b)). §  443 Abs.  1 BGB knüpft nun genau an eine solche günstige Anreizstruktur an und macht sich diese im Allgemeininteresse zu Nutze: Er verschafft dem Verbraucher einen Individualanspruch in einer Situation, in der private enforcement (zu dem Begriff sogleich unter D. II. 2. a)) der institutionellen Rechtsdurchsetzung sogar überlegen ist (siehe sogleich ausführlich unter D. II. 2. b)). Unter funktionellen Gesichtspunkten erhält der Verbraucher nach §  443 Abs.  1 BGB eine Aktivlegitimation, die derjenigen nach §  8 Abs.  3 UWG vergleichbar ist. In lichen) Verstoßes gegen das UWG rechnen. Dies würde zu sehr hohen Belastungen für die Wirtschaft führen und hätte einen erheblichen Standortnachteil zur Folge.“ Zustimmend Köhler/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  8 Rn.  3.4; Köhler, GRUR 2003, 265, 267. 70  Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 191. 71  BT-Drs. 15/1487, S.  22. 72 Vgl. Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 192. 73  Van den Bergh/Visscher, The Preventive Function of Collective Actions for Damages in Consumer Law, Erasmus Law Review 2008, 5, 13 ff.; Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 191.

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einem begrenzten sachlichen Kontext erscheint er danach quasi als „fünfter Aktivlegitimierter“ des Wettbewerbsrechts. a) Private enforcement als europarechtliche Vorgabe Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bestimmt – für eine europäische Richtliniennorm sehr außergewöhnlich – eine konkrete Rechtsfolge. Üblicherweise beschränkt sich der europäische Gesetzgeber darauf, bestimmte Gebote oder Verbote zu statuieren, überlässt die Bestimmung und konkrete Ausformung der Rechtsfolgen aber den Mitgliedstaaten;74 dies ist beispielsweise auch bei der UGP-Richtlinie der Fall.75 Die nationalen Gesetzgeber sind dann allerdings gemäß Art.  4 Abs.  3 EUV verpflichtet, wirksame Sanktionierungen etwaiger Verstöße vorzusehen (Effektivitätsgrundsatz,76 vgl. auch Art.  13 UGP-Richtlinie: „Sanktionen“, die „wirksam, verhältnismäßig und abschreckend“ sind).77 Aus dem Gebot wirksamer Sanktionierung kann im Einzelfall auch die Pflicht folgen, individuelle Schadensersatzklagen Privater im Falle eines Verstoßes zuzulassen.78 Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die individuelle gegenüber der behördlichen/institutionellen Rechtsdurchsetzung deutlich effektiver ist.79 Der individuelle Anspruch begründet in diesem Fall kein subjektives, privatnütziges Recht des Verbrauchers, sondern dient dem private enforcement von Marktordnungsrecht.80 Private enforcement bedeutet eine Durchsetzung marktordnungsrechtlicher Normen durch private Individuen, nicht durch Behörden oder andere Institutionen.81 Im Zentrum der Diskussion um private enforcement steht tradiFranck, Marktordnung durch Haftung, S.  264. Vgl. Art.  13 UGP-Richtlinie; dazu Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  272 ff. 76  Vgl. EuGH EuZW 2001, 715 – Courage, Rn.  29 ff.; EuZW 2006, 529 – Manfredi, Rn.  62 ff.; EuZW 2014, 586 – Kone, Rn.  25, jeweils zu Ansprüchen aus Artt.  101 f. AEUV. 77  Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  265. 78  Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  195 ff.; Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S.  270 ff.; dies., in: van Boom/Garde/Akseli, The European Unfair Commercial Practices Directive, S.  235, 246 ff. 79  Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  44 ff. 80  Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446: „funktionale Subjektivierung“ von Ansprüchen nach europäischem Recht; ausführlich Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S.  272 f., 289 ff.; dies., in: van Boom/Garde/Akseli, The European Unfair Commercial Practices Directive, S.  235, 248; ebenso Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  196 ff., 200. Der Begriff der funktionalen Subjektivierung wurde im öffentlich-rechtlichen Schrifttum geprägt, vgl. Schoch, NVwZ 1999, 457, 461 m. w. N. in Fn.  49. 81 Vgl. Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  167 ff., 182 ff.; vgl. andererseits aber auch Poelzig, in: van Boom/Garde/Akseli, The European Unfair Commercial Practices Directive, S.  235, 256, die auch Klagen von Verbraucherverbänden noch zum private enforcement zählt. Dies kann allerdings nicht überzeugen, da Verbände ganz andere Anreizstrukturen haben als private Kläger. 74  75 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

tionell die Frage, unter welchen Voraussetzungen der nationale Gesetzgeber wegen des Effektivitätsgrundsatzes privatrechtliche Ansprüche vorsehen muss, obwohl der europäische Gesetzgeber sie nicht explizit angeordnet hat.82 Diese Frage stellt sich allerdings naturgemäß nur dort, wo das Europarecht einen solchen Anspruch als Rechtsfolge nicht ausdrücklich vorsieht. Gerade dies ist bei Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie aber der Fall: Der europäische Gesetzgeber hat eine Durchsetzung der Garantiewerbehaftung mittels private enforcement vorgesehen. b) Effektivität von private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung Für die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers sprechen unter Effektivitätsgesichtspunkten gute Gründe: Private enforcement ist vor allem dann effektiver als eine institutionelle Rechtsdurchsetzung, wenn Private über Rechtsverstöße besser informiert sind als institutionelle Akteure und sie über hinreichende Anreize für ihre Rechtsdurchsetzung verfügen.83 Diese Voraussetzungen liegen bei der Garantiewerbehaftung vor: Verbraucher haben gegenüber Behörden und Institutionen einen Informationsvorsprung (sogleich unter aa)). Sie verfügen außerdem aufgrund der Ausgestaltung der Anspruchsvoraussetzungen nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie über starke finanzielle Anreize zur Geltendmachung ihrer Rechte (bb)). Zudem können sie ihre Ansprüche aufgrund günstiger Regelungen in der Rom I- und der Brüssel Ia-Verordnung ohne größere Schwierigkeiten gerichtlich geltend machen (cc)). aa) Informationsvorsprung von Verbrauchern gegenüber institutionellen Akteuren Verbraucher haben in Bezug auf irreführende Garantiewerbung einen Informationsvorsprung gegenüber Behörden und weiteren als Kläger in Betracht kommenden Institutionen.84 Sie erfahren als Käufer von Produkten unmittelbar, ob 82  Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  264 ff. Diskutiert wurde diese Frage – vor Erlass der Kartellschadensersatzrichtlinie (2014/104/EU) – vor allem im Bereich der kartellrechtlichen Schadensersatzhaftung, vgl. hierzu ausführlich Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  183 ff., 625 ff. Nach Erlass der UGP-Richtlinie fand ebenfalls eine intensive Diskussion darüber statt, ob bei der Umsetzung Klagerechte für Verbraucher eingeführt werden sollten, vgl. Poelzig, in: van Boom/Garde/Akseli, The European Unfair Commercial Practices Directive, S.  235. 83  Shavell, The Optimal Structure of Law Enforcement, 36 The Journal of Economics (1993), 255, 266 ff.; Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S.  388 ff.; Franck, Marktordnung durch Haftung, S.  44 ff.; Cseres, Consumer Protection in the European Union, S.  163, 192; Wagner, AcP 206 (2006), 352, 446. 84 Vgl. Poelzig, in: van Boom/Garde/Akseli, The European Unfair Commercial Practices

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die beworbene Garantie auch tatsächlich gewährt wird, ob nämlich dem Produkt eine Garantiekarte beiliegt oder nicht und ob die Garantiezusage im Vertragsdokument den beworbenen Umfang hat. Diese Feststellungen werden die Käufer spätestens dann treffen, wenn das Produkt nicht mehr einwandfrei funktioniert und sie daher einen Anreiz haben, Ansprüche aus der Garantie geltend zu machen. Nach Art.  8 Abs.  3 UWG aktivlegitimierte Kläger verfügen über solche Information hingegen nicht, jedenfalls nicht aus erster Hand. Hierin zeigt sich die besondere Eigenart irreführender Garantiewerbung: Der Werbung als solcher sieht man nicht an, ob sie irreführend ist oder nicht.85 Das Irreführungspotential ergibt sich erst aus einem Vergleich der Garantiewerbung mit den an die Käufer ex post übermittelten Garantiedokumenten (z. B. Garantiekarte): Eine Irreführung kann nur dann vorliegen, wenn die nachträglich eingeräumten vertraglichen Rechte hinter dem Werbeversprechen zurückbleiben (vgl. hierzu auch noch unter D. III. 2. d)). Die Garantiedokumente werden den Käufern aber in der Regel erst mit der Lieferung der Kaufsache zur Verfügung gestellt. Auch wird erst in diesem Zeitpunkt klar, ob den Käufern überhaupt ein Dokument zur Verfügung gestellt wird oder nicht. Institutionen, die irreführende Garantiewerbung aktiv bekämpfen wollen, könnten diese Informationen aus erster Hand nur erlangen, wenn sie selbst zu Käufern werden (z. B. durch Testkäufe); solche Testkäufe sind allerdings sehr aufwändig und kostspielig, zumal Garantieversprechen vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen relevant werden und daher vor allem dort eine Kontrolle erforderlich ist (siehe dazu unter C. V., C. VI. 4.). Es ist schwer vorstellbar, dass deutsche Verbraucherschutzbehörden auch nur ansatzweise über die Kapazitäten verfügen, um die Garantiewerbung EU-ausländischer Anbieter systematisch zu überprüfen.86 Hier zeigen sich die Vorteile einer dezentralen Rechtsdurchsetzung: Verbraucher erfahren aus erster Hand und ohne zusätzliche Kosten, ob der (ausländische) Verkäufer sein Werbeversprechen honoriert oder nicht. Dabei kaufen unterschiedliche Verbraucher bei unterschiedliDirective, S.  235, 254, 257: “Practices such as misleading advertising can be identified easily by individuals concerned by this unfair commercial practice.” Ansatzweise bereits Lehmann/ Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 557. 85  Eine Ausnahme mag beispielsweise in solchen Fällen gelten, in denen gesetzliche Gewährleistungsrechte als Garantie beworben werden, vgl. hierzu Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  210. Dies sind allerdings nicht die Fälle, die §  443 Abs.  1 BGB in den Blick nimmt. Von §  443 Abs.  1 BGB erfasst sind allein Abweichungen zwischen Werbe- und vertraglichem Garantieversprechen. 86  Auch für Mitbewerber ist es offenbar zu zeitaufwändig, sich solche Informationen zu beschaffen. Abgemahnt wurden bisher ausschließlich Fälle der Verletzung von Informationspflichten nach §  479 BGB, vgl. Picht, JR 2015, 405 und die unten bei E. I. 1. c) aa) zitierten Urteile. Ob die Pflichten nach §  479 BGB erfüllt werden oder nicht, ergibt sich nämlich unmittelbar aus den Informationen auf der Website des Werbenden.

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chen Anbietern, sodass sich dezentral ein Erfahrungswissen aufbaut, das durchaus den kompletten Markt abdecken kann. bb) Finanzielle Anreize für Verbraucher Eine effiziente Rechtsdurchsetzung macht sich dieses dezentral vorhandene Wissen zunutze, indem sie für die einzelnen Verbraucher Anreize schafft, ihre Ansprüche gerichtlich geltend zu machen. Dies erfolgt in finanzieller Hinsicht durch Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 Abs.  1 BGB): Verbraucher erhalten einen erheblichen wirtschaftlichen Anreiz zur Klage, weil §  443 Abs.  1 BGB ihr Erfüllungsinteresse schützt und ihnen nicht beispielsweise lediglich einen Anspruch auf Rückabwicklung des Vertrages gibt (siehe dazu ausführlich unter D. III. 2. g)). Gleichzeitig ist ihr Prozessrisiko gering, weil sie vor Gericht nicht nachweisen müssen, dass sie die Garantiewerbung vor dem Kauf auch tatsächlich zur Kenntnis genommen haben und dadurch zum Kauf verleitet wurden (kein Kausalitätserfordernis, siehe unten unter D. III. 2. b)). Sie müssen auch nicht nachweisen, dass die Werbung im wettbewerbsrechtlichen Sinne unlauter war (siehe unten unter D. III. 2. d)). cc) Erleichterte Rechtsdurchsetzung für Verbraucher Die Rechtsdurchsetzung wird Verbrauchern zusätzlich durch das europäische Kollisions- und Zuständigkeitsrecht erleichtert. (1) Europäisches Kollisionsrecht Der Anspruch aus §  443 Abs.  1 BGB steht Verbrauchern nach Art.  6 Abs.  1 lit.  b) Rom I-VO auch gegenüber im Ausland ansässigen Unternehmern zu (kollisionsrechtlicher Verbraucherschutz87). Nach Art.  6 Abs.  1 lit.  b) Rom I-VO unterliegt ein „Vertrag“ zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn der Unternehmer seine Tätigkeit auf den Aufenthaltsstaat ausgerichtet hat und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf Garantiewerbung bei grenzüberschreitenden Transaktionen in aller Regel vor. Bei den Ansprüchen aus §  443 Abs.  1 BGB handelt es sich zwar nach hier vertretener Ansicht nicht um „vertragliche“ Ansprüche im Sinne des deutschen Vertragsverständnisses (siehe bereits oben unter D. III. 2. b) aa)). Sie unterfallen aber dennoch dem europarechtlich-autonom auszulegenden Begriff des „Vertrages“ gemäß Art.  6 Rom I-VO. Dieser wurde in drei zuständigkeitsrechtli87 

Vgl. BeckOGK/Rühl, Art.  6 Rom-I-VO Rn.  91.

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chen88 Urteilen durch den EuGH näher konkretisiert; zu Grunde lagen dabei stets Gewinnmitteilungen nach §  661a BGB (bzw. dem entsprechenden §  5j des österreichischen Konsumentenschutzgesetzes).89 Ansprüche aus Gewinnmitteilungen werden sowohl nach deutschem90 als auch nach österreichischem Recht91 systematisch als gesetzliche Ansprüche eingeordnet. Nach Ansicht des EuGH handelt es sich dennoch um „vertragliche“ Ansprüche im Sinne des europäischen Zuständigkeitsrechts, wenn im Anschluss an die Gewinnzusage eine Bestellung des Verbrauchers beim Versender der Gewinnzusage erfolgt.92 Hintergrund bilden die folgenden Erwägungen: „[D]ie Klage, mit der der Verbraucher in dem Vertragsstaat, in dessen Hoheitsgebiet er seinen Wohnsitz hat, von einer in einem anderen Vertragsstaat niedergelassenen Versandhandelsgesellschaft die Herausgabe eines scheinbar gewonnenen Preises verlangt, [muss] bei demselben Gericht erhoben werden können, das für eine Entscheidung über den von diesem Verbraucher geschlossenen Vertrag zuständig ist.“93

Unzulässig sei hingegen eine Auslegung dahingehend, „dass nur bestimmte Ansprüche aus einem Verbrauchervertrag unter die Zuständigkeitsvorschriften der Art.  13 bis 15 EuGVÜ94 fallen, während andere Klagen, die zu diesem Vertrag eine so enge Verbindung aufweisen, dass sie von ihm nicht getrennt werden können, unter andere Vorschriften fielen“.95

Der EuGH begründet damit eine Zuständigkeit „kraft Sachzusammenhangs“.96 Diese Überlegungen sind nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers auch auf die kollisionsrechtliche Vorschrift des Art.  6 Rom I-VO übertragbar (rechtsak88 

Zur rechtsaktübergreifenden, einheitlichen Auslegung der Rom I- und Brüssel Ia-Verordnung siehe sogleich. 89  EuGH NJW 2002, 2697 – Gabriel (noch zu Art.  13 EuGVÜ, aber auf die aktuelle Rechtslage übertragbar); NJW 2005, 811 – Engler (ebenfalls zu Art.  13 EuGVÜ); EuZW 2009, 489 – Ilsinger (zu Art.  15 EuGVO). 90  BGH NJW 2006, 230 Rn.  26. 91  Vgl. hierzu Beig/Reuß, EuZW 2009, 489, 493 (Anmerkung zu EuGH EuZW 2009, 489). 92  EuGH NJW 2009, 489 Rn.  59 – Ilsinger; NJW 2002, 2697 Rn.  53 – Gabriel; vgl. auch BGH NJW 2006, 230 Rn.  18; BeckOGK/Rühl, Art.  6 Rom I-VO Rn.  96. Nicht erfasst sind damit im Regelfall so genannte „isolierte Gewinnzusagen“, bei denen der Adressat keine Bestellung vornimmt (BGH NJW 2006, 230 Rn.  18). Das Problem stellt sich im Kontext der Garantiewerbehaftung indes nicht: Der Anspruch aus Garantiewerbehaftung steht nur einem „Käufer“ zu, setzt also zwingend voraus, dass ein (Kauf-)Vertrag vorliegt (siehe dazu unter D. III. 2. f), I. I. 1. a)). 93  EuGH NJW 2002, 2697 Rn.  55 – Gabriel. 94  Art.  13 EuGVÜ entspricht im Wesentlichen dem heutigen Art.  17 Brüssel Ia-Verordnung, vgl. dazu auch EuGH EuZW 2009, 489 Rn.  58 – Ilsinger (Kontinuität der Auslegung). 95  EuGH NJW 2002, 2697 Rn.  55 – Gabriel. 96  Ferrari/Staudinger, Art.  6 Rom I-VO Rn.  30; ähnlich MünchKommBGB/Martiny, Art.  6 Rom I-VO Rn.  20.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

tübergreifende Auslegung97).98 Auch hier müssen also Ansprüche, die „eng mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag verbunden“99 sind, dem Vertragsstatut unterfallen. Ansprüche aus Garantiewerbehaftung sind eng mit dem Kaufvertrag verbunden, da sie nur entstehen, wenn auch ein Kaufvertrag zustande kommt (siehe dazu unter D. III. 2. f), I. I. 1. a)). Hierfür spricht wiederum die Rechtsprechung des EuGH zu Gewinnzusagen: Das Gericht qualifizierte Ansprüche aus einer Gewinnzusage gerade deswegen als „eng […] verbunden“ mit dem Kaufvertrag, weil der Unternehmer den Gewinn von einer (dann auch tatsächlich erfolgten) Bestellung abhängig gemacht hatte.100 Problematisch ist allerdings, dass der Kaufvertrag nur bei Verkäuferwerbung mit Garantien „zwischen den Parteien“101 geschlossen wird, bei Herstellerwerbung hingegen nicht. Daraus könnte gefolgert werden, dass nur Verkäuferwerbung dem Statut des Art.  6 Rom I-Verordnung unterfällt, Herstellerwerbung hingegen allenfalls dann, wenn ein Garantievertrag zwischen Käufer und Hersteller zustande gekommen ist (zu den unterschiedlichen Fallgruppen der Garantiewerbehaftung vgl. unten unter D. III. g) bb)). Der Gedanke des Sachzusammenhangs verbietet indes eine unterschiedliche kollisionsrechtliche Beurteilung von Hersteller- und Verkäuferwerbung bzw. von Herstellerwerbung danach, ob ein Garantievertrag zustande gekommen ist oder nicht. Eine abweichende Beurteilung stünde auch mit Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht in Einklang: Dieser stellt vertragliche Garantieerklärungen und Garantiewerbung als Bindungsgründe gleich (siehe dazu ausführlich unter D. III. 2. a) aa)). Er differenziert zudem nicht zwischen Hersteller- und Verkäufergarantien. Garantiewerbung – ob nun solche des Herstellers oder des Verkäufers – muss aus diesem Grund nach demselben Recht beurteilt werden wie der Kaufvertrag, auf den sich die Werbung bezieht. Der Kaufvertrag wiederum stellt unproblematisch einen „Vertrag“ im Sinne von Art.  6 Rom I-VO dar. Auch die weiteren Voraussetzungen des Art.  6 Abs.  1 lit.  b) Rom I-VO, die vom EuGH weit ausgelegt werden,102 liegen im Regelfall einer grenzüberschreitenden Transaktion im Wege des Fernabsatzes vor.103 Ein in Deutschland wohnhafter Verbraucher, der im Wege des Fernabsatzes Waren von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen UnterZu diesem Begriff vgl. Rühl, GPR 2013, 122 ff. Erwägungsgründe 7, 24 Rom I-Verordnung; vgl. auch Ferrari/Staudinger, Art.  6 Rom I-VO Rn.  29; BeckOGK/Rühl, Art.  6 Rom I-VO Rn.  96; ausführlich und m. w. N. dies., GPR 2013, 122 f., 126. 99  EuGH NJW 2002, 2697 Rn.  54 – Gabriel. 100  EuGH NJW 2002, 2697 Rn.  54 – Gabriel. 101  So die Formulierung von EuGH NJW 2002, 2697 Rn.  54 – Gabriel. 102  Vgl. EuGH EuZW 2013, 943 Rn.  20 ff. – Lokman Emrek. 103  Vgl. zu den Voraussetzungen an ein „Ausrichten“ der Tätigkeit auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers EuGH NJW 2011, 505 Rn.  47 ff. – Pammer und Alpenhof. 97  98 

II. Auswirkungen auf die kaufrechtliche Garantie

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nehmer erwirbt, kann sich deswegen diesem gegenüber auf §  443 Abs.  1 BGB berufen. (2) Europäische Regelungen über die internationale Zuständigkeit Schließlich wird Verbrauchern die grenzüberschreitende Rechtsdurchsetzung auch durch das europäische Zuständigkeitsrecht erleichtert: Sie können eine Klage auf Erfüllung der Garantieversprechen an ihrem eigenen Wohnort anstrengen, Artt.  17 Abs.  1 lit.  c, 18 Abs.  1 Brüssel Ia-Verordnung104 (prozessualer Verbraucherschutz105). Der Begriff des „Vertrages“ ist dabei nach Art.  17 Abs.  1 lit.  c Brüssel Ia-Verordnung genauso auszulegen wie nach Art.  6 Rom I-Verordnung (siehe dazu oben unter D. II. 2. b) aa)). Weitere Erleichterungen bestehen in vollstreckungsrechtlicher Hinsicht: Erstreiten Verbraucher vor den Gerichten ihres Mitgliedstaates ein für sie günstiges Urteil, können sie dieses nach Art.  39 Brüssel Ia-Verordnung ohne Exequaturverfahren auch im Mitgliedstaat des Werbenden vollstrecken lassen.106 Häufig wird für den Käufer auch ein Verfahren nach der Small Claims-Verordnung107 in Betracht kommen; auch hier ist ein Titel im Falle des Obsiegens gemäß Art.  20 Small Claims-VO in jedem anderen Mitgliedstaat ohne Exequaturverfahren vollstreckbar. Bei geringfügigen Forderungen kann für den Verbraucher schließlich auch ein Verfahren der Online-Streitbeilegung (Schlichtung) nach der ODR-Verordnung108 attraktiv sein. dd) Ergebnis Aufgrund ihres Informationsvorsprungs und der für Verbraucher erleichterten Rechtsdurchsetzung ist private enforcement im Bereich der Garantiewerbehaftung besonders effektiv. Mithilfe von private enforcement kann die EU einen Grad an Rechtsdurchsetzung im öffentlichen Interesse erreichen, der allein auf institutionellem Wege nicht zu realisieren wäre. Grenzüberschreitende Verbandsklagen haben hingegen aufgrund für der für sie ungünstigen rechtlichen Rahmenbedingungen bisher kaum Bedeutung erlangen können.109 104 

Verordnung 1215/2012/EU. Begriff nach MünchKommZPO/Gottwald, Art.  17 VO (EU) 1215/2012 Rn.  1. 106  Die Bürden einer internationalen Vollstreckung sind aus Verbrauchersicht sicherlich dennoch nicht zu unterschätzen. Andererseits besteht gerade bei teuren Produkten durchaus ein Anreiz, Garantierechte international geltend zu machen; als Beispiel möge der Kauf einer teuren Uhr von einem ausländischen Anbieter dienen. 107  Verordnung 861/2007/EG. 108  Verordnung 524/2013/EU. 109  Näher Micklitz/Rott, in: Dauses/Ludwigs, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H.V. (Verbraucherschutz) Rn.  828. 105 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

c) Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie als effiziente Sanktionsnorm In materieller Hinsicht verpflichtet Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie den Werbenden zur Erfüllung seines Werbeversprechens. Die Norm führt damit zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Der Verbraucher entscheidet stets auf zutreffender Entscheidungsgrundlage, weil der Werbende stets beim Wort genommen wird (zum Problem der Rechtsfolgenbestimmung vgl. unten I. I. 2.).110 Eine effizientere Haftungsfolge wäre vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Garantiewerbehaftung kaum denkbar. Garantiewerbung kann im Grunde gar nicht mehr irreführend sein, weil sie stets wahr wird. Das Verbraucherschutzrecht macht sich damit einen individuellen Anspruch des Käufers zunutze, um eine besonders effiziente Sanktion irreführender Werbung herbeizuführen. Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Werbehaftung nach Art.  2 Abs.  2 lit.  d) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB) sowie für die Vorschriften der §§  241a, 661a BGB, die hier allerdings nicht ausführlich erörtert werden können.111

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung im nationalen Recht Aus dem überindividuellen Schutzzweck des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie resultieren Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung im nationalen Recht. Diesen Vorgaben wird die herrschende Meinung zum deutschen Recht bislang allerdings nicht gerecht. Problematisch ist vor allem die folgende, zentrale Annahme der herrschenden Ansicht (siehe bereits oben unter A. 2.): Garantiewerbung soll im Regelfall nur im Rahmen eines anderweitig zustande kommenden Garantievertrags Rechtswirkungen entfalten können (vgl. unten unter E. II.). Ansprüche aus Garantiewerbung, die von einem Vertrag unabhängig sind, lehnt die herrschende Meinung im Grundsatz ab. Diese Ansicht ist vor allem deswegen problematisch, weil sie zu folgender Konsequenz führt: Erhält der Käufer gar keine Garantiedokumente, bleibt die Werbung nach der herrschenden Meinung zivilrechtlich ohne Konsequenzen.112 Der Käufer soll sich in diesem Fall überhaupt nicht auf Garantierechte berufen Ähnlich OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2155; vgl. auch Riesenhuber, EU-Vertragsrecht, §  9 Rn.  21: „Prospektwahrheitspflicht“. 111  Vgl. zu §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  754 ff.; zu §§  241a, 661a BGB Wagner, AcP 206 (2006), 352, 448 f. 112  In Betracht kommen sollen allein Ansprüche aus culpa in contrahendo, vgl. hierzu Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  59 ff., 161 ff. 110 

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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können.113 Es ist allerdings nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet der „schlimmere“ Verstoß – der Käufer erhält werbewidrig gar keine Garantie – sanktionslos bleiben soll, während der weniger „schlimme“ Verstoß – der Käufer erhält eine Garantie, die allerdings hinter dem Werbeversprechen zurückbleibt – sanktioniert wird.114 Die herrschende Meinung zum deutschen Recht bestreitet dennoch, dass „Garantieerklärung“ und „einschlägige Werbung“ gleichrangige Bindungsgründe darstellen können. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie regele nämlich nicht die Art und Weise des Vertragsschlusses. Der Vertragsschluss bestimme sich vielmehr nach dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten.115 Liege nach diesem Recht kein Garantievertrag vor, könne garantiebezogene Werbung daher nicht verbindlich werden.

1. Festlegung der Vertragsnatur der Garantie durch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie? Diese Ansicht beruht auf der Annahme, dass die Haftung für Garantieerklärungen nur auf einem Vertrag beruhen kann. Tatsächlich scheint hierfür das Grünbuch der Kommission aus dem Jahr 1994 zu sprechen, mit dem sie den Erlass der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vorbereitet hat: „The commercial guarantee should clearly be considered as a contract between the guarantor and the holder of the good...“116 An anderer Stelle heißt es zur Verbindlichkeit von Werbung andererseits: „Advertising should not mislead consumers as to the real conditions contained in the guarantee document. Whenever this is the case, the guarantors should be obliged to honour the guarantee as advertised.“117 Beide Textpassagen scheinen in einem Widerspruch zueinander zu stehen: Einerseits soll die Garantie ausschließlich auf einem Vertrag beruhen, andererseits soll bloße Garantiewerbung verbindlich sein. Tatsächlich lässt sich aber dieser Widerspruch auflösen: Die Ausführungen zur vertraglichen Natur der Garantie hatten aus Sicht des europäischen Gesetzgebers vor allem den Zweck, klarzustellen, dass 113  Jorden, Verbrauchergarantien, S.  538 f.; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57 f.; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  32; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  6. 114  In Betracht kommen zwar Sanktionen nach dem UWG, doch kommen diese dem einzelnen Verbraucher nicht zu Gute, da er nicht nach §§  8 Abs.  3, 9 Satz  1, 10 Abs.  1 UWG aktivlegitimiert ist, siehe oben unter D. II. 2. 115  Jorden, Verbrauchergarantien, S.  524. 116  Commission, Green Paper on Guarantees for Consumer Goods and After-Sales Services, COM(93) 509 (final), S.  97. In der (missglückten) deutschen Fassung (KOM(93) 509 endg., S.  123): „Die kommerzielle Garantie wäre eindeutig als Vertrag zwischen dem Garantiegeber und dem Besitzer der fraglichen Sache zu betrachten [...].“ 117  Commission, Green Paper on Guarantees for Consumer Goods and After-Sales Services, COM(93) 509 (final), S.  98.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

direkte Garantieansprüche auch gegen den Hersteller bestehen können. Dies war nach dem Stand der damaligen Rechtsentwicklung nämlich nicht in allen Mitgliedstaaten selbstverständlich. Die vollständige Textpassage lautet: „The commercial guarantee should clearly be considered as a contract between the guarantor and the holder of the good, even if there is no direct relationship between these two persons. Hence the consumer would have a clear right directly opposable to the manufacturer when it is the manufacturer who offers the guarantee.“118

Eine entsprechende Präzisierung hat die Kommission dann auch in ihrem Richtlinienentwurf aus dem Jahr 1996 vorgenommen: „In diesem Absatz wird das selbstverständlich erscheinende Prinzip festgeschrieben, dem zufolge jede Garantie den Garantiegeber juristisch an die in den Garantieunterlagen festgelegten Bedingungen bindet. Dies bedeutet nicht, daß eine juristische Qualifikation der Garantie (Vertrag, einseitige Zusage usw.) vorgenommen wird […].“119

Die Haftung für Werbeaussagen wird von der Kommission im Grünbuch in ganz anderen Kapiteln behandelt und steht offensichtlich nicht unter dem Einfluss der Aussagen, die zur Rechtsnatur von Klauseln in Garantieunterlagen getroffen werden. Der Regulierungszweck der Haftung für Werbeaussagen wird von der Kommission dabei ganz deutlich herausgestellt: „Die Haftbarmachung für die eigene Werbung würde zu saubereren Werbepraktiken beitragen und verhindern, daß die Verbraucher bezüglich der konkret anwendbaren Garantien irregeführt werden [...].“120 Mit der Werbehaftung verfolgt die Kommission damit, wie bereits oben unter D. II. 1. ausgeführt, lauterkeitsrechtliche Zwecke. Diese Zwecke werden aber unabhängig davon berührt, ob im Einzelfall ein Garantievertrag vorliegt oder nicht. Hier greift sogar ein argumentum a fortiori: Die Irreführungsgefahr ist sogar dort am größten, wo Werbung eine Garantie anpreist, die dann aber tatsächlich überhaupt nicht gewährt wird.

2. Die europarechtlichen Vorgaben im Einzelnen Aus dem Marktordnungszweck der europarechtlichen Garantiewerbehaftung folgen bestimmte Anforderungen an die nationale Umsetzungsnorm, die im Folgenden ausführlich erörtert werden sollen: Commission, Green Paper on Guarantees for Consumer Goods and After-Sales Services, COM(93) 509 (final), S.  97. 119  Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garan­ tien, KOM(95) 520 endg., S.  16; vgl. hierzu auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  495 ff. 120  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  123. Diese Textpassage fehlt in der englischen Version des Grünbuchs. Hierbei scheint es sich um ein Redaktionsversehen zu handeln, da sie in allen anderen Sprachfassungen vorhanden ist. 118 

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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a) Die Haftung für Garantiewerbung muss unabhängig davon bestehen, ob nach nationalem Recht ein Garantievertrag zustande kommt oder nicht. Insbesondere muss die Garantiewerbung nicht selbst den Charakter einer Vertragserklärung nach nationalem Recht haben, um verbindlich zu wirken. b) Die Haftung für Garantiewerbung darf nicht davon abhängen, dass der Käufer die Werbung zur Kenntnis genommen hat. Es darf daher auch nicht gefordert werden, dass der Käufer durch die Werbung zum Kauf bestimmt wurde. c) Garantiewerbung liegt vor bei jeder Form der Kommunikation an die Öffentlichkeit oder an bestimmte Verbraucher, die ein Qualitätssignal setzt, indem sie aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers die Erwartung bestimmter Gebrauchsvorteile hervorruft. d) Der Käufer muss nicht nachweisen, dass die Garantiewerbung im lauterkeitsrechtlichen Sinne „irreführend“ war, um Ansprüche aus Garantiewerbehaftung geltend machen zu können. e) Der Werbetreibende muss dem Käufer für seine garantiebezogene Werbung direkt haften, auch wenn er nicht zugleich Verkäufer ist.121 Die Haftung für Garantiewerbung muss stets den Werbenden selbst treffen. f) Anspruchsberechtigt ist jeder Käufer der beworbenen Ware. g) Die Haftung muss sich auf Erfüllung, das heißt auf Gewährung der beworbenen Garantie in natura, richten. a) Unabhängigkeit der Garantiewerbehaftung vom Vorliegen eines Garantievertrags Die Garantiewerbehaftung besteht nach den Vorgaben des europäischen Rechts unabhängig davon, ob nach nationalem Recht ein Garantievertrag zustande kommt oder nicht.122 Sie ist damit nicht abhängig von einem rechtsgeschäftlichen Verpflichtungswillen des Garantiegebers. Für eine solche Auslegung sprechen die folgenden Gründe: 121 

Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  123: „Verankerung des Grundsatzes, daß [...] der Werbungstreibende dem einzelnen Verbraucher gegenüber unmittelbar haftbar ist“. 122  So auch Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  247 f.: “[T]he reference to ‘advertising’ in the definition of guarantee in Article 1(2)(e) suggests that a guarantee within the meaning of the Directive can be based entirely on advertising.” (Hervorhebung nur hier); ihm zustimmend Wiewiórowska-Domagalska, Consumer Sales Guarantees in the European Union, S.  96 f.; bereits zuvor Grundmann, Europäisches Schuldvertragsrecht, §  5 Rn.  32.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

aa) Garantiewerbung und Garantieerklärung als gleichwertige Bindungsgründe Gemäß Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist die Garantie „zu den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen“ verbindlich. Eine „Hierarchie“ dahingehend, dass die einschlägige Werbung nur im Rahmen eines Garantievertrages Bindungswirkung entfalten kann (indem sie beispielsweise nur einzelne Garantieklauseln ersetzt123), lässt sich Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht entnehmen. Vielmehr sollen Garantiewerbung und vertragliche Garantieklauseln nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers gleichwertig sein: „Dieser Absatz stellt […] Werbung mit Garantien den eigentlichen Garantiebedingungen gleich.“124 Eine „Hierarchie“ widerspräche auch dem marktordnungsrechtlichen Zweck der Haftung, Qualitätssignaling durch Garantiewerbung zu schützen. Garantiewerbung ist eine Botschaft an die Marktgegenseite, durch die der Werbende sich selbst binden können muss, um ein glaubwürdiges Signal setzen zu können:125 „It is because of the legal system that warranty commitments become credible signals.“126 Aus lawand-economics-Sicht besteht die Aufgabe der Rechtsordnung also darin, die Signalwirkung von Garantien zu schützen. Diese Aufgabenstellung macht sich das europäische Recht zu eigen, indem es der Garantiewerbung verbindliche Wirkung beilegt. Das europäische Recht folgt damit der Signalingtheorie.127 Für diese Sichtweise sprechen vor allem auch zwei gesetzgeberische Initiativen aus jüngerer Zeit: So legte die Kommission im Jahr 2008 den Entwurf einer Verbraucherrechterichtlinie128 vor, die in ihrer ursprünglichen Fassung die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vollständig ersetzen sollte.129 Art.  29 des Richtlinienentwurfs enthielt dabei eine Nachfolgenorm zu Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie; diese sah in Absatz 1 folgende Regelung vor: „Eine gewerbliche Garantie ist für den Garantiegeber unter den in der Garantieerklärung angegebenen Bedingungen verbindlich. Fehlt eine Garantieerklärung, so ist die gewerbliche Garan-

123 

Vgl. zu den „Auslegungslösungen“ unter E. II. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garan­ tien, KOM(95) 520 endg., S.  16. 125 Vgl. Carlton/Perloff, Modern Industrial Organization, S.  470: Nur “credible guarantees” haben Informationswirkung für den Markt. 126  Wehrt, Warranties, S.  260. 127  Zustimmend, wenn auch kritisch Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 41; Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  115 f. 128  KOM(2008) 614 endg. 129  Vgl. Erwägungsgrund 2 und Art.  47 des Richtlinienentwurfs, KOM(2008) 614 endg. 124 

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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tie unter den Bedingungen verbindlich, die in der Werbung über die gewerbliche Garantie angegeben sind.“

Diese Regelung entspricht vollumfänglich dem hier vorgestellten Konzept. Sie wurde zwar letztlich nicht Gesetz, doch liegt dies vor allem daran, dass (fast) der gesamte Bereich des Kaufrechts im Zuge der politischen Konsensfindung aus dem Anwendungsbereich der Verbraucherrechterichtlinie herausgenommen wurde.130 Art.  29 des Kommissionsentwurfs kann aus diesem Grund als Interpretationshilfe für Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie herangezogen werden; dafür spricht vor allem, dass in den Erwägungsgründen des Richtlinienentwurfs in keiner Weise angedeutet wurde, dass Art.  29 gegenüber dem bisherigen Rechtszustand (Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie) eine Änderung bewirken sollte.131 Auch der neue Vorschlag der Kommission für eine Warenhandelsrichtlinie132 steht im Einklang mit dem hier vorgestellten Konzept. Nach dem Willen der Kommission soll die (ebenfalls vollharmonisierende) Warenhandelsrichtlinie wiederum an die Stelle der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie treten.133 In Art.  15 findet sich aus diesem Grund die Nachfolgenorm zu Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, deren Absatz 1 folgende Regelung vorsieht: „Jede gewerbliche Garantie ist für den Garantiegeber zu den Bedingungen verbindlich, die festgelegt sind in: (a) vorvertraglichen Informationen des Verkäufers, einschließlich vorvertraglicher Erklärungen, die Bestandteil des Vertrags sind, (b) der bei oder vor Abschluss des Vertrags verfügbaren Werbung und (c) der Garantieerklärung. Enthält die Garantieerklärung für den Verbraucher weniger günstige Bedingungen als die vorvertraglichen Informationen des Verkäufers oder die Werbung, unterliegt die gewerbliche Garantie den Bedingungen, die in den vorvertraglichen Informationen oder der Werbung in Verbindung mit der gewerblichen Garantie genannt sind.“

Die jüngere europäische Rechtsentwicklung bestätigt damit, dass Garantiewerbung und Garantieerklärung nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers gleichwertige Bindungsgründe darstellen sollen. bb) Garantiewerbung als zentrale Informationsquelle vor dem Kauf Für die Konzeption des europäischen Rechts sprechen aus Sicht des ökonomischen Signalingkonzepts wichtige Gründe: Die Signalwirkung geht nicht von dem Garantievertrag aus, der in der Regel erst nach dem Kauf zustande kommt. 130  Ausschlaggebend waren vor allem Vorbehalte gegenüber einer Vollharmonisierung im Bereich des Kaufrechts, vgl. Leutheusser-Schnarrenberger, VuR 2010, 401. 131  Vgl. Erwägungsgrund 44 des Richtlinienentwurfs, KOM(2008) 614 endg. 132  COM(2017) 637 final. 133  Vgl. Erwägungsgrund 14 und Art.  21 des Richtlinienentwurfs, COM(2017) 637 final.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

Zentrales Signalmedium ist vielmehr die Garantiewerbung, die im vorvertraglichen Stadium auf die Entscheidungsfindung der Kaufinteressenten einwirkt. Vor dem Kauf ist die Garantiewerbung nämlich in aller Regel die einzige Informationsquelle des Käufers über die in Aussicht gestellte Garantie.134 Die genauen Garantiekonditionen werden dem Käufer in der Regel erst im Zuge der Lieferung der Kaufsache – also nach Abschluss des Kaufvertrags – in Form einer Garantiekarte oder sonstigen Garantiedokumentation zur Verfügung gestellt:135 „In der Praxis hat … der Verbraucher niemals vor einem Kauf Zugang zu Garantieunterlagen. Der Verbraucher kennt die Garantien also nur von der Werbung her. Sein Vertrauen und seine Erwartungen beruhen mithin auf der Werbung mit Garantien.“136 Andererseits sieht Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nun die Pflicht vor, den Kaufinteressenten über die konkreten Garantiebedingungen bereits vor dem Kauf zu informieren. Unter D. III. 2. a) ee) wird dabei die Auffassung entwickelt, dass diese Pflicht bereits dann eingreift, wenn mit Garantien nur geworben wird. Anders als nach der herrschenden Meinung zum deutschen Recht (vgl. unter D. III. 2. a) ee)) entstehen die disclosure-Pflichten nach hiesiger Ansicht also nicht erst dann, wenn ein vertragliches Garantieangebot vorliegt. Die disclosure-Pflichten des Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die offensichtlich dem U.S.-amerikanischen Magnuson Moss Warranties Act137 nachgebildet sind, sind allerdings nicht in der Lage, das von der Kommission geschilderte vorvertragliche Informationsproblem zu lösen. Es entspricht gesicherter Erkenntnis, dass Käufer (Garantie-)AGB vor dem Kauf nicht lesen und dass dieses Verhalten auch individuell rational ist (vgl. ausführlich zu dem signing-without-reading-Problem C. VI. 1. a)). Käufer entwickeln ihre Vorstellungen über den Inhalt der zu gewährenden Garantie daher vor allem auf der Basis von Garantiewerbung. Diese stellt auch dann ihre zentrale Informationsquelle dar, wenn der Werbende seinen Pflichten nach Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  479 BGB) genügt. Die zentrale Informationsfunktion von Werbung gebietet es, den Werbenden „beim Wort zu nehmen“. Garantiewerbung kann aus Verbrauchersicht nur dann 134  Jorden, Verbrauchergarantien, S.  532; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  61; Menke, VuR 1994, 224; Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 550. 135  Zwar stellen immer mehr Garantiegeber die vollständigen Garantie-AGB auch als Download auf ihrer Website bereit, so vor allem Kfz-Hersteller, vgl. z. B. die Website von Audi unter https://www.audi.de/de/brand/de/kundenbereich/garantie/audi-garantie.html. Angesichts des signing-without-reading-Problems bei AGB (dazu siehe oben C. VI. 1.) stellt diese Vorgehensweise die zentrale Informationsfunktion von Werbung jedoch nicht in Frage. 136  Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM(95) 520 endg., S.  16. 137  Section 102(a) Magnuson Moss Warranty Act = 15 U.S.C. §  2302(a).

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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ein glaubwürdiges Signal setzen, wenn der Verbraucher sich darauf verlassen kann, die beworbenen Garantierechte nach dem Kauf tatsächlich geltend machen zu können.138 Rechtssicherheit benötigt er schon, bevor er seine Kaufentscheidung trifft. Erfährt er erst nach dem Kauf, ob er Garantieansprüche erhält (weil er erst dann das Garantiedokument erlangt oder auch nicht), verringert sich seine Qualitätsunsicherheit vor dem Kauf nicht. Das Bestehen von Garantierechten kann daher nicht von Umständen nach dem Kauf abhängen. In der deutschen Literatur wird indes ganz überwiegend davon ausgegangen, dass Garantiewerbung nur vertragsmodifizierende Wirkung haben, aber nicht aus sich heraus verbindlich wirken kann (siehe bereits unter A. 2. und ausführlich unten unter E. II.). Diese Ansicht ist nicht europarechtskonform. Richtig ist zwar, dass der europäische Gesetzgeber bei der Normierung der Garantiewerbehaftung vor allem den Fall vor Augen hatte, dass ein tatsächlich zustande kommender Garantievertrag hinter den Versprechen der Garantiewerbung zurückbleibt.139 Daraus folgt aber nicht, dass Garantiewerbung völlig unverbindlich sein soll, wenn der Werbende dem Käufer gar keine vertraglichen Garantieunterlagen zukommen lässt.140 Eine solche Auslegung hätte zur Konsequenz, dass ausgerechnet der „schlimmere“ Fall von Irreführung sanktionslos bliebe (vgl. bereits oben unter D. III.). Der Verbraucher, der gar keine Garantieunterlagen erhält, würde schlechter stehen als der Verbraucher, der immerhin zumindest eine Garantiekarte erhält, die hinter den Werbeversprechen zurückbleibt. Dieses Ergebnis kann in teleologischer Hinsicht nicht überzeugen. Die Signalwirkung der Garantiewerbung wird im ersten Fall in viel erheblicherem Maße gefährdet. Werbung muss daher erst recht verbindlich sein, wenn der Käufer gar keine vertraglichen Garantieunterlagen erhält. Auch dies zeigt, dass die Haftung für Garantiewerbung unabhängig vom Zustandekommen eines Garantievertrages eingreifen muss. cc) Vorrang der Privatautonomie als Haftungsschranke? Die Zurückhaltung gegenüber der Anerkennung von Ansprüchen allein aus Garantiewerbung im deutschen Recht resultiert vor allem aus Erwägungen zum Schutz der Privatautonomie. Wirkung entfaltet hier die tradierte Vorstellung, Ähnlich OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2155; vgl. auch Grundmann, AcP 202 (2002), 40, 47 (zu Art.  2 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie). 139  So geht die Kommission beispielsweise davon aus, „daß solcherlei Werbeaussagen fester Bestandteil der Garantiebestimmung wird [sic]“ (KOM[95] 520 endg., S.  16). Diese Rechtsfolge kann nur eingreifen, wenn überhaupt vertragliche Garantiebestimmungen vorliegen. 140  So aber tatsächlich die h.M., vgl. Jorden, Verbrauchergarantien, S.  538 f.; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57 f.; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  32; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  6. 138 

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dass sich Erfüllungsansprüche nur vertraglich begründen lassen.141 Indes sind dem deutschen Recht auf Gesetz beruhende Erfüllungsansprüche nicht fremd: Insbesondere führen zahlreiche geschriebene Tatbestände der Rechtsscheinhaftung zur Erfüllungsansprüchen.142 Gewichtiger erscheinen vielmehr die folgenden Erwägungen von Canaris zum Vorrang der Privatautonomie vor einer gesetzlichen Haftung: Niemand dürfe sich auf ein bestimmtes künftiges Verhalten seines Gegenübers „einfach so“ verlassen und den Schutz der Rechtsordnung erwarten. Vielmehr müsse er mit seinem Gegenüber einen Vertrag schließen, wenn er sich gegen die Risiken unsicheren Verhaltens in der Zukunft absichern wolle.143 Dies gebiete die Achtung der Privatautonomie.144 Eine gesetzliche Haftung erscheint vor diesem Hintergrund als subsidiäres Schutzinstrument, das hinter dem vorrangigen Instrument des privatautonomen Selbstschutzes – dem Vertrag – zurücktreten muss. Einer gesetzlichen Garantiewerbehaftung könnte vor diesem Hintergrund nach nationalem Verständnis der Vorrang der Privatautonomie entgegenstehen. Canaris erkennt indes zu Recht Ausnahmen für den Fall an, dass die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie gestört sind.145 Hier dürfte zwar keiner der von Canaris ausdrücklich diskutierten Fälle vorliegen;146 allerdings lässt sich nicht bezweifeln, dass die Funktionsvoraussetzungen eines privatautonomen Aushandelns von Verträgen im Binnenmarkt nicht gegeben sind: Bei Garantiewerbung steht den Kaufinteressenten kein Mittel zu, um sich vertraglich schon vor dem Kauf gegen das Risiko abzusichern, dass der die in Aussicht gestellte Garantievertrag nicht gewährt wird. Bei Verkäuferwerbung mit Garantien könnte der Kaufinteressent zwar theoretisch darauf bestehen, dass der Verkäufer eine Klausel in den Kaufvertrag aufnimmt, wonach er eine Garantie schuldet. Bei den für den grenzüberschreitenden Verkehr besonders wichtigen Online-Bestellungen fehlt hierzu jedoch faktisch jegliche Möglichkeit.147 Bei Herstellerwerbung Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 2, S.  834; Bydlinski, Privatautonomie und objektive Grundlage des verpflichtenden Rechtsgeschäfts, S.  174; MünchKommBGB/Säcker, Einl. BGB, Rn.  178; kritisch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  429 ff. 142  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  431 f. 143  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  352 f. 144  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  353. 145  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  353 ff. 146 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  354 ff.: „Königlicher Kaufmann“ und Hofübergaberechtsprechung. 147  Auch im stationären Handel fehlt es an der entsprechenden Möglichkeit. Der Abschluss des Kaufvertrags vollzieht sich hier dadurch, dass der Käufer die Ware an der Kasse vorlegt und bezahlt. Schriftliche oder auch nur in irgendeiner Form individuell ausgehandelte Kaufverträge sind die absolute Ausnahme. 141 Vgl.

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besteht diese Möglichkeit nicht einmal theoretisch, wenn man einen völlig lebensfernen Vorvertrag über eine Herstellergarantie außer Acht lässt. Möglichkeiten des privatautonomen Selbstschutzes existieren im modernen, anonymisierten Geschäftsverkehr praktisch nicht. Aus Gründen der wünschenswerten Transaktionskostenersparnis können Verträge in diesem Bereich nicht individuell ausgehandelt werden. Das Europarecht knüpft an diese wirtschaftliche Realität an und schafft mit der Garantiewerbehaftung die Voraussetzungen für einen möglichst effizienten, auf hinreichender Information beruhenden Güteraustausch. Ohnehin können Erwägungen auf Ebene des nationalen Rechts den europarechtlich vorgegebenen Anwendungsbereich der Garantiewerbehaftung nicht schmälern. dd) Haftung ex lege, nicht ex voluntate Bei der Haftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie handelt es sich vor diesem Hintergrund ähnlich wie bei der gesetzlichen Vertrauenshaftung148 um eine Haftung ex lege, nicht ex voluntate. Die Verpflichtung wird dem Werbenden nicht auferlegt, weil sie seinem privatautonom gebildeten Willen entspricht, sondern sie wird ihm auferlegt, um den Markt zu schützen. Die Rechtsfolge – Erfüllung – ist dabei so gewählt, dass sie die Informationsvermittlung durch Garantiewerbung auf die denkbar effizienteste Art und Weise schützt (siehe oben unter D. II. 1.). Für die Einordnung als gesetzliche Haftung spricht vor allem, dass diese Kategorisierung eine konsistente Entwicklung der aus §  443 Abs.  1 BGB resultierenden Rechtsfolgen ermöglicht. Werbung besteht häufig nur aus Schlagworten (z. B. „3 Jahre Garantie!“), ohne die konkreten Garantieleistungen näher zu spezifizieren und ohne die Bedingungen anzugeben, unter denen der Garantieanspruch konkret bestehen soll.149 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie die Ansprüche aus Garantiewerbung ausgestaltet werden können. Diese Frage ist einer konsistenten Antwort nur zugänglich, wenn man die Garantiewerbehaftung entgegen der herrschenden Meinung als Fall der gesetzlichen und nicht der rechtsgeschäftlichen Haftung begreift. In diesem Fall ergeben sich die konkreten Ansprüche nicht im Wege der Auslegung nach §§  133, 157 BGB, sondern sie sind aus dem (überindividuellen) Schutzzweck des §  443 Abs.  1 BGB abzuleiten (siehe zu den konkreten Rechtsfolgen ausführlich unten unter I. I. 2.). Während es für die Auslegung von Rechtsgeschäften auf den (objektiven) Parteiwillen ankommt, bestimmen sich die Rechtsfolgen einer gesetzlichen Haftung nach

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  428 f. Vgl. als Gegenbeispiel aber auch BGH NJW 1979, 2036 – Isolarglas.

148 Dazu 149 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

dem Schutzzweck der Haftungsnorm.150 Die aus der Garantiewerbung resultierenden Ansprüche sind aus diesem Grund nicht anhand des objektiven Empfängerhorizonts eines bestimmten Werbeadressaten zu konkretisieren.151 Eine solche Auslegung wäre in der Tat wenig erfolgversprechend, da der einzelne, individuelle Leser mit den in der Werbung verwendeten Schlagworten nicht notwendig konkrete Garantierechte verbindet. Sie wäre aber vor allem auch nicht geeignet, den überindividuellen Schutzzweck der Garantiewerbehaftung zu verwirklichen:152 Es wäre nicht sichergestellt, dass dieselbe Werbeaussage zu denselben Rechtsfolgen führt, weil unterschiedliche Leser sie unter Umständen aufgrund des jeweiligen Rezeptionskontextes berechtigterweise unterschiedlich verstehen könnten (vgl. auch schon oben unter C. VI. 1. c)). Im europäischen Verbraucherschutzrecht kommt es aus diesem Grund auf den normativen Horizont eines „Durchschnittsverbraucher[s], der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist…“, an.153 Bei dem objektiven Empfängerhorizont und dem Verständnis eines verständigen Durchschnittsverbrauchers handelt es sich – auch wenn dies häufig unbeachtet bleibt – um unterschiedliche Maßstäbe:154 Der objektive Empfängerhorizont ist ein Mittel des rechtsgeschäftlichen Vertrauensschutzes in Fällen, in den der Empfänger der Erklärung ihr berechtigterweise einen anderen Sinn beilegt der Erklärende.155 Maßgeblich sind dabei die konkreten Verständnismöglichkeiten des Erklärungsempfängers, insbesondere auch die konkreten Umstände, unter denen er eine Erklärung zur Kenntnis nimmt.156 „[D]ie Objektivierung [geht] im Regelfall … nicht so weit, dass darauf abzustellen wäre, welche Bedeutung eine Willenserklärung für jedermann, für einen beliebigen vernünftigen Teilnehmer am Rechtsverkehr hat.“157 Bei dem Horizont des verständigen Durchschnittsverbrauchers handelt es sich hingegen um einen deutlich stärker typisierenden Maßstab, der nicht nach 150  Ausführlich Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  196 ff.; ders., Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  27. 151  So auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  535 f., die daraus aber nicht den Schluss auf eine gesetzliche, vom Vorliegen eines Vertrags unabhängige Haftung zieht (vgl. dies. a. a. O. S.  538 f.) 152 Ähnlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  471, 751 f. 153  Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  471: Jorden, Verbrauchergarantien, S.  535 f. 154  Ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  471, 749 ff., vor allem 751; Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn.  278; vgl. zur Auslegung von Gewinnzusagen MünchKommBGB/Schäfer, §  661a Rn.  16; allgemein Pfeiffer, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art.  169 AEUV Rn.  27. 155  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  256 f.; ders., Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  8; MünchKommBGB/Busche, §  133 Rn.  13. 156  MünchKommBGB/Busche, §  133 Rn.  12. 157  MünchKommBGB/Busche, §  133 Rn.  12.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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den objektivierten Verständnismöglichkeiten einer konkreten Person fragt, sondern nach Verständnismöglichkeiten eines „fiktiven typischen Verbraucher[s]“.158 Als solcher hat er vor allem im (europäischen) Lauterkeitsrecht Bedeutung.159 Er stellt sicher, dass die Lauterkeit einer Geschäftspraktik nach einem einheitlichen Maßstab beurteilt werden kann; dieselbe Werbeaussage kann schließlich nicht gegenüber dem einen Verbraucher lauter, gegenüber dem anderen unlauter sein.160 Die Möglichkeit einer einheitlichen, typisierenden Auslegung von Werbeaussagen besteht damit auch bei §  443 Abs.  1 BGB nur, wenn der Horizont eines verständigen Durchschnittsverbrauchers zum Maßstab genommen wird. Dies ist aber nur möglich, wenn man die Garantiewerbehaftung als gesetzliche Haftung versteht. Für die systematische Einordnung der Garantiewerbehaftung als gesetzliche Haftung spricht zusätzlich noch das folgende Argument: Das Problem der inhaltlichen Unbestimmtheit von Garantien ist im BGB keineswegs neu. „Inhaltsarme“ vertragliche Garantien haben Rechtsprechung und Literatur schon häufig vor Herausforderungen gestellt. Tatsächlich finden sich in der Praxis zahlreiche Garantiekarten, die in inhaltlicher Hinsicht erhebliche Lücken aufweisen.161 Diese lassen sich auch nicht unter Rückgriff auf dispositives Gesetzesrecht schließen, weil es ein solches für vertragliche Garantien im BGB nicht gibt (siehe bereits oben unter C. VI. 1. c)). Rechtsprechung und Literatur stellen das Zustandekommen eines Vertrages dennoch nicht in Frage. Das Problem der inhaltlichen Unbestimmtheit lösen sie vielmehr unter großzügigem Rückgriff auf die Lehre von der ergänzenden Vertragsauslegung.162 Die dabei angewendeten Lückenfüllungsmechanismen entfernen sich allerdings stark von einer Orientierung am Parteiwillen, der eigentlich die Grundlage des Vertrages bilden soll(te).163 Maßstabsbildend wirken vielmehr bestimmte typisierte Kundenerwartungen bzw. die Verkehrserwartung (siehe dazu ausführlich unten unter I. I. 3. und 4.). Diesen kommt auch im Rahmen der Klauselkontrolle von Garantien eine zentrale Rolle zu (siehe bereits ausführlich unten C. VI. 1. c) sowie unter I. II. 1. b) bb)): Garantie-AGB werden nach §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB an den typisierten Käufererwartungen gemessen, die damit ähnliche normative Kraft entfalten wie dispositives 158  Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  751; im Ergebnis auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  535 f. 159  Vgl. Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie. 160  Ausnahmen vom Maßstab des verständigen Durchschnittsverbrauchers gelten allerdings, wenn sich die Geschäftspraktik an eine besonders leicht beeinflussbare Verbrauchergruppe richtet, vgl. Erwägungsgründe 18 und 19 UGP-Richtlinie. 161  BT-Drs. 14/6040, S.  237. 162  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  37. 163  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Band 3, S.  258.

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Gesetzesrecht. Der Inhalt von Garantien wird also bereits in erheblichem Maße durch normativ verstandene Erwartungen geprägt, die von Rechtsprechung und Literatur entwickelt, verallgemeinert und standardisiert wurden. In der Rechtspraxis trägt die Garantie damit ohnehin bereits Züge eines gesetzlichen Schuldverhältnisses (vgl. hierzu noch ausführlich unter I. I. 3. und 4.). Die hier vorgeschlagene Einordnung der Garantiewerbehaftung als gesetzliches Schuldverhältnis im Rahmen des §  443 Abs.  1 BGB ist geeignet, diese Rechtspraxis auf eine dogmatisch sichere Grundlage zu stellen: Sie kann begründen, warum den typisierten Käufererwartungen normative Kraft zukommt. Diese normative Kraft erlangen sie kraft des typisierten europarechtlichen Erwartungsschutzes, der in §  443 Abs.  1 BGB gesetzlich verankert wurde. ee) Werbung als „Garantie“ im Sinne von Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie? Das hier vorgeschlagene Verständnis der Garantiewerbehaftung führt schließlich auch nicht zu untragbaren Ergebnissen im Rahmen der Informationspflichten nach Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Die Problematik erschließt nur mit Blick auf das deutsche Recht: Nach §  479 Abs.  1 Satz  1 BGB sind die Informationspflichten, insbesondere die Pflicht zur Information über den Inhalt der Garantie, nur dann zu erfüllen, wenn eine „Garantieerklärung“ vorliegt. Der BGH geht im Einklang mit der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum von einer Informationspflicht nur dann aus, wenn ein vertragliches Garantieangebot vorliegt.164 Bloße Werbung mit einer Garantie genügt nach der Rechtsprechung nicht, um die Informationspflichten nach §  479 BGB zu begründen.165 Im Hintergrund steht offenbar die Befürchtung, dass Werbung ansonsten inhaltlich zu stark überfrachtet werden könnte. Die Unterscheidung zwischen einem verbindlichen Garantieangebot und „bloßer“ Werbung hat im Bereich des Lauterkeitsrechts zu einer ganzen Reihe von Urteilen geführt, in denen Kriterien für die Abgrenzung zwischen beiden Kategorien gefunden werden mussten (siehe unten unter E. I. 1. c) aa)). Als problematisch erweisen sich dabei vor allem Konstellationen, in denen der Verkäufer auf einer Website mit einer Garantie wirbt und gleichzeitig eine Bestellmaske für das entsprechende Produkt zur Verfügung stellt (siehe dazu ausführlich unten unter E. I. 1. c) aa))). 164 

BGH NJW 2011, 2653 Rn.  26 – Werbung mit Garantie; GRUR 2012, 730 Rn.  43 – Bauheizgerät; MMR 2013, 586 – Internetwerbung mit Herstellergarantie; vgl. auch BGH NJW 1981, 276, wo ein „Garantieversprechen“ von einer unverbindliche[n] Werbeerklärung“ abgegrenzt wird; BeckOK BGB/Faust, §  479 Rn.  5; MünchKommBGB/Lorenz, §  477 Rn.  3. 165  BGH NJW 2011, 2653 Rn.  26 – Werbung mit Garantie; GRUR 2012, 730 Rn.  43 – Bauheizgerät; MMR 2013, 586 – Internetwerbung mit Herstellergarantie.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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Die in Deutschland praktizierte Unterscheidung entspricht weder dem Wortlaut noch der Teleologie des Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.166 Diese Norm knüpft die Informationspflichten an das Vorliegen einer „Garantie“ an. „Garantie“ im Sinne von Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist eine „Verpflichtung“, bei Mängeln der Kaufsache Abhilfe zu leisten. Der Rechtsgrund der Verpflichtung ist für Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht von Bedeutung. Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich auch bei Garantiewerbung um einen eigenständigen Bindungsgrund und damit um eine garantiemäßige „Verpflichtung“. Die Argumentation des BGH beruht hingegen auf der Annahme, dass „Werbung“ als solche keine „Garantie“ im Sinne des Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie darstellen kann.167 Diese Ansicht ist indes aus den oben genannten Gründen unzutreffend. Die Informationspflichten nach Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie greifen aus diesem Grund auch bei „bloßer“ Garantiewerbung ein.168 Für die hier vertretene Ansicht sprechen auch Sinn und Zweck des Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Teleologisch wäre es kaum begründbar, warum die Informationspflichten nach Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie durch den Garantiegeber erst nach dem Kauf zu erfüllen sein sollen.169 Genau dies wäre aber die Folge eines Anknüpfens an eine vertragliche Garantieerklärung: Diese wird dem Käufer in aller Regel erst bei Lieferung der Kaufsache in Form einer Garantiekarte übermittelt.170 Eine Norm, die dem Schutz der Signalwirkung von Garantien dient, zielt aber gerade auf den Schutz der Entscheidungsgrundlagen von Kaufinteressenten im vorvertraglichen Stadium.171 Dann kann dieselbe Norm nicht so interpretiert werden, dass sie es dem Werbenden erlaubt, die konkreten Garantiebedingungen bis zum Vertragsschluss „geheim“ zu halten.172 Die einschränkende Regelung in §  479 Abs.  1 Satz  1 BGB verstößt daher gegen Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Eine richtlinienkonforme Auslegung dürfte kaum möglich sein, da §  479 Abs.  1 Satz  1 BGB für den Begriff der „Garantieerklärung“ auf §  443 Abs.  1 BGB verweist. §  443 Abs.  1 BGB differenziert ausdrücklich zwischen Garantieerklärung und Werbung, sodass es nicht als möglich erscheint, den Begriff der „Garantieerklärung“ als Oberbegriff für Werbung und vertragsförmige Erklä166 

BGH NJW 2011, 2653 Rn.  28 f. – Werbung mit Garantie. BGH NJW 2011, 2653 Rn.  29 – Werbung mit Garantie: Die Richtlinie gebe „keine Hinweise darauf, dass die Werbung als solche bereits als ‚Garantie‘ anzusehen ist“; kritisch hierzu Picht, JR 2015, 405, 410. 168  So auch Picht, JR 2015, 405, 410; BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  40. 169  Picht, JR 2015, 405, 410; ähnlich BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  40. 170  BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  41. 171  Ähnlich BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  40; anders BGH NJW 2011, 2653 Rn.  30 – Werbung mit Garantie. 172  So aber im Ergebnis BGH NJW 2011, 2653 Rn.  30 – Werbung mit Garantie. 167 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

rung anzusehen.173 §  479 Abs.  1 BGB muss aus diesem Grund vom Gesetzgeber geändert werden. Eine richtlinienkonforme Gestaltung könnte dadurch geschaffen werden, dass die Norm – wie auch Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie – an das Vorliegen einer „Garantie“ anknüpft. Eine „Überfrachtung“ der Werbung in inhaltlicher Hinsicht droht durch die hier vertretene Ansicht nicht. So sind bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung irreführender Werbung eventuelle, „durch das für die Geschäftspraxis verwendete Kommunikationsmedium [auferlegte] räumliche oder zeitliche Beschränkungen“ zu berücksichtigen (Art.  7 Abs.  3 UGP-Richtlinie; umgesetzt in §  5a Abs.  5 UWG). Aus diesem Grund wird der Verbraucher nicht irregeführt, wenn zwar beispielsweise die Werbung nicht alle wesentlichen Informationen enthält, der Werbende aber auf seine Website verweist und dort alle erforderlichen Informationen verfügbar macht.174 Aufgrund der Wertungskongruenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht müssen Beschränkungen des Kommunikationsmediums auch bei der Beurteilung nach Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  479 Abs.  1 BGB) Berücksichtigung finden. Dies gilt umso mehr, als die Informationspflichten des Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in Deutschland im Wesentlichen mit den Mitteln des Wettbewerbsrechts durchgesetzt werden (kein private enforcement; siehe oben unter D. II. 1.).175 Aus diesem Grund darf der Werbende im E-Commerce auch im Anwendungsbereich des Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auf seine Garantie-AGB verlinken und muss diese nicht etwa vollständig in den Werbetext aufnehmen; dies wird von vielen Herstellern auch bereits so gehandhabt. Im Falle eines gedruckten Werbeprospekts darf er auf weitergehende Informationen auf seiner Homepage verweisen.176 Im Ergebnis sollte dem Streit um die Reichweite des Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie allerdings nicht zu viel Bedeutung beigemessen werden. Die Informationsverarbeitungskapazitäten von Verbrauchern sind begrenzt. Es entspricht gesicherter Erkenntnis, dass (Garantie-)AGB vor Vertragsschluss nicht gelesen werden (zum signing-without-reading-Problem siehe bereits oben unter C. VI. 1. a)). Dies gilt auch für Informationen nach Art.  6 Abs.  2 Verbrauchsgü173 

Insofern zutreffend BGH NJW 2011, 2653 Rn.  26 f. – Werbung mit Garantie. EuGH GRUR 2011, 930 Rn.  59 – Ving Sverige. 175 Vgl. Picht, JR 2015, 405. Diskutiert werden in der Literatur zwar auch individuelle Ansprüche des Käufers, zum Beispiel auf Schadensersatz aus culpa in contrahendo (BeckOK BGB/Faust, §  479 Rn.  14). Hierbei handelt es sich allerdings nicht um einen Erfolg versprechenden Durchsetzungsmechanismus; zu den Schwierigkeiten, Marktordnungsrecht mit den Mitteln der culpa in contrahendo durchzusetzen, siehe unten F. II. 176 Vgl. Oechsler, LMK 2016, 377692 zu den Anforderungen von Art.  7 Abs.  3 UGP-Richtlinie, §  5a Abs.  2, 3 UWG; BeckOGK/Augenhofer, §  479 Rn.  43.3. 174 

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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terkaufrichtlinie. Die Norm kann daher den von ihr verfolgten Zweck einer verbesserten Verbraucherinformation nicht erreichen. b) Kein Kausalitäts- oder Kenntnisnahmeerfordernis Der Verbraucher muss nicht nachweisen, dass sein Kaufentschluss kausal auf die Garantiewerbung zurückgeht oder dass er die Werbung vor dem Kauf überhaupt zur Kenntnis genommen hat.177 Für diese Auslegung von Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sprechen die folgenden Gründe: Ein Kenntnisnahmeerfordernis würde zunächst in prozessualer Hinsicht zu hohen Hindernissen führen, die für den Verbraucher kaum überwindbar sein dürften. Realistischerweise kann er allein nachweisen, dass beispielweise eine bestimmte Werbeanzeige vor dem Kauf in einer Zeitung geschaltet war oder dass vor dem Kauf bestimmte, garantiebezogene Werbeaussagen auf der Website des Herstellers oder des Verkäufers verfügbar waren. Dass er sie tatsächlich gelesen hat, dürfte der Verbraucher aber kaum konkret darlegen können. Ein derartiges Erfordernis würde die Effizienz der Garantiewerbehaftung daher in erheblichem Maße in Frage stellen;178 es kann schon aus diesem Grund europarechtlich nicht gefordert sein.179 177  So auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  536; vgl. auch Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  254 f., der Garantien allgemein als einseitig verpflichtende Erklärungen einordnet, die nach nationalem Recht auch ohne Kenntnis des Begünstigten verbindlich werden müssen; a. A. Wellens, Kommerzielle Garantien, S.  154, der zu Unrecht davon ausgeht, dass die Garantiewerbehaftung nur den individuellen Käufer schützen soll. 178  Hiergegen kann nicht eingewendet werden, dass es möglich wäre, eine Kenntnisnahme des Verbrauchers – ähnlich wie bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne (siehe dazu unten unter F. V.) – zu vermuten. Faktisch wäre diese Vermutung für den Werbenden unwiderleglich, da er kaum je nachweisen könnte, dass der Käufer die Werbeaussage nicht gelesen hat. Dies gilt auch dann, wenn man dem Käufer eine sekundäre Darlegungslast auferlegt. Dieser würde er nämlich schon genügen, indem er behauptet, die Werbung vor dem Kauf bspw. auf der Website des Verkäufers gelesen zu haben. Vor diesem Hintergrund drängt sich die Frage auf, welche Funktion ein Erfordernis der Kenntnisnahme, das stets zu bejahen wäre, unter teleologischen Gesichtspunkten haben könnte. 179  Vgl. auch die Argumentation des EuGH im zuständigkeitsrechtlichen Kontext (NJW 2013, 3504 Rn.  25 – Lokman Emrek): Der Verbraucher müsse im Rahmen von Art.  17 Abs.  1 lit.  c) Brüssel Ia-VO nicht nachweisen, dass sein Vertragsschluss kausal auf das Mittel (im konkreten Fall: eine Internetseite) zurückgehe, durch das der Unternehmer seine Tätigkeiten auf den Aufenthaltsstaat des Verbrauchers ausrichte. Denn „das Erfordernis der vorherigen Konsultierung einer Internetseite durch den Verbraucher [könnte] Beweisschwierigkeiten mit sich bringen, insbesondere wenn, wie im Ausgangsverfahren, der Vertrag nicht im Fernabsatz über diese Internetseite geschlossen worden ist. In einem solchen Fall könnten die Schwierigkeiten, die mit dem Beweis der Kausalität zwischen dem zum Ausrichten der Tätigkeit eingesetzten Mittel, d. h. einer Internetseite, und dem Vertragsschluss verbunden sind, die Verbrau-

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

Abzulehnen ist ein Kenntnisnahmeerfordernis allerdings nicht nur aus prozessualen, sondern vor allem auch aus teleologischen Gründen. Die Garantiewerbehaftung schützt im Einklang mit dem Signalingkonzept die typisierten Erwartungen, die Käufer aufgrund von Garantiewerbung bilden (vgl. oben unter D. III. 2. a) dd)). Diese Erwartungen werden nicht anhand des objektiven Empfängerhorizonts des jeweiligen Kaufinteressenten konkretisiert, sondern anhand des Horizonts eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (vgl. oben unter D. III. 2. a) dd)). Da es also gar nicht auf die Verständnismöglichkeiten des individuellen Käufers ankommt, kann es auch nicht darauf ankommen, ob der individuelle Käufer die Werbung zur Kenntnis genommen hat.180 Für den durch die Garantiewerbehaftung intendierten, typisierten Schutz ist ein individueller, kausaler Schaden des Käufers schlichtweg irrelevant. Auch der Käufer, der die Werbung vor dem Kauf nicht zu Kenntnis genommen hat, verwirklicht nämlich den Schutzzweck der Garantiewerbehaftung: Er trägt hierdurch zum Schutz der Signalwirkung von Garantien auf dem Markt bei. Die Gefahr für die Signalwirkung entsteht nämlich bereits dadurch, dass der Werbende sich nicht freiwillig an sein Werbeversprechen hält. Diese Tatsache allein ist geeignet, die Signalwirkung von Garantiewerbung zu gefährden; sie bewirkt ganz grundsätzlich den Eindruck, dass Werbeversprechen nicht zu trauen ist. Der Verzicht auf das Kenntnisnahmeerfordernis steht damit auch in Einklang mit rechtsökonomischen Untersuchungen zur optimalen Struktur von Rechtsdurchsetzungsmaßnahmen. Hiernach kann das Recht zu drei verschiedenen Zeitpunkten regulierend eingreifen, um schädliche Verhaltensweisen zu verhindern bzw. zu sanktionieren: erstens noch bevor eine schädliche Handlung vorgenommen wurde; zweitens nachdem eine schädliche Handlung vorgenommen wurde, aber noch bevor ein Schaden eingetreten ist; drittens nachdem ein Schaden eingetreten ist.181 Die Garantiewerbehaftung knüpft an eine schädliche Handlung an, nämlich an die Nichteinhaltung eines Werbeversprechens, setzt aber keinen konkreten Schaden für die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Käuferkreise voraus. Der europäische Gesetzgeber hat sich damit für den zweiten Zeitpunkt entschieden. Dies ist in rechtsökonomischer Hinsicht gerechtfertigt, da zwar die schädliche Handlung als solche ohne Weiteres nachweisbar ist, der Eintritt eines kausalen Schadens jedoch nicht.182 cher davon abhalten, die nationalen Gerichte […] anzurufen, wodurch der mit diesen Vorschriften erstrebte Schutz der Verbraucher geschwächt würde.“ 180  In diese Richtung auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  536. 181  Shavell, The Optimal Structure of Law Enforcement, 36 The Journal of Economics (1993), 255, 257 f. 182 Vgl. Shavell, The Optimal Structure of Law Enforcement, 36 The Journal of Economics (1993), 255, 262 f.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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Diese Erwägungen verdeutlichen erneut, dass die Garantiewerbehaftung keinen Individualschutz bezweckt. Sie erfordert nicht, dass dem Kläger ein individuelles Unrecht widerfahren ist, beispielsweise indem sein konkretes Vertrauen auf eine bestimmte Garantieaussage enttäuscht wurde.183 Die Aktivlegitimation aller Käufer – auch solcher, die die Werbung vor dem Kauf nicht kannten – begründet vielmehr einen Fall des private enforcement (siehe dazu oben unter D. II. 2.). Jeder Kläger tritt für die Glaubwürdigkeit von Garantiewerbung ein.184 c) Voraussetzungen an das Vorliegen von „Werbung“ Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie enthält keine Definition der Werbung. Die Anforderungen müssen daher anhand des Schutzzwecks der Garantiewerbehaftung entwickelt werden. Vereinzelt wird „Werbung“ nur bei öffentlichen bzw. an die Allgemeinheit gerichteten Äußerungen angenommen.185 Diese Form der Werbung wird rein zahlenmäßig im Onlinehandel auch am häufigsten vorkommen. Eine Einschränkung des Begriffs der „Werbung“ auf Miteilungen an die Allgemeinheit kann unter Schutzzweckgesichtspunkten jedoch nicht überzeugen, wie im Folgenden gezeigt werden soll.186 Werbung liegt vielmehr bereits dann vor, wenn ein Unternehmer einem oder mehreren Kaufinteressenten eine Garantie für den Fall des Kaufs einer bestimmten Sache in Aussicht stellt; dieses Inaussichtstellen muss zudem mit dem Ziel erfolgen, den Absatz der entsprechenden Sache zu fördern. Diese Voraussetzungen ergeben sich im Einzelnen aus folgenden Erwägungen: aa) Kein Erfordernis einer öffentlichen Äußerung Maßgebliches Kriterium für die Begriffsbestimmung ist der Schutzzweck von Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, der die Signalwirkung von Garantiewerbung stärken will. Sobald potentiellen Nachfrager das Qualitätssignal „Garantie“ kommuniziert wird, liegt aus diesem Grund – unabhängig vom Medium der Kommunikation – Werbung mit Garantien vor. Bereits dann erfolgt nämlich eine Einwirkung auf die Qualitätsvorstellungen eines verständigen Durch183  Aus diesem Grund handelt es sich bei der Garantiewerbehaftung nach deutschem Recht auch nicht um einen Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung, vgl. dazu ausführlich unten F. 184  Hinzu kommt folgende, wenn auch vor dem Hintergrund des überindividuellen Schutzzwecks nachrangige Erwägung: Selbst wenn der klagende Verbraucher nicht getäuscht wurde, so besteht doch die Gefahr, dass andere Verbraucher getäuscht und individuell geschädigt wurden. 185  Moro, Haftung für Werbeangaben im Verbraucherrecht, S.  93. 186  So im Ergebnis auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  152.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

schnittsverbrauchers, die im Falle ihrer Enttäuschung Mechanismen des market for lemons187 (siehe dazu oben unter C. I.) in Gang setzen können. Es ist nicht erforderlich, dass sich die Ankündigung an die Öffentlichkeit richtet.188 Zwar wird Publikumswerbung gerade im E-Commerce besonders häufig vorliegen. Eine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auf Publikumswerbung ist indes aus mehreren Gründen abzulehnen. Gegen eine solche Einschränkung spricht zunächst ein Umkehrschluss aus Art.  2 Abs.  2 lit.  d) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Diese Norm bildet die Grundlage für die Werbehaftung nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB und erfasst ausdrücklich nur öffentliche Äußerungen („die insbesondere in der Werbung oder bei der Etikettierung gemachten öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder dessen Vertreters über die konkreten Eigenschaften des Gutes“). Eine solche Einschränkung findet sich in Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht. Für die hier vorgeschlagene Begriffsdefinition spricht vor allem auch Art.  2 lit.  d) UGP-Richtlinie. Hiernach gehört Werbung zu den „Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern“. Es ist anerkannt, dass eine Geschäftspraxis auch dann vorliegt, wenn ein Unternehmern gegenüber einem individuellen Verbraucher eine Handlung vornimmt, ihm beispielsweise eine (unzutreffende) Auskunft erteilt.189 Die UGP-Richtlinie sieht bewusst nicht vor, dass ein bestimmter „Schwellenwert“ von Verbrauchern von der unlauteren Maßnahme betroffen sein muss.190 Ein solcher „Schwellenwert“ würde nach Ansicht des EuGH zu „schwerwiegenden Nachteilen“ führen:191 Er würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit nach sich ziehen192 und „bedeuten, dass der Verbraucher darzulegen hat, dass weitere Privatpersonen durch denselben Wirtschaftsteilnehmer geschädigt worden sind, obwohl dieser Nachweis in der Praxis nur äußerst schwer zu erbringen ist.“193 Der EuGH lehnt eine Mindestschwelle damit vor allem mit Rücksicht auf die praktische Wirksamkeit der UGP-Richtlinie ab. Gegen die Ansicht des EuGH scheint auf den ersten Blick das folgende Argument zu sprechen: Es ist kaum plausibel, dass eine (noch dazu versehentlich) unrichtige Auskunft gegenüber einem einzelnen Verbraucher über den nächst187  Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  488, 490. 188  So auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  152; Wellens, Kommerzielle Garantien, S.  151. 189  EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  42 ff. – UPC. 190  EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  45 – UPC. 191  EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  44 – UPC. 192  EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  45 – UPC. 193  EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  46 – UPC.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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möglichen Kündigungstermin eines Kabelfernsehabonnements – dieser Sachverhalt lag dem vom EuGH entschiedenen Fall zu Grunde – tatsächlich geeignet ist, die Schutzzwecke der UGP-Richtlinie zu berühren: Eine Gefahr für die Lauterkeit des Geschäftsverkehrs194 im Binnenmarkt mit der Folge schädlicher Wettbewerbsverzerrungen drohte hier kaum. Eine Gefahr für den Wettbewerb entsteht erst, wenn das unternehmerische Verhalten eine gewisse Breitenwirkung erlangt.195 Der EuGH verzichtet dennoch zu Recht auf einen bestimmten „Schwellenwert“. Aus rechtsökonomischer Sicht rechtfertigt sich der Verzicht auf eine Breitenwirkung aus Sorge vor underinclusion. Im Hintergrund steht folgende Erwägung: Rechtsnormen können im Hinblick auf ihren Schutzzweck over- oder underinclusive sein. Sie können also auch solche Fälle erfassen, die für den verfolgten Zweck irrelevant sind (overinclusion), oder aber solche Fälle auslassen, die vom Schutzzweck her in den Anwendungsbereich der Norm fallen müssten (underinclusion). Solche „Fehler“ lassen sich beim Zuschnitt einer Norm häufig gar nicht vermeiden.196 Auch das Mittel der teleologischen Reduktion, das nach deutschem Methodenverständnis gerade der Korrektur überschießender Normen dient, kann im Anwendungsbereich der UGP-Richtlinie nicht zur Anwendung gelangen: Die praktische Wirksamkeit des Art.  6 Abs.  1 UGP-Richtlinie wäre aus den vom EuGH genannten Gründen erheblich eingeschränkt, wenn im Einzelfall Feststellungen über die Marktwirkung einer bestimmten Geschäftspraxis getroffen werden müssten.197 Das Mittel der teleologischen Reduktion greift mithin dort nicht ein, wo der Gesetzgeber overinclusion – wie bei der vollharmonisierenden UGP-Richtlinie – bewusst in Kauf nimmt.198 Der EuGH stuft die Risiken von underinclusion im Bereich des Irreführungsschutzes offenbar als gravierender ein als die Risiken von overinclusion:199 Würde die UGP-Richtlinie nur eingreifen, wenn das inkriminierte Verhalten eine gewisse Breitenwirkung erlangt, drohten „Schlupflöcher“ für Unternehmen.200 Es wäre beispielsweise unklar, ab wann eine Maßnahme hinreichende Breiten194 

Vgl. Erwägungsgründe 2 und 3 der UGP-Richtlinie. Für eine entsprechende Einschränkung des Begriffs der „geschäftlichen Handlung“ nach §  2 Abs.  1 Nr.  1 UWG daher Glöckner, WRP 2009, 1175, 1187 f.; ablehnend Köhler, in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, §  2 UWG Rn.  35. 196  Ehrlich/Posner, An Economic Analysis of Legal Rulemaking, 3 The Journal of Legal Studies (1974), 257, 268. 197 Vgl. Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  36a. 198 Vgl. Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  36a. 199  Zur Frage, wie spezifisch bzw. allgemein Rechtsnormen gefasst werden sollten, vgl. Ehrlich/Posner, An Economic Analysis of Legal Rulemaking, 3 The Journal of Legal Studies (1974), 257. 200  Vgl. hierzu Ehrlich/Posner, An Economic Analysis of Legal Rulemaking, 3 The Journal of Legal Studies (1974), 257, 263. 195 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

wirkung hat, um eine Gefahr für den Markt darzustellen. Diese Schwierigkeiten können vor allem beim Nachweis einer wettbewerbsschädlichen Verhaltensweise nach Art.  101 Abs.  1 AEUV beobachtet werden, sodass die Beurteilung des EuGH keinesfalls unplausibel ist.201 Der Nachweis einer unlauteren Irreführung wäre für die klagenden Behörden oder aber für einzelne Verbraucher, die nach dem Recht eines Mitgliedstaates ebenfalls aktivlegitimiert sein können (siehe oben unter D. II. 2.), erheblich erschwert. Droht betroffenen Unternehmen im Falle eines Verstoßes gegen Art.  101 Abs.  1 AEUV unter Umständen ein milliardenschweres Bußgeld, müssen sie bei Verfahren nach der UGP-Richtlinie meistens nur mit einer Unterlassungsverfügung rechnen. Die Kosten von overinclu­ sion scheinen vor diesem Hintergrund weniger ins Gewicht zu fallen202 und sind aus Sicht des EuGH offenbar weit weniger gravierend als die potentiellen Schäden für den Binnenmarkt durch underinclusion im Bereich des Irreführungsschutzes.203 Vor diesem Hintergrund ist der EuGH zu Recht bereit, die Reichweite der UGP-Richtlinie auch auf Maßnahmen zu erstrecken, die sich nur in einem Einzelfall nachweisen lassen. Diese Überlegungen lassen sich aufgrund der Wertungskongruenz zwischen Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrecht (siehe dazu oben unter D. I.) auch auf Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie übertragen: Die Signalwirkung von Garantiewerbung wird durch ein einzelnes, enttäuschtes Werbeversprechen sicherlich noch nicht bedroht. Es ist aber nicht möglich, einen Schwellenwert festzulegen, ab dem irreführende Garantiewerbung die Signalwirkung von Garantien generell zu beeinträchtigen droht. Schließlich kommen einzelne Werbeadressaten auch als Multiplikatoren in Betracht, die anderen Kaufinteressenten von ihren negativen Erfahrungen berichten könnten. Aus diesem Grund setzt Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht voraus, dass die Garantiewerbung sich an eine bestimmte Anzahl von Verbrauchern wendet. Eine derartige „Markt­ rele­vanz“ könnte von einem Käufer im Prozess zudem auch kaum je dargelegt werden. Auch im Hinblick auf die Effektivität des private enforcement (siehe dazu oben unter D. II. 2.) kann ein solches Erfordernis daher europarechtlich nicht gewollt sein. 201  Vgl. auch das kartellrechtliche Beispiel bei Ehrlich/Posner, An Economic Analysis of Legal Rulemaking, 3 The Journal of Legal Studies (1974), 257, 261. 202  Vgl. hierzu Ehrlich/Posner, An Economic Analysis of Legal Rulemaking, 3 The Journal of Legal Studies (1974), 257, 268, 273. 203  Vgl. aber auch EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  58 f. – UPC: Das Gericht mahnt angesichts der Reichweite der UGP-Richtlinie zur Beachtung der Verhältnismäßigkeit bei der Sanktionierung eines Verstoßes nach nationalem Recht. Im Fall hatte die ungarische Verbraucherschutzbehörde gegen den Kabelfernsehanbieter ein Bußgeld in Höhe von umgerechnet etwa 80 Euro verhängt.

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bb) Absatzförderungsabsicht Die Absatzförderungsabsicht resultiert als Voraussetzung für das Vorliegen von „Garantiewerbung“ aus einer Gesamtschau mehrerer lauterkeitsrechtlicher Richtlinien, nämlich der Werberichtlinie, der UGP-Richtlinie und der E-Commerce-Richtlinie. Art.  2 lit.  a) Werberichtlinie204 definiert „Werbung“ als „jede Äußerung bei der Ausübung eines Handels, Gewerbes, Handwerks oder freien Berufs mit dem Ziel, den Absatz von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen … zu fördern“. Art.  2 lit.  d) UGP-Richtlinie sieht „Werbung“ als einen Unterfall der „Geschäftspraktiken von Unternehmern gegenüber Verbrauchern“, „die unmittelbar mit der Absatzförderung“ zusammenhängen. Art.  2 lit.  f) E-Commerce-Richtlinie205 definiert den Begriff der „kommerziellen Kommunikation“ – ein Oberbegriff, der auch Werbung erfasst206 – als „alle Formen der Kommunikation, die der unmittelbaren oder mittelbaren Förderung des Absatzes von Waren und Dienstleistungen […] dienen […]“. Diese Definitionen müssen aufgrund der Schutzzweckkonvergenz von europäischem Verbraucherschutzund Lauterkeitsrecht auch für die Auslegung von Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie herangezogen werden. Auch Garantiewerbung muss aus diesem Grund mit Absatzförderungsabsicht erfolgen.207 cc) „Einschlägig“ (1) Bezug auf die erworbene Kaufsache Damit die Werbung „einschlägig“ ist, muss sie sich zunächst auf die vom Käufer erworbene Kaufsache beziehen.208 Ob dies der Fall ist, bestimmt sich dabei in Einklang mit dem oben unter D. III. 2. a) dd) entwickelten Maßstab nach dem Horizont eines verständigen Durchschnittsverbrauchers. Im Einzelnen lassen sich dabei folgende Kriterien aufstellen: Die Werbung ist „einschlägig“, wenn der Werbende für den Fall des Kaufs einer bestimmten, in der Werbung spezifizierten Sache Garantieleistungen in Aussicht stellt. Der Käufer kann sich auf die Werbung berufen, wenn er eine Sache der beworbenen Gattung erwirbt. Handelt es sich um Verkäuferwerbung mit Garantien, muss der Käufer die Sache allerdings gerade von dem werbenden Verkäufer kaufen, um sich diesem gegenüber auf die Werbung berufen zu können. Erwirbt der Käufer 204 

Richtlinie 2006/114/EG. Richtlinie 2000/31/EG. 206  Kommission, Grünbuch Kommerzielle Kommunikation, KOM(1996) 192, S.  9. 207  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  151 f. 208  Ganz h.M., vgl. Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  155 f.; Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  6; BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  48 m. w. N. 205 

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die Ware von einem anderen Verkäufer, kann er sich gegenüber dem werbenden Verkäufer (natürlich) nicht auf die Garantiewerbehaftung berufen. Handelt es sich um Herstellerwerbung, ist unerheblich, von wem der Käufer den Gegenstand erwirbt. Voraussetzung ist hier allerdings, dass der Käufer Neuware ersteht. Die Garantiewerbung setzt ein Qualitätssignal nämlich nur für unbenutzte Kaufgegenstände; der Hersteller kann schließlich nur die Qualität „fabrikneuer“ Ware kontrollieren.209 Die Kaufsache muss in der Werbung nicht notwendig schriftlich beschrieben werden. Es genügt, wenn beispielsweise ein Bild der Kaufsache mit dem Slogan „3 Jahre Garantie!“ versehen wird; ebenso genügt auch Garantiewerbung auf einer Produktverpackung. Die Werbung muss sich zudem nicht darauf beschränken, nur für den Erwerb eines bestimmten Produktmodells eine Garantie anzukündigen. Der Hersteller kann auch ganz allgemein für seine gesamte Produktpalette eine Garantie in Aussicht stellen.210 Dies ist gerade bei Automobilherstellern üblich: Diese werben häufig pauschal mit einer mehrjährigen Garantie für alle Neuwagen ihrer Produktion.211 In diesem Fall kann sich der Käufer für sämtliche Produkte des Herstellers auf die Garantiewerbung berufen. In zweifelhaften Fällen muss die Frage, ob die Werbung „einschlägig“ ist oder nicht, mit Blick auf den Schutzzweck der Garantiewerbehaftung beantwortet werden. Aus den unter D. III. 2. a) dd) geschilderten Gründen ist hier wiederum auf den Horizont eines verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen. „Einschlägig“ ist die Werbung hiernach, wenn sie aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers ein Qualitätssignal für die konkret erworbene Sache setzt. Gerade dieses Qualitätssignal soll nämlich durch die Garantiewerbehaftung sanktioniert werden. Anhand der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers sind auch Fälle zu beurteilen, in denen aufgrund der Werbung eine Verwechslungsgefahr besteht. So könnte in der Werbung beispielsweise ein bestimmtes Produkt aus dem Sortiment des Herstellers abgebildet sein, das anderen Produkten desselben Herstellers zum Verwechseln ähnlich sieht. Spezifiziert der Hersteller das Produktmodell in seiner Werbung nicht ausdrücklich und in auffälliger Weise, haftet er auch dann aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung, wenn der Käufer nur ein ähnliches Produkt erwirbt. In diesem Fall wirkt die Werbung aus Sicht eines 209  Bei einem Second-hand-Kauf kann der Verkäufer allerdings eventuelle Garantieansprüche – auch solche aus Garantiewerbehaftung – an den Käufer abtreten; diese Konstellation lag OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153 zu Grunde. 210  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  156. 211  Vgl. bspw. die Garantiewerbung des Herstellers Audi: „Kostenlose Neuwagengarantie für fabrikneue Fahrzeuge“, abrufbar unter https://www.audi.de/de/brand/de/kundenbereich/garantie/audi-garantie.html, zuletzt abgerufen am 06.04.2018.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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verständigen Durchschnittsverbrauchers nämlich ebenfalls als Qualitätssignal für das andere, ähnliche Produkt. (2) Weitere inhaltliche Voraussetzungen Inhaltlich muss sich die Werbeaussage darauf richten, künftigen Käufern für den Fall des Kaufs Garantierechte in Aussicht zu stellen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass das Wort „Garantie“ in der Werbung verwendet wird,212 auch wenn dies häufig der Fall sein wird. Es genügen alle Aussagen, die geeignet sind, die Qualitätsunsicherheit von Kaufinteressenten zu verringern, indem sie ihnen den Erhalt der Gebrauchsvorteile über eine bestimmte Dauer in Aussicht stellen. Denkbar sind zum Beispiel folgende Werbeaussagen: – „Wir übernehmen volle Gewähr für drei Jahre.“213 – „Das Gerät funktioniert auf jeden Fall drei Jahre.“214 – „Volle Kaufpreiserstattung bei einem Defekt innerhalb von zwei Jahren!“

Maßgeblich ist damit nicht die Verwendung des Wortes „Garantie“, sondern vielmehr das Inaussichtstellen von Abhilfe im Falle eines Mangels mit dem Ziel, die Gebrauchsmöglichkeit der Kaufsache wiederherzustellen. Nur diese Auslegung entspricht auch der Definition in Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die die „Verpflichtung, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder in sonstiger Weise Abhilfe zu schaffen“, zum zentralen Charakteristikum von Garantien erhebt. (3) Zeitlicher Geltungsbereich Damit die Werbung „einschlägig“ ist, muss sie vor dem Kauf veröffentlicht worden sein.215 Nur dann konnte sie (nachfolgende) Kaufentscheidungen als Qualitätssignal beeinflussen. Fraglich ist allerdings, wie lange Garantiewerbung „einschlägig“ bleiben kann. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Garantiewerbehaftung erscheint es beispielsweise kaum gerechtfertigt, wenn sich ein

212 

Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  5. Vgl. Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  5; ganz ähnlich Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  156, die allerdings eine Angabe der Garantiedauer in der Werbung offenbar nicht für erforderlich hält. Eine solche ist indes unerlässlich, da der Käufer andernfalls keine konkreten Vorstellungen von den Gebrauchsvorteilen der Kaufsache entwickeln kann. Diese Gebrauchsvorteile sind aber maßgeblich für seine Zahlungsbereitschaft und damit für die Preisbildung am Markt. 214 Ähnlich Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  156. 215  Erman/Grunewald, §  443 Rn.  11a. 213 

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Käufer auch dann auf Werbung berufen könnte, wenn diese Jahre vor Abschluss des Kaufvertrags publiziert wurde.216 Auch der zeitliche Anwendungsbereich der Garantiewerbehaftung muss teleologisch unter Rückgriff auf die Signalingtheorie konkretisiert werden. Werbung ist so lange „einschlägig“, wie sie aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers als Qualitätssignal fortwirkt. Allgemeingültige Aussagen über die Geltungsdauer sind aufgrund der Vielgestaltigkeit der denkbaren Konstellationen kaum möglich. An dieser Stelle sollen allerdings bestimmte, erfahrungsgemäß häufig vorkommende Fallgestaltungen erörtert werden: Zu denken ist zunächst an Garantiewerbung eines Verkäufers in einem periodisch publizierten Verkaufsprospekt, beispielsweise in dem Prospekt eines Elektronikfachgeschäfts. Ein solcher Prospekt enthält Angebote, die nur während des spezifizierten Angebotszeitraums gültig sind. Dies ist auch aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers deutlich erkennbar. Aus diesem Grund können sich nur Käufer, die die beworbene Sache während des Angebotszeitraums bei dem werbenden Verkäufer erwerben, auf die Garantiewerbung berufen. Schwieriger zu beurteilen sind Fälle, in denen ein Hersteller auf seiner Website über einen längeren Zeitraum mit einer Garantie für die von ihm produzierten Gegenstände wirbt. Als Beispiel können hier die Websites nahezu aller großen Automobilhersteller angeführt werden: Diese werben im Grunde dauerhaft mit mehrjährigen Garantien für die von ihnen produzierten Neuwagen. In regelmäßigen Abständen kommt es allerdings zu Anpassungen der Garantie-AGB und zu Änderungen der Länge bzw. des Umfangs der angebotenen Garantien. Wenn ein Käufer einen Neuwagen kurze Zeit nach einer solchen Änderung der Werbeaussagen erwirbt, ist es naheliegend, dass er von den geänderten Konditionen im Zeitpunkt des Kaufs noch nicht wissen konnte. Allerdings schützt die Garantiewerbehaftung nicht den individuellen Käufer (siehe bereits oben unter D. II. 1.). Die Reichweite der Garantiewerbehaftung muss daher wiederum anhand des Horizonts eines verständigen Durchschnittsverbrauchers bestimmt werden. Zu fragen ist daher, in welchen zeitlichen Abständen ein typischer Verbraucher, der sich für den Kauf eines Neuwagens interessiert, die Website des Herstellers vor seiner Kaufentscheidung frequentiert. Solange einschlägige empirische Erkenntnisse nicht verfügbar sind, kann davon ausgegangen werden, dass der Käufer eines so hochpreisigen Gutes sich spätestens einen Monat vor Abschluss des Kaufvertrages auf der Website des Herstellers über eventuelle Garantiekonditionen informiert. Änderungen der Garantiewerbung, die weniger als einen Monat vor dem Kauf erfolgen, muss der Käufer daher nicht gegen sich gelten lassen. Die hier vorgeschlagene „Monatsfrist“ soll allerdings nicht pauschal für alle 216 Ähnlich

Picht, NJW 2014, 2609, 2612.

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Kaufsachen gelten. Maßgeblich ist stets die Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers. Aus diesem Grund können auch längere oder kürzere Fristen – je nach Art der Kaufsache – maßgeblich sein. Will der Werbende eine Haftung für zurückliegende Werbeaussagen verhindern, muss er jeden Käufer vor Abschluss des Kaufvertrags ausdrücklich auf die Änderungen hinweisen (vgl. auch unten unter I. I. 1. f) bb) zu den Anforderungen an die Berichtigung von Werbeaussagen). (4) Räumlicher Geltungsbereich Fraglich ist schließlich, auf welche Weise der Werbende den Geltungsbereich seiner Werbung einschränken kann. Denkbar ist, dass grenzüberschreitend tätige Hersteller ihre Garantiewerbung aus legitimen Gründen nur auf einen oder mehrere bestimmte Mitgliedstaaten beschränken wollen. So könnte beispielsweise ein polnischer Hersteller, der seine Ware über lokale Händler auch in Deutschland vertreibt oder aber auch nach Deutschland liefert, nur in Polen mit einer Garantie für seine Produkte werben wollen, in Deutschland hingegen nicht. Ein möglicher Grund hierfür könnte sein, dass der Hersteller nur in Polen über ein hinreichendes Netz an Reparaturwerkstätten verfügt, um den Käufern attraktive Garantieleistungen anbieten zu können. Fraglich ist in diesem Fall, ob ein deutscher Käufer sich dennoch auf die polnische Garantiewerbung berufen könnte.217 Auch diese Frage ist mit Blick auf die Signalfunktion von Garantiewerbung zu beurteilen: Fraglich ist, ob die polnische Werbung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers auch in Deutschland als Qualitätssignal wirkt. Wirbt der polnische Hersteller nur in polnischen Verkaufsstätten mit Garantieleistungen, ist aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers deutlich erkennbar, dass die Werbung nur solche Käufer adressiert, die in diesen lokalen Verkaufsstätten einkaufen. Wirbt der Hersteller hingegen auf seiner Website mit einer Herstellergarantie, ist der Werbung eine entsprechende Einschränkung in der Regel nicht zu entnehmen. Dies gilt auch dann, wenn die Werbung auf polnisch formuliert ist; maßgeblich ist allein, dass die entsprechende Website auch von Kaufinteressenten aus anderen Mitgliedstaaten aufgerufen werden kann und sie daher international als Informationsmedium fungiert.218 Vor einer „internationa217 

Kollisionsrechtlich ist im Regelfall eines Fernabsatzgeschäfts deutsches Recht und damit §  443 BGB anwendbar, siehe ausführlich unter D. II. 2. b) cc) (1). 218 Anders Picht, NJW 2014, 2609, 2612, der die Sprache der Website und die Top-Level-Domain als Hinweise auf den angesprochenen Adressatenkreis werten will. Eine solche Einschränkung stünde allerdings nicht in Einklang mit den Zwecken der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die gerade den grenzüberschreitenden Handel fördern will. Dieser kann aber nicht nur auf Webseiten in englischer Sprache und mit .com-Domain erfolgen. Erlaubt also beispielsweise eine polnische Website mit .pl-Domain auch Käufern aus Deutschland den Online-Ein-

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len“ Garantiewerbehaftung kann der Werbende sich allerdings auf zwei Arten schützen: Zum einen kann er Kaufinteressenten bei Aufruf der Website nach ihrem Herkunftsland fragen und sie bei entsprechender Angabe auf eine für ihr Heimatland bestimmte Seite weiterleiten, auf der nicht mit Garantien geworben wird. Zum anderen kann der Hersteller den Adressatenkreis seiner Werbeaussagen auch dadurch beschränken, dass er in der Werbung selbst deutlich darauf hinweist, dass sich die Garantiewerbung nur an Käufer in einer bestimmten Region richtet (vgl. auch unten unter I. I. 2. e) zu den Möglichkeiten der Einschränkung von Werbeaussagen). (5) Zusammenfassung Die Werbung ist „einschlägig“, wenn sie aus der Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers ein Qualitätssignal für die konkret erworbene Sache setzt. Hierzu muss sie sich zunächst inhaltlich auf die erworbene Kaufsache beziehen. Außerdem muss sie Abhilfe für den Fall von Funktionsstörungen dieser Kaufsache Aussicht stellen; die Verwendung des Wortes „Garantie“ ist dabei allerdings nicht erforderlich. In zeitlicher Hinsicht muss die Werbung vor dem Kauf verfügbar gewesen sein, wobei sich die „Geltungsdauer“ von Werbung nach dem Horizont eines verständigen Durchschnittsverbrauchers beurteilt. In räumlicher Hinsicht muss der Käufer aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers zum angesprochenen Adressatenkreis gehören. d) Kein Irreführungserfordernis Der europäische Gesetzgeber war auf einen Schutz vor irreführender Garantiewerbung bedacht: „Die Haftbarmachung für die eigene Werbung würde zu saubereren Werbepraktiken beitragen und verhindern, daß die Verbraucher bezüglich der konkret anwendbaren Garantien irregeführt werden [...].“219

kauf, können sich diese ohne weiteres auf in polnischer Sprache formulierte Garantiewerbung berufen. Die Sprache der Website kann in Zeiten der Freizügigkeit in Europa kein maßgebliches Kriterium mehr sein. So leben in Deutschland zahlreiche Menschen mit osteuropäischem Hintergrund; es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Webseiten osteuropäischer Anbieter sich gerade diese Käufergruppe erschließen möchten. 219  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  123. (Diese Textpassage fehlt in der englischen Version des Grünbuchs. Hierbei scheint es sich um ein Redaktionsversehen zu handeln, da sie in allen anderen Sprachfassungen vorhanden ist.) So auch Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  122; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  533 ff.

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Allerdings erfordert Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie seinem Wortlaut nach nicht, dass die Garantiewerbung irreführend ist. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob ein solches Erfordernis nicht im Wege der teleologischen Auslegung in Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie „hineingelesen“ werden muss.220 Gegen eine solche Auslegung sprechen jedoch zunächst ganz grundsätzliche Einwände: „In Anbetracht der Sorge um den Verbraucherschutz, die dieser Richtlinie zu Grunde liegt, können diese Vorschriften jedoch nicht so ausgelegt werden, als stellten sie derartige Voraussetzungen auf, wenn sie diese selbst nicht ausdrücklich nennen […].“221

Diese Erwägung des EuGH zur UGP-Richtlinie lässt sich aufgrund der Wertungskongruenz von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzrecht auch auf Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie übertragen. Der Verzicht auf ein Irreführungserfordernis hat außerdem in prozessualer Hinsicht einen guten Grund. Ohne diesen Verzicht wäre das private enforcement der Garantiewerbehaftung erheblich erschwert (vgl. auch bereits oben zum Verzicht auf eine „Breitenwirkung“ der Garantiewerbung unter D. III. 2. c) aa)): Maßstab für die Irreführung kann nach Einführung der UGP-Richtlinie aufgrund ihrer vollharmonisierenden Wirkung (Art.  4 UGP-Richtlinie) allein Art.  6 Abs.  1 lit.  g) UGP-Richtlinie sein.222 Garantiewerbung wäre hiernach irreführend, wenn die Erwartungen eines verständigen Durchschnittsverbrauchers223 durch die tatsächlich gewährten Garantiekonditionen enttäuscht werden.224 Diese Irreführung ergibt sich im Falle von Garantiewerbung aber gleichsam erst „nachträglich“ durch einen Abgleich der Werbung mit den später zur Verfügung gestellten vertraglichen Konditionen.225 Erst im Zuge der Vertragserfüllung zeigt sich also, ob der Werbende sein Werbeversprechen tatsächlich erfüllt und die zugesagte Garantie beispielsweise in Form einer Garantiekarte tatsächlich zur Verfügung stellt. Müsste der Käufer nun nachweisen, dass die Garantiewerbung rechtswidrig ist, stünde er vor dem folgenden Problem: Für die UGP-Richtlinie maßgebIn diese Richtung wohl Jorden, Verbrauchergarantien, S.  544. EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  43 – UPC (zur Art.  6 UGP-Richtlinie). 222  Vgl. zum alten Recht noch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  544. 223  Vgl. den Wortlaut von Art.  6 Abs.  1 UGP-Richtlinie und Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie. 224  Schünemann, NJW 1988, 1943, 1944 (Aussagen inhaltlich auch unter dem neuen UGP-Richtlinie weiterhin gültig); Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  5 Rn.  3.194 ff. 225  In der lauterkeitsrechtlichen Literatur wird das zeitliche Verhältnis von Garantiewerbung und Unlauterkeit offenbar nicht problematisiert. Allerdings ist ganz generell anerkannt, dass Werbung auch nachträglich unlauter werden kann, vgl. Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/ Bornkamm/Feddersen, UWG, §  5 Rn.  1.125. 220  221 

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lich ist „ein kollektiver und kein individueller Maßstab“.226 Eine zur Täuschung geeignete Geschäftspraxis im Sinne von Art.  6 Abs.  1 UGP-Richtlinie läge nach diesem kollektiven Maßstab nur vor, wenn der Werbende die beworbene Garantie generell nicht gewährt oder aber wenn er von Anfang an nicht vorhatte, sein Werbeversprechen zu erfüllen.227 Dies müsste der Käufer im Prozess nachweisen, wenn die Haftung für Garantiewerbung tatbestandlich von einer Irreführung abhinge. Richtig ist zwar, dass auch das Verhalten eines Unternehmers gegenüber einem Verbraucher im Einzelfall (beispielsweise eine individuelle Auskunft) eine „Geschäftspraxis“ darstellt, worauf oben bereits ausführlich eingegangen wurde (siehe oben unter D. III. 2. c) aa)).228 Eine individuelle Auskunft ist dann irreführend, wenn sie objektiv falsch ist. Liegt allerdings keine individuelle Kommunikation vor, sondern – wie bei Werbung im Regelfall – eine Mitteilung an die Öffentlichkeit, kann nur einheitlich beurteilt, werden, ob diese irreführend ist oder nicht. Garantiewerbung ist aus diesem Grund nicht bereits dann zur Täuschung geeignet, wenn in einem Einzelfall – aus welchen Gründen auch immer – keine Garantieurkunde überreicht wurde. Dafür spricht, dass Werbung mit bestimmten Produkteigenschaften ebenfalls nicht irreführend im Sinne von Art.  6 Abs.  1 lit.  b) UGP-Richtlinie ist, wenn nur in einem Einzelfall ein mangelhaftes Exemplar geliefert wird.229 Eine Haftung für Werbeaussagen würde dann gerade im Falle groß angelegter, massenwirksamer Werbekampagnen, die eine besonders starke Signalwirkung entfalten können, seitens des Käufers den Nachweis voraussetzen, dass der Werbende sein Versprechen systematisch missachtet.230 Dieser Nachweis mag dem Käufer vielleicht gelingen, wenn er ein Garantiedokument mit restriktiven Garantie-AGB erhält, die hinter dem Werbeversprechen zurückbleiben. Hier spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Werben226  Beater, Unlauterer Wettbewerb, Rn.  1380, 846; ähnlich Bornkamm/Feddersen, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  5 Rn.  1.78. 227  Vgl. BGH GRUR 2013, 945 RN. 35 ff. – Standardisierte Mandatsbearbeitung; BGH GRUR 1987, 180, 181 – Ausschank unter Eichstrich II; OLG Düsseldorf, GRUR-RR 2015, 65, 66 – Vertragswidrige Stromkostenabschläge; Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, §  2 UWG Rn.  81 f. 228  EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  37, 41 ff. – UPC 229  Vgl. zum deutschen Recht BGH GRUR 1983, 451 f. – Ausschank unter Eichstrich: „Eine vertragswidrige Minder- oder Schlechterfüllung ist indessen nicht ohne weiteres auch wettbewerbswidrig im Sinne des §  3 UWG. … [Die Vorschrift] greift erst dann ein, wenn … der Gastwirt von vornherein nicht gewillt ist, sich an seine eigenen Ankündigungen zu halten…“; MünchKommUWG/Ruess, §  5 Rn.  136. 230  In Betracht kämen zwar möglicherweise Beweiserleichterungen nach nationalem Recht. Das europäische Recht kann sich aber nicht darauf „verlassen“, dass die nationalen Rechtsordnungen entsprechende Beweiserleichterungen kennen.

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de diese Garantieurkunde generell gegenüber allen Käufern verwendet. Hat der Käufer jedoch gar keine Garantiedokumente erhalten, müsste er nachweisen, dass es sich nicht um ein bloßes Versehen im Einzelfall handelt. Bloße Einzelfälle erlauben nicht den Rückschluss darauf, dass der Werbende sein Werbeversprechen systematisch missachtet. Es ist vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Werbende behaupten wird, er habe die Übermittlung der Garantiekarte ausnahmsweise und im Einzelfall schlicht vergessen. Der Nachweis einer systematischen Missachtung wird für den Käufer in diesem Fall kaum möglich sein.231 Vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen, die durch die Garantiewerbehaftung gerade erleichtert werden sollen, wird der Anspruchsteller kaum weitere Käufer kennen, zu denen er in Kontakt treten könnte. Das Erfordernis einer Irreführung hätte also die folgende, unerwünschte Konsequenz: Gerade bei einer besonders eklatanten Missachtung von Werbeversprechen im besonders sensiblen grenzüberschreitenden Verkehr würde der Verbraucher praktisch schutzlos gestellt, obwohl hier regelmäßig der Verdacht naheliegt, dass die Werbung im Sinne von Art.  6 Abs.  1 UGP-Richtlinie irreführend war. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verzichtet vor diesem Hintergrund zu Recht auf ein solches Erfordernis. Die Garantiewerbehaftung greift auch dann ein, wenn nur in einem Einzelfall nachgewiesen werden kann, dass das Werbeversprechen nicht eingehalten wurde. Für ein implizites Irreführungserfordernis könnte in historischer Auslegung allerdings angeführt werden, dass die UGP-Richtlinie im Zeitpunkt der Verabschiedung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie im Jahre 1999 noch gar nicht in Kraft war. Allerdings hätte sich für den europäischen Gesetzgeber nach dem damaligen Rechtsstand eine Anknüpfung an den Irreführungsbegriff des Art.  2 Nr.  2 Werberichtlinie232 angeboten.233 In diesem Fall hätten sich bei der Beurteilung von Einzelfällen ganz ähnliche Probleme gestellt. Die praktische Relevanz des Verzichts auf ein Irreführungserfordernis zeigt sich deutlich im deutschen Mitsubishifall (siehe hierzu ausführlich unter E. I. 1. a) dd)):234 Hier warb der Autohersteller auf seiner deutschen Website mit einer dreijährigen Neuwagengarantie. Aus nicht näher geklärten Gründen erhielt die Käuferin beim Kauf ihres Fahrzeugs von einem Mitsubishi-Neuwagenhändler jedoch keine vertraglichen Garantieunterlagen. Offenbar weigerte man sich auch nachträglich, ihr die beworbenen Garantiedokumente zu überreichen.235 Das 231 

Vgl. auch die ganz ähnliche Erwägung bei EuGH GRUR 2015, 600 Rn.  46 – UPC. Richtlinie 84/450/EWG. 233  Hierfür plädiert auf Basis des Rechtsstands im Jahr 2000 auch tatsächlich Jorden, Verbrauchergarantien, S.  534 f. 234  OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153. 235  OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153. 232 

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OLG Frankfurt traf keine Feststellungen darüber, ob es sich bei der Missachtung der Garantiewerbung um einen Einzelfall handelte oder nicht. Der Nachweis einer Irreführung im Sinne von §  5 Abs.  1 Satz  2 UWG wäre für die Käuferin wohl auch kaum zu führen gewesen. Das Gericht sprach der Käuferin dennoch zu Recht Garantieansprüche unmittelbar aufgrund der Herstellerwerbung zu, weil §  443 Abs.  1 BGB im Einklang mit Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie kein Erfordernis der Irreführung statuiert. e) Anbieter als Verpflichtungsadressat Verpflichtungsadressat ist nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie derjenige, „der sie [die Garantie] anbietet“. Gemeint ist damit die Person, die sich in der Werbung für den Fall des Kaufs als Garantiegeber in Aussicht stellt. Hierfür spricht das Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien, in dem die Kommission von einer Haftung der „für die Werbung Verantwortlichen“ ausgeht.236 Aus dem Wortlaut folgt damit eine zentrale Einschränkung des Anwendungsbereichs der Garantiewerbehaftung: Werbung des Verkäufers mit einer Herstellergarantie wird von Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht erfasst. Der Verkäufer selbst bietet die Garantie als Werbender nämlich nicht an; vielmehr verweist er auf eine (angebliche) Garantie des Herstellers. Der Hersteller wiederum selbst bietet die Garantie ebenfalls nicht an, wenn die Werbung des Verkäufers mit ihm nicht abgestimmt ist. Es besteht kein Anlass dafür, Art.  6 Abs.  1 BGB als unbedingte Zurechnungsnorm (im Sinne einer reinen Rechtsscheinhaftung237) zu Lasten des Herstellers zu interpretieren.238 Gegen eine solche Auslegung spricht insbesondere ein systematisches Argument aus Art.  2 Abs.  2 lit.  d) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: Hier wird die Zurechnung fremder Werbeaussagen explizit geregelt.239 Eine solche Regelung findet sich in Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht. Vor diesem Hintergrund ist „Anbieter“ der Garantie nicht derjenige, der in der Werbung bloß als Anbieter erscheint, sondern nur derjenige, der die Garantie – in der von ihm verantworteten Werbung oder in seiner Vertragserklärung – tatsächlich „anbietet“. Für ein „Anbieten“ in der Werbung ist 236  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  126. 237 Dazu Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  471. 238  So im Ergebnis auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  537; Erman/Grunewald, §  443 Rn.  11a; PWW/Schmidt, §  443 Rn.  15; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  30 ff.; ähnlich Malsch, Die Herstellergarantie, S.  60. 239  Jorden, Verbrauchsgüterkauf, S.  537; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  180 f.; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  60; Wellens, Kommerzielle Garantien, S.  153; differenzierter, im Ergebnis aber ähnlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  744 f.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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dabei zumindest erforderlich, dass die Werbung mit dem Willen des Herstellers in den Verkehr gelangt.240 Andernfalls entstünden für den Hersteller unkalkulierbare Haftungsrisiken.241 Wirbt der Verkäufer mit einer tatsächlich nicht existierenden Herstellergarantie, ist der Käufer rechtlich nicht schutzlos gestellt: Der Verkäufer haftet nach §§  434, 437 BGB aufgrund eines Sachmangels (siehe unten unter E. III.). Zusätzlich kommt auch eine Haftung aus culpa in contrahendo in Betracht.242 f) Käufer als Anspruchsberechtigter Nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie muss die Garantie „denjenigen, der sie anbietet, zu den in der Garantieerklärung und der einschlägigen Werbung angegebenen Bedingungen binden.“ Die Norm bestimmt damit nicht explizit, wer berechtigt sein soll, sich auf die hieraus resultierenden Bindungen zu berufen. Dies ergibt sich vielmehr aus der Systematik der Richtlinie: Nach Art.  6 Abs.  5 Hs. 2 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist es „der Verbraucher“, der Rechte aus der Garantie geltend machen kann. „Verbraucher“ im Sinne der Richtlinie ist dabei eine natürliche Person, die zu privaten Zwecken einen Kaufvertrag abschließt, Artt.  1 Abs.  1, 2 Abs.  1 lit.  a) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. Nach den Vorgaben der Richtlinie müssen sich also private Käufer auf die Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie berufen können. Die Richtlinie wirkt allerdings nur mindestharmonisierend und steht damit der Erstreckung auf weitere Personengruppen nicht entgegen; zu den hieraus resultierenden Folgen vgl. unter I. I. 1. d). g) Rechtsfolge: Erfüllungshaftung Die „für die Werbung Verantwortlichen [sollen] verpflichtet [sein], die Garantie, mit der geworben wurde, auch tatsächlich zu gewähren“.243 Die Haftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie richtet sich damit auf Erfüllung.244 240 Ähnlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  745 f., allerdings auf Basis seines Konzepts einer rechtsgeschäftlichen Haftung; ähnlich PWW/Schmidt, §  443 Rn.  15: Der Garantiegeber muss die Werbung veranlassen. 241 Ähnlich Malsch, Die Herstellergarantie, S.  60; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  180; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  747. 242  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  161 ff.; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  34. 243  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  126. 244  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  471; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  61, die dann allerdings unzutreffend davon ausgeht, eine Erfüllungshaftung bedeute „letztlich eine Schadensersatzhaftung auf das positive Interesse“; so ebenfalls unzutreffend

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

Sie gewährt dem Käufer einen Anspruch auf die in der Werbung versprochenen Garantieleistungen in natura. Es handelt sich hierbei um die Rechtsfolge, die die Signalwirkung von Garantien auf bestmögliche Art und Weise schützt, weil sie das Signal stets „wahr werden“ lässt (siehe oben unter D. II. 1.). aa) Effektivität der Erfüllungshaftung zur Durchsetzung der Signalwirkung Nur die Aussicht auf Erfüllung entfaltet für den Käufer einen hinreichend starken Anreiz zur (ggf. gerichtlichen) Geltendmachung von Ansprüchen.245 Eine Haftung auf das negative Interesse, wie sie beispielsweise aus culpa in contrahendo in Betracht kommt (siehe dazu unten unter F. II. 1. a)), ist aus seiner Sicht in aller Regel unattraktiv: Ein Käufer wird sich für die Garantie erst dann interessieren, wenn die Kaufsache nicht mehr ordnungsgemäß funktioniert. Dies wird häufig erst einige Zeit nach Abschluss des Kaufvertrags der Fall sein.246 Lehnt der Werbende dann eine Reparatur auf Garantiebasis ab, wird der Käufer die funktionsunfähige Sache nicht selten zunächst auf eigene Kosten reparieren lassen, weil er im Alltag auf sie angewiesen ist. Dies legen die für Garantien besonders relevanten Fälle des Kaufs eines Fahrzeugs247 oder auch eines Laptops nahe. Als Alternative böte sich aus Sicht des Käufers zwar möglicherweise auch der Kauf einer neuen Sache an; doch wird die Reparatur der defekten Sache häufig billiger sein und deswegen vom Käufer bevorzugt werden.248 Schließlich muss er auch das Prozessrisiko in Rechnung stellen: Für ihn besteht die Gefahr, dass die Rückabwicklung des Kaufvertrags im Hinblick auf die erste, defekte Kaufsache doch scheitert. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie führt in dieser Situation zu dem einzigen Anspruch, der dem Käufer auf effiziente Weise Wiedergutmachung verspricht, nämlich zu einem Anspruch auf die beworbenen Garantieleistungen (zum Umfang der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB vgl. unten Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 550; Dürrschmidt, Werbung und Verbrauchergarantien, S.  117; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  537 f. Durch diese Ansicht werden die Unterschiede zwischen Erfüllungs- und Schadensersatzhaftung zu Unrecht nivelliert. 245 Ähnlich Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  179. 246  Insofern unterscheiden sich die Fälle auch von den von Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, untersuchten Konstellationen: Wirbt der Verkäufer mit Produkteigenschaften, die die Kaufsache tatsächlich nicht hat, dürfte dies dem Käufer in aller Regel schon kurz nach dem Kauf auffallen. Er könnte sich dann mittels c.i.c. vom unerwünschten Kaufvertrag lösen und alsbald ein anderes, seinen Bedürfnissen entsprechendes Produkt kaufen, vgl. Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  389 ff. 247  Vgl. den Fall OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153: Die Käuferin ließ das defekte Fahrzeug reparieren und verlangte im Klageweg Ersatz der Reparaturkosten. 248  Dies gilt gerade auch für hochpreisige Güter, bei denen der Käufer einen besonders starken finanziellen Anreiz zur Klage aus §  443 Abs.  1 BGB hat und die für das private enforcement der Garantiewerbehaftung (dazu D. II. 2.) daher besonders relevant sind.

III. Europarechtliche Vorgaben für die Gestaltung der Garantiewerbehaftung

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I. I. 2. und I. II.).249 Würde die Garantiewerbehaftung nur das negative Interesse schützen, wäre sie aus Sicht der Käufer wenig wirkungsvoll und hätte kaum Aussicht auf gerichtliche Geltendmachung. Folglich ginge von ihr auch keinerlei Sanktionsdrohung für den Werbenden aus; das europarechtlich gebotene private enforcement (siehe oben unter D. II. 2) wäre gefährdet. bb) Bestimmung der Rechtsfolgen Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bestimmt die Rechtsfolgen der Garantiewerbehaftung nicht im Detail, sondern besagt nur, dass die Garantie zu den in der Werbung genannten Konditionen verbindlich ist. Welche Regelungen greifen sollen, soweit die Werbung „schweigt“, ergibt sich aus dem Normwortlaut hingegen nicht ausdrücklich. Die Rechtsfolgen müssen daher mit Blick auf den Schutzzweck des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie konkretisiert werden; maßgeblich ist wiederum der Schutz der Signalwirkung von Garantiewerbung. Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:250 Im ersten Fall erhält der Käufer gar keine vertraglichen Garantieunterlagen. Im zweiten Fall erhält er zwar eine Garantiekarte o. ä., doch stehen die Garantiebedingungen in Widerspruch zu den Werbeaussagen. (1) Käufer erhält keine vertraglichen Garantieunterlagen Der Werbende soll nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers in diesem Fall verpflichtet sein, „die Garantie, mit der geworben wurde, auch tatsächlich zu gewähren“.251 Problematisch ist diese Haftungsfolge allerdings vor allem bei der besonders häufig vorkommenden schlagwortartigen Garantiewerbung (zum Beispiel „3 Jahre Garantie!“).252 Die Werbung selbst beschreibt die in Aussicht gestellten Garantieleistungen in diesem Fall nicht näher. Der Anspruchsin249 

Im deutschen Recht setzt die Garantiewerbehaftung dabei folgenden Mechanismus in Gang: Da der Werbende nach §  443 Abs.  1 BGB an seine Werbeaussagen gebunden ist, begründet seine Weigerung, Garantieleistungen zu erbringen, eine Pflichtverletzung nach §  280 Abs.  1 Satz  1 BGB. Die Weigerung führt daher zu Gunsten des Käufers zu einem Anspruch auf Kostenerstattung für die käuferseitig durchgeführte Reparatur (Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§  443 Abs.  1, 280 Abs.  1, 3, 281 Abs.  1 Satz  1, Abs.  2 BGB, vgl. auch I. I. 2. f)), vgl. OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2156 (allerdings mit Besonderheiten bei der Schadensberechnung, weil im Fall die Reparatur mehrfach scheiterte). 250  Vgl. auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  74; ähnlich Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57 f. 251  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  126. 252  Dieses Problem wird zumeist übersehen, so bspw. von Malsch, Die Herstellergarantie, S.  62.

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

halt muss daher mit Blick auf den Schutzzweck der Garantiewerbehaftung konkretisiert werden (siehe dazu bereits oben D. III. 2. a) cc)). Erforderlich ist eine Haftungsfolge, die sich an dem konkreten Signal orientiert, das die Garantiewerbung aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers setzt. Oben (C. III.) wurde die Signalwirkung von Garantien wie folgt beschrieben: Garantien informieren Kaufinteressenten über die Qualität des Produkts, wobei die Garantie vor allem Aussagen über die voraussichtliche (Mindest-)Gebrauchsdauer einer Kaufsache trifft.253 Die Garantiedauer steht nämlich in einem direkten Zusammenhang mit der vom Unternehmer selbst zu Grunde gelegten Lebensdauer des Produkts. Die Garantie wirkt als Qualitätssignal, weil der Garantiegeber die Risiken eines vorzeitigen Funktionsausfalls internalisiert. Hierdurch gibt er dem Käufer glaubhaft zu erkennen, dass er mit Mängeln im garantiemäßig abgedeckten Zeitraum nicht ernsthaft rechnen muss. Kunden können zudem aufgrund des Garantieversprechens erwarten, für eventuelle Mängel, deren Wahrscheinlichkeit sie statistisch nicht einschätzen können, innerhalb der Garantiezeit entschädigt zu werden. Die Garantie bewirkt aus Sicht der Kunden damit eine Risikoreduktion im besonders sensiblen Bereich der nicht einschätzbaren Risiken. Sie erlaubt Kaufinteressenten auf diese Weise, mit bestimmten Gebrauchsvorteilen fest zu rechnen.254 Eine Erfüllungshaftung muss dem Käufer im Falle eines Mangels daher einen Anspruch auf Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit geben. Der Werbende muss von der nationalen Vorschrift dazu verpflichtet werden, die Sache kostenlos zu reparieren oder auszutauschen, wenn sie während der beworbenen Garantiedauer funktionsunfähig wird. Die daraus resultierenden Ansprüchen sowie die mit dem Signalingkonzept in Einklang stehenden Einschränkungen der Garantiewerbehaftung sollen unter I. I. ausführlich erörtert werden. (2) Garantievertrag steht im Widerspruch zur Werbung Hierbei handelt es sich um den Fall, der dem europäischen Gesetzgeber bei Schaffung der Garantiewerbehaftung in erster Linie vorschwebte (vgl. bereits oben unter D. III. 2. a) aa)).255 Auch bei einem Widerspruch zwischen Werbung und Garantievertrag muss der Käufer die Gebrauchsvorteile realisieren können, die ihm durch die Werbung in Aussicht gestellt (d. h. signalisiert) wurden. Stehen vertragliche Konditionen in Widerspruch zu ausdrücklichen Werbeversprechen, 253  Schünemann, NJW 1988, 1943, 1946; Büdenbender, DStR 2002, 361, 363; ähnlich auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, 113, 149. 254  BT-Drs. 14/6040, S.  237. 255 Vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM(95) 520 endg., S.  16.

IV. Umsetzung in §  443 BGB

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kann sich der Käufer nach der Vorstellung des europäischen Gesetzgebers ebenfalls unmittelbar auf die Werbeaussage berufen.256 Dies führt auf der Ebene des deutschen Rechts zu schwierigen Konkurrenzfragen, die den Charakter der so resultierenden – aus gesetzlichen und vertraglichen Elementen bestehenden – Haftung betreffen. Diese sollen ausführlich unten unter I. II. erörtert werden. Als besonders problematisch erweist sich zudem die Frage, wann von einem relevanten Widerspruch zwischen Garantievertrag und Werbung auszugehen ist (vgl. ausführlich unten unter I. II. 1. b)). Dem europäischen Gesetzgeber dürften vor allem Fälle eines expliziten Auseinanderfallens vorgeschwebt haben, in denen beispielsweise mit einer fünfjährigen Garantie geworben, tatsächlich aber nur eine dreijährige Garantie gewährt wird. Aus dem Schutz der Signalwirkung der Garantie folgt aber, dass ein rechtlich relevanter Widerspruch nicht nur bei einer expliziten Abweichung zwischen Garantiewerbung und -vertrag vorliegt. Gemäß dem Signalingkonzept weckt die Garantie beim verständigen Durchschnittsverbraucher nämlich bestimmte Qualitätsvorstellungen, weil sie ihm suggeriert, dass er mit bestimmten Gebrauchsvorteilen der Sache fest rechnen kann (ausführlich unten unter I. I.). Diese Gebrauchsvorteile erhält er aber nicht, wenn die Garantie durch einschränkende Klauseln, die in der Werbung unerwähnt bleiben, ausgehöhlt wird. Auch solche Klauseln stehen daher in Widerspruch zu dem mit Garantien erzielten Werbeeffekt (vgl. ausführlich unten unter I. II. 1. b)). Sie sind daher unwirksam, wenn der Käufer aufgrund der Werbung nicht mit ihnen rechnen musste. An dieser Stelle konvergiert die lauterkeitsrechtlich geprägte Garantiewerbehaftung mit der ebenfalls marktordnungsrechtlich geprägten AGB-Kontrolle (vgl. dazu oben unter C. VI. 1. c) bb)). Die hier vorgeschlagenen Ergebnisse wurden bisher vor allem im Wege der AGB-Kontrolle nach §  307 Abs.  2 BGB erzielt. Die daraus resultierenden Fragestellungen sollen unter I. II. 1. b) erörtert werden.

IV. Umsetzung in §  443 BGB 1. Richtlinienkonforme Umsetzung Die Umsetzungsnorm des §  443 BGB genügt den Anforderungen des Europarechts, wenn der von Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie verfolgte Regulierungszweck bei der Auslegung beachtet wird. Der deutsche Gesetzgeber schließt sich dem Signalingkonzept ausdrücklich an: Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und -kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  126; dies., Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM(95) 520 endg., S.  16. 256 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

„Die wirtschaftliche Bedeutung der Haltbarkeitsgarantie257 ist deshalb beträchtlich, weil diese geeignet ist, die Qualität der Ware zu belegen, und damit im Wettbewerb die Absatzchancen des Verkäufers verbessert.“258

Nach §  443 Abs.  1 BGB resultiert eine Garantieverpflichtung für den Verkäufer, den Hersteller oder einen sonstigen Dritten entweder aus einer „Erklärung“ oder aber aufgrund „einschlägige[r] Werbung“. Auf diese Weise setzt der deutsche Gesetzgeber die von der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie geforderte Gleichwertigkeit der Haftung aus Garantieerklärung und Garantiewerbung um.259 Insbesondere kann aus dem Wort „Eingehen“ nicht gefolgert werden, dass ein rechtsgeschäftlicher Verpflichtungsgrund vorliegen muss.260 Dass die einschlägige Werbung unabhängig von einem Garantievertrag bindet, zeigt sich im Wortlaut des §  443 BGB vielmehr in folgender Weise: Die „einschlägige Werbung“ muss vor oder bei Abschluss des Kaufvertrages lediglich „verfügbar“ gewesen sein. Der Gesetzeswortlaut verzichtet damit wie auch bei §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB auf ein Erfordernis konkreter Kenntnisnahme durch den Käufer. Der Käufer kann sich auch dann auf die Werbeaussagen berufen, wenn völlig unstreitig ist, dass er sie vor dem Kauf nicht kannte, und sie in keiner Weise in den Vertrag einbezogen wurden. Auch begründet §  443 Abs.  1 BGB eine Erfüllungshaftung: Dem Käufer sollen die Rechte „aus der Garantie“ zustehen, die wiederum aus der Garantieerklärung oder der einschlägigen Werbung resultieren können. Die weiteren Voraussetzungen und Rechtsfolgen des §  443 Abs.  1 BGB sollen ausführlich unter I. erörtert werden.

2. Änderung durch das Verbraucherrechterichtlinie-Umsetzungsgesetz im Jahr 2014 Der Wortlaut des §  443 BGB wurde im Jahr 2014 durch das Verbraucherrechterichtlinie-Umsetzungsgesetz261 erheblich geändert. Dadurch sollte der Wortlaut 257  Der Gesetzgeber der Schuldrechtsreform ging noch von einer Unterscheidung zwischen Haltbarkeits- und Beschaffenheitsgarantien aus. Eine solche Unterscheidung war vor dem Hintergrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie allerdings nicht gerechtfertigt. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie erfasst allein Haltbarkeitsgarantien (siehe unten unter I. I. 2. f)). Die Unterscheidung zwischen Haltbarkeits- und Beschaffenheitsgarantie wurde mit dem Verbraucherrechterichtlinien-Umsetzungsgesetz aufgegeben, vgl. BT-Drs. 17/12637, S.  18. 258  BT-Drs. 14/6040, S.  237. 259  So auch, wenngleich kritisch, Picht, NJW 2014, 2609, 2610. 260  So aber Picht, NJW 2014, 2609, 2611; MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  2; ähnlich Staudinger/Matusche-Beckmann zum Wortlaut von §  443 BGB a. F.: Aus der Voraussetzung „Übernimmt…“ soll folgen, dass es einer rechtgeschäftlichen Erklärung bedürfe. 261  Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung vom 20.09.2013, BGBl.  I 2013, S.  3642.

IV. Umsetzung in §  443 BGB

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des §  443 BGB an die Definition der Garantie in Art.  2 Nr.  14 Verbraucherrechterichtlinie angepasst werden.262 Nach Auffassung des Gesetzgebers sollten hiermit allerdings keine inhaltlichen Änderungen verbunden sein.263 Eine Anpassung an Art.  2 Nr.  14 Verbraucherrechterichtlinie war entgegen der Einschätzung des Gesetzgebers indes nicht erforderlich: Die Verbraucherrechterichtlinie regelt die die Haftung für Garantieversprechen und Garantiewerbung nämlich überhaupt nicht. Sie normiert nur Informationspflichten (Artt.  5, 6 Verbraucherrechterichtlinie) in Bezug auf Garantien, die in Art.  246 f. EGBGB umgesetzt wurden; weitere garantiebezogene Regelungen finden sich in der Richtlinie nicht. Die Definition der „gewerblichen Garantie“ ist ein Überbleibsel aus dem ersten, sehr ambitionierten Richtlinienentwurf der Kommission aus dem Jahr 2008:264 Die Kommission wollte ursprünglich mehrere verbraucherschützende Richtlinien, darunter auch die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, in der Verbraucherrechterichtlinie zusammenfassen und dabei vollharmonisierend ausgestalten. Vorgesehen war aus diesem Grund in Art.  29 des Richtlinienentwurfs auch eine umfassende Regelung der Haftung für Garantieversprechen und Garantiewerbung, der inhaltlich allerdings keine Änderungen gegenüber Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gebracht hätte (vgl. oben untern D. III. 2. a)). Der Richtlinienentwurf scheiterte in seiner ambitionierten Fassung jedoch am Widerstand der Mitgliedstaaten. Der Regelungsbereich der letztlich in Kraft getretenen Verbraucherrechterichtlinie beschränkt sich im Wesentlichen auf vorvertragliche Informationspflichten (Artt.  5, 6 Verbraucherrechterichtlinie) sowie auf die verbraucherschützenden Widerrufsrechte (Artt.  9 ff. Verbraucherrechterichtlinie). Art.  29 Richtlinienentwurf trat nicht in Kraft. Für die Garantiewerbehaftung sind somit weiterhin allein Artt.  1 Abs.  2 lit.  e), 6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie maßgeblich. Zu Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung führt die Änderung des Wortlauts des §  443 BGB indes nicht, wenn auch fortan zwei Besonderheiten zu beachten sind. Die Definition der „gewerblichen Garantie“ nach Art.  2 Nr.  14 Verbraucherrechterichtlinie ist in zwei Punkten weiter als die Definition der Garantie nach Art.  1 Abs.  2 lit.  e) Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: Zum einen erfasst sie nicht nur solche Garantien, die „ohne Aufpreis“ gewährt werden, sondern auch solche, die nur gegen zusätzliches Entgelt erworben werden können. In ihren Anwendungsbereich fallen damit beispielsweise auch die oben beschriebenen „Anschlussgarantien“. Zum anderen erfasst der Begriff der „gewerblichen Garantie“ nach der Verbraucherrechterichtlinie nicht nur Abhilfeversprechen im Falle von Mängeln, sondern auch für den Fall, dass „andere als die Mängelfrei262 

BT-Drs. 17/12637, S.  34. BT-Drs. 17/12637, S.  36: „Die Unterschiede zum geltenden Recht sind vor allem begrifflicher Natur.“ 264  KOM(2008) 614 endg. 263 

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D. Europäisches Verbraucherschutzrecht als Marktordnungsrecht

heit betreffende Anforderungen nicht erfüll[t]“ werden. Beide Neuerungen haben für die Garantiewerbehaftung nur geringe praktische Bedeutung: Werden gesondert zu vergütende Garantien beworben, weiß der Durchschnittsverbraucher, dass er ein zusätzliches Entgelt entrichten muss, um Ansprüche aus der Garantie zu erwerben. Solange er dieses Entgelt nicht geleistet hat, kommt eine gesetzliche Garantiewerbehaftung nicht in Betracht, weil die Werbung kein falsches Signal setzt. Zahlt er das Entgelt, kommt hierdurch in aller Regel ein (entgeltlicher) Garantievertrag zustande. Raum für die Garantiewerbehaftung bleibt nur im letzten Fall: Steht der entgeltliche Garantievertrag hinter den Werbeaussagen zurück, kann der Garantienehmer sich auf die günstigeren Werbeaussagen berufen.265 Hier gelten die unten unter I. II. dargestellten Grundsätze. Die Garantiewerbehaftung ist im Bereich entgeltlicher Garantien teleologisch allerdings kaum gerechtfertigt: Entgeltliche Garantien beruhen vor allem auf Versicherungs-266 und Sorting-Motiven; sie dienen nicht dem Qualitätssignaling (siehe oben unter C. IV. 1. und 2.). Die Garantiewerbehaftung ist daher nur bei Werbung mit kostenlosen Garantien europarechtlich geboten.267 Zudem beruht sie nur dann auf einer europarechtlichen Vorgabe, wenn die Garantie für den Fall der Mangelhaftigkeit der Kaufsache Abhilfe verspricht. Der neue Wortlaut des §  443 Abs.  1 BGB geht damit über den Regelungsbereich der Artt.  1 Abs.  2 lit.  e), 6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie in zwei Punkten hinaus. Vor dem Hintergrund der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sind diese Erweiterungen unproblematisch: Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist, anders als die Verbraucherrechterichtlinie, nur mindestharmonisierend.268 Das nationale Recht darf daher zusätzliche Regelungen zum Schutz der Verbraucher vorsehen und insgesamt einen höheren Schutzstandard schaffen. Eine gespaltene Auslegung danach, ob der Anwendungsbereich des §  443 Abs.  1 BGB auf der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie beruht oder aber nicht, entspricht nicht dem Willen des nationalen Gesetzgebers269 (der im vorliegenden Fall sogar davon ausging, einer europarechtlichen Umsetzungspflicht genügen zu müs265 

In Betracht kommt beispielsweise, dass in der Werbung für eine Anschlussgarantie eine maximale Fahrleistung von 150.000 km angegeben wird, diese Zahl in den Garantie-AGB dann aber unterschritten wird. 266 Vgl. Twigg-Flesner, The EC-Directive on Certain Aspects of the Sale of Consumer Goods and Associated Guarantees, Consumer Law Journal 1999, 177, 186. 267 Vgl. Malinvaud, in: Grundmann/Bianca, EU-Kaufrechts-Richtlinie, Art.  6 Rn.  13. 268  Erwägungsgrund 24 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie 1999/44/EG: „Die Mitgliedstaaten sollten auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet strengere Bestimmungen zur Gewährleistung eines noch höheren Verbraucherschutzniveaus erlassen oder beibehalten können.“ 269  MünchKommBGB/Lorenz, Vor §  474 Rn.  4; BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  10.

IV. Umsetzung in §  443 BGB

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sen).270 Eine solche Differenzierung wird im Folgenden daher nicht zu Grunde gelegt. Die weitere Untersuchung fokussiert sich auf den Regelungsbereich der Artt.  1 Abs.  2 lit.  e), 6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, da die Garantiewerbehaftung in diesem Bereich die größte praktische Relevanz hat.

3. Weiterer Gang der Untersuchung Aus Sicht des nationalen Rechts interessiert vor allem, wie sich die Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB dogmatisch in das System des BGB einfügen lässt. Es wird sich zeigen, dass die Garantiewerbehaftung gegenüber den anerkannten Haftungskategorien wesentliche Besonderheiten aufweist. Im Folgenden sollen zunächst die bisher herrschenden rechtsgeschäftlichen Lösungsvorschläge dargestellt und kritisch gewürdigt werden (E.). Im Anschluss daran wird erörtert, ob es sich bei der Garantiewerbehaftung um einen neuen Fall der gesetzlichen Vertrauenshaftung handeln könnte; dies wird zu verneinen sein (F.). Auch eine Einordnung als deliktische Haftung kommt nicht in Betracht (G.). Auf diesen Erkenntnissen aufbauend erfolgt die Einordnung der Garantiewerbehaftung als Fall einer neuen, gesetzlichen Marktinformationshaftung (H.). Auf Basis dieser Einordnung werden sodann Tatbestand und Rechtsfolgen der Garantiewerbehaftung nach nationalem Recht konkretisiert (I.).

270  Vgl. BT-Drs. 17/12637, S.  34: Bezweckt war eine „Anpassung der ‚Garantie‘ des Kaufrechts (§  443 BGB) an die Definition der Richtlinie“.

E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht: bisherige Lösungsansätze Die herrschende Meinung erkennt in der Bindung des Garantiegebers an seine Werbeaussagen dogmatisch eine Form der rechtsgeschäftlichen Haftung. Dabei finden sich verschiedene Begründungen; sie stimmen insoweit überein, als sie den tragenden Rechtsgrund der Haftung letztlich in der privatautonomen Bindung des Werbenden verorten. Daraus folgt nach herrschender Meinung, dass Werbung keinerlei Ansprüche des Käufers begründen kann, wenn keine rechtsgeschäftliche Garantieerklärung des Werbenden vorliegt.1 Im Detail weichen die Ansichten allerdings erheblich voneinander ab: Manche Autoren erkennen in hinreichend konkreten Werbeaussagen ein echtes Angebot (§  145 BGB) auf Abschluss eines Garantievertrags, das der Käufer durch konkludentes Verhalten annehmen könne.2 Angenommen wird zum Teil auch, dass Garantiewerbung ein einseitig verpflichtendes Rechtsgeschäft darstellt oder zumindest darstellen kann, das auch ohne eine Annahme seitens des Käufers verbindlich wirken soll.3 Nach einer weiteren Begründungsvariante soll Werbung nur im 1  BGH NJW 2011, 2656 Rn.  30 (zu Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie); Jorden, Verbrauchergarantien, S.  538 f.; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  44, 52 ff. (die von einem einseitig verpflichtenden Leistungsversprechen ausgeht); Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  26 ff. (allerdings zur Rechtsnatur der kaufrechtlichen Garantie vor der Schuldrechtsreform); Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  136 f., 139; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  121 ff.; Wellens, Kommerzielle Garantien, S.  151; BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  52; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  1, 6; MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  12; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  32; Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  6; PWW/Schmidt, §  443 Rn.  15; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  11, 25; Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 44. 2  Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  29 f. (für die Rechtslage vor der Schuldrechtsreform und unter Einschränkung auf „ausführliche Garantiezusagen“ in der Werbung); ­BeckOGK/ Stöber, §  443 Rn.  52, der sogar nur dann von einer Garantiewerbehaftung ausgeht; wohl auch Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  124, der zwar von einer Auslegungsregel spricht, andererseits Werbeaussagen aber nur berücksichtigen will, wenn sie von einem „Garantiewillen“ getragen werden und einen „hinreichend konkreten Garantieinhalt“ enthalten. 3  Malsch, Die Herstellergarantie, S.  56 f. für den Fall, dass die Werbung bestimmte Mindestangaben enthält, was sie aber schon bei Angaben wie „1 Jahr Garantie für die kostenlose Behebung von Material- und Fabrikationsfehlern“ und „1 Jahr Vollgarantie“ für gegeben hält;

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

Wege der Auslegung nach den §§  133, 157 BGB zum Bestandteil eines anderweitig (bspw. durch eine Garantiekarte) zustande kommenden Garantievertrages werden.4 Die mittlerweile herrschende Ansicht betrachtet die Werbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB schließlich als gesetzliche Auslegungsregel: Hiernach wird der Inhalt der Werbung automatisch zum Bestandteil eines (anderweitig zustande kommenden) Garantievertrages, ohne dass es auf die Voraussetzungen der §§  133, 157 BGB im Einzelfall ankommen soll.5 Im Folgenden sollen die rechtsgeschäftlichen Deutungsmuster dargestellt und auf ihre Europarechtskonformität hin überprüft werden. Aus der Kritik folgen zugleich Ansatzpunkte für eine neue dogmatische Fundierung der Werbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB.

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag Nach traditioneller Ansicht kann eine Haftung für Garantiewerbung nur vertraglich begründet werden: Garantiewerbung ist hiernach nur verbindlich, wenn sie selbst eine Willenserklärung darstellt und zum Zustandekommen eines Garantievertrags führt.6 Die Anforderungen an eine rechtsgeschäftliche Haftung für Werbeaussagen sind allerdings sehr hoch: Voraussetzung hierfür ist, dass die Werbung eine ausführliche Garantiezusage inklusive aller essentialia negotii enthält Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  104 ff., der davon ausgeht, dass Garantiewerbung häufig eine Auslobung nach §  657 BGB darstellt. 4  So wohl Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  123 ff. (im Detail unklar); (wohl) auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  170 ausgerechnet für den Fall, dass Vertrag und Werbeangaben sich widersprechen. 5  Jorden, Verbrauchergarantien, S.  529 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  739 ff.; ähnlich wohl auch Malsch, Die Herstellergarantie, S.  61, die von einem „Vorrang“ der Garantiewerbung spricht, ohne diesen allerdings näher dogmatisch zu qualifizieren; wohl auch Malinvaud, in: Grundmann/Bianca, EU-Kaufrechts-Richtlinie, Art.  6 Rn.  15; ­Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  167 f., allerdings nur für den Fall, dass der Garantievertrag unklar formuliert ist oder Lücken enthält; unklar BGH NJW 2011, 2656 Rn.  29. 6  Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  29 f. (entwickelt vor der Schuldrechtsreform); BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  52; MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  12; Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  6; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  121 ff.; wohl auch Wellens, Kommerzielle Garantien, S.  152; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  27; wohl auch Picht, NJW 2014, 2609, 2611; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn.  467, der Garantiewerbung des Herstellers allerdings stets als vertragliches Angebot ansehen will. Eine Annahmeerklärung des Garantieempfängers für entbehrlich halten außerdem Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  108 ff. (wenn die Voraussetzungen einer Auslobung nach §  657 BGB vorliegen), Malsch, Die Herstellergarantie, S.  53 (stets).

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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und aus ihr nach dem objektiven Empfängerhorizont ein unbedingter Verpflichtungswille spricht.7 Die (konkludente) Annahme dieses Vertragsangebots durch den Käufer bereitet dann nach herrschender Meinung allerdings keine Probleme mehr. Begründet wird dies folgendermaßen: Eine solche Annahme liege dann vor, wenn er das Angebot nicht durch nach außen hin erkennbare Willensäußerung ablehne;8 schließlich sei das Garantieangebot für den Käufer ausschließlich vorteilhaft und auch unentgeltlich, sodass an die Annahme nur ganz geringe Anforderungen zu stellen seien.9 Die Annahme sei sogar noch Jahre nach dem Kauf möglich, da das Angebot jedenfalls solange fortgelte, wie die Garantiefrist noch nicht abgelaufen sei.10 Der Zugang der Annahmeerklärung sei nach §  151 S.  2 BGB entbehrlich.11 Diese Betrachtungsweise erscheint in mehrfacher Hinsicht problematisch. Vor allem genügt sie nicht den Anforderungen, die Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie an die Ausgestaltung der Garantiewerbehaftung stellt: Die Voraussetzungen an eine Willenserklärung liegen bei Garantiewerbung nur in seltenen Einzelfällen vor, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen werden. Die Garantiewerbehaftung würde, wenn das Vorliegen einer Willenserklärung zur Voraussetzung erhoben wird, in europarechtswidriger Weise erheblich eingeschränkt.

1. Voraussetzungen an eine Willenserklärung a) Rechtsbindungswille und essentialia negotii Ob eine Willenserklärung vorliegt und welchen Inhalt sie hat, bestimmt sich maßgeblich nach dem objektiven Empfängerhorizont des Empfängers. Zentrales Kriterium ist der Rechtsbindungswille: Eine Willenserklärung liegt vor, wenn der Erklärende in zurechenbarer Weise den Anschein einer finalen Rechtsfolgenanordnung setzt. Ein solcher Anschein besteht allerdings nur, wenn aus der Sicht Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  30; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  56 f.; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  158 f.; BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  52, der unzutreffend sogar den Willen zu einer verschuldensunabhängigen Haftung fordert (dagegen vgl. unten unter I. I. 2. f)); so auch NK/Büdenbender, §  443 Rn.  27; OLG Köln, Beschluss v. 15.10.2012 – 11 U 153/12, Juris-Rn.  2. 8  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  101 m. Fn.  423, der sich auf BGH NJW 2002, 276 stützt. 9  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  101; Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  32 f. 10  Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  32 f.; ähnlich Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  125, der davon ausgeht, dass die Werbeaussagen zum Bestandteil eines anderweitigen Garantieangebotes werden, das dann seinerseits unbefristet gelte. 11  Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  7; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  100; Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  31 f. 7 

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

eines objektiven Empfängers der Wille des Erklärenden, eine rechtliche Regelung zu treffen, deutlich wird.12 Ob ein Rechtsbindungswille des Erklärenden angenommen werden kann, richtet sich dabei maßgeblich nach der Verkehrsanschauung (§  157 BGB).13 Tatsächlich gehen die allermeisten Rezipienten von Werbeaussagen schlichtweg nicht davon aus, dass der Werbende sich unmittelbar durch die Werbung rechtlich binden will.14 Wird beispielsweise in einem Supermarktprospekt ein Föhn mit dem Hinweis „3 Jahre Garantie“ beworben, so erkennen die Leser darin kaum eine Willenserklärung.15 Zwar ist die beworbene Garantie für den Käufer rechtlich und wirtschaftlich von großem Gewicht (vgl. oben C. III. zum Signaling durch Garantien). Die Werbeadressaten gehen indes davon aus, dass, falls und wenn sie den Föhn kaufen, diesem ein Garantiedokument beiliegen wird, das die beworbene Garantie gewährt. Finden sie in dem Produkt keine Garantiekarte, werden sie in ihren Erwartungen enttäuscht sein und den Eindruck haben, dass die Werbung sie in die Irre geleitet hat. Diese Enttäuschung ist jedoch kein Grund, die maßgebliche Garantieerklärung „rückblickend“ in der Werbung zu verorten. Diese enthält nämlich kein „Leistungsversprechen“, wie es für eine Willenserklärung typisch ist.16 Dies gilt auch dann, wenn die Werbung sich nicht bloß in einem ganz kurzen Slogan – z. B. „1 Jahr Garantie!“ – erschöpft, sondern noch zusätzliche Ausführungen enthält. Ein Teil der Literatur will allerdings dann von einer verbindlichen Willenserklärung ausgehen, wenn der Werbende seine Botschaft etwas ausführlicher formuliert, bspw. folgendermaßen: „Wenn wir ein Originalteil einbauen oder verkaufen, hält das mindestens ein Jahr. Dafür stehen wir gerade. Versprochen ist versprochen.“17 Hier soll eine echte Willenserklärung vorliegen, weil die Angaben in der Werbung besonders „dezidiert“ seien.18 Diese Literaturansicht übersieht hier jedoch, dass der Werbeslogan bei genauer Betrachtung überhaupt keine über ein bloßes „1 Jahr Garantie!“ hinausgehenden Informationen enthält. Es ist daher nicht ersichtlich, warum ausführlich formulierte Werbe12 

Soergel/Wolf, 13.  Aufl. 1999, Vor §  145 Rn.  94; Staudinger/Bork, §  145 Rn.  4. Soergel/Wolf, 13.  Aufl. 1999, Vor §  145 Rn.  94; Staudinger/Bork, Vorbem zu §§  145–156 Rn.  81 („Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte“). 14  Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  115 ff. Dieses Problem erkennen auch Malsch, Die Herstellergarantie, S.  56 f. und Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  29. 15  In Fällen solch kurzer Werbesprüche zustimmend Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  29; Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57. 16 Vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  426; Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  115 ff.; Soergel/Wolf, 13.  Aufl. 1999, Vor §  145 Rn.  95, 121; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  105. 17  Beispiel von Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  30; ähnliche Beispiele finden sich bei Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57. 18  Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  30. 13 

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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botschaften trotz identischen Informationsgehalts anders beurteilt werden sollten als kurze und prägnante Werbeslogans, die dem Publikum wahrscheinlich sogar noch eher im Gedächtnis bleiben. Hinzu kommt, dass die Literaturansicht bisher keine Kriterien dafür entwickeln konnte, wann Werbung „ausführlich“ genug ist, um zwingende Rückschlusse auf einen Rechtsbindungswillen zuzulassen. Die angeführten Beispiele – „hält … mindestens ein Jahr“19 oder „1 Jahr Vollgarantie“20 – enthalten gerade nicht alle für einen Garantievertrag erforderlichen essentialia negotii.21 Ein wirksames Angebot nach §  145 BGB kann nur vorliegen, wenn eine Willens­erklärung alle essentialia negotii enthält, sodass sie von dem Angebotsempfänger mit einem bloßen „Ja“ angenommen werden kann.22 Bei einem Garantievertrag zählen zu den essentialia negotii – neben den Vertragsparteien – zumindest die von der Garantie erfassten Mängel, die Art der versprochenen Abhilfemaßnahmen sowie die Garantiefrist. Es handelt sich hierbei um die zentralen Garantieparameter (siehe oben unter C. VI. 1. b)),23 ohne deren Festlegung der Umfang der Garantie nicht auf einen vertraglichen Bindungswillen der Parteien zurückgeführt werden kann (vgl. aber zu möglichen gesetzlichen Rechtsfolgen unten I. I. 2.).24 Bei dem Garantievertrag handelt es sich nämlich um einen Vertragstyp, für den das BGB keine geschriebenen „default rules“ enthält, die Lücken in der vertraglichen Vereinbarung nach Vertrauensschutzgesichtspunkten füllen könnten.25 Aus diesem Grund sind an das Vorliegen der essentialia negotii besonders strenge Anforderungen zu stellen,26 denen schlagwortartige Garantiewerbung nicht genügt. Zumeist liegt erst dem Produkt eine Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  30. Beispiel von Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57. 21  Anders, allerdings ohne Begründung Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57. 22  MünchKommBGB/Busche, §  145 Rn.  6 m. w. N. 23  Vgl. MünchKommBGB/Wurmnest, §  307 Rn.  15; Christensen, in: Ulmer/Brandner/ Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  3. 24 A.A. Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  158, die hier auf in der Rechtsprechung und Literatur entwickelte „Vermutungsregeln“ zurückgreifen will (siehe dazu ausführlich unter I. I. 4.). Gegen eine solche Vorgehensweise sprechen jedoch zwei Argumente: Zum einen beruhen diese Vermutungsregeln auf einer ergänzenden Vertragsauslegung, die nur zur Anwendung kommen kann, wenn ein Garantievertrag vorliegt. Die Möglichkeit einer ergänzenden Vertragsauslegung kann nicht umgekehrt den Vertragsschluss „begründen“. Zudem sind die von der herrschenden Meinung entwickelten Vermutungsregeln kritisch zu beurteilen, da sie den Boden der ergänzenden Vertragsauslegung verlassen (siehe ausführlich unten unter I. I. 3. und 4.); funktional nehmen sie vielmehr die Stellung von „ungeschriebenem“, dispositiven Gesetzesrecht ein. 25  Vgl. zur Funktion dispositiven Gesetzesrechts Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  291 sowie ders., Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  26. 26  Vgl. MünchKommBGB/Busche, 7.  Aufl. 2015, §  145 Rn.  6: Bei einem Angebot auf Ab19  20 

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

Garantiekarte bei, die die Garantie-AGB enthält und die Rechte näher spezifiziert. Daher gilt sowohl bei „ausführlichen“ als auch bei kurzen Werbeslogans: Werbung kündigt eine Garantie nur an, nämlich für den Fall, dass der Werbeadressat das beworbene Produkt erwirbt. Im oben gewählten Beispiel stellt der Werbeprospekt beispielsweise nur in Aussicht, dass den Käufern des Föhns beim Kauf eine Garantie gewährt werden wird. Die Werbung fungiert damit nur als Ankündigung einer Willenserklärung; sie ist nicht selbst schon eine Willenserklärung.27 Aus diesem Grund kann auch eine stärkere Berücksichtigung von Vertrauensschutzgesichtspunkten, wie sie vor allem für die Auslegung von Erklärungen an die Öffentlichkeit diskutiert wird,28 hier nicht die Annahme einer Willenserklärung tragen: Rechtsgeschäftlicher Vertrauensschutz kommt nur in Betracht, wenn zwar nach dem objektiven Empfängerhorizont eine Erklärung vorliegt, der vermeintlich Erklärende aber keinen entsprechenden Geschäftswillen oder sogar schon kein Erklärungsbewusstsein hatte.29 Dies ist bei Werbung mit Garantien gerade nicht der Fall: Hier liegt schon nach dem objektiven Empfängerhorizont keine Willenserklärung vor. Damit besteht auch kein Anknüpfungspunkt für einen willenserklärungsbezogenen Vertrauensschutz (zu weiteren Formen des Vertrauensschutzes siehe unten unter F.). b) Hohe Anforderungen an eine Offerte ad incertas personas Gegen die Annahme einer Willenserklärung bei Garantiewerbung spricht zusätzlich, dass bei Erklärungen ad incertas personas die Hürden für die Annahme einer Willenserklärung besonders hoch sind.30 Garantiewerbung – vor allem die für den grenzüberschreitenden Kauf so wichtige Internetwerbung – richtet sich aber regelmäßig an die Öffentlichkeit (auch wenn dies keine notwendige Voraussetzung des Werbebegriffs ist, vgl. oben unter D. III. 2. c)). Ein Werbender will in aller Regel durch die Werbung noch kein verbindliches Vertragsangebot abgeben, weil er sonst das Risiko einginge, sich über die Grenzen seiner eigenen Leistungsfähigkeit hinaus zu verpflichten. Auch könnte er nicht verhindern, dass sein Angebot von Personen angenommen wird, mit denen er nicht kontrahieren will;31 gerade aus diesem Grund wird Werbung im Regelfall als bloße invitatio schluss eines Innominatvertrags ist es besonders wichtig, dass der Antrag eine „in sich geschlossene“ Regelung enthält. 27  Vgl. allgemein Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschem Privatrecht, S.  426. 28  MünchKommBGB/Säcker, Einl. BGB, Rn.  177 ff.; kritisch Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschem Privatrecht, S.  153 ff., 424 29  MünchKommBGB/Säcker, Einl. BGB, Rn.  177 ff. 30  Staudinger/Bork, §  145 Rn.  4 ff. 31  Staudinger/Bork, §  145 Rn.  4.

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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ad offerendum eingeordnet (siehe dazu sogleich unter E. I. 1. c)). Es ließe sich hier zwar einwenden, dass ein Garantieversprechen in der Werbung unter einer Bedingung steht, nämlich unter der aufschiebenden Bedingung (§  158 Abs.  1 BGB), dass der Werbeadressat auch tatsächlich einen Kaufvertrag über das beworbene Produkt abschließt.32 Doch wirkt diese Konstruktion gekünstelt und kann auch in dogmatischer Hinsicht nicht überzeugen: Sie käme nur in Betracht, wenn der Verkäufer selbst mit einer Garantie wirbt. Der Hersteller hingegen hat keine Möglichkeit, seine eigenen Leistungspflichten über die Kontrolle des „Zugangs“ zum Kaufvertrag zu begrenzen.33 Weder Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie noch §  443 Abs.  1 BGB differenzieren aber zwischen Verkäufer- und Herstellerwerbung. Auch praktisch erscheint es wenig überzeugend, allen Werbeadressaten ein optionsgleiches Garantieangebot zuzuwenden, obwohl viele von ihnen das beworbene Produkt nicht kaufen werden. c) Rechtsprechung zur (fehlenden) Verbindlichkeit von Garantiewerbung aa) Garantiewerbung im Internet Der BGH geht in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass Garantiewerbung (in den entschiedenen Fällen: Werbung im Internet) keine Willenserklärung begründet, sondern lediglich eine invitatio ad offerendum darstellt: „Unter den Begriff der Garantieerklärung […] fallen nur Willenserklärungen, die zum Abschluss eines Kaufvertrags (unselbstständige Garantie) oder eines eigenständigen Garantievertrags führen, nicht dagegen die Werbung, die den Verbraucher lediglich zur Bestellung auffordert und in diesem Zusammenhang eine Garantie ankündigt (Hervorhebung nur hier), ohne sie bereits rechtsverbindlich zu versprechen…“34

Allerdings erkennt der BGH in einer Sonderkonstellation eine Ausnahme von diesem Grundsatz an: Hiernach stellt Garantiewerbung dann eine Willenserklärung dar, wenn sie mit einem unbedingten Verkaufsangebot verbunden wird. In einem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Verkäufer eine Digitalkamera im Wege eines „Sofort kaufen“-Angebots auf eBay eingestellt.35 Laut Produktbeschreibung bestanden dabei für die Kamera „24 Monate Herstellergarantie“. Der 32 So Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  158; Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn.  467. 33 A.A. Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, Rn.  467. 34  BGH NJW 2011, 2653 Rn.  26 – Werbung mit Garantie; BGH GRUR 2012, 730 Rn.  43 – Bauheizgerät; vgl. auch BGH NJW 1981, 276, wo ein „Garantieversprechen“ von einer „unverbindliche[n] Werbeerklärung“ abgegrenzt wird. 35  BGH GRUR 2013, 851 – Herstellergarantie II (auch zum Folgenden); ganz ähnlich: OLG Hamm GRUR 2013, 293 (Hinweis: „5 Jahre Garantie“ in der Beschreibung eines Staubsaugers auf eBay).

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

BGH ging von einem wirksamen Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages aus.36 Bei einem „Sofort kaufen“-Angebot handelt es sich nach den AGB von eBay nämlich um ein verbindliches Angebot auf Abschluss eines Kaufvertrages.37 Aus diesem Grund richte sich der Rechtsbindungswille des Verkäufers nicht nur auf den Verkauf des Produkts, sondern auch auf den Abschluss eines Garantievertrages.38 Garantiewerbung, die bei isolierter Betrachtung keinen Angebotscharakter hätte, soll auf diese Weise doch einen Garantievertrag zustande bringen können. Dies gilt selbst dann, wenn die Werbung sich auf ganz wenige Schlagworte beschränkt, wie etwa auf den Hinweis „24 Monate Herstellergarantie“ bzw. „5 Jahre Garantie“. Dieselbe (inhaltlich identische) Art von Garantiewerbung soll andererseits unverbindlich sein, wenn kein „Sofort kaufen“-Angebot vorliegt.39 Diese Rechtsprechung kann bereits aufgrund dieses Widerspruchs nicht überzeugen: Für inhaltsgleiche Werbeaussagen darf kein unterschiedlicher Haftungsmaßstab gelten, der von dem bloßen Zufall abhängt, ob ein Verkaufsangebot vorliegt oder nicht.40 So bieten viele gewerbliche Verkäufer auf eBay ihre Produkte sowohl in Form von Auktionen als auch – gleichzeitig! –zum „Sofort Kaufen“ an. eBay-Nutzer haben dann die Wahl, ob sie die Risiken einer Auktion eingehen oder aber das Produkt zu einem festen Preis sofort kaufen möchten. Das Vorliegen einer verbindlichen Garantieerklärung würde dann nach der Rechtsprechung davon abhängen, ob der Käufer auf die Schaltfläche „Sofort Kaufen“ oder aber „Bieten“ klickt.41 Aus Sicht des Käufers ändern die Werbebotschaften hierdurch indes weder ihren Inhalt noch ihre Bedeutung für die Kaufentscheidung. bb) Isolarglasfall In einem gewissen Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH zu Garantiewerbung im Internet steht der bekannte Isolarglasfall aus dem Jahr 1979,42 der daher aus europarechtlicher Sicht besonders interessant erscheint. Hier hielt der BGH einen Hersteller von Isolarglaseinheiten an seinen garantiebezogenen Werbeaussagen in einem Werbeprospekt fest. Möglicherweise eröffnet der Isolarglasfall

36 

BGH GRUR 2013, 851 Rn.  12 – Herstellergarantie II. Vgl. OLG Hamm GRUR-RR 2013, 293, 294. 38  OLG Hamm GRUR-RR 2013, 293, 294. 39  BGH NJW 2011, 2653 – Werbung mit Garantie („3 Jahre Garantie“ für Druckerpatronen); BGH GRUR 2012, 730 – Bauheizgerät („2 Jahre Garantie“ für Bauheizgeräte und Industriestaubsauger auf eBay). 40 Ähnlich Picht, JR 2015, 405, 410. 41  Picht, JR 2015, 405, 410. 42  BGH NJW 1979, 2036. 37 

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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daher einen Weg zu einer europarechtskonformen, vertragsbasierten Garantiewerbehaftung. Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Kläger ließ in seinem Haus Isolarglas eines bestimmten Herstellers einsetzen. Dieses bezog er indes nicht direkt beim Hersteller, sondern bei einem Glaser, der die Glasscheiben seinerseits von einem Zwischenhändler liefern ließ; dieser schließlich kaufte sie direkt beim Hersteller. Fast fünf Jahre nach dem Einbau bildete sich in den Scheiben Kondenswasser. Mängelbeseitigungsansprüche gegen den Glaser waren zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits verjährt. Der Kläger erfuhr erst dann, dass der Hersteller in Prospekten mit einer Garantie für die Isolarglasfenster geworben hatte: „Die Hersteller von ISOLAR-Glas garantieren – gerechnet vom Tage der ersten Lieferung an – für 5 Jahre, daß unter normalen Bedingungen weder durch Bildung eines Films noch durch Staubablagerungen im Scheibenzwischenraum die Durchsichtigkeit des ISOLAR-Glases beeinträchtigt wird … Diese Garantie verpflichtet nur zum Ersatz der fehlerhaften ISOLARGlas-Einheit …“

Der Kläger berief sich daraufhin gegenüber dem Hersteller auf die Garantie, obwohl er weder von dem Glaser noch von dem Zwischenhändler Garantiedokumente erhalten und er auch bei Beauftragung des Glasers von der Werbung keinerlei Kenntnis hatte. Der Hersteller lehnte eine Haftung hingegen ab und argumentierte, zwischen ihm und dem Kläger sei kein Garantievertrag zustande gekommen. Der BGH bejahte indes Ansprüche des Käufers aufgrund eines Vertrages zu Gunsten Dritter nach §  328 BGB: Ein solcher Vertrag sei zwischen dem Isolarglashersteller und dem Zwischenhändler zustande gekommen. Einen direkten Vertrag zwischen dem Hersteller und dem Käufer nimmt der BGH nicht an.43 Nach Auffassung des Gerichts enthält die Werbung des Herstellers ein Angebot auf Abschluss eines Garantievertrages, das sich ausschließlich an den ersten Zwischenhändler – nicht aber an den Endabnehmer oder weitere Zwischenhändler – richte. Dieser habe das Angebot konkludent angenommen, weil es in seinem Interesse liege, dass der Hersteller Mängel auf Garantiebasis beseitige: Dadurch werde der Zwischenhändler nämlich von Mängelbeseitigungsansprüchen seiner Abnehmer frei. Das BGH-Urteil stieß in der Literatur auf Kritik: Bemängelt wurde vor allem, dass der Vertrag zu Gunsten Dritter auf einer Fiktion beruhe.44 Tatsächlich begegnet die Annahme eines Vertrages zu Gunsten Dritter erheblichen Bedenken. Der BGH geht ohne nähere Begründung davon aus, dass die Werbeangaben in dem Prospekt ein verbindliches Vertragsangebot des Herstellers darstellen. Diese 43  44 

Der BGH ließ diese Frage offen, weil er seine Lösung auf §  328 BGB stützte. Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  102 f.

122

E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

Annahme kann nicht überzeugen, da die Garantiewerbung aus den oben genannten Gründen nicht auf einen Rechtsbindungswillen des Werbenden schließen lässt. Nach der neuen, ständigen Rechtsprechung des BGH zur Garantiewerbung im Internet (siehe oben unter E. I. 1.c) aa)) lässt sie sich auch nicht mehr aufrechterhalten. Liegt aber keine Willenserklärung des Herstellers vor, kommt weder ein Garantievertrag zu Gunsten Dritter noch – anders als von Teilen der Literatur angenommen45 – ein direkter Garantievertrag zwischen Hersteller und Endabnehmer in Betracht. Im Isolarglasfall beschränkte sich die Werbung zwar nicht auf wenige Schlagworte. Gegen die Annahme eines Angebots spricht jedoch auch hier, dass Garantien in aller Regel in (mehr oder weniger ausführlichen) Vertragsdokumenten (Garantiekarten oder sonstige Urkunden) niedergelegt werden. Diese Garantiedokumente regeln üblicherweise, unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch bestehen soll, und enthalten dabei Bestimmungen zur Garantiefrist, zu den Garantieleistungen, den abgedeckten Risiken, den anwendbaren Ausschlussgründen sowie zur Verjährung der Ansprüche aus Garantie. Diese weitverbreitete Rechtspraxis spricht dagegen, aus notwendig verkürzenden Werbeangaben auf einen Rechtsbindungswillen des Garantiegebers zu schließen. Die vertragliche Ausgestaltung erfolgt nämlich gerade vor dem Hintergrund, dass das BGB kein garantiespezifisches dispositives Gesetzesrecht bereithält. Daraus resultieren besondere Schwierigkeiten bei der Schließung von Vertragslücken. Gerade letzterer Punkt – die Schwierigkeit der Lückenfüllung – zeigte sich dann auch besonders deutlich im Isolarglasfall (siehe dazu auch unten I. I. 3.). Noch schwerer wiegt aber folgendes Argument, das auch bei der Beurteilung von konkludenten Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf begegnen wird (siehe unten unter E. I. 2.): Die Annahme eines Vertrages zu Gunsten Dritter beruht vor allem auf marktordnungsrechtlichen Erwägungen, die im vertragsrechtlichen Kontext fehlerhaft eingeordnet sind (vgl. dazu auch noch ausführlich unter I. I. 3.). Der Kläger hatte im Isolarglasfall von der Garantiewerbung vor dem Kauf keine Kenntnis erlangt. Gleichzeitig sollte die Garantie nach den Aussagen im Prospekt aber dem Käufer als Endabnehmer zu Gute kommen. Der BGH löste dieses Problem, indem er den Vertragsschluss auf eine höhere Ebene in der Lieferkette verlagerte. Die im Einzelfall stattgefundene oder aber unterbliebene Kenntnisnahme durch den Endabnehmer stufte er zu einer irrelevanten bloßen „Zufälligkeit“ herab. Unter Marktordnungsgesichtspunkten kann das Ergebnis überzeugen, vor allem, wenn man den Vertriebsweg für Glasscheiben in die Betrachtung miteinbezieht: Die Garantie soll mittels Qualitätssignaling die Qualitätserwartungen des 45 

Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  102.

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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Kunden beeinflussen. Hier hatte der Kläger einen Werkunternehmer mit dem Einsatz von Glasscheiben in seinem Haus beauftragt. Naheliegend ist, dass der Kläger das einzusetzende Glas nicht selbst aussuchte, sondern die Auswahl vielmehr dem Glaser überließ; dieser übernahm tatsächlich ja auch die Bestellung der Glasscheiben. Für diese Annahme spricht zudem, dass der Käufer sich offenbar selbst nicht mit dem Prospekt des Isolarglasherstellers befasst hatte (anderenfalls hätte er die Garantiewerbung ja schon vor dem Kauf zur Kenntnis genommen). Unter diesen Umständen erfüllte der Glaser die Funktion eines Intermediärs: Er verglich für den Endabnehmer die auf dem Markt verfügbaren Produkte und nahm eine Auswahl unter Kosten- und Qualitätsgesichtspunkten vor. Vor diesem Hintergrund erscheint es in der Tat als „Zufälligkeit“, ob der Endabnehmer die Werbung selbst ebenfalls zur Kenntnis genommen hat oder nicht. Wäre die Garantiewerbung nur dann verbindlich, wenn der Endabnehmer selbst sie rezipiert hätte, so bestünde im Hinblick auf die Isolarglasscheiben nur äußerst selten eine Haftung des Herstellers. Dieses Ergebnis erscheint unbefriedigend, denn der Endabnehmer zahlt letztlich für die Garantie: Diese ist stets in den Produktpreis einkalkuliert, den der Endabnehmer aufbringen muss, und sei es mittelbar durch Zahlung an den Werkunternehmer. Kostenlose Garantien gibt es nicht.46 Die wirtschaftlichen Folgen treffen also den Endabnehmer, während die Entscheidung über das zu wählende Produkt von dem Glaser getroffen wird. Diese „Aufspaltungsproblematik“ löst der BGH, indem er einen Vertrag zu Gunsten Dritter konstruiert.47 Der Ansatz des BGH ist vor dem Hintergrund der Vertriebsstruktur wirtschaftlich sinnvoll und nachvollziehbar. Dogmatisch kann er jedoch nicht überzeugen. Erforderlich ist vielmehr, die wirtschaftliche Funk­ tion der Garantie auch bei der Konstruktion des Bindungsgrundes konsequent zu berücksichtigen: Die Garantie ist verbindlich, weil der Hersteller mit ihr geworben und im Wege des Signaling preisrelevante Informationen in den Markt transportiert hat. Die Bindungswirkung beruht auf einem europarechtlich vorgeprägten gesetzlichen Schuldverhältnis (siehe ausführlich unter H., I.), das von individueller Kenntnisnahme unabhängig ist und sich nach heutigem Recht aus §  443 Abs.  1 BGB i. V. m. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie begründen lässt. Im Jahre 1979 konnte der BGH sich natürlich noch nicht auf entsprechende europarechtliche Vorgaben berufen. Die Annahme eines Vertrages zu Gunsten Dritter erscheint vor diesem Hintergrund als ergebnisorientierte „Notlösung“. 46  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  532; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  23. 47  Da im Isolarglasfall nur der Glaser als Intermediär in Betracht kam, nicht aber der Zwischenhändler, wäre es jedoch überzeugender gewesen, von einem Vertrag zu Gunsten Dritter zwischen dem Hersteller und dem Glaser auszugehen.

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

cc) Zahnersatzfall Vor dem Hintergrund der neuesten BGH-Rechtsprechung (siehe oben unter E. I. 1. c) aa)) konsequent verneinte das OLG Oldenburg in einer neueren Entscheidung vertragliche Ansprüche aus Garantiewerbung.48 Streitgegenständlich war die Broschüre einer Zahnklinik („Besser leben mit Biss“), die folgenden Text enthielt: „Das hauseigene Recall-System erinnert Sie an Ihre Kotroll-Termine, deren Einhaltung wichtig ist für unsere 7-jährige Gewährleistung auf Zahnersatz.“

Der Kläger ließ sich in der Klinik mehrere Zahnimplantate einsetzen, die jedoch in der Folge wieder entfernt werden mussten, obwohl er alle erforderlichen Kontrolltermine wahrgenommen hatte. Vor Behandlungsbeginn hatte der Kläger die oben beschriebene Werbebroschüre erhalten. Er klagte daraufhin gegen die Zahnklinik auf kostenfreie Wiedereinsetzung neuer Zahnimplantate und berief sich dabei ausschließlich auf die Werbeangaben, da er abgesehen von der Werbebroschüre keinerlei Garantieunterlagen erhalten hatte. Die Klinik lehnte eine Haftung mit dem Argument ab, dass zwischen ihr und dem Kläger kein Garantievertrag zustande gekommen sei. Das OLG Oldenburg wies die Klage ab, weil sich aus dem Werbeprospekt kein Garantievertrag herleiten lasse. Bei den Aussagen in der Broschüre handele es sich lediglich um Werbeaussagen, die einer „vertraglichen Umsetzung“49 bedürften, um Ansprüche begründen zu können. Das Urteil entspricht damit der ständigen Rechtsprechung des BGH, wonach Werbeaussagen in aller Regel keine Willenserklärung darstellen. Die Entscheidung ist zutreffend, soweit sie vertragliche Garantieansprüche verneint. Die Werbeaussagen begründen allerdings ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem der Kläger Garantieansprüche herleiten kann (vgl. I. I. 1. a)). Diese Ansprüche zieht das Gericht zu Unrecht nicht in Betracht.50 dd) Mitsubishifall In die richtige Richtung weist nunmehr der vom OLG Frankfurt entschiedene Mitsubishifall.51 Die Käuferin erwarb einen Mitsubishi-Neuwagen bei einem 48 

OLG Oldenburg VersR 2010, 772. OLG Oldenburg VersR 2010, 772 (unter 3.). 50  Vgl. OLG Oldenburg VersR 2010, 772 (unter 3.) mit dem Argument, der vorliegende Dienstvertrag falle nicht in den Anwendungsbereich des §  443 BGB bzw. des Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie. In Betracht zu ziehen war aber zumindest eine analoge Anwendung. 51  OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153 (Sachverhalt hier vereinfacht). 49 

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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Vertragshändler. Zum Zeitpunkt des Kaufs warb die Herstellerin auf ihrer Website mit einer „Neuwagengarantie“: „ADAC und TÜV bescheinigen den X-Modellen regelmäßig eine äußerst geringe Pannen- und Reparaturanfälligkeit. Wir scheuen uns deshalb nicht, eine Fahrzeuggarantie von drei Jahren bis 100 000 km zu gewähren. […] Über weitere Details geben Ihnen die X-Partner oder die Fahrzeugunterlagen Auskunft. Die X Neuwagen-Garantie wird in Erweiterung zur gesetzlichen Gewährleistung gewährt.“

Die Käuferin erhielt von dem Vertragshändler beim Kauf ihres Autos allerdings keine Garantieunterlagen. Zweieinhalb Jahre nach dem Kauf zeigten sich Mängel an einem Kabelstrang. Die Vertragswerkstatt verweigerte eine Reparatur auf Garantiebasis, da die Käuferin keine Garantiedokumente vorlegen konnte. Daraufhin machte sie Garantieansprüche gegen die Herstellerin geltend. Sie berief sich dabei auf die Internetwerbung, ohne zu behaupten, diese Werbung vor dem Kauf überhaupt zur Kenntnis genommen zu haben. Mitsubishi lehnte eine Haftung ab, da kein Garantievertag zustande gekommen sei. Das OLG Frankfurt bejaht Garantieansprüche der Käuferin allein aufgrund der Werbeangaben auf der Herstellerwebsite.52 Zutreffend geht das Gericht davon aus, dass kein Garantievertrag besteht, weil die Käuferin keine Garantiedokumente erhalten hat. Aus Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie folgert das Gericht aber zu Recht, dass auch Garantiewerbung eine Garantieverpflichtung zustande bringt. Die Argumentation orientiert sich dabei an den marktordnungsrechtlichen Zwecken der Garantiewebehaftung: Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie bezwecke den Schutz des Verbrauchers vor Irreführung. Der Verbraucher würde aber in die Irre geführt, wenn Garantien als Werbemittel eingesetzt würden und die Garantieverpflichtung trotzdem entfalle. Er müsse daher auf die Werbung vertrauen dürfen und in seinen berechtigten Erwartungen geschützt werden. Die Haftung für Werbeaussagen sei auf diese Weise geeignet, „das Aufkommen irreführender Werbung zu vermeiden“.53 Es sei zudem nicht erforderlich, dass der Käufer nachweise, die Werbung vor dem Kauf zur Kenntnis genommen zu haben.54 Unklar bleibt dabei, ob das Gericht die Bindungswirkung von Werbung auf ein gesetzliches Schuldverhältnis zurückführen will oder aber Werbung als eine einseitige rechtsgeschäftliche Erklärung versteht.55 Abgesehen von dieser Unklarheit überzeugt der Beschluss des OLG jedoch: Die Entscheidung setzt die Regelungsziele der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie konsequent um. Auch wenn das 52 

OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153 ff. (auch zum Folgenden). OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2155. 54  OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154. 55  Die Parallele, die das OLG zur Auslobung zieht, spricht eher für Letzteres, vgl. OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154. 53 

126

E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

Gericht diesen Begriff nicht verwendet: Es versteht die Garantie zutreffend als Instrument des Marktordnungsrechts. Dies zeigt sich vor allem in dem generalisierenden, standardisierenden Maßstab, mit dem das Gericht die Bindungswirkung von Werbung beurteilt. Diese ist nach Auffassung des Gerichts deswegen verbindlich, weil sie eine Marketingmaßnahme darstellt, auf deren Wahrheitsgehalt sich die Verbraucher zum Schutz vor irreführender Werbung als Gruppe verlassen können müssen.56 Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob der Kläger als Individuum die Werbung vor dem Kauf kannte oder nicht. d) Garantiewerbung als Auslobung nach §  657 BGB? Werbung erfüllt die Voraussetzungen an eine Willenserklärung in aller Regel nicht. Aus diesem Grund kann die Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB entgegen einem Vorschlag in der Literatur dogmatisch auch nicht als Anwendungsfall des §  657 BGB verstanden werden.57 Nach diesem Vorschlag können Garantieleistungen durch Werbung öffentlich für den Fall ausgelobt werden, dass jemand einen Kaufvertrag über das beworbene Produkt abschließt. Die Garantie soll dann die „Belohnung“ für den Abschluss des Kaufvertrags darstellen. Zwar mag Garantiewerbung im Einzelfall eine Auslobung nach §  657 BGB begründen;58 im Regelfall werden die Voraussetzungen des §  657 BGB jedoch nicht vorliegen: Auch die Auslobung ist eine Willenserklärung, die aus Sicht eines objektiven Empfängers von einem entsprechenden Rechtsbindungswillen getragen werden muss.59 Gerade dieser Rechtsbindungswille fehlt jedoch in aller Regel bei Garantiewerbung. Auch hier würde die durch Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie angeordnete Werbehaftung also in europarechtswidriger Weise eingeschränkt. e) Zwischenergebnis Es widerspricht den Anforderungen des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, Werbung nur dann als verbindlich anzusehen, wenn sie eine Willenserklärung darstellt. Werbung erfüllt die Voraussetzungen an eine Willenserklärung 56 

OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154 f. BeckOGK/Stöber, §  443 Rn.  53, der von einer „Vergleichbarkeit“ mit der Auslobung spricht; ähnlich auch OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154; ebenso wohl auch Gsell, JZ 2001, 65, 74: Verbindlichkeit „einseitig erklärte[r] Garantien“; Reich, NJW 1999, 2397, 2399 („einseitige Willenserklärung des Garantiegebers“); ablehnend hingegen Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  137. Die Vorschläge gehen zurück auf Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  104 ff., der seine Ansicht allerdings vor der Schuldrechtsreform entwickelte und daher natürlich nicht auf Europarechtskonformität hin prüfen konnte. 58 Zutreffend Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  104 ff. 59  Staudinger/Bergmann, §  657 Rn.  27. 57 

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

127

nämlich in aller Regel nicht. Das Europarecht fordert indes eine unbedingte Haftung für alle Formen von Garantiewerbung (siehe oben unter D. III. 2. a)). Ein weiterer Kritikpunkt kommt hinzu: Der in §  443 Abs.  1 BGB angelegte Unterschied zwischen Garantiewerbung und Garantieerklärung würde nivelliert, wenn Werbung als bloßer Unterfall der Garantieerklärung eingeordnet würde. Dieses Ergebnis wird auch nicht durch den Isolarglasfall in Frage gestellt, in dem der BGH eine Werbehaftung des Herstellers über §  328 BGB konstruierte. Diesem Urteil liegt bei genauer Betrachtung nämlich eine marktordnungsrechtliche Zwecksetzung zu Grunde: Der Hersteller soll dafür sanktioniert werden, dass er dem Käufer „werbewidrig“ kein Garantieangebot unterbreitet hat. Hätte der Käufer von dem Hersteller ein Garantiedokument (bpsw. in Form einer Garantiekarte) erhalten, hätte der BGH wohl kaum angenommen, dass der Garantievertrag ohnehin schon aufgrund der Werbeaussagen zustande gekommen ist. Der Rückgriff auf einen Vertrag zu Gunsten Dritter erscheint vor diesem Hintergrund als eine rechtsgeschäftliche „Notlösung“, um das Nichtzustandekommen des beworbenen Garantievertrages zu sanktionieren. Die marktordnungsrechtlichen Ziele einer solchen Haftung lassen sich in dogmatisch konsistenter Weise aber nur erreichen, wenn die Garantiewerbehaftung als gesetzliche Haftung kategorisiert wird.

2. Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf Einen Weg zu einer europarechtskonform ausgestalteten, vertraglichen Haftung könnte allerdings möglicherweise die Rechtsprechung zu Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf eröffnen. Oben wurde davon ausgegangen, dass Garantiewerbung nur im Einzelfall die Voraussetzungen an eine Willenserklärung erfüllt. Dieses Ergebnis, das auf Grundlage der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre erzielt wurde, steht allerdings in einem gewissen Spannungsverhältnis zu dem sehr großzügigen Maßstab, mit dem die Rechtsprechung konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen beim Automobilkauf bejaht. Tatsächlich hat sich in diesem Bereich – mit ähnlichen Zwecken wie bei der bürgerlichrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne (dazu siehe unten unter F. V.) – eine Art „Sonderrechtsgeschäftslehre“ entwickelt, deren Kriterien für die dogmatische Grundlegung des §  443 Abs.  1 BGB möglicherweise fruchtbar gemacht werden könnten. Bestimmte Wissensmitteilungen des Kfz-Verkäufers führen nach der Rechtsprechung zu einer Haftung aufgrund konkludenter Beschaffenheitsvereinbarung nach §  434 Abs.  1 Satz  1 BGB.60 Dies gilt beispielsweise für die Beschrei60 

Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108.

128

E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

bung des Kfz als „Neuwagen“61 bzw. „fabrikneu“,62 als „fahrbereit“63 oder als „unfallfrei“64. Für diese Kennzeichnungen hat der BGH Auslegungsgrundsätze entwickelt, die die Bedeutung bis ins Detail festlegen: So ist ein Fahrzeug dann nicht mehr „fabrikneu“, wenn seine Standzeit 12 Monate überschreitet;65 es darf zudem nicht aufgrund einer längeren Standzeit beim Verkäufer Mängel aufweisen;66 es darf nach der Auslieferung an den Verkäufer auch keine Beschädigungen erlitten haben etc.67 Bei der Bezeichnung als „fahrbereit“ darf das Fahrzeug keine verkehrsgefährdenden Mängel aufweisen, aufgrund derer es bei der Hauptuntersuchung als nicht verkehrssicher eingestuft werden müsste.68 Eine ähnliche Konkretisierung haben die Bezeichnungen „Jahreswagen“ und „Vorführwagen“ erfahren.69 Der Käufer darf entsprechenden Äußerungen des Verkäufers, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, einen Rechtsbindungswillen zum Abschluss einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung mit dem von der Rechtsprechung vorgeprägten Inhalt entnehmen.70 Hintergrund bildet die folgende Überlegung: Der Käufer hat im Regelfall nicht die Möglichkeit, sich aus eigenen Quellen über die Qualität und Beschaffenheit des Fahrzeugs zu informieren.71 Auch fehlt ihm in der Regel der Sachverstand, um das Automobil selbst einer Inspektion zu unterziehen.72 Aus diesem Grund muss er sich auf die Angaben des Verkäufers verlassen können, wenn er eine zutreffende Vorstellung über den Zustand und die Eigenschaften des Fahrzeugs gewinnen möchte. Andernfalls droht das oben unter C. I. beschriebene Marktversagen: Der Käufer könnte nicht beurteilen, ob der Gebrauchtwagen ein „lemon“ mit niedriger Qualität oder aber ein „peach“ mit hoher Qualität ist.73 Er würde sich bei seiner Kaufentscheidung dann von seinen Durchschnittserwartungen an die Qualität aller auf dem Markt verfügbaren Ge61 

BGH NJW 1980, 2127 (zur Zusicherung nach altem Schuldrecht); BGH NJW 2013, 1365 Rn.  10. 62  BGH NJW 2000, 2018 (zur Zusicherung nach altem Schuldrecht); BGH NJW 2013, 1365 Rn.  10. 63  BGH NZV 1993, 306 (zur Zusicherung nach altem Schuldrecht). 64  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108. 65  BGH NJW 2004, 160. 66  Ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH NJW 2000, 2018, 2019. 67  BGH NJW 1980, 2127, 2128. 68  BGH NZV 1993, 306. 69  Näher Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108. 70  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108. 71  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  572. 72  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108; Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  572. 73  Diese Begriffe beziehen sich auf den oben unter C. I., II. dargestellten market for lemons,

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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brauchtwagen leiten lassen. Folglich wäre er nur bereit, einen dieser Durchschnittsqualität entsprechenden Preis zu bezahlen. Der Verkäufer hätte keine Möglichkeit, für ein qualitativ hochwertiges Fahrzeug einen höheren Preis zu erzielen. In der Folge würden sich alle Verkäufer hochwertiger Gebrauchtwagen vom Markt zurückziehen und der Markt würde sukzessive zusammenbrechen (siehe oben unter C. I., II.). Die Rechtsprechung verhindert ein solches Marktversagen, indem sie den Verkäufer für die von ihm gemachten Angaben haften lässt. Produktinformationen des Verkäufers werden erst durch die Haftungsandrohung aus der Sicht der Käufer zu verlässlichen Qualitätsindikatoren. Nur auf diese Weise kann das Wissensgefälle zwischen Verkäufer und Käufer ausgeglichen werden. Die Rechtsprechung zu konkludenten Beschaffenheitsvereinbarungen im Fahrzeugkauf verfolgt damit (ebenso wie auch die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne, dazu ausführlich unter F. V.) marktordnungsrechtliche Zwecke: Sie schützt den Markt vor irreführenden Angaben und verbessert zugleich die Markttransparenz, indem sie den Aussagegehalt häufig genutzter „Schlagworte“ vereinheitlicht. Der Marktordnungszweck zeigt sich ganz deutlich in den Voraussetzungen, unter denen konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen besonders häufig angenommen werden: Zumeist handelt es sich um Fälle, in denen ein privater Käufer einem gewerblichen Automobilverkäufer gegenübersteht. In diesen Fällen ist die Informationsasymmetrie zwischen den Parteien am größten74 und eine Haftung für Fehlinformationen durch den Verkäufer auch aus rechtsökonomischer Sicht besonders sinnvoll.75 Vor diesem Hintergrund will die Rechtsprechung nicht etwa den Käufer schützen, der dem Verkäufer tatsächlich besonders vertraut hat.76 Grundlage der Haftung ist auch nicht der tatsächlich nach außen hin manifestierte Rechtsbindungswille des Verkäufers.77 Dies zeigt sich wiederum an den Formulierungen in den einschlägigen Urteilen: Hier ist die Rede davon, dass der Käufer sich auf die

vgl. grundlegend Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  488, 490. 74  Vgl. BGH NJW 1975, 1693, 1695: Beim Gebrauchtwagenkauf von einem gewerblichen Verkäufer fehle dem Käufer die erforderliche Sachkunde, während der Verkäufer „Fachmann“ sei; ähnlich BGH NJW 1981, 1268, 1269: „sachkundige[r] Gebrauchtwagenhändler“; vgl. auch Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108. 75  Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  557 ff., 572. 76 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  99. 77  Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  311 (zu konkludenten Zusicherungen nach altem Schuldrecht).

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

Angaben des Verkäufers verlassen können „muss“ (Hervorhebung nur hier).78 Die Rechtsprechung schafft durch die erleichterte Annahme von Beschaffenheitsvereinbarungen vielmehr die institutionellen Rahmenbedingungen dafür, dass die Käufer sich auf die Angaben von Fahrzeughändlern verlassen können.79 Sie stellt damit zentrale Voraussetzungen für das Funktionieren des Kfz-Marktes her:80 Zunächst schützt sie den Informationsgehalt bestimmter Aussagen mit hoher Relevanz für das Käuferpublikum. Aussagen wie „fabrikneu“ oder „Jahreswagen“ wecken bei den Käufern qualifizierte Neuheitserwartungen, die sich in der Bereitschaft, einen höheren Kaufpreis zu zahlen, widerspiegeln.81 Würde der BGH die Verletzung der Neuheitserwartungen nicht sanktionieren, könnten Anbieter diese Begriffe folgenlos in irreführender Weise verwenden. In der Folge würden diese Begriffe ihre Differenzierungskraft auf dem Markt verlieren. An die Stelle dieser Begriffe müssten zahlreiche Einzelinformationen treten, so beispielsweise Informationen über das Herstellungsdatum, die Standdauer, die Modellzugehörigkeit (neue Modellreihe?) und das Datum der Erstzulassung eines Gebrauchtwagens.82 Die Bündelung dieser Einzelinformationen in einem Schlagwort hat demgegenüber zahlreiche Vorteile für den Informationsfluss auf dem Markt. Gleichzeitig standardisiert die Rechtsprechung den Aussagegehalt der von ihr sanktionierten Begriffe. So ist zwar unbestreitbar, dass die Bezeichnung als „fabrikneu“ aus Sicht eines durchschnittlichen Käufers so zu verstehen ist, dass das Auto erst vor Kurzem hergestellt wurde. Ob die Fabrikneuheit aber schon nach 10 Monaten endet oder aber erst nach 12 Monaten, dürfte sich kaum zuverlässig bestimmen lassen. Die Rechtsprechung erhöht die Markttransparenz, indem sie die maßgeblichen Begriffe und Bezeichnungen verbindlich konkretisiert. Sie begründet damit Vorteile klarer Produktdifferenzierung auf einem traditionell besonders unübersichtlichen Markt – dem Kfz-, vor allem dem Gebrauchtwagenmarkt.83 Die Haftung für konkludente Beschaffenheitsangaben und die Garantiewerbehaftung erfüllen auf dem Markt damit ganz ähnliche Funktionen. Sie verwirklichen eine Haftung für produktbezogene Informationen. Vor diesem Hintergrund 78  BGH NJW 1981, 1268, 1269 (zur Zusicherung nach altem Schuldrecht); ähnlich („kann und darf“) BGH NJW 1975, 1693, 1695. 79 Vgl. Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  334 ff. 80 Vgl. Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  528. 81  BGH NJW 2016, 3015 Rn.  46; vgl. auch Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  108. 82  Vgl. zur Bedeutung der Bezeichnung eines Kfz als „fabrikneu“ nur BGH NJW 2016, 3015 Rn.  44 m. w. N. 83 Ähnlich Schäfer/Ott, Lehrbuch der ökonomischen Analyse des Zivilrechts, S.  557.

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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ließe sich annehmen, dass auch bei der Garantie der Urheber der Werbung für seine Aussagen unter erleichterten Voraussetzungen rechtsgeschäftlich haften muss. Die Ausweitung der dogmatischen Kategorie „automatischer“ konkludenter Vereinbarungen kann jedoch nicht überzeugen: Die Haftung für „konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen“ beim Fahrzeugkauf bedient sich rechtsgeschäftlicher Fiktionen.84 In beiden Fällen – Garantiewerbung und Wissensmitteilung durch Kfz-Verkäufer – steht die Wirkung einer bestimmten Information auf dem Markt im Vordergrund, nicht hingegen der manifestierte Verpflichtungswille des Verkäufers. Exemplarisch hierfür steht eine neuere Entscheidung des BGH:85 Hier hatte ein Mietwagenunternehmen einen gebrauchten Audi, der als Mietfahrzeug genutzt worden war, verkauft. Das Bestellformular enthielt dabei die Angabe: „Datum der Erstzulassung lt. Fahrzeugbrief 18.2.2010“. Der Audi war indes bereits im Jahr 2008 hergestellt worden und wies damit eine Standdauer von fast 20 Monaten vor der Erstzulassung auf. Der Käufer sah in der langen Standdauer vor der Erstzulassung einen Sachmangel. Der BGH verneinte eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung zunächst mit dem nach hiesiger Ansicht eher vordergründigen Argument, dass der einschränkende Zusatz „laut Fahrzeugbrief“ auf eine reine, „unverbindliche“ Wissenserklärung hinweise. Der maßgebliche Grund für die Ablehnung eines Sachmangels war hingegen folgender: Die Information über die Standdauer konnte für einen durchschnittlichen Käufer keine Bedeutung haben.86 Der Gebrauchtwagen war nach der Erstzulassung bereits über zwei Jahre im Straßenverkehr genutzt worden und wies zudem als Mietfahrzeug eine besonders hohe Laufleistung und Abnutzung auf. Vor diesem Hintergrund trat die Information über die Standdauer, die bei einem Neuwagen noch entscheidendes Gewicht haben kann, völlig in den Hintergrund. Der BGH verneinte einen Sachmangel damit vor allem aufgrund der mangelnden Bedeutung der Information für den Markt.87 Eine andere Beurteilung ist umgekehrt dann geboten, wenn die Wissensmitteilung des Verkäufers für den durchschnittlichen Verkäufer von besonderer Bedeutung ist: So haftet der Verkäufer für seine Angaben zu Hubraum und PS-Zahl eines Kraftfahrzeugs, weil diese für den Käufer im Regelfall „von wesentlicher Bedeutung“ sind.88 Die Annahme konkludenter Garantieverträge bei Garantiewerbung wäre mithin ebenso eine dogmatische „Notlösung“ wie die Annahme konkludenter Beschaffenheitsvereinbarungen bei Wissensmitteilungen des Kfz-Verkäufers. In beiden Fällen liegt eine Haftung für Produktinformationen vor, die ordnungspoKöndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  132. BGH NJW 2016, 3015. 86  BGH NJW 2016, 3015 Rn.  54 ff. (auch zum Folgenden). 87  BGH NJW 2015, 3015 m. Anm. von Servatius (S.  3022). 88  BGH NJW 1981, 1268, 1269. 84 Vgl. 85 

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

litische Zwecke verfolgt: Sie soll Markttransparenz dort herstellen, wo das Informationsgefälle zwischen Käufern und Verkäufern besonders groß ist.89 Erforderlich ist aus diesem Grund ein eigenständiges dogmatisches Fundament für eine marktordnungsrechtliche Informationshaftung, die sich von der rechtsgeschäftlichen Einkleidung löst. Hintergrund der Haftung bildet die Bedeutung verlässlicher Produktinformationen auf Märkten mit erheblichen Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern. Die Haftung für Garantieversprechen beruht gerade auf ihrer Informationsfunktion (zum Signaling durch Garantien siehe oben C. III.). Das Besondere an der Garantie ist, dass sie in einem Versprechen komplexe Informationen über die Produktqualität bündelt: Das Versprechen wird zum Medium des Signaling, zum Medium der Information. Die Haftung nach §  443 Abs.  1 BGB dient dem Schutz dieser besonderen Informationsfunktion für den Markt. Sie beruht nicht auf dem manifestierten Verpflichtungswillen des Garantiegebers, also nicht auf dem Element privatautonomer Verpflichtung, das eine rechtsgeschäftliche Haftung begründet. Vielmehr handelt es sich um eine marktordnungsrechtliche, gesetzliche Haftung sui generis; als solche bietet sie – in Umkehrung der eingangs formulierten Hypothese – vielmehr eine Grundlage für eine dogmatische Neuausrichtung der Haftung für „konkludente Beschaffenheitsangaben“, die im rechtsgeschäftlichen Bereich fehlerhaft eingeordnet ist (siehe dazu unten unter H.).

3. Konkludenter Auskunfts- und Beratungsvertrag Ganz ähnliche Erwägungen gelten in Bezug auf den konkludenten Auskunftsund Beratungsvertrag, der von der Rechtsprechung unter erleichterten Voraussetzungen vor allem im Bereich der Anlageberatung angenommen wird. Nach der Rechtsprechung „ist der stillschweigende Abschluß eines Auskunftsvertrages zwischen Geber und Empfänger der Auskunft und damit eine vertragliche Haftung des Auskunftgebers für die Richtigkeit seiner Auskunft regelmäßig dann anzunehmen, wenn die Auskunft für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist und er sie zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will; dies gilt insbesondere in Fällen, in denen der Auskunftgeber für die Erteilung der Auskunft besonders sachkundig oder ein eigenes wirtschaftliches Interesse bei ihm im Spiel ist.“90

Hiernach kann die bloße Erteilung einer Auskunft – ein Realakt – die Annahme eines konkludenten Vertrages rechtfertigen.91 Vor diesem Hintergrund stellt sich 89  Vgl. zu diesem entscheidenden Gesichtspunkt auch Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  318. 90  BGH NJW 1992, 2080, 2082; ganz ähnlich NJW 1979, 1449. 91  Vgl. auch BGH NJW 1987, 1815, 1816.

I. Haftung für Werbeangaben aus Garantievertrag

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die Frage, ob Garantiewerbung nicht auf ähnliche Weise zur Annahme eines konkludenten Garantievertrags führen kann. Schließlich ist die Information über die Garantie für den Kaufinteressenten erkennbar von großer Bedeutung; dies ergibt sich zum einen aus der Signalfunktion der Garantie und zum anderen schlicht aus der Tatsache, dass Hersteller und Verkäufer mit Garantien werben: Ausgaben für Garantiewerbung sind für sie betriebswirtschaftlich nur sinnvoll, wenn Garantien für Kaufinteressenten von Bedeutung sind. Außerdem sind Hersteller und Verkäufer in Bezug auf die Kaufsache besonders sachkundig: Dies folgt aus den oben beschriebenen Informationsasymmetrien zwischen Käufer und Verkäufer bzw. Hersteller über die Qualität der Kaufsache bei Erfahrungsgütern (siehe oben unter C. II). Hersteller und Verkäufer haben schließlich auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse an der Garantiewerbung, weil sie hierdurch ihren Absatz fördern. Zweifelhaft erscheint allein, ob der Kaufinteressent die Informationen, die er aus der Garantiewerbung erlangt, zur Grundlage einer „wesentlichen Entscheidung“ macht; dagegen könnte sprechen, dass es sich bei vielen Konsumgütern um eher niedrigpreisige Produkte handelt (z. B. ein Föhn). Dieser Frage muss hier jedoch nicht weiter nachgegangen werden, weil die Rechtsprechung zu konkludenten Auskunfts- und Beratungsverträgen aus ganz grundsätzlichen Erwägungen heraus abzulehnen ist. Der konkludente Auskunfts- und Beratungsvertrag beruht – ebenso wie die konkludente Beschaffenheitsvereinbarung – auf einer Fiktion; in der Literatur wird er aus diesem Grund ganz überwiegend abgelehnt.92 Die von der Rechtsprechung erzielten Ergebnisse lassen sich nicht auf den privatautonomen Willen der Parteien zurückführen;93 sie beruhen vielmehr auf einer ungeschriebenen Norm des objektiven Rechts, stellen mithin gesetzlichen Rechtsfolgen dar.94 Dies zeigt sich, wie auch bei den konkludenten Beschaffenheitsvereinbarungen, vor allem in der Standardisierung der Voraussetzungen, unter denen ein Vertrag zustande kommen soll: Auskünfte durch Bankmitarbeiter führen im Grunde „automatisch“ zur Annahme eines konkludenten Auskunftsvertrags, ohne dass es Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  425, 539; Wiedemann/ Schmitz, ZGR 1980, 129, 133 f.; Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  354 f.; Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  69 ff., 99 ff.; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  107, 109 m. w. N. 93  Canaris, FS Schimansky, 43, 48; Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 134; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Test­ infor­mationen, S.  108, 110 m. w. N. 94  Ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  70; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  114. 92 

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

auf die Besonderheiten des Einzelfalles ankommt.95 Die konkreten Umstände der Auskunftserteilung sind nicht maßgeblich, wie die folgende beispielhafte Formulierung des BGH deutlich vor Augen führt: „Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen im Rahmen der Anlagevermittlung davon auszugehen ist, zwischen dem Anlageinteressenten und dem Vermittler sei zumindest stillschweigend ein Vertrag abgeschlossen worden, der Auskunfts- oder sogar Beratungspflichten zur Folge hat […]. Tritt ein Anlageinteressent an den Anlagevermittler nach dessen Angebot oder von sich aus heran, und macht er deutlich, daß er auf eine (bestimmte) Anlageentscheidung bezogen die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will, dann liegt darin sein Angebot auf Abschluß eines Auskunfts- oder Beratungsvertrages. Dieses Angebot nimmt der Anlagevermittler stillschweigend jedenfalls dadurch an, daß er die gewünschte Tätigkeit beginnt.“96

Raum für die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls bieten diese Voraussetzungen nicht mehr; im Gegenteil: Versuchen auf Seiten der Banken, der Haftung durch konkrete Einschränkungen wie „ohne obligo“ zu entgehen, erkennt die Rechtsprechung nicht an.97 Die Standardisierung und Typisierung der Anspruchsvoraussetzung ist gerade Kennzeichen einer gesetzlichen Haftung, wie oben ausführlich begründet wurde (D. III. 2. a) bb)).98 Die Rechtsprechung ersetzt im Bereich der Anlageberatung den Maßstab der §§  133, 157 BGB durch den abstrakt-generellen Maßstab einer durch die Rechtsprechung begründeten, gesetzlichen Haftungsnorm.99 Aus diesem Grund ist die Haftung als gesetzliche Haftung zu kategorisieren.100

95  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  70 f.; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Test­ infor­mationen, S.  108. 96  BGH NJW 1987, 1815, 1816; diese Passage des Urteils wird auch zitiert bei Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  70. 97  BGH VersR 2002, 1245; NJW 1970, 1737 f. 98 Ähnlich Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  108. 99 Ähnlich Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  108, 110. 100  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  539 (Erklärungshaftung aus c.i.c.); Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 134 (Haftung aus c.i.c.); Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  329 f. (Haftung aus §  311 Abs.  3 Satz  2); Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  111.

II. §  443 Abs.  1 Alt. 2 BGB als Auslegungsregel

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II. §  443 Abs.  1 Alt. 2 BGB als Auslegungsregel 1. Anwendung der §§  133, 157 BGB Nach einer vor allem zum alten Recht vertretenen,101 in der Literatur heute nur noch vereinzelt anzutreffenden Ansicht102 soll Garantiewerbung im Wege der Auslegung nach §§  133, 157 BGB zum Bestandteil des Garantievertrages werden können. Die Möglichkeiten zur „Auslegung“ werden dabei zum Teil sehr weit verstanden: Die Werbung soll sich auch dort „durchsetzen“, wo der Garantievertrag (beispielsweise eine Bestimmung in der Garantiekarte) in Widerspruch zu einer günstigeren Werbeaussage steht:103 Wirbt der Hersteller beispielsweise mit einer fünfjährigen Garantie, legt in der Garantiekarte aber eine nur dreijährige Garantiedauer fest, soll der Käufer sich auf die fünfjährige Garantiefrist berufen können. Gegen diese Lösung spricht zum einen, dass sie die Grenzen der zulässigen Auslegung nach §§  133, 157 BGB überschreitet, wenn Werbung sich auch gegen klar widersprechende Garantieklauseln durchsetzen soll.104 Die Rechtsfolgen, die sich aus den Werbeaussagen ergeben, lassen sich in diesen Fällen nicht auf eine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont nach §§  133, 157 BGB zurückführen. Die Garantieerklärung folgt der Werbung nämlich zeitlich nach und gibt „den aktuellen Willensstand des Erklärenden“ wider.105 Dies gilt umso mehr, wenn Werbung auch dann als verbindlich betrachtet wird, wenn der Käufer sie nicht kannte:106 In diesem Fall kann sie seinen objektiven Empfängerhorizont nicht beeinflussen. Hält man die Werbeaussagen auch bei Widerspruch zu eindeutigen Garantieklauseln für maßgeblich, dann entfaltet die Garantiewerbung letztlich doch aus sich heraus verbindliche Wirkung. Wenn eine Garantie nämlich nur verbindlich ist, wenn und weil sich die Parteien vertraglich geeinigt haben, müsste der Garantiewerbung konsequenterweise die Verbindlichkeit fehlen.

101  Zum alten Recht BGH NJW 1967, 1903 – Trevira (Eigenschaftszusicherung durch Werbung); Lehmann, JZ 2000, 280, 286 m. w. N. (zur Vereinbarung bzw. Zusicherung einer Eigenschaft durch Werbung). 102 Wohl Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  123 ff. (im Detail unklar); wohl auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  169 f. für den Fall eines Widerspruchs zwischen Werbung und Garantieerklärung: Hier sollen allein die §§  133, 157 BGB maßgeblich sein. 103  So wohl Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  124 f.; ablehnend Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  169 f. 104 Zutreffend Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  169 f. 105 So Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  170. 106  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  125.

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

Gegen die Lösung über §§  133, 157 BGB spricht aber ein noch viel gravierender Einwand: Die Werbeaussage ist gerade nicht nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§  133, 157 BGB auszulegen, sondern aus dem Horizont eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (siehe oben unter D. III. 2. a) dd)).107 Dies ist eine Folgerung aus der oben beschriebenen Konvergenz von bürgerlich-rechtlichem und wettbewerbsrechtlichem Verbraucherschutz (siehe oben unter D. I., II. 1.). Aus diesem Grund kann es nicht darauf ankommen, ob Werbung aufgrund der individuellen Begleitumstände des Einzelfalles (beispielsweise durch konkrete Inbezugnahme) zum Vertragsbestandteil geworden ist oder nicht.108 Garantiewerbung ist vielmehr aus sich heraus verbindlich und hat gegenüber dem Garantievertrag Vorrang, soweit zu Lasten des Käufers ein Widerspruch zwischen beiden besteht (siehe ausführlich unten unter I. II. 2.).

2. Gesetzliche Auslegungsregel Nach einer weiteren Ansicht soll die Werbung unabhängig von §§  133, 157 BGB zu einem „gesetzlichen Bestandteil“ des Garantievertrages werden und sich aus diesem Grund auch gegen gegensätzliche Bestimmungen in dem Vertragsdokument durchsetzen.109 Bei der Haftung für Werbeangaben soll es sich deshalb um eine „gesetzliche Haftung“ handeln.110 Diese gesetzliche Haftung soll aber nur dann zur Anwendung kommen, wenn zwischen den Parteien ein Garantievertrag zustande kommt. In eine ähnliche Richtung geht wohl die in der Literatur weitverbreitete „Rosinentheorie“, wonach sich der Käufer auf Werbeaussagen berufen kann, die gegenüber den Regelungen im Garantievertrag für ihn günstiger sind.111 Diese Ansicht ist zwar im Ansatz zutreffend, da sie die Haftung für WerSo auch Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  122, dessen Ansicht aus diesem Grund kaum einzuordnen ist. 108  Dies war nach altem Recht eine Voraussetzung dafür, dass Werbung bei der Vertragsauslegung berücksichtigt werden konnte, vgl. Lehmann, JZ 2000, 280, 286 m. w. N.; das Erfordernis einer Inbezugnahme im Ergebnis ebenfalls ablehnend Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  167 f.; Eisenhut, die kaufrechtliche Garantie, S.  124; BeckOK BGB/ Faust, §  443 Rn.  22. 109  Jorden, Verbrauchergarantien, S.  529 ff.; Leistner, Richtiger Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  739 ff.; PWW/Schmidt, §  443 Rn.  15; ähnlich wohl auch Malsch, Die Herstellergarantie, S.  61, die von einem „Vorrang“ der Garantiewerbung spricht, ohne diesen allerdings näher dogmatisch zu qualifizieren; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  217 f.: „Gefährdungshaftung für den Einsatz von Werbung“; wohl auch Malinvaud, in: Grundmann/Bianca, EU-Kaufrechts-Richtlinie, Art.  6 Rn.  15; unklar BGH NJW 2011, 2653 Rn.  29 in einem obiter dictum: Der „Inhalt der Werbung“ werde zum „Inhalt der rechtsverbindlichen Garantiebedingungen“. 110  Jorden, Verbrauchergarantien, S.  529. 111  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  24, der ausdrücklich darauf hinweist, dass die Aussagen 107 

III. Sachmängelhaftung für Werbeangaben

137

beaussagen als gesetzliche Haftung einordnet. Diese kann aber nicht davon abhängen, ob ein Garantievertrag zustande gekommen ist oder nicht. Der Anwendungsbereich der gesetzlichen Haftung muss vielmehr aus ihrer eigenen Teleologie heraus bestimmt werden. Maßgeblich ist der Zweck des §  443 Abs.  1 BGB, der in dem Schutz der Signalwirkung von Garantiewerbung liegt. Aus diesem Grund muss der Werbende – sogar erst recht (siehe oben unter D. III.) – auch dann haften, wenn er dem Käufer keinerlei vertragliche Garantiedokumente zukommen lässt (siehe ergänzend unter D. III. 2.). Gegen die Einordnung des §  443 Abs.  1 BGB als „gesetzliche Auslegungsregel“ spricht zudem, dass gesetzliche Auslegungsregeln im BGB nur „im Zweifel“ gelten. Sie stellen widerleglich die Vermutung eines bestimmten Parteiwillens auf (vgl. nur §§  154 Satz  2, 316, 1096 Satz  2, 2104 Satz  2, 2087 Abs.  2 BGB). Eine „gesetzliche Auslegungsregel“, die – wie die Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB – von vornherein nicht darauf abzielt, den Willen der Parteien abzubilden, kann keine Auslegungsregel sein und sollte auch nicht als solche bezeichnet werden. Die zentrale Schwäche der Auslegungslösung besteht vor diesem Hintergrund darin, dass sie den Geltungsgrund der gesetzlichen Haftung nicht konsistent entwickelt.

III. Sachmängelhaftung für Werbeangaben Nach der neuesten Rechtsprechung begründet das Fehlen einer vom Verkäufer beworbenen Herstellergarantie einen Sachmangel des verkauften Fahrzeugs. In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte ein Verkäufer einen Audi-Gebrauchtwagen über eine Interplattform veräußert und in der Beschreibung angegeben, dass eine Herstellergarantie bestehe. Tatsächlich waren Ansprüche aus der Garantie aber dauerhaft ausgeschlossen. Der BGH nahm an, dass es sich bei der Herstellergarantie um eine „Beschaffenheit“ des Gebrauchtwagens handele. Da sie fehle, liege ein Sachmangel nach §  434 Abs.  1 Satz  2 Nr.  2 i. V. m. Satz  3 BGB vor. Rechtsfolge der Sachmängelhaftung ist jedoch zunächst nur ein Anspruch auf Nacherfüllung nach §  439 Abs.  1 BGB. Der Verkäufer muss dem Käufer eine Herstellergarantie beschaffen; ist ihm dies nicht möglich, haftet er nach §§  434, 437 Nr.  3, 280 Abs.  1, 3, 283 BGB auf Schadensersatz. Rechtsfolge der Sachin der einschlägigen Werbung hierfür nicht Vertragsbestandteil geworden sein müssen (a. a. O. Rn.  22); MünchKommBGB/Westermann, §  433 Rn.  12; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  38; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  29; Twigg-Flesner, Consumer Product Guarantees, S.  252 f. (zu Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie); ihm zustimmend Wiewiórowska-Domagalska, Consumer Sales Guarantees in the European Union, S.  98; Wellens, Kommerzielle Garantien, S.  155.

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E. Die Haftung für Garantiewerbung im deutschen Recht

mängelhaftung ist also nicht etwa, dass der Hersteller selbst (oder auch nur der Verkäufer) unmittelbar aus der beworbenen Garantie haftet. Aufgrund der Werbung kommt nur eine Beschaffenheitsvereinbarung zustande, nicht aber ein Garantievertrag. Die Sachmängelhaftung schützt zwar das positive Interesse des Käufers. Sie hat aber im Vergleich zu einer unmittelbaren Haftung aus der Garantie einige entscheidende Nachteile: So kann sich der Käufer stets nur an den Verkäufer halten. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sieht aber vor, dass die Garantiewerbung denjenigen bindet, der die Garantie „anbietet“. Im Falle der Herstellergarantie ist dies der Hersteller, nicht der Verkäufer. Eine direkte Herstellerhaftung vermag das Sachmängelgewährleistungsrecht nicht zu begründen. Hinzu kommt, dass Ansprüche aus §§  434, 437 BGB nach §  438 Abs.  1 Nr.  3 BGB in der Regel in zwei Jahren verjähren. Es ist also möglich, dass die Gewährleistungsansprüche verjähren, bevor die beworbene Garantiefrist abgelaufen ist. Entsteht beispielsweise nach vier Jahren ein garantierelevanter Mangel, kann der Käufer nicht mehr gegen den Verkäufer vorgehen, wenn ihm die beworbene fünfjährige Garantie tatsächlich nicht gewährt wurde. In diesem Fall bliebe die Herstellerwerbung entgegen Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ohne jegliche rechtliche Konsequenz. Dieses Ergebnis lässt sich nur vermeiden, indem man direkte Ansprüche des Käufers gegen den Hersteller aus der Garantiewerbung anerkennt. Dies ist nur möglich, wenn die Werbung als eine Wettbewerbsmaßnahme verstanden wird, die ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Werbenden und den Käufern zustande bringt. Die Sachmängelhaftung für fehlende Herstellergarantien ist aus europarechtlicher Sicht keine hinreichende Umsetzungsmaßnahme für die Garantiewerbehaftung.

IV. Zusammenfassung Die rechtsgeschäftlichen Lösungen der herrschenden Meinung zum deutschen Recht genügen den Anforderungen des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht. Dies gilt zunächst in besonderer Weise für die traditionelle Ansicht, die fordert, dass Garantiewerbung selbst den Charakter einer rechtsgeschäftlichen Erklärung haben müsse, um verbindlich werden zu können. Die Voraussetzungen an eine Willenserklärung liegen bei Garantiewerbung aber nur in seltenen Einzelfällen vor. Die Garantiewerbehaftung würde aus diesem Grund in europarechtswidriger Weise erheblich eingeschränkt. Auch die neueren Ansichten, die die „einschlägige Werbung“ bei der Auslegung eines anderweitig zustande kommenden Garantievertrags berücksichtigen wollen, können im Ergebnis nicht überzeugen: Problematisch ist vor allem, dass

IV. Zusammenfassung

139

Werbeaussagen nur dann Berücksichtigung finden sollen, wenn der Verbraucher ein – wenn auch nicht vollständig der Werbung entsprechenden – vertragliches Garantiedokument erhalten hat. Erhält der Verbraucher hingegen gar kein Garantiedokument, soll er sich auf die Werbung überhaupt nicht berufen können. Ausgerechnet der schlimmere Verstoß bliebe also in europarechtswidriger Weise (siehe oben unter D. III.) ohne Sanktion. Die „Auslegungslösungen“ erscheinen zudem in sich nicht konsistent: So sind beispielsweise die individuellen Umstände des Vertragsschlusses gar nicht mehr von Interesse, wenn §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliche Auslegungsregel eingeordnet wird. In diesem Fall liegt eine privatautonome Bindung, die die „Auslegungslösungen“ in ihrem Ausgangspunkt für wesentlich halten, gerade nicht vor. Diese Erwägungen zeigen erneut (siehe bereits oben unter D. III. 2. a) dd)), dass der Bindungsgrund der Garantiewerbehaftung von den rechtsgeschäftlichen Lösungen systematisch falsch eingeordnet wird. Diese ist keine privatautonom begründbare Haftung. Sie beruht nicht auf Selbstbestimmung. Die Werbehaftung ist eine Haftung um der Funktionsfähigkeit des Marktes willen. Die Privatautonomie kann als Erklärungsgrundmuster daher keine konsistente Deutung des §  443 Abs.  1 BGB ermöglichen.

F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? I. Vertrauensschutz als europarechtliche Vorgabe Das europäische Verbraucherschutzrecht zielt auf eine Verbesserung des Verbrauchervertrauens in den Binnenmarkt.1 Diese Zielvorgabe findet sich in den Erwägungsgründen zentraler Richtlinien und in zahlreichen Kommissionsdokumenten (siehe oben unter D. I. 1.). Sie stand auch als maßgebliches Motiv hinter der Schaffung der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie: Die „Stärkung des Vertrauens der europäischen Verbraucher in den Binnenmarkt“ wird ausdrücklich in Aussicht gestellt; diese soll vor allem eine „Erleichterung grenzüberschreitender Einkäufe und Stärkung der Rolle der Verbraucher als aktive Marktbeteiligte“ bewirken.2 Aus dem Blinkwinkel des deutschen Rechts stellt sich damit vor allem die Frage, ob es sich bei der Haftung für Garantiewerbung um einen Anwendungsfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung handeln könnte. So begründet die Garantiewerbehaftung möglicherweise eine besondere, gesetzlich ausgestaltete Fallgruppe der culpa in contrahendo, bei der es sich nach herrschender Meinung um einen Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung handelt (dazu sogleich unter II.).3 In Betracht kommt aber auch ein Verständnis, wonach §  443 Abs.  1 BGB einen Fall der Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB darstellt (dazu unter III.). Weiterhin könnte es sich bei der Garantiewerbehaftung um eine eigenständige, neue Fallgruppe der gesetzlichen Vertrauenshaftung nach dem System von Canaris handeln (siehe IV.). In Betracht kommt außerdem eine Fortentwicklung der gesetzlichen Vertrauenshaftung in Anlehnung an die Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne (siehe V.). Daran anknüpfend könnte es sich bei der Garantiewerbehaftung auch um eine 1  Ausführlich Heiderhoff, ZEuP 2003, 769 ff.; dies., Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  226 f. 2  Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM(95) 520 endg., S.  9. 3  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  429, 532 m. w. N.; ders., 2. Larenz-FS, S.  27, 102 ff.; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  191 ff.; kritisch beispielsweise Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S.  179.

142 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? neuartige Form der „Systemvertrauenshaftung“ handeln (siehe VI.). Letztlich kann jedoch keine dieser Deutungsmöglichkeit überzeugen.

II. Garantiewerbehaftung als besonderer Anwendungsfall der culpa in contrahendo? In der Literatur wird seit langem diskutiert, ob irreführende Werbeangaben zu einer Haftung des Werbenden aus culpa in contrahendo führen können.4 Den Abhandlungen liegen dabei vor allem Fälle irreführender Angaben über Produkteigenschaften zu Grunde.5 Auch irreführende Garantiewerbung lässt sich möglicherweise als Verletzung einer vorvertraglichen Sorgfaltspflicht begreifen.6 Unter welchen Voraussetzungen Werbeaussagen geeignet sind, ein vorvertragliches Schuldverhältnis nach §  311 Abs.  2 BGB zustande zu bringen, ist allerdings sehr umstritten. Kontrovers beurteilt wird vor allem die Frage, ob allein Werbung – vor allem solche des Herstellers – ein hinreichendes Näheverhältnis zwischen dem Werbenden und Individuen aus dem anonymen Werbepublikum herstellen kann.7 Die hieraus resultierenden Fragen können für die hiesige Untersuchung indes offenbleiben. Gegen die Verortung der Garantiewerbehaftung als Fallgruppe der culpa in contrahendo spricht, dass die Garantiewerbehaftung sich in ihrer tatbestandlichen Struktur wesentlich von der Haftung nach §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 241 Abs.  2 BGB unterscheidet (dazu sogleich unter F. II. 1.). Zum anderen – und dies ist das wohl gewichtigere Argument – beruht die Garantiewerbehaftung ganz grundsätzlich auf einem anderen Haftungsgrund als die gesetzliche Vertrauenshaftung, deren Unterfall die culpa in contrahendo nach ganz herrschender Meinung darstellt (dazu sogleich im nächsten Abschnitt unter F. III.).8 Gegen diese Beurteilung sprechen auch nicht die Weiterungen, die die gesetzliche Vertrauenshaftung im Rahmen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne erfahren hat (siehe dazu unten unter F. V.). Denn diese vor allem die Abhandlung von Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, passim; aus jüngerer Zeit Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  134 ff.; Sack, GRUR 2004, 625, 628 f.; Augenhofer, WRP 2006, 169, 175; Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  924 ff. 5  Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  89 ff.; ders., NJW 1981, 1233, 1239 ff. 6  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  161 ff. 7  Bejahend Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  345; ders., NJW 1981, 1233, 1239; Augenhofer, WRP 2006, 169, 175; einschränkend Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  931 ff.; ablehnend Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  144 f. 8  BGH NJW 1973, 752, 753; Canaris, 2. Larenz-FS, S.  27, 102 ff.; ders., FS Schimansky, S.  43, 51 ff.; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  191 ff. 4  Vgl.

II. Garantiewerbehaftung als besonderer Anwendungsfall der culpa in contrahendo? 143

sind ihrerseits marktordnungsrechtlich motiviert und liegen damit jenseits des klassischen Anwendungsbereichs der gesetzlichen Vertrauenshaftung.

1. Unterschiede zwischen culpa in contrahendo und Garantiewerbehaftung Zwischen der culpa in contrahendo und der Garantiewerbehaftung bestehen wesentliche strukturelle Unterschiede, die einer dogmatischen Einordnung des §  443 Abs.  1 BGB als Unterfall der c.i.c. entgegenstehen. a) Bloße Haftung auf das negative Interesse bei culpa in contrahendo Die culpa in contrahendo richtet sich im Regelfall allein auf Ersatz des negativen Interesses: Der Käufer kann nach §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 241 Abs.  2 BGB nur verlangen, im Wege des Schadensersatzes so gestellt zu werden, als habe er die Werbung nie zur Kenntnis genommen.9 Daraus folgt zwar unter Umständen ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages, wenn der Käufer den Vertrag ohne die beworbene Garantie nicht geschlossen hätte.10 Er wird aber nicht so gestellt, als sei zu seinen Gunsten ein Garantievertrag zu den in der Werbung genannten Bedingungen zustande gekommen.11 Die culpa in contrahendo führt also nicht zu einer Erfüllungshaftung. Ausnahmsweise kann zwar auch die c.i.c. auf Ersatz des positiven Interesses gerichtet sein.12 Die Haftung auf das positive Interesse kann wiederum ausnahmsweise im Wege der Naturalrestitution nach §  249 Abs.  1 BGB zu einer Art „Erfüllungshaftung“ führen (jedenfalls im wirtschaftlichen Ergebnis).13 Dieser Mechanismus würde jedoch nicht ausreichen, um die Reichweite der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB zu erkläLehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  377. Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  164, die den Anspruch aber vom Vorliegen eines Vermögensschadens abhängig machen möchte (S.  163); dies ist indes unzutreffend, da schon die Belastung mit einer ungewollten Verbindlichkeit einen Schaden in Form einer Verletzung der Dispositionsfreiheit begründet. 11 Vgl. Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  377. 12  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  164. 13  Dies ist dann der Fall, wenn der Gläubiger ein besonderes Interesse am Erhalt des primären Leistungsgegenstands hat, vgl. MünchKommBGB/Emmerich, Vor §  281 Rn.  7 m. w. N. Solche Fallgestaltungen dürften bei Garantien nicht fernliegen, da dem Käufer z. B. daran gelegen sein kann, Reparaturleistungen durch den Hersteller selbst als Spezialisten (bspw. bei technisch anspruchsvollen Geräten) zu erhalten. Die Voraussetzungen einer Naturalrestitution werden bei irreführender Garantiewerbung (sollte man einen Anspruch aus c.i.c. überhaupt bejahen) jedoch keinesfalls immer vorliegen. In vielen Fällen wird dem Käufer auch mit einer Schadensersatzleistung in Geld gedient sein, die seine Kosten für Reparatur oder Ersatzbeschaffung abdeckt; siehe dazu auch sogleich im Text. 9 

10 Vgl.

144 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? ren. Im absoluten Regelfall werden bei irreführender Garantiewerbung die Voraussetzungen einer Haftung auf das positive Interesse aus culpa in contrahendo nämlich nicht vorliegen. Eine Haftung auf das positive Interesse kommt im Rahmen der culpa in contrahendo nur in Betracht, wenn der Vertrag ohne die vorvertragliche Pflichtverletzung zu günstigeren Konditionen zustande gekommen wäre.14 Dies ist einerseits dann der Fall, wenn „aufgrund besonderer Umstände zuverlässig festgestellt werden kann, daß der Vertrag ohne die Täuschung unter denselben Vertragspartnern zu anderen, für den Getäuschten günstigeren Bedingungen zustande gekommen wäre“;15 andererseits dann, wenn der Käufer ohne die Täuschung mit einem Dritten zu günstigeren Konditionen kontrahiert hätte.16 Die erste Alternative dürfte bei irreführender Garantiewerbung kaum einschlägig sein: Hier hatte der Werbende in aller Regel gerade nicht die Absicht, sein Werbeversprechen einzuhalten.17 Aus diesem Grund kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Garantievertrag ohne die Garantiewerbung zu besseren Konditionen geschlossen worden wäre. Die zweite Alternative stellt den Käufer ebenfalls vor hohe Hürden: Im Falle einer Verkäufergarantie müsste er nachweisen, dass er denselben Kaufgegenstand zu demselben (oder einem niedrigeren) Preis, aber zu besseren Garantiekonditionen bei einem anderen Verkäufer hätte erwerben können. Im Falle einer Herstellergarantie müsste er darlegen und beweisen, dass er einen technisch oder funktional vergleichbaren Gegenstand eines anderen Herstellers mit besserer Herstellergarantie zu demselben (oder einem niedrigeren) Preis hätte kaufen können. Dieser Nachweis dürfte für den Käufer nur schwer zu führen sein, zumal er auch darlegen müsste, inwiefern die Garantiekonditionen des alternativen Anbieters für den Käufer insgesamt günstiger sind; dieses Erfordernis führt aber zu schwierigen Günstigkeitsvergleichen, wenn die Garantiebedingungen zum Teil besser, zum Teil aber schlechter sind. Die Haftung auf das positive Interesse hinge auf Basis der culpa in contrahendo in jedem Fall von zusätzlichen, einschränkenden Voraussetzungen ab, die mit den europarechtlichen Anforderungen des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht in Einklang stehen. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie knüpft die Erfüllungshaftung an das bloße Vorliegen von Garantiewerbung an – ohne zusätzliche Voraussetzungen (siehe oben unter D. III. 2. g)).

14  BGH NJW 1998, 2900 m. w. N.; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  338; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  164. 15  BGH NJW 1998, 2900, 2901. 16  BGH NJW 1988, 2234, 2236; NJW 1998, 2900, 2901. 17 Zutreffend Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  164.

II. Garantiewerbehaftung als besonderer Anwendungsfall der culpa in contrahendo? 145

b) Culpa-Haftung nur für rechtswidrige und schuldhafte Pflichtverletzungen Die Haftung aus culpa in contrahendo setzt ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Anspruchsgegners voraus. Eine Haftung für Werbeangaben aus c.i.c. würde aus diesem Grund ebenfalls davon abhängen, dass der Werbende rechtswidrig und schuldhaft handelt.18 Ein solches Erfordernis statuiert §  443 Abs.  1 BGB indes nicht: Wie bereits oben ausgeführt (siehe oben unter D. III. 2. d)), setzt Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und im Einklang hiermit §  443 Abs.  1 BGB nicht voraus, dass Garantiewerbung „irreführend“ und damit rechtswidrig ist.19 Bei der Garantiewerbehaftung handelt es sich ihrer Struktur nach nicht um eine culpa-Haftung.20 §  443 Abs.  1 BGB setzt tatbestandlich nur voraus, dass Garantiewerbung vorliegt. Garantiewerbung ist als solche allerdings (natürlich) nicht rechtswidrig; vielmehr handelt es sich um ein zulässiges, vom Europarecht erwünschtes Marketinginstrument,21 das durch die Garantiewerbehaftung gerade gefördert werden soll (siehe oben unter D. II. 1.). Selbst wenn man (anders als oben unter D. III. 2. d) ausgeführt) von einem impliziten Irreführungserfordernis ausginge, wäre die culpa in contrahendo als Deutungsmuster für die Garantiewerbehaftung nicht geeignet. Problematisch erschiene vor allem der Maßstab der Rechtswidrigkeit, der bei culpa in contrahendo und Garantiewerbehaftung nicht übereinstimmen kann: Die culpa in contrahendo ist ihrer Struktur nach ein Rechtsinstitut, das dem Individualschutz dient (zu Erweiterungstendenzen im Rahmen der Prospekthaftung siehe sogleich unter F. III. 3.).22 Werbung – so die traditionelle Ansicht – kann im Rahmen der c.i.c. daher nur eine Pflichtverletzung darstellen, wenn sie einen bestimmten Werbeadressaten im konkreten Einzelfall täuscht.23 Diese Sichtweise könnte für die Garantiewebehaftung vor dem Hintergrund der vollharmonisierenden Wirkung der UGP-Richtlinie allerdings nicht aufrechterhalten werden. Die UGP-Richtlinie begründet einen abschließenden Maßstab für die Beurteilung, ob eine Geschäftspraxis – und dazu zählt natürlich auch Werbung – irreführend und damit rechtsLehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  347 ff. Köhler, in: Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, §  3 Rn.  2.15: „Unlauterkeit als bereichsspezifische Bezeichnung der Rechtswidrigkeit“. 20  Vgl. allgemein zur Haftung für Qualitätsversprechen Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  304. 21  OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154. 22 Vgl. Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  134, der die Schutzbedürftigkeit des getäuschten Vertragspartners als Erfordernis besonders betont. 23  Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  352; ders., NJW 1981, 1233, 1239: „Anders als bei der mehr generalisierenden Betrachtung des §  3 UWG muß allerdings im BGB … insoweit eine individualisierende Betrachtungsweise verfolgt werden…“; so auch Jorden, Verbrauchergarantien, S.  541; Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  142 ff. 18 

19 Vgl.

146 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? widrig ist (Art.  4 UGP-Richtlinie). Maßgeblich ist dabei kein individualisierender, sondern ein generalisierender Maßstab, nämlich der Horizont eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (Erwägungsgrund 18 UGP-Richtlinie; siehe bereits oben unter D. III. 2. a) dd)).24 Dieser Maßstab darf durch Anwendung der c.i.c. nicht verändert werden. Er müsste daher auch für die Beurteilung einer Pflichtverletzung nach den §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 241 Abs.  2 BGB gelten.25 Auch hier müsste sich die Unlauterkeit also aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers begründen lassen. Dies würde eine erhebliche Änderung gegenüber den bisher geltenden Grundsätzen bewirken.26 Die culpa in contrahendo würde den Boden des Individualschutzes verlassen und sich zu einem Instrument zur Durchsetzung allgemeiner wettbewerbsrechtlicher Standards entwickeln. Gegen eine solche Funktionsänderung der culpa in contrahendo sprechen vor allem wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte auf Ebene des nationalen Rechts: Verbraucher erhielten über den „Umweg“ der c.i.c. eine Aktivlegitimation zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Falle unlauteren Wettbewerbs, die ihnen nach §  9 Satz  1 UWG nicht zustehen. Dies widerspräche der Intention des nationalen Gesetzgebers27 (siehe dazu bereits oben D. II. 2.). Die Aktivlegitimation wäre zwar im Falle von Garantiewerbung unproblematisch, weil sie der expliziten Anordnung des Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie entspricht; die Vorstellungen des nationalen Gesetzgebers können hier keine Einschränkung bewirken (siehe dazu bereits oben D. II. 2.; ein ähnliches Argument greift auch im Anwendungsbereich des §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB28). In allen anderen Fällen unlauterer Werbung ist der nationale Gesetzgeber nach der UGP-Richtlinie aber ermächtigt, die aus seiner Sicht vorzugswürdigen Sanktionen wählen (siehe dazu bereits oben D. II. 2.). Sieht man den Fall der Garantiewerbehaftung nun als Ausprägung der culpa in contrahendo an, hätte diese neue Fallgruppe notwendigerweise Rückwirkungen auf weitere mögliche Anwendungsfälle der Haftung nach §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 241 Abs.  2 BGB: 24  Ähnlich bereits zum alten UWG Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  52 f.: „Breitenwirksamkeit“ des Wettbewerbsrechts. 25  Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Vorliegen einer Sonderverbindung im Sinne der c.i.c. allein mit der Existenz von Werbung begründet wird (so z. B. Lehmann, NJW 1981, 1233, 1239 f.), siehe dazu auch sogleich weiter unten in diesem Abschnitt. 26  Vgl. zum alten Recht Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  141: „Keinesfalls dürfen nämlich die lauterkeitsrechtlichen Verhaltensgebote im Wettbewerb mit den vorvertraglichen Schutz- und Aufklärungspflichten im anzubahnenden Individualverhältnis gleichgesetzt werden.“ 27  BT-Drs. 15/1487, S.  22; der Gesetzgeber schloss sich damit der bekannten Prüfzeichenentscheidung des BGH (NJW 1974, 1503) an, in der das Gericht den Schutzgesetzcharakter von UWG-Normen verneint hatte. 28  Ähnlich MünchKommUWG/Ruess, §  5 Rn.  136.

II. Garantiewerbehaftung als besonderer Anwendungsfall der culpa in contrahendo? 147

Es wäre aus systematischen Erwägungen heraus nicht verständlich, warum der Käufer in anderen Fällen unlauterer Werbung (also jenseits irreführender Garantiewerbung) keinen Anspruch aus c.i.c. gegen den Werbenden haben sollte. Die c.i.c. würde für Verbraucher, die aufgrund von Werbung irgendeine Form von Schaden geltend machen können, zu einer Norm, die ihnen eine wettbewerbsrechtliche Aktivlegitimation verleiht. Aus dem Erfordernis eines Schadens resultieren dabei keine relevanten Einschränkungen: Ein solcher kann in vergeblichen Aufwendungen liegen, die der Käufer in Erwartung des Vertragsschlusses tätigt,29 oder aber auch in dem Vertragsschluss selbst.30 Das Kausalitätserfordernis, das an sich dem Individualschutzkonzept im Rahmen der c.i.c. entspricht, wäre dabei ebenfalls keine echte Hürde: Der Verbraucher kann sich bei Aufklärungspflichtverletzungen, zu denen die meisten Fälle irreführender Werbung zu zählen wären,31 nach wohl herrschender Ansicht auf eine Kausalitätsvermutung stützen.32 Der Unternehmer könnte diese nur widerlegen, indem er nachweist, dass der konkrete Verbraucher durch die Werbung nicht irregeführt wurde, obwohl die Werbung aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers irreführend war.33 Dieser Beweis wird dem Unternehmer wohl in aller Regel nicht gelingen. In der Konsequenz könnte ein Verbraucher die Klagebefugnis durch den Erwerb des betroffenen Produkts „kaufen“. Diese Erwägungen gelten allerdings nur, wenn eine vorvertragliche „Sonderverbindung“ allein aufgrund von Werbung angenommen wird, das heißt deswegen, weil der Verbraucher in den Wirkungskreis einer bestimmten, unlauteren Werbeaussage gelangt ist.34 Nur in diesem Fall ist nämlich der generalisierende Maßstab der UGP-Richtlinie für die Beurteilung der Unlauterkeit maßgeblich. In allen anderen Fällen können die Mitgliedstaaten nach Erwägungsgrund 15 UGP-Richtlinie „im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht strengere Bestimmungen aufrechterhalten oder einführen, um ein höheres Schutzniveau für die individuellen vertraglichen Rechte der Verbraucher zu gewährleisten“ (Hervorhebung nur hier). Damit diese Ausnahme eingreift, muss es allerdings tatsächlich 29 

BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  336. Umstritten ist, ob die bloße Beeinträchtigung der Dispositionsfreiheit bereits einen Schaden darstellen kann, oder ob ein solcher nur vorliegt, wenn der Wert von Leistung und Gegenleistung unausgewogen ist; vgl. hierzu die Darstellung bei Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  136 ff., der selbst einen Mittelweg vorschlägt. 31  BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  239 f. m. w. N. 32  Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  380 f. m. w. N. 33  Vgl. zum alten Recht (insofern übertragbar) Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  144. 34 So Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  340 ff.; ders., NJW 1981, 1233, 1239; Augenhofer, WRP 2006, 169, 175; einschränkend Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  931 ff.; ablehnend Alexander, Vertrag und unlauterer Wettbewerb, S.  144 f. 30 

148 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? um die Beurteilung individueller, vertraglicher Rechte gehen. Solche entstehen, auch wenn man den Begriff der „vertraglichen Rechte“ im Europarecht sehr weit versteht (siehe dazu oben D. II. 2. b) bb)), nicht schon aufgrund der Existenz von Werbung. Werbung allein vermag keine „individuellen vertraglichen Rechte“ im Sinne der UGP-Richtlinie zu begründen; denn sie fällt schließlich gerade in den Kernbereich der wettbewerbsrechtlichen Regelungen der UGP-Richtlinie. Noch ein weiterer, zusätzlicher Aspekt spricht nach nationalem Recht gegen die Anerkennung der c.i.c. als Mittel zur Bekämpfung unlauterer Verhaltensweisen im Wettbewerb: Ansprüche nach §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 241 Abs.  2 BGB würden sich gegen den Werbenden richten; dies kann auch der Hersteller sein. Direkte Ansprüche des Käufers gegen den Hersteller sind im deutschen Recht außerhalb der engen Grenzen der hier besprochenen Werbehaftung sowie der Produkt- und Produzentenhaftung indes nicht vorgesehen.35 Diese Erwägungen zeigen, dass die Garantiewerbehaftung nicht als Unterfall der culpa in contrahendo angesehen werden kann bzw. sollte. Die Garantiewerbehaftung in die allgemeine Systematik der c.i.c. zu integrieren, würde Verallgemeinerungstendenzen nach sich ziehen, die mit der Rechtsfolgenkonzeption des deutschen UWG nicht in Einklang stehen. c) Erfordernis der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden im Rahmen der culpa in contrahendo Die culpa in contrahendo setzt schließlich auch voraus, dass die Pflichtverletzung für den Vertrauensschaden kausal geworden ist.36 Würde diese Voraussetzung auch auf die Haftung für irreführende Garantiewerbung angewendet, müsste der Käufer die Garantiewerbung vor dem Kauf auch tatsächlich zur Kenntnis genommen und das Produkt (auch) wegen der Werbung gekauft haben.37 Nur in diesem Fall wären die falschen Werbeangaben nämlich für seinen Entschluss, ein bestimmtes Produkt zu kaufen, und damit auch für den Schaden kausal geworden.38 Ein solches Erfordernis kennt §  443 Abs.  1 BGB in Einklang mit Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie indes nicht. Die Haftung für Werbeangaben soll nach der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vom konkreten Vertrauen des Käufers unabhängig sein (vgl. dazu ausführlich oben unter D. III. 2. b)):39 Hiernach kann der Käufer die Erfüllung der Garantie zu den in der Werbung genann35 

BGH NJW 1969, 269, 273 – Hühnerpest. BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  334. 37  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  162 f. 38  Vgl. aber Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  380, der von einer Beweislastumkehr zu Gunsten des Käufers ausgeht; ähnlich Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  163. 39  OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154 f. 36 

III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB? 149

ten Voraussetzungen beanspruchen, ohne dass er die Werbung vor dem Kauf zur Kenntnis genommen haben muss. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie setzt lediglich voraus, dass die Werbung „einschlägig“ ist (zu den hieraus resultierenden Anforderungen vgl. unten I. I. 1. b)).40 Auch das Kausalitätserfordernis führt damit vor Augen, dass die Garantiewerbehaftung nicht als Unterfall der culpa in contrahendo begriffen werden kann.

2. Zwischenergebnis Die Haftung aus culpa in contrahendo ist strukturell nicht geeignet, ein dogmatisches Fundament für die Werbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB bereitzustellen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der culpa in contrahendo spiegeln ihre individualschützende Zwecksetzung. Sie unterscheidet sich damit erheblich von der marktordnungsrechtlichen Haftung nach §  443 Abs.  1 BGB. §  443 Abs.  1 BGB begründet keine Haftung für eine rechtswidrige, vorvertragliche Pflichtverletzung. Die Garantiewerbehaftung ist ihrer Struktur nach vielmehr eine Haftung für „das gegebene Wort“,41 die wettbewerbsrechtliche Schutzzwecke verfolgt.

III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB? Die Garantiewerbehaftung dient dem Abbau von Informationsasymmetrien im Binnenmarkt (siehe oben unter D. II. 1., D. III. 2. a)). Der Konnex zwischen Werbehaftung und informierter Verbraucherentscheidung führt zu der Frage, ob die Garantiewerbehaftung dogmatisch als Unterfall einer Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB begriffen werden könnte. Die Garantiewerbehaftung verleiht dem Käufer schließlich auch Ansprüche gegen den Hersteller. Sie begründet damit eine Form der Dritthaftung, das heißt der Haftung einer Person, die nicht Vertragspartner des Käufers (jedenfalls nicht im Rahmen des Kaufvertrags) werden soll.42 Eine Haftung Dritter für falsche Auskünfte resultiert aus §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB vor allem dann, wenn der Dritte „in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch“ nimmt.43 Im Falle der Garantiewerbung könnte 40 

OLG Frankfurt NJOZ 2010, 2153, 2154; a. A. BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  29. Vgl. allg. zu Qualitätsversprechen in der Werbung Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  304. 42  Vgl. zum Begriff des „Dritten“ Kersting, die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  281. 43  Die daneben mögliche Haftung eines Dritten als procurator in rem suam kommt in den Fällen der Herstellerwerbung nicht in Betracht. Das bloß mittelbare wirtschaftliche Interesse 41 

150 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? dies auf den Hersteller zutreffen, weil er mit seiner Werbung als Experte für die von ihm produzierte Ware auf dem Markt werbend auftritt.44

1. §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB als Tatbestand der Informationshaftung Zentrales Anliegen des §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB ist eine Haftung von „Experten“ für die Vollständigkeit und Richtigkeit der von ihnen in Verkehr gebrachten Informationen.45 Bei §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB handelt es sich damit um einen Tatbestand der Informationshaftung, wie vor allem Kersting zutreffend herausgearbeitet hat.46 Auf ihn geht dabei die Idee zurück, §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB zu einem zentralen Informationshaftungstatbestand des BGB auszugestalten, der alle Varianten der informationellen Einflussnahme Dritter auf einen Vertrag erfassen soll.47 §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB soll damit einen Rückgriff auf von der Rechtsprechung entwickelte Haftungstatbestände, wie beispielsweise den konkludenten Beratungsvertrag im Bankrecht oder den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter in Gutachterfällen, entbehrlich machen; diese seien nämlich dem Vorwurf der Fiktion ausgesetzt.48 Das von Kersting entwickelte Modell einer Informationshaftung soll im Folgenden näher erörtert werden. Fraglich ist dabei, ob es auch für die Garantiewerbehaftung fruchtbar gemacht werden kann. Vorab ist allerdings auf Folgendes hinzuweisen: Das Modell wurde von Kersting nicht als marktordnungsrechtliches Haftungskonzept entwickelt. Aus der Perspektive der hier durchgeführten Untersuchung stellt sich vor diesem Hintergrund allein die Frage, ob §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB auch in der Lage ist, marktordnungsrechtliche Schutzzwecke in sich aufzunehmen. Es wird sich zeigen, dass die Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB eine individualschutzrechtliche Prägung aufweist. Sie ist damit primär auf „funktionierende“ Märkte zugeschnitten, auf denen die gesamtwirtschaftlich schädlichen Folgen fehlerhafter Information mit Mitteln des Individualrechtsschutzes bewältigt werden können. Diese individualschutzrechtliche Prägung setzt der Berücksichtigung marktordnungsrechtlicher Schutzzwecke im hier untersuchten Bereich allerdings enge Grenzen. des Herstellers am Kauf seiner Produkte durch Endverbraucher genügt nicht, um ihn als procurator in rem suam anzusehen, vgl. BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  528. 44 So Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  365 ff.; Menke, VuR 1994, 223, 234. 45  BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  520 m. w. N. 46  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  318 ff. 47  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  108; ders., JR 2008, 312, 314. 48  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  424 f.; Kersting, Die Dritthaftung für Informationen, S.  334; ders., JR 2008, 312, 313.

III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB? 151

Der unterschiedliche Zuschnitt von §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB einerseits und §  443 Abs.  1 BGB andererseits spiegelt sich auch in dem gesetzlichen Regelungsbereich der Normen: Anders als §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB differenziert §  443 Abs.  1 BGB nicht zwischen Verkäufer- und Herstellerwerbung, trifft also keine Unterscheidung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen. Hierin manifestiert sich ein Unterschied von erheblicher dogmatischer Tragweite, der nur vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Schutzzwecke der beiden Tatbestände erklärt werden kann. Aus diesem Grund eignet §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB sich im Ergebnis nicht als dogmatische Grundlage für die Garantiewerbehaftung. Die folgenden Ausführungen sollen dieses Ergebnis näher begründen.

2. Unterscheidung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen Der Unterscheidung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen im Rahmen des §  311 Abs.  3 BGB liegt die Vorstellung zu Grunde, dass ein Schuldverhältnis zu vertragsfremden Dritten nur unter erschwerten Voraussetzungen zustande kommen soll.49 Eine verschärfte Haftung aus Sonderverbindung soll nämlich nicht zu sehr in den Bereich des Deliktsrechts vordringen.50 Nach Kersting unterscheidet sich die informationelle Einflussnahme in Dreipersonenverhältnissen aus diesem Grund wesentlich von derjenigen in Zweipersonenverhältnissen.51 Im Hinblick auf den Individualrechtsschutz des Informationsrezipienten ist diese Annahme ohne Weiteres zutreffend. §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB dient in diesem Fall einer erweiterten Haftung für primäre Vermögensschäden. Eine solche Haftungserweiterung ist aufgrund der bewussten Beschränkung des deliktischen Schutzes nach §§  823, 826 BGB nur unter strengen Voraussetzungen möglich. Kersting entwickelt vor diesem Hintergrund ein Modell der Dritthaftung als vertragsähnliche Haftung für tatsächlich in Anspruch genommenes und gewährtes Vertrauen. §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB begründet nach seinem Verständnis eine Vertrauenshaftung, die, obwohl sie auf gesetzlicher Grundlage beruht, wie ein Vertrag einen zweiseitigen Entstehungstatbestand voraussetzt.52 Erforderlich sei zum einen eine konkrete Vertrauensinvestition auf Seiten des Informationsrezipienten: Dieser müsse eine hinreichend qualifizierte Vertrauenserwartung bilden, die nur dann gegeben sei, wenn er eine Vertrauensentsprechung für wahrscheinBeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  511; vgl. auch Kersting, Die Dritthaftung für Informationen, S.  19, der betont, dass Drittfälle sich „grundlegend“ von Zweipersonenfällen unterscheiden. 50  BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  511. 51  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen, S.  18 ff.; ähnlich ders., JR 2008, 312, 313. 52  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  258. 49 

152 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? licher halte (über 50  %) als eine Vertrauensenttäuschung.53 Zum anderen müsse auf Seiten des Informationsgebers ein „Vertrauensinanspruchnahmewille“ vorliegen: Der Informationsgeber müsse wollen, dass der Informationsrezipient die Information zur Grundlage einer konkreten geschäftlichen Entscheidung macht.54

3. Individualschutzrechtliche Prägung der Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB In den soeben umrissenen Voraussetzungen, die im Folgenden näher betrachtet werden sollen, spiegelt sich die individualschutzrechtliche Prägung der Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB. a) Erfordernis einer qualifizierten Vertrauenserwartung Die Orientierung am Individualrechtsschutz manifestiert sich zunächst in dem Erfordernis einer konkreten Vertrauenserwartung auf Seiten des Informationsrezipienten: Eine Dritthaftung soll nach Kersting nicht in Betracht kommen, wenn der Informationsrezipient eine Vertrauensentsprechung zu weniger als 50  % für wahrscheinlich halte. Misstrauen schadet dem Informationsrezipienten nach der Konzeption von Kersting also (anders als beispielsweise im Rahmen der marktordnungsrechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne, siehe dazu ausführlich unter F. V.).55 Nach Kersting rechtfertigt sich das Erfordernis der Vertrauenserwartung aus verschiedenen Gründen, die verdeutlichen, dass §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB nicht zur Bewältigung der hier untersuchten marktordnungsrechtlichen Problematik konzipiert wurde. §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB begründet vielmehr eine Informationshaftung auf einem grundsätzlich funktionierenden Markt. Nur auf einem solchen Markt können die gesamtwirtschaftlich schädlichen Folgen fehlerhafter Informationen mit den Mitteln des individuellen Vertrauensschutzes bewältigt werden. Dies resultiert auf folgender Gegenüberstellung: Nach Kersting ist es zunächst „unter dem Gesichtspunkt der Transaktionskostenvermeidung wirtschaftlicher, von einem als zu risikoreich empfundenen Geschäft Abstand zu nehmen, als auf einen günstigen Ausgang zu wetten und sich im Fall des vorhergesehenen ungünstigen Ausgangs bei einem Dritten schadlos zu halten.“56 Diese Annahme ist auf einem Markt, auf dem grundsätzlich „so­zia­

53 

225.

Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  209 ff., 221 ff.,

Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  243. Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  222 ff. 56  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  224. 54  55 

III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB? 153

les Kapital“ in Form von Vertrauen57 besteht und alternative, vertrauenswürdige Geschäftspartner gefunden werden können, sicherlich zutreffend. Das europäische Verbraucherschutzrecht muss demgegenüber für den Bereich des grenzüberschreitenden Handels mit anderen Prämissen arbeiten.58 Unter D. I., F. I. wurde gezeigt, dass der europäische Gesetzgeber gerade das in erheblichem Umfang bestehende Misstrauen der Verbraucher bei grenzüberschreitenden Transaktionen verringern will. Dieses Misstrauen schädigt den Binnenmarkt und führt dazu, dass die Vorteile des grenzüberschreitenden Handels nicht im vollen Umfang realisiert werden können. Die Haftungstatbestände des europäischen Verbraucherschutzrechts wollen die Verbraucher vor diesem Hintergrund dazu ermuntern, auch aus ihrer Sicht riskante Transaktionen vorzunehmen, gerade weil sie sich notfalls bei den Verantwortlichen schadlos halten können. Auf dem Binnenmarkt soll auf diese Weise persönliches Vertrauen durch Systemvertrauen ersetzt werden (siehe zu dieser Unterscheidung ausführlich unter F. VI. 1.). Andernfalls würden keine oder nur sehr wenige grenzüberschreitende Transaktionen zustande kommen. Eine Dritthaftung, die auch bei tatsächlich vorhandenem Misstrauen eingreife, schädigt nach Kersting allerdings ihrerseits die „Vertrauensatmosphäre“ auf dem Markt.59 Die Haftung signalisiere nämlich, dass echtes Vertrauen vorgelegen habe und enttäuscht worden sei. Dieses Signal werde von den Marktteilnehmern dahingehend interpretiert, dass sie in Zukunft wachsamer sein müssten. Auch dieses Argument trifft auf Märkten, auf denen grundsätzlich eine Vertrauensatmosphäre besteht, ohne Weiteres zu. Die Garantiewerbehaftung wird vom europäischen Gesetzgeber indes für erforderlich gehalten, weil sich auf dem Binnenmarkt ohne gesetzgeberischen Eingriff überhaupt keine Vertrauensatmosphäre etablieren könnte. Die Garantiewerbehaftung begründet eine vertrauensunabhängige Haftung für falsche Informationen (siehe dazu ausführlich unter D. III. 2. a), H.), weil „echtes“ Vertrauen im Zweifel nicht festgestellt werden kann und der Zustand des Marktes mit den Mitteln einer Vertrauenshaftung nicht verbessert werden könnte. Ähnliche Erwägungen leiten die Rechtsprechung zur bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne (siehe dazu ausführlich unter F. V.). Durch diese wurde der Graue Kapitalmarkt erstmals einer Regulierung unterworfen (und wird dies auch weiterhin, soweit keine spezialgesetzlichen Haftungstatbestände eingreifen, siehe dazu F. V.). Hierzu ausführlich Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  185 f. 58  A.A. für den Bereich der Haftung der Stiftung Warentest auch Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  143. 59  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  217, 224. 57 

154 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? Kersting lehnt eine Haftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB bei Misstrauen schließlich deswegen ab, weil der Haftungsausschluss eine „Selbstreinigung des Marktes“ ermögliche, da „auf diese Weise nicht vertrauenswürdige Dritte aus dem Markt gedrängt werden“.60 Auch dieses Argument führt erneut die Unterschiede zwischen der Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB und der Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB vor Augen. Auf dem Binnenmarkt kann der Verbraucher überhaupt (noch) nicht zuverlässig zwischen vertrauenswürdigen und nicht vertrauenswürdigen Anbietern unterscheiden. In Fällen eines informationsbedingten Marktversagens, wie es auf dem Binnenmarkt droht, führt ein Haftungsausschluss aus diesem Grund zu einem market for lemons.61 Misstrauen ist hier ein systemisches Phänomen. Verbraucher haben im grenzüberschreitenden Verkehr kaum eine Möglichkeit, auf Anbieter auszuweichen, denen sie vertrauen. Sie haben nur die Möglichkeit, vom grenzüberschreitenden Handel insgesamt Abstand zu nehmen. Ein solches Verhalten soll aus politischen und ökonomischen Gründen aber gerade verhindert werden. Hierzu leistet die Garantiewerbehaftung einen Beitrag. Zusammenfassend spiegelt das Erfordernis einer qualifizierten Vertrauenserwartung den von §  443 Abs.  1 BGB abweichenden teleologischen Zuschnitt des §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB. Im Vordergrund stehen bei §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB, anders als bei §  443 Abs.  1 BGB, nicht die Folgen fehlerhafter Information für einen konkret vom Marktversagen bedrohten Markt, sondern vielmehr der Individualschutz des Informationsrezipienten. Nur dann stellt sich nämlich die Frage, ob eine bestimmte, konkrete Person zu Unrecht geschädigt wurde; und nur für diese Frage ist relevant, ob der Anspruchsteller dem Informationsgeber konkret vertraut hat. b) Inanspruchnahmewillen des Vertrauensnehmers Ähnliche Erwägungen gelten auch für die zweite zentrale Voraussetzung, die nach Kersting für die Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB bestehen soll. Auch diese lässt sich nur durch den individualschutzrechtlichen Fokus der Informationshaftung erklären. Ob ein Vertrauensinanspruchnahmewille des Informationsgebers überhaupt vorliegt und auf welche Personen er sich bezieht, sei im Wege der Auslegung nach §§  133, 157 BGB zu bestimmen.62 Entscheidend sind damit die Umstände des Einzelfalls sowie der individuelle VerständKersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  224. Vgl. grundlegend Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), S.  488, 490; ausführlich hierzu oben unter C. I., II. 62  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  295 f. 60 

61 

III. Garantiewerbehaftung als Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB? 155

nishorizont des Informationsrezipienten. Nicht maßgeblich ist hingegen eine typisierende Betrachtung, auf die es für die einzelnen Tatbestände des europä­ ischen Verbraucherschutzrechts (siehe oben unter D. III. 2. a) dd)) und auch für die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne (dazu unter F. V.) ankommt. Aus diesem Grund fällt konsequenterweise nach Kersting auch die Prospekthaftung im engeren Sinne, die nach allgemeiner Ansicht eine markordnungsrechtliche Informationshaftung darstellt (siehe sogleich ausführlich unter F. V.), nicht in den Anwendungsbereich des §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB.63 c) Zusammenfassung Die Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB beruht auf der Wirkung von Informationen im bilateralen Verhältnis zwischen Informationsgeber und Informationsempfänger. Der Informationsempfänger wird nicht tätig, um allgemeine Standards am Markt durchzusetzen. Sein Engagement hat zwar auch gesamtwirtschaftlich positive Folgen für die Vertrauensatmosphäre auf dem Markt. Seine Aktivlegitimation beruht allerdings nicht auf Gründen des private enforcement (siehe dazu oben unter D. II. 2.), sondern darauf, dass ihm ein individuelles Unrecht widerfahren ist. Aufgrund der Information durch den Dritten verzichtet er nämlich auf eigene Recherchen oder auf bestimmte Sicherungsmaßnahmen und erleidet hierdurch einen individuellen Vermögensschaden. Der Informationsgeber haftet für dieses Unrecht, weil er den Informationsrezipienten willentlich dazu veranlasst hat, ihm zu vertrauen.

4. Keine Eignung des §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB als dogmatische Grundlage für §  443 Abs.  1 BGB Aufgrund seiner individualschutzrechtlichen Prägung kann §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB die Wirkung von Informationen auf einem Markt, der konkret von Marktversagen bedroht ist, nur sehr unvollständig erfassen. Herrscht auf dem Markt überwiegend Misstrauen, kann eine ökonomisch gebotene Informationshaftung nicht als Vertrauenshaftung konzipiert werden (siehe dazu ausführlich unter F. VI. 3.).

Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  332 f.; vgl. auch S.  333 f. zur Berufshaftung; die Argumentation steht nach Ansicht der Autorin allerdings in einem gewissen Widerspruch zu der Annahme Kerstings, dass die (bisherigen) Fälle einer Haftung aus stillschweigendem Auskunfts- und Beratungsvertrag unter §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB subsumiert werden können (a. a. O. S.  329 f.). Auch bei der Haftung aus Auskunfts- und Beratungsvertrag sind die Haftungsvoraussetzungen nämlich stark typisiert, siehe oben unter E. I. 3. 63 

156 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? Eine Anknüpfung an §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB würde darüber hinaus zu weiteren Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung führen, die sich vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Garantiewerbehaftung nicht rechtfertigen ließen. Fraglich wäre beispielsweise, ob im Falle der Herstellerwerbung mit einer Garantie der Hersteller als vertragsfremder „Dritter“ oder aber als potentieller Vertragspartner anzusehen wäre. Einerseits nimmt der Hersteller durch die Garantiewerbung informationellen Einfluss auf die Entscheidung des Kaufinteressenten über den Abschluss des Kaufvertrages; andererseits stellt sich der Hersteller selbst als Garantiegeber und damit als Vertragspartner in Aussicht. Ordnet man den Hersteller „nur“ als Dritten im Sinne von §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB ein, haftet er nur unter den soeben dargestellten, verschärften Anforderungen. Auch im Kernbereich der von Kersting untersuchten Expertenhaftung ist manchmal nicht klar, ob ein Zwei- oder ein Dreipersonenverhältnis vorliegt: So nimmt die Rechtsprechung im Bereich der Anlageberatung konkludente Auskunfts- und Beratungsverträge an (siehe oben unter E. I. 3.),64 sodass hier auch von einem Zweipersonenverhältnis gesprochen werden könnte.65 Für den Einfluss einer Information auf den (Binnen-)Markt spielt die in §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB angelegte Unterscheidung zwischen Zwei- und Dreipersonenverhältnissen keine Rolle. Dies zeigt nicht nur das Beispiel der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung (dazu ausführlich unter F. V.), sondern gerade auch das der Garantiewerbehaftung: Für das informationelle Gewicht von Garantiewerbung hat die Einordnung des Herstellers als Dritter oder aber als zukünftiger Vertragspartner keine Bedeutung. Entscheidend ist nicht, welche vertragliche Rolle dem Hersteller im Beziehungsgefüge Käufer-Verkäufer-Hersteller zukommt. Entscheidend ist allein das Gewicht der Information; und genau an diese Information, nämlich die Garantiewerbung, knüpft die Haftung nach §  443 Abs.  1 BGB an. §  443 Abs.  1 BGB differenziert aus diesem Grund nicht zwischen Verkäufer- und Herstellerwerbung. Unter Schutzzweckgesichtspunkten (Signaling) muss die Verkäuferwerbung nach §  443 Abs.  1 BGB zu denselben Haftungsfolgen führen wie die Herstellerwerbung, und genau dies ist auch die von §  443 Abs.  1 BGB vorgesehene Rechtsfolge. Dasselbe gilt auch im Bereich der Sachmängelhaftung für öffentliche Äußerungen nach §  434 Abs.  1 Satz  3 64 

BGH NJW 1979, 1449; NJW-RR 2007, 348 Rn.  8 ff. m. w. N. Dieses Problem diskutiert auch Kersting, Die Dritthaftung für Informationen, S.  329 f., der die Annahme konkludenter Auskunfts- und Beratungsverträge allerdings (zu Recht, siehe oben unter E. I. 3.) ablehnt und damit zu dem Ergebnis gelangt, dass nur ein Dreipersonenverhältnis vorliegt. Dieser Weg ist im Bereich der Garantiewerbehaftung allerdings nicht gangbar, weil im Falle der Herstellerwerbung mit einer Garantie auf jeden Fall ein Garantievertrag mit dem Hersteller zustande kommen soll; dieser ist, anders als beim konkludenten Auskunfts- und Beratungsvertrag, auch nicht rein fiktiv. 65 

IV. Werbehaftung als neuer Fall der gesetzlichen Vertrauenshaftung?

157

BGB: Auch diese Norm differenziert nicht zwischen Verkäufer- und Herstellerwerbung. Relevant ist daher nicht, ob die Information von dem avisierten Vertragspartner ausgeht, sondern allein, ob eine Information vorliegt, die die Nachfrageentscheidungen am Markt beeinflussen kann.66 Die Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB kann aufgrund ihres abweichenden Zuschnitts nur einen Teilbereich dieses Problems erfassen; sie fungiert daher nicht als marktordnungsrechtliche Haftung im hier untersuchten Bereich. Aus diesem Grund eignet sie sich auch nicht als dogmatische Grundlage für §  443 Abs.  1 BGB.

IV. Werbehaftung als neuer Fall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? §  443 Abs.  1 BGB lässt sich auch nicht als neuer, eigenständiger Anwendungsfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung innerhalb des von Canaris erdachten Systems begreifen. Für eine solche Verortung spricht zwar vielleicht auf den ersten Blick, dass zahlreiche Tatbestände der gesetzlichen Vertrauenshaftung (wenn auch im Regelfall nicht die soeben besprochene Haftung nach §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 3, 241 Abs.  2 BGB) zu Erfüllungsansprüchen führen können.67 Eine „allgemeine“ gesetzliche Vertrauenshaftung existiert im deutschen Recht allerdings nicht.68 Vielmehr bestehen im Zivilrecht einzelne, zum Teil gesetzlich kodifizierte (beispielsweise §§  171 Abs.  2, 172 Abs.  2 BGB), zum Teil gewohnheits- bzw. richterrechtlich anerkannte Haftungstatbestände (z. B. die Duldungsvollmacht), die sich auf „Vertrauen“ als gemeinsamem Haftungsgrund zurückführen lassen.69 Diese Erscheinungsformen der Vertrauenshaftung weisen dabei eine einheitliche Grundstruktur auf, die von Canaris in seinem grundlegenden Werk zur Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht herausgearbeitet wurde. Ein Haftungstatbestand gehört demnach zur Kategorie der gesetzlichen Vertrauenshaftung, wenn er voraussetzt, dass ein Empfänger konkret und auf schutzwürdige Weise auf einen bestimmten Vertrauenstatbestand, zum Beispiel eine Erklärung, vertraut und aufgrund dieses Vertrauens eine kausale Disposition trifft.70 Die Garantiewerbehaftung erfüllt diese Anforderungen, wie sich bereits unter F. II. und III. gezeigt hat, in mehrfacher Hinsicht nicht. An dieser Stelle soll auf einige zusätzliche Aspekte eingegangen werden, die gegen ein Verständnis der Kersting, Die Dritthaftung für Informationen, S.  19. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  5; ders., FS BGH, Band 1, S.  129, 132 ff. 68  Canaris, FS Schimansky, S.  53, 59; ders., ZHR 163 (1999), 206, 220. 69  Canaris, FS Schimansky, S.  53, 59. 70  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  491. 66 A.A. 67 

158 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? Garantiewerbehaftung als Vertrauenshaftung sprechen. Als problematisch erscheint bereits, ob Werbung mit Garantien als „Vertrauenstatbestand“ im Sinne der gesetzlichen Vertrauenshaftung in Betracht kommt. Wenn sich ein Vertrauenstatbestand auf den zukünftigen Eintritt einer bestimmten Rechtslage bezieht, ist das Vertrauen nach Ansicht von Canaris nämlich grundsätzlich nicht schutzwürdig: „[D]enn die Rechtsordnung hat als Mittel zur rechtlichen Gestaltung der Zukunft die Möglichkeit eines Vertragsschlusses zur Verfügung gestellt…“71 Garantiewerbung stellt aber gerade für den Fall des Kaufs – also für die Zukunft – einen Garantievertrag in Aussicht. Aus diesem Grund müsste der Kaufinteressent sich möglicherweise in erster Linie selbst schützen. Indes erkennt Canaris Ausnahmen für den Fall an, dass die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie gestört sind (siehe bereits oben unter D. III. 2. a) bb)).72 Im Fall der Garantiewerbung lässt sich vor diesem Hintergrund wohl ein Ausnahmefall begründen: Auch hier versagen die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie, weil der Kaufinteressent zumindest faktisch keine Möglichkeit hat, gegen die Risiken eines Ausbleibens des Garantievertrages vorzusorgen (siehe ausführlich oben unter D. III. 2. a) bb)). Nicht überwinden lassen sich allerdings, wie bereits unter F. II. und III. ausgeführt, die Probleme im Bereich der Kausalität: Eine gesetzliche Vertrauenshaftung kommt innerhalb des von Canaris erdachten Systems nur in Betracht, wenn der Anspruchsteller „Kenntnis von dem Vertrauenstatbestand hat“73 und dieser zur „Grundlage für das Verhalten des Vertrauenden wird“.74 Dieses Kausalitätserfordernis hat im System der gesetzlichen Vertrauenshaftung eine zentrale Bedeutung: Canaris verzichtet nämlich letztlich auf eine Definition von „Vertrauen“. Die Haftung setzt nach seiner Konzeption nicht voraus, dass beim Anspruchsteller „Vertrauen“ im Sinne eines konkreten psychischen Zustands festgestellt werden kann.75 Das Vertrauen hat vielmehr „nur“ die Funktion eines Kausalitätserfordernisses:76 Der Vertrauenden muss sich seines Vertrauens nicht eigens vergewissern,77 er muss aber in Kenntnis des Vertrauenstatbestands78 eine bestimmte, kausale Disposition vornehmen.79 Tut er dies, dann hat er verCanaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 495; ganz ähnlich S.  352 f. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  353 ff. 73  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  507. 74  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  510, 514 f. 75  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  503. 76  Kersting, Die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  168; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, S.  89. 77  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  503: Vertrauen sei häufig nicht viel mehr als Fehlen von Misstrauen. 78  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  507. 79  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  510 ff. 71  72 

IV. Werbehaftung als neuer Fall der gesetzlichen Vertrauenshaftung?

159

traut. Dieser Zusammenhang macht deutlich, dass ein Haftungstatbestand, der keine kausale Vertrauensdisposition voraussetzt, nicht zur gesetzlichen Vertrauenshaftung zählen kann. Die Voraussetzung einer kausalen Vertrauensdisposition lässt sich, wie unter D. III. 2. a), b) ausgeführt, mit dem europäischen Konzept der Garantiewerbehaftung nicht vereinbaren. Nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie ist es nicht erforderlich, dass der Anspruchsteller die Garantiewerbung vor dem Kauf zur Kenntnis nimmt und den Kauf im Vertrauen darauf, eine Garantie zu erhalten, vornimmt. In den unterschiedlichen Voraussetzungen spiegeln sich wiederum die konzeptionellen Unterschiede zwischen Garantiewerbehaftung und gesetzlicher Vertrauenshaftung: Art.  6 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie will nicht den individuellen Werbeadressaten schützen, sondern ist Bestandteil einer Reihe von Maßnahmen zur Steigerung des Handelsvolumens im Binnenmarkt. Verbraucherschutz hat im Europarecht keine individualschützende Funktion; die „klassische“ gesetzliche Vertrauenshaftung innerhalb des von Canaris erdachten Systems versteht sich hingegen als Mittel zum Individualschutz.80 Für das europäische Recht hat Vertrauen nur Bedeutung, soweit es den grenz­ über­schreitenden Handel fördert. Nach dem Verständnis der EU-Kommission ist das Verbrauchervertrauen vor allem ein Maßstab dafür, ob Verbraucher auf dem Markt eine informierte Nachfrageentscheidung treffen können.81 Verbrauchervertrauen beruht damit auf Verbraucherinformation.82 Im grenzüberschreitenden Verkehr bestehen besonders viele Transaktionshindernisse, die zu einem Großteil auf Informationsasymmetrien zurückzuführen sind (siehe oben unter C. V., C. VI. 4.). Für die Garantie gilt: Sie baut Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern ab. Dadurch verbessert sie die Informationslage der Käufer und das Vertrauen der Käufer in den Markt. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie knüpft an diesen wirtschaftlichen Mechanismus an und normiert die Grundvoraussetzungen, die für die Wirksamkeit der Garantie als Signal­ instru­ment erforderlich sind. Zugrunde liegt den Verbraucherschutzinstrumenten im europäischen Recht damit – anders als nach klassischem deutschen Verständnis – ein finaler Vertrauensbegriff: Das Europarecht schützt den Verbraucher nicht, weil er vertraut, son80 

Dies zeigt sich insbesondere in der Voraussetzung, dass der Vertrauende in seinem Vertrauen „schutzwürdig“ sein muss, vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  504 f. 81  EU-Kommission, Factsheet Consumer Conditions Scoreboard 2017, S.  3; hierzu ausführlich Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  266 ff. 82  Heiderhoff, Grundstrukturen des nationalen und europäischen Verbrauchervertragsrechts, S.  266.

160 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? dern es schützt ihn, damit er vertraut.83 Der Schutz soll einen Zuwachs an Vertrauen bewirken und nicht etwa nur in engen Grenzen bereits vorhandenes Vertrauen schützen. Nur der vertrauende oder zuversichtliche Verbraucher hat nämlich einen ökonomischen Anreiz, grenzüberschreitend einzukaufen und so den Binnenmarkt zu stärken.84 Damit zeigt sich zugleich, dass die Garantiewerbehaftung mit den klassischen Instrumenten der deutschen Vertrauenshaftung nicht zu bewältigen ist: Diesen liegt bei allen Meinungsverschiedenheiten über ihre korrekte dogmatische Fundierung ein kausales (individualschützendes), nicht ein finales (institutionenschützendes) Konzept zu Grunde.

V. §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliche Vertrauenshaftung in Anlehnung an die Prospekthaftung im engeren Sinne? Andererseits lässt sich gerade am Beispiel der culpa in contrahendo auch ein Funktionswandel der gesetzlichen Vertrauenshaftung ablesen. Ursprünglich begründet wurde die culpa in contrahendo als Haftung für „in Anspruch genommenes und gewährtes Vertrauen“;85 diese Begründung entspricht wohl auch heute noch der herrschenden Meinung.86 Die culpa in contrahendo spielt allerdings traditionell eine „prominente Rolle“87 beim Schutz der Entscheidungsgrundlagen vor unlauterer Einwirkung.88 Diese Prominenz beruht vor allem darauf, dass sie sich als flexibles Haftungsinstitut erwiesen hat, das in der Lage war, marktordnungsrechtlichen Schutzzwecken ein haftungsrechtliches Gewand zu verleihen. Anknüpfungspunkte für eine marktordnungsrechtliche, finale Vertrauensschutzkonzeption finden sich dabei vor allem bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne. Die Garantiewerbehaftung könnte damit in der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung einen dogmatischen Vorläufer haben, der unter Umständen Rückschlüsse auf den konzeptionellen Standort der Garantiewerbehaftung zulässt. Ein kapitalmarktrechtlicher Prospekt und Garantiewerbung haben zentrale Gemeinsamkeiten: Beide erfüllen eine Informationsfunktion, die die Nachfrage am Markt beeinflusst. Der Prospekt bildet die zentrale Entscheidungsgrundlage Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 772. Heiderhoff, ZEuP 2003, 769, 772. 85 Grundlegend Ballerstedt, AcP 151 (1950/1951), 501, 507; Canaris, JZ 1965, 475, 476; ders., FS BGH, Band 1, S.  129, 173. 86  BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  194 m. w. N. 87  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  925. 88  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  924 f.; vgl. auch Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  346. 83 Ähnlich 84 

V. §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliche Vertrauenshaftung

161

für Anleger. Sie können sich anhand des Prospekts über die Risiken einer Anlage und die mit ihr verbundenen Renditemöglichkeiten informieren.89 Da die Anleger über keine eigenen Informationsmöglichkeiten verfügen, müssen sie ihre Entscheidung auf die im Prospekt verfügbaren Informationen stützen.90 Käufer eines Produktes wiederum stehen häufig vor dem Problem, dass zahlreiche Konsumgüter so genannte Erfahrungsgüter sind (siehe bereits oben unter C. I., II.): Sie können ihre Qualität vor dem Kauf nicht beurteilen, da sie sich erst durch die Nutzung des Gutes im Laufe der Zeit manifestiert. Ihre Informationsmöglichkeiten vor dem Kauf sind beschränkt, da sie keinen Einblick in den Produktionsprozess und die Qualität der verwendeten Materialien haben. Garantien sind aufgrund ihrer Signalingfunktion für Kaufinteressenten daher von besonderer Bedeutung (siehe dazu ausführlich oben unter C. III.). Die mit einer Garantiezusage verbundenen Produktinformationen sind den in einem Prospekt enthaltenen Angaben damit vergleichbar; der Unterschied liegt vor allem in der Höhe der Investition.91 Die Schwierigkeiten, den Geltungsgrund der Garantiewerbehaftung dogmatisch zu verorten, erinnern dabei an die Diskussion, die vor allem in den 1980er Jahren zum Rechtsgrund der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne geführt wurde. Die Rechtsprechung entwickelte die Prospekthaftung in Anlehnung an die Haftungsgrundsätze der culpa in contrahendo.92 Die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung unterscheidet sich von den klassischen Anwendungsfällen der c.i.c. allerdings durch Anknüpfung an ein so genanntes „typisiertes Vertrauen“. Der genaue Haftungsgrund der Prospekthaftung war und ist aus diesem Grund sehr umstritten (vgl. dazu sogleich unter F. V. 3.).

1. Kennzeichen der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung Bei der Prospekthaftung handelt es sich um eine Haftung für falsche Werbeangaben über Anlageinstrumente, die auf den Ersatz des Vertrauensschadens der Anleger gerichtet ist.93 Die Haftungsverantwortlichen müssen für die VollständigBGH NJW 2004, 2664 – Infomatec I; Horbach, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, §  69 Rn.  1. 90  Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 131; Horbach, in: Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 2, §  69 Rn.  1. 91  Ähnlich im Hinblick auf Testberichte der Stiftung Warentest Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  140. 92  Vgl. BGH NJW1981, 1449, 1450: „Weiterführung der Grundgedanken einer Vertrauenshaftung, wie sie für die Grundfälle eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen entwickelt worden ist“. 93  BeckOGK/Herresthal, Stand 01.05.2017, §  311 Rn.  598. 89 

162 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? keit und Richtigkeit der Prospekte einstehen, mit denen sie bestimmte Anlagemöglichkeiten anpreisen.94 Prospekte sind dabei nichts anderes als Werbeschriften für Kapitalanlagen.95 Damit stellt sich auch bei der Prospekthaftung die Frage, auf welche Weise die Haftung von Personen begründet werden kann, die auf die Nachfrageentscheidung am Markt mit falschen Informationen einwirken, selbst aber nicht zum Vertragspartner der Anleger werden. In den typischen Prospekthaftungsfällen tritt der Anleger einer Publikums-Kommanditgesellschaft als Kommanditist bei, wobei sich der Beitritt durch Vertrag mit den übrigen Gesellschaftern vollzieht. Diese kommen als Haftungsadressaten nach der Rechtsprechung nicht in Betracht, da sie ebenfalls nur Anleger sind.96 Hinter der Anlagegesellschaft und damit auch hinter dem Prospekt stehen vielmehr Personen, zu denen der Anleger nicht in vertragliche Beziehung tritt: die „Initiatoren, Gestalter und Gründer der Gesellschaft, die das Management bilden oder beherrschen“ sowie diejenigen, „die hinter der Anlagengesellschaft stehen und besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen“.97 Erfasst werden hierdurch die Prospektverantwortlichen bzw. die Hintermänner, von denen die „wirtschaftliche Initiative“ zur Gründung der Anlagegesellschaft ausgeht.98 Diese Personen sind im Prospekt nicht notwendig namentlich genannt oder den Anlegern auch nur bekannt.99 Ihre Haftung kann aus diesem Grund in aller Regel nicht vertragsrechtlich begründet werden.100 Der BGH sieht die Haftung der Prospektverantwortlichen bzw. Hintermänner dennoch als einen besonderen Anwendungsfall bzw. eine Fortentwicklung der culpa in contrahendo:101 Die Anleger vertrauten „typischerweise“ darauf, dass die Prospektverantwortlichen und die Hintermänner für die inhaltliche Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts sorgen.102 Dieses „typische“ Vertrauen der Anleger bestehe unabhängig davon, ob die Prospektverantwortlichen bzw. Hintermänner bei den Vertragsverhandlungen in Erscheinung träten. Es knüpfe vielmehr an ihre „Stellung und Eigenschaft“ an.103 Der Verzicht auf konkretes Vertrauen lässt die Prospekthaftung für die hiesigen Erkenntniszwecke als interes94 

MünchKommBGB/Emmerich, §  311 Rn.  137. BeckOGK/Herresthal, Stand 01.05.2017, §  311 Rn.  541; Wiedemann/Schmitz, ZGR 1980, 129, 131 f.; vgl. auch BGH NJW 2012, 758 – Rupert Scholz. 96  BGH NJW 1978, 1625. 97  BGH NJW 1981, 1449, 1450. 98  BGH NJW 1981, 1449, 1450. 99  MünchKommBGB/Heermann, §  675 Rn.  125; vgl. auch BGH NJW 1979, 718; NJW 1981, 1449, 1450. 100  MünchKommBGB/Heermann, §  675 Rn.  125; a. A. Köndgen, AG 1983, 85, 90 ff. 101  BGH NJW1981, 1449, 1450. 102  BGH NJW 1978, 1625; NJW 1979, 718. 103  BGH NJW 1978, 1625; NJW 1979, 718. 95 

V. §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliche Vertrauenshaftung

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sant erscheinen: Auch für §  443 Abs.  1 BGB ist kennzeichnend gerade, dass keine individuelle Kenntnisnahme der Werbung durch den Käufer erforderlich ist und der Käufer daher nicht die konkrete Erwartung bilden muss, nach dem Kauf eine Garantie zu erhalten (siehe oben unter D. III. 2. a, b)).

2. Bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung als marktordnungsrechtliche Haftung Das rechtspolitische Ziel der Prospekthaftung stand von Anfang an fest: Sie soll „im Interesse eines rechtlich gebotenen Kapitalanlegerschutzes auf eine wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung des Rechtsverkehrs über das Risiko möglicher Anlagen [hinwirken]“.104 Die Anleger sollen den Angaben der Pro­ spekt­verantwortlichen nach der Rechtsprechung vertrauen dürfen, und zwar unabhängig davon, ob diese im konkreten Fall als besonders vertrauenswürdig in Erscheinung getreten sind oder nicht. Damit entfernt sich die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung erheblich von dem traditionellen Muster der culpa in con­ tra­hendo.105 Die Prospekthaftung wirkt damit nicht individual-, sondern institutionenschützend.106 Sie beugt ebenso wie die Garantiewerbehaftung einem Marktversagen durch adverse Selektion im Stile des Akerlof’schen market for lemons vor:107 Wissen Anleger, dass Informationen in Werbeprospekten häufig irreführend sind, begegnen sie Anlageformen auf dem Grauen Kapitalmarkt mit großem Misstrauen. Da sie seriöse von betrügerischen Anbietern nicht unterscheiden können, müssen sie unterstellen, dass die Anlage verborgene Risiken enthält – also ein lemon ist.108 Der Marktmechanismus führt dann dazu, dass seriöse Anbieter vom Markt verschwinden (zum market for lemons vgl. ausführlich unter C. I. und II.).109 Der Markt verkümmert; ein liquider Kapitalmarkt kommt nicht zustande.110 Diesem Marktversagen beugt die Prospekthaftung vor:111 Sie führt zu einer Einstandspflicht der Prospektverantwortlichen für auch nur fahrlässig falsche 104 

BGH NJW 1981, 1449, 1450; MünchKommBGB/Heermann, §  675 Rn.  125. Vgl. auch Grigoleit, Vorvertragliche Informationshaftung, S.  242. 106 Grundlegend Assmann, Prospekthaftung, S.  1 ff., 275; ähnlich BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  549. 107  Assmann, Prospekthaftung, S.  275 f., 331. 108 Vgl. Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), 488 ff. 109  Ausführlich hierzu Akerlof, The Market for “Lemons”: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, 84 The Quarterly Journal of Economics (1970), 488 ff. 110  Assmann, Prospekthaftung, S.  24. 111  Assmann, Prospekthaftung, passim, vor allem S.  275 ff. 105 

164 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? Informationen, geht also über den Anwendungsbereich des §  826 BGB112 weit hinaus.113 Die Haftung setzt für die Verantwortlichen einen Anreiz, Prospekte so sorgfältig wie möglich zu verfassen; sie beugt somit falschen Prospekten vor.114 Außerdem wissen Anleger, dass sie sich bei den Prospektverantwortlichen – und damit in aller Regel bei einem liquiden Anspruchsgegner – schadlos halten können, wenn der Prospekt doch fehlerhaft sein sollte. Aus diesem Grund können die Anleger (erstmals) Vertrauen in die auf dem Grauen Kapitalmarkt verfügbaren Informationen fassen.115 Dies hat zur Folge, dass sich ihre Investitionsbereitschaft erhöht. Zugleich verbessert sich die Funktionsfähigkeit des Preisbildungsmechanismus: Anleger können sich nun über die Risiken einer bestimmten Anlage verlässlich informieren und das Risiko-Rendite-Profil verschiedener Anlagen miteinander vergleichen. Die Prospekthaftung hat damit noch eine weitere institutionenschützende Dimension: Neben dem Schutz vor einem Marktversagen tritt der Schutz des Wettbewerbsmechanismus. Ein funktionierender Wettbewerb setzt nämlich voraus, dass die Anleger ihre Investmententscheidungen aufgrund zutreffender Information treffen können. Das Kapital soll in die Anlage fließen, die bei geringstem Risiko die höchste Rendite verspricht.116 Enthalten Prospekte irreführende Angaben über das Risiko der Anlage, kommt es hingegen zu Wettbewerbsverzerrungen und die Allokationseffizienz des Marktes wird gestört.117 Die Haftungsbewehrung verbessert also auch in dieser Hinsicht das Funktionieren des Marktes. Die Haftung verfolgt damit ebenso wie die Garantiewerbehaftung marktordnungsrechtliche Zwecke: Mithilfe der zivilrechtlichen Haftung auf Schadensersatz sollen Marktverhaltensregeln auf dem Grauen Kapitalmarkt etabliert werden, einem Markt also, der lange Zeit gesetzlich nicht reguliert war.118 Die durchzusetzende Marktverhaltensregel lautet dabei: Anlegeinteressenten sind über die Risiken der Anlage sachlich richtig und vollständig aufzuklären.119 Eine solche Regel ist sinnvoll, weil Anleger in aller Regel nicht dazu in der Lage sind, sich Informationen über die Risiken der Anlage aus eigenen Quellen zu beschaffen.120 Die Informationen im Prospekt bilden, wie eingangs bereits festgestellt wurde, 112 

Hierzu ausführlich Staudinger/Oechsler, §  826 Rn.  381 ff. Assmann, Prospekthaftung, S.  257. 114  MünchKommBGB/Heermann, §  675 Rn.  125; Klöhn, WM 2012, 97, 104. 115  Assmann, Prospekthaftung, S.  26. 116  Assmann, Prospekthaftung, S.  23, 25; ähnlich Klöhn, WM 2012, 97, 98. 117  Assmann, Prospekthaftung, S.  25. 118  Vgl. zur Entwicklung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung die Übersicht bei ­BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  532 ff. 119  Vgl. BGH NJW 1981, 1449, 1451. 120  BGH NJW 1981, 1449, 1451; MünchKommBGB/Heermann, §  675 Rn.  125. 113 

V. §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliche Vertrauenshaftung

165

ihre zentrale Entscheidungsgrundlage. Auf diese „müssen“ sie sich daher „verlassen können“.121

3. Dogmatische Einordnung der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung Die genaue dogmatische Einordnung der Prospekthaftung bereitet seit jeher Schwierigkeiten, weil sie sich in zentralen Punkten von den anerkannten Voraussetzungen der culpa in contrahendo löst: Das Vertrauen des Anlagepublikums ist „[g]enau besehen ... ja wohl das Ergebnis der BGH-Rechtsprechung und nicht die von ihr vorgefundene tatbestandliche Voraussetzung...“122 Die Prospekthaftung wurde deshalb zutreffend als „Vertrauenshaftung ohne Vertrauen“ bezeichnet.123 Die Prospekthaftung ermöglicht als marktordnungsrechtliche Haftung das Vertrauen in den Markt gerade erst und setzt es nicht etwa voraus. Sie beruht damit, ebenso wie das europäische Verbraucherschutzrecht, auf einer finalen Vertrauensschutzkonzeption. Die Verortung der Prospekthaftung als Fallgruppe der culpa in contrahendo kann aus diesem Grund ebenso wenig überzeugen wie bei der Garantiewerbehaftung. Die culpa in contrahendo hat sich historisch als Haftung für die Enttäuschung konkreten Vertrauens entwickelt (vgl. auch bereits oben unter F. II.).124 Sie hat in ihrer ursprünglichen Konzeption keinen marktordnungsrechtlichen Charakter, sondern beschränkt sich auf die Wiedergutmachung individuellen Unrechts in einer Zweipersonenbeziehung. Konkretes, persönliches Vertrauen, wie es für die culpa in contrahendo typisch ist, bringen Anleger den Prospektverantwortlichen aber ersichtlich nicht entgegen.125 In der Vergangenheit gab es dementsprechend zahlreiche Versuche, den Rechtsgrund der Haftung jenseits der culpa in contrahendo zu verorten, wobei deliktsrechtliche126 und rechtsgeschäftliche127 Lösungen vorgeschlagen wur-

121 

BGH NJW 1981, 1449, 1451; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  549. v. Bar, ZGR 1983, 476, 498. 123  v. Bar, ZGR 1983, 476, 488; zustimmend Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 45 ff. 124 Grundlegend Ballerstedt, AcP 151 (1951), 501, 506 ff. (vgl. auch S.  510: Das Vertrauen auf einen Menschen hafte an der Person dessen, dem vertraut wird.); vgl. auch BeckOGK/ Herresthal, §  311 Rn.  185 f., 197; aus der Rechtsprechung: BGH NJW 1973, 752, 754. 125  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  421; a. A. Canaris, FS Schimansky, 43, 58, nach dem es ausreicht, wenn die Anleger dem unrichtigen Prospekt als solchem vertraut haben – und „daß die Anleger diesem ihr Vertrauen geschenkt haben, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden.“ Diese Annahme erscheint allerdings äußerst zweifelhaft. In zahlreichen Fällen werden die Anleger dem Prospekt ebenso wenig vertraut haben wie den Personen, die für seinen Inhalt verantwortlich sind. 126  Assmann, Prospekthaftung, passim; v. Bar, ZGR 1983, 476, 500 ff. 127  Köndgen, AG 1983, 85, 90 ff. 122 

166 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? den.128 So erkennt Köndgen in dem Prospekt eine rechtsgeschäftliche Erklärung, die die Prospektverantwortlichen an die Anleger richten; auf Grundlage dieser Erklärung komme ein Prospektvertrag zustande, der eine Einstandspflicht für etwaige inhaltliche Fehler des Prospekts begründe.129 Diese rechtsgeschäftliche Lösung sieht sich indes – wie so oft im Bereich des Marktordnungsrechts (vgl. dazu bereits oben unter E. I. 2., 3.) – dem Vorwurf der Fiktion ausgesetzt.130 Deliktsrechtliche Ansätze beruhen wiederum auf der Annahme allgemeiner, ungeschriebener Verkehrssicherungspflichten zum Schutz fremden Vermögens.131 Die Verletzung dieser Verkehrssicherungspflichten soll zu einer Haftung nach §  823 Abs.  2 BGB führen.132 Die so konstruierte deliktische Haftung für primäre Vermögensschäden gerät allerdings in Widerspruch zu dem System der §§  823, 826 BGB.133 Gegen eine deliktsrechtliche Einordnung spricht zusätzlich, dass der Prospekt darauf abzielt, eine rechtsgeschäftliche Entscheidung der Anlageinteressenten zu beeinflussen.134 Nach heute wohl herrschender Meinung handelt es sich bei der Prospekthaftung um eine richterrechtliche Rechtsfortbildung „in Anlehnung an den Grundgedanken der Vertrauenshaftung“.135 Eine genaue dogmatische Verortung ist damit allerdings nicht verbunden. Letztlich wurden die einzelnen Voraussetzungen der Prospekthaftung durch die Rechtsprechung auch so weitgehend konkretisiert, dass eine genaue Verortung rein praktisch wohl nicht mehr als erforderlich erscheint.

4. Ergebnis Aufschluss über den Haftungsgrund der Garantiewerbehaftung vermag die Pro­ spekt­haftung nicht zu geben, da ihre dogmatische Verortung in der bisherigen rechtswissenschaftlichen Diskussion nicht abschließend geklärt werden konnte. Vgl. auch den Überblick bei Ellenberger, Prospekthaftung im Zusammenhang mit dem Handel von Wertpapieren, S.  7 ff. 129  Köndgen, AG 1983, 85, 90 ff. 130  Ausführlich v. Bar, ZGR 1983, 476, 505 ff. 131  Assmann, Prospekthaftung, S.  258 ff., 262; v. Bar, ZGR 1983, 476, 505 ff. 132  Assmann, Prospekthaftung, S.  258 ff.; v. Bar, ZGR 1983, 476, 510. 133  Ellenberger, Prospekthaftung im Zusammenhang mit dem Handel von Wertpapieren, S.  9; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  167; zu weiteren Gegenargumenten vgl. BeckOGK/Herres­ thal, §  311 Rn.  550. 134  Vgl. zu diesem Argument Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  92. 135  BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  545, 549; Nobbe, WM 2013, 193, 197; ähnlich Klöhn, WM 2012, 97, 99. 128 

VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung?

167

Die Kontroverse um den Haftungsgrund der Prospekthaftung im engeren Sinne zeigt beispielhaft die Schwierigkeiten bei dem Versuch, marktordnungsrechtliche Haftungstatbestände in den Bestand der zivilrechtlichen Dogmatik einzu­ fügen.136

VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung? Entschlüsseln könnte den Haftungsgrund der Prospekthaftung im engeren Sinne allerdings möglicherweise ein Topos, der in jüngerer Zeit vermehrt Aufmerksamkeit erlangt: das Systemvertrauen.137 Bei der Prospekt- wie auch der Garantiewerbehaftung könnte es sich um neuartige Formen der Systemver­trauens­ haftung handeln, die systematisch in §  311 Abs.  2, 3 BGB138 einzuordnen sein ­könnten. Kennzeichen des Systemvertrauens ist dabei sein Bezug auf eine überindividuelle, institutionelle Ebene. Das Systemvertrauen steht damit in enger Beziehung zu dem Schutz der Funktionsfähigkeit des Marktes.

1. Persönliches Vertrauen und Systemvertrauen Vertrauen dient nach der grundlegenden Abhandlung von Luhmann der Reduktion sozialer Handlungskomplexität.139 „Das Problem des Vertrauens liegt darin, daß die Zukunft sehr viel mehr Möglichkeiten enthält, als in der Gegenwart aktualisiert […] werden können.“140 Vertrauen überwindet diese Ungewissheit: Wer vertraut, stellt sich darauf ein, dass der Vertrauensnehmer sich in einer ganz bestimmten Weise – also nicht kontingent – verhalten wird.141 Vertrauen begründet damit eine Form von Sicherheit.142 Vgl. auch v. Bar, ZGR 1983, 476, 496. Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  145; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  422 ff.; Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1 ff. 138  Nicht gänzlich klar ist die Einordnung bei Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  319, wonach es sich bei der Haftung der Stiftung Warentest um eine quasi-vertragliche Haftung „in Anlehnung an die anerkannten Fälle der Eigenhaftung Dritter, insbesondere der Sachwalterhaftung“, handelt; die Monografie von Boecken ist allerdings im Jahr 1998 und damit noch vor der Schuldrechtsreform erschienen, sodass nach heutigem Rechtsstand sicherlich eine Anknüpfung an §  311 Abs.  3 BGB erfolgt wäre. 139  Luhmann, Vertrauen, S.  9, 24, 27 ff. 140  Luhmann, Vertrauen, S.  14; vgl. auch ders. a. a. O. S.  5 ff. 141  Luhmann, Vertrauen, S.  9, 14, 24. 142  Luhmann, Vertrauen, S.  13. 136  137 

168 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? In der sozialwissenschaftlichen und, daran anknüpfend, auch in der juristischen Literatur wird zwischen zwei Kategorien von Vertrauen unterschieden, nämlich zwischen persönlichem Vertrauen und Systemvertrauen.143 Dieser Unterscheidung liegen alternative Entstehungsgründe für Vertrauen zu Grunde. Persönliches Vertrauen resultiert aus einer individuellen Beziehung zwischen einem bestimmten Vertrauensgeber und einem bestimmten Vertrauensnehmer. Der Vertrauensgeber vertraut, weil sich der Vertrauensnehmer in der Vergangenheit als vertrauenswürdig erwiesen oder weil er sich eine Reputation als besonders vertrauenswürdig erarbeitet hat.144 Die Entstehung persönlichen Vertrauens beruht dabei auf einem sequentiellen Prozess, der durch den Vertrauensgeber in Gang gesetzt wird: Dieser wagt eine „riskante Vorleistung“, indem er sich in einer Art und Weise verhält, die ihn aus der Sicht des Vertrauensnehmers verwundbar macht. Dabei richtet er an den Vertrauensnehmer die Erwartung, dass letzterer sich in schadensvermeidender Weise verhält.145 Der Vertrauensnehmer hat nun die Möglichkeit, dieser Erwartung zu entsprechen oder auch nicht; dabei muss er an sich ein persönliches Interesse daran haben, sich nicht vertrauenskonform zu verhalten.146 Entspricht er in dieser Situation dennoch den an ihn gerichteten Erwartungen, komplettiert er die Entstehungsvoraussetzungen für persönliches Vertrauen. Persönliches Vertrauen beruht damit auf einem qualifizierten, persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten.147 Beim Systemvertrauen geht es hingegen um das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit eines sozialen Teilsystems, zum Beispiel in die Funktionsfähigkeit des Marktes.148 Aufgrund dieses Vertrauens werden Verhaltenserwartungen an die Teilnehmer dieses Systems gebildet, die sich allein aus der sozialen Rolle der Beteiligten – nicht aber aus ihrem individuellen Charakter oder ihren Fähigkeiten – speisen.149 Grundlage der Verhaltenserwartung sind dabei verhaltenssteuernde Normen.150 Die Beteiligten vertrauen darauf, dass diese Regeln von einer Institution, zum Beispiel dem Staat, effizient durchgesetzt werden und sich die Teilnehmer des Systems aus diesem Grund regelkonform verhalten.151 Systemvertrauen ermöglicht es den Teilnehmern folglich, an komplexen Systemen teilLuhmann, Vertrauen, S.  47, 60; Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 7. Luhmann, Vertrauen, S.  48; Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 7. 145  Luhmann, Vertrauen, S.  28 f. 146  Luhmann, Vertrauen, S.  53. 147  Luhmann, Vertrauen, S.  51. 148  Luhmann, Vertrauen, S.  67; Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 9 f. 149  Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  145; Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  423. 150  Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 9 f. 151  Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 9 f. 143  144 

VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung?

169

zuhaben, da sie sich auf ein bestimmtes Verhalten der anderen Akteure einstellen können.152 Auf diese Weise entsteht ein Gefühl von Erwartungssicherheit, das sich allein aufgrund persönlichen Vertrauens nicht bilden könnte, weil sich die Akteure persönlich nicht kennen.153 In diesem Sinne „ersetzt“ Systemvertrauen in komplexen sozialen Systemen das persönliche Vertrauen.154 Für den hiesigen Kontext ist vor allem die folgende Erkenntnis von Bedeutung: Systemvertrauen entsteht durch Recht, das heißt durch die Setzung und effektive Durchsetzung von Verhaltensnormen. Vor diesem Hintergrund ließe sich beispielsweise die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung als Systemvertrauenshaftung begreifen: Sie formuliert Verhaltensanforderungen an die Prospektverantwortlichen, die sicherstellen müssen, dass die Prospekte richtig und vollständig sind. Aufgrund dieser haftungsbewehrten Verhaltensanforderungen können Anleger nun in Zukunft erwarten („darauf vertrauen“), dass die ihnen vorgelegten Prospekte ein zutreffendes Bild von der Anlage zeichnen. In der Folge wird sich ihre Investitionsbereitschaft erhöhen. Dies ist das volkwirtschaftlich erwünschte Ergebnis, das die Rechtsprechung erzielen will. Aus diesem Grund ist es für die Haftung auch nicht maßgeblich, ob die Anleger eine entsprechende Erwartung an den Inhalt des Prospekts tatsächlich gebildet haben oder nicht. Nicht auszuschließen ist, dass manche Anleger dem Prospekt durchaus misstrauen und sich dennoch bewusst auf das Risiko einlassen. Für die Zwecke der Prospekthaftung ist dies ohne Relevanz: Die Rechtsprechung fungiert vielmehr als Signal an die Anleger, dass solche Erwartungen in Zukunft berechtigt sein sollen. Auch hierin zeigen sich wiederum zahlreiche Parallelen zur Garantiewerbehaftung.

2. Systemvertrauen als haftungsrechtliche Kategorie? Das Beispiel der Prospekthaftung zeigt – und dies ist für die Garantiewerbehaftung von besonderem Interesse –, dass Marktordnungsrecht mit Systemvertrauen in enger Verbindung steht.155 An diese Verbindung knüpft aber auch einer der Hauptkritikpunkte an: Das Vertrauen, insbesondere „das enttäuschte typische Vertrauen“ wie bei der Prospekthaftung, sei als Tatbestandsvoraussetzung völlig konturenlos und könne beliebige Ergebnisse begründen.156 Luhmann, Vertrauen, S.  66 f. Luhmann, Vertrauen, S.  59 ff. 154  Luhmann, Vertrauen, S.  41, 55; Fleischer, Informationsasymmetrie im Privatrecht, S.  423; Mülbert/Sajnovits, ZfPW 2016, 1, 9. 155 Ähnlich Heiderhoff, Europäisches Privatrecht, Rn.  280. 156  v. Bar, ZGR 1983, 476, 499. 152  153 

170 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? „Vertrauen“ ist als Haftungsgrund auch im „klassischen“ Anwendungsbereich der gesetzlichen Vertrauenshaftung grundsätzlicher Kritik ausgesetzt. Insbesondere hat es sich als ausgesprochen schwierig erwiesen, seine eigentlichen Wesensmerkmale zu konkretisieren.157 Gesprochen wird aus diesem Grund von der „Ubiquität des Vertrauens“:158 Mit „Vertrauen“ könne man „alles oder nichts mehr ‚begründen‘“;159 es sei zur Tatbestandsbildung kaum geeignet.160 Eine hinreichende Konturierung der Voraussetzungen der gesetzlichen Vertrauenshaftung ist allerdings möglich, wenn man dem „Vertrauen“ – mit Canaris161 – letztlich nur die Funktion eines Kausalitätserfordernisses zuweist.162 In diesem Fall ist es nicht erforderlich, dass Vertrauen beim Anspruchsteller in Form eines bestimmten psychischen Zustands vorliegt (siehe oben unter F. IV.)163 Die Problematik verlagert sich dann hin zu objektiven Kriterien, vor allem zu der Frage, ob ein hinreichender, objektiver Vertrauenstatbestand gegeben ist.164 Problematisch ist allerdings, dass ein dermaßen enges Verständnis von „Vertrauen“ nicht alle Fälle erfassen würde, die bisher als haftungswürdig empfunden wurden. Herausfallen würden insbesondere Konstellationen, in denen die tatsächlichen Umstände nahelegen, dass der Anspruchsteller der Information eher miss- als vertraut hat, wie vor allem das obige Beispiel der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung zeigt.165 Um auch diese Anwendungsfälle haftungsmäßig zu erfassen, wurde der Vertrauensschutz von der Rechtsprechung um normative Elemente erweitert, wie ein weiteres Mal das Beispiel der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung illustriert. Normativer Vertrauensschutz greift damit ein in Situationen, in denen der Anspruchsteller tatsächlich nicht die Erwartung hat, dass der Anspruchsgegner sein Wort halten wird; die Haftungssanktion wird aber dennoch für angemessen gehalten, um in Zukunft eine entsprechende Erwartungsbildung zu fördern. In den gedanklichen Kategorien von persönlichem Vertrauen und Systemvertrauen be157  Picker, AcP 183 (1983), 369, 419 f.; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, S.  85 ff. 158  Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  98; Picker, AcP 183 (1983), 369, 419 ff.; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, S.  90 ff. 159  v. Bar, ZGR 1983, 476, 499. 160  Köndgen, Selbstbindung ohne Vertrag, S.  97 ff., 114 ff.; Picker, AcP 183 (1983), 369, 420; Assmann, Prospekthaftung, S.  267; Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S.  177 ff.; Keller, Schuldverhältnis und Rechtskreisöffnung, S.  89 ff. 161  Vgl. prägnant Canaris, FS Schimansky, S.  43, 56. 162  Gernhuber, Das Schuldverhältnis, S.  178 f. 163  Canaris, FS Schimansky, S.  43, 56. 164  Canaris, FS Schimansky, S.  43, 57. 165  Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  421; a. A. Canaris, FS Schimansky, S.  43, 57, der auch solche Fälle zu erfassen sucht: „Denn es würde zu einem untragbaren Wertungswiderspruch führen, wenn es ihm [dem Anspruchsteller] schaden würde, daß er mehr Mißtrauen an den Tag legt als die Rechtsordnung von ihm verlangt.“

VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung?

171

deutet dies Folgendes: Persönliches Vertrauen liegt nicht vor. An die Stelle von persönlichem Vertrauen tritt eine gesetzliche Haftung, die mittels Sanktionsdrohungen Anreize für ein bestimmtes, rechtspolitisch erwünschtes Verhalten setzt.166 Anlageinteressenten beispielsweise erkennen das neue Sanktionspotential der Prospekthaftung im engeren Sinne und wissen damit um den Anreiz der Prospektverantwortlichen, für die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Prospekten zu sorgen. Sie entwickeln aus diesem Grund Systemvertrauen. Eine solche normative Vertrauensschutzkonzeption führt, wenn man sie als Haftungsgrund anerkennt, allerdings dazu, dass eine kausale Vertrauensdisposition letztlich nicht mehr erforderlich ist (dies ist in der Tat auch praktisch die Folge bei der Prospekthaftung, vgl. unten unter H. III. 2.). Das Problem der Konturenlosigkeit der Vertrauenshaftung verschärft sich hierdurch immens, weil nun der befürchtete „gedankliche Zirkel“ droht: „Vertrauen darf man, weil eine Anspruchsgrundlage besteht, diese aber entsteht, weil man vertraut.“167 Systemvertrauen bildet aus diesem Grund auf einer sehr abstrakten Ebene zwar sicherlich das Schutzgut von Marktordnungsrecht. Als Haftungsgrund konkreter Einzeltatbestände eignet es sich dennoch nicht.168 Für die Rechtsanwendung erweisen sich die Begriffe „normatives Vertrauen“, „typisiertes Vertrauen“ oder eben „Systemvertrauen“ als sehr abstrakte Platzhalter für konkrete marktordnungsrechtliche Erwägungen.169 Die eigentliche Frage lautet: Wann und wie sollte gehaftet werden, um eine bestimmte, erwünschte Wirkung auf dem Markt zu erzielen? Dass gehaftet werden sollte, um Systemvertrauen zu ermöglichen, beantwortet diese konkrete Frage nach den Voraussetzungen und Grundlagen der Luhmann, Vertrauen, S.  41. v. Bar, ZGR 1983, 476, 500; ähnlich Picker, AcP 183 (1983), 369, 421. 168 Anders Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  422 ff., der die c.i.c. wohl als Systemvertrauenshaftung begreifen will, bei der Individual- und Institutionenschutz sich als „ebenbürtige“ Schutzgüter gegenseitig ergänzen. Allerdings geht Fleischer (a. a. O. S.  424 ff.) nur auf die Auswirkungen seines Konzepts auf die Begründung und den Gehalt vorvertraglicher Informationspflichten ein. Er thematisiert nicht, unter welchen Voraussetzungen eine vorvertragliche Sonderverbindung überhaupt zustande kommt und welche Rechtsfolgen sie zeitigt. Von diesen Fragen hängt aber entscheidend ab, in welchem Umfang die Schutzgüter haftungsmäßig zur Geltung kommen können. Die culpa in contrahendo ist nach hiesiger Ansicht aufgrund ihrer Struktur gerade nicht geeignet, Marktordnungszwecke angemessen zu realisieren, siehe dazu unter F. II. 1. 169  Vgl. besonders deutlich BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  549: Das typisierte Vertrauen sei nur ein „Wertungskürzel“; der Prospekthaftung gehe es tatsächlich um einen Ausgleich von Informationsasymmetrien im Verhältnis zwischen Anbieter und Anleger; vgl. auch Assmann, Prospekthaftung, S.  267 („Vertrauen“ als „Sammelpunkt [...] normativer Prinzipien“); ähnlich auch die Kritik bei Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  145, der aber dennoch eine Systemvertrauenshaftung für möglich hält. 166 Vgl. 167 

172 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? Haftung nicht. Dem Begriff fehlt jegliche teleologische Trennschärfe.170 Systemvertrauen ist als Haftungsrund so unpräzise wie „Unrecht“.171 Juristische Dogmatik setzt aber voraus, dass sich für die Haftung ein Schutzzweck identifizieren lässt, der eine zuverlässige Unterscheidung zwischen haftungswürdigen und unproblematischen Sachverhalten ermöglicht.172 Hierbei handelt es sich um ein zentrales Gebot der formalen Gerechtigkeit.173 Der Begriff des Systemvertrauens vermag eine schutzzweckorientierte Unterscheidung nicht zu tragen: Es lässt sich nicht abstrakt bestimmen, auf welchen Märkten ein Bedürfnis nach dem Schutz von Systemvertrauen besteht.174 Lassen sich aber auf bestimmten Märkten konkrete ökonomische Defizite beobachten, ist es möglich, eine konkrete rechtliche Antwort auf diese Probleme zu formulieren.175 Auf dem Grauen Kapitalmarkt lautete die Antwort: Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Anlageprospekten. Auf dem Binnenmarkt lautet die Antwort: Schutz der Verbraucher vor irrführender Werbung (die Garantiewerbehaftung ist hier Bestandteil eines ganzen „Maßnahmenpakets“). Als Haftungsgrund sollten daher die konkreten Funktionsmechanismen benannt werden, mit deren Hilfe das Marktversagen in concreto behoben werden soll.176 Die Prospekthaftung sollte aus diesem Grund nicht als Systemvertrauenshaftung, sondern als Haftung für die Vollständigkeit und Richtigkeit von Kapitalanlageprospekten verstanden werden. Die Garantiewerbehaftung begründet eine Haftung zur Verbesserung der Signalwirkung von Garantiewerbung im Binnenmarkt. Der Vorteil dieser konkreten Bestimmung des Haftungsgrundes liegt in ihrer größeren teleologischen Trennschärfe.177 Vertrauen ist im Bereich des finalen Vertrauensschutzes keine dogmatisch operationale Kategorie, weil es nur auf ein sehr allgemeines Ziel verweist, nämlich Erwartungssicherheit. ErwartungssiZu diesem Kriterium grundlegend Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  29 ff., 40 ff., 173, passim. 171  Vgl. auch Picker, AcP 183 (1983), 369, 420 f. (zu Vertrauen allgemein). 172  Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  29 ff., 40 ff. 173 Grundlegend Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  52: „Da wesentliche Grundlage der Abgrenzung […] das Normtelos ist, gebietet die formale Gerechtigkeit vor allem telelogische Präzision, d. h. eine Konkretisierung der Normzwecke zum Ziele der Abgrenzung ihres sachlichen Geltungsbereichs.“ 174  Vgl. auch bereits Assmann, Prospekthaftung, S.  267. 175  Vgl. hierzu Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  53: Schutzzweck als Antwort auf ein Problem, das an die Rechtsordnung herangetragen wird. 176  Vgl. auch Assmann, Prospekthaftung, S.  268, der zur Bestimmung der Legitimität von Erwartungen ökonomische Gesichtspunkte an die Stelle von Vertrauen setzen will. 177  Vgl. auch die Kritik bei Luhmann, Vertrauen, S.  43 f.: Die Rechtsordnung müsse sich in der Anwendung des Vertrauensprinzips Selbstbeschränkungen auferlegen, um nicht besser ausformulierte konstruktive Errungenschaften zu gefährden. Andernfalls komme es zu „undisziplinierten Auswüchsen“. 170 

VI. Garantiewerbehaftung als Systemvertrauenshaftung?

173

cherheit ist aber letztlich ganz allgemein und grundsätzlich das Ziel von Recht.178 Das Abstellen auf Systemvertrauen führt aus diesem Grund nicht zu einem echten Erkenntnisgewinn. Soweit Systemvertrauen als Haftungsgrund vorgeschlagen wird, dient dies vor allem der Anknüpfung an die anerkannte Kategorie der culpa in contrahendo. Auf diese Weise soll eine normative Legitimation für eine neue, im Wege der Rechtsfortbildung gebildete Haftung gefunden werden. Die Anknüpfung an das Systemvertrauen entfernt sich allerdings erheblich vom traditionellen Anwendungsbereich der culpa in contrahendo. „In Anspruch genommenes und gewährtes Vertrauen“ im Sinne der culpa in contrahendo auf der einen Seite und „Vertrauendürfen“, „normatives Vertrauen“ bzw. „Systemvertrauen“ auf der anderen Seite haben nur rein terminologische Gemeinsamkeiten; teleologisch ­handelt es sich um völlig unterschiedliche Schutzgüter.179 Erweitert man den Schutzbereich der culpa in contrahendo um Systemvertrauen, erfolgt eine – noch dazu wesentliche – Rechtsfortbildung, die den Haftungsgrund verwässert. Auf diese Weise wird eine Systematisierung der Anwendungsfälle der culpa in contrahendo erheblich erschwert und die Rechtssicherheit – paradoxerweise im Widerspruch zum Ziel eines verbesserten Systemvertrauens – erheblich beeinträchtigt.180 Der Rückgriff auf die culpa in contrahendo erscheint im Bereich des Marktordnungsrechts damit ebenso als Notlösung wie die Fiktion konkludenter Auskunfts- und Beratungsverträge (siehe dazu oben E. I. 3.). Im Falle der Garantiewerbehaftung ist eine solche Notlösung nicht erforderlich: Hier steht eine ausdrückliche, gesetzliche Haftungsgrundlage zur Verfügung, die systematisch als gesetzliche Marktinformationshaftung eingeordnet werden kann (siehe dazu unter H.).

3. Mediatisierung des Marktschutzes im Wege des Individualschutzes Gegen eine Anknüpfung markordnungsrechtlicher Haftungstatbestände an Erscheinungsformen der gesetzlichen Vertrauenshaftung spricht schließlich noch das folgende Argument: Sie führt dazu, dass die marktordnungsrechtlichen Schutzzwecke nur unvollkommen zur Geltung kommen können (siehe bereits oben unter D. III. 3.). Die Haftungsvoraussetzungen vor allem der culpa in contrahendo, der bisher bei der Ausbildung marktordnungsrechtlicher Haftungstatbestände eine zentrale Rolle zukam, bilden ihren Ursprung im Bereich des Individualschutzes ab. Dies führt jedenfalls im Grundsatz dazu, dass der Markt nur 178  Luhmann, Vertrauen, S.  44: „In Wahrheit fundiert der Vertrauensgedanke das gesamte Recht.“; vgl. auch Picker, AcP 183 (1983), 369, 427. 179 Vgl. Picker, AcP 183 (1983), 369, 419 f. 180 Vgl. v. Bar, ZGR 1983, 476, 479 f.

174 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? geschützt wird, wenn und soweit zufällig auch ein individueller Schaden vorliegt: Hält man (und zwar nicht nur formal wie bei der Prospekthaftung, siehe dazu unter H. III. 3.) am Erfordernis von Kausalität und Sonderverbindung fest, ist die culpa in contrahendo kein geeignetes Haftungsinstitut für institutionenschützende Zwecke.181 Dieses Problem spiegelt sich in zahlreichen Vorschlägen in der Literatur, die darauf abzielen, eine allgemeine Informationshaftung in Anknüpfung an die culpa in contrahendo bzw. die Sachwalterhaftung zu entwickeln.182 Die Notwendigkeit einer allgemeinen Informationshaftung wird in der Literatur häufig mit rechtsökonomischen Erwägungen begründet. Im Zentrum der Argumentation steht die Wirkung von Informationen auf dem Markt: Eine effiziente Ressourcenallokation könne nur erfolgen, wenn die Nachfrager eine informierte Entscheidung treffen;183 andernfalls verkümmere der Wettbewerb und es drohe ein Marktversagen infolge von Informationsasymmetrien.184 Aus der ökonomischen Nützlichkeit von Informationen wird sodann die rechtliche Notwendigkeit einer Informationshaftung abgeleitet.185 Zum Teil wird dabei ausdrücklich hervorgehoben, dass die Haftung für falsche Informationen einen überindividuellen Schutzzweck verfolgen soll.186 In schwer vermeidbarem Widerspruch hierzu erfolgt dann aber die konkrete Ausgestaltung des Informationshaftungstatbestandes: Die Anknüpfung an die §§  311 Abs.  2, 3 BGB hat zur Folge, dass Ansprüche nur dort entstehen, wo der Einzelne einen konkreten, kausalen 181 A.A. Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  422 ff., der Individual- und Institutionenschutz durch die culpa in contrahendo gleichmäßig verwirklicht sehen will. Allerdings geht Fleischer nur auf den Umfang vorvertraglicher Informationspflichten ein, die er mit Blick auf den Institutionenschutz (Reibungslosigkeit des Geschäftsverkehrs) konkretisieren will. 182  Kersting, die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, passim (Zusammenfassung auf S.  108); Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  162 ff.; vgl. auch Fleischer, Informationsasymmetrie im Vertragsrecht, S.  238 f., 416 ff., für den die Haftung aus c.i.c. allerdings nur Bestandteil eines umfassenderen Informationshaftungskonzeptes ist. 183  Kersting, die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  6; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  153 f. 184  Kersting, die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  9; Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  153 f. 185  Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  153; ähnlich Kersting, die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  397 ff. 186  Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  152 f.; ähnlich, wenn auch zurückhaltender Kersting, die Dritthaftung für Informationen im Bürgerlichen Recht, S.  190.

VII. Zusammenfassung

175

Vertrauensschaden aufgrund fehlerhafter Information geltend machen kann.187 Weitere Einschränkungen, die sich unter dem Gesichtspunkt des Marktschutzes nicht erklären lassen, ergeben sich auf der Ebene des Tatbestandes, insbesondere bei der Konturierung der erforderlichen Sonderverbindung zwischen Informationsgeber und Informationsempfänger.188 Obwohl die Informationshaftung also auf makroökonomische Erwägungen gestützt wird, entsprechen die konkreten Anspruchsvoraussetzungen also dem Individualschutzkonzept der culpa in contrahendo. Der Marktschutz wird im Wege des Individualschutzes mediatisiert. Dies bedeutet aber, dass der Einzelne nur dort zum Marktschutz beitragen kann, wo er – zufällig – auch einen individuellen Schaden erlitten hat. In telelogischer Hinsicht ist diese Einschränkung nicht nachvollziehbar, wenn Schutzobjekt der Haftung gerade der Markt sein soll. Diese Defizite vermeidet §  443 Abs.  1 BGB. Für die Garantiewerbehaftung steht von vornherein der Marktschutz im Vordergrund. Ein individueller Schaden des Käufers ist nicht erforderlich (siehe ausführlich oben unter D. III. 2. a)). Die Anforderungen an die Aktivlegimitation – im Wesentlichen also die Voraussetzung, dass es sich bei dem Anspruchsteller um einen „Käufer“ handeln muss – lassen sich mit Blick auf die Funktionsvoraussetzungen des private enforcement erklären (siehe dazu oben unter D. II. 2.). Auf diese Weise basiert §  443 Abs.  1 BGB auf teleologisch stimmigen Haftungsvoraussetzungen und vermeidet den oben beschriebenen Mediatisierungseffekt.

VII. Zusammenfassung Die Garantiewerbehaftung lässt sich mit dem Instrumentarium der gesetzlichen Vertrauenshaftung nicht zutreffend erfassen. Dies gilt für alle erörterten Varianten der gesetzlichen Vertrauenshaftung: Die Garantiewerbehaftung stellt keinen Fall der culpa in contrahendo nach §§  280 Abs.  1, 311 Abs.  2, 241 Abs.  2 BGB dar und auch keine Kategorie der Informationshaftung nach §  311 Abs.  3 Satz  2 BGB. Sie begründet auch keinen neuen Anwendungsfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung nach dem von Canaris erdachten System. Gegen eine Einordnung als Form der gesetzlichen Vertrauenshaftung spricht in erster Linie deren individualschützender Zweck. Dieser zeigt sich vor allem im Erfordernis einer konkreten, kausalen Vertrauensdisposition des Vertrauensgebers. Die gesetzliche Vertrauenshaftung ist damit nicht in der Lage, die marktordnungsrechtlichen 187  Vgl. beispielsweise Boecken, Die Haftung der Stiftung Warentest für Schäden der Verbraucher aufgrund irreführender Testinformationen, S.  245 ff.: Ersatz nur des Vertrauensschadens; zur Konzeption von Kersting vgl. ausführlich F. III. 188  Siehe dazu beispielsweise die Konzeption von Kersting unter F. III. 3.

176 F. Haftung für Werbeaussagen als Unterfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung? Schutzzwecke der Garantiewerbehaftung zur Geltung zu bringen. Diese will Schäden für den Markt abwenden und ist damit von einem individuellen, kausalen Schaden des konkreten Anspruchstellers unabhängig. Den Boden des Individualschutzes verlässt zwar die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne, die von der Rechtsprechung in Anlehnung an die Grundsätze der culpa in contrahendo entwickelt wurde. Bei der Prospekthaftung handelt es sich wie bei der Garantiewerbehaftung um eine marktordnungsrechtliche Informationshaftung (vgl. auch noch unter H.). Als solche ist sie allerdings ihrerseits im Anwendungsbereich der culpa in contrahendo fehlverortet. Diese wenig überzeugende Einordnung spiegelt sich auch in den zahlreichen Bemühungen der Literatur, eine alternative dogmatische Begründung für die Prospekthaftung zu entwickeln. Die Garantiewerbehaftung kann dogmatisch schließlich auch nicht in Fortentwicklung der culpa in contrahendo als neuartige Form der Systemvertrauenshaftung verstanden werden. „Systemvertrauen“ bezeichnet nach Luhmann eine allgemeine Form der Erwartungssicherheit in einem sozialen Subsystem wie dem Markt. Der Begriff des Systemvertrauens ist damit nicht geeignet, die gesetzliche Vertrauenshaftung zu einer marktordnungsrechtlichen Haftung weiterzuentwickeln. Systemvertrauen ist kein operationaler Rechtsbegriff mit teleologischer Trennschärfe. Als Schutzzweck ist er zu unpräzise, um die Rechtsanwendung zu leiten. Der Schutzzweck marktordnungsrechtlicher Haftungstatbestände muss vielmehr konkret bestimmt werden: Als Haftungsgrund sollten die spezifischen Funktionsmechanismen benannt werden, mit deren Hilfe der Markt vor bestimmten Fehlentwicklungen geschützt werden soll. Die Garantiewerbehaftung ist vor diesem Hintergrund eine Haftung zur Verbesserung der Signalwirkung von Garantiewerbung im Binnenmarkt. Nur diese Schutzzweckbestimmung ist geeignet, §  443 Abs.  1 BGB in der Rechtsanwendung zu einem subsumtionsfähigen Rechtssatz zu konkretisieren.

G. Keine deliktische Haftung Die Garantiewerbehaftung ist schließlich keine deliktische Haftung. Das Deliktsrecht schützt – bei allen Kontroversen um seinen Haftungsgrund im Detail – das Integritätsinteresse.1 Der Anspruchsteller muss also einen Schaden an seinen Rechtsgütern oder einen Vermögensschaden erlitten haben. Ein solcher Schaden wird von §  443 Abs.  1 BGB nicht vorausgesetzt (siehe auch sogleich unter H. III.). Zwar kann im Einzelfall ein Schaden des Käufers vorliegen: Ein solcher kommt zum einen in Betracht, wenn der Käufer sich (nur) aufgrund der Garantiewerbung für die Kaufsache entschieden hat. In diesem Fall liegt eine Beeinträchtigung seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit vor. Zum anderen kommt aber auch ein echter Vermögensschaden in Betracht, wenn die Kaufsache aufgrund der Garantiewerbung am Markt zu einem höheren Preis verkauft wurde, als ohne die Werbung hätte erzielt werden können.2 Die Garantiewerbehaftung verleiht dem Käufer indes einen Anspruch auf Erfüllung des Werbeversprechens unabhängig davon, ob ein solcher Schaden vorliegt. Dieser Verzicht beruht, wie oben (D. III. 2. b)) erörtert wurde, nicht nur auf Gründen der verbesserten prozessualen Durchsetzbarkeit; er ist vor allem auch teleologisch begründet. Die Gründe seien an dieser Stelle kurz wiederholt: Die Garantiewerbehaftung schützt – im Einklang mit dem Signalingkonzept – die typisierten Erwartungen, die Käufer aufgrund von Garantiewerbung bilden. Diese Erwartungen werden nicht anhand des objektiven Empfängerhorizonts des jeweiligen Kaufinteressenten konkretisiert, sondern im Einklang mit den Wertungen des Wettbewerbsrechts anhand des Horizonts eines verständigen Durchschnittsverbrauchers. Da es auf die Verständnismöglichkeiten des individuellen Käufers Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung, S.  309 ff., vor allem S.  316 f. Ein Vermögensschaden kann damit nur vorliegen, wenn der Markt einen bestimmten Grad an Informationseffizienz erreicht hat, nämlich die so genannte semi-strong efficiency, bei der sämtliche öffentlich verfügbaren Informationen Eingang in den Marktpreis gefunden haben, Basic Inc. v. Levinson, 485 U.S.  224, 246 f. (1988); dazu Choi/Pritchard, Securities Regulation, S.  33 f. (zur kapitalmarktrechtlichen fraud-on-the-market-theory). Der Binnenmarkt ist allerdings gerade nicht informationseffizient; andernfalls wären die zahlreichen Bemühungen des europäischen Gesetzgebers zur Verbesserung des Informationsstandes der Verbraucher gerade nicht notwendig. 1  Ausführlich 2 

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G. Keine deliktische Haftung

also gar nicht ankommt, ist auch nicht zu fordern, dass der Käufer die Werbung zur Kenntnis genommen haben muss. Für den durch die Garantiewerbehaftung intendierten, generalisierten Schutz ist aus diesem Grund ohne Bedeutung, ob ein individueller, kausaler Schaden des Käufers vorliegt. Aus diesem Grund kommt eine deliktische Einordnung der Garantiewerbehaftung nicht in Betracht.

H. §  443 Abs.  1 Alt. 1 BGB als gesetzliche Marktinformationshaftung I. Ein neuer Haftungsgrund Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass es sich bei der Garantiewerbehaftung nicht um eine vertragliche, quasi-vertragliche oder deliktische Haftung handelt: Die Garantiewerbehaftung könnte nur mithilfe rechtsgeschäftlicher Fiktionen vertraglich erfasst werden. Die Vertrauenshaftung bietet für die Garantiewerbehaftung ebenfalls keine dogmatische Grundlage, weil sie strukturell dem Individualschutz verhaftet ist. Eine deliktische Einordnung scheitert daran, dass die Garantiewerbehaftung keinen Schaden des Käufers voraussetzt. Erforderlich ist es damit, dogmatisches „Neuland“ zu betreten und die Garantiewerbehaftung jenseits der anerkannten Haftungskategorien zu verorten. Eine solche Neuverortung muss auf den folgenden, oben gewonnenen Erkenntnissen aufbauen: Die Garantiewerbehaftung kann dogmatisch nur zutreffend erfasst werden, wenn sich ihr Schutzzweck mit teleologischer Trennschärfe1 identifizieren lässt (siehe oben unter F. VI. 2.). Dies kann nur gelingen, wenn als Telos nicht ein abstraktes „Endziel“ – wie zum Beispiel der „Marktschutz“ oder der „Schutz des Systemvertrauens“ – angegeben wird. Erforderlich ist es vielmehr, den Schutzzweck deutlich konkreter zu bestimmen. Hierzu bietet es sich an, an die Funktionsmechanismen anzuknüpfen, durch die das abstrakte Endziel erreicht werden soll. Die Garantiewerbehaftung ist nach diesem Verständnis eine Haftung zur Verbesserung der Signalwirkung von Garantiewerbung. Abstraktes Endziel ist dabei die Integration des Binnenmarkts durch Steigerung des Verbrauchervertrauens in grenzüberschreitende Transaktionen. Der konkrete Schutzzweck weist dabei eine hinreichende dogmatische Trennschärfe auf. Dies zeigt sich vor allem in seiner Leistungsfähigkeit bei der Konkretisierung von Haftungsvoraussetzungen und -folgen: Das Signalingkonzept ermöglicht eine präzise Eingrenzung sowohl des Tatbestandes als auch der Rechtsfolgen der Ga1  Zu diesem Kriterium Oechsler, Gerechtigkeit im modernen Austauschvertrag, S.  29 ff., 40 ff., 173, passim.

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H. §  443 Abs.  1 Alt. 1 BGB als gesetzliche Marktinformationshaftung

rantiewerbehaftung, wie unter I. im Einzelnen ausgeführt werden soll (vgl. auch bereits D. III. 2.). Die hier vorgeschlagene, konkrete Bestimmung des Haftungsgrundes schließt es nicht aus, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, die zwischen der Garantiewerbehaftung und weiteren marktordnungsrechtlichen Haftungstatbeständen bestehen. Diese Gemeinsamkeiten beruhen darauf, dass den Haftungstatbeständen ähnliche Funktionsmechanismen zum Schutz des Marktes zu Grunde liegen: Die Garantiewerbehaftung reiht sich ein in eine Serie von Haftungstatbeständen, die auf Märkten mit besonders großen Informationsasymmetrien ein Marktversagen verhindern wollen, indem sie irreführenden Informationen vorbeugen. Bei §  443 Abs.  1 BGB handelt es sich vor diesem Hintergrund um eine gesetzliche Marktinformationshaftung. In der Literatur gibt es aktuell zwar bereits Ansätze, die Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB als gesetzliches Schuldverhältnis einzuordnen.2 Anders als hier konkretisieren diese Ansätze den Haftungsgrund des gesetzlichen Schuldverhältnisses jedoch nicht und leisten damit keinen Beitrag zur dogmatischen Verortung dieser Norm.

II. Garantie als Information Haftungsgrund der Garantiewerbehaftung ist nach dem oben Gesagten der Schutz der Marktfunktionen von Garantiewerbung: Die Vorteile des Signaling sollen dem Markt in vollem Umfang zu Gute kommen. Verkäufern und Herstellern soll ein wirksames Mittel an die Hand gegeben werden, um Informationsasymmetrien im Binnenmarkt abzubauen (vgl. C. V., C. VI. 4.). §  443 Abs.  1 BGB hat vor diesem Hintergrund eine zentrale Wirkung: Irreführende Werbung mit Garantien kann es im Grunde nicht mehr geben (siehe oben unter D. II. 2. c)). Das Werbeversprechen ist verbindlich und begründet einen Mindeststandard, der auch durch einen etwaigen Garantievertrag zwischen Käufer und Verkäufer bzw. Hersteller nicht mehr unterschritten werden kann. 2  Vgl. jurisPK-BGB/Pammler, §  443 BGB, Rn.  33: §  443 begründe einen gesetzlichen Anspruch im Falle von Herstellerwerbung; ähnlich wohl auch Büdenbender, DStR 2002, 361, 363: „Vertragsansprüche, rechtlich basierend auf der freiwilligen Garantieerklärung des Garantiegebers und spezialgesetzlich in §  443 BGB zum Anspruch des Käufers ausgestaltet“; möglicherweise auch Lehmann/Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 553, die von der „völligen Fiktion eines Garantievertrages“ sprechen; vgl. auch Picht, JR 2015, 405, 410 (vor allem Fn.  29), der davon ausgeht, dass „eine Garantie auch durch Werbung begründet oder ausgestaltet werden kann“. Gsell, JZ 2001, 65, 74 geht hingegen, anders als in der Literatur häufig angenommen, nicht von einem gesetzlichen Schuldverhältnis bei Garantiewerbehaftung aus, sondern von der Verbindlichkeit „einseitig erklärte[r] Garantien“.

II. Garantie als Information

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Die Garantiewerbehaftung ist damit Bestandteil einer Reihe von Regelungen, die marktordnungsrechtliche Zwecke verfolgen und weitgehend, aber nicht ausschließlich europarechtlich determiniert sind. Dem Abbau von Informationsasymmetrien dienen auch die Haftung für Werbeaussagen nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB,3 die Haftung für Beschaffenheitsangaben beim Fahrzeugkauf (siehe dazu E. I. 2.) sowie die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne (siehe dazu F. V.).4 Ebenso wie sich aus einzelnen gesetzlichen Erscheinungsformen der Vertrauenshaftung ein allgemeines Prinzip der gesetzlichen Vertrauenshaftung ableiten lässt,5 könnte man hier von einem allgemeinen Prinzip der bürgerlich-rechtlichen, gesetzlichen Marktinformationshaftung sprechen. Gegen die Einordnung der Garantiewerbehaftung als Informationshaftung spricht dabei nicht, dass es sich bei Garantiewerbung „nur“ um ein Versprechen, nicht aber um eine Tatsachenbehauptung handelt. Eine Informationshaftung kann zwar sinnvollerweise nur an Informationen anknüpfen; auch die Prospekthaftung, die Haftung für Werbeaussagen nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB sowie die Haftung für Beschaffenheitsangaben beim Fahrzeugkauf setzen voraus, dass nachprüfbare Aussagen über den jeweiligen Transaktionsgegenstand (die Anlagen bzw. die Kaufsache) getroffen werden. Die Garantiewerbehaftung ist allerdings strukturell keine Versprechenshaftung. Bereits oben wurde herausgestellt, dass eine Werbehaftung dort erforderlich ist, wo Werbung als Informationsmedium fungiert (siehe oben unter B.). Die Haftung für Garantieversprechen beruht gerade auf ihrer Informationsfunktion (zum Signaling durch Garantien siehe oben C. III.). Das Besondere an der Garantie ist, dass sie in einem Versprechen komplexe Informationen über die Produktqualität bündelt: Das Versprechen wird zum Medium des Signaling, zum Medium der Information (siehe bereits oben unter E. I. 2.). Die Haftung nach §  443 Abs.  1 BGB dient vor diesem Hintergrund dem Schutz dieser besonderen Informationsfunktion für den Markt. Sie beruht

3  Auf diese kann hier nicht ausführlich eingegangen werden; vgl. die ausführliche Darstellung bei Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  754 ff. 4  Keine Anwendungsfälle der Marktinformationshaftung bilden hingegen die §§  661a, 241a BGB. Diese Vorschriften sollen zwar ebenfalls im Wege des private enforcement als besonders schädlich eingestufte unlautere Wettbewerbshandlungen sanktionieren, vgl. Lindner, Irreführende Gewinnzusagen nach §  661a BGB, S.  41. Die Unlauterkeit der Wettbewerbshandlung folgt hier allerdings nicht aus einer Einflussnahme auf die informationellen Grundlagen der Nachfrageentscheidung, vgl. auch insoweit Lindner, a. a. O., S.  41 f. (zu §  661a BGB). Auch dient der Erfüllungsanspruch nicht der Herstellung von Vertrauen auf Verbraucherseite: Verbraucher sollen also etwa nicht Gewinnzusagen in Zukunft bedingungslos vertrauen dürfen; vielmehr sollen „[d]ie falschen Gewinnversprechen […] endgültig aus dem Markt verbannt werden.“ (BT-Drs. 14/2658, S.  48 f.; Lindner, a. a. O., S.  41). 5  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, passim.

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nicht auf dem manifestierten Verpflichtungswillen des Garantiegebers, sondern auf den Wirkungen des Informationsmediums „Garantie“. Eine Haftung für Marktinformation ist bisher vor allem im Kapitalmarktrecht ausführlich diskutiert worden. Hier hat sich früh die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes in besonderem Maße vom Schutz seiner informationellen Grundlagen abhängt. Anlegerschutz bedeutet hier Institutionenschutz.6 Die Haftung für fehlerhafte bzw. unterlassene Ad-hoc-Mitteilungen nach §§  97, 98 WpHG (ehemals §§  37b, 37c WpHG) wird nach ganz herrschender Meinung als Fall der gesetzlichen Informationshaftung angesehen.7 Reichweite und Grenzen der kapitalmarktrechtlichen Informationshaftung sowie auch die Schwächen des vom Gesetzgeber gewählten Schutzkonzepts sind an anderer Stelle ausführlich erörtert worden;8 auf diese Darstellung darf hier verwiesen werden. Wichtig für die Erkenntniszwecke der vorliegenden Untersuchung ist Folgendes: Die Marktinformationshaftung ist nicht bloß ein spezialgesetzliches Phänomen, sondern sie hat einen festen Anwendungsbereich auch im allgemeinen Zivilrecht. Dieser Anwendungsbereich entstand noch vor der europarechtlichen Überformung des Verbraucherschutzrechts, wie vor allem die Beispiele der konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung und der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung zeigen. Unter dem Einfluss des Europarechts ist er allerdings wesentlich erweitert worden und hat auch Niederschlag in gesetzlich normierten Haftungstatbeständen gefunden. Diese können nun ihrerseits als positiv-rechtliche Grundlage für die bürgerlich-rechtliche Marktinformationshaftung fungieren. So wie vor der Schuldrechtsreform insbesondere aus den §§  122, 179, 307, 463 Satz  2 BGB a. F. eine Haftung für culpa in contrahendo abgeleitet wurde,9 könnten nun §§  443 Abs.  1, 434 Abs.  1 Satz  3 BGB als Grundlage für die Entwicklung einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung dienen. Dabei können folgende allgemeine Merkmale der Marktinformationshaftung zu Grunde gelegt werden:

III. Allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung Aus einem Vergleich der Garantiewerbehaftung, der Prospekthaftung, der Haftung für Werbeaussagen nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB sowie der Haftung für Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, S.  177 ff. Vgl. nur Fleischer, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, §  6 Rn.  1 ff. 8  Hellgardt, Kapitalmarktdeliktsrecht, passim. 9  Enneccerus/Lehmann, Recht der Schuldverhältnisse, S.  190 f. 6  Ausführlich

7 

III. Allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung 183

Beschaffenheitsangaben beim Fahrzeugkauf lassen sich folgende allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung ableiten:

1. Anwendungsbereich: Märkte mit erheblichen Informationsasymmetrien Die Marktinformationshaftung greift auf Märkten ein, die aufgrund erheblicher Informationsasymmetrien von einem Marktversagen bedroht sind. Kennzeichen solcher Märkte ist, dass die Preisbildung aufgrund von Qualitätsunsicherheit in erheblicher Weise gestört ist (siehe oben unter C. II.). Dies gilt für den Gebrauchtwagenmarkt ebenso wie für den Grauen Kapitalmarkt und den grenz­ über­schreitenden Handel mit Erfahrungsgütern. Diese Aufzählung ist allerdings nicht abschließend. In Betracht kommt eine Übertragung der Grundsätze der Informationshaftung auf weitere Teilmärkte, die nachweislich von erheblichen Informationsasymmetrien betroffen sind.

2. Haftung für das Verbreiten wesentlicher Informationen Die Haftung besteht nur, wenn wesentliche Informationen verbreitet werden, das heißt solche Informationen, die geeignet sind, die Nachfrageentscheidung der Marktgegenseite zu beeinflussen.10 In Bezug genommen werden damit Angaben, die Einfluss auf die Preisbildung haben können.11 Die Bestimmung der Wesentlichkeit bereitet im Bereich der Garantiewerbehaftung keine Probleme: Garantiewerbung ist aufgrund ihrer Signalingfunktion per se wesentlich; Garantien werden von Verkäufern nämlich in erster Linie auf Märkten angeboten und beworben, auf denen erhebliche Informationsasymmetrien bestehen und der Informationswert der Garantie daher besonders groß ist (siehe C. V., C. VI. 4.). Sie spielen vor allem bei Produkten eine Rolle, die von Käufern selten nachgefragt werden, da sich hier der Reputationsmechanismus nur unter erschwerten Bedingungen ausbilden kann.12 Garantien ermöglichen individuelle Qualitätszuschreibungen und damit eine Bildung differenzierter Preise für Produkte unterschiedlicher Qualität (siehe oben unter C. III.). Sie haben damit (unter den genannten Voraussetzungen) einen immensen Einfluss auf die Preisbildung. 10 

Vgl. für die Prospekthaftung BGH NJW 1993, 2865; NJW 2010, 2506 Rn.  9: Haftung für solche Informationen, die für die Entscheidung des Anlegers „von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können“. 11  Vgl. für die Prospekthaftung BGH NJW 2010, 2506 Rn.  18; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  580. 12  Grunwald, Garantien als Marketinginstrument, S.  13.

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Bei den anderen Haftungsinstituten bereitet die Bestimmung der Wesentlichkeit größere Schwierigkeiten. Dies zeigt sich beispielsweise bei der Frage, für welche Prospektangaben gehaftet werden soll13 oder welche Details in der Beschreibung eines Fahrzeugs für den Käufer so bedeutend sind, dass sie eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung tragen. Beim Fahrzeugkauf sanktioniert die Rechtsprechung die Verwendung eines bestimmten Katalogs an Beschreibungen (z. B. „fabrikneu“), denen Käufer erfahrungsgemäß eine große Bedeutung beimessen. Im Bereich der Prospekthaftung hat sich hingegen eine reiche Kasuistik entwickelt. Die Bestimmung der Wesentlichkeit muss vor diesem Hintergrund stets die wirtschaftlichen Gegebenheiten auf dem jeweiligen Teilmarkt berücksichtigen.

3. Kein Erfordernis eines kausalen Schadens Die Anspruchsvoraussetzungen der hier verglichenen Haftungstatbestände spiegeln den marktordnungsrechtlichen Charakter der Haftung und verzichten weitestgehend auf einen kausalen Schaden. Vor dem Hintergrund des überindividuellen Schutzzwecks der Haftung ist es nicht erforderlich, dass der einzelne Anspruchsteller aufgrund der falschen Information einen Schaden erlitten hat. Voraussetzung ist weder ein Vermögensschaden noch ein Schaden in Form einer Beeinträchtigung der Willensfreiheit. Bei der Garantiewerbehaftung ist beispielsweise nicht erforderlich, dass der Käufer die Werbung vor dem Kauf zur Kenntnis nimmt oder sich in seiner Kaufentscheidung in irgendeiner Form von ihr leiten lässt (siehe oben unter D. III. 2. b)). §  443 Abs.  1 BGB erfasst auch Käufer, die die Kaufsache bereits zum wiederholten Male erwerben und mit ihrer Qualität bestens vertraut sind. Bei der Sachmängelhaftung für Werbeangaben nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB ist ebenfalls nach zutreffender Ansicht nicht erforderlich, dass der Käufer die Werbeangaben vor dem Kauf zur Kenntnis genommen haben muss.14 Die Sachmängelhaftung ist zwar ausgeschlossen, wenn die Werbung „die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte“. Erfasst sind hierdurch aber richtiger Ansicht nach nur Fälle, in denen die Werbebotschaft aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers ohne Relevanz ist; auf den konkreten Käufer kommt es nicht an (siehe dazu auch noch unter I. I. 1. f) cc)).15 Bei der Prospekthaftung hält die Rechtsprechung zwar formal daran fest, dass der inhaltliche Fehler für die Anlageentscheidung kausal geworden sein muss.16 13 

Vgl. BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  575 ff. Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  782 ff. 15  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  782 ff.; a. A. BeckOK BGB/ Faust, §  434 Rn.  87 m. w. N. 16  BGH NJW 2010, 1077 Rn.  22; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  596. 14  Ausführlich

III. Allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung 185

Tatsächlich wurden die Anforderungen an den Nachweis haftungsbegründender Kausalität allerdings so stark reduziert, dass faktisch auf den Nachweis verzichtet wird. So wird die Kausalität eines Prospektfehlers für die Anlageentscheidung vermutet, sobald der Prospekt gegenüber dem Anleger „verwendet“ wurde. Eine „Verwendung“ liegt dabei schon dann vor, wenn der Prospekt dem Anleger übergeben wird, ohne dass es darauf ankommen soll, ob der Anleger ihn überhaupt liest.17 Wurde der Prospekt „von den Anlagevermittlern als alleinige Arbeitsgrundlage für ihre Beratungsgespräche benutzt“, muss er dem Anleger noch nicht einmal übergeben werden.18 Haftungsbegründend ist damit faktisch allein das Vorhandensein eines wesentlichen Prospektfehlers. Die Werbung mit bestimmten Merkmalen von Fahrzeugen führt, wie oben unter E. I. 2. gezeigt wurde, ebenfalls nahezu automatisch zur Annahme einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung, ohne dass es auf die individuellen Umstände des Vertragsschlusses ankommt. Diese Synopse zeigt: Sanktioniert werden soll das Verbreiten irreführender Informationen auf dem Markt. Ob der konkrete Anspruchsteller in die Irre geleitet wurde, ist hingegen nicht erheblich. Indem der individuelle Käufer bzw. Anleger Ansprüche geltend macht, trägt er nämlich dazu bei, dass sich die Informationseffizienz des Marktes insgesamt verbessert. Seine Aktivlegitimation dient damit in erster Linie dem private enforcement einer Marktordnungsnorm.

4. „Mehrspurigkeit“ im Bereich der Rechtsfolgen Keine gemeinsame Haftungsstruktur weisen die Tatbestände der gesetzlichen Marktinformationshaftung allerdings im Bereich der Rechtsfolgen auf. So führt die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne zu einem Ersatz des negativen Interesses; dies ist eine Folge ihrer (kritikwürdigen, siehe dazu unter F. V., VI.) Entwicklung aus dem Institut der culpa in contrahendo. Die Garantiewerbehaftung, die Haftung für Werbeaussagen nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB19 sowie die Haftung für konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen hingegen führen (zumindest im Grundsatz) zu einem (im Falle der Sachmängelhaftung modifizierten20) Erfüllungsanspruch. Die Unterschiede im Bereich der Rechtsfolgen sprechen allerdings nicht gegen die Systematisierung der Haftungstatbestände unter dem Oberbegriff der gesetzlichen Marktinformationshaftung. So 17 

BGH NJW 2010, 1077 Rn.  23. BGH NZG 2017, 737 Rn.  32; Urteil v. 23.07.2009 – III ZR 306/07, BeckRS 2009, 22376, Rn.  7. 19  Hierzu Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  756. 20  Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  80. 18 

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bestehen auch bei der gesetzlichen Vertrauenshaftung „zwei Spuren“:21 Die Haftung richtet sich entweder auf Vertrauensentsprechung oder aber auf Ersatz des Vertrauensschadens. Dennoch handelt es sich bei beiden „Spuren“ um Anwendungsfälle der Vertrauenshaftung.22 Die Erfüllungshaftung, die von §  443 Abs.  1 BGB vorgesehen wird, ist eine besonders effiziente Form der Haftung.23 Sie führt im wirtschaftlichen Ergebnis dazu, dass es irreführende Informationen im Anwendungsbereich des §  443 Abs.  1 BGB nicht mehr geben kann (siehe oben unter D. II. 2. c)). Dies gilt im Grundsatz auch bei der Haftung für Werbeaussagen nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB sowie bei der Haftung für konkludente Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf. Der Käufer hat hier nach §§  437 Nr.  1, 439 Abs.  1 BGB einen Anspruch auf Nacherfüllung, der darauf gerichtet ist, dass der Verkäufer die geschuldete Beschaffenheit herstellt. Ist eine Nacherfüllung allerdings unmöglich, kann der Käufer letztlich „nur“ Rückabwicklung und Schadensersatz statt der Leistung verlangen.24 Hierbei handelt es sich unter Effizienzgesichtspunkten nur um die „zweitbeste Lösung“. Bei der Garantiewerbehaftung schuldet der Werbende dem Käufer die werbemäßig in Aussicht gestellten Garantieleistungen in natura (zu den Rechtsfolgen vgl. ausführlich unter I.). Nun ließe sich einwenden, dass allein durch diese Erfüllungshaftung die mit der Garantie transportierten Informationen – nämlich eine bestimmte Qualität des Produkts – nicht „wahr“ werden: Ein qualitativ schlechtes Produkt bliebe demnach ein qualitativ schlechtes Produkt, auch wenn der Werbende gezwungen wird, die beworbene Garantie auf das Produkt zu gewähren. Dieser Einwand verkennt jedoch, dass die Vorstellungen des Käufers über die durch die Garantie suggerierte Produktqualität vor allem Vorstellungen über die Gebrauchsvorteile der Kaufsache im Sinne des §  100 BGB sind.25 Diese 21  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  5: „‚Zweispurigkeit‘ der Vertrauenshaftung“. 22  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  5. 23  Vgl. für die Vertrauenshaftung ganz ähnlich Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  6: „So kommt der ‚positive‘ Vertrauensschutz der ‚generalisierenden‘, am Zwecke des Verkehrsschutzes ausgerichteten Tendenz des Vertrauensprinzips stark entgegen und kann daher überall dort, wo die Verkehrsinteressen besonderes Gewicht haben wie etwa im Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, eine gewisse Vorrangstellung beanspruchen.“ Vgl. ebenfalls für den Bereich der Vertrauenshaftung auch von Craushaar, Der Einfluss des Vertrauens auf die Privatrechtsbildung, S.  43 m. Fn.  2: „[D]ie Erfüllung des Versprechens ist […] die bestmögliche Art einer Verlaßentsprechung“. 24  Vgl. BGH NJW 2013, 1733; NJW 2016, 3015. 25 Vgl. Schünemann, NJW 1988, 1943, 1946: „Die Verkehrsauffassung sieht in der Garantie für die eingeräumte Garantiezeit eine Risikoübernahme hinsichtlich Beeinträchtigungen des Gebrauchsnutzens…“

III. Allgemeine Merkmale einer bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung 187

werden auf das Niveau angehoben, das der Garantie entspricht, wenn die beworbene Garantie tatsächlich gewährt werden muss. In diesem Fall muss der Werbende die Gebrauchsmöglichkeit nämlich wiederherstellen, wenn die Sache während der beworbenen Garantiedauer einen Mangel aufweist (siehe unter I. I. 2. a)). Der Ersatz des negativen Interesses bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung im engeren Sinne erscheint vor diesem Hintergrund ebenfalls nur als die „zweitbeste“ Lösung. Eine Erfüllungshaftung kommt hier offensichtlich nicht in Betracht, weil sich die einzelnen, unzutreffenden Prospektangaben (z. B. die fehlerhafte Darstellung eines bestimmten Risikos) in aller Regel nicht „wahr machen“ lassen. Abgelehnt wird allerdings auch eine Schadensersatzhaftung auf das positive Interesse, das heißt ein Anspruch des Anlegers darauf, so gestellt zu werden, als seien die unzutreffenden Angaben richtig.26 Als Grund für die Beschränkung auf den Vertrauensschaden gilt die Entwicklung der Prospekthaftung aus dem Institut der culpa in contrahendo, die im Regelfall nur zum Ersatz des negativen Interesses führt.27 Allerdings wurde die Prospekthaftung nur „in Anlehnung“ an die Grundsätze der culpa in contrahendo entwickelt (siehe oben unter F. V.). Vor diesem Hintergrund erscheint es wenig überzeugend, ausgerechnet im Bereich der Rechtsfolgen eine Rechtsfortbildung kategorisch auszuschließen, zumal die culpa in contrahendo selbst ausnahmsweise auf das positive Interesse gerichtet sein kann (siehe oben unter F. II. 1. a)). Die Beschränkung auf den Vertrauensschaden lässt sich auch nicht teleologisch aus dem Schutzgut der Prospekthaftung – nämlich dem Recht des Anlegers „darauf, seine Entscheidung eigenverantwortlich in voller Kenntnis sämtlicher für die Beurteilung dieses Risikogeschäfts maßgeblicher Umstände zu treffen“28 – ableiten.29 Die eigenverantwortliche Anlegerentscheidung würde durch eine Haftung auf das positive Interesse nämlich am besten geschützt.30 Zum Tragen kommen hier wohl vielmehr praktische Erwägungen: Der Verkaufsprospekt bündelt eine Vielzahl von Informationen, die in ihrer Gesamtheit beim Anleger (bzw. bei Finanzintermediären) die Erwartung eines bestimmten Ertragswertes entstehen lassen. Relevant sind vor diesem Hintergrund weniger die einzelnen Angaben als vielmehr der Gesamteindruck, den der Prospekt vermittelt.31 Welchen Einfluss einzelne, sich BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  598; Assmann, Prospekthaftung, S.  367. BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  598. 28  BGH NJW 1993, 2865, 2866; ähnlich BGH NJW 2010, 2506 Rn.  17. 29  So aber BGH NJW 1993, 2865, 2866; BGH NJW 2010, 2506 Rn.  19. 30  Vgl. auch den ähnlichen Gedanken bei Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  6: „Es liegt z. B. auf der Hand, daß den Interessen des Kaufmanns durch einen Anspruch auf ‚Vertrauensentsprechung‘ regelmäßig besser Rechnung zu tragen ist als durch einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens…“ 31  BGH NJW 2010, 2506 Rn.  11; BGH NJW 1993, 2865, 2866: „Gesamtentscheidung“; BeckOGK/Herresthal, §  311 Rn.  576. 26  27 

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im Nachhinein als falsch herausstellende Informationen für die Gesamtkalkulation hatten, dürfte sich nachträglich häufig kaum feststellen lassen. Auch lässt sich in der Regel nicht verlässlich bestimmen, wie sich der Wert der Anlage entwickelt hätte, wenn die im Prospekt enthaltenen Informationen wahr gewesen wären.32 Das positive Interesse dürfte bei der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung daher in aller Regel inkommensurabel sein.33 Festzuhalten ist, dass eine Erfüllungshaftung unter Effizienzgesichtspunkten die vorzugswürdige Haftungsfolge ist, die daher auch von Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und im Einklang damit von §  443 Abs.  1 BGB vorgesehen wird. Bei der rechtsfortbildenden Entwicklung neuer Tatbestände der bürgerlich-rechtlichen Marktinformationshaftung sollte daher, soweit möglich, eine Erfüllungshaftung vorgesehen werden.

IV. Ergebnis §  443 Abs.  1 BGB weist in zentralen Punkten große Ähnlichkeit mit der bürgerlich-rechtlichen Prospekthaftung, der Haftung für Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf sowie mit der Werbehaftung nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB auf. Diese Ähnlichkeit beruht auf einer Kongruenz der Schutzzwecke der genannten Haftungstatbestände. Gemeinsam ist ihnen das Telos, den Markt vor irreführenden Informationen zu schützen, die zu einem Marktversagen führen können. Durch §§  443 Abs.  1, 434 Abs.  1 Satz  3 BGB erhalten die bisher vor allem praeter legem entwickelten Haftungstatbestände eine gesetzliche Stütze. §§  443 Abs.  1, 434 Abs.  1 Satz  3 BGB verankern die gesetzliche Informationshaftung im BGB und bieten sich zudem als Analogiegrundlage für weitere, noch zu entwickelnde Formen der gesetzlichen Marktinformationshaftung an.

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Insofern liegen die Dinge anders als bei der Haftung wegen Veröffentlichung unwahrer Insiderinformationen nach §  98 WpHG (ehemals §  37c WpHG), wo eine Ermittlung des Kursdifferenzschadens aufgrund von Börsendaten nach wissenschaftlich abgesicherten Methoden in aller Regel möglich ist, vgl. Fleischer, in: Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts, §  6 Rn.  53. 33  Vgl. aber auch den Fall OLG Köln WM 1987, 1292, wo zumindest ein Teil des positiven Interesses, nämlich eine im Anlageprospekt in Aussicht gestellte Steuerersparnis, konkret bezifferbar war. In diesem Fall sprechen nach hiesiger Ansicht keine Gründe gegen die Ersatzfähigkeit des positiven Interesses. Das Gericht verneinte die Ersatzfähigkeit dennoch mit dem aus hiesiger Sicht eher oberflächlichen Argument, die Prospekthaftung sei wie die c.i.c. nur auf Ersatz des Vertrauensschadens gerichtet.

I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen der gesetzlichen Garantiewerbehaftung Im folgenden Kapitel sollen die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Haftung nach §  443 Abs.  1 BGB im Detail erörtert werden. Bei der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Garantiewerbehaftung sind dabei zwei Fälle zu unterscheiden:1 Im ersten Fall hat der Käufer werbewidrig überhaupt keine Garantiedokumente erhalten. Im zweiten Fall hat er im Anschluss an den Kauf zwar vertragliche Garantiedokumente erhalten; die vertraglichen Konditionen stimmen jedoch nicht mit der Garantiewerbung überein. Beide Konstellationen führen zu spezifischen Rechtsfragen. Sie sollen daher im Folgenden separat untersucht werden.

I. Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung Im Falle „isolierter Garantiewerbung“ erhält der Käufer anlässlich des Kaufs keinerlei Garantiedokumente. Fraglich ist in diesem Fall zunächst, unter welchen Voraussetzungen der Käufer gesetzliche Garantieansprüche geltend machen kann (siehe sogleich unter I. I. 1.) Sodann ist zu erörtern, welche Rechte dem Käufer konkret aufgrund der gesetzlichen Garantiewerbehaftung zustehen (siehe unter I. I. 2.)

1. Entstehungstatbestand a) Abschluss eines Kaufvertrags Der Anspruch setzt voraus, dass ein Kaufvertrag über die Ware, auf die sich die Garantiewerbung bezieht, abgeschlossen wurde. Dies folgt mittelbar aus den Voraussetzungen an die Aktivlegitimation (siehe dazu unten unter I. I. 4.): Diese steht dem „Käufer“ zu, setzt also voraus, dass ein Kaufvertrag über die beworbene Ware zustande gekommen ist. Im Falle von Verkäuferwerbung mit einer Ga1 So auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  74; ähnlich Malsch, Die Herstellergarantie, S.  57 f.

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

rantie muss der Käufer die Sache zudem gerade vom werbenden Verkäufer gekauft haben. b) Einschlägige Werbung Der Käufer kann Ansprüche aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung nur geltend machen, wenn „Werbung“ mit einer Garantie vorliegt. Maßgeblich sind hier die oben zu Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie angestellten Erwägungen (siehe ausführlich unter D. III. 2. c)). c) Verfügbarkeit der Werbung Die Werbung muss „vor oder bei Abschluss des Kaufvertrags verfügbar“ gewesen sein. „Verfügbar“ bedeutet nur, dass für den Käufer vor dem Kauf eine Kenntnisnahmemöglichkeit bestanden haben muss.2 Im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben (siehe dazu oben unter D. III. 2. b)) muss der Käufer die Werbung vor dem Kauf nicht zur Kenntnis genommen haben.3 Die zeitliche „Geltungsdauer“ der Garantiewerbung ist aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (siehe ausführlich oben unter D. III. 2. c) cc) (3)). d) Aktivlegitimation Aktivlegitimiert ist nach dem ausdrücklichen Wortlaut von §  443 Abs.  1 BGB („stehen dem Käufer … die Rechte aus der Garantie … zu“) jeder Käufer. §  443 Abs.  1 BGB beschränkt den Anwendungsbereich der Garantiewerbehaftung damit anders als die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nicht auf Verbraucher, sondern erfasst auch gewerbliche Käufer. Da die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie nur mindestharmonisierend wirkt, ist diese Erweiterung des Anwendungsbereichs europarechtlich unbedenklich (siehe dazu auch oben unter D. IV. 2.). Allein nach nationalem Recht richtet sich außerdem die Frage, ob §  443 Abs.  1 BGB auch auf andere Vertragstypen analoge Anwendung finden kann. Zu denken ist hier vor allem an das Leasing.4 In Betracht kommt unter Umständen aber auch eine analoge Anwendung im Bereich des Dienstvertrages, wenn dieser wie im Zahnersatzfall (siehe oben unter E. I. 1. c) cc)) kaufrechtliche Elemente enthält. 2  Ähnlich jurisPK-BGB/Pammler, §  443 Rn.  24; zustimmend, wenn auch kritisch Picht, NJW 2014, 2609, 2611. 3  OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2154; jurisPK-BGB/Pammler, §  443 Rn.  34; a. A. BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  29. 4  Vgl. hierzu den US-amerikanischen Fall DiCintio v. DaimlerChrysler Corp., 97 N.Y.2d 463 (2002), wo das Berufungsgericht des Staates New York eine Anwendung der Regelungen des Magnuson Moss Warranty Acts auf Leasingnehmer ablehnt.

I. Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung

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Fraglich erscheint, ob der Käufer den Anspruch möglicherweise analog §  333 BGB zurückweisen kann. Der Wertung des §  333 BGB entspricht es, dass niemand sich gegen seinen Willen einen Anspruch „aufdrängen“ lassen muss.5 Oben wurde allerdings bereits dargelegt, dass §  443 Abs.  1 BGB dem einzelnen Käufer nur aus funktionalen Gründen einen subjektiven Anspruch zubilligt (siehe oben unter D. II. 2. a)). Der Käufer macht, wenn er diesen Anspruch geltend macht, kein privatnütziges, ihm aus Gründen des Individualschutzes zustehendes Recht geltend (siehe oben unter D. II. 2. a)). Vielmehr handelt er quasi als „fünfter Aktivlegitimierter“ neben den in §  8 Abs.  3 UWG genannten Akteuren (siehe oben unter D. II. 2.). Er kann wie diese als „Funktionär“ der europäischen Integration6 tätig werden, muss dies aber nicht tun. Will er den Anspruch nicht geltend machen, entstehen ihm hieraus keinerlei Nachteile. Insbesondere kann er sich weiterhin auf seine gesetzlichen Gewährleistungsrechte gegenüber dem Verkäufer berufen. e) Passivlegitimation Anspruchsgegner ist nach §  443 Abs.  1 BGB der „Garantiegeber“. In der Literatur wurde die Befürchtung geäußert, dass der im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie geänderte Wortlaut des §  443 Abs.  1 BGB zu einer uneingeschränkten Haftung des Garantiegebers auch für fremde Werbeaussagen führen könnte.7 Diese Befürchtung ist indes unbegründet. Zum einen folgt aus den oben (D. III. 2. e)) geschilderten europarechtlichen Vorgaben, dass Haftungsadressat nur derjenige ist, der selbst mit einer Garantie wirbt. Er haftet dabei nur für Werbeaussagen, die mit seinem Willen auf den Markt gelangt sind.8 Zudem lässt sich eine entsprechende Einschränkung auch ohne Weiteres dem Wortlaut des §  443 Abs.  1 BGB entnehmen: Hiernach haftet der Hersteller bzw. der Verkäufer nur für solche „Verpflichtungen“, die er (unter anderem) in der einschlägigen Werbung selbst „eingeht“.9 Ein „Eingehen“ liegt aber nur vor, wenn die Werbeaussagen mit dem Willen der Garantiegebers in den Verkehr gelangt sind.

5 

BeckOGK/Mäsch, §  333 Rn.  2; MünchKommBGB/Gottwald, §  333 Rn.  1. Poelzig, Normdurchsetzung durch Privatrecht, S.  274. 7  Picht, NJW 2014, 2609, 2612, der dieses Ergebnis dadurch vermeiden will, dass er die Werbehaftung rechtsgeschäftlich deutet. 8  Ähnlich jurisPK-BGB/Pammler, §  443 Rn.  26; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  27. 9  A.A. möglicherweise Picht, NJW 2014, 2609, 2612, der im Rahmen seiner Ausführungen allein auf den Begriff der „Verfügbarkeit“ abstellt. 6 

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f) Analoge Anwendung der Ausschlussgründe nach §  434 Abs.  1 Satz  3 Hs. 2 BGB? In der Literatur wird eine analoge Anwendung der Ausschlussgründe nach §  434 Abs.  1 Satz  3 Hs. 2 BGB auf die Garantiewerbehaftung gefordert.10 Der Werbende soll hiernach nicht haften, wenn aa) er die Werbung weder kannte noch kennen musste, bb) wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder cc) wenn sie die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte. Richtigerweise sind allerdings nicht alle Ausschlussgründe analog anwendbar, da es zum Teil an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Es ist daher wie folgt zu differenzieren: aa) Keine Kenntnis und kein Kennenmüssen seitens des Werbenden Dieser Ausschlussgrund ist auf die Garantiewerbehaftung nicht analog anwendbar. Eine entsprechende Einschränkung resultiert für die Garantiewerbehaftung bereits daraus, dass der Werbende nur für seine eigenen Werbeaussagen haftet, siehe oben I. I. 1. e). Eine Zurechnung fremder Werbeaussagen kommt anders als bei §  434 Abs.  1 Satz  3 Hs. 1 BGB nicht in Betracht. Ohne eine solche Zurechnung fehlt es aber an dem Interessenkonflikt, den dieser Ausschlussgrund regeln will. bb) Gleichwertige Berichtigung Dieser Haftungsausschlussgrund ist auf die Garantiewerbehaftung analog anwendbar. Wird die Garantiewerbung vor dem Kauf in gleichwertiger Weise berichtigt, kommt keine Haftung in Betracht.11 Der Haftungsausschluss steht hier mit der Signalingfunktion von Garantiewerbung in Einklang: Wird die Werbung auf gleichwertige Art und Weise berichtigt, entfaltet sie keine Signalwirkung auf dem Markt mehr. Aus der Signalingfunktion folgen zugleich auch die Anforderungen an eine gleichwertige Berichtigung: Sie muss auf dieselbe Art und Weise an den Markt kommuniziert werden wie die ursprüngliche Garantiewerbung selbst.12 Das heißt, sie muss bei potentiellen Nachfragern dieselbe Aufmerksamkeit erregen wie die ursprüngliche Garantiewerbung (vgl. auch den identischen Maßstab bei der Beurteilung von aus der Werbung resultierenden Einschränkun-

10  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  29; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  168 f. 11  So auch Picht, NJW 2014, 2609, 2612. 12 A.A. Picht, NJW 2014, 2609, 2612, der es für ausreichend hält, dass die Berichtigung „verfügbar“ gemacht wird.

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gen der Haftung unter I. II. 1. e)).13 Daraus folgt insbesondere auch, dass eine ausdrückliche Berichtigung der anfänglichen Werbeaussage erfolgen muss: Es genügt nicht, lediglich eine korrigierte Version der Werbung in Umlauf zu bringen, ohne ausdrücklich auf die erfolgten Änderungen hinzuweisen. Die Änderungen werden aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers andernfalls nicht deutlich. Kaufinteressenten, die die Werbung möglicherweise bereits zu einem früheren Zeitpunkt wahrgenommen haben, würden „versteckten“ Änderungen sonst keine Beachtung schenken. cc) Keine Eignung zur Beeinflussung der Kaufentscheidung Die genaue Reichweite dieses Ausschlussgrundes ist im Schrifttum zu §  434 Abs.  1 Satz  3 Hs. 2 BGB umstritten. Soweit ein Ausschluss befürwortet wird, wenn der konkrete, individuelle Käufer die Werbung nicht kannte,14 kann der Ausschlussgrund auf §  443 Abs.  1 BGB nicht übertragen werden: Die Garantiewerbehaftung ist von der konkreten Kenntnis des individuellen Käufers unabhängig, siehe oben unter D. III. 2. b). Im Rahmen der Garantiewerbehaftung kommt es nicht auf den Verständnishorizont des individuellen Käufers an, sondern allein auf die Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (siehe oben unter D. III. 2. a) dd)). Aus diesem Grund kann die fehlende Eignung zur Beeinflussung der Kaufentscheidung von vornherein nur dann haftungsausschließend wirken, wenn die Werbung die Kaufentscheidung eines verständigen Durchschnittsverbrauchers nicht beeinflussen konnte.15 Leistner schlägt – aufgrund der Wertungskongruenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht im Ansatz überzeugend – eine Heranziehung wettbewerbsrechtlicher Maßstäbe vor. Hiernach soll Werbung mit solchen Produkteigenschaften, die für den verständigen Durchschnittsverbraucher ohne Bedeutung sind, nicht haftungsrelevant sein.16 Gegen eine derartige Auslegung spricht jedoch, dass Hersteller und Verkäufer kaum je mit irrelevanten Sacheigenschaften Werbung treiben werden.17 13  Vgl. auch die parallelen Anforderungen bei der Berichtigung von Werbung im Rahmen von §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB, dazu BeckOK BGB/Faust §  434 Rn.  86: „Dazu muss sie mit demselben oder einem vergleichbar wirksamen Medium und in einer vergleichbar deutlichen Aufmachung erfolgen.“ Vgl. auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  154: Die Berichtigung muss den Markt „mit demselben Wirkungsgrad … durchdringen“. 14  So BeckOK BGB/Faust, §  434 Rn.  87; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 433, 438; wohl auch MünchKommBGB/Westermann, §  434 Rn.  35. 15  So (im Rahmen von §  434 Abs.  1 Satz  3 Hs. 2 BGB) Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  782 ff. 16  Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  787 ff. 17  So im Grunde auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  788 f., der aber dennoch einen Anwendungsbereich für den Ausschlussgrund sieht und seine Ansicht auf wettbewerbsrechtliche Fälle stützt.

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

Andernfalls würde die Werbung ihr Ziel der Absatzförderung verfehlen. Jedenfalls sind im Bereich der Garantien kaum Konstellationen denkbar, in denen die Werbung nicht geeignet wäre, die Kaufentscheidung eines Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen. Garantiewerbung ist aufgrund ihrer Signalingfunktion vielmehr per se wesentlich (vgl. bereits oben unter H. III. 2.). Diskutiert werden in der Literatur außerdem Fallgestaltungen, in denen die Werbeäußerung „vor einer (auch ausländischen) Öffentlichkeit fiel, der der Käufer nicht angehört und aus der er auch keinen Informationen erlangen konnte“.18 Für die Garantiewerbehaftung sind aber, wenn ein grenzüberschreitender Kauf vorliegt, auch „ausländische“ Werbeaussagen relevant. Die Garantiewerbehaftung soll Käufer schließlich dazu ermuntern, grenzüberschreitend einzukaufen. Aus diesem Grund können sie sich, wenn sie eine Sache von einem ausländischen Anbieter erwerben, auf alle „einschlägigen“ Werbeaussagen (dazu siehe oben unter D. III. 2. c) cc)) berufen, die dieser Anbieter in Bezug auf die Kaufsache getätigt hat. Dies gilt auch dann, wenn die Werbeaussage in der jeweiligen Landessprache veröffentlicht und nur im Mitgliedstaat des Anbieters, beispielsweise in Printmedien, verbreitet wurde. Es besteht nämlich kein Grund, den ausländischen Käufer bei einem grenzüberschreitenden Kauf schlechter zu behandeln als einen einheimischen Käufer. Eine andere Betrachtungsweise würde die Grenzen nationaler Märkte verstetigen, anstatt zum europarechtlich gewünschten Zusammenwachsen des Binnenmarktes beizutragen.19 Davon zu unterscheiden ist allerdings der Fall, in dem sich die Werbung ausdrücklich und auch aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers nur an eine bestimmte Käufergruppe richtet. So könnte beispielsweise ein Hersteller sein Garantieangebot nur an die Käufer in einem bestimmten Mitgliedstaat richten, weil er beispielsweise nur dort Reparaturwerkstätten unterhält. Erwirbt ein Käufer eine Waschmaschine derselben Gattung in einem anderen Mitgliedsland von einem lokalen Verkäufer (sodass kein grenzüberschreitender Kauf vorliegt), kann er sich auf die „ausländische“ Garantiewerbung des Herstellers nicht berufen. Grund hierfür ist allerdings nicht eine analoge Anwendung des Ausschlussgrundes der fehlenden Beeinflussungseignung; vielmehr ist die Werbung in diesem Fall schon regional nicht „einschlägig“ (siehe dazu bereits oben unter D. III. 2. c) cc)). Vor diesem Hintergrund kommt dem Ausschlussgrund der fehlenden Beeinflussungseignung für die Garantiewerbehaftung keine Bedeutung zu.

18  19 

MünchKommBGB/Westermann, §  434 Rn.  35. Vgl. zu diesem kartellrechtlichen Aspekt Malsch, Die Herstellergarantie, S.  93 ff.

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g) Keine rechtshemmenden Einwendungen des Werbenden: Vorrang der Privatautonomie Bei der Garantiewerbehaftung handelt es sich um eine Haftung ex lege, bei der Haftung aus Garantievertrag hingegen um eine solche ex voluntate. Hier gilt der Grundsatz: Die Haftung ex voluntate hat Vorrang vor der Haftung ex lege. Dieser Vorrang folgt aus dem Primat der privatautonomen Vereinbarung.20 Der Käufer kann sich auf Ansprüche aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung nur dann berufen, wenn er nicht spätestens mit Lieferung der Kaufsache eine Garantiekarte oder ein ähnliches Garantieangebot erhält. Geht ihm ein solches spätestens im Zeitpunkt der Lieferung der Kaufsache zu, kann der Werbende gegenüber Ansprüchen aus Garantiewerbehaftung eine rechtshemmende Einrede geltend machen. aa) Vorrang der Privatautonomie Erhält der Käufer spätestens mit der Lieferung der Kaufsache ein vertragliches Garantieangebot, kann er sich nicht mehr auf die gesetzliche Garantiewerbehaftung berufen. Andernfalls resultieren Risiken für die privatautonome Gestaltung von Garantieverträgen, die sich aus folgenden Erwägungen ergeben: Es ist denkbar, dass dem Käufer die gesetzliche Garantiewerbehaftung in manchen Fällen günstiger erscheint als eine vom Werbenden angebotene, vertragliche Garantie. Das Garantieangebot könnte beispielsweise in AGB-rechtlich zulässiger Weise21 Inspektions- und Wartungsobliegenheiten vorsehen, auf die in der Werbung nicht zwingend hingewiesen werden muss (siehe unten unter I. II.). Solche Obliegenheiten sind gerade beim Kauf eines Neuwagens zum Schutz vor moral hazard weit verbreitet und üblich (siehe oben unter C. VI. 2. b)).22 Kommt eine vertragliche Garantie zustande, hat diese aufgrund des Primats der Privatautonomie Vorrang vor der gesetzlichen Haftung; die gesetzliche Haftung wird durch den Garantievertrag grundsätzlich auf Konkurrenzebene verdrängt (siehe ausführlich unten unter I. II. 2.). Fraglich ist vor diesem Hintergrund, ob der Käufer das Zustandekommen eines Garantievertrages bewusst verhindern kann, um sich auf die für ihn günstigeren Rechtsfolgen aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung zu berufen. Der Käufer könnte beispielsweise versuchen, die Wartungsobliegenheiten des Herstellers zu umgehen, indem er das vertragliche Garantieangebot ablehnt und sich stattdessen auf den Haftungsumfang beruft, der aus der gesetzlichen Garantiewerbehaftung resultiert. Der gesetzliche Anspruch 20  Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  412 ff., 440 ff.; ders., FS Schimansky, S.  43, 46 f. 21  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4. 22  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4.

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

steht im Regelfall nämlich nicht unter der Voraussetzung, dass die Kaufsache regelmäßig gewartet wird (siehe dazu unten unter I. I. 2.). Im Ergebnis dürfte evident sein, dass dem Käufer eine solche Möglichkeit nicht zustehen kann. Der Garantiegeber hätte andernfalls keine Möglichkeit, sich vertraglich vor käuferseitigem moral hazard zu schützen, oder er müsste auf Garantiewerbung völlig verzichten. Hierin läge ein erheblicher Eingriff in seine Privatautonomie, der durch den Schutzzweck der gesetzlichen Garantiewerbehaftung nicht gerechtfertigt ist: Die Garantiewerbehaftung soll einem Marktversagen im grenzüberschreitenden Verkehr vorbeugen, indem sie Garantien als wirksame Signalinginstrumente rechtlich institutionalisiert. Sie soll irreführende Garantiewerbung faktisch unmöglich machen (siehe oben unter D. II. 1.), indem sie den Werbenden stets beim Wort nimmt. Daraus folgt aber auch: Das Gesetz muss nur dort eingreifen, wo der Werbende sein Wort nicht freiwillig hält. Andernfalls gibt es keine Rechtfertigung für einen rechtlichen Eingriff. Die gesetzliche Garantiewerbehaftung darf die Privatautonomie nicht stärker als zwingend erforderlich beschränken: Jeder Eingriff muss sich durch den Zweck der Garantiewerbehaftung rechtfertigen lassen. Händler, die ihre Werbeversprechen freiwillig halten und die von ihnen beworbenen Garantien tatsächlich anbieten, tragen zu dem befürchteten Marktversagen nicht bei. Ihnen gegenüber kann die gesetzliche Garantiewerbehaftung daher nicht gerechtfertigt werden. Die gesetzliche Garantiewerbehaftung muss aus diesem Grund gegenüber einer vertraglichen Haftung subsidiär sein. Die Subsidiarität greift schon dann ein, wenn der Käufer die Möglichkeit hat, durch Annahme des Garantieangebots einen Garantievertrag zustande zu bringen. In diesem Fall bedarf er nämlich nur noch des Schutzes vor Klauseln, die in Widerspruch zu dem durch die Garantiewerbung gesetzten Signal stehen (siehe dazu unten unter I. II.); er bedarf nicht des Schutzes vor einer völlig ausbleibenden Garantie. Eine weitere Erwägung stützt dieses Ergebnis: Die gesetzliche Garantiewerbehaftung soll den Anspruchsumfang von Garantien aus Achtung vor der Privat­ auto­nomie der Garantiegeber nicht zwingend vereinheitlichen. Der Anspruchsumfang soll von Garantiegebern weiterhin privatautonom festgelegt werden können.23 Nur dann kann die Garantie auch als Gestaltungsparameter im Wettbewerb zur Geltung kommen: Hersteller und Verkäufer haben durch die Garantie eine zusätzliche Möglichkeit zur Produktdifferenzierung. Ideen zur Einführung einer standardisierten „Eurogarantie“, die im Grünbuch zum Verbrauchsgüter23 Vgl. auch Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  124 auf Basis der „gemischten Lösung“, die (mit Einschränkungen) Gesetz geworden ist: „Garantieinhalt und -frist sollten vom Garantiegeber frei bestimmt werden.“

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kauf noch zur Diskussion gestellt wurden,24 sind nicht Gesetz geworden. Eine Eurogarantie darf daher auch nicht über die „Hintertür“ der gesetzlichen Garantiewerbehaftung eingeführt werden. Eine solche Entwicklungstendenz würde sich aber ergeben, wenn Käufer letztlich die Wahl hätten, sich entweder auf den gesetzlichen Haftungsumfang oder aber auf eine vertragliche Garantie zu berufen. Werbung mit Garantien würde dann im Ergebnis zu einer standardisierten Mindest-Garantiehaftung führen. Eine solche Folge würde letztlich den gesetzlichen Schutzzweck der Garantiewerbehaftung konterkarieren: Sie würde die Signalwirkung von Garantiewerbung nicht effektuieren, sondern Werbung mit Garantien mit erheblichen Risiken belasten. Kaum ein Garantiegeber würde freiwillig in Kauf nehmen, sich aufgrund von Garantiewerbung seiner zulässigen vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten zu begeben. Der Einsatz von Garantiewerbung würde daher erheblich zurückgehen. Die gesetzliche Garantiewerbehaftung kann aus diesem Grund nur dort eingreifen, wo eine Beeinträchtigung der Signalsetzung durch Garantiewerbung tatsächlich droht: Dies ist nur der Fall, wenn der Käufer seitens des Werbetreibenden nicht spätestens mit Lieferung der Kaufsache ein Angebot zum Abschluss des beworbenen Garantievertrags erhält (oder aber wenn dieses Angebot in Widerspruch zu der Garantiewerbung steht, siehe dazu unter I. II.). Hierdurch entsteht keinesfalls ein Kontrahierungszwang für den Käufer: Der Käufer wird nicht zur Annahme des Angebots gezwungen. Er kann sich weiterhin auch gegen die Annahme des Vertragsangebots entscheiden. In diesem Fall ist sein Anspruch aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung aber einredebehaftet. Auch vertragliche Garantieansprüche stehen ihm dann nicht zu. bb) Untergehen des Anspruchs bei nachträglichem Zustandekommen einer vertraglichen Garantie? Fraglich ist, ob der gesetzliche Anspruch aus Garantiewerbung auch dann gehemmt wird, wenn der Werbende dem Käufer (der möglicherweise schon gerichtlich gegen ihn vorgeht) längere Zeit nach Lieferung der Kaufsache eine Garantiekarte zusendet. Grundsätzlich ist dies zu verneinen: Ein Durchschnittsverbraucher darf aufgrund der Garantiewerbung erwarten, dass der Werbende das

Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  120 f., 126 f. Die Kommission präsentierte in ihrem Grünbuch drei unterschiedliche Ansätze zur Regulierung von Garantien im Binnenmarkt (vgl. a. a. O. S.  120). Die Vorschläge zur Eurogarantie konnten sich in diesem Zusammenhang nicht durchsetzen. Gesetz geworden sind hingegen zentrale Bestandteile der so genannten „gemischten Lösung“, die im Grünbuch auf S.  122 ff. unter 3.1 ff. dargestellt werden. 24 

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Mängelrisiko von Anfang an übernehmen will. Nur dann wirkt die Garantiewerbung als Qualitätssignal. Problematisch ist allerdings, dass die gesetzliche Haftung aufgrund des Vorrangs der Privatautonomie zurücktreten muss, wenn der Käufer das nachträglich übersendete Garantieangebot dennoch annimmt. Der Käufer könnte hier möglicherweise in eine „Falle“ tappen: Die Anforderungen an eine Annahme sind nach verbreiteter Ansicht sehr niedrig. Der Käufer soll das Garantieangebot schon dadurch konkludent annehmen, dass er es nicht durch nach außen hin erkennbare Willensäußerung ablehnt.25 Der Zugang der Annahmeerklärung soll außerdem nach §  151 S.  2 BGB entbehrlich sein.26 Zur Begründung wird angeführt, dass das Garantieangebot für den Käufer ausschließlich vorteilhaft sei.27 Diese Grundsätze können im Fall einer nachträglichen Zusendung einer Garantiekarte indes nicht gelten. Der Werbende wird sich zu diesem Schritt nur entscheiden, wenn die vertraglichen Garantiebedingungen für den Käufer ungünstiger sind als der aus dem Gesetz folgende Anspruchsumfang. Vor diesem Hintergrund wäre das Garantieangebot für den Käufer gerade nicht ausschließlich vorteilhaft. Der Wille des Käufers, das in der Garantiekarte liegende Angebot anzunehmen, muss aus diesem Grund ganz deutlich in Erscheinung treten. Andernfalls kommt bei nachträglicher Übersendung einer Garantiekarte kein Garantievertrag zustande. cc) Anspruch nur gehemmt, nicht untergegangen Der Anspruch des Käufers aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung wird durch den rechtzeitigen Zugang eines vertraglichen Angebots lediglich gehemmt; er geht nicht unter. Werbeaussagen sollen sich nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers nämlich gegenüber widersprechenden, ungünstigeren Klauseln im Garantievertrag durchsetzen können. Ein solcher Vorrang lässt sich nur erklären, wenn das gesetzliche Schuldverhältnis auch nach dem Übersenden des Garantieangebots fortbesteht (vgl. ausführlich unten unter I. II.) dd) Beweislast Fraglich ist schließlich, wer die Beweislast für die nicht rechtzeitige Übermittlung eines Garantieangebots tragen soll. Da der gesetzliche Anspruch mit dem rechtzeitigen Zugang des Garantieangebots auf Konkurrenzebene verdrängt Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  101 m. Fn.  423, der sich auf BGH NJW 2002, 276 stützt. 26  Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  7; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  100; Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  31 f. 27  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  101; Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  32 f. 25 

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wird, begründet dieser Umstand zu Gunsten des Werbenden eine rechtshemmende Einwendung. Für diese trägt der Werbende nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast. ee) Zusammenfassung Ansprüche aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung werden gehemmt, wenn der Käufer spätestens mit der Lieferung der Kaufsache ein Garantieangebot seitens des Werbenden erlangt. Erhält der Käufer rechtzeitig eine Garantiekarte oder ein ähnliches Vertragsdokument, kann er das darin liegende Vertragsangebot annehmen, muss dies aber nicht tun. Nimmt der Käufer das Angebot nicht an, kann er sich weder auf vertragliche Garantieansprüche noch auf Ansprüche aus gesetzlicher Garantiewerbehaftung berufen. Nimmt er das Angebot hingegen an, richten sich seine Ansprüche im Grundsatz nach den vertraglichen Bestimmungen. Stehen Klauseln des Garantievertrags in Widerspruch zu Werbeaussagen des Garantiegebers, kann der Käufer sich allerdings wiederum auf Ansprüche aus §  443 Abs.  1 BGB berufen (siehe dazu im Einzelnen ausführlich unter I. II. 2).

2. Umfang der gesetzlichen Haftung bei isolierter Garantiewerbung Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie und §  443 Abs.  1 BGB verpflichten den „Anbieter“ zur Erfüllung seines Werbeversprechens. Die Garantiewerbehaftung ist eine Erfüllungshaftung: Der Käufer hat einen Anspruch auf die beworbenen Garantieleistungen (und nicht etwa nur auf Abschluss eines Garantievertrags) unmittelbar aus §  443 Abs.  1 BGB. Fraglich ist allerdings, welche Rechte dem Käufer aufgrund des gesetzlichen Schuldverhältnisses konkret zustehen sollen. Als besonders problematisch erweist sich der häufige Fall, dass eine Garantie nur schlagwortartig („3 Jahre Garantie!“) beworben wird. Werbung dieser Art ist besonders inhaltsarm. Die Rechtsfolgen können daher nur aus dem Schutzzweck der Garantiewerbehaftung abgeleitet werden (vgl. dazu bereits oben unter D. III. 2.). a) Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit Garantien sind Signalinginstrumente, die der Nachfrageseite eine bestimmte Produktqualität suggerieren. Die Garantiewerbehaftung bezweckt einen Schutz der Signalwirkung, indem sie das Signal ernst nimmt und durchsetzt. Folglich müssen sich die Rechtsfolgen an dem konkreten Signal orientieren.28 Das Signaling einer bestimmten Produktqualität weckt beim Durchschnittsverbraucher da28 

Vgl. die Argumentation bei OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2155.

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bei Erwartungen in Bezug auf die Gebrauchsvorteile der Kaufsache im Sinne von §  100 BGB.29 Bei Werbung mit einer dreijährigen Garantie geht der Durchschnittsverbraucher davon aus, die Sache (mindestens) 3 Jahre lang in ver­kehrs­ üblicher Weise nutzen zu können. Aus diesem Grund ist der Werbende dazu verpflichtet, die Nutzungsmöglichkeit wiederherzustellen, wenn die Kaufsache innerhalb des beworbenen Garantiezeitraums funktionsunfähig wird.30 Folglich erlangt der Käufer – ähnlich wie bei §  439 Abs.  1 BGB – einen Anspruch auf Reparatur oder Ersatzlieferung gegen den Werbenden, wenn die Sache mangelhaft wird.31 Der Anspruch setzt dabei nicht voraus, dass die Kaufsache bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war. Garantien im Sinne von §  443 BGB sind keine Beschaffenheitsvereinbarungen, sondern sie signalisieren dem Käufer die voraussichtliche Gebrauchsdauer der Kaufsache. Sie treffen damit eine Aussage über die Funktionsfähigkeit der Sache in der Zukunft und nicht „nur“ über ihre Beschaffenheit zu einem bestimmten Zeitpunkt. Vor diesem Hintergrund führt Garantiewerbung stets zu einer „Haltbarkeitsgarantie“ im Sinne von §  443 Abs.  2 BGB.32 Ansprüche des Käufers auf Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit bestehen daher auch dann, wenn die Sache während des Garantiezeitraums funktionsunfähig wird, ohne dass der Mangel auf einen „Grundmangel“ bei Gefahrübergang zurückzuführen ist. Fraglich ist allerdings, welche Arten von Mängeln Garantierechte auslösen sollen. Stellt die Werbung „3 Jahre Garantie!“ oder gar „3 Jahre Vollgarantie!“ in Aussicht, begründen alle Formen von Funktionsstörungen Garantieansprüche. Hier gilt im Grundsatz derselbe Maßstab wie bei §  434 Abs.  1 Satz  2 Nr.  2 BGB: Die Sache ist mangelhaft, wenn sie sich nicht (mehr) für die gewöhnliche Verwendung eignet oder wenn sie nicht (mehr) die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Eine vertraglich vereinbarte Beschaffenheit im Sinne von §  434 Abs.  1 Satz  1 BGB kann im Kontext der Garantiewerbehaftung hingegen nicht mangelbegründend wirken: Solche Beschaffenheitsvereinbarungen kommen alSchünemann, NJW 1988, 1943, 1946; ganz ähnlich OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2155; vgl. auch Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  113, 149. 30  OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2155. 31  Ähnlich OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2155: analoge Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts; vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S.  237, wonach dem Käufer alle im Gesetz bei Sachmängeln vorgesehenen Rechte zustehen sollen, wenn die Garantiebedingungen über die Rechte des Käufers im Garantiefall schweigen. 32  Die Unterscheidung zwischen Haltbarkeits- und Beschaffenheitsgarantien in §  443 BGB a. F. kannte keine europarechtliche Entsprechung (siehe unten unter I. I. 2. f)). Sie wurde im Zuge der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie im Jahr 2014 glücklicherweise aufgegeben. 29 

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lein bilateral im Verhältnis zwischen Verkäufer und Käufer zustande und können schon aus diesem Grund Werbung treibende Dritte, insbesondere also den Hersteller, nicht binden. Noch gewichtiger erscheint das folgende teleologische Argument: Das konkrete Signal, das durch Garantiewerbung gesetzt wird, ist aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (siehe oben unter D. III. 2. a) dd)). Individuelle Abreden zwischen einem Verkäufer und einem konkreten Käufer können diesen generalisierenden Maßstab nicht verändern. Bei den Ansprüchen aus §  443 Abs.  1 handelt es sich nämlich um gesetzliche Ansprüche, die ohne Rücksicht auf den individuellen, objektiven Empfängerhorizont des jeweiligen Käufers konkretisiert werden müssen (siehe oben unter D. III. 2. a) dd)). Andernfalls könnten bestimmte Käufer, zu deren Gunsten eine Beschaffenheitsvereinbarung zustande gekommen ist, aus §  443 Abs.  1 BGB in weiterem Umfang Rechte geltend machen als andere. Auch für Verkäuferwerbung mit Garantien gilt aus diesem Grund allein der Maßstab des §  434 Abs.  1 Satz  2 Nr.  2 BGB. Der Garantiegeber kann seine Haftung in der Werbung allerdings auch auf bestimmte Teile der Sache oder auf bestimmte Arten von Mängeln beschränken. Dies ist vor allem beim Fahrzeugkauf üblich: Beispielsweise wirbt Audi mit einer „3-jährige[n] Garantie gegen Lackmängel“ sowie einer „12-jährige[n] Garantie gegen Karosserieperforation durch Korrosion“. Solche Einschränkungen sind unter Signalinggesichtspunkten beachtlich, da sie dem Markt von vornherein nur die Erhaltungsdauer bestimmter Bestandteile der Kaufsache signalisieren. Der Mangel muss anders als im Kaufgewährleistungsrecht nicht bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen haben. Dies folgt ebenfalls aus der Signalwirkung der Garantie: Der Käufer kann die in Aussicht gestellten Gebrauchsvorteile nur realisieren, wenn alle Teile der Kaufsache funktionieren. b) Ausschluss bei unsachgemäßer Handhabung Fraglich ist weiterhin, wie es sich auswirkt, wenn der Käufer den Mangel selbst vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, die Sache also beispielsweise mutwillig zerstört. Bei einer vertraglichen Garantie schließen die Garantie-AGB Gewährleistungsansprüche in diesem Fall typischerweise aus.33 Im Regelfall findet sich die folgende Formulierung: „Nicht unter die Garantie fallen Mängel, die aus unsachgemäßer Handhabung, unsachgemäßer Installation, Veränderungen, äußerer Gewaltanwendung oder Nichtbeachtung der Gebrauchsanleitung entstan33  Vgl. die empirische Übersicht bei Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  161 ff., v. a. Ziffern 13 ff., 62 f., 73 f., 83.

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

den sind.“34 Solche Einschränkungen sind AGB-rechtlich zulässig, weil ihnen eine Abgrenzung unterschiedlicher Gefahrenkreise zu Grunde liegt, die auch für die Garantiewerbehaftung beachtlich ist: Die Garantie signalisiert eine bestimmte Produktqualität, das heißt bestimmte Gebrauchsvorteile der Sache infolge der Verwendung bestimmter (mehr oder weniger guter) Materialien und einer bestimmten (mehr oder weniger guten) Verarbeitung. Auch eine qualitativ besonders hochwertige Sache ist aber vor Zerstörung durch vorsätzliche oder grob fahrlässige Handhabung nicht gefeit; hierfür will der Garantiegeber nicht das Risiko übernehmen (vgl. bereits oben C. VI. 2. b) zum Problem des consumer moral hazard). Garantien werden vertraglich vielmehr in aller Regel nur für Mängel in Material und Verarbeitung gewährt. In Garantie-AGB findet sich häufig die folgende positive Formulierung: „Wir gewährleisten, dass das Produkt während der Garantiezeit frei von Fehlern bezüglich Material und Verarbeitung sowie Fabrikationsfehlern ist.“35 Die Beschränkung der Garantie auf Fehler in Material und Verarbeitung entspricht wiederum der Signalwirkung von Garan­ tien; sie ist aus diesem Grund auch bei der Garantiewerbehaftung zu beachten. Ein Fehler in Material oder Verarbeitung liegt nur vor, wenn sich trotz verkehrsüblicher Handhabung Mängel zeigen. Auch die Garantiewerbehaftung erstreckt sich aus diesem Grund nur auf Mängel, die auf Fehler in Material und Verarbeitung zurückzuführen sind. Daraus folgt umgekehrt, dass Mängel, die auf eine fehlerhafte Handhabung durch den Käufer (oder durch Dritte) zurückgehen, keine Garantieansprüche auslösen.36 Welche Handhabung (noch) verkehrsüblich, welche hingegen (schon) unsachgemäß ist, lässt sich allerdings nicht abstrakt bestimmen und hängt von der jeweiligen Kaufsache ab.37 Daraus resultieren für den Käufer jedoch keine NachAndroulakis, Die Herstellergarantie, S.  167, Ziff.  83; vgl. auch die Garantiebedingungen der BMW AG bei LG München, DAR 2013, 385 Rn.  15. 35  Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  167, Ziff.  76. 36  Vgl. bereits zum alten Recht BGH NJW 1996, 2504, 2505 f. („Auch wenn sich dies aus den [AGB] nicht unmittelbar ergibt, entspricht es doch allgemeiner Ansicht, daß der Verkäufer nach seiner auf der Hand liegenden Interessenlage für Fehler, die auf ein Verschulden des Käufers zurückzuführen sind, nicht einstehen will.“) Vgl. auch BT-Drs. 14/6040, S.  239, wo der Gesetzgeber von der Zulässigkeit entsprechender Ausschlussgründe ausgeht. Abzulehnen ist aus diesem Grund LG Berlin, Urteil v. 28.11.2014 – 15 O 601/12, das unter [1.5] eine Klausel in der Herstellergarantie von Apple wegen ihrer angeblichen inhaltlichen Unbestimmtheit für unwirksam erklärt, wonach die Einhaltung der gerätebezogenen Nutzungsrichtlinien des Herstellers Voraussetzung für die Geltendmachung von Garantieansprüchen ist. Das Gericht verkennt, dass Apple sich vor consumer moral hazard schützen können muss, siehe oben unter C. VI. 2. b). Bei Kfz-Garantien ist zweifelsfrei anerkannt, dass der Anspruch ausgeschlossen werden kann, wenn der Mangel auf Nichteinhaltung von Vorgaben in der Bedienungsanleitung beruht, vgl. LG Berlin, DAR 2013, 385, 386 f.; etwas allgemeiner BGH NJW 2008, 214 Rn.  15. 37  Möglich erscheint aber eine Konkretisierung mit Blick auf die Kategorie des bestim34 

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teile: Die Beweislast dafür, dass der Mangel kausal auf eine unsachgemäße Handhabung zurückgeht, trägt der Garantiegeber. Dies ergibt sich aus der Vermutung des §  443 Abs.  2 BGB38 und entspricht auch der Rechtsprechung im Bereich vertraglicher Garantien.39 Der Käufer muss auch nicht etwa positiv darlegen und beweisen, dass der Mangel auf einen Material- oder Verarbeitungsfehler zurückzuführen ist.40 Zum einen kann er, da er in aller Regel kein Experte ist, die genaue Ursache für den Mangel in aller Regel gar nicht erkennen. Zum anderen liefe eine entsprechende Darlegungslast darauf hinaus, dass der Käufer entgegen §  443 Abs.  2 BGB darlegen müsste, für den Mangel nicht selbst verantwortlich zu sein. Der Käufer genügt seinen Substanziierungsanforderungen aus diesem Grund bereits, indem er darlegt, dass ein Mangel im Sinne des §  434 BGB während der beworbenen Garantiefrist aufgetreten ist. c) Kein Wahlrecht zwischen Reparatur und Ersatzlieferung Der Käufer kann nach §  443 Abs.  1 BGB im Regelfall nicht zwischen Reparatur und Ersatzlieferung wählen. Für ein solches Wahlrecht scheint zwar die Wertung des §  439 Abs.  1 BGB zu sprechen. Im Falle der Garantiewerbehaftung spricht hiergegen jedoch der beschränkte Umfang der Signalwirkung von Garantiewerbung, die für die Bestimmung der Rechtsfolgen zentral ist: Die Garantie(werbung) signalisiert „nur“, dass dem Käufer die Möglichkeit, die Kaufsache zu gebrauchen, während der Garantiedauer erhalten bleibt. Auf welche Weise die Gebrauchsmöglichkeit gegebenenfalls im Falle der Funktionsuntüchtigkeit wiederhergestellt wird, signalisiert die Werbung hingegen nicht. Hier kann der Werbende die für ihn kostengünstigere Art der Mängelbeseitigung wählen. Der Klageantrag des Käufers muss sich daher, ähnlich wie bei §  635 BGB, allgemein darauf richten, dass der Werbende den aufgetretenen Mangel beseitigt.41 Eine andere Beurteilung ist allerdings geboten, wenn schon die Garantiewerbung die Rechte aus der Garantie näher konkretisiert und das Signal entsprechend spezifiziert. Im Isolarglasfall42 beispielsweise warb ein Hersteller von Isolarglaseinheiten mit einer Garantie auf die von ihm produzierten Fenstermungsgemäßen Gebrauchs im Rahmen von §  3 ProdHaftG, vgl. hierzu Staudinger/Oechsler, §  3 ProdHaftG Rn.  61. 38  BT-Drs. 14/6040, S.  239; Büdenbender, DStR 2002, 361, 363; Staudinger/MatuscheBeckmann, §  443 Rn.  26. 39  LG München DAR 2013, 385 Rn.  58; vgl. schon zum alten Recht (vor Einführung des §  443 BGB) BGH NJW 1996, 2504, 2506. 40  BT-Drs. 14/6040, S.  239. 41  Vgl. zum Klageantrag bei §  635 BGB MünchKommBGB/Busche, §  635 Rn.  43 f. m. w. N. 42  BGH NJW 1979, 2036.

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scheiben; die aus der Garantie resultierenden Rechte konkretisierte er ausdrücklich dahingehend, dass ein „Ersatz der fehlerhaften Isolar-Glas-Einheit“ geschuldet wird. Hier hat der Käufer unmittelbar aus §  443 Abs.  1 BGB einen Anspruch auf Ersatzlieferung im Falle eines Mangels. d) Anspruch auf kostenlose Mangelbeseitigung Der Käufer hat einen Anspruch auf kostenlose Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit. Der Werbende kann insbesondere keine Material-, Versand- oder Fahrtkosten geltend machen. Auch dies folgt aus der Signalwirkung der Garantiewerbung: Die Garantie nimmt entscheidenden Einfluss auf die Preisbildung am Markt. Sie formt die Qualitätserwartungen des Käufers, beeinflusst damit seine subjektiven Äquivalenzvorstellungen und seine Zahlungsbereitschaft. In diese Kalkulation können die Folgekosten für etwaige Garantieleistungen allerdings gerade aufgrund der erheblichen Informationsasymmetrien, die die Garantiewerbung beseitigen will, nicht eingehen: Zum einen weiß der Käufer in aller Regel nicht, mit welcher Wahrscheinlichkeit es zu einem Mangel kommt, der dann dazu führt, dass die Folgekosten anfallen; über die entsprechenden Wahrscheinlichkeitswerte verfügt nur der Hersteller. Zum anderen hat der Käufer auch keine Kalkulationsgrundlage, um etwaige Materialkosten zu bestimmen; diese kennt wiederum nur der Hersteller. Außerdem hängen die Materialkosten vom jeweiligen Mangel ab, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit dem Käufer unbekannt ist. Der Käufer müsste, um sich einen Überblick über die zu erwartenden Folgekosten zu verschaffen, die Wahrscheinlichkeit bestimmter Mängel mit den entsprechenden Materialkosten multiplizieren. Hierfür fehlen ihm schlichtweg die erforderlichen Informationen.43 Ähnliche Erwägungen sprechen auch gegen die Möglichkeit, Fahrtkosten geltend zu machen: Diese hängen davon ab, mit welchen Dienstleistern der Werbende zusammenarbeitet, ob er sich also beispielsweise verfügbarer Reparaturwerkstätten vor Ort bedient oder aber eigenes Personal einsetzt, das unter Umständen einen längeren Fahrtweg hat. Auch hier kann der Käufer nicht abschätzen, welche Folgekosten auf ihn zukommen können. Dieselben Bedenken greifen schließlich auch bei Transport- und Versandkosten: Auch hier weiß der Käufer nicht, an welche Reparaturwerkstatt er die Kaufsache eventuell versenden muss, wenn ihm als Informationsgrundlage nur die Garantiewerbung zur Verfügung steht; derartige Detailinformationen lassen sich der Werbung nämlich im absoluten Regelfall nicht entnehmen. Könnte der Werben43  Selbst wenn dem Käufer die erforderlichen Informationen zur Verfügung stünden, wäre es höchst unwahrscheinlich, dass der verständige Durchschnittsverbraucher – auf den es im europäischen Verbraucherrecht ankommt – eine entsprechende komplizierte Berechnung durchführt.

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de nun beispielsweise den Transport der Ware in das außereuropäische Ausland auf Kosten des Käufers verlangen,44 würden zahlreiche Garantieansprüche wirtschaftlich entwertet. Diese Erwägungen zeigen, dass eine Garantie, die unabwägbare Folgekosten verursachen kann, Informationsasymmetrien nicht abbaut, sondern vielmehr perpetuiert. Eine korrekte Preiskalkulation ist für den Käufer unter diesen Umständen nämlich nicht möglich: Anstatt ein bestimmtes Gut mit einer bestimmten Gebrauchsdauer zu einem bestimmten Preis X zu erhalten, erhält er es zu dem Preis X plus den zu erwartenden, nicht näher bekannten Folgekosten. Diese wirken wie eine verdeckte, der Höhe nach unbestimmte Preiserhöhung, die auch durch den Wettbewerb nicht kontrolliert wird. Folgekosten für Garantieleistungen sind mit dem europarechtlichen Schutz der Signalwirkung von Garantien aus diesem Grund nicht vereinbar. Ansprüche aus Garantiewerbehaftung sind Ansprüche auf kostenlose Mangelbeseitigung. e) Möglichkeiten der Einschränkung des Anspruchs durch den Werbenden Der Werbende kann die oben beschriebenen Rechtsfolgen nur dadurch gestalten, dass er Einschränkungen seiner Garantieleistungen schon in der Werbung kenntlich macht. Kfz-Hersteller können beispielsweise darauf hinweisen, dass eine Reparatur nur in Fachwerkstätten erfolgt. Jeder Käufer kann dann leicht überprüfen, ob sich eine Fachwerkstatt in seiner Nähe befindet und ob die Garantie sich für ihn lohnt. Der Werbende präzisiert in diesem Fall die Signalwirkung, die von der Garantiewerbung ausgeht. Gegen eine Einschränkung des Anspruchs des Käufers bestehen daher unter Signalinggesichtspunkten keine Bedenken. Will der Werbende einen Teil der Kosten für die Reparatur auf den Käufer abwälzen, ist ebenfalls ein Hinweis in der Werbung selbst erforderlich. Dieser Hinweis muss präzise genug sein, um eine korrekte Preiskalkulation aus Sicht des Käufers zu ermöglichen. Ein allgemeiner Hinweis (beispielsweise: „Folgekosten können entstehen.“) genügt aus diesem Grund nicht. Der Werbende muss vielmehr die konkret entstehenden Kosten beziffern. Beispielsweise kann er darauf hinweisen, dass pro Garantiefall eine Selbstbeteiligung in Höhe von „maximal 50 Euro“ anfallen kann. Zum anderen muss der Hinweis an auffälliger Stelle platziert werden. Einschränkende Hinweise sind vor dem Hintergrund des Signalingkonzepts nur beachtlich, wenn sie in der Werbung selbst enthalten sind. Etwaige Einschränkungen müssen also auf dieselbe Art und Weise kommuniziert werden wie die Ankündigung selbst, das heißt, sie müssen dieselbe Aufmerksamkeit bei potentiellen 44  Dass dies kein unrealistisches Beispiel ist, zeigt LG Berlin, Urteil v. 28.11.2014 – 15 O 601/12 – Juris (zu den Garantiebedingungen von Apple).

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Nachfragern erregen wie die Garantiewerbung (vgl. auch die parallelen Anforderungen an die Berichtigung von Garantiewerbung unter I. I. 1. f) bb)). Wirbt beispielsweise der Hersteller auf seiner Website mit einem Banner, auf dem in Großschrift und farblich herausgehoben mit einer mehrjährigen Garantie geworben wird, dann müssen auch die Einschränkungen in diesem Banner selbst genannt werden. Es genügt nicht, wenn sie beispielsweise nur in einer Fußnote in Kleinschrift enthalten sind. Für diese Sichtweise sprechen ergänzend auch die Wertungen von Art.  3 Abs.  1 Satz  1 Preisangaberichtlinie45 sowie §  5 PkwEnVKV46 in Verbindung mit Art.  6 EG-Kraftstoffverbrauch-Richtlinie47. Art.  3 Abs.  1 Satz  1 i. V. m. Artt.  1, 2 lit.  a) Preisangaberichtlinie bestimmt, dass der Verbraucher in allen Angeboten von Händlern über den Verkaufsendpreis zu informieren ist. Als Angebote zählen dabei nach der Rechtsprechung des EuGH nicht nur rechtsgeschäftliche Wil­ lens­erklärungen, sondern auch Werbeaussagen, die Informationen zum Preis des angebotenen Erzeugnisses enthalten.48 Mit den Anforderungen der Preisangaberichtlinie befasste sich der EuGH in einem neueren Urteil, das auch für die hiesige Untersuchung interessant ist:49 Der Autohersteller Citroën warb in einer Zeitungsanzeige für einen Neuwagen, wobei der angegebene Preis nicht die Überführungskosten enthielt; diese Zusatzkosten waren nur in einer Fußnote am unteren Rand der Anzeige angegeben. Dies genügte den Anforderungen der Richtlinie nicht.50 Der EuGH leitete seine Bewertungsmaßstäbe dabei vor allem aus dem Zweck der Richtlinie ab, die auf eine bessere Unterrichtung der Verbraucher und eine Erhöhung der Preistransparenz im Binnenmarkt abzielt.51 Ähnliche Anforderungen bestehen auch für Pflichtangaben nach der EG-Kraftstoffverbrauch-Richtlinie. Gemäß §  5 Abs.  1 i. V. m. Anlage 4 Abschnitt I Nr.  2 PkwEnVKV52 muss Pkw-Werbung bestimmte Angaben über den Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emmissionen enthalten. Diese dürfen dabei „nicht ­weniger 45 

Richtlinie 98/6/EG. Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO2-Emissionen und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen vom 28.05.2004, BGBl.  I S.  1037. 47  Richtlinie 1999/94/EG. 48  EuGH EuZW 2016, 790 Rn.  30. 49  EuGH EuZW 2016, 790. 50  Dies ergibt sich mittelbar aus EuGH EuZW 2016, 790 Rn.  37 ff., wobei der EuGH im Vorlageverfahren keine direkte Bewertung der streitgegenständlichen Werbung vornimmt; dies ist vielmehr Aufgabe der mitgliedstaatlichen Gerichte (vgl. auch Rn.  32). Aus den Erwägungen des EuGH folgt aber, dass die Angabe eines Preisbestandteils in einer Fußnote den europarechtlichen Anforderungen nicht genügen kann, vgl. die Anm. von Loacker, EuZW 2016, 792. 51  EuGH EuZW 2016, 790 Rn.  26 ff. 52  Verordnung über Verbraucherinformationen zu Kraftstoffverbrauch und CO -Emissionen 2 und Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen vom 28.05.2004, BGBl.  I S.  1037. 46 

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hervorgehoben sein als der Hauptteil der Werbebotschaft“ (Anlage 4 Abschnitt I Nr.  2 PkwEnVKV).53 Schutzzweck ist auch hier gemäß Art.  1 EG-Kraftstoff­ verbrauch-Richtlinie die informierte Verbraucherentscheidung: „Informationen haben einen wesentlichen Einfluß auf das Wirken der Marktkräfte.“54 Der Europäische Gesetzgeber geht also auch hier davon aus, dass bestimmte Informationen auf dem Markt nur eine Wirkung entfalten können, wenn sie zentral platziert werden. Dieser Maßstab muss auch für Garantiewerbung gelten: Diese hat eine herausgehobene Informationsfunktion für den Binnenmarkt (siehe oben unter C. V., C. VI. 4.). Die Garantiewerbehaftung kann daher nur Einschränkungen erfahren, wenn sich diese Einschränkungen aus dem Werbetext selbst er­ geben. f) Kein verschuldensunabhängiger Anspruch auf Schadensersatz Die Garantie begründet nach §  443 Abs.  1 BGB im Regelfall keinen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Schadensersatz für mangelbedingte Folgeschäden.55 Dies gilt sowohl für die vertragliche Garantie als auch für die gesetzliche Garantiewerbehaftung. Zwischen einer „Garantie“ im Sinne von §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB und der kommerziellen Garantie nach §  443 BGB ist streng zu unterscheiden.56 Bei der kommerziellen Garantie handelt es sich nach Art.  1 Abs.  2 lit.  e Verbrauchsgüterkaufrichtlinie vielmehr um eine „Verpflichtung, den Kaufpreis zu erstatten, das Verbrauchsgut zu ersetzen oder nachzubessern oder in sonstiger Weise Abhilfe zu schaffen, wenn das Verbrauchsgut nicht den in der Garantieerklärung oder in der einschlägigen Werbung genannten Eigenschaften entspricht“.

Die von §  443 Abs.  1 BGB erfasste Verpflichtung ist mithin eine solche, die Ansprüche auf Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit begründet (ganz ähnlich wie auch der modifizierte Erfüllungsanspruch aus §  439 Abs.  1 BGB). Dies gilt ausweislich des Wortlauts sowohl für Verpflichtungen, die auf Garantiewerbung beruhen, als auch für solche, die sich aus einer rechtsgeschäftlichen Garantieerklärung ergeben. Weder aus der rechtsgeschäftlichen Garantie noch aus der

53 

Kritikwürdig ist vor diesem Hintergrund die Entscheidung des LG Berlin, GRUR-RR 2017, 128626, das Angaben in einer Fußnote für ausreichend hält. 54  Erwägungsgrund 5 EG-Kraftstoffverbrauch-Richtlinie. 55  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  11. 56 Zutreffend Büdenbender, DStR 2002, 361, 363 („Garantiezusagen, die nicht mit Garantieübernahmen als Sonderfall des Vertretenmüssens nach §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB verwechselt werden dürfen“); BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  11; Zerres/Twigg-Flesner, ZVglRWiss 105 (2006), 19, 42.

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gesetzlichen Garantiewerbehaftung folgen mithin automatisch verschuldensunabhängige Ansprüche auf Schadensersatz für mangelbedingte Folgeschäden.57 Dieses Verständnis steht sicherlich in Widerspruch zur traditionellen deutschen Ansicht: Diese hat den Garantievertrag stets mit der Übernahme einer verschuldenslosen Schadensersatzhaftung für bestimmte Mängel assoziiert und fordert aus diesem Grund für das Zustandekommen eines Garantievertrags einen unbedingten Einstandswillen des Garantiegebers.58 Dieses traditionelle Verständnis prägte auch die Unterscheidung zwischen Beschaffenheits- und Haltbarkeitsgarantien nach §  443 BGB a. F.: Vertragliche Beschaffenheitsgarantien sollten – anders als Haltbarkeitsgarantien – eine verschuldensunabhängige Schadensersatzhaftung für eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs begründen.59 Dieses Verständnis entspricht allerdings nicht der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, die Fragen der Schadensersatzhaftung überhaupt nicht regelt (vgl. Art.  8 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie).60 Garantien im Sinne der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie sind nur Haltbarkeitsgarantien, die sich auf den Erhalt der Nutzungsmöglichkeit der Kaufsache über einen bestimmten Zeitraum (die Garantiedauer) beziehen.61 Dies spiegelt sich auch in Erwägungsgrund 21 der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie, wo es heißt: „Bei bestimmten Warengattungen ist es üblich, daß die Verkäufer oder die Hersteller auf ihre Erzeugnisse Garantien gewähren, die die Verbraucher gegen alle Mängel absichern, die innerhalb einer bestimmten Frist offenbar werden können.“ (Hervorhebung nur hier)

Vor diesem Hintergrund ist die Neufassung des §  443 BGB, die den Terminus „Beschaffenheitsgarantie“ aufgegeben hat, zu begrüßen (siehe bereits oben unter D. IV. 2.). Ein Garantievertrag im Sinne von §  443 BGB kann aus diesem Grund

57  In vertraglichen Garantien können solche Ansprüche zwar theoretisch vorgesehen werden; im Regelfall werden aber sogar verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche im Rahmen des rechtlich Möglichen ausgeschlossen, vgl. Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  168. 58  Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  5; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  27, 36; unklar BeckOGK/ Stöber, §  443 Rn.  26, 52, der zwar auch von einer „verschuldensunabhängigen Einstandspflicht“ spricht, diese aber möglicherweise nicht auf mangelbedingte Folgeschäden erstrecken will; gemeint ist vielleicht nur, dass der Erfüllungsanspruch als Primäranspruch – ähnlich wie der modifizierte Erfüllungsanspruch nach §  439 BGB – von einem Verschulden unabhängig ist. Dies wäre natürlich zutreffend. 59  Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  112 ff., 148; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  51 f.; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  14, 28. 60  Zutreffend BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  11; vgl. Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garantien, KOM(95) 520 endg., S.  10; a. A. Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  123, allerdings auf Basis von §  443 Abs.  1 BGB a. F. 61  Ähnlich auch MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  1.

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auch zustande kommen, wenn der Garantiegeber keinen unbedingten Einstandswillen im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung hat. Dies bedeutet nicht, dass es nach neuem Recht keine „Beschaffenheitsgarantien“ mehr geben kann. Vielmehr steht es dem Käufer frei, mit dem Hersteller oder Verkäufer vertraglich zu vereinbaren (§  311 BGB), dass diese bei Auftreten einer Funktionsstörung verschuldensunabhängig für alle oder aber für bestimmte mangelbedingte Folgeschäden eintreten sollen. Bei einer solchen vertraglichen Beschaffenheitsgarantie handelt es sich um eine Garantie im Sinne von §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB. Die Vereinbarung einer Beschaffenheitsgarantie kann aus diesem Grund in der Tat nur bei einem besonderen, unbedingten Einstandswillen des Verkäufers bzw. des Herstellers angenommen werden;62 sie wird in aller Regel auch nicht kostenlos sein.63 Vor diesem Hintergrund führen auch Verletzungen der aus einer kommerziellen Garantie nach §  443 Abs.  1 BGB resultierenden Pflichten im Regelfall – wenn nicht zusätzlich eine Garantie im Sinne von §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB vorliegt – ebenfalls nur bei einem Verschulden des Garantiegebers zu Schadensersatzansprüchen nach §§  280 ff. BGB.64

3. Marktordnungsrechtliche Tendenzen bei der Auslegung von Garantieerklärungen in der Rechtsprechung des BGH Die soeben dargestellten Rechtsfolgen wurden im Wege der teleologischen Auslegung aus der Signalwirkung von Garantiewerbung abgeleitet. Die so gewonnenen Rechtsfolgen mögen vielleicht als weitgehend erscheinen. Tatsächlich orientieren sie sich aber eng an den bereits bisher von Rechtsprechung und Literatur entwickelten Ergebnissen zur Lückenfüllung bei inhaltsarmen Garantieverträgen. Formal hält die Rechtsprechung seit jeher daran fest, dass eine verbindliche Garantie nur durch individuellen Vertrag nach §  311 BGB zustande kommen kann.65 Tatsächlich manifestieren sich in der garantierechtlichen Rechtsprechung jedoch seit langem marktordnungsrechtliche Tendenzen. Die Rechtsprechung hat umfassende Auslegungsgrundsätze entwickelt, die lückenhafte Garantieverträge mit Inhalt füllen sollen und ohne die eine Anspruchskonkretisierung im Einzelfall häufig gar nicht möglich wäre.66 Insofern besteht eine bemerkensBGH NJW 2007, 1346 Rn.  20; Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  355. Oechsler, Vertragliche Schuldverhältnisse, Rn.  355: Niedriger Kaufpreis spricht gegen einen entsprechenden Einstandswillen. 64  Vgl. OLG Frankfurt, NJOZ 2010, 2153, 2156. 65  Vgl. BGH NJW 1988, 1726, 1727 m. w. N. 66  Davon geht auch der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Drs. 14/6040, S.  237. 62 

63 Vgl.

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werte Parallele zu der Rechtsprechung zu konkludenten Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf (vgl. hierzu ausführlich unter E. I. 2.), die sich nur durch die Verfolgung überindividueller, marktordnungsrechtlicher Zwecke erklären lässt. Der Lückenfüllungsmechanismus zeigte sich erstmals deutlich im oben (E. I. 1. c) bb)) erörterten Isolarglasfall.67 Hier war fraglich, welche Ansprüche aus einem Garantievertrag resultieren sollten, der allein aufgrund von Werbeangaben in einem Prospekt zustande kam. Eine auf diese Weise zustande kommende Garantie ist zwangsläufig inhaltsarm, sodass ein Lückenfüllungsmechanismus erforderlich ist. Der BGH musste zahlreiche Fragen entscheiden, zu denen das Werbeprospekt schwieg: Zu entscheiden war unter anderem, ob dem Kläger ein Selbstvornahmerecht zustehen sollte, nachdem der Hersteller den Austausch der Scheiben zu Unrecht verweigert hatte. Außerdem war fraglich, innerhalb welcher Frist die Ansprüche des Klägers aus der Garantie verjähren sollten. Zur Lückenfüllung griff der BGH nicht auf das allgemeine Leistungsstörungsrecht zurück, wie es einer vertraglichen Lösung an sich am besten entsprochen hätte. Stattdessen stellte das Gericht auf den „Sinn und Zweck“ sowie die „wirtschaftliche Funktion“ der Garantie ab: Diese liege darin, „die Mängelansprüche [zu] verstärken, die dem Endabnehmer gegen den von ihm beauftragten Werkunternehmer (Glaser) zustehen“. Daraus folgerte der BGH, dass der Garantievertrag „sich [...] an werkvertragliches Gewährleistungsrecht“ anlehnen müsse. Aus diesem Grund stehe dem Endabnehmer ein Selbstvornahmerecht analog §  637 BGB (§  633 Abs.  3 a. F.) zu und aus diesem Grund greife zu seinen Gunsten auch die fünfjährige werkvertragliche Verjährungsfrist (analog §  634a Abs.  1 Nr.  2 BGB bzw. §  638 Abs.  1 Satz  1 BGB a. F.). Auch wenn das vom BGH gefundene Ergebnis überzeugt: Die vom Gericht angenommenen Rechtsfolgen lassen sich nicht aus einer Auslegung des Werbeprospekts nach §§  133, 157 BGB ableiten. Im Zeitpunkt der (angeblichen) vertraglichen Einigung konnte der Hersteller noch überhaupt nicht wissen, welche Art von Vertrag der Endabnehmer über die Glasscheiben abschließen würde. Nach Ansicht des BGH gebietet es aber die „wirtschaftliche Funktion“ der Garantie, die aus ihr folgenden Rechte analog zu den Gewährleistungsrechten des jeweils begünstigten Endabnehmers auszugestalten. Diese Art und Weise der Lückenfüllung erlaubt indes Rückschlüsse auf den eigentlichen Rechtsgrund der Haftung für Werbeangaben: Es handelt sich um eine gesetzliche Haftung, deren Rechtsfolgen – wie auch oben vorgeschlagen – unter Rückgriff auf die wirtschaftliche Funktion der Garantie zu konkretisieren sind.

67 

BGH NJW 1979, 2036.

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Problematisch ist die Argumentation des BGH vor allem deswegen, weil sie aus einer vertragsrechtlichen Perspektive erfolgt. Der BGH gibt vor, die Rechtsfolgen aus einer Auslegung des Garantievertrages nach §§  133, 157 BGB zu folgern. Zugleich weist die Begründung des BGH aber auch in eine andere, richtige Richtung: Der BGH objektiviert die aus dem Werbeprospekt folgenden Ansprüche, indem er auf die „wirtschaftliche Funktion“ der Garantie für den Endabnehmer abhebt. Er löst sich von den Umständen des Einzelfalls und von einer Anwendung der §§  133, 157 BGB. Die Auslegung eines Vertrages zielt nämlich darauf ab, den normativen Sinngehalt einer Erklärung unter Berücksichtigung der individuellen Umstände, unter denen der Vertrag zustande gekommen ist, zu ermitteln (vgl. bereits ausführlich oben unter D. III. 2. a)).68 Der BGH hingegen nimmt keine individualisierende Betrachtung der Werbebotschaft vor und fragt nicht danach, wie der individuelle Kunde die Werbung nach seinem objektiven Empfängerhorizont verstehen musste. Hätte der BGH den Kläger als individuellen Endabnehmer in den Blick genommen, hätte er jegliche Ansprüche verneinen müssen: Denn der Kläger hatte die Werbung vor dem Kauf nicht zur Kenntnis genommen und konnte daher ein darin liegendes Angebot nicht – auch nicht konkludent – annehmen. Der BGH trägt mit seinem Ergebnis allerdings dem Umstand Rechnung, dass Werbung sich an einen großen Kreis potentieller Abnehmer richtet. Sie kann daher nicht wie eine an eine bestimmte Person gerichtete Willenserklärung beurteilt werden. Maßgeblich ist vielmehr ihre spezifische Wirkung auf dem Markt. Der BGH begründet die Verpflichtungswirkung aus diesem Grund zutreffend unabhängig vom individuellen Verständnishorizont des jeweiligen Endabnehmers. Diese Lösung muss dogmatisch allerdings außerhalb des Vertragsrechts eingeordnet werden.

4. Marktordnungsrechtliche Tendenzen bei der Auslegung von Garantieerklärungen in der Literatur In der Literatur zeigt sich eine ganz ähnliche Herangehensweise bei der Auslegung „inhaltsarmer“ Garantien: Für Herstellergarantien hat sie im Wege der „ergänzenden Vertragsauslegung“ bestimmte (wenn auch zum Teil streitige) Auslegungsgrundsätze entwickelt, die den inhaltlichen Gehalt einer „typischen“ Herstellergarantie konkretisieren sollen.69 Fehlt es in der Garantieerklärung an Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, Band 2, S.  312. Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  108 ff.; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  147 ff.; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  50 ff.; MünchKomm­ BGB/Westermann, §  443 Rn.  15 ff.; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  23 ff. Die Auslegungsgrundsätze wurden vor allem für Herstellergarantien entwickelt, da Verkäufergarantien vor der Schuldrechtsreform als „unselbständige Garantien“ begriffen wurden (vgl. dazu Eisen68 

69 Vgl.

212

I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

entsprechenden Spezifizierungen, so soll insbesondere die Herstellergarantie folgenden Inhalt haben: Sie verpflichte den Hersteller nur zu Reparatur oder zum Austausch des mangelhaften Produkts, und zwar nach Wahl des Herstellers.70 Er schulde keinen verschuldensunabhängigen Schadensersatz.71 Unterbleibe die Reparatur, könne der Käufer vom Hersteller außerdem verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, als habe er den Kaufpreis gemindert oder sei wirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.72 Der Hersteller übernehme eine Einstandspflicht allerdings nur für Mängel in Material und Verarbeitung, nicht aber für Mängel, die auf einer späteren Handelsstufe – beispielsweise durch fehlerhafte Lagerung des Produktes – entstanden seien.73 Garantieansprüche seien ausgeschlossen, wenn der Käufer den Mangel selbst verursacht habe.74 Jedoch trage der Hersteller die Beweislast dafür, dass der Mangel außerhalb seines Einflussbereichs entstanden sei.75 Ansprüche aus der Herstellergarantie sollen nach kaufrechtlichen Vorschriften verjähren.76 Sämtliche Regelungen sollen für den Fall gelten, dass der Hersteller in der Garantieerklärung keine abweichenden Regelungen trifft. Die Ähnlichkeiten zu den oben vorgeschlagenen Rechtsfolgen treten deutlich hervor. Die Annahme standardisierter Garantieinhalte durch die Literatur kann zwar überzeugen, da sie den Garantieinhalt objektiviert und von den Umständen des Einzelfalls löst. Diese Standardisierung zeigt sich besonders deutlich in der Art und Weise, wie die Auslegungsgrundsätze von der Literatur gewonnen werden: hut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  11 ff. m. w. N.) und zum Teil noch werden (vgl. BeckOGK/ Stöber, §  443 Rn.  30 ff.). Als solche sollen sie lediglich unselbständiger Bestandteil des Kaufvertrages sein und die kaufrechtlichen Ansprüche des Käufers modifizieren. Vor diesem Hintergrund ist das Bedürfnis nach Lückenfüllung geringer, da in vertraglich nicht geregelten Bereichen auf die §§  434 ff. BGB zurückgegriffen werden kann. Die Unterscheidung zwischen „selbständigen“ Herstellergarantien und „unselbständigen“ Verkäufergarantien findet in Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 BGB) indes keine Entsprechung und ist aus diesem Grund abzulehnen, vgl. auch BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  17. 70  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  111 f.; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  51; ähnlich Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  147; ähnlich auch BT-Drs. 14/6040, S.  239 für Verkäufergarantien. 71  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  112; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  52; a. A. Palandt/Weidenkaff, §  443 Rn.  12. 72  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  51. 73  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  109 f.; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  50; MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  15; ähnlich Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  23. 74  Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  24. 75  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  110 f.; BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  50; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  26. 76  BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  48; a. A. Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  113 ff.: Regelverjährung nach §  195 BGB; ebenso auch BGH WM 1977, 365, 366.

I. Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung

213

Um den Umfang der Herstellergarantie zu bestimmen, werden die abstrakt-generellen Interessen des Herstellers gegen die abstrakt-generellen Interessen des Käufers abgewogen. So wird beispielsweise ausgeführt, dass der Hersteller ein Interesse daran habe, sein Risiko in einem überschaubaren Rahmen zu halten.77 Aus diesem Grund wolle er keine verschuldensunabhängige Haftung übernehmen; er wolle auch nur für Mängel aus seinem eigenen Produktionsbereich haften.78 Einem Käufer sei die entsprechende Einschränkung des Leistungsspektrums zumutbar, weil er schließlich nicht für die Garantie zahle. Die Garantie sei sich vielmehr eine rein freiwillige Leistung des Herstellers, die deswegen keinen Mindestinhalt aufweisen müsse.79 Dogmatisch können diese Auslegungsgrundsätze jedoch ebenso wenig die Auslegung durch den BGH im Isolarglasfall auf eine ergänzende Vertragsauslegung gestützt werden. Hierzu wird der Inhalt der „typischen“ Herstellergarantie zu stark standardisiert, ohne dass die individuellen Erklärungsumstände noch Bedeutung entfalten; gerade in dieser Standardisierung zeigt sich der eigentliche, marktordnungsrechtliche Charakter der Haftung (siehe dazu bereits oben unter D. III. 2. a) dd)). Dies gilt erst recht, wenn im Wege der „ergänzenden Vertragsauslegung“ gleich komplett die analoge Anwendung des §  437 BGB befürwortet wird.80 In der Literatur bilden die Kapitel zur „Lückenfüllung“ feste Bestandteile der Ausführungen zur §  443 BGB.81 Durch die Auslegungsgrundsätze wird ein derartig dichtes Netz an Auffangregelungen geschaffen, dass Hersteller sich im Grunde darauf beschränken könnten, den Käufern – ohne jegliche weitere Spezifizierung – eine „Garantie“ zu versprechen. Eine Festlegung der essentialia negotii in der Garantieerklärung erscheint – mit Ausnahme der Garantiefrist – nicht mehr als erforderlich. Die Auslegungsgrundsätze treten damit funktional an die Stelle von dispositivem Gesetzesrecht; sie schaffen „default rules“ für Garantien. Der Geltungsgrund dieser „default rules“ liegt aber nicht in der privatautonomen Gestaltung durch die Parteien des Garantievertrages. Sie sollen ja vielmehr gerade dort eingreifen, wo keine Grundlage für ein „Fortdenken“ des Vertrages im Sinne der Parteien vorliegt.82 Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  110. Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  109 ff. 79  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  112. 80  Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  23, 27; NK/Büdenbender, §  443 Rn.  35; Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  147. 81  Vgl. BeckOK BGB/Faust, §  443 Rn.  37 ff. („Lückenfüllung“); MünchKommBGB/Westermann, §  443 Rn.  15 ff. („Inhaltlich unklare Garantie“); Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  147 f.; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  23 ff. („Ergänzende Vertragsauslegung“). 82 Vgl. Hanke, Die Garantie in der kaufrechtlichen Mängelhaftung, S.  147: Die Regeln zur 77  78 

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

Auch wenn die von der Literatur gewonnen Lückenfüllungsregeln im Ergebnis überzeugen können, so gibt die Literatur doch keine überzeugende Erklärung für ihren Geltungsgrund. Die Ableitung eines kompletten dispositiven Regelungsprogramms für inhaltsarme Herstellergarantien aus „ergänzender Vertragsauslegung“ erscheint als eine rechtsgeschäftliche Fiktion. Derart umfangreiche, standardisierte Rechtsfolgen können nur aus dem Gesetz folgen. Geltungsgrund des gesetzlichen Schuldverhältnisses ist aus diesem Grund nach hiesiger Ansicht §  443 Abs.  1 BGB. Problematisch sind die von der Literatur vertretenen Auslegungsgrundsätze aus einem weiteren Grund: Sie beruhen, anders als die Ausführungen des BGH im Isolarglasfall, nicht auf einem stimmigen Gesamtkonzept der Garantie. Im Isolarglasfall entwickelt der BGH seine Ergebnisse anhand der „wirtschaftlichen Funktion“ der Garantie, die vom Ansatz her mit der hier für maßgeblich gehaltenen Signalfunktion vergleichbar ist. Ein solches Leitbild fehlt den Auslegungsgrundsätzen der Literatur. Dies zeigt sich vor allem in der wechselnden Bewertung der Interessen von Hersteller und Käufer: Mal sollen die Interessen des Herstellers überwiegen (zum Beispiel beim Umfang der Einstandspflicht), ein anders Mal die Interessen des Käufers (beispielsweise bei der Beweislast). Der Bewertungsmaßstab bleibt jedoch ebenso unklar wie die Herkunft bestimmter „Verkehrserwartungen“, die, obwohl sie nur behauptet werden, in der Argumentation nicht selten den Ausschlag geben. Es fehlt damit an einem konsistenten Bewertungsmaßstab, der sich, wie vom BGH im Isolarglasfall angenommen, nur aus der „wirtschaftlichen Funktion“ der Garantie ergeben kann. Die wirtschaftliche Funktion der Garantie liegt dabei nach hier vertretener Ansicht in ihrer Signalwirkung.

5. Ergebnis Der Umfang der gesetzlichen Garantiewerbehaftung folgt aus einer teleologischen Auslegung des §  443 Abs.  1 BGB. Maßgeblich ist der Schutzzweck der Garantiewerbehaftung, die Signalwirkung von Garantien zu fördern. Daraus folgt, dass der Käufer einen Anspruch auf solche Garantieleistungen hat, die dem Signal entsprechen, das durch die Garantiewerbung gesetzt wurde. Garantiewerbung setzt ein Qualitätssignal, indem sie potentiellen Käufern eine bestimmte Gebrauchsdauer der Kaufsache in Aussicht stellt. Die Garantiewerbehaftung begründet daher einen Anspruch des Käufers auf kostenlose Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit für den Fall, dass die Sache während der beworbenen Gaergänzenden Vertragsauslegung kommen dort zum Tragen, wo auch „die Vertragsumstände … keine Rückschlüsse auf die Garantierechte zu[lassen]“.

II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag

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rantiefrist im Sinne von §  434 BGB mangelhaft wird. Der Werbende muss die Sache nach seiner Wahl reparieren oder eine Ersatzsache liefern. Er darf dem Käufer dabei keine Montage-, Transport- oder Fahrtkosten in Rechnung stellen. Allerdings haftet der Werbende nicht, wenn der Mangel der Kaufsache auf eine unsachgemäße Handhabung durch den Käufer zurückgeht. Dass dies der Fall ist, muss der Werbende darlegen und beweisen (§  443 Abs.  2 BGB). Ansprüche aus Garantiewerbehaftung werden zudem gehemmt, wenn der Werbenden dem Käufer spätestens mit Lieferung der Kaufsache ein vertragliches Garantieangebot übermittelt.

II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag Im Falle eines Widerspruchs zwischen Garantievertrag und -werbung soll der Käufer sich nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie auf die für ihn günstigeren Werbeaussagen berufen können. Fraglich ist zunächst, in welchen Fällen ein relevanter Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag vorliegt; dies soll im Folgenden unter 1. erörtert werden. Fraglich ist außerdem, wie sich der Vorrang der Werbeaussagen vor der vertraglichen Vereinbarung dogmatisch begründen lässt; dies ist Gegenstand der Ausführungen unter 2.

1. Voraussetzungen der Garantiewerbehaftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag Voraussetzung für die Haftung des Werbenden ist zunächst – anders als bei der Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung (oben unter I. I.) – das Zustandekommen eines wirksamen Garantievertrages. Dieser muss sich außerdem in inhaltlicher Hinsicht in Widerspruch zu einschlägigen, vor dem Kauf verfügbaren Werbeaussagen befinden. a) Zustandekommen eines Garantievertrages Ob und gegebenenfalls wann ein Garantievertrag zustande kommt, richtet sich nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen. Die Verbrauchsgüterkaufrichtlinie statuiert diesbezüglich keine Anforderungen.83 Der Werbende übermittelt Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie über den Verbrauchsgüterkauf und -garan­tien, KOM(95) 520 endg., S.  16; vgl. auch Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  742. 83 

216

I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

dem Käufer in der Regel ein Garantieangebot dadurch, dass er der Kaufsache eine Garantiekarte oder ein ähnliches Garantieangebot beifügt.84 Der Käufer nimmt dieses Angebot konkludent bereits dadurch an, dass er es nicht durch nach außen hin erkennbare Willensäußerung ablehnt (vgl. bereits oben unter I. I. 1. g) bb)).85 Begründet werden die geringen Anforderungen an die Annahme dadurch, dass das Garantieangebot für den Käufer ausschließlich vorteilhaft und auch unentgeltlich sei.86 Die Annahme soll sogar noch Jahre nach dem Kauf möglich sein, da das Angebot jedenfalls solange fortgelte, wie die Garantiefrist noch nicht abgelaufen sei.87 Der Zugang der Annahmeerklärung sei in aller Regel nach §  151 S.  2 BGB entbehrlich.88 Statuiert der Garantiegeber allerdings besondere Voraussetzungen an die Annahme, zum Beispiel eine Registrierung des Produkts im Internet, muss der Käufer diese Anforderungen erfüllen, um den Garantievertrag zustande zu bringen. b) Vorliegen eines relevanten Widerspruchs Der Garantievertrag muss sich in inhaltlicher Hinsicht in Widerspruch zu einschlägigen, vor dem Kauf verfügbaren Werbeaussagen setzen. Für die Voraussetzungen in Bezug auf Einschlägigkeit und Verfügbarkeit der Werbung kann nach oben (I. I. 1. b) und c)) verwiesen werden. Fraglich ist allerdings, wann von einem Widerspruch zwischen einzelnen Klauseln des Garantievertrages und der Garantiewerbung ausgegangen werden kann. Dieser Frage wurde in der Literatur bisher erstaunlicherweise kaum Aufmerksamkeit geschenkt,89 obwohl sie ausgesprochen schwer zu beantworten ist. 84  Grundlegend BGH NJW 1981, 275, 276; vgl. auch BGH NJW 1981, 2248, 2249; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  110; hiervon geht auch der Gesetzgeber aus, vgl. BT-Drs. 14/6040, S.  237; nicht näher substantiierte Zweifel nun allerdings bei BGH MMR 2013, 586 Rn.  12: „Es erscheint schon als zweifelhaft, ob diese Rechtsprechung auch nach der der Umsetzung der Richtlinie 1999/44/EG dienenden Änderung der §§  443, 477 BGB noch gelten kann.“ 85  Grundlegend BGH NJW 1981, 275, 276; vgl. auch BGH NJW 1981, 2248, 2249 (Annahme durch „Entgegennahme“ der Garantieerklärung); Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  101 m. Fn.  423, der sich auf BGH NJW 2002, 276 stützt. 86  Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  101; Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  32 f. 87  Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  32 f.; ähnlich Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  125, der davon ausgeht, dass die Werbeaussagen zum Bestandteil eines anderweitigen Garantieangebotes werden, das dann seinerseits unbefristet gelte. 88  BGH NJW 1981, 2248, 2249; Staudinger/Matusche-Beckmann, §  443 Rn.  7; Eisenhut, Die kaufrechtliche Garantie, S.  100; Androulakis, Die Herstellergarantie, S.  31 f. 89  Vgl. aber die Ansätze bei Jorden, Verbrauchergarantien, S.  535 f.: Ein Widerspruch liege vor, wenn „ein durchschnittlicher Verbraucher der Garantiewerbung bei aufmerksamer und kritischer Würdigung eine Aussage entnimmt, die mit dem tatsächlichen Inhalt der rechtsgeschäftlich begründeten Garantieverpflichtung nicht in Einklang steht“. Weitere Kriterien dafür,

II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag

217

aa) Inhaltliche Reichweite schlagwortartiger Werbeaussagen Ob ein Widerspruch vorliegt oder nicht, bestimmt sich im Ausgangspunkt aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers (siehe bereits oben unter C. VI. 1. c) bb)).90 Fraglich ist allerdings, ob der Garantievertrag sich vollumfänglich an den Rechtsfolgen der gesetzlichen Werbehaftung (vgl. oben unter I. I. 2.) messen lassen muss oder aber nur an den in der Werbung explizit getätigten Aussagen. Der Unterschied kann erheblich sein: Wirbt der Hersteller mit dem Slogan „3 Jahre Garantie!“, bestünde ein relevanter Widerspruch nur, wenn in den Garantieunterlagen eine kürzere Garantiefrist vorgesehen ist. Sieht der Garantievertrag hingegen vor, dass der Käufer die Kaufsache zur Reparatur einschicken muss und hierbei die Kosten von Versand und Rückversand trägt, wäre ein relevanter Widerspruch zu verneinen. Diese Sichtweise ist indes pro­ble­ matisch, wie das folgende Extrembeispiel zeigt: Garantiebedingungen könnten dann problemlos vorsehen, dass der Käufer die Sache zur Reparatur nach Indien schicken muss und er auch hierfür die Versandkosten trägt.91 In diesem Fall wird die beworbene Garantie aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers allerdings im Regelfall wirtschaftlich entwertet, sodass die Signalwirkung von Garantiewerbung gefährdet wird. Problematisch ist die Bestimmung der Reichweite des Widerspruchs, weil die Garantiewerbehaftung in einem Spannungsverhältnis zur Privatautonomie steht: Würde jede Abweichung von den Rechtsfolgen der gesetzlichen Garantiewerbehaftung einen relevanten Widerspruch zwischen Vertrag und Werbung begründen, drohte eine erhebliche Einschränkung der Vertragsfreiheit. Die gesetzliche Garantiewerbehaftung, die an sich nur subsidiär eingreifen soll, würde die Garantie letztlich doch inhaltlich standardisieren. Diese Folge wurde vom europäischen Gesetzgeber allerdings nicht intendiert (vgl. die Ausführungen unter I. I. 1. g) aa) zur Eurogarantie). Auch unter Schutzzweckgesichtspunkten wäre sie fragwürdig: Sinn und Zweck der Garantiewerbehaftung ist die Förderung der Signalwirkung von Garantien. Eine zu starke Vereinheitlichung des Garantieinhalts wäre unter Signalinggesichtspunkten aber möglicherweise sogar schädlich, weil sie den Garantiegebern die Möglichkeit zur Aussendung eines differenzierten Signals nehmen könnte. wann eine relevante Abweichung aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers vorliegt, entwickelt Jorden aber nicht. 90  Ausführlich Leistner, Richtiger Vertrag und lauterer Wettbewerb, S.  748 ff.; Lehmann/ Dürrschmidt, GRUR 1997, 549, 554; Jorden, Verbrauchergarantien, S.  535 f. 91  Vgl. bspw. Ziffer 1.9 der Garantie-AGB von Apple, wonach der Käufer das Produkt „gegebenenfalls“ auf eigene Kosten in ein Drittland versenden muss; die Klausel wurde vom LG Berlin, Urteil v. 28.11.2014 – 15 O 601/12 – Juris für unwirksam erklärt.

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

Gegen diese Erwägungen, die zur Zurückhaltung mahnen, spricht aber das folgende Argument: Garantiewerbung kann als Marketinginstrument nur dann erfolgreich sein, wenn sie bei Kaufinteressenten bestimmte Erwartungen im Hinblick auf den Garantieumfang weckt. Ein differenziertes Signal können Garantiegeber ebenfalls nur dann setzen, wenn sie die entscheidenden Differenzierungsmerkmale bereits in den Werbetext aufnehmen. AGB-förmige Einschränkungen werden von den Verbrauchern aufgrund des signing-without-reading-Problems nicht erkannt (hierzu ausführlich oben unter C. VI. 1. a)). Den von ihnen wahrgenommenen Werbeaussagen können Verbraucher relevante, den Wert der Garantie gefährdende Einschränkungen aber häufig gar nicht entnehmen. Aus einem Slogan wie „3 Jahre Garantie!“ wird für den Durchschnittsverbraucher nicht ersichtlich, dass er für die Reparatur unter Umständen erhebliche Kosten aufwenden muss.92 Dieser Umstand führte bereits oben (I. I. 2. d)) zu der Annahme, dass die gesetzliche Garantiewerbehaftung dem Käufer einen Anspruch auf kostenlose Mangelbeseitigung verleiht. Die oben entwickelten gesetzlichen Rechtsfolgen orientieren sich an der Signalwirkung von Garantiewerbung und setzen damit voraus, dass diese einen hinreichend konkreten Informationsgehalt hat: Sie informiert Kaufinteressenten über die Gebrauchsvorteile der Kaufsache. Dabei weckt sie Vorstellungen dahingehend, dass dem Käufer der „Gebrauchsnutzen [der Sache] möglichst lange reparaturkostenneutral“ zur Verfügung stehen wird.93 Dieser Informationsgehalt ist in Garantiewerbung konkludent mitenthalten. Es ist kein Grund ersichtlich, warum dieser konkludenten Aussage, die für Verbraucher von besonderem Gewicht ist, im Rahmen der Garantiewerbehaftung weniger Bedeutung zukommen soll als expliziten Werbeaussagen (beispielsweise über die Garantiedauer). Hiervon geht auch der europäische Gesetzgeber aus. Für den Fall, dass die Garantieunterlagen unvollständig sind, schlug die Kommission die folgende Lückenfüllungsregel vor: „Ferner wäre davon auszugehen, daß die Garantie dem Besitzer der Sache kostenlosen Anspruch auf Reparatur bzw. Ersatz der Sache gibt.“94

An anderer Stelle konkretisiert die Kommission die Reichweite der Garantiewerbehaftung im Falle eines Widerspruchs ganz allgemein auf folgende Weise:

Schünemann, NJW 1988, 1943. Schünemann, NJW 1988, 1943; ähnlich auch BT-Drs. 14/6040, S.  237; vgl. ganz ähnlich auch die U.S.-amerikanische Literatur, wo von „reliabilty inference“ gesprochen wird: Wiener, Are Warranties Accurate Signals of Product Reliability?, 12 Journal of Consumer Research (1985), 245. 94  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  124. 92 Vgl. 93 

II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag

219

„Sollte die Garantie in bedeutendem Umfang eingeschränkt worden sein, so müßte der Garantiegeber dies in der Werbung angeben, da solche Einschränkungen sonst dem Verbraucher gegenüber unwirksam würden.“95

Maßgebliches Kriterium soll nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers also die Frage sein, ob die Garantie „in bedeutendem Umfang“ eingeschränkt wird, ohne dass hierauf in der Werbung hingewiesen wird. Dieses Kriterium setzt damit voraus, dass der Durchschnittsverbraucher bereits mit dem Schlagwort „Garantie“ bestimmte inhaltliche Vorstellungen verbindet; diese Annahme bildet auch den Kern der Signalingtheorie. In diesem Kriterium zeigen sich bedeutende Parallelen zum AGB-Recht, die bereits oben (C. VI. 1. c) bb)) die Annahme gestützt haben, dass beide Rechtsmaterien wertungskongruent sind. Der Blick soll daher im Folgenden erneut auf die AGB-Kontrolle gelenkt werden. bb) Parallelen zum AGB-Recht Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung, ob ein Widerspruch zwischen Werbung und Vertrag vorliegt, rufen die oben diskutierten Probleme im Bereich der AGB-Kontrolle von Garantieklauseln in Erinnerung (siehe C. VI. 1. c)). An dieser Stelle seien daher kurz die oben gewonnenen Erkenntnisse wiederholt: Garantieklauseln, die die Garantiezusage einschränken, unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§  307 ff. BGB. §  307 Abs.  3 Satz  1 BGB, wonach nur von Rechtsvorschriften abweichende Vertragsbestimmungen kontrollfähig sind, steht dem nicht entgegen, weil hierdurch nur die Hauptleistungspflichten kontrollfrei gestellt werden (siehe ausführlich oben unter C. VI. 1. b)).96 Einschränkungen der Garantiezusage benachteiligen den Käufer unangemessen und sind deshalb unwirksam, wenn sie den Vertragszweck gefährden, §  307 Abs.  1 Satz  1 i. V. m. Abs.  2 Nr.  2 BGB.97 Zur Bestimmung des Vertragszwecks stellt die herrschende Meinung im Einklang mit der von Oechsler entwickelten Lehre von der Vertragsnatur auf die durch die Garantiezusage geweckten typischen Erwartungen ab: Einschränkungen sind danach unzulässig, wenn sie „die Garantiezusage über den verkehrstypischen und vom Kunden nach Treu und Glauben zu erwartenden Umfang hinaus [einschränken].“98 Als Leitlinie für die Beurteilung erKommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  126. 96  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  3. 97  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4; vgl. auch Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78. 98  Christensen, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, (20) Garantieklauseln, Rn.  4; ganz ähnlich Schünemann, NJW 1988, 1943, 1946; ähnlich auch LG München, Urteil v. 95 

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

weist sich dabei – in Einklang mit der Auffassung der Kommission –,99 dass Einschränkungen in AGB das Hauptleistungsversprechen nicht „praktisch entwerten“ dürfen.100 Dieses Kriterium lässt sich auch für die Bestimmung eines Widerspruchs zwischen Garantiewerbung und -vertrag fruchtbar machen: Ein Widerspruch liegt vor, wenn Einschränkungen der Garantiezusage das werbeförmige Versprechen einer „Garantie“ im wirtschaftlichen Ergebnis entwerten. Derartige Einschränkungen sind nämlich geeignet, das Verbrauchervertrauen in die Garantiewerbung zu erschüttern und dadurch die Signalwirkung von Garantiewerbung zu beeinträchtigen.101 cc) Konkretisierung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Entwertung der Garantiezusage Eine wirtschaftliche Entwertung droht aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers vor allem in Fällen, in denen der Käufer erhebliche Zusatzkosten tragen muss, um in den Genuss der Garantieleistung zu gelangen.102 Als solche Kosten kommen beispielsweise Versandkosten, Fahrtkosten für Handwerker oder auch Montagekosten in Betracht. Diese können eine abschreckende Wirkung entfalten und den Käufer von der Inanspruchnahme der Garantie abhalten, wenn sich die Garantie aus seiner Sicht nicht mehr „lohnt“. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Zusatzkosten höher sind als der Wert der Garantieleistung.103 Gerade bei niedrigpreisigen Artikeln (beispielsweise bei einer Computertastatur im Wert von 15 Euro) können aber auch schon Versandkosten in Höhe von bis zu 5 Euro eine abschreckende Wirkung entfalten; schließlich wer10.05.2012 – 12 O 18913/11, Rn.  78 ff. – Juris; LG Berlin, Urteil v. 28.11.2014 – 15 O 601/12 unter [1.6], [1.9] – Juris. 99  Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78: Garantiebedingungen dürfen nicht „dem eigentlichen Prinzip der Garantie zuwiderlaufen“, indem sie beispielsweise „unangemessene Voraussetzungen für die Geltendmachung bzw. ungerechtfertigte Ausschlußgründe“ statuieren. 100  So ausdrücklich Schünemann, NJW 1988, 1943, 1947; ähnlich LG München, Urteil v. 10.05.2012 – 12 O 18913/11, Rn.  81 ff., vor allem Rn.  88 – Juris; ähnlich auch LG Berlin, Urteil v. 28.11.2014 – 15 O 601/12 unter [1.5] – Juris: „Sie [Garantien] werden ihrem Namen nur gerecht, wenn sie werthaltig sind.“; vgl. auch BGH NJW 2009, 3714 Rn.  20. 101 Vgl. auch Kommission, Grünbuch über Verbrauchsgütergarantien und Kundendienst, KOM(93) 509 endg., S.  78, wonach derartige Einschränkungen geeignet sind, „den Verbraucher hinsichtlich seiner Ansprüche irrezuführen“. 102  Vgl. LG München, Urteil v. 10.05.2012 – 12 O 18913/11, Rn.  73 ff. – Juris, wo die Käufer fehlerhafter Photovoltaikanlagen die Kosten für die Demontage der defekten Module und die Wiedermontage der reparierten bzw. neuen Module tragen sollten. 103  Dies war der Fall bei LG München, Urteil v. 10.05.2012 – 12 O 18913/11, Rn.  83 f. – Juris.

II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag

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den die Käufer auch stets ihren zeitlichen Aufwand „einpreisen“ sowie die Kosten, die daraus entstehen, dass sie die Zeit bis zur Neulieferung der Ware überbrücken müssen. Die Erheblichkeit der Zusatzkosten hängt damit von ihrem Verhältnis zum Warenwert ab.104 Die Rechtsprechung hat bisher einen fallweisen Zugang gewählt, ohne dass allgemeine Leitlinien für die Bestimmung der Wert­ relation erkennbar geworden wären. Ab welchem Verhältnis von einer Erheblichkeit auszugehen ist, ist eine rechtsökonomische Frage, die mit empirischen Erkenntnismethoden beantwortet werden sollte. Solange derartige Erkenntnisse nicht zur Verfügung stehen, sollten Kosten, die mehr als 10  % des Kaufpreises betragen, als erheblich angesehen werden. Begründen Garantieklauseln entsprechende Kostentragungspflichten, ohne dass in der Werbung darauf hingewiesen wird, sind sie nach §  443 Abs.  1 BGB unwirksam. Dieselbe Rechtsfolge ergibt sich aufgrund der Wertungskongruenz von AGB-Kontrolle und Garantiewerbehaftung auch aus §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB (vgl. oben C. VI. 1. c) cc)). dd) Verhaltensobliegenheiten Keinen Widerspruch zur Garantiewerbung begründen allerdings Verhaltensobliegenheiten in AGB, die den Garantiegeber vor consumer moral hazard schützen sollen (vgl. oben unter C. VI. 2. b) aa)). Der Garantiegeber darf Garantieansprüche dabei auch dann ausschließen, wenn sich nicht klären lässt, ob die Obliegenheitsverletzung für den Mangel ursächlich geworden ist. Eine solche Einschränkung dient dem Schutz vor adverser Selektion auf Käuferseite; sie steht aus diesem Grund auch mit der Signalfunktion der Garantie in Einklang. Die Garantie signalisiert nämlich „nur“ eine bestimmte Produktqualität und ist keine Schadensversicherung gegen Mängel, die aus einem unangemessenen Umgang des Käufers mit der Kaufsache resultieren (oder zumindest resultieren können). Entsprechende Einschränkungen stehen daher nicht in Widerspruch zu den Erwartungen des verständigen Durchschnittsverbrauchers. ee) Zusammenfassung Ein relevanter Widerspruch zwischen Werbeaussagen und Garantievertrag besteht damit in folgenden Fällen: (1) Der Vertrag steht in Widerspruch zu expliziten Angaben in der Werbung. (2) Garantieklauseln schränken das werbeförmige Garantieversprechen derart ein, dass die Garantie aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers wirtschaftlich entwertet wird. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Garantie104  Vgl. LG München, Urteil v. 10.05.2012 – 12 O 18913/11, Rn.  83 ff. – Juris, wo das Gericht die Montagekosten ins Verhältnis zum Warenwert setzt.

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I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

klauseln dem Käufer Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung der Garantieleistung aufbürden, auf die in der Werbung nicht hingewiesen wird. Solche Kosten sind vorbehaltlich weiterer empirischer Erkenntnisse dann erheblich, wenn sie 10  % des Kaufpreises übersteigen. Kein relevanter Widerspruch liegt vor, wenn der Garantievertrag zu Lasten des Käufers Verhaltensobliegenheiten statuiert, die den Garantiegeber vor consumer moral hazard schützen sollen. Auf solche Obliegenheiten muss in der Werbung nicht hingewiesen werden. Sie folgen aus der ökonomischen Funktion der Garantie als Qualitätsversprechen.

2. Haftungsfolgen bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag Fraglich ist schließlich, auf welche dogmatisch-konstruktive Weise sich Werbeangaben gegenüber widersprechenden Vertragsklauseln „durchsetzen“. Bisher noch nicht geklärt ist vor allem die genaue Form des Zusammenwirkens von vertraglicher und gesetzlicher Haftung. Die Annahme einer gesetzlichen Garantiewerbehaftung ermöglicht auch hier eine dogmatisch konsistente Lösung. Ein gesetzliches Schuldverhältnis auf Basis der Werbeaussagen entsteht, sobald der Kaufvertrag über das beworbene Produkt zustande kommt. Ab diesem Zeitpunkt ist der Werbeadressat nämlich „Käufer“ im Sinne von §  443 Abs.  1 BGB und damit aktivlegitimiert (siehe oben unter I. I. 1. a)). Erhält der Käufer im Zuge der Übergabe der Kaufsache eine Garantiekarte oder ein ähnliches Garantiedokument, werden Ansprüche aus diesem gesetzlichen Schuldverhältnis allerdings gehemmt. Das gesetzliche Schuldverhältnis geht hierdurch indes nicht unter: Dies folgt daraus, dass sich Werbeaussagen nach dem Willen des europäischen Gesetzgebers gegenüber widersprechenden, ungünstigeren Vertragsklauseln „durchsetzen“ können sollen. Der Mechanismus der Durchsetzung lässt sich nun wie folgt konstruieren: Übermittelt der Werbetreibende dem Käufer bis zur Lieferung der Kaufsache ein vertragliches Garantieangebot, steht ihm eine Einrede gegen Ansprüche aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zu (siehe ausführlich oben unter I. I. 1. g) a)). Im Falle eines Widerspruchs zwischen Werbung und Vertrag entfällt diese Einrede jedoch. Der Käufer kann sich dann auf den weitergehenden Anspruch aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis berufen. Die Anspruchsvoraussetzungen und der Anspruchsumfang sind dabei im Grundsatz dieselben wie bei der Haftung aufgrund isolierter Garantiewerbung (siehe oben unter I. I. 1. und 2.). Der Garantiegeber kann sich gegenüber dem Käufer aber auf Ausschlussgründe aus dem Garantievertrag berufen, soweit diese nicht im Widerspruch zur Werbung stehen.

II. Haftung bei Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag

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Dies ist aufgrund des Vorrangs der Privatautonomie (dazu oben unter I. I. 1. g) aa)) geboten. Die Gründe für die Durchbrechung des Vorrangs der Privatautonomie sind im Falle des Widerspruchs zwischen Werbung und Garantievertrag dieselben wie beim gänzlichen Fehlen eines Garantievertrags. In beiden Fällen sind die Funktionsvoraussetzungen der Privatautonomie gestört, sodass ein rechtlicher Eingriff erforderlich ist.105 Dem Kaufinteressenten steht nämlich kein vertragliches Mittel zur Verfügung, um sich bereits vor dem Kauf gegen das Risiko abzusichern, dass der in Aussicht gestellte Garantievertrag gar nicht oder aber nicht wie angekündigt zustande kommt (siehe ausführlich oben unter D. III. 2. a) bb)). Eine Beschränkung der Privatautonomie ist allerdings nur gerechtfertigt, soweit der Zweck der Garantiewerbehaftung es erfordert. Im Falle eines Widerspruchs zwischen Garantievertrag und Werbung ist die privatautonome Vereinbarung daher verbindlich, soweit sie nicht in Widerspruch zur Werbung steht. Soweit der Vertrag mit der Werbung in Einklang steht, besteht nämlich keine Irreführungsgefahr für die Kaufinteressenten, die die Signalwirkung der Garantie schwächen könnte. Zum Schutz des Signaling ist es daher nicht erforderlich, dem Vertrag jegliche Wirksamkeit zu nehmen. Daraus folgt, dass der Garantiegeber sich auch gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf alle vertraglichen Ausschlussgründe, Einreden und Einwendungen berufen kann, die mit der Werbung (gemäß dem unter I. II. 1. b) gebildeten Maßstab) in Einklang stehen. Folgendes Beispiel möge der Illustration der Wirkungsweise der gesetzlichen Werbehaftung dienen: Ein Kfz-Hersteller wirbt mit einer dreijährigen Garantie, sieht in seiner Garantiekarte aber nur eine zweijährige Garantiefrist vor. Die Garantiekarte sieht außerdem vor, dass der Käufer das Auto alle sechs Monate in einem Fachbetrieb warten lassen muss und der Käufer keine Garantieansprüche geltend machen kann, wenn der Mangel auf einer Verletzung der Wartungsobliegenheit beruht. Nach zweieinhalb Jahren tritt ein Motorschaden ein. Der Käufer hat das Auto im letzten Jahr nicht mehr warten lassen; bei rechtzeitiger Wartung wäre das Problem mit dem Motor erkannt und der Motorschaden verhindert worden. Dem Käufer stehen in diesem Fall aufgrund der weitergehenden Werbeaussagen grundsätzlich auch im dritten Jahr Garantieansprüche zu. Diese ergeben sich aus §  443 Abs.  1 BGB und nicht aus dem Garantievertrag. Der Garantiegeber kann sich jedoch auch gegenüber dem gesetzlichen Anspruch auf die vertraglichen Ausschlussgründe berufen. Er kann die Garantieleistung verweigern, weil der Käufer seine vertraglichen Wartungsobliegenheiten verletzt hat und diese Verletzung kausal für den Mangel geworden ist. 105 Vgl.

Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, S.  353 ff.

224

I. Anspruchsvoraussetzungen und Rechtsfolgen

Ähnliche Erwägungen gelten, wenn der Garantieanspruch im Vertrag in unzulässiger Weise von einer Beteiligung des Käufers an den Kosten abhängig gemacht wird. Der Käufer kann in diesem Fall den gesetzlichen Anspruch geltend machen, der auf kostenlose Mangelbeseitigung gerichtet ist (siehe oben unter I. I. 2. d)). Etwaige vertragliche Ausschlussgründe, die mit der Werbung in Einklang stehen, kann der Garantiegeber auch hier geltend machen. Diese Lösung entspricht im Ergebnis der Ansicht, die §  443 Abs.  1 BGB als „gesetzliche Auslegungsregel“ verstehen will. Dieser Ansicht ist insofern zuzustimmen, als sie die Garantiewerbehaftung im Kern als gesetzliche Haftung einordnet (siehe bereits oben unter E. II. 2.). Eine zentrale Schwäche dieser „Auslegungslösung“ liegt indes gerade in ihrem rechtsgeschäftlichen Ansatz: Eine (gesetzliche) Haftung für Werbeaussagen wird nur dann für möglich gehalten, wenn ein Garantievertrag vorliegt. Das Rechtsgeschäft wird damit zur Voraussetzung einer gesetzlichen Haftung. Die hier vertretene Lösung vermeidet derartige konstruktive Schwächen und hat zudem zwei zentrale Vorteile: Zum einen beschränkt sie die Garantiewerbehaftung nicht auf Fälle, in denen ein Widerspruch zwischen Garantie und Werbung vorliegt, sondern erkennt sie auch dann an, wenn überhaupt kein Garantievertrag zustande kommt. Diese Ausweitung ist teleologisch geboten, siehe oben unter D. III. 2 a). Zum anderen beruht die Garantiewerbehaftung in beiden Anwendungsfällen auf derselben dogmatischen Grundlage, nämlich einem gesetzlichen Schuldverhältnis aus §  443 Abs.  1 BGB.

3. Ergebnis Bei einem Widerspruch zwischen Garantiewerbung und -vertrag kann sich der Käufer auf gesetzliche Ansprüche aus Garantiewerbehaftung nach §  443 Abs.  1 BGB berufen, deren Umfang im Grundsatz dem unter I. I. 5. geschilderten entspricht. Dem Garantiegeber stehen gegen diese gesetzlichen Ansprüche allerdings Einreden aus dem Garantievertrag zu, soweit diese nicht im Widerspruch zur Garantiewerbung stehen. Ein Widerspruch zwischen Garantiewerbung und Garantievertrag liegt dabei vor, wenn der Vertrag die Garantieleistung von Voraussetzungen abhängig macht, die aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers geeignet sind, die versprochenen Garantieleistungen wirtschaftlich zu entwerten. Im Ergebnis kann der Garantiegeber sich auf alle Einschränkungen in seinen Garantie-AGB berufen, die im Einklang mit seiner Garantiewerbung stehen. Der Vorrang der Privatautonomie wird auf diese Weise gewahrt.

J. Zusammenfassung in Thesen 1. Die Garantiewerbehaftung nach Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 Abs.  1 BGB) begründet eine neue Form der gesetzlichen Marktinformationshaftung.1 Sie schützt den Binnenmarkt vor einem Marktversagen durch adverse Selektion,2 indem sie eine Verwässerung des durch Garantiewerbung gesetzten Qualitätssignals verhindert.3 Der Garantiewerbehaftung liegen damit im Kern wettbewerbsrechtliche Zwecke zu Grunde. Sie ist ein Bestandteil des europäischen Marktordnungsrechts. In ihr spiegelt sich die Schutzzweckkonvergenz von Verbraucherschutz- und Wettbewerbsrecht,4 die ein prägendes Merkmal des europäischen Privatrechts darstellt. 2. Garantiewerbehaftung und AGB-Kontrolle von Garantieklauseln verfolgen denselben ordnungspolitischen Zweck.5 Beide schützen den Informationsgehalt von Garantiewerbung vor Verwässerung,6 um einem informationsbedingten Marktversagen auf dem Binnenmarkt vorzubeugen.7 Den Maßstab für die AGBKontrolle von Garantie-AGB bilden aus diesem Grund wie bei der Garantiewerbehaftung die typisierten Erwartungen eines verständigen Durchschnittsverbrauchers.8 In diesem einheitlichen Maßstab manifestiert sich die Wertungskongruenz der beiden Rechtsmaterien.9 3. AGB-Klauseln, die die Garantiezusage einschränken, sind nicht nach §  307 Abs.  2 Nr.  2 BGB unwirksam, wenn sie dem Schutz vor käuferseitigem moral hazard dienen.10 Eine Garantie kann Käufer zu einem sorglosen Umgang mit der Kaufsache verleiten; hierbei handelt es sich um eine Erscheinungsform von mo1 

H. I. = S.  179. C. I. = S.  11, H. I. = S.  179. 3  D. II. 1. = S.  60 ff. 4  D. I., vor allem D. I. 2. = S.  53 f., 59. 5  C. VI. 1. a) = S.  24 f., C. VI. 1. c) bb) = S.  31 ff. 6  C. VI. 1. c) cc) = S.  34 ff. 7  C. VI. 1. c) bb), cc) = S.  31 ff., I. II. 1. b) bb) = S.  219 f. 8  C. VI. 1. c) bb) = S.  31 ff. 9  C. VI. 1. a) = S.  24 f., C. VI. 1. c) bb) = S.  31 ff. 10  C. VI. 2. b) aa) = S.  43 ff. 2 

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J. Zusammenfassung in Thesen

ral hazard.11 Um einen unverhältnismäßigen Anstieg der Garantiekosten zu vermeiden, müssen Garantiegeber sich durch entsprechende Klauseln vor sorglosem Käuferverhalten schützen können. Dies erfolgt vor allem durch Wartungsund Inspektionsobliegenheiten, die im Rahmen der AGB-Kontrolle als wirksam anzuerkennen sind.12 4. Die Garantiewerbehaftung folgt der ökonomischen Signalingtheorie.13 Garantiewerbung signalisiert danach eine bestimmte Qualität des angebotenen Produkts: Sie erlaubt Kaufinteressenten, durch Rückschluss auf die Lebensdauer und Zuverlässigkeit eines Produktes die zu erwartenden Gebrauchsvorteile besser einzuschätzen.14 Auf diese Weise können Käufer konkrete Qualitätserwartungen bilden,15 die eine differenzierte Preisbildung am Markt ermöglichen und eine adverse Selektion verhindern.16 Die Garantiewerbehaftung schützt den Binnenmarkt damit vor einer Entwicklung hin zu einem market for lemons, der von George Akerlof erstmalig beschrieben wurde. Als market for lemons gilt danach ein Markt, auf dem Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern zu einem Prozess adverser Selektion und schließlich zu einem Marktversagen führen.17 5. Auf dem Binnenmarkt droht ein informationsbedingtes Marktversagen, weil vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen erhebliche Informationsasymmetrien zwischen Verkäufern und Käufern bestehen.18 Käufern fällt die Beurteilung der Qualität von Erfahrungsgütern auf Optionsmärkten grundsätzlich schwer.19 Gravierende Informationsasymmetrien bestehen aber vor allem im Verhältnis zu ausländischen Anbietern. Aus Sicht der Käufer handelt es sich bei (fast) allen ausländischen Anbietern um Newcomer, über die sie noch keinerlei Informationen haben.20 Newcomer können jenseits von Garantien kaum auf weitere Instrumente zur Signalisierung ihrer Produktqualität zurückgreifen.21 Alternative Signalinginstrumente, insbesondere Reputation (auch in Form von Kundenrezensionen22) und Marken, stehen ihnen erst nach einer bestimmten Dauer 11 

C. VI. 2. b) = S.  42 f. C. VI. 2. b) = S.  42 ff. 13  D. III. 2. a) aa) = S.  76 f. 14  C. III. = S.  14 ff. 15  C. III. = S.  14 ff. 16  C. III. = S.  14 ff. 17  C. II. = S.  12 ff. 18  C. II. = S.  12 ff., C. V. = S.  21 ff., C. VI. 4 = S.  52. 19  C. II. = S.  12 ff. 20  C. VI. 2. a) = S.  40. 21  C. VI. 2. a) = S.  39. 22  Dazu ausführlich C. VI. 2. a) = S.  40 ff. 12 

J. Zusammenfassung in Thesen

227

wirtschaftlicher Tätigkeit auf dem Zielmarkt zur Verfügung.23 Für Newcomer stellt die Garantie als Signalinginstrument „der ersten Stunde“ ein besonders bedeutendes Informationsmedium dar.24 6. In der ökonomischen Literatur formulierte Einwände gegen die Signaling­ theorie können unter den Funktionsbedingungen des Binnenmarktes nicht überzeugen.25 Sie erkennen insbesondere nicht die unterschiedliche Bedeutung von Garantien für Newcomer einerseits und etablierte Anbieter andererseits.26 Auch alternative Garantietheorien, nämlich die Insurance-27 und die Sorting-Theorie,28 erklären nicht die Funktionsweise von Garantien unter den Bedingungen des Binnenmarkts. Auf diesem stellt Signaling die zentrale Funktion von Garantien dar.29 7. Das europäische Recht will die Anzahl grenzüberschreitender Transaktionen auf dem Binnenmarkt erhöhen und Verbraucher dazu ermutigen, auch Erwerbsgeschäfte mit ihnen unbekannten, ausländischen Anbietern abzuschließen.30 Die Garantiewerbehaftung soll vor diesem Hintergrund zum Abbau von Informationsasymmetrien zwischen Käufern und Verkäufern beitragen. Sie institutionalisiert die Garantiewerbung als zuverlässiges Qualitätssignal.31 Für das Verständnis der Garantiewerbehaftung ist folgende Erkenntnis zentral: Als Signal wirkt im vorvertraglichen Stadium nicht der Garantievertrag selbst. Dieser kommt in aller Regel nämlich erst anlässlich der Lieferung der Kaufsache zustande. Auch wenn die Garantie-AGB schon vor dem Kauf einsehbar sind, erfolgt aufgrund des signing-without-reading-Problems keine sorgfältige Lektüre.32 Als Signal wirkt im Vorfeld der Kaufentscheidung aus diesem Grund allein die Garantiewerbung.33 Voraussetzung ihrer Signalwirkung ist allerdings ihre Glaubwürdigkeit.34 Glaubwürdig ist ein werbeförmiges Garantieversprechen dabei nur, wenn der Kaufinteressent sicher davon ausgehen kann, dass der Werbende es erfüllen muss. Daher genügt es nicht, wenn nur der Garantievertrag vom Recht als ver-

23 

C. VI. 2. a) = S.  39. C. VI. 2. a) = S.  42. 25  C. VI. = S.  23 ff. 26  C. VI. 2. a) = S.  37 ff. 27  C. IV. 1. = S.  17 ff. 28  C. IV. 2. = S.  19 ff. 29  C. V. = S.  21 ff., C. VI. 4. = S.  52. 30  C. V. = S.  21 ff., D. I. 2. = S.  59 f. 31  C. V. = S.  21 ff., D. II. 1. = S.  60 ff., D. III. 2. a) aa) = S.  76 f. 32  C. VI. 1. a) = S.  24 f. 33  D. III. 2. a) bb) = S.  77 ff. 34  D. III. 2. a) aa), bb) = S.  76 ff. 24 

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J. Zusammenfassung in Thesen

bindlich anerkannt wird. Bereits die Garantiewerbung muss rechtsverbindlich sein.35 8. Art.  6 Abs.  1 Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (umgesetzt in §  443 Abs.  1 BGB) stellt sicher, dass Garantiewerbung glaubwürdig ist. Die Haftung schützt die Signalwirkung von Garantiewerbung, indem sie den Werbenden beim Wort nimmt: Irreführende Garantiewerbung kann es im Grunde nicht mehr geben, weil der Käufer stets einen Anspruch auf Erfüllung des Werbeversprechens erhält.36 9. Der Erfüllungsanspruch begründet kein privatnütziges subjektives Recht des Käufers.37 Der Anspruch dient vielmehr der möglichst effizienten Sanktionierung irreführender Garantiewerbung mit den Mitteln des private enforcement („funktionale Subjektivierung“38). Der individuelle Kläger wird zum Schutz des Marktes tätig. Er erlangt quasi die Stellung eines „fünften Aktivlegitimierten“ neben den in §  8 Abs.  3 UWG ausdrücklich benannten Akteuren.39 Private enforcement ist einer rein institutionellen Rechtsdurchsetzung im Bereich irreführender Garantiewerbung überlegen: Der einzelne Käufer ist über Rechtsverstöße des Werbenden besser informiert als institutionelle Akteure.40 Er kann seinen Anspruch zudem aufgrund günstiger Regelungen in der Rom I- sowie der Brüssel Ia-Verordnung unter erleichterten Voraussetzungen geltend machen.41 10. Die Anspruchsvoraussetzungen der Garantiewerbehaftung spiegeln ihre überindividuelle Zwecksetzung.42 Maßgeblich für ihre Konkretisierung ist das durch die Garantiewerbung gesetzte, konkrete Signal.43 Welches Signal von einer bestimmten Werbeaussage ausgeht, ist aus der Perspektive eines verständigen Durchschnittsverbrauchers zu bestimmen (und nicht wie bei einem Rechtsgeschäft nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß §§  133, 157 BGB).44 Da es auf die Verständnismöglichkeiten des individuellen Käufers nicht ankommt, muss dieser die Werbung vor dem Kauf auch nicht zur Kenntnis genommen haben.45 Der Käufer muss auch keine Irreführung geltend machen, um sei-

35 

D. III. 2. a) bb) = S.  77 ff. D. II. 2. c) = S.  72, D. III. 2. g) aa) = S.  104 f. 37  D. II. 1. = S.  60 ff. 38  D. II. 2. a) = S.  65 f. 39  D. II. 2. = S.  63 ff. 40  D. II. 2. b) aa) = S.  66 ff. 41  D. II. 2. b) cc) = S.  68 ff. 42  D. II. 1. = S.  60 ff., D. III. 2. = S.  74 ff. 43  D. III. 2. g) bb) = S.  105 ff. 44  D. III. 2. a) dd) = S.  81 ff., D. III. 2. g) bb) = 105 ff. 45  D. III. 2. b) = S.  87 ff. 36 

J. Zusammenfassung in Thesen

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nen Anspruch aus §  443 Abs.  1 BGB zu substantiieren.46 Es genügt, wenn er nachweist, dass die Garantiewerbung innerhalb eines bestimmten Zeitraums vor seinem Kauf auf dem Markt als Qualitätssignal zum Einsatz gekommen ist.47 11. Der Käufer hat aus §  443 Abs.  1 BGB einen gesetzlichen Anspruch auf Erfüllung des Werbeversprechens.48 Dies gilt entgegen der herrschenden Meinung auch dann, wenn gar kein Garantievertrag zustande gekommen ist.49 Der Anspruch richtet sich auf Einräumung der Gebrauchsvorteile, die mit der Garantiewerbung signalisiert wurden.50 Das Signalingkonzept ist so auch für die Bestimmung der Rechtsfolgen maßgeblich. Der Werbende muss die Sache (nach seiner Wahl) kostenlos reparieren oder austauschen, wenn sie während der beworbenen Garantiefrist einen Mangel zeigt.51 Garantien im Sinne von §  443 BGB sind aus diesem Grund stets Haltbarkeitsgarantien: Der Mangel muss nicht schon bei Gefahrübergang bestanden haben, um anspruchsbegründend zu wirken.52 Ob ein Sachmangel vorliegt, richtet sich im Übrigen nach §  434 Abs.  1 Satz  2 Nr.  2 BGB.53 Der Garantiegeber kann seine Haftung in der Werbung allerdings auch auf bestimmte Teile der Sache oder auf bestimmte Arten von Mängeln beschränken.54 12. Die gesetzliche Garantiewerbehaftung ist gegenüber einer rechtsgeschäftlichen Garantie grundsätzlich subsidiär.55 Dies gebietet der Vorrang der Privatautonomie.56 Lässt der Werbende dem Käufer rechtzeitig ein Garantieangebot zukommen, steht ihm eine rechtshemmende Einrede gegen Ansprüche des Käufers aus §  443 Abs.  1 BGB zu.57 13. Weicht der Garantievertrag zu Lasten des Käufers von der Garantiewerbung ab, stehen dem Käufer wiederum die gesetzlichen Ansprüche aus §  443 Abs.  1 BGB zu.58 In diesem Fall entfällt die oben genannte Einrede des Werbenden.59 Ob ein relevanter Widerspruch zwischen Werbung und Vertrag vorliegt, ist durch 46 

D. III. 2. d) = S.  98 ff. D. III. 2. c) cc) (3) = S.  95 ff. 48  D. III. 2. g) = S.  103 ff., I. I. 2. = S.  199 ff., I. II. 2. = S.  222 ff. 49  D. III. 2. a) = S.  75 ff. 50  D. III. 2. g) bb) = S.  105 ff., I. I. 2. a) = S.  199 ff. 51  I. I. 2. a) = S.  199 ff., I. I. 2. d) = S.  204 f. 52  I. I. 2. a) = S.  199 ff. 53  I. I. 2. a) = S.  199 ff. 54  I. I. 2. a) = S.  199 ff. 55  I. I. 1. g) = S.  195 ff. 56  I. I. 1. g) aa) = S.  195 ff. 57  I. I. 1. g) cc) = S.  198. 58  I. II. = S.  215 ff. 59  I. II. 2. = S.  222 ff. 47 

230

J. Zusammenfassung in Thesen

Vergleich der vertraglichen Konditionen mit dem durch die Garantiewerbung gesetzten Signal zu bestimmen.60 Den Maßstab für die Bestimmung des Widerspruchs bilden die typisierten Erwartungen eines verständigen Durchschnittsverbrauchers.61 Ein solcher Widerspruch besteht nicht nur dann, wenn der Vertrag von expliziten Werbeaussagen abweicht.62 Vielmehr liegt er auch dann vor, wenn einschränkende Klauseln das Garantieversprechen aus Sicht eines verständigen Durchschnittsverbrauchers wirtschaftlich entwerten.63 Dies ist vor allem dann der Fall, wenn Garantieklauseln dem Käufer Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung der Garantieleistung aufbürden, auf die in der Werbung nicht hingewiesen wird.64 14. Dem Garantiegeber stehen gegen den gesetzlichen Erfüllungsanspruch alle vertraglichen Einreden zu, die aus dem Garantievertrag resultieren und nicht in Widerspruch zur Garantiewerbung stehen.65 Auf diese Weise kann er insbesondere die Verletzung vertraglicher Wartungs- und Inspektionsobliegenheiten, die ihn vor käuferseitigem moral hazard schützen sollen,66 einredeweise geltend machen.67 15. Eine Garantie nach §  443 Abs.  1 BGB gewährt im Regelfall keinen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Schadensersatz für mangelbedingte Folgeschäden.68 Dies gilt sowohl für vertragliche Garantien als auch für die gesetzliche Garantiewerbehaftung. Zwischen einer Garantie im Sinne von §  443 Abs.  1 BGB und einer Garantie im Sine von §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB ist streng zu unterscheiden: Einem vertraglichen Garantieversprechen im Sinne von §  443 Abs.  1 BGB ist im Regelfall kein unbedingter Einstandswille im Sinne einer verschuldensunabhängigen Haftung gemäß §  276 Abs.  1 Satz  1 BGB zu entnehmen. Aus diesem Grund führen auch Verletzungen des garantieförmigen Abhilfeversprechens im Regelfall nur bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu einem Anspruch des Käufers auf Schadensersatz aus §  280 Abs.  1 BGB. 16. Die Garantiewerbehaftung lässt sich systematisch nicht in die klassischen Haftungskategorien des BGB einordnen. Ihr liegt weder ein Rechtsgeschäft69 60 

I. II. 1. b) = S.  216 ff. I. II. 1. b) aa) = S.  217 ff. 62  I. II. 1. b) aa) = S.  217 ff. 63  I. II. 1. b) aa), bb), cc) = S.  217 f., 219 f., 220 f. 64  I. II. 1. b) cc) = S.  220 f. 65  I. II. 2. = S.  222 ff. 66  Dazu C. VI. 2. b) aa) = S.  43 ff. 67  I. II. 2. i. V. m. I. II. 1. b) dd) = S.  222 ff. i. V. m. S.  221. 68  I. I. 2. f) = S.  207 ff. 69  E. = S.  113 ff. 61 

J. Zusammenfassung in Thesen

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noch ein Delikt70 zu Grunde. Sie begründet auch keinen neuen Anwendungsfall der gesetzlichen Vertrauenshaftung:71 Die Garantiewerbehaftung schützt den Verbraucher nicht, weil er vertraut, sondern sie schützt ihn, damit er vertraut.72 Sie beruht damit auf demselben Haftungsgrund wie die Haftung für Werbeangaben nach §  434 Abs.  1 Satz  3 BGB, die bürgerlich-rechtliche Prospekthaftung im engeren Sinne73 und die Haftung für Beschaffenheitsvereinbarungen beim Fahrzeugkauf.74 Diese Tatbestände bezwecken ebenfalls den Schutz des Marktes vor einem informationsbedingten Marktversagen.75

70 

G. = S.  177 f. F. = S.  141 ff. 72  F. IV. = S.  157 ff. 73  F. V. = S.  160 ff. 74  E. I. 2. = S.  127 ff. 75  E. I. 2. = S.  127 ff., F. V. 2. = S.  163 ff., H. III. = S.  182 ff. 71 

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Register Fett gesetzte Seitenzahlen verweisen auf zentrale Fundstellen, kursiv gesetzte Seitenzahlen beziehen sich auf Fußnoten. Absatzförderungsabsicht  93 AGB-Kontrolle  25–36 – default rules  25 – Entwertung, wirtschaftliche  28 f., 220–222 – Erwartungen, typisierte  29, 83, 219 – Hauptleistungspflichten  26 – Inhaltskontrolle  28–36 – Klauselrichtlinie  25, 26, 32 – Kontrollumfang  25–28, 219 – Lehre von der Vertragsnatur  29, 219 – Marktversagen  27 – moral hazard  42–48, 195, 201–203, 221 – Natur des Vertrages  28 – signing without reading  24, 78, 86, 218 – Wertungskongruenz  25, 219 – Zusatzkosten, erhebliche  221 – Zweck  27 Akerlof  11, 14 Akerlof-Markt 11 Aktivlegitimation  189 f. Analyse, ökonomische, siehe Law and economics Anbieter  102 f. Anlageberatung  132–134 Anonymität  12 Anschlussgarantie  18, 109 Apathy, rational  24 Auskunfts- und Beratungsvertrag  132–134, 150 Auskunftshaftung  132–134 Auslegung, gespaltene  110 Auslegung, rechtsaktübergreifende  69 f. Auslegungsregel  135–137 Auslegungsregel / Auslegungsregel, gesetzliche  136 f., 224

Auslobung 126 Ausschlussgründe  192–194, 201–203, 222 f. – Beeinflussungseignung, fehlende  193 f. – Berichtigung, gleichwertige  192 f. – Kenntnis, fehlende  192 Äußerung, öffentliche  89 f., 100 Berichtigung 192 Beschaffenheitsgarantie  108, 208 f. Beschaffenheitsvereinbarung beim Fahrzeugkauf  127–132, 184 Binnenmarkt  54, 56–62, 172 Brand reputation  22, 29 cross-border-Geschäft, siehe Transaktion, grenzüberschreitende Culpa in contrahendo  103 f., 142–149, 173 – Individualschutz  145, 149, 173–175 – Prospekthaftung  162 Default rules, siehe Gesetzesrecht, dispositives Deliktsrecht  177 f. Durchschnittserwartungen  12, 128 Durchschnittsqualität  13, 49 Durchschnittsverbraucher, verständiger  31, 35, 54, 82 f., 88, 93–98, 106 E-Commerce-Richtlinie  93 eBay  119 f. Effektivitätsgrundsatz  65 f. Einstandswille, unbedingter  208 f. Einwendung, rechtshemmende  195–199, 222 Empfängerhorizont, objektiver  82, 115 f., 135

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Register

Entgelt  45 f., 109 f., 115, 123 Entwertung, wirtschaftliche  28 f., 220–222 Erfahrungsgut  12, 24, 183 Erfüllungshaftung  75, 80, 103–107, 143, 185–188, 199–209 Erklärung an die Öffentlichkeit  118 Erwartungen, typisierte  29, 83, 88, 218 Essentialia negotii  114–117, 213 Eurogarantie  196 f., 217 Expertenhaftung  150 Fraud-on-the-market-theory  177 Garantie, kommerzielle  49, 207 Garantie, unselbständige  119, 211 f. Garantien, inhaltsarme  83, 199, 209–214 Garantievertrag  114–134, 215 f. – Einstandswille, unbedingter  208 f. Garantiewerbung, isolierte  189 Garantiezeit  14 Gebrauchsvorteile  35, 95, 106 f., 186, 202 Gebrauchtwagenmarkt  39 f., 128–130 Gefahrübergang  51, 200 Gesetzesrecht, dispositives  25, 117, 122, 213 f. Gewährleistungsanspruch, siehe Sachmängelhaftung Gewinnzusagen  62, 69 f. Haftung, gesetzliche, siehe Schuldverhältnis, gesetzliches Haftung, rechtsgeschäftliche  113–139 Haltbarkeitsgarantie  51, 108, 200, 208 Handel, stationärer  80 Handhabung, unsachgemäße  201–203 Hierarchie  76 Hühnerpest  148 Imitationspayoff  16 Informationsasymmetrie  12, 21, 22, 35, 129, 132 f. Informationsfunktion  8, 78, 132, 180–182, 207 Informationshaftung  149–157, 174, 179–188 – Dreipersonenverhältnis  151 – Individualschutz  150, 152, 154 f. Informationspflichten  84–86, 109

Inhaltskontrolle  28–36 – Lehre von der Vertragsnatur  29 – Natur des Vertrages  28 Innominatvertrag  118 Inspektionsobliegenheit  44–46, 195, 223 Inspektionspflicht, siehe Inspektions­ obliegenheit Insurance Theory  17 Interesse, negatives  105, 143, 187 Invitatio ad offerendum  118 f. Irreführung  98–102, 145 Isolarglasfall  120, 127, 203 f., 210 f. Kapitalmarkt  182 – Ad-hoc-Mitteilungen  182 – Kapitalmarkt, Grauer  153, 163 f., 172, 183 Käufererwartungen, siehe Erwartungen, typisierte Kausalität  87–89, 122 f., 125 f., 147–149, 158 f., 184 f. – Kausalitätsvermutung  87, 147 Kenntnisnahmeerfordernis, siehe Kausalität Kfz-Garantie  44, 94, 96, 125, 201, 202 Klauselrichtlinie  25, 26, 32, 33 Kollisionsrecht, europäisches  68–70, 97 Konsumgütermarkt  12 Lauterkeitsrecht, siehe Wettbewerbsrecht Law and economics  76, 88, 91, 129 Lebensdauer  14 f., 106 Leistungsparameter, zentrale  24, 27, 36, 117 Magnuson Moss Warranties Act  78 Marke  38 f. Market for lemons  24, 90, 128, 154, 163 Market, digital single  21 Marketinginstrument 1 Markt  11 f. – Akerlof-Markt  11 – Anonymität  12 – digital single market  21 f. – Gebrauchtwagenmarkt  39, 40, 183 – Konsumgütermarkt  12 – market for lemons  24, 90, 128, 154, 163 – Markttransparenz  21, 129 f., 132 – Marktversagen  13 f., 128 f., 163 – Optionsmarkt  12, 30

Register Marktinformationshaftung, gesetzliche  4, 179–188 Marktordnungsrecht  1, 3, 11, 53, 122 f., 173–175, 213 Markttransparenz  21 Marktversagen  13 f., 128 f., 163 – race to the bottom  13 Mindestharmonisierung  103, 110 Mitsubishifall  101, 124 Montagekosten  204 f., 215, 220 f. Moral hazard  42–48, 195, 201–203, 221 – Informationsasymmetrie  43 – Konsumentensorgfalt  47 f. Newcomer  37, 38–41 Nutzungsausfallschaden  52 Offerte ad incertas personas  118 Onlinehandel  21, 80, 89, 97 Overenforcement  64 Overinclusion  91 f. Parteiwille, objektiver  81 Passivlegitimation  191 Popularklage  63 f. Preisangaberichtlinie  206 Preisdifferenzierung  15, 19, 183, 204 f. Privatautonomie  1 f., 79–81, 158, 195–197 – Einwendung, rechtshemmende  195–199 – Vorrang  195–199, 223 Private enforcement  63–71, 86, 89, 92, 99, 105, 185 – Informationsvorsprung  66 Prospekt  160 – Informationsfunktion  160 f. Prospekthaftung, bürgerlich-rechtliche  127, 160–167 – Allokationseffizienz  164 – Culpa in contrahendo  162 – Hintermänner – Interesse, negatives  185, 187 – Kausalität – Marktordnungsrecht  163 f. – Prospekt  160 – Rechtsgrund  161, 165 f. – Systemvertrauen  169 – Vertrauen, typisiertes  161 f., 169 Publikumswerbung  90, 100, 118, 211

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Qualitätssignal, siehe Signaling Qualitätsunsicherheit  12, 24, 79, 95, 183 Race to the bottom  13 Rechtsbindungswille  115–117, 120, 122, 126, 128 – invitatio ad offerendum  118 f. Rechtsfolge  103–107, 186–188, 199–209 – Erfüllungshaftung  75, 80, 103–107, 185–188, 199–209 – Ersatzlieferung  203 f., 212 – Haftungsausschluss  201–203, 222 f. – Haftungsbeschränkungen  205–207 – Mangel  200 f. – Mangelbeseitigung, kostenlose  204 f., 218, 224 – moral hazard  195, 201–203, 221 – Reparatur  203 f., 212 – Schadensersatz, verschuldensunabhängiger  207–209, 212 – Wiederherstellung der Gebrauchsmöglichkeit  106, 187, 199–201 Rechtsökonomie, siehe Law and economics Rechtsscheinhaftung  80, 102 Registrierung  216 Regulierungsrecht  3, 54 Reklame  7 – übertriebene Behauptungen  7 Reputation  14, 21, 38, 39, 183 – brand reputation  22, 39 – Marke  38 f. Rosinentheorie  136 Sachmängelhaftung  48–52, 103, 137 f., 184, 191 – Beschaffenheitsvereinbarung beim Fahrzeugkauf  127–132, 184 – Haftung für Werbeangaben  90, 108, 137 f., 184 Sanktionsnorm  72 Schaden  88 Schadensersatz, verschuldensunabhängiger  207–209 Schuldverhältnis, gesetzliches  80–84, 132–134, 214 – Schutzzweck der Norm  82, 106 Schutzzweckkonvergenz  31, 53–60, 86, 92, 93, 99, 107, 219

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Register

Selektion, adverse  13 Signalfunktion, siehe Signaling Signaling  14, 21–52, 76–79, 96–98, 104, 106 f., 123 f. – Signalinginstrument  8, 16, 19, 22 – Signalwirkung  76–79, 92 Signalinginstrument, siehe Signaling Signing without reading  24, 78, 86, 218 – apathy, rational  24 – market for lemons  24 Sofortkauf  119 f. Sorting Theory  19–21, 110 Spieltheorie  15 f. – Imitationspayoff  16 Systemvertrauen  153, 167–173 Transaktion, grenzüberschreitende  56, 97 f., 101, 141, 153, 194 Trennschärfe, teleologische  172, 179 UGP-Richtlinie  33 f., 53 f., 58 f., 82 f., 86, 90–93, 99–101, 145–148 Umsetzung, richtlinienkonforme  107 f. Unbestimmtheit  83 Underenforcement  64 Underinclusion  91 f. Verbraucherleitbild, europäisches  31 Verbraucherrechterichtlinie  2, 20, 57–59, 62, 76 f., 108–111, 191, 200 Verbraucherschutz  53–62 – Individualschutz  61, 159 – Vertrauensschutz, finaler  159 f., 165, 172 Verbrauchervertrauen  57, 59, 141, 153, 179, 220 Verkehrserwartung, siehe Erwartungen, typisierte Versandkosten  204 f., 217, 220 Verschlechterungswettbewerb  24 Versicherungsfunktion  17 f., 110 Versicherungstheorie  17 Vertrag zu Gunsten Dritter  121–123 Vertragsauslegung, ergänzende  83, 117, 122, 209–214

Vertragsfreiheit  217 Vertrauen 141–176 – Erwartungssicherheit  172 f. – Informationsasymmetrie  57 – Kausalitätserfordernis  170 f. – Konturenlosigkeit  170 f. – Systemvertrauen  153, 167–173 – Verbrauchervertrauen  57, 59, 141, 153, 179, 220 – Vertrauen, normatives  170 f., 173 – Vertrauen, persönliches  167–169 – Vertrauen, typisiertes  161 – Vertrauensatmosphäre  153, 155 Vertrauenshaftung  81, 141–176 – Funktionswandel  160 – Individualschutz  159 f. – Vertrauensschutz, finaler  159 f., 165, 172 Vertrauensschaden, siehe Interesse, negatives Vollharmonisierung  54 f., 58, 99, 109, 145 Waren, unbestellte  62 Warenhandelsrichtlinie  53, 58 f., 77 Warranty, extended  20 Wartungspflicht, siehe Inspektionsobliegenheit Werberichtlinie  61, 93, 101 Werbung, 7 f., 78, 89–98 – Doppelfunktion  7 f. – Informationsfunktion  8, 78, 132, 207 – Werbung, einschlägige  93–98, 190, 194 – Werbung, verfügbare  190 Wertungskongruenz, siehe Schutzzweck­ konvergenz Wettbewerb  56, 60 f. Wettbewerbsrecht  53, 60–62, 83 f., 86, 90–92, 99–102, 145–148 Widerspruch zwischen Werbung und Vertrag  106 f., 215–224 Willenserklärung  114–127 Zahnersatzfall  124, 190 Zusatzkosten, erhebliche  221 Zuständigkeitsrecht, europäisches  68 f., 71